Interregnum: Tagebuch des Generalsekretärs des Länderrats der Bizone 1947–1949 [Reprint 2020 ed.] 9783486708981, 9783486557855

Die privaten Tagebücher des Generalsekretärs Heinrich Troeger aus den Jahren 1947 bis 1949 sind eine historische Quelle

195 107 14MB

German Pages 211 [212] Year 1985

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Inhalt
Einleitung
Zur Edition
Tagebuch 1947
Tagebuch 1948
Tagebuch 1949
Anmerkungen
Dokumente
Kurzbiographien
Abkürzungen
Register
Recommend Papers

Interregnum: Tagebuch des Generalsekretärs des Länderrats der Bizone 1947–1949 [Reprint 2020 ed.]
 9783486708981, 9783486557855

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Biographische Quellen zur deutschen Geschichte nach 1945 Herausgegeben im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte und in Verbindung mit dem Bundesarchiv von Wolfgang Benz Band 3

R. Oldenbourg Verlag München 1985

Heinrich Troeger

Interregnum Tagebuch des Generalsekretärs des Länderrats der Bizone 1947-1949 Herausgegeben von Wolfgang Benz und Constantin Goschler

R. Oldenbourg Verlag München 1985

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Troeger, Heinrich: Interregnum : Tagebuch d. Generalsekretärs d. Länderrats d. Bizone 1947—1949 / Heinrich Troeger. Hrsg. von Wolfgang Benz u. Constantin Goschler. - München : Oldenbourg, 1985. (Biographische Quellen zur deutschen Geschichte nach 1945 ; Bd. 3) ISBN 3-486-52861-0 NE: G T

© 1985 R. Oldenbourg Verlag G m b H , München

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege sowie der Speicherung und Auswertung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben auch bei auszugsweiser Verwertung vorbehalten. Werden mit schriftlicher Einwilligung des Verlages einzelne Vervielfältigungsstücke f ü r gewerbliche Zwecke hergestellt, ist an den Verlag die nach § 54 Abs. 2 U r h . G. zu zahlende Vergütung zu entrichten, über deren Höhe der Verlag Auskunft gibt. Umschlaggestaltung: Dieter Vollendorf Gesamtherstellung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe G m b H , München ISBN 3-486-52861-0

Inhalt

Einleitung: Heinrich Troeger und die Politik in der Bizone

7

Zur Edition

19

Tagebuch 1947

21

Tagebuch 1948

58

Tagebuch 1949

105

Anmerkungen

145

Dokumente: Sozialpolitische Thesen und Vorschläge Heinrich Troegers .

167

Dokument 1: Fragen des Lastenausgleichs (1947)

168

Dokument2:10ThesenzumLastenausgleich(1948) Dokument3: Soziale Lebenssicherung (1950)

172 174

Kurzbiographien

193

Abkürzungen

206

Register

207

Einleitung Heinrich Troeger und die Politik in der Bizone i. Eine der seltsamsten Institutionen der deutschen Verfassungsgeschichte - nicht nur der an staatsrechtlichen Curiosa so reichen Zeit zwischen dem Zusammenbruch des NS-Regimes und der Gründung zweier deutscher Nachkriegs-Staaten - war der „Exekutivrat" des „Vereinigten Wirtschaftsgebiets". Die merkwürdige Bezeichnung rührte von den Schwierigkeiten, „Executive committee" treffend ins Deutsche zu übersetzen, man schrieb dafür in der deutschen Version der Proklamation Nr. 5 der amerikanischen (bzw. der gleichlautenden Verordnung Nr. 88 der britischen) Militärregierung noch „Exekutivausschuß"; Bezeichnungen wie Vollzugsrat, Vollzugsausschuß oder Verwaltungsrat wurden aus sprachlichen und juristischen Gründen verworfen. Schließlich hieß die Einrichtung, die sich am 25. Juni 1947 konstituierte und die am 19. Februar 1948 nach der 123. Sitzung ihrer Mitglieder wieder in der Versenkung verschwand, „Exekutivrat des Vereinigten Wirtschaftsgebiets". Geschaffen durch den Machtspruch des amerikanischen und des britischen Militärgouverneurs, war der Exekutivrat eine der beiden Keimzellen neuer Staatlichkeit, die im Herbst 1949 in Gestalt der Bundesrepublik konstituiert wurde. Bis dahin war, vom Zusammenschluß des amerikanischen und des britischen Besatzungsgebiets zur Bizone Ende 1946 an gerechnet, ein weiter Weg mit vielen Stationen, deren wichtigste die drei Organisationsphasen der Bizone bildeten. In der ersten, die im Juni 1947 zu Ende ging, waren die Konturen einer funktionierenden staatlichen Administration noch kaum erkennbar: fünf Ressorts („Verwaltungsräte und Verwaltungsämter"), an verschiedenen Orten unkoordiniert und mit geringer Kompetenz tätig, bildeten den mehr als bescheidenen und reichlich ineffizienten Anfang. Die erste Reform, von den Militärgouverneuren ohne deutsche Mitwirkung verordnet und vollzogen, brachte im Juni 1947 ein Parlament, den Wirtschaftsrat und eine BizonenHauptstadt, Frankfurt, wo die einzelnen Verwaltungen mit Direktoren an der Spitze ihren Dienstsitz zugewiesen bekamen. Man hätte statt „Verwaltung" auch Ministerium sagen können und statt „Direktor" Minister oder doch wenigstens Staatssekretär, aber das hätte dem Potsdamer Protokoll widersprochen und hätte als verfrühte westliche Absage an die gemeinsame und einheitliche Verwaltung aller vier Besatzungszonen Deutschlands durch die Alliierten gegolten. Zu den Errungenschaften der zweiten Bizonen-Phase gehörte der Exekutiv-

8

Einleitung

rat. E r bestand aus j e einem Vertreter der acht Länder des „Vereinigten Wirtschaftsgebiets" und hatte vielfältige Befugnisse: einerseits war der Exekutivrat das Organ zur Vertretung der Länderinteressen, ähnlich dem früheren Reichsrat oder dem späteren Bundesrat, andererseits hatte der Exekutivrat die Aufgabe, die Tätigkeit der Direktoren der Verwaltungen - der bizonalen Fachressorts für Wirtschaft, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, für Post und Fernmeldewesen, für Verkehr und für Finanzen - zu koordinieren. Damit war er eine Art kollektives Regierungsorgan. Allerdings hatte der Exekutivrat gegenüber den Direktoren kein Weisungsrecht, und absetzen konnte (außer der Militärregierung, von deren Gnade ohnehin alles abhing) nur der Wirtschaftsrat die Direktoren. Dem Wirtschaftsrat als dem parlamentarischen Organ der Bizone oblag auch die Wahl der Direktoren, das Vorschlagsrecht und die Vorschlagspflicht lagen wiederum beim Exekutivrat. Aber auch an der Gesetzgebung nahm der Exekutivrat durch eigene Gesetzesvorschläge, durch Begutachtung der legislativen Akte des Wirtschaftsrats, durch den Erlaß von Ausführungsbestimmungen teil. Zum Pflichtenkatalog der Institution Exekutivrat gehörten also ebenso exekutive und koordinierende wie legislative Elemente, außerdem sollte das Gremium, dessen Mitglieder den delegierenden Regierungen in den Ländern der US-Zone (Bayern, Württemberg-Baden, Hessen, Bremen) und der britischen Zone (Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg) verantwortlich blieben, föderative Belange wahren. Im Exekutivrat hatten die Sozialdemokraten die Mehrheit. Der hessische Vertreter und Gründungsvorsitzende, der Darmstädter Oberbürgermeister Ludwig Metzger, schlug am 3. Juli 1947 den Ministerialdirektor im hessischen Finanzministerium Dr. Heinrich Troeger für das Amt des Generalsekretärs vor. Troeger machte in der gleichen Sitzung seine Aufwartung und erregte auf Anhieb das Mißfallen des bayerischen Vertreters Seelos, der ihn für zu zentralistisch hielt. „Er erwartete eine absolute Unterstützung der Länder", heißt es im Protokoll der Sitzung, „und müsse daher die Ernennung des Dr. Troeger als Generalsekretär ablehnen." Auch der Delegierte WürttembergBadens bat sich Bedenkzeit aus. Das hatte vor allem parteipolitische Gründe, denn Troeger galt als der Kandidat des sozialdemokratischen Parteivorstands. Den christdemokratischen Vertretern Bayerns und Württemberg-Badens wäre der hessische Staatssekretär Hermann Louis Brill lieber gewesen. Der war zwar auch Sozialdemokrat, aber er stand im Rufe eines engagierten Föderalisten. Deswegen wollte aber SPD-Chef Kurt Schumacher ihn nicht auf dem Stuhl des Generalsekretärs des Exekutivrats sehen. Nach etlichem Hin und Her wurde Troeger am 14. Juli 1947, zunächst auf die Dauer von sechs Monaten, zum Generalsekretär bestellt. Auf die halbjährige Probezeit hatte man sich vor allem deswegen geeinigt, weil sich die Regierungsvertreter nicht sicher waren, wie politisch Troeger sein Amt auffassen und führen werde; namentlich die Herren aus München und Stuttgart legten Wert darauf, daß er als Beamter, nicht als Politiker agieren würde. Außerdem, so

Heinrich Troeger und die Politik in der Bizone

9

steht es im P r o t o k o l l der Sitzung des E x e k u t i v r a t s vom 14. Juli 1 9 4 7 , war die B e s t a l l u n g T r o e g e r s erfolgt „nur unter der V o r a u s s e t z u n g , daß seine Stellung frei b l e i b t von j e d e m politischen E i n f l u ß , was auch v o m V o r s i t z e n d e n zugesagt wurde". Die G e l e g e n h e i t zur Revision dieses B e s c h l u s s e s ergab sich schon deshalb nicht, weil die E x i s t e n z des E x e k u t i v r a t s die Sechsmonatsfrist gar nicht überdaue r t e . D a s schwergängige Instrument zur K o n t r o l l e der D i r e k t o r e n - das war die H a u p t a u f g a b e des E x e k u t i v r a t s gewesen - wurde bei der zweiten R e f o r m des B i z o n e n - A p p a r a t s durch die Militärgouverneure A n f a n g 1948 beseitigt. A n seine S t e l l e trat als V e r t r e t u n g der L ä n d e r i n t e r e s s e n ein L ä n d e r r a t . D i e übrigen A u f g a b e n entfielen oder gingen auf neue Institutionen ü b e r : D i e D i r e k t o r e n saßen a b F e b r u a r 1948 unter dem Vorsitz eines O b e r d i r e k t o r s - dazu wurde der K ö l n e r O b e r b ü r g e r m e i s t e r H e r m a n n P ü n d e r ( C D U ) gewählt - im „ V e r w a l t u n g s r a t " , e i n e r A r t B i z o n e n - K a b i n e t t , z u s a m m e n , der Wirtschaftsrat erhielt etwas e r w e i t e r t e B e f u g n i s s e , und auch die Zahl seiner Mitglieder wurde von 52 a u f 104 A b g e o r d n e t e (die von den L a n d t a g e n hinzugewählt wurden) verdoppelt. D i e O r g a n e der B i z o n e hatten damit, in der dritten Phase des V e r e i n i g t e n W i r t s c h a f t s g e b i e t s , die bis zur Konstituierung der B u n d e s r e p u b l i k im H e r b s t 1 9 4 9 d a u e r t e , endgültig Gestalt g e w o n n e n . Sie hatten darüber hinaus Modellc h a r a k t e r für das B o n n e r Staatswesen. D e m L ä n d e r r a t g e h ö r t e n nun j e zwei V e r t r e t e r für j e d e s der acht L ä n d e r a n , die Ministerpräsidenten m a c h t e n selbst von der neuen politischen Plattform als D e l e g i e r t e G e b r a u c h , der parteipolitischen Z u s a m m e n s e t z u n g nach hatten die S o z i a l d e m o k r a t e n n e u n , die U n i o n s p a r t e i e n fünf und die F r e i e n D e m o k r a t e n zwei M i t g l i e d e r im L ä n d e r r a t . D e r L ä n d e r k a m m e r oblag, wie später d e m B u n d e s r a t , die Mitwirkung an der G e s e t z g e b u n g . A l l e legislativen A k t e des W i r t s c h a f t s r a t s bedurften der Z u s t i m m u n g des L ä n d e r r a t s , der a u ß e r d e m V e t o r e c h t auch das R e c h t zur Gesetzesinitiative hatte. G e n e r a l s e k r e t ä r des neuen G r e m i u m s wurde wiederum Ministerialdirektor T r o e g e r . I h m unterstand d e r b ü r o m ä ß i g e A p p a r a t - gegliedert in H a u p t r e f e r a t e und R e f e r a t e - , mit d e m die A r b e i t des L ä n d e r r a t s erledigt wurde. D e r G e n e r a l s e k r e t ä r w a r auch zuständig für d e n geschäftsmäßigen A b l a u f - von der V o r b e r e i t u n g d e r T a g e s ordnung bis zur R e i n s c h r i f t und U n t e r z e i c h n u n g des Protokolls - der öffentlic h e n u n d nichtöffentlichen Sitzungen des L ä n d e r r a t s . I n t e r e s s a n t e r

waren

freilich die K o n f e r e n z e n der Ministerpräsidenten o d e r die B e s p r e c h u n g e n der M i l i t ä r g o u v e r n e u r e mit den westdeutschen L ä n d e r c h e f s , bei denen T r o e g e r meist als V e r a n t w o r t l i c h e r für das P r o t o k o l l t e i l n a h m . II. G e b o r e n am 4 . M ä r z 1901 in Z e i t z im preußischen S a c h s e n , b e s u c h t e der A r z t s o h n H e i n r i c h T r o e g e r das humanistische G y m n a s i u m in K e m p e n (in der Provinz P o s e n , im damals preußischen P o l e n ) , wo er 1918 das A b i t u r a b l e g t e , um - in d e r M a r i n e s c h u l e Mürvik - als s i e b z e h n j ä h r i g e r S e e k a d e t t kurz v o r d e m

10

Einleitung

Ende des Ersten Weltkriegs noch Kriegsdienst zu tun. An den Universitäten Breslau, Würzburg und Halle studierte er dann Rechts- und Staatswissenschaften. Im Dezember 1921 legte er das Referendarexamen am Oberlandesgericht in Naumburg ab, und im folgenden Jahr erhielt er von der Universität Breslau die Würde eines doctor juris. Die Stationen des Referendars Troeger waren zunächst Amtsgericht und Landgericht in Oels (Schlesien), dann, unter der Aufsicht des Regierungspräsidenten in Breslau, ein Landratsamt, ein Polizeipräsidium, ein Finanzamt. Dem folgte im August 1925 die zweite (die große) juristische Staatsprüfung beim Preußischen Ministerium des Innern. In Euskirchen und wenig später in Dortmund amtierte er dann als Regierungsassessor im Landratsamt. Im Februar 1922, als frischgebackener Referendar, war Troeger in Oels der SPD beigetreten. Sein öffentliches politisches Engagement als Versammlungsredner und sozialdemokratischer Publizist brachte ihm in Euskirchen Verdruß mit seiner unmittelbaren Obrigkeit und die Versetzung nach Dortmund. Von dort aus bewarb er sich erfolgreich um das Amt des Ersten Bürgermeisters der Stadt Neusalz an der Oder. Die kleine Industriestadt in Niederschlesien, deren Regiment Troeger im Sommer 1926 - gewählt von einer Mehrheit aus SPD- und DDP-Vertretern im Gemeinderat - übernahm. bot dem jungen Verwaltungsjuristen die Chance, kommunalpolitische Erfahrung zu sammeln, und dem ambitionierten Sozialdemokraten darüber hinaus Wirkungsmöglichkeiten auf parlamentarischer Ebene. 29jährig war Troeger Abgeordneter im Provinziallandtag von Niederschlesien und von diesem delegiertes Mitglied im Provinzialausschuß. Zu den kommunalpolitischen MeritenTroegers gehörten u. a. die Kanalisation der gesamten Stadt Neusalz, die Errichtung eines modernen Krankenhauses und eines Gymnasiums sowie der Bau einer Brücke über die Oder. Im März 1933 wurde er in „Schutzhaft" genommen und gezwungen, die Beurlaubung als Bürgermeister zu beantragen. Unter Entzug der Pensionsberechtigung wurde Troeger von den nationalsozialistischen Machthabern im Oktober 1933 unter Berufung auf §4 des ..Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom April 1933 entlassen („Beamte, die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, daß sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten, können aus dem Dienst entlassen werden"). Dem zwangsweisen Abschied vorangegangen waren zuerst ein Versuch der NSDAP-Gewaltigen am Ort. den geschätzten Fachmann Troeger zum Umschwenken auf die Hitler-Linie zu bringen, dem folgten Nachstellungen und Pressionen, darunter die üblichen - ergebnislosen - Strafund ein Dienststrafverfahren sowie eine zweite Inhaftierung im Juni 1933. Des Amtes beraubt entschloß sich Troeger zur Übersiedelung nach Berlin, wo er sich ab 1934, zunächst publizistisch und als Herausgeber von Fachbüchern, auf Devisen- und Steuerrecht spezialisierte, um eine neue freiberufliche Existenz aufzubauen. 1935 wurde Troeger in die Liste der Verwaltungsrechtsräte beim Preußischen Oberverwaltungsgericht in Berlin eingetragen; die Anwaltspraxis mit den

Heinrich Troeger und die Politik in der Bizone

11

Schwerpunkten Devisenrecht, Recht der Handelsgesellschaften und zwischenstaatlichem Steuerrecht ging gut, trotz gelegentlicher Behinderungen und Verfolgungen durch das NS-Regime. Politisch aktiv, was nach Überzeugung und Temperament Troegers nur die Teilnahme an einem Widerstandskreis hätte bedeuten können, war er bis 1945 nicht. Die Verbindungen und Freundschaften aus der Zeit vor 1933 hielt er freilich aufrecht, und politische Freunde in Schlesien, wie der ehemalige Breslauer Polizeipräsident Fritz Voigt und der Gewerkschafter Franz Leuninger, die als Mitwisser des Verschwörerkreises vom 20. Juli von der NS-Justiz ermordet wurden, hatten ihn für das Amt des Regierungspräsidenten in Liegnitz in Aussicht genommen. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ergab sich ein neues Betätigungsfeld für Heinrich Troeger: die Firma Massey-Harris, eine deutsche Tochter des kanadischen Landwirtschaftsmaschinen-Konzerns, wurde, weil sich ihre Geschäftsanteile in kanadischer Hand befanden, ..Feindvermögen", für das von staatswegen ein deutscher Verwalter bestellt werden mußte. Um zu vermeiden, daß das Unternehmen unter Kuratel eines Nationalsozialisten geriet, betrieb die Firmenleitung mit Erfolg die Ernennung Troegers zum Verwalter. Nach der Besetzung von Belgien und Nordfrankreich wurde er auch Treuhänder der französischen und der belgischen Schwestergesellschaften. Diese Tätigkeit ersparte ihm auch, wegen Unabkömmlichkeit, die Einberufung zur Wehrmacht. Das Kriegsende und den Zusammenbruch des NS-Regimes erlebte Troeger in Neustadt an der Orla in Thüringen, wohin sich seine Familie, die zunächst aus Berlin nach Schlesien evakuiert worden war. geflüchtet hatte. Dort suchte Troeger wieder nach einem politischen Betätigungsfeld; er bewarb sich beim Innen- und beim Finanzressort der unter amerikanischer Ägide im Aufbau befindlichen Landesregierung in Weimar. Anfang Juni 1945, als sich die Gerüchte vom Wechsel der Besatzungsmacht in Thüringen zur Gewißheit verdichteten, als viele wieder an Flucht Richtung Westen dachten, entschied sich Troeger zum Bleiben. Praktische Überlegungen sprachen ebenso dafür die russische Besatzung als Nachkriegsakt würde nichts Schlimmes sein, meinte er einerseits, und mit dem Rücktransport der Evakuierten und Geflohenen in die Heimatgebiete, also nach Berlin, wo die Familie Troeger ein Haus besaß, sei andererseits zu rechnen - wie Erwägungen, die seine politische und moralische Position kennzeichneten: „Ich will bleiben, wo mich das Schicksal hingestellt hat, denn alle anständig denkenden Deutschen werden Hand anlegen müssen, wenn das deutsche Volk noch jemals zu einer politischen Geltung kommen soll.Wenn die Sieger Bestrafung, Erziehung und Vergeltung üben, dann müssen wir einig sein, mit allen denjenigen Versöhnung zu betreiben, die sich nichts haben zu Schulden kommen lassen, außer daß sie zu den politisch Urteilslosen gehörten." So Troeger in seinen unveröffentlichten Erinnerungen („Erlebtes und Gedachtes. Erinnerungen von 1945 bis 1970"), die in enger Anlehnung an die Tagebücher geschrieben sind. Mitte Juni 1945 nahm Troeger Kontakt auf zum früheren Oberbürgermeister von Breslau, Otto Wagner, der sich nach seiner Amtsenthebung 1933 nach Jena

12

Einleitung

zurückgezogen hatte. Die Amerikaner hatten ihn nach der Besetzung dort zum kommissarischen Oberbürgermeister ernannt, aber er wollte das Amt so schnell wie möglich wieder loswerden. Troeger erschien ihm offenbar wie vom Himmel gesandt, und dieser empfand das Ansinnen, Oberbürgermeister in Jena zu werden, geradezu als Erlösung von der Isolation und Untätigkeit in Neustadt. Er stimmte zu, und unmittelbar vor dem Einzug der sowjetischen Besatzungsmacht wurde er nach Jena geholt, am 3. Juli 1945 stellte er sich dem erweiterten antifaschistischen Komitee der Stadt vor, das ihn zum OB-Kandidaten wählte. (Die Antifa-Ausschüsse, die sich nach dem Einmarsch der Amerikaner allenthalben auf Initiative von Männern der Arbeiterbewegung etabliert hatten, fungierten bis zu ihrer Auflösung durch die Militärregierung als erste demokratische Legitimationsorgane für politische Entscheidungen.) Die Amtszeit Heinrich Troegers als Jenenser Oberbürgermeister, die im September 1946 endete, ist von Thilo Vogelsang in den Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte dokumentiert worden. (Oberbürgermeister in Jena 1945/46. Aus den Erinnerungen von Dr. Heinrich Troeger, in: V f Z 25 [1977], S. 889-930). Das Ende in Jena war typisch für die Verhältnisse. Bei den Kommunalwahlen am 8. September 1946 war die Liberaldemokratische Partei (LDP) stärkste Fraktion in Jena geworden, nicht zuletzt deshalb, weil viele Sozialdemokraten nach dem in der Ostzone erzwungenen Zusammenschluß von SPD und KPD zur SED im Frühjahr 1946 die LDP gewählt hatten. Der Sozialdemokrat Troeger war zwangsläufig im April 1946 SED-Mitglied geworden. Trotzdem hatte die LDP-Fraktion ihn zu ihrem OB-Kandidaten bestimmt. Nach Auffassung der sowjetischen Militärregierung mußte aber dem LDP-Wahlsieg durch ein Stadtoberhaupt mit förmlicher LDP-Mitgliedschaft Rechnung getragen werden. Als OB in Jena war Troeger also unerwünscht, andererseits erhielt er im Herbst 1946 von der S E D Angebote, für die gleiche Funktion in Leipzig oder Halle/Saale und für das Amt des Wirtschaftsministers in Sachsen. Er selbst hatte sich aber schon früher anderweitig umgetan und stand in Verhandlungen um den Posten des Stadtkämmerers von Berlin. Aufgefordert dazu hatte ihn Hermann Lüdemann, der spätere Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, der damals Kandidat der SPD-Zentrale in Hannover für das Berliner Oberbürgermeisteramt war. Die Berliner Sozialdemokraten favorisierten aber lokale Größen und entschieden sich für Otto Ostrowski. Troeger wurde trotzdem zum Bleiben ermuntert, Stadtverordnetenvorsteher Otto Suhr hätte ihn gerne als Stadtrat für Wirtschaftsfragen in Berlin gehabt. Troeger entschied sich jedoch für eine andere Offerte, und zwar für den Posten eines Ministerialdirektors und Vertreters des Innenministers in Hessen. Angeboten hatte ihm dieses Amt Hermann Brill, den Troeger in der Nachkriegszeit in Thüringen kennengelernt und der ihn tief beeindruckt hatte. Brill war als 25jähriger USPD-Abgeordneter 1920 in den thüringischen Landtag gekommen und gehörte, seit 1922 wieder bei der SPD, 1921-1924 der Landesregierung in Weimar als politischer Beamter an. Der konsequente demokratische Sozialist bekämpfte bis 1933 als Landtagsabgeordneter und Mitglied des Staatsgerichts-

Heinrich Troeger und die Politik in der Bizone

13

hofs noch legal, dann in den Widerstandsgruppen „Neu B e g i n n e n " und „ D e u t sche V o l k s f r o n t " den Nationalsozialismus; mit seinen G e s i n n u n g s f r e u n d e n e r h o f f t e er f ü r die Zeit nach Hitler eine vereinte A r b e i t e r b e w e g u n g , f ü r die er sich theoretisch und programmatisch auch ab 1938 im Z u c h t h a u s B r a n d e n b u r g und im Konzentrationslager Buchenwald engagierte. Das „ B u c h e n w a l d e r Manifest" vom April 1945, im wesentlichen von Brill konzipiert und formuliert, war die Vision einer n e u e n demokratisch-sozialistischen O r d n u n g unter d e m M o t t o „ F r i e d e n , Freiheit, Sozialismus", getragen von einer die Spaltung in K P D und S P D ü b e r w i n d e n d e n A r b e i t e r b e w e g u n g . Nach der Befreiung in Buchenwald b e a u f t r a g t e die amerikanische Besatzungsmacht Brill mit der Bildung einer thüringischen Landesregierung. Nach d e m Besatzungswechsel in Thüringen verlor der rigorose Antifaschist am 16. Juli 1945 sein A m t als Regierungschef, in d e r Folge scheiterten auch bald seine B e m ü h u n g e n um die Herstellung d e r sozialistischen Einheit nach d e r Konzeption des Buchenwalder Manifests. Brill ging E n d e 1945 als B e r a t e r der US-Militärregierung nach Berlin. Im Juli 1946 wurde der p r o m i n e n t e linke Sozialdemokrat als Staatssekretär Chef d e r hessischen Staatskanzlei in Wiesbaden und bis D e z e m b e r 1946, als in d e r USZ o n e die ersten Landtagswahlen abgehalten w u r d e n , galt er als A n w ä r t e r auf das A m t des Ministerpräsidenten. Von dieser Position aus hatte Brill mit T r o e g e r im Herbst 1946 verhandelt. U n t e r dem D a t u m 8. D e z e m b e r 1946 beschreibt Troeger im Tagebuch den Schrecken, der ihn d u r c h f u h r , als er d e r „ N e u e n Z e i t u n g " , d e m amerikanischen Blatt f ü r das deutsche Publikum in d e r U S - Z o n e , e n t n e h m e n m u ß t e , daß Brill in Wiesbaden o f f e n b a r nicht m e h r zur D e b a t t e stand: „Was wird aus meiner Bewerbung um die Stelle des Ministerialdirektors im Innenministerium? Bleibt Z i n n k a n n Minister des Innern und will er mich noch h a b e n ? W ü r d e es dann auch mit dem Umzüge k l a p p e n ? A b e r was wäre f ü r mich Wiesbaden o h n e D r . Brill? Ich kann mir nicht d e n k e n , d a ß Brill dort bleibt, wenn seine K a n d i d a t u r für den Ministerpräsidentenposten ausfällt." In d e r bangen E r w a r t u n g , womöglich auf Stellungsuche gehen zu müssen, immerhin war er V a t e r von sechs K i n d e r n , bedachte T r o e g e r die Situation und redete sich Mut zu: „Brill sagt nichts, wenn er dessen nicht ganz gewiß ist. U n d wenn es ihm ähnlich ginge wie L ü d e m a n n , der auch vom Parteivorstand zum O b e r b ü r g e r m e i s t e r von Berlin vorgeschlagen war, und dann vom Parteiausschuß abgelehnt w u r d e , dann würde er doch stark genug bleiben, sich auch um mich zu k ü m m e r n ; er k ö n n t e mich doch nicht sitzen lassen, n a c h d e m ich wegen unserer V e r a b r e d u n g die Berliner A n g e b o t e abgelehnt h a t t e . " Schließlich beruhigte sich Troeger, der im Tagebuch diese Nacht der Ängste protokollierte: „ D a s feste V e r t r a u e n auf D r . Brill siegte. E s mußte die S P D doch wenigstens an einer Stelle den besten M a n n herausstellen. Wer hat denn die vielbesprochene hessische Verfassung g e m a c h t , wenn nicht H e r m a n n Brill? Sollte die neue S P D Fraktion diesen M a n n wirklich fallen lassen? Sollte er sich in seinen Chancen so grob getäuscht h a b e n ? Sollte etwa die C D U Schwierigkeiten m a c h e n , n a c h d e m sie sich mit der S P D , d . h . doch eben mit Brill über die Verfassung geeinigt hatte? Sollte etwa Brill einen groben Lapsus gemacht h a b e n , d e r ihn für die S P D

14

Einleitung

o d e r C D U in Hessen untragbar erscheinen ließe? Alle diese Fragen a u f w e r f e n , hieß sie f ü r mich verneinen . . . So schlief ich denn gegen 6 U h r wieder ein. A b e r so ist T r o e g e r : wenn ihm etwas unverhofft in die Q u e r e k o m m t und seine Kreise stört, auf denen seine ganze Z u k u n f t ruht, dann ist er aus dem Häuschen: E r d e n k t zu viel, das schadet manchmal." Brill blieb j e d o c h entgegen Troegers B e f ü r c h t u n g e n in Wiesbaden als Leiter der Staatskanzlei, und Troeger war immer noch, wie er telegraphisch am Heiligen A b e n d 1946 e r f u h r , willkommen: „Meine innere F r e u d e ist nicht zu beschreiben: Ich t r ä u m e nun wieder davon, Hessen zu einem sozialistischen Musterland zu machen. E s gilt, vom G r u n d e a u f z u b a u e n und zu zeigen, wie man h e u t e in Deutschland als Sozialdemokrat regiert: Eine A u f g a b e , die mich deswegen besonders reizt, weil ich weiß, daß ich bei Dr. Brill die politische Schulung erleben w e r d e , die mir fehlt." Die Ü b e r s i e d l u n g von Berlin nach W i e s b a d e n und die H i n t e r g r ü n d e seines dortigen Amtsantritts schildert Troeger in einer nachträglichen Ergänzung zur T a g e b u c h e i n t r a g u n g vom 19. Januar 1947, in der sich auch die B e m e r k u n g findet, „die persönlichen Umstände in Wiesbaden waren damals für mich die schlechtesten, an die ich mich erinnern k a n n " : „Endlich klappte es mit meiner Reise nach W i e s b a d e n , indem ich die erforderlichen Papiere für die Benutzung eines Militärzuges der A m e r i k a n e r nach Frankfurt/Main erhielt. Dr. Brill ließ mich mit seinem Dienstwagen von der Bahn abholen. Ich e r f u h r durch i h n - u n d später durch Albert Wagner, der mich schon als Regierungsreferendar in Breslau kennengelernt hatte - wie es zu m e i n e r B e r u f u n g nach Hessen kam. Die L a n d t a g s f r a k t i o n wünschte sich einen g e b o r e n e n Hessen als Ministerpräsidenten und wählte - wohl gegen die Intentionen des Parteivorstandes in H a n n o v e r Christian Stock, der das Hessenland schon in der Nationalversammlung in W e i m a r vertreten h a t t e . Bei der Regierungsbildung wurde zunächst v e r a b r e d e t , d a ß ich als Stellvertreter des hessischen Ministers des Innern Heinrich Z i n n k a n n b e r u f e n werden sollte. Später wurde - wie ich vermute auf Initiative von D r . W e r n e r Hilpert - beschlossen, d a ß in keinem Falle ( a u ß e r in der Staatskanzlei) der Minister und sein Stellvertreter derselben Partei a n g e h ö r e n d ü r f t e n . Auf die Frage von Z i n n k a n n : ,Was soll dann aber mit Troeger w e r d e n ? ' erklärte D r . Hilpert ,den n e h m e ich'. Er wußte von meiner literarischen Arbeit auf dem G e b i e t e des Devisenrechts, kannte mich aber sonst nicht. Nachträglich muß ich feststellen, d a ß Hilpert mir gegenüber von A n f a n g an das gleiche Mißtrauen gezeigt hat, das ihn zu der Forderung bewogen hatte, d e m Innenminister und d e m Wirtschaftsminister einen C D U - V e r t r e t e r zu geben . . . Finanzminister Hilpert, der leider keine Menschenkenntnis hatte, arbeitete in den wichtigen und politisch interessanten Sachen mit seinen persönlichen Vertrauensleuten u n t e r U m g e h u n g o d e r Vernachlässigung meiner Person als seines amtlichen Stellvertreters." U m so freudiger ergriff Troeger die Gelegenheit, unter B e u r l a u b u n g aus dem hessischen Staatsdienst die Stelle als G e n e r a l s e k r e t ä r des Exekutivrats und dann des L ä n d e r r a t s zu ü b e r n e h m e n . Die erfolgreiche Kandidatur Troegers kolli-

Heinrich Troeger und die Politik in der Bizone

15

dierte freilich mit den A m b i t i o n e n , die sein F ö r d e r e r H e r m a n n Brill auf das gleiche A m t in d e r Bizone hatte, und die Beziehungen der beiden wurden auf lange Zeit frostig. W ä r e es von d e r parteipolitischen Konstellation her möglich gewesen, dann w ä r e Troeger im H e r b s t 1949 wohl in der gleichen Funktion von F r a n k f u r t nach B o n n zum Bundesrat umgezogen. Statt dessen fand er eine andere Wirkungsstätte am Rhein als Ministerialdirektor in Düsseldorf im Finanzministerium von Nordrhein-Westfalen. T r o e g e r k o n n t e sich diesem A m t aber nur kurze Zeit - von F e b r u a r bis D e z e m b e r 1950 - widmen, denn nach den Landtagswahlen in Hessen im N o v e m b e r 1950, die den Sozialdemokraten die absolute Mehrheit b r a c h t e n , bot ihm d e r n e u e hessische Ministerpräsident G e o r g August Zinn das Finanzministerium an. Mit tiefer G e n u g t u u n g ließ T r o e g e r sich am 13. J a n u a r 1951 von W e r n e r Hilpert, dem er 1947 als Ministerialdirektor unterstanden hatte, mit dem er sich so schlecht verstand und der drei J a h r e zuvor, als T r o e g e r nach F r a n k f u r t zur Bizone beurlaubt war, seine Entlassung aus dem hessischen Staatsdienst betrieben hatte, die Amtsgeschäfte des Finanzministeriums übergeben. T r o e g e r blieb bis E n d e S e p t e m b e r 1956 Minister in Wiesbaden. Vor allem das gespannte Verhältnis zu Ministerpräsident Z i n n , das sich nach einiger Zeit ergab, bewog ihn d a n n , den Ministersessel mit d e m Stuhl des Präsidenten der L a n d e s z e n t r a l b a n k zu vertauschen. Als Minister hatte er sich besonders f ü r die V e r w a l t u n g s r e f o r m und für die Integration der H e i m a t v e r t r i e b e n e n , u. a. durch F ö r d e r u n g von Industrieansiedlungen engagiert. A m Herzen lagen ihm aber auch W i e d e r a u f b a u und Pflege historischer B a u t e n und die F ö r d e r u n g der Hochschulen des L a n d e s (später, von 1965 bis 1970 war Troeger auch Mitglied des Wissenschaftsrats). Ü b e r die hessischen Landesgrenzen hinaus hatte T r o e g e r als Vorsitzender eines E x p e r t e n g r e m i u m s gewirkt, das vom Bundesrat berufen war und vom H e r b s t 1951 bis N o v e m b e r 1953 Möglichkeiten und Grenzen der G r o ß e n S t e u e r r e f o r m in d e r Bundesrepublik diskutierte. D a s war keine spektakuläre F u n k t i o n , aber d e n Glanz der öffentlichen Stellung suchte der Pragmatiker im protestantischen H a b i t u s auch nicht. Preußische T u g e n d e n waren ihm lieb B e w e r b e r n pflegte er die klassische Frage zu stellen, o b sie gedient hätten - und m a n c h e Zeitgenossen mögen das als Kargheit e m p f u n d e n haben. Charakteristisch f ü r T r o e g e r war ein Arbeitskreis, dessen Mittelpunkt er bildete: ein Zirkel hochkarätiger M ä n n e r verschiedener politischer C o u l e u r , der sich ü b e r zwei J a h r z e h n t e hin einmal im Monat im R a u m Köln-Bonn traf, um über politische Fragen zu d e b a t t i e r e n . Exklusiver, aber unprätentiöser als die weltweit ambitionierte Geselligkeit und Wohltätigkeit pflegenden H e r r e n c l u b s der Erfolg- und Einflußreichen g e h o b e n e n Standes hatte der Arbeitskreis um Troeger nur gegen 20 Mitglieder, u n t e r ihnen waren der Jurist R o b e r t Ellscheid, der Verleger Joseph Witsch, d e r Bankier Robert P f e r d m e n g e s (alle Köln), die Sozialdemokraten H e r b e r t K r i e d e m a n n , Walter Seuffert. Erwin Schoettle, die e b e n s o wie H e r b e r t Lubowski seit den bizonalen A n f ä n g e n politische Weggefährten Troe-

16

Einleitung

gers waren. Der Journalist Christoph von Imhoff, der Düsseldorfer Oberstadtdirektor Walther Hensel und Kurt Birrenbach gehörten zum Troeger-Kreis, der sich zu seinen Zusammenkünften prominente und kompetente Referenten holte wie etwa den Bundesfinanzminister Etzel oder den damaligen Rechtsanwalt Hellmut Becker (der wiederum Richard von Weizsäcker mitbrachte), Eugen Kogon oder Fritz René Allemann. Die letzte Station seiner öffentlichen Wirksamkeit erreichte Troeger als Vizepräsident der Deutschen Bundesbank Anfang 1958. Die Bundesregierung bewog ihn 1967, ebenso wie den Vorsitzenden Karl Blessing, zum Verbleiben im Amt zwei Jahre über die Pensionsgrenze hinaus. Als er, nach den Bundestagswahlen und der Bildung der sozialliberalen Koalition, am 31. Dezember 1969 in den Ruhestand trat, hieß es im „Handelsblatt", es sei ihm, zusammen mit Blessing, als „unerschrockenem Mahner" gelungen, „Wirtschaft und Währung über viele Jahre hinaus eine bemerkenswerte Stabilität zu sichern". Heinrich Troeger starb im Alter von 74 Jahren am 28. August 1975 in Bad Nauheim an den Folgen eines Herzanfalls.

III. Die privaten Tagebücher des Generalsekretärs Troeger aus den drei Jahren, in denen unter Besatzungsherrschaft in der Bizonen-Administration, auf den Konferenzen der Ministerpräsidenten, im Herrenchiemseer Verfassungskonvent, im Parlamentarischen Rat und in sonstigen Gremien konstitutive Entscheidungen fielen, die in der Bundesrepublik gültig blieben, sind eine historische Quelle ersten Ranges. Troeger, von Amts wegen mit der damaligen politischen Prominenz eng vertraut, war ein präziser Beobachter, der vor eindeutiger Wertung und scharfem Urteil über Personen und Entscheidungen, über Charaktere und Motive keine Scheu hatte. Manches dieser natürlich immer subjektiven Verdikte wurde den von Troeger apostrophierten Zeitgenossen wohl ^uch nicht gerecht. Werner Hilpert etwa, über den sich Troeger bei Brill so bitter beklagte (Tagebuch vom 17. April 1947), war als frommer Katholik, als CDU-Politiker und in Temperament und Wesen so anders als Troeger, daß sie sich kaum verständigen konnten. Selbst Brill, den seit der gemeinsamen Haft in Buchenwald eine tiefe Freundschaft mit Hilpert verband, konnte zwischen Troeger und Hilpert nicht vermitteln. Harsche Urteile über den Ministerpräsidenten Christian Stock (Tagebuch vom 5. und 25. Oktober 1947) hat Troeger später (13. August 1949) ausdrücklich revidiert. Die Passagen über Kurt Schumacher, am 18. Mai 1947 notiert, sind wiederum ein Beispiel für kritische Beobachtung und sicheres Urteil Troegers. In Troegers Tagebuchaufzeichnungen spiegelt sich die - oft klägliche politische Realität des von Ängsten erfüllten und mit Hoffnungen besetzten Interims der ersten Nachkriegsjahre. Seiner damaligen Stellung nach stand Troeger unter keinem Rechtfertigungszwang, und die regelmäßigen Eintragun-

Heinrich Troeger und die Politik in der Bizone

17

gen des lebenslang passionierten Tagebuchschreibers bürgen auch von den ä u ß e r e n U m s t ä n d e n her f ü r die Authentizität des Geschriebenen. Die Tagebucheintragung vom 15. Mai 1948. in der Troeger über die Konferenz der beiden Militärgouverneure mit Vertretern der Bizone berichtet, ist ein t r e f f e n d e s Beispiel nicht nur f ü r die Authentizität und Präzision unserer Q u e l l e , s o n d e r n auch f ü r deren genuine B e d e u t u n g . D e r Vergleich mit dem Protokoll dieser Besprechung, die am Vortag stattfand, zeigt die amtliche Version und beweist die Ü b e r e i n s t i m m u n g d e r A r g u m e n t e und G e g e n a r g u m e n t e . A b e r in welcher A t m o s p h ä r e sich die ganze D e b a t t e über die Schwarzwildplage abspielte und wie peinlich die Situation war, geht in voller Klarheit erst aus dem Tagebuch hervor. D a n k d e r vom Bundesarchiv und d e m Institut f ü r Zeitgeschichte gemeinsam v e r a n t w o r t e t e n Edition „ A k t e n zur Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1945 — 1949" ist die N a c h p r ü f u n g der meisten Tagebucheintragungen d e m interessierten Leser o h n e Schwierigkeiten möglich. Die ganze R e i h e „Biographische Quellen zur deutschen Geschichte nach 1945", als deren dritter Band die T a g e b ü c h e r Troegers publiziert w e r d e n , versteht sich in gewissem Sinne ja als S u p p l e m e n t zur fünfbändigen A k t e n - E d i t i o n . Im K o m m e n t a r wird d a h e r , wenn immer es möglich war, nur auf die entsprechenden Stellen dieser Edition, also auf die dort abgedruckten Protokolle der Sitzungen des Exekutivrats, der Ministerpräsidentenkonferenzen, der Besprechungen mit den Militärg o u v e r n e u r e n o d e r d e r Direktorialsitzungen verwiesen. Im T a g e b u c h der J a h r e 1 9 4 7 - 1949 erscheint Heinrich Troeger in erster Linie als Chronist von Ereignissen und Entwicklungen, an d e n e n andere die Verantwortung tragen o d e r die doch immerhin p r o m i n e n t e r e Rollen auf der politischen B ü h n e spielen d u r f t e n als der G e n e r a l s e k r e t ä r des Exekutivrates bzw. der bizonalen L ä n d e r k a m m e r . D e r politischen Persönlichkeit Troegers wird diese im Tagebuch gespiegelte E b e n e noch nicht ganz gerecht. Als A n h a n g sind d a h e r drei T e x t e beigefügt, die Troegers A m b i t i o n e n auf dem Feld der Sozialpolitik d o k u m e n t i e r e n . Ein Vortragsmanuskript aus d e m F r ü h j a h r 1947 und zwei D e n k s c h r i f t e n aus den Jahren 1948 und 1949/50 wurden ausgewählt, um Einblick in T r o e g e r s G e d a n k e n und Visionen einer gerechten Sozialordnung der Nachkriegszeit zu geben. Frau E d e l t r a u t Schönewald, Wiesbaden, danke ich herzlich f ü r die Hilfe bei d e r Verifizierung von Sachverhalten und biographischen D a t e n . Für Hinweise d a n k e ich auch H e r r n Minister a. D . D r . Erwin Stein, Fernwald bei G i e ß e n , und H e r r n Minister a. D . Ludwig Metzger, D a r m s t a d t . Wolfgang B e n z

Zur Edition

Heinrich Troeger begann 1918 als Seekadett bei der Kriegsmarine Tagebuch zu führen und setzte dieses bis in das letzte Jahr seines Lebens 1975 fort. Alles in allem umfassen diese heute im Archiv der sozialen Demokratie der FriedrichEbert-Stiftung in Bonn/Bad Godesberg aufbewahrten Tagebücher 55 Bände. Mitte der sechziger Jahre ließ Heinrich Troeger die bis zu diesem Zeitpunkt angefertigten handschriftlichen Aufzeichnungen von Ernst Moering exzerpieren, um sie dann, nachdem er sie zuvor überarbeitet hatte, von seiner Frau Else Troeger in maschinenschriftliche Form bringen zu lassen. Bei dieser Überarbeitung verfremdete oder kürzte Troeger Angaben zu Vorgängen und Personen, sofern er Indiskretionen befürchtete. Außerdem nahm er bei dieser Gelegenheit auch kleinere stilistische Veränderungen vor. Das Resultat dieser Arbeit umfaßt 15 Bände Tagebuchtyposkript, denen Troeger den Titel „Am Rande der Politik" gab. Sie werden ebenfalls im Archiv der sozialen Demokratie aufbewahrt. Später überarbeitete Troeger diese Fassung erneut, wobei bei dieser Bearbeitungsstufe die nachträglich reflektierenden Elemente im Gegensatz zur ersten Version, in der vor allem schonende Kürzungen vorgenommen wurden, relativ stark sind. Da diese erneuten Überarbeitungen handschriftlich in ein Exemplar der ersten Bearbeitungsstufe eingetragen wurden, ist die Identifizierung der erneuten Veränderungen und die Rekonstruktion der zugrundeliegenden Fassung relativ einfach. Eine Kopie dieser Bearbeitungsstufe für den Zeitraum 1945-1956 wird auch im Institut für Zeitgeschichte, München, verwahrt. Darüber hinaus dienten die Tagebücher als Steinbruch für eine noch stärker überformte Variante, die Troeger unter dem Titel „Erlebtes und Gedachtes. Erinnerungen von 1945-1970" für die Veröffentlichung bestimmt hatte. Dabei hatte er zwar den Tagebuchduktus beibehalten, aber die Aufzeichnungen weiter mit nachträglich eingefügten Elementen angereichert. Eine Kopie dieser Version befindet sich ebenfalls im Institut für Zeitgeschichte. Die Edition der Tagebücher Heinrich Troegers für den Zeitraum 1947—1949, die an die Veröffentlichung der Aufzeichnungen aus Troegers Zeit als Oberbürgermeister von Jena 1945/46 durch Thilo Vogelsang in den Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte 25 (1977) anschließt, setzte umfangreiche textkritische Arbeiten voraus. Der hier veröffentlichte Text beruht auf den Bänden 29—32 des Tagebuchmanuskripts bzw. Band 8 und 9 des ersten Tagebuchtyposkripts. Auf der Grundlage der als frühest bestimmten Transkription wurde erstens ein Vergleich mit der oft schwer lesbaren, Sütterlin- und lateinische Kursivschrift vermengenden Handschrift Troegers durchgeführt. Dabei wurden vereinzelt vorhandene Fehler der Transkription Ernst Moerings beseitigt, weggelassene

20

Zur Edition

Textteile wieder eingefügt und nachträglich v e r ä n d e r t e o d e r ergänzte Stellen kenntlich g e m a c h t . Zweitens w u r d e n auch die späteren Tagebuchfassungen herangezogen, da T r o e g e r dort z u m Teil A n g a b e n vervollständigte, die ihm bei der Anlage seines ursprünglichen Tagebuches manchmal überflüssig erschienen sein mochten. So etwa n a n n t e o d e r vervollständigte er P e r s o n e n n a m e n , die ihm im Hinblick auf eine Veröffentlichung seiner Aufzeichnungen nachträglich wichtig waren. D a die Publikationsgrundsätze der R e i h e „Biographische Quellen zur deutschen Geschichte nach 1945" keinen aufwendigen textkritischen A p p a r a t vorsehen, m u ß t e f ü r die Veröffentlichung die Wahl f ü r eine Variante getroffen werden. Bei dieser E n t s c h e i d u n g setzte sich die Ü b e r z e u g u n g durch, daß d e m Leser ein nach Möglichkeit mit d e m handschriftlichen Original identischer Text zur H a n d g e g e b e n w e r d e n sollte, da dessen Authentizität die Veröffentlichung vor allem rechtfertigt u n d dessen sprachliche U n e b e n h e i t e n leicht zu kompensieren v e r m a g . D e n Konflikt zwischen der Entscheidung des A u t o r s , bestimmte A n g a b e n zu tilgen, und der Neugier des Lesers entschied d e r Bearbeiter, soweit es ihm v e r a n t w o r t b a r schien, zugunsten des letzteren. Dabei rechtfertigt die seit d e r B e a r b e i t u n g Troegers vergangene Frist von etwa 20 Jahren bzw. der doppelt so lange Z e i t r a u m , der zwischen den Ereignissen und dieser Publikation liegt, sicherlich die weitgehende A u f h e b u n g d e r Troegerschen Selbstzensur. In einigen seltenen Fällen fiel entgegen der allgemeinen Bearbeitungsregel die E n t s c h e i d u n g d a f ü r , eine nachträglich eingefügte Passage in die Veröffentlic h u n g a u f z u n e h m e n , sofern der Wert der dabei zusätzlich g e w o n n e n e n Informationen die (aus textkritisch-puristischer Sicht) E i n b u ß e an Authentizität und Stimmigkeit d e r Tagebuchaufzeichnungen ü b e r w o g . Diese Stellen sind durch kleineren D r u c k der entsprechenden Passagen ausgewiesen. Unleserliche Stellen des Tagebuchmanuskripts, die auch durch H e r a n z i e h u n g der Transkriptionen nicht zu erschließen waren, wurden mit eckigen K l a m m e r n gekennzeichnet. In gleicher Weise wurde mit den wenigen A u s n a h m e n verfahren, bei denen der originale W o r t l a u t des Tagebuches gekürzt w u r d e , etwa einige Passagen, die, beispielsweise unter d e m D a t u m vom 12. J a n u a r 1947, ausführliche Exzerpte g e r a d e von T r o e g e r gelesener Bücher enthalten. Offensichtliche Rechtschreibfehler w u r d e n stillschweigend berichtigt, e b e n s o - wenn es etwa in der Eintragung vom 28. Mai 1948 „ T a n n e n b a u m " statt „ T e n e n b a u m " heißt - falsche Schreibweisen von P e r s o n e n n a m e n etc. Z u m Schluß soll nicht versäumt w e r d e n , ganz besonders E r n a Danzl für ihre wertvolle Hilfe bei d e r Transkription des handschriftlichen Tagebuches zu danken. Constantin Goschler

Tagebuch 1947

12. Januar

1947

Ein n e u e s Unglück: der G a s m a n n hat heute zur allgemeinen Ü b e r r a s c h u n g festgestellt, d a ß der Z ä h l e r nicht geht, und hat darauf zu allgemeinem Entsetzen das G a s abgestellt. N u n sind w i r - n a c h dem D i e b s t a h l - o h n e Holz und o h n e G a s und o h n e die Möglichkeit, elektrisch zu kochen, zur Zeit a u ß e r d e m o h n e Wasser und mit e i n g e f r o r e n e n Abflüssen. D e r Strom wird stundenweise abgeschaltet. Die Kartoffeln sind obendrein e r f r o r e n . D e s Daseins ganzer J a m m e r - alle Möglichkeiten der H ä r t e und Belastung nach dem verlorenen Kriege scheinen auf uns n i e d e r z u k o m m e n . H e r m a n n Hesse „ D a s Glasperlenspiel". Soeben habe ich die Lektüre beendet o h n e die drei a n h ä n g e n d e n Lebensläufe. Es ist lange her, d a ß ich einen R o m a n dieses U m f a n g e s gelesen habe. [. . .]' 19. Januar

1947

Carlo Schmid: Die F o r d e r u n g des Tages. Verlag von Ernst Klett, Stuttgart [. . 3. März

1947

Der Krach mit d e m Minister 3 wirft seine Schatten voraus. E r gab mir 2 Zettel mit A n w e i s u n g e n . Schon einmal ging mir formlos ein solches Monitum zu. Ich werde a b l e h n e n - wie? Das will ich erst noch beschlafen. D i e N e u e Z e i t u n g , 3. Jhrg., Nr. 16, vom 24. II. 1947. Da ist M r . Victor Gollancz abgebildet, ein jüdischer Journalist aus E n g l a n d , wahrscheinlich auch von O s t e u r o p a g e k o m m e n , der f ü r die Hilfe zugunsten deutscher N o t l e i d e n d e r eintritt. E r hat eine Reise durch Deutschland gemacht und d a r ü b e r ein Buch veröffentlicht „ I m dunkelsten D e u t s c h l a n d " - „In darkest G e r m a n y " . 2 Bilder aus d e m Buche sind wiedergegeben: Ein H a m b u r g e r Kind sucht in einer Mülltonne etwas zu Essen. Gollancz und ein D ü s s e l d o r f e r Junge; man sieht einen älteren, glattrasierten Mann mit einer Hornbrille und einem glatten Kopf, der von w e i ß e m , flockigem H a a r u m r a h m t ist. Die H a l t u n g des M a n n e s - leicht gebückt - zeigt die ruhige, besinnliche T e i l n a h m e an d e r U m w e l t . E r schreibt: W e n n wirklich j e d e r Deutsche f ü r das verantwortlich war, was sich in Belsen 4 zugetragen hat, dann wären wir als Angehörige eines demokratischen Landes und nicht eines faschistischen, ohne freie Presse und freies Parlament, persönlich wie als G e m e i n s c h a f t d a f ü r verantwortlich, nichts zu dulden, was auch n u r e n t f e r n t als mit Belsen vergleichbar hingestellt w e r d e n k ö n n t e , sei es auch n u r auf d e m Felde d e r R h e t o r i k . -

22

Tagebuch 1947

T a t s a c h e ist, d a ß ich mich a u f g e r u f e n f ü h l e , d e n l e i d e n d e n D e u t s c h e n zu h e l f e n , g e r a d e weil ich ein J u d e bin, a b e r k e i n e s w e g s a u s d e m v e r m u t e t e n G r u n d e ( K o h l e n ins F e u e r zu s c h ü t t e n ) ! . . . E s ist eine F r a g e d e s schlichten, g e r a d e n M e n s c h e n v e r s t a n d e s , u n b e i r r t d u r c h j e n e eigentliche S e n t i m e n t a l i t ä t , die d a s U r t e i l so o f t t r ü b t und d e n G e i s t so vieler M e n s c h e n v e r d i r b t . D r e i V o r s c h l ä g e e r s c h e i n e n m i r als g a n z selbstverständlich: E r s t e n s : N i c h t s k a n n die E r d e r e t t e n als e i n e allgemeine B u ß e an Stelle d e s g e g e n w ä r t i g e n selbstgerecht e n B e h a r r e n s auf d e r B o s h e i t d e r a n d e r e n ; d e n n wir alle h a b e n g e s ü n d i g t u n d t u n es noch auf d i e schrecklichste W e i s e . Z w e i t e n s : Nicht e i n e schlechte, s o n d e r n eine gute B e h a n d l u n g m a c h t die M e n s c h e n gut. U n d d r i t t e n s - u m in d e r g r ä ß l i c h e n C o l l e k t i v s p r a c h e zu r e d e n , die j e t z t so sehr M o d e ist - W e n n D u e i n e n M e n s c h e n , d e r dich schlecht b e h a n d e l t h a t . nicht gut b e h a n d e l s t , so wirst d u g a r nichts e r r e i c h e n . D u wirst vielmehr n u r d e n A n s t o ß zu w e i t e r e m Ü b e l g e b e n und g e r a d e w e g s auf die V e r n i c h t u n g d e r M e n s c h h e i t l o s s t e u e r n .

4. April

1947

T h o m a s M a n n : R e d e ü b e r d a s T h e a t e r ( D i e N e u e R u n d s c h a u , 1929, B d . II, 5 . 306) „ W a s f ü r e i n e lumpige Z e i t , in d e r wir l e b e n , [. .

8. April

1947

O s t e r n im K a m e r a d s c h a f t s h e i m d e r Stadt Kassel mit e i n e m A b s t e c h e r zu S ü ß m u t h n a c h I m m e n h a u s e n . T r o t z d e s k a l t - r e g n e r i s c h e n W e t t e r s war es gemütlich u n d a n r e g e n d , b e s o n d e r s d u r c h d e n R e g i e r u n g s p r ä s i d e n t e n

Dr.

H o c h . G e r h a r d Szczesny - E u r o p a und die A n a r c h i e d e r Seele ( V e r l a g K u r t D e s c h ) - d e r e r s t e Teil d e s Büchleins bringt e i n e A n a l y s e d e r k u l t u r e l l e n L a g e er ist b e a c h t l i c h , d e r zweite Teil zieht die F o l g e r u n g e n intellektuell-individualistisch - er ist nicht b e f r i e d i g e n d , schon weil er die politische Lage v e r k e n n t u n d e i n e n M a n g e l an politischem Urteil v e r r ä t . H e r m a n n H e s s e - G e d i c h t e . G e n o s s e Brill w a r e n t t ä u s c h t , als ich ihm e r k l ä r t h a t t e , ich k ö n n t e d e n R o m a n „Narziss u n d G o l d m u n d " nicht zu E n d e lesen; d i e S z e n e , wo sich G o l d m u n d zugleich mit 2 S c h w e s t e r n ins B e t t legte u n d an i h n e n zugleich a u f g e i l t e , o h n e eine v o n ihnen zu u m a r m e n , g e n ü g t e mir. u m nach d e m Bisherigen d e n R o m a n

a b z u l e h n e n . D e r g r o b e M a n g e l an

dramatischem

E r g e b n i s ließe mich zweifeln, o b H e s s e ü b e r h a u p t e i n e n k ü n s t l e r i s c h e n R o m a n s c h r e i b e n k ö n n t e . D a g a b mir Brill mit d e m B e m e r k e n , d a ß a u c h ich m e i n e G r e n z e n h ä t t e - was ich vollauf b e j a h t e - H e s s e s G e d i c h t e in die H a n d : o b ich mit d e m L y r i k e r H e s s e etwas a n f a n g e n k ö n n t e . Ich m u ß s a g e n , n a c h d e m ich e i n e g r ö ß e r e A n z a h l von G e d i c h t e n , i n s b e s o n d e r e von d e n s p ä t e r e n gelesen h a b e , d a ß mich n u r die k l e i n e n S t i m m u n g s g e d i c h t e b e f r i e d i g e n k ö n n t e n ; alle g r ö ß e r e n G e d i c h t e l e i d e n an d e r F o r m o d e r am Inhalt o d e r an b e i d e n . H e s s e ist kein Bedeutender!! E d u a r d S p r a n g e r - G o e t h e s W e l t a n s c h a u u n g , Inselverlag. 1946. Ich k a n n nicht b e s c h r e i b e n , mit w e l c h e r A n t e i l n a h m e ich diese S a m m l u n g von

Tagebuch 1947

23

R e d e n u n d A u f s ä t z e n gelesen h a b e . E i n s e r g ä n z t und ü b e r h ö h t das a n d e r e . E s e r ö f f n e t sich ein Ausblick in H ö h e n u n d T i e f e n , d e r die Fülle des D a s e i n s u n d die göttliche O r d n u n g a h n e n läßt. Ein p r a c h t v o l l e s Buch!!!

17. April

1947

„ E i n Brief an Brill h e u t e ist mir z u m e r s t e n M a l e z w e i f e l h a f t g e w o r d e n , o b ich recht d a r a n t a t , n a c h H e s s e n ins F i n a n z m i n i s t e r i u m zu g e h e n . D a ich Sie w e g e n I h r e r Reise nach S t u t t g a r t nicht s p r e c h e n k a n n , u m I h n e n m e i n H e r z a u s z u s c h ü t t e n , schreibe ich mir m e i n e n K u m m e r von d e r Seele. Ich h a t t e v o r m i t t a g s d e n B e s u c h von H e r r n D r . Veit u n d D r . L u b o w s k i , die e b e n v o n e i n e r B e s p r e c h u n g mit H e r r n M i n i s t e r D r . H i l p e r t k a m e n u n d b e r i c h t e t e n , d a ß zu ihrer Ü b e r r a s c h u n g H e r r D r . B l a u e r z u m V e r t r e t e r in d e n W ä h r u n g s s t a b bei d e m d e u t s c h e n F i n a n z r a t bestellt ist u n d d o r t b e r e i t s an 2 Sitzungen t e i l g e n o m m e n h a t . o h n e d a ß die H e r r e n e t w a s d a v o n w u ß t e n , obgleich H e r r D r . Veit als W ä h r u n g s f a c h m a n n nach H e s s e n k a m u n d in d e r L a n d e s z e n t r a l b a n k f ü r die D u r c h f ü h r u n g d e r W ä h r u n g s r e f o r m Sorge zu t r a g e n h ä t t e u n d H e r r D r . L u b o w s k i L e i t e r d e r B a n k a b t e i l u n g ist. Mir w a r von d e r E r n e n n u n g von H e r r n Dr. B l a u e r e b e n f a l l s nichts b e k a n n t . D i e H e r r e n h a b e n w o h l ihre V e r w u n d e r u n g H e r r n D r . H i l p e r t klar z u m A u s d r u c k g e b r a c h t , w o r a u f e r e n t g e g n e t h a b e n soll, d a ß er e i n e n H o r r o r vor R e f e r e n t e n - V e r t r e t e r n in s o l c h e n A u s s c h ü s s e n h ä t t e . Ich w ü ß t e nicht, w a n n die H e r r e n N i c h t - R e f e r e n t e n verantwortlich sind, e t w a f ü r die E i n h a l t u n g d e r Richtlinien d e r Politik, u n d b r a u c h e nicht zu s a g e n , d a ß diese B e h a n d l u n g d e r R e f e r e n t e n an k e i n e r Stelle z u r F ö r d e r u n g d e r A r b e i t s l u s t b e i t r ä g t u n d allen G e p f l o g e n h e i t e n e i n e r o r d e n t l i c h e n V e r w a l t u n g w i d e r s p r i c h t . E s k o m m t h i n z u , d a ß m e i n e A u s s c h a l t u n g k e i n e s e l t e n e A u s n a h m e ist. Als ich das e r s t e Mal w e g e n gleichartiger E r f a h r u n g e n mit I h n e n g e s p r o c h e n h a t t e , rieten Sie mir zu e i n e r A u s s p r a c h e . Ich h a b e d a m a l s H e r r n D r . H i l p e r t e r k l ä r t , d a ß ich d a s G e f ü h l h ä t t e , ö f t e r geflissentlich ausgeschaltet zu w e r d e n u n d ihn e r n e u t u m sein V e r t r a u e n g e b e t e n ; d a b e i h a b e ich ihm wörtlich v e r s i c h e r t , d a ß e r von m e i n e r Seite niemals e i n e Illoyalität o d e r eine U n a n s t ä n digkeit e r l e b e n w ü r d e . D a es mir unmöglich ist. e i n e solche E r k l ä r u n g e r n e u t a b z u g e b e n , m u ß ich mich wohl d a m i t a b f i n d e n , d a ß ich das V e r t r a u e n bei H e r r n D r . H i l p e r t nicht e r w e r b e n k a n n , das n a c h m e i n e r Ü b e r z e u g u n g die V o r a u s s e t z u n g f ü r e i n e b e f r i e d i g e n d e Z u s a m m e n a r b e i t ist. A l s ich einige S t u n d e n s p ä t e r in d e r Z e i t u n g d i e b e t r ü b l i c h e N a c h r i c h t las, d a ß u n s e r e Partei in Berlin einen M i ß t r a u e n s a n t r a g gegen D r . Ostrowski' 1 d u r c h g e b r a c h t h a t , k a m e n mir Z w e i f e l , o b ich d o r t nicht wohl b e s s e r am Platze g e w e s e n w ä r e . N e h m e n Sie es mir bitte nicht ü b e l , w e n n d e r R o m a n t i k e r I h n e n sein k u m m e r v o l l e s H e r z a u s s c h ü t t e t . E r wird sich schon w i e d e r f a n g e n u n d h a t das V e r t r a u e n , von I h n e n v e r s t a n d e n zu w e r d e n . " D r . Brill h a t t e d a r a u f mit mir eine U n t e r r e d u n g in seinem B ü r o bei einer T a s s e B o h n e n k a f f e e . E r verwies mich auf die M e t h o d e d e r Politik u n d d e n

24

Tagebuch 1947

U n t e r s c h i e d zu d e n e i n f a c h e n V e r h ä l t n i s s e n in d e r K o m m u n a l v e r w a l t u n g . Ich m ü s s e v e r s t e h e n , d a ß es - nach d e n W o r t e n von M a x W e b e r - L e u t e g ä b e , die f ü r d i e Politik l e b t e n , u n d L e u t e , die v o n d e r Politik l e b t e n . J e d e n zweiten M i t t w o c h t r e f f e n sich auf m e i n e A n r e g u n g im

Landtag

P a r t e i f r e u n d e d e r S P D aller Ministerien zur z w a n g l o s e n A u s s p r a c h e . G e s t e r n w u r d e ü b e r die E r n ä h r u n g s k r i s e g e s p r o c h e n . D a b e i k a m H e r r P r ä s i d e n t D i e t z v o m L a n d e s e r n ä h r u n g s a m t an die R e i h e ; es sieht so aus, als w e n n sich hier eine d i c k e E i t e r b e u l e e n t w i c k e l t . [. . .] 7 15. Mai

1947

F r i e d r i c h M e i n e c k e : D i e deutsche K a t a s t r o p h e 8 D i e s e s B ü c h l e i n d e s A l t m e i s t e r s des H i s t o r i s m u s hat mir g r o ß e B e w u n d e r u n g a b g e n ö t i g t . E s m u t e t d e n Politiker g e w i ß m ü d e u n d blutleer a n . weil es ganz auf d e r B e t r a c h t u n g geschichtlicher I d e e n b e r u h t u n d wenig sagt von d e n g r o ß e n M a c h t k ä m p f e n d e s Kapitalismus gegen die A r b e i t e r s c h a f t , von R e a k t i o n u n d M i l i t a r i s m u s , von List, T ü c k e . P r o p a g a n d a u . a . m . U n d doch h a t es s e i n e n g r o ß e n Reiz u n d W e r t . D e r Reiz b e s t e h t in d e r A b w e n d u n g von d e r T a g e s p o l i t i k u n d d e n . . . i s m e n , d e r W e r t in d e r g e s c h l o s s e n e n , t r a d i t i o n s b e w u ß t e n Einglied e r u n g des d e u t s c h e n Schicksals in d e n geschichtlichen A b l a u f . Ich m e i n e a u c h , d a ß d e r S t a n d p u n k t d e s V e r f a s s e r s d e m B e d ü r f n i s einer V e r s ö h n u n g nach I n n e n u n d A u ß e n - wohl u n b e w u ß t - gerecht wird u n d einen M a ß s t a b auch f ü r d a s gibt. w a s wir h e u t e - n a c h d e r K a t a s t r o p h e - e r l e b e n . D r . Brill tut das B ü c h l e i n ab als d i e B e t r a c h t u n g eines h a l b r e a k t i o n ä r e n M a n n e s , d e r e r l e b e n m u ß t e , w o h i n s e i n e politische A u f f a s s u n g g e f ü h r t h a t . Ich schreibe d a s seiner A b g e s c h l o s s e n heit u n d V e r b i t t e r u n g z u ; er g e h ö r t zu den M ä n n e r n , von d e n e n M e i n e c k e sagt (S. 58): ..Die r a t i o n a l e B e a c h t u n g d e s s e n , was auf G r u n d d e r

amtlichen

V o r s c h r i f t e n z w e c k m ä ß i g ist. t r a t d a b e i an die Stelle d e r f r e i e n , von allen S e e l e n k r ä f t e n g e n ä h r t e n N e i g u n g . " H o m o f a b e r ist so f a b e r . d . i . geschickt, künstlich - im S i n n e schlechter Ü b e r s t e i g e r u n g von Pfiffikus, von S c h l a u m e i e r j a , j a . W e n n die S c h l a u m e i e r die W e l t v e r b e s s e r n k ö n n t e n , sie wäre g e w i ß schon l a n g e in O r d n u n g . W i r b r a u c h e n d e n h o m o sapiens. U n d n o c h eins a u s d e r Fülle d e r G e d a n k e n u n d A n r e g u n g e n (S. 168): „ D i e H ö h e der G o e t h e z e i t u n d der h o c h b e g a b t e n G e n e r a t i o n e n , die in ihr l e b t e n , w u r d e e r k l o m m e n d a d u r c h , d a ß viele einzelne M e n s c h e n , n u r d u r c h F r e u n d s c h a f t e n m i t e i n a n d e r zu kleinen K r e i s e n v e r b u n d e n , d a s I d e a l e i n e r p e r s ö n l i c h e n , ganz individuellen Bildung, die a b e r zugleich e i n e n a l l g e m e i n e n menschlic h e n Sinn u n d G e h a l t h a b e n sollte, e r s t r e b t e n u n d in h o h e m G r a d e a u c h verwirklichten." 18. Mai 1947 Z u D r . K u r t S c h u m a c h e r nach Kassel D a s war d e r Z w e c k meiner W o c h e n e n d f a h r t . Ich traf ihn beim A b e n d e s s e n . A l s ich m e i n e n N a m e n n a n n t e , f r a g t e er s o f o r t : ..Sind Sie d e r O b e r b ü r g e r m e i -

Tagebuch 1947

25

ster v o n J e n a ? " - er k a n n t e mich also d e m N a m e n n a c h . In k l e i n e m Kreise s a ß e n wir n o c h bis g e g e n M i t t e r n a c h t . S c h u m a c h e r sprach wenig: seine g r o ß e n A u g e n v e r f o l g t e n die M e n s c h e n u n d G e s c h e h n i s s e , w e n n e r etwas s a g t e , d a n n tat er es o h n e B e t o n u n g o d e r E f f e k t h a s c h e r e i - n u r m a n c h m a l s p a n n t e n sich seine G e s i c h t s z ü g e zu s c h a r f e m A u s d r u c k , d a n n zog er auch die A u g e n b r a u e n hoch e m p o r , neigte sich vor, h o b die linke H a n d zu b e r e d t e m A u s d r u c k u n d b r a c h t e e i n e scharf f o r m u l i e r t e A u s s a g e o d e r E r w i d e r u n g . Ich h a t t e d e n E i n d r u c k , d a ß e r sich seiner Position u n d d e r B e d e u t u n g seiner Ä u ß e r u n g e n vollauf b e w u ß t ist. T r o t z d e m wirkt er b e s c h e i d e n , ja schlicht; d e r E i n d r u c k wird d u r c h seine e i n f a c h e K l e i d u n g noch e r h ö h t : e r h a t t e a u f s e i n hellblaues H e m d k e i n e n Schlips g e b u n d e n , d e r H u t war so schlecht, wie m e i n alter g r a u e r es a u c h ist: ein langer, d u n k l e r L e d e r m a n t e l w a r d e m W e t t e r a n g e p a ß t . Königlich allein d e r langgestreckte, rotbraune Maybach-Wagen. D i e H a l t u n g S c h u m a c h e r s - ich m e i n e die k ö r p e r l i c h e E r s c h e i n u n g - v e r r ä t e i n e n k r a n k e n , s e h r s c h w e r k r a n k e n M a n n . M a g e r , s e h r m a g e r d e r ganze K ö r p e r , die langen G l i e d e r wirken g e r a d e z u d ü r r . D e r R ü c k e n ist k r u m m , d e m e n t s p r e c h e n d d e r B r u s t k a s t e n e i n g e d r ü c k t , diese H a l t u n g ist noch d a d u r c h ü b e r s t e i g e r t , d a ß S c h u m a c h e r auch noch den L e i b mit einzieht - m a n sieht d e u t l i c h , d a ß e r schwer an M a g e n s c h m e r z e n leidet - o d e r gelitten hat - und d a h e r d a r a n g e w ö h n t ist, sich zur L i n d e r u n g d e r S c h m e r z e n zu k r ü m m e n . Sein F a h r e r e r z ä h l t e , d a ß e r ihn o f t die T r e p p e n h i n a u f g e t r a g e n h a b e , w e n n sie von e i n e r F a h r t h e i m g e k o m m e n w ä r e n , weil S c h u m a c h e r w e g e n M a g e n s c h m e r z e n nicht im S t a n d e g e w e s e n w ä r e , allein zu g e h e n . Die M i ß h a n d l u n g im K o n z e n t r a tionslager hat ihm gewiß s e h r , s e h r g e s c h a d e t . Ü b e r d i e s e m W r a c k eines K ö r p e r s sitzt auf e i n e m auffällig l a n g e n , g e b o g e n e n H a l s e d e r g r o ß e , i m p o n i e r e n d e K o p f . H o c h a u f g e r i c h t e t die breite Stirn, das s c h ü t t e r e H a a r sorgsam gescheitelt, tiefsitzend die g r o ß e n , d u r c h g e f o r m t e n O h r e n . D i e N a s e ist k r ä f t i g und im Profil m a r k a n t , a b e r nicht s c h ö n , weil s a t t e l f ö r m i g g e b o g e n . D i e h o h e O b e r l i p p e m a c h t das G e s i c h t flächig, d e r z a h n l o s e M u n d stört e t w a s , gibt a b e r d e m G a n z e n d e s w e g e n e i n e n b e s o n d e r e n A u s d r u c k , weil e r in seiner B r e i t e und T i e f e zu d e n s c h w e r e n Falten p a ß t , die sich links u n d r e c h t s v o n d e n N a s e n f l ü g e l n zu d e n K i n n l a d e n ziehen u n d die Backen durchfurchen. D e n G l a n z e r h ä l t d e r G e s i c h t s a u s d r u c k von d e n g r o ß e n A u g e n , die S c h u m a c h e r weit ö f f n e t u n d d u r c h die h o c h g e z o g e n e n A u g e n b r a u e n u m r a h m t , w e n n er s e i n e n g a n z e n Willen h i n t e r einen G e d a n k e n setzt. W e n n S c h u m a c h e r s p r i c h t , d a n n gerät alles in B e w e g u n g . D a s M i e n e n s p i e l k e h r t g e w i s s e r m a ß e n ü b e r t r a g e n in d e m A u s d r u c k d e r linken H a n d w i e d e r , die er bald weit nach vorn richtet o d e r von sich streckt o d e r n e b e n seinen Kopf hält, so d a ß d e r Z u h ö r e r s c h w a n k t , o b er nach d e m G e s i c h t o d e r besser nach d e r H a n d s c h a u e n soll. Intellekt u n d S e e l e . G e i s t u n d H e r z sind in d i e s e m M a n n e v e r e i n t u n d zu e i n e r f e s t e n E i n h e i t geschlossen; d a r ü b e r strahlt ein Wille, eine E n e r g i e , die sich verzehrt, verschenkt.

