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German Pages 253 Year 2014
Schriften zum Strafrecht Band 265
Investigativer Journalismus im Spannungsfeld zwischen Pressefreiheit und Strafrecht Eine Betrachtung des Kern- und Nebenstrafrechts unter dem Gesichtspunkt der Auswirkungen auf den investigativen Journalismus in Deutschland
Von
Swantje Marie Klintworth
Duncker & Humblot · Berlin
SWANTJE MARIE KLINTWORTH
Investigativer Journalismus im Spannungsfeld zwischen Pressefreiheit und Strafrecht
Schriften zum Strafrecht Band 265
Investigativer Journalismus im Spannungsfeld zwischen Pressefreiheit und Strafrecht Eine Betrachtung des Kern- und Nebenstrafrechts unter dem Gesichtspunkt der Auswirkungen auf den investigativen Journalismus in Deutschland
Von
Swantje Marie Klintworth
Duncker & Humblot · Berlin
Die Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg hat diese Arbeit im Jahre 2013 als Dissertation angenommen.
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Meinen Eltern
Die Freiheit ist immer in der Defensive und daher in Gefahr. Wo die Gefahr in einer Bevölkerung nicht mehr gespürt wird, ist die Freiheit fast schon verloren. Karl Jaspers
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg im Wintersemester 2012/2013 als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur wurden grundsätzlich bis Januar 2012 berücksichtigt. Aufgrund der besonderen Bedeutung für den investigativen Journalismus wurden jedoch das am 01. 08. 2012 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung der Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht sowie das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. 02. 2013 zur Anwendbarkeit der Landespressegesetze auf Bundesbehörden nachträglich in komprimierter Form eingearbeitet. Für die gute Betreuung dieser Arbeit und seine wertvollen Anregungen und Ratschläge möchte ich mich ganz herzlich bei meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Reinhard Merkel bedanken. Herrn Prof. Dr. Wolfgang Schulz danke ich für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Daneben hat mir eine Reihe weiterer lieber Menschen bei der Erstellung dieser Arbeit zur Seite gestanden, wofür ich ihnen allen sehr dankbar bin. Dazu gehören zuallererst meine Eltern, die mich nicht nur bei meiner Doktorarbeit, sondern auch sonst immer in jeder Hinsicht unterstützt haben. Aus diesem Grund ist diese Arbeit ihnen gewidmet. Aber auch meinem Mann Cord danke ich sehr für seinen Rückhalt und dafür, dass er mich immer bestärkt und motiviert hat, wenn es nötig war. Einen großen Beitrag zu dieser Arbeit hat außerdem Herr Jun.-Prof. Dr. Olaf Muthorst geleistet. Ihm danke ich nicht nur besonders für das Korrekturlesen der gesamten Arbeit, sondern auch für die gewinnbringenden Gespräche und Denkanstöße. Meinen Mitstreiterinnen Iris Brindöpke und Sarah Wack gebührt ebenfalls Dank für den regelmäßigen Gedankenaustauch und die gute Arbeitsatmosphäre in unserem Kolloquium. Und zu guter Letzt bedanke ich mich natürlich auch bei meinen Freunden und Kollegen an der Fakultät für Rechtswissenschaft, derentwegen ich sehr gerne an meine schöne Zeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin zurückdenke. Hamburg, im März 2014
Swantje Klintworth
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I. Gegenstand der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Erster Teil Investigativer Journalismus – Begriff und Bedeutung
28
A. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 I. Sprachliche Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 II. Begriffsbestimmungen in der wissenschaftlichen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. Die drei vorherrschenden Hauptabgrenzungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 a) Vorgehensweise: Die aktive Rolle des Journalisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 b) Themenkatalog: Sozial relevante Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 c) Äußere Umstände: Recherchearbeit gegen den Widerstand Betroffener . . . 34 2. Sonstige Kriterien zur Bestimmung investigativer Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 a) Das Aufstellen zusätzlicher Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 b) Annäherung über andere Herangehensweisen: Medienwirkungsforschung und internationale Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 III. Kritik und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 B. Gesellschaftliche Bedeutung des investigativen Journalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Zweiter Teil Normative Grundlagen des investigativen Journalismus – rechtlich gesicherte Recherche- und Berichterstattungsfreiheit
42
A. Recherchefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 I. Verfassungsrechtlicher Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
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Inhaltsverzeichnis 1. Die Medienfreiheiten des Art. 5 I 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2. Informationsfreiheit nach Art. 5 I 1 Var. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3. Die Schranke der allgemeinen Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 II. Einfachgesetzlicher Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1. Informationsanspruch aus den Landespressegesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 a) Inhalt und Grenzen des Informationsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 aa) Inhalt und Ausgestaltung des Anspruchs: Auskünfte, die der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Presse dienen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 bb) Beschränkungen des Anspruchs durch normierte Auskunftsverweigerungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 b) Anspruchsverpflichtete: Behörden der Länder und Gemeinden . . . . . . . . . . 48 aa) Behörden im Sinne des Presserechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 bb) Behördeninterne Auskunftskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 c) Anspruchsberechtigte: Vertreter der Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Recht auf Zugang zu amtlichen Unterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 a) Informationsfreiheitsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 aa) Inhalt des Anspruchs: Zugang zu allen Aufzeichnungen, die amtlichen Zwecken dienen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 bb) Anspruchsverpflichtete: Behörden des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 cc) Anspruchsberechtigte: natürliche und juristische Personen . . . . . . . . . . 53 (1) Auslegung nach dem Wortlaut des § 1 I IFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 (2) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 (3) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 (4) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 (5) Verfassungskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 (6) Ergebnis der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 dd) Informationsfreiheitsgesetze auf Länderebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 ee) Bedeutung des Informationsfreiheitsgesetzes in der journalistischen Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) Umweltinformationsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 aa) Inhalt des Anspruchs: Zugang zu Umweltinformationen . . . . . . . . . . . . 60 bb) Anspruchsverpflichtete: informationspflichtige Stellen gemäß § 2 I UIG 61 cc) Anspruchsberechtigte: „jede Person“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 dd) Zugang zu Umweltinformationen auf Länderebene . . . . . . . . . . . . . . . . 62
Inhaltsverzeichnis
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c) Verbraucherinformationsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 aa) Inhalt des Anspruchs: Zugang zu Informationen über Lebens- und Futtermittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 bb) Anspruchsverpflichtete: Behörden oder Personen des Privatrechts, die für die Erfüllung der in § 1 LFGB genannten Zwecke zuständig sind . . 64 cc) Anspruchsberechtigte: natürliche und juristische Personen . . . . . . . . . . 65 dd) Das Verbraucherinformationsgesetz in der journalistischen Praxis . . . . 65 d) Das Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (Stasi-Unterlagen-Gesetz) . . . . . . 66 aa) Zugangsregelungen für jedermann gemäß § 3 StUG . . . . . . . . . . . . . . . 66 bb) Besonderes Zugangsrecht für Presse, Rundfunk und Film gemäß § 34 StUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 cc) Einschränkung für personenbezogene Informationen . . . . . . . . . . . . . . . 68 3. Recht auf Einsicht in öffentliche Register und behördliche Verzeichnisse . . . . 69 a) Vereinsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 b) Handels- und Unternehmensregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 c) Grundbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 d) Schuldnerverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 e) Melderegister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 4. Zutritt zu öffentlichen Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 a) Staatliche Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 aa) Sitzungen staatlicher Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 (1) Parlamentssitzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 (2) Gerichtsverhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 bb) Pressekonferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 b) Veranstaltungen in privater Trägerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 aa) Zugang zu öffentlichen Versammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 bb) Das Recht auf Kurzberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 B. Berichterstattungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 I. Die Meinungsfreiheit des Art. 5 I 1 Var. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 II. Die Medienfreiheiten des Art. 5 I 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 III. Das Zensurverbot des Art. 5 I 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 IV. Die Schranke der allgemeinen Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
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Inhaltsverzeichnis Dritter Teil Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
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A. Vorschriften zum Schutz des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs und sonstiger persönlicher Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 I. §§ 201 ff. StGB, die Regelungen zum Schutz des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 1. § 201 StGB, Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 b) Die einzelnen Tatbestände des § 201 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 aa) Aufnehmen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes eines anderen . . . 82 bb) Das Gebrauchen oder einem Dritten Zugänglichmachen einer so hergestellten Aufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (1) Das Tatobjekt: eine „so hergestellte Aufnahme“ . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (2) Gebrauchen oder Zugänglichmachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 cc) Das Abhören mittels eines Abhörgerätes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 dd) Das öffentliche Mitteilen eines aufgenommenen bzw. abgehörten nichtöffentlich gesprochenen Wortes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 c) Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 aa) Allgemeine Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (1) Die Einwilligung als Rechtfertigungsgrund bei einer Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (2) Rechtfertigung durch Notwehr gemäß § 32 StGB . . . . . . . . . . . . . . . 94 (3) Rechtfertigung durch Notstand gemäß § 34 StGB . . . . . . . . . . . . . . 95 (4) Analoge Anwendung der Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß § 193 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 (5) Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt der Güter- und Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 (6) Rechtfertigung unmittelbar aus Art. 5 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 bb) Erweiterte Rechtfertigung für § 201 II 1 Nr. 2 StGB: Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen gemäß § 201 II 3 StGB . . . . . . . . . 99 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. § 201a StGB, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 b) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 aa) Der Entwurf der FDP-Fraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
Inhaltsverzeichnis
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bb) Der Entwurf der CDU/CSU-Fraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 cc) Der Entwurf des Bundesrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 dd) Der fraktionsübergreifende Entwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 c) Die Tathandlungen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 aa) Tathandlungen nach § 201a StGB: Herstellen oder Übertragen einer Bildaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 bb) Tathandlungen nach § 201a II StGB: Gebrauchen oder einem Dritten Zugänglichmachen einer nach Absatz 1 hergestellten Bildaufnahme . . . 106 cc) Tathandlung nach § 201a III StGB: Unbefugtes Zugänglichmachen einer befugt hergestellten Bildaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 d) Verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber der Regelung des § 201a StGB 107 aa) Die Kritikpunkte im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (1) Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . 109 (2) Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 (a) Sachlicher Geltungsbereich: der „höchstpersönliche Lebensbereich“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (b) Räumliche Abgrenzung: „Wohnung oder gegen Einblick besonders geschützter Raum“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 (c) Die Tathandlung „übertragen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (d) Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (3) Kollision mit der Presse- und Rundfunkfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (a) Einschränkung wichtiger investigativer Recherchen . . . . . . . . . . 120 (b) Verbot der Verwendung rechtswidrig beschaffter bzw. erlangter Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (c) Verunsicherung bei den Medienschaffenden . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (d) Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 bb) Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 (1) Abschaffung des § 201a StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 (2) Korrektur im Wege der verfassungskonformen Auslegung des § 201a StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 (3) Analoge Anwendung eines besonderen Rechtfertigungsgrundes . . . 125 (4) Korrektur auf der Tatbestandsebene und Einführung eines Rechtfertigungsgrundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 e) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 3. § 202 StGB, Verletzung des Briefgeheimnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 b) Öffnen eines verschlossenen Briefes oder eines anderen verschlossenen Schriftstücks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
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Inhaltsverzeichnis c) Kenntnisverschaffung unter Anwendung technischer Mittel . . . . . . . . . . . . . 130 d) Kenntnisverschaffung nach Öffnen eines verschlossenen Behältnisses . . . . . 131 e) Verwendung von Schriftstücken, die ein anderer unter Verstoß gegen § 202 StGB erlangt hat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 f) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 4. § 202a StGB, Ausspähen von Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 b) Tatobjekt des § 202a StGB: Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 c) Tathandlung des § 202a StGB: Verschaffen des Zugangs . . . . . . . . . . . . . . . 134 d) Verwendung von Daten, die ein anderer unter Verstoß gegen § 202a StGB erlangt hat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 e) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 5. §§ 203, 26 bzw. 27 StGB, Anstiftung oder Beihilfe zur Verletzung von Privatgeheimnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 b) Unbefugte Geheimnisoffenbarung nach § 203 I StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 aa) Täterkreis: Angehörige der in § 203 I StGB genannten Berufsgruppen 137 bb) Tatobjekt des § 203 I StGB: Ein fremdes Geheimnis, das dem Täter anvertraut oder sonst bekannt geworden ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 cc) Tathandlung des § 203 I StGB: Offenbaren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 c) Geheimnisoffenbarung durch Amtsträger usw. nach § 203 II StGB . . . . . . . 140 aa) Täterkreis: Angehörige der in § 203 II StGB genannten Berufsgruppen 140 bb) Tatobjekte des § 203 II StGB: Fremde Geheimnisse sowie bestimmte Einzelangaben, die für Verwaltungszwecke erfasst worden sind . . . . . . 141 cc) Das Verhältnis von § 203 II StGB und dem Informationsanspruch aus den Landespressegesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 d) Beteiligung eines Journalisten am Geheimnisverrat: Problematik der notwendigen Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 aa) Notwendige Teilnahme durch den Träger des geschützten Rechtsguts . 145 bb) Notstandsähnliche Lage für den notwendig Beteiligten . . . . . . . . . . . . . 145 cc) Teilnahme nur in dem tatbestandsnotwendigen Mindestmaß . . . . . . . . . 146 e) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 6. § 204 StGB, Verwertung fremder Geheimnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 7. Zwischenergebnis zu den Regelungen zum Schutz des persönlichen Lebensund Geheimbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
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II. § 238 StGB, Nachstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 3. Nachstellen durch Aufsuchen der räumlichen Nähe einer anderen Person nach § 238 I Nr. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 a) Aufsuchen der räumlichen Nähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 b) Beharrliches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 c) Unbefugtes Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 d) Taterfolg: Schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung . . . . . . 154 e) Nachstellen durch versuchte Kontaktaufnahme mittels der Kommunikationsmittel des § 238 I Nr. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 4. Verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber der Regelung des § 238 StGB . . . 156 a) Die Kritikpunkte im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 aa) Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 bb) Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 cc) Kollision mit der Presse- und Rundfunkfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 (1) Pönalisierung journalistischer Arbeit durch die Weite des Tatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 (2) Verunsicherung bei den Medienschaffenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 (3) Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 b) Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 aa) Analoge Anwendung eines besonderen Rechtfertigungsgrundes . . . . . . 161 bb) Rechtfertigung über Art. 5 I 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 cc) Korrektur im Wege der verfassungskonformen Auslegung des § 238 I StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 (1) Das Merkmal „unbefugt“ als Anknüpfungspunkt für die Straflosigkeit journalistischer Recherchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 (2) Das Merkmal „beharrlich“ als Anknüpfungspunkt für die Straflosigkeit journalistischer Recherchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (3) Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 dd) Korrektur im Wege einer Gesetzesänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 III. § 123 StGB, Hausfriedensbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 2. Die geschützten Objekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
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Inhaltsverzeichnis 3. Tathandlung des Eindringens, § 123 I Var. 1. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 a) Anforderungen an den Willen des Berechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 b) Die erschlichene Zutrittserlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 c) Die missbräuchliche Nutzung einer generellen Zutrittserlaubnis . . . . . . . . . 170 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 4. Tathandlung des unbefugten Verweilens, § 123 I Var. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . 171 5. Besonderheit bei öffentlichen Versammlungen: Kein Ausschluss von Pressevertretern zulässig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 6. Die Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 a) Aufenthalt in Privatgebäuden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 b) Aufenthalt in öffentlichen Räumlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 7. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 IV. §§ 185 ff. StGB, die Ehrschutzdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
B. Vorschriften zum Schutz der Rechtspflege und des öffentlichen Friedens . . . . . . . . . . 177 I. § 138 StGB, Nichtanzeige geplanter Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 2. Die Anzeigepflicht nach § 138 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 3. Ausnahmen von der Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 a) Allgemein bestehende Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 b) Privilegierung bestimmter Berufsgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 II. § 140 StGB, Belohnung und Billigung von Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2. Tathandlung: Belohnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 3. Tathandlung: Billigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 III. § 164 StGB, Falsche Verdächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 IV. § 353d StGB, Verbotene Mitteilung über Gerichtsverhandlungen . . . . . . . . . . . . . 184 1. Der Tatbestand des § 353d Nr. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 2. Der Tatbestand des § 353d Nr. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 3. Der Tatbestand des § 353d Nr. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 4. Kritik an § 353d Nr. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187
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5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 C. Delikte in Verbindung mit einer Täuschung über die eigene Identität – Die Strafbarkeit der „Wallraff’schen Methoden“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 I. § 263 StGB, Betrug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 1. Anstellungsbetrug durch Eingehen von Arbeitsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 2. Unberechtigte Inanspruchnahme von Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 II. § 281 StGB, Missbrauch von Ausweispapieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 III. § 267 StGB, Urkundenfälschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 D. §§ 353b, 26 bzw. 27 StGB, Anstiftung oder Beihilfe zur Verletzung eines Dienstgeheimnisses oder einer besonderen Geheimhaltungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 II. Verletzung von Dienstgeheimnissen nach § 353b I StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 1. Täterkreis: nur Angehörige der in § 353b I Nr. 1 bis 3 StGB genannten Personengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 2. Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 III. Verletzung einer besonderen Geheimhaltungspflicht nach § 353b II StGB . . . . . . 197 1. Täterkreis: Personen mit auferlegter Geheimhaltungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . 198 2. Tatobjekt: Gegenstände und Nachrichten, zu deren Geheimhaltung der Täter verpflichtet ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 3. Tathandlung des § 353b II StGB: Gelangenlassen an einen anderen bzw. öffentliches Bekanntmachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 IV. Beteiligung von Journalisten an der Verletzung von Dienstgeheimnissen . . . . . . . 199 1. Beihilfe durch Veröffentlichen eines Geheimnisses: Problem der sukzessiven Beihilfe im Beendigungsstadium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 2. Die sukzessive Beihilfe in Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 3. Kritische Würdigung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 V. Geplante Gesetzesänderung: Gesetzentwurf zur Stärkung der Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
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E. § 259 StGB, Hehlerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 F. Die Landespressegesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 G. Das Kapitalmarktstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 I. §§ 38 I Nr. 2, 39 II Nr. 3, 14 I Nr. 2 WpHG, unbefugte Weitergabe von Insiderinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 2. Täterkreis: Primärinsider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 3. Tatobjekt: Insiderinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 4. Tathandlung: Unbefugte Weitergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 a) Weitergabe innerhalb der Redaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 b) Publikation in den Medien als unbefugte Weitergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 aa) Kontroverse in der rechtswissenschaftlichen Literatur . . . . . . . . . . . . . . 209 bb) Kritische Würdigung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 5. Verfassungsrechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 6. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 II. §§ 38 II, 39 II Nr. 11, 20a I 1 Nr. 1 Var. 1 WpHG, unrichtige oder irreführende Berichterstattung über börsennotierte Unternehmen als verbotene Marktmanipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 2. Unrichtige oder irreführende Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 3. Bewertungserheblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 4. Einwirkung auf den Börsen- oder Marktpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 5. Besonderer Beurteilungsmaßstab für Journalisten gemäß § 20a VI WpHG . . . 215 6. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 III. Abschließendes Fazit zum Kapitalmarktstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 H. Das Urheberrechtsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 II. Tatobjekt: Werk oder eine Bearbeitung oder Umgestaltung eines Werkes . . . . . . 218 III. Tathandlung: Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe . . . . . . . 220 IV. In anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 1. Berichterstattung über Tagesereignisse gemäß § 50 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
Inhaltsverzeichnis
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2. Zulässige Zitate gemäß § 51 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 3. Veröffentlichung nach Ablauf der Schutzfrist der §§ 64 ff. UrhG . . . . . . . . . . . 222 V. Verfassungsrechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 I. Das Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 J. Das Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (Stasi-Unterlagen-Gesetz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 II. Tatobjekt: Geschützte Unterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 III. Tathandlung: Öffentliches Mitteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 IV. Kritik an § 44 StUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 K. Überblick zur Strafbarkeit von Redakteuren, Verlegern und Herausgebern . . . . . . . . . 228 I. Strafbarkeit nach den allgemeinen Vorschriften über Täterschaft und Teilnahme 228 1. Strafbarkeit des Presse- oder Rundfunkredakteurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 2. Strafbarkeit des Verlegers bzw. Herausgebers eines Druckwerkes . . . . . . . . . . 229 II. Sonderhaftung nach den Landespressegesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 I. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 II. Abschließende Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
Abkürzungsverzeichnis AfP ARD BDZV BKA BStU
Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rundfunkanstalten Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger Bundeskriminalamt Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik dju in Ver.di Deutsche Journalisten-Union in Ver.di DJV Deutscher Journalisten-Verband DÖV Die öffentliche Verwaltung DRiZ Deutsche Richterzeitung DtZ Deutsch-deutsche Rechts-Zeitschrift DVBl Deutsches Verwaltungsblatt epd medien Evangelischer Pressedienst (Informationsdienst für die Medienbranche) EuR Europarecht EurUP Zeitschrift für Europäisches Umwelt- und Planungsrecht EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht FBI Federal Bureau of Investigation (bundespolizeiliche Ermittlungsbehörde des Justizministeriums der Vereinigten Staaten von Amerika) GA Goltdammer’s Archiv für Strafrecht GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht HRRS Online-Zeitschrift für höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht IRE Investigative Reporters and Editors (amerikanische Berufsorganisation investigativer Journalisten) JA Juristische Arbeitsblätter JR Juristische Rundschau Jura Juristische Ausbildung JuS Juristische Schulung JZ Juristenzeitung K&R Kommunikation & Recht KJ Kritische Justiz: Vierteljahresschrift für Recht und Politik KritV Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft LPG Landespressegesetze (Wird als generelle Verweisung auf alle Landespressegesetze verwendet, wenn nicht auf ein bestimmtes Landespressegesetz Bezug genommen wird.) MMR Multimedia und Recht NJOZ Neue Juristische Online-Zeitschrift NJW Neue Juristische Wochenschrift NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht
24 RAF RDV SNJ StV SZ taz VDZ VerwArch VPRT VVOJ WM WRP ZBB ZDF ZIS ZRP ZStW ZUM ZUR
Abkürzungsverzeichnis Rote Armee Fraktion (1970 gegründete linksextremistische deutsche terroristische Vereinigung) Recht der Datenverarbeitung Syndicat national des journalistes (französische Journalisten-Gewerkschaft) Strafverteidiger Süddeutsche Zeitung tageszeitung Verband Deutscher Zeitschriftenverleger Verwaltungsarchiv Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation Vereniging van Onderzoeksjournalisten (niederländische Vereinigung von Enthüllungsjournalisten) Wertpapiermitteilungen Wettbewerb in Recht und Praxis Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zweites Deutsches Fernsehen Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht Zeitschrift für Umweltrecht
Im Übrigen wird hinsichtlich der verwendeten Abkürzungen verwiesen auf: Dudenredaktion (Hrsg.): Die deutsche Rechtschreibung, 25. Aufl., Mannheim (u. a.) 2009 und Kirchner, Hildebert/Butz, Cornelie: Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 5. Aufl., Berlin 2003
Einleitung Das bekannteste Beispiel für investigativen Journalismus ist vermutlich die Watergate-Affäre in den USA.1 Aber auch in Deutschland gab es aufsehenerregende Fälle, in denen die Medien politische Skandale aufgedeckt haben. Ein Beispiel ist die CDU-Spendenaffäre, bei der der Journalist Hans Leyendecker 1999 die illegalen Praktiken der CDU im Umgang mit Parteispenden in den 90er Jahren aufdeckte. Infolgedessen wurde im Bundestag ein Untersuchungsausschuss eingerichtet und die Bestimmungen zur Parteifinanzierung im Parteiengesetz wurden verschärft.2 Diese Beispiele verdeutlichen die essentielle Bedeutung der Medien für unsere Gesellschaft. Einerseits üben sie eine positive Kontrollfunktion aus und fungieren als „Vierte Gewalt“, andererseits haben sie damit zugleich die Macht, das Leben der Berichterstattungsobjekte nachhaltig zu beeinträchtigen und beispielsweise politische Karrieren zu beenden. Selbst wenn sich eine negative Berichterstattung im Nachhinein als falsch oder jedenfalls verzerrt herausstellt, lässt sich die Reputation der Betroffenen durch eine Gegendarstellung in der Regel nicht gänzlich wieder herstellen. Heinrich Böll hat dieses Einflusspotential der Medien treffend mit den Worten ausgedrückt: „Die Gewalt von Worten kann manchmal schlimmer sein als die von Ohrfeigen und Pistolen.“3 Der Gesetzgeber steht damit vor der Aufgabe, normative Rahmenbedingungen zu schaffen, die es einerseits den Medien ermöglichen, ihre Kontrollfunktion wahrzunehmen, und die andererseits jeden Einzelnen gegen das Eindringen der Medien in seine Privatsphäre und gegen eine unerwünschte Berichterstattung schützen. Das Strafrecht ist dabei eine Möglichkeit, die journalistische Recherche und Berichterstattung zu begrenzen und so die Rechte der Betroffenen zu wahren. Angesichts der Häufigkeit, mit der in den letzten Jahren auf journalistischen Fachtagungen aber auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur diskutiert wurde, ob das Strafrecht den investigativen Journalismus zu sehr einschränkt,4 stellt sich jedoch die Frage, ob dem 1
Siehe dazu Erster Teil, Kapitel A.III. Zu den Einzelheiten siehe den Bericht des Bundestagsuntersuchungsausschusses, BTDrs. 14/9300. 3 Heinrich Böll in einem Interview 1974 nach Erscheinen seiner medienkritischen Erzählung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“, siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Die_verlo rene_Ehre_der_Katharina_Blum; letzter Zugriff am 25. 01. 2012. 4 Auf dem Medienkongress „Pressefreiheit und Demokratie“, der am 13. Juni 2007 unter anderem von der Bundeszentrale für politische Bildung und dem Deutschen Journalistenverband im Hambacher Schloss abgehalten wurde, wurden beispielsweise die Auswirkungen des § 201a StGB auf die Pressefreiheit kritisiert, vgl. http://www.bpb.de/veranstaltungen/2S9DCB, 0,Pressefreiheit_und_Demokratie_8211%3B_175_Jahre_Hambacher_Fest.html; letzter Zugriff 2
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Einleitung
Gesetzgeber der Interessenausgleich gelungen ist oder ob die Strafrechtsgesetzgebung die Belange des investigativen Journalismus nicht ausreichend berücksichtigt hat. Im zweiten Fall bestünde dringender Korrekturbedarf, da der investigative Journalismus mehr als andere journalistische Erscheinungsformen zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Medien beiträgt.5
I. Gegenstand der Arbeit Im Rahmen dieser Arbeit soll daher geklärt werden, welche Grenzen dem investigativen Journalismus durch das Strafrecht gesetzt werden. Es wird umfassend dargestellt, welche Regelungen des Kern- und Nebenstrafrechts sich auf den investigativen Journalismus auswirken können. Im Mittelpunkt steht die Untersuchung, ob diese Grenzen einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der jeweils geschützten Rechtsgutsinhaber und denen des investigativen Journalismus (und damit zuletzt der Gesellschaft selbst) schaffen oder ob letzterer unverhältnismäßig eingeschränkt wird. Das Ziel dabei ist, zu klären, ob normativer Regelungsbeziehungsweise Änderungsbedarf besteht und welche Anforderungen an eventuelle gesetzliche Neuregelungen zu stellen sind.
II. Gang der Untersuchung Die Klärung dieser Frage erfordert es zunächst, eine Definition von investigativem Journalismus zu finden, die eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dieser Materie zulässt. Um die Relevanz des Themas hervorzuheben, werden zu Beginn außerdem die gesellschaftliche Funktion und Bedeutung des investigativen Journalismus erörtert. Beides wird Gegenstand des ersten Teils dieser Arbeit sein. Weil die Darstellung der rechtlichen Grenzen die Bestimmung der positiven Rechte voraussetzt, werden im zweiten Teil die verfassungsrechtlich und einfachgesetzlich gesicherte Recherche- und Berichterstattungsfreiheit aufgeführt, welche die normative Grundlage des investigativen Journalismus bilden. Es folgt im dritten Teil die Auseinandersetzung mit den strafrechtlichen Grenzen für den investigativen Journalismus. Im Anschluss daran wird im Schlussteil der Arbeit erläutert, ob der investigative Journalismus angesichts der gegenwärtigen Rechtslage seine gesellschaftliche Funktion erfüllen kann oder ob Veränderungen durch den Gesetzgeber vorgenommen werden sollten und wie diese gegebenenfalls aussehen könnten.
am 25. 01. 2012. Der Rechtswissenschaftler Christian Schröder sieht strafrechtliche Risiken für den investigativen Journalismus in den Regelungen des Wertpapierhandelsgesetzes, vgl. Schröder, NJW 2009, 465 ff. Weitere Beispiele finden sich bei den jeweils kritisierten Vorschriften im dritten Teil der Arbeit. 5 Siehe dazu Erster Teil, Kapitel B.
Einleitung
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Neben dem Strafrecht enthalten selbstverständlich auch die übrigen Rechtsgebiete Grenzen für den investigativen Journalismus. Als Beispiele aus dem Zivilrecht kommen etwa Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüche im Fall von Rechtsverletzungen in Betracht. Aus dem öffentlichen Recht ist exemplarisch an Fotografierverbote im Zusammenhang mit Gerichtsverhandlungen oder militärischen Schutzbereichen zu denken. Eine Auseinandersetzung mit allen rechtlichen Einschränkungen für den investigativen Journalismus wäre zwar von großem Interesse für Wissenschaft und Praxis, sie würde jedoch den Rahmen einer Dissertation übersteigen. Aus diesem Grund ist die vorliegende Untersuchung auf eine Befassung mit dem Strafrecht beschränkt.
Erster Teil
Investigativer Journalismus – Begriff und Bedeutung A. Begriffsbestimmung Eine prägnante Bestimmung des Begriffs „investigativer Journalismus“ zu finden, ist schwierig. Selbst in der Wissenschaft wird vereinzelt die Meinung vertreten, es sei gar nicht möglich, den Begriff des investigativen Journalismus auf eine bestimmte Definition festzulegen.1 In der Tat findet sich in der journalistischen Praxis eine Vielzahl unpräziser Beschreibungen. Einige von ihnen gehen sogar davon aus, dass der investigative Journalismus keine eigene journalistische Erscheinungsform ist, sondern dass es sich dabei nur um die intensivere Betreibung anderer journalistischer Arbeitsformen handelt. Der amerikanische Reporting-Spezialist Curtis MacDougall schreibt beispielsweise in seinem Lehrbuch „Interpretive Reporting“: „Actually the investigative reporter is like any other kind of reporter, only more so. More inquisitive, more skeptical, more resourceful and imaginative in knowing where to look for facts, more ingenious in circumventing obstacles, more indefatigable in the pursuit of facts and able to endure drudgery and discouragement.“2
Auch Benjamin C. Bradlee, der frühere Executive Editor der Washington Post und damit der Verantwortliche hinter den „Watergate“-Reportern Bob Woodward und Carl Bernstein, geht davon aus, dass im Grunde jede Art von Journalismus investigativ ist, wenn sie nur hartnäckig hinterfragt: „Any kind of journalism, if you ask more than a couple of questions, becomes investigative by definition.“3
Und Werner Holzer, ehemaliger Chefredakteur der Frankfurter Rundschau, bezeichnet den investigativen Journalismus als Pleonasmus, als „weißen Schimmel“, mit der Begründung, wirklicher Journalismus sei schon immer nachforschend gewesen.4 Bei dem Vorhaben, investigativen Journalismus zu definieren, helfen diese Beschreibungen nicht weiter. Sie ermöglichen keine Abgrenzung des investigativen 1
Kugel, Investigative Recherche im deutschen Journalismus, S. 12. MacDougall/Reid, Interpretative reporting, S. 202. 3 Benjamin C. Bradlee in einem Interview mit Wolfgang Janisch am 22. November 2003, in: Janisch, Investigativer Journalismus und Pressefreiheit, S. 15. 4 Holzer, AfP 1988, 113. 2
A. Begriffsbestimmung
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Journalismus von anderen Berichterstattungsmustern, da sie dessen Existenz als etwas Eigenständiges verneinen. Bei konsequenter Anwendung wird zudem deutlich, dass diese „Einfach-nur-mehr-Recherche“-Definition5 nicht sachgerecht ist. Bei einem hervorragenden Hintergrundbericht im Reise- oder Sportteil einer Zeitung kann das Maß an Recherche weit über das Übliche hinausgehen,6 sie sind aber dennoch nicht als investigativ einzustufen. Andererseits gibt es eine Vielzahl von journalistischen Berufsrollen, bei denen die Recherche nur eine untergeordnete Rolle spielt. Man stelle sich etwa einen Moderator von Informationssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor oder einen Redakteur, der in der Zentrale einer Nachrichtenagentur die Meldungen der Auslandskorrespondenten bearbeitet. Obwohl keiner von beiden für seine Tätigkeit umfassend recherchiert, wird ihnen niemand absprechen, dass sie im Qualitätsjournalismus tätig sind.7 Es ist demzufolge nicht jede ausgedehnte Recherche zugleich investigativ und nicht jegliche Form von Journalismus ist nachforschend. Für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem investigativen Journalismus sind diese Beschreibungen ungeeignet. Damit untersucht werden kann, wo Berührungspunkte und eventuelle Konflikte des investigativen Journalismus mit dem Strafrecht bestehen, ist vielmehr eine präzise Begriffsbestimmung notwendig, die vor allem eine klare Abgrenzung des investigativen Journalismus von anderen journalistischen Erscheinungsformen zulässt.
I. Sprachliche Analyse Der Antwort auf die Frage, was unter investigativem Journalismus zu verstehen ist, kann man sich zunächst durch eine sprachliche Analyse des Begriffs nähern.8 Das Verb „investigo“ bedeutet aus dem Lateinischen übersetzt „auskundschaften“, „erkunden“, „erforschen“, „ausfindig machen“ oder „aufspüren“. Ein „investigator“ ist ein „Aufspürer“ oder „Entdecker“.9 In den USA wird der Begriff „investigation“ zum Beispiel von parlamentarischen Untersuchungsgremien oder dem FBI verwendet.10 Mit dieser begrifflichen Parallelität zur Tätigkeit von Strafverfolgungsbehörden wird suggeriert, dass der investigativ tätige Journalist ebenfalls ermittelt und die Rolle eines Anklägers einnimmt.11
5
Nagel, Bedingt ermittlungsbereit, S. 28. Beispiele nach Nagel, Bedingt ermittlungsbereit, S. 28. 7 Beispiele nach Cario, Die Deutschland-Ermittler, S. 21. 8 Nach Janisch, Investigativer Journalismus und Pressefreiheit, S. 15 f. 9 PONS Wörterbuch Latein-Deutsch unter http://de.pons.eu/; letzter Zugriff am 25. 01. 2012. 10 Ludwig, Investigativer Journalismus, S. 21. 11 Janisch, Investigativer Journalismus und Pressefreiheit, S. 15. 6
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1. Teil: Investigativer Journalismus – Begriff und Bedeutung
Im DUDEN wird „investigativ“ gleichgesetzt mit „nachforschend“, „ausforschend“, „enthüllend“ oder „aufdeckend“.12 Die Bedeutungen „enthüllend“ oder „aufdeckend“ lassen darauf schließen, dass etwas publik gemacht wird, was andere lieber im Verborgenen gelassen hätten. Demgegenüber will derjenige, der Aus- oder Nachforschungen anstellt, neue Erkenntnisse gewinnen. Daher verwundert es auch nicht, dass das Wort „investigation“ im angelsächsischen Raum ebenfalls im wissenschaftlichen Zusammenhang benutzt wird.13 So verstanden, lässt sich investigativer Journalismus als Versuch betrachten, „die komplexe Realität umfassender widerzuspiegeln als sie in den Vergröberungen des tagesaktuellen Journalismus vorkommt.“14 Eine rein begriffliche Analyse ergibt also, dass investigativer Journalismus im Vergleich zu anderen Formen des Journalismus sowohl mehr als auch tiefgreifender recherchiert und neben der eigentlichen Geschichte auch deren Hintergründe herausarbeitet und sie für den Rezipienten darstellt. Des Weiteren wird aus der sprachlichen Nähe zum Ermittler deutlich, dass ein investigativer Journalist von sich aus aktiv werden muss, denn „ermitteln“ meint mehr als das bloße Publizieren von Informationen, die einem ein anderer zugetragen hat. Außerdem impliziert die Deutungsvariante „Enthüllen“, dass ein investigativ arbeitender Journalist mit Widerstand zu rechnen hat. Denn enthüllt wird typischerweise, was zuvor verschleiert worden ist. Und wer etwas verschleiert hat, will grundsätzlich nicht, dass darüber in einer Zeitung geschrieben oder einer Rundfunksendung berichtet wird.
II. Begriffsbestimmungen in der wissenschaftlichen Literatur Darüber hinaus gibt es in der journalistischen Fachliteratur einige Vorschläge, wie der Begriff „investigativer Journalismus“ zu definieren ist. Manfred Redelfs bezieht sich in seiner Dissertation auf „Investigative Reporting“ in den USA und versteht unter investigativem Journalismus „eine Form des US-Journalismus, bei der durch intensive Recherche bisher unbekannte Sachverhalte von politischer Relevanz öffentlich gemacht werden, die Einzelne, Gruppen oder Organisationen verbergen möchten. Ziel von IR ist es, Mißstände aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aufzudecken.“15
Für Ingmar Cario, selbst Journalist und Mitglied von „netzwerk recherche“16, ist investigativer Journalismus 12
DUDEN online unter http://www.duden.de; letzter Zugriff am 25. 01. 2012. Ludwig, Investigativer Journalismus, S. 21. 14 Janisch, Investigativer Journalismus und Pressefreiheit, S. 16. 15 Redelfs, Investigative Reporting in den USA, S. 32. 16 netzwerk recherche ist der Interessenverband investigativ arbeitender Journalisten in Deutschland. 13
A. Begriffsbestimmung
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„eine spezielle Form des Recherche-Journalismus, bei der durch die Initiative des Journalisten und auf der Grundlage von intensiver Recherche bisher unbekannte Sachverhalte von gesellschaftlicher Relevanz öffentlich gemacht werden, die Einzelne, Organisationen, Unternehmen oder staatliche Institutionen verbergen möchten. Ziel von investigativem Journalismus ist es, im öffentlichen Interesse und gegen den Widerstand von Betroffenen Missstände in Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft aufzudecken.“17
Nur leicht abgewandelt definiert Lars-Marten Nagel in seiner am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig entstandenen Studie den investigativen Journalismus als „eine Form des Recherche-Journalismus in nordamerikanischen und europäischen Gesellschaften, bei der durch persönliches Engagement und intensive Recherche des Journalisten bisher unbekannte Sachverhalte von hoher gesellschaftlicher Relevanz öffentlich gemacht werden, die Einzelne, Gruppen oder Organisationen verbergen möchten. Ziel des investigativen Journalismus ist es, im öffentlichen Interesse und gegen den Widerstand von Betroffenen Missstände in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aufzudecken und somit zu deren Beseitigung anzuregen.“18
In der Rechtswissenschaft hat sich Julia Eichhoff in ihrer Dissertation mit dem investigativen Journalismus aus verfassungsrechtlicher Sicht beschäftigt. Sie bestimmt investigativen Journalismus folgendermaßen: „Investigativer Journalismus bedeutet beharrliche Recherche gegen den Widerstand der Betroffenen, auch mit rechtswidrigen Mitteln und mit Hilfe vertraulicher Informanten, anhand nicht allgemein zugänglicher Quellen oder unter Kombination bereits bekannter Informationen zu einer neuen Information. Ziel ist es, die Öffentlichkeit über Missstände sachlich zu informieren, die zumeist durch Machtmissbrauch verursacht werden, und so in letzter Konsequenz den Staat und die Gesellschaft zu verbessern.“19
1. Die drei vorherrschenden Hauptabgrenzungskriterien Obwohl also Unterschiede im Detail bestehen, lässt sich feststellen, dass in der wissenschaftlichen Literatur weitgehend Einigkeit20 über drei wesentliche Kriterien besteht, durch die investigativer Journalismus gekennzeichnet ist: Investigativer Journalismus setzt eine aktive Rolle der Journalisten voraus, die Eigeninitiative und intensive Recherche umfasst, er behandelt Themen von gesellschaftlicher Relevanz wie Missstände in Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft und die Recherchearbeit erfolgt regelmäßig gegen den Widerstand der Betroffenen, weil diese die Sachverhalte lieber im Verborgenen halten möchten. Die Kriterien beziehen sich also erstens 17
Cario, Die Deutschland-Ermittler, S. 31. Nagel, Bedingt ermittlungsbereit, S. 40. 19 Eichhoff, Investigativer Journalismus aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 23 f. 20 Anderer Ansicht z. B. Protess/Cook/Doppelt u. a., für die investigativer Journalismus „the journalism of outrage“ ist. Dieser ist ihrer Ansicht nach dadurch gekennzeichnet, dass die Bevölkerung mit Empörung auf den aufgedeckten Skandal reagiert, siehe Protess/Cook/ Doppelt u. a., The Journalism of outrage, S. 5. 18
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1. Teil: Investigativer Journalismus – Begriff und Bedeutung
auf die Arbeitsweise der Journalisten, zweitens auf die Bandbreite potentieller Themen und drittens auf die äußeren Umstände der investigativen Recherche. Sie werden auch in der journalistischen Ausbildungsliteratur als die drei Hauptmerkmale des investigativen Journalismus aufgeführt.21 Zudem finden sich diese drei Merkmale allesamt in der Begriffsbestimmung der amerikanischen Berufsorganisation „Investigative Reporters and Editors“ (IRE) wieder, die investigativen Journalismus 1983 in der ersten Auflage ihres Investigative Reporter’s Handbook folgendermaßen definierte: „It is the reporting, through one’s own work product and initiative, matters of importance which some persons or organizations wish to keep secret. The three basic elements are that the investigation be the work of the reporter, not a report of an investigation made by someone else; that the subject of the story involves something of reasonable importance to the reader or viewer; and that others are attempting to hide these matters from the public.“22
Wie eine Umfrage der IRE 1986 in den USA bei 500 Zeitungsredaktionen und 200 Fernsehstationen gezeigt hat, ist diese Definition auch in der Praxis anerkannt. Rund 90 Prozent der befragten Journalisten stimmten dieser Tätigkeitsbeschreibung zu, so dass sie seitdem als professioneller Konsens gilt.23 Seit 1996 hat die IRE ihre Definition leicht verändert, trotz Abschwächung des Widerstandselements werden die drei Kernelemente aber beibehalten: „The reporting through one’s own initiative and work product, of matters of importance to the readers, viewers or listeners. In many cases, the subjects of the reporting wish the matters under scrutiny to remain undisclosed.“24
a) Vorgehensweise: Die aktive Rolle des Journalisten Investigatives Vorgehen erfordert dementsprechend zunächst Eigeninitiative des Journalisten. Er darf sich nicht nur auf die Veröffentlichung des ihm zugespielten Materials beschränken, sondern nimmt die Rolle eines Ermittlers ein und erschließt sich aktiv neue Quellen und Informationen. Die Recherchearbeit ist somit im Vergleich zu anderen journalistischen Tätigkeitsfeldern beim investigativen Journalismus von größerer Bedeutung und wird mit erhöhtem Aufwand betrieben.25 Das bedeutet auch, dass es beim investigativen Journalismus nicht darum geht, bereits veröffentlichte Informationen als Erster neu zu bewerten oder als Erster neue Argumente zu einer bekannten Sachlage zu äußern. Vielmehr muss der investigative Journalist aktiv bis dato unbekannte Fakten ermitteln. 21
Siehe z. B. Haller, Recherchieren, S. 124 ff.; Ludwig, Investigativer Journalismus, S. 21 ff. 22 Siehe das Vorwort zur ersten Auflage, abgedruckt in Ullmann/Colbert, The Reporter’s handbook, S. vii. 23 Haller, Recherchieren, S. 125; Redelfs, Investigative Reporting in den USA, S. 27 f. 24 Houston/Bruzzese/Weinberg, The Investigative Reporter’s Handbook, S. viii. 25 Haller, Recherchieren, S. 125; Ludwig, Investigativer Journalismus, S. 21.
A. Begriffsbestimmung
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Erst durch diese Eigeninitiative wird ein investigativer Journalist zu mehr als einem bloßen Kommunikator fremder Aussagen. Er löst sich von der „Hofberichterstattung“26 und stellt stattdessen eigene Nachforschungen an mit dem Ziel, „durch gründliche Recherchen öffentlich Behauptetes mit dem tatsächlich Erkennbaren zu konfrontieren.“27 Dabei müssen die ermittelten Informationen einen faktischen Bezug zur Wirklichkeit haben, Glaubens- oder Meinungsäußerungen sind keine tauglichen Rechercheobjekte.28 Zwar liefert den Anstoß für eine Recherche oft ein Informant, doch darf dieser nicht das Geschehen bestimmen.29 Daraus folgt aber nicht, dass nicht trotzdem eine enge Zusammenarbeit zwischen Journalisten und Informanten bestehen kann. Gerade weil der investigative Journalismus in der Regel gegen den Widerstand der Betroffenen betrieben werden muss, sind die Journalisten besonders auf andere Quellen angewiesen. Wesentlich ist dabei nur, dass der Journalist „Herr der Lage“ ist und über die Art und Weise sowohl der Recherche als auch der Veröffentlichung entscheidet.30 b) Themenkatalog: Sozial relevante Inhalte Investigativer Journalismus zeichnet sich zudem dadurch aus, dass er Themen mit sozialer – explizit politischer und gesellschaftlicher – Relevanz behandelt. Was unter sozialer Relevanz zu verstehen ist, ist allerdings nicht ohne Weiteres eindeutig zu sagen und hängt zudem auch von der jeweiligen Gesellschaft ab. Während in Deutschland zum Beispiel weitestgehend Konsens darüber herrscht, dass das Privatleben von Politikern nur in Ausnahmefällen gesellschaftlich relevant ist, wird dies in den USA nicht so gesehen. Anders als in Deutschland gehört das Privatleben der Politiker, insbesondere der Präsidentschaftskandidaten, dort zu ihrem öffentlichen Profil. Sie selbst machen ihre persönlichen Werte zum Inhalt ihres Wahlkampfes und die Öffentlichkeit zieht aus ihrem Verhalten im Privaten Rückschlüsse auf ihre politische Glaubwürdigkeit und die Eignung als Mandatsträger.31 Auch wenn es auf den gesellschaftlichen Hintergrund ankommt, um die soziale Relevanz zu beurteilen, ist der wesentliche Aspekt, dass der investigative Journalismus auf Missstände aufmerksam macht, bei denen gegen die jeweils herrschenden rechtlichen oder moralischen Normen verstoßen wurde.32 Den Katalog dabei nicht 26
Als „Hofberichterstattung“ bezeichnet Paetzold überspitzt das Gegenteil von politischem Recherchejournalismus, siehe Paetzold, in: Journalismus und Journalismus, S. 21. 27 Paetzold, in: Journalismus und Journalismus, S. 21 (32). 28 Cario, Die Deutschland-Ermittler, S. 19. 29 Redelfs, Investigative Reporting in den USA, S. 28. 30 Ludwig, Investigativer Journalismus, S. 21 f. 31 Nagel, Bedingt ermittlungsbereit, S. 35; Redelfs, Investigative Reporting in den USA, S. 29. 32 Nagel, Bedingt ermittlungsbereit, S. 36; Redelfs, Investigative Reporting in den USA, S. 30 f.
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1. Teil: Investigativer Journalismus – Begriff und Bedeutung
nur auf Rechtsverstöße zu beschränken, ist wichtig, um insbesondere die Fälle zu erfassen, in denen der recherchierende Journalist auf einen Missstand stößt, der vom Gesetzgeber noch nicht als problematisch und regelungsbedürftig erkannt wurde.33 Investigative Enthüllungen haben ihrem Anspruch nach also stets einen normativen beziehungsweise ethischen Gehalt. Zu den für sie charakteristischen Themen gehören: „Missmanagement, Amtsmissbrauch und Selbstbedienung an Stelle von Effizienz und Fairness; Filz und Klüngelwirtschaft statt Wettbewerb, Qualität und permanenter Innovation; Bestechung und flächendeckende Korruption, die nicht nur marktwirtschaftliche Mechanismen verdrängen, sondern auch verhängnisvolle Folgen für technischen und sozialen Fortschritt nach sich ziehen; individuelle Durchsetzung von Eigeninteressen auf Kosten der Allgemeinheit, von Schwächeren oder Minderheiten; unbemerkte Verstöße gegen allgemeingültige oder gesellschaftlich vereinbarte und seitens der Mehrheit akzeptierte Spielregeln; Betrug, Ignoranz und Interessenskonflikte jedweder Art, die Auswirkungen auf andere, d. h. vermeintlich Unbeteiligte haben.“34 Zugespitzt lässt sich sagen, investigativer Journalismus versteht sich als „Wachhund der Demokratie“35 oder als „Anwalt der Benachteiligten“36. Durch dieses politische und gesellschaftliche Engagement unterscheidet er sich vom sogenannten Sensations- oder Boulevardjournalismus, der im Gegensatz zum investigativen Journalismus vorwiegend voyeuristisch angelegt ist und sich mit HumanInterest-Themen, wie dem Privatleben von Prominenten, beschäftigt.37 Zwar nutzt auch der Boulevardjournalismus häufig die gleichen Recherchemethoden, er greift aber keine gesellschaftlich relevanten Themen auf, sondern dient lediglich der Unterhaltung der Leser.38 c) Äußere Umstände: Recherchearbeit gegen den Widerstand Betroffener Des Weiteren findet beim investigativen Journalismus die Recherche unter erschwerten Bedingungen statt. Wer sich unmoralisch oder sogar ungesetzlich verhält, möchte verhindern, dass dieses Verhalten öffentlich bekannt wird. Daher erfolgt die Beschaffung von Informationen regelmäßig gegen den Widerstand der betroffenen Personen oder Organisationen.39 Dies ist der Grund dafür, dass sich gerade investigative Journalisten bei der Informationsbeschaffung auf einem schmalen Grat zwischen legalem und „nicht mehr 33
Redelfs, Investigative Reporting in den USA, S. 30 f. Ludwig, Investigativer Journalismus, S. 21. 35 Meier, Journalistik, S. 185. 36 Redelfs, Investigative Reporting in den USA, S. 31. 37 Ludwig, Investigativer Journalismus, S. 21. 38 Preger, in: Boulevard der Öffentlichkeit, S. 198 (201 f.); Redelfs, Investigative Reporting in den USA, S. 29. 39 Haller, Recherchieren, S. 125; Ludwig, Investigativer Journalismus, S. 22. 34
A. Begriffsbestimmung
35
ganz so legalem“40 Verhalten bewegen. So empfiehlt die journalistische Ausbildungsliteratur in Ausnahmefällen beispielsweise die Recherche „unter Einsatz des Scheckbuchs“ oder mit fingiertem Material,41 die verdeckte Undercover-Recherche42 oder das Vorgehen mit versteckter Kamera.43 Obwohl diese Verhaltensweisen aus strafrechtlicher Sicht problematisch sind,44 ist die Bereitschaft zum Einsatz dieser Recherchemethoden durchaus vorhanden wie eine Befragung deutscher Journalisten gezeigt hat: 59 Prozent halten es unter Umständen für vertretbar, vertrauliche Regierungsunterlagen ohne Genehmigung zu benutzen, 49 Prozent sind bereit dazu, sich in einem Betrieb als Mitarbeiter einzuschleusen, um an interne Informationen zu gelangen, 32 Prozent würden sich als eine andere Person ausgeben, 28 Prozent würden versteckte Mikrofone und Kameras einsetzen, 27 Prozent würden für den Erhalt vertraulicher Unterlagen bezahlen, zwölf Prozent würden unwillige Informanten unter Druck setzen und acht Prozent sind bereit, unautorisiert private Papiere zu veröffentlichen.45 2. Sonstige Kriterien zur Bestimmung investigativer Arbeit a) Das Aufstellen zusätzlicher Anforderungen Neben diesen drei Hauptkriterien werden vereinzelt weitere Anforderungen genannt, die zusätzlich erfüllt sein müssen, damit investigativer Journalismus vorliegt: Johannes Ludwig erweitert den Katalog der Abgrenzungskriterien um drei Punkte. Er führt zunächst die Überzeugungsarbeit beim „Verkaufen“ der eigenen Arbeit in der Redaktion als weiteres eigenständiges Merkmal an. Denn es komme gerade bei sensiblen Geschichten, die politische oder juristische Folgen haben können, darauf an, sie bei den für den Inhalt eines Mediums Verantwortlichen durchsetzen zu können.46 Überdies benennt er eine verständliche Präsentation in Wort und/oder Bild als zusätzliches Kennzeichen für investigativen Journalismus. Weil im investigativen Journalismus in der Regel viele verschiedene Personen und Aspekte eine Rolle spielten, sei ein hohes Maß an faktischer und sprachlicher Präzision erforderlich.47 Zudem hält er auch das „Dranbleiben am Thema“, die notwendige Thematisierung der Langzeitfolgen im Anschluss an eine erfolgte Enthüllung für ein relevantes Kriterium.48 Die Bedeutung solcher Nachfolgegeschichten, die einen bestimmten Vorfall regelmäßig aufs Neue zum Objekt der öffentlichen Wahrnehmung machen, 40 41 42 43 44 45 46 47 48
Ludwig, Investigativer Journalismus, S. 22. Haller, Recherchieren, S. 128. Ludwig, Investigativer Journalismus, S. 179 ff. Ludwig, Investigativer Journalismus, S. 196 ff. Siehe dazu den dritten Teil dieser Arbeit. Weischenberg/Malik/Scholl, Die Souffleure der Mediengesellschaft, S. 301. Ludwig, Investigativer Journalismus, S. 23. Ludwig, Investigativer Journalismus, S. 23. Ludwig, Investigativer Journalismus, S. 23 f.
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1. Teil: Investigativer Journalismus – Begriff und Bedeutung
betont auch James H. Dygert, wenn er sagt, erst der „Follow-Up“ mache die Wirkung einer Berichterstattung aus.49 b) Annäherung über andere Herangehensweisen: Medienwirkungsforschung und internationale Untersuchungen Während sich Ludwig und Dygert also detaillierter mit der journalistischen Arbeitsweise als Abgrenzungskriterium befassen, nähert sich eine Gruppe von Wissenschaftlern der Northwestern University im Rahmen der Medienwirkungsforschung einer Definition des investigativen Journalismus, den sie als „journalism of outrage“ bezeichnen. Ihrer Ansicht nach lässt sich investigativer Journalismus nicht danach beurteilen, wie sich die Journalisten ihre Informationen beschaffen, sondern danach, was er für Auswirkungen hat. Für sie ist investigativer Journalismus: „More than a news-gathering process, the journalism of outrage is a form of storytelling that probes the boundaries of America’s civic conscience. Published allegations of wrongdoing – political corruption, government inefficiency, corporate abuses – help define public morality in the United States. Journalistic exposés that trigger outrage from the public or policy makers affirm society’s standards of misconduct. Societal indifference to investigative disclosures constitutes evidence of morally tolerable, if not ethically acceptable behaviour.“50
Ob es sich um einen aufgedeckten Missstand handelt, will die Forschergruppe also nicht objektiv bestimmen, sondern anhand der Reaktion der Bevölkerung festmachen. Für sie ist demnach die öffentliche Empörung das zentrale Erkennungsmerkmal für investigativen Journalismus. Eine andere, nämlich sehr weite Auffassung von investigativem Journalismus vertritt die niederländische Vereinigung von Enthüllungsjournalisten (VVOJ). Im Rahmen ihrer ländervergleichenden Studie „Investigative Journalism in Europe“ definiert sie ihn folgendermaßen: „Investigative journalism is critical and in-depth journalism. Critical means that journalism works not just as a service hatch for ,news‘ that already existed, but that news is being created that would not have existed without this journalistic intervention. This may happen by the creation of new facts, but also by the interpreting and connecting already known facts in a new way. In-depth means that a substantial journalistic effort was delivered, be it in a quantitative sense – the amount of time spent on research, by consulting many sources, etcetera – or in a qualitative sense – formulation of sharp questions, new approaches, etcetera – or in a combination of the two.“51
49 50 51
Dygert, The investigative journalist, S. 34 f. Protess/Cook/Doppelt u. a., The Journalism of outrage, S. 5. van Eijk, Investigative Journalism in Europe, S. 22.
A. Begriffsbestimmung
37
Das Widerstandselement wurde also bewusst herausgelassen, weil man bei der VVOJ eine Diskussion darüber vermeiden wollte, wer ein „wirklicher“ investigativer Journalist ist und wer nicht.52
III. Kritik und Stellungnahme Das von Ludwig vorgeschlagene Kriterium, ein investigativer Journalist müsse über ein besonderes „Verkaufstalent“ verfügen, vermag nicht zu überzeugen. Im Journalismus lässt sich bereits seit längerer Zeit ein Trend zur Einsparung finanzieller Mittel beobachten, der zur Folge hat, dass immer mehr Aufgaben an die fest angestellten Mitarbeiter vergeben und die freien Mitarbeiter zudem schlechter bezahlt werden.53 Daher ist jedenfalls jeder freie Journalist ohnehin darauf angewiesen, seine Beiträge gut verkaufen zu können. Betont man das erforderliche Verkaufstalent zu sehr, entsteht darüber hinaus ein irreführendes Bild vom investigativen Journalisten als Einzelkämpfer, der ohne den Rückhalt der Redaktion agiert. Stattdessen findet investigativer Journalismus jedoch mit größerer Wahrscheinlichkeit dort statt, wo ein recherchefreundliches Redaktionsklima herrscht. Schon an der Regelmäßigkeit, mit der einzelne Zeitungen für ihre investigativen Recherchen ausgezeichnet werden,54 während andere in diesem Bereich nie hervorstechen, zeigt sich welche wichtige Rolle die redaktionellen Strukturen dabei spielen.55 Verständlichkeit in Wort und Bild ist ohnehin Voraussetzung für jeden guten journalistischen Beitrag, zumal es auch außerhalb des investigativen Journalismus – beispielsweise im Wirtschafts- oder Wissenschaftsjournalismus – sehr komplexe Inhalte gibt, die verständlich aufbereitet werden müssen. Und dass ein Journalist auch die Konsequenzen seiner Geschichten thematisiert und die Materie weiter verfolgt, gehört zu einer umfassenden Darstellung immer dazu, unabhängig davon, ob sie investigativ ist oder nicht. Zu den von Ludwig und Dygert vorgeschlagenen weiteren Kriterien bleibt daher festzuhalten, dass diese zwar für einen investigativ tätigen Journalisten von Vorteil sind und eine große Rolle spielen, dass sie aber in anderen journalistischen Tätigkeitsfeldern ebenso vorkommen. Als Abgrenzungskriterien sind sie daher ungeeignet. Die Definition von investigativem Journalismus als „journalism of outrage“ besticht auf den ersten Blick, weil sie ein Kriterium zur Messbarkeit ethischer Standards zu enthalten scheint: Reagiert die Bevölkerung mit Empörung, handelt es sich um einen gesetzlichen oder moralischen Normverstoß, andernfalls liegt ethisch 52
van Eijk, Investigative Journalism in Europe, S. 22. (Im Original heißt es „[…] who is a ,real‘ investigative journalist and who is not.“) 53 Weischenberg/Malik/Scholl, Media Perspektiven 2006, 346 (350). 54 So haben beispielsweise Mitarbeiter der New York Times bereits mehrfach den „Pulitzer Prize for Investigative Reporting“ gewonnen. Dasselbe gilt auch für die Washington Post. 55 Nagel, Bedingt ermittlungsbereit, S. 24.
38
1. Teil: Investigativer Journalismus – Begriff und Bedeutung
akzeptables Verhalten vor. Auf den zweiten Blick erweist sich dies jedoch als Trugschluss. Löst ein Bericht keinen Skandal aus, etwa weil die öffentliche Aufmerksamkeit mit anderen Themen beschäftigt ist, ändert dies nichts daran, ob darin ein Normverstoß aufgedeckt wurde und er somit sozial relevant ist oder nicht. Beispielsweise erschien die vierteilige Serie der Washington Post über das Versagen des sogenannten „Child Protection Systems“ vom 9. bis 12. September 2001 und musste dementsprechend mit der Berichterstattung über die Terroranschläge des 11. Septembers 2001 konkurrieren. Infolgedessen wurde ihr wenig Beachtung geschenkt, doch gerade aufgrund ihres normativen Gehalts gewann die Artikelserie über vernachlässigte Kinder im Jahr 2002 den Pulitzer-Preis in der Kategorie „Investigative Reporting“. Die Journalisten Sari Horwitz, Scott Higham, Sarah Cohen und Jeffrey Leen hatten darin aufgedeckt, dass im Zeitraum von 1993 bis 2000 über 40 Kinder aus sozial schwachen Familien starben, weil die städtischen Behörden sie nicht vor ihren bekanntermaßen gewalttätigen oder suchtkranken Eltern schützen konnten.56 Auch anhand der Folgen der Watergate-Berichterstattung wird deutlich, dass die Reaktion der Bevölkerung kein zuverlässiger Indikator für investigativen Journalismus ist. Obwohl die Reporter Bob Woodward und Carl Bernstein aufdeckten, dass enge Mitarbeiter des US-Präsidenten Richard Nixon in den Einbruch in das Hauptquartier der Demokratischen Partei sowie in weitere Sabotageaktionen zulasten Nixons politischer Gegner verwickelt waren, blieb die gesellschaftliche Reaktion zunächst verhalten. Nixon wurde sogar mit einer klaren Mehrheit wiedergewählt und verlor erst im Laufe seiner zweiten Legislaturperiode die Unterstützung der Bevölkerung.57 Obwohl in diesem Fall eindeutig gegen rechtliche Normen verstoßen wurde, geriet die Öffentlichkeit darüber also nicht unmittelbar in Aufruhr. Dennoch ist nicht zu bestreiten, dass es sich bei Watergate um investigativen Journalismus handelte. Und auch umgekehrt erzeugt die Boulevardpresse regelmäßig und gezielt öffentliche Empörung über Themen ohne normativen beziehungsweise ethischen Gehalt. Daran zeigt sich, dass die öffentliche Empörung als Abgrenzungskriterium nicht geeignet ist. Die Definition der VVOJ von investigativem Journalismus als „critical and indepth journalism“ ist brauchbar, wenn es darum geht, eine möglichst große Anzahl unterschiedlicher gesellschaftlicher Systeme und ihre Formen von investigativem Journalismus zu erfassen. Sie wurde für eine europaweite Studie entwickelt und sollte daher möglichst für alle europäischen Länder passen. Aus diesem Grund wurde sie bewusst offen gehalten.58 Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind aber nur die strafrechtlichen Risiken für den investigativen Journalismus in Deutschland. Es ist daher nicht notwendig, eine derart weite Definition zu verwenden. 56 Beispiel nach Nagel, Bedingt ermittlungsbereit, S. 209 ff. Dort findet sich zudem eine ausführliche Darstellung der Entstehungsgeschichte dieser Artikelserie. 57 Janisch, Investigativer Journalismus und Pressefreiheit, S. 23 ff. 58 Vgl. van Eijk, Investigative Journalism in Europe, S. 22.
B. Gesellschaftliche Bedeutung des investigativen Journalismus
39
Betrachtet man noch einmal die Definition der IRE, die – jedenfalls in den Kernpunkten – auch von einem Großteil der Fachliteratur anerkannt wird, lässt sich feststellen, dass erst das Zusammenspiel der drei genannten Kriterien eine brauchbare Definition ergibt. Die aktive Reporterrolle ist als Erkennungsmerkmal des investigativen Journalismus unerlässlich, da das bloße Veröffentlichen fremder Materialien nicht ermittelnd und somit schon begrifflich nicht investigativ ist. Aber sie allein genügt nicht als Abgrenzungskriterium, denn wie bereits festgestellt wurde, ist auch für andere journalistische Darstellungsformen eine intensive Recherche notwendig. Das Widerstandselement ist ebenfalls unabdingbar, weil gerade die Abwehrhaltung der Berichterstattungsobjekte die außergewöhnlichen Recherchemethoden erforderlich macht, derentwegen der investigative Journalismus in juristischer Hinsicht so interessant ist. Andererseits ist es für sich allein genommen ebenfalls nicht ausreichend, um investigativen Journalismus eindeutig zu definieren. Schließlich muss auch ein Boulevardjournalist, der das Privatleben von Prominenten auskundschaftet, mit Widerstand der Gegenseite rechnen. Demnach ist das Kriterium der gesellschaftlichen Relevanz das Schlüsselelement der Definition. Nur wenn intensive Recherche gegen den Widerstand Betroffener betrieben wird, um normative Verstöße aufzudecken, handelt es sich um investigativen Journalismus.
IV. Fazit Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die drei erläuterten Kriterien gemeinsam eine präzise Charakterisierung des investigativen Journalismus ermöglichen und die Abgrenzung gegenüber anderen journalistischen Berichterstattungsmustern erlauben: die aktive Rolle der Journalisten, die gesellschaftliche Relevanz der Themen und die Recherchearbeit gegen den Widerstand Betroffener.
B. Gesellschaftliche Bedeutung des investigativen Journalismus Eine Grundvoraussetzung für das Funktionieren unserer demokratischen Gesellschaft ist die Möglichkeit der Bürger, sich umfassend zu informieren, denn nur so können sie ihre politischen Teilhaberechte ausüben und fundierte Entscheidungen treffen.59 Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass den Massenmedien, die für die Mehrheit der Bevölkerung als primäre Informationsquelle dienen, „eine Funktion zu[kommt], deren politische und ,staatsethische‘ Bedeutung überhaupt nicht überschätzt werden kann“.60 Diese weit reichende gesellschaftliche Bedeutung hat auch das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen zur Pressefreiheit mehrfach 59 60
BVerfGE 20, 162 (174 f.) – Spiegel-Urteil. Maunz/Dürig-Herzog, Art. 5, Rn. 119.
40
1. Teil: Investigativer Journalismus – Begriff und Bedeutung
hervorgehoben.61 Im „Spiegel-Urteil“ hat es sich ausführlich mit der öffentlichen Aufgabe und Funktion der freien Presse in einer demokratischen Gesellschaft beschäftigt und diese wie folgt definiert: „Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates; insbesondere ist eine freie, regelmäßig erscheinende politische Presse für die moderne Demokratie unentbehrlich. Soll der Bürger politische Entscheidungen treffen, muß er umfassend informiert sein, aber auch die Meinungen kennen und gegeneinander abwägen können, die andere sich gebildet haben. Die Presse hält diese ständige Diskussion in Gang; sie beschafft die Informationen, nimmt selbst dazu Stellung und wirkt damit als orientierende Kraft in der öffentlichen Auseinandersetzung. In ihr artikuliert sich die öffentliche Meinung; die Argumente klären sich in Rede und Gegenrede, gewinnen deutliche Konturen und erleichtern so dem Bürger Urteil und Entscheidung. In der repräsentativen Demokratie steht die Presse zugleich als ständiges Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern in Parlament und Regierung. Sie faßt die in der Gesellschaft und ihren Gruppen unaufhörlich sich neu bildenden Meinungen und Forderungen kritisch zusammen, stellt sie zur Erörterung und trägt sie an die politisch handelnden Staatsorgane heran, die auf diese Weise ihre Entscheidungen auch in Einzelfragen der Tagespolitik ständig am Maßstab der im Volk tatsächlich vertretenen Auffassungen messen können.“62
Zur öffentlichen Aufgabe der Presse gehören demnach sowohl die Wahrnehmung einer Informations- und Kontrollfunktion als auch einer meinungsbildenden Funktion. In Anbetracht der zuvor dargestellten Wesensmerkmale des investigativen Journalismus wird deutlich, dass er diese Funktionen im Vergleich zu anderen journalistischen Erscheinungsformen in besonderem Maße erfüllt. Insbesondere die Aufgabe der Medien, als Kontrollorgan sowohl für staatliches als auch gesellschaftliches Handeln zu fungieren,63 wird durch das Aufgreifen sozial relevanter Inhalte und das Aufdecken von Missständen wahrgenommen. Zugleich übt die Presse durch das Aufdecken von Missständen eine meinungsbildende Funktion aus, da es beim investigativen Journalismus nicht lediglich darum geht, die Missstände als Fakten zu präsentieren, sondern vielmehr darum, auf diesem Wege Kritik zu üben und zu entsprechenden Konsequenzen aufzufordern.64 Auch das aktive Beschaffen von Informationen, welches das Bundesverfassungsgericht ebenfalls als Teil der öffentlichen Aufgabe benannt hat, ist weiteres Kennzeichen für den investigativen Journalismus. Daraus folgt, dass dem investigativen Journalismus bei der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Medien eine zentrale Bedeutung zukommt. Wolfgang Ja61 Z. B. BVerfGE 66, 116 (133); 52, 283 (296); 20, 56 (97); 10, 118 (121); eine ausführliche Analyse der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum investigativen Journalismus findet sich bei Eichhoff, Investigativer Journalismus aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 25 ff. 62 BVerfGE 20, 162 (174 f.) – Spiegel-Urteil. 63 Dass sich die Kontrollfunktion nicht nur auf staatliches Handeln beschränkt, sondern auch gesellschaftliche Missstände aller Art umfasst, stellen BVerfGE 60, 234 (240 f.) und 66, 116 (137) ausdrücklich klar. 64 Janisch, Investigativer Journalismus und Pressefreiheit, S. 101.
B. Gesellschaftliche Bedeutung des investigativen Journalismus
41
nisch hat dies treffend auf den Punkt gebracht: „Investigativer Journalismus ist vom Grundgesetz nicht nur geschützt, sondern auch gewollt.“65 Eine unangemessene Einschränkung des investigativen Journalismus durch das Strafrecht wäre daher nicht nur aus journalistischer, sondern aus gesamtgesellschaftlicher Sicht bedenklich. Aus diesem Grund ist die Untersuchung der Frage angezeigt, ob der investigative Journalismus seine gesellschaftliche Funktion unter Berücksichtigung der geltenden Rechtslage erfüllen kann oder ob sich tatsächlich eine Tendenz in der Strafgesetzgebung abzeichnet, die den investigativen Journalismus gefährdet.
65
Janisch, Investigativer Journalismus und Pressefreiheit, S. 105.
Zweiter Teil
Normative Grundlagen des investigativen Journalismus – rechtlich gesicherte Recherche- und Berichterstattungsfreiheit Die Darstellung des normativen Rahmens des investigativen Journalismus schließt zum einen die Bestimmung der rechtlich gesicherten Recherche- und Berichterstattungsfreiheit ein, die die positive Reichweite seiner Rechte ausmachen, und zum anderen das Aufzeigen der rechtlichen Regelungen, die die äußeren Schranken setzen. In diesem Kapitel wird es zunächst um die positive Reichweite gehen, bevor sich der darauffolgende Abschnitt mit den rechtlichen Grenzen befasst, die das Strafrecht dem investigativen Journalismus setzt.
A. Recherchefreiheit I. Verfassungsrechtlicher Schutz Die journalistische Recherche steht unter verfassungsrechtlichem Schutz und wird einerseits durch die Presse-, Rundfunk und Filmfreiheit des Art. 5 I 2 GG, andererseits durch die Informationsfreiheit des Art. 5 I 1 Var. 2 GG gesichert. 1. Die Medienfreiheiten des Art. 5 I 2 GG Art. 5 I 2 GG lautet: „Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet.“ Diese Grundrechte werden auch zusammenfassend als Medienfreiheiten bezeichnet und schützen allgemein die Freiheiten der in der Massenkommunikation tätigen Personen.1 Die Pressefreiheit geht über ein bloßes Abwehrrecht gegenüber dem Staat hinaus und gewährleistet das Institut der „freien Presse“.2 Sie schützt alle Tätigkeiten, die wesensmäßig mit der Pressearbeit zusammenhängen, und zwar „von der Beschaf-
1 2
Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 5, Rn. 1. BVerfGE 20, 162 (175).
A. Recherchefreiheit
43
fung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung.“3 Umfasst ist also der gesamte Herstellungsprozess inklusive der pressetechnischen Hilfstätigkeiten, wenn diese Teil eines Presseunternehmens oder notwendige Bedingung einer freien Presse sind.4 Der Grund für diesen umfassenden Schutz liegt in der wichtigen öffentlichen Aufgabe, die die Presse für die freiheitlich-demokratische Grundordnung leistet, indem sie die öffentliche Meinungs- und Willensbildung ermöglicht.5 Dennoch wird eine Differenzierung nach Inhalt und Qualität der jeweiligen Presseerzeugnisse nicht vorgenommen. Neben der „seriösen“ Berichterstattung und Verbreitung der eigenen Meinung ist daher von Art. 5 I 2 GG auch die Boulevard- oder Sensationspresse geschützt.6 Die Rundfunkfreiheit ist der Pressefreiheit gleichgestellt, so dass ebenfalls alle Verhaltensweisen geschützt sind, „die zur Gewinnung und rundfunkspezifischen Verbreitung von Nachrichten und Meinungen im weitesten Sinne gehören“,7 umfasst sind also – wie schon bei der Presse – sämtliche Tätigkeiten von der Beschaffung der Informationen über die Produktion der Sendungen bis hin zu ihrer Verbreitung. Überdies erstreckt sich der Schutzbereich auf die dem Medium eigentümlichen Formen der Berichterstattung und die Verwendung der dazu erforderlichen technischen Vorkehrungen.8 Der Grund für diesen weitreichenden Schutz besteht auch hier darin, dass die Rundfunkfreiheit – wie alle Garantien des Art. 5 I GG – der Gewährleistung der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung dient.9
2. Informationsfreiheit nach Art. 5 I 1 Var. 2 GG Gemäß Art. 5 I 1 Var. 2 GG hat jeder das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Damit zielt die Informationsfreiheit zwar nicht primär auf Medienschaffende ab, doch kann sich auch der recherchierende Journalist auf dieses Grundrecht berufen. Geschützt ist dabei sowohl die bloße Entgegennahme von Informationen als auch deren aktive Beschaffung.10 Zu beachten ist jedoch die Begrenzung auf allgemein zugängliche Quellen, wozu alle Informationsquellen gehören, die geeignet und bestimmt sind, der Allgemeinheit, also einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen.11 Gerade für den investigativen Journalismus ergibt sich daraus eine deutliche Einschränkung, denn wie bereits dargelegt erfolgt die Recherche üblicherweise gegen den Widerstand des 3
BVerfGE 103, 44 (59); 20, 162 (176); 91, 125 (134). BVerfGE 77, 346 (354); 100, 313 (365). 5 Siehe dazu bereits Erster Teil, Kapitel B. 6 BVerfGE 34, 269 (283); 66, 116 (134). 7 BVerfGE 121, 30 (58). 8 BVerfGE 91, 125 (135); 103, 44 (59); 119, 309 (318). 9 BVerfGE 59, 231 (257); 57, 295 (319); 74, 297 (323). 10 Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 5, Rn. 17. 11 BVerfGE 103, 44 (60); 33, 52 (65). 4
44
2. Teil: Normative Grundlagen des investigativen Journalismus
Betroffenen und damit in der Regel nicht aus „allgemein zugänglichen“ Quellen.12 Eine darüber hinausreichende rechtswidrige Beschaffung von Informationen unter Berufung auf die Informationsfreiheit hat das Bundesverfassungsgericht jedoch ausdrücklich ausgeschlossen.13 3. Die Schranke der allgemeinen Gesetze Die in Art. 5 I GG geschützten Freiheiten finden ihre Schranken laut Art. 5 II GG in den allgemeinen Gesetzen, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. Ein allgemeines Gesetz ist ein Gesetz, das sich weder gegen eine bestimmte Meinung noch gegen den Prozess der freien Meinungsbildung oder gegen freie Informationen als solche richtet, sondern auf die Wahrung eines allgemeinen Rechtsguts zielt, dessen Schutz unabhängig davon ist, ob es durch Meinungsäußerungen oder auf andere Weise gefährdet oder verletzt wird.14 Zu diesen allgemeinen Gesetzen gehören auch die Strafgesetze.15 Gemäß der sogenannten Wechselwirkungslehre des Bundesverfassungsgerichts müssen aber auch diese Schranken wiederum einschränkend ausgelegt werden, wobei die besondere Bedeutung der entsprechenden Grundrechte zu berücksichtigen ist.16 Daraus folgt, dass sowohl der Gesetzgeber als auch der Rechtsanwender stets die Medienfreiheiten und die Informationsfreiheit berücksichtigen muss, wenn er einen medienrelevanten Straftatbestand einführt beziehungsweise anwendet.17
II. Einfachgesetzlicher Schutz Auf einfachgesetzlicher Ebene gibt es ebenfalls einige Regelungen, die positive Rechercherechte für Journalisten normieren und somit dem Schutz der Recherchefreiheit dienen. Dazu gehören der Informationsanspruch aus den Landespressegesetzen, das Recht auf Zugang zu amtlichen Unterlagen, das Recht auf Einsicht in öffentliche Register und behördliche Verzeichnisse sowie das Recht auf Zutritt zu öffentlichen Veranstaltungen.
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Heinrich, in: FS 200 Jahre Juristische Fakultät, S. 1241 (1250). BVerfGE 66, 116 (137) – Springer/Wallraff; dazu mehr Dritter Teil, Fn. 98. 14 BVerfGE 113, 63 (79). 15 Klug, in: FS Oehler, S. 397; Heinrich, in: FS 200 Jahre Juristische Fakultät, S. 1241 (1249). 16 BVerfGE 7, 198 (208 f.) – Lüth-Urteil. 17 Heinrich, in: FS 200 Jahre Juristische Fakultät, S. 1241 (1249). 13
A. Recherchefreiheit
45
1. Informationsanspruch aus den Landespressegesetzen Einen wichtigen Auskunftsanspruch für Journalisten enthalten die Landespressegesetze, die die Behörden dazu verpflichten, der Presse die Auskünfte zu erteilen, die ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienen. Sinn und Zweck dieses Informationsanspruches ist es, der Presse die Wahrnehmung ihrer Aufgabe im Rahmen der demokratischen Meinungs- und Willensbildung dadurch zu ermöglichen, „dass sie umfassend und wahrheitsgetreu Informationen über Geschehnisse von öffentlichem Interesse erhält und dadurch in die Lage versetzt wird, die Öffentlichkeit entsprechend zu unterrichten.“18 So wird dazu beigetragen, dass auch die Ausübung der Staatsgewalt auf dem Gebiet der öffentlichen Verwaltung der demokratischen Kontrolle unterliegt.19 Gesetzlich verankert wurde dieser Anspruch in der Zeit nach 1945 als Reaktion auf die negativen Erfahrungen mit den instrumentalisierten Medien im Nationalsozialismus. Unter der nationalsozialistischen Herrschaft hatte es in Deutschland keine freie Presse gegeben, sondern nur inhaltlich gleichgeschaltete Medien unter der Kontrolle des Reichspropagandaministeriums. Gleichzeitig war den Bürgern die Nutzung ausländischer Medien verboten. Als eine von mehreren Maßnahmen, um derartige Informationsbeschränkungen der Bevölkerung zukünftig zu verhindern, wurde die Informationsfreiheit unmittelbar nach Kriegsende in einige Landesverfassungen aufgenommen, 1949 in das Grundgesetz. Damit einhergehend enthielten die nach 1945 geschaffenen Landespressegesetze ausnahmslos einen Auskunftsanspruch für Journalisten gegenüber staatlichen Stellen.20 Ob es sich bei diesem Informationsanspruch um einen eigenständigen Anspruch handelt,21 oder ob nicht vielmehr schon unmittelbar aus Art. 5 I 2 GG ein Auskunftsanspruch der Presse gegenüber dem Staat besteht, der durch die Landespressegesetze nur näher konkretisiert wird,22 ist umstritten. Letztendlich beeinflusst diese Auseinandersetzung die tägliche Zusammenarbeit zwischen Behörden und Journalisten jedoch nicht, denn in jedem Fall besteht im Ergebnis ein Auskunftsanspruch der Journalisten gegenüber den Behörden, der sich nach den Voraussetzungen der Landespressegesetze richtet.23 Dies ergibt sich aus dem Anwendungs18 19
Rn. 9. 20
BGH NJW 2005, 1720. Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, Kap. 18, Rn. 4; Soehring, Presserecht, § 4,
Löffler-Burkhardt, § 4, Rn. 6, 11. So z. B. BVerfGE 80, 124 (133); Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, Kap. 18, Rn. 7, m.w.N. 22 So z. B. VG Stuttgart AfP 1986, 89 (90 f.); Soehring, Presserecht, § 1, Rn. 6 ff.; Groß, DÖV 1997, 133 (134 ff.); Eichhoff, Investigativer Journalismus aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 169. 23 Aufgrund der fehlenden praktischen Relevanz erfolgt hier keine eingehende Beschäftigung mit den unterschiedlichen Auffassungen. Siehe zu den Einzelheiten aber Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, Kap. 18, Rn. 6 f.; Eichhoff, Investigativer Journalismus aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 165 ff. 21
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2. Teil: Normative Grundlagen des investigativen Journalismus
vorrang des konkreter und ausführlicher formulierten einfachen Rechts gegenüber der Verfassung.24 a) Inhalt und Grenzen des Informationsanspruchs aa) Inhalt und Ausgestaltung des Anspruchs: Auskünfte, die der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Presse dienen Die Landespressegesetze verpflichten die Behörden dazu, „den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen.“25 Es handelt sich dabei um eine Generalklausel, deren konkreter Inhalt und Umfang sich danach richten, was im jeweiligen Einzelfall zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe erforderlich ist.26 In welcher Form die Auskünfte erteilt werden, liegt im Ermessen der Behörde. Sie kann sie beispielsweise schriftlich oder mündlich, im Rahmen einer Presseerklärung oder durch Veranstalten einer Pressekonferenz erteilen, sie kann dem anfragenden Journalisten aber auch direkt behördliche Akten vorlegen oder ihm Kopien solcher Unterlagen zur Verfügung stellen.27 In jedem Fall muss die gewählte Form aber sachgerecht, also zur Übermittlung der Information geeignet sein. Dies kann unter Umständen bedeuten, dass das Auswahlermessen der Behörde auf Null reduziert ist, weil es nur eine einzige sachgerechte Form gibt.28 Bei besonders komplexen Inhalten ist unter Umständen sogar ausschließlich die Gewährung von Akteneinsicht sachgerecht. Dies hat beispielsweise das VG Cottbus in einem Fall entschieden, in dem es um die Frage eines Journalisten nach dem Inhalt eines Gutachtens ging, das im Auftrag einer Gemeindeverwaltung erstellt und aus öffentlichen Mitteln bezahlt worden war.29
24 Zum Anwendungsvorrang siehe Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4, Rn. 58; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 59. 25 § 4 I LMG Baden-Württemberg; § 5 I LPG Brandenburg; § 4 I LPG Berlin (sinngemäß), § 4 I LPG Hamburg, § 4 II LPG Mecklenburg-Vorpommern; § 4 I LPG Niedersachsen; § 4 I LPG Nordrhein-Westfalen; § 6 I LMG Rheinland-Pfalz; § 5 I LMG Saarland; § 4 I LPG Sachsen; § 4 I LPG Sachsen-Anhalt (sinngemäß); § 4 I LPG Schleswig-Holstein; § 4 I LPG Thüringen. Einen leicht eingeschränkten Anspruch enthält das Bremer Landespressegesetz, das die Behörden „in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse“ zur Auskunft verpflichtet (§ 4 I LPG Bremen). Weiter hingegen formulieren es das Bayerische und das Hessische Landespressegesetz, die der Presse generell ein „Recht auf Auskunft“ (§ 4 I LPG Bayern) bzw. einen Anspruch auf „die gewünschten Auskünfte“ (§ 3 I LPG Hessen) gewähren. 26 Schertz, in: nr-Werkstatt 2005, S. 59. 27 Branahl, Medienrecht, S. 21; Schertz, in: nr-Werkstatt 2005, S. 59. 28 Branahl, Medienrecht, S. 22. 29 VG Cottbus AfP 2002, 360 (361).