26

Tagebuch 1947

Wie der Mann - so auch seine Rede: scharfer Verstand - politisches Einfühlungsvermögen - beherrschender Wille kennzeichnen seine Vortragsart und sichern den Erfolg. Die tausende und zehntausende einfacher Männer und Frauen, die trotz dichten Regens nach dem Marställer-Platz in Kassel gekommen waren, 9 z. T. von weither, die stundenlang im Regen ausharrten und an seinem Mund hingen, sind gewiß befriedigt nach Hause gegangen. Er hat ihnen allen etwas gesagt und auf den Heimweg mitgegeben, er hat ihnen Mut gemacht und Zuversicht eingeflößt, sie haben ihre innersten Wünsche und Gedanken in scharfer Formulierung aus seinem Munde gehört und dankbar aufgenommen. Es war ihnen - trotz aller Ungunst der Witterung und der Umstände - eine Feierstunde. Aber auch die geistig geschulten und daher anspruchsvollen Zuhörer kamen auf ihre Rechnung. Vieles von dem, was er sagte, war ihnen bekannt, vieles, was sie erwartet hatten, kam in der Rede nicht vor, manches war nicht für den geschliffenen Geist bestimmt - und doch: wer nicht innerlich verschlossen oder politisch als Gegner festgelegt ist, mußte mit großem Gewinn von dem Marställer-Platz fortgehen. Es ist die Tatsache, daß ein deutscher Politiker ohne Furcht und Tadel um die Stellung des deutschen Namens ringt, daß ein Feind und Märtyrer des Hitler-Reiches auf die Warnungen von einst verweist, daß ein Akademiker die politische Bedeutung der organisierten Arbeiterschaft im neuen Deutschland herausstellt, daß ein Sozialdemokrat mit den Methoden der Diktatur und ihrer Diener abrechnet, daß ein Kriegsverletzter auf die internationale Zusammenarbeit hinwirkt, daß er als erster Sprecher der Deutschen mit weltweiter Wirkung für die eigenständige Politik des deutschen Volkes eintritt. Es war eine deutsche politische Feierstunde. Feierlich durch die große Menge der Anwesenden, feierlich durch die Einmütigkeit in der Rettung des deutschen Volkes und Vaterlands, feierlich durch den Ernst der politischen und wirtschaftlichen Lage in den deutschen Zonen, feierlich durch die Tatsache, daß der deutsche Mann sprach, der als erster deutscher Politiker - ohne Emigrant zu sein - Gehör und Zugang im Auslande - also Vertrauen - erworben hat. So etwa denke ich mir die alten deutschen Things - so die Urphänomene der Demokratie in Völkerstämmen: ein einig Volk von Brüdern war versammelt. Die Bruderschaft, die von den Kommunisten angeboten wird, lehnte Schumacher freilich scharf ab: Auch Kain und Abel wären Brüder gewesen. A n der Zulassung der SPD in der Ostzone wäre nichts gelegen, solange nicht von allen 4 Besatzungsmächten die Freiheit der politischen Betätigung in der Ostzone gesichert wäre. Wenn die SE (Sozialistische Einheitspartei) auf den Zulassungsantrag warte, dann könne er nur sagen, in wichtigen Angelegenheiten verhandele man mit dem Hotelbesitzer, nicht mit dem Hausdiener. Die SE wäre zum Untergang vor der Geschichte verurteilt. Was soll man sagen, wenn Unterschriften auf Quittungen dazu benützt würden, um als Unterschriften für Zulassungsanträge der SED in der Westzone zu dienen? Die 3 nationalen Pflichten der Deutschen wären im Augenblick 1) Herausgabe aller Lebensmittel Vorräte

Tagebuch 1947

27

2) A b l e h n u n g des g r a u e n u n d s c h w a r z e n M a r k t e s 3) B i l d u n g e i n e r e i g e n e n M e i n u n g g e g e n ü b e r d e n B e s a t z u n g s m ä c h t e n . W i e k ö n n e sich j e m a n d n a t i o n a l b e w u ß t als D e u t s c h e r n e n n e n , w e n n e r f ü r d e n A n s c h l u ß an d e n Panslawismus e i n t r e t e ? E s l i e ß e sich n o c h vieles ü b e r D r . S c h u m a c h e r s R e d e s a g e n ; alles w ü r d e n u r d i e s c h o n g e t r o f f e n e C h a r a k t e r i s t i k b e s t ä t i g e n , d a ß er d a s O h r a m H e r z e n des V o l k e s h a t u n d die H e r z t ö n e in W o r t e u m z u f o r m e n v e r s t e h t wie selten j e m a n d . M a n c h e vergleichen ihn mit G o e b b e l s , m a n c h e mit H i t l e r : b e i d e s ist falsch a u c h w e n n es n u r f ü r die V o r t r a g s a r t gesagt w i r d , d e n n G o e b b e l s w a r d e r d i a b o l i s c h - h e k t i s c h e F a n a t i k e r , H i t l e r d e r p a t h e t i s c h e G a n g s t e r . Natürlich hat j e d e ö f f e n t l i c h e V o r t r a g s t ä t i g k e i t eine gleiche G r u n d l a g e d e r F o r m - M i m i k , G e s t i k u l a t i o n u n d S t i m m a u f w a n d g e h ö r e n dazu u n d w i r k e n z u s a m m e n . D a s b e r e c h t i g t a b e r nicht d a z u , G o e b b e l s o d e r H i t l e r mit D r . S c h u m a c h e r e i n a n d e r i r g e n d w i e gleichzusetzen. S c h u m a c h e r s W i r k u n g auf die M a s s e n b e r u h t auf d e m u n b e d i n g t e n V e r t r a u e n in seine a b s o l u t e W a h r h a f t i g k e i t - w ä h r e n d bei G o e b bels u n d H i t l e r die H o f f n u n g o d e r d e r G l a u b e an den E r f o l g u n d d a m i t an d e n eigenen Nutzen entscheidend waren. D r . S c h u m a c h e r ist mir ein Symbol D e u t s c h l a n d s : ein K r ü p p e l steht v o r u n s , m i t n u r e i n e m A r m , m a g e n k r a n k , n e r v ö s u n d s p i n d e l d ü r r . H u n g e r , Pein u n d S c h m e r z e n h a b e n ihn g e k r ü m m t . O f t m u ß er a u f g e r i c h t e t u n d g e t r a g e n w e r d e n . T r o t z d e m b e h e r r s c h t d e r g r o ß e Kopf mit d e r h o h e n , klaren Stirn, d e r k r ä f t i g e n N a s e , d e n d u r c h f u r c h t e n G e s i c h t s z ü g e n u n d d e n g r o ß e n A u g e n das Bild. A u s d e m G e i s t i g e n m u ß die W i e d e r g e b u r t k o m m e n .

27. Juli

1947

Generalsekretär! N a c h e i n e m B e s c h l u ß d e s P a r t e i g e s a m t v o r s t a n d e s in H a n n o v e r w u r d e ich o h n e m e i n Z u t u n - u n d gegen die A b s i c h t e n des G e n o s s e n D r . Brill - e i n s t i m m i g z u m G e n e r a l s e k r e t ä r d e s E x e k u t i v r a t e s bestellt." 1 A m M o n t a g d e m 20. V I I . " h a b e ich d e n D i e n s t in F r a n k f u r t / M a i n T a u n u s a n l a g e 11 a n g e t r e t e n . E s f e h l t alles, a b e r auch alles f ü r die A r b e i t d e s E x e k . R a t e s : F e d e r . T i n t e , Papier, Schreibkräfte, Boten, Hilfsarbeiter. Referenten, genügend

Räume,

A u t o m o b i l e usw. Ich f a n g e mit d e m G e n o s s e n B r e m e r als B ü r o d i r e k t o r g a n z allein a n ; d. h. er steht erst a b m o r g e n vollständig z u r V e r f ü g u n g . E s ist k a u m zu s c h i l d e r n , wie ich e t w a gestern allein d e m A n s t u r m von B e s u c h e r n , T e l e f o n a t e n und Wünschen vom Bipartite Control Office12 standhalten mußte. Natürlich w u r d e n d i e W ü n s c h e d e r B e s a t z u n g s b e h ö r d e n mit k n a p p s t e n T e r m i n e n m i t g e teilt - d a ist e i n e M a c h t e b e n s o - sagen wir militärisch - b ü r o k r a t i s c h wie die a n d e r e . D a heißt es d a n n l a u f e n , d i k t i e r e n , t e l e f o n i e r e n , s c h r e i b e n , e r m a h n e n usw. G e w i ß h a b e ich es noch bis M i t t a g g e s c h a f f t - a b e r an d i e eigentliche A r b e i t d e s G e n e r a l s e k r e t ä r s w a r nicht zu d e n k e n . So geht es täglich. D i e e r s t e B e g e g n u n g mit d e n h o h e n H e r r e n des B I C O , d a r u n t e r 2 G e n e r ä l e , k a m gleich a m ersten l äge m e i n e r T ä t i g k e i t . E s ging um die Frage des U m z u g e s

28

Tagebuch 1947

der Bizonenämter. General Adcock machte den Vorwurf, daß die Zahl der eingesetzten Arbeiter trotz aller Werbemaßnahmen zurückgegangen sei. Dagegen sprachen die deutschen Herren mit allen möglichen Gründen und vielen Worten: der Herr Arbeitsminister von Hessen [Josef Arndgen], der Herr Generalbaudirektor von Frankfurt [Dr. Griebel] u. a.; sie sagten, was immer zu hören ist, klagten über Schwierigkeiten und hatten verschiedene Wünsche an die Besatzungsbehörden. Ich hatte General Adcock vor mir, konnte ihn genau beobachten: eine elegante Erscheinung in gepflegter ziviler Garderobe, ein energisches Gesicht - nicht ohne den Ausdruck von Brutalität - eine hohe, klare Stirn und sehr tief sitzende, kleine Ohren. Ich meine, es spielte ständig ein Lächeln, ein unterdrücktes überlegenes Lächeln auf seinem Gesicht über die zappelnden, unbeholfenen, gutmütig-offenen Deutschen. D e m Herrn Arbeitsminister, der sich in allgemeinen Klagen erging, schnitt er das Wort ab. Der massige Oberbürgermeister [Walter Kolb] wirkte jovial-gütig und alle Anstrengungen beteuernd zu den Ausführungen in der Runde und erteilte an seine Referenten mit öliger Geste der Rechten das Wort, ohne selbst zur Sache zu sprechen. Der asketisch-hagere Vorsitzende des Exekutivrates. Dr. Metzger, hatte das Ohr der Besatzungsvertreter am deutlichsten, da er knapp und sachlich blieb. Nach reichlich einer Stunde war die Konferenz mit etwa 15 Teilnehmern vorüber. Ich fragte Herrn Metzger beim Fortgehen, ob solche Besprechungen immer so unfruchtbar wären verglichen mit dem Aufwand: er lächelte. Ich meine, die Besatzungsvertreter haben aus dieser Verhandlung keinen guten Eindruck von der deutschen Demokratie mitgenommen. Am Dienstag eröffneten Marshall Douglas - angeblich in Soldatenkreisen als Göring II bezeichnet, was nicht ganz abwegig erscheint, wenn man die Körperfülle zugrunde legt - und General Clav die Sitzung des Wirtschaftsrates. 13 Sie sprachen englisch ohne Impuls und Eindruck, hatten schlechte Dolmetscher und keinen Applaus. Als sie sich aus der Sitzung entfernten, erhoben sich die deutschen Abgeordneten und die Mitglieder des Exekutivrates von ihren Plätzen: wieder typisch deutsch eine Geste der Unterwürfigkeit: konnte nicht Präsident Dr. Köhler die Herren herausbegleiten? Ich war sitzen geblieben. Am Nachmittag war ein Empfang im Hauptquartier (I. G. Farben Verwaltungsgebäude). Am Treppenaufgang fiel mir ein lebensgroßer amerikanischer Soldat in Pappe auf; er hatte die straffe Haltung zum militärischen Gruß. Daneben stand zu lesen: A smart soldier. a smart salut. a smart. Ich dachte sogleich: Wie bei den Preußen! Der Empfang der Abgeordneten usw. war sehr harmonisch und nahrhaft. Ich stellte den ungeheuren Aufwand der Besatzungsmacht fest; da sind sich alle Siegermächte gleich und lassen alles soziale Verständnis vermissen: eine üble Belastung für die werdende deutsche Demokratie. Am Mittwoch blamierte der Wirtschaftsrat das deutsche Volk vor aller Welt: die CDU-Fraktion, unterstützt von den Demokraten (!). erzwang die Ablehnung des Vorschlages, den der Exekutivrat einstimmig für die Besetzung der Direktorenposten vorgelegt hatte, weil das Amt für Wirtschaft einem Soziaide-

Tagebuch 1947

29

m o k r a t e n z u g e d a c h t w a r ; d a s galt es zu v e r h i n d e r n , d e s w e g e n war selbst H e r r A d e n a u e r persönlich in d e n Sitzungen a n w e s e n d . Die R e a k t i o n siegte mit 26 ü b e r 22 S t i m m e n . 1 4 D a m i t n u n nicht e t w a ein o f f e n e r Konflikt a u s b r a c h , g a b d e r E x e k u t i v r a t n a c h u n d schlug n u r C D U - K a n d i d a t e n v o r . n a c h d e m die S P D in O p p o s i t i o n g e g a n g e n w a r . b E i n e B l a m a g e ! E i n e politische T o r h e i t ! E i n n e u e s H i n d e r n i s im A u f b a u , ein Rückfall in die Z e i t e n des K l a s s e n k a m p f e s , ein U n g l ü c k . H o f f e n t l i c h f ü h r t dieser Fall zu d e r S t ä r k u n g des E x e k u t i v r a t e s , die n o t w e n d i g ist, u m aus d e m n e u e n A p p a r a t eine sachliche Leistung h e r a u s z u holen. D e r E x e k u t i v r a t läßt sich eine R e i h e von B e w e r b e r n f ü r die R e f e r e n t e n s t e l l e n v o r s t e l l e n . E s sollen d i e B e s t e n a u s g e w ä h l t w e r d e n . W e n n es nicht möglich ist, e i n e n G e h i r n t r u s t zu b i l d e n , d a n n wird das C h a o s nicht g e b a n n t . D a k o m b i n i e r e n u n d s p e k u l i e r e n die Politiker in vermeintlich u n i t a r i s c h e m o d e r f o e d e r a t i v e m Sinne. D i e e i n e n wollen d e n E x . - R a t a u s h u n g e r n u. klein m a c h e n , sie wollen d i e A r b e i t u n d d a s S c h w e r g e w i c h t zu d e n D i r e k t o r e n u n d A u s s c h ü s s e n des W i r t s c h a f t s r a t e s legen - sie n e n n e n d a s unitarisch - die a n d e r e n wollen d e n E x . - R a t s t ä r k e n , weil er die g r ö ß e r e G e w ä h r f ü r sachliche A r b e i t b i e t e t . Ich g l a u b e , schon die Praxis d e r B e s a t z u n g s m ä c h t e wird das S c h w e r g e wicht z u m E x e k u t i v r a t verlagern. 3. August

1947

Zwei von den fünf gewählten Direktoren haben abgesagt: der Oberpostpräsid e n t Fischer aus M ü n c h e n , weil e r d e m A m t e k e i n e lange D a u e r gibt, u n d d e r B a n k i e r S c h n i e w i n d , weil e r nicht die S t i m m e n d e r S P D h ä t t e - die b r a u c h t e er wohl

wegen

seines E n t n a z i f i z i e r u n g s v e r f a h r e n s .

Nun

h o f f e n alle

ehrlich

B e s t r e b t e n auf d e n Ausgleich zwischen S P D u n d C D U , es sind a l l e r o r t e n G e s p r ä c h e d a r ü b e r im G a n g e , die C D U wirbt f ö r m l i c h , die S P D - M i t g l i e d e r d e s E x e k u t i v r a t e s s t e u e r n in dieselbe R i c h t u n g . E s k o m m t z u m Schluß alles auf d e n P a r t e i v o r s t a n d a n , d e r a m 7. 8. in H a n n o v e r tagt. K r i e d e m a n n bleibt a b l e h n e n d im Sinne von D r . S c h u m a c h e r . D i e s e r bleibt f e s t ; e r spricht v o n „ N e r v e n - V e r l i e r e r e i " u n d schiebt d a d u r c h die D i s k u s s i o n v o n d e r sachlichen E b e n e f o r t . M a n will s e h e n , wie die M a s s e n r e a g i e r e n - sie w e r d e n zu d e n K o m m u n i s t e n laufen - m a n will s c h a u e n , wie die soziale Politik in d e r W i r t s c h a f t d e r C D U aussieht - m a n wird nicht viel A n d e r e s e r l e b e n , als w e n n K ü b e l g e w ä h l t w o r d e n w ä r e - m a n h o f f t auf eine S p a l t u n g bei d e r C D U sie w i r d nicht k o m m e n , w e n n die S P D abseits bleibt. U n d w e n n d e r E x e k u t i v r a t a m E n d e erfolgreich a r b e i t e n sollte, d a n n fällt sein V e r d i e n s t in d e n S c h o ß d e r CDU. S e h r b e e i n d r u c k t h a t mich Minister K ö h l e r , als e r d e n Kollegen des E x e k . R a tes in b e w e g t e n W o r t e n s a g t e , e r w ü r d e sein A m t n i e d e r l e g e n , d a er nicht die A b s i c h t h ä t t e , sein L e b e n als „ R e a k t i o n ä r " auf d e r politischen B ü h n e zu b e s c h l i e ß e n . D i e E n t s c h e i d u n g im W i r t s c h a f t s r a t h ä t t e ihn w a h r h a f t e r s c h ü t t e r t , so k ö n n e es nicht z u m g u t e n E n d e k o m m e n . " 1 E i n A b e n d e s s e n im G ä s t e h a u s d e r Stadt F r a n k f u r t in S c h ö n b e r g war n a h r h a f t

30

Tagebuch 1947

und unterhaltsam; es diente der Fühlungnahme wegen der Ersatzwahl für die 2 Direktoren. Es dürfte praktisch kaum etwas herausgekommen sein. Sehr theatralisch-geschwollen - wie immer - e r ö f f n e t e Dr. Erich Köhler die Reihe der Tischreden: ein Zipfel von Bismarcks Rock sei durch die R ä u m e geweht; eine wahrhaft große Stunde wäre gekommen. Ludwig Metzger entgegnete - wie i m m e r - ernst, etwas trocken anmutend, und verantwortungsvoll. Walter Kolb sprach von der Goldenen Bulle und der alten freien Reichshauptstadt in der Mitte zwischen E m s und Inn - der Osten war bereits ausgefallen. U m Mitternacht war der erste Geburtstag von Kolb als Oberbürgermeister von Frankfurt. Minister Köhler aus Stuttgart hielt eine sehr launige R e d e , die immer wieder zu Stürmen des Lachens führte. D e r alte Parlamentarier und Politiker bewährte sich hier als Meister des Wortes; am E n d e wußte niemand zu sagen, o b er Kolb gelobt oder getadelt hatte. 9. August 1947 Ich besuchte flüchtig die Max Beckmann-Ausstellung im Städelschen Institut in Frankfurt. Es waren mir nur 15—20 Minuten vergönnt, weil ich zur Sitzung des Exekutivrates m u ß t e , deshalb bin ich an den Graphiken nur vorübergerauscht. Zu d e n Bildern läßt sich sagen: Beckmann ist ein großer Künstler und Könner, sehr groß im Vergleich zu dem, was man sonst allgemein an zeitgenössischer Kunst sieht. Er ist jedoch brutal - selten nur liebenswürdig, und hat die Erotik, die j e d e m Künstler und Kunstwerk eignet, in manchen Bildern zur Geilheit, zur brutalen Geilheit gesteigert. Da knallte mir an der Eingangstür sogleich „Der R a u b der E u r o p a " entgegen - ein Riesenphallos (Stier), über den bäuchlings eine m ü d e Frau halbnackt liegt; prächtig gemacht, farbig, großzügig gestaltet unvergeßlich. E b e n s o geil die zahlreichen Zirkus-, Varieté- und Kabarettbilder mit nackten Frauen und Mordsbrüsten, die immer im Mittelpunkt des Blickfeldes stehen. Die große Begabung B's zeigt sich in den Selbstportraits, die zum Vergleich mit anderen Malern einladen. D a war das Letzte von 1940, wo er auf einem Stuhl sitzend den linken A r m über die Lehne eines zweiten Stuhles hält ; in dem Bilde ist alles F o r m , große Form. Merkwürdig nur, daß dieser selbstbew u ß t e Mann sein Gesicht im Schatten läßt. Weniger eindrucksvoll das Selbstbildnis mit Baskenmütze. Die ganze Wucht Beckmann'scher Malerei zeigt sich in d e n anspruchslosen Vorwürfen. Da ist eine „Kaimauer", d. h. nur das äußerste E n d e des Mauerwerks, um das es wirklich brandet. Ich erinnere an das „Winterbild 1930", das zwei simple, ein wenig geöffnete Fensterflügel zeigt, hinter d e n e n ein sehr kalt-trauriger Ausschnitt von Mauerwerk und gestutzten Bäumen sichtbar ist: ich hatte gemeint, es handelte sich um ein Kriegsbild, um den Blick auf eine zerstörte Stadt. D e n öligen Glanz in der Morgenstunde auf einem Passagierdampfer mit seinem Reiz und seiner Widerwärtigkeit hält das Bild „Scheveningen 5 U h r f r ü h " fest. Weniger überzeugend waren für mich die kleinen Landschaftsbilder „Weg im Schwarzwald" „Holländische Landschaft". - B . hat keine echte Liebe zur Natur, sie reizt ihn malerisch, aber er packt sie nicht. Trotz aller Versuche der strebend Bemühten ist der Spalt zwischen SPD und

Tagebuch 1947

31

C D U im Wirtschaftsrat eher noch größer als kleiner geworden. 1 7 Die Absage von zwei Direktoren (Finanz und Verkehr) gab die Chancen zum Ausgleich. Es wurde eifrig darum geredet, auf beiden Seiten und auch herüber und hinüber, doch ohne Erfolg. Da beratschlagten die 6 SPD-Mitglieder des Exekutivrates 1 8 und waren sich einig, es müßte die Koalition zustande kommen, denn die SPD stünde doch praktisch in der Verantwortung; man wolle sich nicht selbst e n t m a n n e n . In der Tat: Was ist Politik, wenn nicht Kampf um die Macht? Wie soll die Sozialisierung jemals praktisch werden, wenn nicht mit Hilfe des linken Flügels der C D U , und was könnte die SPD besseres tun, als diesen Flügel gegen die Reaktion in den eigenen Reihen zu stärken? Wie auch könnte verhindert werden, daß sich die Reaktion in der Verwaltung der neuen Ä m t e r festsetzt, wenn sich die SPD jeglichen Einflusses begibt? Die Wirkung des Zwiespalts im Auslande, bei den Feinden der Demokratie, bei den Unentschlossenen und politisch Ungeschulten, auf die Koalitionen in den Ländern, die Schwierigkeit eines Ausweges aus der Sackgasse usw. usw. - alles wurde erörtert. Die Zahl derer, welche nach Zusammenarbeit drängte, wuchs bei jeder Unterredung. Genosse Kriedemann blieb fest in seiner Ablehnung; ich war zufällig Zeuge eines Telefongespräches mit Dr. Schumacher und entnahm daraus das klare „Nein". D e r Parteivorstand in Hannover hatte zufällig Sitzung in diesen Tagen; er beschloß, daß die Haltung der Fraktion gebilligt wird; weil die C D U keine Erklärung abgegeben habe, hätte sich an der Situation nichts geändert. Interessant war mir die Diskussion in der Fraktionssitzung, wo ein Mann dagegen stimmte. Die anderen wahrten Disziplin - nicht ohne Schwanken und nicht ohne den Versuch, einen Ausweg zu finden, wozu allerdings keine Zeit vorhanden war. D e r folgende parlamentarische Abend zeigte die geladenen Politiker in lebhaftem Gespräch über die Lage und über einen Ausweg. So wurden heute 2 Direktoren gewählt, 1 9 die nicht Mitglied der C D U sind: die Tür ist noch offen (Dr. H a r t m a n n - Prof. D r . Frohne). Minister D r . Heinrich Köhler aus Stuttgart hat heute die Konsequenzen aus d e n Ereignissen gezogen: er hat sich vom Exek Rat verabschiedet, weil er am E n d e seiner politischen Laufbahn nicht ä la suite der Reaktion stehen will. Er sieht ein Versagen des Wirtschaftsrats und seiner Ausschüsse k o m m e n , die nicht arbeiten wollten, und hofft auf sachliche Arbeit des Exek Rats. Da Herr Semler, d e r neue Direktor des Amtes für Wirtschaft, zunächst 14 Tage auf Reisen gehen will, um die Wirtschaftsminister der Länder zu sprechen, äußerte Minister Köhler seine Enttäuschung. O h n e sehr großen Fleiß sei nichts zu erreichen. D e r augenblickliche Zustand versetzt die F D P in die ausschlaggebende Stellung des Züngleins an der Waage, so daß der rein kapitalistische Standpunkt zur Geltung kommt. 2 0 D r . Blücher, der Vorsitzende des Finanzausschusses, hat seine völlige Ablehnung des Sozialisierungsgedankens neulich in aller Öffentlichkeit scharf zum Ausdruck gebracht. Ich kann nur hoffen, daß ein ernsthaftes Gespräch und eine Einigung über die Grundlage einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik von S P D und C D U zustande k o m m e n , damit die Politik aus dieser Sackgasse herausgebracht wird.

32

Tagebuch 1947 D r . S c h u m a c h e r glaubt wohl, d a ß im n ä c h s t e n J a h r allgemeine W a h l e n f ü r die

v e r e i n i g t e n Z o n e n s t a t t f i n d e n w e r d e n u n d d a ß d a n n die S P D e i n e n S t i m m e n z u w a c h s v o n 5 0 0 0 0 0 S t i m m e n zu e r w a r t e n h ä t t e , w e n n sie jetzt in O p p o s i t i o n s t e h t . D a s k a n n ein g r o ß e r I r r t u m sein. A u ß e r d e m : D a r f m a n h e u t e als Politiker solche S t r a t e g i e m a c h e n , d. h. s p e k u l i e r e n ? Sollte m a n nicht mit T a t e n u n d V e r a n t w o r t u n g s b e w u ß t s e i n o p e r i e r e n ? Ich m e i n e , von P r o p a g a n d a h a t d a s deutsche Volk genug. 15. August

1947

D e r e r s t e Stein f ü r d a s n e u e G e b ä u d e ist gesetzt. Ich h a b e mir die g r o ß e M ü h e g e m a c h t u n d alle Z u s t ä n d i g k e i t s f r a g e n g e p r ü f t u n d z u s a m m e n g e s t e l l t . N a c h d e m das W e r k von 17 Seiten g r ü n d l i c h im E x e k u t i v r a t d u r c h g e s p r o c h e n w a r , b e g a n n d i e eigentliche A r b e i t im Sinne d e s wirtschaftlichen A u f b a u e s : d e r E x e k u t i v r a t n a h m zu d e m 22 R e s o l u t i o n e n d e s W i r t s c h a f t s r a t e s Stellung u n d sah sich g e n ö t i g t , in zahlreichen Fällen m a n g e l n d e Z u s t ä n d i g k e i t u n d falsche R e c h t s a u s l e g u n g festzustellen. 2 1 Es wird ein e r h e b l i c h e s M a ß v o n A r b e i t zu leisten sein, bis d e r H e r r P r ä s i d e n t des W i r t s c h a f t s r a t e s D r . E r i c h K ö h l e r völlig b e g r i f f e n h a t , d a ß e r w e d e r der F ü h r e r noch d e r M i n i s t e r p r ä s i d e n t d e r vereinigt e n Z o n e n ist. Sein G e l t u n g s b e d ü r f n i s scheint u n b e g r e n z t ; m a n lächelt s c h o n . A m F r e i t a g f a n d die erste g e m e i n s a m e Sitzung mit B i p a r t i t e C o n t r o l O f f i c e statt. 2 2 E s zeigt sich i m m e r w i e d e r , d a ß die E n g l ä n d e r u n d A m e r i k a n e r b e m ü h t sind, ihre juristische T e r m i n o l o g i e u n d E r f a h r u n g in D e u t s c h l a n d a n z u w e n d e n , o h n e sich in die d e u t s c h e T h e o r i e u n d Praxis h i n e i n z u d e n k e n . So k o m m e n i m m e r w i e d e r von n e u e m K r a m p f z u s t ä n d e h e r a u s . Ein Beispiel: M a n s t ö ß t sich an d e m W o r t e „ A u s f ü h r u n g s v e r o r d n u n g " , weil V e r o r d n u n g e i n e a l l g e m e i n e R e c h t s v o r s c h r i f t w ä r e - law

w ä h r e n d d o c h n u r r e g u l a t i o n s in B e t r a c h t

k o m m e n d ü r f t e n , also einigte m a n sich auf „ A u s f ü h r u n g s b e s t i m m u n g e n " . Ein a n d e r e s Beispiel: W a s ist A u f s i c h t s r e c h t d e s E x e k u t i v r a t e s ? N a c h l ä n g e r e r D i s k u s s i o n k a m h e r a u s , d a ß d i e A u f s i c h t s i n s t a n z n u r b e f u g t w ä r e zu kontrollier e n , d a ß u n d was nach M a ß g a b e d e r G e s e t z e u n d zu d e r e n D u r c h f ü h r u n g g e s c h ä h e , nicht d a g e g e n auch d a s „ W i e " ; also die A u f s i c h t b e z i e h t sich n u r auf die R e c h t s f r a g e n , nicht d a g e g e n auf die E r m e s s e n s f r a g e n . O b diese H a l t u n g e i n e E i g e n a r t d e r Militärs ist o d e r ganz allgemein f ü r die a n g l o - a m e r i k a n i s c h e n B e s a t z u n g s s t e l l e n G e l t u n g h a t , m u ß noch a b g e w a r t e t w e r d e n . Wichtig w a r aus d e r V e r h a n d l u n g , d a ß wahrscheinlich sichergestellt wird, d a ß aller V e r k e h r zwischen d e m W i r t s c h a f t s r a t u n d d e n D i r e k t o r e n ü b e r d e n E x e k u t i v r a t g e h e n m u ß . D a s wird d e n E x . - R a t wesentlich s t ä r k e n ; er wird ein Mittelding zwischen einem Kabinett und dem Bundesrat. E i n e a b e n d l i c h e U n t e r h a l t u n g mit K r i e d e m a n n u n d Z i n n zeigte m i r , wie sehr D r . S c h u m a c h e r d i e Situation b e h e r r s c h t u n d seine S c h ä f c h e n a n d e r Strippe h a t . Bei d e m V e r h ä l t n i s z u r C D U h a n d e l e es sich u m e i n e strategische Ü b e r l e g u n g : „Ihr m ü ß t i m m e r so h a n d e l n , als w e n n 1948 o d e r 1949 allgemeine W a h l e n in d e r W e s t z o n e s t a t t f i n d e n w e r d e n " - ist S c h u m a c h e r s A r g u m e n t .

Tagebuch 1947 24. August

33

1947

Ich h a t t e m e i n e n e r s t e n Ä r g e r mit d e r Presse. Ein j u n g e r M a n n - D e n a 2 4 V e r t r e t e r - f r a g t e mich n a c h d e m N a m e n d e r H a u p t r e f e r e n t e n , es k a m ein T e l e f o n g e s p r ä c h w e g e n U m z u g s f r a g e n . D a r a n schlössen sich einige B e m e r k u n g e n a n . A m n ä c h s t e n M o r g e n b r a c h t e d e r R u n d f u n k ein Interview mit d e m G e n e r a l s e k r e t ä r - das m. E . n i e m a l s s t a t t g e f u n d e n h a t . Z w e i T a g e s p ä t e r b r a c h t e die „ F r a n k f u r t e r R u n d s c h a u " u n t e r ..Letzte N a c h r i c h t e n " eine Notiz: „ D e r M i n d e n e r W a s s e r k o p f " ,2;> w o n a c h ich in e i n e m I n t e r v i e w e r k l ä r t h ä t t e , d a ß d e r W a s s e r k o p f in M i n d e n z u s a m m e n g e s t r i c h e n w e r d e n w ü r d e . Ich w u r d e von Mitgliedern des Exekutivrates darauf aufmerksam gemacht - lächelnd, schadenf r o h , w a r n e n d ; ich h a t t e k e i n e A h n u n g . Natürlich h a b e ich mich sehr g e ä r g e r t . W a s n ü t z t mir die Z u r e c h t w e i s u n g d e s R e p o r t e r s ? Ich m u ß t e mich bei D i r e k t o r S e m l e r e n t s c h u l d i g e n u n d h a t t e mir g e g e g e n ü b e r d e r aufdringlichen Presse eine Lehre gekauft. A m D o n n e r s t a g k n u r r t e d e r b a y e r i s c h e L ö w e in G e s t a l t seines V e r t r e t e r s S t a a t s r a t D r . Seelos. Ich h a t t e am T a g e v o r h e r auf G r u n d d e r v o r a n g e g a n g e n e n B e s p r e c h u n g e n in- u n d a u ß e r h a l b des E x e k u t i v r a t s als G r u n d l a g e f ü r eine B e r a t u n g e i n e n kleinen G e s e t z e n t w u r f gefertigt, w o n a c h d e r W i r t s c h a f t s r a t d e n E x . - R a t u n d die D i r e k t o r e n z u m E r l a ß b i n d e n d e r A n w e i s u n g e n an die L ä n d e r r e g i e r u n g e n e r m ä c h t i g e n soll f ü r die Fälle d r i n g e n d e r N o t w e n d i g k e i t im R a h m e n d e r sachlichen Z u s t ä n d i g k e i t , weil u n d solange es an d e r e r f o r d e r l i c h e n gesetzlichen G r u n d l a g e f e h l t . D r . Seelos h a t t e d e n E n t w u r f an seinen Ministerp r ä s i d e n t e n g e g e b e n . A m n ä c h s t e n T a g e leitete e r die Sitzung des E x . - R a t s , da d i e H e r r e n M e t z g e r u n d P o t t h o f f f e h l t e n , u n d b e g a n n mit einer D o n n e r r e d e . S e i n e R e g i e r u n g w ä r e e m p ö r t , d a ß ein solcher E n t w u r f ü b e r h a u p t vorgelegt w e r d e n k o n n t e , es w ä r e dies ein u n m ö g l i c h e r Eingriff in die R e c h t e d e r L ä n d e r , d e r o b e n d r e i n d e r b a y e r i s c h e n V e r f a s s u n g w i d e r s p r ä c h e . Ein B e a m t e r , d e r solche G e d a n k e n g ä n g e h ä t t e , m ü ß t e sofort a b b e r u f e n w e r d e n . Ich f a n d k a u m U n t e r s t ü t z u n g von s o z i a l d e m o k r a t i s c h e r Seite u n d w i e d e r h o l t e n u r das bereits f r ü h e r G e s a g t e , d a ß es sich d a r u m h a n d e l e , d e n n e u e n A p p a r a t h a n d l u n g s f ä h i g zu m a c h e n . Allmählich g e w a n n die sachliche Ü b e r l e g u n g w i e d e r die O b e r h a n d . 2 6 D e r Syndikus L e h m a n n m a c h t e auf G r u n d d e r V e r h a n d l u n g e n einen g u t e n , e t w a s g e ä n d e r t e n E n t w u r f u n d die S a c h e n i m m t ihren F o r t g a n g . O f f e n b a r b e f ü r c h t e t e D r . Seelos. er w ü r d e , n a c h d e m e r schon v o r h e r w e g e n seines V e r h a l t e n s bei d e r W a h l d e r D i r e k t o r e n eine B e s c h w e r d e D r . A d e n a u e r s u n d M i n i s t e r p r ä s i d e n t E h a r d s 2 7 ausgelöst h a t t e , e r n e u t ins G e d r ä n g e k o m m e n . D e r V o r f a l l b e w e i s t , d a ß es noch m a n c h e A u s e i n a n d e r s e t z u n g mit d e m b a y e r i s c h e n V e r t r e t e r g e b e n wird; h o f f e n t l i c h festigen sich die V e r h ä l t n i s s e im E x . - R a t nach u n d n a c h , o b w o h l H e r r M i n i s t e r D r . H e i n r i c h K ö h l e r a u s g e s c h i e d e n ist. G e s t e r n A b e n d w a r ich mit K r i e d e m a n n zu e i n e m I n t e r v i e w mit

dem

b e k a n n t e n V e r l e g e r Victor G o l l a n c z u n d d e m britischen S e k r e t ä r d e s B i p a r t i t e C o n t r o l O f f i c e ( W a l t e r Fliess) g e b e t e n . Ich h a t t e mich sehr auf eine B e g e g n u n g mit d e m v o n mir v e r e h r t e n M a n n e g e f r e u t , d e n ich allerdings n u r a u s d e n N a c h r i c h t e n d e r „ N e u e n Z e i t u n g " k a n n t e . G o l l a n c z ist ein g r o ß e r , k r ä f t i g e r

34

Tagebuch 1947

M a n n , d a s k a h l e H a u p t ist von b u s c h i g e m , w e i ß e m H a a r u m s ä u m t , in d e m fleischigen

G e s i c h t sitzt eine d u n k l e H o r n b r i l l e . E r b e g r ü ß t e uns f r e u n d l i c h u n d

b r a c h t e einige B r o c k e n D e u t s c h . Z u n ä c h s t sollten K r i e d e m a n n u n d ich u n s e r e M e i n u n g zu d e r n e u e n bizonalen O r g a n i s a t i o n s a g e n . K r i e d e m a n n b e g a n n , k a m a b e r nicht weit, weil ihn Gollancz u n t e r b r a c h : er wolle F r a g e n stellen. O f f e n sichtlich w a r es i h m zu langweilig, A l t b e k a n n t e s zu h ö r e n . A l s e r s t e F r a g e interessierte H e r r n G o l l a n c z zu h ö r e n , welche w i r k s a m e Autorität hinter den Gesetzen u n d A n o r d n u n g e n des Wirtschaftsrates und der D i r e k t o r e n s t e h e . In g e n a u e r E n t w i c k l u n g eines Beispiels w u r d e klar h e r a u s g e a r b e i t e t , d a ß d i e b i z o n a l e n Stellen k e i n e Z w a n g s g e w a l t h a b e n , die Polizei k a n n i m m e r n u r v o n d e n L a n d e s r e g i e r u n g e n in B e w e g u n g gesetzt w e r d e n . D a s sah G o l l a n c z als e i n e n g r o b e n , wichtigen F e h l e r d e r n e u e n O r g a n i s a t i o n a n . D a r a u f w u r d e d i e Stellung d e s E x e k u t i v r a t e s u n t e r s u c h t . G o l l a n c z ging d a v o n aus, d a ß d e r E - R d e m W i r t s c h a f t s r a t nicht v e r a n t w o r t l i c h ist, d a ß a b e r j e d e s Mitglied von s e i n e r L a n d e s r e g i e r u n g jederzeit a b b e r u f e n w e r d e n k a n n . E r f r a g t e , was g e s c h e h e , w e n n sich d e r E - R mit M e h r h e i t s b e s c h l u ß w e i g e r n w ü r d e , ein G e s e t z d e s W - R d u r c h z u f ü h r e n ? D a r a u f e n t g e g n e t e ich, d a ß im Konfliktsfalle d e r W - R sich d u r c h s e t z e n k ö n n e , d a er die A u s f ü h r u n g seines G e s e t z e s d e n D i r e k t o r e n u n m i t t e l b a r ü b e r t r a g e n k ö n n e u n d j e d e r z e i t in d e r Lage sei. einen r e n i t e n t e n D i r e k t o r a b z u s e t z e n u n d durch e i n e n a n d e r e n zu e r s e t z e n . E s bleibt d a n n i m m e r w i e d e r die F r a g e , wie die D u r c h f ü h r u n g d e r G e s e t z e in d e n L ä n d e r n e r z w u n g e n w e r d e n k a n n . Ich verwies auf d a s R e c h t d e s E - R u n d d e r D i r e k t o r e n , K o n t r o l l e u r e e i n z u s e t z e n , und v e r t r a t den S t a n d p u n k t , d a ß es möglich w ä r e , in d e n G e s e t z e n u n d A u s f ü h r u n g s b e s t i m m u n g e n des W - R die A n w e i s u n g s b e f u g nis b i z o n a l e r Stellen d i r e k t an die u n t e r e n L ä n d e r i n s t a n z e n v o r z u s e h e n . D i e n ä c h s t e F r a g e w a r . was a u ß e r d e m M a n g e l an Z w a n g s g e w a l t an d e r b i z o n a l e n K o n s t r u k t i o n zu b e a n s t a n d e n w ä r e . Z u n ä c h s t große V e r l e g e n h e i t . D a n n sagte ich: d e r O r g a n i s m u s leidet an e i n e m d o p p e l t e n D u a l i s m u s , nämlich: d e r W - R ist zentralistisch, d e r E - R föderalistisch. D e r W - R soll unpolitisch, m e h r w i r t s c h a f t l i c h - f a c h m ä n n i s c h h a n d e l n , es h a b e n sich a b e r die politischen R e a l i t ä t e n als die s t ä r k e r e n e r w i e s e n . D a r a u f stellte G o l l a n c z fest: w e n n E - R u n d W - R die gleiche politische . M e h r h e i t h a b e n , d a n n m ü ß t e alles glatt g e h e n . Ich e r w i d e r t e : in d i e s e m Falle w ä r e durch Gleichschaltung einer der erwähnten Dualismen ausgeschaltet, der a n d e r e , n ä m l i c h d i e T a t s a c h e , d a ß ein wirtschaftlich g e d a c h t e r O r g a n i s m u s sich als p o l i t i s c h - b e s t i m m e n d herausstellt, bliebe b e s t e h e n . N u n m e h r f r a g t e Gollancz, wie die S P D zu a l l g e m e i n e n W a h l e n zu e i n e m w e s t d e u t s c h e n B u n d e s p a r l a m e n t in d e n nächsten M o n a t e n s t e h e , d a mit d e m S c h e i t e r n d e r L o n d o n e r Konferenz 2 * u n d d e m v o r ü b e r g e h e n d e n A u s e i n a n d e r fallen v o n D e u t s c h l a n d zu r e c h n e n sei. K r i e d e m a n n e r w i d e r t e , d a ß D r . S c h u m a c h e r m i t baldigen W a h l e n r e c h n e , d a ß die S P D - s c h w e r e n aber f e s t e n H e r z e n s d e n Z w a n g zu solchen W a h l e n e r w a r t e . Mit R ü c k s i c h t auf die politische T e i l u n g D e u t s c h l a n d s k a n n die S P D selbst diese E n t w i c k l u n g nicht f ö r d e r n . Als letzte F r a g e k a m die E n t n a z i f i z i e r u n g d r a n . Gollancz ist d e r M e i n u n g ,

Tagebuch 1947

35

m a n solle u n t e r die g e s a m t e E n t n a z i f i z i e r u n g e i n e n d i c k e n , letzten Strich z i e h e n . D i e H a u p t s c h u l d i g e n sollten kriminell b e s t r a f t w e r d e n , alle a n d e r e n sollten a m n e s t i e r t w e r d e n , j e d o c h mit d e r M a ß g a b e , d a ß die Z u l a s s u n g zu b e s t i m m t e n Ä m t e r n , F u n k t i o n e n , W i r t s c h a f t s p o s i t i o n e n usw. von d e r v o r h e r i g e n D u r c h f ü h r u n g eines b e s o n d e r e n politischen P r ü f u n g s v e r f a h r e n s a b h ä n g i g g e m a c h t w e r d e n m ü ß t e . W i r s t i m m t e n b e i d e zu. B e i G o l l a n c z fiel mir die k l a r e , b e i n a h e s t e c h e n d zu n e n n e n d e Präzision d e r F r a g e s t e l l u n g u n d die E n e r g i e a u f , mit d e r er sein Ziel verfolgt. M e h r e r e M a l e b a t e r - b e i n a h e barsch - , m a n solle bei d e r Sache bleiben u n d ihn nicht d u r c h N e b e n u n t e r h a l t u n g e n s t ö r e n . N a c h zwei S t u n d e n w a r e n wir fertig.

8. September 1947 D e r W i r t s c h a f t s r a t h a t w i e d e r e i n m a l getagt: 2 9 diesmal h a b e ich mir die A n w e s e n h e i t im P l e n u m g e s c h e n k t , weil mir die V o r v e r h a n d l u n g e n g e n ü g t h a b e n . E s ist ein höchst u n e r f r e u l i c h e s T a u z i e h e n n a c h v e r s c h i e d e n e n R i c h t u n gen im G a n g e : die C D U - D i r e k t o r e n u n d d e r W i r t s c h a f t s r a t wollen d e n E x e k u tivrat klein h a l t e n - o d e r besser gesagt - m a n will selbst das letzte W o r t h a b e n . D a s gilt von d e r C D U - F r a k t i o n , die d e m E x e k u t i v r a t mit seiner S P D - M e h r h e i t nicht ü b e r d e n W e g t r a u t , das gilt v o n d e n A u s s c h ü s s e n des W i r t s c h a f t s r a t s , die g e r n e t w a s von sich r e d e n m a c h e n wollen, das gilt a b e r auch von einigen D i r e k t o r e n , die g e r n ihre eigene M a c h t v o l l k o m m e n h e i t sichergestellt h a b e n m ö c h t e n . A m m e i s t e n zeigt sich d a s in F r a g e n d e r Personalpolitik. Ich m u ß g e s t e h e n , d a ß m e i n e E r w a r t u n g e n auf ein sachliches Z u s a m m e n a r b e i t e n schon einige M a l e g r o b e n t t ä u s c h t w o r d e n sind, zuletzt bei d e r B e s e t z u n g des P e r s o n a l a m t e s mit O p p l e r , 3 0 d e m m a n seine zeitweilige Z u g e h ö r i g k e i t zur Sozialistischen A r b e i t e r p a r t e i vorwirft u n d d e n m a n d e s h a l b bei d e n B e s a t z u n g s m ä c h t e n a n g e m e r k t h a t . wie ich gestern bei O m g u s 3 ' e r f u h r . D e r W i r r w a r r ist g r o ß , obgleich die A r b e i t in d e r B i z o n e e b e n erst b e g o n n e n h a t . D a w e r d e n Beschlüsse im W i r t s c h a f t s r a t u n d seinen A u s s c h ü s s e n g e f a ß t , die j e d e R ü c k s i c h t n a h m e auf die Z u s t ä n d i g k e i t e n vermissen lassen. Die P e r s o n a l f r a g e n , die von G e s e t z e s w e g e n d e n E x e k u t i v r a t a n g e h e n , w e r d e n zunächst mit d e n B e s a t z u n g s m ä c h t e n b e s p r o c h e n . D e r E x e k u t i v r a t ist f ü r einzelne Mitglieder ein G e s a n d t e n - K o n g r e ß d e r L ä n d e r , d e r erst Beschlüsse fassen sollte, n a c h d e m die W e i s u n g e n d e r L ä n d e r r e g i e r u n g e n vorliegen, f ü r a n d e r e ist er - so d ü r f t e es auch n a c h d e n g r u n d l e g e n d e n B e s t i m m u n g e n richtig sein - ein bizonales O r g a n auf f ö r d e r a t i v e r G r u n d l a g e : d e m e n t s p r e c h e n d wollen einige von ihren L ä n d e r n b e z a h l t w e r d e n u n d l e h n e n ein G e h a l t aus Mitteln des H a u s h a l t s p l a n e s d e r B i z o n e a b , w ä h r e n d die a n d e r e n g e r a d e diese V e r g ü t u n g f ü r n o t w e n d i g a n s e h e n . Einige L ä n d e r w a r t e n s e h n s ü c h t i g auf rechtliche A n w e i s u n g e n d e s E x e k u t i v r a t s u n d seiner D i r e k t o r e n , a n d e r e n e h m e n die R e g e l u n g d e r Fleischu n d K a r t o f f e l v e r s o r g u n g als einen Eingriff in die V e r f a s s u n g s r e c h t e d e r L ä n d e r . 3 2 D e r M a n g e l e i n e r Z w a n g s g e w a l t d e r Bizone ist allen deutlich b e w u ß t d a h e r e r h e b e n die L ä n d e r m i n i s t e r z. T . s c h a r f e n P r o t e s t , w e n n sie ihre M e i n u n g nicht d u r c h s e t z e n k ö n n e n . M e t z g e r als V o r s i t z e n d e r des E x e k u t i v r a t e s h a t t e

36

Tagebuch 1947

seine g a n z e A u t o r i t ä t e i n z u s e t z e n , u m selbst s o z i a l d e m o k r a t i s c h e Minister in R e i h ' u n d G l i e d zu bringen, d a m i t eine sachliche A r b e i t geleistet w e r d e n k o n n t e . J e d e r H i n w e i s auf die R e c h t s l a g e wird politisch a u s g e w e r t e t : die B r i e f e , die d e r E x e k u t i v r a t zur Kritik von Beschlüssen d e s W i r t s c h a f t s r a t s g e s c h r i e b e n h a t t e , w u r d e n z u m G e g e n s t a n d von V o r s t e l l u n g e n bei d e m P r ä s i d i u m d e s W i r t s c h a f t s r a t s g e m a c h t , wobei mich d e r V o r w u r f m a n g e l h a f t e r A c h t u n g v o n d e m B e t r o f f e n e n traf. D e r offizielle E i n w a n d d e s E x e k u t i v r a t e s im P l e n u m d e s W i r t s c h a f t s r a t e s gegen die rechtliche Z w e c k m ä ß i g k e i t des sog. S t a t u t s " m a c h t e k e i n e n E i n d r u c k auf die H e r r e n A b g e o r d n e t e n aller F r a k t i o n e n , weil m a n e i g e n s ü c h t i g e M o t i v e v e r m u t e t e . Ü b e r e i l t e , entstellte und i r r e f ü h r e n d e Pressen a c h r i c h t e n , die v o n vorlauten B e r i c h t e r s t a t t e r n h e r a u s g e b r a c h t w e r d e n , t r a g e n d a s ihrige z u dieser chaotischen Situation bei. Ich h a b e mir schon gehörig Witz g e k a u f t u n d d a h e r eine wöchentliche P r e s s e k o n f e r e n z eingerichtet. 3 4 E i n e r s e i t s bin ich entschlossen, m e i n e n Teil b e i z u t r a g e n , d e m R e c h t s s t a a t s g e d a n k e n soweit als irgend möglich G e l t u n g zu v e r s c h a f f e n u n d v o n v o r n h e r e i n alle E n t g l e i s u n g e n als solche zu b e h a n d e l n , a n d e r e r s e i t s ist es mir d u r c h a u s z w e i f e l h a f t , o b bei diesem System wesentliche L e i s t u n g e n e r r e i c h b a r sind. E s ist gar nicht zu v e r k e n n e n , d a ß ein R i n g e n u m die politische M a c h t im G a n g e ist: die R e a k t i o n besetzt ihre B a s t i o n e n , m a n will k e i n e n Sozialismus, m a n fühlt sich b ü r g e r l i c h , m a n sucht Hilfe bei d e n B e s a t z u n g s m ä c h t e n gegen die S P D . D i e n e u e V e r w a l t u n g wird nicht a r b e i t e r f r e u n d l i c h , sie wird nicht fortschrittlich, k e i n e s w e g s sozialistisch sein, n a c h d e m die C D U alle l e i t e n d e n Stellen ü b e r n o m men hat. E i n e E n t t ä u s c h u n g bei der S P D . die z u n ä c h s t f r e u d i g - w e n n auch s e h r z ö g e r n d - in die O p p o s i t i o n ging, m u ß k o m m e n . S c h u m a c h e r s Politik d e r F o r d e r u n g aller W i r t s c h a f t s m i n i s t e r i e n verlangt e i n e k l a r e K o n s e q u e n z - nämlich d i e A b k e h r v o m L i s t e n w a h l r e c h t . E s m u ß die W ä h l e r s c h a f t i m m e r wieder v o r die F r a g e gestellt w e r d e n : Sozialismus o d e r K a p i t a l i s m u s ? Wahrscheinlich w ü r d e es nicht sehr lange d a u e r n , bis sich e i n e sozialistische M e h r h e i t in d e r R e i c h s e b e n e gebildet h a t . I n z w i s c h e n m u ß a b e r auch s t a a t s m ä n n i s c h g e h a n d e l t w e r d e n , d. h. mit d e m Blick ü b e r die n ä c h s t e n W a h l e n h i n a u s . D e r A u f b a u einer s a u b e r e n d e m o k r a t i schen V e r w a l t u n g , die Sicherung des R e c h t s s t a a t s g e d a n k e n s , die B i l d u n g e i n e r g e s c h l o s s e n e n M e i n u n g g e g e n ü b e r d e n S i e g e r m ä c h t e n in d e n wichtigsten Frag e n , die W i e d e r a u f r i c h t u n g d e r W i r t s c h a f t , d i e B e v o r z u g u n g d e r P r o d u k t i o n g e g e n ü b e r d e m K o n s u m u. a. sind D i n g e , ü b e r die es k e i n e n Streit g e b e n d ü r f t e . L e i d e r ist zuviel M i t t e l m ä ß i g k e i t am W e r k , als d a ß bald eine K l ä r u n g d e r B e g r i f f e u n d d e r G e i s t e r zu e r w a r t e n ist. D i e F o r m e n des N a z i s m u s ü b e r w i e g e n durchaus.

Anstatt Diskussionsversammlungen

gibt es K u n d g e b u n g e n ,

die

m o r a l i s c h e V e r d ä c h t i g u n g des G e g n e r s ist an d e r T a g e s o r d n u n g , die Sucht nach V e r s o r g u n g in d e r öffentlichen V e r w a l t u n g h a t die F o r m e i n e r T o r s c h l u ß - P a n i k a n g e n o m m e n . K o r r u p t i o n g e h ö r t fast z u m A l l t a g d e r B e w i r t s c h a f t u n g s s t e l l e n . M a n s c h i m p f t ü b e r die D e m o k r a t i e u n d ihre E i n r i c h t u n g e n , o h n e d a r a n zu d e n k e n , d a ß m a n an d e n M ä n g e l n selbst d o c h täglich schuldig w i r d .

Tagebuch 1947

37

Die Besatzungsmächte mildern diese Z u s t ä n d e k a u m , häufig v e r m e h r e n sie nur die Verwirrung durch ihre A n o r d n u n g e n und M a ß n a h m e n . Schon ihr schleppender und formalistischer Geschäftsgang tut das seinige mit großer W i r k u n g in der falschen Richtung. Und doch ist nicht zu v e r k e n n e n , d a ß die Militärregierung sehr viel G u t e s wirkt, weil sie eben den R e c h t s g e d a n k e n unbeirrt verteidigt und dem Chaos auf deutscher Seite als eine geschlossene Macht - in der Bizone - gegenübersteht. U n t e r e i n a n d e r freilich herrscht keine Einigkeit bei den Alliierten, w o h e r ja wohl das G r u n d ü b e l d e r Zonenwirtschaft k o m m t . ..O selig, wer noch hoffen kann, aus diesem Meer des Irrtums a u f z u t a u c h e n . " D a r a n m u ß ich immer wieder d e n k e n , und doch: es m u ß und wird besser w e r d e n ; was die Einsicht bei den wenigen nicht schafft, wird die Zeit zu Wege bringen. Ich gebe keineswegs mein hartes B e m ü h e n auf. 13. September

1947

D e r politische Kampf beginnt. Ministerpräsident Dr. Ehard gibt eine Erklärung gegen den F r a n k f u r t e r Zentralismus a b ' 1 - als wenn inzwischen irgend etwas Wichtiges geschehen wäre. Noch nicht ein einziges Gesetz materiellen Inhalts ist verabschiedet! Dr. Seelos, der bayerische V e r t r e t e r im E x e k u t i v r a t . verlangt einen Beschluß, d a ß der Exekutivrat keine Gesetzesinitiative ergreifen wird, wenn es sich um eine wesentliche Beschränkung d e r Länderrechte handelt, es sei d e n n , d a ß ein A n t r a g eines Direktors oder des Wirtschaftsrats vorläge. 1 ' 1 - als wenn es bizonale Gesetze geben k ö n n t e , die nicht in die Länderrechte eingreif e n , wo doch die Bizone in dem amerikanischen Besatzungsgebict lediglich auf Kosten der bisher o m n i p o t e n t e n L ä n d e r zu Geltung und W i r k u n g k o m m e n kann. Im Exekutivrat wird zur Zeit ü b e r ein Warenlenkungsgesetz verhandelt. 3 7 das einen breiten R a h m e n für Planwirtschaft und N o t m a ß n a h m e n f ü r G e w e r b e und Landwirtschaft abgeben soll. Dr. Seelos. der nur auf Anweisung seiner Regierung tätig wird, - er möchte den Exekutivrat gern zu einem G e s a n d t e n r a t m a c h e n , obgleich er nach der Proklamation Nr. 5 , s ein bizonales O r g a n mit hauptamtlich tätigen Mitgliedern ist - versucht z. Z t . die süddeutschen L ä n d e r zu einer K o n f e r e n z zusammenzubringen, weil H e r r Metzger im Exekutivrat verhandelt, o h n e Weisungen seiner Regierung einzuholen. D a s hat bereits zu einer Vorstellung von Staatsrat A p e l bei Herrn Metzger g e f ü h r t . Inzwischen hat Präsident D r . Köhler vom Wirtschaftsrat den hessischen Justizminister gebeten, gewisse G e s e t z e n t w ü r f e f ü r den Wirtschaftsrat auszuarbeiten, damit dieser zur Gesetzesinitiative k o m m t - ich m u ß schon sagen, daß dies ein merkwürdiges parlamentarisches Beginnen ist, nachdem Justizminister Zinn aus dem Wirtschaftsrat ausscheiden m u ß t e . w Inzwischen steckt sich die C D U hinter die Militärbehörde im Sinne ihrer Personalpolitik. So hat H e r r Seelos seine Pläne mit der Besetzung d e r H a u p t a b t e i l u n g e n in Berlin vorgetragen, o h n e den an sich zuständigen E x . - R a t vorher zu benachrichtigen. Man versucht, die Bestellung von Ministerialrat O p p l e r zum kommissarischen Leiter des Personalamtes zu verschieben, indem man seine zeitweilige Zugehörigkeit zur S A P ins Feld f ü h r t . Ich m u ß schon sagen, daß mir diese Entwicklung einige Sorgen bereitet. Die

38

Tagebuch 1947

U n e i n i g k e i t d e r D e u t s c h e n wird w i e d e r einmal e k l a t a n t . Als w e n n die N o t nicht riesig w ä r e u n d alle K r ä f t e zum Z u s a m m e n s c h l u ß r i e f e n . D e r H e r r „ R e i c h s m i nischte" 4 1 1 D r . H e i n r i c h K ö h l e r h a t d a s k o m m e n s e h e n - er h a t es deutlich a u s g e s p r o c h e n u n d seine K o n s e q u e n z e n g e z o g e n . E s scheint so, als w e n n sich d i e E n t w i c k l u n g nach 1918 w i e d e r h o l t . Die V e r w a l t u n g wird r e a k t i o n ä r , die Sozialisierung wird a b g e l e h n t , d i e A r b e i t e r s c h a f t läßt brav alles ü b e r sich e r g e h e n . W e n n S c h u m a c h e r für d i e O p p o s i t i o n eintritt, d a n n h a t er g r u n d s ä t z lich r e c h t , falls es ihm darauf a n k o m m t , e i n e b e s s e r e strategische L a g e zu b e k o m m e n als 1922 u n d später. E r m ü ß t e n u r so k o n s e q u e n t sein u n d f ü r das M e h r h e i t s w a h l r e c h t e i n t r e t e n , d a m i t die S P D in d e r T a t u m s G a n z e ringen kann. M i r geht die E n t w i c k l u n g etwas auf die N e r v e n . M e i n e F r e u n d e im E x . - R a t m e i n e n , ich w ä r e zu stürmisch u n d u n g e d u l d i g . Ich will v e r s u c h e n , politisch zu d e n k e n u n d zu h a n d e l n . 20. September

1947

D i e v e r g a n g e n e W o c h e stand im Z e i c h e n g e s p a n n t e r V e r h a n d l u n g e n .

Am

D i e n s t a g (16. 9.) k a m endlich die K o n f e r e n z mit d e n D i r e k t o r e n im G ä s t e h a u s d e r Stadt F r a n k f u r t z u s t a n d e . Sie b e g a n n mit etwa e i n e r S t u n d e V e r s p ä t u n g , weil - wie ein T e l e f o n a n r u f 16.20 U h r m e l d e t e

die H e r r e n D i r e k t o r e n e b e n

erst g e m e i n s a m a b g e f a h r e n w a r e n ; sie h a t t e n also eine V o r k o n f e r e n z abgehalt e n u n d k a m e n mit v e r a b r e d e t e n S t e l l u n g n a h m e n zu d e r ihnen b e k a n n t e n T a g e s o r d n u n g . D r . S e m l e r f ü h r t e im allgemeinen d a s W o r t . W a s bisher n u r zu f ü r c h t e n w a r , w u r d e jetzt h ö r b a r u n d deutlich: die C D U f o r m i e r t sich zu e i n e r k l a r e n F r o n t gegen die S P D . Beispiele: D i e D i r e k t o r e n l e h n t e n die Z u s t ä n d i g k e i t des E x e k u t i v r a t e s f ü r die E r n e n n u n g d e r A b t e i l u n g s l e i t e r ab. „weil die R e c h t s l a g e nicht geklärt s e i " . (Sie ist nicht g e k l ä r t , weil d i e H e r r e n D i r e k t o r e n u n d d e r P r ä s i d e n t d e s W i r t s c h a f t s r a t s D r . K ö h l e r die Z u s t ä n d i g k e i t d e s W i r t s c h a f t s r a t e s mit C D U - M e h r h e i t wüns c h e n - das G e g e n t e i l sei nirgends b e s t i m m t - als w e n n ein P a r l a m e n t B e a m t e n zu e r n e n n e n h ä t t e ! ) I m m e r h i n will m a n d e m E x . - R a t die V o r s c h l ä g e u n t e r b r e i t e n ; sollte es M e i n u n g s v e r s c h i e d e n h e i t e n g e b e n , d a n n k ö n n t e die R e c h t s f r a g e i m m e r n o c h „ d u r c h d e n W i r t s c h a f t s r a t " e n t s c h i e d e n w e r d e n . (So ganz o h n e E i n d r u c k w a r e n d e r W o r t l a u t v o n § 6 A b s . I des Ü b e r l e i t u n g s g e s e t z e s 4 1 u n d die A u s l e g u n g v o n B i p a r t i t e C o n t r o l O f f i c e nicht g e b l i e b e n ) . D r . S e m l e r e r k l ä r t e , daß „ l e i d e r " auch M i n . D i r e k t o r Keiser von d e r V e r w a l t u n g f ü r W i r t s c h a f t nicht H a u p t a b t e i l u n g s l e i t e r b l e i b e n k ö n n e u n d die Stellung u n d d a s G e h a l t h e r a b g e s e t z t w e r d e n m ü s s e n . ( E r ist d e r b e s t e M a n n im A m t , freilich S o z i a l d e m o k r a t ) . „ K e i n e s f a l l s " wolle m a n ihn freilich v e r l i e r e n ; er sei d a m i t e i n v e r s t a n d e n , unter J o s t e n zu a r b e i t e n , d e r d e m V e r n e h m e n nach W e h r w i r t s c h a f t s f ü h r e r w a r . So wird die C D U alle K o m m a n d o p o s t e n f ü r sich n e h m e n . D i r e k t o r H a r t m a n n v e r n e i n t e ein B e d ü r f n i s , ihn d u r c h G e s e t z des W i r t s c h a f t s r a t e s z u m E r l a ß von A u s f ü h r u n g s b e s t i m m u n g e n zu den S t e u e r g e s e t z e n zu e r m ä c h t i g e n ; er wolle wie bisher mit K o o r d i n i e r u n g s b e s c h l ü s s e n d e r

Tagebuch 1947

39

Länderminister a r b e i t e n , denn er würde sonst der Kompetenzverteilung der s p ä t e r e n Bundesverfassung vorgreifen! (Ein braver bayerischer B ü r o k r a t ! Wer hätte das gedacht!) Ein B e d ü r f n i s f ü r eine Koordinierung d e r Berliner Außenstellen der Verwaltung f ü r Wirtschaft und f ü r E r n ä h r u n g , Landwirtschaft und Forsten sei nicht g e g e b e n , erklärten die beteiligten D i r e k t o r e n . Die Bezeichnung „ V e r t r e t u n g " wäre falsch und würde beseitigt werden. E x . - R a t und Wirtschaftsrat sollten wegen einer politischen V e r t r e t u n g selbst entscheiden. Die B e a u f t r a g u n g von Min. Rat D r . O p p l e r mit der Leitung des Personalamtes hat die C D U - L e u t e sehr auf den Plan gebracht. D r . Köhler sprach d e m Ex.R a t seine V e r w u n d e r u n g d a r ü b e r aus, daß er diese E r n e n n u n g aus der Z e i t u n g e n t n o m m e n h a b e ; der H a u p t a u s s c h u ß des Wirtschaftsrates hätte die gleiche A u f f a s s u n g g e ä u ß e r t ; es könne sich ja nur um eine „vorläufige" E r n e n n u n g h a n d e l n . D e r H a u p t a u s s c h u ß erbäte die schleunige Vorlage des Gesetzes über das P e r s o n a l a m t , darin auch die E r n e n n u n g des Leiters zu regeln wäre. 4 2 ( A h a ! ) . D r . Seelos stimmte gegen O p p l e r . D r . Gögler gab - trotz Abwesenheit seine A b l e h n u n g zu Protokoll. Derselbe D r . Gögler hat - n a c h d e m er vielleicht an 6—8 Sitzungen des Ex.R a t s t e i l g e n o m m e n hatte - der württembergisch-badischen Regierung seine E n t t ä u s c h u n g ü b e r die bizonale Organisation vorgetragen; dabei hat er die m a n g e l n d e E i g n u n g des B ü r o d i r e k t o r s und das Versagen des G e n e r a l s e k r e t ä r s b e h a u p t e t ; er vermißt T a g e s o r d n u n g e n und Protokolle f ü r die Sitzungen! Reichsminister D r . Köhler soll ihm scharf entgegengetreten sein. Dr. Seelos hatte sich eine besondere Tour geleistet, indem er - während einer Sitzung des E x . - R a t s unter dem Vorsitz von Metzger - die hessische Staatsregier u n g ( D r . Brill) anrief und um eine Z u s a m m e n k u n f t der 3 süddeutschen Ministerpräsidenten bat zwecks H e r b e i f ü h r u n g einer einheitlichen Stellungn a h m e gegen den Entwurf des Warenlenkungsgesetzes. Eine sachliche E r ö r t e r u n g im E x . - R a t sei nicht zustande g e k o m m e n , weil Metzger erklärt h a b e , er w ü r d e in Sachen d e r Bizone nach seinem bizonalen Gewissen - nicht nach den Anweisungen seiner Landesregierung handeln. Dieser V e r s t o ß gegen die Vertraulichkeit der Verhandlungen hat den Mitgliedern des E x . - R a t s einen harten Schlag versetzt. ( A u c h ein Stück CDU-Politik.) E b e n dahin g e h ö r e n die öffentlichen Erklärungen von Ministerpräsident Dr. E h a r d u n d Staatsminister B a u m g a r t n e r gegen den „ F r a n k f u r t e r Zentralismus" 4 3 - als wenn schon irgend etwas geschehen wäre! D i r e k t o r H a r t m a n n schickte heute eine von mir unterschriebene E r i n n e r u n g zurück mit d e m B e m e r k e n , d a ß er nach d e r Besprechung vom Dienstag nur Schreiben mit der Unterschrift des Präsidenten des E x . - R a t s entgegenzunehm e n hätte! - W e l c h e Verwirrung!! Alles d e u t e t darauf hin, d a ß die C D U - L e u t e alle Macht für sich haben wollen. - O , welch' eine Kurzsichtigkeit! Ich glaube, es ist nicht so sehr b e w u ß t e Ausschaltung der S P D im Sinne des Klassenkampfes, als vielmehr die vom dritten Reiche her ü b e r k o m m e n e Einstellung, nur in der Mehrheit - am besten

40

Tagebuch 1947

o h n e O p p o s i t i o n u n d K o n t r o l l e - a r b e i t e n zu k ö n n e n . W o h i n sind die D e k l a m a t i o n e n v e r h a l l t , d a ß auf breitester G r u n d l a g e regiert w e r d e n m ü ß t e ? ! I n z w i s c h e n w i r d d e r T r u b e l d e m E x . - R a t g a n z b e w u ß t . D a w e r d e n ca. 5000 B a u a r b e i t e r b e k ö s t i g t u n d bezahlt, u n d sie leisten n u r 15—20 % aus M a n g e l an M a t e r i a l , aus M a n g e l an L a s t w a g e n , aus v e r l ä n g e r t e n M i t t a g s p a u s e n ,

aus

A r b e i t s u n l u s t . D a g a b es D i f f e r e n z e n mit d e n H ä f t l i n g s a r b e i t e r n a u s D a r m s t a d t ; sie sollten nicht so schaffen, d e n n sie w ü r d e n n u r d a s A r b e i t s t e m p o v e r d e r b e n . D i e Z a h l d e r eingesetzten Lkws g e h t a n d a u e r n d z u r ü c k , weil bald R e i f e n , bald E r s a t z t e i l e verlangt o d e r R e p a r a t u r e n v o r g e s c h ü t z t w e r d e n : d e r s c h w a r z e M a r k t ist g e w i ß r e n t a b l e r ! G r o ß e A u f r e g u n g b r a c h t e e i n e von D r . S c h l a n g e - S c h ö n i n g e n g e f o r d e r t e A n o r d n u n g f ü r die K a r t o f f e l b e w i r t s c h a f t u n g , 4 4 in d e r e i n e u n m i t t e l b a r e U n t e r stellung d e r L a n d e s v e r w a l t u n g e n u n t e r d e n D i r e k t o r d e r bizonalen V e r w a l t u n g g e f o r d e r t w u r d e , u m die K a r t o f f e l e r n t e zu e r f a s s e n u n d zu v e r t e i l e n . U m die R e c h t s g r u n d l a g e f ü r die A n o r d n u n g des E x . - R a t s h a t t e sich D r . SchlangeS c h ö n i n g e n nicht b e k ü m m e r t ; er kündigte a b e r seine ö f f e n t l i c h e R e c h t f e r t i g u n g in d e r zu e r w a r t e n d e n K a t a s t r o p h e a n . B a y e r n o p p o n i e r t e w e g e n d e r V e r f a s s u n g s w i d r i g k e i t d e r g e p l a n t e n A n o r d n u n g , g a b a b e r inzwischen e i g e n m ä c h t i g ein kg Fleisch p r o E i n w o h n e r aus, weil die V i e h t r a n s p o r t e nach d e n K ü h l h a l l e n in N o r d d e u t s c h l a n d nicht möglich w ä r e n . H e s s e n e r h ö h t e e i g e n m ä c h t i g die F l e i s c h r a t i o n e n . 4 3 H a m b u r g und R h e i n l a n d - W e s t f a l e n p r o t e s t i e r t e n gegen diese M a ß n a h m e n . N i e d e r s a c h s e n kündigte die A u s g a b e v o n zwei Z e n t n e r n K a r t o f f e l n p r o E i n w o h n e r a n , obwohl n u r ein Z e n t n e r W i n t e r k a r t o f f e l n gestattet ist. In W i e s b a d e n , E s s e n , D a r m s t a d t usw. usw. sind in d e n letzten 3 W o c h e n k e i n e K a r t o f f e l n a u s g e g e b e n w o r d e n . E s ist C h a o s , es d r o h t eine H u n g e r k a t a s t r o p h e . J e d e r m e i n t : r e t t e sich, wer k a n n ; s o g e h e n L a n d r ä t e u n d B ü r g e r m e i s t e r zu Ausfuhrverboten über. D a schien d a s v o m W - R beschlossene G e s e t z ü b e r die A n o r d n u n g s b e f u g n i s d e s E x e k u t i v r a t e s 4 6 e i n e n A u s w e g zu g e b e n , w e n i g s t e n s in politischer Hinsicht, d a m i t ü b e r h a u p t e t w a s g e s c h e h e n k ö n n e . E s sollte d e n E x e k u t i v r a t ermächtig e n , bis z u m 31. D e z e m b e r dringend e r f o r d e r l i c h e A n w e i s u n g e n zur V e r t e i l u n g g e w e r b l i c h e r u n d landwirtschaftlicher P r o d u k t e zu e r l a s s e n , bis die d a f ü r e r f o r d e r l i c h e n G e s e t z e des W i r t s c h a f t s r a t s beschlossen u n d g e n e h m i g t w ä r e n . G e n e r a l R o b e r t s o n sagte die G e n e h m i g u n g zu - das G e s e t z ging ihm sogar nicht weit g e n u g

G e n e r a l Clay l e h n t e es ab, wie h e u t e mitgeteilt w u r d e , weil der

E x e k u t i v r a t nicht G e s e t z e erlassen d ü r f e 4 7 - u n d d a b e i h a n d e l t es sich n u r um e i n e V o l l z u g s a n o r d n u n g , wie sie in d e r W a r e n v e r k e h r s o r d n u n g d e r Militärreg i e r u n g e n v o m 10. J u n i 1947 48 v o r g e s e h e n sind. W e l c h e V e r w i r r u n g ! ! Wie soll es u n t e r s o l c h e n U m s t ä n d e n zu einer V e r b e s s e r u n g d e r L a g e , zu e i n e r A u t o r i t ä t d e r d e u t s c h e n V e r w a l t u n g , zu e i n e m V e r t r a u e n d e r d e u t s c h e n B e v ö l k e r u n g zur Demokratie kommen? M e t z g e r u n d ich h a b e n heute eine S t u n d e z u s a m m e n g e s e s s e n u n d g e p l a u d e r t . E r w a r nach F r a n k f u r t geeilt, um an einer Sitzung bei d e m B i p a r t i t e C o n t r o l O f f i c e t e i l z u n e h m e n , die dann eine S t u n d e v o r h e r abgesagt w u r d e . M e t z g e r war

Tagebuch 1947

41

verärgert, weil er eine wichtige Sitzung in Darmstadt versäumt hatte; so geht es manchmal, d a ß keine Rücksicht auf Zeit und Arbeit der Deutschen genommen wird. Das verdrießt. Wir müßten ins Büro, wir wären Oberbürgermeister und stünden der großen Politik fern. Vorläufig wollen wir weiterschaffen. Wen sollte die SPD an unserer Stelle setzen, den sie nicht woanders brauchte? - Ich habe dann noch bis 5 Uhr nachmittags ins Stenogramm diktiert - um nicht zu versagen! 4. Oktober

1947

Die Verwirrung der Begriffe und Institutionen hat zu einer ersten Krise geführt, deren hörbares Zeichen für die Öffentlichkeit die Protesterklärung war. die vom Vorsitzenden des Ex.-Rats in der Vollsitzung des Wirtschaftsrats am 30. September abgegeben wurde. 4 9 Nachdem die Mil. Regierungen die Genehmigung des Anweisungsgesetzes zugunsten des Ex.-Rats abgelehnt hatten, ging der Wirtschaftsrat mit Eiltempo daran, Gesetze zu machen, zunächst ein Gesetz betr. die Kartoffelversorgung. 3 0 Dabei ging es drunter und drüber, weil die Vollversammlung einberufen war, ohne daß auch nur eine Vorlage vorhanden gewesen wäre. Hatte der Entwurf des Gesetzes über die Kartoffelversorgung den Ex.-Rat immerhin passiert, ohne daß die Länderregierungen befragt werden konnten, so war das Gesetz betr. die Fleischversorgung 31 ganz ohne den Ex.-Rat behandelt worden; das gab den A n l a ß zum Protest. Dabei kam erschwerend in Betracht, daß noch schnellstens ein Gesetz betr. Energieversorgung 52 verhackstückt werden sollte. Nun brauste der Ex.-Rat auf und kündigte den offenen Konflikt an, über den die Mil. Regierungen hätten entscheiden müssen. Der Ex.-Rat erwartete eine Entscheidung in dem Sinne, daß die Genehmigung eines Gesetzes abgelehnt würde mit der Begründung, es wäre dem Ex.-Rat nicht Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Dazu wird es wohl nicht k o m m e n . Interessant jedoch die neuen Erfahrungen über den Zustand der Verwirrung: Die Sekretärin von Direktor Dr. Semler ruft an. sie hätte durch Fernschreiben aus Minden 1 3 den Text eines Energieversorgungsgesetzes erhalten - allerdings mit einer Verstümmelung. D a es sich um einen Entwurf des Ex.-Rats handle, bäte sie mich um Auskunft. Dabei handelte es sich um einen Entwurf der Verwaltung f ü r Wirtschaft, den Staatssekretär D r . Strauß eingereicht hatte. Dieser leugnete das schlankweg; er wüßte nichts von dem Entwurf; der Abteilungsleiter Schalfejew kannte ihn nach seinen Angaben auch nicht, der Direktor Dr. Semler war höchst überrascht. - Schuld trifft den Ex.-Rat! Natürlich!! D e m Wirtschaftsausschuß des Wirtschaftsrats liegen z. Zt. vier Entwürfe zu einem Warenlenkungsgesetz vor, davon ein Entwurf des Ex.-Rats, der auf d e m Vorentwurf des Direktors aufgebaut ist. 34 D a dieser allein ordnungsmäßig eingebrachte Entwurf die Grundlage einer Plan- und Bedarfsdeckungswirtschaft hergeben könnte, wird er von der C D U abgelehnt. Also hat diese Partei einen eigenen Entwurf eingebracht, der freilich völlig unzulänglich ist. - Bayern

42

Tagebuch 1947

hat Sonderwünsche und hat daher einen eigenen Entwurf vorgelegt. Der Direktor Semler hat den Entwurf des Exekutivrats auf 6 langen Seiten kritisiert, aber dem Exekutivrat trotz Aufforderung seine Kritik nicht zugeleitet. Nunmehr fragen die Abgeordneten, welchen Entwurf sie denn behandeln sollen. Das Gesetzesinitiativrecht des Exekutivrats interessiert sie nicht weiter, sie könnten doch beschließen, was sie wollten. Die SPD machte wirklich Opposition und verließ die Sitzung, worauf Präsident Dr. Köhler einen Verständigungsausschuß von 7 Mann durchsetzte. 55 Da täglich neue Gesetze angefordert wurden - vom Herrn Präsident Dr. Köhler - damit der Wirtschaftsrat in Permanenz tagen könnte und damit schnellstens etwas geschähe, wurde die Verwirrung immer toller. Die Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten erklärte, es läge kein Bedürfnis vor, wegen der Fleischversorgung sofort ein Gesetz zu machen, nachdem mit den Landwirtschaftsministerien der Länder eine Verständigung erzielt worden sei - trotzdem wurde ein Gesetz gemacht, in aller Eile, ohne den Exekutivrat, damit etwas geschähe. Die Verwaltung für Verkehr erklärte, es wären alle erforderlichen Vorschriften vorhanden, um den Eisenbahnverkehr zu regeln und die Kartoffeltransporte zu sichern und den Bahnmißbrauch zu bekämpfen. Trotzdem mußte sie - auf Anforderung von Präsident Dr. Köhler - einen Gesetzentwurf vorlegen, der dann auch nur Wiederholungen oder Ungeheuerlichkeiten enthielt: Wer in der Nähe von Bahnanlagen mit Handtaschen, Säcken, Handwagen usw. sich aufhält, sollte wegen Verdachts von Diebstahl bestraft werden. Polizeibeamte, die das nicht verhinderten, sollten wegen Amtsverletzung mit Gefängnis bestraft werden usw. usw. 56 Der neue Vorsitzende des Ex.-Rats Dr. Spiecker, ein erfahrener Politiker und Parteimann, glättete die Wogen und redete für Einvernehmen und Zusammenarbeit. Die Spitzen lenkten ein. Am Donnerstag nachmittag waren Fraktionssitzungen. Ich ging zur SPD. Man hat Min. Dir. Dr. Kaufmann (vom Ex.-Rat) eingeladen, er solle zur Warenverkehrsordnung sprechen. Dazu kam es nicht, weil sofort die Kompetenzstreitigkeiten die Gemüter entfachten. Die Anwesenheit von Kaufmann würde dabei störend empfunden, einige machten plumpe Ablehnungsversuche. Als Dr. Kaufmann nach besonderer Aufforderung seine Meinung wegen der Stellung des Ex.-Rats gegenüber dem Wirtschaftsrat entwickelt hatte, war er bei den meisten SPD-Abgeordneten völlig unten durch. Er wurde dann höflich hinauskomplimentiert. Nunmehr gingen die Gemüter hoch: Der Ex. Rat ist überflüssig! Wir können beschließen, was wir wollen! Wir sind an die Vorlagen des Ex.-Rats nicht gebunden! Der Ex.-Rat wird nur noch 3 Monate - oder höchstens 6 Monate - existieren, wir brauchen uns deswegen um eine Lösung der Schwierigkeiten nicht erst zu bemühen! Der Ex.-Rat ist ein förderalistisches Organ, das uns nicht interessiert, weil wir zentralistisch sind. Wir sind gegen den Ex.-Rat, das hat mit unseren Freunden im Ex.-Rat nichts zu tun. Wir haben die schlechte Organisation der Bizone nicht zu verantworten, das mögen die Militärregierungen tun! Wir müssen nötigenfalls zur Kölner Resolution 57 zurück und alle Ämter niederlegen usw. usw. Hansen und ich, wir

T a g e b u c h 1947

43

verließen die Sitzung gleichzeitig und verständigten uns auf dem Rückwege, daß es keinen Sinn habe gegen eine Menge aufzutreten, die noch völlig im Fahrwasser des Totalitätssystems segele; man müsse stur den Rechtsstandpunkt wahren. Dr. Seelos berichtete in der anschließenden Sitzung des Ex.-Rats von der gleichen, hoffnungslosen Lage bei der C D U . Man will keine rechtlichen Schranken, man will keine Toleranz, man will das letzte Wort haben, man will sofortigen Erfolg - oder was man darunter versteht. Etwas später kam Metzger nach, donnerte seine Aktentasche auf den Sitzungstisch und schimpfte: „Hat es denn einen Sinn, mit einer solchen Gesellschaft zu arbeiten. Ich gehe lieber nach Darmstadt und werde wieder Oberbürgermeister. Hier reibe ich mich auf." E r g ä n z u n g : H i e r h e r gehört ein Hinweis auf m e i n e ehrenamtliche Mitarbeit im Interesse des W i e d e r a u f b a u e s der Stadt D a r m s t a d t . Sie hat ihren G r u n d einmal in m e i n e r F r e u n d s c h a f t z u m O b e r b ü r g e r m e i s t e r Ludwig M e t z g e r , die durch die g e m e i n s a m e Arbeit im E x e k u t i v r a t b e g r ü n d e t u n d g e f ö r d e r t w u r d e u n d zum a n d e r e n in d e r W i e d e r b e g e g n u n g mit A r c h i t e k t Kurt J a h n , d e r aus der O s t z o n e mit seiner Familie geflohen war u n d eine e r s t e U n t e r k u n f t in H e p p e n h e i m g e f u n d e n hatte. Jahn suchte eine Betätigung, ihm lag ein A n g e b o t d e s aus d e m 3. Reich b e k a n n t e n Bürgermeisters a. D . Winkler vor, den B a u u n d die L e i t u n g einer g r o ß e n Flüchtlingssiedlung in Süddeutschland zu ü b e r n e h m e n . J a h n entschied sich schließlich für D a r m s t a d t , zumal der S t a d t k ä m m e r e r D r . Feick dies d r i n g e n d w ü n s c h t e u n d der O b e r b ü r g e r m e i s t e r mit den A r b e i t s b e d i n g u n g e n einverstand e n war. Es ging d a r u m , für D a r m s t a d t n e u e G e w e r b e b e t r i e b e mit insgesamt 10000 A r b e i t s p l ä t z e n zu g e w i n n e n , damit die Stadt, die zu d e n meist zerstörten S t ä d t e n D e u t s c h l a n d s r e c h n e t e , wieder ihre wirtschaftliche und kulturelle B e d e u t u n g zurückgew i n n e n k o n n t e , o b w o h l die L a n d e s h a u p t s t a d t inzwischen nach W i e s b a d e n verlegt war. D e r W i e d e r a u f b a u u n t e r der G e s c h ä f t s f ü h r u n g von Jahn und Feick vollzog sich a u ß e r h a l b d e r Z u s t ä n d i g k e i t der städtischen K ö r p e r s c h a f t e n in der W i e d e r a u f b a u g e s e l l s c h a f t . Ein Kreis e h r e n a m t l i c h e r B e r a t e r traf sich zunächst wöchentlich einmal zur B e s p r e c h u n g aller P r o b l e m e und E n t s c h e i d u n g der o f f e n e n F r a g e n bei d e r Industrieansiedlung in d e r V o l k s k ü c h e in d e r Eschollbrückerstraße. E s hatte seinen guten Sinn dorthin zu g e h e n , weil j e d e r der Beteiligten damit rechnen k o n n t e , wenigstens eine Tasse K a f f e e zu e r h a l t e n . A u c h H e l m u t Lentze g e h ö r t e zu d e m B e r a t e r k r e i s . Von e n t s c h e i d e n d e r B e d e u t u n g war, d a ß sich D r . Hilpert auf A n t r a g entschloß, den großen Exerzierplatz an d e r Südseite d e r R h e i n s t r a ß e und a u ß e r d e m einen Millionenkredit zur V e r f ü g u n g zu stellen.

5. Oktober

1947

Ministerpräsident Christian Stock sprach heute in der Staatsoper zu den Parteijubilaren, ich bekam auch ein Diplom wegen 25jähriger Parteizugehörigkeit. D i e Art zu reden - pathetisch-rührselig, in Gemeinplätzen, in Superlativen - gefällt den kleinen Leuten; da der Vortrag bedächtig-überlegt erscheint - das Gesagte ist aufrichtig gemeint - macht er zunächst Eindruck - beim zweiten, spätestens beim dritten Male kennt der kritische Zuhörer den Stil und Inhalt und ist enttäuscht. Stock sprach von der „ganzen Menschheit" (mehrfach!), die der Sozialismus erlösen wolle. Was hätten allein 1000 Ortsgruppen in Hessen, geschweige wohl die Ortsgruppen in der ganzen Welt, an kulturellen Leistungen aufzuweisen. „Für Dezennien" hätte die Kulturarbeit der SPD die bürgerliche Kultur in den Schatten gestellt. Stock erinnerte an die „Kampfzeiten" und allenthalben sprach er vom Kampf um die Freiheit. Die Idee des Sozialismus

44

Tagebuch 1947

„siegte und überwand alles", weil sie unendlich größer ist als ihre Gegner. Solange Kulturwerke bestehen, gibt es die Idee des Sozialismus - von Plato bis Karl Marx. Die Nazis sind am wahren Sozialismus letzten Endes gescheitert, „die geheiligte sozialistische Idee ist die reine Wahrheit jetzt und immerdar". W a s uns in den Jahren der Naziherrschaft aufrecht erhalten hat, ist der „ D ä m o n der Sicherheit unseres herrlichen Ideals des Sozialismus". Auf! Sozialisten, schließt die Reihen . . .! 12. Oktober

1947

Es schien so, als wenn es Herrn Dr. Spiecker gelingen würde, die Differenzen zwischen d e m Wirtschaftsrat, dem Exekutivrat und den Direktoren zu überwinden; es war wohl eine falsche Hoffnung. Jetzt sind noch die Schwierigkeiten mit den Landesregierungen hinzugekommen. Jeder macht, was er eben will und was ihm eben nützt. Als Radio und Zeitungen meldeten, daß der bayerische Landwirtschaftsminister Baumgartner die Bauern öffentlich aufgefordert habe, die Kontrolleure in Frankfurt mit ihren Mistgabeln vom H o f e zu jagen, wenn sie nicht einen Ausweis mit dem Stempel der bayer. Landesprüfstelle hätten,'' 8 da stieg die Erregung wieder auf den H ö h e p u n k t . Eine sofortige Prüfung ergab, d a ß Minister Baumgartner eine Zusatzverordnung zu einem Koordinierungsbeschluß des bizonalen Verwaltungsamtes erlassen hatte, wonach alle Prüfungsbea m t e n seiner Kontrolle auf ihre Eignung unterworfen wären. D r . Spiecker wies auf die bevorstehende Pressekonferenz hin und erstrebte eine Stellungnahme des Exekutivrates. Dr. Seelos wollte den Fall eingehend prüfen, obwohl ein Schreiben Baumgartners an die Verwaltung f ü r Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und die beiden Verordnungen über die Kontrolle vorlagen 1 9 ; er wehrte sich heftig gegen diesen erneuten Angriff auf Bayern, das allein angegriffen und drangsaliert würde, und vertrat die Auffassung, daß Bayern alles erlaubt sei, was nicht ausdrücklich verboten wäre; so kam er zu dem Ergebnis, daß die Zusatzverordnung von Baumgartner durchaus mit Recht erlassen sei. Ich betonte erneut nachdrücklich den Rechtsstaatsgedanken und wies darauf hin, d a ß ein einstimmiger Koordinierungsbeschluß nicht durch ein Land allein eingeschränkt werden könnte. Der Exekutivrat beschloß, die Rechtslage zu prüfen. D a Dr. Spiecker sofort nach der Sitzung abreisen wollte, entwarf ich einen Brief an den bayer. Ministerpräsidenten in dieser Sache und sagte darin u. a.: „ D e r Exekutivrat neigt der Auffassung zu. daß . . . nicht berechtigt sei, einen Koordinierungsbeschluß zu ä n d e r n . " Dr. Spiecker unterschrieb nach kurzer Besprechung und reiste ab. Ich trug eine Kopie zum bayerischen Büro und war höchst erstaunt, als Dr. Seelos 3 Stunden später in einer Besprechung des Exekutivrats seine höchste Empörung über diesen Brief ausdrückte: der Exekutivrat hatte nicht beschlossen, an den bayer. Ministerpräsidenten zu schreiben; der Exekutivrat hätte keine Meinung geäußert; es wäre nicht wahr, d a ß der Exekutivrat zu der Meinung neigte, daß . . . Dr. Spiecker hätte schreiben müssen, daß er zu der genannten Meinung neige. Er würde einen

Tagebuch 1947

45

solchen Brief d a s n ä c h s t e Mal nicht h i n n e h m e n ; j e d e n f a l l s w ü r d e e r d a f ü r s o r g e n , d a ß d e r M i n i s t e r p r ä s i d e n t d e n Brief nicht b e a n t w o r t e n w ü r d e . Ich wies n u r d a r a u f hin, d a ß die P r ü f u n g d e r R e c h t s l a g e eine S t e l l u n g n a h m e

der

b a y e r i s c h e n L a n d e s r e g i e r u n g v o r a u s s e t z e , n a c h d e m g e r a d e D r . Seelos a m V o r t a g e g e f o r d e r t h ä t t e , d a ß nicht die o b e r s t e n L a n d e s b e h ö r d e n , s o n d e r n e b e n n u r die L a n d e s r e g i e r u n g e n von d e n b i z o n a l e n Stellen a n g e s p r o c h e n w ü r d e n . G e s t e r n m u ß t e d e r E x e k u t i v r a t im P l e n u m d e s W i r t s c h a f t s r a t e s e r n e u t P r o t e s t e r k l ä r u n g e n a b g e b e n , e i n m a l zu e i n e m G e s e t z ü b e r die Z e n t r a l l a s t e n v e r teilung bei E n e r g i e u n d d a n n zu d e m G e s e t z ü b e r d e n M i ß b r a u c h von K r a f t f a h r zeugen. 6 1 1 In b e i d e n Fällen w a r d e r E x e k u t i v r a t nach d e r V o r n a h m e w e s e n t l i c h e r Ä n d e r u n g e n im A u s s c h u ß nicht m e h r g e h ö r t w o r d e n ; die G e s e t z e w u r d e n n a c h M e i n u n g d e s E x e k u t i v r a t e s - wesentlich v e r s c h l e c h t e r t . W a h r s c h e i n l i c h wird es nicht a n d e r s g e h e n , als d a ß B I C O d e m R e c h t s g e d a n k e n d u r c h einen Machtspruch Geltung verschafft! E s ist g e r a d e z u lächerlich u n d zugleich t r a u r i g , welche F o r m e n t o t a l i t ä r e r V e r w a l t u n g u n d Politik sich i m m e r m e h r breit m a c h e n . In e i n e m P r o t o k o l l des W i r t s c h a f t s a u s s c h u s s e s v o m 1 . 1 0 . 1947 ist zu lesen: . . D e r P r ä s i d e n t " 6 1 erscheint in d e r Sitzung, läßt sich v o n d e m V o r s i t z e n d e n ü b e r d e n bisherigen A b l a u f der Sitzung u n t e r r i c h t e n u n d schlägt e i n e kurze U n t e r b r e c h u n g d e r Sitzung v o r . . . d e r P r ä s i d e n t schlägt vor - noch d e n D i r e k t o r d. V e r w a l t u n g zu h ö r e n . . . der P r ä s i d e n t f o r m u l i e r t die F r a g e wie folgt: D i e v o m P r ä s i d e n t e n v o r g e s c h l a g e n e P a u s e wird eingelegt. ( H i e r h a t m a n d i e E m p f i n d u n g , d a ß es u r s p r ü n g l i c h hieß: d i e von P r ä s i d e n t D r . K ö h l e r v o r g e s c h l a g e n e P a u s e wird eingelegt, da e s a b e r n u r e i n e n P r ä s i d e n t e n gibt, wie es a u c h n u r e i n e n F ü h r e r g a b , ist d e r N a m e [von w e m ? ] dann weggestrichen worden.) E r f r e u l i c h e s klingt von A m e r i k a h e r ü b e r . M r . A r m s t r o n g h a t an G e n e r a l Clay e i n e n o f f e n e n Brief g e s c h r i e b e n , d e r nichts an D e u t l i c h k e i t zu w ü n s c h e n übrig läßt. 6 2 D i e M i l i t ä r r e g i e r u n g wird als eine V e r s c h w e n d u n g v o n S t e u e r g e l d e r n z u m Z w e c k e d e s u n g e r e c h t f e r t i g t e n W o h l l e b e n s hingestellt, d e r M o r g e n t h a u plan als ein v e r h ä n g n i s v o l l e r I r r t u m , die D e m o n t a g e als ein g r o b e r politischer F e h l e r u n d V e r s t o ß gegen die H a a g e r K o n v e n t i o n usw. usw. In gleichem Sinne r ü h r t sich Victor G o l l a n c z , d e r allerdings n a c h Sigfrid Levy viel zu sagen h a t . S e h r u n t e r h a l t s a m war die i n t e r n e B e s p r e c h u n g d e s E x e k u t i v r a t s in M a r i e n h ö h e [im R h e i n g a u ] bei E r b a c h a m 9. X . , zu d e r a u c h R e i c h s m i n i s t e r a. D . K ö h l e r g e k o m m e n war. E r p r o s t e t e D r . Spiecker zu, d e n n er w ä r e d e r alte g e b l i e b e n - „wir v e r s t e h e n uns!" M a n war sich einig, d a ß d e r R e c h t s g e d a n k e u n b e i r r t im E x R a t v e r t r e t e n w e r d e n m u ß . 19. Oktober

1947

D r . S p i e c k e r gibt nach a u ß e n hin d e m E x e k u t i v r a t eine wesentlich g r ö ß e r e B e d e u t u n g . Als a l t e r Journalist u n d M i n i s t e r i a l b e a m t e r k e n n t er die M e t h o d e d e s w i r k s a m e n E i n s a t z e s , die p a r l a m e n t a r i s c h e n F o r m e n sind ihm g e l ä u f i g , die politische P l a t t f o r m an z e n t r a l e r Stelle k o m m t ihm f ü r seine Z e n t r u m s p a r t e i ä u ß e r s t g e l e g e n , d e r „ A u s s c h l a g - g e b e n d e n " Stellung zwischen S P D u n d C D U

46

Tagebuch 1947

ist er sich vollauf bewußt. E r ist hilfsbereit und sehr geschäftig und fleißig, er sucht Verständigung und Ausgleich, er denkt klar und politisch, er ist ein Mann der Regierung - anders als Metzger, der in seiner ungewöhnlich sauberen und puritanischen A r t steif und trocken und dadurch hart und unverbindlich wirkt. Freilich ist Spiecker undurchsichtig - Metzger ist kristallklar - und hintergründig; „er ist eine [unleserlich] nach Dr. Lukaschek, der in diesen Tagen nach neunmonatlichen Bemühungen mit der C D U durch den Justizminister August Zinn zum Amtsgerichtsrat in Bad Königstein gemacht wurde, so d a ß er seinem Lehrauftrag in Frankfurt und der Arbeit bei dem Friedensbüro in Stuttgart nachgehen kann. Ich habe Dr. Lukaschek gesagt, daß H e r r Dr. Hilpert gewiß bemüht war, die Anstellung zu verhindern. A m Donnerstag wurde dem Exekutivrat und den Vertretern des Wirtschaftsrates der Demontage-Plan überreicht. 6 3 Kurz danach fuhren die Mitglieder des Exekutivrates zu einer internen Sitzung nach dem Gästehaus der Stadt Frankfurt in Schönberg. D a kam die Nachricht, d a ß Ministerpräsident Hinrich Kopf nach Rücksprache mit den Kollegen der britischen Z o n e die Einladung der Ministerpräsidenten, Wirtschaftsminister und Arbeitsminister beider Zonen durch den Exekutivrat vorschlägt. 64 Freudig fingen Dr. Spiecker und die Mitglieder des Exekutivrates diesen Ball auf, bereits eine Stunde später gingen die Einladungstelegramme hinaus. D a am Dienstag 15 U h r der Exkutivrat mit d e m Wirtschaftsrat gemeinsam tagen sollte, war in Aussicht genommen, den Hauptausschuß des Wirtschaftsrates dann zur Teilnahme aufzufordern. Dr. Erich Köhler war nicht anwesend, mit seiner Enttäuschung wurde gerechnet. Da kam Freitag gegen 5 Uhr ein Anruf von Kopf aus Hannover, warum der Wirtschaftsrat nicht eingeladen würde. - Inzwischen hatte das Radio das auch schon gebührend festgestellt. Wer Herrn Kopf daraufhingewiesen hatte, ist mir nicht bekannt. Ich erwiderte, daß nach der Mitteilung von Staatssekretär Sachse die Ministerpräsidenten zusammen k o m m e n wollten, wozu der Exekutivrat einladen solle; vom Wirtschaftsrat wäre keine R e d e gewesen . . . Wir einigten uns schließlich auf die Einladung des Hauptausschusses. Dr. Köhler kann nun dabei sein, kann ruhiger schlafen - aber daran kann er nicht vorbei, d a ß Dr. Spiecker ihn überspielt hat. Es wird interessant, die nächsten Wochen aufmerksam zu verfolgen, wie sich das Verhältnis Exekutivrat - Wirtschaftsrat gestaltet. Hoffentlich kommt aus der großen Konferenz mehr heraus als eine Protestdeklamation. 25. Oktober

1947

Das Ereignis der Woche war die Konferenz der Ministerpräsidenten in Wiesbaden. 6 5 Alle waren erschienen außer d e m Senatspräsidenten Kaisen aus Bremen, der sich durch den sehr famosen Senator Hansen vertreten ließ, ein grundgescheiter Mann mit dem sarkastischen Humor der Hanseaten. Er sagte mir u. a.: „Was können Sie von diesen Leuten schon erwarten, z. B. von L ü d e m a n n ? Dieser eitle Mann paßt auf ein Fußballfeld! O d e r von Köhler, der immer nur sich selbst sieht?" In der Tat, es war z. T. erschütternd zu

Tagebuch 1947

47

erleben, wie die Herren Deutschlands diesmal an die Arbeit gingen. Dr. Erich Köhler, „der Präsident", wie er sich an seiner Bürotür nennt, war höchst beleidigt gewesen, daß der Exekutivrat zu der Konferenz eingeladen hatte. In einer gemeinsamen Sitzung v. ExRat und Hauptausschuß des Wirtschaftsrats kam das deutlich zum Ausdruck. Eine ganze und eine halbe Stunde ist darüber diskutiert worden, wie die Einladung zustande gekommen war; immer wieder brachten Dr. Köhler und Kaufmann (jetzt Bürgermeister von Ettlingen, einstens Methodistenprediger) offene und versteckt-mißtrauische Anfragen, bis endlich ein Telefongespräch mit Wiesbaden geklärt hatte, daß der Herr Präsident und der Hauptausschuß auch zu dem abendlichen Zusammensein in der Staatskanzlei geladen waren. Als endlich Dr. Spiecker seine praktischen Vorschläge zu dem Demontageplan vortrug und über seine bisherigen Verhandlungen mit dem Zweimächte-Kontrollamt berichtete, hörte Dr. Köhler nicht mehr zu und drängte zum Schluß der Sitzung. Den Vorsitz auf der Konferenz sollte nach Auffassung des ExRats Ministerpräsident Arnold führen als gewandter Politiker und als Chef des am meisten von der Demontage betroffenen Landes. Man bestimmte jedoch nach hergebrachter Gewohnheit Christian Stock als Min. Präsidenten des gastgebenden Landes. Dieser ließ sofort die Presse zu den Konferenzverhandlungen zu und machte damit eine Aussprache unmöglich. Wer sollte sich schon im Beisein von ca. 50 Pressevertretern zu Wort melden, nachdem alles auf öffentliche Wirkung und repräsentative Darstellung ausgerichtet war. So kam es, daß Bürgermeister Brauer von Hamburg sein politisches Referat zu Papier brachte, bevor er das Wort nahm, damit er allen Presseentstellungen vorbeugen konnte; er hatte auch in den USA einen Namen zu verlieren. Seine klaren, markanten, von großer Einsicht und starkem Verantwortungsgefühl getragenen Ausführungen machten auf alle Teilnehmer einen tiefen Eindruck. Er erntete starken Beifall. Dr. Semler berichtete über die Demontage vom wirtschaftlichen Standpunkte; er sprach klar, aber nicht wohl gegliedert und nicht richtungweisend. Die Kraft und das Ethos von Brauer fehlten. Der Applaus für ihn war gering. Im übrigen gingen die Verhandlungen in dem kleinen Kreise der Ministerpräsidenten vor sich, die Herrn Dr. Köhler deutlich erklärten, daß er vielleicht auf einer höheren Ebene, jedenfalls aber nicht auf dieser hier zuständig sei, und daß daher seine Mitwirkung nicht erforderlich erschiene. So zogen denn die Mitglieder des Wirtschaftsrates nach dem Essen sang- und klanglos ab. Auffällig war, daß die bayerischen Vertreter, unter ihnen Ministerpräsident Ehard, der einen gediegenen Eindruck macht, als eine geschlossene Gruppe auch in den Pausen zusammensaßen. Unter ihnen befand sich der Staatsminister Pfeiffer, der wohl der spiritus rector der bayer. Staatsregierung ist, und der Staatsminister Josef Müller, der Vorsitzende der CSU, genannt Ochsensepp; der letztgenannte macht einen brutalen, beinahe sturen Eindruck und erinnert im Äußeren an die Simplicissimus-Typen für die urbayrischen Bierbankpolitiker. Es ist mir jetzt vollkommen klar, daß sich Dr. Seelos unter diesen Ministern nicht frei bewegen kann, wenn er nicht sofort kalt gestellt sein will.

48

Tagebuch 1947

Die Vertreter von Württemberg-Baden treten mit Worten gar nicht in Erscheinung. Hannover war durch Kopf vertreten, der wuchtig und achtungerheischend wirkt, wenn auch keineswegs so viel dahinter steckt, wie man auf den ersten Blick vemuten möchte. Dasselbe gilt von Lüdemann (Schleswig-Holstein) und Stock (Hessen). Die sozialdemokratischen Vertreter hatte ich schon am Vortage in einer internen Besprechung erlebt. Es ging darum, ob die SPD noch schnell vor der Konferenz ihre Stellungnahme veröffentlichen sollte. Den Entwurf dazu hatten die SPD-Wirtschaftsminister am Vortage in stundenlangen Verhandlungen gemacht. Genosse Ollenhauer vom Parteivorstand sprach sich gegen eine solche Erklärung aus; die Angelegenheit wäre nicht so eilig, als daß nicht die nächste Sitzung des Parteivorstandes abgewartet werden könnte. Sehr nachdrücklich betonte Genosse Kübel den „Führungsanspruch" der SPD; sie dürfe sich weder von der C D U noch von den Ministerpräsidenten ins Schlepptau nehmen lassen. Die Funktionäre warteten auf eine Richtschnur - die Nazis hätten das „Ausrichtung" genannt - durch die maßgebende Parteiinstanz. Nachdem der Entwurf der Resolution verlesen war, meldete ich mich zu Wort und erklärte, daß die Resolution unvollständig wäre. M. E. müßte jede Stellungnahme zum Demontageplan von dem Statement ausgehen, weil dies die Begründung auf wirtschaftspolitische Art enthielte. Daher vermißte ich eine Bezugnahme auf Ziffer 14 des Statements wegen der Erfassung der laufenden Produktion, die Forderung nach einer Verlängerung der Fristen und den Hinweis auf den Abschluß der Reparationen für die Bizone. Nach längerem Hin und Her erschien Genosse Brauer-Hamburg und sprach heftig gegen alle leeren Demonstrationen. Als ich nach Mitternacht ging, war diese Besprechung noch nicht zu Ende; eine Erklärung wurde nicht abgegeben. Es kann nicht verwundern, daß die Konferenz der Min.Präsidenten keinen befriedigenden Verlauf nahm und zu keinem Erfolge führte, nicht einmal zu einer Verständigung der Länder über eine gemeinsame Behandlung der Demontagefrage gegenüber den Siegermächten. Der Teilnehmerkreis war durch die Hinzuziehung der Arbeitsminister und Wirtschaftsminister viel zu weit gezogen worden, so daß eine Diskussion kaum denkbar war, tatsächlich auch nicht zustande kam. Min.Präs. Stock hatte von den zu behandelnden Fragen keine Ahnung; er konnte daher als Leiter der Konferenz auch kein bestimmtes Ziel ansteuern. Dazu kam, daß der größere Teil der Konferenzteilnehmersich um die rechtliche Seite der Demontagen und um die Begleitschreiben der Militärregierungen gar nicht bekümmert hatte. Min.Präsident Kopf erklärte offen, daß ihm das Statement erst durch die Auslage auf dem Konferenztisch vor Augen gekommen wäre. So unvorbereitet sollte man weder verhandeln noch gar außenpolitische Erklärungen abgeben. Die Hinzuziehung der Presse zu Beginn der Konferenz gab dem ganzen Unternehmen einen falschen Drall: man war nach den Reden von Brauer und Semler nur noch besorgt, ein Schlußkommunique zustande zu bringen; dazu brauchte man 5 - 6 Stunden Zeit.

Tagebuch 1947

49

Wenn der Vorstand die politische Rede von Brauer als maßgebliche Äußerung entgegennimmt, wenn dann diese Stellungnahme die sonstigen Äußerungen überschattet und alle Teilnehmer die Lehre heimgebracht haben, daß erfolgreiche Arbeit in schwierigen und wichtigen Angelegenheiten nur in kleinem Kreise geleistet werden kann, dann wäre auch dieses Unternehmen nicht vergeblich gewesen. 12. November 1947 Gestern sprach Dr. Fritz Usinger im Haus der Jugend über französischdeutschen Geist. Ich war hingegangen, um den Mann einmal zu sehen und zu erleben, den Mann und Dichter, der mir durch sein Buch „Medusa" bestens in Erinnerung ist. Wie immer, so ging es auch diesmal. Ich hatte einen gemütlich aussehenden, etwas rundlichen, beweglichen, lebhaften älteren Mann erwartet - etwa so wie Karl Rauch oder auch Ministerialdirektor Viehweg - , und sah einen - Studienrat, einen gepflegten, leicht ergrauten Herrn mit gemessenen Bewegungen und Hornbrille. Er las seinen Vortrag ab - wohlformulierte Sätze, oft atemberaubend lang, stets inhaltgesättigt und pointiert. Der Aufbau des Vortrags war gut, französischer und deutscher Geist wurden jeweils als Gegensätzlichkeiten behandelt, wobei alle Unterschiedlichkeit von Usinger zurückgeführt wurde auf die Grundrichtung: Frankreichs Literatur strebt zum Geist, der von der Natur getrennt ist, wie bei dem Katholizismus; deutsche Literatur strebt zur Natur, die den Geist umschließt (protestantische Dichter). Der Franzose hat seine Lebensformel, schafft sich seine Endlichkeit, die er erfüllen kann; er genießt das irdische Dasein. Der Deutsche schafft sich eine Unendlichkeit, die nur ein Gott erfüllen kann; er ist unstet und niemals befriedigt. Usinger wies hier auf den Goetheschen Faust, der durch die Natur hindurchstrebt, während der Faust Paul Valerys ein nihilistischer Faust der Analyse bis zur Selbstvernichtung ist. Freilich wahrt der Franzose bis zum Schluß das menschliche Maß, Geist herrscht auch bei der Findung des Nichts. Blaise Pascal, für den der religiöse Glaube eine Wette ist, kann nur eine Anleitung zum Glauben geben, weil ihm die Natur nichts von Gott zu sagen hat. Jakob Böhme umgekehrt erlebt Gott in der Welt, die der Geist mitumschließt; er glaubt, weil er glauben muß; Gott und Natur sind ihm nichts grundsätzlich Getrenntes. So erklärt Usinger, daß in der deutschen Dichtung die weißt Magie - göttliche - vorherrscht - besonders Faust genannt - , während in der französischen Literatur - wenn überhaupt - so nur die schwarze, satanische Magie zu Wort kommt (Baudelaire). Die französische Antike kommt von Rom her, der praktisch verwandelten und verwerteten griechischen Kultur. Die deutsche Antike bezieht sich unmittelbar auf Griechenland, sie ist eine theoretische Antike. Jeder neuartige Künstler in Frankreich begründet eine Schule - der deutsche Künstler bleibt allein; es fehlt die aufbauende Kritik in Deutschland, die den lebenden Künstlern dient. Park und Wald sind die Gegensätze in der Naturbehandlung; Ethos als aktive

50

Tagebuch 1947

menschliche Haltung und Bios als lethargische Resignation, die den Auftrag an die Natur zurückgibt, entsprechen auf geistigem Gebiet. Den Franzosen interessiert bei der künstlerischen Schöpfung methodologisch der Weg zu dem erreichten Ziel - der Deutsche forscht ontologisch nur nach dem Ergebnis. So konnte Usinger sagen: Die französische Literatur ist gesellschaftsbeherrschend für alle Schichten des Volkes, die deutsche dagegen nur für einen Teil der Gesellschaft die Türhüterin zum metaphysischen Bereich. 15. November 1947 Was mich am meisten bedrückt nach den politischen Erfahrungen des Amtes ist die intransigente Art des politischen Machtkampfes der CDU gegen die SPD. Es mag sein, daß die ironisierende Schärfe in Schumachers Reden, der zweifellos als deutscher Politiker die größte Aufmerksamkeit auf sich lenkt und das Ohr der Welt für sich hat, nicht ganz unschuldig an diesem Zustande ist; trotzdem kann sie allein das Verhalten der CDU nicht erklären. Da geht es versteckt immer wieder gegen Dr. Spiecker, der in seiner glatten und verbindlichen Art sich durchzusetzen versteht, den man jedoch gern beiseite gestellt wüßte. Jetzt stänkert (anders kann ich es nicht bezeichnen) der bayerische Landwirtschaftsminister Dr. Baumgartner gegen seinen Gesinnungsfreund Schlange-Schöningen wegen seiner sachlichen Maßnahmen der Ernährungspolitik und gegen seine Personalmaßnahmen. 6 6 Dann schimpft (völlig unberechtigt) Dr. Holzapfel gegen den Exekutivrat wegen der Behandlung der Vorlage eines Patentgesetzes. Niemand von diesen „Politikern" fragt nach dem Recht, jeder kennt nur sich und seine politischen Interessen. Dr. Schlange schreibt am 10. 11. an den Präsidenten des Wirtschaftsrates u . a . . . „Eine Erwiderung in der Presse (auf den Artikel von Dr. Baumgartner) lehne ich ab. Ich wünsche nicht, in dieser schwersten Zeit der deutschen Geschichte und im Hinblick auf den bevorstehenden Winter mit all seinen Gefahren für die Lebensmöglichkeiten unseres Volkes eine Mitschuld an dem wieder beginnenden Erbübel der deutschen Selbstzerfleischung zu übernehmen." 6 7 . . . Die entscheidende Frage: Soll angesichts der bevorstehenden schweren Notzeit ein einzelner Landesminister das Recht haben, die Rechte der Staatsautorität durch Agitation in der Öffentlichkeit zu ruinieren, und so jede geordnete Bewirtschaftung unmöglich zu machen? Das steht jetzt unausweichlich zur Entscheidung . . . „Das und die Frage, ob denn der unselige Klassenkampf zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, zwischen Kapital und Proletariat, zwischen Rechts und Links, zwischen Reaktion und Sozialismus wieder beginnen und alles lähmen und ruinieren muß. Denn das steht auch hinter dem Angriff Baumgartners gegen Schlange, der zum Ziele hat, den Sozialdemokraten Podeyn als Stellvertreter von Schlange zu beseitigen. Man (Dr. Seelos) nennt es das sachliche Bedürfnis, einen süddeutschen Agrarpolitiker zur Mitarbeit kommen zu lassen neben oder unter dem Norddeutschen Schlange - es

Tagebuch 1947

51

ist aber der Kampf der Reaktion gegen die sachlich bedingten M a ß n a h m e n einer verantwortlichen Geschäftsführung in der Zentrale, die gar nicht anders als eine planwirtschaftliche Leitung sein kann. Planwirtschaft ist heute ebenso verpönt in den Kreisen der Reaktion, wie es der Marxismus bei den Nazis war. Die Reaktion marschiert . . . " 22. November

1947

Ricarda Huch ist gestorben. Ich erfuhr es, als ich im Gästehaus der Stadt Frankfurt in Schönberg anrief, wann ich sie wohl einmal besuchen könnte, nachdem ich in der Zeitung von ihrem Aufenthalt erfahren hatte. Sie war am Vortage an einer Lungenentzündung gestorben, die einen Schlaganfall auslöste. Auf dem Wege von Berlin nach Frankfurt hatte sie sich eine Erkältung zugezogen, die sie nicht mehr überstand. So ist eine wahrhaft große Frau und D a m e schneller aus d e m Leben geschieden, als sie es selbst angenommen hatte und als dem deutschen Volke gelegen war; sie hätte noch einiges zu sagen gehabt. Die erste Woche nach meinem Urlaub brachte mir bittere Erfahrung. Die Selbstzerfleischung der deutschen Politiker hat neue Blüten gezeitigt. D e r scharfe Kampf gegen den Exekutivrat geht weiter und hat einen Gipfelpunkt erreicht, indem H e r r Präsident Köhler einen Brief des Exekutivrates mit Zustimmung des Hauptausschusses entgegenzunehmen ablehnte. 6 8 D e r Exekutivrat hatte beschlossen, einige Beschlüsse des Wirtschaftsrats als nicht mehr zur Legislative gehörig zu bezeichnen, und diesen Beschluß dem Präsidenten des Wirtschaftsrats zur Kenntnis gegeben. Es ist in einer Demokratie ein ungewöhnlich starkes Stück, daß eine Instanz die Ansicht einer gleichgeordneten Instanz nicht zur Kenntnis nehmen will. Man kann dieses Verhalten als durchaus faschistisch bezeichnen, wenn sich nicht dagegen einwenden ließe, daß die H e r r e n des Wirtschaftsrats wirklich nicht wissen, was sie tun. Auf den G e d a n ken, die Rechtslage zu prüfen, ist offenbar niemand gekommen. Toleranz ist u n b e k a n n t , und von der moralischen Seite dieses Verhaltens ist wohl besser zu schweigen. Ein H e r r der Militärregierung meinte, es würde wohl an der nötigen Kinderstube fehlen. D e r bayerische Trubel des Landwirtschaftsministers B a u m gartner ist beigelegt. D r . Schlange und Min.Direktor Podeyn fuhren nach München. Man hat sich ausgesprochen und - nach Zeitungsnachrichten versöhnt. 6 9 Kriedemann prangerte diesen Fall in der gestrigen Vollsitzung des Wirtschaftsrates gehörig an, indem er hervorhob, daß Podeyn zunächst als „übler Nazidiktator" verschrien und dann als „Freund" gelobt wurde. 7 0 Huizinga würde das Verhalten von Baumgartner - nach seinem Schatten von Morgen - gewiß als Lausbüberei bezeichnen. Schlange-Schöningen hielt gestern eine etwa einstündige R e d e über die Mißstände in der Ernährungswirtschaft im Wirtschaftsrat und hat dabei in treffender und schonungsloser Weise zum Ausdruck gebracht, daß wir einer völligen Katastrophe entgegengingen, wenn sich die Länderregierungen nicht auf ihre Pflichten im Sinne des Ganzen, das ist vorläufig die Bizone, besännen

52

Tagebuch 1947

und entsprechend handelten. 71 Kriedemann hielt dazu ergänzend eine flotte Rede und drohte mit schärfster Opposition, wenn die Abgeordneten des Wirtschaftsrates nicht klar und nachdrücklich für die Durchführung der Beschlüsse des Wirtschaftsrates in ihren Ländern eintreten würden. 7 2 Ich glaube nicht, daß die Drohung irgend einen Eindruck auf die „Regierungspartei" gemacht hat; sie wird wohl mit Recht annehmen, daß die SPD Obstruktion zu treiben nicht wagen dürfte. Nach meiner Überzeugung rächt sich der falsche Beschluß des Parteivorstandes, in die Opposition zu gehen, immer mehr. Der Mann im Volke versteht diese Haltung nicht. Ein Gewinn für die nächste Wahl erscheint höchst zweifelhaft, da die meisten Wähler - schon wegen der mangelhaften Presseunterrichtung - gar nicht wissen, was denn der Wirtschaftsrat überhaupt ist und bedeutet. Es mag sein, daß die C D U bei dieser Gelegenheit sich selbst den Beweis liefert, wie schwer es ist, eine Besserung herbeizuführen. Vielleicht steigt sie etwas von ihrem hohen Roß herunter. Das Regieren ist heute noch relativ einfach, weil es mangels Papier zu wenig Zeitungskritik gibt. Die Leitung der Opposition ist schlecht, weil mutlos und matt. So kann man allerdings weiterwurschteln. Die Deutschen sind immer noch sehr brav und behördenfromm; wahrscheinlich hat der Naziterror diese Eigenschaften noch erheblich schärfer herausgebildet. Wenn ein Minister betrunken zu einer Veranstaltung erscheint, dann flüstern sich das einige Leute zu und zwinkern, die meisten tun so, als merkten sie es nicht. Die Tatsache, daß ein Direktor wegen § 175 vorbestraft ist, wird nur mit Angst kolportiert - als wenn die Gestapo noch heimtückisch dahinter wäre. Was mögen sich wohl die braven deutschen Politiker gedacht haben, als sie in diesen Tagen lasen, daß der englische Finanzminister Dalton zurücktreten mußte, weil er wegen des Etats eine Indiskretion begangen hatte? 73 Nathusius meinte neulich in seiner bissigen Art: den Leuten - er meinte CDU-Politiker fehle einfach das moralische Fundament zu demokratischer Politik. Er hat recht. 30. November

1947

„Des Teufels General" in Anwesenheit des Dichters Carl Zuckmayer wurde am Dienstag unter der Regie von Heinz Hilpert erstmalig in Frankfurt aufgeführt. Es war ein großer Abend in dem Börsensaal, der als Theaterraum dient. Das Stück ist bühnenwirksam und aufregend. Mich haben die Auseinandersetzungen zwischen General Harras und dem Nationalsozialismus, aber auch seine Haltung zu den Kameraden und zu Korrianke, seinem Burschen, tief erschüttert. Ein Prachtkerl, dieser Harras - ein Pflichtenmensch - ein gerader Charakter - ein Kamerad und Soldat; er wird das Opfer seiner Umwelt. Völlig klaren Blicks springt er ins Grab: er hat den Nationalsozialismus überwunden - denn er hat sich ihm nicht gebeugt. Daß er gemordet wird, daran ist er nicht unschuldig, denn er hat dem Teufel gedient. Die Tragödie ist ein Loblied auf den preußischen Offizier - wie „Der Prinz von Homburg" denn sie zeigt seine menschlich sympathische und überzeugende

Tagebuch 1947

53

Haltung aus dem Bewußtsein der Pflicht und der Kameradschaft. Sie zeigt aber auf die Grenze aller menschlichen Kraft des Einzelnen und die Verstrickung in das Schicksal der Gesellschaft; schuldig-unschuldig - so steht Harras da. Er verkörpert den sittlichen Gedanken - gegenüber dem Teufel; er erweckt Mitleid und Furcht zugleich. Er ist ein tragischer Held. Zuckmayer hat wieder eine deutsche Tragödie geschaffen: deutsch die Problemstellung, deutsch die Fabel, deutsch der Pflichtgedanke, das Verhältnis zum Tode, die gesellschaftlichen Formen, die historische Lage. Nein: die Problemstellung ist allgemein menschlich, das macht die Größe dieser Dichtung aus. Ganz famos die Figur des Burschen Korrianke. Solche Kerle muß es geben! Was wäre das Leben und die Arbeit eines verantwortlich hochgestellten Mannes, wenn es keine Korriankes männlichen und weiblichen Geschlechts gäbe! Dann die Hagen - Hitler - Gestalten! Schmidt-Lausitz! Dettlev! Siegbert von Mohrungen! Da liegt die Kehrseite des deutschen Nationalcharakters. Daß Hagen den Siegfried meuchlings ermordete, steht im deutschen Epos als wichtigstes Ereignis. Sie haben es alle gewußt, sie haben es nur nicht glauben wollen, als es soweit war. Die Geschichte eines jeden Volkes wird finster, wenn die Kehrseite des Volkscharakters zur Herrschaft kommt. Bei uns sind es die Hagen-Figuren. Zuckmayer hat es dramatisch gestaltet - wie er die Obrigkeitshörigkeit im Hauptmann von Köpenik darstellte. War nicht die ganze Nazizeit eine große Köpenikiade? Überflüssig in des Teufels General ist die Liebesgeschichte mit „Pfützchen" vielleicht eine Konzession an den amerikanischen Geschmack, nicht ganz passend ist die Trinkfreudigkeit von Harras, wohl eine Konzession an die Person von Udet. Die Aufführung war gut. Martin Held als General Harras erinnerte mich etwas an Dr. Paul Meyer, er war mir daher besonders eindrucksvoll. Am Mittwoch war der Exekutivrat in München bei der bayerischen Staatsregierung. 74 Die Besprechung im Staatsministerium dauerte etwa 3 'A. Stunden; sie war aufschlußreich und verlief harmonisch. Herr Ehard wußte elegant an etwaigen Klippen vorbeizusteuern. Herr Baumgartner wirkte gemütlicher als in der großen Öffentlichkeit. Alle waren davon überzeugt, daß sie sehr im Recht sind, und sahen gar nicht die großen Zusammenhänge, insbesondere im Hinblick auf die Militärregierung. Ich hatte von allen Ministern den Eindruck, daß sie ganz gewiß befähigt sind, den zu stellenden Mindestansprüchen an Kenntnissen und Erfahrungen gerecht zu werden - wobei mich der Vergleich mit Hessen bewegte. Immer jedoch bleibt ein Rest von Zweifeln übrig, ob es je möglich sein könnte, mit bayerischer Mentalität die gesamtdeutschen Verhältnisse zu meistern. - Herrlich waren die Bilder in der Pinakothek.

14. Dezember

1947

Das dicke (oder auch teure) Ende der Londoner Konferenz 7 '' wirft seine Schatten voraus. Clay und Robertson haben eine Konferenz mit den Minister-

54

Tagebuch 1947

Präsidenten angekündigt. Man vermutet, daß Fragen der Organisation der Bizone oder Trizone besprochen werden sollen. 76 Vielleicht. Es kann aber auch sein, daß die Länder an ihre Pflichten erinnert und zur Ordnung gerufen werden sollen. Der Rücktritt des Landwirtschaftsministers Arp in Kiel und des Landwirtschaftsministers Baumgartner in München zeigt es an. 77 Jedenfalls hat sich der Exekutivrat unabhängig davon über den Gedanken wegen einer Änderung der Wirtschaftsverwaltung in der Bizone geeinigt. Das aide-mémoire wird am Sonntag von Dr. Spiecker überreicht werden. 7 8 Es war ein ernstes Bemühen, politische Konsequenzen zu vermeiden und doch einen Schritt weiter zu kommen. Wenn der Exekutivrat das vorgeschlagene Vetorecht gegen Beschlüsse des Wirtschaftsrats erhält, würde er sehr an Bedeutung gewinnen und das Chaos jedenfalls auf dem Gebiete der Gesetzgebung etwas steuern können. Wahrscheinlich würden die Herren Direktoren dann aber auch das Aufsichtsrecht des Exekutivrats ernster nehmen. Daneben hat der Exekutivrat einen weiteren wichtigen Schritt getan, er hat die Personalpolitik in seine Hände genommen auf Grund des Vorläufigen Abkommens über die Personalvertretung vom 7.7. 1947.79 Er hat sich selbst zur Anstellungsbehörde für die leitenden Beamten aller Verwaltungen gemacht und sich die Zustimmung zu den Abweichungen von den Musterverträgen vorbehalten. Es bleibt abzuwarten, wie der Wirtschaftsrat und die Direktoren darauf reagieren werden und inwieweit Bipartite Control Office zu seiner Meinung stehen wird, die in dem Gesetz ihren Niederschlag gefunden hat. Zur 9. Plenarversammlung des Wirtschaftsrats 8 " ist die Gesetzgebungsmaschinerie wieder ächzend und kreischend in Bewegung gesetzt worden. Es kommen die Entwürfe der Verwaltungen (und zum Teil auch der Referenten) oft zugleich an mehreren Stellen zur Erörterung. Die Verwirrung wächst. Schließlich entscheiden Prestigefragen über Art und Güte der Gesetze. Die Sonderstelle „Geld und Kredit" bei der Verwaltung für Finanzen hat beantragt, daß bei ihr eine besondere Amtskasse eingerichtet wird, damit die Vertraulichkeit der Beratungen gewahrt bliebe. Der Exekutivrat hat diesen Antrag abgelehnt. 81 Es erinnert etwas an das Sonderfinanzamt in München für die hohen Nazifunktionäre. Die Russen kämpfen immer noch berechnend und mit ihren eigenen Begriffen auf der Konferenz in London. Ich glaube, die Außenminister der Westmächte warten nur noch auf die Gelegenheit, den Schluß der Konferenz zu erklären; sie sind innerlich fertig und um einen neuen, persönlich erlebten Beweis bereichert, daß hier eine Welt dazwischen liegt. Vielleicht wird Rußland später einmal verständnisbereit werden - ich befürchte beinahe, es wäre ihm schon recht, wenn die Zonengrenze zur Landesgrenze würde. Der Aufsatz über „Getty oder Die Umerziehung in der Retorte" von Alfred Andersch und „Zwangsarbeit" von Richard Schmid in den Frankfurter Heften (Nov. 1947) schildert die Sklaverei in Sowjetrußland 8 2 ; er hat mich um Einiges einsichtiger gemacht, habe ich doch die Hitler-Diktatur erlebt.

Tagebuch 1947

55

24. Dezember 1947 Die letzte Tagung des Wirtschaftsrates bewies, daß es so nicht weiter gehen kann. Der Wirtschaftsrat benimmt sich wie weiland Prokrustes: Am 18. 12. ist Plenarsitzung, dann müssen mehrere Vorlagen beschlossen werden. Also: Her mit den Vorlagen! Fertig sein mit den Gesetzentwürfen! In 8 Tagen jagen die Ausschüsse durch, was ihnen vor die Nase kommt. Wenn der Exekutivrat keine Stellung genommen hat, - dann ist es seine Schuld; wenn der Exekutivrat eine abweisende Stellung einnimmt, - dann wird er übergangen. Wenn der Exekutivrat in einem Gesetzentwurf irgendwelche Zuständigkeiten erhalten soll, dann wird er herausgestrichen. Der Wirtschaftsrat macht alles, kann alles, tut alles. Er kauft die amerikanischen Heeresbestände für 280 Millionen Dollar, ohne zu wissen, worum es sich handelt; er beschließt zu kaufen und den Vertrag selbst zu unterschreiben, ohne zu überlegen, ob er denn das auch von Rechtswegen kann, denn er ist doch ein Parlament. 83 So nimmt es nicht wunder, daß der CDUDirektor der Verwaltung für Wirtschaft Dr. Semler einen sarkastischen Brief an den Präsidenten Dr. Köhler schreibt, wonach er für den Erwerb von Katzen nicht zuständig sei, auch wenn sie 280 Millionen Dollar kosteten - das wäre Sache der Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten; ob das notwendige Futter aufzubringen wäre, möchte er bezweifeln. Die Säcke wären bewirtschaftet als Mangelware, doch wäre die Frage in diesem Falle zweifelhaft, weil es sich nur um einen Sack handelt, in dem die Katze gekauft wurde. Der Exekutivrat möge daher über die Zuständigkeit endgültig entscheiden. 84 Der Exekutivrat hatte gegen die Vorlage der I. DVO zum Bewirtschaftungsgesetz protestiert, weil er nicht ordnungsgemäß habe Stellung nehmen können und weil der Entwurf vier grobe Mängel enthalte. Der Wirtschaftsrat ging darüber hinweg. 85 Wo kann da noch von Verantwortungsbewußtsein gesprochen werden? Selbst die Fraktion der SPD, die angeblich in Opposition steht, stimmte dafür. Es wäre hier ihre Aufgabe gewesen, für sich den Protest des Exekutivrates auszuwerten. Aber das ist ja das Merkwürdige: Die SPD ist gegen den Exekutivrat, weil er föderalistisch wäre, die CDU ist gegen den Exekutivrat, weil er sozialdemokratisch orientiert ist. Wenn es nun gelingen sollte, ein Vetorecht für den Exekutivrat bei der Militärregierung zu erreichen - so könnte das Gegenteil von dem erreicht werden, was man wünscht, nämlich eine völlige Ausschaltung der Länderstimmen, indem der Wirtschaftsrat mit 2A Mehrheit den Einspruch des Exekutivrates prompt überwindet. Am 7. Januar findet eine Konferenz der Ministerpräsidenten und der Militärgouverneure statt, auf Einladung der Generäle Clay und Robertson. Bei dieser Gelegenheit werden auch Abänderungsvorschläge zu der Organisation der Bizone behandelt werden. 86 Es bleibt abzuwarten, zu welchem Provisorium man sich entscheiden wird - denn ein Provisorium wird es bleiben und die SPD wird ihre Oppositionsstellung beibehalten. Die Belegschaft des Exekutivrates und der Landesvertretungen hatten ein sehr gelungenes Weihnachtsfest mit reichlichem Essen und Trinken, Gesehen-

56

Tagebuch 1947

ken und Tanz. Es war gemütlich und stimmungsvoll. Ich erzählte die Jenaer Geschichte: „Würstchen kommt". Das Kollegium des Exekutivrats hatte eine Weihnachtsfeier im Gästehaus Schönberg. Alle waren zufrieden. Der persönliche Zusammenhalt des Kollegiums ist erneut vertieft worden. Freilich bleibt bei den meisten das Bedenken bestehen, ob denn Seelos dem Amt des Vorsitzenden (ab 1. Januar 48) gewachsen sein wird. 87 Das Weihnachtsfest im Hause Troeger ist diesmal üppig ausgefallen - mit Ausnahme des Essens. Pakete aus Amerika von einer uns unbekannten Spenderin und aus der Schweiz haben viel Nützliches und Eßbares gebracht. Herr Hill war eifrig unterwegs, mancherlei zu beschaffen. Else war viel gelaufen, einiges konnte ich besorgen. Mir ist manchmal ganz schwindlig geworden, wo das Geld herkommen soll. Die Kosten des Umzugs, der Wohnungsherrichtung, der Krankheit usw. lasten auf dem Portemonnaie. Ich muß jetzt die Kasse wieder selbst in die Hand nehmen. Herr Dr. Dörr, Verwaltungsdirektor des Wirtschaftsrats, hat sich bei dem Suchen nach einem Bleistift den Erbsknochen gebrochen. Das wurde Herrn Präsidenten Dr. Köhler berichtet; darauf erklärte er in Gegenwart von Dr. Oppler: „Schrecklich, daß ich das jetzt erfahren muß, da ich doch morgen im Rundfunk spreche. Es wird mich der Gedanke stören, daß der Präsident einen Erbsknochen hat." 31. Dezember 1947 Das Jahr 1947 läuft aus mit dem großen politischen Fragezeichen, was sich politisch in Deutschland im Jahre 1948 ereignen soll? Man ist sich darüber einig, daß die Bizone versagt hat. Ist das eigentlich richtig? Ja und nein!! Gewiß ist die Konstruktion falsch, weil sie wirtschaftlich gemeint war und politisch ausgenutzt wurde und dadurch die Uneinigkeit der Deutschen gleich in volle Tätigkeit setzte. - Mußte es so kommen, mußte es so schlimm werden? Nein, und abermals nein!! Wenn die Beteiligten bessere Demokraten wären, wenn Toleranz und Rechtsstaatsidee wirksam wären, dann hätte die Organisation genügen und wirksam sein müssen. Ferner wäre es nicht halb so übel geworden, wenn die Verwaltungen besser geleitet und besser gearbeitet hätten. Jede noch so geartete Änderung wird unbefriedigend bleiben, weil diese Grundübel nur sehr langsam beseitigt werden können. Es wird Jahre dauern, bis die Verwaltung intakt sein wird. Zwei Wahlen werden vorübergehen müssen, bis die Demokratie nach dem Prinzip der Bewährung sich im Wesentlichen ausgewirkt haben wird. Freilich wirken noch andere Faktoren hemmend und zersetzend: die Kluft Ostdeutschland-Westdeutschland, die Uneinigkeit der Engländer und Amerikaner untereinander (gestern wußte der englische Sekretär von BICO nicht, was die Amerikaner zur Vorbereitung einer Änderung der Bizone vorhaben und schon vorbereitet haben) und die Sucht der Besatzungsmächte, in die deutsche Verwaltung hineinzureden, wo es wirklich nicht nötig ist und ihren eigenen Versprechungen widerstreitet. Man behandelt uns, vornehmlich von amerikanischer Seite, wie ein Kolonialvolk. Die Briten sind umgänglicher und erfahrener;

Tagebuch 1947

57

die R u s s e n m a c h e n D i k t a t u r mit d e m o k r a t i s c h e m M ä n t e l c h e n ; ü b e r d i e F r a n z o sen k a n n ich nichts aus e i g e n e r E r f a h r u n g b e r i c h t e n . Ich f ü r c h t e , d a ß die A m e r i k a n e r u n d E n g l ä n d e r bei d e r U n e i n i g k e i t d e r D e u t s c h e n w i e d e r u m nach e i g e n e m G u t d ü n k e n v e r f a h r e n w e r d e n u n d d a ß d e s h a l b w i e d e r u m ein M o n s t r u m h e r a u s k o m m e n w i r d . D i e S t e l l u n g n a h m e d e r S P D , nichts zu t u n , u m die T e i l u n g D e u t s c h l a n d s nicht v e r w a n t w o r t e n zu m ü s s e n , v e r s t ä r k t die Stellung d e r S i e g e r m ä c h t e u n d m u ß sich f ü r d a s Volk nachteilig a u s w i r k e n . S c h u m a c h e r war hier g a r zu s e h r R o m a n t i k e r ; e r m a c h t prinzipielle Politik, w o es gilt, reale T a t s a c h e n zu s c h a f f e n ; inzwischen wird nicht n u r Z e i t v e r s ä u m t , s o n d e r n auch vieles v e r p a ß t u n d v e r b o c k t . E s ist so, als w e n n die L o h g e r b e r i h r e Felle selbst l o s b i n d e n u n d d a n n halb k l a g e n d , h a l b e r f r e u t z u s e h e n , wie sie d a v o n s c h w i m m e n . D e r Ü b e r g a n g d e s V o r s i t z e n d e n im E x e k u t i v r a t von D r . S p i e c k e r auf D r . Seelos wird a l l g e m e i n mit g r o ß e n B e d e n k e n e r w a r t e t . D e r E x e k u t i v r a t wird an A n s e h e n u n d E i n f l u ß v e r l i e r e n , die h a r m o n i s c h e Z u s a m m e n a r b e i t d e s Kolleg i u m s d ü r f t e v e r l o r e n g e h e n , w e n n es nicht g a r zu e i n e m K r a c h k o m m t . E i n e gewisse H o f f n u n g auf R e t t u n g b e s t e h t in d e r A b s i c h t des b a y e r i s c h e n Staatsmin i s t e r i u m , D r . Seelos d u r c h D r . Niklas zu e r s e t z e n . Inzwischen m e h r e n sich die Fälle o f f e n e r S a b o t a g e g e g e n ü b e r d e m E x e k u t i v rat. D r . S t r a u ß , d e r S t e l l v e r t r e t e r des D i r e k t o r s f ü r W i r t s c h a f t , k e n n t keine G r e n z e n f ü r sein intrigantes V e r h a l t e n ; o f f e n b e k ä m p f t e r die Personalpolitik des E x e k u t i v r a t s , er h a u s i e r t bei allen V e r w a l t u n g e n , d a ß die Richtlinien u n d Beschlüsse ungültig seien; er will D r . O p p l e r beseitigt wissen, er e n t l ä ß t nicht die N a z i b e a m t e n , a u c h w e n n die M i l i t ä r r e g i e r u n g dies a n o r d n e t , er gibt falsche M e l d u n g e n ü b e r die Z a h l d e r A b t e i l u n g s l e i t e r usw. E s f r a g t sich, wie lange die C D U hier m i t m a c h e n k a n n .

Tagebuch 1948

11. Januar 1948 Die vergangene Woche brachte die lange vorher angekündigte Konferenz der Generäle Clay und Robertson mit den Min. Präsidenten. 1 Ich war als Observer dabei und habe die Protokolle gemacht. In einem entsetzlich vollen Saal des Mil. Gouvernments waren mit knapper Not die Min. Präsidenten (ohne jeden Begleiter), 2 Herren des Wirtschaftsrats und 2 Herren des Exekutivrats untergebracht. Die Mitglieder des Hauptausschusses und die 6 Direktoren waren auch nur Observers. Hauptgegenstand der Verhandlungen war die Neuorganisation der Bizone. Es ist also klar, daß die franz. Besatzungszone zunächst nicht hinzutritt und daß eine westdeutsche Bundesrepublik vorläufig nicht errichtet wird. Offenbar wird an der Frage der Währungsreform die endgültige politische Entscheidung herbeigeführt werden; deshalb wird die Gründung einer Länderunionsbank vorbereitet. Hoffentlich zerbricht die deutsche Wirtschaft nicht, bevor die Währungsumstellung praktisch geworden ist. Die Herren Clay und Robertson machen einen durchaus militärischen Eindruck: selbstbewußt, mit zurückhaltender Verbindlichkeit, begrüßten sie nur die Militär-Gouverneure ihrer eigenen Länder. Ich stellte mir vor, daß sich der Vize-König von Indien in gleicher Weise verhalten würde. Am Abend des ersten Konferenztages war ein Dinner im Schloß Kronberg für insges. 40 Personen; dort soll es höchst feierlich bei Kerzenbeleuchtung zugegangen sein. Die Deutschen hatten nur eine formlose mündliche Einladung über den Exekutivrat erhalten, und zwar 2 Tage vor der Konferenz, so daß sie gar nicht die Möglichkeit gehabt hatten, einen Frack anzuziehen, selbst wenn sie ihn besäßen; so wurde Straßenanzug zugelassen und die Herren Adcock und MacReady erschienen in hellen Anzügen - ein feiner Zug. - Er muß versöhnend gewirkt haben, nachdem vorher an die deutschen Gäste die Aufforderung ergangen war, mit 2 Militäromnibussen von Frankfurt nach Schloß Kronberg zu fahren; dagegen war Dr. Ehard aufgebraust mit dem Erfolg, daß es später hieß, die Herren Ministerpräsidenten könnten auch mit ihren eigenen Wagen kommen und würden an der Einfahrt nicht gehindert werden. Der Vorschlag der Mil. Regierungen zur Änderung der bizonalen Organisation erschütterte die Herren des W-Rats sehr, weil die Exekutive zwar den Landesvertretern abgenommen, dafür aber unpolitischen Direktoren übertragen werden soll, so daß der W-Rat nicht mehr mit der pol. Verantwortung operieren und sein Präsident nicht die Rolle eines obersten Chefs der Bizone für sich in Anspruch nehmen kann. Die Sozialdemokraten, die sich bisher so sehr wohl gefühlt hatten in ihrer vermeintlichen Oppositionsstellung und die mit

Tagebuch 1948

59

frischen Richtlinien aus H a n n o v e r eben eingetroffen waren, kamen z . T . auf ihre Rechnung, indem es keinen Weststaat geben soll - wenigstens vorläufig nicht. Andererseits werden sie sich allerdings erneut mit der Frage ihrer pol. Verantwortung in der Verwaltung der Bizone beschäftigen müssen, denn alle Direktoren kommen zur Neuwahl. Die S P D müßte doch gewiß einen Vorschlag für den geplanten „Oberdirektor'" machen, sie könnte jetzt in die Verlegenheit kommen, daß ihr die C D U das Amt der Verwaltung für Wirtschaft überließe. Sie sollte sich überlegen, o b sie noch weiter der C D U die Besetzung der Beamtenstellen mit Reaktionären überlassen will; allenthalben tritt diese Entwicklung schon in der Öffentlichkeit zu Tage. Direktor Schuberth von der Postverwaltung ist sogar in der Neuen Zeitung angeprangert. 2 Bei Frohne ist es aber offenbar noch toller. Das Niveau der Verhandlungen war nicht sehr erschütternd. Die Min. Präsidenten kamen ganz unvorbereitet; alle die vielen Bemühungen des E-Rats waren also bei den Landesregierungen ins Leere gefallen. Sie haben keine Vorstellung von den praktischen Erfahrungen mit dem W-Rat in den letzten 6 Monaten. So konnte es geschehen, daß man sich darauf einließ, die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen W - R a t und Länderrat einer späteren Einigung unter den Deutschen vorzubehalten. Als ich versuchte, unter Hinweis auf die Weimarer Verfassung dagegen etwas einzuwenden, drehte mich Herr Dr. Ehard mit dem B e m e r k e n ab, d a ß es nicht an der Zeit sei, Verfassungsfragen zu erörtern. Seine Haltung war so, daß H e r r v. Elmenau in das Büro der bayer. Vertretung eilte und um Hilfe gegen die zentralistische Einstellung seines Ministerpräsidenten bat. D a n n erschienen die Herren Pfeiffer und Müller (Ochsensepp), setzten sich rechts und links von ihrem Min.Präsidenten und ließen ihn nicht mehr aus den Augen. So konnte D r . Seelos zur Presse sagen: der Föderalismus hätte seinen schwärzesten Tag erlebt. Glücklicherweise ist noch Zeit und Gelegenheit zum Verhandeln. D e r Ex.Rat wird den Versuch machen, sofort Einfluß zu gewinnen auf die Formulierung des Vorschlages, den die Mil. Regierungen den Min. Präsidenten zur Prüfung vorlegen wollen. 17. Januar 1948 „Wenn 3 Deutsche sich äußern sollen, dann kommt nichts heraus, weil sich bald 4 Meinungen gebildet h a b e n , mit denen niemand im Guten fertig wird". So etwa möchte ich die Erfahrungen der vergangenen Woche über die deutschen Politiker bei Erörterung wichtiger Fragen zusammenfassen, denn um solche handelte es sich, wenn auch nicht im Ergebnis, sondern nur im Stadium der Vorbereitung. D a war auf anglo-amerik. Vorschlag eine Kommission Wirtsch. Rat und Min.Präsidenten 3 wegen der bevorstehenden Verhandlungen über die neue Proklamation zu bilden. Der Ex.-Rat machte Vorschläge nach sachlichen Gesichtspunkten für 3 Ausschüsse, die möglichst klein gehalten werden sollten und wobei die Eignung für die zu behandelnden Fragen jeweils entscheidend war. Wer nun nicht berücksichtigt war, fühlte sich zurückgesetzt und prote-

60

Tagebuch 1948

s t i e r t e . A b e r a u c h persönliche A b n e i g u n g e n gegen d e n e i n e n o d e r a n d e r e n w u r d e n h e r v o r g e k e h r t . D e r A u s w e g ü b e r die B e s t e l l u n g v o n S a c h v e r s t ä n d i g e n f ü h r t e bei w a c h s e n d e r A n z a h l d e r V e r h a n d l u n g s t e i l n e h m e r n u r zu T e i l e r g e b n i s s e n . D e r A u s s c h u ß ü b e r die O r g a n i s a t i o n d e r B i z o n e k o n n t e n u r g e m e l d e t w e r d e n , i n d e m alle M i n i s t e r p r ä s i d e n t e n h e r e i n g e n o m m e n u n d alle E x - R a t s m i t g l i e d e r h e r a u s g e n o m m e n w u r d e n . D a s E r g e b n i s ist b l a m a b e l , weil es e b e n kein A u s s c h u ß m e h r ist, es ist u n b e f r i e d i g e n d , weil das K o m i t e e in d e r jetzigen v o l u m i n ö s e n F a s s u n g eigentlich k e i n e n S a c h v e r s t ä n d i g e n h a t . E s war grausig m i t z u e r l e b e n , wie sich bei d e n a n d a u e r n d l a u f e n d e n T e l e f o n g e s p r ä c h e n von 20 zu 20 M i n u t e n - m i t u n t e r noch ö f t e r - eine ständig w e c h s e l n d e Situation e r g a b , die n u r n o c h mit G e l ä c h t e r a u f g e n o m m e n w e r d e n k o n n t e . A m Schluß bleibt R e s i g n a t i o n ü b r i g , die B e s t e n wollen nicht m e h r m i t t u n , alle H o f f n u n g k o n z e n t r i e r t e sich bei i h n e n auf die Einsicht d e r B e s a t z u n g s m ä c h t e . M ö g e n sie die E n t s c h e i d u n g t r e f f e n , d e r sich d a n n die d e u t s c h e n R e c k e n - h o f f e n t l i c h - f ü g e n . D i e A u s s i c h t e n s c h e i n e n nicht ganz ungünstig, weil D r . H a n s S i m o n s ( f r ü h e r R e g . P r ä s i d e n t in Liegnitz) an m a ß g e b e n d e r Stelle bei O m g u s m i t w i r k t . E r k e n n t die D e u t s c h e n u n d ihre B e d ü r f n i s s e , ist u n a b h ä n g i g in s e i n e m U r t e i l u n d h a t d e n V o r s c h l a g d e s E x . - R a t s in H ä n d e n . Ich h a b e ihm h e u t e noch die v o r b e r e i t e n d e n U n t e r l a g e n z u k o m m e n lassen. In dieses Bild d e r V e r w i r r u n g p a ß t die mir gestern z u g e t r a g e n e Mitteilung, d a ß M i n . P r ä s i d e n t K o p f durch A u s s a g e von D r . Diehls ü b e r seine Stellung u n d T ä t i g k e i t bei d e r H a u p t t r e u h a n d s t e l l e Ost in K a t t o w i t z w e g e n seiner Mitwirk u n g bei d e r E n t e i g n u n g polnischen u n d j ü d i s c h e n E i g e n t u m s s t a r k belastet e r s c h e i n t . 4 D i e A m e r i k a n e r k ö n n e n ihm kein S p r u c h k a m m e r v e r f a h r e n a u f h ä n g e n , weil e r in d e r britischen Z o n e lebt u n d w e b t ; d i e E n g l ä n d e r w e r d e n eine N a c h p r ü f u n g wahrscheinlich nicht anstellen, so d a ß die B e f ü r c h t u n g b e s t e h t , d a ß m a n zu g e g e b e n e r Z e i t einen Schlag gegen Kopf in d e r Presse f ü h r t . D e r g u t e L u d w i g M e t z g e r ist ebenfalls g e f ä h r d e t , weil er in d e r Aussiedlungsstelle in L u x e m b u r g v e r a n t w o r t l i c h m i t g e a r b e i t e t hat u n d d e r F r e i h e i t s b e r a u b u n g u n d U n t e r s c h l a g u n g bezichtigt wird. D i e A m e r i k a n e r in N ü r n b e r g wollen z u m i n d e s t e r r e i c h e n , d a ß bei solcher B e l a s t u n g die B e t r o f f e n e n nicht an h o h e n Stellen im ö f f e n t l i c h e n L e b e n w i r k e n . Also auch hier V e r w i r r u n g . D i e E r n ä h r u n g s k a t a s t r o p h e 3 ist d a . E s gibt kein F e t t f ü r die 111. Zuteilungsp e r i o d e ; d a s A n g e b o t an Fleisch d e c k t h ö c h s t e n s d i e H ä l f t e . D i e K a r t o f f e l v e r s o r g u n g ist u n z u r e i c h e n d . Die B r o t r a t i o n e n m ü s s e n h e r a b g e s e t z t w e r d e n . N u n m e l d e t sich d e r K o m m u n i s m u s u n d sieht seinen W e i z e n b l ü h e n . In d e n Z e i t u n g e n wird ein G e h e i m d o k u m e n t d e r K o m m . P a r t e i w e g e n I n s z e n i e r u n g von Streiks im R u h r g e b i e t v e r ö f f e n t l i c h t . 6 Teilstreiks h a b e n schon s t a t t g e f u n d e n . 7 W a s t u n d i e D e u t s c h e n ? Sie sind uneins. N o r d r h e i n - W e s t f a l e n will w e g e n d e r R ü c k s t ä n d e an F e t t voll beliefert w e r d e n , e b e n s o H a m b u r g u n d B r e m e n . B a y e r n will sich erst e i n m a l selbst v e r s o r g e n , e b e n s o W ü r t t e m b e r g - B a d e n ; die a n d e r e n Ü b e r s c h u ß l ä n d e r (Schleswig-Holstein u n d N i e d e r s a c h s e n ) m ö c h t e n gleichfalls nicht g e r n a b g e b e n , sind a b e r k o m p r o m i ß b e r e i t . Die V e r w a l t u n g f ü r E r n ä h r u n g , L a n d w i r t s c h a f t u n d F o r s t e n m ö c h t e r e i n e n Tisch m a c h e n , die