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Des Weiteren ist die Behörde dazu verpflichtet, die Auskunft inhaltlich vollständig und wahrheitsgetreu zu erteilen.30 Dabei gilt jedoch eine Beschränkung auf Tatsachen, einen Anspruch gegen die Behörden auf Stellungnahme zu aktuellen Geschehnissen oder etwa auf die tatsächliche Einschätzung oder rechtliche Bewertung einer bestimmten Sachlage gibt es nicht.31 Die Landespressegesetze verpflichten die Behörden auch nicht dazu, von sich aus mit Informationen an die Öffentlichkeit zu gehen, auch wenn es sich um amtliche Vorgänge von besonderem öffentlichen Interesse handelt.32 Stattdessen besteht lediglich ein Anspruch der Medienvertreter auf Beantwortung der eigenen Anfrage. Aus diesem Grund ist die vorherige Geltendmachung durch einen Medienvertreter zwingende Voraussetzung für den Informationsanspruch aus den Landespressegesetzen.33 bb) Beschränkungen des Anspruchs durch normierte Auskunftsverweigerungsgründe Typischerweise kollidiert der Informationsanspruch mit entgegenstehenden Interessen Dritter oder der Allgemeinheit und kann nicht schrankenlos gewährt werden. Dementsprechend enthalten die Landespressegesetze eine Reihe von Auskunftsverweigerungsgründen. Liegt einer dieser Gründe vor, so ist die Behörde in der Regel nicht zwingend zur Verweigerung der Information verpflichtet, sondern sie hat eine Güterabwägung zwischen der Pressefreiheit einerseits und dem entgegenstehenden Belang andererseits vorzunehmen.34 Im Einzelnen sehen die meisten Landespressegesetze vier Auskunftsverweigerungsgründe vor: • Eine Auskunftspflicht besteht nicht, wenn durch die Information „die sachgemäße Durchführung eines schwebenden Verfahrens vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könnte“. • Informationen können verweigert werden, wenn „Vorschriften über die Geheimhaltung“35 beziehungsweise über die „Amtsverschwiegenheit“36 entgegenstehen. 30 BGH NJW 2005, 1720; BVerwG NJW 1992, 62; Löffler-Burkhardt, § 4, Rn. 82; Branahl, Medienrecht, S. 21. 31 OVG Nordrhein-Westfalen AfP 1996, 299 (299 f.); OVG Saarland AfP 2008, 653 (653 ff.); Branahl, Medienrecht, S. 21. 32 BVerwG NJW 1975, 891 (892). 33 Löffler-Burkhardt, § 4, Rn. 2. 34 Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, Kap. 20, Rn. 2; Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 24a. Anders in Nordrhein-Westfalen und Thüringen, wo die Behörde keine Auskunft geben darf, wenn ein Verweigerungsgrund vorliegt, § 4 II LPG Nordrhein-Westfalen, bzw. Vorschriften über Geheimhaltung und Datenschutz entgegenstehen, § 4 II LPG Thüringen. 35 § 4 II Nr. 2 der Landespressegesetze (Sachsen: § 4 II Nr. 1 LPG; Mecklenburg-Vorpommern: § 4 III Nr. 3; Berlin: § 4 II Nr. 1; Brandenburg: § 5 II Nr. 2; Rheinland-Pfalz: § 6 II Nr. 2 LMG; Saarland: § 5 II Nr. 2 LMG; keine entsprechende Vorschrift in Hessen).
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• Auch „wenn ihr Umfang das zumutbare Maß überschreitet“, kann die Behörde das Auskunftsersuchen ablehnen. Dieser Verweigerungsgrund ist jedoch streng restriktiv auszulegen, denn bloße Unannehmlichkeiten für die Verwaltung dürfen nicht zu einer Einschränkung von Grundrechten führen.37 Zudem erlaubt er keine vollständige Informationsverweigerung, sondern das Informationsanliegen muss trotzdem im zumutbaren Rahmen beantwortet werden.38 • Ebenfalls nicht zur Auskunft verpflichtet ist die Behörde, wenn dadurch „ein überwiegendes öffentliches oder ein schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde.“39 Da auch die übrigen Ausschlussgründe nichts anderes regeln, als konkrete Fälle von überwiegendem öffentlichen Interesse, stellt dieser Ausschlussgrund in Bezug auf die öffentlichen Belange eine Generalklausel dar, die eingreift, wenn die übrigen Ausschlussgründe nicht oder nicht mehr durchgreifen.40 Darüber hinaus enthalten die Landespressegesetze der Bundesländer Berlin, Thüringen und Sachsen-Anhalt einen weiteren Ausschlussgrund, der es den Behörden erlaubt, Maßnahmen zu verschweigen, wenn sie durch vorzeitige Bekanntgabe „vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könnten.“41 In Bayern ist hingegen allein eine Verschwiegenheitspflicht auf Grund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften als Informationsverweigerungsgrund vorgesehen.42 b) Anspruchsverpflichtete: Behörden der Länder und Gemeinden Nach den Landespressegesetzen besteht ein Informationsanspruch der Presse gegenüber den „Behörden“. Dazu gehören jedenfalls die Behörden der Länder und Gemeinden. Darüber hinaus besteht in der Literatur die Ansicht, es existiere zusätzlich ein Auskunftsanspruch gegenüber den Behörden des Bundes, weil der Auskunftsanspruch zum Kernbereich des Presserechts gehöre und somit in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder falle.43 Dieser Auffassung hat das Bundes36
§ 4 II Nr. 2 LPG Hamburg BVerfGE 15, 288 (296); Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, Kap. 20, Rn. 13. 38 Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, Kap. 20, Rn. 13. 39 § 4 II Nr. 3 der Landespressegesetze (Hessen: § 3 I Nr. 2; Berlin: § 4 II Nr. 4; Mecklenburg-Vorpommern: § 4 III Nr. 2; Thüringen: § 4 II Nr. 2; Brandenburg: § 5 II Nr. 3; Rheinland-Pfalz: § 6 II Nr. 3 LMG; Saarland: § 5 II Nr. 3 LMG). 40 Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, Kap. 20, Rn. 9. 41 § 4 II Nr. 3 LPG Berlin; § 4 II Nr. 1 LPG Thüringen; § 4 II Nr. 1 LPG Sachsen-Anhalt. 42 § 4 II 2 LPG Bayern. 43 BVerwG AfP 1975, 762 (763); Löffler-Burkhardt, § 4, Rn. 54; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, Kap. 19, Rn. 11; Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 17. 37
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verwaltungsgericht mit Urteil vom 20. 02. 201344 widersprochen und entschieden, dass die Landespressegesetze – jedenfalls in Bezug auf den Bundesnachrichtendienst – auf eine Bundesbehörde nicht anwendbar sind, denn es fehle den Ländern an der entsprechenden Gesetzgebungskompetenz. Solange allerdings keine bundesgesetzliche Regelung des presserechtlichen Auskunftsanspruchs existiert, ergebe sich ein Auskunftsanspruch der Presse gegenüber Bundesbehörden unmittelbar aus Art. 5 I 2 GG. Allerdings sei dieser verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch „auf das Niveau eines ,Minimalstandards‘ zu begrenzen, den auch der Gesetzgeber nicht unterschreiten dürfte.“45 aa) Behörden im Sinne des Presserechts Zu den Behörden im Sinne des Presserechts gehören zunächst alle staatlichen Stellen, also neben den Verwaltungsbehörden beispielsweise Gerichte sowie Polizei und Staatsanwaltschaften oder Regierungen und Parlamente. Auch Stellen der mittelbaren Staatsverwaltung in Form von Anstalten, Körperschaften und Stiftungen des öffentlichen Rechts, derer sich der Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben bedient, sind umfasst. Des Weiteren unterliegen Eigenbetriebe von Bund, Ländern und Gemeinden der presserechtlichen Auskunftspflicht.46 Der den Landespressegesetzen zugrundeliegende Behördenbegriff ist „nicht organisatorisch-verwaltungstechnisch, sondern funktionell-teleologisch“47 zu verstehen. Daher besteht der Auskunftsanspruch auch gegenüber privatrechtlichen Organisationsformen, wenn es sich um Unternehmen der Daseinsvorsorge handelt, an denen die öffentliche Hand mehrheitlich beteiligt ist.48 Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, etwa bei Unternehmen der Daseinsvorsorge, die – wie zum Beispiel die Deutsche Telekom AG – vollständig oder jedenfalls überwiegend in privater Hand sind, ist ein Auskunftsanspruch ausgeschlossen.49 Eine Besonderheit sind die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Ihnen gegenüber besteht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts50 und des Bundesverfassungsgerichts51 grundsätzlich kein Auskunftsanspruch, denn sie sind „trotz ihrer Rechtsform und der Erfüllung einer ,öffentlichen Aufgabe‘ nicht dem
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BVerwG, Urt. v. 20. 02. 2013, Az. 6 A 2.12. BVerwG NVwZ 2013, 1006 (1009). 46 Branahl, Medienrecht, S. 18 f.; Cario, Die Deutschland-Ermittler, S. 68; Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 18. 47 BGH NJW 2005, 1720 (1721). 48 BGH NJW 2005, 1720 (1721); Löffler-Burkhardt, § 4, Rn. 57; Branahl, Medienrecht, S. 19; Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 19. 49 Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 19. 50 BVerwG NJW 1985, 1655 (1657). 51 BVerfG NJW 1989, 382. 45
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staatlichen Bereich in diesem Sinne zuzuordnen.“52 Insbesondere würde eine Auskunftspflicht der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sie im Wettbewerb gegenüber der Presse und gegenüber den privaten Rundfunkveranstaltern benachteiligen und ließe sich daher mit der verfassungsrechtlich geschützten Rundfunkfreiheit nicht vereinbaren.53 In der Literatur haben diese Entscheidungen Zustimmung gefunden und den zuvor herrschenden Meinungsstreit darüber beendet, ob die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu den auskunftsverpflichteten Behörden im Sinne des Presserechts gehören oder nicht.54 Die Kirchen haben ebenfalls eine Sonderstellung inne. Obgleich sie als Körperschaften des öffentlichen Rechts grundsätzlich zu den Anspruchsverpflichteten gehören, müssen sie über geistliche Angelegenheiten – wie etwa die Gestaltung des Gottesdienstes – keine Auskunft geben. Dies folgt aus dem besonderen verfassungsrechtlichen Status, der ihnen gemäß Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 – 139, 141 WRV zusteht. Privatrechtlich organisierte Kirchen oder Glaubensgemeinschaften und damit auch Sekten unterfallen nicht dem Behördenbegriff und sind mithin gar nicht zur Auskunft verpflichtet.55 bb) Behördeninterne Auskunftskompetenz Innerhalb der jeweiligen Behörde besteht der Auskunftsanspruch allerdings nicht gegenüber jedem Beamten oder Mitarbeiter, da diese beamtenrechtlich – oder im Falle von Angestellten im Öffentlichen Dienst durch entsprechende dienstrechtliche Vorgaben – zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet sind.56 Um einen Konflikt zwischen der Pflicht des einzelnen Mitarbeiters zur Verschwiegenheit auf der einen Seite und dem Auskunftsanspruch der Medien auf der anderen Seite zu vermeiden, hat es der Gesetzgeber dem Behördenleiter überlassen, festzulegen, wer den Medien Auskünfte erteilen darf.57 Aus diesem Grund müssen sich die Medienvertreter zunächst an den Behördenleiter oder an die Pressestelle wenden, wenn es bei der jeweiligen Behörde eine solche gibt.58
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BVerfG NJW 1989, 382. BVerfG NJW 1989, 382. 54 Löffler-Burkhardt, § 4, Rn. 65 ff.; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, Kap. 19, Rn. 11; Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 20. 55 Löffler-Burkhardt, § 4, Rn. 64; ausführlich zur Sonderstellung der Kirchen SchröerSchallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, S. 85 f. m.w.N. 56 Vgl. § 67 I BBG und die entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen (bzw. den Bundesangestelltentarifvertrag). 57 Vgl. § 70 BBG und die entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen. 58 Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 16; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, Kap. 19, Rn. 13. 53
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c) Anspruchsberechtigte: Vertreter der Presse Der Informationsanspruch besteht für „die Presse“59 beziehungsweise „die Medien“60 oder die „Vertreter der Presse“.61 Im Ergebnis ist diese unterschiedliche Ausdrucksweise bedeutungslos.62 Zu den Vertretern der Presse gehören die Redaktionen und ihre Mitarbeiter sowie die freien Journalisten, selbst wenn sie nur gelegentlich für ein bestimmtes Medium tätig sind. Aber auch die Verleger beziehungsweise Rundfunkveranstalter selbst oder deren Organe sind von dem Begriff ebenso umfasst wie der Herausgeber. Lediglich die Mitarbeiter, die sich ausschließlich mit technischen oder kaufmännischen Tätigkeiten beschäftigen, gehören nicht zu den Anspruchsinhabern.63 Der Rundfunk wird durch § 9a des Rundfunkstaatsvertrages sowie einige Landespressegesetze64 ebenfalls einbezogen, so dass de facto alle Vertreter der Massenmedien einen Auskunftsanspruch gegenüber den Behörden haben.65 Auch Mitarbeitern ausländischer Medien steht dieser Anspruch als Ausfluss der Pressefreiheit zu, da letztere ein allgemeines, nicht auf Inländer zu beschränkendes Menschenrecht ist.66 2. Recht auf Zugang zu amtlichen Unterlagen In Deutschland ermöglichen vier Rechtsgrundlagen den Zugang zu amtlichen Unterlagen. Die umfassendste und damit bedeutsamste von ihnen ist das Informationsfreiheitsgesetz. Darüber hinaus bestehen bereichsspezifische Zugangsrechte für besondere Unterlagen nach dem Umweltinformationsgesetz, dem Verbraucherinformationsgesetz und dem Stasi-Unterlagen-Gesetz. Mit Einführung dieser vier Gesetze hat sich der bis dahin im deutschen Verwaltungsrecht vorherrschende Grundsatz der beschränkten Aktenöffentlichkeit zunehmend zu einem Grundsatz der Verwaltungstransparenz gewandelt.67 Die darin normierten Rechte auf Informati59
So § 3 LPG Hessen und § 4 LPG Bayern. § 6 LMG Rheinland-Pfalz. 61 So § 4 der übrigen Landespressegesetze bzw. § 5 LMG Saarland und § 5 LPG Brandenburg. 62 Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, Kap. 19, Rn. 3. 63 Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 10; anderer Ansicht sind Branahl und Burkhardt, die auch die kaufmännischen und technischen Angestellten eines Medienunternehmens zu den Anspruchsinhabern zählen, vgl. Branahl, Medienrecht, S. 18 f.; Löffler-Burkhardt, § 4, Rn. 44. Für die Praxis ist diese Meinungsverschiedenheit unerheblich, da die Vertreter der Presse ohnehin auf Boten und Stellvertreter zurückgreifen können, um ihre Auskünfte einzuholen, vgl. Löffler-Burkhardt, § 4, Rn. 45. 64 § 26 I LPG Nordrhein-Westfalen; § 23 LPG Berlin; § 17 LPG Brandenburg; § 25 LPG Bremen und Niedersachsen; § 16 LPG Sachsen-Anhalt. 65 Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 8. 66 Branahl, Medienrecht, S. 20; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, Kap. 19, Rn. 9; Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 13; Löffler-Burkhardt, § 4, Rn. 40. 67 Fluck, DVBl 2006, 1406. 60
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onszugang stehen allen Bürgern zur Verfügung, können aber ebenso von investigativen Journalisten genutzt werden. Verglichen mit dem Informationsanspruch aus den Landespressegesetzen haben sie den Vorteil, dass sie über den Anspruch auf mündliche Auskünfte hinausgehen und ein Recht auf Einsicht in die Originaldokumente begründen. Im Verhältnis dieser allgemeinen und besonderen Informationsfreiheitsgesetze untereinander gilt entsprechend dem Grundsatz „lex specialis derogat legi generali“, dass die spezialgesetzlichen Regelungen Vorrang gegenüber dem allgemeineren Informationsfreiheitsgesetz haben. Dies findet auch in § 1 III IFG seinen Ausdruck, der festlegt, dass Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen dem Informationsfreiheitsgesetz vorgehen.68 Die Ansprüche aus den spezialgesetzlichen Regelungen bestehen grundsätzlich nebeneinander. Lässt sich beispielsweise eine Information sowohl unter das Umweltinformationsgesetz als auch das Verbraucherinformationsgesetz subsumieren, etwa wenn es um Verunreinigungen in der Lebensmittelkette geht, kommen beide Gesetze zur Anwendung.69 Demgegenüber regelt das Stasi-Unterlagen-Gesetz den Zugang zu Stasi-Unterlagen abschließend.70 Hinsichtlich der Landespressegesetze liegt dagegen kein Spezialitätsverhältnis vor, Journalisten können sich sowohl auf das Informationsfreiheitsgesetz als auch auf die Landespressegesetze berufen.71 a) Informationsfreiheitsgesetz Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes trat am 1. 1. 2006 in Kraft. Vorausgegangen waren ausführliche wissenschaftliche Diskussionen und zähe Verhandlungen in der Politik, seitdem die Koalition von SPD und Bündnis 90/Die Grünen im Jahr 1998 erstmals vereinbart hatte, ein Informationsfreiheitsgesetz einzuführen.72 § 1 I IFG bestimmt, dass grundsätzlich jeder einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen hat. Dieses Zugangsrecht besteht voraussetzungslos, es muss weder ein rechtliches noch ein berechtigtes Interesse am Informationszugang bestehen.73 Da es nicht darauf ankommt, zu welchem Zweck die Informationen benötigt werden, muss der Antragsteller nicht begründen, weshalb er Zugang zu den Unterlagen begehrt.74
68 Ausnahmen sind nur § 29 VwVfG und § 25 SGB X, bei denen die Informationsansprüche nebeneinander bestehen. 69 Fluck, DVBl 2006, 1406 (1408). 70 Siehe dazu Zweiter Teil, Kapitel A.II.2.d). 71 Mecklenburg/Pöppelmann, Informationsfreiheitsgesetz, S. 35. 72 Ausführlich zur Entstehungsgeschichte siehe Kloepfer/v. Lewinski, DVBl 2005, 1277 (1278) und Schrader, ZUR 2005, 568 (571). 73 BT-Drs. 15/4493, S. 6; Schoch, § 1, Rn. 19. 74 Rossi-Rossi, § 1, Rn. 30; Schoch, § 1, Rn. 19.
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aa) Inhalt des Anspruchs: Zugang zu allen Aufzeichnungen, die amtlichen Zwecken dienen Der Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz bezieht sich gemäß § 2 Nr. 1 IFG auf alle amtlichen Zwecken dienenden Aufzeichnungen, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Damit gemeint sind „Aufzeichnungen (Schriften, Tabellen, Diagramme, Bilder, Pläne und Karten sowie Tonaufzeichnungen), die elektronisch (Magnetbänder, Magnetplatten, Disketten, CD-ROMs, DVDs), optisch (Filme, Fotos auf Papier), akustisch oder anderweitig gespeichert sind.“75 Ausgenommen sind lediglich Entwürfe und Notizen, die nicht dazu bestimmt sind, Bestandteil eines Vorgangs zu werden. Allerdings enthält das Informationsfreiheitsgesetz in den §§ 3 ff. IFG zahlreiche Ausnahmen zum Schutz öffentlicher und privater Belange. Bei § 3 IFG, der die besonderen öffentlichen Belange normiert, handelt es sich um einen absoluten Ausschlusstatbestand. Liegt einer der genannten Verweigerungsgründe vor, wie etwa eine Gefahr für internationale Beziehungen oder für Belange der Bundeswehr im Falle des Informationszugangs, ist der Zugang zwingend ausgeschlossen.76 Personenbezogene Daten dürfen gemäß § 5 I IFG nur zugänglich gemacht werden, wenn das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszuganges überwiegt oder der Dritte eingewilligt hat. Alle Ausnahmetatbestände sind jedoch eng auszulegen, damit das Prinzip des voraussetzungslosen Zugangsrechtes mit begrenzten Ausnahmen nicht unterlaufen wird.77 bb) Anspruchsverpflichtete: Behörden des Bundes Der Anspruch aus § 1 I IFG besteht zunächst gegenüber den Behörden des Bundes. Daneben sind auch sonstige Bundesorgane und -einrichtungen anspruchsverpflichtet, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Gleichgestellt sind ebenfalls natürliche Personen oder juristische Personen des Privatrechts, soweit sich eine Behörde ihrer zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient. cc) Anspruchsberechtigte: natürliche und juristische Personen Anspruchsberechtigt ist jedenfalls jede natürliche oder juristische Person des Privatrechts.78 Ob der Anspruch aus § 1 I IFG darüber hinaus auch juristischen Personen des öffentlichen Rechts zusteht, ist umstritten. Im Hinblick auf publizistische Rechercherechte ist diese Frage für die Journalisten öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten von Bedeutung. Der Gesetzgeber hat ein solches Recht aus75 76 77 78
BT-Drs. 15/4493, S. 9. Schoch, § 3, Rn. 3. Schrader, ZUR 2005, 568 (571 f.). Rossi-Rossi, § 1, Rn. 7; Jastrow/Schlatmann, § 1, Rn. 6.
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drücklich verneint.79 Auch ein großer Teil der Literatur lehnt dies ab,80 während andere jedenfalls den grundrechtsfähigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts diesen Anspruch zusprechen.81 Welcher dieser Positionen gefolgt werden kann, hängt davon ab, wie § 1 I IFG auszulegen ist. (1) Auslegung nach dem Wortlaut des § 1 I IFG Betrachtet man zunächst den Wortlaut des § 1 I IFG, so schließt die Formulierung „jeder“ eine Einbeziehung juristischer Personen des öffentlichen Rechts nicht aus.82 Der Gesetzestext reicht dem Wortsinn nach sogar weiter als die Bestimmung „jede natürliche oder juristische Person des Privatrechts“.83 § 1 I IFG selbst bietet demnach keinen Anhaltspunkt für eine derartige Beschränkung.84 Es lässt sich zum Vergleich auch Art. 93 I Nr. 4a GG heranziehen. Dieser spricht ebenfalls von „jedermann“ und meint damit auch juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie grundrechtsberechtigt sind.85 Bei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist dies der Fall, sie können das Grundrecht der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 I 2 GG für sich in Anspruch nehmen.86 Demzufolge ist nach dem Wortlaut des § 1 I IFG ein differenzierendes Verständnis der möglichen Antragsteller geboten, das ebenso wie Art. 93 I Nr. 4a GG die grundrechtsberechtigten juristischen Personen des öffentlichen Rechts umfasst – und damit auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. (2) Systematische Auslegung Unter systematischen Gesichtspunkten lässt sich hingegen argumentieren, dass Behörden untereinander mit Amtshilfeansprüchen, Auskunfts(verschaffungs)rechten oder Übermittlungsbefugnissen und -pflichten andere Möglichkeiten zur Informationsgewinnung zur Verfügung stehen.87 Sie werden in dieser Beziehung prinzipiell anders behandelt als Bürgerinnen und Bürger. Durch eine Abweichung von diesem Grundsatz könnten die Beschränkungen der Amtshilfevorschriften unterlaufen werden.88 Des Weiteren lässt sich anführen, dass Verwaltungsträger die An79
BT-Drs. 15/4493, S. 7. Jastrow/Schlatmann, § 1, Rn. 13; Rossi-Rossi, § 1, Rn. 15 ff.; Berger/Roth/Scheel, § 1, Rn. 21; Schmitz/Jastrow, NVwZ 2005, 984 (987, Fn. 41); Sieberg/Ploeckl, Der Betrieb 2005, 2062; Kiethe/Groeschke, WRP 2006, 303. 81 Kloepfer, K & R 2006, 19 (20); Matthes, Das Informationsfreiheitsgesetz, S. 5 f.; Schoch, § 1, Rn. 62 ff.; Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, S. 80 ff.; Gurlit, DVBl 2003, 1119 (1130); Mecklenburg/Pöppelmann, Informationsfreiheitsgesetz, S. 25 f. (jedenfalls für Kirchen und öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten). 82 Rossi-Rossi, § 1, Rn. 16. 83 Berger/Roth/Scheel, § 1, Rn. 14. 84 Schoch, § 1, Rn. 58. 85 Maunz/Dürig-Maunz, Art. 93, Rn. 66; Dreier-Wieland, Art. 93, Rn. 80. 86 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 620. 87 BT-Drs. 15/4493, S. 7; Jastrow/Schlatmann, § 1, Rn. 13; Rossi-Rossi, § 1, Rn. 16. 88 Kloepfer/v. Lewinski, DVBl 2005, 1277 (1280). 80
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spruchsverpflichteten und nicht die Anspruchsberechtigten des § 1 I IFG sind,89 denn dieser zielt auf die Regelung der Beziehung zwischen Bürger und Staat ab und wurde nicht für die Beziehung der staatlichen Organe untereinander konzipiert.90 Es entspricht also durchaus der Systematik des öffentlichen Rechts, juristische Personen des öffentlichen Rechts vom Zugangsrecht nach § 1 I IFG auszuschließen. (3) Historische Auslegung Dies stimmt auch mit der historischen Auslegung der Norm überein, denn aus den Gesetzgebungsmaterialien des Informationsfreiheitsgesetzes geht hervor, dass eine Ausweitung des Anspruchs auf juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht gewollt war. Der Gesetzgeber wollte den Anwendungsbereich ausdrücklich auf natürliche und juristische Personen des Privatrechts beschränken, während sonst die jeweiligen Vorschriften für den Informationsaustausch zwischen Behörden gelten sollten.91 (4) Teleologische Auslegung Zu einem anderen Ergebnis führt aber die teleologische Auslegung. Grundsätzlich gehört es zwar nicht zum Ziel des Informationsfreiheitsgesetzes, staatlichen Einrichtungen Zugang zu Informationen anderer Behörden zu verschaffen.92 Sein Zweck ist die Herstellung von mehr Transparenz durch erleichterten Informationszugang für die Allgemeinheit. Auf diesem Wege soll die Kontrolle staatlichen Handelns verbessert und zugleich das bisherige Ungleichgewicht der Informationsverteilung zugunsten der Bürger aufgehoben werden.93 Daraus folgt, dass die Personen des öffentlichen Rechts prinzipiell nicht zu den Anspruchsberechtigten gehören, sondern als Kontrollobjekte über ihr Handeln informieren sollen.94 Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass eine pauschale Ablehnung dem Gesetzeszweck widerspricht, soweit es den Informationszugang von Journalisten betrifft. Das Ziel, staatliches Handeln zu kontrollieren, lässt sich durch den Einsatz der Massenmedien als Multiplikator deutlich besser erreichen, als wenn lediglich einzelne Bürger den Zugriff erhalten. Wie bereits das Bundesverfassungsgericht im Spiegel-Urteil betonte, besteht eine wesentliche Aufgabe der Medien darin, die Informationen zu beschaffen und dem Bürger zur Verfügung zu stellen, die er zur Wahrnehmung seiner demokratischen Rechte und zum Treffen politischer Entscheidungen braucht.95 Angesichts dessen, dass die öffentlich-rechtlichen Rund89 90 91 92 93 94 95
Vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 7; Rossi-Rossi, § 1, Rn. 16. Rossi-Rossi, § 1, Rn. 18. BT-Drs. 15/4493, S. 7. Rossi-Rossi, § 1, Rn. 16 ff. BT-Drs. 15/4493, S. 6. Rossi-Rossi, § 1, Rn. 16. BVerfGE 20, 162 (174) – Spiegel-Urteil.
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funkanstalten auf dem Nachrichtensektor marktführend sind und mit Abstand die meisten Zuhörer beziehungsweise Zuschauer erreichen96 und es zudem gerade ihre verfassungsmäßige Aufgabe ist, die „Grundversorgung“ der Bevölkerung mit einem inhaltlich umfassenden Programm an Rundfunksendungen zu sichern,97 zeigt sich die Notwendigkeit ihrer Teilhabe am Informationszugang. Als Ergebnis der teleologischen Auslegung ist daher festzuhalten, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts zwar grundsätzlich nicht zu den Anspruchsberechtigten zählen aber eine Ausnahme für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten geboten ist. (5) Verfassungskonforme Auslegung Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen ist die Einbeziehung von Journalisten öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten als Anspruchsberechtigte des Informationsfreiheitsgesetzes dann geboten, wenn sie der Ausschluss in ihren Grundrechten verletzt. In diesem Fall müsste § 1 I IFG verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass jedenfalls für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten eine Ausnahme von der Beschränkung auf natürliche und juristische Personen des Privatrechts gemacht wird. Den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten steht grundsätzlich nur das Grundrecht der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 I 2 Var. 2 GG zu,98 das von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung von Nachricht und Meinung reicht.99 Soweit allerdings diese geschützten Tätigkeiten tangiert sind, können sich öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten ebenfalls auf andere Grundrechte berufen.100 Geht es etwa um den Zugang zu einer für jedermann geöffneten Informationsquelle, so wird dieser Zugang für die Medien in derselben Weise wie für die Bürger allgemein durch die Informationsfreiheit des Art. 5 I 1 GG geschützt.101 Die Informationsfreiheit schützt das Recht, „sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten“. Indem der Gesetzgeber die amtlichen Informationen gemäß § 1 I IFG für jedermann zugänglich gemacht hat, hat er sie einem unbestimmten Personenkreis eröffnet und damit zu einer allgemeinen Informationsquelle gemacht.102 Wird die Aufnahme von Informationen aus allgemeinen
96 Bei den Fernsehnachrichten war die Tagesschau im Jahr 2008 mit 8,74 Millionen Zuschauern mit Abstand die meistgesehene Sendung. Auf dem zweiten Platz folgte die „heute“Sendung mit 3,96 Millionen Zuschauern. „RTL aktuell“ belegte als bestplatzierte Nachrichtensendung eines Privatsenders mit 3,74 Millionen Zuschauern den dritten Platz. Vgl. Zubayr/ Gerhard, Media Perspektiven 2009, 98 (107). 97 BVerfGE 73, 118 (158 f.); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 623. 98 Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 19, Rn. 28. 99 BVerfGE 91, 125 (134 f.); st. Rspr.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 619. 100 BVerfGE 107, 299 (310); Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 19, Rn. 28. 101 BVerfGE 119, 309 (318). 102 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 609; Schoch, Jura 2008, 25 (30).
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Quellen verhindert, so stellt dies einen Eingriff in die Informationsfreiheit dar.103 Verfassungsrechtliche Gründe, die es rechtfertigen könnten, Journalisten öffentlichrechtlicher Rundfunkanstalten von dem Zugang nach § 1 I IFG auszuschließen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere stellen die Amtshilfevorschriften keinen adäquaten Ersatz für den Anspruch aus dem IFG dar, da sie an engere Voraussetzungen geknüpft sind.104 Der Ausschluss von Journalisten öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten als Anspruchsberechtigte des IFG verletzt diese also in ihrem nach Art. 5 I 2 Var. 2 GG und Art. 5 I 1 Hs. 2 GG geschützten Recht auf Beschaffung von Informationen. Zudem verbietet das Gleichheitsgebot des Art. 3 GG die willkürliche Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem. Zwar steht den juristischen Personen des öffentlichen Rechts das Grundrecht aus Art. 3 I GG nicht zu,105 dennoch ist anerkannt, dass willkürliches Verhalten auch ihnen gegenüber unzulässig ist.106 Zudem wurde bereits festgestellt, dass sich auch juristische Personen des öffentlichen Rechts auf die übrigen Grundrechte berufen können, soweit es um den Schutzbereich der ihnen zustehenden Grundrechte geht. Daraus folgt, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bei allen von der Rundfunkfreiheit geschützten Tätigkeiten – und damit auch bei der Informationsbeschaffung – einen Anspruch darauf haben, ebenso wie die privaten Rundfunkanstalten behandelt zu werden. Letztere dürfen sich unstreitig auf den Informationsanspruch aus § 1 I IFG berufen. Den Mitarbeitern öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten diesen Anspruch zu verwehren, würde dazu führen, dass beispielsweise ein ZDF-Reporter eine bestimmte Information nicht ohne Weiteres bekommt, während sein RTL-Kollege noch nicht einmal begründen müsste, warum er Zugang zu dieser Information begehrt. Ein sachlicher Grund, der diese Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte, ist nicht ersichtlich. Daher verstößt der Ausschluss der Journalisten öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten ebenfalls gegen das Willkürverbot des Art. 3 I GG.107 (6) Ergebnis der Auslegung Einerseits hat sich der Gesetzgeber eindeutig gegen die Einbeziehung juristischer Personen des öffentlichen Rechts ausgesprochen. Dies entspricht auch der Gesetzessystematik, da für diese Fälle spezielle Vorschriften zur Regelung des Informationsaustausches unter Behörden bestehen. Andererseits ist es aus teleologischer Sicht sinnvoll, eine Ausnahme für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten zu ma103
Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 628; Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 5, Rn. 19. Schoch, § 1, Rn. 62; Schoch/Kloepfer/Garstka, Informationsfreiheitsgesetz (ProfE), § 2, Rn. 18. 105 BVerfGE 75, 192 (201). 106 Einige leiten dieses Willkürverbot aus dem Rechtsstaatsprinzip ab (so z. B. Jarass/ Pieroth-Jarass, Art. 3, Rn. 6), andere aus der objektiv-rechtlichen Seite des Art. 3 GG (so etwa BVerfGE 35, 263 (271 f.); 76, 130 (139)). 107 So auch Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, S. 83. 104
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chen und ihnen den Anspruch aus § 1 I IFG einzuräumen. Ebenso spricht der Wortlaut für diese weite Auslegung. Hinzu kommt, dass eine Einbeziehung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verfassungsrechtlich geboten ist. In diesem Fall kommt unabhängig vom Ergebnis der übrigen Auslegungsmethoden allein die verfassungskonforme Auslegung zur Anwendung.108 Dass diese im Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers sowie zur Systematik der Amtshilferegelungen steht, ist hinzunehmen, weil nur auf diese Weise ein Verstoß gegen das Grundgesetz vermieden wird. Im Ergebnis lässt sich also festhalten, dass auch Journalisten öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten Anspruchsberechtigte des § 1 I IFG sind.109 dd) Informationsfreiheitsgesetze auf Länderebene Das Informationsfreiheitsgesetz gilt nur auf Bundesebene, denn das Recht der Gesetzgebung über den Zugang zu amtlichen Unterlagen fällt nach dem Grundgesetz nicht unter die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes und gehört damit in den Zuständigkeitsbereich der Länder.110 Die Einführung von Informationsfreiheitsgesetzen verlief auf Länderebene bisher überaus unterschiedlich. Während das Recht auf Zugang zu behördlichen Informationen in Brandenburg sogar verfassungsrechtlich abgesichert ist, fehlen derartige Regelungen in den übrigen Landesverfassungen. Nur vereinzelt gibt es verfassungsmäßige Rechte auf Zugang des Einzelnen zu Informationen zur eigenen Person.111 Dennoch hatten neben dem Vorreiter Brandenburg, dessen Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz am 10. 03. 1998 in Kraft trat, auch Berlin, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen noch vor Einführung des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes eigene Informationsfreiheitsgesetze, die den Zugang zu Informationen bei Landesbehörden regeln. Inzwischen haben auch Hamburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, RheinlandPfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen eigene Informationsfreiheitsgesetze erlassen. Inhaltlich unterscheiden sie sich jedoch erheblich voneinander, so dass man auf Länderebene von einem „Informationsföderalismus“112 sprechen kann.113
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Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 60. Inwieweit dies auch für andere grundrechtsberechtigte juristische Personen des öffentlichen Rechts gelten muss, ist für die Fragestellung dieser Arbeit nicht relevant und wird daher nicht weiter thematisiert. Siehe dazu aber: Kloepfer, K & R 2006, 19 (20); Matthes, Das Informationsfreiheitsgesetz, S. 5 f.; Schoch, § 1, Rn. 62 ff.; Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, S. 80 ff. 110 Schrader, ZUR 2005, 568 (574). 111 Schoch, Einl, Rn. 100. 112 Schrader, ZUR 2005, 568 (574). 113 Im Einzelnen zu den Informationsfreiheitsgesetzen der Länder siehe Schoch, Einl, Rn. 99 ff. 109
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ee) Bedeutung des Informationsfreiheitsgesetzes in der journalistischen Praxis Die Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes war vor seinem Inkrafttreten im Jahr 2006 von Journalistenverbänden ausdrücklich gefordert worden. Gemeinsam mit Transparency International und der Bürgerrechtsgruppe Humanistische Union hatten die drei Journalistenorganisationen Deutscher Journalisten-Verband, Deutsche Journalistinnen-und Journalisten-Union in ver.di und netzwerk recherche sogar einen eigenen Gesetzesentwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz erarbeitet. Betont wurde darin unter anderem die besondere, in der Verfassung verankerte Aufgabe der Medien, den demokratischen Meinungsbildungsprozess anzuregen und mitzugestalten, und dass Journalisten diese Aufgabe nur dann hinreichend wahrnehmen können, wenn sie Zugang zu den bei staatlichen Stellen vorhandenen Informationen haben.114 Man erhoffte sich durch die Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes eine Verbesserung der Recherchemöglichkeiten, insbesondere durch den Zugang zu Originaldokumenten.115 Auch in der wissenschaftlichen Literatur ging man davon aus, dass die Journalisten als Berufsgruppe (neben den Anwälten) am meisten von einem Informationsfreiheitsgesetz profitieren würden.116 Betrachtet man die gestellten Anträge, werden diese Vorhersagen jedoch nicht bestätigt. Laut Jahresstatistik 2006 des Bundesministeriums des Innern kamen die 2278 gestellten Anträge bei den Bundesministerien zum größten Teil von Privatpersonen, nur in 92 Fällen gingen die Anträge auf Medienvertreter zurück.117 Über die journalistische Bedeutung des Informationsfreiheitsgesetzes sagen diese Zahlen jedoch nichts aus, denn ob die Medienvertreter ihre Anträge gestellt haben, ohne ihre journalistische Tätigkeit offenzulegen, lässt sich mangels darüber erhobener Daten nicht feststellen. „Da die Informationswünsche im Regelfall nicht zu begründen sind, […] [gibt es] keinen Überblick, wer aus welchen Gründen seine Rechte aus dem IFG wahrgenommen hat.“118 Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass die Zahl deutlich höher ist. Journalisten, die beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk arbeiten und die juristische Auseinandersetzung um ihr Zugangsrecht kennen, werden schon der Einfachheit halber als Privatperson auftreten. Und auch in anderen Fällen werden viele Journalisten ihre publizistische Tätigkeit bei Antragstellung nicht offenlegen, um auf diese Weise diskreter an Informationen heranzukommen. Denn gerade bei sensiblen Vorgängen erzeugt ein Journalist auf diesem Weg weniger Aufmerksam114
netzwerk recherche u. a., Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, S. 7 f. netzwerk recherche u. a., Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, S. 4. 116 Bräutigam, DÖV 2005, 376 (381); Kloepfer/v. Lewinski, DVBl 2005, 1277 (1288). 117 http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2007/01/ein_jahr_ifg. html; letzter Zugriff am 25. 01. 2012. 118 Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit für die Jahre 2006 und 2007 des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, S. 70, zu finden unter: http://www. bfdi.bund.de/cae/servlet/contentblob/412050/publicationFile/25274/1TB06_07.pdf; letzter Zugriff am 25. 01. 2012. 115
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keit und damit vielleicht auch Widerstände, als wenn er offiziell als Redaktionsmitglied an eine Behörde herantritt.119 b) Umweltinformationsgesetz Noch vor der Einführung des Informationsfreiheitsgesetzes ist am 16. 07. 1994 das Umweltinformationsgesetz erstmalig in Kraft getreten. Es setzt die Umweltinformationsrichtlinie um, die der Rat der EU am 07. 06. 1990 verabschiedet hat.120 Aufgrund umfassender Änderungen der Richtlinie wurde auch das Umweltinformationsgesetz im Jahr 2005 grundlegend geändert und weiter gefasst.121 Der Zweck des Umweltinformationsgesetzes ist gemäß § 1 I UIG, „den rechtlichen Rahmen für den freien Zugang zu Umweltinformationen […] sowie für die Verbreitung dieser Umweltinformationen zu schaffen.“ Damit wurde auf Bundesebene im Bereich der Umweltinformationen damit begonnen, das Prinzip der beschränkten Aktenöffentlichkeit aufzuheben, nach dem ausschließlich Verfahrensbeteiligte nur für den Zeitraum eines laufenden Verfahrens einen Anspruch auf Akteneinsicht hatten. Stattdessen gilt seitdem für Umweltinformationen das Prinzip der Öffentlichkeit.122 aa) Inhalt des Anspruchs: Zugang zu Umweltinformationen Nach § 3 I UIG hat jede Person Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen. Welche Informationen als Umweltinformationen einzustufen sind, bestimmt wiederum § 2 III UIG. Dazu gehören Daten über • den Zustand von Umweltbestandteilen (§ 2 III Nr. 1 UIG), • Faktoren, die sich auf diese Bestandteile auswirken (§ 2 III Nr. 2 UIG), • umweltbeeinflussende Maßnahmen oder Tätigkeiten inklusive politischer Konzepte, Pläne und Programme (§ 2 III Nr. 3 UIG), • Berichte über die Umsetzung des Umweltrechts (§ 2 III Nr. 4 UIG), • Kosten-Nutzen-Analysen oder sonstige wirtschaftliche Analysen, die zur Vorbereitung oder Durchführung der in Nr. 3 genannten Maßnahmen dienen (§ 2 III Nr. 4 UIG) sowie • den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit, die menschlichen Lebensbedingungen sowie über Kulturstätten und Bauwerke, soweit sie vom Zustand der Umweltbestandteile betroffen sind, ausdrücklich erfasst ist auch die Kontamination der Lebensmittelkette (§ 2 III Nr. 6 UIG). 119 120 121 122
Cario, Die Deutschland-Ermittler, S. 70. BR-Drs. 797/93, S. 9 ff. Schrader, ZUR 2005, 568 (569). Turiaux, Einl, Rn. 1; Schomerus/Schrader/Wegener-Wegener, § 1, Rn. 3.
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Bei allen Umweltinformationen muss also ein Zusammenhang zu Umweltbestandteilen bestehen oder jedenfalls möglicherweise bestehen.123 Dabei bezieht sich das 2005 neu gefasste Umweltinformationsgesetz nicht mehr ausschließlich auf die Informationen, die bei den Behörden vorhanden sind, sondern schließt auch diejenigen mit ein, die von anderen Stellen für sie bereitgehalten werden.124 bb) Anspruchsverpflichtete: informationspflichtige Stellen gemäß § 2 I UIG Das Umweltinformationsgesetz gilt gemäß § 1 II UIG für informationspflichtige Stellen des Bundes und der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Die informationspflichtigen Stellen definiert § 2 I UIG. Dazu gehören die Regierung und andere Stellen der öffentlichen Verwaltung. Ausgeschlossen sind jedoch die obersten Bundesbehörden, soweit sie im Rahmen der Gesetzgebung oder beim Erlass von Rechtsverordnungen tätig werden, und Gerichte des Bundes, soweit sie nicht Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. Natürliche und juristische Personen des Privatrechts sind gemäß § 2 I Nr. 2 UIG ebenfalls zur Auskunft verpflichtet, soweit sie umweltrelevante öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder öffentliche Dienstleistungen erbringen und dabei der Kontrolle des Bundes oder einer unter der Aufsicht des Bundes stehenden juristischen Person des öffentlichen Rechts unterliegen. cc) Anspruchsberechtigte: „jede Person“ Das Umweltinformationsgesetz gewährt ähnlich wie das Informationsfreiheitsgesetz Zugang zu umweltbezogenen Informationen für „jede Person“. Ebenso wie beim Informationsfreiheitsgesetz stellt sich damit auch beim Umweltinformationsgesetz die Frage, ob juristische Personen des öffentlichen Rechts sich auf den Informationszugangsanspruch aus § 3 UIG berufen können. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit dieser Frage bislang nur im Zusammenhang mit Gemeinden beschäftigt, verneint aber grundsätzlich die Berechtigung juristischer Personen des öffentlichen Rechts nach § 3 UIG.125 Auch der Gesetzgeber ist nur von einem Anspruch für natürliche und juristische Personen des Privatrechts ausgegangen126 und findet damit vereinzelt Zustimmung in der Literatur.127 Anders sieht es jedoch der Hessische Verwaltungsgerichtshof, der die juristischen Personen des öffentlichen Rechts jedenfalls nicht vollständig ausschließen will, denn „für […] Selbstverwal123
Schomerus/Tolkmitt, DÖV 2007, 985 (989). Schrader, ZUR 2005, 568 (569). 125 BVerwG NVwZ 1996, 400 (401). 126 Vgl. BT-Drs. 12/7138, S. 12. 127 Epiney, Umweltrecht in der Europäischen Union, S. 193; Fluck/Wintterle, VerwArch 2003, S. 437 (443). 124
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tungskörperschaften […], die dem Staat aufgrund ihrer verfassungsrechtlich eingeräumten Rechtsstellung in vielen Fällen wie ein Bürger gegenübertreten, das gilt etwa auch für Universitäten und Rundfunkanstalten, erscheint die Verneinung eines Informationsbedürfnisses und die ,Herausnahme‘ aus dem Informationszugangsrecht teleologisch nicht gerechtfertigt.“128 Geteilt wird diese Ansicht von einem Großteil der Literatur.129 Auch im Falle des Umweltinformationsgesetzes lässt sich zunächst die Systematik als Argument gegen die Einbeziehung anführen, denn die Umweltinformationsrichtlinie, die mit dem Umweltinformationsgesetz umgesetzt wurde, betrifft ebenfalls nur das Staat-Bürger-Verhältnis und soll nicht den Informationsfluss zwischen Behörden untereinander regeln.130 Des Weiteren lässt sich auch hier argumentieren, dass staatliche Organe über anderweitige Möglichkeiten der Informationsbeschaffung wie etwa die Amtshilfe, behördliche Aufsichts- und Weisungsrechte oder sonstige einschlägige öffentlich-rechtliche Regelungen verfügen.131 Andererseits lässt sich das Ziel einer möglichst weitreichenden Verbreitung von Umweltinformationen besser erreichen, wenn Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht vom Zugang zu diesen Informationen ausgeschlossen sind. Und wie bereits im Zusammenhang mit dem Informationsfreiheitsgesetz festgestellt, verletzt eine enge Auslegung unter Ausschluss der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten diese in ihrem von Art. 5 I 2 Var. 2 GG und Art. 5 I 1 Hs. 2 GG geschützten Recht auf Beschaffung von Informationen und verstößt zudem gegen den Gleichheitsgrundsatz.132 Daher muss auch das Umweltinformationsgesetz verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass Journalisten der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten ein Informationszugangsanspruch aus § 3 I UIG zusteht. dd) Zugang zu Umweltinformationen auf Länderebene Das ursprüngliche Umweltinformationsgesetz von 1994 galt für Behörden des Bundes, der Länder und der Gemeinden. Dies wurde jedoch infolge der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geändert, die die Gesetzgebungskompetenz des Bundes entscheidend zugunsten der Länder eingeschränkt hat.133 Das neu gefasste Umweltinformationsgesetz von 2005 gilt daher lediglich auf Bundes128
HessVGH DÖV 2007, 1019 (1020). Z. B. Schomerus/Schrader/Wegener-Wegener, § 4, Rn. 7; Gurlit, EurUP 4 (2006), 224 (226); Schmillen, Das Umweltinformationsrecht zwischen Anspruch und Wirklichkeit, S. 22; jeweils m.w.N. 130 BVerwG NVwZ 1996, 400 (401); so auch Epiney, Umweltrecht in der Europäischen Union, S. 193. 131 HessVGH DÖV 2007, 1019 (1020). 132 Siehe Zweiter Teil, Kapitel A.II.2.a)cc)(5). 133 BVerfGE 106, 62 – Altenpflege; BVerfGE 111, 226 – Juniorprofessur; BVerfG NJW 2005, 493 – Studiengebühren. 129
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ebene, die Länder müssen die Umweltinformationsrichtlinie für ihren Bereich nun selbst umsetzen.134 Die bisherige Umsetzung verlief uneinheitlich: Während einige Landesgesetze auf das Umweltinformationsgesetz des Bundes verweisen, weichen andere zum Teil stark davon ab. Auch haben noch längst nicht alle Länder ein eigenes Umweltinformationsgesetz eingeführt. Wo dies noch nicht geschehen ist, gilt die Richtlinie unmittelbar.135 c) Verbraucherinformationsgesetz Das Verbraucherinformationsgesetz entstand als Reaktion auf mehrere Skandale im Lebensmittelbereich wie zum Beispiel die BSE-Epidemie oder die sogenannten „Gammelfleisch-Skandale“ und sollte die Rechte der Verbraucher stärken.136 Es trat am 01. 05. 2008 in Kraft. aa) Inhalt des Anspruchs: Zugang zu Informationen über Lebens- und Futtermittel Das Verbraucherinformationsgesetz gewährt in § 1 I VIG jedem den voraussetzungslosen Zugang zu Informationen, die unabhängig von der Art ihrer Speicherung bei einer Stelle im Sinne des § 1 II VIG137 vorhanden sind. Der Anspruch umfasst Informationen über • Verstöße gegen das Lebensmittel- und Futtermittelrecht, sowie Maßnahmen und Entscheidungen, die im Zusammenhang mit solchen Verstößen getroffen worden sind (§ 1 I Nr. 1 VIG), • die von Lebens- und Futtermitteln ausgehenden Gefahren und Risiken (§ 1 I Nr. 2 VIG), • die Kennzeichnung, Herkunft, Beschaffenheit, Verwendung von Lebens- und Futtermitteln sowie ihre Herstellung oder Behandlung (§ 1 I Nr. 3 VIG), • Ausgangsstoffe von Lebens- und Futtermitteln und die bei der Gewinnung der Ausgangsstoffe angewendeten Verfahren (§ 1 I Nr. 4 VIG) und • Überwachungsmaßnahmen oder andere behördliche Tätigkeiten oder Maßnahmen zum Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern (§ 1 I Nr. 5 VIG). Allerdings enthält § 2 VIG einen Katalog von Ausschluss- und Beschränkungsgründen im Falle entgegenstehender öffentlicher oder privater Belange, der den des Informationsfreiheitsgesetzes deutlich übersteigt. So ist der Zugangsanspruch beispielsweise ausgeschlossen, wenn dadurch ein Dienstgeheimnis verletzt würde 134 135 136 137
Schoch, Einl, Rn. 99; Schrader, ZUR 2005, 568 (569). Schrader, ZUR 2005, 568 (574). Hahn/Wellmann, VIG, S. 23. Dazu mehr bei den Anspruchsverpflichteten im Zweiten Teil, Kapitel A.II.2.c)bb).
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(§ 2 Nr. 1 c VIG), oder regelmäßig dann, wenn die Informationen vor mehr als fünf Jahren seit der Antragstellung entstanden sind (§ 2 Nr. 1 e VIG). Das Transparenzniveau bleibt damit im Bereich der Lebens- und Futtermittel hinter dem des Informationsfreiheitsgesetzes zurück.138 In welcher Form die Informationen gewährt werden, liegt gemäß § 5 I VIG im Ermessen der Behörde. Sie kann den Informationszugang durch Auskunftserteilung, Gewährung von Akteneinsicht oder in sonstiger Weise eröffnen. Der Antragsteller hat folglich keinen Anspruch auf eine bestimmte Art und Weise der Informationsgewährung.139 bb) Anspruchsverpflichtete: Behörden oder Personen des Privatrechts, die für die Erfüllung der in § 1 LFGB genannten Zwecke zuständig sind Die Bestimmung der Anspruchsverpflichteten ist beim Verbraucherinformationsgesetz schwieriger als bei den übrigen Informationsgesetzen, denn der Anspruch besteht nicht generell gegenüber den Behörden des Bundes (wie in § 1 I IFG) oder gegenüber den aufgezählten informationspflichtigen Stellen (wie in § 2 I UIG), sondern er wird gemäß § 1 II VIG beschränkt auf Informationen bei Behörden im Sinne des § 1 IV VwVfG oder bei Personen des Privatrechts unter behördlicher Aufsicht, die jeweils für die Erfüllung der in § 1 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuchs genannten Zwecke140 zuständig sind.141 Auf diese Weise wird zunächst nur der Inhalt des Anspruchs eingegrenzt auf diejenigen Informationen, die bei diesen Stellen vorliegen. Ob diese Stellen zugleich informationspflichtig sind, ist damit nicht abschließend geklärt. Lediglich auf Ebene der Bundesbehörden sind alle Stellen im Sinne des § 1 II VIG zuständig, während dies für Stellen der Gemeinden und Gemeindeverbände nur gilt, „wenn der Gemeinde oder dem Gemeindeverband die Aufgaben nach diesem Gesetz durch Landesrecht übertragen worden sind“, wie § 1 II 2 VIG ausdrücklich klarstellt. Auch für die Stellen der Länder bedarf es einer landesrechtlichen Übertragung, wenn diese Aufgaben nach dem Verbraucherinformationsgesetz übernehmen sollen. Dieses Erfordernis folgt aus der verfassungsrechtlichen Vorgabe des Art. 84 I 7 GG, dass der Bund den Gemeinden keine Aufgaben direkt durch Bundesgesetz übertragen darf. Ob und wie die Aufgaben nach dem Verbraucherinformationsgesetz übertragen worden sind, variiert von Bundesland zu Bundesland.142 Allerdings können auch die 138
Hahn/Wellmann, VIG, S. 47. Branahl, Medienrecht, S. 36. 140 Zu diesen Zwecken gehört laut § 1 I LFGB unter anderem, den Verbraucherschutz durch die Vorbeugung oder Abwehr von Gefahren für die menschliche Gesundheit sicherzustellen, vor Täuschung zu schützen und Wirtschaftsbeteiligte und Verbraucher zu unterrichten. Vgl. Schomerus/Tolkmitt, DÖV 2007, 985 (993, Fn. 64). 141 Beck, VIG, § 1, Nr. 1.2. 142 Im Einzelnen zu den Ausführungsbestimmungen der Länder siehe Beyerlein/BorchertBorchert, Einf, Rn. 13 f. 139
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Länder wegen der Definition in § 1 II VIG nur Behörden für zuständig erklären, die zur Erfüllung der in § 1 LFGB aufgezählten Zwecke dienen.143 § 1 III VIG schließt die obersten Bundes- und Landesbehörden als Anspruchsverpflichtete aus, soweit sie im Rahmen der Gesetzgebung oder beim Erlass von Rechtsverordnungen tätig werden. Ebenfalls ausgeschlossen sind unabhängige Organe der Finanzkontrolle und für Gerichte, Justizvollzugsbehörden, Strafverfolgungs- und Disziplinarbehörden und diesen vorgesetzte Dienststellen. cc) Anspruchsberechtigte: natürliche und juristische Personen Nach § 1 I 1 VIG hat „jeder“ das Recht auf freien Zugang zu den oben genannten Informationen. Damit sind jedenfalls alle natürlichen und juristischen Personen des Privatrechts anspruchsberechtigt.144 Strittig ist wiederum das Zugangsrecht für juristische Personen des öffentlichen Rechts. Einige lehnen dies mit dem Hinweis auf die Sonderregelungen zum Informationsaustausch der Behörden untereinander ab, der auch im Zusammenhang mit den Ansprüchen aus dem Informationsfreiheitsgesetz und Umweltinformationsgesetz vorgebracht wird.145 Andere sind hingegen der Auffassung, es spreche nichts dagegen, den Informationsanspruch auch den juristischen Personen des öffentlichen Rechts einzuräumen.146 Allerdings gilt auch im Falle des Verbraucherinformationsgesetzes, dass der Ausschluss öffentlichrechtlicher Rundfunkanstalten diese in ihren Grundrechten verletzen würde.147 § 1 I VIG ist somit verfassungskonform auszulegen, so dass jedenfalls öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten zugangsberechtigt sind. dd) Das Verbraucherinformationsgesetz in der journalistischen Praxis Einer Studie zufolge, die die Bundesregierung zur Evaluation des Verbraucherinformationsgesetzes in Auftrag gegeben hat,148 stammten von den zum Stichtag der Untersuchung vorliegenden 487 Anträgen insgesamt 226 von Verbänden und Journalisten. Knapp die Hälfte der Anfragen stammt also nicht von Privatpersonen, sondern von professionellen Antragstellern. Dabei ist zu vermuten, dass ihre Zahl in Wirklichkeit sogar deutlich höher liegt, da sie ihre Anträge nicht selten durch Private stellen lassen.149 Das Verbraucherschutzgesetz wird demzufolge von Journalisten – jedenfalls in Relation zu der Zahl der gesamten Anfragen – gut genutzt. Allerdings 143
Beck, VIG, § 1, Nr. 1.2. Beck, VIG, § 1, Nr. 1.1. 145 Z. B. Beck, VIG, § 1, Nr. 1.1. 146 Z. B. Beyerlein/Borchert-Borchert, § 1, Rn. 63. 147 Siehe Zweiter Teil, Kapitel A.II.2.a)cc)(5). 148 Siehe zum Bericht der Bundesregierung über die Ergebnisse der Evaluation des Verbraucherinformationsgesetzes: BT-Drs. 17/1800. 149 Schoch, NJW 2010, 2241 (2242). 144
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werden die von ihnen häufig gestellten „Globalanträge“, die sich nicht nur auf ein bestimmtes Produkt, sondern etwa generell auf bestimmte Rechtsverstöße beziehen, wegen des damit verbundenen Zeit- und Arbeitsaufwandes oft nicht in dem gesetzlich vorgesehenen Zeitrahmen von maximal zwei Monaten beantwortet.150 d) Das Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (Stasi-Unterlagen-Gesetz) Das Stasi-Unterlagen-Gesetz ist ein Spezialgesetz, welches den Zugang zu StasiUnterlagen regelt. § 4 I 1 StUG bestimmt, dass sowohl öffentliche als auch nichtöffentliche Stellen nur Zugang zu den Stasi-Unterlagen haben, soweit es das StasiUnterlagen-Gesetz erlaubt oder anordnet. Daraus folgt, dass die Vorschriften des Stasi-Unterlagen-Gesetzes hinsichtlich der Verwendung von Stasi-Unterlagen abschließende Wirkung haben,151 insbesondere das Informationsfreiheitsgesetz und das Bundesarchivgesetz werden verdrängt.152 Etwas Anderes gilt, wenn Informationen von der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) verlangt werden, die sich nicht unmittelbar auf Stasi-Unterlagen beziehen, sondern zum Beispiel auf die Zahl der in einem bestimmten Zeitraum eingegangenen Anfragen. In diesen Fällen kommt wie üblich das Informationsfreiheitsgesetz zur Anwendung.153 aa) Zugangsregelungen für jedermann gemäß § 3 StUG Primär regelt das Stasi-Unterlagen-Gesetzes, wie die Unterlagen durch den Bundesbeauftragten zu erfassen, zu verwahren und zu verwalten sind. Daneben enthält es aber auch einige rechercherelevante Regelungen, die den Zugriff Außenstehender auf die Stasi-Unterlagen regeln. So hat gemäß § 3 StUG zunächst jeder Einzelne das Recht, von dem Bundesbeauftragten Auskunft darüber zu verlangen, ob in den erschlossenen Unterlagen Informationen zu seiner Person enthalten sind. Ist dies der Fall, hat er das Recht auf Auskunft, Einsicht in die Unterlagen und die Herausgabe von Unterlagen nach Maßgabe des Stasi-Unterlagen-Gesetzes. Für den investigativen Journalisten ist dieses Auskunftsrecht jedoch von untergeordneter Bedeutung, denn Fälle, in denen jemand zur eigenen Person recherchiert und darüber berichten will, sind schwer vorstellbar und wären zudem nicht als investigativer Journalismus einzustufen. Allerdings gewährt § 3 II StUG demjenigen, der einen Auskunftsanspruch gemäß § 3 I StUG hat, das Recht, die erhaltenen Informationen
150 151 152 153
BT-Drs. 17/1800, S. 7. BT-Drs. 12/1093, S. 20. Schoch, Einl, Rn. 177 f. Schoch, § 1, Rn. 178.
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und Unterlagen nach Maßgabe der allgemeinen Gesetze zu verwenden. Er kann diese Informationen also durchaus an die Presse weitergeben.154 bb) Besonderes Zugangsrecht für Presse, Rundfunk und Film gemäß § 34 StUG Bedeutsamer ist für die journalistische Recherche das darüber hinaus bestehende besondere Zugangsrecht für Presse, Rundfunk und Film sowie deren Hilfsunternehmen und die für sie journalistisch-redaktionell tätigen Personen gemäß § 34 StUG. Dieser gewährt den Medien in Verbindung mit den §§ 32, 33 StUG einen Anspruch auf Auskunft durch den Bundesbeauftragten155 und darüber hinaus ein beschränktes Akteneinsichtsrecht. Davon umfasst sind • Unterlagen die keine personenbezogenen Informationen enthalten (§ 32 I Nr. 1 StUG), • anonymisierte Duplikate von Stasi-Unterlagen, in denen die personenbezogenen Daten unkenntlich gemacht wurden (§ 32 I Nr. 2 StUG), • Duplikate mit offenkundigen personenbezogenen Informationen (§ 32 I Nr. 2 StUG), • Unterlagen mit personenbezogenen Informationen zu Mitarbeitern des Staatssicherheitsdienstes, soweit sie nicht vor Vollendung ihres 18. Lebensjahres für den Staatssicherheitsdienst tätig waren, und zu Begünstigten des Staatssicherheitsdienstes (§ 32 I Nr. 3 StUG), • Unterlagen mit personenbezogenen Informationen zu Personen der Zeitgeschichte, Amts- und Funktionsträgern, soweit die Informationen ihre zeitgeschichtliche Rolle, Funktions- oder Amtsausübung betreffen (§ 32 I Nr. 4 StUG) und • Unterlagen mit personenbezogenen Informationen mit Einwilligung der betreffenden Personen (§ 32 I Nr. 5 StUG). Aus dem Verweis auf die §§ 32, 33 StUG folgt, dass die Presse nur zu den in § 32 StUG genannten Aufarbeitungszwecken Zugang zu den Unterlagen bekommt. Diese zulässigen Verwendungszwecke sind gemäß § 32 I StUG erstens der Zweck der politischen und historischen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes und zweitens der Zweck der politischen Bildung. Darüber hinaus erlaubt § 32 IV StUG, dass Stasi-Unterlagen auch für Zwecke der politischen und historischen Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit verwendet werden 154
Stoltenberg, § 34, Rn. 9. Das Auskunftsrecht ist zwar nicht im Wortlaut enthalten, es ist aber als Minus vom Recht auf Akteneinsicht umfasst. Vgl. Groß, DÖV 1997, 133 (143); Schoch, Einl, Rn. 25; Weberling, AfP 2003, 304 (305). 155
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dürfen. Anders als das Informationsfreiheitsgesetz gewährt das Stasi-UnterlagenGesetz also keinen voraussetzungslosen Zugang. Vielmehr müssen die Medienvertreter bei Antragstellung zur Überzeugung des Bundesbeauftragten belegen, dass ihr Vorhaben mit dem gesetzlichen Aufarbeitungszweck übereinstimmt.156 Es handelt sich bei § 32 StUG aber nicht um eine Ermessensvorschrift, so dass der Bundesbeauftragte die Unterlagen zu Verfügung stellen muss, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.157 cc) Einschränkung für personenbezogene Informationen In Bezug auf die Herausgabe und Verwendung von Unterlagen mit personenbezogenen Informationen an die Medien ergibt sich allerdings gemäß der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine wichtige Einschränkung aus der verfassungskonformen Auslegung der Abwägungsklausel des § 32 I 2 und 3 StUG. Die Abwägungsklausel ist Ausdruck des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips. Sie stellt den Ausgleich zwischen dem öffentlichen Interesse an der wissenschaftlichen und publizistischen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes einerseits und dem verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht der betroffenen Personen andererseits her.158 Die Herausgabe von personenbezogenen Informationen an die Presse kann durchaus im öffentlichen Interesse liegen, denn die publizistische Aufarbeitung ist nur möglich, wenn Zugang zu den entsprechenden Informationen besteht. Dennoch ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts eine einschränkende Auslegung geboten. Nur so werde das allgemeine Persönlichkeitsrecht ausreichend geschützt. Denn „Informationen, die der Presse zur Verfügung gestellt werden, werden vielmehr der Allgemeinheit selbst zugänglich gemacht, werden potenziell zu allgemein zugänglichen Quellen.“159 Dies führt nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes dazu, dass die Zurverfügungstellung von Unterlagen mit personenbezogenen Informationen an die Medien im Grundsatz weitestgehend unzulässig ist. Das Gebot eines wirksamen Grundrechtsschutzes erfordere es, die Einsichtsgewährung und Herausgabe auf die Fälle zu beschränken, die weder auf einer Verletzung der räumlichen Privatsphäre und/oder des Rechts am gesprochenen Wort noch auf Spionage beruhen.160 Den schutzwürdigen Interessen, insbesondere dem Gesichtspunkt der menschenrechtswidrigen Informationserhebung, sei in derartigen Fällen nur dann ausreichend Rechnung getragen, wenn die Weitergabe an die Öffentlichkeit ausgeschlossen bliebe.161 156 157 158 159 160 161
Geiger/Klinghardt/Budsinowski-Rapp-Lücke, § 33, Rn. 4. Geiger/Klinghardt/Budsinowski-Rapp-Lücke, § 33, Rn. 16. Geiger/Klinghardt/Budsinowski-Rapp-Lücke, § 32, Rn. 32. BVerwG NJW 2004, 2462 (2467). BVerwG NJW 2004, 2462 (2467 f.). Geiger/Klinghardt/Budsinowski-Rapp-Lücke, § 32, Rn. 32.
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Diese Rechtsprechung hat in der rechtswissenschaftlichen Literatur scharfe Kritik hervorgerufen: Es bestehe die Gefahr, dass es der Presse auf diese Art nicht möglich sei, die Rolle bei der Aufarbeitung des SED-Unrechts wahrzunehmen, die ihr der Gesetzgeber im Stasi-Unterlagen-Gesetz zugedacht habe.162 Die Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR sei damit faktisch blockiert,163 und gerade weil der Presse verfassungsrechtlich eine besondere Stellung zukommt, hätte das Bundesverwaltungsgericht Art. 5 I 2 GG sorgfältig mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abwägen müssen.164 Indem das Gericht aber keine Differenzierung vorgenommen habe und der Presse auch die amts- und funktionsbezogenen Informationen unter Berufung auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Amtsträgers vorenthalten will, versage es ihr die Aufgabe, „als Kontrollinstanz zwischen dem Volk und seinen Vertretern in Parlament und Regierung zu fungieren.“165 In der Praxis wird diese Kritik hingegen nichts daran ändern, dass sich der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts richtet. Für Journalisten ist das Rechercherecht nach § 32 StUG in Bezug auf Unterlagen mit personenbezogenen Informationen daher faktisch durch die restriktive Auslegung des Bundesverwaltungsgerichtes begrenzt. 3. Recht auf Einsicht in öffentliche Register und behördliche Verzeichnisse Eine weitere wichtige Informationsquelle, die für Journalisten frei zugänglich ist, sind öffentliche Register und Verzeichnisse. Im Gegensatz zu den bisher dargestellten Informationsansprüchen gewähren sie ihnen primär Informationen über Private, die die staatlichen Stellen lediglich verwalten.166 Trotzdem hat das Bundesverfassungsgericht betont, dass ein schutzwürdiges Interesse der Medien aus Art. 5 I 2 GG am Zugang zu öffentlichen Datensammlungen und Registern besteht, das sie auch dann geltend machen können, wenn derartige Register für die Öffentlichkeit nur in beschränktem Umfang zugänglich sind. Bei der Interpretation und Anwendung der registerrechtlichen Vorschriften müsse der wertsetzenden Bedeutung der Pressefreiheit hinreichend Rechnung getragen werden.167 Im Einzelfall kann sich ein solcher Einsichtsanspruch sogar unmittelbar aus Art. 5 I 2 GG ableiten.168
162 163 164 165 166 167 168
Heintschel von Heinegg, AfP 2004, 505. Weberling, ZRP 2002, 343. Staff, ZRP 1993, 46 (48). Heintschel von Heinegg, AfP 2004, 505 (508). Soehring, Presserecht, § 5, Rn. 2. BVerfG NJW 2001, 503 (504). Soehring, Presserecht, § 5, Rn. 2a.
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2. Teil: Normative Grundlagen des investigativen Journalismus
a) Vereinsregister Zu diesen staatlichen Registern gehört zunächst das Vereinsregister, das bei den Amtsgerichten geführt wird und alle eingetragenen Vereine enthält. Da nach § 79 I BGB jeder das Recht hat, Einsicht in das Vereinsregister sowie in die von dem Verein bei dem Amtsgericht eingereichten Dokumente zu nehmen, lassen sich auf diesem Wege für Journalisten ohne Darlegung weiterer Voraussetzungen insbesondere Informationen über die Satzung eines eingetragenen Vereins und seinen Vorstand gewinnen.169 b) Handels- und Unternehmensregister Weitere Informationen, die von journalistischem Interesse sein können, enthalten das Handels- und Unternehmensregister. Dort lassen sich Auskünfte über Kaufleute, Handels- und Aktiengesellschaften sowie über Gesellschaften mit beschränkter Haftung entnehmen. Nach § 9 I 1 HGB ist die Einsichtnahme in das Handelsregister sowie in die zum Handelsregister eingereichten Dokumente zu Informationszwecken für jedermann gestattet. Dies gilt gemäß § 9 VI 1 HGB entsprechend für die Einsichtnahme in das Unternehmensregister. Insbesondere die zum Register eingereichten Schriftstücke enthalten oft die Informationen, auf die es dem recherchierenden Journalisten ankommt. Während sich bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung dem Unternehmensregister die Höhe des Stammkapitals und die Identität der Geschäftsführer und Prokuristen entnehmen lassen, gibt erst die dazu geführte Registerkarte Auskunft über die Identität der Gesellschafter.170 Da der Anspruch auf Einsichtnahme jedem zusteht und er grundsätzlich uneingeschränkt gilt, bedarf es für einen Journalisten nicht der Berufung auf den gesetzlichen Auskunftsanspruch. Allerdings ist der Auskunftsanspruch nach den Landespressegesetzen unter Umständen weitreichender und kann dann von den Medienvertretern zusätzlich zu dem allgemeinen Einsichtsrecht geltend gemacht werden.171 c) Grundbuch Im Grundbuch enthalten sind Informationen über die Rechtsverhältnisse an Grundstücken. Einsicht in das Grundbuch kann gemäß § 12 I GBO jeder nehmen, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Dies gilt ebenso für Urkunden, auf die im Grundbuch zur Ergänzung einer Eintragung Bezug genommen ist, sowie für die noch nicht erledigten Eintragungsanträge.
169 170 171
Branahl, Medienrecht, S. 29. Soehring, Presserecht, § 5, Rn. 3. Soehring, Presserecht, § 5, Rn. 4.
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Auch das Berichterstattungsinteresse der Medien kann ein berechtigtes Interesse im Sinne der Grundbuchordnung begründen.172 Der Journalist muss dieses Interesse gegenüber dem Grundbuchamt darlegen, welches seinerseits überprüft, ob die Einsichtnahme zur Befriedigung dieses Interesses geeignet und erforderlich ist.173 Gegenüber dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen hat das Zugangsinteresse der Presse Vorrang, „wenn es um Fragen geht, die die Öffentlichkeit wesentlich angehen und wenn die Recherche der Aufbereitung einer ernsthaften und sachbezogenen Auseinandersetzung dient. Hierdurch werden die Interessen des Eigentümers nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt.“174 Neben dem Anspruch aus § 12 GBO besteht auch gegenüber dem Grundbuchamt der landespresserechtliche Informationsanspruch. Daher lassen sich in der Praxis Konflikte oft vermeiden, indem das Grundbuchamt bei entgegenstehenden schutzwürdigen privaten Belangen zwar keine Einsicht in das Grundbuch gewährt, die anfragenden Journalisten aber dennoch die Auskünfte erhalten, die sie mit ihrem Antrag auf Einsichtnahme bezweckten.175 d) Schuldnerverzeichnis Ebenfalls bei den Amtsgerichten geführt wird gemäß § 915 ZPO das Schuldnerverzeichnis, in dem alle Personen registriert sind, die nach ergebnislosen Vollstreckungsversuchen in den letzten drei Jahren eine eidesstattliche Offenbarungsversicherung gemäß § 807 ZPO oder § 284 AO abgegeben haben oder gegen die nach § 901 ZPO die Haft angeordnet ist, weil sie sich der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung entzogen haben. Allerdings dürfen nach § 915 III ZPO personenbezogene Informationen aus dem Schuldnerverzeichnis nur für Zwecke der Zwangsvollstreckung verwendet werden, sowie um gesetzliche Pflichten zur Prüfung der wirtschaftlichen Zuverlässigkeit zu erfüllen, um Voraussetzungen für die Gewährung von öffentlichen Leistungen zu prüfen oder um wirtschaftliche Nachteile abzuwenden, die daraus entstehen können, dass Schuldner ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen, oder soweit dies zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist. Somit besteht für die Medien kein Auskunftsanspruch bezüglich personenbezogener Informationen. e) Melderegister Von Bedeutung für die journalistische Recherche ist auch das Melderegister, in dem die jeweiligen Meldebehörden die in ihrem Zuständigkeitsbereich wohnenden
172 173 174 175
BVerfG NJW 2001, 503 (506). Branahl, Medienrecht, S. 30. BVerfG NJW 2001, 503 (506). Soehring, Presserecht, § 5, Rn. 15.
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2. Teil: Normative Grundlagen des investigativen Journalismus
Personen registrieren. Darin sind alle meldepflichtigen Personaldaten wie etwa Vorund Nachnamen, Tag und Ort der Geburt oder das Geschlecht erfasst.176 Nach § 21 I 1 MRRG besteht für jedermann ein Anspruch auf die Erteilung einer einfachen Melderegisterauskunft, bei der Auskunft über Vor- und Familiennamen, Doktorgrad und Anschriften einzelner bestimmter Einwohner übermittelt werden. Ebenso besteht gemäß § 21 I 2 MRRG ein Anspruch auf Massenauskunft, wenn jemand Informationen über Daten einer Vielzahl namentlich bezeichneter Einwohner begehrt. Voraussetzung für die Erteilung der Auskunft ist bei der Massenauskunft lediglich die Nennung der Namen der Gesuchten und bei der einfachen Melderegisterauskunft die Nennung der Daten, die eine Individualisierung des Gesuchten nach den im Melderegister enthaltenen Kriterien ermöglichen.177 Wer ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen kann, hat darüber hinaus einen Anspruch auf eine erweiterte Meldeauskunft gemäß § 21 II MRRG und erhält auf diesem Wege zusätzliche Informationen wie zum Beispiel das Geburtsdatum oder frühere Namen und Anschriften des Gesuchten. Dabei reicht das Berichterstattungsinteresse der Medien grundsätzlich aus, um ein berechtigtes Interesse zu begründen.178 4. Zutritt zu öffentlichen Veranstaltungen Für die Medienvertreter ist es wichtig, bei Veranstaltungen und Ereignissen von öffentlichem Interesse unmittelbar dabei zu sein, um sich bei der Berichterstattung nicht nur auf die Weitergabe von Informationen aus zweiter Hand beschränken zu müssen. Neben den Auskunfts- und Einsichtsrechten haben daher die Vorschriften, die ihnen bestimmte Zutrittsrechte zu Veranstaltungen gewähren, einen hohen Stellenwert für die journalistische Recherche. a) Staatliche Veranstaltungen aa) Sitzungen staatlicher Organe Sitzungen staatlicher Organe sind ohnehin weitestgehend öffentlich und stehen damit auch den Medienvertretern grundsätzlich offen. Einschränkungen sind aber vorgesehen, wenn es beispielsweise um besonders sensible Themen geht oder andernfalls der ordnungsgemäße Ablauf nicht gewährleistet werden kann. Im Einzelnen richtet sich die Möglichkeit des Ausschlusses der Öffentlichkeit nach den
176
Vgl. § 2 MRRG. Soehring, Presserecht, § 5, Rn. 16. 178 Soehring, Presserecht, § 5, Rn. 16. Im Übrigen kann auf die Ausführungen zum berechtigten Interesse im Rahmen des § 12 GBO verwiesen werden. Siehe dazu Zweiter Teil, Kapitel A.II.3.c). 177
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jeweils einschlägigen Bestimmungen in der Verfassung, im Gesetz, in der Satzung oder der Geschäftsordnung.179 (1) Parlamentssitzungen Für den Parlamentsbereich gilt als Ausfluss des Demokratieprinzips das unumstrittene Öffentlichkeitsprinzip ohne eine bestimmte medienrechtliche Komponente. Sowohl die Sitzungen des Bundestages als auch des Bundesrates sind öffentlich,180 die Öffentlichkeit kann aber in bestimmten Fällen ausgeschlossen werden.181 Demgegenüber sind Ausschusssitzungen dieser Organe grundsätzlich nicht öffentlich, die Öffentlichkeit kann aber für bestimmte Sitzungen oder Sitzungsteile zugelassen werden.182 Weitere Einschränkungen können sich durch Ausübung des Hausrechts der Veranstalter ergeben, wenn zum Beispiel die räumlichen Kapazitäten nicht ausreichen, um allen Interessierten den Zugang zu gewähren.183 Auch für Sitzungen des Landtages und der Gemeindevertretungen gilt das Öffentlichkeitsprinzip, entsprechende Regelungen finden sich in den Landesverfassungen und in den Gemeindeordnungen.184 Art. 21 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg erklärt beispielsweise die Sitzungen der Hamburger Bürgerschaft für öffentlich. (2) Gerichtsverhandlungen Der Zutritt zu Gerichtsverhandlungen ist in den §§ 169 ff. GVG geregelt, die grundsätzlich die Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen vorsehen, um die „Kontrolle des Verfahrensganges durch die Allgemeinheit“ zu ermöglichen.185 Allerdings bestehen gewisse Einschränkungen des Öffentlichkeitsprinzips. So kann die Öffentlichkeit beispielsweise gemäß § 171b I 1 GVG ausgeschlossen werden, wenn Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich von Prozessbeteiligten oder Zeugen erörtert werden, deren öffentliche Bekanntgabe schutzwürdige private Interessen verletzen würde. Auch wenn zum Beispiel private Geheimnisse in der Verhandlung zur Sprache kommen, deren unbefugte Offenbarung strafbar ist, kann die Öffentlichkeit nach § 172 Nr. 3 GVG ausgeschlossen werden. Dies gilt nach § 172 Nr. 1 und 1a GVG ebenfalls, wenn eine Gefährdung der Staatssicherheit oder des Lebens oder der Gesundheit von Verfahrensbeteiligten zu besorgen ist.
179 180 181 182 183 184 185
Branahl, Medienrecht, S. 39. Vgl. Art. 42 I GG und Art. 52 III GG. Vgl. z. B. Art. 42 I 2, 44 I 2 und 52 III 4 GG. Vgl. § 69 I GOBT und § 37 II GOBR. Soehring, Presserecht, § 6, Rn. 3. Branahl, Medienrecht, S. 39; Soehring, Presserecht, § 6, Rn. 3. RGSt 70, 109 (112); BGHSt 27, 13 (15).
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2. Teil: Normative Grundlagen des investigativen Journalismus
Nicht gestattet ist es hingegen, die Gerichtsverhandlung durch Ton-, Film- oder Fernsehaufnahmen zu dokumentieren. Dies verbietet § 169 Satz 2 GVG, um insbesondere im Strafverfahren den noch nicht verurteilten Angeklagten vor der öffentlichen Berichterstattung zu schützen. Geschützt werden sollen aber durch das Verbot auch die Wahrheitsfindung im Strafverfahren sowie die Verteidigung. Der Gesetzgeber fürchtete, die Aussagen der Verfahrensbeteiligten könnten durch die „Scheu vor einem unbeschränkten, unübersehbaren und unsichtbaren Zuhörer- oder Zuschauerkreis“ beeinträchtigt werden.186 Das Verbot der Anfertigung von Ton- oder Fernsehaufnahmen gilt aber nicht nur im Strafverfahren, sondern betrifft alle Gerichtsverfahren mit Ausnahme derjenigen vor dem Bundesverfassungsgericht. Für letztere gilt gemäß § 17a I BVerfGG abweichend von § 169 Satz 2 GVG, dass Ton-, Fernseh- und Filmaufnahmen in der mündlichen Verhandlung solange zulässig sind, bis das Gericht die Anwesenheit der Beteiligten festgestellt hat. Ebenso dürfen Aufnahmen von der öffentlichen Verkündung von Entscheidungen gemacht werden. Allerdings sind gemäß § 17 a II BVerfGG Ausnahmen möglich, wenn dies zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beteiligten oder Dritter sowie eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens notwendig ist. Fotografien werden von § 169 Satz 2 GVG indessen nicht untersagt. Die Entscheidung, in welchem Maße und zu welchem Zeitpunkt im Gerichtssaal fotografiert werden darf, trifft daher der Gerichtsvorsitzende in Ausübung seines Hausrechts. bb) Pressekonferenzen Zu staatlichen Pressekonferenzen haben die Medien grundsätzlich uneingeschränkten Zutritt. Muss – beispielsweise aus Kapazitätsgründen – eine Auswahl getroffen werden, darf sie nicht willkürlich erfolgen. Ein Ausschluss bestimmter Journalisten etwa wegen ihrer politischen Gesinnung oder der publizistischen Grundhaltung des Mediums, für das sie tätig sind, ist unzulässig.187 Demgegenüber ist es durchaus möglich, die Zutrittserlaubnis von einer vorherigen Sicherheitsüberprüfung der Journalisten abhängig zu machen, wenn an der Pressekonferenz Personen teilnehmen, die einem besonderen Sicherheitsrisiko ausgesetzt sind. Auch die Selektion nach Sachkunde kann unter Umständen statthaft sein, wenn es in der Pressekonferenz um Themen geht, deren publizistische Behandlung nur mit besonderer Sachkunde möglich ist.188 b) Veranstaltungen in privater Trägerschaft Der private Veranstalter kann prinzipiell selbst bestimmen, wem er den Zutritt gestattet. Davon gibt es jedoch zwei Ausnahmen zu Gunsten der Medien, die ihnen 186 187 188
BT-Drs. 4/178, S. 45. VG Berlin AfP 1985, 77 (78). Soehring, Presserecht, § 6, Rn. 16 f.