Tagebuch 1948

61

R ü c k s t ä n d e a b g e l t e n u n d a m E n d e d e r 111. P e r i o d e o h n e u n e r f ü l l t e V e r p f l i c h t u n g e n d a s t e h e n . D i e M i l i t ä r r e g i e r u n g b e r ä t ; sie schiebt die Schuld d e r d e u t schen V e r w a l t u n g z u . die besser erfassen sollte; diese m a c h t n e u e K o n t r o l l e n u n d weist d a r a u f hin, d a ß sie die K a t a s t r o p h e seit M o n a t e n v o r a u s g e s a g t h a b e , weil die a n g l o - a m e r i k a n i s c h e B e w i r t s c h a f t u n g s f o r m falsch sei: m a n k ö n n e nicht alle V o r r ä t e in die l a u f e n d e Z u t e i l u n g h i n e i n s t e c k e n ; die o r d n u n g s g e m ä ß e B e w i r t s c h a f t u n g e r f o r d e r e , daß zu B e g i n n e i n e r P e r i o d e die M e n g e n v o r r ä t i g w ä r e n , d i e w ä h r e n d d e r P e r i o d e z u r A u s g a b e g e l a n g e n sollten. O f f e n b a r k ö n n e n die A m e r i k a n e r rein v e r w a l t u n g s m ä ß i g nicht ü b e r die Mittel d e s H a u s h a l t s 1947 h i n a u s , sie wollen es a u c h nicht; das Defizit in d e r R e c h n u n g , d a s auf ü b e r t r i e b e n e n E r n t e s c h ä t z u n g e n u n d A b l i e f e r u n g s m e n g e n d e r Militär-Dienststellen b e r u h t , w i r d nicht a n e r k a n n t , m a n s a g t , es h a n d e l e sich u m v e r s c h o b e n e M e n g e n , falsche Statistiken und d e n s c h l e c h t e n Willen d e r d e u t s c h e n V e r w a l t u n g u n d ü b e r l ä ß t die D e u t s c h e n d e r e i g e n e n K u n s t - o w e n n m a n das n u r t ä t e ! n e i n , m a n geizt gar nicht mit R a t s c h l ä g e n u n d A n w e i s u n g e n . D a b e i w e r d e ich i m m e r w i e d e r a n Christian M o r g e n s t e r n e r i n n e r t : Weil, so schließt er m e s s e r s c h a r f , nicht sein k a n n , w a s nicht sein darf! D a s ist e s , die a n g l o - a m e r i k . R e c h n u n g ü b e r die E r n ä h r u n g 1947/48, d i e sogar eine E r h ö h u n g d e r N o r m a l v e r b r a u c h e r r a t i o n auf 1700 Kai. wollte, ist tatsächlich falsch - a b e r schuld d a r a n m ü s s e n die D e u t s c h e n sein. E i n R a t s c h l a g von H e r r n Clay u n d R o b e r t s o n w a r , m a n solle alle L ä g e r bei B a u e r n , R e s t a u r a t i o n e n , H ä n d l e r n , T r a n s p o r t u n t e r n e h m e n u n d in allen H a u s h a l t u n g e n p r ü f e n u n d e r f a s s e n . 8 J e d e r H a u s h a l t s v o r s t a n d sollte eine eidesstattl. E r k l ä r u n g ü b e r seine L e b e n s m i t t e l v o r r ä t e a b g e b e n , die g e s a m t e Polizei sollte e i n g e s e t z t w e r d e n . W e r die E r k l ä r u n g nicht a b g i b t , sollte k e i n e L e b e n s m i t t e l m a r k e n e r h a l t e n , w e r falsche A n g a b e n m a c h t , sollte b e s t r a f t w e r d e n . D e r W i r t s c h a f t s r a t sollte d a s G e s e t z sofort e r l a s s e n , d a m i t G e n e r a l Clay bei s e i n e m kurz b e v o r s t e h e n d e n B e s u c h in W a s h i n g t o n d e n ü b l e n P r e s s e n a c h r i c h t e n ü b e r die m a n g e l h a f t e E r f a s s u n g von L e b e n s m i t t e l n in D e u t s c h l a n d e n t g e g e n t r e t e n k ö n n e ; d i e s e N a c h r i c h t e n s t a m m t e n zur H a u p t s a c h e aus d e u t s c h e n Q u e l l e n . D r . Erich K ö h l e r , d e r P r ä s i d e n t , hat d e n letzten Bericht von Schlange ü b e r die M i ß s t ä n d e in d e r K a r t o f f e l e r f a s s u n g s c h o n am T a g e nach d e m E i n g a n g im Rundfunk

verwandt

und

obendrein

hinterher

als D r u c k s a c h e

öffentlich

b e k a n n t g e g e b e n 9 . D a s ist d i e F o l g e , w e n n ein politischer N e u l i n g Legislative u n d E x e k u t i v e nicht u n t e r s c h e i d e n k a n n u n d vor G e l t u n g s b e d ü r f n i s f ö r m l i c h bersten möchte. M a n ging s o f o r t mit Eile a n die H e r s t e l l u n g eines G e s e t z e s nach V o r s c h l ä g e n v o n G e n e r a l C l a y , d. h . m a n ließ sich v o n d e n G e n e r ä l e n A d c o c k u n d M a c R e a d y erst e i n m a l dringlich m a h n e n in e i n e r 2stündigen B e s p r e c h u n g . H i e r m a c h t e n die A n g l o - A m e r i k a n e r detaillierte V o r s c h l ä g e - m a n v e r m u t e t , d a ß sie ihnen aus d e r V e r w a l t u n g E r n ä h r u n g , L a n d w i r t s c h a f t u n d F o r s t e n zugesteckt w o r d e n sind. D a n n ergriff d e r P r ä s i d e n t sofort d i e Initiative und lud d e n E x e k u t i v r a t zu g e m e i n s a m e r B e r a t u n g mit d e m H a u p t a u s s c h u ß e i n . D e r E x e k u t i v r a t roch d e n B r a t e n u n d schickte n u r seinen R e f e r e n t e n . Inzwischen k a m e n mit d e n Ü b e r l e -

62

Tagebuch 1948

gungen die Bedenken, die Pläne schmolzen zusammen, die Köpfe wurden ruhiger, man empfand ein grobes Unbehagen und es stellte sich zur rechten Zeit ein treffendes Wort ein: mit der Bezeichnung „Speisekammergesetz" 1 " ist das Unterfangen gekennzeichnet und belastet. Und das im Namen der Demokratie, wo bleibt die Unverletzlichkeit der Wohnung, die Befreiung von Terror und Angst, von Denunziantentum und schlechtem Gewissen? Es bleibt abzuwarten, was am Ende herauskommt. 26. Januar 1948 Die Verhandlungen mit den Anglo-Amerikanern kamen insofern schneller als angenommen war, als in einer Woche 3 Proklamations-Entwürfe den Deutschen übergeben w u r d e n " . Dabei gab es jedesmal das gleiche Bild: Man sprach von Verhandlungen mit den Deutschen, auf deren Mitwirkung, besser noch Zustimmung zu den Gesetzen, großer Wert gelegt würde, sprach dann aber jedesmal den Deutschen nur die Eigenschaft von Sachverständigen zu, die den englischen Wortlaut fachgerecht in die deutsche Sprache übertragen sollen. Dagegen begehrte Ministerpräsident Ehard auf: er sei nicht ein Sachverständiger, sondern ein Ministerpräsident, der von seiner politischen Verantwortung nicht absehen und abgehen könne und wolle. Wenn er nichts zu sagen habe, dann würde er sofort abreisen. Dann gab man nach; es fragt sich nur, mit welchem Endergebnis? Die kleinen Leute, die hier auftraten - Litchfield, Marreco, Holgate usw. - sind ja eigentlich keine geeigneten Verhandlungspartner für Minister und Ministerpräsidenten. Die Deutschen auf der anderen Seite sind - wie immer - uneinig. Sie reden über Formalitäten und Grundsätze, Weltanschauung und Zukunftspläne, nur nicht über die gegenwärtige praktische Aufgabe. Es kann einen der Jammer ankommen. Besonders gilt das auch für den Vorstand der SPD in Hannover. 28. Januar 1948 Die Konferenzen wegen der 3 neuen Proklamationen 1 2 sind heute beendet; es war mir ein neues politisches Erlebnis, das nur als grausig bezeichnet werden kann. Es hatte für mich damit angefangen, daß man mir vom Parteivorstand in Hannover sehr heftige Vorwürfe wegen des Entwurfes des Exekutivrats gemacht hatte. In einer 3stündigen Unterredung mit Ollenhauer und Heine glaubte ich, diese Vorwürfe richtig gestellt und entkräftet zu haben und fuhr weiter zu Dr. Irmer und Erich Lötz in Braunschweig. In meiner Abwesenheit hat mich Schumacher- wenn auch nicht ohne Worte der Anerkennung - namentlich als Parteischädling hingestellt (so Veit Stuttgart). Der PV faßte einen Richtungsbeschluß für die Ministerpräsidenten und Fraktionsgenossen und gab ihn sofort zur Presse, so daß die Ministerpräsidenten der SPD gestern und heute wie die Schulbuben parierten und gehandikapt waren. Max Brauer hing der Katze die Schelle um und sprach das offen aus. Die Fernsteuerung von Hannover hatte

Tagebuch 1948

63

w i e d e r e i n m a l g e k l a p p t . M a n m u ß allerdings sagen - nach d e m V e r h a n d l u n g s n i v e a u , d a s ich s o e b e n e r l e b t h a t t e , d a ß eine A u s r i c h t u n g nicht ganz u n b e r e c h t i g t ist. N u r d a s M a ß des Z e n t r a l i s m u s erscheint ü b e r t r i e b e n u n d ganz u n s t a a t s m ä n nisch. E s ist s c h w e r zu b e s c h r e i b e n , wie wenig S a c h k u n d e die H e r r e n Ministerpräsid e n t e n d e r S P D in d e n V e r h a n d l u n g e n b e w e i s e n . W e n n Stock sich z u W o r t m e l d e t e , war m i r stets ganz A n g s t , was d a wohl N e u e s an U n s i n n o d e r M i ß v e r s t ä n d n i s h e r a u s k o m m e n w ü r d e . Kopf brüllte von Z e i t zu Z e i t e t w a s dazwischen wie ein Stier, blieb allerdings nicht allein. L ü d e m a n n tat f a c h k u n d i g , o h n e zu ü b e r z e u g e n . B r a u e r sagte wenig, a b e r kluge W o r t e . K a i s e n schwieg in d e r H a u p t s a c h e wie ein weiser M a n n . E h a r d r a n g bei j e d e m Satz mit d e m T e x t u n d Sinn d e r B e s t i m m u n g e n voller M i ß t r a u e n u n d wollte die zentralistische T e n d e n z des E n t w u r f e s d e r P r o k l a m a t i o n ins F ö d e r a l i stische u m b i e g e n . D r . K ö h l e r u n t e r s t ü t z t e ihn da z u r ü c k h a l t e n d . D r . H i l p e r t f o c h t von d e r Z u s c h a u e r b a n k aus f ü r die C D U u n d hielt seinen M i n i s t e r p r ä s i d e n t e n S t o c k an d e m u m f a n g r e i c h e n hessischen K a b i n e t t s b e s c h l u ß fest. E s w a r ein m ü h s e l i g e s V e r h a n d e l n um kleine u n d kleinste D i n g e . E r g e b n i s : 9 Seiten A b ä n d e r u n g s w ü n s c h e , z. T . mit d i v e r g i e r e n d e n A n t r ä g e n d e r M e h r h e i t u n d M i n d e r h e i t der M i n i s t e r p r ä s i d e n t e n . D i e A b s c h l u ß v e r h a n d l u n g e n mit d e n A n g l o a m e r i k a n e r n verliefen d e m e n t s p r e c h e n d w ü r d e l o s . M a n e r m ü d e t e v o r d e u t s c h e n Q u e r e l e n , verlor die g r o ß e L i n i e , b e k ä m p f t e sich gegenseitig u n d lachte m e h r f a c h ü b e r sich selbst. D i e H e r r e n C h r i s t o p h e r Steel (Britisch) u n d D r . Litchfield, die gewiß keine e r s t e G a r n i t u r d a r s t e l l t e n , v e r s t e i f t e n sich n u r noch m e h r auf ihr a m e r i k a n i s c h e s R e z e p t u n d d r ä n g t e n z u m Schluß. W e n n sich d i e M i n i s t e r p r ä s i d e n t e n d a m i t b e g n ü g t h ä t t e n , 2 o d e r vielleicht a u c h 4 K a r d i n a l f r a g e n herauszustellen und im übrigen ihre kleinen W ü n s c h e schriftlich v o r z u l e g e n , d a n n h ä t t e n sie E i n d r u c k m a c h e n k ö n n e n . So h a b e n sie eine C h a n c e v e r p a ß t - j e d e n f a l l s a b e r einen schlechten E i n d r u c k h i n t e r l a s s e n . 7. Februar

1948

Inzwischen war ich in Berlin bei O m g u s g e w e s e n , u m an d e r

deutschen

Ü b e r s e t z u n g d e r n e u e n P r o k l a m a t i o n f ü r die B i z o n e m i t z u a r b e i t e n . 1 3 G e s t e r n ist sie b e k a n n t g e g e b e n w o r d e n . Ein n e u e r A b s c h n i t t d e s Ü b e r g a n g s b e g i n n t . H o f f e n t l i c h hat m a n a u s d e r V e r g a n g e n h e i t L e h r e n g e z o g e n , u n d h o f f e n t l i c h w ä h l t d e r W i r t s c h a f t s r a t b r a u c h b a r e M ä n n e r f ü r d e n V e r w a l t u n g s r a t aus. D e r s o g e n a n n t e O b e r d i r e k t o r k ö n n t e vieles v e r b e s s e r n . Ich h a b e mir j a im stillen g e w ü n s c h t , sein G e n e r a l d i r e k t o r u n d V e r t r e t e r zu w e r d e n , doch k a n n d a r a u s nichts w e r d e n , weil d i e S P D nach d e m jetzigen V e r h a l t e n - weiter in d e r s o g e n a n n t e n k o n s t r u k t i v e n O p p o s i t i o n v e r h a r r e n d ü r f t e ' 4 . E s wird f ü r mich n o c h eine ganze W e i l e W a r t e z e i t g e b e n ; d a b e i h o f f e ich noch viel zu l e r n e n . D e n n ich m u ß m i r selbst g e s t e h e n , d a ß ich wohl Lust h ä t t e , ein A m t zu l e i t e n , weil ich i m m e r w i e d e r e r l e b e , mit wie w e n i g V e r s t a n d , E r f a h r u n g u n d Fleiß dies im a l l g e m e i n e n g e s c h i e h t , d a ß ich a b e r a n d e r e r s e i t s nicht geringe H e m m u n g e n

64

Tagebuch 1948

hätte, weil doch oft bei bestem Willen und Können der Erfolg oder die Sympathien von Umständen abhängen, die man nicht meistern kann oder oft aus moralischen G r ü n d e n nicht meistern will. Die Mittelmäßigkeit, zu der ich mich nicht rechnen möchte, hat es oft leichter, sie sitzt meist fester, denn sie erhebt sich eben nicht weit über der Grundlage. D e r Exekutivrat löst sich innerlich - Schiller würde sagen: moralisch langsam auf. Man sieht sich am Ende und spekuliert nur in Bezug auf die eigene Person, wie es weiter gehen soll. Allgemeine Überlegungen, die ich vortrug, f a n d e n keine offenen Ohren, am wenigsten bei dem Herrn Vorsitzenden, Staatsrat D r . G e b h a r d Seelos, den Dr. Spiecker einen unglücklichen Menschen n e n n t , weil er ohne soziales Verständnis sei, und den Dr. Josef Müller scharf ablehnt, weil er ihn für unfähig ansieht. E r zerredet die meisten Fragen und Vorlagen in nervös-sprunghafter Oberflächlichkeit und drängt stets nach der formellen, niemals nach einer sachlichen Erledigung, sofern ihm diese nicht von seiner Landesregierung vorgeschrieben ist. Ich hoffe, daß Dr. Spiecker als Vorsitzender des Länderrats wiederkehrt; doch wer kann sagen, was acht Ministerpräsidenten ohne gründliche sachliche Vorbereitung beschließen oder tun w e r d e n ? Übrigens sind die Leute allenthalben sehr besorgt wegen eines Krieges. Man befürchtet, daß die Russen Berlin besetzen oder abriegeln, oder daß die A m e r i k a n e r Berlin aufgeben werden; Dr. Manfred Apelt schreibt lange Briefe, ich solle ihn links des Rheins unterbringen, weil die Russen eines Tages in 24 Stunden bis zum Rhein vorstoßen würden. Das ist ihm heiliger Ernst. Eugen Kogon schreibt dagegen in den „Frankfurter H e f t e n " , daß jetzt einige geschichtliche Minuten kämen und alles auf eine friedliche Lösung hindeute. 1 . Hoffentlich zeigt sich das bald für aller Augen! 14. Februar

1948

Die Konstituierung des neuen Länderrates hat den Exekutivrat in der vergangenen Woche besonders beschäftigt. Es wurde darum gerungen, der neuen Institution eine arbeitsfähige Form zu geben. Ich habe sowohl für den bizonalen Länderrat eine Geschäftsordnung wie für eine Konferenz der Ministerpräsidenten der Bizone - Länderkonferenz - ein Statut v o r g e s c h l a g e n . D a b e i wurde in beiden Fällen Wert darauf gelegt, aus den ständigen Vertretern der Länder das achtgliedrige Arbeitsgremium zu machen, das - dem bisherigen E-R ähnlich die laufenden Geschäfte erledigt, die Min.Präsidenten sollen in der Regel nur einmal im Monat zusammenkommen; dann tagt der bizonale Länderrat öffentlich, während die Länderkonferenz der Ministerpräsidenten ihre Geschäfte ebenfalls erledigt. Von entscheidender Bedeutung für das Funktionieren dieser Konstruktion ist die Frage des Vorsitzenden. Für das große Gremium des bizonalen Länderrats m u ß ein Min.-Präsident den Vorsitz f ü h r e n ; das mögen die Ministerpräsidenten unter sich ausmachen. Für das geschäftsführende Gremium der acht Vertreter wird Dr. Spiecker gewünscht; Dr. Hansen käme als Vertreter in Betracht.

Tagebuch 1948

65

Alles war gut bedacht, als sich herausstellte, daß die L ä n d e r in ihren K a b i n e t t e n mit Rücksicht auf die Koalitionen beschlossen, je einen Minister als zweiten V e r t r e t e r n e b e n den Ministerpräsidenten zu e n t s e n d e n . So nahm Hessen in Aussicht, Stock und D r . Hilpert zu delegieren und NordrheinWestfalen A r n o l d und D r . Menzel. Die Folge wäre, d a ß die ständigen V e r t r e t e r d e r L ä n d e r in F r a n k f u r t in die Rolle von stellvertretenden Mitgliedern herabsinken. Solche k ö n n t e n aber doch nicht den Vorsitz o d e r die Stellvertretung im Vorsitz f ü h r e n . Ergebnis: D r . Spiecker schied als g e s c h ä f t s f ü h r e n d e r Vorsitzend e r aus. D a kam heute die wichtige Entscheidung der G e n e r ä l e Clay und Robertson in einer V e r h a n d l u n g mit Bipartite Control Office. 1 7 d a ß es eine Stellvertretung und S t i m m e n ü b e r t r a g u n g nicht geben könne. Also stehen die Landesregierungen vor der Frage, auf alle Fälle einen ständigen V e r t r e t e r zu e n t s e n d e n , der nicht Mitglied des Kabinetts ist. So ist wieder die Chance gegeben, d a ß Dr. Spiecker als ständiger V e r t r e t e r von Nordrhein-Westfalen und ordentliches Mitglied des L ä n d e r r a t s in Erscheinung tritt. Es wäre ein Glück f ü r die neue Institution und f ü r die föderativen Notwendigkeiten der Bizone, d e n n Dr. Seelos hat sich als ungeeignet für die F ü h r u n g der G e s c h ä f t e erwiesen. Eine U n t e r r e d u n g mit Prof. D r . Ernst Fraenkel hat mich davon überzeugt, d a ß der L ä n d e r r a t sehr an B e d e u t u n g gewinnen w ü r d e , wenn er die Einrichtung d e r question-time vom englischen U n t e r h a u s e ü b e r n e h m e n würde. D a n n wären die D i r e k t o r e n in öffentlicher Sitzung mit dem L ä n d e r r a t versammelt, sie hätten auf A n f r a g e R e d e und A n t w o r t zu stehen und wären praktisch f ü r ihre Verwaltung auch dem L ä n d e r r a t verantwortlich. Die Einrichtung würde wohl den G e d a n k e n d e r D e m o k r a t i e sehr fördern und wahrscheinlich bald Nachahmung finden. Ich bin bewußt d a r a n gegangen, f ü r die sogenannte zweite K a m m e r eine n e u e Form zu entwickeln. Die übliche A r t des Parlamentarismus hat sich in Deutschland jedenfalls bisher nicht einbürgern und durchsetzen k ö n n e n . Manche sprechen davon, d a ß die Form des parteipolitisch organisierten Parlamentarismus wegen Verhältniswahl und Fraktionszwang sich überlebt h a b e : sie passe nicht m e h r in die großräumigen Verhältnisse des 20. J a h r h u n derts; die E r f a h r u n g e n der Franzosen bewiesen es schlagend. Auf der a n d e r e n Seite entwickelt sich eine Ministerialdiktatur, die ebenfalls der D e m o k r a t i e abträglich wirkt. Vielleicht ist es möglich, über eine andere Arbeitsweise des L ä n d e r r a t e s für die D e m o k r a t i e und gegen die zentralistischen M e t h o d e n der B ü r o k r a t i e zu arbeiten. D e s h a l b trete ich auch dafür ein, daß der L ä n d e r r a t ein G e n e r a l s e k r e t a r i a t haben soll mit den erforderlichen R e f e r e n t e n und Sachverständigen, die nicht als Ressortpatrioten an die G e s c h ä f t e gehen, sondern freier arbeiten werden. E s ist ein N o v u m , einer K a m m e r einen B e a m t e n a p p a r a t beizugeben. Ich glaube, d a ß es eine Verbesserung werden kann. Freilich ist es zweifelhaft, o b acht Min. Präsidenten bereit und in der Lage sind, solche grundsätzlich n e u e n Wege zu beschreiten. Zur D e m o k r a t i e gehört die Macht d e r G e w o h n h e i t ; es wird lange d a u e r n , bis in Deutschland eine demokratische Institution entstanden sein wird.

66

Tagebuch 1948

22. Februar 1948 Das Ereignis dieser Woche war die Konferenz des Parteivorstandes und Parteiausschusses für die SPD-Fraktion des Wirtschaftsrats. 18 Nachdem es am Vormittag eine heftige Auseinandersetzung im P.Vorstand gegeben hatte, hielt Dr. Schumacher nachmittags vor dem größeren Gremium ein politisches Referat zur Begründung seiner Empfehlung, daß die SPD in der Bizone auch weiterhin außerhalb der Verantwortung bleiben soll. Er führte etwa Folgendes aus: Meine Ausführungen gelten nur für die Bizone, in der Ebene der Kommunalverwaltung und der Länder gelten andere Gesichtspunkte, weil es sich dort nur um Fragen der Verwaltung handelt; darüber spreche ich nicht. Die Zukunft der Bizone steht im Zeichen des Dollars nach dem Marshallplan, den wir brauchen und begrüßen. Doch kommt der Dollar als „Geschäft" und zugleich als politische Waffe gegen den Kommunismus. Wer sich heute nicht selbständig behauptet, läuft Gefahr als russischer oder amerikanischer, kommunistischer oder kapitalistischer Quisling zu erscheinen. Wir wollen dagegen eine eigene, deutsche, sozialdemokratische Politik. Der Marshallplan betrifft außer Deutschland 16 europäische Staaten, die sämtlich zentralistisch regiert und verwaltet sind: die Oststaaten und Ostdeutschland sind sogar zentral kommandiert. Wir können uns unter diesen Umständen den Luxus der förderalistischen Buntheit nicht erlauben. Der Wirtschaftsrat, der nicht zuständig ist für Kultur- und Polizei-, Wohlfahrts- und Justizfragen, gibt als politisches Kampffeld in Fragen der Wirtschaft ein ganz klares Bild. Die SPD ist für die Verwertung der menschlichen Person, die C D U will die Hochwertung des letzten Vermögens in der Wirtschaftspolitik, die Kirche hat sich dem Streben der C D U , dem Kapitalismus angeschlossen. Niemöller hätte nicht gegen die Nazis, sondern gegen die Sachwertbesitzer auftreten sollen. Wir streben nach einer einheitlichen deutschen Vertretung. Voraussetzung dafür ist die gleiche demokratische Grundlage, d. h. überall das Recht der freien Entscheidung. Das ist auch die Frage der legalen LPD und CDU in der Ostzone. Der Vorschlag Adenauers wegen Einsetzung eines Kooperativ-Ausschusses für ein einheitliches Deutschland ist zur Zeit nicht annehmbar. 1 9 Er läuft, wie alle Angebote der Ostzone, auf eine Restituierung der Diktatur mit einem demokratischen Mantel hinaus, indem er der Diktatur die Chance gibt, ihre brutalen Machtmittel unter demokratischem Gewände anzuwenden. Jede solche Organisation bedeutet heute praktisch die Kapitulation vor der Diktatur. Die Lage der SPD ist deswegen nicht günstig, weil der Westen überwiegend katholisch ist und daher der kapitalistischen C D U zuneigt. Uns fehlt der protestantische Osten und die dortige Arbeiterschaft. Die neue Bizone ist nur ein Provisorium, das von einem Provisorium abgelöst werden wird. Im Frankfurter Wirtschaftsrat sind alle nicht ökonomischen Dinge ausgeschaltet. Wir haben den Fall des absoluten und totalen Klassenkampfes. Dabei muß die SPD den Kampf um die Gleichheit der Lebensbedingungen führen,

Tagebuch 1948

67

während die C D U für die Erhaltung der Sachwerte eintritt. Wir brauchen den Plan als organisatorisches [unleserlich]. Die C D U hat ihre linken Kräfte in den Ländern gelassen und sitzt mit den kapitalistischen Leuten im Wirtschaftsrat. Wenn wir mit diesen Männern eine Koalition eingehen, laufen wir die Gefahr, Komplizen des Kapitalismus zu werden. Wir würden die Verantwortung dafür übernehmen, daß die anderen verdienen. Es gäbe doch nur soviel sozialistische Politik, als die Sachwertbesitzer der C D U es zulassen würden. Die Frage heißt daher C D U oder SPD. Auf diese Periode folgt eine andere Zeit, die Zeit der direkten demokratischen Legitimierung, der gewollten Expansion der SPD. Diese muß eine nationale kameradschaftliche Kampforganisation sein. Die C D U hat die Kirche hinter sich, die KPD die russische Diktatur. Wir müssen mit anderen Gruppen, die sich von der C D U trennen werden, die Dritte Kraft werden. In der Diskussion sprach zunächst Dr. Berger für die Koalition, weil die SPD allen Einfluß in der Verwaltung verliert und einen Zustand herbeiführt, der später nicht mehr zu ändern ist und uns große Schwierigkeiten machen wird. Dr. Kreyssig trat dagegen für die oppositionelle Haltung ein, die allerdings durch bessere Propaganda unterstützt werden müßte. Schoettle begründete die Haltung der Fraktion des Wirtschaftsrates und kritisierte die mangelhafte Arbeit des Parteivorstandes und insbesondere von Agartz. Henßler (Düsseldorf) gab mit scharfen Worten seinem Unwillen über die vergebliche und wirkungslose Opposition Ausdruck. Einen leidenschaftlichen Appell für die Änderung der Taktik richtete Kaisen an die Versammlung: er fürchte um die Zukunft der Partei, der Sinn der Politik der SPD könne nur der Kampf um die Staatsmacht sein. Die Politik würde von den Wählern nicht verstanden werden, wenn siesich in einer wirkungslosen Opposition erschöpfe. Es stände die Zukunft auf dem Spiele. Dr. Suhr und Franz Neumann warben um die Unterstützung ihrer Politik in Berlin. Im Schlußwort führte Dr. Schumacher aus: die SPD hätte die Position der deutschen Linken. Sie müßte für die Durchsetzung des [unleserlich] Lebensgefühls des Wählers eintreten. Da die Sozialdemokraten zum Funktionieren des Frankfurter Apparates nicht nötig sind, könnten sie in der Opposition verharren. Sie müßten sich von dem Mythos der Verwaltung frei machen, sollen dabei um alle Stellen kämpfen, außer um die beiden ersten Stellen. Die Wendung der Intellektuellen zum Sozialismus ist nach 1945 nicht eingetreten. So käme es darauf an, den Kampfeswillen in die Massen zu projizieren. Wir dürften nicht in die Verantwortung eintreten als die mitgenommenen Zweiten. Erst nach der Durchführung allgemeiner Wahlen werden wir in die Rolle der stärksten Partei kommen. Jetzt würden wir nur Gefolgsleute eines Systems sein, das wir bekämpfen, eines Systems der Nutznießer des Dritten Reiches und der Gegenwart. Wir müssen abwarten, bis wir ein Podium für die Änderung der sozialpolitischen Struktur hätten. Die Entpolitisierung der Wirtschaftsverwaltung in Frankfurt bedeute zugleich Entdemokratisierung; wir würden in diesem Falle der einzige Lastträger sein.

68

Tagebuch 1948

W i r wollen die Partei in eine Rolle bringen, in der sie k ä m p f e n m u ß . O l l e n h a u e r ließ am E n d e d a r ü b e r a b s t i m m e n , o b der Parteivorstand und Parteiausschuß mit den von Dr. Schumacher gegebenen Richtlinien d e r Politik e i n v e r s t a n d e n sei. 3 M a n n stimmten dagegen ( d a r u n t e r Kaisen und B e r g e r ) , 7 M a n n enthielten sich d e r Stimme ( d a r u n t e r D r . Menzel und H e n ß l e r ) . Ollenh a u e r stellte fest, daß zum ersten Male eine Opposition gegen die Politik D r . S c h u m a c h e r s da w ä r e . Ich m e i n e , d a ß eine kurzfristige Opposition - etwa 1-1V* J a h r e - eine Spekulation ist, die sich verantworten läßt, wenn inzwischen eine kraftvolle Politik gemacht wird. Sonst bringt sie nichts ein und schadet nur. D i e Genossen im hessischen Kabinett haben sich einen Schlager geleistet und beschlossen, Dr. Gase zu meinem Nachfolger zu machen. Zinn hat als einziger d a g e g e n gestimmt. Hilpert reibt sich die H ä n d e vor Vergnügen. Nun fehlt noch, d a ß e r gegen mich als G e n e r a l s e k r e t ä r des Länderrats stimmt, dann ist alles gut! U n s e r e sogenannten Politiker verdienen volle Verachtung oder Mitleid, denn sie wissen nicht, was sie tun. Es ist k a u m zu beschreiben, wie unfähig die H e r r e n Ministerpräsidenten insgesamt und die Sozialdemokraten unter ihnen insbesond e r e sind, wenn es um die Frage d e r größeren Politik geht. D e r Föderalismus richtet sich selbst. E i n e blinde Eitelkeit macht alle grundlegend-vernünftige A r b e i t unmöglich o d e r doch jedenfalls so schwierig, daß die tüchtigen Leute die Lust an der Arbeit verlieren. Als Dr. S c h u m a c h e r am Mittwoch vom Klassenkampf sprach, e m p f a n d ich das als einen Atavismus. Wenn ich d a f ü r den Kampf der CDU-Politiker gegen die Sozis setze - als Partei, nicht als Klasse, denn die Klassenunterschiede liegen a n d e r s - d a n n entspricht das der täglichen E r f a h r u n g . D e r Marxist n i m m t den Gegensatz materiell-ökonomisch und sieht die Arbeiterklasse gegen die Sachwertbesitzer. Ich m e i n e , es ist die R e a k t i o n gegen den gewollten sozialen Fortschritt. D a rechts sitzen nicht n u r die Kapitalisten und Sachwertbesitzer, die Kirche und die Offizierskaste, sondern auch große Teile des Mittelstandes, der Intelligenz und d e r b e q u e m e r e n A r b e i t e r s c h a f t . W a r u m ? Weil sie nicht d e n k e n wollen o d e r k ö n n e n , weil sie weltanschaulich an die Kirche oder das Christent u m gebunden sind und die Sozialdemokratie aus alter Propaganda als religionsfeindlich a n s e h e n , weil sie kleine Vorteile festhalten wollen, weil sie keine Fantasie h a b e n , sich ein Zukunftsbild zu m a c h e n , weil sie keinen Schwung h a b e n , f ü r ein Ideal einzutreten, weil sie die Politik nur als eine religiösweltanschauliche Entscheidung ansehen und die F ü h r u n g anderen überlassen, weil sie niemals vor echte politische Entscheidungen gestellt worden sind. Das Verhältniswahlsystem nimmt d e m Wähler alle V e r a n t w o r t u n g ab und fördert den F ü h r e r g e d a n k e n . D a s liegt den U n t e r t a n e n - D e u t s c h e n sehr. A u c h bei den Fortschrittspolitikern der Linken gibt es viel Bequemlichkeit und Unfähigkeit, Standesinteresse und H e r d e n t r i e b - doch liegt d e r Z u g der Zeit bei i h n e n , weil nun eben einmal die deutsche R e c h t e im besten Falle konservativ-stillstehend, in dem großen Durchschnitt jedoch reaktionär ist. Die englische Politik ist polar - rechts und links stehen in f r u c h t b a r e r S p a n n u n g

Tagebuch 1948

69

z u e i n a n d e r u n d b e w e g e n sich g l e i c h m ä ß i g w e i t e r : d e r A b s t a n d bleibt gewisserm a ß e n r ä u m l i c h , nicht j e d o c h zeitlich. A n d e r s bei uns: d e r A b s t a n d ist h ä u f i g n u r zeitlich b e d i n g t , räumlich g e h t es ganz d u r c h e i n a n d e r . Ich w o l l t e g e r n ein Büchlein a n die I n t e l l e k t u e l l e n in D e u t s c h l a n d s c h r e i b e n , u m i h n e n die S i t u a t i o n d e r Politik deutlich vor A u g e n zu f ü h r e n . Vielleicht k o m m e ich d a z u , ich m ü ß t e es mir von d e r Seele s c h r e i b e n , d e n n

diese

G e d a n k e n b e l a s t e n mich s e h r . 29. Februar

1948

D e r L ä n d e r r a t h a t mit 13 gegen 3 S t i m m e n b e s c h l o s s e n , ein G e n e r a l s e k r e t a r i a t bei sich e i n z u r i c h t e n , die E n t s c h e i d u n g ü b e r die P e r s o n ist bis z u m 5. M ä r z v e r t a g t . Inzwischen w e r d e n die G e s c h ä f t e v o n m i r g e f ü h r t . 2 " D i e M i n i s t e r p r ä s i d e n t e n d e r U S - Z o n e h a t t e n - nach D r . Brill - b e s c h l o s s e n das G e n e r a l s e k r e t a r i a t a b z u l e h n e n , weil überflüssig! So auch D r . Brill. D e s h a l b F l u c h t v o n K a i s e n a m D i e n s t a g n a c h B r e m e n , u m nicht gegen die V e r a b r e d u n g s t i m m e n zu m ü s s e n . D i e E r n e n n u n g v o n G a s e zu m e i n e m N a c h f o l g e r im hess. F i n a n z m i n i s t e r i u m h a t g r o ß e n K r a c h h e r v o r g e r u f e n . Die S P D - F r a k t i o n ist w ü t e n d , h a t t e sie d o c h 48 S t u n d e n v o r h e r in G e g e n w a r t von Stock e i n s t i m m i g beschlossen, ich m ü ß t e e i n e n S P D - N a c h f o l g e r h a b e n . H i l p e r t hat e i n e n M a n n seines

Vertrauens

v e r l a n g t , e r hat mich als - vielleicht! - g u t e n O b e r b ü r g e r m e i s t e r , a b e r nicht als F i n a n z f a c h m a n n hingestellt und schließlich e r k l ä r t : „ T r o e g e r o d e r ich!" D i e D r o h u n g mit d e m R ü c k t r i t t hat d i e M i n i s t e r ( a u ß e r Z i n n ) z u m U m f a l l b e w o g e n , d e n n sie b e f ü r c h t e n - wohl mit R e c h t - e i n e K a b i n e t t s u m b i l d u n g nicht zu überstehen! U m d e n O b e r d i r e k t o r d e r B i z o n e wird h e f t i g g e r u n g e n . A d e n a u e r h a t t e L u k a s c h e k a m 21. II. D r . H i l p e r t als d e n M a n n seiner W a h l b e z e i c h n e t . A m 24. II. h a t die C D U - F r a k t i o n nach A b l e h n u n g v o n H e r m e s u. Prittwitz L u k a schek u n d Steltzer vor sich geladen. 2 1 J e n e r h a t t e nach seiner M e i n u n g e t w a 8 0 % d e r S t i m m e n f ü r sich, zumal Steltzer P r o t e s t a n t ist u n d halb a b g e l e h n t h a t t e . N a c h t r ä g l i c h h a t sich Steltzer s e h r u m d e n P o s t e n b e m ü h t und K l i n k e n g e p u t z t . H i l p e r t h a t weiter gegen L u k a s c h e k intrigiert, teils d i r e k t , i n d e m er ihn als k l e i n e n , alten M a n n hinstellte, teils i n d i r e k t , i n d e m er d u r c h d e n B ü r g e r m e i ster v o n Königstein E r k u n d i g u n g e n e i n z o g ; er soll inzwischen bei A d e n a u e r g e w e s e n sein. G e s t e r n sagte e r nach d e r B e r a t u n g d e r G e s c h ä f t s o r d n u n g f ü r d e n L ä n d e r r a t in d e r hess. Staatskanzlei im V o r b e i g e h e n : „Wir w e r d e n ja a m M o n t a g e r f a h r e n , o b Steltzer o d e r L u k a s c h e k O b e r d i r e k t o r w i r d . " N u n , ich h o f f e f ü r L u k a s c h e k . O b er diesen A u f t r a g e r f ü l l e n o d e r o b er e n t t ä u s c h e n w i r d , m u ß d i e Z u k u n f t l e h r e n . E r ist nicht m e h r j u n g , hat wohl niemals s e h r flott g e a r b e i t e t , w a r g e w i ß i m m e r von b e d ä c h t i g e r u n d a u s g l e i c h e n d e r A r t u n d wird b e w e i s e n m ü s s e n , o b e r a u ß e r seiner z ä h e n u n d u n e r s c h ü t t e r l i c h e n A n s t ä n d i g keit a u c h eigentliche d u r c h s c h l a g e n d e E n e r g i e h a t . W e n n er nicht vom e r s t e n T a g e a n als s t a r k e r M a n n in E r s c h e i n u n g tritt, d a n n wird er nichts S i c h t b a r e s u n d Entscheidendes erreichen.

70

Tagebuch 1948

„Es geht um das Vaterland", sagte Dr. Lukaschek vorgestern zu mir mit vollem Ernst. Nach der Entwicklung in der Tschechoslowakei kann ich ihm nur allzusehr Recht geben. 22

2. März 1948 Heute hat der Wirtschaftsrat die Direktoren der bizonalen Verwaltung nach der neuen Proklamation gewählt. 23 Doch ist alles so ungeschickt und politischunbeholfen angefaßt worden, als es nur möglich war. Die amerikanischen Beobachter schüttelten merkbar den Kopf über diese deutschen Demokraten, sie wären gewiß zufrieden, wenn sie ihnen während der Besatzungszeit wenigstens die Anfangsgründe demokratischen Verhaltens beibringen könnten. Einige Tage lang sah es so aus, als wenn Dr. Hans Lukaschek zum Oberdirektor (Vorsitzenden des Verwaltungsrates) gewählt werden würde; er ist dann aus der Diskussion verschwunden. Inwieweit hier Dr. Hilpert gewirkt hat, kann ich nicht erkennen. Es ist immerhin wahrscheinlich. Lukaschek hätte sehr gerne diese schwierige und undankbare Aufgabe übernommen. Die Wahl fiel auf Dr. Pünder, den Oberbürgermeister von Köln. Die Demokraten waren dagegen und nominierten den früheren Reichsminister Dr. Dietrich. Die Sozialdemokraten und das Zentrum hätten die Wahl von Dr. Pünder gern verhindert; sie versuchten, dies auf dem Umweg einer Änderung der Geschäftsordnung zu erreichen, indem sie beantragten, daß weiße Stimmzettel als „Nein"-Stimmen bewertet werden sollten; die CDU vertrat dagegen den richtigen Standpunkt, daß weiße Stimmzettel bei einer Wahlhandlung als Stimmenthaltung oder als ungültige Wahlzettel zu behandeln sind und daher nicht bewertet werden können. Dieser Stellungnahme schloß sich die Mehrheit an. So wurde Dr. Pünder mit 40 gegen 8 Stimmen für Dietrich bei 48 weißen Stimmzetteln gewählt. Die SPD bekundete ihr Mißfallen durch die Bemerkung, daß sie durch die weißen Stimmzettel ihr mangelndes Vertrauen zu den Direktoren zum Ausdruck bringen würde. Der Zentrumsabgeordnete Stricker hielt der SPD vor, daß sie in der Lage wäre, eine andere Entscheidung herbeizuführen und daher für die Kandidaten der CDU volle Verantwortung trüge. Es war ein peinliches Erlebnis und ein betrübliches Bild für die meisten Anwesenden. Aber wie soll es sein, wenn die größte Partei - jedenfalls ebenso groß wie CDU/CSU - einfach nicht mitmacht und ihr Verhalten ..Opposition" nennt. Es bleibt nur Verwirrung und Ohnmacht übrig und das Feld frei für die Reaktion. Politik, die nicht nach der Macht greift, wenn sie zu haben ist - von Kampf gar nicht zu reden verdient diesen Namen nicht. D a ß die sechs Direktoren zu keinerlei Hoffnungen berechtigen, mag noch erwähnt werden. Dr. Schlange ist - man überlege dies - noch der Beste. Das deutsche Volk wird weiter enttäuscht sein und die Kosten tragen.

Tagebuch 1948

71

7. März 1948 Mein Geburtstag war für mich ein Freudentag, weil ich in einem bisher nicht gekannten und völlig überraschenden Umfange mit Glückwünschen und Geschenken aus dem Mitarbeiterkreise bedacht worden bin. Ich zählte etwa 50 große Fliederstengel neben zwei Blumenkörben und einer Topfblume und anderen wertvollen Geschenken, darunter ein Kasten Exportbier. Und das alles am Tage vor der Besetzung des Generalsekretariats. Der Länderrat hat in geheimer Sitzung nach Ausschluß aller Beobachter mit 15 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung meine Wahl zum Generalsekretär vorgenommen. 2 4 Das Ergebnis war nach den vorangegangenen Auseinandersetzungen sehr befriedigend. Ich habe meinen Stolz offen bekundet. Nun kann es losgehen! Doch vorher noch ein Besuch in Lörrach. Ergänzung: D i e Entscheidung des Länderrats wegen meiner Bestellung zum Generalsekretär verlief insofern nicht ohne Aufregung, als der süddeutsche Länderrat in Stuttgart beschlossen hatte, seinen eigenen Generalsekretär Dr. Roßmann für die gleiche Stellung beim bizonalen Länderrat vorzuschlagen. Man war sich seiner Sache so sicher, daß der Gegenkandidat bereits Anstalten traf, um sich in Frankfurt in den Räumen des Exekutivrats einzurichten und meinem persönlichen Mitarbeiter Oberinspektor Zimmer Anweisungen zu erteilen. Es muß dann im Kreise der Sozialdemokraten eine heftige Auseinandersetzung gegeben haben mit dem Ergebnis, daß man sich doch für mich entschied. Als mir von dem Vorsitzenden des bizonalen Länderrats, Ministerpräsident Ehard. meine Wahl zum Generalsekretär mitgeteilt wurde, stellte ich sofort die Frage, ob ich wohl nur das Vertrauen einer knappen Mehrheit im Länderrat hätte, worauf Dr. Ehard antwortete: „Wir haben alle, bis auf einen, für Sie gestimmt"; ich vermute, daß sich die hessische Regierung mit dem Vorschlag Dr. Eberhard nicht hat durchsetzen können. Die Fahrt nach Lörrach war insofern von einer großen Bedeutung, als sie zu einer Zusammenkunft mit Frau Berta Hess und mit Herrn Albert Manz an der Grenze diente, die in rührender Weise immer wieder durch die Lieferung von Lebensmitteln ihre Verbundenheit bekundeten.

14. März 1948 Der neue Oberdirektor Dr. Pünder hat seinen Dienst aufgenommen. 2 5 Die Presse tat empört wegen der geheimen Abstimmung über die Bestätigung im Länderrat; die Amerikaner wünschen offenbar ebenfalls öffentliche Verhandlungen im Länderrat, weil sie ihn als zweite Kammer ansehen, die grundsätzlich öffentlich zu tagen habe. Es wird sich herausstellen, was die Besprechungen der nächsten Tage bringen. Jedenfalls habe ich neulich einem Herrn von Omgus Berlin sehr eindrücklich gesagt, was der Länderrat anstrebt und weshalb er sich ein Generalsekretariat mit Referenten zugelegt hat. Man will den Deutschen hier im Rahmen der Bestimmungen der Proklamation volle Freiheit lassen. Ich hoffe daher nach wie vor, daß es mir gelingt, durch die Praxis zu beweisen, daß die Länder daran interessiert sind, ein gutes Generalsekretariat zu haben. Dr. Pünder ist ein sehr höflicher Mann. Es wird sich bald zeigen, ob er die Aufgaben erfaßt und die Möglichkeiten, die in seiner Stellung liegen. Er läuft Gefahr, von den Direktoren als Collegium eingesackt zu werden oder ganz an

72

Tagebuch 1948

das Gängelband der C D U zu geraten oder wegen falscher Sparsamkeit keine Leitung und Überwachung durchsetzen zu können, weil es einfach an geeigneten R e f e r e n t e n fehlt. In den ersten acht Tagen ist jedenfalls praktisch nichts geschehen, so daß ich gestern in einer Referentenbesprechung die weitere Bearbeitung durch die Referenten des Länderrats angeboten habe, damit ü b e r h a u p t sachlich etwas getan wird. H e r r Dr. Krautwig, der Adlatus von D r . Pünder, hat keinerlei klare Vorstellungen von der Arbeitsweise des Oberdirektors. Ich habe einige Befürchtungen für den so notwendigen Erfolg. H e r r von E l m e n a u , den die Bayern zur Dienstleistung bei Dr. Pünder angeboten haben, wird vielleicht O r d n u n g schaffen. Übel ist der Kampf um weitere Machtstellungen der C D U . Sie will D r . O p p l e r , den Leiter des Personalamtes, durch D r . Lukaschek ersetzen und d e m Rechtsamt unter Strauß größere Vollmachten geben. Es ist erschütternd, immer wieder zu erfahren, wie konsquent von der C D U der Klassenkampf gegen die S P D geführt wird. Man nutzt alle Möglichkeiten einer Besetzung der maßgebenden Stellen aus, von Toleranz oder gar noch Zusammenarbeit ist nichts zu spüren. 25. März 1948 Der Länderrat, das ist die Gesamtheit der Herren Ländervertreter, 2 6 insbesondere der Ministerpräsidenten, macht mich krank. Gestern wurde von Bayern und Hessen ernsthaft bestritten, daß in der Tat ein Finanzreferent nötig wäre. Ich muß gestehen, daß mir der A t e m wegblieb. Gerade die Bayern, die Föderalisten, wollen nicht einsehen, daß man die Länderinteressen nur mit guten G r ü n d e n und daher auch mit guten Leuten wirksam vertreten kann. Ich d e n k e aber, die Sache kommt noch zurecht. In solchen Zeiten beginnender Demokratie sollte ich nur an leitender Stelle tätig sein. W a r es schon mit dem verschlagenen Hilpert unmöglich, anständig zusammenzuarbeiten, weil er kein Vertrauen und keine Toleranz kennt und nur seine Parteiinteressen - neben den persönlichen - im Auge hat, so brachte die Geschäftsführung des Exekutivrates erst nach Monaten der Bewährung ein erträgliches Verhältnis, jedenfalls mit den Mitgliedern, die nicht zur SPD gehörten. N u n m e h r beginnt ein neues Beriechen und Bespitzeln; die Bayern und die Hessen kommen vor lauter Mißtrauen und Unkenntnis zu keinem A u f t r i e b . Die Mittelmäßigkeit - dritter Güte - drückt alles platt. Wie soll das anders werden, wenn man seine Herren Chefs - 15 - in der Regel nur einmal monatlich in der Sitzung erlebt und diese wie die Filmdiven zu allem und jedem reden und peinlich darauf bedacht sind, daß ihnen nicht etwa ein Stein aus der Krone fällt. Welcher A u f b a u ! Welche Demokratie! Ich muß an das öfter gebrauchte Bild denken, wonach im Convoy das langsamste Schiff das T e m p o aller bestimmt; so auch hier. Ich selbst k o m m e mir mehr als Schäferhund vor, der sich ständig bemüht, die H e r d e in eine bestimmte Richtung zu treiben. U n t e r dem Einfluß der Engländer - Clave - hat sich Kriedemann dem G e d a n k e n der Koalitionsgemeinschaft mit der C D U so genähert, daß er darüber

Tagebuch 1948

73

offen spricht. Die Regierungsbeteiligung der SPD soll schon vor den erwarteten allgemeinen Wahlen praktisch werden. 28. März 1948 Gestern war ich bei Dr. Lukaschek in Bad Königstein, wo er im Parkhotel mit seiner Frau in einem Zimmer haust. E s waren noch Dr. Brinkmann und Frau zu Besuch. Interessant folgendes: Die Wahl von D r . L. zum Oberdirektor ist an Hilpert gescheitert, der L. als zu weit links stehend in der Fraktion der C D U hingestellt hat; sein Verkehr mit Dr. Spiecker und mir hat dabei eine Rolle gespielt. So hat man Dr. Pünder genommen, der allgemein als unzureichend angesehen wird; er war früher mit Dr. L. sehr befreundet auf G r u n d gemeinsamer Erlebnisse im Gestapo-Gefängnis und nachfolgender Führung der Praxis von D r . Pünders Bruder durch Dr. L. Das scheint alles verraucht und vergessen und zwar so weitgehend, daß Frl. Reichelt, die ich als Vorzimmerdame zu Dr. P ü n d e r gab, mit höchstem Mißtrauen behandelt wird, weil sie jahrelang bei Dr. L. gearbeitet hat. Das heißt man Volksgemeinschaft und nationale Haltung. General Clay hat in der vergangenen Woche zu Dr. L. geschickt, er solle die Erklärung abgeben, daß er bereit sei, den Posten des Präsidenten, nicht auch des Vizepräsidenten des Obergerichts anzunehmen. Nach Rücksprache mit Minister Zinn gab Dr. L. die Erklärung ab; dabei hat Zinn gesagt, er müsse es tun, weil doch unmöglich Min. Direktor Canter zum Präsidenten ernannt werden dürfe. (Man fragt sich nur, wie Hessen zu einem derartigen V o r s c h l a g - offenbar unter Mitwirkung von Zinn - gekommen war.) Einige Tage später wird D r . L. von Omgus gedrängt - ich nehme an von Dr. Biel und von Housen - er solle den Posten des Vizepräsidenten annehmen, Clay habe sich gegen Robertson nicht durchsetzen könne, der einen Sozialdemokraten verlangt und Ruscheweyh vorschlug, da ja die C D U alle Posten in Frankfurt innehabe. Ich redete D r . L. zu, damit er endlich aus der Ecke in Königstein herauskäme. E r hat angenommen, ich habe die Nachricht an Dr. Biel gegeben. Das Ergebnis ist durchaus befriedigend. Man rätselt nun darüber, wie lange es mit Dr. Pünder gehen soll. 1. April 1948 Gestern und heute waren Besprechungen über die Organisation des Marshallplanes mit Sir Cecil Weir und Mr. Wilkinson. M a n hat sich in Paris geeinigt sowohl über die Art der Zusammenarbeit wie über die Beteiligung der Westzonen. 2 7 Diese treten getrennt auf (französische Z o n e und Vereintes Wirtschaftsgebiet), vertreten durch die Befehlshaber der Besatzungsmächte. Das tut uns Deutschen natürlich weh, daß noch nicht einmal hier eine Einheit gefunden ist. A u s den überreichten Entwürfen ergibt sich die volle Gleichberechtigung Deutschlands. Die deutsche Stellungnahme fiel daher völlig positiv aus. Das quittierte die andere Seite mit Genugtuung. Peinlich war die dringende Mahnung von Wilkinson, die deutschen Vorschläge müßten ehrlich, wahr und so sein, daß sie aller Kritik standhielten. Die

74

Tagebuch 1948

Weltpresse würde sich damit beschäftigen. Diese Mahnung war offenbar sehr begründet, denn die deutschen A n f o r d e r u n g e n über 2,235 Mrd. Dollar liegen viel zu hoch. D e m Vernehmen nach müssen sie auf 1,2 Mrd. Dollar ermäßigt werden. Man traut uns nicht - mit Recht bei dieser Verwaltung - und will eine Blamage vermeiden. Die deutschen Vertreter b e n a h m e n sich entsprechend schlecht. D r . P ü n d e r stimmte ganz und gar den Ausführungen der Gegenseite zu und behauptete mit E m p h a s e , d a ß die deutschen Vorschläge ganz den gestellten A n f o r d e r u n g e n entsprächen. Dr. Köhler tönte in Dank u n d Wichtigkeit. Kopf gab eine wohlgesetzte, vorbereitete Erklärung ab, in d e r e r feststellte, d a ß er die deutschen Vorschläge nicht kenne; das gab Verwunderung. Die Gegenseite wünschte strenge Vertraulichkeit, Dr. Köhler drang auf ein Pressek o m m u n i q u e und die Bekanntgabe seiner Erklärung; es ist einfach zum Platzen. Die Russen gehen nun daran, die anderen Besatzungsmächte aus Berlin herauszudrängen. Das kostet Nerven. Man weiß nicht recht, wie die Amerikaner nach den vielen Beteuerungen, daß sie in Berlin bleiben würden, ohne einen erheblichen Prestigeverlust davonkommen sollen. D e n n schließlich müssen zwei Millionen Berliner ernährt werden. M a n darf gespannt sein, was jetzt kommt.28 2. April 1948 H e u t e war eine Konferenz der Finanzminister der Länder, die in einem D ä m m e r s c h o p p e n im Ratskeller bei Hochheimer Wein endete. D o r t erzählte Hilpert viel von sich und seiner Vergangenheit. Einiges davon scheint mir beachtenswert, da Hilpert immerhin der große C D U - M a n n ist, der wohl noch einmal eine große Rolle spielen wird. Nach längeren unterhaltsamen Erzählungen, die sich nett anhörten, fragte Finanzminister D u d e k Hilpert, der gerade gesagt hatte, er müsse zu einer Wahlversammlung nach Dieburg: „Was sagen Sie denn dort über die S P D ? " Hilpert antwortete etwa folgendermaßen: „Ich b e d a u e r e die SPD, denn sie geht dem Verfall entgegen, da sie totalitäre T e n d e n z e n hat. Sie hat noch einige gute V e r t r e t e r . " Darauf wurde von Finanzminister Schenck entgegnet, der Totalitarismus gehe durch alle Parteien. Hilpert sagte dann weiter: „Am Rohbau des neuen deutschen Staates sollten S P D und C D U zusammenarbeiten. Wenn es um die Innenausstattung geht, dann kann man sich ja um den Geschmack streiten". Und dann weiter: „Wir brauchen eine Restauration des Kapitalismus mit einer Kerenskidemokratie". Im Verlaufe der Unterredung wurde an Dr. Hilpert die Frage gerichtet, wie er zu den Berliner Ereignissen und d e m russischen Vorhaben stehe? Hilpert entgegnete, daß er an einen Krieg nicht glaube. Die Amerikaner wären entschlossen, den Bolschewismus zu vernichten; dazu würden sie im nächsten Jahre stark genug sein. Ein Ü b e r r e n n e n Westdeutschlands mit russischen Tanks wäre nicht möglich. Eine Tankoffensive bedinge eine tiefe Staffelung und käme nur 40 km weit bei den Verhältnissen in Mitteldeutschland. Es würden ja alle Brücken über die Elbe sofort gesprengt. Wenn die Amerikaner einen Gürtel von A t o m b o m ben hinter die russischen Linien legten, dann wäre es sowieso sofort aus. Dazu

Tagebuch 1948

75

k o m m e die Bewaffnung der Bevölkerung, die nicht aufgehalten werden könnte und einen Partisanenkrieg zur Folge hätte. Die Russen wären viel zu schwach für einen Krieg, das wüßten sie selbst. 11. April 1948 D e r Marshallplan - E R P - tritt jetzt in den Bereich unserer praktischen, täglichen Arbeit. D e r Start war schlecht, weil wir Deutschen immer wieder in die politische Verantwortung hineingezogen werden f ü r Dinge und Verhandlungen, an denen wir gar nicht beteiligt waren. So legte man uns den Entwurf des Vertrages über die Organisation zur Durchführung des E R P vor, der f ü r streng geheim erklärt wurde, und wollte die volle deutsche Billigung von Wirtschaftsrat und Länderrat, obgleich weder das Plenum des Wirtschaftsrates noch ein Ausschuß noch gar der Länderrat sich damit befassen konnten. Immerhin: was 16 souveräne Staaten in Europa tun, das frommt auch dem besiegten und besetzten Deutschland. Diese Entscheidung war leicht. Einige Tage später kam eine Einladung zur Besprechung des deutschen Vorschlages zum E R P . Min. Präs. Kopf mußte erklären, daß er zu dem Vorschlage nicht Stellung nehmen könne, weil er ihm gar nicht bekannt sei. Das schlug ein, zumal die SPD eine öffentliche Erklärung abgab, worin sie gegen die C D U - K r a m e r e i in Sachen des Marshallplanes protestierte. Ein näheres Zusehen ergab, daß eigentlich Herr Dr. Keiser allein diesen äußerst wichtigen Vorschlag gemacht hat, ohne seine Vorgesetzten wesentlich und seine Mitarbeiter überhaupt daran zu beteiligen. Nun soll auf Wunsch das Büro des Länderrats eingeschaltet werden. 12. April 1948 A m Freitag hatte ich ein erfreuliches Erlebnis im Sinne der Demokratie. D r . Ruscheweyh und D r . Lukaschek, Präsident und Vizepräsident des neuen Obergerichts 2 9 , waren im Büro D r . Hansens zusammengekommen, um sich über ihre nächsten A u f g a b e n zu unterhalten. D a saßen sich nun zwei deutsche D e m o k r a t e n gegenüber: der eine etwas rundlich mit breitem, freundlichem Gesicht und grauen H a a r e n , höflich in gemessenen Worten und behutsam sprechend - der andere gelassen und entschieden in seinen Meinungsäußerungen, verständigungsbereit und auf Würde bedacht, ein langer, derb anmutender und doch weicher und gutmütiger M a n n . Insgesamt zwei echte D e m o k r a t e n , auf die das neue Deutschland stolz sein kann. Sie werden auch den Siegermächten Achtung abnötigen und dort Sympathien haben. H e u t e fand eine Besprechung in Bipartite Control Office 3 0 statt, die erneut D r . Pünders Schwäche zeigte. Dazu kommt, d a ß er aus Opportunismus gar nicht ängstlich bei der Wahrheit bleibt. Als er wegen der schleppenden Behandlung der Auflösung der zonalen Dienststellen zur Rede gestellt wurde, behauptete er, von dem entsprechenden Schreiben erst vor einer Woche - also am 5. IV. Kenntnis erhalten zu haben; gleich darauf bezog er sich jedoch auf ein eigenes

76

Tagebuch 1948

Schreiben vom 24. März, mit dem er um Fristverlängerung bis 25. April gebeten habe. Z u seiner Entschuldigung führte er ferner aus, daß er bei der Amtsübern a h m e keinen Stuhl und keinen Federhalter vorgefunden habe - eine glatte Lüge, da ich ihm fünf komplett eingerichtete B ü r o r ä u m e überließ, darunter sein Büro mit meiner eigenen Ausstattung! 17. April

1948

Die vergangene Woche war anstrengend, brachte aber die Erledigung wichtiger A u f g a b e n . Ich selbst war bis zum Zerreißen angestrengt. Im Mittelpunkt der Verhandlungen stand der deutsche Vorschlag zum ERP. 3 1 General Adcock und M a c R e a d y gaben am Montag dem dringenden Wunsche der Militärregierungen Ausdruck, d a ß die deutschen politischen Stellen oder Parteien ihre grundsätzliche Z u s t i m m u n g zu d e m deutschen Vorschlage kundtun sollten, weil der Eindruck b e s t ü n d e , als wenn es sich um einen Vorschlag der C D U handelte. 3 2 A m Dienstag fand eine gemeinsame Besprechung der deutschen Stellen und Vertreter statt, die lediglich der Information diente. Dann befaßte sich der Länderrat eingehend mit dem deutschen Vorschlag, nachdem der Wirtschaftsminister D r . Seidel-München ein gutes Referat gehalten hatte. Nach langer D e b a t t e entschloß sich der Länderrat, seine Zustimmung auszudrücken mit dem Hinweis auf die Tatsache, daß nur ein Anfang gemacht würde und Änderungen und Ergänzungen von allen Seiten bei nachgewiesenem Bedürfnis untersucht werden möchten. Der Bericht Dr. Seidels wird dem Protokoll beigefügt, das an B I C O geht. Die Konferenz mit Clay und Robertson 3 3 brachte die Gewißheit, daß die W ä h r u n g s r e f o r m kommt und die Deutschen sich sofort mit der notwendigen Steuerreform beschäftigen m ü ß t e n . Den Kriegsschadenausgleich sollten die Deutschen allein machen. Ü b e r eine deutsche Regierungsbildung könne noch nichts gesagt werden, weil das eine europäische Angelegenheit sei, über die in zehn Tagen in London verhandelt würde. 3 4 Wegen der beantragten E i n f u h r von Fleisch und eines Moratoriums wegen der Restitution von Vermögenswerten gab es von seiten General Clays eine scharfe A b f u h r . D e r Finanzausschuß des Länderrates entwickelte gestern seinen grundsätzlich föderalistischen Standpunkt zur Finanzverwaltung; die beiden Sozialdemokraten - D u d e k und Schenck - unter den Finanzministern sind ohne Durchschlagskraft; Dr. Hilpert meistert die Fragen in seinem Sinne. H e u t e k a m Kriedemann aufgeregt zu mir. D e r soz. dem. Parteivorstand hat in Nr. 154 des Sonderdienstes von Sopade die sog. ..Pünder-Denkschrift", gemeint ist d e r deutsche Vorschlag zum E R P , scharf angegriffen als unzulänglich und allzu zaghaft, weil unter dem Drucke der Militärdienststellen in Deutschland angefertigt. 3 3 Westdeutschland dürfte nicht wie ..ein Ausräuberungsgebiet f ü r R o h s t o f f e " behandelt werden. Es wird von einem „Anspruch Deutschlands auf Beteiligung am ersten Jahr des Marshallplanes von nur 800 Mio. Dollar" gesprochen. Nach dem Stande der deutschen Bevölkerung müsse überhaupt „ein Betrag von 1 Mrd. Dollar das Minimum darstellen". Z u r Begründung wird mit den Berichten 4 offizieller amerikanischer Gremien operiert: Krug-Report,

Tagebuch 1948

77

Nourse-Report, Harriman-Report und Herter-Report und auf einen ..Konflikt zwischen den verantwortlichen Stellen und den Vertretern der Besatzungsregierung in der Frage des deutschen Anteils an der Marshall-Plan-Hilfe" hingewiesen. 36 Es wird vorgeschlagen, in voller Offenheit zu verhandeln, einen Brief an Herrn H o f f m a n , den amerikanischen ERP-Gewaltigen, zu schreiben und den Länderrat und die Gewerkschaften mobil zu machen. Man kann gespannt sein, was dieser Vorstoß für Wirkungen auf deutscher und amerikanischer Seite haben wird. Die Kommunisten werden sich freuen, und die Deutschen werden sich gleich am Anfang unbeliebt machen: das verstehen sie bestens. 20. April 1948 Prophezeiung Dr. Lentze Heute hatte mich Dr. Lentze zu einem Herrn Karl Schumacher gebracht, dem Inhaber der Fa. Keimsch und Co. Frankfurt/Mainzgasse. Dabei kam die alte Voraussage Lentzes zum Jahre 1952 mit dem Treffen in [unleserlich], zu dem er die Tochter des früheren Reichskanzlers Luther eingeladen hat. zur Sprache. Ich fragte auf Grund der vorangegangenen Aussprache über die Teilung und mögliche Wiedervereinigung Deutschlands, was Lentze deswegen zu sagen habe. Er meinte mit voller Überzeugung: Berlin wird im Winter 1954/5 wieder Hauptstadt Deutschlands werden. Politischer Anlaß zu diesem Ereignis wird ein großer Streit in China sein. Deutschland wird die Grenzen von 1937 wieder erlangen. Die Lage in China würde durch den schnellen Bevölkerungszuwachs zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung führen. Nous verrons! 1. Mai 1948 Dr. Schumacher ist sehr krank: nach Angabe von Kriedemann ist die Lebensgefahr vorüber und damit auch die Gefahr einer Beinamputation. Schumacher wird auf Wochen und Monate im Bett liegen müssen. Gestern gab es in der internen Sitzung des Länderrates 3 ' eine lange Aussprache über die allgemeine politische Lage, insbesondere wegen der Einrichtung einer Westrepublik. Anlaß dazu war der Wunsch nach einer vertraulichen Aussprache mit den Generälen Clav und Robertson, weil die Monatskonferenzen 38 mehr das Gepräge von öffentlichen Sitzungen haben. Dazu kam die Nachricht aus der New York Herald Tribüne über den Stand der Londoner Verhandlungen, wonach alsbald allgemeine Wahlen zu einer verfassunggebenden Versammlung der drei Zonen stattfinden sollen mit je 1 Sitz auf 750000 Einwohner. Die Amerikaner und Briten wären entschlossen, die Staatsorganisation notfalls auch ohne die Franzosen hinzustellen. 39 Dr. Ehard. der diesmal ohne Begleiter - Pfeiffer oder Müller - erschienen war. ging kräftig ins Zeug, verteidigte die Ellwanger Bemühungen 4 " gegen die Abstinenzpolitik von Adenauer und Schumacher und forderte eine offene Aussprache der Ministerpräsidenten mit Clay und Robertson. Max Brauer, Harmssen, Spiecker schlugen in dieselbe Kerbe.

78

Tagebuch 1948 E i n e Neuerung auf dem G e b i e t e der demokratischen Praxis stellte die

Anfrage an D r . Schlange-Schöningen dar wegen der Mängel in der Statistik und Planung. Schi, war trotz 2maliger Einladung nicht erschienen; die weitere Behandlung der Angelegenheit ist daher verlegt worden, nachdem D r . Ehard und K o p f sehr klare Worte der Kritik an der bizonalen Verwaltung für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten gesprochen hatten. Podeyn tat mir leid, daß er nicht anerkannt wurde und nicht zu Worte kam. E r soll beim Weggang gesagt haben, der Länderrat würde diese Sitzung noch zu bedauern haben. Als ein Punkt für eine offene politische Schlacht wurde die Frage der Auflösung der Finanzleitstelle in Hamburg angesehen. 4 1 Nach einem sehr geschmeidigen Referat von Dr. Hilpert verständigte man sich dahin, daß es im amerikanischen Gebiet bleiben soll wie bisher und daß die Funktionen der Finanzleitstelle von den vier Finanzministern der britischen Z o n e zunächst treuhänderisch übernommen werden sollen; auf diese Weise bleibt die Entscheidung wegen einer Sonderverwaltung des Bundes - Reichs? - auf dem G e b i e t e der Steuern bewußt offen. D i e Kommunalwahlen in Hessen 4 2 haben der S P D einen üblen Rückschlag eingebracht; die C D U hat sich trotz aller schlechten Prophezeiungen relativ gut gehalten. D e r Aufschwung der D e m o k r a t e n war z. T . erwartet, die S P D mußte j e d o c h glauben, daß er auf Kosten der C D U vor sich gehen würde; tatsächlich ist die S P D indirekt daran auch sehr stark beteiligt, vielleicht noch mehr als die C D U . Die Wahl der Flüchtlinge (ca. 6 0 0 0 0 0 ) hat der S P D nichts eingebracht. Ich glaube, es ist das zu einem erheblichen Teile die gerechte Quittung für falsche und schlechte Politik. W o h e r soll denn auch die Achtung vor Stock, K o c h , K o l b , Nischalke usw. k o m m e n , um nur einige der am häufigsten genannten Namen aufzugreifen? Wird man daraus lernen? Ich glaube kaum, die Tatsachen werden Klarheit schaffen müssen. 8. Mai 1948 Gestern fand eine der Besprechungen bei Bipartite Control Office 4 3 statt unter Vorsitz der G e n e r ä l e Adcock und M a c R e a d y , die so ganz den schlechten Gang der deutschen Verwaltung demonstrieren. Die Generäle haben j a auch nicht das Bedürfnis, mit den Deutschen irgendwelche Probleme freimütig zu diskutieren. W i e sollten sie auch als Militärs und Nichtfachmänner? Sie stellen nur immer wieder fest, daß die Deutschen ihre Ankündigungen nicht wahr machen, daß sie sehr langwierig und umständlich verfahren, daß sie gegebene Anordnungen nicht durchsetzen, daß sie wesentlichen Problemen nicht auf den L e i b rücken, daß sie die ihnen gegebenen Vollmachten nicht ausfüllen - und daß es häufig eines drastischen Druckes der Militärregierungen bedarf, um eingetretene Mißstände zu beseitigen. Mich muten solche Verhandlungen stets peinlich an, weil sie keineswegs zur Steigerung des deutschen Ansehens beitragen. Wenn dann die Deutschen noch untereinander uneinig sind, wird der Eindruck noch schlechter. E s sind allerdings auch wenig imponierende Gestalten unter den deutschen

Tagebuch 1948

79

Spitzen zu sehen. D r . Pünder ist von vornherein als ein eitler und schwacher Mann in Erscheinung getreten. D r . Erhard in der Verwaltung für Wirtschaft hat keinen Kredit nach seinem Versagen in München als Wirtschaftsminister. 4 4 Dr. Frohne ist nazibelastet in den Augen der Militärregierung und wenig tatkräftig. D r . Schubert ist wegen seiner Beamtenpolitik verdächtig. D r . Hartmann tritt wenig hervor und tut wenig. Dr. Schlange-Schöningen ist bei den Deutschen umstritten, weiß sich aber jeweils gut zu stellen, da er ein erfahrener Parlamentarier ist. D r . Köhler wirkt mit seiner theatralischen Haltung und großen Eitelkeit lächerlich. So kommt es, daß der Länderrat mit seinen Ministerpräsidenten noch verhältnismäßig den besten Eindruck macht. D i e Spannung S P D C D U ist auch hier wirksam, unheilvoll wirksam. Ich kann verstehen, wenn die Militärregierungen im Zweifel sind, ob sie den Deutschen jetzt schon größere Vollmachten geben sollen. 15. Mai 1948 D a s Ereignis der W o c h e war die Konferenz mit Clay und R o b e r t s o n 4 5 ; sie gestaltete sich erneut zu einer für die Deutschen blamablen Angelegenheit. General Clay kann allerdings auch zynisch und hämisch sein, freilich machen es ihm die Deutschen stets sehr leicht. D a hielt z. B . D r . Köhler einen umständlich breiten, mit detaillierten Zahlenangaben versehenen Vortrag über die Notwendigkeit der Bekämpfung des Schwarzwildes mit Schußwaffen. Clay stellte, nachdem D r . Köhler in seiner geschwollenen Art geendet hatte, die Gegenfrage: „Welches ist denn nun der Unterschied zwischen der Wirklichkeit und Ihren Z a h l e n ? " Köhler erwiderte, daß er sich auf einen Bericht der Verwaltung für Ernährung stütze. „ J a " , entgegnete Clay, „das habe ich mir gedacht; aber die Verwaltung stützt sich doch auf die Angaben der B a u e r n . E s wäre interessant, wenn die Bauern mit derselben Gründlichkeit errechnen würden, wie sich der Unterschied zwischen E r n t e und Ablieferung erklärt. V o n Herrn D r . Köhler habe ich auf meine Frage keine Antwort erwartet". Clay sicherte dann eine erneute Prüfung dieser Frage zu und bemerkte abschließend: „Wir wollen aber soviel Schwarzwild übrig lassen, daß die Bauern auch in Zukunft damit operieren k ö n n e n " . Ähnliche Abfuhren gab es wegen des Vorschlages zur Änderung des Statuts der Länderbank [Bank deutscher Länder] und bei Erörterung der Kohlenlage. Anschließend hatten die Ministerpräsidenten eine kleine vertrauliche Besprechung mit Clay und Robertson wegen der zu erwartenden politischen Entwicklung in Westdeutschland. D i e Sache wird in zwei bis drei Wochen offen zur Erörterung stehen. Clay meinte, er und R o b e r t s o n hätten sich durch das Eintreten für Deutschland hinreichend unbeliebt gemacht. Man müsse bedenken, wie die Verhandlungslage noch vor 1 - 1 / : Jahren gewesen sei. D i e Ministerpräsidenten würden wohl in die Lage k o m m e n , in gleicher Weise ihre Popularität dranzusetzen, da sie die ersten Maßnahmen zur Errichtung einer begrenzt verfassungsmäßigen Regierung durchzusetzen hätten. Herr Hilpert hat an K o p f einen B r i e f geschrieben, er solle bei Abschluß

80

Tagebuch 1948

meines Anstellungsvertrages die Beschränkung meiner Zuständigkeit nach § 31 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Länderrates 4 6 ausdrücklich aufnehmen - was mag er wohl im Schilde führen? Der CSU-Mann, Oberregierungsrat von Elmenau. bajuvarisiert die Direktorialkanzlei um Dr. Pünder. Bewerber, die nicht von der CDU-Leitung kommen oder aus dem Bekanntenkreise v. Eimenaus stammen, haben keinerlei Aussichten. Unser guter [unleserlich] ist suspekt, obgleich er geschworen hat, nicht Mitglied der SPD zu sein. Dem tüchtigen Rolf muß ein zuverlässiger Mann vorgesetzt werden. Es schüttelt einen, wenn man das sieht und erlebt bei soviel Unzulänglichkeit. Dr. Pünder selbst erscheint völlig unzuverlässig, redet er doch jedem nach dem Munde ohne Rücksicht auf die Wahrheit und bei peinlichem Bedacht auf „seinen guten Namen", wobei die Kenner nur lächeln können. Lord Pakenham gegenüber hat er die Sozialisierung des Ruhrgebietes abgelehnt und behauptet, die SPD wolle keine Zusammenarbeit mit der CDU, weshalb sie sogar ihn selber mit lügnerischen Behauptungen angreife (er meinte wegen des ERP-Vorschlages). Dazu muß man nur einmal erlebt haben, wie liebedienerisch Dr. Pünder mit sozialdemokratischen Politikern umgeht. Die große Trennungslinie geht hier wie überall durch das Gewissen. Entweder haben die Politiker das Bedürfnis nach Moral und Sauberkeit (dann kann ich mit ihnen verhandeln und arbeiten), oder sie haben es nicht! O , wieviele nehmen Unmoral als Schläue oder politische Begabung! 23. Mai 1948 Die Währungsreform hebt sich immer dunkler am Horizont ab wie eine schwarze, aufsteigende Gewitterwand. Die Schlauen haben sich hinter Sachwerten gesichert, die Fleißigen hoffen auf gerechte Entlohnung, auch wenn sie noch die letzten Vermögensreste verlieren sollten. Die Armen und Arbeitsunfähigen können ohne Gruseln gar nicht daran denken, daß sie radikal vor dem Nichts stehen sollen. Die deutschen Sachverständigen flattern umher, wie aufgescheuchte Nachteulen, weil ihre Währungsträume (sprich: Vorschläge) abgelehnt sind. Sie wollen für das, was kommt, nicht verantwortlich sein. Einer von ihnen, ein Sozialdemokrat, ist aus dem sagenhaften Camp ausgebrochen 47 und hat sich dem Parteivorstand als starker Währungskommissar angeboten. Im Finanzausschuß des Länderrates, der am Freitag von 9 bis 23 Uhr tagte, fiel die treffende Bemerkung, man könne jetzt erst ermessen, was Erfüllungspolitik heiße und was Politiker wie Erzberger, Wirth, Stresemann geleistet und (unter dem Parteigegnern) gelitten hätten. Kurt Jahn machte gestern abend bei einer Debatte über Tagesfragen einen Radikalvorschlag zum sogenannten Kriegsschadenausgleich. Man solle alle Ansprüche streichen und nur gewisse soziale Forderungen erfüllen. Jeder Versuch einer gerechten Lösung wäre sachlich zum Scheitern verurteilt und gefährde die neue Währung. Alle müßten von vorn anfangen und würden

Tagebuch 1948

81

d a d u r c h zu h ö c h s t e r L e i s t u n g a n g e s p a n n t . Die G e s c h ä d i g t e n h ä t t e n d a n n d i e G e n u g t u u n g , nicht allein v e r a r m t zu sein, die B e l a s t e t e n h ä t t e n die C h a n c e , i h r e V e r m ö g e n s w e r t e w i e d e r zu e r l a n g e n . So w ä r e d e n Schiebern a m b e s t e n b e i z u k o m m e n . Ich b r a c h t e diesen V o r s c h l a g h e u t e in e i n e m Kreise von Soziald e m o k r a t e n (Fachleuten) vor und fand dabei großen Anklang. 29. Mai

1948

D i e W ä h r u n g s r e f o r m zeichnet sich n u n deutlich a m politischen H o r i z o n t ab. E s gibt viel G e r e d e d a r ü b e r . M a n ist im v o r a u s u n z u f r i e d e n . Die D e u t s c h e n w e r d e n a m R a n d e a n g e h ö r t u n d sind z. T . e m p ö r t d a r ü b e r , d a ß ein j u n g e r a m e r i k a n i scher S t u d e n t n a m e n s T e n e n b a u m ( a n g e b l i c h 28 J a h r e alt) ziemlich f o r s c h u n d s t r e n g mit d e n d e u t s c h e n S a c h v e r s t ä n d i g e n umgeht. 4 t < A m meisten sind d i e G e m ü t e r d a r ü b e r a u f g e r e g t , d a ß die G e l d r e f o r m b r u t a l - m o n e t ä r d u r c h g e f ü h r t wird u n d kein W o r t ü b e r d e n Kriegsschadensausgleich v e r l a u t e t . D a s sollen d i e D e u t s c h e n selbst m a c h e n . A b e r wie u n d mit welchen Mitteln u n d f ü r w e l c h e n B e r e i c h , d a die französische Z o n e noch eine W e i l e abseits stehen w i r d ? E s f e h l t ja a u c h j e d e F ü h r u n g in d e r B i z o n e . wie die letzte T a g u n g d e s W i r t s c h a f t s r a t e s bei B e h a n d l u n g des P r e i s p r o b l e m s zeigte. D a z u k o m m t die G e h e i m n i s k r ä m e r e i mit d e r W ä h r u n g s r e f o r m , die j e d e o f f e n e A u s s p r a c h e unmöglich m a c h t . Ich m u ß s c h o n s a g e n , d a ß auf diese T o u r Politik nicht zu m a c h e n ist. Vielleicht h a t S c h u m a c h e r mit seiner O p p o s i t i o n s p o l i t i k a m E n d e doch r e c h t , d a n n n ä m l i c h , w e n n wir bald ein B e s a t z u n g s s t a t u t e r h a l t e n . E s ist nur nicht sehr w a h r s c h e i n l i c h bei d e m V e r h a l t e n d e r F r a n z o s e n . D a las ich h e u t e im A u s l a n d s p r e s s e - S p i e g e l d e r b a y e r i s c h e n Staatskanzlei v o m 26. V . 48 d e n A u s z u g aus e i n e m A r t i k e l L é o n B l u m s im „ P o p u l a i r e " v o m 6. V. 48: „ A u c h F r a n k r e i c h sollte sich e i n e r k l e i n e n G e w i s s e n s p r ü f u n g u n t e r z i e h e n ! Ist es nicht g e r a d e F r a n k r e i c h , das, u m G e b i e t s a b t r e n n u n g v o m W e s t e n

zu

e r z w i n g e n , m o n a t e l a n g j e d e s V o r g e h e n d e s K o n t r o l l r a t e s in Berlin g e l ä h m t h a t ? H a t nicht g e r a d e F r a n k r e i c h die S c h a f f u n g e i n e r Z e n t r a l v e r w a l t u n g , d i e sich ü b e r alle vier Z o n e n e r s t r e c k t h ä t t e u n d die von W a s h i n g t o n aus vor m e h r als zwei J a h r e n vorgeschlagen u n d schließich von M o s k a u a n g e n o m m e n w u r d e , W i d e r s t a n d e n t g e g e n g e s e t z t ? A n g e s i c h t s d e r g e g e n w ä r t i g e n Lage scheint es m i r s c h w e r , die T r e n n u n g als eine e n d g ü l t i g e u n d u n w i d e r r u f l i c h e T a t s a c h e hinzun e h m e n , sie a u f r e c h t zu e r h a l t e n u n d d a r a u s ein f ü r allemal die K o n s e q u e n z e n zu z i e h e n . " D i e s e W o r t e des alten S o z i a l i s t e n f ü h r e r s sind m i r aus d e r Seele g e s p r o c h e n , d e n n sie e n t s p r e c h e n ganz m e i n e r E m p f i n d u n g , d a ß in F r a n k r e i c h die kleinliche Politik d e s S p i e ß b ü r g e r s g e m a c h t w i r d , d e r sich von nationalistischen u n d m e r k a n t i l e n A u g e n b l i c k s r e g u n g e n leiten läßt. E s ist dieselbe E r f a h r u n g wie n a c h 1918, als die F r a n z o s e n in d e r A t t i t u d e e i n e r gewissen Ü b e r h e b l i c h k e i t vielleicht a u s A n g s t g e f ü h l e n h e r a u s - sich als g r a n d e n a t i o n a u f s p i e l t e n u n d d a b e i in D e u t s c h l a n d psychologisch g e n a u das G e g e n t e i l von d e m e r r e i c h t e n , was i h n e n g e f r o m m t h ä t t e . So k o m m t es d i e s m a l g e n a u w i e d e r , w e n n sich die A m e r i k a n e r nicht d u r c h s e t z e n .

82

Tagebuch 1948

E b e n las ich die letzte N u m m e r der New York Herald Tribüne und die Berichte über die Londoner Konferenz. 4 9 D e r Widerstand der Franzosen spielt die entscheidende Rolle. Sie wollen die Länderregierungen mit der Einsetzung der Constituante beauftragen und Rheinland und Westfalen aufteilen. Merkwürdig nur, daß die Politik der C D U , d e r A d e n a u e r , Hilpert, Ehard, Müller usw. damit so haargenau übereinstimmt. Es lief mir eine Gänsehaut über den R ü c k e n , als ich das las. Dr. Heinrich Köhler, der alte Fuchs aus Karlsruhe, kam neulich in eine peinliche Lage, als er gefragt wurde, ob er denn ebenfalls die Erzbergerische Steuerreform 5 0 für falsch und schädlich halte, an der er doch tätig mitgewirkt habe? Antwort: „Ich hielt sie für gut und bin auch heute noch dieser Ansicht. Wenn ich mich jedoch jetzt f ü r die Steuerverwaltung durch die L ä n d e r einsetze, so tue ich das deshalb, weil ich weiß, daß die Franzosen eine einheitliche Steuerverwaltung nicht zulassen w ü r d e n . " So - und das ist nun der Schwanengesang eines bekannten Zentrumpolitikers. Ich bin davon überzeugt, daß die Entwicklung darüber hinwegschreiten wird. Gestern fand die Ministerpräsidentenkonferenz auf trizonaler Basis statt. 5 1 Die Währungsreform hatte sie veranlaßt. Leider war die Regierung von Freiburg/Südbaden nicht vertreten. Ich n e h m e an, daß nur CDU-Minister und ihre Berater erschienen waren. Sie f ü h r t e n eine erfreulich deutliche Sprache; ich war besonders davon beeindruckt, wie sehr sie nach der Trizone streben und eine Bundesregierung wünschen. Sie haben die französische Politik drei J a h r e lang zur Genüge erfahren. D e r Lastenausgleich ist nach ihrer Meinung nur trizonal zu machen, sonst bricht die französische Z o n e ab. So wird die deutsche Masse der Nicht-Sachbesitzer vor eine große Entscheidung gestellt werden. Hoffentlich ist die SPD bereit und stark genug, diesen Wahlkampf zu führen und die maßgebende Aufklärung zu schaffen. E s geht um Deutschlands Z u k u n f t ! 11. Juni 1948 D a s K o m m u n i q u e über die Londoner Konferenz 5 2 hat in Deutschland wegen der Internationalisierung des Ruhrgebietes und wegen der föderalistischen A r t der Deutschlandpolitik im Sinne der Franzosen eine große Enttäuschung bereitet. G e r a d e die S P D hatte als selbstverständlich angenommen, daß die verfassunggebende Versammlung eine deutsche Nationalversammlung sein werde, hervorgegangen aus allgemeinen Wahlen. Statt dessen haben sich die Alliierten, wohl unter französischem D r u c k , dahin geeinigt, daß die Länder die verfassunggebende Versammlung bilden sollen. Es kommt alles darauf an, wie sich die Ministerpräsidenten und die Länderparlamente, also schließlich die Parteien, verhalten. Werden sie sich zu einer gemeinsamen Aktion verständigen o d e r werden sie sich separatistisch einstellen? Den Bayern traue ich eine separatistische Haltung zu, denn sie rühmen sich, mit den Franzosen in enger Fühlung zu sein. Hier wird sich Grundlegendes entscheiden. Dahrendorf meint h e u t e , daß die sozialdemokratischen Ministerpräsidenten schlechthin ablehnen sollten, aufgrund der Londoner Beschlüsse tätig zu werden. So kann es doch nicht gehen, denn wir müssen doch alle uns gegebenen Chancen ausnutzen.

Tagebuch 1948

83

Die Deutschen können nur stark werden, wenn sie einig sind, sie müßten doch wenigstens in der Frage der deutschen Einheit einig sein. Ich bin gespannt, was da in der nächsten Woche herauskommt, wenn die Ministerpräsidenten sich mit den Militärgouverneuren treffen. Es geht um lebenswichtige Dinge des deutschen Volkes. Wie sehr im Auslande die Meinungen divergieren und was sich insbesondere die Franzosen vorstellen, erfuhr ich vorgestern, als Ministerialdirektor Brecht und ein Prof. Kopelmanas aus Paris beim Länderrat waren, um die deutsche Meinung zu erforschen. Kopelmanas trug vor, West-Deutschland solle 3 Staaten bilden, die sich als Interimslösung zusammenschließen sollten in einem Bund (Union), der nur diejenigen Zuständigkeiten haben sollte, die später auf die europäische Union übergehen würden, so daß die deutsche Union mit der Begründung der europäischen Union hinfällig würde; dann könnten die deutschen Staaten Glieder der europäischen Union werden. Ich habe scharf dagegen eingewandt, daß es politisch nicht möglich wäre, den Deutschen keine provisorische Verfassung anzubieten. Es wurde weiter darauf hingewiesen, daß Föderalismus nicht Schwächung Deutschlands bedeuten dürfe; der Sicherheitsgedanke Frankreichs dürfe nicht in die Forderung auf Zerschlagung Deutschlands münden. Nach meiner schon lange vorgetragenen Meinung werden die Franzosen das ganze Konzept verderben. Sie werden in Deutschland den Nationalismus züchten, weil sie die deutsche Einheit und den Wiederaufbau zu verhindern bestrebt sein werden, und sie werden die europäische Union hintanstellen, weil sie nicht für die „grande nation" die Führerrolle erreichen können. De Gaulle ist ein Nationalist - kein Demokrat, noch weniger ein Europäer, wenn ich mich nicht irre. Die Franzosen werden wohl niemals verstehen, daß man ein besiegtes Volk versöhnen muß, wenn man es überwinden will. Die Engländer haben es mit den Buren getan und die Preußen unter Bismarck mit den Österreichern. Die „revanche pour Sadowa" war eine französische, nicht eine österreichische Propaganda-Forderung. Die Währungsreform wird streng liberalistisch-kapitalistisch gemacht. Der Wirtschaftsrat will dagegen protestieren. 53 Er sollte es sich vielmehr angelegen sein lassen, auf diese Währungsreform eine gleiche Erfassung der Sachwerte zu setzen und das Signal zu einem neuen Start zu geben. Wenn die Demokratie jetzt nicht eine Tat vollbringt, wird sie verspielt haben für lange Zeit. Ich bin gespannt, ob die SPD mit meinen Vorschlägen etwas anzufangen versteht. Wenn die SPD jetzt nicht in die Verantwortung geht, versündigt sie sich am deutschen Volke, denn nun beginnt die Zeit, da es nicht mehr möglich sein wird, die Zustände ganz auf das Konto von Hitler zu buchen. Die Jugend braucht Auftrieb und Zukur;ftschancen. Für die Sachwertbesitzer kann es nur das Leistungsprinzip geben, wir müssen in die Zukunft schauen, nicht auf das Vergangene.

84

Tagebuch 1948

19. Juni

1948

D i e W ä h r u n g s r e f o r m ist da."14 E n d l i c h , d e n n die W i r t s c h a f t k a m z u m Stillstand a u s A n g s t , m e h r zu v e r d i e n e n , als u n b e d i n g t e r f o r d e r l i c h w ä r e . D i e K a u f l e u t e d r ü c k t e n sich u m d i e W a r e n a b g a b e , die G e l d b e s i t z e r k a u f t e n , w a s irgendwie e r r e i c h b a r . N u n k o m m t eine Z e i t e c h t e r G e l d n o t , h o f f e n t l i c h auch zugleich die E i n s i c h t in d i e N o t w e n d i g k e i t , z u a r b e i t e n u n d zu s p a r e n . G a n z u n e r f r e u l i c h ist d e r asoziale C h a r a k t e r d e r G e l d r e f o r m . M a n h ä t t e e i n e n b e s s e r e n S t a r t g e h a b t , w e n n die K o p f q u o t e - e t w a mit 30 o d e r 40 D M - o h n e A n r e c h n u n g a u s g e z a h l t wäre. D a s U m t a u s c h v e r h ä l t n i s 1:10 bringt die k l e i n e n L e u t e u m i h r e S p a r g r o s c h e n . A u f d e r a n d e r e n Seite b e s t e h t die Möglichkeit f ü r ein g ü n s t i g e r e s U m t a u s c h v e r h ä l t n i s bei d e r A r b e i t e r - K o p f q u o t e d e r A r b e i t g e b e r , w e l c h e sich g e r a d e bei W a r e n h a m s t e r e r n als eine P r ä m i e auf die W a r e n h o r t u n g a u s w i r k e n k a n n . D a z u k o m m e n die A b w e r t u n g s g e w i n n e , welche die S c h u l d n e r , i n s b e s o n d e r e die S a c h w e r t b e s i t z e r , m a c h e n , so d a ß d i e F r a g e d e r E r f a s s u n g d e r S a c h w e r t e ganz b r e n n e n d wird. Sie d ü r f t e die politische K a r d i n a l f r a g e der n ä c h s t e n Z u k u n f t w e r d e n . Ich h a b e einen r a d i k a l e n

Vorschlag

gemacht, der den sozialdemokratischen Partei-Vorstand heute beschäftigen d ü r f t e . M a H o f f e n t l i c h hat man d i e C o u r a g e , den Kriegssachgeschädigten g r u n d sätzlich nichts zu g e b e n - a u ß e r e i n e r V o r z u g s r e n t e u n d e i n e r kleinen H a u s r a t e n t s c h ä d i g u n g . u n d d a f ü r im I n t e r e s s e d e r sozialen G e r e c h t i g k e i t d a s R e i n v e r m ö g e n d e r S a c h w e r t b e s i t z e r mit 80 % zu e r f a s s e n ; das wäre ein Start zu n e u e m T u n . Wir w o l l e n s e h e n , wozu d i e d e u t s c h e n Politiker reif u n d e n t s c h l o s s e n sind. D i e K o n f e r e n z e n mit d e n G e n e r ä l e n Clay u n d R o b e r t s o n in der v e r g a n g e n e n W o c h e e r g a b e n kein e r f r e u l i c h e s Bild.'""' Z u n ä c h s t w e h r t e Clay scharf die A n s c h u l d i g u n g e n u n d Z u m u t u n g e n von W i r t s c h a f t s r a t u n d V e r w a l t u n g f ü r W i r t s c h a f t a b ; D r . K ö h l e r hatte mit d e r A n d r o h u n g e i n e r A b l e h n u n g d e u t s c h e r V e r a n t w o r t u n g die H e r a u s g a b e der d e u t s c h e n V o r s c h l ä g e zur S t e u e r r e f o r m o h n e Ä n d e r u n g g e f o r d e r t , w a s Clay als ein U l t i m a t u m

bezeichnete

und

a b l e h n t e . 1 ' ' D r . E r h a r d h a t t e b e t o n t , d a ß kein d e u t s c h e r E x p o r t k a u f m a n n m e h r d a r a n g l a u b e , d a ß d e n Alliierten an e i n e r S t ä r k u n g des d e u t s c h e n E x p o r t s g e l e g e n w ä r e , w o r a u f Clay j e d e weitere D i s k u s s i o n a b l e h n t e , w ä h r e n d R o b e r t son d a r a u f a u f m e r k s a m m a c h t e , es w ä r e nicht Pflicht des D i r e k t o r s V e r w a l t u n g f ü r W i r t s c h a f t , solche A n s i c h t e n bei d e n

der

Militärgouverneuren

v o r z u t r a g e n , v i e l m e h r bei den U r h e b e r n zu b e k ä m p f e n u n t e r H i n w e i s auf die Tatsachen.17 S e h r deutlich w u r d e d e n H e r r e n v o m W i r t s c h a f t s r a t klar g e m a c h t , d a ß d e r L ä n d e r r a t in allen F r a g e n m i t z u w i r k e n h a b e ; m a n l e h n t e die E r ö r t e r u n g d e r V o r s c h l ä g e d e s W i r t s c h a f t s r a t e s a b , solange ein V o t u m des L ä n d e r r a t s nicht v o r l ä g e . H i e r h a t sich eine W a n d l u n g vollzogen, die gewiß auf f r a n z ö s i s c h e n E i n f l u ß z u r ü c k g e h e n d ü r f t e . G e n e r a l R o b e r t s o n zeigte sich in s e i n e m d i p l o m a t i s c h e n G e s c h i c k u n d p e r s ö n l i c h e n C h a r m e , als er allein mit w e n i g e n d e u t s c h e n Experten am Mittwoch über die Endfragen der Steuerreform verhandelte.lS Die O f f e n h e i t s e i n e r F r a g e s t e l l u n g , das v e r s t ä n d n i s v o l l e E i n g e h e n auf die d e u t s c h e n

Tagebuch 1948

85

A n s i c h t e n u n d V o r s c h l ä g e u n d d i e legere A r t seines A u f t r e t e n s - mit h o c h g e k r e m p e l t e n H e m d s ä r m e l n - g e w a n n e n ihm die H e r z e n aller. A u f d e m R ü c k w e g e m e i n t e D r . H i l p e r t : „ E n g l a n d ist noch lange nicht a m E n d e seiner K r a f t a n g e l a n g t . D e r S e n i o r c h e f spricht schließlich das e n t s c h e i d e n d e W o r t ! "

27. Juni

1948

D i e b i z o n a l e K o n f e r e n z d e r M i n i s t e r p r ä s i d e n t e n mit d e n 3 M i l i t ä r g o u v e r n e u r e n ist z u m 30. 6. v e r s c h o b e n w o r d e n . So b r a c h t e die letzte W o c h e u n s e i n e e b e n s o langwierige wie a u f r e g e n d e Konferenz der Finanzminister über Fragen der Währungs- und Steuerreform. B i s h e r ist es mit d e r G e l d u m s t e l l u n g glatt g e g a n g e n . D i e L e u t e b e k a m e n G e l d in die H a n d , k o n n t e n einiges k a u f e n u n d h a b e n mit B e g e i s t e r u n g , d. h. z . T . o h n e Sinn u n d V e r s t a n d , e i n g e k a u f t . D i e E i s e n b a h n e n sind l e e r , die Schwarzh ä n d l e r sind z. T . v e r s c h w u n d e n , die B a u e r n b r i n g e n O b s t u n d G e m ü s e auf d e n M a r k t , d i e K a u f l e u t e b e g i n n e n , w i e d e r höflich zu w e r d e n . E s ist ein W u n d e r g e s c h e h e n , alles ist in E r w a r t u n g d e s s e n , was noch k o m m e n m a g . E i n e n tiefen S c h a t t e n w e r f e n die Ereignisse in Berlin^ 9 auf die d e u t s c h e politische L a g e . Sie z e i g e n , d a ß d i e R u s s e n in i h r e m b r u t a l e n I m p e r i a l i s m u s k e i n e S c h a m u n d S c h r a n k e k e n n e n ; w e n n sie nicht d o c h A n g s t v o r e i n e m K r i e g e mit d e n U S A h ä t t e n , s ä ß e n sie gewiß schon am R h e i n , u m „ d e n d e u t s c h e n M i l i t a r i s m u s mit Stumpf u n d Stiel auszurotten.'" D a s Ü b e l s t e an diesen E r f a h r u n g e n ist, d a ß es i m m e r z a h l r e i c h e d e u t s c h e „Politiker'" gibt, die l i e b e d i e n e risch b e r e i t sind, ihr e i g e n e s Volk z u k n e b e l n , zu v e r r a t e n u n d zu v e r k a u f e n . Wir m ü s s e n es täglich s e h e n , d a ß die B a r b a r e n nicht n u r von a u ß e n - aus d e r F r e m d e - k o m m e n , wie wir es a u s d e r G e s c h i c h t e des A b e n d l a n d e s wissen, s o n d e r n a u c h v o n u n t e n h e r im e i g e n e n Staat u n d V o l k , wie die tägliche Praxis d e s O s t e n s beweist. I n s o f e r n widerlegt d e r M a r x i s m u s - L e n i n i s m u s - S t a l i n i s m u s seine e i g e n e materialistische G e s c h i c h t s a u f f a s s u n g d u r c h seine eigene Praxis. M a n m ö c h t e h e u t e geneigt sein zu b e h a u p t e n : Alle g r o ß e G e s c h i c h t e ist d e r K a m p f der Kulturen gegeneinander. Ich w e r b e im Stillen f ü r e i n e n r a d i k a l e n sozialen L a s t e n a u s g l e i c h u n d bin g e s p a n n t , was d e r P a r t e i v o r s t a n d d a r ü b e r in d e n n ä c h s t e n T a g e n in H a m b u r g b e s c h l i e ß e n wird. L e i d e r bin ich v e r h i n d e r t , an d e n V e r h a n d l u n g e n t e i l z u n e h m e n , weil am M i t t w o c h die K o n f e r e n z d e r M i n . - P r ä s i d e n t e n s t a t t f i n d e t . 4. Juli

1948

D i e trizonale K o n f e r e n z d e r M i n . - P r ä s i d e n t e n ist mit d e n drei M i l i t ä r g o u v e r n e u r e n erst a m D o n n e r s t a g z u s t a n d e g e k o m m e n . W l In höchst u n w ü r d i g e r W e i s e h a t t e n die drei M i l i t ä r g o u v e r n e u r e einladen lassen: viel zu s p ä t , o h n e A n g a b e v o n S t u n d e u n d R a u m u n d d u r c h d i e L ä n d e r g o u v e r n e u r e . Es w a r d e s h a l b a u c h drei T a g e lang ein s t ä n d i g e s F r a g e n , T e l e p h o n i e r e n . Bestellen u n d U m b e s t e l len. Lediglich B ü r g e r m e i s t e r B r a u e r h a t t e sich nicht aus d e r R u h e b r i n g e n lassen u n d w a r , wie v e r a b r e d e t , a m D o n n e r s t a g f r ü h erst e i n g e t r o f f e n .

86

Tagebuch 1948

Die Verhandlung wickelte sich höchst formell ab, indem jeder der Militärgouverneure ein Dokument vorlas über Verfassungsfragen bzw. Ländergrenzen bzw. Besatzungsstatut. 61 Die Deutschen erklärten durch Min.-Präsident Maier, daß sie heute noch keine Stellung bezögen, auch nicht Fragen allgemeiner Art stellen würden. Untereinander kamen die Min.-Präsidenten nur zu dem Ergebnis, am Dienstag, 8. Juli, erneut zusammenzutreten und zwar in Koblenz. General Koenig machte auf mich keinen durchaus sympathischen Eindruck, weder rein menschlich noch nach seiner Geistesstärke. (Man erzählte später, daß er sich in der Zeit als französischer Militärgouverneur in Deutschland außerordentlich bereichert habe.) Er wirkt eitel, geistig eng und kalt. Erschüttert war ich von dem Anblick der drei Min.-Präsidenten der französischen Zone: Wohleb, Altmeier und Bock. Daß diese Herren den französischen Militärs nicht entgegentreten oder (besser gesagt) nicht imponieren können, sieht man auf den ersten Blick - nicht weil sie klein sind, vielmehr kommen Haltung, Kleidung und Gesichtsausdruck zusammen. Ihre Begleiter [unleserlich] und Karl [Carlo] Schmid waren sehr in Nöten, den gleichen Eindruck hatten Dr. Spiecker [?] und Dr. Kaub [?], auch andere Herren. Gestern hatte ich ein Gespräch mit Ollenhauer, Kriedemann und Nau über die zu ergreifenden Maßnahmen. Wir haben uns schnell verständigt, nur bin ich der Meinung, daß bis November die neuen Wahlen aufgrund der Verfassung nicht zustande kommen werden, auch wenn es ausgesprochenermaßen eine „provisorische Verfassung" wird. Es ist mir auch zweifelhaft, ob die SPD ein Interesse daran haben kann, mitten in der Umstellungskrise allgemeine Wahlen durchzuführen. Sie will jetzt anscheinend bald in die Regierung gehen. Mein Vorschlag zum Lastenausgleich ist vom Parteivorstand gebilligt. Er will durchaus mit einem eigenen, in die Zukunft weisenden Programm für den Lastenausgleich auftreten. In Kürze werden deswegen noch nähere Beratungen abgehalten werden. 6 2 10. Juli

1948

Die Konferenz der Min.-Präsidenten in Koblenz 63 ist das deutsche politische Ereignis der Woche. Ich bekam davon persönlich insofern etwas mit, als ich an der Vorbesprechung der Sozialdemokraten im Hotel Jagdschloß Niederwald bei Rüdesheim teilnahm. 64 Dort ging es gemäßigt zu. Ollenhauer leitete die Konferenz sachlich und zielbewußt. Carlo Schmid stieß auf heftige Ablehnung bei Brauer, als er seinen negativen Standpunkt der Unannehmbarkeit des Dokuments 3 wegen des Besatzungsstatuts vortrug. Allgemeine Erkenntnis war der Fortschritt, der in jedem Fall in der Durchführung der Londoner Beschlüsse liegt, besonders gegenüber den Franzosen. Kaisen vertrat den realistischen Standpunkt, daß eine Revisionsmöglichkeit des Besatzungsstatuts gefordert werden müsse. Er war es. der in Kassel Andreas Gayk auf dessen Bemerkung: Wir haben zwei Feinde - die C D U und die Besatzung - entgegenschleuderte: „Dann beschließt doch gleich, daß die Besatzung abziehen soll."

Tagebuch 1948

87

Brauer warnte davor, die französische Politik der Verzögerung zu unterstützen. Er verlas ein Schreiben seines Gouverneurs Berry. wonach es die größte Gefahr für Deutschland wäre, wenn die Londoner Beschlüsse von den Deutschen gesprengt würden. Brauer trat für direkte Wahlenein: „Wir verkaufen das Erstgeburtsrecht der Wähler, wenn wir die verfassunggebende Versammlung durch die Landtage wählen lassen." In der Frage der Ländergrenzen empfahl er Zurückhaltung, weil sie die Deutschen zerreißen würde. Man einigte sich auf die Forderung, die Trizone schnellstens einzurichten ohne eine symbolische Beteiligung von Ostdeutschland und bei der Möglichkeit der Einbeziehung von Gesamtberlin. Jedenfalls indirekte Wahlen, damit schnell gehandelt werden kann und dann allgemeine Wahlen zur gesetzgebenden Körperschaft stattfinden können. In den Nachtstunden zogen dann alle Ministerpräsidenten ihre Landkarten mit den geänderten Ländergrenzen heraus - sie hatten schon im geheimen ihre imperialistischen Gedanken gepflegt. Erschütternd war der Appell von Louise Schröder, die übrigens sehr gealtert erscheint, für einen Kredit von 100 Millionen DM zugunsten Berlins. Die Lage wäre sehr ernst: 400000 Arbeitslose müßten wegen Strommangels feiern und unterstützt werden. Die Ostmark beherrsche beinahe vollkommen die Westsektoren, wenn nicht neues Geld käme. Die Menschen setzten ihre ganze Hoffnung auf die Besatzung und auf die Berliner Genossen, daß sie vor den Russen bewahrt würden. Immer wieder drängten sich die Frauen an sie heran, um einen Händedruck zu erreichen als Trost und Kräftigung. Man müsse Berlin in den Stand setzen, noch 4 bis 6 Wochen auszuhalten, bis die Entscheidung im diplomatischen Felde getroffen wäre. Die Nachrichten aus Koblenz werden von den Alliierten mit Besorgnis aufgenommen, wie ich da und dort hörte, weil das Negative von den Deutschen gar zu sehr herausgestellt würde. Es sind die Geburtswehen eines neuen Organismus. Ich hoffe, daß der russische Druck die Deutschen zu einmütiger Auffassung zusammenschließt. Die Diskussion um meinen Vorschlag zum Lastenausgleich geht weiter; er setzt sich immer mehr in unseren Reihen durch, weil man sich den realistischen Einsichten und Forderungen nicht verschließen kann. Ich hatte eine sehr förderliche Diskussion in dem soz. ökonomischen Arbeitskreis gegen Dr. Lubowski und Dr. Siebrecht. Diese kamen schließlich zur Ablehnung mit dem einen Grund: Es würde in der Hand des Staates eine ungeheure Vermögensmasse von 20 bis 30 Milliarden Mark konzentriert, was praktisch den Tod der bürgerlichen Wirtschaftsform bedeute und an bolschewistische Methoden heranreiche. Hier zeigt sich im Letzten der gegensätzliche Standpunkt der Sozialisten und Kapitalisten. Ich meine: die Zeit marschiert mit uns. Es war bezeichnend, daß man mir keine Gegenvorschläge machen konnte. Die klare, realistische Grundlage meines Vorschlages wurde allgemein anerkannt.

88

Tagebuch 1948

11. Juli 1948 Edgar Reichel „Der Sozialismus der Fabier" (Verlag Lambert Schneider, Heidelberg). [. . . f 5 Am Donnerstag legte ich den elf Finanzministern den Antrag von Frau Louise Schröder wegen eines Kredites von 100 Millionen DM an Berlin wegen Zahlung von Arbeitslosenunterstützung und Vergrößerung des DM-Umlaufes vor. Hilpert hatte die Vorlage an den Schluß gestellt: es war gegen 6 Uhr nachmittags. Als Hilpert die Sache zur Sprache brachte, standen die Finanzminister KrausBayern 1 und Köhler-Stuttgart auf; sie hätten keine Zeit mehr, länger zu bleiben. Sie hätten auch kein Geld und wollten sich die Angelegenheit bis zur nächsten Sitzung überlegen. Mein Hinweis auf die große Dringlichkeit und den Wunsch der sozialdemokratischen Ministerpräsidenten machten keinen Eindruck. Ich erhielt keinerlei Unterstützung, weder von Dudeck noch von Schenck. Es war ein trauriger Fall. Ganz typisch für mich: die süddeutschen Länderbevollmächtigten sind entrüstet, wenn der Generalsekretär sich um die Auslegung der drei Dokumente bei BICO bekümmert, so daß er in aller Form revozieren muß - die süddeutschen Finanzminister lehnen es ab. sich über den Kampf um Berlin zu unterhalten und sofort die beantragte Hilfe zu gewähren. „Der eine fragt: Was kommt danach? der andere: ,Was ist Recht?' und also unterscheidet sich der Freie von dem Knecht." 18. Juli 1948 Die Konferenz der Ministerpräsidenten in Koblenz beherrschte in der vergangenen Woche alle Gespräche, zeitweise sogar mehr als die Blockade von Berlin. Unter Assistenz der Parteiführer Adenauer und Ollenhauer haben sich die elf Ministerpräsidenten darauf geeinigt: a) Keine Verfassung für einen westdeutschen Staat, sondern ein Organisationsoder Verwaltungsstatut zu machen. b) Die Ländergrenzen so wenig als möglich zu ändern. c) Ihre Wünsche zu einem Besatzungsstatut anzumelden. Carlo Schmid hat offenbar einen großen Einfluß auf das Ergebnis gehabt, weil er am besten vorbereitet war. Die Sozialdemokraten wollten keine direkten Wahlen zu der sogenannten verfassunggebenden Versammlung, dafür aber so schnell als möglich Abschluß dieses Zwischenstadiums und allgemeine Wahlen nach einem neuen Wahlgesetz für die Trizone. Dann will man offenbar tatkräftig in die Verantwortung gehen. Die CDU hatte alle Veranlassung, ohne direkte Wahlen diese verfassunggebende Versammlung zu besetzen, dann bekam sie dort einen Einfluß, der ihr nach der jetzigen Situation nicht zukommt. Man kündigte Wahlen für November an. ich habe schon Ollenhauer gesagt, es würde Februar werden. Clav war durch die deutschen Vorschläge beleidigt: man hätte die Entscheidung in die Hände der Franzosen gelegt, hätte die Geschäfte der Russen

Tagebuch 1948

89

g e m a c h t , weil d o c h d e r W e s t s t a a t gegen die russische Politik n o t w e n d i g w ä r e , u n d h ä t t e w i e d e r u m k e i n e n M u t bewiesen.'' 7 Clav schickte seine M i t a r b e i t e r P r o f . F r i e d r i c h , Litchfield, D r . S i m o n s zu d e n M i n i s t e r p r ä s i d e n t e n u n d auch z u m P a r t e i v o r s t a n d nach H a n n o v e r , u m V o r w ü r f e zu m a c h e n u n d gut z u z u r e d e n . A u c h A n t h o n y E d e n reiste h e r u m u n d s p r a c h persönlich mit allen Prominenten. B r a u e r f a ß t e seine A n t w o r t an Clay wie folgt z u s a m m e n : die T a t s a c h e , d a ß sich die elf M i n . - P r ä s i d e n t e n geeinigt h a b e n , m ö g e I h n e n zeigen, wie das d e u t s c h e Volk d e n k t , d e n n wir h a b e n I h n e n die M e i n u n g des d e u t s c h e n V o l k e s v o r g e t r a g e n . W i r h a l t e n a n d e m G e d a n k e n d e r d e u t s c h e n E i n h e i t fest u n d wollen nicht ausschließlich a m e r i k a n i s c h e Politik m a c h e n . W e n n Sie jetzt s a g e n , wir h ä t t e n die [ a n g l o - a m e r i k a n i s c h e ] Politik f ü r D e u t s c h l a n d d u r c h k r e u z t u n d die f r a n z ö s i s c h e A b w e h r s t e l l u n g g e s t ä r k t , d a n n d ü r f t e n Sie nicht mit uns v e r h a n d e l n o d e r m ü ß t e n u n s d a r ü b e r v o r h e r v e r s t ä n d i g e n . W e n n m a n die d e u t s c h e n M i n . - P r ä s i d e n t e n zu G e g e n v o r s c h l ä g e n a u f f o r d e r t , d a n n m u ß m a n bereit sein, ü b e r solche G e g e n v o r s c h l ä g e zu v e r h a n d e l n . Sonst h ä t t e m a n b e f e h l e n sollen o d e r sagen m ü s s e n , inwieweit die E m p f e h l u n g e n d e r L o n d o n e r Beschlüsse ultimativ sind.'' 8 D i e f ü r D o n n e r s t a g , d e n 15. V I I . a n g e s e t z t e K o n f e r e n z mit d e n elf Ministerp r ä s i d e n t e n fiel aus; K o e n i g h a t t e schon v o r h e r w e g e n seiner F r a u [?] a b s a g e n lassen. Z u n ä c h s t wollen sich die drei M i l i t ä r g o u v e r n e u r e u n t e r e i n a n d e r v e r s t ä n digen. E s wird wohl d o c h zu der provisorischen V e r f a s s u n g k o m m e n . D e r L a s t e n a u s g l e i c h zieht w e i t e r B l a s e n . E s herrscht allerdings völlige V e r w i r r u n g . K r i e d e m a n n b e m ü h t sich, die S o z i a l d e m o k r a t e n e t w a auf m e i n e Linie zu b r i n g e n . E r k ä m p f t e zwei T a g e lang in B a d Vilbel 6 9 mit allen m ö g l i c h e n V e r t r e t e r n u n d F u n k t i o n ä r e n . D a b e i k a m e n die u n m ö g l i c h s t e n G e s i c h t s p u n k t e z u m V o r t r a g ; d i e g r o ß e Linie sahen n u r einige. I m m e r w i e d e r b r a c h t e irgend ein p r a k t i s c h e r o d e r t h e o r e t i s c h e r E i n w a n d zu e i n e r D e t a i l f r a g e die Sinne d u r c h e i n a n d e r . Einige eitle W i s s e n s c h a f t l e r u m G e r h a r d Weisser u n d Prof. Preller k a m e n m i t b e t r i e b s w i r t s c h a f t l i c h e n u n d soziologischen P r o b l e m e n , die die [unleserlich] w a r e n . D e r V e r t r e t e r d e r G e w e r k s c h a f t e n D r . W o l k e r s d o r f h a t t e die g r ö ß t e n B e d e n k e n w e g e n G e f ä h r d u n g d e r R e n t a b i l i t ä t d e r b e l a s t e t e n B e t r i e b e , [unleserlich] In E i n z e l g e s p r ä c h e n h a b e ich i m m e r w i e d e r festgestellt, d a ß m e i n V o r s c h l a g im G r o ß e n gebilligt wird u n d d a ß ü b e r D e t a i l f r a g e n s e h r schnell E i n i g u n g zu erzielen ist. Ich h a b e alles g e g e n eine B e k a n n t g a b e m e i n e s V o r s c h l a g e s in d e r P r e s s e g e t a n . N a c h d e m S u c h a n g e g e n ü b e r D r . Bley nicht z u r ü c k h a l t e n d g e n u g w a r u n d d i e s e r , o h n e mich z u f r a g e n , zwei n u r halb richtige A r t i k e l in die W e l t g e b r a c h t h a t t e , w e r d e ich j e t z t a l l e n t h a l b e n a n g e f r a g t u n d u m M a t e r i a l g e b e t e n . So ergibt sich ein gewisser K o n f l i k t mit d e m P r o p a g a n d a i n t e r e s s e d e r S P D . G e s t e r n war „Cosi f a n t u t t e " im D a r m s t ä d t e r T h e a t e r : ein w a h r e r G e n u ß , zwei bis d r e i S t u n d e n von M o z a r t heiter u n d geistvoll u n t e r h a l t e n zu w e r d e n .

90

Tagebuch 1948

25. Juli 1948 Die Min.-Präsidenten waren erneut versammelt 7 " und haben sich geeinigt, nachdem eine Aussprache mit den drei Generälen stattgefunden hatte 71 und diese mitgeteilt hatten, was von den Empfehlungen unabänderlich sei. Ich glaube, daß die Rundfunkansprache 72 und die spätere ausführliche Unterredung Max Brauers mit Clay zu dem versöhnlichen Ton gerade dieses empfindlichen Mannes beigetragen hatten. Brauer hatte auseinandergesetzt, daß die Deutschen sich nicht ganz diplomatisch ausgedrückt hätten bei ihren Gegenvorschlägen, da ja die Ministerpräsidenten gar nicht Diplomaten sind, und daß ihre Einstimmigkeit doch beachtlich sei, weil sie die wahre Meinung des deutschen Volkes weitgehend treffen würde. Ferner hat Brauer wie vordem schon Kaisen scharf hervorgehoben, daß die Deutschen auf eine Verhandlung rechneten, da sie die drei Empfehlungen doch nicht als Ultimatum verstehen könnten. Die Sache läuft sich m. a. W. zurecht. Der Lastenausgleich erfaßt immer weitere Kreise, mein Vorschlag hat zahlreiche Gemüter in Bewegung gesetzt. Die SPD hat inzwischen 10 Grundsätze zum Lastenausgleich bekannt gegeben 73 , die z. T. völlig mit meinen 10 Thesen übereinstimmen. Ich werde allenthalben als Redner oder wegen Beiträgen zu Zeitungen aufgefordert, halte mich aber auf Wunsch von Kriedemann mehr zurück. Dr. Hagen, bisher Vizepräsident des Oberlandesgerichts in Gera, ist nach dem Westen geflohen, weil er als CDU-Abgeordneter von den Russen scharf bedrängt wurde. Er erzählte mir einiges aus seiner politischen Tätigkeit, was denn doch anders aussieht als die Erfahrungen, die ich noch gemacht habe. Die Vorstände der Kreisgruppen, Ortsgruppen usw. der CDU werden von den Russen vorgeschlagen und müssen einstimmig angenommen werden. An den betreffenden Sitzungen oder Versammlungen nehmen russische Offiziere teil und erklären erforderlichenfalls, daß jeder abweichende Vorschlag als eine feindselige Haltung gegenüber der Besatzungsmacht angesehen wird. Wo dann die Versammlungsteilnehmer, wie z. B. in Heiligenstadt, das Lokal verlassen, um sich nicht an der Wahl eines aufgezwungenen Vorstandes zu beteiligen, ernennt die Besatzungsbehörde den Vorstand kommissarisch. In dieser Weise wurde auch Dr. Alfons Leitner (?) gedrängt, Nachfolger von Kaiser 74 und Vorsitzender der Ost-CDU zu werden. Die Vorlage eines ärztlichen Attestes wegen Herzkranken hat ihm nichts genützt. So hat er denn die Flucht ergriffen, um nicht Diener der Besatzungsmacht zu werden. Die Gründung der nationaldemokratischen Partei in Thüringen ging so vor sich, daß man den Chirurgen der städtischen Krankenhäuser in Erfurt zur Administration bestellte, er solle die neue Partei gründen. Als er ablehnte, besonders mit Hinweis auf seine schlechte Erfahrung mit der Politik - er hatte der SS angehört - und auf seine starke ärztliche Inanspruchnahme, wurde ihm mitgeteilt, daß in Sibirien ein Gefangenenlager der SS mit etwa 20000 Insassen wäre, die eine ärztliche Versorgung brauchten, er solle ihnen aus seiner

Tagebuch 1948

91

E r f a h r u n g und aus seinem Bekanntenkreise eine Liste von geeigneten Ärzten f ü r die Lagerversorgung in einigen Tagen vorlegen. Ergebnis: er zog es vor, G r ü n d e r der Nationaldemokratischen Partei in Thüringen zu werden. Willi G e b h a r d ist nach Dr. Hagen ein übler Patron, weil er die Leute ohne Recht und Rechtsmittel verhaften und sitzen läßt. Wenn es wahr sein sollte, daß Eggerath geflohen ist, käme Gebhard nach Wunsch der russischen Administration als Landespräsident in Betracht. Josef Klein, f r ü h e r Perserteppiche en gros in Berlin, war hier. Er macht jetzt in Amerika ganz groß in Möbelstoffen. Daß sich dieser flotte, gewandte, fleißige und gescheite K a u f m a n n durchsetzen würde, war mir klar. Er wußte sehr interessant über die politischen Verhältnisse und Ansichten in Amerika zu berichten. 2. August 1948 Die Min.-Präsidenten haben sich mit den Militärgouverneuren geeinigt 76 ; es war ein Rückzug der Deutschen, der in dieser breiten Front nicht notwendig geworden wäre, wenn man sich früher intensiver um die außenpolitische Lage gekümmert und rechtzeitig nach der Meinung der Besatzungsmächte gefragt hätte. O f f e n b a r fürchteten die Amerikaner um das Ergebnis ihrer langen Auseinandersetzungen mit den Franzosen, die heute nach der Versteifung der Lage in Berlin noch mehr nach dem Osten schauen, als dies vor zwei Monaten der Fall war. Die ganze Angelegenheit beweist, wie wenig selbständig die Deutschen sind und wie sehr sie eine Regierung brauchen, damit in solchen Fällen vorher wenigstens inoffiziell mit den Besatzungsmächten verhandelt werden kann. Ich hatte jetzt zwei Tage lang Gelegenheit, bei Mr. Berley in Hilter an einer Diskussion ü b e r die deutsche Verfassung unter Leitung von Professor Gatteridge-Cambridge teilzunehmen (deutsche Teilnehmer: Steltzer, Kogon. Peters. Bergsträsser, Bourdin, Reisser). Hier gab sich schnell die Möglichkeit einer Verständigung sowohl zwischen den Deutschen der verschiedenen Parteien als auch mit den Briten. Natürlich setzt eine j e d e Diskussion, die erfolgreich sein soll, ein hohes Niveau der Aussprache wie ein politisch sauberes Ziel voraus. Die A n e r k e n n u n g der gegebenen Tatsachen ist jeweils nur möglich, wenn diese Tatsachen überhaupt bekannt und anerkannt sind. Ich habe immer die Feststellung machen müssen, d a ß meistens von ganz falschen Voraussetzungen ausgegangen wird, wenn sich Differenzen ergaben. Wo freilich verschiedene Ziele angesteuert werden, dort m u ß man sich über sie einigen; in solchen Fällen hängt die Fruchtbarkeit der Diskussion a b von der Entscheidung über das, was wichtig und was weniger wichtig ist. Die Aussprache in Hilter zeigte mir, daß die Briten doch ein erheblich höheres Kulturniveau haben und den deutschen Verhältnissen viel näher stehen, als ich dies bisher an den Amerikanern - soweit sie nicht Emigranten aus Deutschland sind - gemerkt habe. E u r o p a ist denn doch etwas anderes als Amerika. Es war

92

Tagebuch 1948

wirklich wohltuend, sich in einem gepflegten Hause unter gebildeten Menschen mit anständiger Gesinnung zu bewegen. Ich wollte, daß ich das öfter erlebte. 7. August

1948

Stalin hat die Gesandten der drei Westmächte empfangen. 7 7 Es werden nur Vermutungen über das Gespräch geäußert. Ich meine jedoch: wenn es eine Einigung gibt, dann wird der Progermanismus in England und A m e r i k a ein schnelles E n d e finden und Deutschland die Zeche schwer bezahlen; wenn es am E n d e einer Viererkonferenz keine Einigung gibt, dann wird Berlin von den Westmächten aufgegeben werden. Walter Lippmann kritisiert im New York Herald Tribüne die Politik von Marshall und Bevin und die Londoner Beschlüsse. 7 8 E r macht es sich sehr leicht, weil er nur die augenblickliche Lage beurteilt; man m u ß beachten, was früher war. Zweifellos müssen die Amerikaner teures Lehrgeld dafür bezahlen, daß sie die Russen als vertrauenswürdige Partner behandelt haben. Alle Schwierigkeiten kommen - soweit sie nicht unvorhergesehen sind - doch von der mangelnden Vertragstreue der Russen. Dieses F a k t u m ist heute voll erkannt; das ist eine Realität. Ich weiß nicht, ob jede Diktatur sich durch Verachtung von Recht und Vertrag auszeichnet; die Diktaturen in Deutschland, Italien und Rußland haben jedenfalls damit begonnen und ihre Erfolge eingeheimst. Vielleicht k o m m e n die Historiker einmal zu der Feststellung, d a ß die plebiszitären Diktaturen soziologisch betrachtet - die Herrschaft der Unsozialen bedeuten, d. h. derjenigen G r u p p e n , die keine innere und echte Verpflichtung zur Gemeinschaft kennen und nicht bereit sind, der Allgemeinheit in Demut zu dienen. Nicht will ich damit sagen, daß die Demokratien und D e m o k r a t e n sämtlich als sozial, der Gemeinschaft verpflichtet, anzusehen sind, aber sie sind doch deswegen immerhin moralisch gebunden und faßbar. 17. August

1948

Vorgestern gab es wieder eine gehörige Abreibung für die Deutschen durch das Zweimächtekontrollamt. Mr. Phelps machte scharfe Vorwürfe wegen der Bearbeitung der ERP-Angelegenheiten auf deutscher Seite. Die Herren sollten sich m e r k e n , d a ß es sich hierbei u m wichtige Dinge für Deutschland handele. Es ist peinlich, dabeizusitzen und mitzuhören. E s ist auch wirklich jammervoll, wie P ü n d e r und seine Direktoren arbeiten. Soviel Unentschlossenheit, Oberflächlichkeit und Säumigkeit ist kaum glaubhaft. Der H e r r Oberdirektor und sein Vertreter waren nicht da - auch das noch! D a f ü r hat er sich einen großen Mercedes zugelegt mit einem ovalen Schild „O. D . Frankfurt/Main" - soll heißen: Oberdirektor - man glaubt es nicht, wenn man es nicht gesehen hat. Auch hat er einen neuen Pressechef im Range eines Ministerialdirektors, [Carl Heinrich Knappstein], der mir sagte, daß Pünder von ihm - ähnlich wie Dr. K ö h l e r - erwartet, daß sein Name möglichst häufig in der Presse genannt werde. Jetzt kommt die Ausarbeitung eines Vierjahresplanes 7 9 für die Bizone auf

Tagebuch 1948

93

A n f o r d e r u n g v o n A d m i n i s t r a t o r H o f f m a n . E s graut mir s c h o n jetzt d a v o r - d. h. v o r d e r d e u t s c h e n U n z u l ä n g l i c h k e i t . G l ü c k l i c h e r w e i s e sind w i r S o z i a l d e m o k r a ten nicht ganz o h n e Informationen und Einwirkungsmöglichkeiten. bleibt,

Trostlos

d a ß wir w e d e r in der B a n k d e u t s c h e r L ä n d e r n o c h in d e r n e u e n

W i e d e r a u f b a u b a n k m a ß g e b l i c h v e r t r e t e n s e i n werden. 8 1 1 D e r L a s t e n a u s g l e i c h z e i g t e e b e n f a l l s deutlich, d a ß Initiative und P h a n t a s i e , T a t k r a f t und A r b e i t s t e m p o f e h l e n . L a n g s a m k o m m t a u c h d i e s e A n g e l e g e n h e i t in F l u ß . Ich hielt a m D o n n e r s t a g d e n F i n a n z m i n i s t e r n und d e n M i t g l i e d e r n d e s F i n a n z a u s s c h u s s e s d e s W i r t s c h a f t s r a t e s e i n e n V o r t r a g über d i e f i n a n z p o l i t i s c h e L a g e . D r . H i l p e r t war w o h l w e n i g d a v o n a n g e t a n , weil er s o l c h e D i n g e lieber allein a u f s e i n e m A m t e r l e d i g t . W e n n a u c h e i n e D i s k u s s i o n nicht z u s t a n d e k a m v i e l l e i c h t aus m a n g e l n d e r E i n s i c h t - s o w a r e n m e i n e A u s f ü h r u n g e n d o c h nicht o h n e E i n d r u c k auf alle B e t e i l i g t e n g e b l i e b e n und w e r d e n ihre W i r k u n g tun. D e n g l e i c h e n V o r t r a g hielt ich g e s t e r n a b e n d auf e i n e r A r b e i t s s i t z u n g der E v a n g e l i s c h e n A k a d e m i e H e s s e n - N a s s a u , d i e sich z u m Z i e l e g e s e t z t h a t t e , ein Wort der evangelischen

Kirche zum

L a s t e n a u s g l e i c h zu f o r m u l i e r e n .

Die

B e s p r e c h u n g e n w a r e n auf b e a c h t l i c h e m N i v e a u . G u t e L e u t e w i r k t e n mit 8 1 [unleserlich]. E s w a r uns m ö g l i c h , d i e realistische Linie auf d e r A u s g a b e n s e i t e

klar

d u r c h z u h a l t e n und alle U t o p i e n w e g e n e i n e r E n t s c h ä d i g u n g s z a h l u n g a b z u w e h r e n . D i e christlich-religiöse B e g r ü n d u n g d e r S t e l l u n g n a h m e ist gut und m . E . w i r k u n g s v o l l . A u f f a l l e n d w a r mir die s c h a r f e S t e l l u n g n a h m e g e g e n d e n M a s s e n wahn der Entschädigungssucht.

Klar und d e u t l i c h stellten sich alle auf d e n

S t a n d p u n k t , d a ß die K i r c h e der A n w a l t d e r A r m e n sein m ü s s e . Ergänzung: Die grundsätzliche Auseinandersetzung über Ziel und Ausgestaltung des Lastenausgleiches hat mich lange Zeit stark beschäftigt, wurde ich doch immer wieder zu V o r t r ä g e n eingeladen, in denen ich für den „sozialen" Lastenausgleich eintrat und energisch den ..quotalen"' Lastenausgleich ablehnte. In den bürgerlichen Kreisen und auch unter den Flüchtlingen wurde unter Hinweis auf die Unantastbarkeit des Privateigentums der G e d a n k e verfochten, aus dem A u f k o m m e n d e r Abgaben zum Lastenausgleich einen Fonds zu bilden, der nach den Regeln des Konkursverfahrens auf alle Kriegssachgeschädigten mit der gleichen Q u o t e verteilt werden sollte. Das hätte zur Folge gehabt, daß diejenigen Flüchtlinge und Kriegsgeschädigten, die sich meist in besseren wirtschaftlichen Verhältnissen b e f a n d e n , Zahlungen aus dem Lastenausgleich erwarten k o n n t e n , während die große Mehrheit der kleinen Leute auf die allgemeine Fürsorgeunterstützung bei den W o h l f a h r t s ä m t e r n angewiesen wären. D e m g e g e n ü b e r verlangten die Grundsätze des sozialen Lastenausgleichs, d a ß niemand von den Vertriebenen und Kriegssachgeschädigten wegen Bestreitung seines Lebensunterhalts usw. auf die Hilfe des Wohlfahrtsamtes angewiesen sein sollte, vielmehr wären den Vertriebenen und Geschädigten Rechtsansprüche auf eine Unterhaltsrente, auf Ausbildungsbeihilfe für die Kinder und darüber hinaus auf öffentliche Unterstützung zur G r ü n d u n g neuer Existenzen und zur Wiedereingliederung in die Wirtschaft einzuräumen. Erst weqn diese A u f g a b e n vom Lastenausgleich einmal erledigt sein sollten, wäre R a u m für den quotalen Lastenausgleich. Die politische Entscheidung, die zugleich unter Mitwirkung der SPD zunächst als sogenannte Soforthilfe und später für den Lastenausgleich getroffen wurde, war ein K o m p r o m i ß : Man entschied sich für den sozialen Lastenausgleich, auf den nach Jahren der quotale Lastenausgleich folgen sollte: zwischen beiden stand die sogen. Hausratshilfe, eine

94

Tagebuch 1948

pauschale Sachentschädigung für den verlorenen Hausrat innerhalb enger Grenzen. In Anbetracht der Tatsache, daß sich je länger je mehr die Vorzugsstellung der Nichtgeschädigten in der wirtschaftlichen Entwicklung deutlich herausstellte, und daß die Abgaben z u m Lastenausgleich, insbesondere durch die Verrentung der Abgabebeträge keine drückende Last wurden, muß das große Unternehmen des Lastenausgleichs trotz eines Gesamtumfanges von vielleicht 7 0 - 8 0 Milliarden D M insoweit als gescheitert angesehen werden, als es einen wahrhaften Ausgleich der Lasten zwischen den Geschädigten und den Nichtgeschädigten, zwischen den Sachwertbesitzern und den Habenichtsen nicht gab. Die Praxis hat klar erwiesen, daß es schlechthin unmöglich ist, eine ausgeglichene oder gar eine wachsende Volkswirtschaft zu behalten und gleichzeitig in großem Stile eine Umschichtung der Vermögen real durchzuführen.

29. August 1948, Basel Seit zehn Tagen bin ich in der Schweiz und esse, trinke und schlafe, schlafe viel und tief. Einige geistige Anregungen habe ich auch gehabt und einiges gelesen; wirkliche Erholung war mir die Hauptsache. Ich kann daher über die politisch relevanten Eindrücke dieser Zeit nichts Wichtiges sagen, weil ich, abgesehen von einem Besuch bei dem konservativen Altregierungsrat Imhof nur mit meinen Gastgebern gesprochen habe; es sind Emigranten, die z . T . ihre deutsche Mentalität behalten haben, z. T. in ihren persönlichen Sorgen befangen sind und davon frei zu kommen suchen, so daß sie für die größeren Zusammenhänge keine Zeit und Aufmerksamkeit aufbringen. Jedenfalls blieben alle politischen und wirtschaftspolitischen Erörterungen an der Oberfläche. Soweit man überhaupt in zehn Tagen unter solchen Umständen Beobachtungen und Feststellungen machen kann, möchte ich sagen, daß die Schweiz auf mich den Eindruck eines großen Badeortes macht; es steht alles im Zeichen der Fremdenwerbung, des berechnenden Calculs gegenüber Ausländern und wohlhabenden Leuten, der selbstbewußten Besitzpflege, der selbstwohlgefälligen Erfahrung und Erkenntnis aus klein-bürgerlich-übersichtlichen Verhältnissen. So kommt es, daß die Demokratie eine solche der örtlichen Selbstverwaltung und des Volksreferendums ist; sie arbeitet langsam, unter weitgehender Ausschaltung der persönlichen Verantwortung der leitenden Beamten, in anonymer Selbstgewißheit, die einen starken Einschlag von Fatalismus hat. Man ist konservativ, ohne es zu wissen oder zuzugeben. Die soziale Frage ist im Grunde genommen unbekannt; deshalb sind in den breiten Massen die Sorgen und Nöte, wenn man überhaupt von solchen sprechen kann, allenthalben die gleichen; sie heißen: Sicherung der wirtschaftlichen Existenz, Erhaltung und Mehrung des Privateigentums, Fernhaltung aller Unruhe und nicht überschaubarer Neuerungen. Ein typisches Beispiel ist die Behandlung des Frauenwahlrechts. Man ist stolz darauf, die älteste Demokratie in Europa zu sein, schämt sich aber ein wenig, daß die Frauen vom öffentlichen politischen Leben ausgeschlossen sind, nachdem sie doch in aller Form in den Arbeitsprozeß eingegliedert sind. So gibt es immer wieder den Versuch, durch Initiativantrag, durch Volksabstimmung das Frauenwahlrecht einzuführen. Dabei treten alle Parteien kräftig für die Parole der Zulassung der Frauen zum demokratischen politischen Leben ein, machen Aufrufe und Versammlungen, differenzieren vielleicht ein wenig nach

Tagebuch 1948

95

Alter, Berufsstellung usw., doch immer kommt es zur Ablehnung solcher Initiativgesetze, weil - man nicht will; die Männer stimmen ja allein ab über das Frauenwahlrecht und stimmen auch in den Kantonen dagegen, w o - w i e z. B. in Basel/Stadt - eine absolute Mehrheit der sozialdemokratischen Wähler vorhanden ist. Dabei beruhigt man sich mit dem Gedanken, daß die Frauen selbst ja eigentlich das Wahlrecht gar nicht haben wollen. Man freut sich über die fortschrittliche Haltung der Gesetzesinitiative, man gebärdet sich demokratischmodern in allen Parteien - und ist am Schluß ganz zufrieden damit, daß alles beim alten geblieben ist, denn eigentlich gehört die Frau ja doch in die Küche zum Kochtopf. Ja, und so ist es auch noch in der gesellschaftlichen Haltung. Der Mann ist der Herr, er hält sich fern von allen hauswirtschaftlichen Aufgaben, er holt niemals ein, trägt auch nicht zur Entlastung seiner ihn begleitenden Ehefrau Päckchen und Pakete. Die Frau dient. Es ist billig festzustellen, daß die Schweizer satt sind, daher wenig Elan haben und die Schattenseiten ihres gesellschaftlichen Lebens nicht kennen. Die ehemaligen Deutschen befürchten einen Rückschlag am Ende der augenblicklichen Hochkonjunktur. In der Tat werden sich die hohen Preise und überhöhten Löhne eines Tages als hinderlich erweisen; das Fettpolster ist jedoch so stark, daß man lange Zeit zur Umstellung nötig haben wird. Dann werden die armen Staatenlosen und Ausländer noch mehr bedrängt und bedrückt werden. Die westeuropäische Staatenunion könnte der Schweiz gegenüber in ihrem heutigen überhöhten Niveau erheblich Abbruch tun. Wie ich im allgemeinen höre, sind die Deutschen sehr wenig beliebt. Man trägt ihnen die Verbrechen der Nazis in den Konzentrationslagern nach und hält sie für feige Untertanen. Dabei vergißt man, daß sich die Schweiz selbst an manchem Morde mitschuldig gemacht hat, indem sie Flüchtlinge an die Gestapo auslieferte oder abschob - freilich hat die öffentliche Kritik hier Abhilfe geschaffen. 1. September 1948 Igor Gusenko „Ein Mann trotzt dem Kreml" (Neue Zeitung, 21. 8. 48): „Jemand, der es wagen könnte, in Gegenwart Stalins die Hände in die Taschen zu stecken, begibt sich in Gefahr der sofortigen Erschießung. Das gleiche trifft für einen Mann zu, dem es einfallen könnte, sich hinter den Generalissimus zu stellen." 82 18. September 1948 Der Parteitag in Düsseldorf 8 3 gab mir Gelegenheit, eine Reihe alter Bekannter zu treffen und mit Freund August Serwe zusammen zu sein. Der kreisrunde Saal - eben erst im Rohbau fertiggestellt und daher recht nüchtern - des Planetariums nahm die Delegierten „geschlossen" auf, umarmte sie förmlich. Am eindrucksvollsten waren die Mahnworte der ausländischen Gäste, die in allen Fällen den

96

Tagebuch 1948

deutschen Z u h ö r e r n die tatsächliche Lage in den Weltbeziehungen zeigten und mir klar machten, daß wir noch sehr weit entfernt sind von einer Völkergemeinschaft E u r o p a s , zu der Deutschland gerechnet wird. Die letzten Vorgänge um die deutsche Beteiligung an dem Marshallplan-Fonds 1948/9 und dem Rundf u n k ü b e r e i n k o m m e n 8 4 haben uns zu deutlich bewiesen, wie sehr man bereit und einig ist, die Deutschen an den Rand zu stellen und mit Resten abzuspeisen. D e r „Rheinische Kurier" spricht im heutigen Leitartikel (P. W . Wenger) „Die SPD in der Krise" von einem Parteitag der Ratlosigkeit. 8 3 Ich möchte dieser anspruchsvollen Kritik zustimmen, wenn ich auf das Ganze des Parteibe- und getriebes hinblicke. A n Worten - auch emphatisch vorgetragen - fehlt es den SPD-Funktionären - jedenfalls den meisten - nicht. A b e r von wirklich bis ins Letzte und bis in Einzelheiten überlegten Einsichten und Vorschlägen ist kaum etwas zu merken - jedenfalls auf dem Gebiete der Wirtschafts- und Sozialpolitik. N u r bin ich der Auffassung, daß es bei anderen Parteien mindestens ebenso traurig aussieht - und wahrscheinlich in den Köpfen des Herrn Wenger und seiner Redaktionskollegen auch nichts anderes als Leere ist. D a h e r bin ich entschlossen, mich mit einigen verantwortungsbewußten Männern dran zu machen, einen R a h m e n für ein Wirtschaftsprogramm der SPD auszuarbeiten. D a man in der Partei ein neues Programm ausarbeiten will, dürfte es richtig sein, erst einmal ü b e r die Tatsachen und Z u s a m m e n h ä n g e gründlich nachzudenken und zu diskutieren. 26. September

1948

Nachträglich erhielt ich das R e f e r a t des Genossen D r . Rudolf Z o r n über „Soziale N e u o r d n u n g als sozialistische Gegenwartsaufgabe" auf dem Parteitag in Düsseldorf. 8 6 Was ich bisher darüber gehört hatte, war unterschiedlich. Die einen sprachen von einem fleißigen und mit interessantem Material ausgestatteten Referat ohne zukunftsweisenden Charakter; die anderen nannten es den H ö h e p u n k t des Parteitages. Ich bin jetzt der Meinung, daß beides zutrifft, indem der Parteitag - wie schon der „Rheinische M e r k u r " richtig feststellte - die Programmlosigkeit der SPD ganz deutlich machte, was auch Z o r n s Ausführungen bewiesen. E r sagte es selbst: „Wir haben allerdings noch keine Erfahrung gesammelt, wie ein System von Lenkungsmitteln aussehen muß. - E s wird Sache der Fachleute, der Wirtschaftstheoretiker und Wirtschaftspraktiker sein, den Politikern die Wege vorzuschlagen. - In der sozialistischen Neuordnung dagegen wird das Problem gelöst durch kreditpolitische Stützungsmaßnahmen, durch staatlich geförderte Investitionsmaßnahmen, durch Regelung der Arbeitszeit und dergl. mehr." Ist das alles, was die S P D an sichtbarster Stelle zu sagen hat? Ist es nicht der [unleserlich] Geistesbankrott? Ich will das Meinige dazu t u n . hier einen Wandel zu schaffen - wie beim Lastenausgleich. Die erste Aussprache über die wirtschaftspolitischen Aufgaben Deutschlands hat in meiner Wohnung am Donnerstag stattgefunden: Kriedemann, Dr. L a u f f e r , Dr. E . Wolf, Podeyn waren zugegen, D r . Fürst und D r . Lubowski

Tagebuch 1948

97

stoßen noch dazu. Ich m ö c h t e wissen, w a r u m es nicht gelingen sollte, ein paar brauchbare V o r s c h l ä g e auszuarbeiten und damit in den nächsten W a h l k a m p f zu gehen.

3. Oktober 1948 A m 30. S e p t e m b e r hatten die M i n . - P r ä s i d e n t e n eine K o n f e r e n z mit C l a y und R o b e r t s o n im I . G . - H a u s e . 8 7 T e i l n e h m e r z a h l sehr beschränkt: v o n alliierter S e i t e noch M u r p h y und Strang, f e r n e r noch z w e i H e r r e n , die ich nicht k a n n t e , und z w e i D o l m e t s c h e r . D i e Besprechung hatte einen persönlich-vertraulichen C h a r a k t e r - d e n n o c h : sie blieben f o r m e l l , s t e i f - mindestens auf deutscher Seite - , unpersönlich und o h n e Nachhall. S o w a r es beachtlich, daß Senatspräsident K a i s e n e i n e n w a r m e n A p p e l l an die b e i d e n G e n e r ä l e richtete: „ W i r k o m m e n mit unseren S o r g e n - diesmal ist es B e r l i n - zu Ihnen und möchten wissen, w e l c h e s I h r e A u f f a s s u n g ist; w i r w o l l e n h ö r e n , nur h ö r e n , o b w i r denn mit unseren M a ß n a h m e n auf d e m richtigen W e g e sind. Ich m e i n e , auch Sie haben S o r g e n mit den deutschen Verhältnissen. K ö n n e n w i r Ihnen dabei nicht helfen ? B i t t e , sagen Sie uns, w e n n Sie uns brauchen! H a b e n Sie V e r t r a u e n zu uns! W i r müssen d o c h zusammenarbeiten!" C l a y a n t w o r t e t e : „ B i s h e r bestand noch nicht die N o t w e n d i g k e i t , w e g e n B e r l i n mit I h n e n zu s p r e c h e n . " R o b e r t s o n sagte: „ D i e B e m e r k u n g e n von H e r r n K a i s e n f i n d e n m e i n e n v o l l e n B e i f a l l . W i r w o l l e n uns vertrauensvoll aussprechen und z u s a m m e n a r b e i t e n . " D o c h dabei blieb es - wenigstens für dieses M a l - . D e r A b s c h l u ß mit d e r F r a g e der Besatzungskosten w a r sogar höchst frostig. Ich h o f f e , daß eine deutsche R e g i e r u n g , deren N o t w e n d i g k e i t von b e i d e n Seiten i m m e r deutlicher betont w i r d , in e n g e n , persönlichen K o n t a k t mit den M i l i t ä r g o u v e r n e u r e n k o m m t - sonst kann es ja nicht klappen. I n B a d M ü n s t e r am Stein tagten V e r t r e t e r der G e w e r k s c h a f t e n und Sachverständige drei T a g e lang, um Leitsätze z u m Lastenausgleich festzustellen. Ich h a b e stunden- und stundenlang m i t g e t a n , bis mir gestern A b e n d v ö l l i g klar w u r d e , daß es sinnlos ist, i m m e r w i e d e r v o n vorn anzufangen und zu buchstabieren. E s w a r e n entsetzliche Simplifikateure am W e r k , die durchaus das K o n k u r s v e r f a h r e n retten w o l l t e n . - V e r t e i l e n , nur verteilen ist die Sorge dieser L e u t e .

17. Oktober 1948 D e r letzten K o n f e r e n z mit den G e n e r ä l e n C l a y und R o b e r t s o n w o h n t e John F o s t e r D u l l e s bei 8 8 ; vielleicht ist es d i e s e m U m s t ä n d e zuzuschreiben, daß d i e B e s p r e c h u n g diesmal in m i l d e r e r F o r m v o n Seiten der

Militärgouverneure

a b l i e f . Erst g e g e n Schluß machte C l a y e i n e R e c h n u n g über die D o l l a r b e t r ä g e f ü r I m p o r t z w e c k e auf, um D r . Erhard nachzuweisen, daß sein A p p e l l

wegen

h ö h e r e r E i n f u h r z u w e i s u n g e n ganz unberechtigt w ä r e , denn es ständen ihm m o m e n t a n 277 M i l l i o n e n D o l l a r zur V e r f ü g u n g , darunter B e t r ä g e aus Z u w e i sungen v o m 28. M a i 1948. D e r O c h s e n s e p p [Josef M ü l l e r ] macht eine K r i s e um S c h l a n g e - S c h ö n i n g e n 8 9 -

98

Tagebuch 1948

ich meine, weil er den Bauern in Bayern beweisen will, daß die CSU ebenso gegen den Frankfurter Kurs eingestellt ist wie die Bayernpartei der Lallinger und Baumgartner. Wie es auch kommen mag, die C D U kann bei diesem Manöver nicht gewinnen, weil die Realitäten gegen diese Politik sprechen. „Vernunft gegen Chaos" heißt der Artikel Schlanges in der letzten Nummer der „Zeit" 9 0 - ich hätte als Sozialdemokrat kaum anders schreiben können. - Daß der Ochsensepp ans Krankenbett von Schlange ging, um ihn zum Rücktritt aufzufordern, hat die Amerikaner sehr verwundert - man muß schon sagen, das ist ein starkes Stück. 30. Oktober 1948 Gestern waren die Ministerpräsidenten wieder mit Clay und Robertson zusammen. 91 Es gab scharfe Worte von Clay zu hören. „Ich habe es satt, noch über die Demontage zu sprechen." „Jede Denkschrift kostet Sie zehn bis zwanzig Betriebe." „Mit einem politischen Druck erreichen Sie höchstens das Gegenteil." ..Sagen Sie den Vertretern der Gewerkschaften, daß sie die ganze Finge nichts angeht und daß sie Ruhe halten sollen, wenn sie noch weiter auf amerikanische Hilfe Wert legen." „Ich befürchte, daß Sie nicht realistisch denken - was Sie heute an Demontagebetrieben ersparen, werden Sie später teurer als Reparationen aus der laufenden Produktion bezahlen. Sie müssen ja wissen, daß sechzehn Staaten sich damit einverstanden erklärt haben, daß ihre Kriegsschädenansprüche durch die Demontage endgültig abgegolten sein sollen." So und ähnlich rügte Clay mit strengem Tonfall die Min.-Präsidenten wegen ihrer Demontage-Denkschrift, 9 2 auf die sie doch so stolz waren. - Leider war Stock, der Präses, nicht dabei - er hatte vermutlich „Wichtigeres" zu tun. Als Wortführer der Min.-Präsidenten und Leiter des Büros der Min.-Präsidenten hatte er ja besonders großen Anteil an der Denkschrift. Nur Bürgermeister Brauer gab Widerpart, indem er betonte, daß den Min.Präsidenten ein politischer Druck etwa im Sinne des Kommunismus völlig fern liege, daß im Gegenteil der innere Widerstand gegen den Kommunismus sich sehr deutlich bei den Wahlen als durchaus erfolgreich gezeigt habe; Clay sagte dazu scharf: „Das sahen wir an dem Beispiel Stuttgart gestern". 93 - Er meinte gewisse nationalistische Ausschreitungen gegen Besatzungsangehörige. - Ich hatte noch lange über diese Unterredung nachgedacht. Was soll man davon denken? Offenbar liegt der größte Mangel in dem Nebeneinanderdenken und -handeln der Ministerpräsidenten und der Militärgouverneure. Ich glaube schon, daß Clay sich die größte Mühe gibt, für Westdeutschland alles nur Mögliche herauszuholen, und daß er mitunter ärgerlich ist, wenn ihm dabei die Deutschen tolpatschig in die Arme fallen. Aber, ja aber! Was tut er dazu, seine Politik mit dem Verhalten der Deutschen in Einklang zu bringen? Nichts! Nachher, wenn dieses oder jenes schief gegangen ist, wenn es Verdruß gegeben hat, insbesondere bei Verhandlungen mit den europäischen Staaten, dann setzt es scharfe Worte. Ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, daß auch Clay

Tagebuch 1948

99

nach den Sitzungen klüger ist als vorher; seine herrische Art läßt ein vertrauensvolles Zusammenwirken - wie auch bei seinen Mitarbeitern - nicht aufkommen. Mit Robertson wäre das eher möglich! Ergebnis: auch die Deutschen haben ihren Stolz. Bald werden sie aufgefordert, ihre Ansichten energisch zu vertreten, bald werden sie zurechtgewiesen, daß sie politisch nur Schaden für die deutschen Interessen anrichten. Also fordern sie Selbständigkeit, betonen sie die Gesamtverantwortung der Alliierten und streben aus dem Kolonialstatuts heraus. Ich fürchte, daß dieser unwürdige Zustand solange andauern wird, als es eine Besatzung von drei verschiedenen Nationen gibt, die untereinander nicht einig sind. Man hofft nun auf die Verfassung von Bonn und das Besatzungsstatut. Selbst wenn die Bundesregierung personell besser besetzt ist als der - jammervolle - Verwaltungsrat, wenn die deutschen Vertreter dann mehr Achtung erwerben und genießen, sie würden doch nur durch konsequente Zusammenarbeit mit den Militärdienststellen auf Verständnis stoßen und Reibungen ausschließen können. Daran fehlt es heute fast ganz. Es sollte - cum grano salis - keine Geheimnisse zwischen Deutschen und Alliierten geben; beide sollten sich über die Zukunftspläne ständig unterrichten; sie sollten zusammenarbeiten. Hoffentlich kommen bald solche Politiker ans Ruder. 31. Oktober 1948 Daß man im Parlamentarischen Rat ernsthaft darüber verhandelt, ob nicht Bonn die vorläufige Hauptstadt - anstelle von Frankfurt - werden soll,94 beweist den hohen Grad von Verwirrung und den größten Mangel an politischer Verantwortung. Bei Dr. Adenauer wundert es mich nicht sonderlich, nachdem ich jetzt gehört habe, in wie dreister Weise er sich erst neuerdings wieder bereichert hat, als er sich von der Stadt Köln zwei Häuser in völlig überholtem Zustand schenken - gratis zurückgeben - ließ. Bei Dr. Walter Menzel bin ich schon mehr erstaunt, selbst wenn er unter dem Druck des Kabinetts von Nordrhein-Westfalen stand. Kann jemand ernsthaft glauben, daß man ca. 5000 Beamte und Angestellte nach Bonn verpflanzen kann? Wäre es vertretbar, ca. 30 Millionen D M fälschlicherweise in Frankfurt für Bauten verausgabt zu haben? Nein! Nein! Christian Stock scheint böse auf mich zu sein. Da ist ihm jede Gelegenheit recht, sich an mir zu rächen. Willi Apel hilft dabei dienstbeflissen. Er sollte ruhig seinen Landesfürsten darauf aufmerksam machen, daß es sich nicht gehört, die Ministerpräsidenten zu einer Sitzung einzuladen, nachdem der Kollege Lüdemann bereits vorher als Vorsitzender des Länderrats eingeladen hatte. 93 Apel erwiderte: „Ich stehe mich gerade gut mit meinem Landesfürsten und möchte es mit ihm nicht verderben." Solche Krauter [?] und Charaktere wollen sozialdemokratische Politik machen! Vor kurzem hielt er eine Pressekonferenz ab und kündigte dabei neue Maßnahmen an wie z. B. die Abstempelung der Noten. Einige Tage darauf

100

Tagebuch 1948

wurde Dr. Strobel, ein Pressevertreter, gefragt, wie es denn auf der Pressekonferenz gewesen wäre; er antwortete „Stockfinster". 7. November 1948 Kriedemann ist gestern aus England zurückgekommen und besuchte mich heute. Er erzählte, daß der Herr Präsident des Wirtschaftsrates Dr. Erich Köhler beleidigt heimgefahren wäre. Er hatte angenommen, daß er zu einem Staatsbesuch eingeladen gewesen wäre, und war sehr enttäuscht, bei einer politischen Gesellschaft zu Gaste zu sein. Daher strebte er nach Frankfurt zurück und forderte für sich ein Sonderflugzeug, das er nicht erhalten konnte. So wollte er nach Frankfurt telefonieren, um sich von hier ein Flugzeug kommen zu lassen. Auch das war vergebens, und so mußte er mit dem Dampfer heimkehren. Bei dem Besuch beim Speaker des Unterhauses sagte Dr. Köhler von sich selbst: „I am the Lord of Bizonien", was höchstes Erstaunen auslöste. Doch Lächerlichkeit tötet in Deutschland nicht. Die Engländer haben sich bereits bei Robertson über diesen merkwürdigen Gast beschwert. Er wird wohl nicht mehr eingeladen werden. Die Krise um Dr. Schlange-Schöningen ist noch nicht beendet. 96 Die bayerische Verblendung kennt keine Grenzen. Die Militärregierungen haben Schlange nun deutlich gestützt; er bekommt jetzt sogar eine offizielle Einladung nach England - aber die Deutschen, besonders die Bayern, sind manchmal komisch - es gibt wieder einmal einen Tollpunkt bis zum bitteren Ende durchzustehen - ich meine die angeblich freie Marktwirtschaft. 17. November 1948 Heute morgen - im Bett - kam mir der Gedanke, daß man das Leben eines sozialdemokratischen Intellektuellen charakterisieren könnte mit den Worten: „Vor der Tür" - nämlich vor der Tür der großen Gesellschaft und maßgebenden, wirtschaftlich entscheidenden Organisationen. Wenn z. B. jetzt der Verwaltungsrat der Kreditanstalt für Wiederaufbau zusammengesetzt wird, kommt gewiß kein CDU-Direktor des Vereinigten Wirtschaftsgebietes auf den Gedanken, einen Sozialdemokraten hinzuzunehmen. Ebenso war es ja auch bei dem Fardip-Ausschuß zur Entflechtung des I. G. Farbenkonzerns. 97 Man glaubt schon einen Akt besonderen Entgegenkommens gezeigt und sehr demokratisch gewesen zu sein, wenn man auch ein oder zwei Sozialdemokraten hinzunimmt. Dr. Hilpert hat dafür die ständige Entschuldigung: „Die SPD hat leider keine Offiziere". Wenn sie aber welche nennt, dann sind sie leider nicht alt und erfahren genug oder die Stelle ist gerade anderweit besetzt oder es muß in diesem Falle ein Mann des persönlichen Vertrauens sein, weshalb natürlich ein Sozialdemokrat nicht in Betracht kommt. So geht es auch im Großen bei dem Parlamentarischen Rat in Bonn und im Wirtschaftsrat. Ein oder zwei Stimmen Mehrheit genügen, um eine Politik zu machen, die derjenigen der SPD völlig konträr ist. Da macht es keinen

Tagebuch 1948

101

Unterschied, ob man über Preispolitik. Wirtschaftslenkung, Lastenausgleich usw. verhandelt. Die kapitalistische Reaktion hält das Heft fest in der H a n d und zwingt die christlichen Arbeitnehmervertreter eisern in die Reihe! Im Wahlkampf schimpfen die Redner der C D U freilich genau so wie die politischen Gegner auf die Politik von Frankfurt. Wenn gelegentlich die SPD auf den G e d a n k e n k o m m e n sollte, genau so zu handeln, dann gäbe es natürlich ein großes Geschrei gegen die rote Mehrheit. Wir sind doch noch sehr weit entfernt von einer Demokratie!