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einen Anspruch auf Zugang gewähren: das Recht auf Zugang zu öffentlichen Versammlungen und für Fernsehveranstalter zusätzlich das Recht auf Kurzberichterstattung, das ihnen ebenfalls den Zutritt zu Aufnahmezwecken sichert. aa) Zugang zu öffentlichen Versammlungen Das Recht auf Zugang zu öffentlichen Versammlungen ist im Versammlungsgesetz geregelt. Für öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel gilt ohnehin nach § 1 I VersG, dass die Teilnahme jedermann – und damit auch den Medienvertretern – freisteht. Anders ist hingegen die Regelung für öffentliche Versammlungen in geschlossenen Räumen, bei denen der Versammlungsleiter grundsätzlich bestimmte Personen von der Teilnahme ausschließen kann. Gemäß § 6 II VersG gilt dies jedoch nicht für Pressevertreter. Sie können nicht ausgeschlossen werden, wenn sie sich dem Leiter der Versammlung gegenüber durch ihren Presseausweis ordnungsgemäß ausgewiesen haben. bb) Das Recht auf Kurzberichterstattung Der Rundfunkstaatsvertrag enthält in § 5 RStV zudem für alle in der Europäischen Union zugelassenen Fernsehveranstalter das Recht auf Kurzberichterstattung, welches ihnen gestattet, maximal 90 Sekunden lang in Bild und Ton über Veranstaltungen und Ereignisse zu berichten, die öffentlich zugänglich und von allgemeinem Interesse sind. Um sein Recht auf Kurzberichterstattung wahrzunehmen, kann jeder Sender Zugang zu der Veranstaltung verlangen, um eigene Aufnahmen von dem Ereignis anzufertigen.189 Das Recht auf Kurzberichterstattung unterliegt aber gewissen Einschränkungen. Es besteht ohnehin nur dann, wenn die Veranstaltung überhaupt zur Aufzeichnung oder Übertragung freigegeben ist. Dies erklärt sich anhand der Entstehungsgeschichte des Rechts auf Kurzberichterstattung. Es wurde eingeführt, um zu gewährleisten, dass die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender nicht gänzlich von der Berichterstattung bei Veranstaltungen von allgemeinem Interesse ausgeschlossen werden, indem sich finanzstärkere Privatsender exklusive Übertragungslizenzen sichern. Nur so können die öffentlich-rechtlichen Sender ihrem verfassungsrechtlich verankerten Sendeauftrag entsprechen und auch ohne Lizenzerwerb jedenfalls ein Mindestmaß an Berichterstattung leisten.190 Eine weitere Beschränkung gilt für Veranstaltungen von Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften sowie deren Einrichtungen mit entsprechender Aufgabenstellung. Bei diesen besteht gemäß § 5 III RStV kein Recht auf Kurzberichterstattung. Nach § 5 V RStV ist das Recht auf Kurzberichterstattung zudem ausgeschlossen, wenn Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung entgegenstehen, 189 190
Branahl, Medienrecht, S. 38. Vgl. dazu ausführlich Soehring, Presserecht, § 6, Rn. 27.
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2. Teil: Normative Grundlagen des investigativen Journalismus
die das öffentliche Informationsinteresse überwiegen. Außerdem hat der Veranstalter nach dieser Vorschrift das Recht, die Aufzeichnung und Übertragung einzuschränken oder auszuschließen, wenn anzunehmen ist, dass sonst die Durchführung der Veranstaltung in Frage gestellt oder das sittliche Empfinden der Veranstaltungsteilnehmer gröblich verletzt würde.
B. Berichterstattungsfreiheit Die Freiheit der Berichterstattung ist einfachgesetzlich nicht positiv normiert. Im Gegensatz zur journalistischen Recherche bedarf es hierfür keinerlei besonderer Eingriffs- oder Zugangsrechte, denn ohne ein entsprechendes Verbot ist die journalistische Berichterstattung in jeglicher Form stets zulässig. Dies ist verfassungsrechtlich durch die Meinungsfreiheit des Art. 5 I 1 Var. 1 GG, die Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit des Art. 5 I 2 GG sowie das Zensurverbot in Art. 5 I 3 GG gewährleistet.
I. Die Meinungsfreiheit des Art. 5 I 1 Var. 1 GG Nach Art. 5 I 1 Var. 1 GG hat jeder das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Die Meinungsfreiheit ist also ein Menschenrecht, das jedem einzelnen zusteht, es schützt aber damit zugleich sowohl die Meinungsäußerungen in einzelnen Medien als auch die Berichterstattung der Massenmedien an sich.191 Der Begriff der Meinung ist grundsätzlich weit zu verstehen und umfasst Werturteile ebenso wie Tatsachenbehauptungen.192 Allerdings sind bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung unzweifelhaft feststeht, nicht geschützt.193 Inhaltlich unterliegt die Meinungsfreiheit keiner Beschränkung, vielmehr sind Äußerungen aus allen thematischen Bereichen geschützt. Auch welcher Zweck mit der Meinungsäußerung verfolgt wird, also etwa ein privater oder ein politischer, ist unerheblich.194 Zum Schutzbereich der Meinungsfreiheit gehören das Äußern und Verbreiten der eigenen Meinung sowie der Prozess der Informationsübertragung.195 Insofern ist die Verbreitung von Informationen durch die Medien nicht nur von den Medienfreiheiten geschützt, sondern auch von der Meinungsfreiheit.196 191 192 193 194 195 196
BVerfGE 85, 1 (11 f.); BVerfG NJW-RR 2007, 1340. BVerfGE 61, 1 (9). BVerfGE 99, 185 (197). Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 5, Rn. 3. Branahl, Medienrecht, S. 72; Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 5, Rn. 6. Branahl, Medienrecht, S. 72.
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Für den Gesetzgeber ergibt sich aus Art. 5 I 1 Var. 1 GG, dass er keine Vorschriften erlassen darf, die die Äußerung oder die Verbreitung von Meinungen beeinflussen, behindern oder verbieten, ohne dass es für diesen Grundrechtseingriff eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung gibt.197
II. Die Medienfreiheiten des Art. 5 I 2 GG Bereits im Zusammenhang mit der Recherchefreiheit wurde dargestellt, dass die Medienfreiheiten des Art. 5 I 2 GG sämtliche Tätigkeiten schützen, die wesensmäßig mit der Pressearbeit zusammenhängen, „von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung.“198 Mithin ist auch die Berichterstattung vom Schutzbereich umfasst. Im Hinblick auf die Meinungsfreiheit besteht ein Zusammenspiel beider Grundrechte, in der Form, dass die Medienfreiheiten die „massenkommunikative Vermittlungsleistung“ schützen und somit zugleich die Meinungsfreiheit derjenigen fördern, die sich in den Massenmedien äußern.199
III. Das Zensurverbot des Art. 5 I 3 GG Das Zensurverbot des Art. 5 I 3 GG enthält kein eigenes Grundrecht, aber es schützt die Berichterstattungsfreiheit, indem es eine absolute Schranke der Beschränkungsmöglichkeiten darstellt. Es kann seinerseits nicht durch ein beschränkendes Gesetz im Sinne des Art. 5 II GG durchbrochen werden.200 Aufgrund des Zensurverbotes sind somit alle staatlichen Maßnahmen untersagt, durch die die Herstellung oder Verbreitung eines Geisteswerkes von einer behördlichen Vorprüfung und Genehmigung seines Inhalts abhängig gemacht wird.201 Die Berichterstattung durch die Medien unterliegt demnach niemals einer Vorzensur, von der die Erlaubnis zur Veröffentlichung abhängig gemacht werden könnte.
IV. Die Schranke der allgemeinen Gesetze Auch hinsichtlich der Berichterstattungsfreiheit gelten die Schranken des Art. 5 II GG und damit insbesondere die Schranke der allgemeinen Gesetze. Es kann also diesbezüglich ebenfalls eine Einschränkung durch Strafgesetze vorgenommen 197
Heinrich, in: FS 200 Jahre Juristische Fakultät, S. 1241 (1250). BVerfGE 103, 44 (59); 20, 162 (176); 91, 125 (134); siehe dazu bereits Zweiter Teil, Kapitel A.I.1. 199 Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 5, Rn. 1. 200 BVerfGE 33, 52 (72). 201 BVerfGE 33, 52 (72). 198
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2. Teil: Normative Grundlagen des investigativen Journalismus
werden, wobei aber wiederum die Wechselwirkungslehre des Bundesverfassungsgerichts zu berücksichtigen ist.202
202
Siehe dazu bereits Zweiter Teil, Kapitel A.I.3.
Dritter Teil
Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus Nachdem sich der vorige Abschnitt mit der rechtlich gesicherten Recherche- und Berichterstattungsfreiheit auseinandergesetzt hat, wird es in diesem Teil um deren Grenzen gehen. In Art. 5 II GG heißt es: „Die in Art. 5 I GG gewährleisteten Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“ Die vorliegende Untersuchung wird sich mit den strafrechtlichen Regelungen auseinandersetzen, die sich einschränkend auf den investigativen Journalismus auswirken. Wie bereits festgestellt, handelt es sich dabei um allgemeine Gesetze im Sinne des Art. 5 II GG, die gemäß der Wechselwirkungslehre einschränkend im Lichte der medienrelevanten Grundrechte ausgelegt werden müssen. Ein besonderes Medienstrafrecht gibt es in Deutschland nicht, sondern die strafrechtliche Verantwortung der Medienschaffenden bestimmt sich nach den allgemeinen Strafgesetzen. Darunter gibt es viele, mit denen ein investigativ tätiger Journalist bei seiner Arbeit in Konflikt geraten kann – zum Beispiel wenn er seine Quelle durch Drohungen zur Preisgabe von Informationen nötigt oder wenn er einen Diebstahl begeht, um an Beweismaterial für seine Enthüllungsgeschichte zu gelangen. Allerdings sind dies keine Verhaltensweisen, die typischerweise mit investigativem Journalismus einhergehen, sondern stellen seltene Ausnahmen dar.1 Sie bleiben daher im Rahmen dieser Arbeit außer Betracht. Gegenstand dieser Untersuchung sollen vielmehr die Straftatbestände sein, mit denen ein investigativer Journalist in Konflikt geraten kann, obwohl er sich an die üblichen und berufsethisch anerkannten Vorgehensweisen bei Recherche und Berichterstattung hält. Auf diese Weise soll untersucht werden, ob berufsständisch anerkannte journalistische Verhaltensweisen durch den Strafgesetzgeber pönalisiert werden und ob darin gegebenenfalls eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung für den investigativen Journalismus zu sehen ist. Dafür werden die Vorschriften analysiert, die ein investigativer Journalist erfüllen kann, obwohl er sich eng an die Vorgehensweisen hält, die in Lehr- und Praxishandbüchern empfohlenen werden oder gängige Praxis in Redaktionen sind. Dazu gehören insbesondere die Undercover-Recherche unter fremder Identität, das Vorgehen mit versteckter Kamera oder verstecktem Mikrofon, das Bezahlen für den Erhalt vertraulicher Informationen, das 1
Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 50.
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
Einschleusen in einen Betrieb als Mitarbeiter, um auf diese Weise interne Informationen zu erlangen, und die nicht autorisierte Veröffentlichung privater Unterlagen.2
A. Vorschriften zum Schutz des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs und sonstiger persönlicher Rechtsgüter In einem besonderen Spannungsfeld zum investigativen Journalismus stehen zunächst die Vorschriften, die das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen wahren, indem sie sie vor einer unerwünschten Berichterstattung oder dem unerwünschten Eindringen in ihren persönlichen Lebens- und Geheimbereich durch eine journalistische Recherche schützen. Dieser strafrechtliche Persönlichkeitsschutz ist für die vorliegende Untersuchung von besonderem Interesse, weil sich hier zwei gleichrangige verfassungsmäßig geschützte Rechte gegenüberstehen, die der Gesetzgeber in Ausgleich zu bringen hat: das vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung entwickelte allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG) und die Freiheit der Presse- und Rundfunkberichterstattung (Art. 5 I 2 GG). Dabei muss der Gesetzgeber eine Lösung finden, die zugleich verfassungsrechtlich tragbar ist und strafrechtlich sinnvoll erscheint.3 Zu den einschlägigen Vorschriften gehören die Normen des 15. Abschnittes zur Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs in den §§ 201 ff. StGB sowie die AntiStalking-Bestimmung des § 238 StGB. Zudem wird auch der Hausfriedensbruch gemäß § 123 StGB in diesem Zusammenhang behandelt, da das Hausrecht ein persönliches Rechtsgut der besonderen Art ist.4 Schließlich wird kurz auf die Bedeutung der Ehrschutzdelikte der §§ 185 ff. StGB für den investigativen Journalismus eingegangen.
I. §§ 201 ff. StGB, die Regelungen zum Schutz des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs 1. § 201 StGB, Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes a) Grundlagen § 201 StGB stellt die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes unter Strafe. Er ist für den investigativen Journalismus vor allem in Verbindung mit der Aufzeichnung 2 Diese Methoden werden in den journalistischen Lehrbüchern im Zusammenhang mit dem investigativen Journalismus empfohlen oder gehören einer Studie von Weischenberg, Malik und Scholl zufolge zu den in der beruflichen Praxis anerkannten Verhaltensweisen, siehe dazu bereits Erster Teil, Kapitel A.II.1.c). 3 Heuchemer/Paul, JA 2006, 616 (617). 4 Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 123, Rn. 1.
A. Schutz des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs
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und Verwendung heimlicher Tonaufnahmen relevant. Die Norm enthält insgesamt vier Straftatbestände. Nach § 201 I Nr. 1 StGB wird bestraft, wer unbefugt das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt. Nach § 201 I Nr. 2 StGB wird ebenfalls bestraft, wer eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht. Gemäß § 201 II 1 Nr. 1 StGB macht sich derjenige strafbar, der das nicht zu seiner Kenntnis bestimmte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen mit einem Abhörgerät abhört. Zudem ist es nach § 201 II 1 Nr. 2 StGB strafbar, das nach Absatz 1 Nr. 1 aufgenommene oder nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 abgehörte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen im Wortlaut oder seinem wesentlichen Inhalt nach öffentlich mitzuteilen. Enthalten sind zudem eine tatbestandseinschränkende Bagatellklausel (§ 201 II 2 StGB) und der besondere Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen (§ 201 II 3 StGB), die sich beide ausschließlich auf § 201 II 1 Nr. 2 StGB beziehen. Der Straftatbestand der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes wurde 1967 durch das Gesetz zum strafrechtlichen Schutz gegen den Missbrauch von Tonaufnahme- und Abhörgeräten5 als § 298 StGB a. F. zusammen mit dem entsprechenden unechten Amtsdelikt des § 353d I StGB a. F. eingeführt. 1974 wurden die beiden Vorschriften durch das EGStGB zur neuen Vorschrift des § 201 StGB zusammengefasst. 1990 wurde der Tatbestand ergänzt und umfasst seitdem auch die Tathandlung der Veröffentlichung illegal gewonnener Gesprächsinhalte (§ 201 II 1 Nr. 2 StGB). Anlass für diese Erweiterung waren vor allem „spektakuläre ,Lauschangriffe‘ auf den ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Strauß, den Atomphysiker Traube und die Abhöraffäre Biedenkopf“6 sowie der Abdruck von Abhörmaterial des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR in einer Illustrierten.7 Gleichzeitig wurden die Bagatellklausel und der Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen aufgenommen, um den Anwendungsbereich der neuen Vorschrift auf die strafwürdigen Fallgruppen zu beschränken und um den vom Bundesverfassungsgericht postulierten Wertungen zur Veröffentlichung rechtswidrig erlangter Informationen gerecht zu werden.8,9 § 201 StGB schützt die Vertraulichkeit und Unbefangenheit des gesprochenen Wortes,10 denn „was unter Umständen als flüchtige Lebensäußerung gemeint war, darf nicht in eine jederzeit [zu] reproduzierende Tonkonserve verwandelt werden.“11 5
BGBl. I 1967, S. 1360. BT-Drs. 11/6714, S. 3. 7 BT-Drs. 11/7414, S. 3; Lenckner, in: FS Baumann, S. 135. 8 BT-Drs. 11/6714, S. 4. 9 Ausführlich zur Entstehungsgeschichte siehe MüKo-StGB-Graf, § 201, Rn. 5 f. 10 Paschke/Berlit/Meyer-Liesching, 89. Abschnitt, Rn. 13; Peglau, Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch das Strafrecht, S. 32. 11 OLG Jena NStZ 1995, 502 (503). 6
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
Die Vorschrift dient damit der verfassungsrechtlich geschützten freien Entfaltung der Persönlichkeit.12 Für den investigativen Journalismus kann sie jedoch nachteilig sein. Die Inhalte fremder Gespräche sind häufig Ziel einer journalistischen Recherche, und um sie möglichst authentisch einzufangen, werden mitunter Gespräche belauscht oder sogar heimlich aufgezeichnet. Auch die inhaltliche Veröffentlichung derartiger Aufnahmen oder belauschter Gespräche ist im investigativen Journalismus manchmal notwendig, um die Gesellschaft über die aufgedeckten Missstände zu informieren. Hinzu kommt, dass einige Journalisten aus Bequemlichkeit eigene Gespräche – insbesondere Telefonate – mitschneiden, um den Inhalt später erneut abrufen zu können. Diese Verhaltensweisen könnten möglicherweise nach § 201 StGB strafbar sein. b) Die einzelnen Tatbestände des § 201 StGB aa) Aufnehmen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes eines anderen Als Tathandlung kommt zunächst das Aufnehmen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes eines anderen gemäß § 201 I Nr. 1 StGB in Betracht. Gegenstand der Aufnahme muss dabei das gesprochene Wort eines anderen sein, worunter eine akustisch wahrnehmbare Gedankenerklärung mittels lautbarer Zeichen zu verstehen ist.13, 14 Ob die Äußerung unter Zuhilfenahme technischer Geräte wie Funk, Telefon oder Computer erfolgt, spielt keine Rolle.15 Aufgenommen ist sie dann, wenn eine akustische Wiedergabe möglich ist. Geeignete Tonträger sind zum Beispiel Tonband, Kassette, CD-R, DVD, USB-Stick oder Festplatte.16 Des Weiteren muss das aufgenommene Wort nichtöffentlich sein. Das ist der Fall, wenn es nicht für einen größeren, nach Zahl und Individualität unbestimmten oder nicht durch persönliche oder sachliche Beziehungen miteinander verbundenen Personenkreis bestimmt oder unmittelbar verstehbar ist.17 Das Laufenlassen eines Aufnahmegerätes während eines persönlichen Gespräches – beispielsweise mit einem Informanten – erfüllt daher den Tatbestand, wenn die Aussagen des Gesprächspartners nicht an die Öffentlichkeit gerichtet sind. Dabei kommt es nicht 12
MüKo-StGB-Graf, § 201, Rn. 2. BeckOK StGB-Heuchemer, § 201, Rn. 3; Lackner/Kühl-Kühl, § 201, Rn. 2. 14 Ob Gesang ebenfalls geschützt ist, ist umstritten, kann jedoch wegen der fehlenden Relevanz für den investigativen Journalismus an dieser Stelle dahingestellt bleiben. Dafür BeckOK StGB-Heuchemer, § 201, Rn. 3; Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201, Rn. 5; Fischer, § 201, Rn. 3; LK-Schünemann, § 201, Rn. 6; anderer Ansicht Lackner/Kühl-Kühl, § 201, Rn. 2. 15 BGHZ NJW 1982, 1397 (1398). 16 BeckOK StGB-Heuchemer, § 201, Rn. 5; Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201, Rn. 11. 17 Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201, Rn. 6; BeckOK StGB-Heuchemer, § 201, Rn. 4. 13
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einmal darauf an, dass der Journalist die Aufnahme verheimlicht, sondern es genügt, dass sie gegen den Willen des Aufgezeichneten erfolgt.18 Auch das Mitschneiden von Telefongesprächen ist für viele investigativ arbeitende Journalisten gängige Praxis.19 Wird der Gesprächspartner nicht über die Aufzeichnung informiert und geht davon aus, es handele sich um ein Gespräch ausschließlich zwischen ihm und dem Journalisten, ist sein Wort nichtöffentlich und die unbefugte Aufnahme unterfällt dementsprechend ebenfalls § 201 I Nr. 1 StGB. Entdeckt und damit strafrechtlich verfolgt wird dies in der Regel allerdings nur, wenn der heimliche Mitschnitt später veröffentlicht wird. So wurde beispielsweise im Jahr 2005 ein Hamburger Radioredakteur nach § 201 StGB verurteilt, der ein Telefonat mit dem Pressesprecher der Polizei aufgezeichnet und später gesendet hatte.20 Fraglich ist, ob der Tatbestand auch dann erfüllt ist, wenn der Sprecher keine eigene Gedankenerklärung äußert, sondern eine fremde Erklärung wiedergibt. Die Frage ist für den Journalisten von Bedeutung, denn Informanten übermitteln oft nur das, was ein anderer gesagt oder geschrieben hat. Ein Teil der Literatur vertritt die Meinung, dass auch das Verlesen oder Zitieren fremder Erklärungen vom Tatbestand erfasst ist,21 während andere dies ablehnen und nur die Wiedergabe eigener Gedanken als geschützt ansehen.22 Eine weitere Auffassung differenziert hingegen danach, ob der Sprecher die fremde Erklärung zum Teil seiner eigenen Äußerung macht.23 Richtigerweise kann es jedoch keine Rolle spielen, ob der Sprecher eigene oder fremde Gedanken wiedergibt, denn § 201 I Nr. 1 StGB schützt „vor der stimmlichen Perpetuierung einer Äußerung“.24 Unabhängig vom Inhalt können auch durch die Art und Weise eines Vortrags unfreiwillig komische Momente entstehen, vor deren Aufzeichnung auf Tonband der Vortragende geschützt sein sollte.25 Nur bei einem generellen Verbot unbefugter Tonbandaufnahmen kann sich der einzelne unbefangen äußern. Demzufolge kann sich ein Journalist auch strafbar machen, indem er unbefugt aufzeichnet wie sein Informant fremde Aussagen zitiert oder fremde Texte verliest.
18 Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201, Rn. 14; allerdings liegt regelmäßig eine Einwilligung vor, wenn sich der Sprecher trotz des Wissens um die Aufzeichnung äußert, vgl. OLG Thüringen NStZ 1995, 502 (503). 19 Kaesler, Recht für Medienberufe, S. 121. 20 Siehe v. Appen, taz vom 29. 1. 2005, S. 22, zu finden unter: http://www.taz.de/1/archiv/ar chiv/?dig=2005/01/29/a0061, letzter Zugriff am 25. 01. 2012. 21 LK-Schünemann, § 201, Rn. 4; Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201, Rn. 5; NKKargl, § 201, Rn. 7; SK-StGB-Hoyer, § 201, Rn. 7; zustimmend Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 71. 22 Lackner/Kühl-Kühl, § 201, Rn. 2; Maiwald, ZStW 91 (1979), 947 (951 f.); Maurach/ Schroeder/Maiwald, Straftaten gegen Persönlichkeits- und Vermögenswerte, § 29, Rn. 69. 23 Schmitz, JA 1995, 118. 24 Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201, Rn. 2. 25 NK-Kargl, § 201, Rn. 7; SK-StGB-Hoyer, § 201, Rn. 7; LK-Schünemann, § 201, Rn. 4.
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
Ist der Journalist nicht selbst Gesprächsteilnehmer, sondern zeichnet anderer Leute Gespräche auf, hängt es von den Umständen ab, ob er sich dabei nach § 201 StGB strafbar macht. Lässt sich das Gespräch unschwer mithören, zum Beispiel bei einer Unterhaltung auf offener Straße oder in einem Park, die in normaler Lautstärke geführt wird, dann ist es faktisch öffentlich. In diesem Fall entfällt das Tatbestandsmerkmal der Nichtöffentlichkeit, selbst wenn der Sprecher seine Worte nur für den Zuhörenden bestimmt hat.26 Bei Aufnahmen im Rahmen von Veranstaltungen kommt es wiederum darauf an, ob die Veranstaltung öffentlich ist oder nicht. Handelt es sich um eine nichtöffentliche Veranstaltung, bei der die Teilnehmer einen durch gemeinsame Merkmale verbundenen geschlossenen Kreis bilden, so sind grundsätzlich auch die dort geäußerten Wortbeiträge nichtöffentlich. Allerdings muss bei Großveranstaltungen durch entsprechende Vorkehrungen beispielsweise in Form von Einlasskontrollen sichergestellt werden, dass die Öffentlichkeit wirklich ausgeschlossen ist.27 Allein die Anwesenheit von Pressevertretern genügt jedoch nicht, um aus einer ansonsten geschlossenen Veranstaltung eine öffentliche zu machen, denn § 201 I Nr. 1 StGB schützt die Äußerung in ihrer akustischen Gestalt, so dass es nicht darauf ankommt, ob sie später in schriftlicher Form veröffentlicht werden darf.28 Sind hingegen Filmoder Videoaufnahmen ausdrücklich zugelassen, so sind die einzelnen Wortbeiträge stets öffentlich, weil für alle Teilnehmer ersichtlich ist, dass die Möglichkeit der akustischen Reproduktion besteht.29 Sobald neben dem Bild auch der Ton aufgezeichnet wird, ist § 201 StGB auch beim Einsatz einer versteckten Kamera einschlägig. Daher überrascht die Vielzahl von Sendeformaten, die mit heimlichen Filmaufnahmen arbeiten. Auch der Medienanwalt Christian Schertz äußert sich erstaunt darüber, dass der Einsatz versteckter Kameras „zum absoluten Standard in der deutschen Fernsehlandschaft“ gehört. Nicht nur bei humoristischen Formaten wie „Verstehen Sie Spaß“ oder „Versteckte Kamera“, sondern auch bei Reportagen und aktueller Berichterstattung werde sie regelmäßig eingesetzt. Als Beispiele hierfür nennt er sowohl Sendungen privater Sender wie „Spiegel TV“, „Akte“ oder „Die Reportage“ als auch die öffentlichrechtlichen Formate „Monitor“, „Panorama“ und „Report“.30 Das entsprechende Pendant im Hörfunk sind Radioformate, bei denen ein Telefonat ohne Wissen des Angerufenen aufgezeichnet und später ausgestrahlt wird. Ein Beispiel ist „Ungefragt Nachgefragt“, ein Radioquiz, das auf mehreren Sendern
26
Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201, Rn. 9; Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 71 f. 27 OLG Brandenburg NJW-RR 2007, 1641 (1642); Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201, Rn. 8. 28 Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201, Rn. 8. 29 MüKo-StGB-Graf, § 201, Rn. 14. 30 Schertz, in: FS Damm, S. 214 (215 f.).
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übertragen wird.31 Die Kandidaten werden angerufen und in ein Gespräch verwickelt, wobei unauffällig ihr Wissen zu einem bestimmten Thema getestet wird. Dass sie für jede richtige Antwort Geld bekommen, erfahren sie erst am Ende des Gesprächs. Ein weiteres Beispiel sind Telefonate, bei denen Politikern unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Erklärungen entlockt werden sollen, die diese sonst nicht öffentlich abgeben würden. Für Aufsehen sorgte etwa der Anruf eines Radiomoderators bei Andrea Ypsilanti, zu diesem Zeitpunkt SPD-Kandidatin für das Amt der hessischen Ministerpräsidentin, bei dem er sich als SPD-Vorsitzender Franz Müntefering ausgab. Einen Eklat verursachte eine Telefonbefragung des derzeitigen Bundeskanzlers Gerhard Schröder im Jahr 1999, bei der ein Radiomoderator als Bundespräsident Roman Herzog auftrat und Schröder zum Rücktritt des Finanzministers Oskar Lafontaine befragte.32 Auf diese Weise heimlich angefertigte Aufnahmen erfüllen regelmäßig den Straftatbestand des § 201 I Nr. 1 StGB. Auch wenn die Aufgezeichneten vor der Ausstrahlung üblicherweise gefragt werden, ob sie mit dieser einverstanden sind, hat dies lediglich zur Folge, dass kein strafbarer Gebrauch vorliegt. An der Strafbarkeit der Aufnahme nach § 201 I Nr. 1 StGB ändert es jedoch nichts, selbst wenn man darin zugleich eine Genehmigung der Aufzeichnung erblickt. Im Gegensatz zu einer im Voraus gegebenen Einwilligung wirkt sich die nachträglich erteilte Genehmigung nicht auf die Erfüllung des Tatbestands oder die Rechtswidrigkeit aus.33 Erklären lässt sich so jedoch, dass der Einsatz versteckter Kameras oder heimlicher Tonaufnahmen für die Ausstrahlung im Radio selten strafrechtlich verfolgt wird.34 bb) Das Gebrauchen oder einem Dritten Zugänglichmachen einer so hergestellten Aufnahme Fertigt ein Journalist die Tonaufnahme im Sinne des § 201 I Nr. 1 StGB nicht selbst an, sondern kommt auf andere Weise in den Besitz einer „so hergestellten Aufnahme“, kann er sich nach § 201 I Nr. 2 StGB strafbar machen, wenn er diese gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht. (1) Das Tatobjekt: eine „so hergestellte Aufnahme“ Als Tatobjekt muss dafür zunächst eine „so hergestellte Aufnahme“ gegeben sein. Dabei ist aufgrund der mehrdeutigen Formulierung des Tatbestandes streitig, ob mit dem Verweis auf § 201 I Nr. 1 StGB auch das vorangestellte „unbefugt“ mit einbezogen werden soll. Es ist also fraglich, ob die Tonaufnahme unbefugt hergestellt worden sein muss, wie die Vertreter der sogenannten „monistischen Theorie“ an31 32 33 34
Z. B. auf delta radio, 104.6 RTL oder harmony.fm. Beispiele nach Heinker, AfP 2008, 573. BGHSt 17, 359 (360); Roxin, Strafrecht AT I, § 13, Rn. 79. Schertz, in: FS Damm, S. 214 (216); Heinker, AfP 2008, 573.
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nehmen,35 oder nicht, wovon die Befürworter der „dualistischen Theorie“ ausgehen.36 Eine differenzierende Auffassung geht hingegen davon aus, dass Aufnahmen, die mit Einverständnis des Sprechers gemacht wurden, vom Tatbestand ausgenommen sind, dass dies aber nicht für Aufnahmen gilt, die aus anderen Gründen „befugt“ waren – also beispielsweise in Notwehr erfolgten.37 Der Gesetzgeber wollte das Wort „unbefugt“ grundsätzlich in den Tatbestand einbeziehen. Dies lässt sich dem Bericht der Großen Strafrechtskommission entnehmen, auf die die Formulierung „so hergestellt“ zurückgeht. Nach dem Mehrheitswillen der Kommissionsmitglieder sollten nur Aufnahmen ohne Einwilligung des Sprechers erfasst sein.38 Andererseits spricht für die dualistische Theorie, dass sich durch die Einbeziehung befugt hergestellter Aufnahmen in den Tatbestand des § 201 I Nr. 2 StGB ein umfassenderer Rechtsschutz erreichen lässt. Bernd Wölfl gibt zu bedenken, dass andernfalls etwa eine Sekretärin straflos bliebe, die ein Tonband mit einem unter Einwilligung aller Beteiligten aufgenommenen Geschäftsgespräch vom Schreibtisch ihres Chefs entwendet und an die Konkurrenz weitergibt.39 Derartige Strafbarkeitslücken müssen vermieden werden, argumentieren die Vertreter der dualistischen Theorie.40 Betrachtet man allerdings Sinn und Zweck der Vorschrift, zeigt sich, dass allein die differenzierende Auffassung zu einer sachgerechten Lösung kommt. Einerseits kann nicht jede „befugt“ hergestellte Aufnahme vom Tatbestand ausgenommen sein. Dies verdeutlicht Theodor Lenckner, der es als „Unding“ bezeichnet, wenn man ein im Beweisnotstand heimlich aufgenommenes Gespräch später zwecks allgemeiner Erheiterung am Stammtisch abspielen dürfte.41 Ist eine Aufnahme heimlich erfolgt und nicht aufgrund einer Einwilligung, sondern aus anderen Gründen wie zum Beispiel Notwehr oder einer Gestattung gemäß § 100a StPO gerechtfertigt, bleibt der Sprecher trotz der Befugnis des Aufnehmenden schutzwürdig. Ihm ist regelmäßig nicht bewusst, dass seine Worte dauerhaft auf Tonband festgehalten werden. Infol-
35
OLG Stuttgart NJW 1995, 975; Fischer, § 201, Rn. 6; NK-Kargl, § 201, Rn. 12; SKStGB-Hoyer, § 201, Rn. 16; Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 73 ff. 36 Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 152; ders., Jura 2003, 742 (743 f.); Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 212; Rudolphi, in: FS Schaffstein, S. 433 (447). 37 Lenckner, in: FS Baumann, S. 135 (146 f.); Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201, Rn. 16; MüKo-StGB-Graf, § 201, Rn. 24; LK-Schünemann, § 201, Rn. 16. 38 Siehe dazu die Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, Bd. 9, S. 400 ff. 39 Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 152, der sich dabei wiederum auf das Beispiel von Hillenkamp bezieht, siehe Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S 78. 40 Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 152; Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 212. 41 Lenckner, in: FS Baumann, S. 135 (146).
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gedessen muss in dieser Situation der Schutz des § 201 I Nr. 2 StGB wieder greifen, sobald kein Rechtfertigungsgrund mehr vorliegt.42 Andererseits fehlt das Schutzbedürfnis, wenn der Sprecher in die Aufnahme eingewilligt hat. § 201 StGB schützt die Vertraulichkeit und Unbefangenheit des gesprochenen Wortes. Wer aber einverstanden ist, dass seine Worte auf einem Tonträger perpetuiert werden, nimmt damit zugleich ein gewisses Risiko auf sich, die Verwendung des Tonträgers nicht ausnahmslos kontrollieren zu können. Er ist nicht länger unbefangen und kann seine Äußerungen dementsprechend mit Bedacht wählen oder schweigen. Die „Vergänglichkeit des gesprochenen Wortes“43 entfällt und der Schutzzweck der Norm ist nicht betroffen. Daran zeigt sich, dass die von Wölfl und Suppert befürchteten Strafbarkeitslücken nicht bestehen, weil der einwilligende Sprecher nicht schutzbedürftig ist. Aus teleologischen Gründen ist daher der differenzierenden Auffassung zu folgen, so dass Aufnahmen, die mit Einverständnis des Sprechers gemacht wurden, nicht unter den Tatbestand fallen. Für den Journalisten folgt daraus, dass er sich nicht in jedem Fall durch die unbefugte Verwendung einer befugt hergestellten Aufnahme strafbar macht. Ist die Aufnahme mit Einverständnis des Aufgenommenen angefertigt worden, ist sie kein taugliches Tatobjekt. Gelangt er aber an eine unbefugt oder aus anderen Gründen befugt hergestellte Aufnahme, so darf er sie nicht gebrauchen oder einem Dritten zugänglich machen. (2) Gebrauchen oder Zugänglichmachen Gebraucht wird die Aufnahme durch akustische Reproduktion.44 Erfasst ist also insbesondere das Abspielen – unabhängig davon, ob man sie nur für sich oder auch für andere abspielt.45 Hat ein Journalist eine Aufnahme im obigen Sinne von einem Informanten bekommen, dann gebraucht er sie bereits, wenn er sie lediglich anhört, um zu entscheiden, ob die darauf enthaltenen Informationen wertvoll sind und wie er weiter mit ihnen verfahren will. Zugänglichmachen meint demgegenüber, dass einem Dritten der Zugriff auf die Aufnahme ermöglicht wird, so dass dieser sie seinerseits gebrauchen oder einem anderen zugänglich machen kann.46
42 So auch MüKo-StGB-Graf, § 201, Rn. 24; Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201, Rn. 16 sowie Lenckner, in: FS Baumann, S. 135 (147 f.), der bereits den Tatbestand des § 201 I Nr. 1 StGB auf das ohne Wissen des Betroffenen erfolgende Aufnehmen beschränken will, da andernfalls der Schutzzweck nicht betroffen sei. 43 MüKo-StGB-Graf, § 201, Rn. 24. 44 BT-Drs. 8/2545, S. 9; MüKo-StGB-Graf, § 201, Rn. 25. 45 Lackner/Kühl-Kühl, § 201, Rn. 4. 46 Lackner/Kühl-Kühl, § 201, Rn. 4.
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cc) Das Abhören mittels eines Abhörgerätes Nicht nur Tonaufnahmen sind von § 201 StGB umfasst. Nach § 201 II 1 Nr. 1 StGB ist auch das Abhören des nichtöffentlichen Wortes mit Hilfe eines Abhörgerätes strafbar, wenn es nicht zur Kenntnis des Abhörenden bestimmt ist. Ein Abhören liegt sowohl vor, wenn der Täter selbst zuhört, als auch, wenn er das nichtöffentliche Wort für andere unmittelbar hörbar macht.47 Allerdings genügt das zufällige Mithören eines anderen Gesprächs nicht, sondern es muss ein aktives Verhalten vorliegen, das auf das Aushorchen gerichtet ist.48 Ob das Wort zur Kenntnis des Abhörenden bestimmt ist, richtet sich danach, ob der Sprecher will, dass der Täter zu dem Personenkreis gehört, der das gesprochene Wort akustisch wahrnehmen soll.49 Darüber hinaus ist der Gebrauch eines Abhörgerätes erforderlich, um den Tatbestand zu erfüllen. Wer also fremde Gespräche belauscht, ohne sich dabei eines technischen Hilfsmittels zu bedienen, der bleibt aufgrund des eindeutigen Wortlautes des § 201 II 1 Nr. 1 StGB straflos. Als Abhörgerät ist jede technische Vorrichtung zu betrachten, mit der das gesprochene Wort über dessen normalen Klangbereich hinaus durch Verstärkung oder Übertragung unmittelbar wahrnehmbar gemacht wird.50 Dazu gehören zum Beispiel Mikrophonanlagen, Richtmikrophone sowie drahtlose „Mini-Spione“. Auch Stethoskope zum Abhören von Wänden sind ebenso erfasst wie Vorrichtungen zum „Anzapfen“ von Telefonleitungen.51 Wer als Journalist im Zuge seiner Recherchen mit Hilfe derartiger – zum Teil illegaler52 Hilfsmittel – operiert, erfüllt den Tatbestand des § 201 II 1 Nr. 1 StGB.53 Fraglich ist hingegen, ob dies auch für das Mithören bei Telefongesprächen mittels Lautsprecher oder Zweitgeräten zutrifft. Zu denken ist dabei beispielsweise an Situationen, in denen ein Informant einen Journalisten bei einem Gespräch mithören lässt. In Betracht kommen aber auch Konstellationen, in denen der Journalist selbst eine andere Person – zum Beispiel einen Kollegen oder seinen 47
Schmitz, JA 1995, 118 (119). NK-Kargl, § 201, Rn. 16; Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201, Rn. 20. 49 Schmitz, JA 1995, 118 (119). 50 Lackner/Kühl-Kühl, § 201, Rn. 5. 51 Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201, Rn. 19. 52 § 90 I 1 TKG verbietet unter anderem den Besitz von Sendeanlagen, „die ihrer Form nach einen anderen Gegenstand vortäuschen oder die mit Gegenständen des täglichen Gebrauchs verkleidet sind und auf Grund dieser Umstände in besonderer Weise geeignet sind, das nicht öffentlich gesprochene Wort eines anderen von diesem unbemerkt abzuhören oder das Bild eines anderen von diesem unbemerkt aufzunehmen.“ Von diesem Verbot sind die sog. „MiniSpione“ als drahtlose Kleinstsender jedenfalls dann erfasst, wenn sie zur Tarnung in einen anderen Gegenstand eingebaut werden. Vgl. Beck’scher TKG-Kommentar-Bock/Piepenbrock, § 90, Rn. 9. 53 Dass derartige Praktiken tatsächlich vorkommen, zeigt die im Juli 2011 publik gewordene Abhöraffäre in Großbritannien. Den Mitarbeitern des britischen Boulevardblatts „News of the World“ wird unter anderem vorgeworfen, die Telefone von Prominenten, Politikern, Anschlags- und Verbrechensopfern abgehört zu haben. 48
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Chefredakteur – bei einem Telefonat zuhören lässt. Ob die Verwendung derartiger Zusatzeinrichtungen auch unter den Tatbestand des § 201 II 1 Nr. 1 StGB fällt, lässt sich nicht ohne Weiteres bestimmen. Die Rechtsprechung und ein großer Teil der Literatur gehen davon aus, § 201 II 1 Nr. 1 StGB sei auf den Einsatz verbotener technischer Mittel beschränkt, weil nur in diesem Fall ein besonders gefährlicher Angriff auf den geschützten Bereich und auf die Kontrolle der Sprechenden über die Reichweite ihrer Äußerungen vorliege. Im Telefon eingebaute Lautsprecher, Zweithörer oder sonstige Mithöreinrichtungen seien dagegen nicht als Abhörgeräte im Sinne des § 201 II 1 Nr. 1 StGB anzusehen.54 Als Argument wird vorgebracht, derartige Mithöranlagen seien mittlerweile üblich und mit ihrer Benutzung müsse gerechnet werden.55 Dem lässt sich jedoch entgegenhalten, dass sich allein aus der Tatsache, dass mittlerweile die meisten Telefonapparate über einen Lautsprecher verfügen, nicht schließen lässt, dass diese auch tatsächlich regelmäßig genutzt werden. Eine solche Vermutung entbehrt jeglicher empirischer Grundlage.56 Konsequenz der Beschränkung auf verbotene technische Mittel wäre außerdem, dass der Sprechende auch dann nicht geschützt ist, wenn es sich um ein erkennbar vertrauliches Gespräch handelt oder der Gesprächspartner ihn sogar aktiv darüber täuscht, dass er unbesorgt frei sprechen könne.57 Zudem würde ein Abstellen auf die Üblichkeit bestimmter Abhörgeräte zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen, da sich nicht eindeutig sagen lässt, mit welchen Abhörmaßnahmen der einzelne konkret zu rechnen hat.58 Es ist daher abzulehnen, das Mithören bei Telefongesprächen mittels Lautsprecher oder Zweitgeräten generell als tatbestandslos zu betrachten.59 Auch der Lautsprecher eines Telefons verstärkt das gesprochene Wort über dessen normalen Klangbereich hinaus und ist somit ein Abhörgerät im Sinne des § 201 II 1 Nr. 1 StGB. Eine bessere Möglichkeit, zur Berücksichtigung der „sozialüblichen Gepflogenheiten“60 bietet das Tatbestandsmerkmal „nicht zu seiner Kenntnis bestimmt“. Im Rahmen seiner Würdigung lässt sich einbeziehen, ob in der konkreten Situation ein Mithören anderer Personen üblich und der Sprecher daher damit einverstanden ist, dass die Mithörer seine Worte ebenfalls akustisch wahrnehmen können.61 Demnach darf ein Journalist sich grundsätzlich nicht eines Lautsprechers oder eines Zusatzgerätes be-
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BGH NJW 1982, 1397 (1398). BGHSt 39, 335 (343 f.); zustimmend Lackner/Kühl-Kühl, § 201, Rn. 5; Helle, JR 2000, 353 (359 f.); Sternberg-Lieben, Jura 1995, 299 (303); Gössel/Dölling, Strafrecht BT, § 37, Rn. 43; MüKo-StGB-Graf, § 201, Rn. 32. 56 Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 77. 57 Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201, Rn. 19. 58 Schmitz, JA 1995, 118 (120). 59 Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201, Rn. 19; NK-Kargl, § 201, Rn. 17; Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 76 ff.; Schmitz, JA 1995, 118 (120). 60 Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 77. 61 Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201, Rn. 19; NK-Kargl, § 201, Rn. 17. 55
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dienen, um ein fremdes Telefonat mitzuhören oder um ein eigenes Telefonat für andere unmittelbar hörbar zu machen. dd) Das öffentliche Mitteilen eines aufgenommenen bzw. abgehörten nichtöffentlich gesprochenen Wortes Neben dem von § 201 I Nr. 2 StGB erfassten Gebrauchen einer nach Absatz 1 Nr. 1 gemachten Aufnahme ist auch die öffentliche Mitteilung ihres Wortlauts oder wesentlichen Inhalts nach § 201 II 1 Nr. 2 StGB tatbestandsmäßig. Zudem ist auch das öffentliche Mitteilen eines nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 abgehörten nichtöffentlich gesprochenen Wortes erfasst. Auch hier ist fraglich, ob mit dem Verweis das Merkmal „unbefugt“ eingeschlossen sein soll. Jedoch kann an dieser Stelle nichts anderes gelten als bei Absatz 1 Nr. 2. Wie oben bereits dargelegt, schützt § 201 StGB die Vertraulichkeit und Unbefangenheit des flüchtigen gesprochenen Wortes. Wer in eine Aufnahme beziehungsweise das Abhören einwilligt, vertraut aber nicht mehr auf die Flüchtigkeit seiner Worte. Auch bei § 201 I Nr. 2 StGB schließt daher die Einwilligung des Sprechers die Tauglichkeit des aufgenommenen oder des abgehörten nichtöffentlichen Wortes als Tatobjekt aus, während andere Rechtfertigungsgründe dies nicht tun.62 Allerdings besteht bei anderweitig befugten Fällen des Aufzeichnens oder Abhörens über die Bagatellklausel in § 201 II 2 StGB und den besonderen Rechtfertigungsgrund des § 201 II 3 StGB die Möglichkeit, im Rahmen einer Interessenabwägung zu entscheiden, ob die öffentliche Mitteilung im konkreten Fall zulässig ist.63 Öffentlich mitgeteilt ist das Aufgenommene oder Abgehörte, wenn der Wortlaut oder jedenfalls der wesentliche Inhalt einem größeren, individuell nicht feststehenden Personenkreis zugänglich gemacht wird.64 In welcher Art und Weise dies geschieht, also etwa mündlich oder schriftlich, ist unerheblich.65 Die Wiedergabe im Wortlaut meint eine wortgetreue Wiedergabe, die zwar nicht unbedingt die vollständige Äußerung, wohl aber wesentliche Teile davon umfasst.66 Der wesentliche Inhalt ist dann mitgeteilt, wenn sich anhand der Wiedergabe eine im Großen und Ganzen zutreffende Vorstellung von der fraglichen Äußerung gewinnen lässt.67 Eingeschränkt wird der Tatbestand durch die Bagatellklausel in § 201 II 2 StGB, nach der das öffentliche Mitteilen nur strafbar ist, wenn es geeignet ist, berechtigte 62 63 64 65 66
Rn. 7. 67
Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201, Rn. 23; MüKo-StGB-Graf, § 201, Rn. 34. MüKo-StGB-Graf, § 201, Rn. 34. NK-Kargl, § 201, Rn. 19; Lackner/Kühl-Kühl, § 201, Rn. 7; Schmitz, JA 1995, 118 (120). NK-Kargl, § 201, Rn. 19. MüKo-StGB-Graf, § 201, Rn. 35; NK-Kargl, § 201, Rn. 19; Lackner/Kühl-Kühl, § 201, NK-Kargl, § 201, Rn. 19; Lackner/Kühl-Kühl, § 201, Rn. 7.
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Interessen eines anderen zu beeinträchtigen.68 Geschützt sind jegliche Interessen sowohl des Redners als auch eines anderen, solange sie vom Recht als schutzwürdig anerkannt sind.69 Eine tatsächliche Beeinträchtigung muss nicht eintreten, es genügt die bloße Eignung der Verbreitung, eine solche zu verursachen.70 Eine solche Eignung ist regelmäßig insbesondere dann anzunehmen, wenn es sich bei dem Gesprächsinhalt um Geheimnisse im Sinne des § 203 StGB handelt,71 wenn der Betroffene durch die Weitergabe der Äußerung in der Öffentlichkeit bloßgestellt würde72 oder wenn sein berufliches oder öffentliches Wirken dadurch erschwert wird.73 Demgegenüber werden „Äußerungen lapidarsten Inhalts“,74 also Belanglosigkeiten wie Gespräche über das Wetter durch die Bagatellklausel vom Tatbestand ausgeschlossen.75 Da es dem investigativen Journalisten nicht um die Weitergabe von Belanglosigkeiten, sondern um die Aufdeckung von Missständen gegen den Willen der Betroffenen geht, erfüllt ein Großteil seiner Veröffentlichungen diese Kriterien. Wem beispielsweise in einem Zeitungsartikel Korruption nachgewiesen wird, dessen berufliches Fortkommen wird dadurch erheblich beeinträchtigt. Kommt also ein Journalist etwa durch seinen Informanten, der ein Gespräch heimlich aufgezeichnet hat, in den Besitz einer unbefugt angefertigten Tonbandaufnahme, ist auch das Veröffentlichen der wesentlichen Inhalte dieser Aufnahme – etwa durch Nachsprechen oder Texteinblendungen – im Rundfunk oder in den Printmedien regelmäßig von § 201 StGB umfasst, ohne dass die eigentliche Aufnahme wiedergegeben werden muss. Das Gleiche gilt, wenn der Inhalt unbefugt abgehörter Gesprächen auf diese Weise veröffentlicht wird. Für den investigativen Journalismus hat § 201 II 1 Nr. 2 StGB eine große praktische Bedeutung.76 Der Gesetzgeber hat diese Vorschrift gerade mit dem Ziel eingeführt, die mittelbaren Einbrüche in die Privatsphäre zu verhindern, die entstehen, wenn das illegal Aufgenommene oder Abgehörte durch die Täter an die Medien weitergegeben und dann veröffentlicht wird. Schließlich sind diese mittelbaren Verletzungshandlungen oftmals der eigentliche Zweck des vorangehenden unbefugten Aufnehmens oder Abhörens.77 Aufgrund der Parallele zu § 259 StGB, der 68
Für die sonstigen Tatbestände des § 201 StGB gilt die Bagatellklausel nicht, vgl. OLG Jena NStZ 1995, 502 (503); Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201, Rn. 27; Gössel/Dölling, Strafrecht BT, § 37, Rn. 55. 69 Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201, Rn. 27; Schmitz, JA 1995, 118 (120). 70 BT-Drs. 11/6714, S. 4. 71 Gössel/Dölling, Strafrecht BT, § 37, Rn. 55. Ausführlich zu § 203 StGB siehe Dritter Teil, Kapitel A.I.5. 72 BT-Drs. 11/6714, S. 4. 73 Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201, Rn. 27. 74 BT-Drs. 11/6714, S. 4. 75 Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201, Rn. 27. 76 Paschke/Berlit/Meyer-Liesching, 89. Abschnitt, Rn. 14. 77 BT-Drs. 11/6714, S. 3; Fischer, § 201, Rn. 8.
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
ebenfalls die Begehung von Vortaten verhindern soll, wird § 201 II 1 Nr. 2 StGB auch als „Informationshehlerei“ bezeichnet.78 c) Rechtswidrigkeit aa) Allgemeine Rechtfertigungsgründe Die dargelegten Tatbestände des § 201 StGB setzen allesamt voraus, dass der Täter „unbefugt“ handelt. Damit ist nicht das Erfordernis einer gesteigerten Rechtswidrigkeit gemeint, sondern das Merkmal ist als Hinweis auf die allgemeinen Rechtfertigungsgründe zu sehen.79 Der Gesetzgeber hat diesen Zusatz lediglich angefügt, um damit das häufige Vorliegen allgemeiner Rechtfertigungsgründen bei der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes hervorzuheben und zu verdeutlichen, dass neben der Einwilligung auch gesetzliche Erlaubnisse oder sonstige Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe zur Straflosigkeit führen können.80 Dass der Gesetzgeber diesen Hinweis explizit in die Norm aufgenommen hat, kennzeichnet die Bedeutsamkeit der Möglichkeit der Rechtfertigung bei § 201 StGB. Aus diesem Grund soll im folgenden Abschnitt ein besonderes Augenmerk auf die einzelnen Rechtfertigungsgründe gelegt werden, soweit sie für den investigativen Journalismus von Bedeutung sind.81 (1) Die Einwilligung als Rechtfertigungsgrund bei einer Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes Im Zusammenhang mit dem investigativen Journalismus kommt als Rechtfertigungsgrund für eine Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes an erster Stelle eine Einwilligung des Sprechers in Betracht. Diese unterliegt selbstverständlich den üblichen Anforderungen, die für eine rechtfertigende Einwilligung gegeben sein müssen: Um wirksam zu sein, muss sie sich vor allem als „freiwillige Gestattung der fraglichen Rechtsgutsverletzung“ darstellen. Des Weiteren muss der Einwilligende sowohl einwilligungsfähig als auch im konkreten Fall zur Einwilligung befugt sein 78
MüKo-StGB-Graf, § 201, Rn. 33; eine Parallele zur Hehlerei zieht auch Lenckner, in: FS Baumann, S. 135 (137 f.). 79 KG JR 1981, 254; OLG Frankfurt NJW 1977, 1547; LK-Schünemann, § 201, Rn. 31; Fischer, § 201, Rn. 9; NK-Kargl, § 201, Rn. 22; SK-StGB-Hoyer, § 201, Rn. 34; Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 79; Klug, in: FS Sarstedt, S. 107 f., ders., in: FS Oehler, S. 397 (402); Wölfl, Jura 2000, 231; anderer Ansicht Lackner/Kühl-Kühl, § 201, Rn. 9; Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201, Rn. 29; Lenckner, in: FS Baumann, S. 135 (148 f.), die von einer Doppelfunktion des Merkmals ausgehen und ihm zusätzlich eine tatbestandsbeschränkende Funktion zusprechen. 80 BT-Drs. 7/550, S. 236; LK-Schünemann, § 201, Rn. 31; NK-Kargl, § 201, Rn. 22; Heinker, AfP 2008, 573. 81 Auch die übrigen Vorschriften des 15. Abschnittes des StGB verlangen, dass der Täter unbefugt handelt. Die Untersuchung möglicher Rechtfertigungsgründe erfolgt daher an dieser Stelle zugleich exemplarisch für den gesamten 15. Abschnitt.
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und die Einwilligung muss vor der Tat zum Ausdruck gekommen sein.82 Hat der Journalist von seinem Gesprächspartner eine Einwilligung bekommen, die diesen Anforderungen entspricht, so handelt er nicht rechtswidrig. Allerdings ist in jedem Fall streng zu differenzieren, in welche Handlung eingewilligt wurde. So rechtfertigt die Einwilligung in das Mithören eines anderen keinesfalls die Aufzeichnung des Gesprächs auf einen Tonträger.83 Hat der Betroffene allerdings einmal in eine Tonbandaufnahme eingewilligt, so ist auch deren späterer Gebrauch nicht strafbar, auch wenn dies nicht dem Willen des Sprechers entspricht. Die Aufnahme kann in einem solchen Fall nicht mehr taugliches Tatobjekt sein.84 Insbesondere bei Gesprächen mit Medienvertretern kommt darüber hinaus eine mutmaßliche Einwilligung als Rechtfertigungsgrund für eine Aufnahme in Betracht. Zwar genügt das bloße Wissen des Sprechers, dass es sich bei dem Gespräch um ein Pressegespräch handelt, noch nicht für die Annahme einer solchen. Doch können insbesondere bei Interviews, die in der Praxis häufig aufgezeichnet werden, besondere Umstände vorliegen, die eine mutmaßliche Einwilligung begründen. Anzunehmen ist dies, wenn der Betroffene erstens von der Aufnahme weiß – etwa weil der Journalist sein Aufnahmegerät erkennbar auf den Tisch legt oder bei einem vorherigen Termin angekündigt hat, alle Gespräche aufzeichnen zu wollen – und es zweitens erkennbare Hinweise gibt, dass er in diese Aufnahme einwilligt.85 Dass bei diesen Gesprächen auch eine tatsächliche Einwilligung problemlos durch Nachfragen eingeholt werden könnte, steht dem jedenfalls nicht entgegen, wenn der Betroffene darauf erkennbar keinen Wert legt.86 Grundsätzlich gelten bei den übrigen Tathandlungen des § 201 StGB die gleichen Voraussetzungen für eine mutmaßliche Einwilligung.87 Zu bedenken ist jedoch bei Absatz 2 Satz 1 Nr. 1, dass bereits der Tatbestand ausgeschlossen sein kann, wenn das Mithören üblich ist und die Worte des Sprechenden somit nicht nur für seinen Gesprächspartner, sondern ebenfalls zur Kenntnis der Mithörer bestimmt sind.88 Im Falle des öffentlichen Mitteilens eines aufgenommenen beziehungsweise abgehörten nichtöffentlich gesprochenen Wortes gemäß Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 in den Medien kann auch eine mutmaßliche Einwilligung gegeben sein, wenn diese beispielsweise dazu führt, dass der Ruf des Betroffenen wiederhergestellt wird und die Veröffentlichung daher in seinem Interesse erfolgt.89
82 83 84 85 86 87 88 89
Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, Vorbemerkungen zu den §§ 32 ff., Rn. 35. Kramer, NJW 1990, 1760 (1762). Siehe dazu Dritter Teil, Kapitel A.I.1.b)bb)(1). Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 80. Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201, Rn. 30. Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 80. Siehe Dritter Teil, Kapitel A.I.1.b)aa). Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201, Rn. 30.
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
(2) Rechtfertigung durch Notwehr gemäß § 32 StGB Eine weitere Möglichkeit zur Rechtfertigung eines Journalisten kann die Notwehr gemäß § 32 StGB sein. Sie kommt in Frage, wenn der Journalist bei der Erfüllung des Tatbestandes handelt, um einen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden. Denkbar ist dies vor allem in Konstellationen, in denen er heimlich strafbare Äußerungen – beispielsweise in Form eines Drohanrufs – aufnimmt oder abhört. Bei der Frage, ob das Aufnehmen oder Abhören eine geeignete Verteidigungshandlung im Rahmen der Notwehr sein kann, ist zunächst zu bedenken, dass § 32 StGB die Gegenwärtigkeit des Angriffs voraussetzt. Dass mit der Äußerung ein gegenwärtiger Angriff verbunden ist, ist aber nur bei Dauerdelikten möglich, da andernfalls bereits mit Beendigung der Tathandlung auch der Angriff beendet ist.90 Unproblematisch kann also beispielsweise bei einer telefonischen Bombendrohung oder einem Erpressungsanruf von einem gegenwärtigen Angriff ausgegangen werden.91 Zwar werden Fälle, in denen ein Journalist Zeuge derartiger Gespräche wird, selten vorkommen, undenkbar sind sie gleichwohl nicht. Hätte man beispielsweise beim Axel-Springer-Verlag die Telefonanrufe heimlich aufgezeichnet, mit denen die RAF am 19. 05. 1972 einen Bombenanschlag auf das Verlagsgebäude in Hamburg ankündigte, wäre dies ein solcher Fall gewesen.92 Fraglich ist des Weiteren die Eignung der beschriebenen Handlungen zur Verteidigung. Der Angriff auf das Rechtsgut wird bei differenzierter Betrachtung nicht durch die Tonbandaufnahme oder das Belauschen eines Gesprächs vereitelt – schließlich wird die strafbare Äußerung dadurch nicht verhindert. Vielmehr erfolgt die eigentliche Verteidigung erst durch den späteren Gebrauch beispielsweise als prozessuales Beweismittel oder durch die mit Hilfe der Aufnahme oder Aussage eingeleiteten staatlichen Maßnahmen. Aus diesem Grund wird eine Rechtfertigung in derartigen Fällen teilweise abgelehnt.93 Dem lässt sich jedoch entgegenhalten, dass das Aufnehmen oder das Abhören Vorbereitungshandlungen darstellen, die so eng und untrennbar mit der eigentlichen Abwehrmaßnahme verknüpft sind, dass sie bereits selbst als Verteidigungsmaßnahme betrachtet werden müssen.94 Folglich lässt sich festhalten, dass es im investigativen Journalismus Situationen geben kann, in denen die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes in Notwehr 90
Wölfl, Jura 2000, 231 (232 f.). Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 80. 92 Auch Klug beschäftigte sich 1981 aus aktuellem Anlass mit heimlichen Tonbandaufnahmen anonymer Telefonanrufe mit Bombendrohungen, Nötigungs- und Erpressungsversuchen bei Medienunternehmen, was zeigt, dass derartige Konstellationen nicht völlig abwegig sind. Vgl. Klug, in: FS Sarstedt, S. 101 ff. 93 Eisenberg/Müller, JuS 1990, 120 (122 f.). 94 Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre vor Mißbräuchen mit Tonaufnahmeund Abhörgeräten, S. 243 f.; ähnlich NK-Kargl, § 201, Rn. 25; LK-Schünemann, § 201, Rn. 43. 91
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erfolgt, weil das Aufnehmen beziehungsweise Abhören eine geeignete Verteidigungshandlung gegen einen gegenwärtigen Angriff darstellt. Diese Konstellationen werden aber selten vorkommen. (3) Rechtfertigung durch Notstand gemäß § 34 StGB Von größerer Bedeutung für den investigativen Journalismus ist der rechtfertigende Notstand gemäß § 34 StGB. Er kommt in Betracht, wenn die Tat begangen wird, um eine gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr für ein anderes Rechtsgut abzuwenden, und bei Abwägung der widerstreitenden Interessen das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Auch Rechtsgüter der Allgemeinheit sind grundsätzlich notstandsfähig.95 Anders als bei der Notwehr nach § 32 StGB muss die Rechtsgutsverletzung hier nicht unmittelbar bevorstehen. Es genügt vielmehr, dass der Schaden nur durch sofortiges Handeln wirksam abgewendet werden kann, auch wenn der Eintritt des drohenden Schadens erst nach Ablauf einer gewissen Zeit zu erwarten ist.96 Somit lassen sich durch § 34 StGB beispielsweise auch präventive Tonaufnahmen beziehungsweise präventives Abhören rechtfertigen, wenn sie in Erwartung bevorstehenden deliktischen Verhaltens erfolgen.97 Allerdings verlangt § 34 StGB ein wesentliches Überwiegen des geschützten Interesses. Hier ist zu differenzieren, ob der Journalist ohne konkreten Verdacht recherchiert und die Tat begeht, ohne dass eine aktuelle Gefahrensituation vorliegt, oder ob er mit seinem Vorgehen einen konkreten Missstand aufdecken will, um anderen zu helfen. Im ersten Fall kann der Journalist nur seine verfassungsmäßigen Rechte der Presse- und Informationsermittlungsfreiheit in die Abwägung einbringen. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht in der sogenannten „Springer/WallraffEntscheidung“98 ausdrücklich klargestellt, dass „weder das Grundrecht der Freiheit 95 Z. B. RGSt 62, 35 (46); NStZ 1988, 558 (559); OLG Koblenz NJW 1963, 1991; allgemein: MüKo-StGB-Erb, § 34, Rn. 57, m.w.N. 96 RGSt 66, 98 (100); 66, 222 (225); BGH NJW 1951, 769 (769 f.); Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre vor Mißbräuchen mit Tonaufnahme- und Abhörgeräten, S. 270; Wölfl, Jura 2000, 231 (233). 97 Wölfl, Jura 2000, 231 (233). 98 In der Entscheidung befasste sich das Bundesverfassungsgericht mit der Auseinandersetzung zwischen dem Axel-Springer-Verlag und dem Schriftsteller Günter Wallraff. Letzterer hatte sich unter dem Decknamen „Hans Esser“ als freier Mitarbeiter in der Redaktion der „Bild“-Zeitung in Hannover beschäftigen lassen und darüber ein Buch mit dem Titel „Der Aufmacher – Der Mann, der bei ,Bild‘ Hans Esser war“ geschrieben. Darin setzte er sich kritisch mit den journalistischen Methoden, der redaktionellen Arbeit und den Inhalten der „Bild“Zeitung auseinander. Der Springer-Verlag wollte sich dagegen wehren, dass Informationen aus dem redaktionellen Bereich veröffentlicht werden, die sich Wallraff unter Täuschung über seine Identität und seine Absichten verschafft hatte. Das BVerfG rügte aber lediglich die teils wörtliche Schilderung einer Redaktionskonferenz und erklärte im Übrigen in dieser Grundsatzentscheidung, dass auch die Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen in den
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der Meinungsäußerung noch die Pressefreiheit […] die rechtswidrige Beschaffung von Informationen [schützen]. […] Ebensowenig schützt das Grundrecht der Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz GG) eine solche Beschaffung: Dieses gewährleistet nur das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.“99 Das Aufzeichnen oder Abhören ohne einen konkreten Verdacht kann daher keinesfalls nach § 34 StGB gerechtfertigt sein.100 Anders verhält es sich im zweiten Fall. Zu denken ist beispielsweise an eine Situation, in der ein Journalist einen Lebensmittel- oder Giftmüllskandal aufdecken will, um die Gesundheit anderer Menschen zu schützen. Hier ist das verteidigte Rechtsgut – konkret also die körperliche Unversehrtheit der anderen Personen – gegen das Persönlichkeitsrecht der aufgezeichneten oder abgehörten Gesprächsteilnehmer abzuwägen und wird regelmäßig wesentlich überwiegen. Das Aufdecken derartiger Missstände ist kennzeichnend für den investigativen Journalismus.101 Ist die Veröffentlichung in den Medien die schnellste Möglichkeit, sie publik zu machen und somit Gefahren von der Gesellschaft abzuwehren, kommt § 34 StGB regelmäßig als Rechtfertigungsgrund in Betracht. In diesem Sinne entschied auch das OLG München, das im Fall des Journalisten Volker Lilienthal, dem Leitenden Redakteur des Nachrichtendienstes epd medien, erklärte, „dass die vom Beklagten [Lilienthal] vorgenommene Verwertung oder, falls er die Aufzeichnung selbst vorgenommen haben sollte, deren Aufzeichnung und Verwertung nicht als unbefugt i.S.v. § 201 StGB angesehen werden kann.“102 Lilienthal hatte wegen des Verdachts auf Schleichwerbung verdeckt recherchiert und im Zuge dessen nachgewiesen, dass es bei der ARD über Jahre hinweg zahlreiche Fälle von rechtswidriger Schleichwerbung gegeben hatte. Er wurde daraufhin von der Geschäftsführerin der Agentur verklagt, die die werbewirksame Platzierung von Produkten in einer ARD-Vorabendserie gegen entsprechende Bezahlung vermittelte. Sie machte Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche geltend und berief sich dabei unter anderem auf eine Verletzung des § 201 StGB wegen eines aufgezeichneten Gesprächs. Das OLG München wies die Klage insgesamt ab.
Schutzbereich des Art. 5 I GG fällt und daher in bestimmten Ausnahmefällen zulässig sein kann. 99 BVerfGE 66, 116 (137) – Springer/Wallraff. Dies verkennt Rose, wenn sie auch bei einer Recherche „ins Blaue hinein“ dieselben Kriterien anwenden will, die das Bundesverfassungsgericht in dem Urteil für die Veröffentlichung rechtswidrig erlangter Informationen aufgestellt hat; vgl. Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 84. 100 So auch Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201, Rn. 31. 101 Siehe Erster Teil, Kapitel A.II.1.b). 102 OLG München, Urt. v. 20. 01. 2005, Az. 6 U 3236/04, zitiert nach juris, Rn. 129.
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(4) Analoge Anwendung der Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß § 193 StGB Die Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß § 193 StGB ist im Zusammenhang mit den Beleidigungsdelikten als Rechtfertigungsgrund für die Medien von Relevanz. Es wird vereinzelt vertreten, dieser Rechtfertigungsgrund könne über die Ehrschutzdelikte hinaus überall dort angewendet werden, „wo im Widerstreit verschiedener Belange die Verletzung eines Rechtsgutes in Kauf genommen werden muß“.103 Damit käme er für den investigativen Journalismus durchaus in Betracht, weil dieser typischerweise im Interesse der Öffentlichkeit handelt und wichtige Belange der Pressefreiheit auf seiner Seite hat, während auf der anderen Seite regelmäßig Belange des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu berücksichtigen sind. Gegen eine solche erweiterte Anwendung spricht jedoch, dass § 193 StGB in seinen Voraussetzungen auf die Ehrverletzungen zugeschnitten und somit als Spezialregelung nicht verallgemeinerungsfähig ist.104 Der spezielle Rechtfertigungsgrund trägt dem Umstand Rechnung, dass die Ehrschutzdelikte kein klar definiertes Rechtsgut schützen, sondern dass sich ihr tatbestandlicher Umfang erst im konkreten Einzelfall durch eine Interessenabwägung bestimmen lässt. Im Gegensatz dazu steht der Umfang des Rechtsgutes bei § 201 StGB fest, weshalb kein Anlass für eine analoge Anwendung besteht.105 Darüber hinaus hätte die Erstreckung des § 193 StGB auf weitere Tatbestände zur Folge, dass die gesetzlichen Grenzen des § 34 StGB unterlaufen würden.106 In diesem Zusammenhang gibt Gabriele Rose zu Recht zu bedenken, dass aufgrund der großen Bedeutung, die das Bundesverfassungsgericht der Pressefreiheit und damit auch der Informationsermittlungsfreiheit zuerkennt, von vornherein ein vom Gesetzgeber nicht gewolltes Übergewicht zugunsten der recherchierenden Journalisten entstünde.107 Entsprechend diesen Erwägungen ist eine analoge Anwendung der Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß § 193 StGB als Rechtfertigungsgrund bei § 201 StGB abzulehnen.
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BGHZ 3, 270 (281); Vertreter der Theorie von der Wahrnehmung berechtigter Interessen als allgemeiner Rechtfertigungsgrund in der Literatur sind insbesondere Eser, Wahrnehmung berechtigter Interessen als allgemeiner Rechtfertigungsgrund; Noll, ZStW 77 (1965), 1 (31 f.); Tiedemann, JZ 1969, 717 (721), zustimmend Eichhoff, Investigativer Journalismus aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 209 ff. 104 Fischer, § 193, Rn. 4; NK-Zaczyk, § 193, Rn. 12; Lackner/Kühl-Kühl, § 193, Rn. 2; Wölfl, Jura 2000, 231 (234). 105 Wölfl, Jura 2000, 231 (234). 106 NK-Kargl, § 201, Rn. 27. 107 Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 87.
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(5) Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt der Güterund Interessenabwägung Losgelöst von den gesetzlichen Rechtfertigungsgründen hat die Rechtsprechung eigens für die Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereiches einen ergänzenden Rechtfertigungsgrund entwickelt. So soll ausnahmsweise und bei einem erheblichen Überwiegen des gewahrten Interesses nach dem Grundsatz der Güter- und Interessenabwägung die Rechtswidrigkeit entfallen.108 In der Literatur hat dies Zustimmung bei Herwig Roggemann gefunden.109 Kühl nimmt dagegen an, dass eine Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Güter- und Interessenabwägung nur dann in Frage kommt, wenn auch die übrigen Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstandes vorliegen,110 während die herrschende Meinung diesen ergänzenden Rechtfertigungsgrund gänzlich ablehnt.111 Der herrschenden Meinung ist aus den gleichen Gründen zuzustimmen, die gegen die analoge Anwendung des § 193 StGB sprechen: Die Voraussetzungen der gesetzlich geregelten Rechtfertigungsgründe dürfen nicht unterlaufen werden. Der Gesetzgeber hat eine Interessenabwägung über den § 34 StGB hinaus nur in Form der Sonderregelung der Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen gemäß § 201 II 3 StGB112 vorgesehen und diese ausdrücklich auf die Tathandlung des öffentlichen Mitteilens gemäß § 201 II 1 Nr. 2 StGB beschränkt.113 Mit einer zusätzlichen allgemeinen Güterund Interessenabwägung würde diese Beschränkung ausgehebelt.114 Als möglicher Rechtfertigungsgrund für den investigativen Journalismus kommt diese Konstruktion also nicht in Betracht. Bedenken ergeben sich daraus jedoch nicht. Die allgemeinen Rechtfertigungsgründe der Notwehr und des rechtfertigenden Notstandes sind ausreichend, um sachgerechte Lösungen zu erzielen. Eine Notwendigkeit für einen ergänzenden Rechtfertigungsgrund besteht daher nicht.115 (6) Rechtfertigung unmittelbar aus Art. 5 I GG Vereinzelt wird die Möglichkeit der Rechtfertigung von Journalisten unmittelbar aus Art. 5 I GG diskutiert.116 Nicht anders ist Markus Heinker zu verstehen, der davon ausgeht, dass heimliche Aufzeichnungen und ihr Gebrauch bei ausreichender 108
BGHZ 27, 284 (290); NJW 1988, 1016 (1017); BVerfG NJW 1973, 891 (893). Roggemann, Das Tonband im Verfahrensrecht, S. 100. 110 Lackner/Kühl-Kühl, § 201, Rn. 13. 111 Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201, Rn. 32; LK-Schünemann, § 201, Rn. 40 f.; Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 85 f. 112 Dazu siehe Dritter Teil, Kapitel A.I.1.c)bb). 113 Vgl. BT-Drs. 11/7414, S. 5. 114 Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201, Rn. 32. 115 Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201, Rn. 32; LK-Schünemann, § 201, Rn. 41. 116 So etwa bei Eichhoff, Investigativer Journalismus aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 217 ff. und Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 89, wobei letztere im Ergebnis aber zur Ablehnung des Art. 5 I GG als Rechtfertigungsgrund kommt. 109
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publizistischer Relevanz erlaubt sind.117 Er will dieses Ergebnis durch eine verfassungskonforme Auslegung des Merkmals „unbefugt“ erreichen, bekräftigt aber zuvor, dass in dem Wort „unbefugt“ nichts anderes als ein Hinweis auf mögliche Rechtfertigungsgründe zu sehen ist.118 Allerdings hat bereits das Bundesverfassungsgericht betont, dass Art. 5 I GG für sich allein genommen keinen allgemeinen Rechtfertigungsgrund für die Medien darstellt.119 Vielmehr ist die Pressefreiheit als Abwägungskriterium dort zu berücksichtigen, wo das Gesetz selbst eine Abwägung ermöglicht120 – wie es beispielswiese bei § 34 StGB der Fall ist. Demzufolge scheidet eine Rechtfertigung unmittelbar aus Art. 5 I GG für den investigativen Journalismus trotz publizistischer Relevanz aus. bb) Erweiterte Rechtfertigung für § 201 II 1 Nr. 2 StGB: Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen gemäß § 201 II 3 StGB Einen besonderen Rechtfertigungsgrund enthält § 201 II 3 StGB mit der Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen. Dieser kommt erst zum Tragen, wenn es nicht mehr um das Abwenden einer Gefahr im Sinne des § 34 StGB geht,121 und ist ausdrücklich auf die Tathandlung des öffentlichen Mitteilens gemäß § 201 II 1 Nr. 2 StGB beschränkt. Wer also als investigativer Journalist zum Beispiel durch unbefugtes Abhören einen schweren Missstand von öffentlichem Interesse aufdeckt, darf den Gesprächsinhalt zwar aufgrund von § 201 II 3 StGB straflos veröffentlichen, er ist aber dennoch gemäß § 201 II 1 Nr. 1 StGB strafbar, falls diesbezüglich kein anderer Rechtfertigungsgrund greift.122 Hintergrund dieses besonderen Rechtfertigungsgrundes ist die bereits angesprochene „Springer/Wallraff-Entscheidung.“ Darin hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass auch die Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen in den Schutzbereich des Art. 5 I GG fällt und in bestimmten Ausnahmefällen zulässig sein kann, „wenn die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiegt, welche der Rechtsbruch für den Betroffenen und die (tatsächliche) Geltung der Rechtsordnung nach sich ziehen muß.“123 Ein derartiges Überwiegen nimmt das Bundesverfassungsgericht insbesondere an bei „Mißständen von erheblichem Ge-
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Heinker, AfP 2008, 573 (574 f.). Heinker, AfP 2008, 573. BVerfGE 66, 116 (137). Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 89. Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201, Rn. 33a. Vgl. BT-Drs. 11/7414, S. 5. BVerfGE 66, 116 (137 f.) – Springer/Wallraff, mehr dazu Dritter Teil, Fn. 98.
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wicht […], an deren Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht.“124 An diese Wertung wollte der Gesetzgeber mit der Einführung des § 201 II 3 StGB anknüpfen.125 Da gerade der investigative Journalismus die Aufdeckung von sozial relevanten Missständen zum Gegenstand hat, ist die Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen in diesem Zusammenhang als Rechtfertigungsgrund von großer Relevanz. cc) Zusammenfassung Die Betrachtung der einzelnen Rechtfertigungsgründe hat gezeigt, dass für den investigativen Journalismus bei § 201 StGB vor allem die allgemeinen Rechtfertigungsgründe in Form der Einwilligung, der Notwehr und des rechtfertigenden Notstands von Bedeutung sind. Für ergänzende Rechtfertigungsgründe wie eine analoge Anwendung der Wahrnehmung berechtigter Interessen oder eine Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt der Güter- und Interessenabwägung oder unmittelbar aus Art. 5 I GG besteht kein Raum, aber auch keine Notwendigkeit. Daneben enthält § 201 II 3 StGB mit der Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen einen besonderen, für den investigativen Journalismus außerordentlich wichtigen Rechtfertigungsgrund. d) Fazit Investigative Journalisten können in unterschiedlichen Konstellationen bei ihrer Arbeit gegen die Straftatbestände des § 201 StGB verstoßen. Gezeigt wurde aber, dass im Rahmen der Rechtfertigung insbesondere durch § 34 StGB Raum für eine Interessenabwägung besteht. Vor allem die Aufdeckung erheblicher Missstände, die mit Gefahren für einzelne oder die Allgemeinheit verbunden sind, kann trotz Erfüllung des Tatbestandes rechtmäßig sein. Den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgerichts für die Veröffentlichung rechtswidrig erlangter Informationen aufgestellt hat, wird § 201 StGB durch den besonderen Rechtfertigungsgrund des § 201 II 3 StGB gerecht. Des Weiteren lassen sich in der Praxis einige Konflikte ohne großen Aufwand umgehen, indem in den Redaktionen ein entsprechendes Problembewusstsein geweckt wird. Das Mitschneiden von (Telefon-)Gesprächen beispielsweise erfolgt zumeist aus reiner Bequemlichkeit und lässt sich durch das Anfertigen von Notizen vermeiden. Auch bei investigativen Recherchen mit versteckter Kamera kann auf Tonaufnahmen verzichtet werden, ohne dass damit ein Verlust für das spätere journalistische Produkt einhergeht. Der gesprochenen Text lässt sich später als Gedächtnisprotokoll nachsprechen oder als Text einblenden.126 Insbesondere für längere Gespräche bietet es sich zudem an, einen Zeugen mitzunehmen, der im
124 125 126
BVerfGE 66, 116 (139). BT-Drs. 11/6714, S. 4. Ludwig, Investigativer Journalismus, S. 199.
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Idealfall sogar das Gespräch stenographiert.127 Ein Zeuge kann des Weiteren hilfreich sein, falls es im Anschluss an die Veröffentlichung zu einem Rechtsstreit kommt, im Rahmen dessen der Journalist nachweisen muss, dass sich das Geschehen so abgespielt hat, wie von ihm behauptet. In der Gesamtbetrachtung ergibt sich daher, dass § 201 StGB dem investigativen Journalismus zwar bestimmte Grenzen setzt, die jedoch notwendig sind, um die Vertraulichkeit und Unbefangenheit des gesprochenen Wortes zu schützen. Zudem bestehen in der Praxis ausreichend Möglichkeiten für einen Journalisten, zu recherchieren oder seine Informationen zu veröffentlichen, ohne dabei zwangsläufig mit der Vorschrift in Konflikt zu geraten. Somit stellt § 201 StGB keine unverhältnismäßige Beeinträchtigung für den investigativen Journalismus dar. 2. § 201a StGB, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen a) Grundlagen § 201a StGB ist für den investigativen Journalismus im Zusammenhang mit der Aufnahme und Veröffentlichung von Foto- und Filmaufnahmen von Bedeutung. Die Vorschrift stellt die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen unter Strafe. Gemäß § 201a I StGB wird bestraft, wer von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt Bildaufnahmen herstellt oder überträgt und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt. Die gleiche Strafandrohung besteht nach Absatz 2 für denjenigen, der eine durch eine Tat nach Absatz 1 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht. Zudem wird gemäß Absatz 3 ebenso bestraft, wer eine befugt hergestellte Bildaufnahme von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, wissentlich unbefugt einem Dritten zugänglich macht und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt. b) Entstehungsgeschichte Vor Inkrafttreten des § 201a StGB im Jahr 2004 war lediglich die unbefugte Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung von Bildnissen gemäß § 33 i.V.m. §§ 22, 23 KunstUrhG strafbar. Das unbefugte Erstellen von Bildaufnahmen wurde hingegen nicht sanktioniert. Dabei hatte es schon lange davor eine Diskussion über das Erfordernis eines besseren Schutzes vor unbefugten Bildaufnahmen gegeben. So hatte beispielsweise der Arbeitskreis deutscher, österreichischer und schweizerischer Strafrechtslehrer (die sog. „Alternativprofessoren“) bereits 1971 in einem Alternativ-Entwurf des Strafgesetzbuches das unbefugte Abbilden dem unbefugten Abhören 127
Marcus Lindemann nach Selle, in: nr-werkstatt 2007, S. 180 (181).
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gleichgestellt.128 In seinem Tätigkeitsbericht 2001 – 2002 mahnte auch der Bundesdatenschutzbeauftragte an, heimliche Bildaufnahmen dürften nicht länger straffrei bleiben: „Es sind hier Strafbarkeitslücken entstanden, die möglichst bald zu schließen sind. Dies betrifft vor allem das unbefugte Aufnehmen und Verbreiten von Bildern insbesondere mithilfe der Videotechnik und des Internets.“129 Konkret auf den Weg gebracht wurde die Einführung des § 201a StGB im Jahr 2003, als einzelne Bundestagsabgeordnete und die FDP-Fraktion erstmalig einen Gesetzentwurf zum verbesserten Schutz der Intimsphäre vorlegten.130 Grund war die Annahme, dass „der höchstpersönliche Lebensbereich vor unbefugten Bildaufnahmen und optischen Beobachtungen nicht ausreichend strafrechtlich geschützt“ sei.131 Angesichts der elektronischen Datenverarbeitung sowie der Möglichkeit zur schnellen Verbreitung von Text-, Bild- und Toninformationen bestünde eine wachsende Bedrohung.132 Zudem wollte man die bestehende Ungleichbehandlung von unbefugten Bild- und Wortaufnahmen beseitigen.133 Letztere stehen bereits seit 1967 unter Strafe. aa) Der Entwurf der FDP-Fraktion Im Vergleich zum heutigen § 201a StGB sah der Entwurf der FDP-Fraktion neben der Verletzung der Intimsphäre durch eine unbefugte Bildaufnahme oder den Gebrauch oder das Zugänglichmachen einer solchen Bildaufnahme zusätzlich eine Strafbarkeit für das bloße Beobachten mit Hilfe eines Bildaufnahmegeräts oder anderer technischer Mittel vor, wenn dadurch die Intimsphäre verletzt wird. Andererseits nahm der Entwurf aber auch eine Einschränkung vor, indem er die Strafbarkeit auf die Fälle beschränkte, in denen berechtigte Interessen der betroffenen Person verletzt werden. Des Weiteren war ein Rechtfertigungsgrund nach dem Vorbild des § 201 II 3 StGB enthalten, der die Rechtswidrigkeit entfallen ließ, wenn die Tat „zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen begangen wird.“134
128 Vgl. Arbeitskreis deutscher, österreichischer und schweizerischer Strafrechtslehrer, Alternativ-Entwurf StGB, § 146. 129 19. Tätigkeitsbericht des BfDI 2001 – 2002, S. 50; zu finden unter http://www.bfdi.bund. de/SharedDocs/Publikationen/Taetigkeitsberichte/TB_BfDI/19TB_2001_02.html;jsessio nid=F4BF2F0CCB8608312A8035BB2B37F538.1_cid134?nn=408924; letzter Zugriff am 25. 01. 2012. 130 BT-Drs. 15/361. 131 BT-Drs. 15/361, S. 1. 132 BT-Drs. 15/361, S. 3. 133 BT-Drs. 15/361, S. 3. 134 BT-Drs. 15/361, S. 2.
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bb) Der Entwurf der CDU/CSU-Fraktion Es folgte ein Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion,135 der zwar den Tatbestand aber im Gegenzug auch die Rechtfertigungsgründe weiter ausdehnte. Der Entwurf sprach sich gegen die Verwendung des Begriffs „Intimsphäre“ aus. Dieser bezeichne lediglich den unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung, es sei jedoch weder geboten noch zweckmäßig, den Schutzbereich auf diesen Kernbereich zu beschränken. Stattdessen sollte der Tatbestand die Verletzung des „persönlichen Lebensbereiches“ umfassen. Zur weiteren Begründung wurde aufgeführt, dass der Begriff des persönlichen Lebensbereiches auch anderweitig im Strafrecht verwendet wird (vgl. § 171b GVG, § 68a I StPO) und es mithin bereits eine gefestigte Rechtsprechung dazu gebe.136 Als Ausgleich zu der Ausweitung des Tatbestandes sollte die Möglichkeit der Rechtfertigung ebenfalls erweitert werden. „Wer die Tat zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen begeht, handelt nicht rechtswidrig“, lautete Absatz 2 des Gesetzentwurfes, der somit eine umfassende Interessenabwägung ermöglicht hätte. cc) Der Entwurf des Bundesrates Auf Antrag der Länder Bayern und Baden-Württemberg legte daraufhin auch der Bundesrat einen Gesetzentwurf137 vor, in dem erstmalig eine Verletzung des „höchstpersönlichen Lebensbereiches“ als Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit vorgeschlagen wurde.138 Dieser entspreche inhaltlich dem Begriff der Intimsphäre, so dass auch die einschlägige zivilrechtliche Rechtsprechung zur Begriffsbestimmung herangezogen werden könne.139 Dementsprechend lautete auch die vorgeschlagene Überschrift für § 201a StGB „Verletzung der Intimsphäre durch Bildaufnahmen“.140 Damit stellte der Gesetzentwurf in der Sache wieder eine Annäherung an den ersten Entwurf der FDP-Fraktion dar und wählte lediglich einen anderen Ausdruck für das geschützte Rechtsgut.141 Zudem sollten nach dem Vorschlag des Bundesrates nur Bildaufnahmen strafbar sein, die den Verletzten in seinem „persönlichen Rückzugsbereich“ zeigten, also entweder in seiner Wohnung oder einem sonst gegen Einblick besonders geschützten Raum. In der Öffentlichkeit müsse der Einzelne hingegen stets damit rechnen, auf Bildaufnahmen erfasst zu werden, und könne entsprechende Schutzvorkehrungen treffen. Im Übrigen sei er gemäß § 33 KunstUrhG gegen die unbefugte Verbreitung 135 136 137 138 139 140 141
BT-Drs. 15/533. BT-Drs. 15/533, S. 4. BT-Drs. 15/1891. BT-Drs. 15/1891, S. 5. BT-Drs. 15/1891, S. 7. BT-Drs. 15/1891, S. 5. Wendt, AfP 2004, 181 (182).
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
geschützt und könne gegebenenfalls zivilrechtlich dagegen vorgehen, hieß es in der Begründung.142 Von der Pönalisierung des unbefugten Beobachtens distanzierte sich der Entwurf ausdrücklich, weil der „freche Blick“ lediglich Anstandsgebote verletze und das Strafrecht kein zulässiges Mittel zur Bekämpfung bloßer Moralwidrigkeiten sei.143 Einen besonderen Rechtfertigungsgrund für Medienorgane enthielt der Entwurf des Bundesrates nicht. Dies sei nicht notwendig, da § 201a StGB anders als § 201 II 1 Nr. 2 StGB kein Verbreitungsdelikt normiere.144 dd) Der fraktionsübergreifende Entwurf Infolge der drei Entwürfe kam es zu einer ausführlichen Debatte über den neuen Tatbestand. Sowohl die konkrete Ausgestaltung als auch die Notwendigkeit eines solchen Tatbestandes an sich wurden diskutiert. Dabei ging es nicht nur um strafrechtliche, sondern auch um verfassungsrechtliche Aspekte, insbesondere um die Konsequenzen für die Kommunikationsfreiheit.145 Schließlich einigte man sich auf einen fraktionsübergreifenden Entwurf,146 der im April 2004 – in der vom Rechtsausschuss des Bundestages erarbeiteten Version –147 einstimmig verabschiedet wurde.148 Der fraktionsübergreifende Entwurf lehnte sich in einigen Gesichtspunkten eng an den vorigen Entwurf des Bundesrates an. Übernommen wurden sowohl der „höchstpersönliche Lebensbereich“, dessen Verletzung durch die unbefugte Bildaufnahme den Taterfolg kennzeichnet, als auch die Beschränkung auf Bildaufnahmen, die den Verletzten in seinem persönlichen Rückzugsbereich, also seiner Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum, zeigen.149 Auch hinsichtlich des Verzichts auf einen gesonderten Rechtfertigungstatbestand folgte der Entwurf demjenigen des Bundesrates ebenso wie mit dem Absehen von Strafe für unbefugtes Beobachten. In einem Punkt ging der Entwurf dagegen weiter als die bisherigen Entwürfe. Sowohl das unbefugte Gebrauchen als auch die unbefugte Weitergabe von befugt hergestellten Bildern sollten gemäß § 201a StGB-E strafbar sein, wenn dadurch der höchstpersönliche Lebensbereich des Abgebildeten verletzt würde.150 Der Gesetzgeber hat jedoch das unbefugte Gebrauchen befugt hergestellter Bildaufnahmen nicht übernommen, so dass im gegenwärtigen § 201a StGB nur die wissentlich 142 143 144 145 146 147 148 149 150
BT-Drs. 15/1891, S. 6. BT-Drs. 15/1891, S. 6. BT-Drs. 15/1891, S. 7; mehr dazu siehe Dritter Teil, Fn. 276. Wendt, AfP 2004, 181. BT-Drs. 15/2466. Dazu BT-Drs. 15/2995. Wendt, AfP 2004, 181 (181 f.). BT-Drs. 15/2466, S. 3. BT-Drs. 15/2466, S. 3.
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unbefugte Weitergabe unter Strafe steht. Ursächlich für diese Entscheidung war die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, der darin ein nicht strafwürdiges sozialadäquates Verhalten sah.151 Nicht mehr vorgesehen waren hingegen ein Qualifikationstatbestand für Amtsträger und die Versuchsstrafbarkeit, die die Entwürfe der FDP-Fraktion und der CDU/CSU-Fraktion jeweils noch enthielten.152 c) Die Tathandlungen im Einzelnen Für den investigativen Journalismus können zunächst § 201a I und II StGB einschlägig sein, weil im Normalfall ein Journalist beziehungsweise ein Team von Journalisten oder Kameraleuten zunächst eine Bildaufnahme herstellt und diese später veröffentlicht. Die Aufnahme wird also Dritten zugänglich gemacht. Da es sich bei § 201a I und II StGB um unselbstständige Tatbestandsalternativen handelt, liegt in derartigen Fällen nur eine Tat vor.153 Es sind aber auch Konstellationen denkbar, in denen ein Journalist tatbestandsmäßige Bildaufnahmen von einem Informanten angeboten bekommt und sie veröffentlicht, obwohl er weiß, dass er dazu nicht befugt ist. Dann können auch – je nachdem ob der Informant seinerseits zum Anfertigen der Aufnahme befugt war oder nicht – nur § 201a II StGB oder § 201a III StGB erfüllt sein. Auf die einzelnen Tathandlungen soll im Folgenden näher eingegangen werden.154 aa) Tathandlungen nach § 201a StGB: Herstellen oder Übertragen einer Bildaufnahme Für den investigativen Journalismus ist also zunächst das Herstellen von Bildaufnahmen gemäß § 201a I Var. 1 StGB relevant. Sachlich ist das Herstellen mit dem Aufnehmen im Sinne des § 201 StGB gleichzustellen und umfasst sämtliche Handlungen, mit denen optische Informationen auf einem Bild- oder Datenträger abgespeichert werden.155 Das Anfertigen von Foto- oder Videoaufnahmen ist davon ohne Weiteres umfasst. Ob für die Aufnahme eine herkömmliche Kamera mit eingelegtem Film oder eine Digitalkamera verwendet wird, ist ohne Belang.156 Es muss sich jedoch um eine Bildaufnahme einer anderen Person handeln, so dass Gemälde 151
BT-Drs. 15/2995, S. 6. Siehe BT-Drs. 15/361, S. 2 und BT-Drs. 15/533, S. 2. 153 Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201a, Rn. 22. 154 Der räumliche Schutzbereich und der Taterfolg werden unter Dritter Teil, Kapitel A.I.2.d)aa)(2) im Zusammenhang mit den dagegen bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken ausführlich behandelt. 155 BT-Drs. 15/2466, S. 5; Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201a, Rn. 10; Lackner/ Kühl-Kühl, § 201a, Rn. 4. 156 Joecks, § 201a, Rn. 6. 152
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und Zeichnungen ebenso wenig erfasst sind wie mit Hilfe eines Computers generierte Bilder oder Aufnahmen von Gebäuden oder beweglichen Sachen.157 Unter dem Merkmal Übertragen158 gemäß § 201a I Var. 2 StGB sind sogenannte Echtzeitübertragungen zu verstehen, so dass auch diejenigen Fälle erfasst werden, in denen es nicht zu einer dauerhaften Fixierung der Aufnahme kommt.159 bb) Tathandlungen nach § 201a II StGB: Gebrauchen oder einem Dritten Zugänglichmachen einer nach Absatz 1 hergestellten Bildaufnahme Des Weiteren kommt das Gebrauchen gemäß § 201a II Var.1 StGB als einschlägige Tathandlung in Frage. Davon ist jegliche Form der Nutzung der Bildaufnahme erfasst – beispielsweise das Archivieren, Speichern oder Vervielfältigen.160 Nicht erforderlich ist, dass die Bildaufnahme durch das Gebrauchen visuell erkennbar wird, wenngleich auch das Sichtbarmachen eine Form des Gebrauchens darstellt.161 Mithin ist der objektive Tatbestand des § 201a II Var. 1 StGB bereits erfüllt, wenn sich ein Journalist eine nach Absatz 1 hergestellte Bildaufnahme anschaut. Indessen erfordert es die Tathandlung des Zugänglichmachens, dass einer anderen Person der Zugriff auf das Bild ermöglicht wird. Dies kann etwa durch die Verbreitung von Abzügen, durch das Einstellen der Dateien ins Internet oder durch die Vorführung eines Films geschehen.162 Wer als Journalist also einem Dritten das aufgenommene Bildmaterial zeigt oder es in den Medien veröffentlicht, verwirklicht § 201a II Var. 2 StGB. Es liegt jedoch stets nur eine Straftat vor, wenn dieselbe Person eine Bildaufnahme zunächst herstellt und sie in einem zweiten Schritt gebraucht oder öffentlich abspielt oder -druckt. § 201a II StGB kommt aber als selbstständige Straftat in Betracht, wenn etwa ein Informant dem Journalisten nach Absatz 1 hergestelltes Bild- oder Videomaterial zur Verfügung stellt und dieser es dann für sich nutzt oder veröffentlicht.
157
Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201a, Rn. 4; Fischer, § 201a; Rn. 4. Zur Tathandlung des Übertragens siehe auch Dritter Teil, Kapitel A.I.2.d)aa)(2)(c). 159 BT-Drs. 15/2466, S. 5; Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201a, Rn. 10; Fischer, § 201a, Rn. 13; Lackner/Kühl-Kühl, § 201a, Rn. 5. 160 BT-Drs. 15/2466, S. 5; Lackner/Kühl-Kühl, § 201a, Rn. 6; Fischer, § 201a, Rn. 18. 161 Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201a, Rn. 15. 162 BT-Drs. 15/2466, S. 5; Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201a, Rn. 15; Fischer, § 201a, Rn. 18. 158
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cc) Tathandlung nach § 201a III StGB: Unbefugtes Zugänglichmachen einer befugt hergestellten Bildaufnahme Im Gegensatz zu den vorigen Absätzen betrifft § 201a III StGB nicht unbefugte, sondern befugt hergestellte Aufnahmen. Eine solche liegt insbesondere dann vor, wenn die abgebildete Person in die Aufnahme eingewilligt hat, aber auch, wenn aus anderen Gründen eine Befugnis bestand.163 In diesem Fall muss nicht die Aufnahme, sondern das Zugänglichmachen164 unbefugt geschehen, so dass § 201a III StGB einen nachträglichen Vertrauensbruch unter Strafe stellt.165 Unbefugt ist die Weitergabe bereits, wenn keine Einwilligung dazu erteilt wurde. Der entgegenstehende Wille muss weder explizit noch konkludent zum Ausdruck gebracht werden.166 Zu denken ist hier an Situationen, in denen einem Journalisten Bildmaterial angeboten wird, das zwar mit Einwilligung des Abgebildeten hergestellt wurde aber nicht zur Weitergabe an die Medien bestimmt war. Der Journalist macht sich dabei unter Umständen wegen einer Teilnahmehandlung strafbar. Allerdings setzt § 201a III StGB voraus, dass der Täter wissentlich unbefugt handelt, er muss also positiv wissen, dass er beim Zugänglichmachen ohne die Befugnis des Abgebildeten handelt. Eventualvorsatz genügt diesbezüglich nicht.167 d) Verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber der Regelung des § 201a StGB In Verbindung mit der Einführung des § 201a StGB brachten vor allem die Medienvertreter ihre Befürchtungen über die Auswirkungen des neuen Straftatbestandes zum Ausdruck. So veranstaltete etwa das Institut für Urheber- und Medienrecht am 11. 03. 2005 in München eine Arbeitssitzung mit dem Titel „Bedrohung der freien Berichterstattung durch den neuen § 201a StGB?“, an der etwa 130 Vertreter aus Wissenschaft und Praxis teilnahmen. Sie äußerten sich überwiegend kritisch gegenüber dem neuen Straftatbestand.168 Albrecht Hesse, Juristischer Direktor des Bayerischen Rundfunks, beklagte beispielsweise, § 201a StGB führe zu einer Verunsicherung bei den betroffenen Mitarbeitern.169 Lutz Tillmanns, Geschäftsführer des Deutschen Presserates, sagte anlässlich der Sitzung, er gehe davon aus, dass sich das Gesetz bei restriktiver Auslegung als juristische Fessel gerade auch für engagierten, investigativen Journalismus erweisen werde.170 Auch die über 100 Teilnehmer aus 163
Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201a, Rn. 19. Siehe dazu Dritter Teil, Kapitel A.I.1.b)bb)(2). 165 Fischer, § 201a, Rn. 22. 166 Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201a, Rn. 19. 167 BT-Drs. 15/2995, S. 6; Fischer, § 201a, Rn. 26; Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201a, Rn. 21. 168 Diskussionsbericht siehe Vogel, ZUM 2005, 449 ff. 169 Hesse, ZUM 2005, 432 (433). 170 Tillmanns/Führ, ZUM 2005, 441 (442). 164
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Redaktionen, Anwaltskanzleien und Justiziariaten, die sich am 07. 03. 2005 auf Initiative des Deutschen Presserates sowie des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) bei einer Podiumsdiskussion zum Thema „Prominentenanwälte contra Pressefreiheit“ austauschten, beklagten die erschwerten Bedingungen für die Pressearbeit, die auf die Einführung des § 201a StGB zurückzuführen seien.171 In den Medien wurde ebenfalls Kritik geäußert: Der Paragraph „trifft den Undercover-Journalismus im Kern“ befürchtete der Journalist Hans Leyendecker, denn die Arbeit mit versteckter Kamera sei dadurch in große Gefahr geraten.172 Und Dorothe Bölke, Rechtsanwältin und ehemalige Geschäftsführerin des Presserats und Justiziarin beim Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, meinte: „Investigativem Fotound Fernsehjournalismus wird die Arbeit erschwert bis unmöglich gemacht.“173 Zusammengefasst wurden die Beanstandungen der Medienvertreter schließlich in einer gemeinsamen Stellungnahme der Medienverbände.174 Beteiligt waren daran der Deutsche Presserat, der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), der Deutsche Journalistenverband (DJV), die Deutsche Journalisten-Union in Ver.di (dju in Ver.di), die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rundfunkanstalten (ARD), das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) und der Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT). Darin äußerten die Medienverbände ihre grundsätzlichen Bedenken gegen die Erforderlichkeit der Regelung, kritisierten die unzureichende Bestimmtheit der Norm und forderten die Aufnahme eines Rechtfertigungsgrundes vergleichbar dem des § 201 II 3 StGB. In der rechtswissenschaftlichen Diskussion finden sich ebenfalls einige Kritiker des § 201a StGB. Matthias Borgmann attestierte der Regelung bei ihrer Einführung „verschiedene Schwachpunkte“ und monierte, dass praktisch kein Bedürfnis für die neue Regelung bestand.175 Rudolf Wendt stellte fest, die Vorschrift würde mehr überzeugen, „wenn sich der Gesetzgeber stärker auf fundierte empirisch-kriminologische Befunde über Missstände im Anwendungsbereich der neuen Strafnorm hätte stützen können.“176 Nadja Kraenz hält den § 201a StGB für verfassungswidrig, „sofern der Strafgesetzgeber seine Pönalisierungsentscheidung nicht um eine medienspezifische Ausnahmeregelung nachbessert.“ Andernfalls könne sich der Strafgesetzgeber vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht von dem Vorwurf entlasten, mit dem Gesetz den investigativen
171
Diskussionsbericht siehe Fiebig, NJW-aktuell 12/2005, XXIV. Leyendecker, SZ vom 3. 9. 2004, zu finden unter http://www.sueddeutsche.de/kultur/ge stutzte-pressefreiheit-reporter-in-der-falle-1.897321; letzter Zugriff am 25. 01. 2012. 173 Zitiert nach Cziesche/Latsch/Ludwig u. a., Der Spiegel vom 23. 08. 2004, S. 140, zu finden unter: www.spiegel.de/spiegel/print/d-31900193.html; letzter Zugriff am 25. 01. 2012. 174 Abgedruckt in AfP 2004, 110 ff. 175 Borgmann, NJW 2004, 2133 (2135). 176 Wendt, AfP 2004, 181 (190). 172
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Recherchejournalismus zu beeinträchtigen und eine Hofberichterstattung zu fördern.177 aa) Die Kritikpunkte im Einzelnen Die im Zusammenhang mit dem investigativen Journalismus gegenüber § 201a StGB geäußerte Kritik bezieht sich demnach im Wesentlichen auf drei verschiedene Punkte: Die Vorschrift verstoße gegen den Bestimmtheitsgrundsatz, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei verletzt und es liege ein Verstoß gegen die Presseund Rundfunkfreiheit des Art. 5 I 2 GG vor. Zu untersuchen ist, ob diese Vorwürfe berechtigt sind und wie gegebenenfalls mögliche Lösungsansätze aussehen könnten. (1) Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Es wird zunächst gerügt, die Einführung des § 201a StGB sei überflüssig gewesen, weil die bereits bestehenden Regelungen zum Schutz der Privatsphäre des Einzelnen ausreichten.178 Die Mehrheit der Verletzungen des Rechts am eigenen Bild würde durch das unbefugte Verbreiten oder öffentliche Zurschaustellen eintreten, was ohnehin gemäß § 33 KunstUrhG strafbar ist. Auch ohne den § 201a StGB müsse das Persönlichkeitsrecht daher nur „in untergeordnetem Maße“ ohne strafrechtlichen Schutz auskommen. Dies werde durch die im Zivilrecht bestehenden Unterlassungs-, Schadensersatz-, Geldentschädigungs- sowie Beseitigungs-, Auskunfts- und Vernichtungsansprüche ausreichend kompensiert.179 Des Weiteren habe auch der Deutsche Presserat als Organ der Presseselbstregulierung umfangreiche Regelungen zum Schutz des Persönlichkeitsrechts aufgestellt.180 Es ist also zu überprüfen, ob angesichts der vorhandenen Schutzmechanismen tatsächlich die Notwendigkeit besteht, strafrechtlich gegen das unbefugte Anfertigen und Gebrauchen von Bildaufnahmen vorzugehen. Ist dies nicht der Fall, könnte ein Verstoß gegen den aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vorliegen.181 Die Einführung des § 201a StGB wurde damit begründet, dass eine Strafbarkeitslücke bestehe, die notwendigerweise zu schließen sei.182 Aber dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechend ist eine Strafe lediglich als ultima ratio zulässig. Ihr Einsatz ist nicht erforderlich, solange dem Staat mildere Mittel als das Strafrecht zur Verfügung stehen.183 Darin ist der fragmentarische Charakter des 177
Kraenz, Der strafrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts, S. 252. Deutscher Presserat/Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger/Verband Deutscher Zeitschriftenverleger u. a., AfP 2004, 110 (111); Tillmanns/Führ, ZUM 2005, 441 (443). 179 Deutscher Presserat/Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger/Verband Deutscher Zeitschriftenverleger u. a., AfP 2004, 110 (111). 180 Tillmanns/Führ, ZUM 2005, 441 (443). 181 Eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nimmt auch Kraenz an; siehe Kraenz, Der strafrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts, S. 243 ff. 182 BT-Drs. 15/2466, S. 4; Eisele, JR 2005, 6 (7). 183 Roxin, Strafrecht AT I, § 2 Rn. 97 ff.; Kühl, AfP 2004, 190 (191). 178
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
Strafrechts begründet. Es schützt nicht alle Rechtsgüter und auch die geschützten werden nicht zwangsläufig vor jeglicher Art von Angriff geschützt.184 Dass es „Lücken“ im Strafrecht gibt, ist also nur eine folgerichtige Konsequenz aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Eine Lücke bedeutet nicht zwangsläufig, dass eine strafrechtliche Regelung zu ihrer Schließung gefunden werden muss.185 Weder aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 I i.V.m. 2 I GG noch aus dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union folgt eine Verpflichtung des Staates, den persönlichen Lebens- und Geheimbereich mit strafrechtlichen Mitteln zu schützen.186 Demzufolge genügt die bloße Feststellung einer bestehenden Lücke im Strafrecht nicht als Begründung für die Erforderlichkeit des § 201a StGB. Es ist vielmehr die Frage, ob in diesem konkreten Fall ein Strafbedürfnis besteht oder ob der Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs nicht ebenso mit weniger einschneidenden Mitteln gewährleistet werden kann. Zwar besteht mit den bereits angesprochenen zivilrechtlichen Ansprüchen tatsächlich eine Reihe von Möglichkeiten zur Wahrung des Rechts am eigenen Bild, doch im Vergleich zu ihnen bietet § 201a StGB einen umfassenderen Schutz. Er hat einerseits eine höhere Abschreckungswirkung, zum anderen nimmt er dem Opfer das Beweis- und Prozessrisiko und trägt so dazu bei, dass auch weniger einkommensstarke Personen zu ihrem Recht kommen, die sich die eigene prozessuale Verteidigung ihrer Rechte nicht ohne Weiteres leisten können.187 § 33 KunstUrhG bleibt in seiner Reichweite hinter § 201a StGB zurück, da er erst ansetzt, wenn das persönlichkeitsrechtsverletzende Bild bereits entstanden ist.188 Auch die Selbstkontrolle durch den Deutschen Presserat bietet keinen hinreichenden Schutz, wie sich in der Praxis gezeigt hat. Obwohl der Pressekodex in Ziffer 8 ausdrücklich verlangt, dass die Presse das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen achtet, erschienen wiederholt Fotografien in den Medien, die die Privat- oder Intimsphäre der abgebildeten Personen verletzen. Die Sanktion in Form einer öffentlichen Rüge durch den Presserat, welche im entsprechenden Publikationsorgan veröffentlicht werden muss, wird angesichts der auflagesteigernden Wirkung solcher Bilder häufig bewusst in Kauf genommen.189 Folglich leisten die neben § 201a StGB zur Verfügung stehenden Mittel keinen vergleichbaren Rechtsgüterschutz. Hinzu kommt, dass dem Gesetzgeber ein umfassender Beurteilungsspielraum zusteht, der ihm erlaubt, eigenverantwortlich abzuwägen, ob das von ihm gewählte 184
Roxin, Strafrecht AT I, § 2 Rn. 97; Kühl, in: Schünemann-Symposium, S. 211 (218). Koch, GA 2005, 589 (603); Kühl, AfP 2004, 190 (191); Pollähne, KritV 2003, 387 (389 f.). 186 Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 11 ff.; Pollähne, KritV 2003, 387 (394 f.). 187 Kühl, AfP 2004, 190 (193), ders., in: Schünemann-Symposium, S. 211 (215 f.). 188 Kühl, AfP 2004, 190 (193); Schertz, in: FS Damm, S. 214 (227). 189 Schertz, in: FS Damm, S. 214 (228 f.). 185
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Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet und erforderlich ist. Auch bezüglich der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Einschätzung und Prognose der drohenden Gefahr hat er eine Einschätzungsprärogative.190 Erst wenn die Grenzen der Gerechtigkeit überschritten sind, kann die Verfassungswidrigkeit eines Straftatbestandes aufgrund eines Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip bejaht werden.191 Dies ist bei § 201a StGB jedoch nicht der Fall. Das dort normierte Unrecht ist vergleichbar mit der heimlichen Aufnahme des nichtöffentlich gesprochenen Wortes im Sinne des § 201 StGB, dem unbefugten Lesen eines Briefes, wie es § 202 StGB erfasst, oder etwa dem Ausspähen von Daten nach § 202a StGB.192 Dies zeigen die in der Diskussion um die Notwendigkeit des § 201a StGB angeführten Fälle wie der eines Gynäkologen, der während der Untersuchung heimliche Videoaufzeichnungen seiner Patientinnen angefertigt hatte,193 oder das Beispiel eines Vermieters, der eine Minikamera in der Dusche installierte, um auf diese Weise heimlich Bilder von seiner Mieterin anzufertigen.194 Aus diesen Erwägungen folgt, dass das strafrechtliche Verbot unbefugter Bildaufnahmen – anders als von den Medienverbänden angenommen – keine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsprinzips darstellt.195 Dieser Kritikpunkt gegenüber § 201a StGB hält einer näheren Prüfung also nicht stand. (2) Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes Ein weiterer Vorwurf, den sowohl Medienvertreter als auch einzelne Strafrechtswissenschaftler im Hinblick auf § 201a StGB erheben, ist die Unbestimmtheit einzelner Tatbestandsmerkmale. Dies könnte im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 II GG problematisch sein. Der Bestimmtheitsgrundsatz begründet die „Verpflichtung des Gesetzgebers, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, daß Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen.“196 Ein Straftatbestand muss demnach so formuliert sein, dass der Normadressat sowohl dessen Tragweite als auch den Anwendungsbereich erkennen kann und somit in der Lage ist, sein Verhalten auf die Strafrechtslage abzustimmen ohne dem Risiko unvorhergesehener staatlicher Sanktionen ausgesetzt zu sein.197 Allerdings ergibt sich 190
BVerfGE 90, 145 (173); 88, 203 (262 f.). Koch, GA 2005, 589 (603). 192 Eisele, JR 2005, 6 (7); Flechsig, ZUM 2004, 605 (606). 193 Siehe Werwigk-Hertneck, ZRP 2003, 293. 194 Beispiel nach Eisele, JR 2005, 6 (7). 195 So im Ergebnis auch Koch, GA 2005, 589 (603); Kühl, AfP 2004, 190 (193); Wendt, AfP 2004, 181 (188); Eisele, JR 2005, 6 (7); anderer Ansicht Kraenz, Der strafrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts, S. 243 ff. 196 BVerfGE 75, 329 (341), m.w.N. 197 Hegemann, in: FS Raue, S. 445 (448); Roxin, Strafrecht AT I, § 5 Rn. 11; BeckOK StGB-v. Heintschel-Heinegg, § 1, Rn. 9. 191
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aus dem Bestimmtheitsgebot kein generelles verfassungsrechtliches Verbot für wertausfüllungsbedürftige Begriffe im Strafrecht, solange sie sich im Wege der Auslegung hinreichend konkretisieren lassen.198 Es stellt sich also die Frage, ob diese Grenze bei § 201a StGB überschritten ist. (a) Sachlicher Geltungsbereich: der „höchstpersönliche Lebensbereich“ Kritik wird vor allem an dem Begriff des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ geübt, dessen Verletzung als Taterfolg durch die von § 201a StGB beschriebenen Tathandlungen eintreten muss. Damit ist der höchstpersönliche Lebensbereich Rechtsgut der Vorschrift und wird gleichzeitig zum Tatbestandsmerkmal erhoben.199 Dass der Begriff problematisch ist, spiegelt sich schon in der kontroversen Debatte wider, die während des Gesetzgebungsverfahrens stattfand. Im ersten Entwurf der FDP-Fraktion sollte noch die „Intimsphäre“ geschützt sein, die CDU/CSU-Fraktion wollte hingegen viel weitreichender auf den „persönlichen Lebensbereich“ abstellen. Man einigte sich schließlich im fraktionsübergreifenden Entwurf auf den „höchstpersönlichen Lebensbereich“.200 Darunter ist aber nach Auffassung des Gesetzgebers nichts anderes zu verstehen als die Intimsphäre. Nur um zu verhindern, dass der Tatbestand fälschlicherweise auf die Bereiche Sexualität und Nacktheit reduziert wird, entschied man sich für den „höchstpersönlichen Lebensbereich“.201 Beanstandet wird, dass der Gesetzgeber „ohne Not“ einen dem Strafgesetzbuch bis dahin unbekannten Begriff eingeführt hat, der einige Auslegungs- und Konkretisierungsarbeit von den Strafgerichten verlangt.202 Viele sind der Ansicht, mit den Bestimmtheitserfordernissen einer Strafrechtsnorm sei der Begriff nicht zu vereinbaren.203 Andere hingegen sind der Auffassung, unter Berücksichtigung der Intention des Gesetzgebers, den Begriff inhaltsgleich mit der Intimsphäre zu verstehen, lasse sich das Tatbestandsmerkmal sehr wohl hinreichend konkret auslegen.204 Es ist richtig, dass nach historischer und auch systematischer Auslegung der höchstpersönliche Lebensbereich mit der Intimsphäre gleichzusetzen ist. So hat es
198
BVerfGE 48, 48 (56); BVerfG NJW 2009, 2370 (2371). Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201a, Rn. 2; Lackner/Kühl-Kühl, § 201a, Rn. 3; ders., AfP 2004, 190 (195). 200 Ausführlich dazu Dritter Teil, Kapitel A.I.2.b)dd). 201 BT-Drs. 15/2466, S. 4. 202 Koch, GA 2005, 589 (595); Kühl, AfP 2004, 190 (196). 203 Borgmann, NJW 2004, 2133 (2134); Bosch, JZ 2005, 379; Gola, RDV 2004, 215 (216); Hegemann, in: FS Raue, S. 445 (454 f.); Hoyer, ZIS 2006, 1 (3 f.); Jochum, NJW-Editorial, Heft 25/2004; Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 96; Mitsch, Jura 2006, 117 (119); Obert/Gottschalck, ZUM 2005, 436 (439); Sauren, ZUM 2005, 425 (430); Schertz, in: FS Damm, S. 214 (229); ders., AfP 2005, 421 (427); Tillmanns/Führ, ZUM 2005, 441 (444 f.). 204 Kühl, AfP 2004, 190 (196); Koch, GA 2005, 589 (596 f.); Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 192 f. 199
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der Gesetzgeber beabsichtigt205 und nur so ist der Verzicht auf eine Rechtfertigungsklausel zugunsten der Medien zulässig, weil allein im engen Bereich der Intimsphäre keinerlei Abwägung mit anderen Rechten stattfinden darf.206 Dennoch ist damit noch nicht beantwortet, ob mit dieser einschränkenden Auslegung hinreichende Bestimmtheit erlangt ist. Zu klären bleibt, ob es dem Normadressaten bei diesem Begriffsverständnis möglich ist, die Tragweite und den Anwendungsbereich des § 201a StGB zu erkennen. Zur Intimsphäre gehören zunächst die Bereiche Sexualität, Krankheit und Tod.207 Aber auch andere Vorgänge von höchstpersönlichem Charakter sind Teil dieses letzten unantastbaren Bereichs privater Lebensgestaltung. So sind etwa die Äußerungen innerster Gefühle208 ebenso erfasst wie das Zusammensein mit Familienangehörigen oder engen Vertrauten.209 Allerdings räumt das Bundesverfassungsgericht ein, dass es keine trennscharfen Kriterien zur Abgrenzung der Intimsphäre gibt. Stattdessen konstatiert es: „Ob ein Sachverhalt diesem Kernbereich zugeordnet werden kann, hängt […] davon ab, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt.“ Dies könne nur unter Berücksichtigung der Besonderheiten des einzelnen Falles beantwortet werden.210 Dabei ist zu berücksichtigen, dass die genannten Merkmale in unterschiedlicher Ausprägung vorliegen können. Jürgen Wolter gibt zu bedenken, dass etwa sexuelle Handlungen sowohl von mangelnder Erheblichkeit als auch voller Eindeutigkeit oder sogar strafbar sein könnten. Aus dieser Abstufbarkeit ergeben sich Schwierigkeiten bei der Zuordnung bestimmter Handlungen zur Intimsphäre.211 Des Weiteren ist zu bedenken, dass Inhalt und Umfang der Intimsphäre von den Anschauungen und Lebensweisen der jeweiligen Zeit abhängen und somit einem ständigen Wandel unterliegen.212 Dementsprechend ist weder im Gesetz eine abschließende Aufzählung enthalten, welche Bereiche zur absolut geschützten Intimsphäre gehören, noch gibt es dazu eindeutige Kriterien in der Rechtsprechung.213 Wenn es aber überhaupt keine abstrakten Abgrenzungskriterien gibt, sondern nur durch Einzelfallerwägungen festzustellen ist, ob ein Sachverhalt zur Intimsphäre gehört, kann dies von einem 205
BT-Drs. 15/2466, S. 5. BVerfGE 6, 32 (41); 389 (435); 54, 143 (146); 80, 367 (373); st. Rspr.; Koch, GA 2005, 589 (596 f.). 207 BT-Drs. 15/1891, S. 7; Wandtke/Bullinger-Fricke, § 23 KUG, Rn. 40 f. 208 BVerfGE 109, 279 (314 f.). 209 BVerfGE 109, 279 (319); so auch BT-Drs. 15/2466, S. 5, wonach bestimmte Tatsachen aus dem Familienleben erfasst sein sollen, die unbeteiligten Dritten nicht ohne Weiteres zugänglich sind und Schutz vor dem Einblick Außenstehender verdienen. Anderer Ansicht Hoyer, ZIS 2006, 1 (3). 210 BVerfGE 80, 367 (374). 211 Wolter, in: Schünemann-Symposium, S. 225 (229). 212 Hegemann, in: FS Raue, S. 445 (455). 213 Flechsig, ZUM 2004, 605 (610); Mitsch, Jura 2006, 117 (119). 206
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Journalisten vor Ort nicht geleistet werden. Die präzisierende Auslegung, den höchstpersönlichen Lebensbereich mit der Intimsphäre gleichzusetzen, bringt also für den Normadressaten keine ausreichende Klarheit.214 Dies verdeutlichen auch die folgenden Überlegungen: Ab wann soll etwa der Bereich „Krankheit“ beginnen? Fallen darunter schon Aufnahmen von jemandem, der ein Ärztehaus betritt, genügt es, im Wartezimmer Platz zu nehmen, oder ist die Intimsphäre erst mit Betreten des Behandlungszimmers berührt? Oder wie soll derjenige, der ein Foto eines Politikers macht, welcher gerade ein Kind ohrfeigt, wissen, ob es sich um dessen Kind handelt oder um ein fremdes? Davon hängt es aber ab, ob es sich um eine Angelegenheit im engen Familienkreis handelt und damit die Intimsphäre berührt ist oder nicht.215 Vorstellbar sind auch Fälle, in denen eine Situation schlagartig umschwenkt: Ein Fernsehreporter filmt beispielsweise einen Bericht über einen Prominenten in dessen Wohnung, der währenddessen plötzlich einen Herzanfall bekommt und verstirbt. Hier verändert sich die Sachlage unerwartet und innerhalb von Sekunden dahingehend, dass die Intimsphäre berührt ist. Wie schnell müsste der Reporter reagieren und die Kamera abschalten, um nicht den Tatbestand zu erfüllen? Diese fiktiven Konstellationen zeigen, wie schwierig die Abgrenzung unter Umständen sein kann. Zur Hilfestellung werden daher weitere Kriterien vorgeschlagen. Nach Kühl sollen sämtliche Lebensäußerungen geschützt sein, „mit denen man allein gelassen werden will und die andere nichts angehen.“216 Zwar hat auch das Bundesverfassungsgericht anerkannt, dass ein wichtiges Abgrenzungskriterium ist, ob der Betroffene einen bestimmten Sachverhalt geheim halten will oder nicht. Denn wenn der Betroffene selbst keinen Wert auf die Geheimhaltung lege, ergebe sich in der Regel schon daraus, dass die Intimsphäre nicht berührt sei. Dennoch betont es, dass der Wille des Betroffenen jedenfalls nicht das alleinige Kriterium sein kann.217 Hinzu kommt, dass mit diesem subjektiven Merkmal keine zusätzliche Bestimmtheit erreicht wird, sondern im Gegenteil ein erhebliches Bestimmtheitsdefizit entsteht – schließlich kann derjenige, der eine Bildaufnahme anfertigt, unmöglich wissen, ob der Abgelichtete gerade mit seiner Tätigkeit allein gelassen werden will oder nicht.218 Auch müsste man bei diesem Verständnis des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ folgerichtig annehmen, der höchstpersönliche Lebensbereich sei immer betroffen, 214 So im Ergebnis auch Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 97, der zu dem Schluss kommt, die Intimsphäre sei ein für das Strafrecht unbrauchbares Kriterium. 215 Beispiel in Anlehnung an den Fall des LG Oldenburg, NJW 1987, 1419, in dem ein Bürgermeister und Landtagsabgeordneter einen Unterlassungsanspruch gegen eine Zeitschrift erwirken konnte, die behauptete, er habe auf einer Feier seine Mutter geschlagen. Unabhängig von der Wahrheit der Behauptung stellt die Veröffentlichung einen unzulässigen Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrechts dar, urteilte das Gericht. 216 Kühl, AfP 2004, 190 (196); ders., in: Schünemann-Symposium, S. 211 (223). 217 BVerfGE 80, 367 (374). 218 So auch Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 97 f.
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wenn die abgebildete Person sich wissentlich strafbar macht, weil man in derartigen Momenten typischerweise unbeobachtet bleiben will.219 Dies widerspricht jedoch dem Sinn und Zweck der Vorschrift, deren Ziel nicht ist, kriminelles Verhalten vor der Aufdeckung zu schützen. Zudem wäre somit die journalistische Enthüllung von Rechtsverstößen unmöglich gemacht, was einen erheblichen Verstoß gegen die Pressefreiheit darstellen würde. Hesse hingegen stellt zur Präzisierung darauf ab, ob jemand mit fremden Personen in Kontakt tritt. Wer dies tue, verlasse den engsten Bereich seiner privaten Lebensgestaltung, so dass die Intimsphäre nicht mehr berührt sei. Demnach bestehe in den meisten Fällen, die für den investigativen Journalismus relevant sind, gar keine Einschränkung durch § 201a StGB.220 Dies deckt sich zwar mit der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts, dass die Berührung der Persönlichkeitssphäre eines Menschen mit der eines anderen der Handlung oder Information eine soziale Bedeutung verleihe, die sie grundsätzlich dem letzten unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung entzieht.221 Dennoch erkennt das Bundesverfassungsgericht an, dass sich der Mensch als soziales Wesen notwendigerweise in soziale Bezüge begibt und somit die Kommunikation mit anderen ebenfalls zum Kernbereich privater Lebensgestaltung gehören kann. Auch in diesem Zusammenhang betont es, dass die Zuordnung von der Art und Intensität der sozialen Beziehung abhängt und nur unter Berücksichtigung der Besonderheiten des einzelnen Falles getroffen werden kann.222 Diese Feststellung ist aber einem Außenstehenden in der Regel nicht möglich. Wer eine Bildaufnahme anfertigt, kann dabei selten erkennen, wie intensiv das Verhältnis der abgelichteten Personen ist. Zur Bestimmtheit der Norm trägt also auch dieser Vorschlag nichts bei. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass das Tatbestandsmerkmal „höchstpersönlicher Lebensbereich“ dem Bestimmtheitserfordernis des Art. 103 II GG nicht genügt. Dem Aufnehmenden einer Bildaufnahme ist es im Allgemeinen nicht möglich, dabei zu erkennen, ob der höchstpersönliche Lebensbereich des Abgelichteten betroffen ist oder nicht. Daran ändert auch eine enge Auslegung des Begriffs im Sinne der Gleichsetzung mit der Intimsphäre nichts, da auch auf diesem Wege keine hinreichende Konkretisierung erreicht werden kann. In diesem Punkt ist den Kritikern des § 201a StGB somit zuzustimmen. (b) Räumliche Abgrenzung: „Wohnung oder gegen Einblick besonders geschützter Raum“ Da § 201a StGB nur den „letzten Rückzugsbereich“ des einzelnen schützen will,223 sind nicht alle Bildaufnahmen erfasst, die den höchstpersönlichen Lebensbereich eines anderen verletzen, sondern der Schutzbereich ist zusätzlich räumlich 219 220 221 222 223
Sauren, ZUM 2005, 425 (430). Hesse, ZUM 2005, 432 (434 f.). BVerfGE 80, 367 (374). BVerfGE 34, 238 (248); BVerfGE 80, 367 (374); BVerfGE 109, 279 (319). BT-Drs. 15/2466, S. 5.
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begrenzt. Umfasst ist zunächst jede „Wohnung“ und zusätzlich der „gegen Einblick besonders geschützte Raum“. Im Gegensatz zu dem auch an anderer Stelle im StGB verwendeten Begriff „Wohnung“224 ist der als Auffangmerkmal eingefügte „sonst gegen Einblick besonders geschützte Raum“ ein verhältnismäßig offener Begriff. Hinzu kommt, dass er ebenfalls eine Neuschöpfung für das Strafgesetzbuch darstellt. Darunter sollen nach Auffassung des Gesetzgebers solche Räume fallen, die über einen besonderen Sichtschutz verfügen, wie etwa Toiletten, Umkleidekabinen oder ärztliche Behandlungszimmer. Allerdings soll auch ein Garten ein „Raum“ in diesem Sinne sein, wenn er durch eine hohe, undurchdringliche Hecke oder einen hohen Zaun beziehungsweise eine Mauer gegen unberechtigte Einblicke geschützt ist.225 Diesbezüglich werden ebenfalls Abgrenzungsprobleme gerügt.226 Es wird die Frage aufgeworfen, ob ein Garten auch dann noch geschützt sei, wenn er sich neben einem Hochhaus befindet, von dessen oberen Etagen man Einblick in den Garten nehmen kann,227 oder ob es von der Jahreszeit abhängig ist, ob eine Hecke undurchdringlich ist oder nicht.228 Ferner sei unklar, ob es für den Schutz des § 201a StGB auch ausreichend sei, sich wie Prinzessin Caroline von Monaco in den geschützten, schlecht einsehbaren Bereich eines Gartenlokals zurückzuziehen,229 oder wie es sich verhält, wenn Reporter eine Geldübergabe in einer Nische in einer Hotelbar filmen.230 Angesichts derartiger Fragen seien Journalisten bei ihrer alltäglichen Arbeit erheblichen Unsicherheiten unterworfen, wird kritisiert.231 Diesen Zweifeln ist jedoch zunächst der Wille des Gesetzgebers entgegenzuhalten, nach dem Räume, die zumindest einer beschränkten Öffentlichkeit zugänglich sind, generell nicht vom Tatbestand erfasst werden.232 Eine solche Ein224 Vgl. z. B. § 123 StGB, § 244 I Nr. 3 StGB. Da bei § 201a StGB kein Grund dazu besteht, den Wohnungsbegriff so restriktiv auszulegen wie bei § 244 I Nr. 3 StGB, kann bei der Definition auf den weiteren Wohnungsbegriff des § 123 StGB zurückgegriffen werden, vgl. Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201a, Rn. 5; Koch, GA 2005, 589 (599); Rahmlow, HRRS 2005, 84 (85 ff.). Zum Wohnungsbegriff des § 123 StGB siehe: Schönke/SchröderLenckner/Sternberg-Lieben, § 123, Rn. 4. 225 BT-Drs. 15/2466, S. 5. 226 Borgmann, NJW 2004, 2133 (2134 f.); Bosch, JZ 2005, 379; Flechsig, ZUM 2004, 605 (610); Obert/Gottschalck, ZUM 2005, 436 (437); Deutscher Presserat/Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger/Verband Deutscher Zeitschriftenverleger u. a., AfP 2004, 110 (112). 227 Bosch, JZ 2005, 379. 228 Obert/Gottschalck, ZUM 2005, 436 (437). 229 Bosch, JZ 2005, 379; Hegemann, in: FS Raue, S. 445 (456), die Bezug nehmen auf das Urteil BGHZ 131, 332 ff. – Caroline von Monaco III. 230 Beispiel nach Obert/Gottschalck, ZUM 2005, 436 (437). Diese beziehen sich auf eine Reportage des „Akte“-Magazins, das wöchentlich auf Sat.1 ausgestrahlt wird und dessen Reporter einen Geldwechselbetrug in Holland aufgedeckt hatten. Im Rahmen dieser Aktion war die angesprochene Geldübergabe mit versteckter Kamera gefilmt worden. 231 Obert/Gottschalck, ZUM 2005, 436 (438). 232 BT-Drs. 15/2466, S. 5; so auch Eisele, JR 2005, 6 (8); Flechsig, ZUM 2004, 605 (606); Koch, GA 2005, 589 (600).
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schränkung ergibt sich auch gesetzessystematisch aus dem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Begriff der Wohnung. Nur wenn der besonders geschützte Raum – ebenso wie eine Wohnung – bei der betroffenen Person die normativ berechtigte Erwartung entstehen lässt, sie könne selbst darüber entscheiden, wer Einblick in den Raum nehmen darf und wer nicht, ist § 201a StGB einschlägig.233 Bestätigt wird ein solch enges Begriffsverständnis auch durch den Vergleich mit den anderen Vorschriften des 15. Abschnitts des Strafgesetzbuches: So schützt auch § 201 StGB nur das nichtöffentlich gesprochene Wort, § 202 StGB schützt denjenigen nicht, der einen Brief offen liegen lässt, und § 202a StGB ist nicht einschlägig, wenn die Daten nicht besonders gegen unberechtigten Zugang gesichert sind.234 Letztendlich ist es auch aus viktimodogmatischen Gründen folgerichtig, den Tatbestand des § 201a StGB nur auf diejenigen Räume zu beschränken, in denen der Betroffene berechtigterweise erwarten kann, er sei keinerlei öffentlichen Einblicken ausgesetzt. Schließlich muss der Einzelne im öffentlichen Lebensraum jederzeit damit rechnen, fotografiert zu werden, und kann seine Intimsphäre durch entsprechende Vorkehrungen schützen.235 Wer nicht möchte, dass er am öffentlichen Badestrand unbekleidet fotografiert wird, kann sich schließlich ohne Weiteres in Badebekleidung dorthin begeben oder auf den Besuch verzichten. Dagegen erheben zwar einige – auf den ersten Blick zu Recht – den Einwand, die öffentliche Zugänglichkeit eines durch einen Sichtschutz abgeschirmten Strandbades oder einer Gemeinschaftsumkleidekabine könne nicht rechtfertigen, dass heimliche Bildaufnahmen der Besucher angefertigt werden.236 Doch darf ebenfalls nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich andernfalls auch der Familienvater tatbestandsmäßig verhalten würde, der Urlaubsbilder seiner Kinder am Badestrand macht und dabei weitere Personen im Hintergrund ablichtet. Ohne diese Einschränkung des räumlichen Schutzbereichs würden also auch nicht strafwürdige Alltagshandlungen erfasst.237 Es zeigt sich, dass sich die aufgeworfenen Problemfälle mit Hilfe der Auslegung gut handhaben lassen. So kann der private Garten ohne Weiteres geschützt sein, wenn er gegen Einblicke von außen durch pflanzliche oder künstliche Barrieren geschützt ist und weder von anderen Personen betreten werden darf noch vom Nachbarhaus eingesehen werden kann. Aber selbstverständlich ist es möglich, dass sich dies abhängig von der Jahreszeit ändert: Im Sommer darf man im Schutz einer dicht belaubten, mannshohen Hecke, durchaus berechtigterweise davon ausgehen, unbeobachtet zu bleiben. Doch geht diese Berechtigung verloren, wenn die Hecke im Herbst ihr Laub verliert und somit den Blick von der Straße aus auf den Garten freigibt. Abgrenzungsprobleme ergeben sich dadurch freilich nicht. Im Wege der 233 234 235 236 237
Heuchemer/Paul, JA 2006, 616 (618); Koch, GA 2005, 589 (599 f.). Eisele, JR 2005, 6 (8). BT-Drs. 15/1891, S. 6; Eisele, JR 2005, 6 (8); Mitsch, Jura 2006, 117 (118). So z. B. Heuchemer/Paul, JA 2006, 616 (618); Kühl, AfP 2004, 190 (194). Eisele, JR 2005, 6 (8).
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Parallelwertung in der Laiensphäre kann ein Fotograf stets gut erkennen, wann ein Raum gegen Einblick besonders geschützt ist.238 Ebenso wenig ist der abgeschiedene Bereich eines Lokals ein „gegen Einblick besonders geschützter Raum“. Insofern ist es ein denklogischer Fehler, einen Bezug zu dem Caroline-Urteil herzustellen, in dem bereits ein abgeschiedener Bereich in einem Gartenlokal für ausreichend dafür erachtet wurde, dass sich die Abgelichtete vor den Blicken der Öffentlichkeit geschützt fühlen durfte. In dem Urteil ging es um die ganz andere Frage, ob das fragliche Verhalten der Prinzessin der Privatsphäre oder der Sozialsphäre zuzuordnen war. Und es wurde lediglich festgestellt, dass der Rückzug in einen sichtgeschützten Bereich eines öffentlichen Lokals zur Privatsphäre gehört. Doch hat auch der Bundesgerichtshof ausdrücklich anerkannt, dass der abgeschiedene Bereich sehr wohl einer begrenzten Öffentlichkeit zugänglich war.239 Dass jemand sich nicht in seinem „letzten Rückzugsbereich“ befindet, wie es § 201a StGB verlangt, und sein Verhalten trotzdem der Privatsphäre zuzuordnen ist, ist kein Widerspruch. Es gibt Situationen, die zwar eindeutig der Privatsphäre zuzuordnen sind, aber dennoch neutrales Verhalten zeigen, so dass es keines strafrechtlichen Schutzes vor dem heimlichen Herstellen einer Bildaufnahme bedarf.240 Daraus folgt, dass die Bedenken gegenüber dem Tatbestandsmerkmal „gegen Einblick besonders geschützter Raum“ einer näheren Prüfung nicht standhalten.241 Im Wege der Auslegung lässt sich eine hinreichend bestimmte Definition des Begriffs gewinnen, die es auch dem Journalisten vor Ort erlaubt, die angeblichen Problemfälle einfach zu handhaben. Wie dargelegt wurde, entspricht der konsequente Ausschluss von Orten, die einer auch nur beschränkten Öffentlichkeit zugänglich sind, sowohl dem Willen des Gesetzgebers, als auch der Gesetzessystematik und dem Sinn und Zweck des § 201a StGB, der nur den „letzten Rückzugsbereich“ des Einzelnen schützen soll. (c) Die Tathandlung „übertragen“ Die Medienverbände haben in der gemeinsamen Stellungnahme im Hinblick auf Art. 103 II GG außerdem die Unbestimmtheit des Merkmals „übertragen“ gerügt.242 Es wird die Frage aufgeworfen, ob mit „übertragen“ auch die öffentliche Wiedergabe gemeint ist.243
238
So auch Schertz, in: FS Damm, S. 214 (230); ders., AfP 2005, 421 (427). BGHZ 131, 332 (341). 240 BT-Drs. 15/2466, S. 4; Flechsig, ZUM 2004, 605 (607). 241 So im Ergebnis auch Linkens, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 191 f. 242 Deutscher Presserat/Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger/Verband Deutscher Zeitschriftenverleger u. a., AfP 2004, 110 (112). 243 Deutscher Presserat/Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger/Verband Deutscher Zeitschriftenverleger u. a., AfP 2004, 110 (112); so auch Flechsig, ZUM 2004, 605 (611). 239
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Jedoch lässt sich der Gesetzesbegründung entnehmen, dass das Übertragen lediglich als Auffangmerkmal eingefügt wurde, um klarzustellen, dass auch Echtzeitübertragungen, beispielsweise mittels so genannter „WebCams“ oder „Spy Cams“ ohne dauernde Speicherung der aufgenommenen Bilder, einbezogen sind.244 Ohnehin wäre im Fall einer öffentlichen Wiedergabe § 201a II StGB einschlägig, denn ein Bild ist einem Dritten zugänglich gemacht, sobald einer oder mehreren anderen Personen der Zugriff auf das Bild ermöglicht wird.245 Somit lässt sich der Vorwurf der Unbestimmtheit hinsichtlich dieses Tatbestandsmerkmals nicht bestätigen. Da jedoch auch die Medienverbände an späterer Stelle in der gemeinsamen Stellungnahme zu dem Schluss kommen, dass mit dem Begriff „wohl der rein übertragungs-,technische‘ Vorgang gemeint ist“,246 bleibt ohnehin unklar, weshalb sie bei dem Merkmal „übertragen“ von einem Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot ausgehen. (d) Zusammenfassende Würdigung Die vorhergehende Betrachtung hat gezeigt, dass der § 201a StGB den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen an die Bestimmtheit eines Straftatbestandes nicht gerecht wird. Der Anwendungsbereich ist aufgrund der Verwendung des unbestimmten Begriffs „höchstpersönlicher Lebensbereich“ selbst nach konkretisierender Auslegung nicht eindeutig zu erkennen. Dies hat zur Folge, dass der Normadressat nicht in der Lage ist, sein Verhalten auf die Strafrechtslage abzustimmen, ohne dem Risiko unvorhergesehener staatlicher Sanktionen ausgesetzt zu sein. Auch wenn sich die Zweifel an der Bestimmtheit sowohl der räumlichen Begrenzung, insbesondere an dem „gegen Einblick besonders geschützten Raum“, als auch an dem Tatbestandsmerkmal „übertragen“ nicht bestätigt haben, lässt sich dennoch zusammenfassend feststellen, dass § 201a StGB in seiner jetzigen Fassung gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 II GG verstößt. (3) Kollision mit der Presse- und Rundfunkfreiheit Des Weiteren werden auch im Hinblick auf die Presse- und Rundfunkfreiheit des Art. 5 I 2 GG erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 201a StGB geltend gemacht.247
244
BT-Drs. 15/2466, S. 5. BT-Drs. 15/2466, S. 5; Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 201a, Rn. 15. 246 Deutscher Presserat/Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger/Verband Deutscher Zeitschriftenverleger u. a., AfP 2004, 110 (112). 247 Deutscher Presserat/Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger/Verband Deutscher Zeitschriftenverleger u. a., AfP 2004, 110 (112); Tillmanns/Führ, ZUM 2005, 441 (442). 245
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
(a) Einschränkung wichtiger investigativer Recherchen Der wesentliche Kritikpunkt in diesem Zusammenhang lautet, gesellschaftlich wichtige journalistische Arbeit in Form von investigativer Recherche sei aufgrund von § 201a StGB nicht mehr möglich, weil ihre Aufzeichnung nun strafbar ist. „Enthüllungen, die mit versteckter Kamera in Privatwohnungen festgehalten wurden, können künftig Journalisten mit dem Gesetz ernsthaft in Konflikt bringen“,248 konstatiert Leyendecker. Zur Bestätigung dieser These führt er einen fiktiven Beispielsfall an: So sei es etwa möglicherweise nach § 201a StGB strafbar, wenn ein Politiker und ein Mafioso gemeinsam mit einer Dame im Separee eines Nachtclubs gefilmt würden.249 Ein anderes Beispiel dafür, weshalb § 201a StGB eine Gefahr für den investigativen Journalismus sei, liefert der Journalist Heiko Dilk in seinem Artikel „Paparazzos Albtraum“: Wenn ein Journalist beobachtet, wie ein hochrangiger Politiker einer christdemokratischen Partei mit einer Frau, die nicht seine Ehefrau ist, in einem Wohnwagen verschwindet, müsse er sich angesichts des Strafbarkeitsrisikos gut überlegen, ob er davon ein Foto mache,250 so Dilk. Dieses Beispiel wurde in der Diskussion um § 201a StGB mehrfach aufgegriffen, um die Beschränkung der Pressefreiheit zu untermauern.251 Subsumiert man diese fiktiven Sachverhalte jedoch unter den Tatbestand des § 201a StGB, kommt man zu dem Ergebnis, dass die Journalisten in beiden Fällen unbesorgt Kameraaufnahmen anfertigen und ihre Bilder veröffentlichen könnten. Denn solange der Politiker und seine weibliche Begleitung lediglich beim Betreten oder Verlassen des Wohnwagens fotografiert werden, befinden sie sich nicht in einem gegen Einblick besonders geschützten Raum.252 Dies trifft ebenso für die Personen im Separee eines Nachtclubs zu, das jedenfalls einer beschränkten Öffentlichkeit wie etwa der Bedienung zugänglich ist.253 Anders verhält es sich mit den Enthüllungen des Journalisten Manfred Karremann. Dieser hatte in den Jahren 2002 und 2003 über einen Zeitraum von zwölf Monaten für den Stern und das ZDF undercover im Pädophilenmilieu recherchiert
248 Leyendecker, SZ vom 03. 09. 2004, zu finden unter http://www.sueddeutsche.de/kultur/ge stutzte-pressefreiheit-reporter-in-der-falle-1.897321; letzter Zugriff am 25. 01. 2012. 249 Leyendecker, SZ vom 03. 09. 2004, zu finden unter http://www.sueddeutsche.de/kultur/ge stutzte-pressefreiheit-reporter-in-der-falle-1.897321; letzter Zugriff am 25. 01. 2012. 250 Dilk, taz vom 17. 11. 2003, zu finden unter: http://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig =2003/11/17/a0122; letzter Zugriff am 25. 01. 2012. 251 Deutscher Presserat/Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger/Verband Deutscher Zeitschriftenverleger u. a., AfP 2004, 110 (112); Tillmanns/Führ, ZUM 2005, 441 (442). 252 Aus diesem Grund verwirft auch Sauren das genannte Beispiel, vgl. Sauren, ZUM 2005, 425 (431). 253 Allerdings zeigen diese Beispiele sehr gut, dass in der Tat eine große Verunsicherung bei den Journalisten entstanden ist, die sich nicht mehr trauen, Bilder von den genannten Situationen anzufertigen, obgleich dies nicht strafbar wäre.
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und seine Erlebnisse in der Reportage „Unter Kinderschändern“254 und in dem Dokumentarfilm „Am helllichten Tag“ dokumentiert. Seine Recherchen trugen bedeutend dazu bei, dass die Münchener Polizei einen großen Erfolg im Kampf gegen Kinderpornographie erzielen und bei einer Großrazzia zwölf Verdächtige festnehmen konnte. Die Kriminalpolizei hatte die Recherchen des Journalisten in München und Berlin von Anfang an begleitet.255 Da Karremann schon zum eigenen Schutz jeden Besuch in der Wohnung eines Pädophilen mit der – gegebenenfalls auch versteckten – Kamera dokumentierte und es dabei vorwiegend um das Sexualleben der Aufgezeichneten ging, würden seine Aufnahmen heute dem Tatbestand des § 201a StGB unterfallen. Von einem ähnlichen Fall berichten Anne Obert und Sascha Gottschalck:256 Reporter des „Akte“-Magazins hatten einen Kinderpornohändler ausfindig gemacht. Sie filmten mit versteckter Kamera, wie dieser Probeaufnahmen von zwei unbekleideten Mädchen anfertigte, die in Begleitung ihrer Mutter in das Hotelzimmer des Täters gekommen waren. Auch dieser Täter wurde umgehend verhaftet. Hier ist sowohl der höchstpersönliche Lebensbereich der unbekleideten Mädchen als auch derjenige der Mutter berührt, da die Tatsache, dass eine Mutter ihre Kinder für derartige Bilder zur Verfügung stellt, eine Familienangelegenheit ist. Daher wäre auch diese Reportage nach Einführung des § 201a StGB nicht mehr möglich. Diese Beispiele machen deutlich, dass es Fälle gibt, die einerseits politisch und gesellschaftlich relevant sind und daher an die Öffentlichkeit gebracht werden sollten, deren Dokumentation aber andererseits eine Straftat ist. Zwar wäre auch vor Einführung des § 201a StGB eine Ausstrahlung des Filmmaterials beziehungsweise eine Veröffentlichung der Bilder aufgrund von §§ 22, 23 i.V.m. § 33 KunstUrhG nicht zulässig gewesen, ohne die abgebildeten Personen unkenntlich zu machen. Zum Aufdecken der Missstände hätte dies jedoch gereicht. Von Bedeutung war schließlich nicht die Identität eines einzelnen Pädophilen, sondern vielmehr die Aufdeckung ihrer Vorgehensweisen, um Kinder zukünftig besser davor schützen zu können. Zudem verhindert § 201a StGB, dass ein recherchierender Journalist zum eigenen Schutz eine Kamera mitlaufen lassen kann.257 Es zeigt sich also, dass § 201a StGB durchaus eine Einschränkung der Presse- und Rundfunkfreiheit und damit eine Gefahr für die gesellschaftliche Funktion der Presse 254 Zu finden unter http://www.stern.de/panorama/serie-unter-kinderschaendern-514992. html und http://www.stern.de/panorama/unter-kinderschaendern-ii-jagd-auf-zwergerl-515217. html; jeweils letzter Zugriff am 25. 01. 2012. 255 Siehe http://www.stern.de/panorama/fahndung-polizei-sprengt-muenchner-kinderscha enderring-515118.html und http://www.tagesspiegel.de/berlin/paedophile-an-fast-jedem-kinder spielplatz/464078.html; jeweils letzter Zugriff am 25. 01. 2012. 256 Obert/Gottschalck, ZUM 2005, 436 (439). 257 Das bloße Beweisinteresse, etwa um wie Karremann nachzuweisen, dass man selbst keine Straftat begangen hat, genügt in der Regel nicht als Rechtfertigungsgrund. Dies kann nur ausnahmsweise, etwa in einer Notwehrlage, der Fall sein; vgl. BVerfGE 106, 28 (49 f.).
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
darstellt.258 Zudem wird ebenfalls deutlich, dass die Regelung des KunstUrhG im Gegensatz zu § 201a StGB eine differenzierte Lösung ermöglichen, die sowohl Raum für das Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Personen als auch für die Presseund Rundfunkfreiheit lässt. (b) Verbot der Verwendung rechtswidrig beschaffter bzw. erlangter Informationen Problematisch ist des Weiteren, dass § 201a II StGB es verbietet, unbefugt hergestellte Bildaufnahmen im Sinne des § 201a I StGB zu verwenden. Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich klargestellt, dass die Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen ebenfalls in den Schutzbereich des Art. 5 I GG fällt und somit in bestimmten Ausnahmefällen zulässig sein kann, wenn ein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht. Begründet hat es dies wie folgt: „Einmal wäre es wenig folgerichtig, ein Aussageverweigerungsrecht aus der Pressefreiheit abzuleiten, wenn diese nicht auch die Veröffentlichung dessen umfaßte, was ein Informant auf rechtswidrige Weise erlangt und der Presse zugetragen hat. Zum anderen könnte die Kontrollaufgabe der Presse leiden, zu deren Funktion es gehört, auf Mißstände von öffentlicher Bedeutung hinzuweisen.“259 Während der Gesetzgeber dies bei § 201 StGB in Form des besonderen Rechtfertigungsgrundes des § 201 II 3 StGB berücksichtigt hat,260 fehlt eine entsprechende Regelung bei § 201a StGB. Mithin wird durch § 201a II StGB in dieses Recht der Medien erheblich eingegriffen. Erst recht gilt dies für § 201a II StGB, der die unbefugte Weitergabe selbst von befugt hergestellten Bildaufnahmen untersagt.261 (c) Verunsicherung bei den Medienschaffenden „Schier unlösbare Probleme“ für den verantwortlichen Redakteur ergeben sich Jan Hegemann zufolge aus der Differenz von § 201a StGB zu §§ 22, 23 i.V.m. § 33 KunstUrhG, die im Gegensatz zu § 201a StGB die Berücksichtigung der Pressefreiheit des Art. 5 I GG im Rahmen einer umfassenden Güterabwägung ermöglichen. Für den Journalisten sei es kaum möglich zu erkennen, dass in manchen Fällen aufgrund eines überwiegenden Berichterstattungsinteresses zwar keine Strafbarkeit nach § 33 KunstUrhG besteht, § 201a StGB aber dennoch verwirklicht ist. Diese Verunsicherung führe dazu, dass sich der Redakteur im Zweifel gegen eine Veröffentlichung entscheiden wird.262
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Anderer Ansicht Koch, GA 2005, 589 (604); Wendt, AfP 2004, 181 (185). BVerfGE 66, 116 (137 f.) – Springer/Wallraff. 260 Siehe dazu Dritter Teil, Kapitel A.I.1.c)bb). 261 So auch Wendt, AfP 2004, 181 (186) und Flechsig, ZUM 2004, 605 (608 f.), der dies jedenfalls in Fällen annimmt, in denen die abgebildeten Inhalte schwer kriminelle Handlungen von überragendem Belang darstellen. 262 Hegemann, in: FS Raue, S. 445 (450 u. 458). 259
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Das Problem der Verunsicherung sieht auch Hesse. § 201a StGB stelle die Bildjournalisten vor das Problem, dass die Kontrolle der Bilder auf rechtliche Zulässigkeit nun bereits vor der Aufnahme erfolgen muss. § 33 KunstUrhG ließ es zu, die angefertigten Bilder in Ruhe durchzusehen und dann erst – gegebenenfalls nach Einholung einer juristischen Beratung – zu beurteilen, ob eine Veröffentlichung zulässig ist. Mit Einführung des § 201a StGB müsse der Fotograf beziehungsweise Kameramann diese Entscheidung nun binnen kürzester Zeit alleine treffen, bevor er auf den Auslöser drückt. Dieses Problem werde dadurch verschärft, dass die Rundfunkanstalt den Journalisten das Risiko einer Verurteilung und damit einhergehender Geldstrafen nicht abnehmen könne, denn anders als zivilrechtliche Ansprüche, die durch die Rechtsfigur der gefahrgeneigten Arbeit übernommen werden können, müsse eine Strafe persönlich abgeleistet werden. Hinzu kommt nach Ansicht von Hesse, dass im Falle strafrechtlicher Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen § 201a StGB Durchsuchungen von Redaktionsräumen und Beschlagnahmen von journalistischem Material drohten. Dies könnte negative Auswirkungen auf die Bereitschaft von Informanten haben, mit der Presse oder dem Rundfunk zusammenzuarbeiten. Als Folge der aufgezählten Probleme entstünde bei den betroffenen Mitarbeitern eine erhebliche Verunsicherung.263 Dass auch das Hervorrufen einer solchen Verunsicherung verfassungsrechtliche Bedeutung haben kann, hat das Bundesverfassungsgericht in der Kunstkritik-Entscheidung festgestellt.264 Es wies darauf hin, dass eine Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit aus Art. 5 I GG auch entstehen kann, indem die Bereitschaft zur Äußerung von Kritik durch Angst vor Repressalien gemindert werde.265 Daraus lässt sich im Wege eines Ähnlichkeitsschlusses ableiten, dass auch die Presse- und Rundfunkfreiheit beeinträchtigt ist, wenn Recherchen oder Veröffentlichungen unterbleiben, weil der betroffene Journalist verunsichert ist und eine Strafverfolgung fürchtet. (d) Zusammenfassende Würdigung § 201a StGB führt also zu einer Einschränkung der investigativen Recherche, indem er insbesondere den Bildjournalismus mit versteckter Kamera beeinträchtigt. Darüber hinaus verbietet er die Verbreitung unbefugt hergestellter Aufnahmen, obwohl auch die Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen von der Pressefreiheit umfasst ist, weil andernfalls die Kontrollaufgabe der Medien eingeschränkt würde. Zudem bewirkt § 201a StGB faktisch eine Verhaltensänderung im Journalismus. „Zu seiner eigenen Sicherheit wird sich der Redakteur [in kritischen Situationen] tendenziell zu Lasten der Pressefreiheit entscheiden“, bringen Obert und Gottschalck das Problem auf den Punkt.266 Diese Schwierigkeiten, die die verfas263 264 265 266
Hesse, ZUM 2005, 432 (432 f.). Hesse, ZUM 2005, 432 (435). BVerfGE 54, 129 (136). Obert/Gottschalck, ZUM 2005, 436 (437).
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
sungsrechtlich geschützte Arbeit der Journalisten erheblich einschränken, hat der Gesetzgeber im Vorfeld nicht gesehen267 und dementsprechend die Presse- und Rundfunkfreiheit bei der Ausgestaltung des § 201a StGB nicht ausreichend gewichtet. Somit ist ungewollt eine Regelung entstanden, die den investigativen Journalismus stark einengt. bb) Lösungsansätze Es hat sich gezeigt, dass § 201a StGB sowohl gegen das Bestimmtheitsgebot verstößt als auch die Belange der der Presse- und Rundfunkfreiheit nicht ausreichend berücksichtigt. Angesichts der wichtigen gesellschaftlichen Funktion, die der investigative Journalismus erfüllt, ist dies eine untragbare Situation, für die Abhilfe geschaffen werden muss. Möglich sind in diesem Zusammenhang unterschiedliche Vorgehensweisen, auf die im Folgenden eingegangen wird. (1) Abschaffung des § 201a StGB Die einfachste Lösung, welche zugleich dem investigativen Journalismus am weitesten entgegenkäme, ist die Abschaffung des § 201a StGB. Diesen Weg dürften diejenigen befürworten, die in dem Straftatbestand ohnehin eine nicht erforderliche Regelung sehen.268 Allerdings sind die negativen Auswirkungen für den investigativen Journalismus ungewollt entstanden, der beabsichtigte Anwendungsbereich des § 201a StGB ist ein anderer. Verhindert werden sollten Verhaltensweisen wie das Fotografieren in Umkleidekabinen, die Videoüberwachung von Damentoiletten oder das Installieren von Kameras in Solarien.269 Dass derartige Taten strafwürdiges Unrecht sind, wurde bereits festgestellt. Bei ersatzloser Streichung des § 201a StGB blieben diese Persönlichkeitsrechtsverletzungen erneut straflos. Eine gänzliche Abschaffung des § 201a StGB kann daher nicht der richtige Lösungsansatz sein. Stattdessen muss ein Weg gefunden werden, der sowohl dem investigativen Journalismus die nötige Freiheit lässt als auch die Rechte der Abgebildeten ausreichend vor derartigen Übergriffen auf ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht schützt. (2) Korrektur im Wege der verfassungskonformen Auslegung des § 201a StGB Dieser Weg könnte darin bestehen, den § 201a StGB verfassungskonform auszulegen und dabei im Sinne der Wechselwirkungslehre die Presse- und Rundfunkfreiheit hinlänglich zu berücksichtigen. Es wird vorgeschlagen, dabei als Regulativ
267
Wendt, AfP 2004, 181 (190). So etwa Borgmann, NJW 2004, 2133 (2135), der davon ausgeht, der Gesetzgeber habe mit dem § 201a StGB eine folgenlose Vorschrift geschaffen; so auch Deutscher Presserat/ Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger/Verband Deutscher Zeitschriftenverleger u. a., AfP 2004, 110 (111). 269 Flechsig, ZUM 2004, 605 (606). 268
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das Merkmal „unbefugt“ einzusetzen.270 Jedoch ist es einem Journalisten nicht zumutbar, gegen den Wortlaut eines Straftatbestandes zu verstoßen und darauf zu vertrauen, dass ihn das Gericht im Falle einer Anklage aufgrund einer engeren, verfassungskonformen Auslegung freisprechen werde. Zwar wurden auch andere Straftatbestände – wie etwa der § 185 StGB – erst durch höchstrichterliche Rechtsprechung präzisiert, doch ist in diesem Fall die besondere Bedeutung des Journalismus für die Gesellschaft und die demokratische Ordnung zu berücksichtigen.271 Wer wie Kühl davon ausgeht, die Strafgerichte würden „vom Bundesverfassungsgericht schon angemahnt werden“, wenn sie den § 201a StGB nicht an Art. 5 GG messen,272 nimmt die aktuelle Bedrohung für den investigativen Journalismus nicht ernst genug. Bis sich eine gefestigte, verfassungskonforme Rechtsprechung im Zusammenhang mit § 201a StGB entwickelt hat, vergeht eine lange Zeit. Bis es soweit ist, wird aber eine Vielzahl investigativer – und damit im öffentlichen Interesse erfolgender – Berichterstattungen unterbleiben, weil Journalisten es nicht riskieren wollen, sich dem Wortlaut des § 201a StGB zu widersetzen. Das Problem der drohenden Selbstzensur infolge einer erheblichen Unsicherheit der Journalisten lässt sich auf diese Weise nicht lösen. (3) Analoge Anwendung eines besonderen Rechtfertigungsgrundes Ein weiterer Lösungsvorschlag ist die analoge Anwendung des Rechtfertigungsgrundes aus § 203 II 3 StGB.273 Dieser leitet sich schließlich aus Art. 5 I GG ab und wurde eigens in das Strafgesetzbuch aufgenommen, um den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien für die Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen gerecht zu werden.274 Gleichwohl hat sich der Gesetzgeber während der Diskussion um die Einführung des § 201a StGB eingehend mit der Aufnahme eines Rechtfertigungsgrundes nach dem Vorbild des § 201 II 3 StGB beschäftigt und sich explizit gegen eine solche Regelung entschieden.275 Auch wenn die aufgeführte Begründung, ein solcher Rechtfertigungsgrund sei nicht notwendig, da es sich bei § 201a StGB nicht um ein Verbreitungsdelikt handele, nicht überzeugt,276 sind die
270 Sauren, ZUM 2005, 425 (431); Eichhoff, Investigativer Journalismus aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 193. 271 Obert/Gottschalck, ZUM 2005, 436 (439). 272 Kühl, AfP 2004, 190 (197). 273 Flechsig, ZUM 2004, 605 (617). 274 BT-Drs. 11/6714, S. 4. 275 BT-Drs. 15/1891, S. 7. 276 Die Begründung überzeugt aus zweierlei Gründen nicht: Erstens ist das von § 201a II StGB erfasste Zugänglichmachen für Dritte nichts anderes als ein Verbreiten der Aufnahme. Zweitens beeinträchtigt auch schon das Verbot der Anfertigung von Bildaufnahmen zum eigenen Schutz der Journalisten die Presse und Rundfunkfreiheit.
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Voraussetzungen für eine Analogie somit nicht gegeben, da es sich nicht um eine planwidrige Regelungslücke handelt.277 Diskutiert wird ebenfalls, Art. 5 I 2 GG direkt als Rechtfertigungsgrund anzuwenden.278 Dabei wird jedoch verkannt, dass § 201a StGB in seiner aktuellen Fassung nur für den abwägungsresistenten Bereich der Intimsphäre gilt. Diesen Kernbereich des persönlichen Lebensbereiches müssen auch die Medien respektieren,279 so dass eine Abwägung zwischen der Presse- und Rundfunkfreiheit und dem Persönlichkeitsschutz stets zu ihren Lasten ausfallen würde. Zudem würde durch die direkte Anwendung des Art. 5 I 2 GG wiederum die ausdrückliche Entscheidung des Gesetzgebers gegen einen Rechtfertigungsgrund umgangen.280 (4) Korrektur auf der Tatbestandsebene und Einführung eines Rechtfertigungsgrundes Es gibt dementsprechend nur die Möglichkeit, das Problem durch eine Gesetzesänderung zu lösen. Der Tatbestand ist de lege ferenda so zu formulieren, dass er hinreichend bestimmt ist und keine Verunsicherung mehr bei den Journalisten hervorruft. Denkbar wäre es, bei der Neuformulierung den „höchstpersönlichen Lebensbereich“, in dem der Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot begründet ist, durch einen konkreteren Begriff zu ersetzen. Man könnte etwa nach amerikanischem Vorbild sämtliche Nacktaufnahmen erfassen281 oder die konkreten Gegenstände benennen, deren Abbildung vom Tatbestand umfasst sein soll, wie etwa „Krankheit, Versterbende, sexuelle Handlungen, Nacktheit, Benutzung von Toiletten, Saunen, Solarien und Umkleidekabinen“.282 Problematisch an der letztgenannten Variante ist aber, dass sich damit immer noch keine ausreichende Bestimmtheit gewinnen ließe. Wo genau diese Bereiche beginnen, lässt sich ebenso wenig bestimmen, wie der Beginn
277 Eisele, JR 2005, 6 (11); Koch, GA 2005, 589 (604); Tillmanns/Führ, ZUM 2005, 441 (446); so auch Obert/Gottschalck, ZUM 2005, 436 (440), obwohl sie verkennen, dass die Regelungslücke als Voraussetzung für eine Analogie zwar planwidrig, jedoch nicht „unbewusst“ sein muss. 278 Lackner/Kühl-Kühl, § 201a, Rn. 9; ders., AfP 2004, 190 (197); zustimmend Sauren, ZUM 2005, 425 (431). 279 Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 209. 280 Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 210; gegen eine Anwendung des Art. 5 GG als Rechtfertigungsgrund auch Koch, GA 2005, 589 (604); Schönke/ Schröder-Lenckner/Eisele, 201a, Rn. 13. 281 In den USA ist das heimliche Anfertigen von Bildaufnahmen jedenfalls halbnackter Personen strafbar. Nicht abgelichtet werden dürfen die „private areas“ einer Person, die das Gesetz wie folgt definiert: „naked or undergarment clad genitals, pubic area, buttocks, or female breast of that individual“; vgl. Hoppe, GRUR 2004, 990 (991). 282 Schertz, in: FS Damm, S. 214 (229), ders., AfP 2005, 421 (427).
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des höchstpersönlichen Lebensbereichs.283 Auch ein generelles Verbot von Nacktaufnahmen ohne eine räumliche Begrenzung führt nicht zu einem befriedigenden Ergebnis. Zwar ließen sich auf diese Art die Zweifel hinsichtlich des Bestimmtheitsgebotes beseitigen, doch würde es dazu führen, dass auch nicht strafwürdige Alltagshandlungen den Tatbestand erfüllen.284 Es kann wieder auf das Beispiel des Familienvaters verwiesen werden, der seine Kinder im Strandurlaub fotografiert und im Hintergrund unbekleidete andere Badegäste ablichtet. Auch blieben bei dieser Lösung eine Reihe anderer Situationen ungeschützt, obwohl sie ebenfalls zur Intimsphäre gehören. Da es folglich nicht möglich ist, den Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot über eine konkretere Fassung des höchstpersönlichen Lebensbereiches auszuräumen, sollte dieser Begriff aus dem Tatbestand gestrichen werden. Wohnungen und damit vergleichbare sonst gegen Einblick besonders geschützte Räume wären dann als letzter Rückzugsbereich jedes einzelnen umfassend geschützt.285 Dies ist durchaus ein denkbarer Weg, denn auch ohne dass die Intimsphäre betroffen ist, stellt das Ausspähen und Abbilden einer Privatperson innerhalb einer Wohnung mittels moderner Techniken eine strafwürdige Persönlichkeitsrechtsverletzung dar.286 Schließlich ist auch dem Staat die optische Wohnraumüberwachung nicht gestattet, so dass es konsequent wäre, dies im Verhältnis von Privatpersonen untereinander ebenfalls zu verbieten.287 Auf diese Weise könnte sich jeder in der eigenen Wohnung vor heimlichen Foto- oder Videoaufnahmen umfassend geschützt fühlen. Im Gegenzug zu dieser Erweiterung des Tatbestandes müsste ein besonderer Rechtfertigungsgrund für die Medien aufgenommen werden, um einen Ausgleich mit Art. 5 I 2 GG herzustellen. Denn es wäre dann nicht mehr nur der abwägungsresistente Bereich der Intimsphäre betroffen und es entfiele somit der einzige Grund, der den Verzicht auf eine Rechtfertigungsklausel erlaubte.288 Der Gesetzgeber sollte daher parallel zur Änderung des Tatbestandes den Rechtfertigungsgrund „Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen“ aufnehmen, der bereits in den ersten Gesetzentwürfen zu § 201a StGB vorgesehen war.289 Dieser sollte einschlägig sein, 283 Siehe Dritter Teil, Kapitel A.I.2.d)aa)(2)(a). Insbesondere am dort genannten Beispiel des Arztbesuches lässt sich dies gut verdeutlichen: Beginnt der Bereich Krankheit schon mit Betreten des Ärztehauses oder erst im Wartezimmer oder vielleicht erst im Behandlungsraum? 284 Dieses Problem hatte auch der Gesetzgeber gesehen und daher die räumliche Begrenzung in den Tatbestand aufgenommen, siehe BT-Drs. 15/2466, S. 4. 285 Eine ähnliche Lösung schlägt Kächele vor, vgl. Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 98. Er will dies im Wege einer weiten Auslegung erreichen, nach der bei Bildaufnahmen im persönlichen Rückzugsbereich eine Vermutung dafür besteht, dass dann auch der höchstpersönliche Lebensbereich betroffen ist. 286 Hoppe, GRUR 2004, 990 (993); Schertz, in: FS Damm, S. 214 (229); ders., AfP 2005, 421 (428). 287 Wolter, in: Schünemann-Symposium, S. 225 (230 f.). 288 Koch, GA 2005, 589 (596 f.). 289 Siehe Dritter Teil, Kapitel A.I.2.b).