28. November

1948

D e r B o n n e r Parlamentarische Rat hat von Robertson einen „Anpfiff" bekommen, indem er sagte, daß der günstigste Augenblick für eine den Deutschen genehme freie Lösung der Verfassungsfrage schon verpaßt wäre. 9 8 Die Alliierten haben nun bestimmte Wünsche geäußert, die wohl trotz starker Worte von Carlo Schmid nicht zu umgehen sein werden. A d e n a u e r hat seinen Senatsgedanken schon begraben und läßt die C D U für den reinen Bundesrat stimmen - ein später Fortschritt. In der Tat, man hat so viel geredet und Prinzipien verkündet, daß am Schluß völlige Uneinigkeit herrscht und niemand „aus Prestige" mehr zurück wollte. Wie es der C D U mit dem Bundesrat erging, wird es der S P D mit der Bundessteuerverwaltung ergehen: es wird wohl eine Auftragsverwaltung h e r a u s k o m m e n , wie ich sie in meiner Broschüre als durchaus akzeptabel angekündigt habe. Warum auch nicht? w Gestern wurde erzählt, Professor Bergsträßer - SPD - hätte VA Stunden darüber gesprochen - im Parlamentarischen R a t e - , ob es heißen müßte „schwarz-rot-gold" oder „schwarz, rot, gold", d. h. ob bei der verfassungsmäßigen Feststellung der Reichsfarben der Gedankenstrich oder das Komma sinngem ä ß richtig wäre. 1110 Ich habe das f ü r einen schlechten Witz gehalten, bin dann aber darüber belehrt worden, daß diese Frage eine große Bedeutung hätte. Welche? D a s weiß ich allerdings noch nicht. So kommt denn die Meinung auf, es wäre in der Bundesversammlung von 1848 wohl ähnlich zugegangen wie jetzt im Parlamentarischen Rat. 25 Professoren Vaterland D u bist verloren! 24 A d v o k a t e n Vaterland D u bist verraten! Neulich hat de Gaulle eine D o n n e r r e d e gehalten 1 0 1 , darin er von Pfändern gegenüber Deutschland sprach und alle Gemeinsamkeit leugnete. E s wiederholen sich alle Fehler von einst - damals Poincaré, jetzt de Gaulle; damals Ruhrbesetzung, jetzt französische Z o n e . Man m u ß den Gegner versöhnen oder vernichten; das Letztere ist nicht mehr möglich - außer durch die Russen; bleibt nur die Versöhnung, wie sie die Amerikaner mit dem E R P betreiben. Aber wenn alle einig sind, dann kommt doch noch ein Starrkopf und will alles kaputt machen.

102

Tagebuch 1948

Wenn der Militarismus unser Unglück ist - nicht nur für Deutschland, sondern für die ganze Welt - dann sollte Frankreich ihn abschaffen, denn es kann ihn am wenigsten gebrauchen, wie die Zeit der Dritten Republik gelehrt hat. Freilich hat der „Marxist" Stalin alle Voraussetzungen dafür geschaffen, daß es keinen Frieden gibt. Die Freibeuter- (Freihandels-)Politik der CDU mit Erhard und Pünder scheint ins Wanken zu kommen. Der Länderrat hat seine ablehnende Haltung bereits deutlich bekundet - nun wird sich der Wirtschaftsrat damit zu befassen haben. Wahrscheinlich kommt nach guter deutscher Sitte erst noch eine Verschärfung bis zur Absurdität, indem Dr. Schlange zum Rücktritt veranlaßt wird - dann wird eine allgemeine Notlage auch bei der Brotversorgung kommen, und dann vielleicht aus Angst vor den Wahlen eine gewisse Schwenkung der C D U . So geht's. 11. Dezember

1948

Es wird nachgerade die höchste Zeit, daß wir eine Bundesregierung bekommen. Die Militärgouverneure beschwören wieder einen Ernährungskrieg der Länder gegeneinander und gegen die Bizone herauf, indem sie die Brotrationen auf dem Wege über die Kontingentzuteilung der importierten Lebensmittel differenzieren. 102 Die Einigung der deutschen verantwortlichen Stellen wird wieder einmal brüsk beiseite geschoben - wie bei dem Gewerbezulassungsgesetz 1 " 3 und der Bundesversicherungsaufsicht. 104 Es war mir interessant, daß die Stuttgarter Wirtschaftszeitung (ein gewiß kapitalistisch orientiertes Blatt) auf die Einseitigkeit der amerikanischen Besatzungspolitik hinwies durch auszugsweisen Abdruck je eines Artikels des Economist und Observers. Danach wird die Ablehnung der vom Wirtschaftsrat beschlossenen Wirtschaftsstellen mit 50 % Beteiligung der Gewerkschaften und der Sozialisierung im Ruhrgebiet als verfehlt hingestellt. Man könnte das hessische Betriebsrätegesetz als einen noch krasseren Fall daneben stellen. 1 " 5 Ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, daß irgendwelche unsichtbaren Verbindungen zwischen den Besatzungsmächten, insbesondere Omgus, und deutschen Unternehmerkreisen, wohl auch der CDU-Führung bestehen. Die enge Verbindung Hilperts mit Dr. Wahrhaftig fiel mir auf, zumal mir Wahrhaftig einmal beim Essen sagte: „Das wird mir wohl die SPD niemals verzeihen, daß ich Dr. Hilpert nach Kassel [?] gebracht habe!" Die Tatsache, daß Clay noch niemals mit Schumacher oder Ollenhauer zusammen war - dies denke ich - spricht im Gegensatz zu General Robertson eine deutliche Sprache. Mein Achtmänner-Arbeitskreis hat sich gut eingespielt, er wird hoffentlich bis Mitte Januar mit seiner Arbeit fertig, so daß eine Broschüre herausgegeben werden kann. Alles treibt in die Richtung eines Planungsministeriums. Wird man dazu den Mut haben? [handschriftlich später zugefügt die Namen der Mitglieder des Arbeitskreises:] S[. . .jmann, Kriedemann, Podeyn, Lubowski, Fürst, Hansen, Lauffer, Troeger.

Tagebuch 1948

103

24. Dezember 1948 Weihnachten stimmt die Menschen milder und versöhnlicher - nur die Russen nicht. Clay fand ermunternde und anerkennende Worte in seiner Weihnachtsbotschaft 1 0 6 ; er hat sogar am 22. XII. eine Dreiwochenfrist f ü r die Regelung der Gewerbefreiheit durch den Wirtschaftsrat bewilligt, was von deutscher Seite niemand zu erhoffen gewagt hatte. Doch sonst mehren sich allenthalben Stimmen und Anzeichen, daß die Meinung des Auslands - auch in England und A m e r i k a - sich deutlich zu Ungunsten Deutschlands verändert hat. M a n wirft uns Rückfall in den Nationalismus vor - weil ? Ja weil Proteste erhoben wurden gegen die Demontage, gegen die Ausfuhrpraxis der Besatzungsstellen, gegen die französische Besatzungsmethode, gegen die Verzögerung des Besatzungsstatuts, gegen die Sprengung der leeren Hallen einer früheren Torpedofabrikationsstätte in Eckernförde 1 0 7 , gegen die Entnazifizierung, gegen die Lizenzierungspraxis bei der Presse, gegen dieses und jenes. E s ist gewiß, d a ß die Deutschen schlecht geführt sind, d a ß sie sich in politischen Fragen ungeschickt anstellen, d a ß sie keinen Einfluß n e h m e n auf die ausländische Presse, d a ß sie noch recht wenig von demokratischer Haltung an sich haben, d a ß sie noch Untertanen geblieben sind. G e r a d e das Letzte zeigt mir, d a ß die Auslandspresse - zuletzt der Daily Herald - die Bedeutung und Auswirkung des Besatzungsregimes wenig kennt und daher gar nicht ermessen kann, o b sich die Deutschen nach den Umständen richtig oder falsch oder nur ungeschickt benehmen. Übel ist es allerdings, daß sich die Reaktion in der C D U so breit macht und die soziale Kluft weit aufreißt, weil maßgebende Kreise der Industrie und des Handels gar nicht schnell genug wieder zu Kapital und Reserven k o m m e n können. D a f ü r sind die Amerikaner sehr weitgehend verantwortlich zu machen, denn sie lehnen au f o n d die Sozialdemokraten noch heute deutlich ab und fördern die C D U in aller Form. Freilich wird die S P D klüger handeln müssen als bisher; ein Fritz Heine ist kein Pressechef der größten deutschen Partei, Schumachers Zynismus ist nicht immer a m Platz, Ollenhauers Biederkeit genügt nicht. D e r Länderrat hat gestern Einspruch beschlossen gegen das Preisgesetz 1 " 8 und das sogen. Leitsätze-Gesetz, 1 0 9 die der Wirtschaftsrat beide entgegen dem Vorschlage des Länderrates verlängert hatte. Das gibt eine ernste Krise, weil kaum damit zu rechnen ist, daß die erforderlichen 53 Stimmen zur Beseitigung des Vetos im Wirtschaftsrat aufgebracht werden. Erfreulich an der Entwicklung, die der Länderrat genommen hat, ist die Tatsache, daß man anfängt, den Dingen mehr auf den G r u n d zu gehen. D a s konnte nur vom Länderrat her

104

Tagebuch 1948

kommen, weil der Verwaltungsrat und sein Vorsitzender gründlich versagt haben. Einen schrillen Mißton in die Bonner Verhandlungen brachte der SPDMißtrauensbrief gegen Dr. Adenauer. 110 Ich habe schon lange daraufgewartet, daß diesem arroganten, intriganten und kapitalhörigen Manne einmal ein Hieb versetzt werden würde, denn niemand mit Charakter kann dem Manne offenes Vertrauen entgegenbringen - auch gute CDU-Leute gehen ihrem Parteivorsitzenden bewußt aus dem Wege und wollen möglichst nichts mit ihm zu tun haben. So - nun hat er seinen Denkzettel für die unaufrichtige Art bei der Verhandlung mit den Militärgouverneuren. Freilich glaube ich nicht, daß dem Mann beizukommen ist außer über eine große Wahlniederlage seiner Partei.

Tagebuch 1949

20. Januar 1949, Bad

Nauheim

Es war mir in den letzten Wochen nicht gut gegangen - trotz der Feiertage am Jahresende weil ich sehr überarbeitet bin. So kam ich nicht dazu, TagebuchAufzeichnungen zu machen, obgleich mir der Kopf voll von Gedanken und Bedenken war. Das Raten um die voraussichtlichen Ereignisse des neuen Jahres geht weiter. Über eines ist man sich klar: Krieg mit Rußland ist nicht zu befürchten - noch nicht, sagen die Skeptiker. Ich sage: wer will wissen, was sich in China entwickelt, das durch die Niederlage Tschiang Kai Scheks' in den Mittelpunkt des weltpolitischen Interesses gerückt ist. Ich glaube, daß von dorther Wirkungen ausgehen werden, die in unserer schnell-lebigen Zeit große Überraschungen bringen dürften, die freilich dann, wenn sie eintreten, ganz selbstverständlich anmuten, wenn sie auch heute für schier unglaublich gehalten werden. Was mich mehr bewegt, ist das deutsche Schicksal. Die letzten Wochen haben gezeigt, daß die Deutschen ihre kümmerliche Lage noch gar nicht erkannt oder vielleicht gar die große Schuld und Niederlage schon wieder vergessen haben. Sie sind wie die Kinder; ich sehe es an den Meinigen. In den ersten Monaten des Jahres 1945 ging es uns schlecht, und daher war jede Verbesserung unserer Lage ein dankbar aufgenommenes Geschenk des Schicksals; heute geht es uns verhältnismäßig gut, da ist dann auch alles wieder selbstverständlich, die Kinder streben nach mehr und glauben dem knickrigen Vater nicht recht, wenn er immer wieder sagt: „Ich habe kein Geld". Dabei befinde ich mich in einer relativ gesicherten Position - aber das deutsche Volk hat wenig und zahlt weder Zinsen noch Schulden und lebt von ausländischen Subventionen - und das alles ist ihm noch zu wenig. Wenn dann die Siegerstaaten, die doch ständig für uns anschaffen und zahlen, sich untereinander über gewisse zu regelnde politische Fragen, ohne uns anzuhören, verständigen, dann gibt es stets großes Geschrei bei allen politischen „Führern", das uns als Nationalismus angekreidet wird. So bei der Demontage, bei dem Ruhrstatut - so auch gewiß bei dem Besatzungsstatut. Natürlich sind Generäle schlechte Diplomaten und Verwaltungsbeamte, natürlich ist jede Besatzung lästig und teuer, natürlich ist die Demontage als Reparationsersatz schmerzlich, natürlich ist die Ruhrkontrolle 2 ein Einbruch in die - noch gar nicht vorhandene - deutsche Souveränität usw. usw. Aber darauf kommt es heute anscheinden noch nicht an. Entscheidend ist, daß wir Vertrauen im Ausland gewinnen und daher zunächst einmal selbst solches Vertrauen zu den Siegermächten haben und zeigen - ich meine natürlich die westlichen

106

Tagebuch 1949

Mächte USA, England und Frankreich - Rußland hat sich eines solchen Vertrauens als unwürdig erwiesen. Bei den USA ist es noch am leichtesten, Vertrauen zu haben, denn sie sind eigentlich unser reicher, guter Onkel Jack, dem wir schon aus Dankbarkeit vertrauen sollten - trotz aller Ärgernisse! Ja, aus Dankbarkeit! Die wahren Politiker lachen darüber, ich weiß es! Vielleicht verstehe ich nichts von Politik. Doch es ist meine Meinung, daß wir nur mit Menschlichkeit uns bewähren können, und da stehen in unserer Lage Dank und Vertrauen an erster Stelle. Womit sollten wir sonst zahlen? Oder schulden wir nichts? Das freilich behaupten auch viele Politiker, weil wir ja bedingungslos kapituliert hätten! Haben wir deswegen ein Recht, auch nur ein moralisches Recht auf Milliarden Subventionen, ihr Politiker? War nicht der Morgenthauplan die logisch-politische Konsequenz aus unserer Kriegsniederlage? Würde müssen wir behalten. Sie liegt nicht in lautem Geschrei, sie liegt in stiller Arbeit. Frei müssen wir werden. Können wir es nicht aus eigener Kraft, dann müssen wir die Hilfe der anderen dankbar annehmen und davon nach und nach loszukommen trachten. Die Logik der Tatsachen arbeitet für uns; das geht langsam vor sich, wir machen diesmal erst die Erfüllungspolitik durch und sollten froh sein, daß wir noch keinen Friedensvertrag haben - er wäre schrecklich ausgefallen. Natürlich sehe ich die Schwierigkeiten, die uns auch eine Labour-Regierung in England bereitet; sie hat mit den Nachwirkungen des Krieges schwer zu kämpfen und denkt selbstverständlich zunächst an England und seine Wirtschaft. Viel unerfreulicher sieht es mit unserem Verhältnis zu Frankreich aus, das von Minderwertigkeitsgefühlen geplagt ist. Hier habe ich die große Angst, daß eine echte Verständigung wiederum ausbleiben wird, weil Frankreich herrschen - über Deutschland herrschen will, weil es eine friedliche Zusammenarbeit fürchtet. Hier scheinen mir sehr große Hindernisse für die deutsche Einheit zu liegen, solange eine echte Verständigung mit Rußland nicht zustande gekommen ist. So steht die Frage der deutschen Einheit praktisch für viele im Westen nicht im Mittelpunkt des politischen Handelns, weil ein Gespräch mit Rußland nicht zustande kommt und wohl auch nicht zustande kommen kann, weil Rußland ebenfalls ganz Deutschland beherrschen will. Erst wenn Rußland tatsächlich die Volksdemokratie für ganz Deutschland, die militärische Herrschaft jenseits der Curzonlinie, die Weltrevolution in Westeuropa aufgäbe, dann würde uns das erträumte Glück zuteil, ein einiges, friedliches Deutschland zu bilden. Es müssen Jahre vergehen, bis ein solcher Zustand uns zufallen kann. Inzwischen haben wir in Westdeutschland alle Anstrengungen zu machen, uns darauf vorzubereiten. Wir müßten wirtschaftlich gestärkt und von den ausländischen Subventionen unabhängig werden, damit wir nicht als „amerikanische Kolonie" in den Augen der Russen gelten, damit wir die Brüder in Ostdeutschland aufnehmen könnten, damit wir dann nicht mehr viel über Reparationen zu sprechen brauchten. O, wie weit sind wir davon entfernt! Wer denkt daran? Allenthalben zeigt sich die deutsche Uneinigkeit, Bonn ist unser amtliches

Tagebuch 1949

107

Gesicht geworden. Welch' eine Fratze! Welch' ein Spottgebilde! Alle sind daran schuld, nicht nur die Bayern, nicht nur D r . A d e n a u e r , auch Carlo Schmid. Das Beste an der Tragikomödie ist, daß das deutsche Volk so gut wie keinen Anteil daran nimmt! W e n n wir doch bei der SPD mehr Schwung und menschliche Größen hätten! D e r kranke D r . Schumacher allein kann es nicht, er ist auch zu wenig staatsmännisch in seiner Haltung. Ollenhauer ist brav, aber ohne umfassende Konzeption. Brauer, Reuter, Kaisen sind auf Nebenposten und jeder in seinem A m t für die Parteibürokratie suspekt. Was tun? Ich sagte neulich Kriedemann, wir müßten uns dreierlei vornehmen 1) Werbung f ü r unsere Sache durch gute, saubere, zielstrebige Arbeit in Gesetzgebung und Verwaltung. Wir müssen durch Erfolge unsere Propaganda machen. Freilich setzt das eine andere Personalpolitik voraus. 2) Wir müssen unsere Partei den kleinen Nazis öffnen und unseren kleinlichen Kampf gegen sie aufgeben; wir müssen auch im Innern Versöhnung betreiben. 3) Wir müssen die Intellektuellen zu gewinnen versuchen. Dazu gehört die A u f g a b e des Marxismus in Theorie und Propaganda. Manchmal wäre ich froh, wenn ich nicht in der Politik verfangen wäre. Immer aber sage ich mir, daß ich mich der politischen Arbeit nicht versagen soll, wenn sie auch fortwährend Enttäuschung bringt. Vielleicht stehen mir in diesem Jahre noch besonders große Enttäuschungen bevor, ich meine im Zusammenhang mit der Bildung der westdeutschen Bundesregierung. E s ist gerade nicht nötig, daß ich ein Ressort erhalte - beileibe nicht - , aber es ist nötig, daß die SPD nur ihre besten Leute herausstellt, sonst ist sie von vornherein gehandikapt. E s würde mir eine große Freude sein, unter Brauer oder Reuter oder Kaisen oder noch Kopf, vielleicht auch Nölting zu arbeiten, aber nicht mit Kübel, Hielscher, Halbfell, Zinn; solche Leute können nicht f ü r uns arbeiten, denn sie werden nichts schaffen. Schoettle sagte gestern, er möchte mal einen Minister sehen, der nicht von seinem Ministerialdirektor beherrscht wird. Ich antwortete ihm, da würde er wohl lange suchen müssen. Das ist für die SPD das traurigste Kapitel. Die C D U ist vielfach besser dran sie hat mit ihrer Personalpolitik in der Bizone genügend Schaden angerichtet. O b sie daraus gelernt hat, erscheint doch noch zweifelhaft. 29. Januar 1949 Wenn ich mir die Entwicklung im Osten und Westen Deutschlands überlege: hier Marshall-Plan, Westeuropa-Union, Zoll- und Wirtschaftsgemeinschaften, Ruhrstatut, Bonner Verfassung, Lastenausgleich, Steuerentwicklung usw. usw., dort Deutsche Wirtschaftskommission 3 , SED-Herrschaft, Russifizierung der Wirtschaft und des Menschen usw., dann k o m m e ich zu dem Ergebnis, daß jedenfalls zur Zeit - weder die Westmächte noch Rußland im Grunde die

108

Tagebuch 1949

Einheit Deutschlands wollen, d a ß nur beide nicht darüber sprechen. Ich glaube, d a ß das ganze amerikanische Konzept gestört wäre, wenn etwa die nahe Aussicht bestände, d a ß Deutschland ein Einheitsstaat würde, unabhängig und d a h e r frei in seiner Entschließung, auch mit dem Osten Politik zu treiben und sich dort anzuschließen. Die Franzosen würden vollkommen außer sich geraten, wenn ein gesamtdeutscher Staat entstände, denn dann wären sie zahlenmäßig u n d wirtschaftlich offenbar die Kleineren und Deutschland f ü r sie weder innerhalb noch gar außerhalb einer E u r o p a u n i o n zu ertragen; den Franzosen gefällt die Teilung Deutschlands mit Ruhrkontrolle und Sicherheitskommissar u n d Besatzung noch eben gerade. Für die Russen sehen die Verhältnisse entsprechend aus: ein ostdeutscher Satellitenstaat ist ihnen sympathischer als ein freies demokratisches Gesamtdeutschland, allerdings wäre ihnen ein „volksdemokratisches" Gesamtdeutschland noch angenehmer. So habe ich die Befürchtung, daß sich der augenblickliche Zustand festigt und verewigt: wir Deutschen sind nur O b j e k t der Außenpolitik, die Einheit Deutschlands wird sich niemand etwas kosten lassen, wenn man sich mit der Teilung billiger verständigen kann; die Franzosen werden sogar immer f ü r die Teilung sein. Diese Situation kann sich im Laufe der Jahre noch verhärten, wenn die A m e r i k a n e r am E n d e doch wieder heim wollen; sie wird ein Symptom haben in der Behandlung Berlins. Den Russen k o m m t es entscheidend darauf an, d a ß die A m e r i k a n e r aus E u r o p a fortgehen; sie werden möglicherweise, wie in Nordkorea, vorleisten und die Besatzungstruppen einseitig zurückziehen unter Hinterlassung einer „progressiven D e m o k r a t i e " - getarnten SED-KommunistenDiktatur - , die sich eines Tages sogar „spontan" in eine Volksdemokratie umwandeln kann. Die Amerikaner sind entscheidend daran interessiert, d a ß die Subventionen für Westdeutschland eines Tages aufhören; für Deutschland ist das eine Frage der Ernährung, d. h. eben der landwirtschaftlichen Produktionsmöglichkeiten: ohne die Ostzone dürfte es nicht möglich sein, Westdeutschland bei einem erträglichen Lebensstandard zu erhalten, selbst dann ist es noch schwierig. A n dieser Stelle könnte sich nach Ablauf des E R P eine amerikanischrussische Verständigung zur Vereinheitlichtung Deutschlands und Rückziehung d e r Truppen ergeben. [. . .] Mir war stets zweifelhaft, 1) ob die Einheit Deutschlands „marschiert, 2) ob die Einbeziehung Westdeutschlands in eine westeuropäische Union nicht alle H o f f n u n g e n auf die Einheit vereiteln müßte, 3) was geschehen soll, wenn die Besatzung eines Tages aufhört? 4) was geschehen soll, wenn sich 1952/53 herausstellt, daß Westdeutschland o h n e ausländische Subventionen nicht leben kann? 5) wie die SED-Herrschaft in der Ostzone auf die D a u e r zu beurteilen ist im Hinblick auf die deutsche Einheit?

Tagebuch 1949

109

20. Februar 1949 R e u t e r hat eine außenpolitische Reise zu Bevin und Schuman gemacht - ein großer Erfolg für die SPD. 4 Ich wünschte, d a ß er das Bundeskanzleramt b e k ä m e , die Erfahrungen mit Pünder sind denkbar schlecht. Das sagen [unleserlich] meiner R e f e r e n t e n ganz offen. Es ist gar nicht auszudenken, welchen Schaden die C D U mit ihrem schwachen Verwaltungsrat d e m deutschen Volke angerichtet hat. Leider fehlt der bürgerlichen Partei das gewaltenvolle(?) Verantwortungsbewußtsein, die Konsequenzen aus den Erfahrungen zu ziehen. Die S P D ist dort, wo sie selbst sitzt, auch nicht viel besser. Ich brauche nur auf die hessischen Verhältnisse hinzuweisen, wo gerade der Fall Dietz 5 abrollt. So erwerben die Deutschen keine Achtung im Ausland und von den Militärgouverneuren. Alle Hoffnungen konzentrieren sich auf die k o m m e n d e Bundesregierung. Sie wird es schwer genug haben. Wenn wir doch nur eine angemessene, d. h. bessere demokratische Presse hätten, dann wäre manches einfacher. U n s e r e Leute in H a n n o v e r sehen die Dinge zu doktrinär und ohne Umsicht. Es fehlt an geeigneten Leuten. Die Partei wird große Schwierigkeiten zu überwinden haben, wenn den Beamten das passive Wahlrecht genommen wird. Ich bin neugierig, welche Konsequenzen aus dieser amerikanischen Forderung gezogen werden. 6 M a n müßte eine Anzahl guter Leute in den Ruhestand versetzen, um sie f ü r die parlamentarische Arbeit frei zu machen. Clay war am 15. Februar auf der Konferenz mit den Bizonen-Vertretern 7 recht aufgeschlossen und milde gestimmt, obgleich es wieder Gelegenheit gab, den Deutschen politische Ohrfeigen zu geben. Das Tollste scheint mir zu sein, daß der Verwaltungsrat die Beteiligung der Bizone an der Leipziger Frühjahrsmesse beantragt hat. Doch sprach Clay kein Wort davon. Ergänzung: Kriedemann hatte Pünder in der Sitzung des Wirtschaftsrates am Freitag wegen der Treuhandgesellschaft Eisen und Stahl scharf angegriffen und das gab einen tollen Krach, so d a ß die Sitzung aufflog. 8 Die Sache wird ein Nachspiel haben, denn die SPD wird bezichtigt, daß sie Deutsche vor der Militärregierung anklagt. Die Scheinheiligen sollten sich hüten, zumal das gar nicht stimmt. Es könnte einem alle Lust vergehen, für die Allgemeinheit zu arbeiten. 27. Februar 1949 Die katholische Kirche strengt sich gewaltig an, in Deutschland maßgebenden politischen Einfluß zu gewinnen. In der C D U ist es ihr jedenfalls bei den kleineren Geistern voll gelungen. Ich denke nur an Hilpert und Pünder, vermute es auch von W o h l e b und Ehard. O b D r . A d e n a u e r , der alte Fuchs, sich von Kardinal Frings sehr einspannen läßt, ist für mich schwer zu beurteilen. Ich bin jedoch gewiß, daß ein gutes Einvernehmen zwischen dem Kardinal und den C D U - F ü h r e r n herrscht oder jedenfalls erstrebt wird. Es wird sich zeigen, wie lange die Protestanten diesem Treiben zusehen. D e r Kultusminister Dr. Stein in Hessen ist Protestant - seine

110

Tagebuch 1949

Personalpolitik jedoch völlig im Sinne des Bischofs von Mainz, der sich des Herrn Min.Rats Hoffmann als seines „Bediensteten" bedient. Hat er doch kürzlich dem Landkreis Friedberg den dritten katholischen Schulrat aufgedrückt, nachdem schon zwei vorhanden sind und trotzdem die Bevölkerung zu erheblichem Teil (wohl gar überwiegend) protestantisch ist. Bei der Beerdigung von Reichsminister Köhler in Karlsruhe 9 hat auf mich die Rede - Predigt - des Erzbischofs von Freiburg den größten Eindruck gemacht, weil sie politisch sehr aufschlußreich war. Er sagte u. a.: „Ich habe es in den letzten Jahren mehrere Male selbst erlebt, daß der Verstorbene, der sich in höchster Staatsstellung befand, vor dem ganzen Volke niederkniete. Wer sich so zu Gott und seiner Kirche bekennt und das tut, was die Kirche von allen Gläubigen verlangt, der wird sich mit Recht mit seinem Volke einig fühlen und von seinem Volke getragen werden. Er hat sich einen Platz im Gedächtnis des Volkes geschaffen, und Gott wird sich seiner gnädig annehmen. E r war ein wahrhafter Christ und ein wahrhaft großer Mann." 13. März 1949 Manchmal ist mir Angst und Bange um Deutschlands Zukunft. So geht es mir auch heute, nachdem ich in der vergangenen Woche wieder eine Reihe von Enttäuschungen erlebte. Zunächst eine persönliche, indem Fritz Heine die Herausgabe des Long-Term-Programms mit sieben erläuternden wirtschaftspolitischen Aufsätzen aus dem Diskussionsergebnis unseres Arbeitskreises als Lizenzträger der Hannoverschen Presse verhindert hat. Da sind sechs Wochen verloren. Wir hatten uns eingebildet, daß die Partei froh sein könnte, wenn die Referenten brauchbares Material zur Wirtschaftspolitik in die Hand bekämen. 1 0 A m Mittwoch war Dr. Roos vom „Tag" - Berlin - hier; er kam von einem vierzehntägigen Aufenthalt in England und war voller Eindrücke und Ideen. Eine Fülle von Aufgaben und Möglichkeiten für die deutsche Politik wurde erörtert. Roos hatte vorher mit Dr. Hermes und Dr. Walter Strauß gesprochen. Roos erzählte, daß Adenauer nach den Wahlen zum Volkstag eine Koalition mit der liberal-demokratischen Partei erstrebt - gegen die SPD. Daher wird in den Kreisen um Hermes und Strauß überlegt, ob es nicht angebracht wäre, in einer deutschen politischen Gesellschaft die jüngeren poltischen Kräfte zu sammeln, die für die Zusammenarbeit CDU-SPD eintreten. Roos erwartet übrigens, daß die SPD die stärkste Partei im Volkstag sein wird, weil die C D U in Bayern wegen der Krise der CSU und sonst wegen der Haltung des hohen katholischen Klerus einen Teil der protestantischen Wähler an die LDP und SPD verlieren würde. Eine abendliche Aussprache mit Professor Herrnberg, der von seinem Urlaub in den USA zurückgekehrt ist, wirkte sehr ernüchternd auf mich. Hermberg sieht eine grundsätzliche Einigung zwischen den Siegermächten über Deutschland noch in diesem Jahr voraus. Rußland würden große Reparationen zugesprochen werden, die Räumung Deutschlands von den Besatzungstruppen

Tagebuch 1949

111

würde die SED auf den Stand von 5 bis 10 % der Wähler zurückführen und die Demokratie für Deutschland wiederbringen. Die Ostgrenze an der Oder-NeißeLinie würden die Amerikaner allerdings hinnehmen bzw. den Russen konzedieren; es wäre ja auch praktisch unmöglich, die umgesiedelten Polen wieder aus Schlesien herauszuholen. Man dürfe doch nicht außer acht lassen, daß Hitler das deutsche Reich zerstört habe. Sein Eindruck aus vielen Gesprächen in den USA wäre, daß man dort weitab von den europäischen Verhältnissen sei und daher alles in Schwarz oder Weiß sähe, d . h . schnell bereit sei, mit Ja oder Nein zu entscheiden. Hermberg kritisierte erneut das Bestreben der deutschen Stellen nach einem Aufbau der Schwerindustrie, die Deutschland nur teuer zu stehen käme. Es wäre völlig unverständlich, weshalb Dr. Keiser den Maschinenexport herunterzudrücken bestrebt wäre, obgleich er sich gut angelassen habe. Hier käme allerdings eine echte nationalistische Tendenz der deutschen Wirtschaftspolitik zum Ausdruck. Auch der kleine Mann, auch weite Kreise der Arbeiterschaft ständen noch unter dem Eindruck, daß die Größe der Schwerindustrie maßgebend wäre für die Größe der volkswirtschaftlichen Leistung, daß die Schwerindustrie die Grundlage einer eigenen Wirtschaftspolitik wäre und daß der Widerstand des Auslandes gegen eine große Stahl- und Eisenproduktion einem egoistischen Konkurrenzneid entspränge. So käme alles wieder, wie es war - es wiederholte sich die Entwicklung 1920 bis 1928. Hermberg erinnerte daran, daß er damals in aller Form gegen die Subventionierung der Landwirtschaft, gegen den Ausbau des landwirtschaftlichen Kreditsystems und gegen den Schutz der schlechten Landwirte gesprochen und geschrieben habe. Es wäre ein Unglück für Deutschland, daß es seit Friedrich d. Gr. jeweils ein ausgezeichnetes Agrarbanksystem hatte, welches die Verschuldung erleichterte, die Bodenrente in die Höhe trieb und damit die Schutzzoll-Politik notwendig machte. Er wäre ganz meiner Meinung, daß die Landwirtschaft durch eine Flächensteuer zu intensiver Bewirtschaftung gezwungen würde. Allerdings sei er fest überzeugt, daß alle Parteien, auch die SPD, eine solche Politik nicht mitmachen würden aus Angst vor dem Verlust von Wählerstimmen. Man müsse doch beachten, daß die Landwirtschaft einen großen Wählerblock darstellt einen ähnlichen bildet nur die Arbeiterschaft - und daß die fähigen Landwirte jeweils gern die Vorteile einstecken, die ihnen die schlechten Landwirte einbringen. Und in der Tat: bei den maßgebenden Politikern und erst recht bei den jetzt amtierenden Beamten fehlt es völlig an einer großen volkswirtschaftlichen Konzeption. Man schreit nach Wohnungsbau mit billigen Argumenten und verpaßt die Chance des Marshallplans; man fordert eine große Schwerindustrie und nützt - zur Freude der Engländer - nicht die Möglichkeit der Maschinenindustrie. Man füttert die „notleidende" Landwirtschaft, die wieder einmal schuldenfrei wurde, und verteuert die gesamte deutsche Lebenshaltung. Man will gern Investitionen, weiß aber keinen anderen Rat als den Schrei nach Auslandskapital. [. . .]

112

Tagebuch 1949

Wo gibt es eine geschlossene deutsche Front? Man streitet sich untereinander! Man vergiftet das öffentliche Leben mit Mißtrauen! Man kennt nur taktische und vielleicht auch strategische Gesichtspunkte - natürlich vom Standpunkte der Partei, sofern nicht in Einzelfällen nur persönliche Interessen im Spiele sind. Besonders übel wirkt sich dabei noch die Tatsache aus, daß die Partei-Führer fernab vom Schuß sitzen - in Godesberg oder Hannover oder München - und nur aus Ideologie oder Dogmen oder Prinzipien - schnellstens - entscheiden. Und obgleich dabei häufig ganz blühender Unsinn herauskommt, wie z. B. bei dem Mißtrauensantrag gegen Adenauer von Seiten der sozialdemokratischen Fraktion des Parlamentarischen Rates 11 , der von Schumacher befohlen und in die Presse gesetzt war, ohne daß die Fraktion darüber beraten hatte, weshalb sie denn auch Ollenhauer mit allen gegen drei Stimmen desavouierte. Unter diesen Umständen tagte gestern und vorgestern der Parteivorstand in Köln 1 2 . Devise von Schumacher: alliierte Forderungen zum Grundgesetz ablehnen, eventuell gegen das Grundgesetz stimmen. Kriedemann wollte ausgeschlafen zum Kampf der Geister erscheinen. Kaisen durfte erneut seine Kassandrarufe ausstoßen in Sorge um Staat und Partei. Die Amis wollten gern vernünftige Leute dort haben und fragten Hansen, ob er nicht Brauer zur Teilnahme veranlassen könnte! Ich bin neugierig zu hören, was sich dort getan hat. Erbarmt Euch über's Vaterland, Ihr armen Deutschen, rührt die Hand! 20. März 1949 Graf Sforza zum Atlantikpakt in der Abgeordnetenkammer (Neue Zürcher Zeitung v. 18. III. 49): „Ich bin überzeugt, daß die Sowjetunion Eroberungen durch die Fünfte Kolonne liebt, daß sie aber keine Lust hat, einen Krieg zu riskieren. Am Tage, an dem Rußland sehen wird, daß die Fünften Kolonnen im Westen wenig nützen, wird Rußland seine ausländischen, allzu eifrigen Diener mit raschen Beschlüssen überraschen, die dann zu der Entspannung führen, von der man viel spricht, aber an die man wenig glaubt. Ich habe Ihnen gesagt, daß meiner Überzeugung nach die Sowjetunion heute den Krieg nicht will. Aber die Gefahr besteht immer, in einem Lande, das panslawische Ausdehungsbestrebungen verfolgt, die im Falle Rußlands zu einer neuen Religion hinzukommen. Ich sage mit vollem Bedacht ,Religion', auch wenn diese materialistisch ist. Der Atlantikpakt bildet für Rußland ein Memento, dieser Versuchung nicht zu unterliegen. Wir wollen den Frieden für alle, auch für Rußland." 1 3 27. März 1949 Lentzes politische Voraussagen. Eine politische Diskussion im Hause Kurt Jahn am 25. März veranlaßte Dr. Helmut Lentze, erneut zu versichern, daß ich noch in diesem Jahre einen Ministerposten haben würde - möglicherweise Finanzminister in Hessen . . .

Tagebuch 1949

113

Lentze spricht mir eine Salazar-Rolle zu etwa bis 1955, dann würde ich eine hohe wirtschaftliche Stelle bekleiden. E r war so sicher in seinen Äußerungen, d a ß ich nur kräftig lachen konnte. Interessant war seine weitere Behauptung - in beschwörenden Worten - , daß E n d e 1954 ein großer Krach in China sich ereignen würde, der Deutschland die Chance gäbe, seine Grenzen von 1937 wiederzuerlangen. D a Lentze vor 1 Vi Jahren richtig vorausgesagt hat, daß die Bundesregierung nicht vor zwei Jahren - also Ende 1949 - kommen würde, als jedermann einen viel früheren Termin als gegeben annahm, bin ich auf den Ablauf dieses J a h r e s auch meinetwegen - gespannt.

10. April 1949 Die SPD sitzt in Bonn in einer Sackgasse und will nicht heraus, weil sich die Ablehnung der alliierten Forderung nach Aufgabe der Bundesfinanzverwaltung besser macht als die Anerkennung. E s hat mich sehr überrascht, daß mein Adlatus Zimmer gestern bemerkte: „Die SPD ist die einzige Partei, die Rückgrat z e i g t - h o f f e n t l i c h bleibt sie fest!" 1 4 Das ist kurzsichtig und wirkt nationalistisch. Schon in meiner Broschüre über die finanzpolitischen Gegenwartsfragen , 4 a ) habe ich angemerkt, daß der Bund auch mit einer Auftragsverwaltung auskommen kann. Als ich darüber mit Menzel sprach, lehnte er scharf ab: Es müsse der B u n d ein Zwangsmittel gegen die Länder haben, das könnten nur die Finanzen sein. D a f ü r hat die S P D in Bonn einen großen Preis gezahlt. Jetzt steht sie vor der Tatsache, daß sie den Preis und das Kaufobjekt los ist. Die C D U will einen Ausgleich schaffen, aber die SPD, mindestens Schumacher und seine Hannoverschen Sekretäre, sind dagegen. Es ist ja auch peinlich, wenn die SPD von ihren Zugeständnissen einen Teil zurücknimmt - weil, ja weil sie mit falschem Ziele verhandelt hat. Realpolitisch ein großer Fehler mit dem Ergebnis einer unmöglichen Zwangslage. Man kann eben nicht ohne tägliche Fühlung mit den Regierungsproblem e n , mit den politischen Gegnern und den Militärregierungen brauchbare Politik machen. Es hatte schon damit angefangen, daß anstelle eines kurzen Grundgesetzes eine umfangreiche Verfassung entstand, gewiß nur deswegen, weil die deutschen Politiker das fair play der Engländer nicht kennen und - wohl durch zahllose Erfahrungen gewitzigt - ein ganz übles zersetzendes Mißtrauen gegeneinander haben. So kam es zu dem lähmenden Perfektionismus in B o n n , der politisch sehr geschadet hat, weil die Bevölkerung in ihrer Notlage d a f ü r kein Verständnis aufbringen kann. Wir brauchen dringend eine Regierung und müssen uns mit ihrer Hilfe unser H a u s nach und nach so einrichten, wie wir es brauchen. Was heute nicht möglich ist, wird vielleicht in zwei oder drei Jahren auch von den Militärregierungen gefordert werden. Wir müssen eine Bundesregierung mit sozialdemokratischer Beteiligung

114

Tagebuch 1949

h a b e n , weil das heutige Regime des Verwaltungsrates sich als eine schwere Schädigung f ü r die deutsche Wirtschaft auswirken wird. Professor Erhard hat es fertiggebracht, einem Reporter der „Frankfurter Rundschau" zu erklären: „Selbst wenn Westdeutschland die Möglichkeit hätte, die im Long-TermP r o g r a m m vorgesehenen 27 Milliarden D M Investitionen selbst aufzubringen, wäre ich dagegen, dieses zu tun. D e n n das setzt einen derartig begrenzten Lebensstandard f ü r die Deutschen voraus, der nicht verantwortet werden kann. Seit zehn Jahren wartet das deutsche Volk darauf, Fortschritte zu machen. Ich bin gegen die bekannten Methoden, bei denen es heißt, ihr müßt nun erst noch einmal vier Jahre hindurch den Leibriemen besonders eng schnallen, dann beginnt die glückliche Zeit. Es gibt bessere Wege, auf denen das Volk Freude an der A r b e i t behält. Diese brauchen wir. Im März ist der Produktionsindex in dem Vereinigten Wirtschaftsgebiet auf etwa 85 Prozent gestiegen, und diese freiwillige Mitarbeit müssen wir uns erhalten." 1 : i - Ich muß sagen: In einem Staate mit Ministerverantwortlichkeit müßte ein solcher Wirtschaftsminister sofort abtreten. E s fehlen mir alle Worte, eine solche Meinungsäußerung zu charakterisieren. Ist es Demagogie, nationalistische D u m m h e i t oder Verantwortungslosigkeit eines Unfähigen? D a sitzen die Sozialdemokraten nun daneben, ringen die H ä n d e und müssen zusehen, wie die Wirtschaft mit Fehlinvestitionen ins Kraut schießt und die Amerikaner an unserem Verstände zu zweifeln gezwungen werden. 14. April 1949 Kurt Schumacher hat seinen dicken Kopf durchgesetzt und wird die SPD gegen das B o n n e r Grundgesetz einnehmen, wenn es nicht zu einer Bundesfinanzverwaltung kommt 1 6 . Alle Beschwichtigungs- und Überzeugungsversuche sind abgeprallt. Carlo Schmid mußte sich sagen lassen, daß „mit einer Eiszone der Isolierung" umgeben würde, wer es unternehmen wollte, gegen den Parteivorstand zu regieren - ob er wohl glaube, daß ein anderer als er (Kurt Schumacher) der S P D acht Millionen Wählerstimmen einbringen könnte. Kaisen erzählte, d a ß e r in Godesberg vor dem Parteivorstand allein dafür eingetreten sei, man solle sich im Rahmen des Auftrags der Militärgouverneure halten, der nun eben keine Bundesfinanzverwaltung vorsehe, sonst hätte man den Auftrag gar nicht a n n e h m e n dürfen. Dagegen hätten Heine und Henßler sich gegen die Übern a h m e der Verantwortung für ein Grundgesetz ausgesprochen, das von dem K o m p r o m i ß des Hauptausschusses abweiche. Die Ausführungen Henßlers w ä r e n so nationalistisch gewesen, daß Kaisen ihm gesagt habe: Er würde wohl bald „Heil dir im Siegerkranz" anstimmen. Kriedemann hatte am Dienstag den Versuch gemacht, mit Schumacher persönlich zu sprechen und war deshalb eigens nach Hannover gekommen. Schumacher hat es abgelehnt, ihn zu empfangen - er hätte keine Zeit, auch am nächsten Tage nicht. Diese Haltung hat Kriedemann so erschüttert - und für die S P D so beschämt, daß er seiner Begleiterin sagte, Schumacher hätte ihn auf den nächsten Morgen bestellt. Genossin W o e r n e r aber vergoß bittere Tränen.

Tagebuch 1949

115

Ist das noch Politik, - Demokratie - Parteigenossenschaft und Kameradschaft? Was soll das? Der Parteichef will aus seiner Isolierung heraus und - nicht von des Gedankens Blässe angekränkelt - am kommenden Mittwoch vor dem Parteiausschuß und der Bonner Fraktion kalt berechnete Fragen stellen - und mit aller Schärfe beantworten, so daß ihm niemand wird zu widersprechen wagen. - Ja! Wagen! Denn die Parteibürokratie wird ihn kaltstellen, wenn sie kann, sie wird ihn verschmähen, wird ihn aus der politischen Ebene entfernen. Das ist am einfachsten mit den Parteiangestellten - sie helfen daher eifrig mit; es ist leicht mit den Abgeordneten, den amtierenden und denen, die es werden wollen, denn sie kommen nicht auf die Liste - es ist am schwierigsten bei den Funktionären in bekannter oder gesicherter Stellung; an diese knüpfen sich daher die Hoffnungen, ich nenne Kaisen, Brauer, Reuter. - Brauer steht diesmal allerdings in Schumachers Nähe, denn er hofft auf einen Umfall der Amerikaner. Kriedemann war gestern innerlich ganz außer aller Fassung. Ruhelos trieb er sich umher, Alkohol und Zigarren verschlang er ohne Maß und Geschmack. Die Anwesenheit Lüdemanns gab willkommene Gelegenheit, im Hause SchleswigHolstein ein Zusammensein mit wenigen Parteifreunden zu veranstalten, damit die Zeit verging. Heute ist er - welche überraschende Entscheidung! - nach dem Schwarzwald zu einem Osterurlaub mit seiner Frau gefahren - ein sehr schlechtes Zeichen für diesen unermüdlichen Arbeiter der Partei, da er doch eben erst 4 Tage fortgewesen war. Die Amerikaner werden schon unruhig. Gestern haben sie Kaisen und Kriedemann zu einer Aussprache gebeten, an der von der anderen Seite Litchfield und Simons teilnahmen. Die beiden Sozis haben gründlich ausgepackt und keine Hoffnung auf die Annahme eines Grundgesetzes in Bonn gelassen. Kaisen hatte vorher Dr. Adenauer zugesagt, daß die Ministerpräsidenten gegebenenfalls eingreifen würden. Auch das muß schon in der Presse bekannt sein, denn Friedlaender erzählte heute in der „Zeit" 1 7 ein politisches Märchen zur Überwindung der Krise in Bonn: 3 Ministerpräsidenten sollten sich binnen 3 Tagen über die Formen der bizonalen Regierung einigen, so wie sich die 3 Außenminister über das Besatzungsstatut geeinigt haben, indem sie alles Strittige und Unwesentliche der praktischen Entwicklung überließen. Schön wär's! Ich bin neugierig, ob die SPD sich noch fängt oder gefangen wird! 24. April

1949

Die SPD hat sich in Hannover zu einem konstruktiven Vorschlag zusammengefunden. 1 8 Darauf haben die drei Außenminister sehr schnell reagiert und den Militärgouverneuren eine neue „liberale" Richtlinie gegeben. 19 Es ist zu hoffen, daß nun doch noch in Bonn ein Kompromiß der großen Parteien zustande kommt, zumal es die Alliierten eilig haben. Die Russen wollen doch wieder ins Gespräch kommen, man liest schon von Vorbereitungen zur Aufhebung der Blockade Berlins. 20 Der Wechsel im Außenministerium in Moskau 21 war eben

116

Tagebuch 1949

doch von sachlich prinzipieller Bedeutung. Wenn die Alliierten in Bonn nachgeben - so sieht es ja jetzt aus dann hätte Schumacher einen großen Erfolg für sich und die SPD errungen. Albert Wagner hat mit mir gestern Abend hessische Staatspolitik gemacht; es ging um Änderungen im Kabinett, die kommen müssen, wenn Hilpert in die Bundesregierung übersteigt, [unleserlich] Wenn ein Ministerrat in Hessen für mich auch kein materieller Vorteil wäre, so bedeutet es doch den besten Übergang aus der Beamtenlaufbahn in die Politik. Ich hätte auch Spaß daran, den Endspurt der Partei in der laufenden Legislaturperiode anzukurbeln, denn sonst sehe ich ganz schwarz für die Wahlen im Herbst 1950. Gestern war Rechtsanwalt Dr. Kübel aus Berlin, jetzt Gießen, bei mir. Er hat einen großen Kampf gegen den Aku-Konzern - Allgemeine Kunstseide - vor; dort war er lange Jahre Justitiar und hat sich ein stattliches Aktienpaket verdient, das nun von holländischer Seite her gefährdet erscheint. Er erzählte lange von seinen Nachforschungen über Korruption, Untreue, Unterschlagung, Steuerhinterziehung, Bestechung, Bilanzfälschung, Meineid usw. unter den Herren Direktoren und Großaktionären, angefangen von Herrn Dr. Blüthgen. Als die staatlichen Stellen beim Reichsfinanzministerium und der Staatsanwaltschaft sich nicht mehr enthalten konnten, Verfahren zu eröffnen, haben [unleserlich] und Körner die notwendigen Entflechtungsanordnungen gegeben. Interessant war mir in diesem Zusammenhang, daß Konrad Adenauer von der Glanzstoff-AG im Jahre 1929 ein Geschenk in Höhe von 1000000 RM erhalten hat und daß zu gleicher Zeit die Deutsche Bank auf eine Forderung über 500 000 RM verzichtet habe. In dem Steuerfahndungsbericht heißt es, Adenauer hätte sich dafür in seiner Eigenschaft als Präsident des preußischen Staatsrates bereit erklärt, für eine Erhöhung der Schutzzölle auf Kunstseide zu wirken. Kübel meinte, daß Adenauer selbst zur Erklärung dieser Zahlung angegeben hat, daß Dr. Blüthgen ihm einen Tip wegen Ankaufs von Aku-Aktien im Auslande gegeben habe, der sich nachträglich als falsch herausgestellt hätte. Da Adenauer auch für andere Aku-Aktien gekauft und sich deswegen verschuldet hätte, wäre die Aku moralisch verpflichtet gewesen, ihn aus der Situation herauszuholen. Über seine Verschuldung wäre damals einiges durchgesickert; das hätte Adenauer zu einer Inanspruchnahme der Deutschen Bank wegen Bruch des Bankgeheimnisses veranlaßt; diese hätte dann den Schuldensaldo Adenauers über ca. 500 000RM gestrichen, um einer Auseinandersetzung mit ihm aus dem Wege zu gehen. Ich kann nur sagen: Schöne Sachen! Nicht im Traume wäre es mir eingefallen, auf solche Transaktionen zu kommen, die einem Oberbürgermeister, Parlamentarier und Politiker zu Vermögen verhelfen sollen 22 .

Tagebuch 1949

117

30. April 1949 Ergänzung: Kurt Schumacher lehnte es damals ab, das Material gegen Adenauer - es lag auch die Akte wegen Steuerhinterziehung vor - zu verwenden. - Er muß - so sagte er siegesgewiß - „in offener Feldschlacht" fallen.

Die Alliierten haben in Bonn - genauer gesagt: in Frankfurt - nachgegeben und der SPD einen großen Erfolg für die deutsche Sache verschafft. Am Ende der 5 '/istündigen Verhandlung 2 3 erklärte der politische Berater des französischen Militärgouverneurs zu Carlo Schmid: „Sie haben einen ausgezeichneten Kampf geführt; Sie haben gewonnen!" Sprach's und ging ohne Verabschiedung von dannen. Die Auseinandersetzungen in Hannover bedeuteten eine Niederlage Schumachers, die nur für den Außenstehenden nicht klar erkennbar wurde. (So heute auch Reuter-Berlin.) Sie hatten darüber hinaus die Wirkung, daß sich die Bonner Fraktion innerlich ganz vom Parteivorstand frei machte und im Interesse des Grundgesetzes weiterverhandelte; es hat einige Mühe gekostet, mehrere SPD-Abgeordnete davon abzuhalten, ihr Mandat niederzulegen aus Protest gegen die Lenkungs-(Befehle-)Politik von Hannover. Gestern hat sich Clay von den Ministerpräsidenten der amerikanischen Zone verabschiedet. 24 Kaisen erzählte: „Es war ein schwerer Abschied; man merkte Clay die große innere Erregung an." Ich glaube, daß Clay sich sehr große Verdienste um Deutschland erworben hat. Sein Abgang vor der Überleitung auf den Hochkommissar nach dem Besatzungsstatut ist m. E. darauf zurückzuführen, daß er in der vorigen Woche einen heftigen Streit mit Murphy und den Briten wegen der Bekanntgabe des Briefes der 3 Außenminister am 7. April hatte - des Briefes, der Schumachers Haltung rechtfertigte und den Bonner Streit löste. 25 7. Mai 1949 Da hat einer wider den Stachel gelökt - der Abgeordnete des Parlamentarischen Rates Dr. Fritz Löwenthal, ein früherer Reichstagsabgeordneter der kommunistischen Partei, der sich in der SED und der Ostzone freigemacht hatte. Er war empört über die Diktator-Allüren des Parteivorstandes der SPD in Hannover und hat deswegen seinem Herzen in einem Artikel im Tagesspiegel Luft gemacht mit der Ankündigung, man müßte eventuell eine neue sozialdemokratische Partei gründen. 2 6 Prompt hat ihn die Fraktion in Bonn ausgeschlossen die bürgerliche Presse nimmt davon natürlich mit erhobenem Zeigefinger Kenntnis. Ich meine, Löwenthal hat sich gewiß in der Form v e r g r i f f e n - a b e r die SPD müßte sich groß und erhaben [?] fühlen, über eine solche Disziplinlosigkeit hinwegzukommen. Der völlig unverständliche Streit über die Frage, ob Frankfurt oder Bonn Sitz des Bundes sein soll - ein Streit, den es für vernünftige und sparsame Leute gar nicht gibt hat eine sehr amüsante Szene, zuzusagen einen Höhepunkt, entwickelt. Der Vertreter der Stadtverwaltung Frankfurt, der sozialdemokratische Stadtrat Fay, ein trinkgewohnter Journalist, hatte mit Min.-Direktor Dr.

118

Tagebuch 1949

Wandersieb, dem Leiter der Staatskanzlei in Nordrhein-Westfalen und Vorkämpfer für Bonn, eine Versöhnung beim Weine vorgesehen. Es muß dabei kräftig gezecht worden sein, denn Fay landete schließlich mit einem auf ungeklärte Weise gebrochenen Bein in seinem Hotelzimmer. Damit aber noch nicht genug, dieses Hotelzimmer ging am nächsten Tage auf ebenfalls ungeklärte Weise in Flammen auf. Der Streit war trotzdem nicht begraben, denn Fay beschuldigte den Oberstadtdirektor Langendörfer in Bonn in einer Pressekonferenz, zu der er mit Gipsverband am Bein gehumpelt war, der Aufmachung einer „Milchmädchenrechnung" über die Kostenunterschiede Bonn-Frankfurt. Das brachte nun wieder Herrn Langendörfer in Harnisch, der seinerseits eine Pressebesprechung abhielt. Dabei fragte einer der Pressevertreter, ob es denn wahr sei, daß Frankfurt das Abstimmungsergebnis im Parlamentarischen Rat mit einer eventuellen Wohnungszuteilung an die Abgeordneten des Wirtschaftsrats in Zusammenhang bringen wolle. Diese Drohung kam den Frankfurtern sehr ungelegen, so daß sich Stadtrat Dr. Altheim, ebenfalls SPD, zum Wort meldete: „Sie kennen doch alle meinen Freund Fay und wissen, daß er in fröhlicher Stunde manchmal etwas überspitzte Formulierungen gebraucht. Man darf diese nicht zu ernst nehmen." Zwischenruf: „In vino veritas!" Antwort Altheims: „Diesmal war es keine veritas." (Bericht der Westdeutschen Allgemeinen vom 15.5. 1949).27 15. Mai 1949 Dr. Köhler hat Clay noch einen Abschied in Frankfurt in kleinem Kreise gegeben, der - abgesehen von den Störungen der Film- und Photooperateure während der offiziellen Ansprachen - harmonisch und eindrucksvoll verlief. 28 Clay wies in seiner Antwort an die drei deutschen Redner - Köhler, Pünder, Stock - auf die Freiheit als Grundlage des Lebens und die Sinngebung des Lebens hin. Er gab dann an seinem Tisch im Gespräch mit Nachdruck der Befürchtung Ausdruck, daß die Deutschen den Verlockungen der Russen nicht würden widerstehen können. Die deutschen Politiker würden in den nächsten fünf Jahren häufiger auf den Berg der Versuchung geführt werden, wo ihnen gezeigt würde, was sie haben könnten, wenn sie sich dem Osten anschlössen. Danach haben selbst die Amerikaner Sorge um eine östliche Orientierung der deutschen Politik. Wenn Clay doch nur persönlich die Folgerung gezogen und den Arbeitervertretern dieselben Chancen gegeben hätte wie den Unternehmern. Auf unerhörten Druck von Adenauer hat die CDU im Parlamentarischen Rat durchgesetzt und mit 33:29 Stimmen - bei 2 Stimmenthaltungen der Kommunisten - Bonn als Sitz der Bundesregierung beschlossen. Die Bevölkerung ist allgemein entsetzt über diesen Beschluß und der Demokratie noch ablehnender gesonnen. „Mit unseren Steuergroschen!!" Vielleicht kann die SPD im Wahlkampf für sich daraus Vorteile ziehen. Kriedemann hatte am Donnerstag einen großen Erfolg im ERP-Ausschuß des Wirtschaftsrates, als er einen detaillierten Entwurf für eine programmatische

T a g e b u c h 1949

119

Erklärung z u m E R P im w e s e n t l i c h e n mit allen F o r d e r u n g e n nach Planung und L e n k u n g durchsetzte. D a b e i war es interessant, daß Dr. Holzapfel

(CDU)

gleich zu Beginn der Beratung seinen differierenden Parteifreunden entgegentrat u n d sich z u 9 0 % m i t K r i e d e m a n n s V o r s c h l a g e i n v e r s t a n d e n e r k l ä r t e . D a s G a n z e w a r e i n e r n e u t e r B e w e i s d a f ü r , d a ß mit g r ö ß e r e m F l e i ß u n d s a c h l i c h e r Einsicht

auch aus der Opposition

h e r a u s e t w a s zu m a c h e n ist -

a u c h in

Deutschland. E r g ä n z u n g : Es wird wohl niemals offen dargelegt w e r d e n , wie der Beschluß zu G u n s t e n von B o n n als H a u p s t s t a d t d e r Bundesrepublik zustande g e k o m m e n ist. Die Sozialdemok r a t e n u n d die S ü d d e u t s c h e n stimmten e r k l ä r t e r m a ß e n f ü r F r a n k f u r t ; sie bildeten zweifellos die M e h r h e i t . Die geheime A b s t i m m u n g hat zweifellos eine R e i h e von A b g e o r d n e t e n in die Lage versetzt, nach ihren eigenen privaten Interessen und gegen ihren politischen A u f t r a g zu s t i m m e n . M a n c h e haben dies o f f e n e r k l ä r t , wie z . B . die sozialdemokratischen Minister des L a n d e s N o r d r h e i n - W e s t f a l e n , die sich f ü r B o n n e n t s c h i e d e n . D a s h ä t t e zur Bildung einer M e h r h e i t nicht genügt. Ich persönlich bin d a v o n ü b e r z e u g t , daß z. b. D r . Erich Köhler aus W i e s b a d e n u n d D r . Heinrich von B r e n t a n o aus D a r m s t a d t für B o n n gestimmt h a b e n , weil es mir andernfalls unerfindlich erscheint, d a ß d e r eine Präsident des B u n d e s t a g e s und der a n d e r e V o r s i t z e n d e r der C D U - F r a k t i o n w u r d e ; es gibt gewiß noch a n d e r e solche Fälle. 2 '' D i e Arbeitslosigkeit nimmt ständig zu, so daß nun auch U n t e r n e h m e r g e g e n Erhards Politik der freien Marktwirtschaft mißtrauisch w e r d e n .

Wenn

der

S c h r u m p f u n g s p r o z e ß n o c h e i n e W e i l e w e i t e r g e h t , d a n n k ö n n e n wir m a n c h e Überraschung erleben. A k t i v e Wirtschaftspolitik der Kreditausweitung sollte jetzt die Parole sein! E r g ä n z u n g : D a m a l s b r a c h t e n die Verwaltung für Wirtschaft und die V e r w a l t u n g für A r b e i t in F r a n k f u r t / M a i n - H ö c h s t in 14tägiger R e i h e n f o l g e eine Zeitschrift „Wirtschaftsv e r w a l t u n g " h e r a u s , die eine Folge von A u f s ä t z e n ü b e r wirtschaftliche Fragen bei D u r c h f ü h r u n g d e s L o n g - T e r m - P r o g r a m m e s als E r g e b n i s von zahlreichen Diskussionen in m e i n e m A r b e i t s k r e i s a b d r u c k t e ; die A u f s ä t z e s t a m m t e n aus m e i n e r Feder und b e t r a f e n d e n „ R a h m e n d e r deutschen Wirtschaftspolitik" ( H e f t 9 ) . den . . A u ß e n h a n d e l als Lebensf r a g e " ( H e f t 11), „Sicherung des M a s s e n v e r b r a u c h s " , „Kapitalbildung und L o h n p o l i t i k " ( H e f t 12). Die R e i h e sollte fortgesetzt w e r d e n . D a k a m das V e t o von Professor E r h a r d persönlich o d e r aus seiner U m g e b u n g , die darauf a u f m e r k s a m gemacht w o r d e n w a r e n , d a ß der A u t o r sich keineswegs im Sinne des Neoliberalismus g e ä u ß e r t h a t t e . L e o n h a r d Miksch schrieb eine E n t g e g n u n g ü b e r die Sicherung des M a s s e n v e r b r a u c h s und Dr. H e l m u t M e i n h o l d eine A n t w o r t u n t e r der U n t e r s c h r i f t „ L e n k u n g o d e r M a r k t w i r t s c h a f t im L o n g - T e r m - P r o g r a m m " (beide H e f t 13). D e r H e r a u s g e b e r der Zeitschrift. Ministerialrat M e d i c u s , w ä r e d a r ü b e r b e i n a h e zu Fall g e k o m m e n . 25. Mai

1949

Gestern war Arbeitskreis-Diskussion. E s ging um Investitionsfinanzierung und Kreditspritze. A l l g e m e i n herrschte Ü b e r e i n s t i m m u n g , daß etwas

geschehen

m ü ß t e u n d es besser w ä r e , jetzt eine dosierte Kreditspritze - natürlich eine kräftige M a ß n a h m e -

z u v e r a b r e i c h e n , als s p ä t e r g e z w u n g e n z u s e i n , e i n e

T e i l i n f l a t i o n z u m a c h e n . E s ist d u r c h a u s z w e i f e l h a f t , o b d i e j e t z t i m Z e n t r a l bankrat beschlossenen M a ß n a h m e n ausreichend sind.30 K r i e d e m a n n , bei d e m wir tagten, e n t l i e ß uns nicht - es war schon 2 2 . 4 5

120

Tagebuch 1949

sondern hielt uns noch eine Stunde fest. E r ist voller Befürchtungen über den A u s g a n g der Konferenz der Außenminister in Paris. 31 Oppler bestätigte aus seinen U n t e r r e d u n g e n im State D e p a r t e m e n t in Washington, daß Acheson voller Optimismus f ü r eine Einigung über Deutschland wäre. Man rechnete mit der vollen Zustimmung der Sozialdemokraten, die ja bei freien Wahlen die absolute Mehrheit gewinnen würden. Wenn die Russen hinter die Curzonlinie zurückgingen, dann wäre nichts mehr f ü r eine Demokratie in Deutschland und f ü r d e n Frieden in E u r o p a zu befürchten. - So einfach liegen die Dinge nicht, und so vertrauenswürdig sind die Russen nicht; man sollte doch aus den E r f a h r u n g e n der letzten zehn Jahre gelernt haben. Kriedemann befürchtet den Verlust der Freiheit in Deutschland, wenn eine Verständigung mit Rußland zustande k o m m t . D e r Rückzug der A m e r i k a n e r aus Europa lieferte Deutschland hoffnungslos d e m russischen Einfluß aus. Die Deutschen - 9 8 % aller Politiker - würden beruhigt oder sogar begeistert den Handel mit dem Osten, die Nationalisierung des Landes und eine Teilung Polens aus den russischen H ä n d e n entgegennehmen. Clay hatte zum Abschied gesagt, daß Deutschland in den nächsten 5 Jahren immer wieder auf den Berg der Versuchung geführt w e r d e n würde. 1. Juni 1949 Die Verhandlungen in Paris haben von russischer Seite keine der befürchteten Versicherungen an das deutsche Volk gebracht. Ich hatte Kriedemann, der seine Befürchtungen wiederholt lebendig vorgetragen hat, das letzte Mal gesagt, daß ich die Russen nicht für intelligent genug halte, den Teufel zu spielen. Die D i k t a t u r e n , besonders die asiatischen, gehen gröber, brutaler, unsozialer vor. Vielleicht fürchten sie auch einen erneuten Reinfall mit den Deutschen, n a c h d e m ihnen Hitler eine große Enttäuschung eingebracht hatte. So macht sich, insbesondere wegen des Vorschlages der Westmächte 3 2 , ein Gefühl der Erleichterung bemerkbar. Freilich bedeutet diese Entwicklung f ü r den Osten Deutschlands - Ministerpräsident Arnold spricht von Mitteldeutschland, weil Ostdeutschland unter polnischer Verwaltung steht - eine starke Enttäuschung, es werden sich dort noch üble M a ß n a h m e n sozialistischer Diktatur zeigen. Die e r n e u t e Sperre gegenüber Berlin 33 beweist das deutlich. Ich glaube, daß auch der Menschen Engel die Zeit sein m u ß ; nach drei bis vier Jahren dürfte die Situation eine andere sein. Die Heirat von Stalins 27jährigem Sohn mit der T o c h t e r Molotows 3 4 zeichnet eine Entwicklung ab, die zu ganz unerwarteten Ergebnissen führen kann. Bemerkenswert ist der starke Druck ultramontaner Kreise in Deutschland. „Le M o n d e " führte das einhellige „Nein" der bayerischen Regierung und der C S U auf die Einwirkung des Vatikans zurück. 3 5 Es bahnt sich hier eine Entwicklung an, die mindestens in der C D U zu großen Außeinandersetzungen mit den Protestanten führen kann. Wahrscheinlich wäre die Folge eine Rechtsentwicklung f ü r große Teile des Bürgertums, wenn die S P D nicht den Charakter d e r L a b o u r party annimmt. Jedenfalls marschiert die C D U z. Z t . kräftig in

Tagebuch 1949

121

reaktionärer Richtung. Wenn die SPD darauf warten will, bis ihr nach einem Anschluß der Ostzone die Mehrheit einmal zufällt, dann könnte sie in eine nicht zu meisternde Situation kommen; sie hätte sich nicht nur mit der Reaktion des Westens, sondern obendrein auch noch mit dem Konkurs der Ostzone auseinanderzusetzen, eine Aufgabe, der sie nicht gewachsen sein dürfte, wenn sie nicht schon erhebliche Kräfte in der Verwaltung hätte. 14. Juni 1949 Die Min.-Präsidenten haben den Militärgouverneuren Abänderungswünsche zum Wahlgesetz des Parlamentarischen Rates vorgetragen 36 - wahrscheinlich hat dabei, wenigstens bei den Sozialdemokraten, der Gedanke mitgespielt, daß diese Wünsche gar nicht annehmbar seien - ; doch nach kaum 48 Stunden war das Einverständnis der Militärgouverneure da. Nun grollte der Parteivorstand der SPD in Hannover. Ollenhauer fuhr zur nächsten Besprechung der Min.Präsidenten. 3 7 Die sozialdemokratischen Herren stellten aufdringliche Vorstellungen der Vertreter des Parlamentarischen Rates fest, daß das Wahlgesetz nach dem Text des genehmigten Grundgesetztes vom Parlamentarischen Rat festzustellen ist und sie gar nicht von der Ermächtigung der Militärgouverneure zur Verkündung des Wahlgesetzes Gebrauch machen können. Sie beschlossen daher, die Angelegenheit den Militärgouverneuren erneut vorzutragen mit der Bitte um Entscheidung, wer denn nun eigentlich das Wahlgesetz rechtsgültig verkünden darf. Es muß das entweder der Parlamentarische Rat tun - weshalb er immer noch nicht aufgelöst ist - oder die Militärgouverneure. Das Volk versteht das Ganze nicht, wundert sich über die weitere Verzögerung des Wahltermins und ist in seiner Empfindung bestärkt, daß die Demokratie in Deutschland nicht recht funktionieren will. Die Pariser Konferenz der vier Außenminister hatte jetzt ihre Sensation, den lang erwarteten russischen Vorschlag zum Friedensvertrag. 38 Es bleibt abzuwarten, wie die Westmächte darauf reagieren werden. Man kann ja wohl nicht den Endpunkt fixieren, ohne genaue Klarheit darüber zu haben, wie denn die Zwischenstationen aussehen werden. Die Nervenprobe für die Westmächte und ihre Vertreter geht weiter. 2. Juli 1949 General Robertson fordert von den Ministerpräsidenten eine endgültige Entscheidung über den Sitz der Bundesregierung. 39 Die Situation der Ungewißheit wäre für beide Seiten unwürdig und sogar als lächerlich zu bezeichnen. Ich bin gespannt, ob die Ministerpräsidenten am 6. Juli in Schlangenbad 4 " zu einer Einigung mit den Parteivertretern über einen Ausweg kommen werden. Kopf hat vorgeschlagen, es sollten die Landtage abstimmen, weil sie ja auch den Parlamentarischen Rat gewählt hätten. Ich bezweifle nur, ob Dr. A d e n a u e r d a s akzeptiert. Immerhin ist es ein Gedanke, den die versammelten Ministerpräsidenten und ihre Vertreter - auch Dr. Müller für Bayern - sympathisch

122

Tagebuch 1949

a u f g e n o m m e n h a b e n . E s sieht allerdings so a u s , als o b H e r r H a y s gar nicht recht d a f ü r ist, d e n n e r b e t o n t e in der K o n f e r e n z u n d n a c h h e r g e g e n ü b e r d e r Presse, d a ß m a n sich a n die g e t r o f f e n e E n t s c h e i d u n g des P a r l a m e n t a r i s c h e n R a t e s f ü r B o n n h a l t e n sollte. 4 1 H o f f e n t l i c h ist dieser Streit in drei W o c h e n a u s g e s t a n d e n . K r i e d e m a n n h a t h e u t e seinen Schicksalstag. W e n n er v o m L a n d e s p a r t e i v o r s t a n d d e r S P D in H a n n o v e r nicht an sicherer Stelle d e r L a n d e s l i s t e als K a n d i d a t f ü r d e n B u n d e s t a g aufgestellt w i r d , d a n n will e r aus d e r S P D a u s t r e t e n . E r will e n t w e d e r in d e r L a g e seien - wie bisher - d a s G e s i c h t d e r P a r t e i irgendwie m i t z u b e s t i m m e n u n d zu gestalten u n d f ü r die P a r t e i zu k ä m p f e n u n d zu leiden o d e r e r will a b t r e t e n , weil e r der A u f f a s s u n g ist, d a ß die P a r t e i s c h o n viel zu stark in d a s F a h r w a s s e r g e r a t e n ist, d a s zu d e r K a t a s t r o p h e von 1933 g e f ü h r t h a t . K r i e d e m a n n r e c h n e t d a m i t , daß es mit d e m B e s i t z b ü r g e r t u m z. B. w e g e n d e r Sozialisierung im R u h r g e b i e t zu s c h w e r e n K ä m p f e n k o m m e n k a n n u n d hält es gar nicht f ü r ausgeschlossen, d a ß die S o z i a l d e m o k r a t e n noch e i n m a l in die Emigration gehen müssen. 19. Juli 1949 M c C l o y ist z u m e r s t e n M a l e an d e n s o g e n a n n t e n K o n f e r e n z e n mit d e n Militärg o u v e r n e u r e n beteiligt g e w e s e n . 4 2 E r h a t wenig gesagt. N u r f ü r d a s B e a m t e n g e setz - M i l i t ä r - R e g i e r u n g s g e s e t z 15 - h a t er e i n e s t a r k e L a n z e eingelegt u n d seine B e f ü r c h t u n g e n ü b e r d e n finanziellen Z u s t a n d d e r R e i c h s b a h n a u s g e d r ü c k t . E s ist k a u m zu s a g e n , wie dieser M a n n sich f ü r D e u t s c h l a n d a u s w i r k e n wird. Ich v e r m u t e , d a ß e r auf wirtschaftlich-finanziellem G e b i e t e i n e n g r o ß e n E i n f l u ß a u s ü b e n w i r d - d a s ist sein M e t i e r . Es h a t mich sehr s y m p a t h i s c h b e r ü h r t , d a ß er von T o l e r a n z u n d gegenseitigem V e r s t ä n d n i s als V o r a u s s e t z u n g f ü r d e n weiteren A u f s t i e g D e u t s c h l a n d s sprach, als er d i e langen B e g r ü ß u n g s w o r t e D r . K ö h l e r s e r w i d e r t e . Ich m e i n e , in diesem K r e i s e z u m e r s t e n M a l e das W o r t T o l e r a n z g e h ö r t zu h a b e n . D i e M i l i t ä r g o u v e r n e u r e h a b e n den B i z o n a l e n d e n vollen E r n s t d e r finanziellen L a g e im H a u s h a l t sehr deutlich gezeigt, b e s o n d e r s w e g e n d e r R e i c h s b a h n u n d w e g e n B e r l i n . Sie w e r d e n o f f e n b a r alle M ö g l i c h k e i t e n b e n u t z e n ,

um

I n v e s t i t i o n s m i t t e l f ü r d a s L o n g - T e r m - P r o g r a m m zu s c h a f f e n . W e n n die D e u t s c h e n k e i n e K a p i t a l l e n k u n g b e t r e i b e n , w e r d e n sie i h n e n A u s g a b e n a u f b ü r d e n , die zu d e r A n r e i c h e r u n g d e s C o u n t e r p a r t F u n d s f ü h r e n . D i e „ O b e r s e k r e t ä r e " - nach Kopf - b e m ü h e n sich, die n e u e B u n d e s v e r w a l t u n g zu o r g a n i s i e r e n 4 3 - auf dem P a p i e r , [unleserlich] Im s o g e n a n n t e n O r g a n i s a t i o n s a u s s c h u ß h a t m a n mit 6:5 S t i m m e n d e m S e k r e t a r i a t des L ä n d e r r a t s das T o d e s u r t e i l g e s p r o c h e n . 4 4 Ich h o f f e t r o t z d e m im I n t e r e s s e d e r L ä n d e r u n d des n e u e n B u n d e s r a t s - j a ü b e r h a u p t d e r n e u e n D e m o k r a t i e - , d a ß dieses Urteil nicht b e s t e h e n bleibt. E s scheint mir e i n a l l g e m e i n e s S t r e b e n zu sein, ja nichts N e u e s a u f k o m m e n zu lassen. F ü r die kleinen G e i s t e r ist das a m b e q u e m s t e n , u n d f ü r d i e „ P o l i t i k e r " häufig k e i n e Sache, d i e sich l o h n t . M i r kribbelt es i m m e r w i e d e r in allen G l i e d e r n , w e n n ich e r l e b e n m u ß , wie schlecht v e r w a l t e t wird u n d welche Möglichkeiten d e r V e r b e s s e r u n g - organisa-

Tagebuch 1949

123

torisch und wirtschaftlich - immer wieder verpaßt werden. Da gibt es beinahe kein Ressort, wo ich nicht mit aufgekrempelten Hemdsärmeln eingreifen möchte - Reichsbahn, Post, Finanzen, Wirtschaft, Beamtenrecht, Steuern, Kapitallenkung, Zollpolitik, Wohnungsbau. Hausratversorgung, Kunst usw. usw. So simuliere ich eigentlich Tag für Tag, was wohl nach den Wahlen geschehen wird: Ich befürchte, daß wir eine rein bürgerliche Regierung bekommen werden, daß die kapitalistische Reaktion sehr ins Kraut schießen wird, daß die sozialen Spannungen sich verschärfen und die SPD dann an die Staatsmacht kommen wird, wenn es - vom Standpunkt der C D U - gar nicht mehr anders geht. Es sei denn, daß schon der Wahlausgang eine deutliche Unzufriedenheit mit der „freien" Marktwirtschaft seitens der Bevölkerung dokumentiert. Die CDU-Taktiker rechnen mit einer absoluten Mehrheit der SPD, wenn es einmal zu einer Vereinigung von Ost-Westdeutschland kommen sollte; deshalb möchten sie wohl vorher noch alles Mögliche im Sinne ihrer kapitalistischen Restaurationspolitik auf die Beine gestellt haben. Ich meine, wir leben nach den Parolen von Dr. Erhard so, als wenn wir den Krieg gewonnen hätten. Es muß eine grausige Ernüchterung kommen. Die Entwicklung in England zeigt die ganze Schwere der Lage. Freilich hat England wiederum den Versuch gemacht, die finanziellen Lasten des Weltkrieges ohne einen Währungsschnitt zu verkraften. Nun sitzt es in der Klemme, weil es im Pfundwährungsgebiet keine Handlungsfreiheit hat: Es kann das Pfund nicht abwerten, ohne die Wirtschaftseinheit des Commonwealth zu stören oder gar zu vernichten. Manche freilich meinen, die Sozialisierungspolitik der Labour party habe sich als ein Fehlschlag erwiesen, weil die Arbeiterschaft - moralisch - nicht mitginge. Man stecke sich die Vorteile und Annehmlichkeiten gern - vielmehr als selbstverständlich - ein und dächte gar nicht daran, lehnte es vielmehr glatt ab, selbst mehr zu leisten - ob es nun gewisse Preiserhöhungen oder Arbeitsbedingungen oder Mehrstunden oder anderes betrifft. Ein Beispiel, das mir Mr. Fliess erzählte: Eine Dame, Mitglied der Labour party, hatte vor kurzem ein Kind gehabt und aus diesem Anlaß große staatliche Förderung nach dem health act erfahren. Nunmehr schimpfte sie Mord und Bein über eine kleine Erhöhungdes Milchpreises, die irgendwie notwendig geworden war. Fliess war empört über diese Einstellung. Ja, ja! Muß man da nicht an Ortega y Gassets „Aufstand der Massen" denken? Die Demokratie kann nicht darin bestehen, daß die Massen regieren - sie müssen „demokratisch" geführt werden. Wenn wir diese Führung nicht erreichen und dazu ein gewisses Maß von Gleichheit und Sicherheit der Existenz, dann gibt es nur die Polizei als Lösung. Denn das ist ja immer wieder das beschämend Überraschende: die großen Schreier in der großen und kleinen Politik werden augenblicklich still - und zufrieden? - , wenn sie nicht mehr die Möglichkeit haben, sich „demokratisch" zu betätigen. Vielleicht sollte man doch dazu übergehen, die Moskau-Anhänger nach den Volksdemokratien abzuschieben, wo sie ihr Paradies haben sollen.