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wenn die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und Meinungsbildung die Nachteile des Rechtsbruchs überwiegt. Aufnahmen erheblicher Missstände, an deren Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht, blieben dann straflos.290 Durch Einfügen eines solchen Rechtfertigungsgrundes ließe sich ein differenziertes Abwägungsgebot zwischen den Medienfreiheiten des Art. 5 I 2 GG einerseits und dem Persönlichkeitsschutz andererseits realisieren.291 e) Fazit § 201a StGB stellt eine schwerwiegende Beeinträchtigung für den investigativen Journalismus dar. Einerseits ist der Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 II GG durch den unbestimmten Begriff des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ verletzt. Andererseits werden die Presse- und Rundfunkfreiheit des Art. 5 I 2 GG durch die Einschränkung der investigativen Recherche mittels versteckter Kamera, durch das generelle Verbot der Verwendung rechtswidrig erlangter Informationen sowie insbesondere durch die mit § 201a StGB einhergehende Verunsicherung bei den betroffenen Journalisten beeinträchtigt. Korrigieren lassen sich diese Auswirkungen nur durch eine Neuformulierung des Tatbestandes in Verbindung mit der Aufnahme eines medienspezifischen Rechtfertigungsgrundes, der Raum für eine Güterabwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht der Abgebildeten einerseits und den Medienfreiheiten andererseits lässt. 3. § 202 StGB, Verletzung des Briefgeheimnisses a) Grundlagen Der investigative Journalismus zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass er gegen den Widerstand der Betroffenen recherchiert. Für den einzelnen Journalisten sind somit häufig die Schriftstücke von besonderem Interesse, deren Inhalt andere geheim halten wollen. Verschafft er sich Zugang zu verschlossenen oder unter Verschluss aufbewahrten Unterlagen, kann er sich nach § 202 StGB strafbar machen. Gemäß § 202 I StGB wird bestraft, wer unbefugt einen verschlossenen Brief oder ein anderes verschlossenes Schriftstück, die nicht zu seiner Kenntnis bestimmt sind, öffnet (§ 202 I Nr. 1 StGB) oder wer sich vom Inhalt eines solchen Schriftstücks ohne Öffnung des Verschlusses unter Anwendung technischer Mittel Kenntnis verschafft (§ 202 I Nr. 2 StGB). Nach § 202 II StGB wird ebenfalls bestraft, wer sich unbefugt vom Inhalt eines Schriftstücks, das nicht zu seiner Kenntnis bestimmt und 290
BT-Drs. 15/361, S. 4 und BT-Drs. 15/533, S. 4. Für die Aufnahme eines Rechtfertigungsgrundes plädieren ebenfalls Obert/Gottschalck, ZUM 2005, 436 (440); Kraenz, Der strafrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts, S. 252; Wendt, AfP 2004, 181 (190) sowie die Medienverbände Deutscher Presserat/Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger/Verband Deutscher Zeitschriftenverleger u. a., AfP 2004, 110 (112 f.). 291
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durch ein verschlossenes Behältnis gegen Kenntnisnahme besonders gesichert ist, Kenntnis verschafft, nachdem er dazu das Behältnis geöffnet hat. In § 202 III StGB wird die Abbildung einem Schriftstück gleichgestellt. § 202 StGB wurde mit dem EGStGB eingeführt und hat im Vergleich zu § 299 a. F. StGB den Schutz von Schriftstücken gegen den Bruch des Briefgeheimnisses wesentlich verstärkt.292 Die Vorschrift dient dem Schutz des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs in Form des verfassungsrechtlich gewährleisteten Briefgeheimnisses. Anders als es die Überschrift vermuten lässt, sind aber auch andere Schriftstücke geschützt, beispielsweise ein Tagebuch, das der Verfasser selbst verschlossen hat.293 Ebenso sind Mitteilungen im wirtschaftlichen oder behördlichen Schriftverkehr umfasst.294 b) Öffnen eines verschlossenen Briefes oder eines anderen verschlossenen Schriftstücks In Betracht kommt zunächst ein Verstoß des Journalisten gegen § 202 I Nr. 1 StGB, der das unbefugte Öffnen eines verschlossenen Briefes oder eines anderen verschlossenen Schriftstücks unter Strafe stellt, wenn diese nicht zur Kenntnis des Öffnenden bestimmt sind. Unter einem Schriftstück ist eine durch Schriftzeichen verkörperte Gedankenerklärung zu verstehen, womit der Brief als schriftliche Mitteilung einer Person an eine andere lediglich einen Unterfall des Begriffes „Schriftstück“ darstellt.295 Die Anforderungen an ein solches sind gering, es muss weder eine Unterschrift aufweisen noch muss die enthaltene Gedankenerklärung irgendeinen Sinn ergeben.296 Allerdings sind allgemeine Mitteilungen wie etwa Gebrauchsanweisungen oder Werbung grundsätzlich nicht erfasst, es sei denn, besondere Umstände ergeben, dass im Einzelfall ein (nach außen erkennbares) Interesse an der Geheimhaltung besteht.297 Des Weiteren müssen Brief oder Schriftstück verschlossen sein, um unter den Schutzbereich des § 202 StGB zu fallen. Dies ist der Fall, wenn sie mit einer Sicherung versehen sind, die gegen die Kenntnisnahme schützt, also etwa bei einem zugeklebten Briefumschlag oder einem versiegelten Schreiben. Lediglich gefaltete
292 Siehe dazu BT-Drs. 7/550, S. 237; MüKo-StGB-Graf, § 202, Rn. 6; Schönke/SchröderLenckner/Eisele, § 202, Rn. 1. 293 Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 202, Rn. 2; Lackner/Kühl-Kühl, § 202, Rn. 1; Schmitz, JA 1995, 297. 294 MüKo-StGB-Graf, § 202, Rn. 3. 295 Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 202, Rn. 4; Lackner/Kühl-Kühl, § 202, Rn. 2; Schmitz, JA 1995, 297. 296 Schmitz, JA 1995, 297. 297 Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 202, Rn. 4; Fischer, § 202, Rn. 3.
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
oder mit einer leicht zu öffnenden Schleife umwickelte Schriftstücke sind hingegen nicht im Sinne des § 202 StGB verschlossen.298 Geöffnet wird das Schriftstück, wenn der Verschluss so weit aufgehoben ist, dass die Kenntnisnahme des Inhalts möglich ist. Dass der Täter den Inhalt auch zur Kenntnis nimmt, ist nicht erforderlich.299 Der Tatbestand ist allerdings nur dann erfüllt, wenn der Inhalt zum Zeitpunkt der Tat nicht zur Kenntnis des Täters bestimmt war. Dabei liegt die Bestimmungsbefugnis bei demjenigen, der den Verschluss angebracht hat oder durch einen anderen hat anbringen lassen.300 Gibt derjenige das Schriftstück aus der Hand – etwa durch Abschicken eines Briefes – so wird der Empfänger verfügungsbefugt, sobald ihm das Schriftstück zugegangen ist.301 Daraus folgt, dass sich ein Journalist nach § 202 I Nr. 1 StGB strafbar macht, wenn er einen verschlossenen Umschlag mit Dokumenten öffnet, die nicht zu seiner Kenntnisnahme bestimmt waren. Der Hinweis, dass er dabei unbefugt handeln muss, bezieht sich lediglich auf mögliche Rechtfertigungsgründe.302 Demgegenüber ist es nicht nach § 202 I Nr. 1 StGB strafbar, Einblick in unverschlossene Dokumente zu nehmen. Fotografiert ein Journalist also beispielsweise heimlich den Inhalt von Schriftstücken ab, die sich in einem offenen Umschlag befanden, kommen nur andere Vorschriften wie § 202 II StGB303 oder etwa ein Hausfriedensbruch in Betracht, wenn er sich dafür unbefugt in fremde Räumlichkeiten begeben hat. c) Kenntnisverschaffung unter Anwendung technischer Mittel Im Gegensatz zu § 202 I Nr. 1 StGB verlangt § 202 I Nr. 2 StGB keine Öffnung des Verschlusses, sondern eine Kenntnisverschaffung unter Anwendung technischer Mittel. Dies können Hilfsmittel jeglicher Art sein, etwa spezielle Durchleuchtungsvorrichtungen oder bestimmte Flüssigkeiten, die das Papier durchscheinen lassen. Es genügt jedoch nicht, sich durch Abtasten des Umschlags oder Halten gegen das Licht Kenntnis über den Inhalt zu verschaffen.304 Bei dieser Tatbestandsvariante ist die bloße Möglichkeit zur Kenntnisnahme nicht ausreichend, sondern der Täter muss sich tatsächlich Kenntnis vom Inhalt verschafft haben. Während es dafür nach einer Auffassung genügt, dass der Täter den Inhalt optisch wahrnimmt,305 verlangen andere, dass er das Gesehene darüber hinaus soweit
298 299 300 301 302 303 304 305
Fischer, § 202, Rn. 5; Schmitz, JA 1995, 297 (298). Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 202, Rn. 9; Fischer, § 202, Rn. 8. Fischer, § 202, Rn. 7; Schmitz, JA 1995, 297 (298). Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 202, Rn. 8. Siehe dazu Dritter Teil, Kapitel A.I.1.c). Dazu sogleich mehr. Fischer, § 202, Rn. 9; Lackner/Kühl-Kühl, § 202, Rn. 4; Schmitz, JA 1995, 297 (298). Lackner/Kühl-Kühl, § 202, Rn. 4; Blei, JA 1974, 601 (606).
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verstehen muss, dass er jedenfalls die Bedeutung des Schriftstücks erkennen kann.306 Nach der engsten Auffassung soll Kenntnisnahme sogar nur dann erlangt sein, wenn der Täter das Gelesene in seiner Wortbedeutung im Wesentlichen verstanden hat.307 Dem Wortlaut entsprechend kann jedoch die optische Erfassung allein nicht zur Erfüllung des Tatbestandes ausreichen. § 202 I Nr. 2 StGB setzt voraus, dass der Täter sich Kenntnis vom Inhalt des Schriftstücks verschafft. Er muss also jedenfalls erkennen können, ob es sich beispielsweise um einen Brief oder um eine chemische Formel handelt.308 Andererseits entspricht es nicht dem Schutzzweck der Norm, darüber hinaus ein intellektuelles Verständnis des Gelesenen oder Gesehenen zu erfordern. Auch wer den Inhalt nicht versteht, kann ihn sich einprägen und an andere weitergeben.309 Aus diesem Grund ist der vermittelnden Ansicht zu folgen. Die bloße optische Wahrnehmung genügt demnach nicht, jedoch muss die Bedeutung des Schriftstücks nicht erfasst werden. d) Kenntnisverschaffung nach Öffnen eines verschlossenen Behältnisses Die dritte Tatbestandsvariante nach § 202 II StGB erfasst die Kenntnisverschaffung vom Inhalt eines Schriftstücks, das zwar seinerseits nicht verschlossen ist, sich aber in einem verschlossenen Behältnis befindet. Als verschlossenes Behältnis kommen zum Beispiel ein Tresor, ein abschließbarer Schreibtisch oder eine Aktentasche mit Schloss in Betracht, nicht jedoch ein verschlossener Raum, da es sich bei diesem nicht um ein „Behältnis“ handelt.310 Die Tathandlung unterteilt sich bei § 202 II StGB in zwei Akte. Zunächst muss der Täter das Behältnis zum Zwecke der Kenntnisnahme („dazu“) geöffnet und sich in einem zweiten Schritt eigenhändig („sich“) Kenntnis des Inhalts verschafft haben.311 Öffnet ein Journalist also aus einem anderen Grund ein verschlossenes Behältnis und stößt dabei zufällig auf Schriftstücke, deren Inhalt er sodann zur Kenntnis nimmt, erfüllt er den Tatbestand nicht. Öffnet ein anderer das Behältnis, damit der Journalist Einsicht in die Unterlagen nehmen kann, ist der Journalist nur dann strafbar, wenn die Voraussetzungen einer mittelbaren oder einer Mittäterschaft vorliegen und ihm daher das Öffnen zugerechnet werden kann.312
306
Schmitz, JA 1995, 297 (299); LK-Schünemann, § 202, Rn. 21. Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 202, Rn. 10/11; Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 91. 308 So auch Schmitz, JA 1995, 297 (299). 309 So auch Fischer, § 202, Rn. 10. 310 Fischer, § 202, Rn. 6; Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 202, Rn. 18; zu „verschlossen“ siehe bereits Dritter Teil, Kapitel A.I.3.b). 311 Fischer, § 202, Rn. 10; zu den Merkmalen „Öffnen“ und „Kenntnisverschaffen“ siehe bereits Dritter Teil, Kapitel A.I.3.b) ff. 312 Schmitz, JA 1995, 297 (300); Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 92. 307
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e) Verwendung von Schriftstücken, die ein anderer unter Verstoß gegen § 202 StGB erlangt hat Anders als die zuvor behandelten §§ 201, 201a StGB erfasst § 202 StGB nicht das öffentliche Mitteilen beziehungsweise das unbefugte Zugänglichmachen des Inhalts der geschützten Schriftstücke. Somit bleibt ein Journalist grundsätzlich straflos, wenn er von einem Dritten Informationen bekommt und verwendet, die dieser unter Verletzung des § 202 StGB erlangt hat. Anders verhält es sich, wenn die Voraussetzungen einer strafbaren Beteiligung in Form der Anstiftung oder Beihilfe vorliegen. f) Fazit § 202 StGB beschränkt den investigativen Journalismus beim Zugriff auf die von der Vorschrift erfassten Schriftstücke. Ohne das Eingreifen von Rechtfertigungsgründen,313 ist es einem Journalisten nicht erlaubt, sich durch das Öffnen oder die Zuhilfenahme technischer Mittel Einblick in verschlossene Dokumente zu verschaffen. Ebenso wenig darf er bei seiner Recherche auf Schriftstücke zugreifen, die in einem verschlossenen Behältnis geschützt aufbewahrt werden. Andererseits ist die Verwendung unverschlossener Dokumente für ihn strafrechtlich unbedenklich, etwa indem er sie heimlich abfotografiert oder den Inhalt abschreibt. Auch die Entgegennahme von Dokumenten, die sich ein Informant unter Verstoß gegen § 202 StGB verschafft hat, ist nicht strafbar. Eine unverhältnismäßige Einschränkung des investigativen Journalismus ist in der Vorschrift des § 202 StGB nicht zu sehen. Das Recht auf Informationsbeschaffung ist nicht betroffen, da es sich bei verschlossenen Schriftstücken nicht um allgemein zugängliche Quellen handelt. Mit der Beschränkung des Geltungsbereichs auf verschlossene beziehungsweise unter Verschluss aufbewahrte Schriftstücke hat der Gesetzgeber jedem einzelnen die Möglichkeit gegeben, seinen persönlichen Lebens- und Geheimbereich zu schützen. Sind derartige Schutzmaßnahmen unterblieben, ist der Zugriff auch nicht strafbar. 4. § 202a StGB, Ausspähen von Daten a) Grundlagen § 202a StGB stellt das Ausspähen von Daten unter Strafe. Für den investigativen Journalismus kann diese Vorschrift relevant sein, wenn sich ein Journalist bei seiner Recherche Zugang zu fremden Computern oder Datenträgern verschafft, um an die darauf gespeicherten Informationen zu gelangen. Zu denken ist auch an Situationen, in denen zu Recherchezwecken etwa fremde Mailboxen abgehört werden. Dies könnte ebenfalls einen Verstoß gegen § 202a StGB darstellen.314 313
Siehe dazu bereits Dritter Teil, Kapitel A.I.1.c). Auch dies gehört zu den Vorwürfen, die den Mitarbeitern des britischen Boulevardblatts „News of the World“ gemacht werden. Siehe dazu bereits Dritter Teil, Fn. 53. 314
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Gemäß § 202a I StGB wird bestraft, wer unbefugt sich oder einem anderen unter Überwindung der Zugangssicherung Zugang zu Daten verschafft, die nicht für ihn bestimmt und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind. § 202a II StGB enthält außerdem eine Eingrenzung, nach der Daten im Sinne des Absatzes 1 nur solche sind, die elektronisch, magnetisch oder sonst nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeichert sind oder übermittelt werden. Auf diese einschränkende Definition der geschützten Daten wird in anderen Vorschriften ausdrücklich verwiesen (vgl. zum Beispiel §§ 274 I, 303a StGB). Die Regelung des § 202a StGB wurde eingeführt, um Strafbarkeitslücken zu schließen, die durch das vermehrte Aufkommen computergestützter Kommunikationstechnik entstanden sind. Angeregt wurde die Einführung erstmalig durch eine Sachverständigenanhörung vor dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages im Jahr 1984. In das StGB aufgenommen wurde die Norm schließlich durch das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (2. WiKG) im Jahr 1986.315 2007 wurde der Tatbestand durch das 41. StÄG neu formuliert und aus dem „Verschaffen von Daten für sich oder einen anderen“ wurde das „Verschaffen des Zugangs zu Daten“. Diese Änderung erfolgte, um ausdrücklich auch das sogenannte „Hacking“ zu erfassen.316 b) Tatobjekt des § 202a StGB: Daten Das von § 202a StGB geschützte Tatobjekt sind Daten. Dabei hat der Gesetzgeber den Datenbegriff bewusst nicht weiter festgelegt, um ihn für eventuelle neue Entwicklungen im Bereich der Informationstechnologie offen zu halten. Zur Orientierung kann aber der technische Datenbegriff der Norm DIN 44300 dienen, die mittlerweile durch DIN ISO/IEC 2382 abgelöst wurde. Danach sind Daten „Gebilde aus Zeichen oder kontinuierliche Funktionen, die aufgrund bekannter oder unterstellter Abmachungen Informationen darstellen, vorrangig zum Zweck der Verarbeitung und als deren Ergebnis.“317 Darüber hinaus umfasst der strafrechtliche Datenbegriff aber auch Informationen ohne Verarbeitungszweck, so dass unter Daten im Sinne des § 202a StGB die Darstellung von Informationen mithilfe bestimmter Codes zu verstehen ist.318 Daher sind insbesondere die für Journalisten interessanten Video-, Text- und Bilddateien als Daten erfasst.319 Aber auch Sprachnachrichten, die auf einer Mailbox oder einem Anrufbeantworter hinterlassen wurden, sind somit geschützt. § 202a II StGB beschränkt den Schutz allerdings auf nicht unmittelbar wahrnehmbare Daten, die erst durch technische Umformung oder technische Vergröße315
Mehr zur Entstehungsgeschichte siehe MüKo-StGB-Graf, § 202a, Rn. 5. NK-Kargl, § 202a, Rn. 12. 317 NK-Kargl, § 202a, Rn. 4. 318 NK-Kargl, § 202a, Rn. 4; Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 202a, Rn. 3; MüKoStGB-Graf, § 202a, Rn. 8; Schmitz, JA 1995, 478 (479). 319 MüKo-StGB-Graf, § 202a, Rn. 9. 316
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rung sinnlich erfassbar sind.320 Dementsprechend sind beispielsweise schriftliche Notizen nicht geschützt. Eine weitere Beschränkung erfolgt durch die Merkmale der Speicherung oder Übermittlung. Hier kann auf die Definition des Bundesdatenschutzgesetzes verwiesen werden.321 Speichern meint demnach „das Erfassen, Aufnehmen oder Aufbewahren […] [von] Daten auf einem Datenträger zum Zweck ihrer weiteren Verarbeitung oder Nutzung“ (§ 3 IV Nr. 1 BDSG). Als Speichermedium kommen dabei sowohl analoge als auch elektronische Datenträger in Betracht.322 Übermitteln ist hingegen „das Bekanntgeben gespeicherter oder durch Datenverarbeitung gewonnener […] Daten an einen Dritten in der Weise, dass die Daten an den Dritten weitergegeben werden oder der Dritte zur Einsicht oder zum Abruf bereitgehaltene Daten einsieht oder abruft“ (§ 3 IV Nr. 3 BDSG). Zudem dürfen die Daten nicht für den Täter bestimmt sein. Dies ist der Fall, wenn sie nach dem Willen des formell Verfügungsberechtigten nicht in dessen Herrschaftsbereich gelangen sollen.323 Sie müssen des Weiteren gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sein. Es müssen also objektiv geeignete Vorkehrungen getroffen worden sein, egal ob körperlicher oder unkörperlicher Art, um den Zugang Unbefugter auf die Daten zu verhindern. Passwörter oder sonstige Sicherungscodes erfüllen dieses Kriterium ebenso wie etwa die Aufbewahrung des Datenträgers in einem verschlossenen Behältnis. In jedem Fall müssen die Vorkehrungen aber das besondere Interesse des Berechtigten an der Geheimhaltung der Daten belegen.324 Verschafft sich ein Journalist bei seiner Recherche also unberechtigten Zugang zu einem Datenträger wie einer CD-ROM oder einem USB-Stick, so sind die darauf gespeicherten Daten nur dann taugliches Tatobjekt, wenn etwa der Datenträger in einer verschlossenen Schreibtischschublade aufbewahrt wurde oder der Zugang nur mithilfe eines Passworts möglich ist. c) Tathandlung des § 202a StGB: Verschaffen des Zugangs Der Täter muss sich oder einem anderen unter Überwindung der Zugangssicherung Zugang zu den Daten verschaffen. Dies kann dadurch geschehen, dass er die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Daten erlangt, indem er etwa den Datenträger an sich nimmt oder sie auf seinem eigenen Datenträger abspeichert.325 Doch auch wer die Daten lediglich zur Kenntnis nimmt – beispielsweise durch Sichtbarmachen eines Fotos am Bildschirm oder Abspielen einer akustischen Nachricht auf 320
(480). 321
NK-Kargl, § 202a, Rn. 5; zur Vertiefung siehe die Beispiele bei Schmitz, JA 1995, 478
NK-Kargl, § 202a, Rn. 6; anderer Ansicht Schmitz, JA 1995, 478 (480). Fischer, § 202a, Rn. 5. 323 NK-Kargl, § 202a, Rn. 7; Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 202a, Rn. 6; Lackner/ Kühl-Kühl, § 202a, Rn. 3. 324 Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 202a, Rn. 7; Lackner/Kühl-Kühl, § 202a, Rn. 4; Schmitz, JA 1995, 478 (482). 325 BT-Drs. 10/5058, S. 29; NK-Kargl, § 202a, Rn. 12. 322
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einer Mobilbox – hat sich Zugang zu ihnen verschafft.326 Ferner muss das Verschaffen unbefugt erfolgen.327 Zudem setzt eine Strafbarkeit nach § 202a StGB voraus, dass der Täter dabei die Zugangssicherung überwindet. Setzt ein Journalist also andere Methoden ein, um an die geschützten Daten zu kommen, ist der Tatbestand nicht erfüllt. Dies gilt zum Beispiel, wenn jemand unter einem Vorwand von seinem – üblicherweise passwortgeschützten – Computer weggelockt wird und die Daten unter bloßer Ausnutzung der Abwesenheit kopiert werden. d) Verwendung von Daten, die ein anderer unter Verstoß gegen § 202a StGB erlangt hat Auch § 202a StGB erfasst – wie schon § 202 StGB – nur das Verschaffen unter Überwindung der Zugangssicherung, nicht aber das Veröffentlichen geschützter Daten. Demnach bleibt der Journalist auch hier grundsätzlich straflos, wenn er von einem Informanten Daten bekommt und verwendet, die dieser sich unter Verletzung des § 202a StGB verschafft hat. Es ist jedoch auch in diesem Fall unter Umständen eine Anstiftung oder Beihilfe in Betracht zu ziehen. e) Fazit Parallel zu der Einschränkung für Schriftstücke nach § 202 StGB beschränkt § 202a StGB den investigativen Journalismus im Zugang zu Daten. Sind letztere in irgendeiner Form zugangsgeschützt, so ist es dem Journalisten nicht möglich, bei seiner Recherche unter Überwindung der Zugangssperre darauf zuzugreifen, ohne sich strafbar zu machen.328 Demgegenüber ist es auch hier strafrechtlich unbedenklich, ungesicherte Dokumente zu verwenden. Auch die Verwendung von Daten, die ein Informant geliefert hat, stellt keine tatbestandsmäßige Handlung dar, selbst wenn dieser sie sich unter Verstoß gegen § 202a StGB verschafft hat. § 202a StGB ist demgemäß ebenso wenig wie § 202 StGB eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung für den investigativen Journalismus, da auch in diesem Fall ausschließlich durch besondere Vorkehrungen geschützte Daten erfasst sind und bei deren Fehlen der Zugriff straflos ist.
326
Ernst, NJW 2007, 2661 (2661); ders., NJW 2003, 3233 (3236). Dazu siehe Dritter Teil, Kapitel A.I.1.c). 328 Fälle, in denen sich ein investigativ recherchierenden Journalist Daten beschafft, indem er etwa durch Ausprobieren gängiger Passwörter eine Zugangssperre umgeht oder sich einen USB-Stick aus einer verschlossenen Schublade verschafft, sind noch ohne Weiteres vorstellbar. Demgegenüber gehören §§ 202b, 202c StGB in den Bereich der Cyberkriminalität und sind nicht typischerweise mit dem investigativen Journalismus zu verbinden. Das Abhören von Telefonen ist zudem bereits von § 201 II Nr. 1 StGB erfasst. Aus diesen Gründen wird auf die Darstellung der §§ 202b, 202c StGB im Rahmen dieser Untersuchung verzichtet. 327
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5. §§ 203, 26 bzw. 27 StGB, Anstiftung oder Beihilfe zur Verletzung von Privatgeheimnissen a) Grundlagen Regelmäßig kommt es vor, dass vertrauliche Informationen über bekannte Persönlichkeiten in die Medien gelangen, obwohl nur zur Verschwiegenheit verpflichtete Stellen darüber Bescheid wussten. Ein Beispiel ist das der ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland Margot Käßmann, die in der Nacht zum 21. Februar 2010 mit 1,54 Promille Alkohol im Blut eine rote Ampel überfahren hatte und daraufhin von der Polizei gestoppt worden war. Die Medien berichteten ausführlich über den Vorfall, weshalb Käßmann zwei Wochen später von allen kirchlichen Leitungsämtern zurücktrat. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Geheimnisverrats, stellte das Verfahren aber ein, weil sich kein konkreter Verdächtiger ermitteln ließ. Es kam jedoch öffentlich der Verdacht auf, dass Polizeibeamte die Medien informiert und im Gegenzug dafür Geld bekommen hatten.329 Im konkreten Fall ist zwar zu bezweifeln, dass der Verstoß von Käßmann gegen die Straßenverkehrsordnung ein gesellschaftlich relevanter Missstand war, der im Rahmen der öffentlichen Kontrollfunktion der Medien an die Öffentlichkeit gebracht werden musste. Schwerwiegendere Rechtsverstöße bedeutender Persönlichkeiten können aber durchaus von gesellschaftlicher Relevanz sein. Zu denken ist etwa an Korruptionsfälle bei namhaften Wirtschaftsunternehmen, die in regelmäßigen Abständen Gegenstand der Medienberichterstattung sind. Für investigativ arbeitende Journalisten sind diesbezügliche Informationen daher von großem Interesse, weshalb zum Beispiel ein Informant aus den Reihen der Ermittlungsbehörden eine gute Quelle darstellt. Bei der Inanspruchnahme derartiger Verbindungen macht sich jedoch nicht nur der zur Geheimhaltung Verpflichtete strafbar, sondern es kommt auch für den Journalisten eine Strafbarkeit wegen Anstiftung oder Beihilfe zum Geheimnisverrat nach § 203 StGB in Betracht. Nach § 203 I StGB macht sich strafbar, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als Angehöriger der in Absatz 1, Nr. 1 – 6 aufgezählten Berufsgruppen330 anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist. Nach § 203 II StGB wird ebenso bestraft, wer als einer der in Absatz 2, Nr. 1 – 6 aufgezählten Amtsträger und amtsnahen Personen331 unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart. Für § 203 II StGB gilt gemäß Absatz 2, Satz 2, 2. Halbsatz, dass Einzelangaben über persönliche oder 329
Siehe zu dem Vorfall ausführlich ZEIT ONLINE, Anzeigen wegen Geheimnisverrats, zu finden unter: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2010 – 03/kaessmann-alkohol-ge heimnisverrat, letzter Zugriff am 25. 01. 2012. 330 Siehe dazu Dritter Teil, Kapitel A.I.5.b)aa). 331 Siehe dazu Dritter Teil, Kapitel A.I.5.c)aa).
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sachliche Verhältnisse eines anderen, die für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfasst worden sind, einem Geheimnis im Sinne des § 203 StGB gleichgestellt sind. Diese Erweiterung greift jedoch nicht, soweit solche Einzelangaben anderen Behörden oder sonstigen Stellen für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bekanntgegeben werden und das Gesetz dies nicht untersagt. Darüber hinaus erklärt § 203 IIa StGB die Absätze 1 und 2 für entsprechend anwendbar, wenn ein Beauftragter für den Datenschutz unbefugt ein fremdes Geheimnis im Sinne dieser Vorschriften offenbart, das einem in den Absätzen 1 und 2 Genannten in dessen beruflicher Eigenschaft anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist und von dem der Beauftragte für den Datenschutz bei der Erfüllung seiner Aufgaben Kenntnis erlangt hat. § 203 IV StGB stellt außerdem klar, dass die Schweigepflicht auch über den Tod des Betroffenen hinaus besteht, und beendet damit den früheren Streit um eine postmortale Schweigepflicht.332 § 203 V StGB enthält einen Qualifikationstatbestand für den Täter, der gegen Entgelt oder in der Absicht handelt, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen. Der Schutz von Privatgeheimnissen hat eine lange Tradition. Schweigepflichten für bestimmte Berufsgruppen wurden bereits im späten Mittelalter dokumentiert. So sah etwa schon die Reichskammergerichtsordnung aus dem Jahr 1495 Schweigepflichten für den juristischen Beistand einer Partei vor.333 Auch das Arztgeheimnis ist bereits seit langer Zeit strafrechtlich geschützt. Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. 05. 1871 enthielt schon eine dem heutigen § 203 StGB ähnliche Regelung, die jedoch durch zahlreiche andere, zum Teil nebenstrafrechtliche Bestimmungen ergänzt wurde. Durch das EGStGB vom 02. 03. 1974 wurden diese Normen in § 203 StGB zusammengefasst und seitdem nur noch geringfügig verändert.334 b) Unbefugte Geheimnisoffenbarung nach § 203 I StGB aa) Täterkreis: Angehörige der in § 203 I StGB genannten Berufsgruppen Bei § 203 I StGB handelt es sich um ein Sonderdelikt mit begrenztem Täterkreis. Die Tat kann nur von den in Absatz 1 Nr. 1 – 6 genannten Personen begangen werden. Dies sind als primär Schweigepflichtige: • Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker oder Angehörige eines anderen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert (Nr. 1),
332
Lackner/Kühl-Kühl, § 203, Rn. 27. MüKo-StGB-Cierniak, § 203, Rn. 8; vgl. den in BGHZ NJW 1990, 510 (512) wiedergegebenen Eid der Reichskammergerichtsadvokaten nach der Kammergerichtsordnung von 1555. 334 Mehr zur Entstehungsgeschichte siehe MüKo-StGB-Cierniak, § 203, Rn. 8. 333
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• Berufspsychologen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlussprüfung (Nr. 2), • Rechtsanwälte, Patentanwälte, Notare, Verteidiger in einem gesetzlich geordneten Verfahren, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte oder Organe oder Mitglieder eines Organs einer Rechtsanwalts-, Patentanwalts-, Wirtschaftsprüfungs-, Buchprüfungs- oder Steuerberatungsgesellschaft (Nr. 3), • Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberater sowie Berater für Suchtfragen in einer Beratungsstelle, die von einer Behörde oder Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt ist (Nr. 4), • Mitglieder oder Beauftragte einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (Nr. 4a), • staatlich anerkannte Sozialarbeiter oder staatlich anerkannte Sozialpädagogen (Nr. 5), • sowie Angehörige eines Unternehmens der privaten Kranken-, Unfall- oder Lebensversicherung oder einer privatärztlichen, steuerberaterlichen oder anwaltlichen Verrechnungsstelle (Nr. 6). Darüber hinaus wird der Täterkreis in § 203 III 1 StGB um Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer, berufsmäßig tätige Gehilfen oder in Ausbildung befindliche Personen erweitert. Nach § 203 III 2 StGB ist außerdem auch schweigepflichtig, wer ein Geheimnis aus dem Nachlass des primär Schweigepflichtigen oder von dem Verstorbenen selbst erlangt hat. Die Sinnhaftigkeit dieser Regelung wird bezweifelt, da der Tod des primär Schweigepflichtigen hier eine objektive Bedingung der Strafbarkeit darstellt und derjenige, der das Geheimnis von ihm erlangt hat, es bis zu diesem Ereignis straflos weiter verbreiten darf.335 bb) Tatobjekt des § 203 I StGB: Ein fremdes Geheimnis, das dem Täter anvertraut oder sonst bekannt geworden ist § 203 I StGB bezieht sich ausschließlich auf geheimhaltungsbedürftige Tatsachen. Bei der Information, die der Journalist von seiner Quelle erlangt, muss es sich daher um ein „Geheimnis“ handeln. Was darunter zu verstehen ist, wird zum einen nach faktischen Gesichtspunkten, zum anderen nach normativen Kriterien bestimmt: Einerseits muss es sich um Tatsachen handeln, die nur einem beschränkten Personenkreis bekannt sind (faktische Komponente).336 Dabei darf der Personenkreis
335
MüKo-StGB-Cierniak, § 203, Rn. 125; Schmitz, JA 1996, 772 (774); jeweils m.w.N. RGSt 74, 110 (111); Lackner/Kühl-Kühl, § 203, Rn. 14; Schönke/Schröder-Lenckner/ Eisele, § 203, Rn. 5; MüKo-StGB-Cierniak, § 203, Rn. 15; Schmitz, JA 1996, 772 (774). 336
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durchaus ein größerer sein, solange er nach bestimmten Merkmalen abgrenzbar ist.337 Des Weiteren muss der Betroffene ein sachlich begründetes Interesse an der Geheimhaltung haben, so dass von einer objektiven Geheimhaltungswürdigkeit auszugehen ist (normatives Element).338 Aus der Tatsache, dass nur fremde Geheimnisse geschützt sind, folgt, dass sie sich auf eine andere – natürliche oder juristische – Person als den Täter beziehen müssen.339 Aus welchem Lebensbereich das Geheimnis stammt, ist ohne Belang, da es sich bei den im Tatbestand genannten Geheimnissen nur um Beispiele handelt.340 Ferner genügt es nicht, dass der Täter zufällig als Privater von dem fremden Geheimnis erfahren hat, sondern es muss ihm in seiner beruflichen Eigenschaft anvertraut oder sonst bekanntgeworden sein. Anvertraut wird ein Geheimnis, wenn es entweder unter dem ausdrücklichen Gebot der Verschwiegenheit mitgeteilt wird oder sich aus den Umständen eine Verpflichtung zur Geheimhaltung ergibt.341 Sonst bekanntgeworden ist das Geheimnis dem Täter „als“ Arzt usw., wenn es ihm zwar nicht anvertraut wurde, er aber auf andere Weise davon erfahren hat, die jedoch ebenfalls in einem inneren Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs stehen muss.342 cc) Tathandlung des § 203 I StGB: Offenbaren Offenbart wird ein Geheimnis durch die Mitteilung an einen Dritten, gleichgültig, ob dies ausdrücklich oder konkludent erfolgt.343 Dabei müssen sowohl die geheime Tatsache als auch die betroffene Person bekannt werden. Mitteilungen, die keinen Rückschluss auf den Betroffenen erlauben, fallen daher nicht unter den Tatbestand.344 Zu beachten ist, dass es bereits ausreicht, wenn der Täter einem anderen den Gewahrsam an derjenigen Sache verschafft, die das Geheimnis verkörpert – also etwa ein Schriftstück oder einen Datenträger übergibt, ohne dass der andere bereits Kenntnis von dem Inhalt erlangt.345 Allerdings kann ein Offenbaren schon begrifflich nur dann vorliegen, wenn das Geheimnis dem Dritten nicht bereits zuvor bekannt war.346
337
Schmitz, JA 1996, 772 (774). Lackner/Kühl-Kühl, § 203, Rn. 14; Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 203, Rn. 7; anderer Ansicht NK-Kargl, § 203, Rn. 6 ff., der allein auf den Willen des Betroffenen abstellt. 339 Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 203, Rn. 8; Schmitz, JA 1996, 772 (775). 340 Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 203, Rn. 9. 341 OLG Köln NStZ 1983, 412; Schmitz, JA 1996, 772 (775). 342 Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 203, Rn. 15. 343 Schmitz, JA 1996, 772 (777). 344 Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 203, Rn. 19. 345 MüKo-StGB-Cierniak, § 203, Rn. 44; Schmitz, JA 1996, 772 (777). 346 Fischer, § 203, Rn. 30; Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 203, Rn. 19a. 338
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
c) Geheimnisoffenbarung durch Amtsträger usw. nach § 203 II StGB Der Tatbestand des § 203 II StGB unterscheidet sich hauptsächlich in zwei Punkten von dem des Absatzes 1. Zum einen ist der Täterkreis ein anderer und zum anderen werden den fremden Geheimnissen bestimmte Einzelangaben gleichgestellt. Bezüglich des Offenbarens ist hier außerdem zu beachten, dass die Weitergabe von Tatsachen innerhalb derselben Behörde an einen anderen zuständigen Behördenangehörigen nicht den Tatbestand erfüllt, weil Tatsachen generell nicht einem bestimmten Beamten bekannt gegeben werden, sondern der Behörde als solcher.347 Gemäß § 203 II 2 Hs. 2 StGB ist außerdem die Übermittlung von Einzelangaben an andere Behörden für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung nicht tatbestandsmäßig, wenn das Gesetz eine solche Weitergabe nicht untersagt.348 aa) Täterkreis: Angehörige der in § 203 II StGB genannten Berufsgruppen Als Täter nach § 203 II StGB kommen nur die in Nr. 1 – 6 Genannten in Frage. Dies sind: • Amtsträger (Nr. 1), • für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete (Nr. 2), • Personen, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnehmen (Nr. 3), • Mitglieder eines für ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes tätigen Untersuchungsausschusses, sonstigen Ausschusses oder Rates, die nicht selbst Mitglied des Gesetzgebungsorgans sind, oder Hilfskräfte eines solchen Ausschusses oder Rates (Nr. 4), • öffentlich bestellte Sachverständige, die auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Obliegenheiten auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet worden sind (Nr. 5), • oder Personen, die auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Geheimhaltungspflicht bei der Durchführung wissenschaftlicher Forschungsvorhaben auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet worden sind (Nr. 6). Auch hier gilt gemäß § 203 III 2 StGB, dass ebenfalls schweigepflichtig ist, wer ein Geheimnis aus dem Nachlass des primär Schweigepflichtigen oder von dem Verstorbenen selbst erlangt hat.
347 348
Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 203, Rn. 45; Schmitz, JA 1996, 772 (777). MüKo-StGB-Cierniak, § 203, Rn. 100; Lackner/Kühl-Kühl, § 203, Rn. 15.
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bb) Tatobjekte des § 203 II StGB: Fremde Geheimnisse sowie bestimmte Einzelangaben, die für Verwaltungszwecke erfasst worden sind Neben den fremden Geheimnissen schützt § 203 II 2 StGB bestimmte Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse, die für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfasst worden sind. Es kann sich dabei um beliebige Umstände oder Merkmale handeln, solange sie sich auf einen anderen beziehen.349 Gemeint sind aber nur Angaben ohne Geheimnischarakter, da die Gleichstellung andernfalls sinnlos wäre. Offenkundig dürfen sie allerdings auch nicht sein, da ihr Schutz sonst sinnlos wäre.350 „Erfasst“ sind diese Angaben, wenn sie in irgendeiner Form fixiert wurden, beispielsweise handschriftlich, kartei- oder formularmäßig, in Akten, im Computer oder auf anderen Datenträgern.351 Die Erfassung muss im Übrigen für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfolgt sein. Dies ist der Fall, wenn sie speziell zum Zweck des Verwaltungsvollzugs oder für statistische Auswertungen festgehalten werden.352 cc) Das Verhältnis von § 203 II StGB und dem Informationsanspruch aus den Landespressegesetzen § 203 II StGB sanktioniert nur das „unbefugte“ Offenbaren von personenbezogenen Daten, was als Hinweis auf mögliche Rechtfertigungsgründe zu verstehen ist. Neben den allgemeinen Rechtfertigungsgründen353 kommen bei § 203 II StGB auch spezielle gesetzliche Befugnisnormen in Betracht, die die Weitergabe von persönlichen Angaben durch Amtsträger erlauben. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob es sich bei dem Informationsanspruch aus den Landespressegesetzen354 um eine solche Offenbarungsbefugnis handelt. Problematisch ist zunächst, ob der Landesgesetzgeber überhaupt berechtigt ist, eine Befugnisnorm zu setzen, die wiederum einen Straftatbestand des Bundesgesetzgebers betrifft. Dem könnte auf den ersten Blick entgegenstehen, dass der Landesgesetzgeber in diesem Fall einen Straftatbestand des Bundesgesetzgebers einschränken würde. Bei genauer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass § 203 StGB selbst gar nicht regelt, wann eine Offenbarung zulässig ist. Die Norm 349
Schmitz, JA 1996, 772 (776). BGHSt 48, 28 (30); Lackner/Kühl-Kühl, § 203, Rn. 15; Schönke/Schröder-Lenckner/ Eisele, § 203, Rn. 48. 351 Lackner/Kühl-Kühl, § 203, Rn. 15; Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 203, Rn. 49. 352 MüKo-StGB-Cierniak, § 203, Rn. 100; Schmitz, JA 1996, 772 (776). 353 Dazu Dritter Teil, Kapitel A.I.1.c). 354 Geregelt üblicherweise in § 4 der Landespressegesetze, dazu Zweiter Teil, Kapitel A.II.1. Aus diesem Grund wird im Folgenden die Bezeichnung „§ 4 LPG“ als Zusammenfassung aller landespressegesetzlichen Regelungen zum Auskunftsanspruch der Medien verwendet. 350
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knüpft lediglich eine Sanktion an die Fälle unbefugten Offenbarens, während sich die Offenbarungsrechte und -pflichten aus anderen Vorschriften ergeben. Es handelt sich insofern bei § 203 StGB um eine Blankettnorm, die es auch dem Landesgesetzgeber erlaubt, im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz Offenbarungsbefugnisse festzusetzen.355 Des Weiteren stellt sich die Frage, ob § 4 LPG inhaltlich eine Legitimation zur Weitergabe von Geheimnissen und diesen gleichgestellten personenbezogenen Einzelangaben zu entnehmen ist. Wie bereits dargelegt wurde, berechtigen die Landespressegesetze die jeweils zuständigen Personen bei einer Behörde nicht nur zur Auskunftserteilung an Presse und Rundfunk, sondern verpflichten sie sogar dazu.356 Es besteht somit durchaus eine dienstliche Befugnis des Amtsträgers oder der amtsnahen Personen zur Weitergabe von Informationen an die Medien, vorausgesetzt es handelt sich um die behördenintern zur Auskunft berechtigte Person.357 In welchen Fällen die Pflicht zur Auskunftserteilung entfällt oder sogar ein Verbot der Weitergabe von Informationen besteht, regeln die Landespressegesetze selbst.358 Dementsprechend ist festzuhalten, dass § 4 LPG eine Befugnisnorm ist, die bei Einhaltung ihrer Voraussetzungen ein unbefugtes Offenbaren im Sinne des § 203 II StGB entfallen lässt.359 Zu einem Zirkelschluss würde es führen, im Rahmen der Einschränkungen des landespressegesetzlichen Auskunftsanspruchs wiederum zu fragen, ob § 203 StGB eine Geheimhaltungsvorschrift im Sinne des § 4 II Nr. 2 LPG ist. Eine Auflösung der gegenseitigen Verweisung mit der Folge, dass sich die Offenbarungs- und Geheimhaltungspflichten scheinbar gegenseitig aufheben,360 lässt sich nur erreichen, indem man entweder § 4 LPG nicht als Befugnisnorm anerkennt oder den § 203 II StGB nicht als Geheimhaltungsvorschrift ansieht.361 Geht man also davon aus, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 LPG das Offenbaren befugt erfolgt, dann kann § 203 II StGB nicht seinerseits als Einschränkung dieser Auskunftsermächtigung herangezogen werden. Aus diesem Grund ist den Vertretern in 355
Vgl. RGSt 38, 62 (64); RGZ 53, 315 (317); OVG Lüneburg NJW 1984, 2652 (2654); Rogall, NStZ 1983, 1 (7); Ludwig, Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch identifizierende Presseverlautbarungen der Staatsanwaltschaft, S. 63. 356 Siehe dazu Zweiter Teil, Kapitel A.II.1.a)aa). 357 So auch Lackner/Kühl-Kühl, § 203, Rn. 21; Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 203, Rn. 53 a; LK-Schünemann, § 203, Rn. 149; jeweils m.w.N. 358 Siehe Zweiter Teil, Kapitel A.II.1.a)bb). 359 Aus diesem Grund ist die Annahme falsch, § 203 StGB normiere ein „absolutes Schweigegebot“ mit der Folge, dass der Behörde jegliche Erteilung von Auskünften untersagt sei. So aber Dalbkermeyer, Der Schutz des Beschuldigten vor identifizierenden und tendenziösen Pressemitteilungen der Ermittlungsbehörden, S. 52; Groß/Groß, Presserecht, Rn. 422 ff. 360 Vgl. Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, S. 124; Ostendorf, GA 1980, 445 (460); Pieroth, JuS 1981, 625 (632). 361 So auch Ludwig, Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch identifizierende Presseverlautbarungen der Staatsanwaltschaft, S. 66.
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Rechtsprechung und Literatur zuzustimmen, die die Klassifizierung des § 203 StGB als Geheimhaltungsvorschrift ablehnen.362 Dieses Ergebnis wird auch der Presse- und Rundfunkfreiheit besser gerecht, da es nicht pauschal zur Ablehnung des Auskunftsanspruches führt, sondern vielmehr eine Abwägung der jeweiligen Interessen ermöglicht. Betrachtet man § 203 II StGB als Geheimhaltungsvorschrift im Sinne des § 4 II Nr. 2 LPG, ist damit der Auskunftsanspruch der Presse von vornherein weitgehend blockiert363 und wird letztlich „ad absurdum“ geführt.364 Wird § 4 II Nr. 2 LPG hingegen nicht angewandt, muss stattdessen gemäß § 4 II Nr. 3 LPG geprüft werden, ob durch die Erteilung der Auskunft ein schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde.365 Anhand einer Güterabwägung ist dann jeweils zu ermitteln, „ob das verfolgte öffentliche Interesse generell und nach der Gestaltung des Einzelfalls den Vorrang verdient, ob der beabsichtigte Eingriff in die Privatsphäre nach Art und Reichweite durch dieses Interesse gefordert wird und im angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht.“366 Ist dies nicht der Fall, so muss die Auskunft verweigert werden. (Zwar eröffnen die meisten Landespressegesetze der Behörde in diesem Fall ein Ermessen, eine Erteilung der Auskunft trotz Überwiegens des privaten Geheimhaltungsinteresses wäre aber eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG,367 so dass eine Ermessensreduktion auf Null vorliegt.) Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch Heribert Ostendorf, der dafür aber den Umweg über eine teleologische Reduktion des § 203 II StGB als Geheimhaltungsvorschrift geht. Seiner Meinung nach ist § 203 II StGB einschränkend auszulegen, insbesondere wenn es um die Weitergabe von Informationen über politische Machtträger an die Medien geht, um ein gewisses Maß an gesellschaftlicher Kontrolle zu gewährleisten. In diesen Fällen sei „der Ermessensspielraum der Informationsverpflichtung gemäß den LPG doch wieder geöffnet, und die Ermächtigung kann bei Ermessenswahrung rechtfertigend eingreifen.“368 Diese umständliche Konstruktion vermag nicht zu überzeugen. Eine teleologische Reduktion ist eine Form der Rechtsfortbildung und setzt als solche eine Gesetzeslücke voraus – ge-
362
OLG Schleswig NJW 1985, 1090 (1091 f.); OLG Koblenz wistra 1987, 359 (360); Löffler-Burkhardt, § 4, Rn. 100; Lackner/Kühl-Kühl, § 203, Rn. 21; Schönke/SchröderLenckner/Eisele, § 203, Rn. 53a; Ludwig, Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch identifizierende Presseverlautbarungen der Staatsanwaltschaft, S. 66 ff.; Wente, StV 1988, 216 (219). 363 Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 203, Rn. 53a. 364 LK-Schünemann, § 203, Rn. 149. 365 Für die Schutzwürdigkeit betroffener privater Interessen als Maßstab der Offenbarungsbefugnis auch LK-Schünemann, § 203, Rn. 149; Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 203, Rn. 53a. 366 BVerfGE 35, 202 (221). 367 Vgl. dazu BVerfGE 65, 36 (41 ff.); 84, 192 (194); BVerfG NJW 2002, 2164. 368 Ostendorf, GA 1980, 445 (461 f.).
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wissermaßen in Form eines fehlenden Ausnahmetatbestandes.369 Da das von Ostendorf bezweckte Ergebnis sich aber bereits durch die Anwendung des § 4 II Nr. 3 LPG erreichen lässt und somit eine gesetzliche Regelung vorliegt, besteht kein Raum für eine Lückenschließung. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass es sich bei dem Informationsanspruch aus den Landespressegesetzen um eine Offenbarungsbefugnis handelt, unter deren Voraussetzungen es dem Amtsträger oder der entsprechenden amtsnahen Person gestattet ist, Informationen an die Medien weiterzugeben. Weil dieser eine Auskunft aber im Falle überwiegender privater Interessen untersagt und es zugleich Voraussetzung eines Geheimnisses im Sinne des § 203 StGB ist, dass ein Interesse an der Geheimhaltung besteht, wird die Offenbarung in der Regel unzulässig beziehungsweise ermessensfehlerhaft sein. Nur wenn im konkreten Fall das Informationsinteresse der Öffentlichkeit das private Geheimhaltungsinteresse überwiegt, besteht die Befugnis zur Informationsherausgabe. Angesichts der Intention eines investigativen Journalisten, gesellschaftlich relevante Missstände aufzudecken, wird bei dessen Anfragen aber häufiger ein überwiegendes Informationsinteresse vorliegen als bei denen eines Sensationsreporters. Bei den von § 203 II 2 StGB geschützten Einzelangaben kommt eine Weitergabe an die Medien generell öfter in Betracht, da sie gerade keinen Geheimnischarakter haben. d) Beteiligung eines Journalisten am Geheimnisverrat: Problematik der notwendigen Teilnahme Ein Journalist kommt in keinem der von § 203 StGB erfassten Tatbestände als tauglicher Täter in Frage, kann sich aber eventuell wegen einer Beteiligung am Geheimnisverrat strafbar machen. Voraussetzung ist, dass er den Täter im Sinne des § 26 StGB vorsätzlich dazu bestimmt hat, einen Geheimnisverrat zu begehen, oder dass er ihm dabei gemäß § 27 StGB vorsätzlich Hilfe geleistet hat.370 Allerdings liegt hier die Besonderheit vor, dass der Journalist seinen Informanten in der Regel dazu bestimmen beziehungsweise ihm dabei Hilfe leisten wird, nicht einem anderen, sondern ihm selbst das Geheimnis zu offenbaren. Ohne den Journalisten als Adressaten könnte der Informant die Tat mithin nicht begehen, weil es an einem Empfänger fehlen würde. Der Journalist ist damit notwendiger Teilnehmer des Geheimnisverrats, den sein Informant als Täter verwirklicht. Zu klären ist, welche Auswirkungen sich daraus ergeben. Bezüglich der rechtlichen Konsequenz der notwendigen Teilnahme ist zunächst danach zu differenzieren, ob es sich bei der begangenen Tat um ein Konvergenzdelikt oder um ein Begegnungsdelikt handelt. Bei einem Konvergenzdelikt wirken mehrere Personen in derselben Art und Richtung auf die Rechtsgutsverletzung hin, bei369
Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 83. Im Einzelnen zu den Voraussetzungen für eine Anstiftung siehe Roxin, Strafrecht AT II, § 26, Rn. 57 ff.; zur Beihilfe siehe Roxin, Strafrecht AT II, § 26, Rn. 183 ff. 370
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spielsweise bei einer gemeinschaftlich begangenen Körperverletzung gemäß § 224 I Nr. 4 StGB. Hier ergeben sich keine Besonderheiten, sondern jeder Beteiligte wird nach der entsprechenden Vorschrift bestraft. Demgegenüber zeichnen sich Begegnungsdelikte dadurch aus, dass mehrere Beteiligte in entgegengesetzter Richtung auf dasselbe Ziel hinarbeiten.371 So verhält es sich bei § 203 StGB, dessen Tatbestand neben dem Täter, der das Geheimnis offenbart, zwingend einen Dritten als Empfänger erfordert. Beide wirken also aus entgegengesetzten Richtungen – als Absender und Empfänger der geheimhaltungsbedürftigen Tatsache – darauf hin, dass das Geheimhaltungsinteresse verletzt wird. Bei den Begegnungsdelikten wird die notwendige Teilnahme wiederum je nach Sachlage unterschiedlich behandelt. aa) Notwendige Teilnahme durch den Träger des geschützten Rechtsguts Obwohl die Begründungen teilweise differieren, besteht Einigkeit darüber, dass sich niemand strafbar macht, wenn er lediglich seine eigenen Rechtsgüter angreift, der verwirklichte Straftatbestand also gerade seinem eigenen Schutz dient. So bleibt etwa nach einer missglückten Tötung auf Verlangen derjenige straflos, der den anderen zu seiner eigenen Tötung angestiftet hat, weil das betroffene Rechtsgut – in diesem Fall das Leben des Sterbewilligen – gegen Angriffe durch ihn selbst nicht geschützt ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Rechtsgutsträger das Mindestmaß an notwendiger Mitwirkung überschreitet und beispielsweise den Täter aktiv zur Tatbegehung veranlasst.372 Eine derartige Konstellation liegt aber hier nicht vor. § 203 StGB schützt zunächst die persönliche Geheimsphäre des Einzelnen sowie darüber hinaus jedenfalls mittelbar das Interesse der Allgemeinheit an der Verschwiegenheit der Angehörigen der genannten Berufe.373 Diese Rechtsgüter stehen weder dem Geheimnisverräter noch dem Journalisten als Geheimnisempfänger zu, sie können darüber nicht disponieren. bb) Notstandsähnliche Lage für den notwendig Beteiligten Ein weiteres Prinzip zur Beurteilung der notwendigen Teilnahme ist die „notstandsähnliche Lage“. Sie wird insbesondere im Zusammenhang mit der Gefangenenbefreiung nach § 120 StGB diskutiert, weil dies einer der wenigen Fälle ist, in denen der Gesetzgeber eine notstandsähnliche Lage des Betroffenen anerkennt und die Selbstbefreiung entsprechend mit Straffreiheit würdigt.374 Demgemäß ist in Rechtsprechung und Literatur inzwischen weitestgehend anerkannt, dass auch eine 371
Roxin, Strafrecht AT II, § 26, Rn. 41 f. BGHSt 10, 386 (387); Roxin, Strafrecht AT II, § 26, Rn. 44; Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 134; Wolter, JuS 1982, 343 (345); Magata, Jura 1999, 246 (252); jeweils m.w.N. 373 Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 203, Rn. 3. 374 Ein weiteres Beispiel ist die Strafvereitelung gemäß § 258 StGB. 372
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Beteiligung an der Fremdbefreiung nicht strafbar ist, wenn die Hilfeleistung zugleich Mittel zur Erlangung der eigenen Freiheit ist.375 Daraus wird in der Literatur geschlussfolgert, dass auch die Anstiftung zur eigenen Befreiung straflos ist,376 während die Rechtsprechung in diesem Fall durchaus eine Strafbarkeit annimmt.377 Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Wenn der Gesetzgeber bei bestimmten Tatbeständen anerkennt, dass der Betroffene sich in einer inneren Zwangslage befindet und ihm die Begehung als Täter daher strafrechtlich nicht vorzuwerfen ist, dann kann ihm auch nicht vorgeworfen werden, dass er einen anderen in dieser Situation um Hilfe bittet.378 Andernfalls würde die vom Gesetzgeber vorgesehene Privilegierung der Selbstbefreiung durch die Bestrafung wegen Anstiftung unterlaufen.379 Für den Journalisten, der sich an der Offenbarung eines Geheimnisses beteiligt, passt das Prinzip der notstandsähnlichen Lage allerdings nicht. Weder befindet sich der Journalist in einer seelischen Zwangslage noch handelt es sich bei § 203 StGB um eine der Vorschriften, bei denen der Gesetzgeber eine notstandsähnliche Lage des Betroffenen privilegiert hat. cc) Teilnahme nur in dem tatbestandsnotwendigen Mindestmaß In den übrigen Fällen hängt die Strafbarkeit des notwendigen Teilnehmers nach herrschender Meinung davon ab, ob der Beteiligte über das zur Verwirklichung des Tatbestands notwendige Mindestmaß hinaus aktiv wird. Bleibt seine Handlung im Rahmen dessen, was als Mindestmitwirkung erforderlich ist, ist er straflos. Überschreitet er das Mindestmaß, etwa indem er den Täter zur Tatbegehung veranlasst, wird er wegen der Beteiligung bestraft (sog. Grundsatz der straflosen Mindestmitwirkung).380 375 BGHSt 17, 369; Gropp, Deliktstypen mit Sonderbeteiligung, S. 240 ff.; Wolter, JuS 1982, 343 (346 f.); Schönke/Schröder-Eser, § 120, Rn. 15. Anders verhält es sich hingegen, wenn die Fremdbefreiung kein Mittel zur Selbstbefreiung ist, sondern bloß „bei Gelegenheit“ der Selbstbefreiung erfolgt. Eine solche Handlung wird vom Schutzgedanken der straflosen Selbstbefreiung nicht mehr erfasst, so dass eine Straflosigkeit in diesem Fall abgelehnt wird; vgl. Wolter, JuS 1982, 343 (346) m.w.N. 376 Roxin, Strafrecht AT II, § 26, Rn. 46; Gropp, Deliktstypen mit Sonderbeteiligung, S. 246; Wolter, JuS 1982, 343 (346 f.); Schönke/Schröder-Eser, § 120, Rn. 15; Fischer, § 120, Rn. 9; Lackner/Kühl-Kühl, § 120, Rn. 12. 377 BGHSt 17, 369 (373). 378 Ähnlich Gropp, Deliktstypen mit Sonderbeteiligung, S. 246; im Ergebnis ebenso Roxin, der aus der legislatorischen Entscheidung schlussfolgert, dass die in diesem Fall verletzten Rechtsgüter gegenüber den Beteiligten nicht geschützt sind; vgl. Roxin, Strafrecht AT II, § 26, Rn. 48. 379 So auch Lackner/Kühl-Kühl, § 120, Rn. 12. 380 Roxin, Strafrecht AT II, § 26, Rn. 50 ff.; Wolter, JuS 1982, 343 (345); Schönke/ Schröder-Heine, Vorbem. §§ 25 ff., Rn. 47a., jeweils m.w.N. Eine umfassende Aufzählung der Anhänger des Grundsatzes der straflosen Mindestmitwirkung findet sich bei Sowada, Die „notwendige Teilnahme“ als funktionales Privilegierungsmodell im Strafrecht, S. 116.
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Abgelehnt wird der Grundsatz der straflosen Mindestmitwirkung unter anderem von Rolf Dietrich Herzberg. Er hält auch eine Beteiligung im Rahmen des notwendigen Mindestmaßes für strafwürdig und begründet dies anhand eines Beispielsfalles zur Gläubigerbegünstigung gemäß § 283c StGB damit, dass der Gläubiger in diesem Fall mit der Annahme der Sachwerte vorsätzlich seine Mitgläubiger schädigt, ohne sich dabei in einer notstandsähnlichen Zwangslage zu befinden, die seine Straflosigkeit begründen könnte.381 Ihm folgend lehnt auch Günther Jakobs einen allgemeingültigen Satz von der Straffreiheit „bei Einhaltung einer Mindestrolle“ ab.382 Christoph Sowada geht ebenfalls davon aus, dass sich ein solcher universaler Grundsatz nicht nachvollziehbar begründen lässt.383 Welcher Auffassung zu folgen ist, entscheidet im konkreten Fall darüber, ob der Journalist sich auch ohne ein aktives Einwirken auf seinen Informanten wegen einer Beteiligung am Geheimnisverrat strafbar machen kann, indem er die Information lediglich entgegennimmt. Nach der herrschenden Lehre vom Grundsatz der straflosen Mindestmitwirkung würde das einfache Perzipieren einer einschlägigen Mitteilung nicht ausreichen. Wer den Grundsatz ablehnt, gelangt dagegen bereits in diesem Fall zu einer strafbaren Beteiligung. Die Heranziehung des Wortlauts ist in diesem Fall nicht weiterführend. Der Gesetzgeber hat bei einigen Vorschriften ausdrücklich die Strafbarkeit beider Beteiligten in den Tatbestand aufgenommen (vgl. zum Beispiel § 173 StGB). Daraus ließe sich im Wege eines Umkehrschlusses folgern, dass in den anderen Fällen eine Strafbarkeit des notwendigerweise Beteiligten gerade nicht gewollt ist.384 Andererseits besteht die Möglichkeit, dass der Gesetzgeber eine explizite Erwähnung der notwendigen Teilnehmer in den anderen Tatbeständen unterlassen hat, weil er ohne Weiteres die allgemeinen Teilnahmeregeln der §§ 26, 27 StGB für anwendbar gehalten hat.385 Stellt man jedoch die Fälle der strafbaren Beteiligung nach §§ 26, 27 StGB denen der tatbestandsnotwendigen Mindestbeteiligung gegenüber, wird deutlich, dass sie nicht vergleichbar sind: Wer Beihilfe leistet oder anstiftet, dem geht es in erster Linie um eine fremde Tat, an der er sich in irgendeiner Form fördernd beteiligt. Wer hingegen als notwendig Beteiligter handelt, fördert keine fremde Tat, sondern verwirklicht ein eigenständiges Tatbild, das lediglich mit der Tat eines anderen verstrickt ist und im Vergleich dazu deutlich weniger schwerwiegt. Eine Gleichbehandlung beider Handlungen ist somit nicht gerechtfertigt.386 Aus diesem Grund ist es folgerichtig, im Falle einer Teilnahme, die sich auf das tatbestandsnotwendige Min381
Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 138. Jakobs, Strafrecht AT, 24. Abschn., Rn. 12. 383 Sowada, Die „notwendige Teilnahme“ als funktionales Privilegierungsmodell im Strafrecht, S. 116 ff. 384 Wolter, JuS 1982, 343 (345). 385 Roxin, Strafrecht AT II, § 26, Rn. 52. 386 Roxin, Strafrecht AT II, § 26, Rn. 53. 382
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destmaß beschränkt, mit der herrschenden Meinung von der Straflosigkeit des notwendigen Teilnehmers auszugehen. Für den Journalisten bedeutet das, dass er nur dann wegen einer Beteiligung am Geheimnisverrat strafrechtlich belangt werden kann, wenn er über die bloße Kenntnisnahme hinaus aktiv wird. e) Fazit Die Vorschrift des § 203 StGB kommt aufgrund ihres Charakters als Sonderdelikt für einen Journalisten nur in Kombination mit den §§ 26, 27 StGB in Betracht. Dem Grundsatz der straflosen Mindestmitwirkung entsprechend genügt das bloße Entgegennehmen einer geschützten Information noch nicht für eine Strafbarkeit des Journalisten wegen Beihilfe. Verleitet er aber von sich aus einen Informanten zur Tat oder unterstützt ihn dabei in einem über das tatbestandsnotwendige Mindestmaß hinaus, ist er wegen einer Beteiligung am Geheimnisverrat strafbar. In der Regel noch keine Straftat ist jedoch die bloße Anfrage eines Journalisten bei einer Behörde, bei der er sicher weiß oder jedenfalls billigend in Kauf nimmt, dass er im konkreten Fall wegen überwiegenden Geheimhaltungsinteresses keinen Auskunftsanspruch hat, aber hofft, die gewünschte Information dennoch zu bekommen. Erkennt der Amtsträger das entgegenstehende Geheimhaltungsinteresse nicht und erteilt die gewünschte Auskunft im Glauben, die Voraussetzungen des § 4 LPG seien erfüllt, fehlt es für die Anstiftung an einer vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat. Eine mittelbare Täterschaft des Journalisten scheitert an seiner fehlenden Täterqualität. Erst wenn Journalist und Geheimnisträger kollusiv zusammenwirken und auch letzterer weiß, dass er die Informationen nicht herausgeben darf, kommt eine Strafbarkeit in Betracht. Wer dann als Journalist – etwa durch Inaussichtstellen einer Geldzahlung – auf den Geheimnisträger einwirkt, um ihn zur bewusst unbefugten Offenbarung der geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen zu bewegen, ist wegen Anstiftung strafbar. Die Tatsache, dass laut einer Studie zum Selbstverständnis der Journalisten in Deutschland 27 % der befragten Journalisten bereit sind, für den Erhalt vertraulicher Informationen zu bezahlen,387 zeigt die hohe praktische Bedeutung des § 203 StGB für den investigativen Journalismus. In der Gesamtbetrachtung ist die Vorschrift im Hinblick auf ihre einschränkende Wirkung für den investigativen Journalismus aber nicht zu beanstanden. Im Regelfall begehrt ein Journalist Informationen von einem Amtsträger, so dass sich über den landespressegesetzlichen Auskunftsanspruch eine umfassende Abwägung zwischen der Pressefreiheit einerseits und dem Recht des Betroffenen auf Geheimhaltung andererseits vornehmen lässt. Dass es in den übrigen Fällen auch einem Journalisten grundsätzlich nicht gestattet ist, etwa einen Arzt oder Rechtsanwalt zu einer strafbaren Offenbarung von Privatgeheimnissen anzustiften, stellt keine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der journalistischen Recherchetätigkeit dar und ist im Interesse der Funktionsfähigkeit der jeweiligen Berufsgruppen und des Rechts auf 387
Weischenberg/Malik/Scholl, Die Souffleure der Mediengesellschaft, S. 301.
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informationelle Selbstbestimmung hinzunehmen. Schließlich ist es ebenfalls ein verfassungsrechtlich gesichertes Recht jedes Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und in welchen Grenzen seine persönlichen Lebenssachverhalte von einem Dritten offenbart werden dürfen,388 wohingegen die Pressefreiheit nicht die rechtswidrige Beschaffung von Informationen schützt.389 6. § 204 StGB, Verwertung fremder Geheimnisse Der § 204 StGB entspricht im Wesentlichen dem § 203 StGB, stellt aber das Verwerten des fremden Geheimnisses unter Strafe. Dem Wortlaut nach ist die Vorschrift somit einschlägig, wenn ein Informant für die Weitergabe von Informationen an einen Journalisten vergütet wird. Jedoch geht § 203 V StGB vor, wenn das Verwerten durch Offenbaren – also beispielsweise durch „Verkaufen“ des Geheimnisses – begangen wird.390 Unter „Verwerten“ im Sinne des § 204 StGB ist demgegenüber die Nutzung des in dem Geheimnis selbst verkörperten wirtschaftlichen Wertes zu verstehen,391 zum Beispiel wenn ein Wirtschaftsprüfer mit dem Kundenstamm eines seiner Mandanten eine eigene Firma errichtet.392 Da aber der Journalist selbst nicht zu den erfassten Geheimnisträgern gehört und das Verwerten durch Offenbaren als typischer Akt zwischen Informanten und Journalisten nicht von § 204 StGB erfasst wird, ist die Vorschrift für den investigativen Journalismus bedeutungslos. 7. Zwischenergebnis zu den Regelungen zum Schutz des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs Das vorangehende Kapitel hat sich mit den Vorschriften zur Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs im 15. Abschnitt des Strafgesetzbuches befasst. Dabei hat sich gezeigt, dass die Mehrzahl der dort aufgeführten Normen von praktischer Bedeutung für den investigativen Journalismus ist und ein Konflikt des recherchierenden Journalisten mit den aufgezählten Tatbeständen in vielen Fällen naheliegt. Eine Ausnahme sind die §§ 202b, 202c StGB sowie der § 206 StGB, die wegen ihrer fehlenden Relevanz nicht näher behandelt wurden. Auch § 204 StGB ist für den investigativen Journalismus nicht einschlägig. Die Untersuchung hat ergeben, dass die meisten Tatbestände dennoch keine unverhältnismäßige Einschränkung des investigativen Journalismus darstellen. Konflikte zwischen investigativem Journalismus und den Interessen der Betroffenen am Schutz ihres persönlichen Lebens- und Geheimbereichs sind unvermeidbar, weil er aufdeckt, was andere geheim halten wollen. Dem Gesetzgeber ist es mit den 388 389 390 391 392
BVerfGE 65, 36 (41 ff.); 84, 192 (194); BVerfG NJW 2002, 2164. Siehe Dritter Teil, Kapitel A.I.1.c)aa)(3). BT-Drs. 7/550, S. 244. Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 204, Rn. 5/6; MüKo-StGB-Graf, § 204, Rn. 9. Beispiel nach Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 204, Rn. 5/6.
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Vorschriften des 15. Abschnittes jedoch weitestgehend gelungen, einen Ausgleich der divergierenden Interessen unter Berücksichtigung beider Seiten zu finden. Nur § 201a StGB stellt ein ernstzunehmendes Risiko für den investigativen Journalismus dar. Der Grund dafür liegt zum einen in der Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes durch den unbestimmten Begriff des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ sowie zum anderen in der Beeinträchtigung der Presse- und Rundfunkfreiheit des Art. 5 I 2 GG durch die Einschränkung der Arbeit mit versteckter Kamera, durch das Verbot der Verwendung rechtswidrig erlangter Informationen sowie durch die von § 201a StGB hervorgerufene Verunsicherung der betroffenen Journalisten.
II. § 238 StGB, Nachstellung 1. Grundlagen § 238 StGB kann für den investigativen Journalismus von Bedeutung sein, wenn ein Journalist im Zuge seiner Recherche hartnäckig versucht, Kontakt zu einer Person aufzunehmen und dafür beispielsweise gezielt ihre räumliche Nähe aufsucht oder wiederholt bei ihr anruft. Gemäß § 238 I StGB wird bestraft, wer einem Menschen unbefugt nachstellt, indem er beharrlich • seine räumliche Nähe aufsucht (Nr. 1), • unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu ihm herzustellen versucht (Nr. 2), • unter missbräuchlicher Verwendung von dessen personenbezogenen Daten Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für ihn aufgibt oder Dritte veranlasst, mit diesem Kontakt aufzunehmen (Nr. 3), • ihn mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit seiner selbst oder einer ihm nahe stehenden Person bedroht (Nr. 4) oder • eine andere vergleichbare Handlung vornimmt (Nr. 5) und dadurch seine Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt. Für den investigativen Journalismus sind nicht alle in § 238 I StGB aufgeführten Formen der Nachstellung einschlägig. Eine missbräuchliche Verwendung personenbezogener Daten zur Bestellung von Waren oder Dienstleistungen im Rahmen einer journalistischen Recherche nach § 238 I Nr. 3 StGB ist eher fernliegend. Dies gilt ebenso für eine Bedrohung mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit nach § 238 I Nr. 4 StGB. Aus diesem Grund wird bei der Untersuchung der einzelnen Tathandlungen lediglich auf das Nachstellen durch das Aufsuchen der räumlichen Nähe einer anderen Person nach § 238 I Nr. 1 StGB und durch eine Kontaktaufnahme mittels der Kommunikationsmittel des § 238 I Nr. 2 StGB näher eingegangen.
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2. Entstehungsgeschichte Der Tatbestand der Nachstellung wurde 2007 durch das 40. StÄG in das Strafgesetzbuch eingefügt, um bestehende Strafbarkeitslücken in Fällen des Stalkings zu schließen und so einen besseren Opferschutz zu gewährleisten.393 Er schützt als Rechtsgut den individuellen Lebensbereich des Einzelnen394 und bezweckt den Schutz der Handlungs- und Entschließungsfreiheit und damit der privaten Lebensgestaltung des Opfers.395 Ebenso wie bei § 201a StGB verlief das Gesetzgebungsverfahren kontrovers. Diskutiert wurden im Wesentlichen drei Modelle, um einen verbesserten Schutz vor Stalking zu erreichen: Die Einführung eines neuen Straftatbestandes, eine Reform der Regelungen im Gewaltschutzgesetz und die Möglichkeit, die geltende Rechtslage beizubehalten aber konsequenter durchzusetzen.396 Während des Gesetzgebungsverfahrens wurde unter anderem die Aufnahme eines Presseprivilegs in Form einer entsprechenden Anwendung des § 193 StGB gefordert.397 Der Gesetzentwurf der Bundesregierung übernahm diesen Vorschlag jedoch nicht, weil die journalistische Recherchetätigkeit durch eine entsprechend enge Auslegung der Tatbestandsmerkmale „unbefugt“ und „beharrlich“ ausreichend geschützt sei.398 Daraufhin legten die Medienverbände eine Gemeinsame Stellungnahme vor, in der sie forderten, dass die journalistische Recherche keinesfalls durch die neue Vorschrift gefährdet werden dürfe.399 Dessen ungeachtet sprach sich die Mehrheit der Experten in der Sachverständigenanhörung vor dem Deutschen Bundestag für die Schaffung der „Anti-Stalking-Norm“ aus, ohne dass eine gleichzeitige Ausnahmeregelung für Journalisten für erforderlich gehalten wurde.400 Nach der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses401 einigte man sich schließlich auf den „Bund-Länder-Kompromiss“, der aus der Debatte hervorgegangen war und keine journalistische Ausnahmevorschrift enthielt. Dieser trat als neuer § 238 StGB am 27. 03. 2007 in Kraft.402
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Vgl. BT-Drs. 15/5410, S. 1, BT-Drs. 16/1030, S. 1. BT-Drs. 16/575, S. 6. 395 Lackner/Kühl-Kühl, § 238, Rn. 1. 396 Ausführlich zur Entstehungsgeschichte und den jeweiligen Gesetzentwürfen siehe Kraenz, Der strafrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts, S. 281 ff. 397 Vgl. BR-Drs. 551/2/04, S. 8 f. 398 BR-Drs. 617/05, S. 7. 399 Deutscher Presserat/Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger/Verband Deutscher Zeitschriftenverleger u. a., Gemeinsame Stellungnahme zum Entwurf eines Stalking-Bekämpfungsgesetzes. 400 Vgl. die Zusammenfassung bei Kraenz, Der strafrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts, S. 288 f. 401 BT-Drs. 16/3641. 402 BGBl. I 2007, S. 354. 394
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3. Nachstellen durch Aufsuchen der räumlichen Nähe einer anderen Person nach § 238 I Nr. 1 StGB Der objektive Tatbestand des § 238 I Nr. 1 StGB ist erfüllt, wenn der Täter einem anderen Menschen nachstellt, indem er seine räumliche Nähe aufsucht. Des Weiteren muss – wie bei allen in § 238 I StGB aufgeführten Verhaltensweisen – hinzukommen, dass der Täter beharrlich vorgeht und unbefugt handelt. Als Taterfolg muss außerdem eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers in Folge der Nachstellung eintreten. a) Aufsuchen der räumlichen Nähe Den Gesetzgebungsmaterialien zu § 238 StGB ist zu entnehmen, dass das Aufsuchen der räumlichen Nähe gezielte physische Annäherungen umfasst, beispielsweise durch „Auflauern, Verfolgen, Vor-dem-Haus-Stehen und sonstige häufige Präsenz in der Nähe der Wohnung oder Arbeitsstelle des Opfers“.403 Eine statische Situation ist aber nicht zwingend, auch das körperliche Verfolgen einer Person ist erfasst.404 Demnach erfüllt ein Journalist das Tatbestandsmerkmal, wenn er auf eine Person, die er im Rahmen seiner Recherche befragen will, beispielsweise vor ihrem Wohnhaus oder am Arbeitsplatz wartet, um sie dort abzupassen. Dies gilt ebenso, wenn er die betreffende Person verfolgt, um eine Stellungnahme von ihr zu bekommen. b) Beharrliches Vorgehen Das Tatbestandsmerkmal „beharrlich“ wird bereits an anderen Stellen im Strafgesetzbuch verwendet,405 so dass bei der Auslegung auf die bereits im Zusammenhang mit den jeweiligen Vorschriften erzielten Ergebnisse zurückgegriffen werden kann.406 Dementsprechend setzt ein „beharrliches Vorgehen“ ein wiederholtes, hartnäckiges Verhalten voraus, in dem sich eine gesteigerte Missachtung oder Gleichgültigkeit gegenüber dem Verbot offenbart, so dass die Gefahr weiterer Begehungen indiziert ist.407 In Bezug auf § 238 StGB folgt daraus, dass der Täter bereits eine der aufgezählten Nachstellungshandlungen vorgenommen haben muss und die Gefahr besteht, dass weitere folgen. Dabei muss es sich nicht um die gleichen Tathandlungen handeln, sondern es können auch unterschiedliche von § 238 I StGB erfasste Formen der Nachstellung vorgenommen werden.408 Ein Journalist, der mehrfach bestimmte Orte aufsucht, um dort die zu befragende Person zu treffen, und 403
BT-Drs. 16/575, S. 7; Schönke/Schröder-Eisele, § 238, Rn. 8. Fischer, § 238, Rn. 13. 405 Vgl. §§ 56d III 4, 56f I Nr. 2 und 3, 70b I Nr. 2 und 3 sowie § 184e StGB. 406 Kraus, Zivilrechtlicher Schutz gegen Nachstellen, S. 50. 407 BT-Drs. 16/575, S. 7; Lackner/Kühl-Kühl, § 184e, Rn. 5. 408 Kraus, Zivilrechtlicher Schutz gegen Nachstellen, S. 50; Valerius, JuS 2007, 319 (322); Kinzig/Zander, JA 2007, 481 (484). 404
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dabei deren Wunsch ignoriert, von den Medien in Ruhe gelassen zu werden, geht also durchaus beharrlich im Sinne des § 238 I StGB vor. c) Unbefugtes Handeln Auch § 238 I StGB setzt voraus, dass der Täter „unbefugt“ handelt. Anders als bei §§ 201 ff. StGB409 ist dies nicht lediglich als Hinweis auf mögliche Rechtfertigungsgründe zu verstehen, sondern es handelt sich um ein Tatbestandsmerkmal.410 Eine Befugnis lässt infolgedessen nicht erst die Rechtswidrigkeit entfallen, sondern schließt bereits eine Tatbestandsverwirklichung aus. Zudem muss die fehlende Befugnis vom Vorsatz des Täters umfasst sein. Unbefugtes Verhalten liegt vor, wenn es gegen den Willen oder ohne Einverständnis des Opfers erfolgt.411 Da es sich bei den aufgeführten Verhaltensweisen des Aufsuchens der räumlichen Nähe oder der versuchten Kontaktaufnahme um grundsätzlich sozialadäquate Verhaltensweisen handelt, die lediglich im konkreten Fall aufgrund des entgegenstehenden Opferwillens den Tatbestand erfüllen, ist überdies erforderlich, dass der entgegenstehende Wille des Opfers dem Täter gegenüber ausdrücklich oder jedenfalls eindeutig konkludent geäußert worden ist.412 Neben dem Einverständnis des Opfers können sowohl eine gesetzlich begründete Erlaubnis als auch die zulässige Ausübung von Rechten eine Befugnis begründen.413 Sie kann sich aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften (beispielsweise Befugnisnormen zugunsten der Polizei, der Strafverfolgungsbehörden oder der Verwaltungsbehörden), aus zivilrechtlichen Ansprüchen (zum Beispiel im Mahn- und Inkassowesen) sowie aus Vertrag (etwa bei Zustimmung zur Sammlung von Daten über Konsum- und Freizeitverhalten) ergeben.414 Die Frage, ob darüber hinaus eine besondere Befugnis für Journalisten aus Art. 5 I GG folgt, wird kontrovers diskutiert.
409
Siehe dazu Dritter Teil, Kapitel A.I.1.c). BT-Drs. 16/575, S. 7; Lackner/Kühl-Kühl, § 238, Rn. 6; Gazeas, KJ 2006, 247 (255); Kinzig/Zander, JA 2007, 481 (483); Mosbacher, NStZ 2007, 665 (667); Valerius, JuS 2007, 319 (322); jeweils m.w.N. Bezüglich der Tathandlungen in § 238 I Nr. 3 und 4 StGB wird dies teilweise bezweifelt, weil sie im Gegensatz zu den Nrn. 1 und 2 nur eindeutig strafwürdiges Verhalten erfassten, so dass „unbefugt“ lediglich als Hinweis auf mögliche Rechtfertigungsgründe zu sehen sei. Vgl. Mitsch, NJW 2007, 1237 (1240); zustimmend Kraus, Zivilrechtlicher Schutz gegen Nachstellen, S. 58; Schönke/Schröder-Eisele, § 238, Rn. 26. Da vorliegend aber nur die Nrn. 1 und 2 untersucht werden, wird ohne weitere Auseinandersetzung mit dieser differenzierenden Auffassung angenommen, dass es sich bei „unbefugt“ um ein Tatbestandsmerkmal handelt. 411 BT-Drs. 15/5410, S. 7; 16/575, S. 7; Kinzig/Zander, JA 2007, 481 (483); Lackner/KühlKühl, § 238, Rn. 6; Schönke/Schröder-Eisele, § 238, Rn. 27. 412 Kraus, Zivilrechtlicher Schutz gegen Nachstellen, S. 59. 413 Valerius, JuS 2007, 319 (322). 414 Fischer, § 238, Rn. 27. 410
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Sie wird an späterer Stelle im Zusammenhang mit der Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung des § 238 StGB aufgegriffen.415 d) Taterfolg: Schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung Die Nachstellung ist als Erfolgsdelikt ausgestaltet. Der tatbestandliche Erfolg besteht in einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers, die kausal auf den vom Täter vorgenommenen Nachstellungshandlungen beruhen muss.416 Als Orientierungspunkt dient das „objektiv vernünftige“ Opfer, so dass eine unangemessene und nicht nachvollziehbare Reaktion als nicht vorhersehbarer Erfolg außer Betracht bleibt.417 Infolge der Beschränkung auf schwerwiegende Beeinträchtigungen werden nur wenig einschneidende Maßnahmen, wie etwa das Einschalten eines Anrufbeantworters oder die Einrichtung einer Fangschaltung zu Beweissicherungszwecken, aus dem Tatbestand ausgenommen. Erst wenn das Opfer so gravierende Vorkehrungen wie den Wechsel des Arbeitsplatzes trifft oder seine Wohnung gar nicht mehr oder nur noch in Begleitung verlässt, ist von einer schwerwiegenden Beeinträchtigung auszugehen.418 Daneben können aber auch essentielle Veränderungen des Sozialverhaltens eine schwerwiegende Beeinträchtigung darstellen, etwa wenn erhebliche Teile der Freizeitaktivitäten aufgegeben werden oder sämtliche persönliche Daten geheim gehalten werden, so dass eine übliche soziale Erreichbarkeit nicht mehr möglich ist.419 Auch kann eine Kombination vieler einzelner Reaktionen des Opfers, die für sich betrachtet den Taterfolg nicht verwirklichen würden, in ihrer Gesamtheit den erforderlichen Grad der Beeinträchtigung herbeiführen.420 Recherchebemühungen der Medien führen nicht selten dazu, dass Personen, die im Mittelpunkt des medialen Interesses stehen, ihr Haus zeitweise nicht mehr verlassen oder sich jedenfalls durch Personenschützer von den Journalisten abschirmen lassen. In diesem Fall erfüllen die kontaktsuchenden Journalisten den Tatbestand des § 238 I Nr. 1 StGB, wenn auch die übrigen Tatbestandsmerkmale vorliegen. e) Nachstellen durch versuchte Kontaktaufnahme mittels der Kommunikationsmittel des § 238 I Nr. 2 StGB Ebenfalls für Journalisten relevant ist die Tathandlung des § 238 I Nr. 2 StGB, das Nachstellen durch eine versuchte Kontaktaufnahme unter Verwendung von Tele415
Dazu siehe Dritter Teil, Kapitel A.II.4.b)cc)(1). Schönke/Schröder-Eisele, § 238, Rn. 29. 417 Schönke/Schröder-Eisele, § 238, Rn. 30; Kraus, Zivilrechtlicher Schutz gegen Nachstellen, S. 53; Kinzig/Zander, JA 2007, 481 (484). 418 BT-Drs. 16/575, S. 8. 419 Fischer, § 238, Rn. 24. 420 Valerius, JuS 2007, 319 (323). 416
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kommunikationsmitteln, sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte. Hinzukommen muss wiederum, dass der Täter beharrlich vorgeht und unbefugt handelt. Ebenso muss als Taterfolg eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers in Folge der Nachstellung eintreten.421 Zu den Telekommunikationsmitteln gehören alle technischen Einrichtungen oder Systeme, die als Nachrichten identifizierbare elektromagnetische oder optische Signale senden, übertragen, vermitteln, empfangen, steuern oder kontrollieren können (vgl. § 3 Nr. 22, 23 TKG), also insbesondere Telefon, Fax, SMS, MMS, Email und das Internet.422 Demgegenüber gehört zu den sonstigen Mitteln der Kommunikation der Einsatz jeglicher gegenständlicher Mittel zur Übermittlung von Nachrichten,423 beispielsweise durch das Verschicken per Post oder auf anderem Wege, das Kleben von Zetteln an die Tür oder an den PKW oder auch das Versenden von Ton- und Datenträgern.424 Die versuchte Kontaktherstellung über Dritte ist hingegen bei der offenen Einschaltung anderer Personen zum Zwecke der Kontaktaufnahme des Täters gegeben, insbesondere wenn diese dem Opfer Nachrichten überbringen sollen.425 Für die Verwirklichung des Tatbestandes ist es ausreichend, dass der Täter lediglich versucht, den Kontakt herzustellen – schließlich wird das Opfer diesen regelmäßig verweigern. Es ist aber jedenfalls eine Kenntnisnahme des Opfers von der versuchten Kontaktaufnahme erforderlich, da andernfalls keine Kausalbeziehung zwischen der Tathandlung und dem Taterfolg, der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, möglich ist.426 Versucht also ein Journalist beispielsweise eine Stellungnahme oder Auskunft zu erhalten, indem er wiederholt Anrufe tätigt, Emails schreibt oder über Angehörige oder das Sekretariat Kontakt zu der betreffenden Person sucht, liegt ein Nachstellen im Sinne des § 238 I Nr. 2 StGB vor. Weitere Tatbestandsmerkmale sind wie schon bei Absatz 1 die Beharrlichkeit und die fehlende Befugnis. Hinzukommen muss, dass das Opfer schwerwiegend in seiner Lebensgestaltung beeinträchtigt ist. Sind auch diese Voraussetzung gegeben, erfüllt der recherchierende Journalist den Tatbestand des § 238 I Nr. 2 StGB.
421 Diesbezüglich kann auf die jeweilige Darstellung im Rahmen des § 238 I Nr. 1 StGB verweisen werden, siehe Dritter Teil, Kapitel A.II.3. 422 Schönke/Schröder-Eisele, § 238, Rn. 12; Fischer, § 238, Rn. 14a. 423 Fischer, § 238, Rn. 14b. 424 Schönke/Schröder-Eisele, § 238, Rn. 13. 425 Schönke/Schröder-Eisele, § 238, Rn. 14. 426 Schönke/Schröder-Eisele, § 238, Rn. 11.
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4. Verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber der Regelung des § 238 StGB Wie schon § 201a StGB begegnet auch § 238 StGB sowohl unter Medienvertretern als auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur verfassungsrechtlichen Bedenken. Erneut haben der Deutsche Presserat, der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), der Deutsche Journalistenverband (DJV), die Deutsche Journalisten-Union in Ver.di (dju in Ver.di), die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rundfunkanstalten (ARD), das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) und der Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) eine gemeinsame Stellungnahme abgegeben. Sie fürchten eine verfassungsrechtlich bedenkliche Pönalisierung ihrer Arbeit und sehen in der Vorschrift einen Verstoß gegen Art. 5 I 2 GG, weil aus ihrer Sicht der weite und unbestimmte Anwendungsbereich der Norm auch die journalistische Recherche umfasst.427 Um der Presse- und Rundfunkfreiheit Genüge zu tun, fordern sie daher eine Klarstellung durch folgende Ergänzung des Tatbestandes: „Unbefugt im Sinne dieser Vorschrift handeln insbesondere nicht Journalisten in Ausübung ihres Berufes.“ Alternativ schlagen sie eine entsprechende Anwendung des § 193 StGB vor.428 Die Kritik der wissenschaftlichen Literatur richtet sich vor allem gegen die mangelnde Bestimmtheit der Norm. Georg Steinberg spricht sogar von einer „Kapitulation des Gesetzgebers vor dem Bestimmtheitsgebot“.429 Des Weiteren wird in Frage gestellt, ob die Einführung eines Straftatbestandes überhaupt erforderlich war, um einen sinnvollen Schutz vor Stalking zu erreichen. Jörg Kinzig und Sebastian Zander legen ausführlich dar, welche rechtlichen Mittel bereits im zivilrechtlichen Bereich bestehen, um Stalkinghandlungen zu unterbinden. Zudem betonen sie, dass in schweren Fällen das Stalking ohnehin durch das Kernstrafrecht erfasst wird, etwa in den §§ 123, 185, 202a, 240, 241 oder den §§ 303 ff. StGB. Anstatt einen neuen Straftatbestand einzuführen, hätte man sich daher lieber auf den außerstrafrechtlichen Bereich konzentrieren sollen, um Stalkingopfer zu schützen, schlussfolgern sie.430 Brian Valerius bezweifelt ebenfalls, dass der Rückgriff auf das Strafrecht angezeigt war.431 Ob und inwieweit diese Kritikpunkte berechtigt sind, wird im folgenden Abschnitt untersucht. Dabei wird insbesondere auf einen möglichen Verstoß gegen die
427 Deutscher Presserat/Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger/Verband Deutscher Zeitschriftenverleger u. a., Gemeinsame Stellungnahme zum Entwurf eines Stalking-Bekämpfungsgesetzes, S. 1. 428 Deutscher Presserat/Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger/Verband Deutscher Zeitschriftenverleger u. a., Gemeinsame Stellungnahme zum Entwurf eines Stalking-Bekämpfungsgesetzes, S. 2. 429 Steinberg, JZ 2006, 30 (32). 430 Kinzig/Zander, JA 2007, 481 (481 f., 487). 431 Valerius, JuS 2007, 319 (324).
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Presse- und Rundfunkfreiheit eingegangen, um herauszufinden, ob § 238 StGB den investigativen Journalismus gefährdet. a) Die Kritikpunkte im Einzelnen Kritik an § 238 StGB wird in dreierlei Hinsicht geäußert. Zum einen heißt es, die Regelung sei nicht erforderlich gewesen, weshalb der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt sei. Des Weiteren wird angenommen, sie sei zu unbestimmt und verletze daher Art. 103 II GG. Außerdem wird gerügt, § 238 StGB stelle einen Verstoß gegen die Presse- und Rundfunkfreiheit des Art. 5 I 2 GG dar. Die drei Kritikpunkte werden zunächst einzeln dargestellt, bevor in einem weiteren Schritt mögliche Lösungsansätzen in den Blick genommen werden. aa) Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Der Vorwurf der Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beruht auf der Einschätzung, dass die bestehenden zivilrechtlichen Möglichkeiten, die sich insbesondere aus dem Gewaltschutzgesetz ergeben, bereits einen adäquaten Opferschutz gewährleisten.432 Wie schon im Zusammenhang mit § 201a StGB dargelegt, ist dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechend eine Strafe nur als ultima ratio zulässig. Solange dem Staat mildere Mittel als das Strafrecht zur Verfügung stehen, fehlt es diesbezüglich an der Erforderlichkeit.433 Es ist also zu prüfen, ob ein ausreichender Schutz von Stalkingopfern tatsächlich mit weniger einschneidenden rechtlichen Mitteln gewährleistet werden kann. In zivilrechtlicher Hinsicht kann ein Stalkingopfer zu seinem Schutz insbesondere nach dem Gewaltschutzgesetz oder analog §§ 1004, 862, 12 BGB auf Unterlassung klagen und im Eilverfahren eine einstweilige Verfügung erwirken. Zudem hält auch das Polizeirecht entsprechende Schutzmaßnahmen bereit, wie etwa einen Platzverweis, eine Durchsuchung der Person oder der Wohnung, eine Beschlagnahme des Handys, das der Täter zur Belästigung verwendet, oder eine Ingewahrsamnahme.434 Daneben gibt es eine Reihe bestehender Straftatbestände, die durch Stalkinghandlungen ohnehin erfüllt werden, zum Beispiel Nötigung, Bedrohung, Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung oder Beleidigung, in Extremfällen aber auch Körperverletzung oder Freiheitsberaubung.435 Nach dem Gewaltschutzgesetz wird jedoch lediglich in § 4 GewSchG der Verstoß gegen eine zuvor erwirkte richterliche Verfügung unter Strafe gestellt, so dass stets ein zivilgerichtliches Vorschaltverfahren erforderlich ist. Somit wird durch das 432 Valerius, JuS 2007, 319 (324); Steinberg, JZ 2006, 30 (33); Kinzig/Zander, JA 2007, 481 (486 f.). 433 Siehe Dritter Teil, Kapitel A.I.2.d)aa)(1). 434 Kinzig/Zander, JA 2007, 481 (481 f.). 435 Mitsch, NJW 2007, 1237 (1238); Kinzig/Zander, JA 2007, 481 (482).
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Gewaltschutzgesetz nur ein Teil der strafrechtlichen Lücke geschlossen, Stalkinghandlungen vor dem Erlass der einstweiligen Verfügung sind danach nicht strafbewehrt.436 Einen ebenso wirksamen Schutz wie § 238 StGB bietet das Gewaltschutzgesetz mithin nicht. Des Weiteren steht dem Gesetzgeber hinsichtlich der Erforderlichkeit einer Norm ein umfassender Beurteilungsspielraum zu, so dass erst beim Überschreiten der Grenzen der Gerechtigkeit von der Verfassungswidrigkeit eines Straftatbestandes auszugehen ist.437 Die von § 238 I StGB erfassten Rechtsgutsangriffe sind aber hinreichend massiv, um von einer Strafwürdigkeit auszugehen.438 Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass keine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsprinzips vorliegt. Dieser Kritikpunkt ist unbegründet. bb) Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes Sowohl die Medienverbände439 als auch einzelne Stimmen in der rechtswissenschaftlichen Literatur440 kritisieren die Unbestimmtheit einzelner Tatbestandsmerkmale des § 238 StGB und gehen von einem Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 II GG aus. Ein solcher liegt vor, wenn der Normadressat nicht in der Lage ist, sowohl die Tragweite als auch den Anwendungsbereich eines Straftatbestandes zu erkennen, und infolgedessen sein Verhalten nicht auf die Strafrechtslage abstimmen kann, ohne dem Risiko unvorhergesehener staatlicher Sanktionen ausgesetzt zu sein.441 Zwar sind auch im Strafrecht in gewissem Maße wertausfüllungsbedürftige Begriffe verfassungsrechtlich zulässig, sie müssen sich aber im Wege der Auslegung hinreichend konkretisieren lassen.442 Dies ist im Fall des § 238 I StGB insbesondere wegen der Häufung unbestimmter Rechtsbegriffe problematisch. Die Vorschrift enthält nicht nur einen, sondern sieben unbestimmter Rechtsbegriffe: „unbefugt“, „beharrlich“, „räumliche Nähe“, „sonstige Mittel“, „andere vergleichbare Handlung“ oder „schwerwiegende Beeinträchtigung“ sowie die „Lebensgestaltung“, die
436
Mitsch, NJW 2007, 1237 (1238); Lackner/Kühl-Kühl, § 238, Rn. 1. Siehe bereits Dritter Teil, Kapitel A.I.2.d)aa)(1). 438 Mitsch, NJW 2007, 1237 (1238). 439 Deutscher Presserat/Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger/Verband Deutscher Zeitschriftenverleger u. a., Gemeinsame Stellungnahme zum Entwurf eines Stalking-Bekämpfungsgesetzes, S. 9 ff. 440 Gazeas, KJ 2006, 247 (266 f.); Kinzig/Zander, JA 2007, 481 (485 f.); Mitsch, NJW 2007, 1237 (1240); Steinberg, JZ 2006, 30 (32); Kraenz, Der strafrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts, S. 334 ff.; auch Valerius, JuS 2007, 319 (324) hält einen solchen Verstoß jedenfalls für „nicht fernliegend“. 441 Hegemann, in: FS Raue, S. 445 (448); Roxin, Strafrecht AT I, § 5 Rn. 11; BeckOK StGB-v. Heintschel-Heinegg, § 1, Rn. 9. Ausführlich zu den Voraussetzungen eines solchen Verstoßes siehe bereits Dritter Teil, Kapitel A.I.2.d)aa)(2). 442 Siehe oben Dritter Teil, Kapitel A.I.2.d)aa)(2). 437
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durch die Tat beeinträchtigt werden muss.443 Nikolaos Gazeas ist daher zuzustimmen, wenn er schreibt: „Ob eine Handlung befugt ist oder nicht, wird in normativer Betrachtung für den Einzelnen noch ersichtlich sein. Die Sichtbarkeit verliert sich jedoch vollends, wenn der Bürger bewerten muss, ob er die Lebensgestaltung eines Menschen schwerwiegend beeinträchtigt, indem er ihn dadurch belästigt, dass er beharrlich eine andere, vergleichbare Handlung vorgenommen hat, wie das Aufsuchen der räumlichen Nähe.“444 Denjenigen, die den Bestimmtheitsgrundsatz durch § 238 StGB verletzt sehen, wird ein Vergleich mit der Jagdwilderei entgegengehalten. Auch bei § 292 I Nr. 1 Var. 1 StGB rüge niemand eine Verletzung des Bestimmtheitsgebotes, obwohl dessen Wortlaut deutlich unbestimmter sei. § 292 I Nr. 1 Var. 1 StGB lautet: „Wer unter Verletzung fremden Jagdrechts oder Jagdausübungsrechts dem Wild nachstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Daraus schlussfolgert Andreas Mosbacher, dass der Gesetzgeber in § 238 I StGB auch ohne weitere Präzisierungen nur das „beharrliche Nachstellen“ als Tathandlung hätte aufnehmen können, ohne dass Art. 103 II GG verletzt wäre. Die vorgenommene Ausdifferenzierung müsse unschädlich sein.445 Dabei wird aber verkannt, dass es zwar durchaus ein allgemein gültiges Verständnis des Wortes „Nachstellen“ gibt, wenn es in Verbindung mit dem Jagen und Erlegen von Wildtieren gebraucht wird. Es existiert jedoch kein allgemeines Begriffsverständnis des Wortes „Nachstellen“ im Zusammenhang mit der Schädigung anderer Menschen. Zudem dienen die verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe nicht ausschließlich der Präzisierung der Tathandlung, sondern bezeichnen auch den Taterfolg. Des Weiteren wird versucht, die Kritik an der Unbestimmtheit des Auffangtatbestands in § 238 I Nr. 5 StGB, der „andere vergleichbare Handlungen“ unter Strafe stellt, durch den Hinweis auf ähnliche Formulierungen im Strafgesetzbuch zu entkräften. Als Beispiele werden § 315 I Nr. 4 StGB und § 315b I Nr. 3 StGB herangezogen.446 Dieser Vergleich geht jedoch fehl. Während § 315 I StGB und § 315b I StGB in den vorgehenden Nummern durchaus gleichartige Handlungen umschreiben, die darauf rückschließen lassen, was eine vergleichbare Handlung ist, ist dies bei § 238 I StGB nicht der Fall. Hinzu kommt, dass die übrigen Tatbestände des § 238 I StGB im Gegensatz zu denen der §§ 315, 315b StGB aufgrund der Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe ihrerseits bereits sehr unbestimmt sind. Dies erschwert es zusätzlich, eine „vergleichbare Handlung“ zu definieren.447 Folglich
443
(266).
Kinzig/Zander, JA 2007, 481 (485); Steinberg, JZ 2006, 30 (32); Gazeas, KJ 2006, 247
444 Gazeas, KJ 2006, 247 (266). (Der Begriff „belästigt“ wurde im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens gestrichen.) 445 Mosbacher, NStZ 2007, 665 (668). 446 Mosbacher, NStZ 2007, 665 (668). 447 Gazeas, KJ 2006, 247 (258).
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
bleiben die verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber dem Auffangtatbestand bestehen. Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass eine Vorhersage, ob ein bestimmtes Verhalten erlaubt ist oder nicht, für den einzelnen Bürger bei § 238 I StGB auch im Wege der Auslegung nicht möglich ist. Die Norm genügt den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes somit nicht. cc) Kollision mit der Presse- und Rundfunkfreiheit Verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber § 238 StGB bestehen auch hinsichtlich der Presse- und Rundfunkfreiheit des Art. 5 I 2 GG.448 (1) Pönalisierung journalistischer Arbeit durch die Weite des Tatbestands Insbesondere von den Medienvertretern wird kritisiert, dass der Tatbestand des § 238 I StGB typische journalistische Recherchehandlungen als Kontakthandlungen umfasst. Angeführt werden in diesem Zusammenhang das „Aufsuchen der räumlichen Nähe“, die „Kontaktsuche über Dritte“ sowie die „Verwendung von Telekommunikationsmitteln zu Kontaktzwecken“.449 Dass diese Befürchtung zutrifft und sich journalistische Recherchehandlungen ohne Weiteres unter die Tatbestände des § 238 I Nr. 1 und Nr. 2 StGB subsumieren lassen, hat sich bei der Betrachtung der einzelnen Tathandlungen gezeigt.450 Einen Ausnahmetatbestand oder besonderen Rechtfertigungsgrund für die Medien enthält § 238 StGB nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch mehrfach betont, dass auch die Beschaffung von Informationen zum Schutzbereich des Art. 5 I 2 GG gehört.451 Demnach ist die Presseund Rundfunkfreiheit betroffen, wenn ein Straftatbestand eingeführt wird, der typische journalistische Arbeit umfasst. (2) Verunsicherung bei den Medienschaffenden Bereits im Zusammenhang mit § 201a StGB wurde festgestellt, dass das Hervorrufen einer Verunsicherung bei den betroffenen Journalisten ebenfalls verfassungsrechtliche Bedeutung haben kann. Eine Beeinträchtigung der Presse- und Rundfunkfreiheit kann auch darin bestehen, dass Recherchehandlungen aus Furcht vor Strafverfolgung unterbleiben.452 Eine solche Verunsicherung wird durch den 448 Antrag der FDP-Fraktion, siehe BT-Drs. 16/3641, S. 7; Deutscher Presserat/Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger/Verband Deutscher Zeitschriftenverleger u. a., Gemeinsame Stellungnahme zum Entwurf eines Stalking-Bekämpfungsgesetzes, S. 1. 449 Deutscher Presserat/Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger/Verband Deutscher Zeitschriftenverleger u. a., Gemeinsame Stellungnahme zum Entwurf eines Stalking-Bekämpfungsgesetzes, S. 3. 450 Siehe dazu Dritter Teil, Kapitel A.II.3. 451 Z. B. BVerfGE 10, 118 (121); 20, 162 (176); 77, 346 (354). 452 Siehe dazu Dritter Teil, Kapitel A.I.2.d)aa)(3)(c).
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unbestimmten Wortlaut des § 238 I StGB hervorgerufen. Dem einzelnen Journalisten ist es nicht möglich, zu erkennen, ob seine Kontaktaufnahme „beharrlich“ genug ist, um den Tatbestand zu erfüllen, oder einzuschätzen, ob er „befugt“ handelt oder nicht. Er wird seine Recherchetätigkeiten daher im Zweifel nicht fortsetzen, um nicht dem Risiko einer Strafverfolgung ausgesetzt zu sein. Auf diese Weise droht eine Selbstzensur der Medien. Dies kann wiederum zu einem Konflikt mit dem Medienrecht führen, welches seinerseits verlangt, dem Betroffenen die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben und umfassend zu recherchieren, damit die sachliche Richtigkeit gewährleistet ist. Ein Journalist kann dementsprechend verpflichtet sein, beharrlich den Kontakt zu den Personen zu suchen, über die er berichtet. Tut er dies nicht, drohen ihm Gegendarstellungs-, Unterlassungs- oder Widerrufsansprüche. Der Journalist gerät somit in eine „rechtliche Zwickmühle“ zwischen dem Medienrecht auf der einen und dem Strafrecht auf der anderen Seite,453 so dass er nicht mehr weiß, wie er sich verhalten soll. Demnach sind die verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber § 238 StGB auch aufgrund der durch sie verursachten Verunsicherung der Journalisten berechtigt. (3) Zusammenfassende Würdigung § 238 I StGB beeinträchtigt die Presse- und Rundfunkfreiheit, weil der Wortlaut der tatbestandlichen Handlungen in den Nummern 1 und 2 auch übliche Formen der journalistischen Recherche umfasst. Dies ist umso bedenklicher, als eine umfassende Recherche sowohl medienrechtlich als auch presseethisch geboten ist. Hinzu kommt, dass die Norm geeignet ist, eine erhebliche Verunsicherung unter den betroffenen Journalisten hervorzurufen, die zu einer Selbstzensur der Medien führen kann. Aus diesen Gründen ist der Vorwurf berechtigt, § 238 StGB tangiere die Presse- und Rundfunkfreiheit des Art. 5 I 2 GG. b) Lösungsansätze Zu prüfen ist, ob es adäquate Möglichkeiten zur rechtlichen Lösung dieser Kollision gibt oder ob § 238 StGB wegen einer Verletzung der Presse- und Rundfunkfreiheit verfassungswidrig ist. aa) Analoge Anwendung eines besonderen Rechtfertigungsgrundes Eine mögliche Lösung könnte in der analogen Anwendung eines besonderen medienspezifischen Rechtfertigungsgrundes bestehen. Bereits im Gesetzgebungsverfahren wurde die Aufnahme eines Presseprivilegs in Form der entsprechenden 453 Deutscher Presserat/Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger/Verband Deutscher Zeitschriftenverleger u. a., Gemeinsame Stellungnahme zum Entwurf eines Stalking-Bekämpfungsgesetzes, S. 5.
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Anwendung des § 193 StGB gefordert,454 und auch die Medienverbände schlagen diesen Lösungsweg vor.455 Es wurde jedoch bereits festgestellt, dass es sich bei § 193 StGB um eine nicht verallgemeinerungsfähige Spezialregelung handelt, die in ihren Voraussetzungen auf die Ehrverletzungen zugeschnitten ist.456 Im Übrigen hat sich der Gesetzgeber bewusst gegen die Einführung eines speziellen Rechtfertigungsgrundes für die Medien entschieden, weil er ihn nicht für notwendig hielt.457 Diese Entscheidung des Gesetzgebers würde durch eine analoge Anwendung des § 193 StGB unterlaufen und es fehlt zudem an einer planwidrigen Regelungslücke als Voraussetzung für eine Analogie.458 Aus diesem Grund ist auch eine entsprechende Heranziehung des § 201 II 3 StGB459 oder des § 1 II 2 GewSchG460 abzulehnen. Die analoge Anwendung eines besonderen medienspezifischen Rechtfertigungsgrundes ist daher keine Lösung. bb) Rechtfertigung über Art. 5 I 2 GG Diskutiert wird ebenfalls die unmittelbare Heranziehung des Art. 5 I 2 GG als Rechtfertigungsgrund für journalistische Arbeit.461 Dies begegnet allerdings grundsätzlichen Bedenken, weil es durch die unmittelbare Grundrechtsanwendung als Rechtfertigungsgrund zu einer Aufweichung der im Strafgesetzbuch enthaltenen Rechtfertigungsgründe kommen könnte. Überdies ist nicht ersichtlich, weshalb an anderer Stelle besondere Rechtfertigungsgründe für die Medien in das Strafgesetzbuch aufgenommen wurden (wie etwa § 193 StGB), wenn die Rechtfertigung ohnehin durch eine direkte Anwendung des Art. 5 I 2 GG möglich wäre.462 Dies spricht gegen eine Rechtfertigung des recherchierenden Journalisten unmittelbar aus Art. 5 I 2 GG. Im Übrigen würde auch auf diesem Wege die ausdrückliche Entscheidung des Gesetzgebers gegen einen Rechtfertigungsgrund umgangen. Somit ist dieser Lösungsansatz ebenfalls ungeeignet.
454
Vgl. BR-Drs. 551/2/04, S. 8 f. Deutscher Presserat/Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger/Verband Deutscher Zeitschriftenverleger u. a., Gemeinsame Stellungnahme zum Entwurf eines Stalking-Bekämpfungsgesetzes, S. 17. 456 Siehe Dritter Teil, Kapitel A.I.1.c)aa)(4). 457 Vgl. BR-Drs. 551/04, S. 9; 617/05, S. 7. 458 So im Ergebnis auch Kraus, Zivilrechtlicher Schutz gegen Nachstellen, S. 135 f. 459 Gazeas, KJ 2006, 247 (256) geht davon aus, dass ein Verweis auf § 201 II 3 StGB passender wäre als auf § 193 StGB, lehnt aber im Ergebnis jegliche Heranziehung eines speziellen Rechtfertigungsgrundes ab, weil er diese für nicht erforderlich hält. 460 Kurz angesprochen aber ebenfalls abgelehnt von Schönke/Schröder-Eisele, § 238, Rn. 28. 461 Vgl. Kraus, Zivilrechtlicher Schutz gegen Nachstellen, S. 136 ff., die im Ergebnis jedoch eine Rechtfertigung aus Art. 5 I 2 GG ablehnt. 462 Kraus, Zivilrechtlicher Schutz gegen Nachstellen, S. 140. 455
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cc) Korrektur im Wege der verfassungskonformen Auslegung des § 238 I StGB Zu klären bleibt, ob im Wege einer verfassungskonformen Auslegung des § 238 StGB eine befriedigende Lösung für den investigativen Journalismus gefunden werden kann. (1) Das Merkmal „unbefugt“ als Anknüpfungspunkt für die Straflosigkeit journalistischer Recherchen Nach Auffassung des Gesetzgebers und einiger Stimmen in der Literatur dient das Merkmal „unbefugt“ als Korrektiv, um journalistische Recherchen aus dem Tatbestand des § 238 I StGB auszuschließen. Soweit sich die Medienvertreter im Rahmen der verfassungsrechtlich garantierten Pressefreiheit bewegten, sei ihre Handlung nämlich „befugt“ und daher nicht tatbestandsmäßig.463 Daran erscheint aber problematisch, dass es somit vom Einzelfall abhinge, ob ein Journalist „befugt“ handelt oder nicht. Eine Verurteilung wäre unter Umständen abhängig vom Normverständnis des jeweiligen Strafrichters.464 Somit könnte die „Befugnis“ des Journalisten etwa daran scheitern, dass seine Recherche ergebnislos verlaufen ist und sich der Verdacht gegen den Betroffenen nicht erhärtet hat. Oder es könnten sich Beweisprobleme ergeben, wenn der Journalist aus Gründen des Quellenschutzes nicht darlegen kann, weshalb er gegen den Betroffenen recherchiert hat.465 Des Weiteren ist es nicht nachvollziehbar, weshalb die journalistischen Belange im Fall des § 238 StGB durch das Merkmal „unbefugt“ gewahrt sein sollen, der Gesetzgeber aber bei § 201 StGB, welcher ebenfalls ein unbefugtes Vorgehen voraussetzt, mit § 201 II 3 StGB ein Medienprivileg in Form der Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen für erforderlich hielt.466 Als Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass allein das Tatbestandsmerkmal „unbefugt“ zur Wahrung der Presse- und Rundfunkfreiheit nicht genügt. Demzufolge vermag die Auffassung des Gesetzgebers, die verfassungsrechtlich geschützten Belange der Medien seien durch das Merkmal „unbefugt“ gewahrt, nicht
463 BT-Drs. 15/5410, S.7; Fischer, § 238, Rn. 7; Gazeas, KJ 2006, 247 (256); Kinzig/ Zander, JA 2007, 481 (483). 464 Deutscher Presserat/Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger/Verband Deutscher Zeitschriftenverleger u. a., Gemeinsame Stellungnahme zum Entwurf eines Stalking-Bekämpfungsgesetzes, S. 6; Kraenz, Der strafrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts, S. 326. 465 Deutscher Presserat/Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger/Verband Deutscher Zeitschriftenverleger u. a., Gemeinsame Stellungnahme zum Entwurf eines Stalking-Bekämpfungsgesetzes, S. 6. 466 Kraenz, Die Polizei 2009, 348 (356); dies., Der strafrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts, S. 326.
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zu überzeugen. Eine drohende Strafverfolgung – insbesondere für investigative Journalisten – wird dadurch nicht wirksam unterbunden.467 (2) Das Merkmal „beharrlich“ als Anknüpfungspunkt für die Straflosigkeit journalistischer Recherchen Ein weiterer Anknüpfungspunkt zur Ausscheidung journalistischer Aktivitäten aus dem Tatbestand des § 238 I StGB ist nach Auffassung des Gesetzgebers das Merkmal „beharrlich“. Wiederholte unmittelbare oder mittelbare Aufforderungen eines Journalisten an einen Betroffenen, zu einem bestimmten Vorwurf Stellung zu nehmen, sollen gerade nicht als „beharrlich“ im Sinne des Tatbestands anzusehen sein, soweit sie presserechtlich zulässig sind und eine entsprechende Tätigkeit der Presse im Rahmen der verfassungsrechtlich geschützten Pressefreiheit nicht bereits über das Merkmal „unbefugt“ aus dem Anwendungsbereich der Norm ausgeschieden ist.468 Angesichts der vom Gesetzgeber selbst aufgestellten Definition des „beharrlichen“ Verhaltens lässt sich dies schwerlich nachvollziehen: Ein „beharrliches Vorgehen“ setzt ein wiederholtes, hartnäckiges Verhalten voraus, in dem sich eine gesteigerte Missachtung oder Gleichgültigkeit gegenüber dem Verbot offenbart, so dass die Gefahr weiterer Begehungen indiziert ist.469 Ein Journalist, der kontinuierlich den Kontakt zu der Person sucht, die er befragen will, und sich dabei darüber hinwegsetzt, dass diese nicht mit Medienvertretern sprechen will, erfüllt diese Kriterien bei objektiver Betrachtung ohne Weiteres.470 Ein derart hartnäckiges Vorgehen gehört sogar zu den Berufspflichten eines Journalisten, der den Personen, zu deren Tun er recherchiert, die Gelegenheit zur Stellungnahme geben muss, um ihren Standpunkt darstellen zu können. Diese Pflicht gilt sogar dann, wenn von dem Betroffenen keinerlei weitere Aufklärung zu erwarten ist.471 Wollte der Gesetzgeber so verstanden werden, dass sich ein Journalist in Ausübung seiner Arbeit über den entgegenstehenden Willen des Betroffenen hinwegsetzen darf, hätte er dies explizit in den Tatbestand aufnehmen müssen. Er hätte den Vorschlag der Medienverbände aufgreifen können und Journalisten in Ausübung ihres Berufes vom Tatbestand ausnehmen können. Die bloße Erwähnung in den Gesetzgebungsmaterialien ist nicht ausreichend, um sicherzustellen, dass die Strafverfolgungsbehörden und der einzelne Strafrichter diese Auffassung berücksichtigen und es trotz des eindeutig einschlägigen Wortlauts nicht zu einer Straf-
467 So auch Gemeinsame Stellungnahme, S. 6 f.; Kraenz, Der strafrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts; anderer Auffassung Mitsch, NJW 2007, 1237. 468 BT-Drs. 16/575, S. 7. 469 BT-Drs. 16/575, S. 7. 470 Siehe bereits Dritter Teil, Kapitel A.II.3.b). 471 BGH NJW-RR 1988, 733 (734); BGH NJW 1996, 1131 (1134).
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verfolgung kommt.472 Dies gilt umso mehr, als die historische Auslegung, die nach dem Willen des Gesetzgebers fragt, gegenüber der Wortlautauslegung nicht zwangsläufig höher zu bewerten ist.473 (3) Zusammenfassende Würdigung Weder das Merkmal „unbefugt“ noch das Merkmal „beharrlich“ eignen sich, im Wege einer verfassungskonformen Auslegung die bestehende Kollision zwischen § 238 StGB und Art. 5 I 2 GG aufzulösen. Es wurde bereits im Zusammenhang mit § 201a StGB festgestellt, dass es einem Journalisten nicht zuzumuten ist, gegen den eindeutigen Wortlaut eines Straftatbestands zu verstoßen. Das Risiko, dass ihn das Gericht im Falle einer Anklage im Wege der verfassungskonformen Auslegung freispricht, kann nicht dem einzelnen Journalisten übertragen werden. Vielmehr ist es die Aufgabe des Gesetzgebers, durch entsprechend bestimmte Straftatbestände dafür Sorge zu tragen, dass es erst gar nicht zu einer Strafverfolgung kommt.474 Schließlich ist der Staat verpflichtet „in seiner Rechtsordnung überall, wo der Geltungsbereich einer Norm die Presse berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung zu tragen.“475 dd) Korrektur im Wege einer Gesetzesänderung Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass es bei der bestehenden Gesetzeslage weder im Wege der verfassungskonformen Auslegung des Tatbestands noch im Wege der Rechtsfortbildung über die entsprechende Heranziehung eines an anderer Stelle geregelten Medienprivilegs möglich ist, die Beeinträchtigung der Presse- und Rundfunkfreiheit zu beseitigen. Es bleibt daher nur die Möglichkeit, das Problem durch eine Nachbesserung seitens des Gesetzgebers zu lösen. De lege ferenda ist entweder der Tatbestand des § 238 StGB so zu formulieren, dass journalistische Recherchehandlungen eindeutig nicht unter den Tatbestand fallen, oder es ist ein medienspezifischer Rechtfertigungsgrund nach dem Vorbild der §§ 193, 201 II 3 StGB hinzuzufügen.
472 So auch Kraenz, Der strafrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts, S. 327; während Kraus, Zivilrechtlicher Schutz gegen Nachstellen, S. 143 ff. die Gesetzesbegründung zwar „dogmatisch nicht überzeugend“ findet, aber trotzdem zu dem Schluss kommt, dass die Strafbarkeit der journalistischen Recherche demnach am Tatbestandsmerkmal „beharrlich“ scheitert. 473 Das Verhältnis der Auslegungskriterien zueinander ist umstritten, nach herrschender Meinung gibt es jedoch keine strenge Rangfolge; siehe dazu Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 62 f. 474 So auch Deutscher Presserat/Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger/Verband Deutscher Zeitschriftenverleger u. a., Gemeinsame Stellungnahme zum Entwurf eines Stalking-Bekämpfungsgesetzes, S. 9. 475 BVerfGE 20, 162 (175).
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5. Fazit In seiner aktuellen Fassung beeinträchtigt § 238 StGB den investigativen Journalismus in erheblichem Maße, weil er typische Formen der journalistischen Recherche pönalisiert und damit gegen die Presse- und Rundfunkfreiheit des Art. 5 I 2 GG verstößt. Des Weiteren ist der Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 II GG durch die Vielzahl an unbestimmten Begriffen in erheblichem Maße verletzt. Eine Lösung dieser Probleme lässt sich nur durch eine Neuformulierung der Vorschrift erreichen.
III. § 123 StGB, Hausfriedensbruch 1. Grundlagen Eine aktive Recherche als Wesensmerkmal des investigativen Journalismus gebietet unter Umständen, dass der recherchierende Journalist bei seinen Ermittlungen nicht nur vom eigenen Schreibtisch aus agiert, sondern fremde Räumlichkeiten wie Wohnungen, Geschäftsräume oder öffentliche Gebäude betritt. Dann kommt eine Verwirklichung des Straftatbestandes des § 123 I StGB in Betracht. Nach § 123 I StGB wird bestraft, wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt. § 123 I StGB schützt auf diese Weise das Hausrecht und damit ein individuelles, der persönlichen Freiheit nahe verwandtes Rechtsgut besonderer Art.476 2. Die geschützten Objekte Tatobjekte des § 123 I StGB sind Wohnungen, Geschäftsräume oder das befriedete Besitztum eines anderen sowie abgeschlossene Räume, die zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind. Ihnen gemeinsam ist, dass sie lediglich abgegrenzt sein müssen, aber keinesfalls verschlossen oder auch nur verschließbar.477 Unter einer Wohnung ist der Inbegriff der Räume zu verstehen, die einer oder mehreren Personen zur Unterkunft dienen oder zur Benutzung freistehen.478 Die Dauer des Aufenthaltes spielt keine Rolle, es kommt lediglich darauf an, dass die betreffenden Räumlichkeiten mindestens vorübergehend zu einem Zentrum der 476 Ganz herrschende Meinung, siehe z. B. MüKo-StGB-Schäfer, § 123, Rn. 1; Schönke/ Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 123, Rn. 1; Fischer, § 123, Rn. 2; Lackner/Kühl-Kühl, § 123, Rn. 1; jeweils m.w.N. 477 Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 123, Rn. 3. 478 RGSt 12, 132 (133); Lackner/Kühl-Kühl, § 123, Rn. 3; Schönke/Schröder-Lenckner/ Sternberg-Lieben, § 123, Rn. 4.
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privaten Lebensgestaltung und somit zur Verkörperung der Privat- und Intimsphäre werden.479 Demgegenüber ist ein Geschäftsraum jede „Räumlichkeit, die durch einen maßgebenden Willen wesentlich, hauptsächlich und auch für eine gewisse zeitliche Dauer zur Betreibung gewerblicher, wissenschaftlicher, künstlerischer und ähnlicher Geschäfte bestimmt worden ist und dieser Bestimmung gemäß auch verwendet wird.“480 Ein befriedetes Besitztum ist ein Grundstück, das von dem Berechtigten in äußerlich erkennbarer Weise mittels zusammenhängender Schutzwehren gegen das beliebige Betreten durch andere gesichert ist.481 Lückenlos oder fest muss die Einfriedung nicht sein, aber sie muss einen geschützten Raum bilden und daher in irgendeiner Form (beispielsweise durch einen Zaun oder eine Absperrkette) eine physische Barriere darstellen, die andere als die Berechtigten am Betreten hindert.482 Schließlich zählen zu den geschützten Räumlichkeiten auch abgeschlossene Räume, die zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind. § 123 I StGB schützt damit auch die dem Staat oder sonstigen öffentlichen Einrichtungen zukommende „Quasi-Intim- oder Geheimsphäre“.483 Die Räume müssen abgeschlossen, also baulich abgegrenzt sein. Zum öffentlichen Dienst sind sie bestimmt, wenn darin Tätigkeiten ausgeübt werden, denen öffentlich-rechtliche Vorschriften zugrunde liegen, beispielsweise Behördenräume, Schulen oder Universitäten.484 Zum öffentlichen Verkehr sind sie dagegen bestimmt, wenn sie dem Personen- oder Gütertransportverkehr dienen und allgemein zugänglich sind. Erfasst sind sowohl die Transportmittel selbst – also etwa Eisenbahn- und Straßenbahnwaggons oder Busse und Flugzeuge – als auch die dazugehörigen Räumlichkeiten wie Wartehallen oder Bahnhöfe.485 3. Tathandlung des Eindringens, § 123 I Var. 1. StGB Der Journalist verwirklicht den Tatbestand des § 123 I Var. 1 StGB, wenn er bei seiner Recherche in eines der geschützten Objekte „eindringt“. Dafür muss er gegen den Willen des Berechtigten zumindest mit einem Teil seines Körpers in die geschützten Räumlichkeiten hinein gelangen.486 Ausreichend ist, dass der Betreffende seinen Fuß in die Tür stellt oder durch ein geöffnetes Fenster oder einen Türspalt in den Raum hineingreift.487 479 480 481 482 483 484 485 486 487
Gössel/Dölling, Strafrecht BT, § 38, Rn. 6. RGSt 32, 371; Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 123, Rn. 5. OLG Hamm NStZ 1982, 381; Gössel/Dölling, Strafrecht BT, § 38, Rn. 17. Gössel/Dölling, Strafrecht BT, § 38, Rn. 18. Gössel/Dölling, Strafrecht BT, § 38, Rn. 23. Lackner/Kühl-Kühl, § 123, Rn. 4. Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 123, Rn. 9. Lackner/Kühl-Kühl, § 123, Rn. 5. Gössel/Dölling, Strafrecht BT, § 38, Rn. 30.
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Der Berechtigte ist der Inhaber des Hausrechts, der somit die Befugnis hat, anderen den Zutritt zu den geschützten Räumen zu untersagen.488 Regelmäßig ist dies der Eigentümer des Hauses oder der Wohnung beziehungsweise bei einer Mietwohnung der Mieter, während sich die Berechtigung bei öffentlichen Gebäuden nach den jeweiligen gesetzlichen Regelungen richtet.489 Die Berechtigung von Behörden und öffentlich-rechtlichen Anstalten, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Betretungsverbote auszusprechen, wird durch die Zweckbestimmung des betreffenden Raumes begrenzt.490 Häufig bestehen auch gesetzliche Beschränkungen des Hausrechts, beispielsweise in § 22 PersonenbeförderungsG,491 der die Befugnis, Personen aus öffentlichen Verkehrsmitteln auszuschließen, einschränkt.492 a) Anforderungen an den Willen des Berechtigten Welche Anforderungen an den entgegenstehenden Willen des Berechtigten zu stellen sind, wird nicht einheitlich beantwortet. Die herrschende Meinung in der Literatur und die Rechtsprechung nehmen ein „Eindringen“ nur an, wenn die geschützte Räumlichkeit gegen den ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Berechtigten betreten wird.493 Demgegenüber genügt nach anderer Auffassung bereits ein Betreten ohne dessen ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen.494 Liegt jedoch keine ausdrückliche oder konkludente Erklärung des Hausrechtsinhabers vor, stellen beide Ansichten darauf ab, was dieser mutmaßlich gewollt hätte. Auf diese Weise kommen sie in der Praxis zum gleichen Ergebnis, weshalb eine Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Auffassungen unterbleiben kann.495 Für den Journalisten, der ohne vorherige Zutrittserlaubnis eine der geschützten Räumlichkeiten betritt, ist demnach entscheidend, ob der Hausrechtsinhaber mit seinem Betreten mutmaßlich einverstanden ist oder nicht. 488
Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 123, Rn. 16. Gössel/Dölling, Strafrecht BT, § 38, Rn. 51 ff. 490 Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, Kap. 52, Rn. 8; Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 60. 491 § 22 PersonenbeförderungsG: Der Unternehmer ist zur Beförderung verpflichtet, wenn 1. die Beförderungsbedingungen eingehalten werden, 2. die Beförderung mit den regelmäßig eingesetzten Beförderungsmitteln möglich ist und 3. die Beförderung nicht durch Umstände verhindert wird, die der Unternehmer nicht abwenden und denen er auch nicht abhelfen kann. 492 Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 123, Rn. 20. 493 Z. B. RGSt 39, 440 (441); Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 123, Rn. 11; Lackner/Kühl-Kühl, § 123, Rn. 5; Fischer, § 123, Rn. 14; jeweils m.w.N. 494 SK-StGB-Stein, § 123, Rn. 13; Amelung, NStZ 1985, 457. 495 Vgl. auch Seier, JA 1978, 622 und Geppert, Jura 1989, 378 (380), der in diesem Zusammenhang von einem „Scheinproblem“ spricht. 489
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b) Die erschlichene Zutrittserlaubnis Investigative Journalisten täuschen den Berechtigten nicht selten über ihre Identität, um so innerhalb fremder Räumlichkeiten Nachweise für die unlauteren Methoden zu bekommen, die sie zur Aufdeckung bringen wollen. Als Beispiel kann an dieser Stelle noch einmal auf den bereits angesprochenen Fall des Journalisten Lilienthal verwiesen werden, dem es gelungen ist, der ARD zahlreiche Fälle von Schleichwerbung nachzuweisen.496 Im Rahmen seiner verdeckten Recherche hatte er gemeinsam mit einem Helfer, der als potentieller Kunde auftrat, Kontakt zu der Agentur aufgenommen, die die werbewirksame Präsentation von Produkten in einer ARD-Vorabendserie anbot. Die vermeintlichen Kundengespräche fanden in den Geschäftsräumen der Agentur statt, in die die Journalisten bei Offenlegung ihrer Identität und Tätigkeit keinesfalls hereingebeten worden wären. Zu klären ist, ob eine solche durch Täuschung erschlichene Zutrittserlaubnis Konsequenzen für die Tatbestandsverwirklichung hat. Dabei sei an dieser Stelle noch einmal daran erinnert, dass „Eindringen“ das Betreten der geschützten Räumlichkeiten gegen beziehungsweise ohne den Willen des Berechtigten ist. Daraus folgt, dass das Tatbestandsmerkmal immer dann entfällt, wenn das Betreten mit Einverständnis des Hausrechtsinhabers geschieht (sog. tatbestandsausschließendes Einverständnis).497 Wie es sich auswirkt, wenn ein solches Einverständnis durch Täuschung erlangt wird, ist umstritten. Das OLG München hatte darüber in einem Fall zu entscheiden, der mit demjenigen des Journalisten Lilienthal vergleichbar ist. Angeklagt waren Kontaktpersonen der Polizei, die sich als Drogenkäufer ausgegeben hatten, um Zutritt zu einer Wohnung zu bekommen, in der sie einen Rauschgifthändler überführen wollten. Das Gericht hat dem erschlichenen Einverständnis in diesem Fall die tatbestandsausschließende Wirkung abgesprochen und stattdessen auf den wahren Willen des Berechtigten abgestellt.498 Auch in der Literatur wird teilweise verlangt, dass das Einverständnis in Kenntnis der wahren Sachlage erteilt wird.499 Allerdings ist für ein Abstellen auf den mutmaßlichen wahren Willen kein Raum, wenn der Hausrechtsinhaber seinen tatsächlichen Willen erklärt hat.500 Entscheidend ist also, ob die ausdrücklich oder konkludent erklärte Zutrittserlaubnis aufgrund der Täuschung unwirksam ist. § 123 I Var. 1 StGB schützt ausschließlich die Entscheidung des Hausrechtsinhabers über den Eintritt in die geschützten Räumlichkeiten. Demgegenüber sind die Erwartungen, die er bezüglich des Verhaltens seiner 496
Siehe Dritter Teil, Kapitel A.I.1.c)aa)(3); Einzelheiten zum Fall siehe auch OLG München NJW-RR 2004, 767 ff. 497 Siehe dazu Roxin, Strafrecht AT I, § 13, Rn. 2; Geppert, Jura 1989, 378 (380). 498 Vgl. OLG München NJW 1972, 2275. Im Ergebnis blieben die Kontaktleute dennoch straflos, weil das Gericht einen übergesetzlichen Notstand angenommen hat. 499 Amelung/Schall, JuS 1975, 565 (567). 500 Geppert, Jura 1989, 378 (380).
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Gäste hat, nicht vom Schutzbereich des Tatbestandes umfasst.501 Täuscht ein Besucher also nur über den Zweck, zu dem er die Räumlichkeiten betreten will, wird kein rechtsgutsbezogener Irrtum beim Hausrechtsinhaber erweckt. Auf die Zutrittserlaubnis kann sich eine solche Täuschung folglich nicht auswirken. Es besteht zudem keine Notwendigkeit, bereits von einem „Eindringen“ auszugehen, weil die Zutrittserlaubnis unter falschen Voraussetzungen erteilt wurde. Es steht dem Hausrechtsinhaber frei, seinen Willen jederzeit zu ändern und seinen Besucher zum Gehen aufzufordern, wenn er mit dessen Verhalten nicht einverstanden ist. Widersetzt sich letzterer, kommt eine Strafbarkeit wegen unbefugten Verweilens nach § 123 I Var. 2 StGB in Betracht (dazu sogleich).502 c) Die missbräuchliche Nutzung einer generellen Zutrittserlaubnis Des Weiteren ist es möglich, dass sich ein Journalist bei seiner Recherche in Geschäftsräume begibt, in denen generell Publikumsverkehr herrscht. In dieser Konstellation wird anders als im obigen Fall keine individualisierte, sondern eine generelle Zutrittserlaubnis erteilt. Es liegt ein konkludent erklärtes Einverständnis vor, dass jeder, der zum allgemeinen Publikumsverkehr gehört, die Räumlichkeiten betreten darf. Davon umfasst sind alle Personen, die optisch und ihrem äußeren Auftreten nach so wirken, als ob sie zum berechtigten Personenkreis gehören.503 In konsequenter Anwendung der Ausführungen zum erschlichenen Einverständnis im Einzelfall liegt auch hier kein „Eindringen“ vor, wenn der Besucher nach seinem äußeren Auftreten von dieser generellen Zutrittserlaubnis Gebrauch macht. Auch hier darf man neben dem konkludent zum Ausdruck gebrachten tatsächlichen Willen, der durch das bloße Hervorrufen eines Motivirrtums nicht unwirksam wird, nicht auf einen mutmaßlichen Willen abstellen. Ebenso gilt auch in diesem Fall, dass der Berechtigte jederzeit von seinem Hausrecht Gebrauch machen und den Besucher zum Gehen auffordern kann.504 d) Zwischenergebnis Festzuhalten ist also, dass sich der Journalist, der seine Identität beziehungsweise seine Tätigkeit nicht preisgibt und sich auf diesem Wege eine Zugangserlaubnis beschafft, nicht im Sinne des § 123 I StGB in die fremden Räumlichkeiten eindringt. Dieses Ergebnis ist unabhängig davon, ob er individuell hereingebeten wurde oder ob er im Rahmen des allgemeinen Publikumsverkehrs hineingelangt.
501
Roxin, Strafrecht AT I, § 13, Rn. 106. Geppert, Jura 1989, 378 (380); Roxin, Strafrecht AT I, § 13, Rn. 106. 503 Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 123, Rn. 27; Lackner/Kühl-Kühl, § 123, Rn. 7. 504 So auch Geppert, Jura 1989, 378 (381 f.). 502
A. Schutz des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs
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4. Tathandlung des unbefugten Verweilens, § 123 I Var. 2 StGB Das unbefugte Verweilen gemäß § 123 I Var. 2 StGB setzt voraus, dass sich der Täter aus einer geschützten Räumlichkeit nicht entfernt, obwohl er vom Berechtigten dazu aufgefordert wurde. Es handelt sich um ein echtes Unterlassungsdelikt, weil es das „Sich-nicht-Entfernen“, also ein bloßes Untätigbleiben für strafbar erklärt.505 Ein Verweilen ist gegeben, wenn sich der Betroffene nicht unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, entfernt.506 Der Wortlaut des § 123 I Var. 2 StGB erfordert, dass zuvor eine Aufforderung zum Entfernen erfolgt ist. Andernfalls kommt nur eine Verwirklichung des Eindringens gemäß § 123 I Var. 1 StGB durch Unterlassen in Betracht.507 Die Aufforderung muss jedoch nicht wörtlich ausgesprochen werden, sondern kann auch durch konkludentes Verhalten erfolgen.508 Diese Tathandlungsalternative kommt insbesondere in Betracht, wenn ein Journalist sich zunächst berechtigt in einer fremden Räumlichkeit aufgehalten hat, etwa weil er sich dort zum Gespräch mit dem Hausrechtsinhaber verabredet hatte, dieser ihn aber nun zum Gehen auffordert, weil der Journalist ihn mit unangenehmen Fakten konfrontiert hat, zu denen er keine Stellungnahme abgeben will. Bleibt der Journalist in einer solchen Situation hartnäckig und weigert sich zu gehen, verwirklicht er § 123 I Var. 2 StGB.509 5. Besonderheit bei öffentlichen Versammlungen: Kein Ausschluss von Pressevertretern zulässig Eine Besonderheit ist bei öffentlichen Versammlungen zu beachten. Zwar kann bei öffentlichen Versammlungen in geschlossenen Räumen der Versammlungsleiter als Inhaber des Hausrechts (vgl. § 7 IV VersG) grundsätzlich bestimmte Personen von der Teilnahme ausschließen. Dies gilt jedoch gemäß § 6 II VersG nicht für Pressevertreter, wenn sie sich dem Leiter der Versammlung gegenüber durch ihren Presseausweis ordnungsgemäß ausweisen.510 Das Hausrecht ist also bei öffentlichen Versammlungen entsprechend eingeschränkt, so dass ein widerrechtliches Eindringen oder Verweilen eines Journalisten im Rahmen seiner Recherche ausgeschlossen ist. Weil dies allerdings die Legitimation durch Vorzeigen des Presse-
505
Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 123, Rn. 27. Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 123, Rn. 30. 507 Gössel/Dölling, Strafrecht BT, § 38, Rn. 59. 508 Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 123, Rn. 28. 509 Zu der Frage, ob das Verweilen in diesem Fall „unbefugt“ ist, siehe sogleich im Dritten Teil, Kapitel A.III.6. 510 Siehe dazu bereits Zweiter Teil, Kapitel A.II.4.b)aa). 506
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
ausweises beim Versammlungsleiter voraussetzt, hilft § 6 II VersG bei einer verdeckten Recherche nicht weiter.511 6. Die Rechtswidrigkeit Im Zusammenhang mit dem Hausfriedensbruch wird die Frage diskutiert, ob eine Rechtfertigung gemäß § 34 StGB in Betracht kommt, weil die Pressefreiheit das Hausrecht im Rahmen der Interessenabwägung verdrängt.512 Hierbei ist zwischen dem Aufenthalt in Privatgebäuden und dem Aufenthalt in öffentlichen Gebäuden zu differenzieren, weil jeweils andere Rechtsgüter auf der Betroffenenseite in die Abwägung einzubeziehen sind. Im Gegensatz zu privaten Räumlichkeiten werden öffentliche Gebäude nicht von Art. 13 GG geschützt. Stattdessen beruht das „Hausrecht“ von Behörden auf der staatlichen Aufgabenverteilung oder auf Selbstverwaltungsgesetzen.513 a) Aufenthalt in Privatgebäuden Überwiegend wird eine Rechtfertigung durch die Presse- und Informationsfreiheit im Zusammenhang mit dem Aufenthalt in Privatgebäuden ohne weitere Begründung abgelehnt.514 Rose ist hingegen der Auffassung, in diesem Fall sei „das Hausrecht abzuwägen mit der öffentlichen Aufgabe der Presse und der Art ihrer Wahrnehmung. In die Abwägung mit einzubeziehen ist, ob die Kontrollaufgaben der Presse leiden, welchen Gegenstand die Recherche hat, welchen Zweck sie verfolgt und in welchem Maße sie die Rechte eines Betroffenen verletzt. […] Unter Berücksichtigung der genannten Kriterien kann eine Abwägung auch in einzelnen Fällen den Willen des Hausrechtsinhabers zurückdrängen.“515 Rose wendet dabei die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Maßstäbe für die Zulässigkeit der Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen an. Dass dies jedoch eine unzulässige Übertragung ist, wurde bereits im Zusammenhang mit § 201 StGB gezeigt.516 Schließlich hat sich das Verfassungsgericht nur auf den Bereich der Veröffentlichung bezogen und gleichzeitig klargestellt, dass weder das Grundrecht der Freiheit der Meinungsäußerung noch die Pressefreiheit die Beschaffung von Informationen unter 511
Siehe auch Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 60 f.; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, Kap. 52, Rn. 7. 512 Zu den übrigen Voraussetzungen des § 34 StGB siehe bereits Dritter Teil, Kapitel A.I.1.c)aa)(3), so dass an dieser Stelle nur eine Auseinandersetzung mit der Interessenabwägung erfolgt. 513 Vgl. Maunz/Dürig-Papier, Art. 13, Rn. 18. 514 Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 123, Rn. 33; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, Kap. 52, Rn. 8; Dose, DRiZ 1969, 75 (76), der dies mit dem Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung begründet. 515 Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 57 ff. 516 Siehe Dritter Teil, Kapitel A.I.1.c)aa)(3).
A. Schutz des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs
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Verstoß gegen die Rechtsordnung rechtfertigen können. Auch das Grundrecht der Informationsfreiheit gewährleistet nur das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, und schützt keine rechtswidrige Informationsbeschaffung.517 Daher können allein die Presse- und Informationsfreiheit das Eindringen in private Räume beziehungsweise das dortige Verweilen nicht rechtfertigen. Anders verhält es sich, wenn der Journalist nicht lediglich aufgrund einer vagen Vermutung recherchiert, sondern einen konkreten Missstand aufdecken und dadurch andere Rechtsgüter schützen will.518 In diesem Fall findet die Abwägung nicht nur zwischen dem Hausrecht des Betroffenen und der Pressefreiheit statt, sondern es wird das gefährdete Erhaltungsgut in die Abwägung einbezogen.519 Es stehen sich dann also „Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut“ (§ 34 StGB) und das verletzte Hausrecht gegenüber und es ist zu prüfen, ob das zu schützende Rechtsgut das Hausrecht des Betroffenen wesentlich überwiegt. Zu denken ist hier etwa an den bereits im Zusammenhang mit § 201 StGB erwähnten Beispielsfall, dass ein Journalist einen Lebensmittelskandal aufdecken will, um die Allgemeinheit vor damit verbundenen Gesundheitsgefahren zu schützen. Geht es um ein Eindringen in private Wohnungen, ist bei der Abwägung insbesondere zu beachten, dass das Hausrecht Ausfluss des Schutzes der Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG ist.520 Bei diesem Grundrecht handelt es sich um eine spezielle grundrechtliche Verbürgung der Privatsphäre, so dass auch hier die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Kernbereich privater Lebensführung zu berücksichtigen ist.521 Das Bundesverfassungsgericht betont stets, dass ein letzter unantastbarer Bereich privater Lebensgestaltung existiert, der der öffentlichen Gewalt schlechthin entzogen ist, und bei dem selbst schwerwiegende Allgemeininteressen einen Eingriff nicht rechtfertigen können.522 Diesen Kernbereich haben auch die Medien zu respektieren,523 weshalb das Eindringen eines Journalisten in den Kernbereich nie nach § 34 StGB gerechtfertigt sein kann. Zwar lässt sich nicht pauschal, sondern nur durch eine Berücksichtigung der Besonderheiten im Einzelfall festlegen, wann dieser Kernbereich betroffen ist,524 doch lässt sich daraus jedenfalls folgender Grundsatz schließen: Je weiter der Journalist bei seinen Recherchen in die Privatsphäre des Betroffenen eindringt, desto größer sind die Anforderungen an das gefährdete Erhaltungsgut. Ein Betreten des Schlaf- oder 517
BVerfGE 66, 116 (137) – Springer/Wallraff. Dazu bereits ebenfalls Dritter Teil, Kapitel A.I.1.c)aa)(3). 519 So auch Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 213 (in Bezug auf §§ 201a und 34 StGB). 520 Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 56. 521 Guttenberg, NJW 1993, 567 (570 f.). 522 Vgl. beispielsweise BVerfGE 6, 32 (41); 34, 238 (245); 54, 143 (146). 523 Siehe bereits Dritter Teil, Kapitel A.I.2.d)bb)(3). 524 Vgl. BVerfGE 80, 367 (374), siehe bereits Dritter Teil, Kapitel A.I.2.d)aa)(2)(a). 518
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
Badezimmers wird also regelmäßig ausgeschlossen sein, während die Anforderungen für ein zulässiges Betreten des Vorgartens dementsprechend niedriger sind. Unter Berufung auf den „engsten Geheimbereich“ hat auch das Schweizerische Bundesgericht die Rechtfertigung eines Journalisten abgelehnt und ihn unter anderem wegen Hausfriedensbruchs verurteilt, weil dieser in das Hotelzimmer von Uwe Barschel525 eingedrungen war und Bilder von dessen Leichnam in der Badewanne aufgenommen hatte. Das Gericht stellte dazu fest. „In diesem [engsten Geheim-]Bereich ist […] jegliche Verletzung des Privatbereiches rechtswidrig, unabhängig von der möglichen Bekanntheit des Opfers.“526 Zusammenfassend lässt sich zu der Interessenabwägung im Rahmen des § 34 StGB bezüglich des Aufenthalts in Privaträumen festhalten, dass ein überwiegendes Interesse zu Gunsten des recherchierenden Journalisten überhaupt nur in den Fällen in Betracht kommt, in denen die Recherche zum Zwecke einer konkreten Gefahrenabwehr erfolgt. In diesen Fällen ist das gefährdete Erhaltungsgut gegen das Hausrecht abzuwägen. Geht es um das Betreten privater Wohnräume, ist jedoch der letzte Kernbereich zu beachten, der einer Abwägung erst gar nicht offen steht. Eine Rechtfertigung des Journalisten aus § 34 StGB kommt hingegen nicht in Betracht bei Recherchen, die ohne konkreten Verdacht „ins Blaue hinein“ erfolgen sowie bei Recherchen, die keinem sozial relevanten Zweck, sondern nur dem unterhaltenden Sensations- oder Boulevardjournalismus dienen. In diesen Fällen gibt es kein gefährdetes Erhaltungsgut, das gegen das Hausrecht in die Interessenabwägung eingebracht werden kann, und allein die Presse- und Informationsfreiheit aus Art. 5 I GG reichen für eine Rechtfertigung nicht aus. b) Aufenthalt in öffentlichen Räumlichkeiten Zu klären ist, ob hinsichtlich des Aufenthaltes in öffentlichen Räumen andere Maßstäbe gelten, weil die juristischen Personen des öffentlichen Rechts nicht Träger des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 13 GG sind. Beim Eindringen in öffentliche Diensträume wird teilweise angenommen, dass die Presse- und Informationsfreiheit aus Art. 5 I GG im Einzelfall Vorrang gegenüber dem Hausrecht haben können.527 Norbert Dose bringt dabei – ähnlich wie 525 Barschel war bis September 1987 schleswig-holsteinischer Ministerpräsident und Parteivorsitzender der CDU. Nach einem politischen Skandal trat er unter dem Druck der Öffentlichkeit und seiner eigenen Partei zurück. Er wurde am 11. 10. 1987 tot in der Badewanne seines Genfer Hotelzimmers aufgefunden, einen Tag bevor er vor dem Untersuchungsausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtages aussagen sollte. Die Umstände seines Todes sind bis heute umstritten, obwohl es sich nach dem Ergebnis der offiziellen Untersuchungen mit großer Wahrscheinlichkeit um einen Suizid handelte. 526 SchweizBG, Kassationshof, Urt. v. 10. 07. 1992 – 6 S. 392/1991/NB in der nichtamtlichen Übersetzung von Groß, NJW 1994, 504 (505). 527 Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 123, Rn. 33; Dose, DRiZ 1969, 75 (76).
A. Schutz des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs
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Rose – die Presse- und Informationsfreiheit unmittelbar in die Interessenabwägung ein. Weil bei Räumen der öffentlichen Hand das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung nicht als entgegenstehendes Rechtsgut in die Abwägung einfließe, überwiegt nach Auffassung von Dose die Informationsfreiheit der Presse und das Verhalten des eindringenden Pressevertreters ist gerechtfertigt.528 Dem ist jedoch aus den bereits genannten Gründen zu widersprechen: Weder die Presse- noch die Informationsfreiheit schützen die rechtswidrige Beschaffung von Informationen.529 Sie allein können demnach keine rechtfertigende Wirkungen haben. Nur weil Räumlichkeiten, die für den öffentlichen Dienst bestimmt sind, nicht unter Art. 13 GG fallen, folgt daraus also nicht, dass das Hausrecht durch die Presse- und Informationsfreiheit zurückgedrängt wird.530 Dennoch ergeben sich aus dem fehlenden Schutz des Art. 13 GG bei Räumlichkeiten der öffentlichen Hand erleichterte Zutrittsmöglichkeiten für Journalisten, wenn sie zur Aufdeckung von Missständen recherchieren. Zwar muss auch hier ein weiteres Rechtsgut hinzukommen, zu dessen Schutz sie tätig werden, doch sind die Anforderungen an das Erhaltungsgut entsprechend niedriger, da das verletzte Hausrecht in diesem Fall nicht auf Art. 13 GG beruht, sondern auf staatlicher Aufgabenverteilung oder auf Selbstverwaltungsgesetzen. Ein letzter, der Abwägung nicht zugänglicher Kernbereich privater Lebensgestaltung ist in diesem Fall ebenfalls nicht zu berücksichtigen. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die im Zusammenhang mit einem Eindringen in Privatgebäude aufgestellten Maßstäbe für die Interessenabwägung im Rahmen des § 34 StGB auch bei öffentlichen Gebäuden gelten, allerdings mit der Maßgabe, dass ein wesentliches Überwiegen des zu schützenden Erhaltungsgutes an geringere Anforderungen geknüpft ist. 7. Fazit Betritt ein Journalist im Rahmen seiner Recherche fremde Räumlichkeiten wie Wohnungen, Geschäftsräume oder öffentliche Gebäude, setzt ihm § 123 StGB gewisse Grenzen. Er verwirklicht den Tatbestand, sobald er dabei gegen beziehungsweise ohne den Willen des Hausrechtsinhabers handelt. Des Weiteren hat er dessen Aufforderung zum Gehen zu respektieren, andernfalls könnte er sich wegen unbefugten Verweilens gemäß § 123 I Var 2. StGB strafbar machen. Andererseits ist es strafrechtlich unbedenklich, wenn der Journalist beim Betreten verdeckt vorgeht und ohne Offenlegung seiner Tätigkeit eine Zutrittserlaubnis erhält – sei es in Form einer
528
Dose, DRiZ 1969, 75 (76). BVerfGE 66, 116 (137) – Springer/Wallraff; siehe dazu bereits Dritter Teil, Kapitel A.III.6.a). 530 So auch LK-Lilie, § 124, Rn. 20; SK-StGB-Stein, § 124, Rn. 16; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, Kap. 52, Rn. 8. 529
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individuellen Erklärung oder durch Ausnutzen einer generell bestehenden Erlaubnis für den Publikumsverkehr. Auch wenn sich gezeigt hat, dass eine Rechtfertigung nicht allein durch die Berufung auf Art. 5 I GG eintreten kann, kann jedenfalls die Aufdeckung von Missständen, die mit Gefahren für weitere Rechtsgüter verbunden sind, das Eindringen oder Verweilen rechtfertigen. Dabei hat der Journalist beim Eindringen in private Räumlichkeiten aber stets den Kernbereich privater Lebensführung zu respektieren, während ein Betreten von Räumlichkeiten der öffentlichen Hand unter weniger strengen Voraussetzungen gerechtfertigt ist. Insgesamt ist daher festzustellen, dass der Gesetzgeber mit § 123 StGB eine rationale Abwägung zwischen den Bedürfnissen des investigativen Journalismus einerseits und dem individuellen Hausrecht andererseits getroffen hat. Die Grenzen, die für den recherchierenden Journalisten bestehen, sind erforderlich, um den Rückzugsbereich und die Privatsphäre der Betroffenen zu schützen. Je weniger persönlich die Räumlichkeiten sind, desto leichter lässt sich das Eindringen zur Aufdeckung von Missständen rechtfertigen. Folglich stellt § 123 StGB keine unangemessene Beeinträchtigung für den investigativen Journalismus dar.
IV. §§ 185 ff. StGB, die Ehrschutzdelikte Die Ehrschutzdelikte der §§ 185 ff. StGB sind bei der journalistischen Tätigkeit stets zu beachten, das Recht der persönlichen Ehre gehört ausdrücklich zu den Schranken der Medienfreiheiten des Art. 5 I GG. Allerdings ist die strafrechtliche Bedeutung von Ehrverletzungen für den investigativen Journalismus gering. Zunächst bietet das Zivilrecht einen wesentlich besseren Schutz vor ehrenrührigen Veröffentlichungen als das Strafrecht, da Ehrverletzungen als unerlaubte Handlung im Sinne des § 823 I BGB bereits bei Fahrlässigkeit einen Anspruch auf Schadensersatz gewähren und für einen Anspruch auf Unterlassung oder Widerruf sogar die objektive Rechtswidrigkeit ausreicht. Zudem ist der Weg über den einstweiligen Rechtsschutz gemäß §§ 935 ff. ZPO schneller und effektiver als ein Strafverfahren. Aus diesen Gründen wählen die Betroffenen in der Praxis überwiegend den Zivilrechtsweg, um gegen ehrenrührige Veröffentlichungen vorzugehen, anstatt den für die Strafverfolgung erforderlichen Strafantrag zu stellen.531 Des Weiteren hat der Gesetzgeber mit der Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß § 193 StGB einen Rechtfertigungsgrund geschaffen, der eine umfassende Abwägung zwischen der Pressefreiheit auf der einen und dem Persönlichkeitsrechtsschutz auf der anderen Seite ermöglicht. Auf diese Weise ist gewährleistet, dass eine Berichterstattung zulässig ist, wenn das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegt, wenn also „die Presse im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtert, damit den Informationsanspruch des Publikums 531
Paschke, Medienrecht, Rn. 851.
B. Vorschriften zum Schutz der Rechtspflege
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erfüllt und zur Bildung der öffentlichen Meinung beiträgt […] [und nicht] lediglich das Bedürfnis einer mehr oder minder breiten Leserschicht nach oberflächlicher Unterhaltung befriedigt.“532 Daher beschränken die Ehrschutzdelikte in erster Linie den Sensations- oder Boulevardjournalismus, nicht jedoch den investigativen Journalismus, der sich regelmäßig auf § 193 StGB berufen kann. Auf die Ehrschutzdelikte wird daher im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter eingegangen.533
B. Vorschriften zum Schutz der Rechtspflege und des öffentlichen Friedens Wie das vorangehende Kapitel gezeigt hat, bestehen insbesondere Spannungen zwischen dem investigativen Journalismus und dem Strafrecht, wenn persönliche Rechtsgüter betroffen sind. Daneben gibt es aber auch einige Vorschriften, die dem Schutz der Rechtspflege und des öffentlichen Friedens dienen, mit denen der investigative Journalismus in Konflikt geraten kann. Dazu gehören die Nichtanzeige geplanter Straftaten gemäß § 138 StGB, die Belohnung und Billigung von Straftaten nach § 140 StGB, die falsche Verdächtigung gemäß § 164 StGB und die verbotene Mitteilung über Gerichtsverhandlungen nach § 353d StGB.
I. § 138 StGB, Nichtanzeige geplanter Straftaten 1. Grundlagen Recherchiert ein Journalist, um rechtliche Normverstöße aufzudecken, kann es vorkommen, dass er im Zuge dessen von dem Vorhaben oder der Ausführung einer der in § 138 StGB aufgezählten schweren Straftaten wie Mord oder Totschlag erfährt. Zeigt er dies nicht an, kann er sich nach § 138 StGB strafbar machen. Der Tatbestand des § 138 I StGB ist erfüllt, wenn der Täter von dem Vorhaben oder der Ausführung einer der genannten Straftaten zu einer Zeit, zu der die Ausführung oder der Erfolg noch abgewendet werden kann, glaubhaft erfährt und es unterlässt, der Behörde oder dem Bedrohten rechtzeitig Anzeige zu machen. § 138 II StGB erweitert den Bestand der aufgezählten Delikte und legt fest, dass die dort aufgezählten Taten ausschließlich bei einer Behörde angezeigt werden können und dass dies unverzüglich geschehen muss. Gemäß § 138 III StGB genügt auch ein fahrlässiges Unterlassen der Anzeige, wenn es in der qualifizierten Form der Leichtfertigkeit geschieht.
532
BVerfGE 34, 269 (283); 101, 361 (391). Diesbezüglich wird jedoch exemplarisch verwiesen auf Branahl, Medienrecht, S. 101 ff. und Paschke, Medienrecht, Rn. 850 ff.; jeweils m.w.N. 533
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
2. Die Anzeigepflicht nach § 138 StGB Die Anzeigepflicht des § 138 StGB besteht, sobald der Täter von dem Vorhaben oder der Ausführung einer der aufgezählten Katalogstraftaten glaubhaft erfährt. Unter „Vorhaben“ ist jeder ernstliche Plan zu verstehen, während das Stadium der „Ausführung“ von der Versuchsphase bis zur Vollendung reicht.534 Erlangt er die Kenntnis zu einem Zeitpunkt, zu dem die Ausführung oder der Erfolg noch abgewendet werden könnten, ist er zur rechtzeitigen – beziehungsweise in den Fällen des Absatzes 2 zur unverzüglichen – Anzeige der Tat verpflichtet. Das Vorliegen eines Zeugnisverweigerungsrechts ist für § 138 StGB ohne Bedeutung,535 so dass die Anzeigepflicht für Journalisten nicht wegen des nach § 53 I Nr. 5 StPO bestehenden Zeugnisverweigerungsrechts für Angehörige der Medien entfällt. Für einen Journalisten kann diese Anzeigepflicht in zweierlei Hinsicht problematisch sein. Zunächst können ihm finanzielle Einbußen entstehen, weil er Gefahr läuft, seine „Story“ zu verlieren. Als Erster über eine Angelegenheit von allgemeinem Interesse berichten zu können, verheißt eine hohe Auflage beziehungsweise Einschaltquote und dementsprechend eine hohe Vergütung. Zudem ist mit der Aufdeckung eines Skandals ein Prestigegewinn verbunden – und zwar sowohl für den Journalisten als auch für das Medium, für das er tätig ist. Schon aus diesem Grund wird ein Journalist zögern, bevor er sich vor der exklusiven Veröffentlichung seiner Geschichte an die Behörden oder den Bedrohten wendet. Weitaus schwerwiegender wird bei dieser Entscheidung aber die Berufsehre sein, die einem Journalisten verbietet, einen Informanten preiszugeben. Dies kommt in Ziffer 5 des Pressekodex zum Ausdruck, der die Berufsethik der Presse konkretisiert: „Die Presse wahrt das Berufsgeheimnis, macht vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und gibt Informanten ohne deren ausdrückliche Zustimmung nicht preis. Die vereinbarte Vertraulichkeit ist grundsätzlich zu wahren.“ Wie ernst diese berufsethische Regelung genommen wird, zeigt ein Fall in Frankreich. Dort entbrannte im April 2010 eine Debatte über die Frage: „Geht Opferschutz über Quellenschutz?“ Auslöser war der Journalist Laurent Richard, der im Pädophilen-Milieu recherchiert und seine Informationen an die Polizei weitergegeben hatte. Von seinen Kollegen aber auch von den Journalisten-Gewerkschaften wurde er dafür heftig kritisiert: „Wenn Journalisten ihre Quellen preisgeben, wird die Branche diskreditiert. Informanten trauen ihr dann nicht mehr. Missstände können nicht mehr aufgedeckt werden.“536 Richard hatte sich an die Behörden gewandt, weil die Täter ihm von weiteren Tatvorhaben berichtet hatten, vor denen er die Kinder schützen wollte. 534
Lackner/Kühl-Kühl, § 138, Rn. 2. Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben, § 139, Rn. 24. 536 Dies äußerte die französische Journalisten- Gewerkschaft SNJ in der SZ. Siehe Ulrich, SZ vom 16. 04. 2010, zu finden unter: http://www.sueddeutsche.de/medien/journalismus-dasmaedchen-jessica-1.9512; letzter Zugriff am 25. 01. 2012. 535
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Obwohl der sexuelle Missbrauch von Kindern nicht zu den Katalogtaten des § 138 StGB gehört, macht dieser Fall deutlich, in welcher Konfliktsituation sich ein Journalist befindet, der von einer geplanten Straftat erfährt. Auf der einen Seite ist er berufsethisch zur Verschwiegenheit verpflichtet, auf der anderen Seite steht die moralische oder gegebenenfalls sogar gesetzliche Pflicht, eine Straftat zu verhindern. Aus diesem Grund stellt sich die Frage, ob es in einer solchen Situation Ausnahmen von der Anzeigepflicht gibt. 3. Ausnahmen von der Anzeigepflicht a) Allgemein bestehende Ausnahmen Grundsätzlich bestehen zwei anerkannte Ausnahmen von der Anzeigepflicht. Zum Einen ist der Bedrohte selbst nicht anzeigepflichtig, wenn sich die Tat ausschließlich gegen ihn richtet. Zum Anderem ist auch derjenige nicht zur Anzeige verpflichtet, der an der Straftat oder ihrer Vorbereitung und Planung beteiligt gewesen ist.537 Darüber hinaus enthält § 139 StGB einige Rechtfertigungs- und persönliche Strafaufhebungsgründe. Gemäß § 139 III 1 StGB ist unter bestimmten Voraussetzungen die unterlassene Anzeige gegen einen Angehörigen im Sinne des § 11 I Nr. 1 StGB straffrei. Außerdem bleibt gemäß § 139 IV StGB straffrei, wer die Ausführung der Tat oder den Erfolg der Tat anders als durch Anzeige abwendet oder wer sich ernsthaft um die Erfolgsabwendung bemüht hat, wenn Ausführung oder Erfolg ohne sein Zutun unterbleiben. Überdies kann von Strafe abgesehen werden, wenn die geplante Tat nicht einmal das Versuchsstadium erreicht (vgl. § 139 I StGB). Diese Ausnahmen kommen für den investigativen Journalisten aber in der Regel nicht in Betracht und werden daher an dieser Stelle nicht weiter erörtert. b) Privilegierung bestimmter Berufsgruppen § 139 StGB sieht des Weiteren Privilegierungen für bestimmte Berufsgruppen vor. So sind Geistliche gemäß § 139 II StGB nicht dazu verpflichtet, das anzuzeigen, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut wurde. Zudem entfällt gemäß § 139 III 2 StGB die Anzeigepflicht von Rechtsanwälten, Verteidigern, Ärzten, Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten bezüglich dessen, was ihnen in ihrer Berufseigenschaft anvertraut worden ist, wenn sie sich ernstlich bemüht haben, den Täter von der Tat abzuhalten oder den Erfolg abzuwenden und es sich nicht um eine der in Absatz 3 Nr. 1 – 3 aufgeführten besonders schweren Taten handelt.
537
Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben, § 138, Rn. 19 ff.
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Diese Berufsgruppen zeichnen sich durch ein besonderes Vertrauensverhältnis zu ihren Mandanten oder Patienten aus – ähnlich wie es zwischen einem Journalisten und seiner Quelle besteht – und können daher ebenfalls in den „Konflikt zwischen Geheimhaltung und Verbrechensverhütung“538 geraten. Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen den in § 139 StGB aufgeführten Berufsgruppen und den Angehörigen der Medien ist, dass sie ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 StPO haben. Angesichts dieser Übereinstimmungen stellt sich die Frage, ob eine analoge Anwendung der Privilegierung des § 139 StGB für Journalisten in Betracht kommt.539 In Rechtsprechung und Literatur wird ohne nähere Begründung davon ausgegangen, dass die Aufzählung des § 139 StGB abschließend ist, und eine Ausdehnung auf Journalisten ausscheidet.540 Dies erschließt sich in Anbetracht der oben dargelegten Parallelen zwischen den Medienvertretern und den von § 139 StGB privilegierten Berufsgruppen nicht ohne Weiteres. Betrachtet man aber Sinn und Zweck der Privilegierung, wird deutlich, dass neben den Gemeinsamkeiten auch wesentliche Unterschiede bestehen. Im Gegensatz zu Journalisten üben die genannten Personen ausnahmslos beratende Berufe aus.541 Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sich Menschen in einer seelischen Notlage an sie wenden, um Hilfe zu bekommen. Wer kurz davor steht, eine Straftat zu begehen, befindet sich häufig in einer solchen Notlage und sucht möglicherweise juristischen Rat, um sich zu erkundigen, wie er straflos von der geplanten Tat Abstand nehmen kann. Oder er erkennt, dass er aufgrund einer krankhaften Neigung straffällig zu werden droht, und sucht Hilfe bei einem Mediziner. Könnte sich der Ratsuchende in diesen Situationen nicht auf die absolute Verschwiegenheit seines Gesprächspartners verlassen, wäre ihm dieses Hilfesuchen nicht möglich. Somit dient die Privilegierung des § 139 StGB neben dem Schutz des Vertrauensverhältnisses jedenfalls auch der Verhinderung der genannten Straftaten, indem sie dem potentiellen Täter ermöglicht, ohne Furcht vor Sanktionen professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.542 Wer sich hingegen mit der Ankündigung einer Straftat an die Presse wendet, bezweckt damit in der Regel nicht, die Tat auf diesem Wege zu verhindern, sondern will sie möglichst öffentlichkeitswirksam inszenieren. Ein weiterer Unterschied zwischen einem Journalisten und den privilegierten Berufsgruppen besteht darin, dass letztere aufgrund ihrer Fachkunde bessere Möglichkeiten haben, auf den potentiellen Täter einzuwirken, um die Tat zu verhindern.543 Bei näherer Betrachtung zeigt sich daher, dass eine Ausdehnung der Privilegierung des § 139 StGB auf Journalisten nicht geboten ist. 538
Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben, § 139, Rn. 3. Diese Frage untersucht auch Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 61 ff. mit ablehnendem Ergebnis. 540 BVerfG NJW 1966, 1603 (1614); Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben, § 139, Rn. 3. 541 Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 63. 542 Ähnlich Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 64. 543 Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 64. 539
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Dies steht auch nicht im Widerspruch zu § 53 StPO. § 53 I Nr. 1 – 4 StPO, in denen auch die in § 139 StGB genannten Berufsgruppen aufgeführt sind, schützen das jeweilige persönliche Vertrauensverhältnis zwischen Ratsuchendem und Berater. Demgegenüber steht bei § 53 I Nr. 5 StPO die Funktionsfähigkeit der Presse im Vordergrund und nicht der Vertrauensschutz des Informanten.544 Dies verdeutlicht die Tatsache, dass es für das Bestehen des journalistischen Zeugnisverweigerungsrechtes bedeutungslos ist, ob die Aussage dem Informanten selbst gleichgültig oder sogar erwünscht wäre.545 Während das Zeugnisverweigerungsrecht von Ärzten, Anwälten und Steuerberatern bei der Entbindung von der Schweigepflicht entfällt, behalten die Pressemitarbeiter ihr Zeugnisverweigerungsrecht und entscheiden nach freiem Ermessen, ob sie aussagen möchten. Ebenso besteht kein Anspruch des Informanten darauf, dass der Medienvertreter von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht.546 4. Fazit Wer als Journalist im Zuge seiner Recherche glaubhaft von einer der in § 138 StGB aufgeführten Katalogtaten erfährt, macht sich strafbar, wenn er diese nicht anzeigt, um seinen Enthüllungsbericht nicht zu gefährden oder seinen Informanten nicht zu offenbaren. Eine Privilegierung in analoger Anwendung des § 139 StGB kommt für Journalisten nicht in Betracht. Allerdings umfasst § 138 StGB nur schwerste Straftaten wie Mord und Totschlag, Menschenhandel oder Brandstiftung, so dass darin keine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des investigativen Journalismus zu sehen ist. In diesen seltenen Extremfällen steht die Verbrechensverhinderung und damit der Opferschutz über dem Quellenschutz.
II. § 140 StGB, Belohnung und Billigung von Straftaten 1. Grundlagen Hat ein investigativer Journalist eine Straftat aufgedeckt, ist es denkbar, dass er zum Zwecke der Nachberichterstattung einen Exklusivvertrag mit dem Täter abschließt, um während des Strafprozesses als Einziger direkte Gespräche mit ihm führen zu können. Dies könnte ein „Belohnen“ im Sinne des § 140 Nr. 1 StGB darstellen. Des Weiteren könnte die Berichterstattung über eine Straftat in den Medien das Tatbestandsmerkmal „Billigen“ gemäß § 140 Nr. 2 StGB erfüllen. Nach § 140 StGB steht die Belohnung oder Billigung der in § 138 I Nr. 1 – 4 und § 126 I StGB genannten schweren Straftaten sowie der aufgeführten Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung unter Strafe. Der Tatbestand des § 140 StGB setzt 544 545 546
BVerfG NStZ 1982, 253; Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 64. OLG Bremen JZ 1977, 442 (444). BVerfG NStZ 1982, 253.