124

Tagebuch 1949

O b die allgemeine Exkommunizierung der Kommunisten aus der katholischen Kirche 4 5 einen politischen Erfolg zeitigen wird, darauf bin ich sehr neugierig. Es wäre immerhin ein Erfolg der „idealistischen Geschichtsauffassung". 30. Juli 1949 D e r Wahlkampf hat begonnen. D r . A d e n a u e r fiel nichts Besseres ein, als die S P D zu verleumden mit zwei hanebüchenen Behauptungen: die S P D wäre an der Diktatur der S E D in der Ostzone schuld, denn die meisten Führer der S E D wären ehemalige Sozialdemokraten. 4 6 Ich möchte wissen, was Herr A d e n a u e r zu antworten hätte, wenn jemand ebenso laut und vernehmlich behaupten wollte, die katholische Kirche wäre am Nationalsozialismus schuldig, denn Hitler, H e ß , Goebbels und viele andere Führer d e r N S D A P sind Katholiken gewesen. So geht es doch nun wirklich nicht! Ferner hat A d e n a u e r behauptet, die S P D wäre über den Brief der drei Außenminister unterrichtet gewesen, wonach ein Entgegenkommen in Verfassungsfragen zu gewähren sei 47 ; er stelle anheim, ihn zu verklagen. Was ist das für ein Verhalten! Schumacher hat seinen G e g n e r daraufhin „Lügenauer" genannt 4 8 - auch kein Zeichen nobler Gesinnung und des fair play. Nun kann ja A d e n a u e r Klage erheben! Was sagt das Volk? Es rückt ab von dieser Sorte D e m o k r a t i e und will nicht zur Wahlurne gehen. Ein „Unflat", ein übler Demagoge mit dickem Fell ist auch Dr. E r h a r d . Er gehört wohl zu den Politikern, die am schnellsten ihre großen Versprechungen vergessen, so d a ß sich selbst die „Neue Zeitung" veranlaßt sah, vor seinen „voreiligen Prognosen" zu warnen. 4 9 Nunmehr geht die volkswirtschaftliche Diskussion in den ernsthaften Zeitungen und Zeitschriften an Erhards Vorschlägen vorüber. Freilich bedeutet das politisch vorläufig noch gar nichts, denn die H e r r e n Politiker lesen die Wirtschaftsblätter nicht. Nur in Wolfenbüttel ist er neulich niedergebrüllt worden. 5 0 Ergänzung: Unvergeßlich bleibt mir eine Diskussion, die der Vorbereitung der Monatskonferenz mit den Generälen Clay und Robertson diente. Es ging um die deutsche Stellungnahme zu dem sogenannten Long-Term-Programm, das u. a. eine Steigerung des deutschen Exports innerhalb von 5 Jahren auf etwa 12 Milliarden D M jährlich vorsah. Professor Erhard höhnte über die Vorschläge im Long-Term-Programm und erklärte insbesondere die erwartete Steigerung des deutschen Exports für eine vollständige Unmöglichkeit; wer solche Zahlen ausrechnet, habe bewiesen, daß er von den deutschen wirtschaftlichen Verhältnissen keine Ahnung habe, der deutsche Export habe nur im Jahre 1928 einmalig die Summe von etwa 12 Milliarden D M erreicht. Überhaupt war Professor Erhard gegen die Ziele und Maßnahmen des Marshallplanes für Deutschland eingestellt: Man solle uns das Geld geben, dann werden wir es besser anzuwenden verstehen, war seine Auffassung. Ganz anders General Clay. der es in einer Verhandlung ausdrücklich ablehnte, Zahlungen aus Marshallplanmitteln an deutsche Stellen zu leiten, solange nicht für ihre Anlage und Verwaltung ein eigenes Bankinstitut - die Kreditanstalt für Wiederaufbau in Frankfurt - errichtet sei. Die Praxis hat bewiesen, daß die amerikanischen Schätzungen im Rahmen des Long-Term-Programmes noch niedriger lagen als die tatsächlich erreichten Ziffern."

Tagebuch 1949

125

Wenn mich meine Freunde und Mitarbeiter politisch ansprechen - gerade deswegen, weil sie mich zu den etwas prominenteren Sozialdemokraten rechnen dann höre ich immer wieder dasselbe: „Warum sorgt man nicht dafür, daß Sauberkeit, Wahrhaftigkeit und Sachlichkeit wenigstens an den leitenden Stellen herrschen? Wie ist es möglich, daß ein solcher Tropf wie Pünder, ein solcher Demagoge wie Erhard, ein solch mediokrer Mann wie Stock, daß Wohleb, Altmeier, Lüdemann an sichtbarster Stelle und in höchst verantwortlichem Amt sein können? Wie ist es zu begründen, daß der Unsinn mit Bonn geschah? Was tun die Politiker gegen die reine Protektionswirtschaft des Personalreferenten in der Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, gegen die groteske Stümperei in der Reichsbahn, gegen die Bummelei in ERP-Angelegenheiten, usw. ?" Ich kann nur sagen: „Hoffentlich beteiligt sich die SPD an der Bundesregierung, hoffentlich schickt wenigstens die SPD einige handfeste Männer in die Regierung, die solche Dinge aufdecken und bekämpfen, hoffentlich beseitigt der ständige Säuberungsprozeß der demokratischen Prozedur die gröbsten Schädlinge und Trottel." Im Innern aber bin ich keineswegs davon überzeugt, daß die SPD diese Übelstände erkennt und zu beseitigen entschlossen ist. Auch bei ihr herrscht eine Ämterpatronage, die nicht von schlechten Eltern ist. Dabei sind die Ansprüche, die an die neue Demokratie und ihre Exponenten gestellt werden, durchaus bescheiden und vernünftig. Ich komme immer wieder zu demselben Ergebnis: Saubere Amtsführung, Wahrhaftigkeit und greifbare Erfolge für die große Masse der Notleidenden können auf die Dauer der SPD zu Macht und Ansehen verhelfen. 31. Juli

1949

Thomas Mann hatte am 25. Juli in der Paulskirche in Frankfurt aus Anlaß der Verleihung des Goethepreises 1949 eine ..Ansprache im Goethejahr" gehalten. 52 Die Veranstaltung hat die Gemüter bewegt pro und contra Thomas Mann. Ich habe sie selbst erlebt und muß sagen: der Vortrag von Fritz von Unruh 3 ' im vergangenen Jahre an derselben Stelle war - trotz mancherlei Einschränkungen - ein Erlebnis für mich gewesen, der Vortrag von Thomas Mann war es bei weitem nicht in demselben Maß. Die Teilnehmer waren von Unruh förmlich in Bann geschlagen und am Ende fast ausnahmslos stürmisch begeistert, obwohl beinahe jedem eine heftige Kritik widerfahren war. Der kühle, sehr bewußte und von seiner Überlegenheit überzeugte Thomas Mann hatte einen ähnlichen Erfolg nicht erzielt. Die Goethefeier begann mit dem Allegro con brio aus dem Streichquartett in f moll (opus 95) von Beethoven, gespielt vom Lenzewski-Quartett. Der Klang der Instrumente verlor sich in der kahlen Kuppelhalle der Paulskirche. Dann sprach ein Schauspieler Gedichte von Goethe sonorig und ausdrucksvoll: Prometheus, Grenzen der Menschheit und Das Göttliche. Dann kamen die Begrüßungsworte des Oberbürgermeisters Kolb - viel zu lang und ohne jede innere Teilnahme, denn auch der naivste Zuhörer bekam je länger je mehr das wachsende peinliche Gefühl, daß Kolb etwas vortrug, was er weder gemacht hatte, noch nach Inhalt

126

Tagebuch 1949

u n d F a s s u n g v e r a n t w o r t e n , d. h. f ü r sich selbst in A n s p r u c h n e h m e n k o n n t e . E s w a r ein u m f a n g r e i c h e r A u f s a t z ü b e r T h o m a s M a n n , seine W e r k e u n d seine k ü n s t l e r i s c h e A r b e i t s w e i s e aus d e r F e d e r eines L i t e r a t u r h i s t o r i k e r s M ü l l e r , d e r sich als „ B e g r ü ß u n g s w o r t " gar nicht e i g n e t e , a b e r o b e n d r e i n so v e r k r a m p f t und g e s c h w o l l e n w a r , d a ß ich nicht u m h i n k o n n t e mir drei Stilblüten a u f z u s c h r e i b e n . D e r R e d n e r s p r a c h , zu M a n n g e w a n d t , von d e r Mitgift seiner

geistigen

W a h r n e h m u n g s - K a p a z i t ä t ; er n a n n t e ihn d e n „ S e i s m o g r a p h e n dieser Z e i t - das will e t w a s h e i ß e n - Sie sind nicht B a l s a m , s o n d e r n M a h n e r . . . " E r c h a r a k t e r i s i e r t e M a n n s W e r k e , g e s c h r i e b e n „mit d e n h o c h d i f f e r e n t e n u n d e x t r a v a g a n t e n M i t t e l n e i n e r S p ä t k u n s t " , w o die g e i s t r e i c h - m e l a n c h o l i s c h e n P a r o d i e n s e h r wohl E h r f u r c h t sein k ö n n e n . D a s war m i r zu h o h l , zu g e m a c h t , zu sehr e f f e k t h a s c h e n d u n d d a h e r v e r f e h l t . T h o m a s M a n n selbst s p r a c h , d. h. g e n a u e r er las W o r t f ü r W o r t von e i n e m M a n u s k r i p t a b , so d a ß er als V o r l e s e n d e r , nicht als R e d n e r w i r k t e . Die g e s c h r i e b e n e n Seiten in d e r linken H a n d h a l t e n d , h a t t e e r G e l e g e n h e i t , seine W o r t e mit d e r R e c h t e n zu u n t e r s t r e i c h e n , w a s er spärlich, meist mit e r h o b e n e m Z e i g e f i n g e r tat. Als er d a v o n s p r a c h , d a ß ihm G o e t h e „ T r o s t u n d K r a f t u n d G l a u b e n " g e b r a c h t h a b e , d a e r w e c k t e diese W o r t f o l g e in m i r die V o r s t e l l u n g eines priesterlichen M a h n e r s . W e n n ich m e i n e n g a n z e n s u b j e k t i v e n E i n d r u c k dieses Schriftstellers, d e n ich z u m e r s t e n M a l e sah,

jemandem

a n s c h a u l i c h u n d k u r z b i l d h a f t k e n n z e i c h n e n sollte, d a n n w ü r d e ich s a g e n : er m a c h t den E i n d r u c k e i n e s sehr g e b i l d e t e n , g e p f l e g t e n u n d s e l b s t b e w u ß t e n O b e r s t u d i e n d i r e k t o r s mit stark p r i e s t e r l i c h e m Einschlag. D e r V o r t r a g b e g a n n m i t e i n e r b r e i t e n A u s e i n a n d e r s e t z u n g politischer A r t g e g e n ü b e r seinen A n f e i n d e r n . „Ich stelle m i c h , d e n F r e u n d e n u n d d e n F e i n d e n " . „ Z u m B u ß p r e d i g e r f e h l t mir alles - (ich bin nicht dieser A u f f a s s u n g ) - a b e r auch z u m P r o p h e t e n " . S o richtig ich es e m p f a n d , d a ß M a n n e t w a s Persönliches aus A n l a ß seines e r s t e n B e s u c h e s in D e u t s c h l a n d nach s e i n e r E m i g r a t i o n sagte, so s e h r h ä t t e ich eine gewisse B e s c h r ä n k u n g sowohl d e m U m f a n g e nach als auch in den psychologischen

R e f l e x i o n e n f ü r erforderlich g e h a l t e n .

Ein Schriftsteller, d e r

„die

B e t r a c h t u n g e n eines U n p o l i t i s c h e n " g e s c h r i e b e n hat u n d mit R e c h t sich wie ein K ü n s t l e r v o n h o h e n G r a d e n f ü h l t , sollte d e r Politik f e r n e r stehen u n d k ö n n t e politische I r r t ü m e r f ü r sich geltend m a c h e n . E s w ä r e richtiger u n d wirkungsvoll e r g e w e s e n . D i e Feststellung, d a ß es k e i n e n nationalsozialistischen

Staat

g e g e b e n h ä t t e , w e n n alle D e u t s c h e n d e n N a t i o n a l s o z i a l i s m u s so g e h a ß t h ä t t e n , wie e r es g e t a n h a b e , ist so unpolitisch u n d u n h i s t o r i s c h , d a ß sie mich b a ß in E r s t a u n e n setzte. D i e B e m e r k u n g , d a ß seine M u t t e r s p r a c h e seine H e i m a t w ä r e , n a c h d e m e r v o r h e r v o n seiner n e u e n H e i m a t d r ü b e n g e s p r o c h e n h a t t e , w u r d e v o n e i n i g e n übel v e r m e r k t , weil die M u t t e r s p r a c h e d o c h sein G e s c h ä f t sei. Ich m e i n e , hier war e b e n f a l l s ein g r o b e r F e h l e r zu v e r m e r k e n . So f a n d M a n n wenig Beifall. W a s er ü b e r G o e t h e sagte, w a r - wie e r w a r t e t - klug u n d gut f o r m u l i e r t u n d g e w i ß auch w e r b e n d f ü r das A u s l a n d . Ich bin sicher, d a ß k a u m ein Z w e i t e r es so g u t h ä t t e a u s s p r e c h e n k ö n n e n . D i e V e r e h r e r von T h o m a s M a n n w a r e n a m E n d e b e g e i s t e r t . D i e Politisch interessierten Z u h ö r e r w a r e n w e n i g e r a n g e t a n , viele

Tagebuch 1949

127

lehnten ihn nach wie v o r w e g e n seines politischen Verhaltens ab. Ich glaube, daß T h o m a s Mann ein so ausgesprochener Vertreter d e r bürgerlichen Lebensauffassung des vergangenen J a h r h u n d e r t s ist und in so ausgesprochener Weise der gegenwärtigen Kunstform fernsteht, die keine Zeit und keine Neigung f ü r das Epische hat, d a ß er wohl interessant, aber nicht f ö r d e r n d wirkt. 11. August

1949

Einst war dieser Tag der Feiertag der deutschen R e p u b l i k . M Unselige Erinnerungen tauchen auf, wenn ich daran d e n k e , wie es niemals gelungen ist, an diesem Tage wirklich nationale Begeisterung anzufachen. Ich habe mir als junger Bürgermeister ernsthaft M ü h e gegeben, ihn jeweils feierlich zu b e g e h e n . A n f a n g s beteiligte sich sogar der Stahlhelm geschlossen an dem Festzuge - doch so blieb es nicht: die Reaktion siegte in der Meinung des Bürgertums. Es sieht heute wiederum so aus, als wenn es uns an einer wahrhaft konservativen bürgerlichen Partei fehlen w ü r d e . Man ist politisch ungeschult und wirtschaftlich egozentrisch, d a h e r läuft man den D e m a g o g e n nach, die rückwärts schauen und törichte H o f f n u n g e n erwecken o d e r die nationalistischen Instinkte anfachen. In M ü n c h e n veranstaltet der Staatskommissar f ü r die W i e d e r g u t m a c h u n g A u e r b a c h eine jüdische Protestversammlung gegen eine üble antisemitische Zuschrift, welche die „Süddeutsche Z e i t u n g " abgedruckt hatte - als ein Beispiel, wie es nicht sein soll."'"' D e n n o c h wird sie als „der S t ü r m e r von 1949" hingestellt. Die V e r s a m m l u n g zieht d e m e n t s p r e c h e n d mit Plakaten in zwei Sprachen durch die Straßen und will das Z e i t u n g s g e b ä u d e demolieren. Es kam jedoch n u r zu Straßenschlachten mit der deutschen Polizei, bis amerikanische Panzerspähwagen eingriffen. W e r ist schuldig? Schwer zu sagen! Bezeichnend scheint mir nur die Tatsache zu sein, d a ß die Straße mobilisiert wird und auch schnell mobilisiert werden kann und die A u t o r i t ä t des Staates zur Farce wird. Ich glaube, a n n e h m e n zu k ö n n e n , d a ß die V e r m u t u n g einer gewissen Sympathie der Besatzungsbehörden gerade zugunsten der Juden hier eine Rolle gespielt hat, die e r m u n t e r n d gewirkt hat. Sicher scheint mir zu sein, daß H e r r n A u e r b a c h deswegen nichts widerfahren wird. So war es 1 9 3 1 - 1 9 3 2 auch gewesen. Die Z e i t u n g verdient einen gehörigen Denkzettel wegen Unfähigkeit, H e r r A u e r bach eine kräftige E r m a h n u n g zu sachlicher Zurückhaltung. Klaus schreibt mir, er war a m vergangenen Freitag in Wiesbaden im Kino, wo drei Musiker politische Lieder vortrugen und zum Schluß Verse auf Bonn: D o r t soll ein neues Reich erstehn! Wir wollen unsern F ü h r e r sehn! D o n n e r n d e r Beifall des Publikums. Klausis L e h r e r hatte dieses Kino ebenfalls besucht und behandelte den Fall in der Schule, wobei er weidlich auf die deutsche Regierung schimpfte. Dabei lobte er Kurt Schumacher, weil er den E n g l ä n d e r n einmal gründlichst die M e i n u n g wegen d e r D e m o n t a g e gesagt h a b e . A b e r die C D U solle mal sehen! Sie würde bei den W a h l e n ihr blaues W u n d e r erleben. Mindestens 25 % aller Stimmen würden f ü r die Rechtsparteien wie F D P , L D P und N D P abgegeben w e r d e n .

128

Tagebuch 1949

H i e r scheint mir eins von Wichtigkeit: die Besatzungsmächte, insbesondere die A m e r i k a n e r , haben immer wieder den Fehler gemacht, daß sie sich den sozialdemokratischen Forderungen wegen Betriebsrätegesetz, wegen Sozialisierung, wegen A u s b a u der Sozialgesetzgebung widersetzten und die sozialdemokratischen Politiker, besonders in H e s s e n , übel behandelten. A u c h sonst d ü r f t e n die kapitalistischen Kreise in Deutschland G r u n d und E r m u n t e r u n g g e n u g h a b e n , sich gegen die G e w e r k s c h a f t e n und die sozialdemokratischen F o r d e r u n g e n siegesbewußt zur W e h r zu setzen. Etwas mehr Z u t r a u e n zu den S o z i a l d e m o k r a t e n und etwas m e h r Verständnis f ü r die sozialpolitische Lage in D e u t s c h l a n d hätte viel zur Stärkung der D e m o k r a t i e beigetragen. Nach meinem E r m e s s e n h a t hier Clay große Fehler begangen. D i e Folge ist eine instinktive A b l e h n u n g der Besatzungsmächte, deren große Hilfe m a n als selbstverständlich hinnimmt („sie tun es f ü r sich, nicht f ü r uns und v e r d i e n e n noch d a r a n " ) und deren gelegentliche Fehler und Ungeschicklichkeiten ins G r o t e s k e übertrieben w e r d e n . Die Besatzungskosten im weitesten Sinne spielen dabei eine hervorragende Rolle. Hoffentlich schaffen die High Commissioner darin W a n d l u n g - sie würden W u n d e r erleben! R o b e r t s o n hat sich am 4. August gegenüber den Min.-Präsidenten kritischw a r n e n d ü b e r die nationalistischen Auswüchse im W a h l k a m p f , insbesondere w e g e n der A n g r i f f e auf die Besatzungsmächte, ausgesprochen. 1 ' 1 E r sieht die Lage nüchtern-formal: darüber seien sich doch die deutschen Parteien o f f e n b a r einig; w a r u m zögen sie z. B. die D e m o n t a g e - F r a g e in den W a h l k a m p f , wenn es kein Streitpunkt sei? Die Deutschen würden diese K a m p a g n e noch teuer zu b e z a h l e n h a b e n . Darauf entgegnete Kaisen mit einem Hinweis auf die Schutzlosigkeit der verantwortlichen Politiker gegen D r o h u n g e n und V e r l e u m d u n g e n a n d e r s als in A m e r i k a . Der Fall Loritz'' 7 wurde erwähnt, doch wünschte R o b e r t s o n nicht die E r ö r t e r u n g von Einzelfällen. R o b e r t s o n versprach, nach den W a h l e n hier Abhilfe zu schaffen, und bat um geeignete Vorschläge der Ministerpräsidenten. Ich bin gewiß, d a ß solche Vorschläge nicht k o m m e n w e r d e n , weil sich niemand d a r u m k ü m m e r n wird! W a n n hätten die hohen L ä n d e r c h e f s schon einmal auf die Protokolle ihrer K o n f e r e n z e n mit den Militärgouverneuren zurückgegriffen! Ich m e i n e , es sollten sich die Besatzungsmächte den Schutz der D e m o k r a t i e angelegen sein lassen und ihn selbst - jedenfalls einleitend und vorläufig - in die H a n d n e h m e n , bis sich die Rechtsregelung so eingespielt hat, daß ihre H a n d h a b u n g auf deutsche Stellen übertragen werden k a n n . Für das erste halte ich die d e u t s c h e Staatsautorität und den deutschen B e h ö r d e n a p p a r a t nicht f ü r gut und befestigt genug, um hier neue W e g e zu beschreiten und dazu die A n e r k e n n u n g auch der Widerspenstigen und Leichtbeeinflußbaren zu gewinnen. Es gibt D i n g e in d e r Politik und im Interesse der D e m o k r a t i e , die nicht zerredet werden d ü r f e n . D a r a n müssen sich die Deutschen gewöhnen. D a s müssen ihnen die Besatzungsmächte beibringen, wenigstens die A n g l o - A m e r i k a n e r . Es sollten d a h e r die Militärgouverneure die Befugnis h a b e n , gegen öffentliche Verleumd u n g e n einzuschreiten durch zeitweiliges V e r b o t d e r Zeitungen p p oder durch

Tagebuch 1949

129

zeitweiliges R e d e v e r b o t u n b e s c h a d e t der B e s t r a f u n g wegen V e r l e u m d u n g , die von den Gerichten schnellstens d u r c h z u f ü h r e n wäre. Alles in allem: die D e u t s c h e n , die unter d e m Naziregime, d e m Kriege und den Nachkriegsereignissen gelitten h a b e n und immer wieder an den R a n d der Verzweiflung gelangen, wollen T a t e n sehen, handfeste A r b e i t , zielbewußtes H a n d e l n ohne viele W o r t e . Sie sind bereit, zu dulden und zu w a r t e n , wenn ihnen nur klar gemacht wird, weshalb und wofür das notwendig ist. Möge doch die Wahl diesen Start mit der S P D möglich machen! 12. August

1949

Arnold J. T o y n b e e , „Studien zur Weltgeschichte". D a s vielbesprochene Buch hat mich enttäuscht. E s ist eine A r t biogenetischer Geschichtsbetrachtung, die Wachstum und Zerfall der Zivilisationen behandelt. Mit wissenschaftlicher Gründlichkeit hat es m. E. wenig zu tun. Es ist eine Geschichtsschau, die multa, nicht multum bringt. Man kann diese protzige A r t , Beispiele aus d e r Geschichte f ü r die behauptete Genesis d e r Zivilisationen vorzutragen, einen groß angelegten Essay n e n n e n , aber nicht ein Geschichtswerk. Vielleicht bin ich mit falschen Voraussetzungen an die Lektüre gegangen. Jedenfalls hat mich schon die dichterische A r t der Darstellung b e f r e m d e t . Doch eins scheint m i r z . B . b e m e r k e n s w e r t , das ist die Rolle d e r b r e i t e n Masse der Bevölkerung - des Proletariats - in den Überlegungen T o v n b e e s . Er schreibt S. 357/8: ..Gewaltanwendung war jedoch keineswegs die einzige A n t w o r t des hellenischen heimischen Proletariats: es schuf zu gleicher Zeit die christliche Religion. Dieser sanftmütige Ausdruck seines G e f ü h l e s war genau so echt wie die Wildheit: beides waren Ablösungsbewegungen innerhalb des Gesellschaftskörpers . . . die Gewalttätigkeit vernichtete sich schließlich selbst und die Sanftmütigkeit gewann den Tag und das Leben. . . . Diese B e k e h r u n g der ersten Christen von der A n w e n d u n g der Gewalt zur Sanftmütigkeit wurde dadurch e r k a u f t , daß sie alle ihre irdischen H o f f n u n g e n vernichtet sahen. . . . Die christliche Kirche b e a n t w o r t e t e alle Verfolgung mit Sanftmütigkeit: ihr L o h n bestand in der B e k e h r u n g d e r herrschenden Minderheit der hellenischen Gesellschaft und dann der barbarischen Kriegsbanden des fremdländischen Proletariats." U n d Seite 391: „ D e r eigentlich kennzeichnende Wert eines heimischen Proletariats ist die Schaffung einer höheren Religion und einer allumfassenden Kirche." Diese A u f f a s s u n g stimmt mit d e r j e n i g e n von Rostovtzeff (Geschichte der Alten Welt Bd. II)-"'9 ü b e r e i n . wonach Kaiser Konstantin e r k a n n t e , d a ß die diktatorische Gewalt im römischen Reich nur durch Rechtfertigung aus dem religiösen G l a u b e n - Kaiser von Gottes G n a d e n - gestützt werden k ö n n e , weshalb e r das Christentum zur Staatsreligion machte. Ich glaube, d a ß T o y n b e e s weltgeschichtliche Auffassung sich zusammenfassen läßt in die Sätze: Alle Zivilisation ist eine A u f g a b e und Sache der h e r r s c h e n d e n Minderheit; ihr folgt die proletarische Mehrheit eine Zeitlang

130

Tagebuch 1949

d u r c h gläubige N a c h a h m u n g . D a n n reißt d a s B a n d a b . was den Stillstand d e r Zivilisation zur F o l g e h a t . Die h e r r s c h e n d e M i n d e r h e i t versucht sich d a n n mit G e w a l t im a l l u m f a s s e n d e n Staate an d e r M a c h t zu h a l t e n u n d b r a u c h t d a z u das e i n h e i m i s c h e , s p ä t e r das f r e m d l ä n d i s c h e P r o l e t a r i a t , das den Z u s t a n d

des

F r i e d e n s z u n ä c h s t b e g r ü ß t und f ö r d e r t , schließlich a b e r vor d e r u n ü b e r w i n d l i c h e n G e w a l t h e r r s c h a f t resigniert u n d „in S a n f t m ü t i g k e i t " eine n e u e , h ö h e r e R e l i g i o n - a l l u m f a s s e n d - h e r v o r b r i n g t , die e i n e n e u e E p o c h e d e r Zivilisation Kultur - einleitet. W e n n d a s richtig ist - u n d ich v e r m a g im A u g e n b l i c k dieser A u f f a s s u n g nichts e n t g e g e n z u s e t z e n - , d a n n ist alle f r i e d f e r t i g e G e s e l l s c h a f t s o r d n u n g aristokratisch, e b e n s o aller A u f s t i e g d e r Zivilisation. Die b r e i t e Masse m u ß gläubig m i t t u n , d e n n es h a n d e l t sich um e c h t e Disziplin aus d e m G e f ü h l d e r U n t e r l e g e n heit o d e r V e r p f l i c h t u n g g e g e n ü b e r d e r h e r r s c h e n d e n M i n d e r h e i t . H ö r t dieses V e r h ä l t n i s a u f , d a n n folgt die G e w a l t h e r r s c h a f t bis z u r A u f l ö s u n g d e r Gesellschaft. D i e D e m o k r a t i e k o m m t bei dieser B e t r a c h t u n g schlecht w e g , d e n n sie v e r s u c h t d o c h im G r u n d e g e n o m m e n e i n e n Z w i t t e r z u s t a n d zu s c h a f f e n o d e r a u c h a u f r e c h t z u e r h a l t e n , der w e d e r A r i s t o k r a t i e n o c h G e w a l t h e r r s c h a f t b e d e u t e t . In d e r T a t setzt T o y n b e e selbst Z w e i f e l in die F r a g e , ob d a s englische P a r l a m e n t a u c h h e u t e noch als M u s t e r e i n e r R e g i e r u n g s f o r m hingestellt w e r d e n kann. S. 323: „ D a s P a r l a m e n t ist seinem W e s e n nach e i n e V e r s a m m l u n g örtlicher V e r t r e t e r . Nichts a n d e r e s k ö n n e n wir auf G r u n d seiner H e r k u n f t e r w a r t e n . . . . F r a g e n wir d e n E n g l ä n d e r h e u t e , w e r sein N a c h b a r ist, so wird

er

a n t w o r t e n , er sei von d e r B a h n , d e r G r u b e o d e r d e r W e r k s t a t t . D i e Beschäftig u n g eines M e n s c h e n , nicht sein W o h n o r t , ist wichtig g e w o r d e n . E i n e Volksvert r e t u n g auf b e r u f l i c h e r G r u n d l a g e j e d o c h ist u n b e t r e t e n e r ,

jungfräulicher

B o d e n , soweit es die V e r f a s s u n g des S t a a t e s a n g e h t , u n d die älteste V o l k s v e r t r e t u n g , W e s t m i n s t e r , ist nicht geneigt, sich auf so u n s i c h e r e n B o d e n zu b e g e b e n . " D a m i t h a t e r vollständig recht, d e n n es w ä r e völlig a b w e g i g , nicht das G e m e i n s a m e ( n a t i o n a l e ) , s o n d e r n das T r e n n e n d e (wirtschaftliche.) in d e r D e m o k r a t i e zu b e t o n e n . S o bleibt uns n u r d e r d e m o k r a t i s c h e W e g d e r T ü c h t i g e n a u s l e s e f ü r die B i l d u n g d e r h e r r s c h e n d e n M i n d e r h e i t . E r wird solange zu guten E r g e b n i s s e n f ü h r e n , als die g e m e i n s a m e A u f g a b e d e r G e s e l l s c h a f t die R e g i e r u n g s g e s c h ä f t e bestimmt. 13. August

1949

G e s t e r n A b e n d h a t Stock hier in e i n e r gut b e s u c h t e n

Wahlversammlung

g e s p r o c h e n . E r b r a c h t e einen b e i n a h e zweistündigen V o r t r a g , n a c h d e m v o r h e r bis e t w a 9°° [unleserlich) K n o t h e sich mit theatralisch v o r g e t r a g e n e n R e d e n s a r ten seinen W ä h l e r n vorgestellt h a t t e . E r b e g a n n d a m i t , d a ß er auf eine P r e s s e k o n f e r e n z in [unleserlich] a m 20. X. 1945 B e z u g n a h m , „als noch kein E i s e n b a h n z u g v e r k e h r t e und noch die T r ü m m e r v o n d e n K r i e g s z e r s t ö r u n g e n

Tagebuch 1949

131

r a u c h t e n , habe ich als erster deutscher Mann vor der ganzen Welt die Kollektivschuld des deutschen Volkes abgelehnt und die Mitschuld aller Staaten an diesem Kriege festgestellt . . .". Schwacher Beifall am E n d e - noch d ü n n e r war allerdings der Versuch, Stock und später K n o t h e , als sie den Saal b e t r a t e n , mit H ä n d e k l a t s c h e n zu b e g r ü ß e n : die N a z i p r o p a g a n d a m e t h o d e n sitzen doch noch tief in d e n Seelen selbst eifriger Sozialdemokraten. Stock sprach d e m g e g e n ü b e r wohltuend ruhig und phrasenlos. E r sprach den Z u h ö r e r n mit seiner sonorigen Stimme und in seiner etwas breiten und w a r m e n A r t richtig zu H e r z e n . Freilich sagte er kein Wort zu den unterschiedlichen Auffassungen g e g e n ü b e r C D U und setzte sich nur mit der Freiheitspropaganda und den K a m p f m e t h o d e n der F D P auseinander. Die Fragen der Wirtschaftsund Finanzpolitik w u r d e n nur gestreift mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit d e r Planung. Stock sagte kaum etwas, das nicht auch ein C D U - R e d n e r hätte aussprechen k ö n n e n . A m Schluß wies er auf die großen Verdienste der S P D um die Sozialversicherung hin und b e t o n t e das Bestreben der S P D in Hessen, den Kindern die bestmögliche Erziehung auf Kosten des Staates angedeihen zu lassen, d a wir V e r m ö g e n s w e r t e nicht zu erwerben hätten. Seine A u s f ü h r u n g e n wurden mit l a n g a n h a l t e n d e m , starkem Beifall belohnt. Ich m u ß gestehen, daß ich Stock nach diesem Vortrag innerlich vieles abgebeten habe, weil ich ihm bisher - wohl am meisten durch D r . Brills ätzende Kritik veranlaßt - mit Geringschätzung entgegengetreten war. Gestern hörte ich Stock zum ersten Male r e d e n , ich hätte den A u f b a u des Vortrages, die Begründung der A x i o m e , die Entschiedenheit mancher wichtigen Gesichtspunkte so wirkungsvoll nicht erwartet. Ich war in gutem Sinne überrascht. 16. August

1949

D a s Wahlergebnis 6 0 ist heraus. SPD CDU/CSU LDP Bayernp. DP KPD Wiederaufbau Zentrum Splitter

131 139 52 17 17 15 12 10 9

Abgeordnete Abgeordnete Abgeordnete Abgeordnete Abgeordnete Abgeordnete Abgeordnete Abgeordnete Abgeordnete

= = = = = = = =

32,5 34.5 13,9 4,2 4,2 3,7 3 2,4

% % % % % % % %

bei bei bei bei bei bei bei bei

29,2 31 11,9 4,3 4,2 5,7 2,9 3,1

% % % % % % % %

d. d. d. d. d. d. d. d.

Stimmen Stimmen Stimmen Stimmen Stimmen Stimmen Stimmen Stimmen

402 A b g e o r d n e t e A m meisten kann noch die C D U zufrieden sein, weil sie sich ü b e r E r w a r t e n gut gehalten hat. F ü r die S P D hatte ich am Freitag in d e r U n t e r r e d u n g mit O p p l e r auf 130 bis 140 Sitze getippt, ich habe also mit der unteren G r e n z e recht behalten. Freilich h a t t e ich der C D U - ohne C S U - nur 120 Sitze im Höchstfalle zugebilligt und bei d e r L D P mit 70 bis 80 Sitzen gerechnet. C D U / C S U und L D P

132

Tagebuch 1949

h a b e n j e d e n f a l l s zu wenig A b g e o r d n e t e , u m eine feste R e g i e r u n g s k o a l i t i o n bilden zu k ö n n e n . E s w ä r e schon am b e s t e n - in dieser Notzeit - , w e n n sich C D U / C S U u n d S P D auf ein R e g i e r u n g s p r o g r a m m einigten u n d alle Rivalität a u f g ä b e n . D e r C D U k a n n nicht sehr wohl sein, ihr R e g i e r u n g s g e s c h ä f t auf die S p l i t t e r p a r t e i e n zu s t ü t z e n . Freilich d ü r f t e S c h u m a c h e r B e d i n g u n g e n stellen, die f ü r d i e H e r r e n Kapitalisten nicht sympathisch sein w e r d e n . Ich v e r m u t e s o g a r , d a ß d i e S P D in O p p o s i t i o n v e r h a r r e n wird, w e n n sich nicht d e r s o g e n a n n t e linke Flügel d e r C D U als s t ä r k e r wie bisher erweist. Es hängt alles v o n d e r Einsicht d e r m a ß g e b e n d e n Politiker ab, die nach d e n bisherigen E r f a h r u n g e n nicht als gegeben angenommen

w e r d e n k a n n ; freilich k a n n mit R ü c k s i c h t auf die

s c h w i e r i g e wirtschaftliche Lage f ü r die S P D die Stellung in d e r O p p o s i t i o n v e r l o c k e n d sein. E i n e g r o ß e Politik ist d a n n freilich nicht möglich. 17. August

1949

S o e b e n k o m m e ich von einer B e s p r e c h u n g mit Mr. Schairer u n d H e r r n F u n k e , d i e g e m e i n s a m die F r a g e des W e r k s t u d e n t e n t u m s u n d d e r S t u d e n t e n h i l f e b e a r b e i t e n , f ü r die bei O m g u s M r . G r a c e zuständig ist. A n l a ß zu dieser U n t e r r e d u n g war d e r G e d a n k e , aus C o u n t e r p a r t Funds 1 ' 1 an allen d e u t s c h e n H o c h s c h u l e n g r o ß e S t u d e n t e n h e i m e zu b a u e n , die e t w a die H ä l f t e d e r Studier e n d e n in E i n z e l z i m m e r n a u f n e h m e n k ö n n t e n . Es w ä r e e i n e e p o c h a l e N e u e r u n g f ü r D e u t s c h l a n d u n d das g r ö ß t e D e n k m a l , d a s sich die A m e r i k a n e r insbesond e r e bei d e r Intelligenz setzen k ö n n t e n . Vielleicht k a n n ich einiges dazu beitragen. I m A n s c h l u ß d a r a n m a c h t e n wir in Politik. Es w a r mir i n t e r e s s a n t zu h ö r e n , d a ß d e r W a h l t a g f ü r die f r i e d l i e b e n d e n A m e r i k a n e r e i n e n a u s g e z e i c h n e t e n E r f o l g b e d e u t e t , weil die A u f f a s s u n g völlig d e s a v o u i e r t w ä r e , w o n a c h D e u t s c h land d a r a n a r b e i t e , sich mit R u ß l a n d zu v e r b i n d e n u n d e i n e n n e u e n W e g a n z u t r e t e n . E s sei a u c h zu berücksichtigen, d a ß nach d e r S t i m m u n g s m a c h e f ü r B e r l i n e i n e F l a u t e z u u n g u n s t e n D e u t s c h l a n d s k o m m e n m u ß t e . D a s w u r d e z. T . a u s g e n u t z t , u m z u m Kriege zu w e r b e n . W i r s p r a c h e n a u c h ü b e r die R e g i e r u n g s b i l d u n g u n d die P a r t e i f ü h r e r A d e n a u e r u n d S c h u m a c h e r . H e r r Schairer bestätigte, d a ß die C D U die Z e i t bis z u r V e r e i n i g u n g von W e s t u n d Ost f ü r ihre parteipolitischen I n t e r e s s e n a u s n u t z e n wolle, weil d a n n die S P D in einer für sie h o f f n u n g s l o s e n Lage sein w ü r d e . F u n k e w i e d e r h o l t e seine Ä u ß e r u n g v o n neulich, d a ß ihm A d e n a u e r so stur v o r k ä m e , wie es einst H u g e n b e r g g e w e s e n sei. Z u r E r l ä u t e r u n g e r z ä h l t e er von einer p e r s ö n l i c h e n U n t e r r e d u n g , die er mit H e r r n Schairer u n d einigen w e n i g e n H e r r e n bei A d e n a u e r h a t t e . D a m a l s h a n d e l t e es sich u m d e n V o r s c h l a g , die T h y s s e n - H ü t t e nicht zu d e m o n t i e r e n , s o n d e r n d e r e u r o p ä i s c h e n J u g e n d zu s t i f t e n , f ü r die aus d e m J a h r e s g e w i n n von ca. 10 Mio. D M eine A r t e u r o p ä i s c h e S t u d i e n a n s t a l t an d e r R u h r e r r i c h t e t w e r d e n sollte.' 12 A d e n a u e r h a t t e den V o r s c h l a g z u n ä c h s t scharf a b g e l e h n t . ..Meine H e r r e n , d e n k e n Sie noch nation a l ? D a s ist ja L a n d e s v e r r a t , w a s Sie von m i r wollen! E s ist R a u b ! H a b e n Sie d e n n s c h o n d e n r e c h t m ä ß i g e n E i g e n t ü m e r g e f r a g t , w a s er d a r ü b e r d e n k t ?

Tagebuch 1949

133

G e w i ß , die H ü t t e ist b e s c h l a g n a h m t , doch hat sie ja noch einen E i g e n t ü m e r . " H e r r Schairer h a t d a r a u f von e i n e m Z u s a m m e n s e i n in der Schweiz mit D r . W i r t h u n d A u g u s t Thyssen*' 3 e r z ä h l t , d e r sich als von H i t l e r b e t r o g e n b e z e i c h n e t e , weil er die N S D A P n u r auf G r u n d von I litlers a u s d r ü c k l i c h e r Z u s i c h e r u n g finanziert h a b e , d a ß ihm u n d seinen L e u t e n nichts passieren w ü r d e . E r , S c h a i r e r , k ö n n e v e r s i c h e r n , d a ß er alles tun w ü r d e , um die R ü c k g a b e an T h y s s e n zu v e r h i n d e r n . Schließlich h a t A d e n a u e r e i n g e r ä u m t , d a ß d e r Plan aus k u l t u r e l l e n G r ü n d e n f ö r d e r u n g s w ü r d i g e r s c h e i n e , d e s h a l b wolle e r nicht m e h r d a g e g e n r e d e n u n d w i r k e n ; e r e r w a r t e j e d o c h , d a ß sein F r e u n d F r a n ç o i s - P o n c e t e i n e n e n t s p r e c h e n d e n B e f e h l erlassen w ü r d e , d e m er sich z ä h n e k n i r s c h e n d f ü g e n wolle. Die U n t e r r e d u n g zwischen H e r r n Schairer u n d M r . M a i e r , d e m f r a n z . F i n a n z b e r a t e r in B a d e n - B a d e n , e r g a b , d a ß François P o n c e t das A n s i n n e n A d e n a u e r s glatt a b l e h n t e ; d e r G e d a n k e m ü ß t e v o n d e n D e u t s c h e n selbst v o r g e b r a c h t w e r d e n . In d e r T a t w a r e n m a ß g e b e n d e R u h r i n d u s t r i e l l e d a m i t voll e i n v e r s t a n d e n . S e h r i n t e r e s s a n t w a r e n die A u s f ü h r u n g e n Schairers zur K r i e g s f r a g e . E r sagte, die W a h l T r u m a n s 6 4 h a b e d e n F r i e d e n g e r e t t e t . Bis d a h i n w a r e n F o r r e s t a l , D r a p e r , Clay u n d a n d e r e d a r a n g e w e s e n , e i n e n Z w i s c h e n f a l l mit d e n R u s s e n h e r b e i z u f ü h r e n , selbst w e n n es z u m Kriege k ä m e . D a n n sollten in e i n e r N a c h t 45 Millionen R u s s e n v e r n i c h t e t w e r d e n , u n d A m e r i k a wäre f ü r a b s e h b a r e Z e i t die alleinige M a c h t d e r W e l t . E i n e R e i h e von E r f a h r u n g e n bestätigte diese Absicht e n . Z . B . h a b e m a n von a m e r i k a n i s c h e r Seite g e f o r d e r t , d a ß die R o b e r t - B o s c h S t i f t u n g in S t u t t g a r t f ü r E r z i e h u n g s z w e c k e f r e i g e g e b e n w e r d e . D a r a u f h a b e G e n e r a l Wilson e r w i d e r t : E s w ü r d e n in n ä c h s t e r Z e i t noch viel m e h r R ä u m e f ü r militärische Z w e c k e in D e u t s c h l a n d b e n ö t i g t w e r d e n . - Ü b r i g e n s h a b e D r . A d e n a u e r in e i n e r U n t e r r e d u n g e r k l ä r t : „ M e i n e H e r r e n , in e i n e m so kleinen R a u m wie d i e s e m k a n n m a n G i f t e h e r s t e l l e n , die a u s r e i c h e n , g a n z e V ö l k e r a u s z u r o t t e n . D a wollen Sie mir e m p f e h l e n . . ." H e r r Schairer w a r entsetzt g e w e s e n , d a ß e i n alter M a n n solche G e d a n k e n ü b e r h a u p t h e g e n u n d sogar aussprechen könne. Z u r Z e i t , d. h. seit einigen M o n a t e n , sollen V e r h a n d l u n g e n mit d e n R u s s e n s c h w e b e n - T a f t - G r o m y k o - , die e i n e n b r e i t e n H a n d e l s v e r k e h r zwischen d e n U S A u n d R u ß l a n d e r ö f f n e n sollen. R u ß l a n d hat erst einmal zwei Milliarden D o l l a r K r e d i t verlangt u n d will auf lange Sicht 35 M r d . D o l l a r K r e d i t h a b e n . Ich k a n n mir wohl d e n k e n , d a ß eine V e r s t ä n d i g u n g a n g e b a h n t w e r d e n soll. Freilich klingt mir noch das W o r t von Schairer nach: „ A m e r i k a h a t bisher j e d e Konferenz verloren und jeden Krieg gewonnen". D i e g r ö ß t e n V e r l u s t e hat die S P D am W a h l t a g in Schleswig-Holstein u n d in H e s s e n erlitten. Sollte d a s nicht auf L ü d e m a n n

und Stock - a u c h -

mit

z u r ü c k z u f ü h r e n sein? D e r Fall D i e t z hat gewiß seine Folgen g e h a b t , d a s zeigt d e r V e r l u s t d e r C D U in H e s s e n mit ca. 3 % , die g r ö ß t e E i n b u ß e , die d e r C D U zuteil w u r d e . Ich bin g e s p a n n t , was m a n f ü r K o n s e q u e n z e n zieht!

134

Tagebuch 1949

25. August 1949 Kriedemann erzählte gestern abend bei Dr. Hansen von den Gesprächen des P. V. Hannover nach der Wahl. Offenbar hatte Schumacher fest damit gerechnet, daß die SPD als stärkste Partei aus der Wahl hervorgehen würde und dann hätte er gern Bundespräsident oder Bundeskanzler werden wollen. Denn er machte eine Bemerkung, wonach er noch jetzt bereit wäre, auch als Zählkandidat auf diesem Posten aufzutreten. Neulich hatte ich eine Besprechung mit dem Rektor der TH in Darmstadt, Professor Mehmel. Ich brachte einige Gedanken über den Bau von Studentenheimen hinein und mußte dabei von der Finanzierung aus den Counterpart Funds sprechen. Darauf kam die verwunderte Frage: „Müssen wir denn all diese Unmengen von Kautabak priemen?" 28. August 1949 Die Min.-Präsidenten-Konferenz hatte am Freitag - 26. August - ihre letzte Sitzung. Die „Neue Zeitung" - amerikanisch - bringt dazu eine Glosse „Ende des Interregnums", 65 die nicht gerade als Lob für die Tätigkeit der elf Länderchefs bezeichnet werden kann. „So wird niemand dem Ende der Ministerpräsidenten-Konferenz eine Träne nachweinen." Das meine ich auch, denn noch die Verhandlungen am 25. und 26. August haben gezeigt, wie völlig unfruchtbar die Bemühungen gewesen sind - wenn man schon von solchen sprechen will - . Ein Riesenschwarm von Leuten wird aufgeboten oder kommt auch ungebeten angereist. Vorher haben wochenlang verschiedene Ausschüsse gearbeitet und umfangreiche Denkschriften, Gutachten und graphische Darstellungen geliefert. Ergebnis: Zu jedem Thema werden nur fünf Minuten Referat zugelassen; die Vorlagen gehen ohne Diskusion an die Bundesregierung, die Herren Min.Präsidenten betonen noch ausdrücklich, daß sie zu den Vorlagen sachlich keine Stellung bezogen haben. Wozu dann der ganze Rummel? Dann beschlossen die Ministerpräsidenten, daß ein Landesminister nicht im Amte verbleiben darf, wenn er ein Mandat im Bundestag übernimmt. Unterstellt, die Meinung sei richtig - und es läßt sich manches dafür anführen - , was geht das die Ministerpräsidenten-Konferenz an? Warum bietet sie hier billige Angriffsflächen, wo es für sie so leicht wäre, einen solchen Beschluß zu fassen? Natürlich wurde beschlossen, daß der Bundesrat nur ein technisches Büro haben soll - nicht auch Sachreferenten - , „weil im Bundesrat nicht eine Ministerialbürokratie, sondern der Wille der Länder maßgebend sein soll." Natürlich? - Ja natürlich mußte so beschlossen werden, weil in dieser Demokratie jeweils das Dümmste geschieht - wie es die Zyniker ausdrücken. In der Tat war Brauer der Rufer im Streit gegen das Sekretariat, obgleich doch der Wille seines Landes - Senats - umgekehrte Richtung hatte. Kopf stieß in dasselbe Horn und überließ die Begründung seinem Adjutanten Danckwerts, der die Sparsamkeitsflöte blies - in Verfassungsangelegenheiten einer jungen Demokratie! Man bedenke! Stock machte auch m i t - i c h glaube, er wußte nicht, was er

Tagebuch 1949

135

tat. Natürlich stimmte Min.-Direktor Ringelmann aus München dagegen. Nur der ehrliche und einsichtige Kaisen und Katz und Maier-Stuttgart 66 traten für die Sachreferenten ein. Vielleicht ist es noch nicht das letzte Wort. Die Finanzminister und alle Vernünftigen könnten für die gute Sache einen Erfolg herausholen. O Gott! Ich habe wieder einmal erlebt, mit wie wenig Verstand die Welt regiert wird. D a ß jedoch in diesem Fall sich die Sozialdemokraten - oder doch jedenfalls die Hälfte von ihnen unter den Ministerpräsidenten - als konservativ, um nicht zu sagen als reaktionär erweisen würden, das hatte ich nicht recht glauben wollen - bis es Ereignis ward! Mir persönlich kann der Beschluß sehr recht sein, denn ich bin nun frei zu einem neuen Weg. Zunächst mal sehen, was sich bietet.

7. September

1949

Heute hatte Bonn seinen großen Tag. 6 7 Ein tüchtiges Gewitter in der vergangenen Nacht hatte die drückende Hitze - 30 bis 32 Grad im Schatten - verscheucht, so daß man sich leichter bewegen konnte. Die Baustelle des Bundeshauses war im wesentlichen fertig, wenn auch die Handwerker gewiß noch einige Wochen werden weiterarbeiten müssen. Der Verkehr am Eingang entwickelte sich wie bei einem Bienenkorb. Hunderte Neugieriger standen an der Zufahrtsstraße, um die Prominenten zu betrachten. Nachdem ich am Tage vorher erlebt hatte, daß nach Anweisung von Minister Dr. Pfeiffer-München die Angestellten des Sekretariats des Bundesrats keinen einzigen Raum hatten, auch nicht im Gebäudetrakt des Bundesrates, wo doch fertige Räume vorhanden waren, weil, ja weil es Herr Pfeiffer verboten hatte und davon nicht abzubringen war, habe ich es endgültig verschmäht, der Eröffnungssitzung des Bundesrates beizuwohnen, obwohl mir Herr Pfeiffer mit besonderer Betonung seine einzige Ehrenkarte übergeben hatte mit der Bitte um Teilnahme. Er wollte es nämlich nicht wahrhaben, daß mich manche Bundesratsmitglieder lieber gehen als kommen sehen, und betonte mehrfach, daß ich zwischen meiner Person und der Notwendigkeit eines größeren Sekretariats beim Bundesrat streng unterscheiden müsse. Ich gab die Karte an Lüdemann, der nach seiner Absetzung als Ministerpräsident 68 aus Neugierde gekommen war und keine Eintrittskarte hatte. So tat ich noch ein gutes Werk an diesem alten Mann. Der Bundesrat hatte am Abend vorher eine Vorbesprechung mit Abendessen abgehalten, die sich lange hinzog, weil die Kandidatur des Ministerpräsidenten Dr. Ehard als Präsident des Bundesrats - Vorschlag der CDU-Parteileitung auf Widerstand stieß. Schumacher hatte wohl erklärt, daß man ihn nach der Ablehnung des Grundgesetzes nicht wählen solle und dafür Arnold nehmen sollte. 69 So kam es auch nach langem Hin und Her, freilich mit der Neuerung, daß zwei Vizepräsidenten bestimmt würden, Kopf und Müller, also zwei Ministerpräsidenten. Nunmehr wiederholt sich - trotz aller Mahnungen und Erfahrungen der Bevollmächtigten der Länder - der Zustand, daß der Präsident

136

Tagebuch 1949

d e s B u n d e s r a t e s p r a k t i s c h nicht d a ist u n d d a h e r d e r V o r s i t z e n d e d e s geschäftsf ü h r e n d e n A u s s c h u s s e s die wichtigste P e r s o n wird - w e n n nicht d e r G e n e r a l s e k r e t ä r , den m a n j e t z t n o c h m e h r b r a u c h t . Ich w a r natürlich s e h r e r f r e u t , als mir K a t z dies h e u t e m o r g e n erzählte u n d d a b e i voller E i f e r f ü r die E r h a l t u n g des v o l l e n S e k r e t a r i a t s w a r . D e r K a m p f d a r u m geht n u n los. H o f f e n t l i c h wird e r z u m guten E n d e führen. - Die sozialdemokratischen Abgeordneten des Bundestages, d i e ich h e u t e s p r a c h (Brill, K u r l b a u m , K r i e d e m a n n , S e u f f e r t , B e r g s t r ä ß e r u s w . ) m a c h t e n alle e i n e n n i e d e r g e s c h l a g e n e n E i n d r u c k . D i e R e g i e f ü h r u n g d u r c h S c h u m a c h e r e r b o s t sie, weil die F r a k t i o n s s i t z u n g e n einem B e f e h l s e m p f a n g , e i n e m S o l d a t e n a p p e l l gleichen. D a s 1 6 - P u n k t e - P r o g r a m m d e r S P D f ü r die O p p o s i t i o n s p o l i t i k 7 " h ä t t e als W a h l p r o g r a m m e r s c h e i n e n m ü s s e n . Die k a n t i g e H a l t u n g h a t es A d e n a u e r leicht g e m a c h t , K o a l i t i o n s g e s p r ä c h e m i t d e r S P D a b z u l e h n e n . Brill e r z ä h l t e mir, d a ß er s t u n d e n l a n g auf S c h u m a c h e r e i n g e r e d e t h ä t t e , e r solle eine g r o ß e Koalition - besser: e i n e n a t i o n a l e R e g i e r u n g s b i l d u n g b e t r e i b e n , weil wir u n s ja noch im K r i e g s z u s t a n d e b e f ä n d e n u n d täglich in d e r A u ß e n p o l i t i k e t w a g e g e n ü b e r e i n e m O s t z o n e n s t a a t e zu kritischen S i t u a t i o n e n k o m m e n k ö n n t e n . E s hat auf S c h u m a c h e r k e i n e n E i n d r u c k g e m a c h t . W a h r scheinlich w i r d die S P D eine scharfe O p p o s i t i o n t r e i b e n u n d sich erst nach d e n n ä c h s t e n W a h l e n mit d e m G e d a n k e n e i n e r Beteiligung an d e n R e g i e r u n g s g e s c h ä f t e n b e f a s s e n . I n s o f e r n trifft sie sich wohl mit d e n A b s i c h t e n A d e n a u e r s , d e r s o l a n g e als irgend möglich an d e r M a c h t b l e i b e n wird, weil e r wissen m u ß , d a ß d i e K o a l i t i o n mit d e r S P D seinen A b g a n g b e d e u t e t . E s ist schwer v o r a u s z u s a g e n , wie sich die politischen V e r h ä l t n i s s e in D e u t s c h land e n t w i c k e l n w e r d e n . Für die S P D s e h e ich nichts G u t e s v o r a u s ; sie wird mit e i n e m r a d i k a l e n K u r s o h n e ü b e r z e u g e n d e G e g e n v o r s c h l ä g e wenig an A n s e h e n u n d V e r t r a u e n g e w i n n e n , sie wird die fairness vermissen lassen und d e n W e g zur J u g e n d u n d zu d e n Intellektuellen nicht f i n d e n . D a z u w ä r e eine g r ü n d l i c h e U m s t e l l u n g e r f o r d e r l i c h , wozu in H a n n o v e r noch keinerlei A n s ä t z e zu s e h e n sind. Alles m u t e t so a n , als wenn ein . . F ü h r e r " seine M a c h t p o l i t i k t r e i b t - u m ihn h e r u m M u r r e n , d a s er nicht hört o d e r nicht h ö r e n will. W i e o f t sagte m a n mir s c h o n : D r . S c h u m a c h e r richtet die S P D z u g r u n d e . N a t ü r l i c h hat es eine O p p o s i t i o n s p a r t e i jetzt leicht, n a c h d e m die F r ü c h t e d e r W ä h r u n g s r e f o r m v o n d e r C D U a b g e e r n t e t sind u n d die V e r a r m u n g sich deutlich z e i g e n m u ß . D e r K a m p f r u f ..Besitzlose gegen B ü r g e r b l o c k " wird g e h ö r t werd e n . D i e A r b e i t s l o s i g k e i t wird eine d e u t l i c h e S p r a c h e r e d e n . Die V e r t e i l u n g d e r S t e u e r l a s t gibt g e n ü g e n d P r o p a g a n d a s t o f f . D i e L e b e n s m i t t e l p r e i s e u n d die E i n f u h r p o l i t i k t r e f f e n j e d e n e i n z e l n e n . - Alles richtig! A b e r wie k ö n n t e es a n d e r s g e h e n ? U n d mit welchen L e u t e n ? U n d wie sage ich es den W ä h l e r n ? A n d e r e r s e i t s h a t die C D U alle V o r t e i l e d e r R e g i e r u n g s m a c h t auf ihrer Seite; sie b a u t d e n V e r w a l t u n g s a p p a r a t a u f , sie v e r a u s g a b t die A u s l a n d s h i l f e , sie v e r t e i l t das s t e i g e n d e Sozialprodukt. Freilich w e r d e n Millionen auf den g r o ß e n L a s t e n a u s g l e i c h , a n d e r e auf die S t e u e r s e n k u n g , w i e d e r a n d e r e auf R e n t e n e r h ö h u n g e n , nicht w e n i g e auf W o h n u n g s b a u u n d A r b e i t s b e s c h a f f u n g w a r t e n . Die F i n a n z - u n d K a p i t a l d e c k e wird sich als zu k u r z e r w e i s e n . D e r g e w e r b l i c h e

Tagebuch 1949

137

M i t t e l s t a n d wird u n t e r A b s a t z n o t u n d Steuerlast s e u f z e n , die A r b e i t e r w e r d e n sich an ihr f r ü h e r e s S o z i a l e i n k o m m e n e r i n n e r n . Die P r o t e s t a n t e n

werden

e r l e b e n , d a ß d e r K a t h o l i z i s m u s d a s Feld b e h e r r s c h t , die g u t e n P a t r i o t e n w e r d e n die K o n z e s s i o n e n an d e n F ö d e r a l i s m u s , b e s o n d e r s an B a y e r n b e m ä n g e l n . E r g e b n i s : E s wird L ä r m , vielleicht sogar K r a c h g e b e n ; die D e m o k r a t i e wird kein g u t e s A n s e h e n h a b e n . Die F e i n d e d e r D e m o k r a t i e w e r d e n sich h e r v o r w a g e n , das A u s l a n d w i r d e n t t ä u s c h t sein u n d sich m i ß t r a u i s c h a b w a r t e n d verhalt e n , die N o t in D e u t s c h l a n d wird bei d e r g r o ß e n M a s s e die H a l t u n g b e s t i m m e n u n d oft z u r V e r z w e i f l u n g f ü h r e n . N a c h d e n n ä c h s t e n W a h l e n wird die Koalition S P D - C D U e i n e solche d e r Mitte sein, und die R e c h t s - u n d L i n k s r a d i k a l e n w e r d e n w e i t e r aktiv w e r d e n wie einst. 10. September

1949

D i e W a h l A r n o l d s z u m P r ä s i d e n t e n d e s B u n d e s r a t e s hat H e r r n A d e n a u e r s K o n z e p t f ü r die B e s e t z u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g in V e r w i r r u n g g e b r a c h t . Die B a y e r n sind w ü t e n d , d e r sonst so ruhige u n d r e c h t s b e f l i s s e n e H e r r E h a r d wirft seinem K o l l e g e n A r n o l d einen „ d i k t a t o r i s c h e n A n s p r u c h " v o r , w ä h r e n d er selbst f ü r sich w e d e r eine d e m o k r a t i s c h e M e h r h e i t im B u n d e s r a t noch ein v o r h e r i g e s E i n v e r n e h m e n mit seinen K o l l e g e n , s o n d e r n n u r seine V e r a b r e d u n g mit s e i n e m P a r t e i f ü h r e r A d e n a u e r vorweisen k a n n . E i n e m e r k w ü r d i g e A u f f a s s u n g von D e m o k r a t i e . 7 1 Ich w a r am F r e i t a g in M a r i a Laach zu einer K o n f e r e n z d e r F i n a n z m i n i s t e r ; da ist mir w i e d e r die A b n e i g u n g gegen Hilpert b e w u ß t g e w o r d e n . Ich v e r s u c h e es i m m e r w i e d e r von n e u e m mit H ö f l i c h k e i t , D i e n s t f e r t i g k e i t . Z u r ü c k h a l t u n g , sachlicher A r b e i t ; e r b e h a n d e l t mich wie einen D r e c k l a p p e n , allen F o r m e n gesitteten U m g a n g s a b h o l d - ich m e i n e , er will es mich stets f ü h l e n lassen, wie s e h r er mich v e r s c h m ä h t . Sicherlich steht e r d a h i n t e r , w e n n Stock

meinen

Eintritt ins hessische K a b i n e t t a b l e h n t ; j e d e n f a l l s b e s t ä r k t er Stock in dieser A u f f a s s u n g . G e s t e r n lieferte H. w i e d e r ein P r a c h t s t ü c k von U n e h r l i c h k e i t , als ein S c h r e i b e n d e r B a n k d e u t s c h e r L ä n d e r z u r E r ö r t e r u n g s t a n d , w o n a c h diese sich d a r ü b e r b e s c h w e r t e , d a ß die L ä n d e r eine E n q u e t e ü b e r die G u t h a b e n d e r ö f f e n t l i c h e n Stellen nicht zulassen wollen, obgleich sie d o c h von ihm. H e r r n H i l p e r t , persönlich a n g e r e g t , ja b e i n a h e eingerichtet w o r d e n w ä r e .