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
voraus, dass der Täter eine der aufgeführten Taten, nachdem sie begangen wurde oder jedenfalls ein strafbarer Versuch vorliegt, öffentlich in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften belohnt oder in einer Weise billigt, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. 2. Tathandlung: Belohnen Unter einer Belohnung ist die Zuwendung eines Vorteils jeglicher Art zu verstehen.547 Allerdings muss der Vorteil gerade für die begangene rechtswidrige Tat gewährt werden, es muss also diese selbst vergütet werden.548 Demzufolge fehlt es an einer Belohnung, wenn stattdessen für ihre literarische Darstellung ein Entgelt gezahlt wird.549 In diesem Fall erfolgt die Bezahlung nicht für die Tat, sondern für ihre anschließende Vermarktung durch die Vereinbarung, sich ausschließlich mit einem einzigen Journalisten oder ausschließlich mit Journalisten eines bestimmten Verlags oder Senders zu unterhalten. Daher ist der Abschluss eines Exklusivvertrages zwischen einem Journalisten und einem potentiellen Straftäter kein „Belohnen“ im Sinne des § 140 Nr. 1 StGB. 3. Tathandlung: Billigen Die Tat billigt, wer seine Zustimmung dazu kundgibt, dass die Tat begangen worden ist, und sich damit moralisch hinter den Täter stellt.550 Der Bundesgerichtshof hat im Falle der Veröffentlichung eines Buches ein „Billigen“ mit der Begründung bejaht, es handele sich dabei weder um eine „wertfreie Dokumentation“ noch um die „Berichterstattung eines Presseorgans, das sich nicht mit der Kundgebung identifiziert“.551 Demgegenüber liegt kein „Billigen“ vor, wenn die Äußerung eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den möglichen Ursachen der Bezugstat erkennen lässt.552 Daraus folgt, dass eine Berichterstattung, die den Qualitätsstandards der Medien gerecht wird, keine Gefahr läuft, § 140 Nr. 2 StGB zu verwirklichen. Von einem Journalisten werden „Objektivität und Überparteilichkeit“ erwartet, wozu auch eine vollständige und ausgewogene Berichterstattung gehört, die alle Seiten eines Sachverhaltes beleuchtet.553 Da ein investigativer Journalist mit seiner Arbeit gerade die Aufdeckung rechtlicher Normverstöße bezweckt und sich als gesellschaftlicher „Watchdog“ versteht, ist in seinem Fall erst recht nicht von einer billigenden Darstellung derartiger Verstöße auszugehen. 547
Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben, § 140, Rn. 4; Lackner/Kühl-Kühl, § 140, Rn. 3. NK-Ostendorf, § 140, Rn. 7; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben, § 140, Rn. 4; LKHanack, § 140, Rn. 12. 549 LK-Hanack, § 140, Rn. 12; Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 65. 550 Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben, § 140, Rn. 5. 551 BGH NJW 1978, 58 (59). 552 OLG Karlsruhe NJW 2003, 1200. 553 La Roche, Einführung in den praktischen Journalismus, S. 132 ff. 548
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4. Fazit Die Vorschrift des § 140 StGB stellt bei Wahrung der publizistischen Grundsätze keine Einschränkung für den investigativen Journalismus dar. Das Abschließen eines Exklusivvertrages mit einem potentiellen Straftäter ist strafrechtlich unbedenklich.
III. § 164 StGB, Falsche Verdächtigung Im investigativen Journalismus geht es vielfach darum, Rechtsverstöße aufzudecken und in einer Weise darüber zu berichten, dass behördliche Ermittlungen eingeleitet werden. Veröffentlicht ein Journalist einen entsprechenden Artikel oder Rundfunkbeitrag über diese Verstöße, ist darin regelmäßig eine öffentliche Verdächtigung zu sehen, die rechtswidrige Taten, dienstpflichtwidrige Handlungen oder Tatsachen betrifft, die Anlass für behördliche Maßnahmen sein können. Dies könnte unter Umständen einen Verstoß gegen § 164 StGB darstellen. Nach § 164 I StGB wird bestraft, wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen. Gemäß § 164 II StGB wird ebenso bestraft, wer in gleicher Absicht bei einer der in Absatz 1 bezeichneten Stellen oder öffentlich über einen anderen wider besseres Wissen eine sonstige Behauptung tatsächlicher Art aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen. Demnach muss die Verdächtigung unwahr, also objektiv falsch, sein und sie muss wider besseres Wissen erfolgen, um den Tatbestand des § 164 StGB zu erfüllen.554 Der Täter muss sichere Kenntnis von der Unwahrheit gehabt haben, bloßer Eventualvorsatz diesbezüglich genügt nicht.555 Die journalistische Berufsethik verbietet aber die wissentliche Veröffentlichung unwahrer Tatsachen. Ziffer 2 des Pressekodex schreibt vor: „Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.“ Hält sich ein Journalist daran und veröffentlicht nicht wissentlich falsche Behauptungen, kommt
554
RGSt 71, 167 (168 ff.). BVerfG NJW 1991, 1285; 2008, 570; Schönke/Schröder-Lenckner/Bosch, § 164, Rn. 30; Fischer, § 164, Rn. 12. 555
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er mit § 164 StGB nicht in Konflikt. Die Vorschrift stellt somit keine Beeinträchtigung für den investigativen Journalismus dar.
IV. § 353d StGB, Verbotene Mitteilung über Gerichtsverhandlungen Für den investigativen Journalismus entfaltet § 353d StGB seine Wirkung im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Gerichtsverfahren. Da diese typischerweise erst nach Aufdeckung eines Missstandes beginnt, ist die Vorschrift insbesondere im Zusammenhang mit der Nachberichterstattung, dem sogenannten „Follow-Up“,556 relevant. § 353d Nr. 1 StGB stellt es unter Strafe, entgegen einem gesetzlichen Verbot über eine Gerichtsverhandlung, bei der die Öffentlichkeit ausgeschlossen war, oder über den Inhalt eines die Sache betreffenden amtlichen Schriftstücks öffentlich eine Mitteilung zu machen. Nach § 353d Nr. 2 StGB macht sich ebenfalls strafbar, wer entgegen einer vom Gericht auf Grund eines Gesetzes auferlegten Schweigepflicht Tatsachen unbefugt offenbart, die durch eine nichtöffentliche Gerichtsverhandlung oder durch ein die Sache betreffendes amtliches Schriftstück zu seiner Kenntnis gelangt sind. Die Regelung des § 353d Nr. 3 StGB bedroht zudem denjenigen mit Strafe, der die Anklageschrift oder andere amtliche Schriftstücke eines Straf-, Bußgeld- oder Disziplinarverfahrens ganz oder in wesentlichen Teilen im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist. Während § 353d Nr. 3 StGB also nur die wortgetreue Wiedergabe erfasst, verhindern § 353d Nr. 1 und 2 StGB unter bestimmten Voraussetzungen auch die berichtende und kommentierende Wiedergabe des Prozessverlaufs.557 1. Der Tatbestand des § 353d Nr. 1 StGB § 353d Nr. 1 StGB verbietet unter bestimmten Voraussetzungen die öffentliche Mitteilung über Gerichtsverhandlungen oder gewisse Schriftstücke entgegen einem gesetzlichen Verbot. Damit ist nicht nur die wörtliche oder vollständige Wiedergabe, sondern jede Veröffentlichung über den sachlichen Inhalt der Gerichtsverhandlung oder des die Sache betreffenden Schriftstücks gemeint.558 Ein entsprechendes gesetzliches Verbot findet sich lediglich in § 174 II GVG, der bestimmt, dass „soweit die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit ausgeschlossen wird, […] Presse, Rundfunk und Fernsehen keine Berichte über die Verhandlung und den Inhalt eines die Sache betreffenden amtlichen Schriftstücks veröffentlichen [dürfen].“ Die Vorschrift richtet sich ausschließlich an die Mitarbeiter der genannten Medien, so 556 557 558
Siehe dazu Erster Teil, Kapitel A.II.2.a). Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, Kap. 58, Rn. 9. Lackner/Kühl-Kühl, § 353d, Rn. 2.
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dass nur sie als Täter in Betracht kommen.559 Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach § 353d Nr. 1 StGB ist, dass zuvor ein rechtmäßiger Beschluss über den Ausschluss der Öffentlichkeit vom Gericht verkündet wurde, der eine entsprechende Begründung enthält.560 Obwohl der Wortlaut relativ weit gefasst ist, genügt als Mitteilung nicht jeder Bericht, sondern es ist erforderlich, dass gerade über die Tatsachen berichtet wird, derentwegen das Gericht die Öffentlichkeit ausgeschlossen hat.561 Diese Einschränkung gilt auch für amtliche Schriftstücke, zu denen ebenfalls nur Unterlagen gezählt werden dürfen, die den Tatsachenkomplex betreffen, in dem eine mögliche Gefährdung der Staatssicherheit gesehen werden kann.562 2. Der Tatbestand des § 353d Nr. 2 StGB § 353d Nr. 2 StGB untersagt das Offenbaren bestimmter Tatsachen entgegen einer vom Gericht auf Grund eines Gesetzes auferlegten Schweigepflicht. Als Grundlage für eine solche Schweigepflicht kommt ausschließlich § 174 III 1 GVG in Betracht, der lautet: „Ist die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit oder aus den in §§ 171b und 172 Nr. 2 und 3 bezeichneten Gründen ausgeschlossen, so kann das Gericht den anwesenden Personen die Geheimhaltung von Tatsachen, die durch die Verhandlung oder durch ein die Sache betreffendes amtliches Schriftstück zu ihrer Kenntnis gelangen, zur Pflicht machen.“ Somit ist § 353d Nr. 2 StGB einerseits weiter gefasst als Nr. 1, weil die Gründe, aus denen die Öffentlichkeit ausgeschlossen sein können, umfassender sind und neben der Staatssicherheit auch den Schutz des persönlichen Lebensbereich der Prozessbeteiligten und den Schutz von privaten und beruflichen Geheimnissen einschließen. Andererseits ist er zugleich enger, denn die Schweigepflicht entsteht erst durch Verkündung eines entsprechenden Gerichtsbeschlusses, so dass insgesamt zwei Beschlüsse – zum Ausschluss der Öffentlichkeit sowie zum Anordnen der Schweigepflicht – erforderlich sind.563 Als Täter kommt jeder in Frage, der durch den Schweigebefehl verpflichtet wurde, neben den Zuhörern, Zeugen etc. sind auch die Richter, die ihn erlassen haben, zur Verschwiegenheit verpflichtet.564 3. Der Tatbestand des § 353d Nr. 3 StGB Nach § 353d Nr. 3 StGB ist die öffentliche Mitteilung amtlicher Schriftstücke eines Strafverfahrens oder ähnlicher Verfahren strafbar, bevor sie in der Verhandlung 559 560
Rn. 9. 561 562 563 564
Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, Kap. 58, Rn. 9. Lackner/Kühl-Kühl, § 353d, Rn. 2; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, Kap. 58, Schönke/Schröder-Perron, § 353d, Rn. 10. Schönke/Schröder-Perron, § 353d, Rn. 14. Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, Kap. 58, Rn. 10. Schönke/Schröder-Perron, § 353d, Rn. 27.
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist. Auf diesem Wege soll erreicht werden, dass die Richter ihr Urteil unvoreingenommen fällen können,565 und es soll die Unbefangenheit der Laienrichter und Zeugen geschützt werden.566 Das Publikationsverbot gilt ausdrücklich nur für Straf-, Bußgeld- und Disziplinarverfahren. Zu den Strafverfahren gehören alle nach den Regeln der StPO wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung eingeleiteten Verfahren, gleich welcher Art (also auch Jugendstrafverfahren, Steuerstrafverfahren, Privatklageverfahren etc.). Bußgeldverfahren richten sich nach den §§ 35 ff. OWiG und werden von den Verwaltungsbehörden betrieben, um Ordnungswidrigkeiten zu ahnden. Demgegenüber dienen Disziplinarverfahren der Verfolgung dienstlicher Verfehlungen von Beamten, Richtern und Soldaten.567 Tatobjekt sind amtliche Schriftstücke. Der Begriff ist weit auszulegen und umfasst neben den Schriftstücken amtlichen Ursprungs auch Urkunden privater Verfasser, wenn diese für die Zwecke des Strafverfahrens in dienstliche Verwahrung genommen wurden.568 Dem Sinn der Vorschrift entsprechend umfasst das Publikationsverbot aber nur die Schriftstücke, die – jedenfalls mittelbar – für den Gegenstand oder die Gestaltung des Verfahrens von sachlicher Bedeutung sein können.569 Daher scheiden Schriftstücke mit rein formalem Inhalt, beispielsweise Ladungen oder Zustellungsurkunden, aus dem Tatbestand aus.570 Aufgrund des eindeutigen Wortlautes des § 353d Nr. 3 StGB sind nur wörtliche Mitteilungen erfasst, so dass der Tatbestand nicht erfüllt ist, sobald der Text des Schriftstückes auch nur geringfügig verändert wird.571 Das OLG Hamburg hat dies zwar anders entschieden572 und damit teilweise Zustimmung in der Literatur gefunden,573 doch ist diese Auffassung nicht mit dem strafrechtlichen Analogieverbot des Art. 103 II GG zu vereinbaren. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht betont, dass eine Beeinträchtigung der Freiheiten des Art. 5 I GG gerade daher nur in geringem Maße gegeben ist, weil § 353d Nr. 3 StGB ausschließlich die Wiedergabe im Wortlaut erfasst.574 Verboten ist die öffentliche Mitteilung. Eine solche ist gegeben, wenn sie von einem größeren, individuell nicht feststehenden oder jedenfalls durch persönliche 565
Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, Kap. 58, Rn. 4. Schönke/Schröder-Perron, § 353d, Rn. 40. 567 Schönke/Schröder-Perron, § 353d, Rn. 42; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, Kap. 58, Rn. 5. 568 Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, Kap. 58, Rn. 6. 569 Schönke/Schröder-Perron, § 353d, Rn. 44. 570 Fischer, § 353d, Rn. 4. 571 Schönke/Schröder-Perron, § 353d, Rn. 49; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, Kap. 58, Rn. 7. 572 OLG Hamburg NStZ 1990, 283 (284). 573 LK-Vormbaum, § 353d, Rn. 58; NK-Kuhlen, § 353d, Rn. 32. 574 BVerfGE 71, 206 (220). 566
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Beziehungen nicht verbundenen Personenkreis wahrgenommen werden kann.575 Ein Journalist, der den Inhalt in seinem Medium veröffentlicht, erfüllt dieses Kriterium ohne Weiteres. Beendet ist das Publikationsverbot erst, wenn das jeweilige Schriftstück in öffentlicher Verhandlung erörtert wurde oder wenn das Verfahren abgeschlossen wurde. 4. Kritik an § 353d Nr. 3 StGB Die Regelung des § 353d Nr. 3 StGB wird vielfach kritisiert. Teilweise wird ihre ersatzlose Streichung gefordert,576 da sie ihren Zweck durch die enge Beschränkung auf die Wiedergabe im Wortlaut nicht erfüllen könne und ins Leere laufe.577 Vielmehr werde durch das wörtliche Zitierverbot sogar eine entstellende Veröffentlichung gefördert,578 dies bringe aber eine größere Gefahr für die Unbefangenheit der Beteiligten mit sich als eine Konfrontation mit bloßen Fakten.579 Aus diesem Grund wurde sogar die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift bezweifelt.580 Dem hat das Bundesverfassungsgericht entgegengehalten, dass die Regelung den Verfahrensbeteiligten zwar nur in einem sehr begrenzten Maß Schutz bieten kann, dass sie aber nicht absolut untauglich zur Erreichung dieses Zweckes ist. 581 Gerade weil die Gerichtsberichterstattung so wenig wie möglich eingeschränkt werden sollte, hat sich der Gesetzgeber auf die wörtliche Wiedergabe der amtlichen Schriftstücke beschränkt.582 Daher hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit des § 353d Nr. 3 StGB bestätigt und festgestellt, dass es sich um einen zulässigen Kompromiss zwischen dem hohen Rang des Art. 5 GG und dem Schutz vor Vorverurteilungen handele: „Die durch Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheiten werden indes durch die zur Prüfung gestellte Vorschrift nur in geringem Ausmaß beschränkt, weil diese lediglich die wörtliche Wiedergabe des Inhalts der Anklageschrift oder anderer amtlicher Schriftstücke verbietet. […] [Zudem] handelt [es] sich auch in Fällen dieser Art nicht darum, Mißstände aufzudecken oder einer Verschleierung von Mißständen entgegenzutreten, so daß die Kontrollaufgabe der Presse ins Spiel käme; die – mutmaßlichen – Mißstände sind vielmehr gerade von den zuständigen staatlichen Organen aufgegriffen, und die Verantwortlichkeiten werden geklärt.“583 575
Schönke/Schröder-Perron, § 353d, Rn. 46. Schomburg, ZRP 1982, 142 (145); Leutheusser-Schnarrenberger, ZRP 2007, 249 (251). 577 Schönke/Schröder-Perron, § 353d, Rn. 41; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, Kap. 58, Rn. 4; Schulz, Die rechtlichen Auswirkungen von Medienberichterstattung auf Strafverfahren, S. 56 f. 578 Bornkamm, Pressefreiheit und Fairneß des Strafverfahrens, S. 221. 579 Schomburg, ZRP 1982, 142 (144). 580 AG Hamburg NStZ 1984, 265 (266). 581 BVerfGE 71, 206 (217). 582 Rogall, NStZ 1984, 267 (268). 583 BVerfGE 71, 206 (220 f.). 576
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
In Bezug auf das letztgenannte Argument ist dem Bundesverfassungsgericht nur teilweise zuzustimmen. Zwar wird es in der Mehrzahl der Fälle um einen zuvor aufgedeckten Missstand gehen, der nunmehr gerichtlich geklärt wird. Im Einzelfall kann aber auch die Aufarbeitung vor Gericht selbst einen Missstand darstellen. Dann beeinträchtigt das Zitierverbot des § 353d Nr. 3 StGB durchaus die Kontrollaufgabe der Medien. Angesichts der Tatsache, dass die Berichterstattung aber auch in diesen Fällen ohne Weiteres möglich ist, solange auf die wörtliche Wiedergabe der amtlichen Schriftstücke verzichtet wird, ist darin kein unverhältnismäßiger Eingriff in die durch Art. 5 I GG gewährleisteten Freiheiten zu sehen. 5. Fazit Im Zusammenhang mit Gerichtsverfahren beschränkt § 353d StGB die Freiheit der journalistischen Berichterstattung. Allerdings ist der Geltungsbereich der Vorschrift sehr eng. Während § 353d Nr. 1 StGB in Verbindung mit § 174 II GVG nur zum Tragen kommt, wenn es um Verfahren geht, bei denen die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit ausgeschlossen ist, erfordert der zwar ansonsten etwas weitere Anwendungsbereich des § 353d Nr. 2 StGB in Verbindung mit § 174 III GVG immerhin zwei Gerichtsbeschlüsse, um ein wirksames Schweigegebot zu begründen. § 353d Nr. 3 StGB erfasst nur die wörtliche Wiedergabe aus amtlichen Schriftstücken und ist mithin ohne großen Aufwand zu umgehen. Die Einschränkungen bestehen demnach nur in einem sehr geringen Maß. Hinzu kommt, dass der Kernbereich des investigativen Journalismus – die Aufdeckung von Missständen – regelmäßig nicht betroffen ist, wie auch das Bundesverfassungsgericht ausführlich dargestellt hat. Stattdessen geht es typischerweise um den Bereich der Anschlussberichterstattung. Insgesamt betrachtet bestehen daher aus der Perspektive des investigativen Journalismus keine Bedenken gegenüber § 353d StGB.
C. Delikte in Verbindung mit einer Täuschung über die eigene Identität – Die Strafbarkeit der „Wallraff’schen Methoden“ Die verdeckte Recherche ist eine typische Vorgehensweise im investigativen Journalismus, da die Recherche gegen den Widerstand der Gegenseite erfolgt und auf andere Weise regelmäßig nicht durchführbar wäre. Zwar verlangt die Berufsethik grundsätzlich, dass ein Journalist sich als solcher zu erkennen gibt, es bestehen aber anerkannte Ausnahmen von diesem Grundsatz. Zum Ausdruck kommt dies in Ziffer 4.1. der Richtlinien zum Pressekodex des Deutschen Presserats: „Verdeckte Recherche ist im Einzelfall gerechtfertigt, wenn damit Informationen von besonderem öffentlichen Interesse beschafft werden, die auf andere Weise nicht zugänglich sind.“
C. Delikte in Verbindung mit einer Täuschung über die eigene Identität
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Der Enthüllungsjournalist Günter Wallraff, der für seine verdeckten Recherchen bekannt ist, betont ebenfalls: „[…] man muß sich verkleiden, um die Gesellschaft zu demaskieren, muß täuschen und sich verstellen, um die Wahrheit herauszufinden.“584 Nicht ohne Grund gibt es im Schwedischen für eine solche Vorgehensweise mittlerweile das Wort „wallraffa“, das übersetzt bedeutet „unter Vortäuschung einer falschen Identität investigativ recherchieren“.585 Daran zeigt sich, dass die „Wallraff’schen Methoden“ Anklang und infolgedessen auch Nachahmer finden. Aus diesem Grund sollen sie im Folgenden unter strafrechtlichen Gesichtspunkten betrachtet werden. Das Auftreten unter falscher Identität kann strafrechtlich relevant werden, wenn auf diese Weise Verträge eingegangen werden oder wenn zur Aufrechterhaltung der Tarnung falsche oder fremde Ausweispapiere oder sonstige Urkunden gebraucht werden. Untersucht wird in diesem Kapitel daher ein möglicher Verstoß gegen die §§ 263, 281 und 267 StGB.
I. § 263 StGB, Betrug Nach § 263 I StGB wird bestraft, wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält. Für den investigativen Journalismus kann die Regelung insbesondere in zwei Konstellationen einschlägig sein: in Form eines Anstellungsbetruges, wenn für die Recherche innerhalb eines Unternehmens ein Arbeitsverhältnis eingegangen wird, und in Form der unberechtigten Inanspruchnahme von Leistungen, wenn beispielsweise in sozialen Einrichtungen recherchiert wird. 1. Anstellungsbetrug durch Eingehen von Arbeitsverträgen Im Zuge seiner Recherchen hat Wallraff unter anderem für verschiedene Unternehmen gearbeitet, um die jeweiligen Arbeitsbedingungen und -methoden zu untersuchen. Er war beispielsweise mehrere Monate als Redakteur bei der BildZeitung beschäftigt und veröffentlichte seine Erfahrungen in dem Buch „Der Aufmacher – Der Mann, der bei ,Bild‘ Hans Esser war“.586 Später war er über einen Zeitraum von zwei Jahren (von 1983 bis 1985) als türkischer Gastarbeiter „Ali Levent Sinirliog˘lu“ für verschiedene Unternehmen tätig, darunter McDonald’s und ThyssenKrupp. Die Erlebnisse, die er als türkischer Gastarbeiter machte, hielt Wallraff in dem Buch „Ganz unten“ fest. 584
Wallraff, Ganz unten, S. 12. Vgl. http://sv.wikipedia.org/wiki/Wallraffa; letzter Zugriff am 25. 01. 2012. 586 Zu der in diesem Zusammenhang ergangenen „Springer/Wallraff-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts siehe Dritter Teil, Fn. 98. 585
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
Das Eingehen eines Arbeitsverhältnisses unter der Vorgabe, ein anderer zu sein, könnte ein strafbarer Anstellungsbetrug sein. Eine Täuschung, also ein zur Irreführung bestimmtes und damit der Einwirkung auf die Vorstellung eines anderen dienendes Gesamtverhalten,587 ist hier in der Vorspiegelung einer falschen Identität zu sehen. In Folge dessen entstand bei seinen Arbeitgebern ein Irrtum darüber, dass sie einen Arbeitsvertrag mit Hans Esser beziehungsweise Ali Levent Sinirliog˘lu abschließen würden. Eine irrtumsbedingte Vermögensverfügung liegt in solchen Fällen ebenfalls vor. Darunter ist jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen zu verstehen, das unmittelbar zu einer Vermögensminderung führt.588 Aufgrund der Täuschung gingen die Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag mit Wallraff ein, den sie in Kenntnis seiner wahren Identität als Journalist nicht abgeschlossen hätten. Dieser Vertrag begründete für sie Verbindlichkeiten. Allerdings ist fraglich, ob es zu einem Vermögensschaden der Arbeitgeber gekommen ist. Von einem Schaden ist im Zusammenhang mit irrtumsbedingt eingegangenen Arbeitsverhältnissen nur auszugehen, wenn der Eingestellte die vertragliche Leistung nicht erbringen kann, insbesondere weil es ihm an der nötigen fachlichen Qualifikation fehlt,589 denn nur in diesem Fall übersteigt das vom Arbeitgeber zu zahlende Entgelt die vom Arbeitnehmer zugesagten Dienste wertmäßig.590 Im Falle Wallraffs trifft dies aber nicht zu. Die eingegangenen Arbeitsverhältnisse entsprachen entweder seiner fachlichen Qualifikation oder er war sogar überqualifiziert. Die ihm übertragenen Aufgaben hat er stets vertragsgemäß ausgeführt. Ein Vermögensschaden ist daher bei seinen Arbeitgebern nicht entstanden. Im Ergebnis lässt sich demnach festhalten, dass es nicht nach § 263 I StGB strafbar ist, als investigativer Journalist ein Arbeitsverhältnis unter fremder Identität einzugehen, solange man für die entsprechende Tätigkeit ausreichend qualifiziert ist. Andernfalls ist der Betrugstatbestand erfüllt. 2. Unberechtigte Inanspruchnahme von Leistungen Denkbar ist des Weiteren die Konstellation, dass ein investigativer Journalist bestimmte Leistungen in Anspruch nimmt, die ihm nicht zustehen. Dies kann insbesondere im Zusammenhang mit der Prüfung sozialer Einrichtungen oder Leistungen relevant sein. So hat Wallraff beispielsweise bei einer verdeckten Recherche die Verhältnisse in Obdachlosenunterkünften oder bei der Verteilung von Essen und Kleidung durch soziale Dienste untersucht.591
587
Lackner/Kühl-Kühl, § 263, Rn. 6. m.w.N. BGHSt 14, 170 (171); Schönke/Schröder-Cramer/Perron, § 263, Rn. 55. 589 MüKo-StGB-Hefendehl, § 263, Rn. 513. 590 Lackner/Kühl-Kühl, § 263, Rn. 52. 591 Siehe Wallraff, DIE ZEIT vom 5. März 2009, zu finden unter http://www.zeit.de/2009/ 11/Wallraff-11; letzter Zugriff am 25. 01. 2012. 588
C. Delikte in Verbindung mit einer Täuschung über die eigene Identität
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Die Täuschung liegt in diesem Fall in der Vorspiegelung einer falschen Identität, die die Kriterien für die Inanspruchnahme der Leistung erfüllt. Im untersuchten Beispiel also in der Vortäuschung, ein mittelloser Obdachloser zu sein. Als unmittelbare Folge dieser Täuschung entstand bei den jeweiligen Personen, die etwa die Essensausgabe durchführten oder für die Zuteilung von Schlafplätzen in der Obdachlosenunterkunft zuständig waren, ein Irrtum darüber, dass ihr Gegenüber zur Inanspruchnahme der vergebenen Leistungen berechtigt war. Die Vermögensverfügung liegt in der Gewährung der entsprechenden Leistungen wie Übernachtung oder Ausgabe einer Mahlzeit. Diese erfolgte aufgrund des erweckten Irrtums, denn die Leistungen sollten nur einem Berechtigten bewilligt werden. Problematisch ist an dieser Konstellation, dass es sich um unentgeltliche Leistungen handelte, die die jeweiligen Einrichtungen freiwillig ohne Erwartung einer Gegenleistung ausgeben. Da in solchen Fällen das Opfer eine bewusste Selbstschädigung begeht – wenn auch aus irrigen Motiven – kann der Schaden nicht in der bloßen Hingabe des Vermögenswertes gesehen werden.592 Dennoch tritt auch bei einem Schenkungs- oder Bettelbetrug ein Schaden ein, denn die bewusste Vermögenseinbuße soll nach den Vorstellungen des Schenkers durch Erreichen eines bestimmten nicht vermögensrechtlichen Zweckes ausgeglichen werden. Wird dieser Zweck verfehlt, so wird das Vermögensopfer auch wirtschaftlich zu einer unvernünftigen Ausgabe, die auf Täuschung beruht.593 Die Selbstschädigung ist in solchen Fällen darin zu sehen, dass die Vermögensverschiebung in ihrem sozialen Sinn entwertet wird.594 Somit lässt sich im konkreten Fall ein Vermögensschaden bejahen, der unmittelbar auf der Vermögensverfügung beruhte. Als subjektives Unrechtsmoment muss zum Vorsatz die Absicht hinzukommen, sich oder einem anderen einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Dieses Element war bei Wallraff gegeben, da er sich darüber bewusst war, keinen Anspruch auf die bezogenen Leistungen zu haben. Und es kam ihm gerade darauf an, diese Leistungen zu bekommen, um sie zu Recherchezwecken zu testen. Dass diese Recherche sein eigentliches Motiv war, ist unerheblich. Denn die Vorteilserlangung muss weder der einzige noch der in erster Linie verfolgte Zweck gewesen sein.595 Anders als bei der erschlichenen Anstellung hat Wallraff also in diesem Fall den Tatbestand des Betruges erfüllt. Allerdings kommt im konkreten Fall eine Rechtfertigung gemäß § 34 StGB in Betracht,596 weil er sich in die Obdachlosenunterkünfte einschmuggelte, um konkrete Missstände aufzudecken und Gefahren von den Wohnungslosen abzuwehren. Im Rahmen seiner Recherche hat er mehrfach anderen Menschen geholfen, etwa als er bei Minusgraden einem jungen Mann spätabends 592
Schönke/Schröder-Cramer/Perron, § 263, Rn. 101. BGH NJW 1995, 539. 594 Schönke/Schröder-Cramer/Perron, § 263, Rn. 102. 595 RGSt 27, 217 (220); Schönke/Schröder-Cramer/Perron, § 263, Rn. 176. 596 Zu den Voraussetzungen der Rechtfertigung eines Journalisten nach § 34 StGB siehe bereits Dritter Teil, Kapitel A.I.1.c)aa)(3) und A.III.6. 593
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
eine Unterkunft organisierte, um ihn vor dem Erfrieren zu bewahren.597 Eine abschließende Beurteilung einer Rechtfertigung ist jedoch ohne detailliertere Kenntnisse über die Gegebenheiten in den einzelnen Fällen nicht möglich. 3. Fazit Die Verwendung einer fremden Identität kann nach § 263 I StGB strafbar sein, wenn sie genutzt wird, um unberechtigt Leistungen in Anspruch zu nehmen, selbst wenn dies nur zu Recherchezwecken geschieht. Sofern es um die Aufdeckung konkreter Missstände und die Abwendung von Gefahren geht, kommt aber eine Rechtfertigung aus § 34 StGB in Betracht. Strafrechtlich unbedenklich ist es, unter fremder Identität ein Arbeitsverhältnis einzugehen, solange eine ausreichende fachliche Qualifikation für die Tätigkeit vorhanden ist.
II. § 281 StGB, Missbrauch von Ausweispapieren Wallraff hatte im Zuge seiner Recherchen für die Reportage über die Lebensbedingungen obdachloser Menschen in Deutschland einen ihm ähnlich sehenden Freund überredet, sich wohnungslos zu melden, und nutzte dessen Personalausweis, um in den Obdachlosenunterkünften aufgenommen zu werden.598 Denn eine objektive Recherche unter seinem eigenen Namen wäre aufgrund seiner Bekanntheit nicht möglich gewesen. Auf diese Weise könnte er sich jedoch wegen Missbrauchs von Ausweispapieren gemäß § 281 I StGB strafbar gemacht haben. Nach § 281 I StGB macht sich strafbar, wer ein Ausweispapier, das für einen anderen ausgestellt ist, zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht. Ebenso macht sich derjenige strafbar, der zur Täuschung im Rechtsverkehr einem anderen ein Ausweispapier überlässt, das nicht für diesen ausgestellt ist. Gemäß § 281 II StGB stehen Zeugnisse und andere Urkunden einem Ausweispapier gleich, die im Verkehr als Ausweis verwendet werden. Bei Personalausweisen handelt es sich um Ausweispapiere im Sinne des § 281 I StGB. Gebraucht werden sie, indem sie dem zu Täuschenden unmittelbar zur Wahrnehmung überlassen werden.599 Zur Täuschung im Rechtsverkehr geschieht dies, wenn damit eine Identitätstäuschung bezweckt wird, also die Erweckung des Irrtums, dass derjenige, für den die Urkunde gebraucht wird, mit dem durch sie Ausgewiesenen personengleich sei.600 Damit hat Wallraff durch das Vorlegen des 597
Vgl. Wallraff, DIE ZEIT vom 5. März 2009, zu finden unter http://www.zeit.de/2009/11/ Wallraff-11; letzter Zugriff am 25. 01. 2012. 598 Siehe Wallraff, DIE ZEIT vom 5. März 2009, zu finden unter http://www.zeit.de/2009/ 11/Wallraff-11; letzter Zugriff am 25. 01. 2012. 599 Lackner/Kühl-Kühl, § 281, Rn. 3. 600 BGHSt 16, 33 (34).
C. Delikte in Verbindung mit einer Täuschung über die eigene Identität
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fremden Personalausweises den Tatbestand des § 281 I StGB erfüllt. Die vorangegangene Anstiftung zum Überlassen – die in diesem Fall in der Bitte an den Freund zu sehen ist – ist allerdings bereits unter dem Gesichtspunkt der mitbestraften Vortat abgegolten.601 Aus den schon im Zusammenhang mit dem Betrug genannten Gründen könnte auch der Missbrauch der Ausweispapiere gemäß § 34 StGB gerechtfertigt sein.602 Insbesondere war für Wallraff in diesem Fall die Verwendung fremder Ausweispapiere unerlässlich, da man ihn andernfalls sofort erkannt hätte. Die abschließende Beurteilung einer möglichen Rechtfertigung ist jedoch auch hier ohne nähere Angaben zum Einsatz der fremden Ausweispapiere im Einzelfall nicht möglich. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich ein investigativer Journalist regelmäßig nach § 281 I StGB strafbar macht, wenn er fremde Ausweispapiere verwendet, um unter falschem Namen verdeckt recherchieren zu können. Gegebenenfalls kommt aber eine Rechtfertigung nach § 34 StGB in Betracht, wenn diese Vorgehensweise zum Aufdecken konkreter Missstände zwingend erforderlich ist.
III. § 267 StGB, Urkundenfälschung Die Vorschrift des § 267 I StGB stellt es unter Strafe, zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herzustellen, eine echte Urkunde zu verfälschen oder eine unechte oder verfälschte Urkunde zu gebrauchen. Wenn ein Journalist zur Täuschung über seine Person gefälschte oder verfälschte Ausweispapiere oder andere Urkunden, beispielsweise Zeugnisse, verwendet, erfüllt er damit ohne Weiteres den objektiven Tatbestand des § 267 I StGB.603 Das Sichverschaffen von gefälschten Papieren gehört aber nicht typischerweise zum investigativen Journalismus. Selbst Wallraff, der bei seinen Recherchen grundsätzlich nicht vor unrechtmäßigem Verhalten zurückschreckt, ist nicht so weit gegangen, sich falsche Ausweispapiere zu besorgen. Weitaus relevanter ist die Frage, ob ein Journalist sich wegen Urkundenfälschung strafbar macht, wenn er unter falschem Namen Schriftstücke unterzeichnet, zum Beispiel wenn er unter Verwendung eines falschen Namens einen schriftlichen Arbeitsvertrag abschließt. Fraglich ist, ob das Unterzeichnen mit falschem Namen als Herstellen einer unechten Urkunde zu bewerten ist. Dies setzt das Hervorbringen einer Urkunde voraus, die den unrichtigen Anschein erweckt, von dem aus ihr erkennbaren Aussteller herzurühren.604 Entscheidend ist, dass über die Person des 601
Lackner/Kühl-Kühl, § 281, Rn. 5. Zu den Voraussetzungen der Rechtfertigung eines Journalisten nach § 34 StGB siehe bereits Dritter Teil, Kapitel A.I.1.c)aa)(3) und A.III.6. 603 Der unter Umständen ebenfalls verwirklichte § 276 StGB tritt in diesem Fall hinter § 267 StGB zurück, vgl. Fischer, § 276, Rn. 7. 604 BGHSt 1, 117 (121); Lackner/Kühl-Kühl, § 267, Rn. 17. 602
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
wirklichen Ausstellers ein Irrtum erregt wird. Dies ist nicht der Fall, wenn der Aussteller lediglich über seinen Namen täuscht und trotz des Gebrauchs eines ihm nicht zustehenden Namens für sein Gegenüber identifizierbar ist.605 Auch wenn die Beteiligten kein Interesse daran haben, ob der Unterzeichnende seinen richtigen Namen verwendet, ist der Tatbestand nicht erfüllt.606 Damit scheiden viele Konstellationen, in denen ein Journalist verdeckt ermittelt, bereits aus dem objektiven Tatbestand aus. Darüber hinaus verlangt § 267 I StGB als subjektives Unrechtselement, dass der Täter „zur Täuschung im Rechtsverkehr“ handelt. Wer nur seinen wirklichen Namen ungenannt lassen möchte, jedoch im Übrigen zu seiner abgegebenen Erklärung steht, erfüllt dieses Kriterium nicht.607 Unterlässt ein Journalist also nur die Nennung seines richtigen Namens – etwa weil er in den Kreisen, in denen er recherchiert, bereits bekannt ist – aber will sich dennoch an seiner Erklärung festhalten lassen, ist er nicht nach § 267 I StGB strafbar. In diesem Fall ist der subjektive Tatbestand nicht erfüllt. Demzufolge verstößt ein Journalist nicht gegen § 267 I StGB, wenn er lediglich über seinen Namen täuscht und trotz der Verwendung des falschen Namens zu seinen abgegebenen Erklärungen steht.
IV. Fazit Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass die „Wallraff’schen Methoden“ – jedenfalls zum Teil – strafrechtlich nicht unbedenklich sind. Wer eine fremde Identität verwendet und sich auf diese Weise Leistungen verschafft, auf die er keinen Anspruch hat, begeht einen Betrug gemäß § 263 I StGB. Wer einen fremden Ausweis verwendet, um andere über die eigene Identität zu täuschen, ist wegen Missbrauchs von Ausweispapieren nach § 281 I StGB strafbar. Allerdings handelt es sich bei den von Wallraff angewandten Verhaltensweisen um extreme Formen der verdeckten Recherche. Diese sind weder gängige Praxis in den Redaktionen noch werden solche Methoden in den journalistischen Ausbildungshandbüchern empfohlen. Dementsprechend droht keine Pönalisierung typischer journalistischer Arbeitsmethoden, sondern es sind seltene Ausnahmefälle betroffen. Hinzu kommt die Möglichkeit der Rechtfertigung nach § 34 StGB, wenn die Recherche zur Aufdeckung von Missständen eingesetzt wird, um Gefahren von Dritten oder der Allgemeinheit abzuwehren. Aus journalistischer Perspektive bestehen daher keine Bedenken gegen die untersuchten Vorschriften.
605 606 607
BGHSt 1, 117 (121); 33, 159 (160); Lackner/Kühl-Kühl, § 267, Rn. 18. BGHSt 33, 159 (160), Seier, JA 1979, 133 (136 ff.). BGHSt 33, 159 (160 f.).
D. Anstiftung oder Beihilfe zur Verletzung eines Dienstgeheimnisses
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D. §§ 353b, 26 bzw. 27 StGB, Anstiftung oder Beihilfe zur Verletzung eines Dienstgeheimnisses oder einer besonderen Geheimhaltungspflicht I. Grundlagen Für den investigativen Journalismus ist es typisch, dass im Zusammenhang mit der Aufdeckung von Missständen auch vertrauliche Informationen in den Medien veröffentlicht werden. In solchen Fällen ist offensichtlich, dass es einen Informanten gibt, über den die geheimen Informationen an die Medien gelangt sind. Um diesen Informanten zu finden, ermitteln die Ermittlungsbehörden oftmals gezielt gegen den veröffentlichenden Journalisten wegen einer möglichen Beteiligung an einer Verletzung eines Dienstgeheimnisses oder einer besonderen Geheimhaltungspflicht im Sinne des § 353b StGB. Nach § 353b I 1 StGB macht sich strafbar, wer ein Geheimnis, das ihm als Angehöriger des in Absatz 1, Nr. 1 – 3 aufgezählten Personenkreises anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, unbefugt offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet. Gemäß § 353b I 2 StGB ist auch die fahrlässige Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen strafbar. Nach § 353b II StGB wird bestraft, wer, abgesehen von den Fällen des Absatzes 1, unbefugt einen Gegenstand oder eine Nachricht, zu deren Geheimhaltung er auf Grund des Beschlusses eines Gesetzgebungsorgans des Bundes oder eines Landes oder eines seiner Ausschüsse verpflichtet ist (Nr. 1) oder von einer anderen amtlichen Stelle unter Hinweis auf die Strafbarkeit der Verletzung der Geheimhaltungspflicht förmlich verpflichtet worden ist (Nr. 2), an einen anderen gelangen lässt oder öffentlich bekanntmacht und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet. Voraussetzung für die Strafverfolgung ist gemäß § 353b IV StGB eine Ermächtigung des Präsidenten des Gesetzgebungsorgans, der obersten Bundesbehörde oder der obersten Landesbehörde. Die Vorschrift schützt „wichtige öffentliche Interessen“ vor Gefährdungen durch Verletzungen der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit.608 Ebenso wie bei § 203 StGB, der den Schutz von Individualinteressen bezweckt, aber dem § 353b StGB ansonsten sehr ähnlich ist, handelt es sich bei der Vorschrift um ein Sonderdelikt. Für einen Journalisten kommt daher auch hier nur eine Strafbarkeit wegen Beihilfe oder Anstiftung in Betracht. Ein Fall, in dem gegen zwei Journalisten wegen einer strafbaren Beteiligung nach §§ 353b, 27 StGB ermittelt wurde, ist der Fall „Cicero“, der letztendlich zu einer viel beachteten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geführt hat. Das Politmagazin „Cicero“ hatte im April 2005 geheime Informationen über den Terroristen Abu Musab al Zarqawi veröffentlicht und dabei aus einem vertraulichen Dossier des BKA zitiert. Dies war Anlass für eine Ermittlung gegen den Journalisten Bruno Schirra und 608
Lackner/Kühl-Kühl, § 353b, Rn. 1; Schönke/Schröder-Perron, § 353b, Rn. 1.
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
den Chefredakteur Wolfgang Weimer wegen Beihilfe zur Verletzung des Dienstgeheimnisses, in deren Verlauf sowohl die Redaktionsräume des Cicero als auch Schirras Privatwohnung durchsucht wurden.609 Der Chefredakteur legte gegen die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts Potsdam zur Zulässigkeit der Durchsuchung der Redaktionsräume sowie der Beschlagnahme von Redaktionsmaterial Verfassungsbeschwerde ein und rügte darin unter anderem eine Verletzung von Art. 5 I 2 GG. Dies hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt und festgestellt: „Eine Durchsuchung in Presseräumen stellt wegen der damit verbundenen Störung der redaktionellen Arbeit und der Möglichkeit einer einschüchternden Wirkung eine Beeinträchtigung der Pressefreiheit dar. […] Auch können potentielle Informanten durch die begründete Befürchtung, bei einer Durchsuchung könnte ihre Identität festgestellt werden, davon abgehalten werden, Informationen zu liefern, die sie nur im Vertrauen auf die Wahrung ihrer Anonymität herauszugeben bereit sind. Überdies liegt in der Verschaffung staatlichen Wissens über die im Bereich journalistischer Recherche hergestellten Kontakte ein Eingriff in das Redaktionsgeheimnis, dem neben dem Vertrauensverhältnis der Medien zu ihren Informanten eigenständige Bedeutung zukommt.“610 Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung ebenfalls betont, dass Durchsuchungen und Beschlagnahmen in einem Ermittlungsverfahren gegen Presseangehörige verfassungsrechtlich unzulässig sind, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend dem Zweck dienen, die Person des Informanten zu ermitteln.611 Allerdings ging es bei der Verfassungsbeschwerde nur um die Zulässigkeit der Durchsuchung und der Beschlagnahme, so dass sich aus dem Urteil keine unmittelbaren Schlussfolgerungen für die Strafbarkeit eines Journalisten wegen einer Anstiftung oder Beihilfe zur Verletzung eines Dienstgeheimnisses oder einer besonderen Geheimhaltungspflicht ziehen lassen. Sie verdeutlicht jedoch die negativen Auswirkungen, die eintreten, wenn man eine Strafbarkeit der Medienmitarbeiter in derartigen Fällen bejaht.
II. Verletzung von Dienstgeheimnissen nach § 353b I StGB Die Regelung des § 353b I StGB entspricht im Wesentlichen dem § 203 II StGB, Unterschiede bestehen lediglich im Täterkreis sowie darin, dass die Geheimnisoffenbarung bei § 353b I StGB zu einer Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen führen muss. Es wird an dieser Stelle also ausschließlich auf diese Abweichungen eingegangen und im Übrigen auf die Darstellung des § 203 II StGB verwiesen.612 609 610 611 612
Vgl. Brüning, NStZ 2006, 253. BVerfGE 117, 244 (259 f.). BVerfGE 117, 244 (265). Siehe bereits Dritter Teil, Kapitel A.I.5.c).
D. Anstiftung oder Beihilfe zur Verletzung eines Dienstgeheimnisses
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1. Täterkreis: nur Angehörige der in § 353b I Nr. 1 bis 3 StGB genannten Personengruppen Als Täter kommen nur Angehörige der in § 353b I Nr. 1 bis 3 StGB genannten Personengruppen in Frage. Dies sind nach Nr. 1 Amtsträger, nach Nr. 2 für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete sowie nach Nr. 3 Personen mit Aufgaben im Personalvertretungsrecht. Allerdings ist es unerheblich, ob das Verhältnis zur Zeit der Tat noch bestand. Entscheidend ist, dass der Täter zum Zeitpunkt, in dem er von dem Geheimnis Kenntnis erlangt hat, zu den genannten Personen gehörte.613 2. Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen Durch das Offenbaren muss eine konkrete Gefahr für „wichtige öffentliche Interessen“ eintreten.614 Wann dies der Fall ist und wichtige öffentliche Interessen vorliegen und gefährdet sind, ist vom Tatrichter selbst zu prüfen und unterliegt dessen Feststellungen.615 Dies ist beispielsweise gegeben, wenn es um die Weitergabe eines Staatsgeheimnisses geht.616 Auch die Durchführung von Fahndungsmaßnahmen, Sicherheitsvorkehrungen, Planungsvorhaben und ähnlichen Maßnahmen ist umfasst.617 Zudem kann nach Auffassung des Bundesgerichtshofs eine Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen auch dadurch eintreten, dass die Tatsache des Geheimnisbruchs öffentlich bekannt wird und auf diese Weise das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Verwaltung erschüttert wird.618 Nicht erfüllt ist der Tatbestand bei privaten Interessen oder öffentlichen Interessen, die nicht von besonderer Wichtigkeit sind.619
III. Verletzung einer besonderen Geheimhaltungspflicht nach § 353b II StGB § 353b II StGB regelt die Verletzung einer durch förmliche Verpflichtung begründeten Geheimhaltungspflicht von Personen, die nicht zur Gruppe der in Absatz 1 genannten Berufsgeheimnisträger gehören.620
613
Schönke/Schröder-Perron, § 353b, Rn. 10. Schönke/Schröder-Perron, § 353b, Rn. 9; Lackner/Kühl-Kühl, § 353b, Rn. 11. 615 BGHSt 10, 276 (277 f.). 616 BGHSt 20, 342 (348 f.); MüKo-StGB-Graf, § 353b, Rn. 37. 617 Schönke/Schröder-Perron, § 353b, Rn. 9, mit weiteren Beispielen. 618 BGHSt 11, 401 (404); Lackner/Kühl-Kühl, § 353b, Rn. 11; anderer Ansicht Schönke/ Schröder-Perron, § 353b, Rn. 9. 619 MüKo-StGB-Graf, § 353b, Rn. 37. 620 MüKo-StGB-Graf, § 353b, Rn. 55. 614
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
1. Täterkreis: Personen mit auferlegter Geheimhaltungspflicht Als Täter des § 353b II StGB kommen nur Personen in Frage, denen eine Geheimhaltungspflicht nach Nr. 1 oder Nr. 2 auferlegt worden ist. Die Geheimhaltungspflicht muss also durch einen entsprechenden Beschluss eines Gesetzgebungsorgans des Bundes oder eines Landes oder eines seiner Ausschüsse (Nr. 1) oder durch die förmliche Verpflichtung einer anderen amtlichen Stelle (Nr. 2) begründet worden sein.621 2. Tatobjekt: Gegenstände und Nachrichten, zu deren Geheimhaltung der Täter verpflichtet ist Als Tatobjekt kommen Gegenstände und Nachrichten in Frage, zu deren Geheimhaltung der Täter verpflichtet ist. Gegenstände sind alle körperlichen Sachen, also etwa Schriften, Zeichnungen und Modelle.622 Unter Nachrichten sind hingegen mündliche Mitteilungen über irgendwelche Vorgänge oder Zustände zu verstehen.623 Damit die erforderliche Beschränkung eintritt, muss die besondere Verpflichtung zur Geheimhaltung jeweils auf den konkreten Gegenstand oder die konkrete Nachricht bezogen sein.624 3. Tathandlung des § 353b II StGB: Gelangenlassen an einen anderen bzw. öffentliches Bekanntmachen Die Tathandlung des § 353b II StGB besteht darin, den Gegenstand oder die Nachricht an einen anderen gelangen zu lassen – tatbestandsmäßig ist dies jedoch nur, wenn es sich um einen unbefugten Empfänger handelt. Bei körperlichen Gegenständen ist darunter die Überführung in den Gewahrsam des Empfängers zu verstehen, wobei es auf die tatsächliche Kenntnisnahme nicht ankommt. Bei Nachrichten genügt auch die Kenntnisnahme ohne Gewahrsamsübergang. Das öffentliche Bekanntmachen erfolgt regelmäßig durch das inhaltliche Bekanntmachen, es ist aber auch das öffentliche Ausstellen eines Gegenstandes umfasst. Tatsächliche Kenntnisnahme durch einen anderen ist in diesem Fall ebenfalls nicht erforderlich.625 In beiden Fällen muss durch die Tathandlung eine konkrete Gefährdung für wichtige öffentliche Interessen eintreten. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen zu § 353b I StGB verwiesen.626
621 622 623 624 625 626
Schönke/Schröder-Perron, § 353b, Rn. 13. Schönke/Schröder-Perron, § 353b, Rn. 12; Fischer, § 353b, Rn. 11. Schönke/Schröder-Perron, § 353b, Rn. 12; Fischer, § 353b, Rn. 11. Lackner/Kühl-Kühl, § 353b, Rn. 9. Schönke/Schröder-Perron, § 353b, Rn. 17. Siehe bereits Dritter Teil, Kapitel D.II.2.
D. Anstiftung oder Beihilfe zur Verletzung eines Dienstgeheimnisses
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IV. Beteiligung von Journalisten an der Verletzung von Dienstgeheimnissen Journalisten gehören nicht zum tauglichen Täterkreis des § 353b StGB. Sie können daher nur wegen einer Beteiligung an der Verletzung von Dienstgeheimnissen bestraft werden. Jedoch gilt entsprechend dem bereits im Zusammenhang mit § 203 StGB diskutierten Grundsatz der straflosen Mindestmitwirkung, dass das bloße Entgegennehmen eines geschützten Gegenstandes oder Rezipieren einer geschützten Nachricht beziehungsweise eines Dienstgeheimnisses noch nicht für eine Strafbarkeit des Journalisten wegen Beihilfe ausreicht.627 Für eine Strafbarkeit ist vielmehr erforderlich, dass ein Journalist von sich aus aktiv wird und seinen Informanten zu der Tat verleitet oder ihn dabei in einem über das tatbestandsnotwendige Mindestmaß hinaus unterstützt. Zweifellos ist dies etwa der Fall, wenn der Journalist auf den Geheimnisträger einwirkt und ihn dadurch erst zu der Verletzung anstiftet. 1. Beihilfe durch Veröffentlichen eines Geheimnisses: Problem der sukzessiven Beihilfe im Beendigungsstadium Schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob allein die Veröffentlichung eines geschützten Inhaltes eine strafbare Beihilfe darstellen kann. Die Tat des § 353b StGB ist mit dem Offenbaren oder Gelangenlassen an einen anderen bereits vollendet, aber noch nicht zwingend beendet. Will der Geheimnisträger dem Journalisten beispielsweise lediglich Hintergrundinformationen liefern und erfolgt die Veröffentlichung abredewidrig, ist die Tat mit der Offenbarung des Geheimnisses nicht nur vollendet, sondern auch bereits beendet. Die Veröffentlichung ist dann keine strafbare Beihilfe, weil sie nach Beendigung der teilnahmefähigen Haupttat erfolgt. Sieht der Tatplan des Amtsträgers hingegen die Veröffentlichung des Geheimnisses vor, tritt die Beendigung auch erst mit der planmäßigen Veröffentlichung ein.628 Ob die Veröffentlichung in diesen Fällen eine strafbare Beihilfe ist, hängt demnach davon ab, ob die Annahme einer sukzessiven Beihilfe nach Vollendung aber vor Beendigung generell möglich ist. 2. Die sukzessive Beihilfe in Literatur und Rechtsprechung Nach ständiger Rechtsprechung und einem Teil des Schrifttums wird die Figur der sukzessiven Beihilfe anerkannt, so dass eine Beihilfe auch über den Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung hinaus noch bis zur „materiellen Beendigung“ der Tat, also bis zur Sicherung des Taterfolges möglich ist.629 Demnach wäre eine Beihilfe des 627
Siehe bereits Dritter Teil, Kapitel A.I.5.d)cc). BVerfGE 117, 244 (263 f.). 629 Z. B. RGSt 23, 292 (293); 58, 13 (14 f.); 71, 193 (194); BGHSt 3, 40 (43 f.); 4, 132 (133); 6, 248 (251); BGH NStZ 2000, 594; Wessels/Beulke, Strafrecht AT, Rn. 583. 628
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
Journalisten zu § 353b StGB durch die Veröffentlichung möglich, selbst wenn der Haupttäter den Tatbestand mit der Offenbarung an den Journalisten bereits vollständig erfüllt hat, er aber als endgültigen Erfolg eine Veröffentlichung in den Medien anstrebt. Demgegenüber lehnt ein großer Teil der Literatur die Einordnung von Handlungen, die nach der Tatbestandserfüllung zur Unterstützung des Täters erfolgen, als Beihilfe ab.630 Nach dieser Ansicht bliebe das Veröffentlichen der geheimen Inhalte durch den Journalisten ausnahmslos straflos. 3. Kritische Würdigung und Stellungnahme Problematisch an der sukzessiven Beihilfe im Beendigungsstadium ist, dass es keine klaren Kriterien gibt, nach denen sich dieser Zeitraum eindeutig definieren lässt. Kühl spricht daher auch von „völlig willkürlich“ festgelegten Beendigungszeiträumen.631 Die Anerkennung einer Beihilfe im Beendigungsstadium ist daher mit erheblichen Rechtsunsicherheiten verbunden und im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot problematisch.632 Ferner verbietet auch der Wortlaut des § 27 StGB die Möglichkeit der Beihilfe im Beendigungsstadium. Er schreibt vor, dass die Hilfe „zur Tat“ geleistet werden muss. Darunter ist aber allein die Phase zu verstehen, in der sich das tatbestandsmäßige Geschehen vollzieht.633 Die Figur der sukzessiven Beihilfe ist demnach abzulehnen. Aus der Entstehungsgeschichte der strafrechtlichen Veröffentlichungsverbote lässt sich ebenfalls schließen, dass das Veröffentlichen geheimer Informationen, die unter Verwirklichung des § 353b StGB erlangt wurden, straflos sein muss. Nach § 353c StGB a. F. war es strafbar, amtliche Schriftstücke, die als geheim oder vertraulich bezeichnet waren, öffentlich mitzuteilen oder bekannt zu machen, wenn dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet wurden. Diese allgemeine Regelung wurde aufgehoben und § 353d StGB legt nunmehr detailliert fest, unter welchen Voraussetzungen der Verstoß gegen ein Veröffentlichungsverbot strafbar ist.634 § 353d StGB stellt somit eine abschließende Regelung dar, weshalb im Umkehrschluss die Verbreitung in anderen Fällen straflos ist.635 Aus diesem Grund ist das Veröffentlichen als Hilfeleistung zu einer Verletzung von Dienstgeheimnissen oder besonderen Geheimhaltungspflichten im Beendigungsstadium entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung keine strafbare 630 Z. B. Bottke, JA 1980, 378 (379); Brüning, NStZ 2006, 253 (255); Kühl, JuS 1982, 189; ders., in: FS Roxin, S. 665 (679 f.); Roxin, Strafrecht AT II, § 26, Rn. 259, m.w.N. 631 Kühl, JuS 1982, 189 (191); ders., in: FS Roxin, S. 665 (675 f.). 632 Roxin, Strafrecht AT II, § 26, Rn. 262; Brüning, NStZ 2006, 253 (255). 633 MüKo-StGB-Joecks, § 27, Rn. 17. 634 Siehe dazu bereits Dritter Teil, Kapitel B.IV. 635 Brüning, NStZ 2006, 253 (255).
D. Anstiftung oder Beihilfe zur Verletzung eines Dienstgeheimnisses
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Beihilfe – unabhängig davon, ob der Haupttäter eine Veröffentlichung in den Medien erreichen wollte oder der Journalist nur Hintergrundinformationen bekommen sollte. In der Praxis wird sich ein Journalist dennoch an der Rechtsprechung orientieren, weil er andernfalls eine Verurteilung riskiert.
V. Geplante Gesetzesänderung: Gesetzentwurf zur Stärkung der Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht Als Reaktion auf die Cicero-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Gesetzesänderung zur Stärkung der Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht geplant.636 Deren erklärtes Ziel ist die Stärkung des Schutzes von Medienangehörigen vor Ermittlungstätigkeiten nach der Veröffentlichung zugeleiteten Materials. „Medienangehörige müssen ihrer Aufgabe, staatliches Handeln zu kontrollieren und Missstände aufzudecken, frei und ungehindert nachkommen können“ begründete Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger den Entwurf gegenüber der Welt am Sonntag.637 Erreicht werden soll dies durch eine Änderung des § 353b StGB, die die Strafbarkeit der „Beihilfe nach Vollendung der Tat“ ausschließt. Denn „nach der Rechtsprechung und einer verbreiteten Auffassung in der Literatur ist eine Beihilfe zu § 353b StGB auch nach Vollendung der Haupttat möglich, also insbesondere noch nach der Offenbarung des Geheimnisses durch den Amtsträger an den Medienangehörigen. Medienangehörige, die entsprechende Geheimnisse veröffentlichen, können sich deshalb strafbar machen, obwohl sie selbst keiner Geheimhaltungspflicht unterliegen. Damit werden die Medien in der Ausübung einer ihrer wesentlichen Funktionen, der kritischen Recherchearbeit und Berichterstattung, eingeschränkt.“638 Des Weiteren ist eine Änderung des § 97 StPO dahingehend vorgesehen, dass eine Beschlagnahme bei Medienangehörigen, die gemäß § 53 I Nr. 5 StPO zeugnisverweigerungsberechtigt sind und gegen die der Verdacht einer Tatbeteiligung besteht, nur dann statthaft ist, wenn dieser Tatverdacht dringend ist.639 Aus den bereits genannten Gründen ist eine strafbare Beihilfe nach Vollendung der Tat ohnehin abzulehnen, so dass es sich bei der geplanten Gesetzesänderung des 636
Die geplante Gesetzesänderung ist nach Fertigstellung dieser Arbeit am 01. 08. 2012 als „Gesetz zur Stärkung der Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht“ (PrStG) in Kraft getreten und hat § 353b StGB um den folgenden Absatz 3a ergänzt: „Beihilfehandlungen einer in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 der Strafprozessordnung genannten Person sind nicht rechtswidrig, wenn sie sich auf die Entgegennahme, Auswertung oder Veröffentlichung des Geheimnisses oder des Gegenstandes oder der Nachricht, zu deren Geheimhaltung eine besondere Verpflichtung besteht, beschränken.“ 637 Vgl.: http://www.welt.de/politik/deutschland/article7036008/Justizministerin-will-diePressefreiheit-staerken.html; letzter Zugriff am 25. 01. 2012. 638 BT-Drs. 17/335, S. 1. 639 BT-Drs. 17/335, S. 2.
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§ 353b StGB nicht um eine Änderung der Rechtslage handelt, sondern nur um einen Beitrag zur Rechtssicherheit. Im Hinblick auf den Schutz des investigativen Journalismus ist diese Klarstellung zu begrüßen. Schon im Zusammenhang mit § 201a StGB und § 238 StGB wurde gezeigt, dass bereits die mit einer eventuellen Strafverfolgung verbundene Verunsicherung der Medienangehörigen eine Beeinträchtigung der Pressefreiheit darstellt. Daher ist auch die Schaffung von Rechtssicherheit eine positive Entwicklung. Zudem ist diese Entwicklung im Hinblick auf den Informantenschutz begrüßenswert. Von der materiellen Bewertung der Strafbarkeit eines Journalisten hängt ab, ob eine Durchsuchung der Redaktionsräume unter die strengen Voraussetzungen des § 103 StPO oder des § 97 V 2 i.V.m. II 3 StPO fällt, da bei einem Verdacht gegen den Journalisten selbst aufgrund seines Beschuldigtenstatus nach § 97 V 2 i.V.m. II 3 StPO das Beschlagnahmeverbot für zeugnisverweigerungsberechtigte Angehörige der Presse nicht greift.640 Erhöhte Rechtssicherheit in Bezug auf die Strafbarkeit der Journalisten führt dementsprechend auch dazu, dass die Durchsuchung von Redaktionsräumen seltener erfolgt. Je klarer im Vorfeld feststeht, dass eine Strafbarkeit des Journalisten ausgeschlossen ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Ermittlungsbehörden fälschlicherweise von der Zulässigkeit einer Durchsuchung ausgehen. Damit profitiert auch das Vertrauen der Informanten in die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses von der geplanten Änderung. Denn selbst wenn – wie im Fall Cicero – im Nachhinein festgestellt wird, dass die Durchsuchung rechtswidrig war, kann allein ihre Durchführung zur Folge haben, dass potentielle Informanten abgeschreckt werden und ihre Informationen nicht mehr an die Medien weitergeben.
VI. Fazit Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die Absage, die der Gesetzgeber der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit der Änderung des § 353b StGB erteilen will, eine gutzuheißende Entscheidung zugunsten des investigativen Journalismus darstellt. Bis diese in Kraft getreten ist, besteht jedoch weiterhin eine ernstzunehmende Beeinträchtigung, insbesondere wegen potentieller Durchsuchungen von Redaktionsräumen im Zusammenhang mit einem Verdacht auf Beteiligung eines Journalisten an der Verletzung eines Dienstgeheimnisses oder einer besonderen Geheimhaltungspflicht sowie einer Verunsicherung der Medienangehörigen, die ein Ermittlungsverfahren befürchten müssen, wenn sie geheime Informationen veröffentlichen.
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Brüning, NStZ 2006, 253 (256).
E. § 259 StGB, Hehlerei
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E. § 259 StGB, Hehlerei Nach § 259 I StGB ist es strafbar, eine Sache, die ein anderer gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat, anzukaufen oder sonst sich oder einem Dritten zu verschaffen, sie abzusetzen oder absetzen zu helfen, um sich oder einen Dritten zu bereichern. Im Zusammenhang mit dem investigativen Journalismus kann die Vorschrift in zwei Konstellationen einschlägig sein. Zu denken ist zum einen an die Möglichkeit, dass ein Informant Dokumente stiehlt und der Journalist sie entgegennimmt, um die darin enthaltenen Informationen für seinen Bericht zu verwenden. Zum anderen kann eine strafbare Hehlerei vorliegen, wenn sich ein Journalist gesuchte Beutegegenstände verschafft, um Bilder davon zu veröffentlichen.641 Rose unterstellt in diesem Fall auch die erforderliche Bereicherungsabsicht, weil sich der Journalist durch die Veröffentlichung seines Berichts einen Vermögensvorteil verschaffen will. Sie kommt auf diese Weise zu dem Schluss, dass ein Journalist, der sich auf ein Geschäft mit „heißer Ware“ einlässt, „schnell in den Bereich der strafbaren Hehlerei geraten“ kann.642 Dabei bleibt jedoch unberücksichtigt, dass der objektive Tatbestand des § 259 I StGB nicht erfüllt ist, wenn sich der Erwerber den Beutegegenstand lediglich verschafft, um ihn an den Berechtigten zurückzugeben.643 Auch das bloße Verwahren, Leihen oder eine andere vorübergehende Nutzung ist kein Sichverschaffen im Sinne des § 259 StGB, wenn damit kein Verlust der übergeordneten Verfügungsbefugnis des Vortäters verbunden sein soll.644 Denn in diesen Fällen fehlt es an dem Willen, eine eigene Verfügungsgewalt an der bemakelten Sache zu begründen.645 Ein Journalist will in der Regel aber die erhaltenen Beutegegenstände nicht für sich behalten. Stattdessen wird er sie nach der Fertigstellung seiner Dokumentation entweder an denjenigen zurückgeben, von dem er sie erhalten hat, oder er wird sie den Behörden beziehungsweise dem Berechtigten übergeben. Daher erfüllt er den Tatbestand auch dann nicht, wenn er sie vorher zum Zwecke der Ablichtung an sich nimmt und mit der Berichterstattung darüber Geld verdient. Entsprechend liegt auch kein Sichverschaffen im Sinne des § 259 I StGB vor, wenn man sich eine gestohlene Urkunde vorübergehend vom Vortäter aushändigen lässt, um Kenntnisnahme von ihrem Inhalt zu erlangen und davon beispielsweise im Wege der Veröffentlichung Gebrauch zu machen.646 Aus diesem Grund ist ein Journalist auch nicht wegen Hehlerei strafbar, wenn er sich gestohlene Unterlagen 641 Vgl. die Beispiele bei Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 94 und Eichhoff, Investigativer Journalismus aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 199. 642 Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 94 f. 643 LK-Walter, § 259, Rn. 42; MüKo-StGB-Lauer, § 259, Rn. 72. 644 BGH StV 1987, 197; wistra 1993, 146; Fischer, § 259, Rn. 12. 645 Schönke/Schröder-Stree/Hecker, § 259, Rn. 17. 646 BGH MDR 1958, 13.
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
von seinem Informanten aushändigen lässt, weil er den Inhalt auf seine Verwertbarkeit überprüfen will, und diese anschließend zurückgibt oder vernichtet. Demzufolge gerät ein Journalist nicht in Konflikt mit § 259 I StGB, solange er die bemakelten Gegenstände nur kurzfristig zum Zwecke der Informationsbeschaffung oder Dokumentation nutzt. Ein darüber hinausgehendes Verhalten, das den Tatbestand erfüllen würde, ist für journalistische Recherchezwecke aber nicht erforderlich. Eine Beeinträchtigung des investigativen Journalismus ist in § 259 I StGB folglich nicht zu sehen.
F. Die Landespressegesetze In den Landespressegesetzen sind besondere Strafvorschriften für die Presse enthalten. § 20 LPG enthält neben der generellen Verweisung auf die allgemeinen Strafgesetze eine Sonderhaftung für verantwortliche Redakteure und Verleger, um die es an späterer Stelle in einem eigenen Kapitel zur Strafbarkeit von Verlegern, Redakteuren und Herausgebern gehen wird.647 § 21 LPG regelt strafbare Verstöße gegen die Presseordnung. Davon werden etwa die Bestellung einer Person zum verantwortlichen Redakteur, die den Anforderungen des § 9 LPG nicht entspricht, oder Verstöße gegen die Impressumsvorschriften erfasst. Diese Ordnungsverstöße sind für den investigativen Journalismus jedoch nicht relevant und werden daher nicht weiter erörtert.
G. Das Kapitalmarktstrafrecht Das Kapitalmarktstrafrecht enthält zwei Strafvorschriften, die den investigativen Journalismus betreffen können. Zum einen im Bereich der Insiderstraftaten, wenn es um die unbefugte Weitergabe von Insiderinformationen gemäß §§ 38 I Nr. 2, 39 II Nr. 3, 14 I Nr. 2 WpHG geht, zum anderen kann eine irreführende Berichterstattung über börsennotierte Unternehmen gemäß §§ 38 II, 39 II Nr. 11, 20a I 1 Nr. 1 WpHG eine strafbare Marktmanipulation darstellen.
I. §§ 38 I Nr. 2, 39 II Nr. 3, 14 I Nr. 2 WpHG, unbefugte Weitergabe von Insiderinformationen 1. Grundlagen Die Aktivitäten börsennotierter Unternehmen sind von großem öffentlichen Interesse und damit zwangsläufig Objekt der journalistischen Berichterstattung. Werden in den Medien bis dahin nicht öffentlich bekannte Insiderinformationen 647
Siehe dazu Dritter Teil, Kapitel K.
G. Das Kapitalmarktstrafrecht
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veröffentlicht, kann darin ein strafbewehrter Verstoß gegen das Verbot der unbefugten Weitergabe gemäß §§ 38 I Nr. 2, 39 II Nr. 3, 14 I Nr. 2 WpHG liegen. Die Strafvorschrift des § 38 I Nr. 2 WpHG verweist über den Bußgeldtatbestand des § 39 II Nr. 3 WpHG auf das in § 14 I Nr. 2 WpHG geregelte Verbot der unbefugten Weitergabe von Insiderinformationen. Aus dem Zusammenspiel dieser Vorschriften ergibt sich das mit Strafe bedrohte Verbot, einem anderen eine Insiderinformation unbefugt mitzuteilen oder zugänglich zu machen. Allerdings beschränkt § 38 I Nr. 2 lit. a bis d WpHG den Kreis der tauglichen Täter auf bestimmte Personengruppen, die sogenannten „Primärinsider“.648 2. Täterkreis: Primärinsider Zu den Primärinsidern gehören gemäß § 38 I Nr. 2 lit. c WpHG auch diejenigen, die aufgrund ihres Berufes oder ihrer Tätigkeit oder ihrer Aufgabe bestimmungsgemäß über eine Insiderinformation verfügen. Das Merkmal „bestimmungsgemäß“ grenzt den andernfalls sehr weiten Täterkreis ein. Es schreibt vor, dass Beruf, Tätigkeit oder Aufgabe nicht nur ursächlich für die Kenntniserlangung sein müssen, sondern dass es darüber hinaus eines inneren Zusammenhangs zwischen der Kenntniserlangung und dem Beruf beziehungsweise der Tätigkeit des potentiellen Insiders bedarf.649 Nicht „bestimmungsgemäß“ ist demnach eine zufällige oder nur bei Gelegenheit der Tätigkeit oder Berufsausübung gewonnene Information.650 Die Frage, ob auch Journalisten bestimmungsgemäß in den Besitz von Insiderinformationen kommen, wird nicht einheitlich beantwortet. Während die herrschende Meinung dies – zum Teil allerdings nur für Wirtschaftsjournalisten, denen Insiderinformationen gezielt mitgeteilt werden – unproblematisch bejaht, da auch Journalisten die Informationen nur aufgrund ihres Berufes erhielten,651 betrachtet eine Mindermeinung dies differenzierter. Karsten Altenhain stellt auf die Widerrechtlichkeit der Informationserlangung ab. Nur wer berechtigterweise Insiderinformationen erhalte, kann seiner Ansicht nach Primärinsider sein. Da aber die Mitteilung von Informationen an Journalisten in der Regel unbefugt erfolge, seien diese grundsätzlich keine Primärinsider im Sinne des § 38 I Nr. 2 lit. c WpHG. Außerdem spreche gegen ihre Primärinsiderstellung, dass die Erlangung von Insiderkenntnissen nicht notwendigerweise mit ihrer Berufstätigkeit einhergehe. Ausnahmsweise nimmt aber auch Altenhain eine Primärinsiderstellung des Journalisten an, wenn die Weitergabe der Insiderinformation durch den Emittenten an ihn 648
Erbs/Kohlhaas-Wehowsky, § 38 WpHG, Rn. 6 f. Schwark/Zimmer-Zimmer/Cloppenburg, § 38 WpHG, Rn. 8. 650 BT-Drs. 12/6679, S. 46; Sturm, ZBB 2010, 20 (27); Schwark/Zimmer-Zimmer/Cloppenburg, § 38 WpHG, Rn. 8; Park-Hilgendorf, Teil 3, Kap. 3, Rn. 234. 651 Schäfer/Hamann-Schäfer, § 14, Rn. 51; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 273 ff.; Park-Hilgendorf, Teil 3, Kap. 3, Rn. 237; Schwark/Zimmer-Zimmer/Cloppenburg, § 38 WpHG, Rn. 8; Eichele, WM 1997, 501 (507 f.). 649
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
gerade zum Zwecke der Veröffentlichung erfolgt und daher nicht unbefugt ist.652 Noch weiter geht Joachim Vogel, der eine Primärinsiderstellung von Wirtschaftsjournalisten gänzlich ablehnt, da diese seiner Meinung nach strafrechtlich gesehen zu weit geht.653 Richtigerweise ist jedenfalls dann keine „bestimmungsgemäße“ Informationserlangung anzunehmen, wenn ein Journalist bei seinen Recherchen gegen den Willen des Emittenten Insiderinformationen aufdeckt, die letzterer geheim zu halten versucht,654 denn in diesen Fällen fehlt das erforderliche berufliche Näheverhältnis zum Emittenten. Für den investigativen Journalismus stellt dies den Regelfall dar, da er sich gerade dadurch auszeichnet, dass die Recherchen gegen den Widerstand der Betroffenen erfolgen und es zudem meistens um Themen geht, deren Verbreitung den Interessen des Emittenten widersprechen. Bei diesem Normverständnis ist der Straftatbestand für den investigativen Journalismus nur in Ausnahmefällen einschlägig. Bedenklich ist jedoch, dass die herrschende Meinung auch Journalisten zu den Primärinsidern zählt, ohne dies überhaupt zu problematisieren. Damit besteht für den einzelnen Journalisten in der Praxis ein hohes Risiko, dass er gleichwohl zum Kreis der tauglichen Täter gezählt wird. 3. Tatobjekt: Insiderinformationen Tatobjekt des § 38 I Nr. 2 WpHG sind Insiderinformationen. Diese definiert das Wertpapierhandelsgesetz in § 13 I WpHG folgendermaßen: „Eine Insiderinformation ist eine konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere selbst beziehen und die geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen.“ Der Begriff ist weit gefasst und schließt nicht nur Tatsachen ein, sondern auch überprüfbare Werturteile und Prognosen.655 Der Begriff der Insiderpapiere, auf die oder auf deren Emittenten sich die Information beziehen muss, ist in § 12 WpHG definiert. Demnach sind Insiderpapiere Finanzinstrumente, die an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen oder in den regulierten Markt oder in den Freiverkehr einbezogen sind (§ 12 Nr. 1 WpHG) sowie Finanzinstrumente, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind (§ 12 Nr. 2 WpHG) oder deren Preis unmittelbar oder mittelbar von Finanzinstrumenten nach Nummer 1 oder Nummer 2 abhängt (§ 12 Nr. 3 WpHG). Eine Begriffsbestimmung der Finanzinstrumente findet sich
652 653 654 655
KölnKom-WpHG-Altenhain, § 38, Rn. 72. Assmann/Schneider-Vogel, § 38, Rn. 31. So auch Assmann/Schneider-Vogel, § 38, Rn. 31. BT-Drs. 15/3174, S. 33; Sturm, ZBB 2010, 20 (25).
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wiederum in § 2 WpHG, darunter fallen insbesondere Aktien sowie Zertifikate, die Aktien vertreten.656 Für investigativ arbeitende Journalisten sind Insiderinformationen von großer Bedeutung, da sie bei ihren Recherchen gezielt nach Missständen suchen und die Enthüllung von Missständen in einem börsennotierten Unternehmen typischerweise geeignet ist, den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen. Ein Beispiel, bei dem ein Missstand durch die Weitergabe von Insiderinformationen aufgedeckt wurde, ist der Fall „ComROAD“, bei dem die Finanzjournalistin Renate Daum im Zuge ihrer Recherchen aufdeckte, dass das Unternehmen seine Bilanzen in großem Stil fälschte. Die Aktien des Unternehmens verloren daraufhin erheblich an Wert.657 Des Weiteren kommen als Insiderinformationen von besonderem Interesse für den investigativen Journalismus etwa die Aufdeckung von Korruption oder Steuerhinterziehung, illegaler Abfallbeseitigung oder illegaler Beschäftigung von Mitarbeitern in Betracht.658 4. Tathandlung: Unbefugte Weitergabe Mit Strafe bedroht ist die unbefugte Weitergabe der Insiderinformationen. Dabei ist das Merkmal „unbefugt“ als echtes Tatbestandsmerkmal und nicht lediglich als allgemeines Verbrechensmerkmal zu verstehen.659 Eine unbefugte Weitergabe liegt vor, wenn es sich nicht um eine aufgaben-, tätigkeits- oder berufsbedingte Weitergabe handelt.660 Dies ergibt sich im Wege einer unionsrechtskonformen Auslegung aus Art. 3 lit. a der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG, der mit dem Weitergabeverbot umgesetzt wurde. Demgemäß haben die Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen, dass eine Weitergabe durch Personen, die in Ausübung ihres Berufes Kenntnis von Insiderinformationen erlangen, untersagt ist, „soweit dies nicht im normalen Rahmen der Ausübung ihrer Arbeit oder ihres Berufes oder der Erfüllung ihrer Aufgaben geschieht“.661 Dabei sind strenge Maßstäbe anzulegen. Der Europäische Gerichtshof verlangt für die Zulässigkeit einer Informationsweitergabe, dass
656 Vertiefend dazu Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 116; Sturm, ZBB 2010, 20 (25). 657 Renate Daum hat ihre Recherchen in einem Buch veröffentlicht: Daum, Außer Kontrolle. Die auf den Skandal folgenden Klagen auf Schadensersatz haben den BGH nachhaltig beschäftigt. Eine Übersicht über die Fälle ComROAD I-VIII findet sich bei Möllers, NZG 2008, 413 ff. 658 Beispiele größtenteils nach Schröder, siehe Schröder, NJW 2009, 465 und ders., Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 274. 659 Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 289; Assmann/Schneider-Assmann, § 14, Rn. 72; Park-Hilgendorf, Teil 3, Kap. 3, Rn. 157. 660 Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 289; Park-Hilgendorf, Teil 3, Kap. 3, Rn. 161. 661 Siehe dazu Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 289.
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
sie „für die Ausübung einer Arbeit oder eines Berufs oder für die Erfüllung einer Aufgabe unerlässlich ist und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet“.662 a) Weitergabe innerhalb der Redaktion Jedenfalls die Bekanntgabe von Insiderinformationen im Rahmen der redaktionellen Arbeit ist auf die zwingend notwendige Kommunikation zu beschränken. Diesbezüglich herrscht sowohl bei den Medienvertretern als auch in der Rechtswissenschaft Einigkeit. Der Deutsche Presserat empfiehlt den Journalisten, durch entsprechende organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass Insiderinformationen auch innerhalb der eigenen Redaktion vertraulich behandelt werden: „Dabei könnte z. B. durch Zugangsregelungen zu bestimmten Redaktionskonferenzen und/ oder auch durch Vorkehrungen im gemeinsamen EDV-System (Passwort- und Berechtigungsregelungen) dafür Sorge getragen werden, dass kursrelevante Insiderinformationen nur für diejenigen Mitarbeiter des Presseunternehmens zugänglich sind, die diese journalistisch bearbeiten.“663 Zulässig ist aber die für den einzelnen Journalisten unerlässliche Beratung mit seinem Chefredakteur oder die Einholung einer externen Rechtsberatung, auch wenn dabei Insiderinformationen weitergegeben werden.664 Eine Beeinträchtigung der Pressefreiheit ist in dieser Einschränkung nicht zu sehen, da die Weitergabe stets zulässig ist, wenn sie für die journalistische Arbeit notwendig ist. Im Übrigen können sich die Journalisten durch Abstrahieren oder Anonymisieren der Informationen behelfen, wenn sie sich darüber hinaus etwa mit Kollegen austauschen wollen. b) Publikation in den Medien als unbefugte Weitergabe Fraglich ist jedoch, ob die Veröffentlichung von Insiderinformationen durch Journalisten in den Medien eine unbefugte Weitergabe darstellt. Der Deutsche Presserat geht jedenfalls ohne Weiteres von der Zulässigkeit einer solchen Veröffentlichung aus. In den Journalistischen Verhaltensgrundsätzen und Empfehlungen des Deutschen Presserats zur Wirtschafts- und Finanzmarktberichterstattung heißt es: „Verbote, Insiderinformationen zu verwenden, dürfen grundsätzlich nicht die journalistische Freiheit einschränken. Insiderinformationen dürfen im Rahmen der allgemein geltenden publizistischen Grundsätze journalistisch verwendet, insbesondere in der Presse veröffentlicht werden. Das gleiche gilt für weitere Informationen, die Wertpapierkurse beeinflussen können. […] Journalistinnen und Journa662
EuGH NJW 2006, 133 (134). Journalistische Verhaltensgrundsätze und Empfehlungen des Deutschen Presserats zur Wirtschafts- und Finanzmarktberichterstattung, S. 8; zu finden unter www.presserat.de/filead min/user_upload/Stellungnahmen/Empfehlungen_zur_Finanzberichterstattung.pdf; letzter Zugriff am 25. 01. 2012. 664 Sturm, ZBB 2010, 20 (31); Schröder, NJW 2009, 465 (468). 663
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listen dürfen Insiderinformationen grundsätzlich nicht einem anderen mitteilen oder zugänglich machen. Gemeint ist damit jedoch nicht die journalistische Veröffentlichung der Insiderinformation, die gerade zu den Aufgaben des Journalisten gehört und zulässig ist.“665 aa) Kontroverse in der rechtswissenschaftlichen Literatur Diese vorbehaltlose Empfehlung, Insiderinformationen zu veröffentlichen, überrascht angesichts der Kontroverse, die zu dieser Fragestellung in der rechtswissenschaftlichen Literatur herrscht. Nach Auffassung von Heinz-Dieter Assmann und Eric Hilgendorf ist die Veröffentlichung von Insider-Informationen grundsätzlich strafbar.666 Frank A. Schäfer und Christian Pawlik gehen hingegen davon aus, dass die Verbreitung von Insiderinformationen über die Massenmedien prinzipiell zulässig ist, es sei denn, sie erfolgt in einem Medium mit kleinem Empfängerkreis, wie etwa einer Regionalzeitung oder einem regionalen Fernseh- oder Radiosender. In diesen Fällen diene die Veröffentlichung nicht der Herstellung einer Bereichsöffentlichkeit – also der Möglichkeit zur Kenntnisnahme für alle Finanzmarktteilnehmer – 667 und es trete somit gerade jene Verzerrung des Wettbewerbs ein, die das Insiderrecht zu verhindern sucht.668 Dieser vermittelnden Ansicht folgt auch Wolfgang Sturm.669 Demgegenüber geht Christian Schröder von der uneingeschränkten Zulässigkeit der Veröffentlichung von Insiderinformationen in den Medien aus, da die Differenzierung zwischen kleinen und großen Verlagen und Radiosendern der Presse- und Rundfunkfreiheit zuwiderlaufe, die auch von der Vielfalt der Medienlandschaft in Deutschland lebe. Zudem werde eine relevante Information, die zunächst über kleinere Medien verbreitet wird, ohnehin rasch durch die größeren Medien und Nachrichtenagenturen aufgegriffen und so umfassend verbreitet. Somit entspreche diese Lösung auch dem Sinn und Zweck des Insiderrechts.670 Hans Eichele sowie Matthias Cloppenburg und Dominik Kruse sehen in der Veröffentlichung in den Medien ebenfalls keine unbefugte Weitergabe.671
665
Journalistische Verhaltensgrundsätze und Empfehlungen des Deutschen Presserats zur Wirtschafts- und Finanzmarktberichterstattung, S. 3 u. 4; zu finden unter www.presserat.de/fi leadmin/user_upload/Stellungnahmen/Empfehlungen_zur_Finanzberichterstattung.pdf; letzter Zugriff am 25. 01. 2012. 666 Assmann/Schneider-Assmann, § 14, Rn. 102; Park-Hilgendorf, Teil 3, Kap. 3, Rn. 171. 667 Assmann/Schneider-Assmann, § 13, Rn. 34 f. 668 KölnKom-WpHG-Pawlik, § 14, Rn. 55; Schäfer/Hamann-Schäfer, § 14, Rn. 53. 669 Sturm, ZBB 2010, 20 (28 ff.). 670 Schröder, NJW 2009, 465 (467). 671 Eichele, WM 1997, 501 (508 f.); Cloppenburg/Kruse, WM 2007, 1109 (1114 f.).
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
bb) Kritische Würdigung und Stellungnahme Durch eine Veröffentlichung in den Medien wird sowohl den Belangen des Insiderrechts als auch der Presse- und Rundfunkfreiheit genüge getan. Das Verbot der unbefugten Weitergabe von Insiderinformationen dient dem Schutz des Wertpapiermarktes, indem es eine Ungleichverteilung von Informationen verhindert und somit „informationelle Chancengleichheit“ herstellt.672 Diese Chancengleichheit lässt sich durch die Veröffentlichung einer Information in den Medien – und sei es auch nur auf regionalem Gebiet – besser herstellen als durch deren Verbot. Denn sind die Insiderinformationen bereits an externe Journalisten gelangt, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass andere Personen ebenfalls im Besitz der Informationen sind und es so zu einer unkontrollierten Weitergabe kommen könnte.673 Auch ohne die unmittelbare Herstellung der Bereichsöffentlichkeit dient die Publikation somit den Interessen des Insiderrechts. Dementsprechend ist die Möglichkeit zur Publikation von Insiderinformationen in den Medien verfassungsrechtlich geboten.674 Ein Verbot wäre ein Eingriff in die von Art. 5 I 2 GG geschützte Freiheit der Berichterstattung, der nur dann verfassungsmäßig gerechtfertigt wäre, wenn er seinerseits zum Schutz des Wertpapiermarktes als schützenswertes Rechtsgut erforderlich wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall, da der Chancengleichheit der Anleger mit einer Veröffentlichung besser gedient ist. Diese Auslegung entspricht zudem der Richtlinie 2003/6/EG, deren 44. Erwägungsgrund ausdrücklich die verfassungsmäßigen Vorschriften der Mitgliedstaaten über die Pressefreiheit und die Freiheit der Meinungsäußerung anerkennt.675 Folglich ist allein die Auffassung verfassungskonform, die in der Veröffentlichung in den Medien keine unbefugte Weitergabe sieht. 5. Verfassungsrechtliche Bedenken Obwohl demnach eine Auslegung des Straftatbestands möglich ist, die die Belange der Pressefreiheit berücksichtigt, bleiben verfassungsrechtliche Bedenken aufgrund der Unbestimmtheit des Tatbestandes und der damit einhergehenden Verunsicherung der Medienangehörigen im Zusammenhang mit dem Verbot der Publikation bestehen. Es ist problematisch, dass eine Verurteilung vom Normverständnis des jeweiligen Strafrichters abhängt und ein Journalist darauf angewiesen 672
Sturm, ZBB 2010, 20 (28). Sturm, ZBB 2010, 20 (29). 674 Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 295; Cloppenburg/Kruse, WM 2007, 1109 (1114 f.). 675 Vgl. den 44. Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/6/EG: „Diese Richtlinie steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere Artikel 11, sowie mit Artikel 10 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten anerkannt wurden. Daher hindert sie die Mitgliedstaaten in keiner Weise daran, ihre verfassungsmäßigen Vorschriften über Pressefreiheit und Freiheit der Meinungsäußerung in den Medien anzuwenden.“ 673
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ist, dass dieser bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „unbefugt“ die Pressefreiheit ausreichend berücksichtigt. Denn an der vom Bundesverfassungsgericht für die Einhaltung des Bestimmtheitsgebotes geforderten Vorhersehbarkeit fehlt es auch dann, wenn dem Fachgericht durch die weite Auslegung eines Tatbestandsmerkmals erhebliche Entscheidungsspielräume zur Verfügung stehen, so dass Willkür nicht ausgeschlossen werden kann und mangels gefestigter Rechtsprechung eine bestimmte Entscheidung nicht vorhersehbar ist.676 So verhält es sich bei § 14 I Nr. 2 WpHG wie der kontroverse Meinungsstand in der Strafrechtswissenschaft zeigt. Dieser Unsicherheitsfaktor ist nicht nur wegen des Bestimmtheitsgebotes des Art. 103 II GG bedenklich, sondern stellt zudem eine faktische Beeinträchtigung der Pressefreiheit dar, weil er zu einer Selbstzensur der Medianangehörigen führen kann, die Publikationen im Zweifel aus Furcht vor Strafverfolgung unterlassen. Des Weiteren wurde bereits im Zusammenhang mit § 201 StGB und § 238 StGB umfassend erörtert, dass das Tatbestandsmerkmal „unbefugt“ kein taugliches Mittel ist, um journalistische Tätigkeiten von einem Straftatbestand auszuschließen. Diese Erwägungen treffen auch hier zu. Insbesondere ist wiederum die Parallele zu § 201 StGB zu ziehen. Wenn der Gesetzgeber bei diesem Straftatbestand, der ebenfalls ein unbefugtes Vorgehen unter Strafe stellt, ein Medienprivileg für erforderlich hielt, kann im Umkehrschluss auch bei § 14 I Nr. 2 WpHG eine Korrektur nicht allein über das Tatbestandsmerkmal „unbefugt“ erfolgen. Allein die Möglichkeit der verfassungskonformen Auslegung des Merkmals genügt demnach nicht zur Wahrung der Presse- und Rundfunkfreiheit, denn die Gefahr der Strafverfolgung für Journalisten wird dadurch nicht unterbunden. 6. Fazit In seiner aktuellen Fassung stellt das Verbot der unbefugten Weitergabe von Insiderinformationen gemäß §§ 38 I Nr. 2, 39 II Nr. 3, 14 I Nr. 2 WpHG eine Beeinträchtigung des investigativen Journalismus dar, weil er die Publikation von Insiderinformationen in den Medien dem Risiko der Strafverfolgung aussetzt. Abhilfe lässt sich nur durch eine Änderung der Vorschrift durch den Gesetzgeber erreichen. Ansetzen ließe sich zunächst beim Kreis der tauglichen Täter, von dem Journalisten ausdrücklich ausgenommen werden könnten. Weil dies die Strafbarkeit wegen einer möglichen Beteiligung jedoch nicht ausschließen könnte, wäre vielmehr die Klarstellung im Tatbestand wünschenswert, dass die Veröffentlichung in den Medien durch einen Journalisten keine unbefugte Weitergabe im Sinne des § 14 I Nr. 2 WpHG darstellt. Da die Richtlinie 2003/6/EG die Berücksichtigung der nationalen Vorschriften über die Pressefreiheit explizit zulässt, wäre eine solche Neuformulierung auch richtlinienkonform.
676
Wandtke/Bullinger-Hildebrandt, § 106, Rn. 28.
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
II. §§ 38 II, 39 II Nr. 11, 20a I 1 Nr. 1 Var. 1 WpHG, unrichtige oder irreführende Berichterstattung über börsennotierte Unternehmen als verbotene Marktmanipulation 1. Grundlagen Bereits im Zusammenhang mit der unbefugten Weitergabe von Insiderinformationen wurde festgestellt, dass ein gesellschaftliches Interesse an den Aktivitäten börsennotierter Unternehmen besteht und sie häufig Gegenstand der journalistischen Berichterstattung sind. Diese Berichterstattung hat gerade im Bereich des investigativen Journalismus besonderes Kursbeeinflussungspotential. Denn wenn Missstände in einem Unternehmen aufgedeckt werden, wirkt sich dies regelmäßig auf dessen Börsenwerte aus. Enthält die Berichterstattung unrichtige oder jedenfalls irreführende Angaben, könnte dies gegen das Verbot der Marktmanipulation gemäß §§ 38 II, 39 II Nr. 11, 20a I 1 Nr. 1 Var. 1 WpHG verstoßen. Der Systematik des Wertpapierhandelsgesetzes entsprechend ergibt sich auch das Verbot der Marktmanipulation aus dem Zusammenlesen dreier Vorschriften: Die Strafvorschrift des § 38 II WpHG verweist auf den Bußgeldtatbestand des § 39 II Nr. 11 WpHG und dieser wiederum auf den § 20a WpHG, der unterschiedliche Erscheinungsformen der Marktmanipulation verbietet: die informations-, die handels- und die handlungsgestützte Manipulation.677 Für den investigativen Journalismus ist jedoch nur die informationsgestützte Manipulation durch unrichtige oder irreführende Angaben gemäß § 20a I 1 Nr. 1 Var. 1 WpHG von Bedeutung, so dass die übrigen Formen außer Betracht bleiben. § 20a I 1 Nr. 1 Var. 1 WpHG verbietet es, unrichtige oder irreführende Angaben über Umstände zu machen, die für die Bewertung eines Finanzinstruments erheblich sind, wenn die Angaben geeignet sind, auf den inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Finanzinstruments oder auf den Preis eines Finanzinstruments an einem organisierten Markt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einzuwirken. Im Gegensatz zum Verbot der unbefugten Weitergabe ist das Verbot der unrichtigen oder irreführenden Angaben kein Sonderdelikt mit eingeschränktem Täterkreis. 2. Unrichtige oder irreführende Angaben Unter Angaben sind nicht nur Tatsachen zu verstehen, sondern darüber hinaus auch innere Absichten, sowie Werturteile und Prognosen, vorausgesetzt, dass sie sich auf einen Tatsachenkern zurückführen lassen und somit überprüfbar sind.678 Un677
Park-Sorgenfrei, Teil 3, Kap. 4, Rn. 23. Park-Sorgenfrei, Teil 3, Kap. 4, Rn. 33; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 387. 678
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richtig sind sie, wenn sie nicht der Wahrheit entsprechen. Dabei wird als Maßstab der objektive Empfängerhorizont angelegt und anhand dessen überprüft, ob sich die Angaben mit den objektiven Umständen decken. Ist dies nicht der Fall, sind sie unrichtig.679 Allerdings muss die Unrichtigkeit zweifelsfrei feststehen, „die Angabe muss [also] schlechterdings als nicht mehr vertretbar erscheinen.“680 Irreführend sind hingegen Angaben, die zwar sachlich zutreffend sind, die aber aufgrund ihrer Darstellung geeignet sind, beim Empfänger eine falsche Vorstellung über den Sachverhalt zu erwecken.681 Insbesondere kann eine einseitige Schwerpunktsetzung in der Berichterstattung irreführend sein, etwa durch eine übermäßige Betonung positiver und das Verschweigen negativer Faktoren.682 In welcher Form die Angaben gemacht werden, ist unerheblich. Sie können mündlich, telefonisch, schriftlich oder mittels elektronischer Medien erfolgen.683 Eine Veröffentlichung unrichtiger oder irreführender Angaben in den Medien ist demnach grundsätzlich vom Tatbestand erfasst. 3. Bewertungserheblichkeit Die Umstände, auf die sich die Angaben beziehen, müssen für die Bewertung eines Finanzinstruments erheblich sein.684 Ob sich die Umstände dabei positiv oder negativ auf die Bewertung auswirken, ist irrelevant.685 Da es sich bei den „bewertungserheblichen Umständen“ um einen sehr weiten Rechtsbegriff handelt, ermächtigt § 20a V 1 Nr. 1 WpHG das Bundesministerium der Finanzen, durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen über Umstände, die für die Bewertung von Finanzinstrumenten erheblich sind, zu erlassen.686 Dies hat der Verordnungsgeber mit der „Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung“ (MaKonV) getan, die in § 2 I 1 MaKonV die bewertungserheblichen Umstände wie folgt konkretisiert: „Bewertungserhebliche Umstände im Sinne des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Wertpapierhandelsgesetzes sind Tatsachen und Werturteile, die ein verständiger Anleger bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde.“ Gemäß § 2 I 2 MaKonV gelten außerdem solche Umstände als bewertungserheblich, 679
Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 390. Park-Sorgenfrei, Teil 3, Kap. 4, Rn. 34. 681 Park-Sorgenfrei, Teil 3, Kap. 4, Rn. 36; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 391 ff. 682 Sturm, ZBB 2010, 20 (33). 683 Assmann/Schneider-Vogel, § 20a, Rn. 34; Park-Sorgenfrei, Teil 3, Kap. 4, Rn. 35; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 393 ff. 684 Zu den Finanzinstrumenten siehe bereits Dritter Teil, Kapitel G.I.3. 685 Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 396. 686 Zu der rechtswissenschaftlichen Debatte, ob diese Vorgehensweise verfassungsrechtlich zulässig ist, siehe Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rn. 401 m.w.N. Da sie für den investigativen Journalismus unerheblich ist, wird an dieser Stelle nicht näher darauf eingegangen. 680
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
„bei denen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie in Zukunft eintreten werden.“ Zudem enthält § 2 II MaKonV ein Regelbeispiel, demzufolge Insiderinformationen, die nach § 15 I 1 des Wertpapierhandelsgesetzes, sowie Entscheidungen und Kontrollerwerbe, die nach § 10 oder § 35 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes zu veröffentlichen sind, ebenfalls regelmäßig bewertungserhebliche Umstände im Sinne des § 2 I MaKonV sind. Die Absätze 3 und 4 enthalten zudem – nicht abschließende687 – Aufzählungen mit Beispielen für bewertungserhebliche Umstände.688 Dass die Berichterstattung über gesellschaftlich relevante Missstände bewertungserheblich sein kann, zeigt das von Schröder aufgeführte Beispiel des Öltanks „Brent Spar“: Im Jahr 1995 protestierte die Umweltorganisation Greenpeace gegen den angeblichen Plan des börsennotierten Erdölproduzenten Royal Dutch/Shell, den Tank trotz erheblicher Mengen darin befindlicher Ölrückstände in der Nordsee versenken zu wollen. Die Medien griffen den Protest auf und es kam infolgedessen zu einem Boykott der Shell-Tankstellen, so dass das Unternehmen massive Umsatzeinbußen zu verzeichnen hatte und die Aktie von Royal Dutch/Shell einbrach. Wie sich im Nachhinein herausstellte, waren die Vorwürfe jedoch von Beginn an unbegründet. Da Greenpeace sich bei der Menge an Ölrückständen verschätzt hatte, bestand zu keinem Zeitpunkt die Gefahr eines erheblichen Umweltschadens in der Nordsee.689 4. Einwirkung auf den Börsen- oder Marktpreis Eine mit Strafe bedrohte Manipulationshandlung liegt gemäß § 38 II WpHG nur vor, wenn die Angaben nicht nur – wie von § 20a I 1 Nr. 1 Var. 1 WpHG verlangt – dazu geeignet sind, auf den Börsen- oder Marktpreis einzuwirken, sondern es tatsächlich zu einer solchen Einwirkung gekommen ist. Der Täter muss demnach eine Preisbeeinflussung kausal und objektiv zurechenbar herbeigeführt haben. Ob es sich dabei um eine Beeinflussung „nach oben“ oder „nach unten“ handelt, spielt keine Rolle.690 Nicht erforderlich ist jedoch eine konkrete Gefährdung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes etwa durch einen Vermögensschaden einzelner Anleger oder eine Erschütterung des Vertrauens der Anleger.691 Beeinflusst also die Medienberichterstattung – wie etwa im eben genannten Fall „Brent Spar“ – den Börsen- oder Marktpreis, ist auch dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt.
687
Park-Sorgenfrei, Teil 3, Kap. 4, Rn. 50. Im Einzelnen zu den bewertungserheblichen Umständen nach der MaKonV siehe ParkSorgenfrei, Teil 3, Kap. 4, Rn. 37 ff. 689 Beispiel nach Schröder, NJW 2009, 465 (468). 690 Park-Sorgenfrei, Teil 3, Kap. 4, Rn. 70. 691 KölnKom-WpHG-Altenhain, § 38, Rn. 83. 688
G. Das Kapitalmarktstrafrecht
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5. Besonderer Beurteilungsmaßstab für Journalisten gemäß § 20a VI WpHG Allerdings enthält § 20a VI WpHG ein Journalistenprivileg. Danach ist bei Journalisten, die in Ausübung ihres Berufes handeln, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 20a I 1 Nr. 1 WpHG unter Berücksichtigung ihrer berufsständischen Regeln zu beurteilen, es sei denn, dass diese Personen aus den unrichtigen oder irreführenden Angaben direkt oder indirekt einen Nutzen ziehen oder Gewinne schöpfen. In dieser Privilegierung findet Art. 1 Nr. 2 lit. c S. 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG seine Umsetzung.692 Geschützt sind dadurch nicht nur hauptberufliche, sondern ebenso nebenberufliche oder nur gelegentlich tätige Journalisten, solange sie in Ausübung ihrer journalistischen Tätigkeit handeln. Auch für welches Medium sie tätig sind, ist unerheblich.693 Die einschlägigen berufsständischen Regeln finden sich zunächst in Ziffer 2 und Ziffer 7 des Pressekodex, die sich mit journalistischer Sorgfalt und der Trennung von Werbung und Redaktion befassen. In Ziffer 2 heißt es: „[…] Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.“ Ziffer 7 des Pressekodex lautet: „Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. […]“ Präzisiert wird dieses Gebot in den Richtlinien des Presserates. Die Richtlinie 7.4, die sich mit der Wirtschafts- und Finanzmarktberichterstattung beschäftigt, bestimmt unter anderem, dass Journalisten, die im Rahmen ihrer Berufsausübung Informationen erhalten, diese vor der Veröffentlichung nur für publizistische Zwecke nutzen dürfen. Des Weiteren dürfen sie keine Berichte über Wertpapiere und/oder deren Emittenten in der Absicht veröffentlichen, durch die Kursentwicklung des entsprechenden Wertpapieres sich oder ihnen nahestehende Personen zu bereichern. Außerdem wird die Einhaltung einer Frist von zwei Wochen vor oder nach einer Veröffentlichung über Wertpapiere empfohlen, in der ein Journalist diese weder kaufen noch verkaufen sollte. Des Weiteren hat der Deutsche Presserat besondere Empfehlungen für den Bereich der Finanzmarktberichterstattung herausgegeben, die ergänzend herangezogen werden können: die bereits im Zusammenhang mit § 14 I Nr. 2 WpHG angespro692 Schröder, NJW 2009, 465 (469); zur Entstehungsgeschichte: Spindler, NZG 2004, 1138 (1139). 693 Park-Sorgenfrei, Teil 3, Kap. 4, Rn. 77 f.
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
chenen Journalistischen Verhaltensgrundsätze und Empfehlungen des Deutschen Presserats zur Wirtschafts- und Finanzmarktberichterstattung. Diese enthalten keine zusätzlichen Pflichten, sondern konkretisieren die bereits im Pressekodex enthaltenen Pflichten im Hinblick auf die besonderen Anforderungen des Finanzmarktes.694 Dass der Pressekodex und die Verhaltensgrundsätze des Deutschen Presserates als freiwillige Selbstverpflichtungserklärungen nicht rechtsverbindlich sind, steht ihrer Heranziehung nicht entgegen. Begründet sind die fehlende Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit in der Vergangenheit der Deutschen Medien. Um eine Gleichschaltung der Medien – wie sie während des Nationalsozialismus in Deutschland herrschte – für die Zukunft auszuschließen, wurde in die Landespressegesetze jeweils in § 1 das Verbot der Zwangsmitgliedschaft in Berufsorganisationen aufgenommen und eine Standesgerichtsbarkeit der Presse für unzulässig erklärt.695 Da der Gesetzgeber in Kenntnis dieser Rechtslage gleichwohl auf die berufsständischen Regelungen verwiesen hat, kann deren mangelnde rechtliche Durchsetzbarkeit kein Hinderungsgrund sein.696 Dementsprechend ist der Tatbestand des § 20a WpHG unter Berücksichtigung dieser berufsständischen Regelungen auszulegen. Das bedeutet für einen Journalisten, dass er sich nicht strafbar macht, wenn er die journalistischen Sorgfalts-, Recherche-, Prüfungs- und Wahrheitspflichten sowie die Neutralitätspflicht beachtet und zudem Interessenkonflikte vermeidet oder jedenfalls offenlegt. Andererseits erfüllt eine bewusst unwahre Berichterstattung den Tatbestand ebenso wie Behauptungen, die „ins Blaue hinein“ gemacht werden, da derartige Verhaltensweisen nicht der journalistischen Sorgfaltspflicht entsprechen.697 Ebenso sind irreführende Angaben tatbestandsmäßig, wenn sich der Journalist des irreführenden Effektes bewusst ist.698 6. Fazit Ein investigativer Journalist, der sich an die berufsständischen Regeln hält, muss demzufolge im Bereich der Finanzmarktberichterstattung keine Strafverfolgung wegen einer verbotenen Marktmanipulation fürchten. In §§ 38 II, 39 II Nr. 11, 20a I 1 Nr. 1 Var. 1 WpHG ist mithin keine unzumutbare Beeinträchtigung des investigativen Journalismus zu sehen. Vielmehr wird die Pressefreiheit aufgrund des Journalistenprivilegs des § 20a VI WpHG hinreichend berücksichtigt und auf diese
694
Schröder, NJW 2009, 465 (469); Sturm, ZBB 2010, 20 (34). Schröder, NJW 2009, 465 (269). 696 Sturm, ZBB 2010, 20 (34). 697 Park-Sorgenfrei, Teil 3, Kap. 4, Rn. 79; Schröder, NJW 2009, 465 (469). 698 KölnKom-WpHG-Mock/Stoll/Eufinger, § 20a, Rn. 402; Spindler, NZG 2004, 1138 (1144). 695
H. Das Urheberrechtsgesetz
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Weise ein angemessener Ausgleich zwischen der Pressefreiheit und dem Schutz des Vertrauens in die Kapitalmärkte hergestellt.699
III. Abschließendes Fazit zum Kapitalmarktstrafrecht Während der Gesetzgeber die Pressefreiheit bei der strafbaren Marktmanipulation berücksichtigt und deren Verletzung durch das Journalistenprivileg verhindert hat, ist dies im Bereich des Insiderstrafrechts unterblieben. Diese auf den ersten Blick überraschende Differenzierung wird nachvollziehbar, wenn man sich noch einmal die Definition der Primärinsider vor Augen führt. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich betont, dass eine zufällige oder nur bei Gelegenheit der Tätigkeit oder Berufsausübung gewonnene Information nicht „bestimmungsgemäß“ erlangt ist. Nach Auffassung des Gesetzgebers gehören Journalisten demnach grundsätzlich nicht zum tauglichen Täterkreis der §§ 38 I Nr. 2, 39 II Nr. 3, 14 I Nr. 2 WpHG, sondern er wollte vielmehr Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder Rechtsanwälte erfassen, die aufgrund eines Vertragsverhältnisses mit dem Unternehmen Zugang zu Insiderinformationen haben.700 Für den Gesetzgeber bestand somit bei der strafbaren Weitergabe von Insiderinformationen gar keine Veranlassung für die Einführung eines Journalistenprivilegs. Angesichts der mittlerweile in der rechtswissenschaftlichen Literatur herrschenden Auslegung der Primärinsiderstellung, die auch Journalisten ohne Weiteres zu den Primärinsidern zählt, sollte er aber reagieren und den Tatbestand entsprechend anpassen. Schließlich zeigt die Aufnahme des Journalistenprivilegs in § 20a VI WpHG, dass die Pressefreiheit bei der Ausgestaltung des Wertpapierhandelsgesetzes eigentlich angemessen berücksichtigt werden sollte.
H. Das Urheberrechtsgesetz I. Grundlagen Laut Thomas Hoeren und Eva-Maria Herring zeichnet sich ein dahingehender Trend ab, dass das Urheberrecht immer häufiger „als juristisches Werkzeug im Kampf gegen unerwünschte Veröffentlichungen eingesetzt“ wird.701 Dass dabei insbesondere der investigative Journalismus mit dem Urheberrechtsgesetz in Konflikt geraten kann, wenn es etwa um die Veröffentlichung geheimer Dokumente geht,
699
So auch KölnKom-WpHG-Mock/Stoll/Eufinger, § 20a, Rn. 397 und 409; Spindler, NZG 2004, 1138 (1143). 700 BT-Drs. 12/6679, S. 46; Sturm, ZBB 2010, 20 (27); Schwark/Zimmer-Zimmer/Cloppenburg, § 38 WpHG, Rn. 8; Park-Hilgendorf, Teil 3, Kap. 3, Rn. 234. 701 Hoeren/Herring, MMR 2011, 143.
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
hat der Fall der Internetseite WikiLeaks702 gezeigt. Im Zusammenhang mit den brisanten Enthüllungen auf WikiLeaks kam die Diskussion auf, ob darin eine Urheberrechtsverletzung zu sehen sei.703 Diese Frage lässt sich ohne Weiteres auf Veröffentlichungen derartiger Dokumente in den Print- und Rundfunkmedien übertragen und soll im Folgenden untersucht werden. Im Urheberrechtsgesetz gibt es in den §§ 106 ff. UrhG mehrere Straftatbestände, die auch für die Medien relevant sein können. § 106 UrhG ist der „strafrechtliche Grundtatbestand des Urheberstrafrechts“, weil er Urheberrechtsverletzungen im engeren Sinne, also die Verletzung von Werken im Sinne des Urheberrechtsgesetzes, sanktioniert.704 Ebenfalls strafbar sind das unzulässige Anbringen von Urheberbezeichnungen gemäß § 107 UrhG sowie unerlaubte Eingriffe in verwandte Schutzrechte gemäß § 108 UrhG oder in technische Schutzmaßnahmen und zur Rechtewahrnehmung erforderliche Informationen gemäß § 108b UrhG.705 Für den investigativen Journalismus ist jedoch nur § 106 UrhG von Bedeutung, weshalb die übrigen Strafvorschriften des Urheberrechtsgesetzes hier außer Betracht bleiben. Nach § 106 UrhG macht sich strafbar, wer in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ein Werk oder eine Bearbeitung oder Umgestaltung eines Werkes vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergibt. Auf der Ebene der Rechtswidrigkeit ist zu beachten, dass die Verwertung eines fremden urheberrechtlich geschützten Werkes nur dann strafbar ist, wenn keine Einwilligung des Berechtigten gegeben ist.706
II. Tatobjekt: Werk oder eine Bearbeitung oder Umgestaltung eines Werkes Als Tatobjekt werden urheberrechtlich geschützte Werke vom Tatbestand erfasst. Daneben sind auch deren Bearbeitung und deren Umgestaltung im Sinne der §§ 3, 23 UrhG taugliche Tatobjekte. Diese Erwähnung dient jedoch lediglich der Klarstellung, da auch deren Verwertung stets einen Eingriff in das Originalwerk darstellt.707 Die geschützten Werke definiert § 2 UrhG, dessen erster Absatz eine nicht abschließende Aufzählung von Werken aus den Bereichen Literatur, Wissenschaft und 702 Die Organisation „WikiLeaks“ bietet die Möglichkeit, vertrauliche Dokumente auf ihrer Enthüllungs-Website anonym zu veröffentlichen. Dabei ist ihr erklärtes Ziel „to bring important news and information to the public.“ 703 Vgl. dazu Hoeren/Herring, MMR 2011, 143, die sich mit der Frage der Urheberrechtsverletzung durch WikiLeaks in dem gleichnamigen Aufsatz ausführlich beschäftigt haben. 704 Dreier/Schulze-Dreier, § 106, Rn. 3. 705 Paschke, Medienrecht, Rn. 1289. 706 Dreier/Schulze-Dreier, § 106, Rn. 8. 707 Erbs/Kohlhaas-Kaiser, § 106 UrhG, Rn. 10.
H. Das Urheberrechtsgesetz
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Kunst enthält. Umfasst sind beispielsweise Schriftstücke, Fotos oder Videos,708 die für den investigativen Journalismus von größerer Relevanz sind als etwa die ebenfalls geschützten Musik- oder Tanzkunstwerke. Zudem muss es sich bei einem Werk stets um eine persönliche geistige Schöpfung handeln, wie § 2 II UrhG klarstellt. Dazu gehört zunächst, dass es persönlich erschaffen wurde. Des Weiteren muss es einen geistigen Gehalt haben, der in wahrnehmbarer Form zum Ausdruck kommt, Individualität aufweisen und eine gewisse Gestaltungshöhe erreicht haben.709 Für die investigative Berichterstattung sind vor allem Schriftstücke sowie Bildoder Tonaufzeichnungen und Fotos relevant. Diese erfüllen unproblematisch die ersten beiden der genannten Kriterien, da sie von Menschen erschaffen wurden und zwangsläufig eine für andere wahrnehmbare Form haben. Andernfalls könnten sie nicht abgedruckt oder ausgestrahlt werden. Hinsichtlich Individualität und Gestaltungshöhe sind jedoch bestimmte Anforderungen an ihren Inhalt zu stellen, denn geschützt wird nicht „jedes künstlerische oder literarische Produkt, sondern nur das, was Ausdruck individuellen schöpferischen Schaffens ist.“710 Texte sind von diesem Werkbegriff regelmäßig umfasst, da bei literarischen Werken auch die sogenannte „kleine Münze“ geschützt ist, die Anforderungen an die Schöpfungshöhe also sehr gering anzusetzen sind. Selbst Kataloge, Preislisten oder Telefonbücher sind danach geschützt.711 In Bezug auf Fotos bestehen zwar höhere Anforderungen an die schöpferische Leistung, doch wenn sie mangels ausreichender Gestaltungshöhe keine Lichtbildwerke im Sinne des § 2 I Nr. 5 UrhG sind, werden sie von § 72 UrhG erfasst. Die Vorschrift schützt selbst einfache „Knipsbilder“ oder Passfotos, da sie ein umfassendes Leistungsschutzrecht des Lichtbildners gewährt.712 Auch Filme, Videos und Fernsehsendungen genießen bei fehlender Schöpfungshöhe ein reines Leistungsschutzrecht gemäß § 95 UrhG.713 Für den investigativen Journalisten folgt daraus, dass diejenigen Gegenstände, die für ihn von Interesse sind, regelmäßig dem Schutz des Urheberrechts unterliegen. Anders verhält es sich hingegen mit amtlichen Werken im Sinne des § 5 I UrhG. Nach dieser Vorschrift genießen Gesetze, Verordnungen, amtliche Erlasse und Bekanntmachungen sowie Entscheidungen und amtlich verfasste Leitsätze zu Entscheidungen keinen urheberrechtlichen Schutz. Diese Dokumente dürfen Journalisten also uneingeschränkt verwenden. Bei anderen amtlichen Dokumenten gilt dies gemäß § 5 II UrhG grundsätzlich auch, soweit sie im amtlichen Interesse zur all708 Dreier/Schulze-Schulze, § 2, Rn. 3; Erbs/Kohlhaas-Kaiser, § 2 UrhG, Rn. 1; Hoeren/ Herring, MMR 2011, 143. 709 Erbs/Kohlhaas-Kaiser, § 2 UrhG, Rn. 2; Hoeren/Herring, MMR 2011, 143. 710 Loewenheim-Loewenheim, § 5, Rn. 4. 711 Loewenheim-Nordemann, § 6, Rn. 17. 712 Heise Online-Recht-Feldmann, Kap. II, Urheber-, Geschmacksmuster- und Äußerungsrecht, Nr. B.II.14. 713 Heise Online-Recht-Feldmann, Kap. II, Urheber-, Geschmacksmuster- und Äußerungsrecht, Nr. B.II.21.
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
gemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht worden sind. Allerdings sind das Änderungsverbot des § 62 UrhG und das Gebot der Quellenangabe gemäß § 63 UrhG entsprechend anzuwenden.
III. Tathandlung: Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe Zu den strafbaren Handlungen des § 106 UrhG gehören die Vervielfältigung, die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe. Dabei bezieht sich die Vorschrift auf die zivilrechtlichen Verwertungshandlungen der §§ 15 ff. UrhG.714 Unter einer Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG ist jede körperliche Festlegung des Werks zu verstehen, die es ermöglicht, das Werk egal in welcher Form sinnlich wahrnehmbar zu machen.715 Dabei ist ohne Belang, ob die Vervielfältigung nur zum Zweck einer anschließenden Veröffentlichung geschieht oder ob eine solche anschließend erfolgt.716 Das Kopieren eines Textes oder das Abspeichern einer Tonoder Bilddatei auf einem Datenträger stellen demnach Vervielfältigungen dar.717 Werden das Werk oder seine Kopie hingegen öffentlich angeboten oder in den Verkehr gebracht, handelt es sich um Verbreiten im Sinne des § 17 UrhG.718 Gemäß der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs muss sich das Anbieten auf einen Verkauf oder eine sonstige Eigentumsübertragung richten,719 Vermietung oder Verleihung als bloß vorübergehende Übertragungsformen scheiden damit aus dem Tatbestand aus.720 Wird ein Text in einer Zeitung oder Zeitschrift abgedruckt und zum Verkauf angeboten, ist diese Tatbestandsvariante erfüllt. Eine öffentliche Wiedergabe umfasst gemäß § 15 II und III sowie den §§ 19 ff. UrhG insbesondere „Vortrag, Aufführung und Vorführung, öffentliche Zugänglichmachung, Sendung, eine Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger sowie eine Wiedergabe von Funksendungen und von öffentlicher Zugänglichmachung.“721 Spätestens mit Veröffentlichung eines Werkes in den Print- oder Rundfunkmedien ist der Tatbestand also erfüllt, unabhängig davon, ob der Journalist zuvor bereits eine der anderen Tathandlungen begangen hat. 714
Erbs/Kohlhaas-Kaiser, § 106 UrhG, Rn. 11. Erbs/Kohlhaas-Kaiser, § 106 UrhG, Rn. 12. 716 BGHSt 49, 93 (102). 717 Umstritten ist, ob bereits das Laden in den Arbeitsspeicher ausreicht, dazu ausführlich Hildebrandt, Die Strafvorschriften des Urheberrechts, S. 77 ff. 718 KG NStZ 1983, 561; LG Wuppertal CR 1987, 599 (600); Erbs/Kohlhaas-Kaiser, § 106 UrhG, Rn. 15. 719 EuGH GRUR 2008, 604 (605); daran anschließend BGH GRUR 2009, 840 (841). 720 Erbs/Kohlhaas-Kaiser, § 106 UrhG, Rn. 15 ff. 721 Erbs/Kohlhaas-Kaiser, § 106 UrhG, Rn. 19. 715
H. Das Urheberrechtsgesetz
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IV. In anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen Allerdings enthält § 106 UrhG einen Tatbestandsausschluss. Sanktioniert ist die Verwertung nur, wenn es sich nicht um einen gesetzlich zugelassenen Fall handelt. Damit wird auf die §§ 45 ff. UrhG verwiesen, die die sogenannten „Schranken des Urheberrechts“ enthalten.722 Für Journalisten sind vor allem zwei Fälle der erlaubten Verwendung wichtig: die Berichterstattung über Tagesereignisse gemäß § 50 UrhG und die Möglichkeit von Zitaten gemäß § 51 UrhG. 1. Berichterstattung über Tagesereignisse gemäß § 50 UrhG Nach § 50 UrhG ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig, wenn die Werke im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden. Die Vorschrift ermöglicht es somit, die Allgemeinheit mittels der genannten privilegierten Medien kurzfristig über tagesaktuelle Geschehnisse zu informieren, ohne dass durch den vorherigen Erwerb der entsprechenden Rechte ein Zeitverlust entsteht.723 § 50 UrhG erlaubt jedoch nicht die vollständige Übertragung eines Tagesereignisses, sondern lediglich die Berichterstattung darüber. Darunter ist eine ausschnittweise aber dennoch möglichst wirklichkeitsgetreue Wiedergabe der tatsächlichen Geschehnisse zu verstehen.724 Ein Tagesereignis ist jedes aktuelle Geschehen, das für die Öffentlichkeit von allgemeinem Interesse ist. Auf den Gegenstand kommt es dabei nicht an, neben Begebenheiten aus Politik, Kultur, Sport oder Wirtschaft kommen auch andere Ereignisse, an denen ein Interesse der Allgemeinheit besteht, als Tagesereignisse in Betracht.725 Danach ist es für einen Journalisten möglich, Auszüge aus urheberrechtlich geschützten Werken anlässlich seiner eigenen Berichterstattung wiederzugeben, ohne dass er sich nach § 106 UrhG strafbar macht, solange es um aktuelle Ereignisse geht und ein öffentliches Interesse besteht. 2. Zulässige Zitate gemäß § 51 UrhG Des Weiteren gestattet es § 51 UrhG, unter bestimmten Voraussetzungen aus einem urheberrechtlich geschützten Werk zu zitieren, es also teilweise oder voll-
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Hildebrandt, Die Strafvorschriften des Urheberrechts, S. 124. Dreier/Schulze-Dreier, § 50, Rn. 1. 724 Dreier/Schulze-Dreier, § 50, Rn. 3. 725 BGH GRUR 2002, 1050 (1051); Dreier/Schulze-Dreier, § 50, Rn. 4; Hoeren/Herring, MMR 2011, 143 (145). 723
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
ständig zu übernehmen.726 Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn das zitierte Werk bereits veröffentlicht ist und es sich außerdem bei der neuen Leistung, die das Zitat enthält, wiederum um ein Werk im urheberrechtlichen Sinne handelt. Denn Sinn und Zweck der Zitierfreiheit besteht darin, durch das Aufbauen auf bestehende Werke den wissenschaftlichen und kulturellen Fortschritt zu ermöglichen.727 Ein Zitat ist jedoch nur dann nach § 51 UrhG zulässig, wenn es dem Zitatzweck entspricht. Dies ist grundsätzlich der Fall, wenn es als Beleg und Anknüpfungspunkt für selbstständige Ausführungen dient.728 Dabei ist grundsätzlich § 62 UrhG zu beachten, der Änderungen an dem zitierten Werk verbietet. Soweit es dem Zitatzweck entspricht, ist es jedoch zulässig, von der direkten Rede in die indirekte Rede zu wechseln.729 Erforderlich ist aber in jedem Fall, dass die übernommenen Werke oder Werkteile als Zitat kenntlich gemacht werden.730 Werden die Anforderungen des § 51 UrhG erfüllt, kann ein Journalist also Zitate aus geschützten Werken straflos veröffentlichen, wenn er seine Quellen belegt. Für den investigativen Journalismus ist die Zitierfreiheit des § 51 UrhG jedoch nur eingeschränkt hilfreich, da er sich regelmäßig auf vertrauliche Dokumente bezieht, die nicht bereits veröffentlicht sind. 3. Veröffentlichung nach Ablauf der Schutzfrist der §§ 64 ff. UrhG Ein weiterer Fall, der sich ebenfalls als „gesetzlich zugelassener Fall“ einordnen lässt,731 ist der Ablauf der Schutzfrist, die in den §§ 64 ff. UrhG geregelt ist. Danach erlischt der urheberrechtliche Schutz grundsätzlich 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers, mit der Folge, dass Tathandlungen, die nach Ablauf der Schutzfrist vorgenommen werden, nicht mehr von § 106 UrhG erfasst werden.
V. Verfassungsrechtliche Bedenken Wie gezeigt wurde, lassen die Schranken des Urheberrechts in einigen Konstellationen die Verwendung urheberrechtlich geschützter Werke für journalistische Zwecke zu. Die Möglichkeit der Verwendung urheberrechtlich geschützter Materialien im Rahmen journalistischer Berichterstattung unterliegt aber engen Grenzen. Insbesondere hat sich gezeigt, dass im Fall von unveröffentlichten Werken der 726
Hoeren/Herring, MMR 2011, 143 (146). BGHZ 126, 313 (320); Wandtke/Bullinger-Lüft, § 51, Rn. 1. 728 BGH GRUR 1987, 34 (35). 729 OLG Hamburg GRUR 1970, 38 (39). 730 Wandtke/Bullinger-Lüft, § 51, Rn. 3. 731 Einige verstehen die Schutzfrist dagegen als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 106 I UrhG, da es nach deren Ablauf keinen „Berechtigten“ mehr gebe, der in die Tathandlung einwilligen könne. Für den Journalisten hat dies jedoch keine Auswirkungen, weshalb an dieser Stelle auf eine Klärung dieser Frage verzichtet wird. Zum Streitstand siehe Hildebrandt, Die Strafvorschriften des Urheberrechts, S. 136. 727
H. Das Urheberrechtsgesetz
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Tatbestandsausschluss nicht greift. Wer als investigativer Journalist im Rahmen seiner Enthüllungen geheime Unterlagen veröffentlicht, verstößt daher in der Regel trotzdem gegen § 106 UrhG. Dies stellt eine Beeinträchtigung der Pressefreiheit dar, die nur bei überwiegenden anderen Interessen gerechtfertigt wäre. Eine Abwägung der Interessen der Urheberrechtsinhaber mit der Pressefreiheit lassen die starren Regelungen des Urheberrechtsgesetzes jedoch nicht zu, da sie nicht für presserechtliche Auseinandersetzungen konzipiert wurden.732 Aus diesem Grund hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein Ausgleich zwischen dem auf Art. 14 GG beruhenden Urheberrecht als Bestandteil des Grundrechts auf Eigentum mit dem Grundrecht aus Art. 5 I GG im Wege der verfassungskonformen Auslegung vorzunehmen ist: „Besteht beispielsweise an der Wiedergabe eines geschützten Werks ein gesteigertes öffentliches Interesse, kann dies unter Umständen schon bei der Auslegung der dem Urheber zustehenden Befugnisse, in jedem Fall aber bei der Auslegung der Schrankenbestimmungen berücksichtigt werden und im Einzelfall dazu führen, dass eine enge, am Gesetzeswortlaut orientierte Auslegung einer großzügigeren, dem Informations- und Nutzungsinteresse der Allgemeinheit Rechnung tragenden Interpretation weichen muss.“733 Dass die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung aber nur bedingt geeignet ist, eine Beeinträchtigung der Pressefreiheit zu vermeiden, wurde bereits im Zusammenhang mit anderen Straftatbeständen festgestellt. Es ist einem Journalisten nicht zuzumuten, gegen den Wortlaut eines Straftatbestandes zu verstoßen. Auf diesem Wege droht eine Selbstzensur der Medien, weil die Journalisten das Risiko tragen, dass der Richter bei der Auslegung des Urheberrechts die Pressefreiheit ausreichend berücksichtigt und sich nicht strikt am Wortlaut orientiert. Dies ist angesichts der wichtigen Funktion des investigativen Journalismus für die Demokratie und damit die gesamte Gesellschaft zu vermeiden.
VI. Fazit Bei der Konzeptionierung des Urheberrechts wurde nicht berücksichtigt, dass es auch dazu verwendet werden kann, gegen unerwünschte Veröffentlichungen in den Medien vorzugehen. Als Instrument in presserechtlichen Streitigkeiten ist es nicht geeignet, da ihm keine Güter- und Interessenabwägung immanent ist.734 Wenn der von Hoeren und Herring beobachtete Trend, das Urheberrecht dennoch für diese Zwecke einzusetzen, sich fortsetzt, sollte der Gesetzgeber reagieren und entsprechende Abwägungsmechanismen beispielsweise in Form eines medienspezifischen Rechtfertigungsgrundes nach dem Vorbild der §§ 193, 201 II 3 StGB in das Urheberrechtsgesetz einführen. 732 733 734
Hoeren/Herring, MMR 2011, 143 (146). BGH NJW 2003, 3633 (3634). Hoeren/Herring, MMR 2011, 143 (146).
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
I. Das Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie Das Recht am eigenen Bild wird nicht nur von § 201a StGB, sondern auch durch § 33 KunstUrhG strafrechtlich geschützt. Danach wird bestraft, wer entgegen den §§ 22, 23 KunstUrhG ein Bildnis verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt, insbesondere also Bilder ohne Einwilligung der Abgebildeten veröffentlicht, ohne dass eine der Ausnahmeregelungen des § 23 KunstUrhG greift. Allerdings spielt diese Vorschrift in der Praxis keine wesentliche Rolle für den investigativen Journalismus. Ebenso wie bei den Ehrschutzdelikten gehen die Betroffenen in den meisten Fällen auf dem Zivilrechtsweg gegen unerwünschte Verbreitungen vor.735 Der Grund dafür ist, dass auf diese Weise ein umfassenderer Schutz in Form von Unterlassung oder Widerruf möglich ist und dass der einstweilige Rechtsschutz gemäß §§ 935 ff. ZPO schnellere Abhilfe ermöglicht als ein Strafverfahren. Im Übrigen gilt auch hier, dass juristische Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem Bildnisschutz nach § 33 KunstUrhG überwiegend im Bereich des Boulevard- oder Sensationsjournalismus stattfinden.736 § 33 KunstUrhG wird daher im Rahmen dieser Arbeit nicht näher behandelt.737
J. Das Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (Stasi-Unterlagen-Gesetz) I. Grundlagen Eine für den investigativen Journalismus relevante Strafvorschrift enthält § 44 StUG, der am 20. 12. 1991 in Kraft trat.738 Für einen investigativen Journalisten kann diese Norm relevant werden, wenn seine Berichterstattung Inhalte aus StasiUnterlagen umfasst. Gemäß § 44 StUG wird bestraft, wer durch das Stasi-Unterlagen-Gesetz geschützte Originalunterlagen oder Duplikate von Originalunterlagen mit personenbezogenen Informationen über Betroffene oder Dritte ganz oder in
735
Paschke, Medienrecht, Rn. 1288. Als Beispiel sei hier auf die zahlreichen Gerichtsverfahren der Prinzessin Caroline von Monaco verwiesen, die neben dem Bundesgerichtshof auch das Bundesverfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beschäftigt haben. Eine Zusammenfassung mit Fundstellen zu den wichtigsten Caroline-Urteilen findet sich bei Stender-Vorwachs, NJW 2009, 334. 737 Diesbezüglich wird jedoch exemplarisch verwiesen auf Branahl, Medienrecht, S. 166 ff. und Paschke, Medienrecht, Rn. 878 ff., jeweils m.w.N. 738 BGBl. I, S. 2272 ff. 736
J. Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes
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wesentlichen Teilen im Wortlaut öffentlich mitteilt. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Betroffene oder Dritte eingewilligt hat. Ziel der Vorschrift ist es, Persönlichkeitsrechtsverletzungen von Betroffenen und Dritten zu verhindern.739 Sie wurde § 353d Nr. 3 StGB nachempfunden und sanktioniert die gleiche Tathandlung, das öffentliche Mitteilen bestimmter Dokumente ganz oder in wesentlichen Teilen im Wortlaut.740 Der ursprüngliche Gesetzentwurf hatte daneben auch jede unbefugte Speicherung, Veränderung, Übermittlung und Nutzung unter Strafe gestellt.741 Dies war jedoch auf heftige Proteste der Presse und des Deutschen Journalistenverbandes gestoßen, die darin eine Verletzung der Pressefreiheit sahen. Infolgedessen wurde der Entwurf geändert und § 44 StUG erhielt seine heutige Fassung.742
II. Tatobjekt: Geschützte Unterlagen Als Tatobjekt kommen entweder die nach dem Stasi-Unterlagen-Gesetz geschützten Originalunterlagen oder deren Duplikate in Frage, wenn sie personenbezogene Informationen über Betroffene oder Dritte enthalten. Näher bestimmt werden diese Tatbestandsmerkmale in § 6 StUG. Nach dessen Absatz 1 gehören zu den Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes: „1. sämtliche Informationsträger unabhängig von der Form der Speicherung, insbesondere a) Akten, Dateien, Schriftstücke, Karten, Pläne, Filme, Bild-, Ton- und sonstige Aufzeichnungen, b) deren Kopien, Abschriften und sonstige Duplikate sowie c) die zur Auswertung erforderlichen Hilfsmittel, insbesondere Programme für die automatisierte Datenverarbeitung, soweit sie beim Staatssicherheitsdienst oder beim Arbeitsgebiet 1 der Kriminalpolizei der Volkspolizei entstanden, in deren Besitz gelangt oder ihnen zur Verwendung überlassen worden sind, 2. dem Staatssicherheitsdienst überlassene Akten von Gerichten und Staatsanwaltschaften.“
Diese Unterlagen sind demnach ebenso geschützt wie deren Duplikate, wenn sie personenbezogene Informationen über Betroffene oder Dritte enthalten. Betroffene werden in § 6 III 1 StUG folgendermaßen definiert: „Betroffene sind Personen, zu denen der Staatssicherheitsdienst aufgrund zielgerichteter Informati739 740 741 742
77.
Weberling, § 44, Rn. 1. Stoltenberg, § 44, Rn. 10; ders., DtZ 1992, 65 (72). BT-Drs 12/723, S. 16 zu § 36 des Gesetzentwurfs, aus dem später § 44 StUG wurde. Stoltenberg, § 44, Rn. 1; Schmidt/Dörr, § 44, Rn. 2; Gounalakis/Vollmann, DtZ 1992,
226
3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
onserhebung oder Ausspähung einschließlich heimlicher Informationserhebung Informationen gesammelt hat.“ Davon ausgenommen werden in § 6 III 2 StUG explizit Mitarbeiter und Begünstigte des Staatssicherheitsdienstes. Zu den Dritten gehören gemäß § 6 VII StUG „sonstige Personen, über die der Staatssicherheitsdienst Informationen gesammelt hat.“ Die Definition der personenbezogenen Daten ist hingegen nicht dem Stasi-Unterlagen-Gesetz, sondern § 3 I BDSG zu entnehmen.743 Dies sind „Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person.“
III. Tathandlung: Öffentliches Mitteilen Da die Tathandlung des § 44 StUG mit derjenigen des § 353d Nr. 3 StGB identisch ist, wird an dieser Stelle auf die Erläuterungen zu § 353d Nr. 3 StGB verwiesen.744 In jedem Fall stellt es eine öffentliche Mitteilung dar, wenn ein Journalist die vom Tatbestand geschützten Stasi-Unterlagen in den Medien veröffentlicht. Allerdings setzt der Tatbestand voraus, dass die öffentliche Mitteilung das Dokument ganz oder jedenfalls in wesentlichen Teilen umfasst. Werden Unterlagen nicht komplett, sondern nur zum Teil veröffentlicht, ist für die Frage, ob dies ein wesentlicher Teil ist, gemäß dem Schutzzweck der Norm darauf abzustellen, wie stark die enthaltenen Informationen das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Personen tangieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich auch aus der Menge der veröffentlichten Informationen eine Persönlichkeitsrechtsverletzung ergeben kann, wenn durch viele an sich unbedeutende Informationen ein Persönlichkeitsprofil erkennbar wird.745 Ebenso wie bei § 353d StGB müssen die Unterlagen im Wortlaut mitgeteilt werden. Daher ist der Tatbestand nicht erfüllt, wenn der Text des Schriftstückes auch nur geringfügig verändert wird, es sei denn, dass trotz der Änderung noch wesentliche Teile im Wortlaut bestehen bleiben.746 Zu der Frage, ob die Vorschrift angesichts dieses engen Anwendungsbereichs überhaupt ihren Zweck erfüllen kann, wird auf die entsprechenden Ausführungen zu § 353d Nr. 3 StGB verwiesen.747
IV. Kritik an § 44 StUG Vereinzelt wird trotz der im Vergleich zu dem Ursprungsentwurf vorgenommenen Änderungen in § 44 StUG ein Verstoß gegen die Pressefreiheit des Art. 5 I GG gesehen. Georgios Gounalakis und Marion Vollmann halten die Vorschrift auch in 743 744 745 746 747
Weberling, § 44, Rn. 3. Siehe dazu Dritter Teil, Kapitel B.IV.3. Stoltenberg, § 44, Rn. 8. Stoltenberg, § 44, Rn. 8; Weberling, § 44, Rn 5. Siehe Dritter Teil, Kapitel B.IV.4.
J. Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes
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der aktuellen Form für verfassungswidrig und begründen dies damit, dass „Unterlagen mit personenbezogenen Informationen über Betroffene oder Dritte unabhängig davon geschützt [werden], welche Stellung die betreffende Person im öffentlichen Leben einnimmt. Handelt es sich aber um eine Person der Zeitgeschichte, so kann nicht ausgeschlossen werden, daß es Fälle gibt, in denen die Interessen des einzelnen hinter das gewichtigere Informationsinteresse der Öffentlichkeit zurücktreten müssen und damit eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch die Veröffentlichung ausscheidet.“748 Dem lassen sich jedoch die Argumente aus der bereits angesprochenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des § 353d Nr. 3 StGB entgegenhalten,749 denn angesichts des im Wesentlichen gleichen Wortlauts beider Vorschriften sind sie auf § 44 StUG übertragbar.750 Das Bundesverfassungsgericht hatte betont, dass gerade durch die Beschränkung des Tatbestands auf die wörtliche Wiedergabe der Eingriff in die Pressefreiheit auf ein Mindestmaß reduziert werde und es sich somit um einen zulässigen Kompromiss zwischen den von § 353d Nr. 3 StGB geschützten Rechtsgütern und Art. 5 I GG handele.751 Übertragen auf § 44 StUG folgt daraus, dass auch diese Regelung einen verfassungskonformen Ausgleich zwischen dem Persönlichkeitsrecht der betroffenen Personen einerseits und der Pressefreiheit andererseits herstellt.752
V. Fazit Zwar stellt der § 44 StUG einen Eingriff in die Freiheit der journalistischen Berichterstattung dar, jedoch ist dieser aufgrund der engen Fassung des Tatbestandes von geringem Ausmaß. Den Journalisten steht es frei, den gesamten Inhalt der geschützten Unterlagen einschließlich der Informationen über die Betroffenen oder Dritten zu veröffentlichen, solange sie dabei auf eine Wiedergabe des genauen Wortlauts verzichten. Für den investigativen Journalismus stellt § 44 StUG daher keine unangemessene Beeinträchtigung dar.
748
Gounalakis/Vollmann, DtZ 1992, 77 (78); ebenso dies., AfP 1992, 36 (40). Siehe dazu Dritter Teil, Kapitel B.IV.4. 750 Stoltenberg, § 44, Rn. 14. 751 BVerfGE 71, 206 (220 f.). 752 So auch Weberling, § 44, Rn. 7; Stoltenberg, § 44, Rn. 13; wobei letzterer die Vorschrift wegen der Beschränkung auf den Wortlaut für „ganz und gar unzureichend“ hält (siehe Stoltenberg, DtZ 1992, 65 (72)). Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass nur aufgrund dieser engen Fassung des Tatbestands die Verfassungsmäßigkeit gewahrt ist. 749
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3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
K. Überblick zur Strafbarkeit von Redakteuren, Verlegern und Herausgebern Während es bislang fast ausschließlich um die Strafbarkeit des einzelnen Journalisten ging, blieb eine mögliche Strafbarkeit des Redakteurs, Verlegers oder Herausgebers weitestgehend außer Betracht. Wenn ein Journalist im Rahmen einer Recherche oder durch das Verfassen eines Artikels oder Rundfunkbeitrages mit rechtswidrigem Inhalt eine Straftat begeht, handelt er jedoch selten allein. Entweder er ist ohnehin bei einem Medienbetrieb angestellt und wird in dessen Auftrag tätig oder er arbeitet eigenverantwortlich als freier Journalist und seine Arbeit wird trotz offensichtlicher Rechtswidrigkeit – entweder wegen der Art und Weise, wie sie zustande kam, oder aufgrund ihrer Inhalte – veröffentlicht. Dies wirft die Frage nach der Strafbarkeit der übrigen an der Entstehung des Beitrags beteiligten Personen auf.
I. Strafbarkeit nach den allgemeinen Vorschriften über Täterschaft und Teilnahme Täterschaft und Teilnahme an den durch die Veröffentlichung begangenen allgemeinen Straftaten bestimmen sich ebenfalls nach allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen,753 so dass hier insbesondere an eine Mittäterschaft gemäß § 25 II StGB oder an eine Beteiligung nach den §§ 26, 27 StGB in Form von Anstiftung oder Beihilfe zu denken ist. 1. Strafbarkeit des Presse- oder Rundfunkredakteurs Bei einem Delikt, das durch die Verbreitung rechtsverletzender Inhalte verwirklicht wird, ist der Redakteur, der einen Artikel oder einen Rundfunkbeitrag mit diesem Inhalt zur Veröffentlichung freigibt, in aller Regel gemeinschaftlich mit dem Verfasser als Mittäter strafbar, wenn er den rechtswidrigen Charakter des Beitrags erkennt und somit vorsätzlich handelt.754 Jedoch ist im Einzelfall konkret zu prüfen, ob alle Voraussetzungen für eine Strafbarkeit auch in der Person des Redakteurs vorliegen. Demgegenüber scheidet eine Täterschaft bei Straftaten, die im Rahmen der Recherche begangen wurden, typischerweise aus. Als Täter im Sinne des § 25 I Var. 1 StGB kann bei den meisten Delikten755 nur bestraft werden, wer die 753
RGSt GA 60, 266 (267); BGH NJW 1997, 2248 (2250). Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, Kap. 49, Rn. 17; Löffler-Kühl, § 20 LPG, Rn. 86. 755 Eine Ausnahme bilden die Pflichtdelikte und die eigenhändigen Delikt, vgl. Roxin, Strafrecht AT II, § 25, Rn. 14 f. 754
K. Strafbarkeit von Redakteuren, Verlegern und Herausgebern
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Tatherrschaft hat,756 wer also „als Zentralgestalt“ das Geschehen maßgeblich beherrscht und planvoll lenken kann.757 Dass der Redakteur selbst unmittelbar bei einer fremden Recherche aktiv wird, kommt jedoch üblicherweise nicht vor, so dass er als eigenhändiger Täter im Sinne des § 25 I Var. 1. StGB ausscheidet.758 Auch eine mittelbare Täterschaft nach § 25 I Var. 2 StGB dürfte in diesem Fall selten vorliegen, denn bei seinen Recherchen ist ein Journalist im Normalfall selbst derjenige, der über das Geschehen bestimmt. Der Redakteur wird allenfalls den Anstoß zu einer Recherche geben, dem Journalisten dann aber bei der konkreten Vorgehensweise freie Hand lassen. In Frage kommt bei Straftaten, die im Rahmen der Recherche begangen wurden, also gewöhnlich nur eine Beteiligung des Redakteurs.759 Es ist mithin im Einzelfall zu prüfen, ob der Redakteur den Journalisten zu einer verwirklichten Straftat im Sinne des § 26 StGB angestiftet oder ob er ihm gemäß § 27 StGB Hilfe geleistet hat. Rose macht jedoch zu Recht darauf aufmerksam, dass es in der Praxis schwierig sein dürfte, dem Redakteur nachzuweisen, dass er den Journalisten wirklich zu einer Rechtsgutsverletzung bestimmen wollte beziehungsweise dass er den erforderlichen Vorsatz hinsichtlich der Vollendung der Haupttat hatte.760 2. Strafbarkeit des Verlegers bzw. Herausgebers eines Druckwerkes An der unmittelbaren Entstehung eines einzelnen Artikels sind grundsätzlich weder der Verleger noch der Herausgeber eines Druckwerkes beteiligt, so dass eine Strafbarkeit wegen einer Beteiligung an Straftaten, die während der Recherche begangen wurden, eher fernliegend ist. Hinsichtlich der inhaltsbezogenen Delikte ist bei dem Verleger eines periodischen Druckwerkes davon auszugehen, dass er nicht immer Kenntnis des Inhalts jedes einzelnen Beitrages hat. Wenn er jedoch von der strafbaren Veröffentlichung weiß, kommt es darauf an, mit welcher Intensität er auf diese Veröffentlichung hingewirkt 756 Ganz herrschende Meinung im Schriftttum; vgl. z. B. Schönke/Schröder-Heine, Vorbem. §§ 25 ff., Rn. 71; MüKo-StGB-Joecks, § 25, Rn. 27 ff.; Lackner/Kühl-Kühl, Vor § 25, Rn. 6; auch die Rechtsprechung nähert sich mehr und mehr der Tatherrschaftslehre an, siehe dazu exemplarisch BGH NStZ 1987, 224 (225); zur neueren Rechtsprechung ausführlich Roxin, Strafrecht AT II, § 25, Rn. 22 ff. 757 Roxin, Strafrecht AT II, § 25, Rn. 27. 758 Anders verhält es sich, wenn er für einen eigenen Beitrag recherchiert. Hier geht es aber nur um den Redakteur in seiner Rolle als Ressortleiter oder Chefredakteur bzw. Programmleiter, der fremde Beiträge zur Veröffentlichung auswählt, andernfalls gelten für ihn ohnehin die Erwägungen, die bereits zur Strafbarkeit des Journalisten als Urheber eines Beitrags angestellt wurden. 759 Zu diesem Ergebnis kommt auch Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 95 f. 760 Rose, Grenzen der journalistischen Recherche, S. 106 f.
230
3. Teil: Strafrechtliche Grenzen des investigativen Journalismus
hat. Hat er sie lediglich hingenommen, haftet er üblicherweise nur als Gehilfe.761 Hat er hingegen die Aufnahme eines bestimmten Beitrags selbst angeordnet – etwa aufgrund einer besonderen persönlichen Beziehung zum Verfasser – ist er als dessen Mittäter strafbar.762 Demgegenüber ist der Verleger eines nichtperiodischen Druckwerkes, der typischerweise Kenntnis des strafbaren Inhaltes hat, in der Regel gemeinsam mit dem Verfasser als Mittäter zu bestrafen.763 Dies gilt ebenso für den Herausgeber eines nichtperiodischen Sammelwerkes, der üblicherweise die Rolle eines verantwortlichen Redakteurs übernimmt. In diesen Fällen sind Verfasser und Herausgeber meistens Mittäter und der Verleger ist nur Gehilfe.764
II. Sonderhaftung nach den Landespressegesetzen Des Weiteren enthalten die Landespressegesetze eine subsidiäre Sonderhaftung für den verantwortlichen Redakteur und den Verleger, die eingreift, wenn keine Strafbarkeit nach den allgemeinen Strafgesetzen gegeben ist. Als Beispiel wird hier auf § 19 II des Hamburgischen Pressegesetzes verwiesen:765 „Ist mittels eines Druckwerkes eine rechtswidrige Tat begangen worden, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, so wird, soweit er nicht wegen dieser Tat schon nach Absatz 1 als Täter oder Teilnehmer strafbar ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft 1. bei periodischen Druckwerken der verantwortliche Redakteur, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig seine Verpflichtung verletzt hat, Druckwerke von strafbarem Inhalt freizuhalten, und die rechtswidrige Tat hierauf beruht, 2. bei sonstigen Druckwerken der Verleger, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig seine Aufsichtspflicht verletzt hat und die rechtswidrige Tat hierauf beruht.“
Damit wird für den verantwortlichen Redakteur oder Verleger die Verletzung ihrer Berufspflicht, die „strafrechtliche Reinheit“ des Druckwerks sicherzustellen, unter Strafe gestellt.766 In subjektiver Hinsicht sind Vorsatz oder Fahrlässigkeit des verantwortlichen Redakteurs oder Verlegers erforderlich. Dabei ist zu beachten, dass die Straftat, die durch das Druckwerk begangen worden sein muss, eine objektive Bedingung der 761
RGSt 65, 67 (70); RGSt GA 60, 266 (267). Löffler-Kühl, § 20 LPG, Rn. 89. 763 Löffler-Kühl, § 20 LPG, Rn. 90. 764 Löffler-Kühl, § 20 LPG, Rn. 91. 765 In den Landespressegesetzen der anderen Bundesländer gibt es ähnlich lautende Regelungen, teilweise jedoch mit kleineren oder größeren Abweichungen. Dazu Löffler-Kühl, § 20 LPG, Rn. 159 ff. 766 Löffler-Kühl, § 20 LPG, Rn. 114. 762
K. Strafbarkeit von Redakteuren, Verlegern und Herausgebern
231
Strafbarkeit ist. Auf diese muss sich der Vorsatz folglich nicht beziehen, sondern lediglich hinsichtlich der Berufspflichtverletzung müssen Vorsatz oder Fahrlässigkeit gegeben sein.767 Für andere an der Entstehung eines Druckwerks beteiligte Personen ist eine analoge Anwendung aufgrund des Analogieverbotes des Art. 103 II GG ausgeschlossen, da die strafrechtliche Haftung nach den Landespressegesetzen als Sonderdelikt ausgestaltet ist. Für sie kommt daher lediglich eine Strafbarkeit wegen Anstiftung oder Beihilfe in Betracht.768
767 768
Löffler-Kühl, § 20 LPG, Rn. 115. Löffler-Kühl, § 20 LPG, Rn. 122.
Resümee I. Zusammenfassung der Ergebnisse Im ersten Teil der Untersuchung wurde zunächst eine Begriffsbestimmung des investigativen Journalismus vorgenommen, die ergeben hat, dass dieser sich durch drei Kriterien auszeichnet: die aktive Rolle des Journalisten, die gesellschaftliche Relevanz der Themen und die Recherchearbeit gegen den Widerstand Betroffener. Des Weiteren wurde gezeigt, dass der investigative Journalismus die öffentliche Aufgabe der Medien in besonderem Maße erfüllt, insbesondere durch die Wahrnehmung der Kontrollfunktion in Form der Aufdeckung gesellschaftlich relevanter Missstände. Aufgrund dessen ist er vom Grundgesetz nicht nur geschützt, sondern auch gewollt. Im zweiten Teil wurde die positive Reichweite der Recherche- und Berichterstattungsfreiheit dargestellt. Sowohl die journalistische Recherche als auch die Berichterstattung stehen unter dem verfassungsrechtlichen Schutz der Presse-, Rundfunk und Filmfreiheit des Art. 5 I 2 GG. Die Recherchefreiheit wird zusätzlich durch die Informationsfreiheit des Art. 5 I 1 Var. 2 GG geschützt, die Berichterstattungsfreiheit durch die Meinungsfreiheit des Art. 5 I 1 Var. 1 GG und das Zensurverbot in Art. 5 I 3 GG. Des Weiteren gibt es auf einfachgesetzlicher Ebene einige Regelungen, die positive Rechercherechte für Journalisten gewähren. Dies sind zunächst der Informationsanspruch aus den Landespressegesetzen sowie das Recht auf Zugang zu amtlichen Unterlagen nach dem Informationsfreiheitsgesetz, dem Umweltinformationsgesetz, dem Verbraucherinformationsgesetz und dem StasiUnterlagen-Gesetz. Zudem profitieren Journalisten bei ihrer Recherche vom Recht auf Einsicht in bestimmte öffentliche Register und behördliche Verzeichnisse und haben das Recht auf Zutritt zu öffentlichen Veranstaltungen. Für einfachgesetzliche positive Berichterstattungsrechte besteht hingegen keine Notwendigkeit, die Berichterstattung ist stets zulässig, solange kein entsprechendes Verbot besteht. Damit wurden die Voraussetzungen geschaffen, sich der eigentlichen Frage zuzuwenden und im dritten Teil der Arbeit das Kern- und Nebenstrafrecht unter dem Gesichtspunkt seiner Auswirkungen auf den investigativen Journalismus in Deutschland zu betrachten. Im Rahmen dieser Untersuchung hat sich gezeigt, dass es nicht wenige Straftatbestände sind, die den investigativen Journalismus beschränken. In den meisten Fällen ist damit jedoch keine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des investigativen Journalismus zu sehen. Dem Gesetzgeber ist es weitestgehend gelungen, die jeweils geschützten Rechtsgüter und die Interessen des investigativen Journalismus in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. In den Fällen, in denen es
Resümee
233
um den Schutz Einzelner oder der Allgemeinheit durch die Aufdeckung konkreter Missstände geht, kommt zudem für den Journalisten eine Rechtfertigung über § 34 StGB in Betracht. Verfassungsrechtlich bedenklich sind jedoch die §§ 201a, 238 StGB, weil sie zu unbestimmt formuliert sind und daher gegen den Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 II GG verstoßen. Die damit einhergehende Verunsicherung bei den betroffenen Journalisten kann zu einer Selbstzensur führen, was wiederum im Hinblick auf die Presse- und Rundfunkfreiheit des Art. 5 I 2 GG problematisch ist. § 201a StGB beeinträchtigt die investigative Recherche mittels versteckter Kamera, während § 238 StGB beharrliche Versuche der Kontaktaufnahme unter Strafe stellt. Somit werden durch beide Vorschriften typische Formen der investigativen Recherche pönalisiert, obwohl dies für den bezweckten Rechtsgüterschutz nicht notwendig ist. Bei § 201a StGB blieb zudem die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verwendung rechtswidrig erlangter Informationen außer Betracht. Diese Vorschriften stellen demnach unangemessene Beeinträchtigungen des investigativen Journalismus dar. Dies trifft ebenfalls auf § 353b StGB zu, der insbesondere wegen potentieller Durchsuchungen von Redaktionsräumen im Zusammenhang mit einem Verdacht auf Beteiligung eines Journalisten an der Verletzung eines Dienstgeheimnisses oder einer besonderen Geheimhaltungspflicht problematisch ist. Hinzu kommt auch hier die drohende Selbstzensur aufgrund der Verunsicherung der Medienangehörigen, die ein Ermittlungsverfahren befürchten müssen, wenn sie geheime Informationen veröffentlichen. Allerdings hat der Gesetzgeber bereits eine Gesetzesänderung angekündigt, die die Strafbarkeit von Journalisten wegen einer Beteiligung an § 353b StGB künftig ausschließen soll. Im Nebenstrafrecht ist die unbefugte Weitergabe von Insiderinformationen gemäß §§ 38 I Nr. 2, 39 II Nr. 3, 14 I Nr. 2 WpHG aus Sicht des investigativen Journalismus bedenklich, weil sie weder die Journalisten ausdrücklich aus dem Kreis der Primärinsider ausschließt noch klarstellt, dass eine Veröffentlichung in den Medien keine unbefugte Veröffentlichung ist. Auf diese Weise wird die Publikation von Insiderinformationen in den Medien dem Risiko der Strafverfolgung ausgesetzt. Auch § 106 UrhG beeinträchtigt den investigativen Journalismus in unangemessener Weise, da die Veröffentlichung geheimer Unterlagen danach regelmäßig strafbar ist und die starren Regelungen des Urheberrechtsgesetzes keine Abwägung der Interessen der Urheberrechtsinhaber mit der Pressefreiheit ermöglichen. Als Gesamtergebnis lässt sich folglich festhalten, dass bei fünf Straftatbeständen im Kern- und Nebenstrafrecht die Belange des investigativen Journalismus nicht ausreichend berücksichtigt wurden und dieser unverhältnismäßig beeinträchtigt wird.
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Resümee
II. Abschließende Stellungnahme Angesichts der wichtigen gesellschaftlichen Funktion, die der investigative Journalismus erfüllt, ist dieser Zustand sowohl aus journalistischer als auch aus gesamtgesellschaftlicher Sicht bedenklich und verstößt gegen die Presse- und Rundfunkfreiheit des Art. 5 I GG. Es besteht daher dringender Änderungsbedarf seitens des Gesetzgebers, um diesen verfassungswidrigen Zustand zu beenden. Wie diese Untersuchung gezeigt hat, bestehen dafür unterschiedliche Möglichkeiten. Korrekturen lassen sich sowohl auf der Tatbestands- als auch auf der Rechtfertigungsebene vornehmen. Eine Anforderung muss der Gesetzgeber mit den vorzunehmenden Änderungen aber in jedem Fall erfüllen: Die Vorschriften sind so bestimmt zu fassen, dass keine Verunsicherung mehr bei den Medienangehörigen entstehen kann. Nur auf diese Weise lässt sich eine Selbstzensur der Journalisten, die aus Furcht vor der Strafverfolgung eintreten kann, wirksam verhindern. Konkret wäre bei § 201a StGB eine Neuformulierung des Tatbestandes wünschenswert in Verbindung mit der Aufnahme eines medienspezifischen Rechtfertigungsgrundes, der Raum für eine Güterabwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht der Betroffenen einerseits und den Medienfreiheiten andererseits lässt. Der Tatbestand des § 238 StGB sollte entweder so umformuliert werden, dass journalistische Recherchehandlungen eindeutig nicht darunter fallen, oder es sollte ein medienspezifischer Rechtfertigungsgrund nach dem Vorbild der §§ 193, 201 II 3 StGB hinzugefügt werden. Bei § 353b StGB liegt bereits ein Gesetzentwurf vor, der die Strafbarkeit der Beihilfe nach Vollendung der Tat ausschließt. Dieser ist zu begrüßen und sollte umgehend in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden. Bezüglich der strafbaren Weitergabe von Insiderinformationen gemäß §§ 38 I Nr. 2, 39 II Nr. 3, 14 I Nr. 2 WpHG wäre die Klarstellung im Tatbestand notwendig, dass die Veröffentlichung in den Medien durch einen Journalisten keine unbefugte Weitergabe im Sinne des § 14 I Nr. 2 WpHG darstellt. Des Weiteren sollte der Gesetzgeber im Urheberrechtsgesetz Abwägungsmechanismen einführen, die einen Ausgleich zwischen dem auf Art. 14 GG beruhenden Urheberrecht als Bestandteil des Grundrechts auf Eigentum mit dem Grundrecht aus Art. 5 I GG zulassen. Dies könnte beispielsweise in Form eines medienspezifischen Rechtfertigungsgrundes nach dem Vorbild der §§ 193, 201 II 3 StGB geschehen. Ebenfalls wünschenswert wäre für die Zukunft eine erhöhte Sensibilität des Strafgesetzgebers für die Belange des investigativen Journalismus bei der Einführung neuer Straftatbestände. Wie die vorliegende Untersuchung ergeben hat, hat der Gesetzgeber die Interessen des investigativen Journalismus gerade bei den neueren Gesetzen zunehmend außer Acht gelassen. Bei § 106 UrhG folgen die Beeinträchtigungen aus der neuen tatsächlichen Entwicklung, das Urheberrecht als Mittel gegen unliebsame Veröffentlichungen einzusetzen, bei §§ 38 I Nr. 2, 39 II Nr. 3, 14 I Nr. 2 WpHG aus der nicht vorhersehbaren Entwicklung in der rechtswissenschaftlichen Literatur, Journalisten zu den Primärinsidern zu zählen, und bei § 353b StGB aus der Rechtsfigur der sukzessiven Beihilfe. Während demnach bei
Resümee
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diesen Vorschriften die Beeinträchtigungen des investigativen Journalismus nicht ohne Weiteres vorauszusehen waren, hat sich der Gesetzgeber bei den 2004 und 2007 eingeführten Straftatbeständen der §§ 201a und 238 StGB bewusst über die im Vorfeld geäußerten Bedenken der Medienverbände hinweggesetzt und ohne Not anerkannte journalistische Vorgehensweisen pönalisiert. Diese Entwicklung ist bedenklich und darf sich nicht fortsetzen, vielmehr sollte der Gesetzgeber sich stets der großen Bedeutung des investigativen Journalismus für unsere Gesellschaft bewusst sein und dessen Belange angemessen berücksichtigen.
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Stichwortverzeichnis Abhören 88 ff., 101 Abhörgerät 81, 88 f. Aktenöffentlichkeit 51, 60 Amtsträger 69, 105, 136, 140 ff., 183, 197 ff. Analogieverbot 186, 231 Anstellungsbetrug 189 f. Anstiftung 132, 135, 193, 228, 231 – zur Verletzung eines Dienstgeheimnisses oder einer besonderen Geheimhaltungspflicht gem. § 353b StGB 195 ff. – zur Verletzung von Privatgeheimnissen gem. § 203 StGB 136 ff. Anzeigepflicht 178 f. Auskunftsanspruch 66, 70 f. – aus den Landespressegesetzen 45 ff., 141 ff. Auskunftsverweigerungsgründe 47 Ausweispapiere 189, 192 ff.
Bagatellklausel 81, 90 f. Beihilfe 132, 135, 228, 231 – zur Verletzung eines Dienstgeheimnisses oder einer besonderen Geheimhaltungspflicht gem. § 353b StGB 195 ff. – zur Verletzung von Privatgeheimnissen gem. § 203 StGB 136 ff. Berichterstattungsfreiheit 76 ff., Beschlagnahme 123, 157, 196, 201 f. Bestimmtheitsgebot/-grundsatz 109, 111 f., 119, 124, 126 ff., 150, 156, 158 ff., 166, 200, 211, 233 Beteiligung 132, 144 ff., 195 ff., 211, 228 f., 233 Beurteilungsspielraum 110, 158 Bewertungserhebliche Umstände 213 f. Bildaufnahme 101 ff. Boulevardjournalismus/-presse 34, 38 f., 43, 174, 177, 224 Briefgeheimnis 128 f.
Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik 66 ff. Bundesdatenschutzbeauftragter 59, 102 Bundesdatenschutzgesetz 134, 226 Caroline-Urteil 116, 118, 224 Cicero-Entscheidung 195 ff. Dienstgeheimnis 63, 195 ff., 233 Durchsuchung 157 – von Redaktionsräumen 123, 196, 202, 233 Ehrschutzdelikte 80, 97, 176 f. Einstweiliger Rechtsschutz 157 f., 176, 224 Exklusivvertrag 181 ff. Finanzmarktberichterstattung Follow-Up 36, 181, 184
208 f., 215 f.
Geheimhaltungspflicht 140, 142, 195 ff., 233 Geheimnis 73, 91, 136 ff., 149, 185, 195 ff. Geheimnisverrat 136, 144 ff. Gerichtsberichterstattung 187 Gerichtsverhandlung 27, 73 f., 177, 184 Grundbuch 70 f. Grundsatz der Güter- und Interessenabwägung 98 Grundsatz der straflosen Mindestmitwirkung 146 ff., 199 Handelsregister 70 Hausfriedensbruch 80, 130, 157, 166 ff. Hausrecht 73 f., 80, 166 ff. Hehlerei 92, 203 f. Höchstpersönlicher Lebensbereich 101 ff., 150
Stichwortverzeichnis Identitätstäuschung 79, 169 f., 188 ff. Informant 31, 33, 35, 82 f., 87 f., 91, 105 f., 122 f., 132, 135 f., 144, 147 ff., 178, 181, 195 f., 199, 202 ff. Informationsanspruch – aus dem Informationsfreiheitsgesetz 57 – aus dem Verbraucherinformationsgesetz 65 – aus den Landespressegesetzen 45 ff., 52, 71, 141 ff., 232 Informationsfreiheit 42 ff., 56 f., 96, 172 ff., 232 Informationsfreiheitsgesetz 52 ff., 66, 232 Insiderinformationen 204 ff., 233 f. Interessenabwägung 90, 97 f., 100, 103, 172, 174 f., 223 Internet 102, 106, 155, 218 Intimsphäre 102 f., 110, 112 ff., 126 f., 167 Kernbereich privater Lebensführung 113, 115, 126, 173 ff. Kirche 50, 75, 136 Kontrollfunktion 25, 40, 136, 232 Landespressegesetz 216, 230 f., 232
103,
44 ff., 70, 141 ff., 204,
Marktmanipulation 204, 212 ff. Massenmedien 39, 51, 55, 76 f., 209 Medienfreiheiten 42 ff., 76 f., 128, 176, 234 Meinungsfreiheit 76 f., 123, 232 Melderegister 71 f. Mittäter 131, 228, 230
251
Parallelwertung in der Laiensphäre 118 Parlamentssitzungen 73 Persönlichkeitsrecht 68 f., 71, 80, 96 f., 109 f., 122, 124, 128, 143, 176, 226 f., 234 Persönlichkeitsrechtsverletzung 127, 225 f. Pressefreiheit 39, 42 f., 47, 51, 69, 96 f., 99, 108, 115, 120, 122 f., 148 f., 163 f., 172 f., 176, 196, 201 f., 208, 210 f., 216 f., 223, 225 ff., 233 f. Pressekodex 110, 178, 183, 188, 215 f. Pressekonferenz 46, 74 Presserat 107 ff., 156, 188, 208, 215 f. Primärinsider 205 f., 217, 233 f. Prinzip der Öffentlichkeit siehe Öffentlichkeitsprinzip Recherchefreiheit 42 ff., 77, 232 Recht am eigenen Bild 109 f., 224 Recht auf informationelle Selbstbestimmung 143, 149 Recht auf Kurzberichterstattung 75 f. Register, öffentliche 44, 69 ff., 232 Rüge, öffentliche 110 Rundfunkanstalten, öffentlich-rechtliche 49 f., 53 ff., 62, 65 Rundfunkfreiheit 43, 50, 54, 56 f., 109, 119, 121 ff., 143, 150, 156 f., 160 f., 163, 165 f., 209 ff., 233 f. Rundfunkstaatsvertrag 51, 75
Nachberichterstattung siehe Follow-Up Nachstellen 150 ff. Notstand 86, 95, 98, 100, 169 Notstandsähnliche Lage 145 ff. Notwehr 86, 94 f., 98, 100, 121
Schuldnerverzeichnis 71 Schutzfrist, urheberrechtliche 222 Schweigepflicht 137 ff., 181, 184 f. Selbstzensur 125, 161, 211, 223, 233 f. Sonderdelikt 137, 148, 195, 212, 231 Soziale Relevanz 33 f. Spiegel-Urteil 40, 55 Springer/Wallraff-Entscheidung 95 f., 99 Stalking 80, 151, 156 ff. Stasi-Unterlagen-Gesetz 51 f., 66 ff., 224 ff., 232 Sukzessive Beihilfe 199 f., 234
Öffentliches Interesse 31, 45 ff., 68, 72, 125, 143, 176, 188, 195, 197 f., 200, 204, 221, 223 Öffentlichkeitsprinzip 60, 73
Tagesereignisse 221 Teilnahme, notwendige 144 ff. Telefonat/Telefongespräch 82 ff., 89 f. Tonaufnahme 81, 85, 88, 95, 100
252
Stichwortverzeichnis
Umweltinformationen 60 ff. Umweltinformationsgesetz 51 f., 60 ff., 65, 232 Undercover-Recherche 35, 79, 108, 120 Unterlassung 27, 96, 109, 114, 157, 161, 176, 224 Unternehmensregister 70 Urheberrechtsverletzung 218 Veranstaltungen, öffentliche 44, 72 ff., 84, 232 Verbraucherinformationsgesetz 51 f., 63 ff., 232 Vereinsregister 70 Verfassungskonforme Auslegung 56, 58, 68, 99, 124 f., 154, 163, 165, 211, 223 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz/-prinzip 68, 109 ff., 157 f., 208
Verleger 51, 204, 228 ff. Versammlungen, öffentliche 75, 171 Verwaltungstransparenz 51 Verzeichnisse, behördliche 44, 69, 232 Wahrnehmung berechtigter Interessen 97, 100, 103, 176 Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen 81, 98 ff., 127, 163 Watchdog 34, 182 Watergate-Affäre 25, 28, 38 Wechselwirkungslehre 44, 78, 79, 124 Widerruf 161, 176, 224 Zensurverbot 77, 232 Zeugnisverweigerungsrecht 201 f. Zitate 221 f.
178, 180 f.,