Nach

a n f ä n g l i c h e r Z u r ü c k h a l t u n g hat H . sich mit seinen Kollegen gegen die B a n k d e u t s c h e r L ä n d e r g e w a n d t u n d k e i n e Silbe d a r ü b e r v e r l a u t e n lassen, d a ß e r die E n q u e t e e n t r i e r t h a t t e , o b w o h l n o c h m a l s die F r a g e a u f g e w o r f e n w u r d e , wie die B a n k ü b e r h a u p t zu d e r A n m a ß u n g k ä m e , die L ä n d e r d e r a r t zu k o n t r o l l i e r e n . H i l p e r t s p r a c h - w o h l o h n e i n n e r e Ü b e r z e u g u n g - die V e r m u t u n g aus. d a ß die B a n k n a c h i h r e m S t a t u t vielleicht auch dazu ein R e c h t h ä t t e ; er wollte gewiß n u r ablenken und verwirren! A m m e i s t e n regte es mich auf, wie er m e h r e r e A n r e g u n g e n seiner K o l l e g e n , e i n e n B e s c h l u ß d e r F i n a n z m i n i s t e r z u g u n s t e n eines S e k r e t a r i a t s b e i m B u n d e s r a t zu fassen, „weil es j a gar nicht a n d e r s möglich w ä r e " - ü b e r h ö r t e o d e r so a b l e n k t e , d a ß i m m e r n u r festzustellen w a r : die F i n a n z m i n i s t e r wollen sich H e r r n

138

Tagebuch 1949

F i s c h e r - M e n s h a u s e n e r h a l t e n . D a b e i m a c h t e H i l p e r t die m e r k w ü r d i g s t e n Vorschläge - H a m b u r g o d e r N o r d r h e i n - W e s t f a l e n o d e r alle L ä n d e r g e m e i n s a m sollten ihn anstellen - die alle s o f o r t a b g e l e h n t w u r d e n . N u r k a m n i e m a n d d a h i n t e r , d a ß H i l p e r t - a n f a n g s ein V e r f e c h t e r des S e k r e t a r i a t s - n u n sein G e g n e r g e w o r d e n ist. Ich m e i n e allerdings, e r will zunächst d a s S P D - S e k r e t a r i a t a u f l ö s e n - u n d d a n n - weil es ja gar nicht a n d e r s geht - ein C D U - S e k r e t a r i a t e i n r i c h t e n . D a r ü b e r wird er wohl auch mit B a y e r n , i n s b e s o n d e r e H e r r n P f e i f f e r , einig sein. K r i e d e m a n n sagte mir h e u t e , die S P D w ü r d e W i l h e l m K a i s e n ,

Bremen,

d e s w e g e n nicht als K a n d i d a t e n f ü r d e n P o s t e n des B u n d e s p r ä s i d e n t e n aufstellen, weil die G e f a h r b e s t ü n d e , d a ß er g e w ä h l t w e r d e n k ö n n t e . So wird wohl K u r t S c h u m a c h e r selbst k a n d i d i e r e n - u n d d u r c h f a l l e n . ' 2 Ü b r i g e n s h a t t e sich K a i s e n in e i n e m Brief b e s c h w e r d e f ü h r e n d an S c h u m a c h e r g e w a n d t , weil d a s P a r t e i b ü r o H a n n o v e r e i n e Fülle von E n t s c h e i d u n g e n in h o c h w i c h t i g e n politischen Fragen in die Ö f f e n t l i c h k e i t g ä b e ,

insbesondere

d u r c h Fritz H e i n e , o h n e d a ß er, K a i s e n , als Mitglied d e s P a r t e i v o r s t a n d e s d a m i t j e m a l s b e s c h ä f t i g t w o r d e n wäre. D a r a u f erhielt er als A n t w o r t ein T e l e g r a m m : D a s w ä r e d o c h im P a r t e i l e b e n so üblich! - Kaisen schwieg; B r a u e r

hätte

z u r ü c k g e f r a g t : „In w e l c h e r P a r t e i ? " H e r r P ü n d e r ist n u n endlich einmal bei e i n e r seiner d u m m e n L ü g e n öffentlich f e s t g e n a g e l t w o r d e n . E r hatte nämlich zu e i n e m R e p o r t e r gesagt, e r w ä r e f ü r B o n n - nicht f ü r F r a n k f u r t als Sitz d e r B u n d e s r e g i e r u n g , weil er in F r a n k f u r t z u n ä c h s t h a b e in e i n e r D a c h k a m m e r mit schrägen W ä n d e n w o h n e n m ü s s e n . D a b e i w e i ß j e d e r m a n n , d a ß e r d a m a l s in d e r Z e i t d e r R e i c h s m a r k

und

L e b e n s m i t t e l k n a p p h e i t die W o h n u n g und V e r p f l e g u n g im M a r i e n k r a n k e n h a u s e v o r g e z o g e n u n d sich selbst ausgesucht h a t t e . 7 3 18. September

1949

K r i e d e m a n n erzählte gestern, daß Schumacher immer darauf gedrungen habe, das A m t d e s B u n d e s p r ä s i d e n t e n mit d e m j e n i g e n des B u n d e s k a n z l e r s zu v e r b i n d e n - es s t ü n d e h e u t e f ü r ihn fest, d a ß S c h u m a c h e r d a b e i sich selbst als diesen m ä c h t i g e n M a n n g e s e h e n h a b e . A u c h h e u t e noch v e r t r e t e e r die Politik d e r „ g e b a l l t e n M a c h t " , a u c h in der O p p o s i t i o n , d e r alles u n t e r z u o r d n e n sei. C a r l o S c h m i d h a t sich zu Fliess g e ä u ß e r t , er e r l e b e täglich m e h r e r e M a l e , d a ß e r sich wie ein v o n S c h u m a c h e r g e p r ü g e l t e r H u n d v o r k o m m e u n d v o r d e r F r a g e s t ü n d e , o b e r nicht alles h i n w e r f e n solle. D e r g u t e K l a i b e r ist C h e f der Präsidialkanzlei g e w o r d e n : W i e m a n so G l ü c k o d e r B e z i e h u n g e n h a b e n kann - bei aller u n d u r c h s i c h t i g e n I n d i f f e r e n z , die er b i s h e r zur S c h a u g e t r a g e n hat. 23. September

1949

A d e n a u e r ist - mit e i n e r S t i m m e M e h r h e i t - z u m B u n d e s k a n z l e r g e w ä h l t . 7 4 Ich n e h m e a n , d a ß e r d e m Vorschlag des B u n d e s p r ä s i d e n t e n , „ A d e n a u e r z u m

Tagebuch 1949

139

Kanzler zu w ä h l e n " , zugestimmt hat. D a n n hat er sich selbst gewählt und, wenn m a n so will, im Ergebnis allein sich selbst zum Bundeskanzler bestellt. M e h r e r e A b g e o r d n e t e der Regierungsparteien haben nicht f ü r A d e n a u e r gestimmt. Sie n a h m e n wohl A n s t o ß an dem V e r f a h r e n , daß ein M a n n zum Leiter der Staatsgeschäfte gemacht werden sollte o h n e A n g a b e seines Programms, o h n e A n g a b e der Minister seines Kabinetts, also auch o h n e Festlegung auf ein P r o g r a m m . Die vierwöchigen V o r v e r h a n d l u n g e n zwischen den bürgerlichen Parteien h a b e n d e n Geschmack an der neuen D e m o k r a t i e nicht gerade e r h ö h t ; so k o n n t e d e r G e d a n k e a u f k o m m e n und auch öffentlich ausgesprochen w e r d e n : man k a u f e bei d e m Kanzler gewissermaßen die Katze im Sack. 28. September

1949

Die gröbste E n t t ä u s c h u n g f ü r mich brachte die D e b a t t e ü b e r das Regierungsp r o g r a m m mit den A u s f ü h r u n g e n des ersten R e d n e r s der Deutschen Partei, H e r r n E w e r s , der die F a h n e schwarz-rot-gelb ablehnte. 7 '^ Dieser A u f t a k t d u r f t e nicht k o m m e n . D a ist noch sehr, sehr viel zu tun gegen die Feinde der D e m o k r a t i e ! A n d e r e s k o m m t noch hinzu: die unmögliche A r t der G e s c h ä f t s f ü h r u n g im Bundestag durch D r . Erich Köhler, der d e m kommunistischen Abgeo r d n e t e n R e i m a n n einen Ordnungsruf erteilte, „weil die überwiegende Mehrheit des H a u s e s seine Ansicht a b l e h n e " . l h H e u t e hörte ich, daß D r . Schumacher doch sehr umgelernt hat. E r hatte seine Oppositionsrede nach nationalistischen F o r d e r u n g e n und T e n d e n z e n ausrichten wollen. A n d e r e dagegen rieten zu sozialistischer Kritik, schon damit sich nicht später A d e n a u e r und E r h a r d darauf berufen k ö n n t e n , daß j a auch H e r r Schumacher die D e m o n t a g e , das Ruhrstatut, die Besatzungsmächte f ü r die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse verantwortlich gemacht habe. D e r E i n w a n d lautete, man müsse die unzufriedenen Wählermassen f ü r sich gewinnen. Schließlich siegte die V e r n u n f t - so sprach Schumacher m e h r mit dem V e r s t ä n d e als mit dem Herzen. 7 7 Die Bundesregierung wird bald vor der schwerwiegenden Frage stehen, o b sie das R u h r s t a t u t a n e r k e n n e n soll. Die Kommunistische Partei hat einen A n t r a g im B u n d e s t a g vorbereitet, d a ß der Bundestag die A n e r k e n n u n g ablehnen solle. 7 8 Sie kann sich auf eine R e d e A d e n a u e r s in der Schweiz b e r u f e n , in der er von d e m Kolonialstatus der R u h r gesprochen hat. 7 9 D i e A b w e r t u n g s d e b a t t e 8 " zeigt schon am A n f a n g die ganze Schwäche der B u n d e s r e p u b l i k . D i e Uneinigkeit d e r Deutschen hat auch in diesem Falle das ihrige dazu beigetragen, die Besatzungsmächte in die Lage zu versetzen, ihre eigenen Interessen dabei mit auszuspielen. Meine G e d a n k e n bewegen sich um meine Zukunftsmöglichkeiten: Stellvert r e t e r des Finanzministers in Düsseldorf o d e r Bürgermeister in Berlin o d e r eine leitende Stellung in H a m b u r g . Hessen will mich nicht h a b e n . H e u t e hörte ich

140

Tagebuch 1949

von zwei Seiten, d a ß ich doch G e n e r a l s e k r e t ä r beim Bundesrat werden würde. Innerlich h a b e ich mich damit a b g e f u n d e n hier auszuscheiden. Es stünde auch d e r W e g o f f e n in die private Wirtschaft [unleserlich]. D r . Holzapfel, erklärte mir u n g e f r a g t , d a ß ich mich nicht in eine Position drängen lassen sollte, die mir nicht gefiele - ich k ö n n t e bei ihm mehr verdienen. Also warten wir ab und spinnen wir die F ä d e n weiter. 6. November

1949

A d e n a u e r hat gesiegt: Bonn ist Bundeshauptstadt. 8 1 Ein Pyrrhussieg - f ü r den d e m o k r a t i s c h e n G e d a n k e n in Deutschland. Zwei Lehren wird man wohl daraus ziehen müssen: der linke Flügel der C D U hat keinen Führer, mit d e m linken Flügel kann die S P D vorläufig - vielleicht in den nächsten vier J a h r e n - keine Politik m a c h e n , um A d e n a u e r zu stürzen, wenn sie es auch i m m e r wieder versuchen sollte. Die Interessengegensätze und Meinungsverschiedenheiten sind u n t e r den Parteien so groß, daß nur ein Zweiparteiensystem bezw. das M e h r h e i t s w a h l r e c h t das Volk in die Politik einschalten k ö n n t e . Es wäre eine A u f g a b e f ü r den Bundesrat, ein Wahlgesetz auszuarbeiten und vorzulegen. W i e A d e n a u e r verhandelt, ging aus einer Erzählung Hilperts hervor. In der C D U - F r a k t i o n s s i t z u n g hatte A d e n a u e r falsche, d . h . zu hohe Zahlen f ü r die Kosten der V e r l e g u n g alliierter Dienststellen aus F r a n k f u r t vorgetragen. Hilpert widersprach mit d e m Hinweis auf die wahren Z a h l e n , die er von den A m e r i k a n e r n erhalten hatte. Darauf A d e n a u e r etwa: ..Es mag sein, daß die Z a h l e n Hilperts richtig sind. Ich kann es nicht n a c h p r ü f e n , weil ich es ablehne, so enge Beziehungen zu den Besatzungsmächten zu unterhalten, wie es o f f e n b a r H e r r n Hilpert beliebt". Dagegen Hilpert: ..Die Zugehörigkeit Hessens zur amerikanischen Z o n e hat die Beziehungen automatisch mit sich gebracht. Doch glaube ich. d a ß H e r r A d e n a u e r jetzt noch und schon in f r ü h e r e n J a h r e n engere Beziehungen zu den Franzosen unterhielt". D e r B u n d e s r a t hat seinen Start verpaßt. A r n o l d hat die Organisation des B u n d e s r a t s den kleinen Leuten vom Schlage der Ministerialräte H e r m a n s und D a n c k w e r t s , Kleberger (?) und Ringelmann überlassen. Die S P D leistete dabei Hilfe aus d e m zentralistisch-taktischen G e d a n k e n heraus, die zweite K a m m e r schwächlich zu halten. Die Folge ist eine V e r ä r g e r u n g und Verdrießlichkeit bei d e n e n , die es besser wissen und k ö n n e n : Spiecker, H a n s e n , D u d e k , Hilpert (?), [unleserlich] auf Kaisen. W e n n die S P D nicht begreift, daß gerade sie aus dem Gesichtspunkt der dialektisch-materialistischen Geschichtsauffassung heraus für die Zweipoligkeit des politischen G e s c h e h e n s eintreten m ü ß t e , dann wird sie ihre Mission nicht erfüllen. Ich bin ordentlich f r o h , daß ich aus diesem Treiben im Bundesrat ausgeschieden (ausgeschlossen) bin. Wenn ich wüßte, daß mich die Bundesregierung pensionieren w ü r d e , schiede ich ganz aus d e m Beamtenverhältnis aus und ginge nach D a r m s t a d t . D a s wäre gar zu schön, so daß ich es nicht glaube: einen 48jährigen B e r u f s b e a m t e n wird niemand in den R u h e s t a n d versetzen wollen.

Tagebuch 1949

141

Ich muß daher versuchen, meines Glückes eigner Schmied zu bleiben: deshalb ist es mir durchaus recht, daß sich die Parteifreunde in Düsseldorf um meine Übernahme als Stellvertreter des Finanzministers in Nordrhein-Westfalen bemühen. Am Freitag war ich auf Grund einer Einladung des Rektors Dr. Freudenberg zu einer Konferenz mit McCloy nach Heidelberg geladen. Sie sollte den Rektoren der Hochschulen die sichere Aussicht auf namhafte Beträge zur Studentenhilfe und zum Bau von Studentenheimen bringen. McCloy erklärte jedoch in längeren Ausführungen, daß ihm dafür keine Mittel zur Verfügung ständen, daß er sich aber fördernd allen Bemühungen um Beschaffung ausländischer Stipendien anschließen würde, wenn die Deutschen einen angemessenen Anteil an den Kosten selbst aufbringen und nachweisen würden. Die tüchtigen Rektoren Piloty, Mehmel und Gerlach waren wohl bis ins Innerste enttäuscht; es haben diejenigen recht behalten, die Dr. Reinhold Schairer als einen hoffnungslosen Idealisten bezeichneten. Der eine Zeitlang gehegte Gedanke, dort eine organisatorische Aufgabe zu übernehmen, ist nun völlig abgetan. 13. November

1949

Ich bin in einen schrecklichen Strudel hineingeraten, und das kam so: Gelegentlich hingeworfene Gedanken zur Sozial- und Finanzreform in einem Gespräch mit Dr. Spiecker brachten mir den Auftrag ein. meine Vorschläge zu Papier zu bringen, damit sie als Grundlage für eine Verständigung von SPD. Gewerkschaftsbund und linkem CDU-Flügel dienen können. Zu meiner eigenen Sicherheit stellte ich die gefertigte Denkschrift* 2 zur Diskussion in kleinem Kreise von Sozialdemokraten: das war am Dienstag, dem 8. November. Schon am nächsten Tag rief Kriedemann an und teilte mit. daß die C D U im Bundestag einen Antrag eingebracht habe, der die Bundesregierung auffordert, ein Gesetz zur Errichtung einer Familienausgleichskasse einzureichen. 8 ' Kriedemann und Willi Richter haben darauf in der SPD-Fraktion einen Beschluß durchgesetzt, der den Fraktionsvorstand ermächtigt, im Bundestag einen Gesetzentwurf zu dieser Frage einzureichen, wobei ihnen meine Vorschläge vor Augen standen. Nunmehr wurde ich nach Bonn zitiert, dort wurde auf meine Anregungen in etwa 2Vi Stunden ein Gesetzentwurf in die Schreibmaschine diktiert, mit dem man bereits übermorgen weiter agieren will. Ich habe energisch dagegen geredet und wegen der Begründung acht Tage Zeit bei Kriedemann herausgeholt. Das Ganze ist in solcher Hetze natürlich trotzdem ein Unfug. Außerdem rutscht möglicherweise die Diskussionsbasis CDU-SPD fort. Vielleicht aber ist das Eis bei Dr. Schumacher praktisch gebrochen, denn er wird ja bald erfahren, von wem die Weisheit kommt, mit der Kriedemann und Richter operieren, so daß ihn meine weiteren Vorschläge nicht erschrecken werden oder zum Widerspruch reizen. Das Ganze ist ein großes Spiel, in das gestern Dr. Spiecker noch die Frage nach einer „revolutionären" Regelung des Mitbestimmungsrechtes der Arbeiter hineinwarf. Dazu soll ich ihm meine Gedanken bis Montag, den 21. November schriftlich fixieren; wir wollen uns an diesem Tage in Düsseldorf

142

Tagebuch 1949

zu einer gemeinsamen Aussprache treffen. Spiecker wünscht, daß man sich mit der SPD-Leitung darüber einigt, daß ich den Auftrag bekomme, mit einem kleinen Stab von Mitarbeitern ein Programm für die soziale Neuordnung in Deutschland auszuarbeiten - mal sehn! So wachse ich aus dem Aufgabenkreis eines Generalsekretärs beim Bundesrat, der ich denn doch nicht werden kann, weil ich den'meisten der Herren zu groß bin - Stock hat diese Meinung ganz offen ausgesprochen - heraus. Es wäre schön, einen deutschen Beveridge-Plan 84 zu machen. 19. November

1949

Dr. Schumacher hat dem Kanzler einen Mordskrach gemacht wegen seiner eigenmächtigen und voreiligen Zusicherungen an die Alliierten. 8 "' Das gab ein Erschrecken ringsum, weil ja nach bisheriger Erfahrung jedermann annahm, daß die Opposition der SPD sich wenigstens auf dem außenpolitischen Gebiet in Grenzen halten würde, die dem Auslande die grundsätzliche Einigkeit der Deutschen gegenüber den Siegermächten zeigt. Nichts davon! Carlo Schmid ergänzte das Donnergetöse Schumachers noch mit dem Versuch, einen Giftpfeil auf Adenauers Stirn zu setzen, der ihn mit moralischer Unzuverlässigkeit markieren sollte (dolus eventualis). Natürlich brachte das den Kanzler aus dem Häuschen; mit vollem Recht. So treibt man keine Politik! Wo soll das hinführen? Die nachdenklichen Deutschen fragen sich heute schon, ob denn auf diese Weise das deutsche Volk aus seinem Elendszustande herausgeführt werden kann. Mußte man sich denn nicht über die naheliegenden praktischen Aufgaben verständigen oder doch wenigstens aussprechen, damit die Parteien einander verstehen lernen und nicht einfach auf einander loshauen? Die Zeitungen schreiben von Haß zwischen Adenauer und Schumacher - welch fürchterliche Vorzeichen! Es gemahnt an die Nibelungen-Sage, nur daß es damals noch keine Demokratie gab. Schumacher hat recht, wenn er von vornherein den eigensinnigen und eigenmächtigen Kanzler an seine demokratischen Pflichten erinnert - er hat unrecht, wenn er diese formale Aufgabe des Oppositionsführers nicht scharf trennt von der sachlichen Stellungnahme zu den außenpolitischen Fragen. Adenauer hat recht, wenn er sich gegen Unterstellungen seiner persönlichen Zuverlässigkeit scharf wehrt - er hat unrecht, wenn er glaubt, die deutsche Bundesrepublik wie einst die Stadt Köln regieren zu können. Warum diese Auseinandersetzungen jedoch zu persönlichem Haß führen, ist nicht einzusehen. D e r H a ß muß schon vorher dagewesen sein. Er kommt von dem Religionscharakter der deutschen Parteipolitik. Hier steckt das Grundübel. Wenn wir zum Mehrheitswahlrecht kämen, würden sachliche Fragen - vor allem der Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik - zur Entscheidung vor den Wählern aufgerollt werden. Dazu müssen wir kommen, auch gegen Schumacher und Adenauer.

T a g e b u c h 1949

26. November

143

1949

Der Haß Adenauer - Schumacher hat zur ersten Explosion geführt: gestern hat Schumacher seinen Gegner „Kanzler der Alliierten" genannt. Ergebnis: Schumacher wird für 20 Sitzungen vom Bundestag ausgeschlossen. 86 Alle Abgeordneten, die ich gestern und heute sprach, waren empört über Schumachers Entgleisung, die der Opposition der SPD gewiß ungewöhnlichen Schaden zufügt. Schumacher muß sich damit abfinden, daß die Regierung auf außenpolitischem und auch auf wirtschaftlichem Gebiet eine Reihe von Erfolgen zu ernten hat. Es wäre daher viel klüger, wenn die Opposition sich auf solchen Gebieten der Politik betätigte, auf denen es der Regierung bei ihrer grundsätzlich konservativ-kapitalistischen Einstellung schwer fallen müßte, eine befriedigende Lösung dagegen zu setzen. Die Fragen der Sozialpolitik, der Preis- und Lohnpolitik, der Arbeitsbeschaffung. Verwaltungsvereinfachung usw. bieten sich da von selbst an. Wir wollen sehen, wie es weitergeht. Manche SPDAbgeordnete hatten gemeint: „Leider kann Schumacher nicht dauernd aus dem Bundestag ausgeschlossen werden - so dumm würde die C D U auch nicht sein". Heute war Schumacher in der Sitzung des wirtschaftspolitischen Ausschusses der SPD, wo er einige grundsätzliche Ausführungen machte. Ich muß sagen: es war das Bedeutendste, was überhaupt gesagt worden ist. Da hat Schumacher wieder einmal seine überragende Einstellung zu den soziologischen Grundfragen gezeigt. Er bedauerte, daß es noch keine Standardarbeit zur Soziologie vom Standpunkt des Sozialismus in Deutschland gäbe. Ja. wenn wir einen Sehl i hätten wie Burnhams „Regime der Manager" 87 , dann würde der Gedanke des Sozialismus in breiten Schichten der Intelligenz Eingang finden. Solch ein Werk könnte den Titel haben „Zwischen Freiheit und Gleichheit". Albert Wagner hat das Mammut-Ministerium in Hessen übernommen 88 und gleich gehörig dreingeschlagen, indem er den vielberedten Arbcitsrechtler Engler (Mitglied der SPD, einen Hochstapler) aus dem Amte entfernte. Offenbar ballt sich die Fronde der Enttäuschten und Mißvergnügten zum Widerspruch zusammen. Otto Ernst (Ministerialdirektor) kündete mir an. daß Wagner wohl den nächsten Parteitag nicht überstehen werde. Ich glaube, Wagner wird sich keine entscheidende Blöße geben und gute Erfolge auf dem Gebiete der Verwaltung bald aufweisen können. Wenn die nächste Wahl nicht zu einem Ausschluß der SPD aus der Regierung in Hessen führt, könnte ich mir wohl denken, daß Wagner auch dann im Amte bleiben wird; denn wen sollte man hier schon herausstellen? Da die Entscheidung in Düsseldorf, ob ich dorthin geholt werde, wohl noch einige Zeit auf sich wird warten lassen, geht mir immer wieder durch den Kopf, ob ich nicht dem Drängen der Darmstädter nachgeben und mich dort in die Kommunalverwaltung wieder einschalten soll. Wenn es Frankfurt wäre oder Düsseldorf oder Essen usw., dann zögerte ich nicht - aber das zerschlagene Darmstadt mit seinen jetzt ca. 80000 Einwohnern und mit dieser hessischen Regierung. „Man soll sich niemals billiger machen und niemals hinabsteigen".

144

Tagebuch 1949

sagt Kurt J a h n ; das ist es, was ich jetzt noch beobachten muß. U n d irgendwo glüht ja unter aller Arbeit und Geschäftigkeit die ehrgeizige H o f f n u n g , doch noch einmal an politisch interessanter Stelle zum Zuge zu k o m m e n . Düsseldorf und Stellvertreter des Finanzministers wäre schon „Wartesaal 1. Klasse" nach Lukaschek. 4. Dezember

1949

D e r Krach Schumacher - A d e n a u e r ist beigelegt. 8 9 Ich glaube nicht, daß es der letzte Kampf dieser Art gewesen ist. Eine Erleichterung macht sich allenthalben bemerkbar. H e u t e sprach Dr. Hermberg von den Halbwahrheiten, derer sich D r . A d e n a u e r gern bedient. Es ist doch beschämend, daß diese Feststellung unwidersprochen bleiben muß. 21. Dezember

1949

Der Bundesrat hat Geheimrat Katzenberger (Min.-Dirigent in der Staatskanzlei Düsseldorf) zum geschäftsführenden Direktor im Sekretariat gewählt. In der Person gar nicht übel. Und was ist das Ergebnis? Alles hat sich einmal herumgedreht, und es ist alles beim alten geblieben, nur ein Min.-Dirigent für einen Min.-Direktor, ein Katholik für einen Protestanten, ein C D U - M a n n f ü r einen Sozialdemokraten. So haben es denn Brauer und Kopf - von Stock nicht zu reden, denn er ist zu töricht - dahin gebracht, daß der Bundesrat in seinem Sekretariat keinen sozialdemokratischen höheren Beamten haben wird. Das erstrebte kleine Sekretariat fängt bereits mit 20 Leuten mehr an, als der Länderrat jemals hatte. D r . Weitz hat mich am Samstag gefragt, ob ich als Nachfolger von Weisser zu ihm kommen wolle. Ich habe zugesagt und werde demnach a b 1. II. 1950 Stellvertreter des Finanzministers in Düsseldorf sein. Aufgabenkreis und Dienstsitz sind vielversprechend.

Anmerkungen

1947

1

Im Original umfangreiche Schilderung von Leseeindrücken nach Hesses Glasperlen-

s p i e l u n d T h o m a s M a n n s L o t t e in W e i m a r s o w i e E x z e r p t e aus l e t z t e r e m . 2

I m Original u m f a n g r e i c h e E x z e r p t e aus C a r l o S c h m i d , D i e F o r d e r u n g des T a g e s .

R e d e n und A u f s ä t z e . Stuttgart 1946. I

G e m e i n t v e r m u t l i c h F i n a n z m i n i s t e r W e r n e r H i l p e r t ( v g l . T a g e b u c h e i n t r a g u n g v. 1 7 . 4 .

1947). 4

I m K o n z e n t r a t i o n s l a g e r B e r g e n - B e l s e n , das a m 15. A p r i l 1945 v o n d e n B r i t e n b e f r e i t

w u r d e , h e r r s c h t e n g r a u e n h a f t e B e d i n g u n g e n , die im F r ü h j a h r 1 9 4 5 z u m M a s s e n s t e r b e n f ü h r t e n , das a u c h n a c h d e r B e f r e i u n g a n h i e l t . V g l . E b e r h a r d

Kolb.

Bergen-Belsen.

G e s c h i c h t e d e s . . A u f e n t h a l t s l a g e r s " 1 9 4 3 - 1 9 4 5 , H a n n o v e r 1962 ( G ö t t i n g e n

19852).

5

Im Original umfangreiches Exzerpt.

6

D i e N e u e Z e i t u n g . 14. 4 . 1 9 4 7 ( D r . O s t r o w s k i a b g e l e h n t . S P D g e g e n i h r e n e i g e n e n

Oberbürgermeister). 7

Kürzung einer Passage, Familiäres betreffend.

8

Friedrich M e i n e c k e , D i e deutsche K a t a s t r o p h e . B e t r a c h t u n g e n und

Erinnerungen.

W i e s b a d e n 1 9 4 6 ( 1 9 4 7 b e r e i t s in 3 . A u f l a g e ) . '

S P D - K u n d g e b u n g in K a s s e l a m 18. M a i 1 9 4 7 , s i e h e H e s s i s c h e N a c h r i c h t e n . 2 0 . 5 . 1 9 4 7

( D i e P o l i t i k d e r S P D . D r . S c h u m a c h e r s p r a c h in K a s s e l ) . T r o e g e r h a t t e sich a m 3 . 7 . 1 9 4 7 d e m E x e k u t i v r a t v o r g e s t e l l t ( v g l . P r o t , d e r 2 . u n d 3. S i t z u n g d e s E x e k u t i v r a t s , 2 . - 4 . 7 . 1 9 4 7 , A V B R D 3 , S . 2 1 3 ) , am V o r m i t t a g d e s 14. J u l i w a r s e i n e K a n d i d a t u r a u s f ü h r l i c h d i s k u t i e r t w o r d e n ( 4 . S i t z u n g , e b e n d a , S . 2 6 4 - 2 6 6 ) , am N a c h m i t t a g d e s 14. J u l i k a m d e r E x e k u t i v r a t n a c h l ä n g e r e r D e b a t t e „ e i n s t i m m i g ü b e r e i n , H e r r n D r . T r o e g e r a u f die D a u e r v o n s e c h s M o n a t e n a l s G e n e r a l s e k r e t ä r e i n z u s e t z e n , allerdings unter d e r V o r a u s s e t z u n g , d a ß seine Stellung frei bleibt von j e d e m politischen E i n f l u ß , was auch vom Vorsitzenden zugesagt w u r d e " . 5. Sitzung des Exekutivrats,

14.-

16. 7 . 1 9 4 7 , A V B R D 3 , S . 2 6 8 . "

I r r t u m des V e r f a s s e r s : M o n t a g , d e r 2 1 . J u l i 1 9 4 7 .

12

B i p a r t i t e C o n t r o l O f f i c e ( B I C O ) w a r d i e in F r a n k f u r t r e s i d i e r e n d e a l l i i e r t e K o n t r o l l i n -

stanz der deutschen

Bizonen-Administration

mit gleichberechtigtem

amerikanischen

( A d c o c k ) u n d b r i t i s c h e n ( M a c R e a d y ) V o r s i t z e n d e n . B I C O a r b e i t e t e a b J u n i 1 9 4 7 mit a m e r i k a n i s c h / b r i t i s c h b e s e t z t e n F a c h a b t e i l u n g e n ; die 9 0 0 M i t a r b e i t e r w a r e n i m V e r w a l t u n g s g e b ä u d e d e r I G - F a r b e n u n t e r g e b r a c h t . O b e r s t e I n s t a n z w a r B i p a r t i t e B o a r d in B e r l i n , d a s die b e i d e n M i l i t ä r g o u v e r n e u r e C l a y u n d R o b e r t s o n b i l d e t e n . II

W i r t s c h a f t s r a t , 2 2 . J u l i 1 9 4 7 . W ö r t l . B e r i c h t e , S . 2**

ff.

146

Anmerkungen 1947

14 Wirtschaftsrat, 23. Juli 1947, Wörtl. Berichte, S. 25*** ff.; zur Frankfurter Direktorenwahl vgl. Wolfgang Benz, Von der Besatzungsherrschaft zur Bundesrepublik. Stationen einer Staatsgründung 1946-1949, Frankfurt 1984, S. 65ff.; Adenauer hatte an den Sitzungen des CDU-Fraktionsvorstandes am 21. und 22. Juli als Gast teilgenommen und eindringlich dafür plädiert, daß der Direktor für Wirtschaft aus den Reihen der CDU kommen müsse. Vgl. Niederschriften der Sitzungen der CDU-Fraktion und des CDUFraktionsvorstandes im Frankfurter Wirtschaftsrat, Archiv für Christlich-Demokratische Politik, St. Augustin, Best. VIII-001/1. 15

9. Sitzung des Exekutivrates am 24. 7. 1947, in: A V B R D 3. S. 278 f.

16

Heinrich Köhler ( C D U ) , Finanzminister von Württemberg-Baden, erklärte am 9. 8. 1947 seinen Rücktritt als Vertreter im Exekutivrat aus Protest gegen die Polarisierung zwischen den beiden großen Parteien bei der Direktorenwahl. Daß die politische Verantwortung in den Verwaltungen nur bei einer Partei liege, „sei kein erfreulicher Zustand", hatte er in einer Presseerklärung ausgeführt. Vgl. A V B R D 3, S. 3 3 5 - 3 3 8 , und Heinrich Köhler, Lebenserinnerungen des Politikers und Staatsmanns 1878-1949, unter Mitw. von Franz Zilken. hrsgg. von Josef Becker, Stuttgart 1964, S. 370f. 17 Vgl. Bericht des bremischen Bevollmächtigten beim Exekutivrat über die Besprechungen im Exekutivrat und die Verhandlungen mit den Fraktionen des Wirtschaftsrates am 8./9. August 1947, in: A V B R D 3, S. 335 ff. 18 Sen. Oswald Mittendorff (Bremen), Bernhard Hansen (Hamburg), OB Ludwig Metzger (Hessen), Rudolf Sachse (Niedersachsen), Franz Suchan (Schleswig-Holstein), Heinz Potthoff (Nordrhein-Westfalen).

"

Wirtschaftsrat, 3. Vollversammlung. 9. 8. 1947, Wörtl. Berichte, S. 58.

2,1

Die F D P (bzw. L D P und DVP) hatte vier Abgeordnete im ersten Wirtschaftsrat (25. 6. 1947-23. 2. 1948), die mit den zwanzig Parlamentariern der CDU/CSU koalierten ebenso wie die zwei Vertreter der D P . Dieser „Bürgerblock" stand 20 Mandaten der SPD, 2 des Zentrums, 1 der W A V und 3 der KPD gegenüber. Im zweiten Wirtschaftsrat (24. 2. 1948—7. 9. 1949) wurde die Zahl der Mandate von 52 auf 104 im gleichen Verhältnis verdoppelt, an den Mehrheitsverhältnissen änderte sich also nichts. 21 Vgl. 20. und 21. Sitzung des Exekutivrates, 13. und 14. 8. 1947, in: A V B R D 3, S. 3 4 0 358. 22

Besprechung der Vorsitzenden des Bipartite Control Office mit dem Exekutivrat am 15. August 1947, in: A V B R D 3. S. 359-362.

23

Auslassung einer Passage betr. Familiäres.

24

Die Dena (zunächst Dana = Deutsche Allgemeine Nachrichtenagentur) war die Nachrichtenagentur der US-Zone, aus der im Herbst 1949 zusammen mit dem „Deutschen Presse Dienst" (britische Zone) die dpa hervorging. 25

Frankfurter Rundschau, 19. 8. 1947.

26

Vgl. 25. Sitzung des Exekutivrates, 22. 8. 1947, in: A V B R D 3. S. 372.

27

Vgl. Süddeutsche Zeitung. 12. 8. 1947 (Gegen parteipolitische Gesichtspunkte. Dr. Ehard antwortet Dr. Adenauer). 28

Nach der vierten Sitzung (10. 3 . - 2 4 . 4. 1947) des Rats der Außenminister der vier Mächte in Moskau, bei der in der Reparationsfrage und beim Problem der wirtschaftlichen Einheit Deutschlands keine Einigung erzielt werden konnte, und nach der Ankündigung des Marshall-Plans durch die USA war das Scheitern der fünften Außenministerkonferenz in London (25. 1 1 . - 1 5 . 12. 1947) in der Tat bereits im Sommer 1947 abzusehen.

A n m e r k u n g e n 1947 29

147

4. V o l l v e r s a m m l u n g des Wirtschaftsrats. 4. und 5. 9. 1947. W ö r t l . B e r i c h t e . S. 63 ff.

10

D a s P e r s o n a l a m t für die Bizone war auf D r ä n g e n d e r Militärregierungen errichtet w o r d e n . Nach d e m a n g l o a m e r i k a n i s c h e n Vorbild der Civil Service C o m m i s s i o n sollte es als u n a b h ä n g i g e B e h ö r d e das Personalwesen im öffentlichen Dienst ü b e r w a c h e n und eine wesentliche Rolle bei d e r R e f o r m des öffentlichen Dienstes spielen. Z u m U n b e h a g e n auf d e u t s c h e r Seite ü b e r diese A b s i c h t e n der Militärregierungen k a m hinzu, d a ß mit Kurt O p p l e r seit 3. 9. 1947 an d e r Spitze des Personalamts ein linker S o z i a l d e m o k r a t u n d B e f ü r w o r t e r d e r B e a m t e n r e f o r m s t a n d . Vgl. W . B e n z , V e r s u c h e zur R e f o r m des ö f f e n t l i c h e n Dienstes in D e u t s c h l a n d 1 9 4 5 - 1 9 5 2 . Deutsche O p p o s i t i o n gegen alliierte Initiativen, in: V f Z 2 9 (1981), S. 2 1 6 - 245. 31

O f f i c e of Military G o v e r n m e n t for G e r m a n y U. S. ( O M G U S ) .

32

D a s f ü h r t e im H e r b s t 1947 zum regelrechten ..Kartoffelkrieg" zwischen der BizonenA d m i n i s t r a t i o n , Niedersachsen und B a y e r n . Vgl. Benz. V o n der B e s a t z u n g s h e r r s c h a f t zur B u n d e s r e p u b l i k , S. 72 ff.

33

Vgl. 4. Vollversammlung des Wirtschaftsrats, 5. 9. 1947, Wörtl. B e r i c h t e . S. 8 9 - 9 3 .

34

Vgl. 26. Sitzung d e s E x e k u t i v r a t s , 25. 8. 1947, in: A V B R D 3, S. 374.

35

Auf d e r J a h r e s t a g u n g des Bayerischen B a u e r n v e r b a n d s in Passau h a t t e sich Ministerp r ä s i d e n t E h a r d skeptisch g e g e n ü b e r der Bizonenadministration g e ä u ß e r t . Vgl. S ü d d e u t sche Z e i t u n g , 9. 9. 1947 (Ein N o t p r o g r a m m gegen den H u n g e r ) . 36

Vgl. 35. Sitzung d e s E x e k u t i v r a t s , 1 1 . 9 . 1947. in: A V B R D 3, S. 476.

37

„ G e s e t z ü b e r N o t m a ß n a h m e n auf d e m G e b i e t der Wirtschaft, der E r n ä h r u n g u n d des V e r k e h r s ( B e w i r t s c h a f t u n g s n o t g e s e t z ) " , das am 30. O k t o b e r 1947 v o m Wirtschaftsrat verabschiedet, a m 5. 12. 1947 von B I C O genehmigt w u r d e . 38

Die P r o k l a m a t i o n Nr. 5 d e r amerikanischen bzw. die gleichlautende V e r o r d n u n g N r . 88 d e r britischen Militärregierung vom 10. Juni 1947 enthielt die rechtlichen G r u n d l a gen für d i e Konstituierung d e s Wirtschaftsrats und d e r a n d e r e n O r g a n e der Bizone. A b g e d r u c k t u. a. bei T i l m a n P ü n d e r , D a s bizonale I n t e r r e g n u m . D i e Geschichte des V e r e i n i g t e n Wirtschaftsgebietes 1 9 4 6 - 1 9 4 9 , Waiblingen 1966, S. 370 ff. 39 D e r hessische Justizminister Zinn hatte e b e n s o wie d e r w ü r t t e m b e r g - b a d i s c h e Wirtschaftsminister Veit a m 7. 8. 1947 sein M a n d a t a u f g e g e b e n , da die Z u g e h ö r i g k e i t zu einer L a n d e s r e g i e r u n g o d e r ein L a n d t a g s m a n d a t mit der Mitgliedschaft im Wirtschaftsrat u n v e r e i n b a r war.

40

Anspielung auf Heinrich K ö h l e r s badische H e r k u n f t u n d seinen Titelstolz.

41

„ G e s e t z über den vorläufigen A u f b a u der Wirtschaftsverwaltung d e s V W G ( a m e r i k a nisches u n d britisches Besatzungsgebiet in D e u t s c h l a n d ) " , das d e r Wirtschaftsrat a m 9. A u g u s t 1947 verabschiedete.

42

Vgl. 39. Sitzung d e s E x e k u t i v r a t s , 18. 9. 1947, in: A V B R D 3, S. 494. In der Sache h a t t e n es die Politiker der Bizone nicht eilig, das Personalamt als Teil einer R e f o r m des ö f f e n t l i c h e n Dienstes in G a n g zu setzen. Vgl. W . B e n z , V e r s u c h e zur R e f o r m des ö f f e n t l i c h e n Dienstes, in: V f Z 29 (1981), S. 2 1 6 - 2 4 5 . 43

W e l c h e speziellen E r k l ä r u n g e n T r o e g e r m e i n t e , w a r nicht zu e r m i t t e l n , abfällige Ä u ß e r u n g e n gegen die B i z o n e n - A d m i n i s t r a t i o n waren in M ü n c h e n g a n g und g ä b e . Vgl. T a g e b u c h e i n t r a g u n g v o m 12. 10. 1947. 44

„ A n o r d n u n g des D i r e k t o r s d e r H a u p t v e r w a l t u n g für E r n ä h r u n g , Landwirtschaft und F o r s t e n b e t r . B e w i r t s c h a f t u n g von Kartoffeln in der britischen und U S - Z o n e im Wirts c h a f t s j a h r 1947/48", 1. 10. 1947, Wirtschaftsrats-Drucksache N r . 39.

148 45

A n m e r k u n g e n 1947 39. u n d 40. Sitzung des Exekutivrats, 18. und 19. 9. 1947, in: A V B R D 3, S. 4 9 3 - 4 9 7 .

46

B e s c h l u ß f a s s u n g ü b e r d e n Entwurf eines G e s e t z e s ü b e r die A n o r d n u n g s b e f u g n i s des E x e k u t i v r a t s u n d der D i r e k t o r e n der Verwaltung im Wirtschaftsrat am 5. S e p t e m b e r 1947, 4. V o l l v e r s a m m l u n g d e s Wirtschaftsrates, W ö r t l . Berichte, S, 9 3 - 9 4 . 47

Siehe dazu B e s p r e c h u n g der V o r s i t z e n d e n des Bipartite C o n t r o l Office mit d e m E x e k u t i v r a t u n d V e r t r e t e r n von Wirtschaftsrat u n d V e r w a l t u n g e n in F r a n k f u r t / M . a m 23. S e p t e m b e r 1947, in: A V B R D 3. S. 500 f. 48

V e r o r d n u n g Nr. 14 der amerikanischen u n d N r . 89 d e r britischen Militärregierung v o m 10. Juni 1947 ü b e r Erzeugung, Z u t e i l u n g u n d Verteilung von W a r e n u n d R o h s t o f f e n , in: W i r t s c h a f t s r a t , E r s c h l i e ß u n g s b a n d , S. 12 ff. 4

"

C a r l Spiecker v o r d e m Wirtschaftsrat a m 30. S e p t e m b e r 1947, Wörtl. Berichte, S. 124.

5

" G e s e t z z u r Sicherung d e r Kartoffelversorgung im Wirtschafts jahr 1947/48, vgl. W ö r t l . B e r i c h t e , 5. V o l l v e r s a m m l u n g , 29. 9. 1947, S. 1 1 6 - 1 2 1 ; verabschiedet am 3. 10.1947, von B I C O g e n e h m i g t a m 7. 10. 1947. 51

G e s e t z zur Sicherung d e r Fleischversorgung im W i r t s c h a f t s j a h r 1948/49, vgl. W ö r t l . B e r i c h t e , 5. V o l l v e r s a m m l u n g , 30. 9. 1947, S. 1 2 2 - 1 2 6 .

52 G e s e t z ü b e r N o t m a ß n a h m e n auf d e m G e b i e t der Elektrizitäts- und Ferngasversorg u n g (Zentrallastverteilungsgesetz), vgl. W ö r t l . Berichte. 6. Vollversammlung, 11. 10. 1947. S. 1 4 1 - 1 4 5 .

^ E r s t am 20. 10. 1947 begann die V e r w a l t u n g f ü r Wirtschaft in der neuen Organisationsf o r m zu a r b e i t e n , bis dahin arbeitete noch der A p p a r a t des Verwaltungsamts für W i r t s c h a f t in M i n d e n u n t e r der Leitung des n e u e n D i r e k t o r s f ü r Wirtschaft (in F r a n k f u r t ) weiter. 54

E n t w u r f f ü r ein G e s e t z über N o t m a ß n a h m e n auf d e m G e b i e t e der W i r t s c h a f t , der E r n ä h r u n g u n d des V e r k e h r s (Bewirtschaftungsnotgesetz), vgl. 38. Sitzung des Exekutivrats a m 17. 9. 1947, in: A V B R D 3, S. 491. 35

Z u den Ereignissen im Wirtschaftsausschuß des W i r t s c h a f t s r a t e s am 1. O k t o b e r 1947 vgl. A V B R D 3, S. 548.

56

E n t w u r f d e r V e r w a l t u n g für V e r k e h r f ü r ein G e s e t z zur Sicherung des V e r k e h r s , 46. Sitzung des E x e k u t i v r a t s a m 30. S e p t e m b e r 1947. in: A V B R D 3. S. 534. 37

A m 25. S e p t e m b e r 1946 veröffentlichten Parteivorstand u n d Parteiausschuß d e r S P D in Köln eine g e m e i n s a m e Entschließung, die u n t e r d e m Titel „ U m k e h r o d e r U n t e r g a n g " die S t ä r k u n g kapitalistischer A u f f a s s u n g e n in Politik, Wirtschaft und V e r w a l t u n g kritisierte. Die S P D l e h n t e darin die politische V e r a n t w o r t u n g f ü r die ihr a u f g e z w u n g e n e n Z u s t ä n d e a b und m a c h t e ihre politische Mitarbeit von verbindlichen Zusagen abhängig. F r a n z O s t e r r o t h / D i e t e r Schuster, Chronik der deutschen S o z i a l d e m o k r a t i e , Bd. III, B o n n 1978, S. 46 f. 58 Vgl. S ü d d e u t s c h e Z e i t u n g . 11. 10. 1947 ( D e r Kampf u m s tägliche B r o t . Wie hoch ist die K a r t o f f e l e r n t e ? - D r . B a u m g a r t n e r weist westdeutsche V o r w ü r f e zurück). 59

Vgl. 53. Sitzung d e s Exekutivrats. 10. 10. 1947. in: A V B R D 3. S. 606. und Schreiben B a y . B e v o l l m ä c h t i g t e r an Bay. Staatskanzlei, 10. 10. 1947. Institut für Zeitgeschichte, A r c h i v , E D 132 ( N a c h l a ß B a u m g a r t n e r ) , Bd. 7; vgl. Benz, V o n der Besatzungsherrschaft, 5 . 73 f. M

W i r t s c h a f t s r a t , 6. Vollversammlung, 11. 10. 1947. Wörtl. Berichte. S. 144, 146.

61

I m Original ist d a s W o r t Präsident jeweils unterstrichen.

A n m e r k u n g e n 1947

149

62

Im H e r b s t 1947 u n t e r n a h m O r l a n d Kay A r m s t r o n g , der von 1 9 4 7 - 1 9 4 8 im U . S. S e n a t e C o m m i t t e e on Civil Service tätig w a r . eine mehrwöchige Reise d u r c h die a m e r i k a n i s c h e B e s a t z u n g s z o n e in D e u t s c h l a n d , u m Material ü b e r den d o r t v o r h a n d e n e n Hilfsbedarf für das C o m m i t t e e on Relief O r g a n i z a t i o n s Licensed for O p e r a t i o n in G e r m a n y zu s a m m e l n . Z u m A b s c h l u ß seiner Reise v e r f a ß t e er am 5. O k t o b e r 1947 einen Brief an Clay, in d e m e r ihm ein P r o g r a m m zur z u k ü n f t i g e n B e h a n d l u n g D e u t s c h l a n d s vorlegt, dessen G r u n d g e d a n k e die möglichst baldige B e e n d i g u n g d e r militärischen B e s a t z u n g s h e r r s c h a f t w a r . Text des Briefes in O M G U S : P O L A D 460/8; d e u t s c h e Ü b e r setzung ( o h n e e r k e n n b a r e n Z u s a m m e n h a n g ) veröffentlicht in: K o n r a d A d e n a u e r und die C D U der britischen Besatzungszone 1 9 4 6 - 1949. D o k u m e n t e zur G r ü n d u n g s g e s c h i c h t e der C D U D e u t s c h l a n d s , hrsg. von der K o n r a d - A d e n a u e r - S t i f t u n g . B o n n 1975. S. 4 6 5 477. 63

Ü b e r g a b e der D e m o n t a g e l i s t e durch die Vorsitzenden des B I C O an d e n Exekutivrat und V e r t r e t e r des Wirtschaftsrats am 16. 10. 1947 in F r a n k f u r t , zugleich V e r ö f f e n t l i c h u n g u. a. in: S ü d d e u t s c h e Z e i t u n g . 18. 10. 1947 ( U m das Schicksal der deutschen Industrie. D a s R e p a r a t i o n s p r o g r a m m f ü r die D o p p e l z o n e / N e u e P r o b l e m e des W i e d e r a u f b a u e s ) . M

58. Sitzung des E x e k u t i v r a t s , 17. 10. 1947. in: A V B R D 3. S. 681.

65

K o n f e r e n z d e r M i n i s t e r p r ä s i d e n t e n , Arbeitsminister und Wirtschaftsminister des V W G mit d e m E x e k u t i v r a t und V e r t r e t e r n des Wirtschaftsrats in W i e s b a d e n . 22. 10. 1947. in: A V B R D 3. S. 6 9 0 - 7 1 1 .

66

Vgl. D i e N e u e Z e i t u n g . 3. 11. 1947 (Bayerische ..Offensive" im K a r t o f f e l k r i e g ) . 10. 11. 1947 ( B a y e r n c o n t r a F r a n k f u r t . Schlange-Schöningen nach M ü n c h e n eingeladen) u n d S ü d d e u t s c h e Z e i t u n g . 11. 11. 1947 (Vor einer E n t s c h e i d u n g in d e r K a r t o f f e l f r a g e . E h a r d an S c h l a n g e - S c h ö n i n g e n / N e u e V o r w ü r f e B a u m g a r t n e r s gegen F r a n k f u r t ) . 67

Vgl. D i e N e u e Z e i t u n g , 14. 11. 1947 (Schlange-Schöningen vermittelt) u n d Wirtschaftsrat. 8. V o l l v e r s a m m l u n g , 21. 11. 1947. Wörtl. Berichte. S. 2 0 5 - 2 2 1 . ** 81. Sitzung des E x e k u t i v r a t s . 20. 11. 1947. in: A V B R D 3. S. 849. 69

S ü d d e u t s c h e Z e i t u n g . 18. 11. 1947 ( D a s E n d e d e s Kartoffelkrieges. SchlangeS c h ö n i n g e n s „diplomatische Mission" in B a y e r n ) . 70

W i r t s c h a f t s r a t , 8. V o l l v e r s a m m l u n g . 21. 11. 1947. W ö r t l . Berichte. S. 211 f.

71

E b e n d a . S. 208 f.

12

E b e n d a , S. 211 f.

73

D i e N e u e Z e i t u n g . 17. 11. 1947 ( D a l t o n begeht Indiskretion. Cripps zum britischen Schatzminister e r n a n n t ) . 74

Auf E i n l a d u n g der Bayerischen Staatsregierung besuchte der Exekutivrat am 26. 11. 1947 M ü n c h e n , vgl. S ü d d e u t s c h e Z e i t u n g , 29. 11. 1947 ( D e r Exekutivrat in M ü n c h e n ) .

75

S. A n m . 28.

76

K o n f e r e n z e n d e r Militärgouverneure mit den Ministerpräsidenten und V e r t r e t e r n der bizonalen V e r w a l t u n g e n in F r a n k f u r t . 7. u n d 8. 1. 1948, in: A V B R D 4, S. 1 2 6 - 1 8 2 . 77

Vgl. Schleswig-Holsteinische Volkszeitung, 11. 12. 1947 (Minister A r p b e u r l a u b t ) u n d 13. 12. 1947 (keine D i f f e r e n z e n Bizone - A r p ) und Die N e u e Z e i t u n g , 15. 12. 1947 ( D r . B a u m g a r t n e r tritt z u r ü c k ) . 78

E n t w u r f eines M e m o r a n d u m s ü b e r Ä n d e r u n g e n im A u f b a u d e r Wirtschaftsverwaltung des V W G , in: A V B R D 3, S. 1 0 1 0 - 1 0 1 4 . 7

"

93. Sitzung d e s E x e k u t i v r a t s , 9. 12. 1947, in: A V B R D 3. S. 966 f.

150 80

Anmerkungen 1947

9. Vollversammlung des Wirtschaftsrats, 18. 12. 1947, Wörtl. Berichte, S. 238-264.

81

Die „Sonderstelle Geld und Kredit" war ein Gremium von Finanz- und Wirtschaftsexperten, das unter dem Vorsitz von Ludwig Erhard seit Oktober 1947 an einem deutschen Plan für eine Währungsreform arbeitete. Vgl. Hans Möller, Die westdeutsche Währungsreform von 1948, in: Währung und Wirtschaft in Deutschland 1876-1975, Hrsg. Deutsche Bundesbank, Frankfurt 1976, insbes. S. 441-445; 93. Sitzung des Exekutivrats, 9. 12. 1947, in: A V B R D 3, S. 965. 82

Alfred Andersch, Getty oder die Umerziehung in der Retorte, in: Frankfurter Hefte 2 (1947), S. 1089-1096 (schildert Demokratisierungskurse an deutschen Kriegsgefangenen in USA); Richard Schmid. Zwangsarbeit, ebenda, S. 1105-1118. 83

9. Vollversammlung des Wirtschaftsrats, 18. 12. 1947. Wörtl. Berichte, S. 250 - 252.

84

Vgl. 102. Sitzung des Exekutivrats. 30. 12. 1947, in: A V B R D 3, S. 1007 f.

85

99. Sitzung des Exekutivrats, 18. 12. 1947, in: A V B R D 3, S. 997; Protest Spieckers im Wirtschaftsrat, 18. 12. 1947, Wörtl. Berichte, S. 245 f.

86 87

S. Anm. 76.

D e r Vorsitz im Exekutivrat wechselte vierteljährlich: Auf O B Ludwig Metzger ( 2 4 . 6 . - 3 0 . 9. 1947) folgten MinDir. Carl Spiecker (1. 10.-31. 12. 1947) und Staatsrat Gebhard Seelos (1. 1. - 1 9 . 2 . 1948). Vgl. Tilman Pünder, Das bizonale Interregnum. Die Geschichte des Vereinigten Wirtschaftsgebiets 1946-1949, Waiblingen 1966, S. 338.

A n m e r k u n g e n 1948

151

1948 1 K o n f e r e n z e n der Militärgouverneure mit den Ministerpräsidenten und V e r t r e t e r n der bizonalen Verwaltung in Frankfurt, 7. und 8. 1. 1948. in: A V B R D 4 , S. 126ff. 2

D i e N e u e Z e i t u n g . 9. 1. 1948 ( B i z o n a l e r Postdirektor verteidigt Pg's. G e w e r k s c h a f t e n

protestieren gegen G u t a c h t e n D r . S c h u b e r t h s ) . I Vgl. Wirtschaftsrat. 10. Vollversammlung. 21. 1. 1948. Wörtl. B e r i c h t e , S. 2 6 8 ; 107. und 108. Sitzung des Exekutivrats. 13. 1. 1948 und 14. 1. 1948. in: A V B R D 4 . S. 2 1 5 - 2 1 9 .

Vgl. Süddeutsche Zeitung. 27. 1. 1948 (Polen verlangt Auslieferung des Ministerpräsidenten K o p f ) ; D e r Spiegel, 31. 1. 1948 ( K o p f - J ä g e r . D e r ehrliche M a k l e r ) . - A u f g a b e der ' nach der Zerschlagung des polnischen S t a a t s im Herbst 1939 errichteten ..Haupttreuhandstelle O s t " war die „Sicherstellung" ( B e s c h l a g n a h m e . Verwaltung. V e r w e r t u n g ) privater und staatlicher polnischer V e r m ö g e n s w e r t e in den von Deutschland annektierten Ostgebieten gewesen. 4

106. und 109. Sitzung des E x e k u t i v r a t s . 12. und 15. I. 1948. in: A V B R D 4 . S. 190 und 2 3 1 ; vgl. D i e Neue Z e i t u n g . 16. 1. 1948 ( S o r g e um die deutsche Ernährung. G e n e r a l Hays v o r dem L ä n d e r r a t : E i n f u h r - V e r s p r e c h e n wird gehalten). 5

Vgl. D i e Neue Z e i t u n g . 19. 1. 1948 ( K o m m u n i s t i s c h e r Sabotageplan. US-Militärregierung ü b e r ..Protokoll M " nicht erstaunt).

6

Die N e u e Zeitung, 12. 1. 1948 (Streikbewegungen an der R u h r . Wirtschaftliche und politische Hintergründe) und 16. 1. 1948 (Forderungen der R u h r a r b e i t e r . G e w e r k s c h a f t e n halten wachsende Streikbewegung zurück). Vgl. Christoph K l e ß m a n n , P e t e r F r i e d e m a n n , Streiks und Hungermärsche im R u h r g e b i e t 1 9 4 6 - 1 9 4 8 , Frankfurt, New Y o r k 1977. 7

8

K o n f e r e n z der Militärgouverneure mit den Ministerpräsidenten und V e r t r e t e r n der

bizonalen Verwaltungen in Frankfurt. 8. 1. 1948. in: A V B R D 4 . S. 167 f. Wirtschaftsrat. D r u c k s a c h e 144: B e r i c h t des Direktors der Verwaltung für E r n ä h r u n g . Landwirtschaft und Forsten vom 15. 12. 1947 über V e r s t ö ß e gegen A n o r d n u n g e n des Wirtschaftsrates oder der Verwaltung für E r n ä h r u n g . Landwirtschaft und Forsten zur Sicherung der Kartoffelversorgung. 9

10 D a s „Nothilfegesetz zur Ermittlung. Erfassung und Verteilung von L e b e n s m i t t e l b e s t ä n d e n " wurde am 23. 1. 1948 vom Wirtschaftsrat verabschiedet, am 28. 1. 1948 von B I C O genehmigt. Vgl. 107. und 108. Sitzung des Exekutivrats. 13. und 14. 1. 1 9 4 8 . in: A V B R D 4 , S. 2 1 4 f . und 2 1 9 ; Wirtschaftsrat. D r u c k s a c h e 156 und 161; Wörtl. B e r i c h t e S. 2 9 7 - 3 0 4 . II

Vgl. Außerordentliche Sitzungen des E x e k u t i v r a t s . 22. und 26. 1. 1948. in: A V B R D 4,

S . 2 5 0 und 2 5 3 f. 12

K o n f e r e n z der Ministerpräsidenten d e r amerikanischen und britischen Besatzungszo-

nen in F r a n k f u r t , 27./2S. 1. 1948, in: A V B R D 4 , S . 2 5 6 - 2 7 0 . 13 Proklamation Nr. 7 der amerikanischen und V O Nr. 126 der britischen Militärregierung „Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets", veröffentlicht am 6 . 2. 1948, in: Wirtschaftsrat, Erschließungsband. S . 1 6 - 1 9 ; vgl. Süddeutsche Zeitung, 7. 2 . 1948 (Westdeutschlands neues Wirtschaftsstatut. Die Proklamation der C h a r t a in Frankfurt/ E r w e i t e r t e Legislative - verstärkte E x e k u t i v e ) . 14

Vgl. D i e Neue Zeitung, 23. 1. 1948 ( D i e T r i b ü n e der Parteien).

15

E u g e n K o g o n , D a s J a h r der E n t s c h e i d u n g e n , in: Frankfurter Hefte 3 ( 1 9 4 8 ) , S. 1 6 - 2 8 .

152 16

A n m e r k u n g e n 1948 A u ß e r o r d e n t l i c h e Sitzung des Exekutivrats, 1 1 . 2 . 1948, in: A V B R D 4. S. 316 ff.

17

B e s p r e c h u n g d e r Militärgouverneure mit bizonalen V e r t r e t e r n in F r a n k f u r t , 14. 2. 1948, in: A V B R D 4, S. 335 f.

Sitzung des Parteivorstands d e r SPD in Kassel a m 17./18. 2. 1948; vgl. S P D Pressedienst, H a n n o v e r , 20. 2. 1948 (Politik auf weite Sicht. Z u r Kasseler T a g u n g der SPD). 19 A m 7. F e b r u a r 1948 brachten C D U u n d Z e n t r u m im L a n d t a g von N o r d r h e i n W e s t f a l e n zwei g e t r e n n t e Anträge z u r Bildung e i n e r g e s a m t d e u t s c h e n V e r t r e t u n g ein. Vgl. D i e N e u e Z e i t u n g , 8. 2. 1948 ( N e u e V o r s c h l ä g e von C D U und Z e n t r u m ) . 20

A m 19. 2. 1948 h a t t e der Exekutivrat in 123. Sitzung z u m letzten mal getagt (vgl. A V B R D 4, S. 353 f.). Seine A u f g a b e n gingen in d e r dritten Phase der Bizone zum Teil an den n e u e n V e r w a l t u n g s r a t (Kontrolle und K o o r d i n a t i o n bizonaler Politik), zum Teil an den n e u e n L ä n d e r r a t ( V e r t r e t u n g d e r L ä n d e r i n t e r e s s e n g e g e n ü b e r d e r B i z o n e n - A d m i n i stration) ü b e r . D e r L ä n d e r r a t konstituierte sich als erstes der n e u e n O r g a n e am 23. 2. 1948. Die e r s t e V o l l v e r s a m m l u n g des Wirtschaftsrats nach seiner U m b i l d u n g ( V e r d o p p e lung d e r Z a h l der A b g e o r d n e t e n ) f a n d am 24. 2. 1948 statt, der V e r w a l t u n g r a t ( b e s t e h e n d aus d e n D i r e k t o r e n der V e r w a l t u n g e n unter d e m Vorsitz d e s ressortlosen O b e r d i r e k t o r s ) trat a m 23. M ä r z 1948 zu seiner ersten „Direktorialsitzung" z u s a m m e n . Vgl. T. P ü n d e r , D a s bizonale I n t e r r e g n u m , S. 133 ff. 21

Z u den K a n d i d a t u r e n um das A m t des O b e r d i r e k t o r s vgl. B e n z , V o n der Besatzungsh e r r s c h a f t z u r B u n d e s r e p u b l i k , S. 95 ff.; Niederschriften d e r Sitzungen der C D U - F r a k t i o n des W i r t s c h a f t s r a t e s , A r c h i v für Christlich-Demokratische Politik, St. Augustin, F r a k tionssitzungen v o m 24. 2., 29. 2., 1. 3. 1948. 22

Vgl. die Schlagzeile in der N e u e n Z e i t u n g vom 29. 2. 1948: „Prag u n t e r d r ü c k t DreiM ä c h t e - N o t e . Beneschs Z u s t i m m u n g wurde e r p r e ß t - Presse gleichgeschaltet". 23

W i r t s c h a f t s r a t , 12. Vollversammlung, 2. 3. 1948, W ö r t l . Berichte S. 3 2 2 - 3 4 2 .

24

Im Protokoll ü b e r die 2. nichtöffentliche Sitzung des L ä n d e r r a t e s am 5 . 8 . 1948 heißt es zur W a h l d e s G e n e r a l s e k r e t ä r s lediglich: „Nach e i n g e h e n d e r A u s s p r a c h e ü b e r die zur W a h l s t e h e n d e n P e r s o n e n wird beschlossen, für die A b s t i m m u n g Stimmzettel zu verwend e n , auf die der N a m e des gewünschten K a n d i d a t e n zu schreiben ist. Weiße Z e t t e l b e d e u t e n S t i m m e n t h a l t u n g . D e r P r o t o k o l l f ü h r e r s a m m e l t 16 Stimmzettel ein u n d der W a h l a u s s c h u ß ermittelt das Ergebnis der Wahl. D e r V o r s i t z e n d e stellt fest, d a ß D r . Heinrich T r o e g e r zum G e n e r a l s e k r e t ä r des L ä n d e r r a t e s gewählt ist." Bundesarchiv, Z 4 / 540. D e r „ S ü d d e u t s c h e L ä n d e r r a t " , offiziell L ä n d e r r a t des amerikanischen Besatzungsgebietes, der im H e r b s t 1945 als Koordinierungsorgan der L ä n d e r der U S - Z o n e in Stuttgart errichtet w o r d e n w a r . existierte, e b e n s o wie der Z o n e n b e i r a t d e r britischen Z o n e , n e b e n der B i z o n e n - A d m i n i s t r a t i o n weiter. 21

D i e N e u e Z e i t u n g . 1 1 . 3 . 1948 ( D r . P ü n d e r tritt sein A m t a n ) : vgl. H e r m a n n P ü n d e r , V o n P r e u ß e n nach E u r o p a . L e b e n s e r i n n e r u n g e n , Stuttgart 1968. insbes. S. 315 ff. 26

Mitglieder d e s L ä n d e r r a t s waren je zwei von den Regierungen der 8 L ä n d e r der B i z o n e bestellte V e r t r e t e r , von denen einer der jeweilige Ministerpräsident sein k o n n t e . D e m L ä n d e r r a t oblag die V e r t r e t u n g der L ä n d e r bei der G e s e t z g e b u n g . F ü r den Vorsitz galt die gleiche R e g e l u n g - turnusmäßiger Wechsel - wie sie im Exekutivrat vereinbart gewesen w a r ; F e b r u a r / M ä r z 1948 E h a r d (Bayern), bis Juni 1948 Kopf ( N i e d e r s a c h s e n ) , bis S e p t e m b e r 1948 K ö h l e r ( W ü r t t e m b e r g - B a d e n ) , bis D e z e m b e r 1948 L ü d e m a n n (Schleswig-Holstein). J a n u a r / M ä r z 1949 B r a u e r ( H a m b u r g ) , bis Juni 1949 Kaisen ( B r e m e n ) . Juli/ A u g u s t 1949 Stock ( H e s s e n ) . Vgl. Walter Vogel, W e s t d e u t s c h l a n d 1 9 4 5 - 1 9 5 0 , Teil I, K o b l e n z 1956, S. 9 6 f . ; Tilman P ü n d e r , D a s bizonale I n t e r r e g n u m , Waiblingen 1966, S. 137 f.

A n m e r k u n g e n 1948

153

27

Die N e u e Z e i t u n g , 1.4. 1948 ( D e u t s c h e Vorschläge f ü r das E R P . Wirtschaftsrat macht A n g a b e n ü b e r W e s t z o n e n b e d a r f ) ; Süddeutsche Z e i t u n g . 3. 4. 1948 ( D i e deutschen Vorschläge z u m E u r o p a h i l f s p l a n . Köhler: D o p p e l z o n e als P a r t n e r a n e r k a n n t / G e m e i n same Beratungen). 28

Es h a n d e l t e sich u m V o r b o t e n d e r Blockade Berlins. Vgl. Die N e u e Z e i t u n g . 1.4. 1948 ( S M A verschärft G r e n z k o n t r o l l e . K a m p a g n e gegen V e r b i n d u n g Berlins mit dem W e s t e n ) ; vgl. W . B e n z , Die G r ü n d u n g der B u n d e s r e p u b l i k . V o n d e r Bizone zum s o u v e r ä n e n Staat, M ü n c h e n 1984, S. 11 ff. 29

D u r c h die a m e r i k a n i s c h e P r o k l a m a t i o n Nr. 8 und gleichlautende britische V e r o r d n u n g Nr. 98, die gleichzeitig mit d e m n e u e n Bizonenstatut am 9. 2. 1948 in Kraft trat, war als zentrale Instanz d e r Justiz das „ D e u t s c h e O b e r g e r i c h t f ü r das Vereinigte Wirtschaftsgeb i e t " in Köln errichtet w o r d e n . D a s Obergericht h a t t e gleichzeitig die F u n k t i o n eines o b e r s t e n Staats- und Verfassungsgerichts, des Reichsgerichts und eines Verwaltungsgerichtshofes, es war letzte Revisionsinstanz. In der N o r m e n k o n t r o l l e war es aber b e s c h r ä n k t , da G e s e t z e des Wirtschaftsrats, wenn B I C O sie genehmigt h a t t e , nicht m e h r angefochten werden konnten. 311

V o r b e s p r e c h u n g zur B e s p r e c h u n g der Militärgouverneure mit bizonalen V e r t r e t e r n in F r a n k f u r t , 14. 4. 1948, in; A V B R D 4, S. 4 5 1 - 4 6 3 .

31

A u f b a u p l a n 1948/49 für die Wirtschaft des Vereinigten Wirtschaftsgebietes vom 9. April 1948, in: Wirtschaftsverwaltung. H e f t 1. Mai 1948, S. 15 ff. (gekürzte Fassung); ausführliche Fassung B u n d e s a r c h i v , Z 8/198, Bl. 1 4 - 2 0 4 . 32

Sitzung bei B I C O am 12. 4. 1948. in: A V B R D 4. S. 462 f. B e s p r e c h u n g der Militärgouverneure mit bizonalen V e r t r e t e r n in F r a n k f u r t , 14. April 1948. in: A V B R D 4, S. 451 ff. 33

Vgl. A n m . 30.

34

V o m 20. 4 . - 2 . 6. 1948 f a n d die zweite Phase der L o n d o n e r S e c h s m ä c h t e - K o n f e r e n z statt. 35

D e u t s c h l a n d s Einschaltung in d e n Marshall-Plan, in: S o p a d e , April 1948, S. 79 f.

36

Im J u n i 1947 b e a u f t r a g t e US-Präsident T r u m a n drei S t u d i e n g r u p p e n mit der U n t e r s u chung d e r V o r a u s s e t z u n g e n und möglichen A u s w i r k u n g e n des g e p l a n t e n E u r o p e a n Recovery P r o g r a m . Zusätzlich zu diesen von Edwin G . N o u r s e , Julius A . K r u g und W . Averill H a r r i m a n geleiteten G r u p p e n beschäftigte sich auch das vom K o n g r e ß eingesetzte H e r t e r - K o m i t e e mit dieser A u f g a b e . G e g e n E n d e des J a h r e s w u r d e n die A b s c h l u ß b e r i c h t e veröffentlicht, die die amerikanische Diskussion des Marshall-Plans stark b e e i n f l u ß t e n . Vgl. J o h n C. C a m p b e l l and the research staff of the council of foreign relations, T h e U n i t e d States in W o r l d Affairs 1 9 4 7 - 1 9 4 8 . N e w Y o r k . L o n d o n 1948, S. 481 ff. 37

Sitzung des L ä n d e r r a t s . 30. 4. 1948, Bundesarchiv Z 4/541.

38

Bei d e r K o n f e r e n z am 8. J a n u a r 1948 hatte Clay d e n deutschen Ministerpräsidenten a n g e k ü n d i g t , d a ß künftig regelmäßige Sitzungen zwischen den Spitzen d e r Militärregierungen u n d d e u t s c h e n V e r t r e t e r n stattfinden w ü r d e n . A b 15. M ä r z 1948 w u r d e dies institutionalisiert. D e r Meinungsaustausch zwischen d e n beiden Militärgouverneuren und V e r t r e t e r n von W i r t s c h a f t s r a t , L ä n d e r r a t und Verwaltungsrat fand jeweils am 15. eines M o n a t s statt. 39

New Y o r k H e r a l d T r i b u n e ( E u r o p e a n E d i t i o n ) . 30. 4. 1948 (Ned Russell. Six Speed R e g i m e for West Z o n e s . C o n s t i t u e n t G r o u p Will Be C o n v e n e d . G e r m a n State Is D u e to Be in O p e r a t i o n by 49: Plebiscite to be H e l d ) .

154

A n m e r k u n g e n 1948

40

Vgl. W . B e n z , Föderalistische Politik in der C D U / C S U . Die Verfassungsdiskussion im „ E l l w a n g e r K r e i s " 1947/48, in: V f Z 27 (1977), S. 7 7 6 - 8 2 0 .

41

D i e Finanzleitstelle H a m b u r g h a t t e f ü r die britische Z o n e F u n k t i o n e n , die in der USZ o n e von den L ä n d e r m i n i s t e r i e n ausgeübt w u r d e n ; die L ä n d e r d e r britischen Z o n e hatten auf d e m G e b i e t d e r F i n a n z e n kaum K o m p e t e n z e n . Vgl. a u c h 7. Direktorialsitzung. 26. 4. 1948, in: A V B R D 4, S. 485 f.

42

Bei d e n Kreistags- und G e m e i n d e p a r l a m e n t s w a h l e n in Hessen am 25. April 1948 e n t f i e l e n von insgesamt 1729 Sitzen auf die S P D 630, C D U 517, L D P 395. K P D 99, N D P 56, A r b e i t e r p a r t e i 9 u n d die Wählervereinigungen 23. Vgl. F r a n k f u r t e r R u n d s c h a u , 2 7 . 4 . 1948 ( E r g e b n i s s e d e r hessischen W a h l e n . S P D b e h a u p t e t sich - C D U p r o z e n t u a l e r R ü c k g a n g - L D P Z u n a h m e - K P D Stimm Verluste). 41

V o r b e s p r e c h u n g bei B I C O am 7. Mai 1948 zur B e s p r e c h u n g der Militärgouverneure mit bizonalen V e r t r e t e r n in F r a n k f u r t am 14. Mai 1948. 44 Vgl. Bericht des Untersuchungsausschusses zur U n t e r s u c h u n g der M i ß s t ä n d e im B a y e r i s c h e n Wirtschaftsministerium und in den W i r t s c h a f t s ä m t e r n vom 29. S e p t e m b e r 1947, in: V e r h a n d l . d e s Bayer. Landtages, II. T a g u n g 1947/48, Beilage 799. 45

B e s p r e c h u n g der Militärgouverneure mit bizonalen V e r t r e t e r n in F r a n k f u r t , 14. Mai 1948, in: A V B R D 4, S. 5 0 2 - 5 1 4 .

46

In § 31 A b s . 3 d e r G e s c h ä f t s o r d n u n g war festgelegt, d a ß d e r S c h r i f t f ü h r e r ü b e r jede nichtöffentliche Sitzung eine Niederschrift anzufertigen h a t t e und welche Formalien dabei zu b e a c h t e n w a r e n , Bundesarchiv Z 4/540. 47

A m 21. Mai 1948 w a r E r w i n Hielscher u n t e r Protest aus dem Konklave in R o t h w e s t e n bei Kassel ausgeschieden, in dem deutsche W ä h r u n g s s a c h v e r s t ä n d i g e u n t e r strenger G e h e i m h a l t u n g und von der A u ß e n w e l t isoliert bei d e n V o r b e r e i t u n g e n der Alliierten für die W ä h r u n g s r e f o r m mitwirkten. D i e Mitarbeit b e s c h r ä n k t e sich auf Ü b e r s e t z u n g e n und F o r m u l i e r u n g s h i l f e n bei den Gesetz- u n d V e r o r d n u n g s t e x t e n . D a s Konklave d a u e r t e vom 20. 4 . - 8 . 6 . 1 9 4 8 . Vgl. Erwin Hielscher, D e r Leidensweg d e r deutschen W ä h r u n g s r e f o r m , M ü n c h e n 1948, und H a n s Möller, Die westdeutsche W ä h r u n g s r e f o r m v o n 1948, in: W ä h r u n g und W i r t s c h a f t in Deutschland 1 8 7 6 - 1 9 7 5 , F r a n k f u r t 1976, S. 4 3 3 - 4 8 3 . 48

Tatsächlich war L e u t n a n t T e n e n b a u m , Assistent des F i n a n z b e r a t e r s in G e n e r a l Clays S t a b , erst 27 J a h r e alt. Er h a t t e 1942 in Yale mit einer A r b e i t „Nationalsozialismus gegen i n t e r n a t i o n a l e n Kapitalismus" graduiert, beherrschte sechs Sprachen und galt auch bei d e u t s c h e n W ä h r u n g s e x p e r t e n bald als A u t o r i t ä t . Vgl. E c k h a r d W a n d e l , Die E n t s t e h u n g d e r B a n k d e u t s c h e r L ä n d e r , F r a n k f u r t 1980. S. 95 ff. 49

Vgl. Die N e u e Z e i t u n g , 27. 5. 1948 (Ernste D i f f e r e n z e n in L o n d o n . Paris fordert v e r s t ä r k t e Kontrolle d e r R u h r p r o d u k t i o n ) ; Die N e u e Z e i t u n g , 30. 5. 1948 ( W e i t g e h e n d e E i n i g u n g in L o n d o n . Politische Fragen nicht völlig bereinigt). 5,1

D u r c h die F i n a n z r e f o r m Erzbergers w u r d e 1919 d e m Reich die u n b e s c h r ä n k t e F i n a n z h o h e i t auch ü b e r die direkten Steuern gesichert u n d eine eigene Reichsfinanzverw a l t u n g a u f g e b a u t ; d a s w u r d e als e n t s c h e i d e n d e r Schlag gegen den Föderalismus e m p funden. 31

K o n f e r e n z d e r Ministerpräsidenten d e r a m e r i k a n i s c h e n , britischen und französischen B e s a t z u n g s z o n e n in F r a n k f u r t , 28. Mai 1948, in: A V B R D 4. S. 5 3 0 - 5 3 3 . 32

A b d r u c k d e s K o m m u n i q u e s d e r L o n d o n e r S e c h s - M ä c h t e - K o n f e r e n z ü b e r Deutschland v o m 7. 5. 1948, engl, u n d dt., in: D e r Parlamentarische Rat 1 9 4 8 - 1 9 4 9 , B d . 1,S. 1 ff. 53

A m 14. Juni 1948 w u r d e im Wirtschaftsrat ein g e m e i n s a m e r A n t r a g der F r a k t i o n e n der

Anmerkungen 1948

155

CDU/CSU/DP, der SPD, der F D P und des Zentrums für eine Empfehlung an die Militärregierungen zur Geldreform verabschiedet, Wörtl. Berichte. S. 607 f. 54

Am Freitag, dem 18. Juni 1948, wurde die bevorstehende Währungsreform verkündet, am 20. Juni wurde die erste Rate der Kopfquote, 40 D M . ausgegeben, am 21. Juni trat die Währungsreform in Kraft. Ma

Troeger äußerte sich mehrmals zum Problem des Lastenausgleichs, vgl. u . a . die Manuskripte: „Fragen des Lastenausgleichs. Vortrag auf der Steuerwissenschaftlichen Tagung in Bonn am 21./22. 4. 1947" (Anhang. Dokument 1); ..Grundsätzliches zum Lastenausgleich" (Wiesbaden, 23. 6. 1948, 12 Seiten Typoskript); „10 Thesen zum Lastenausgleich" (Anhang, Dokument 2); „Sozialer oder quotaler Lastenausgleich?" (7 Seiten Typoskript, o . D . ) ; Grundlagen und Möglichkeiten des Lastenausgleichs, in: Wirtschaftsverwaltung 1 (1948), Heft 6 (August). S. 2 - 5 . Alle Manuskripte im Hess. Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 1185. Nr. 30. M

Besprechung der Militärgouverneure mit bizonalen Vertretern in Frankfurt am 14. und 15. Juni 1948, in: A V B R D 4, S. 5 9 8 - 6 1 4 , und Konferenz der Militärgouverneure mit den Ministerpräsidenten der Bizone in Frankfurt, 15. Juni 1948, ebenda, S. 615-618. 56

Besprechung am 14. Juni 1948, S. 599 f.

57

Ebenda, S. 609.

Besprechung des britischen Militärgouverneurs mit bizonalen Vertretern in Frankfurt am 16. Juni 1948, in: A V B R D 4, S. 629-634. w

Als Reaktion auf die Währungsreform hatte die sowjetische Besatzungsmacht ab 23. Juni 1948 die Zufahrtswege zu Lande und zu Wasser nach Berlin gesperrt. Am 24. Juni begann auf Befehl General Claysdie Versorgung der Westsektoren Berlins durch die Luft. Vgl. Die Neue Zeitung, 27. 6. 1948 (Kampf um Berlin verschärft sich. Sowjets sperren Lebensmittel- und Stromversorgung). 611

Konferenz der Militärgouverneure mit den Ministerpräsidenten der westdeutschen Besatzungszonen, Frankfurt, 1. 7. 1948. in: Der Parlamentarische Rat 1948-1949, Bd. 1, S. 2 2 - 2 9 . Zweck der Konferenz war die Übergabe der Frankfurter Dokumente an die Länderchefs. Sie enthielten die Quintessenz der Londoner Sechs-Mächte-Konferenz, den Auftrag zur Gründung des deutschen Weststaats (Dokument I), die Aufforderung, die Ländergrenzen in Westdeutschland zu überprüfen (Dokument II) und die Ankündigung eines Besatzungsstatuts (Dokument III). 61

Text der Frankfurter Dokumente in: Pari. Rat 1, S. 3 0 - 3 6 .

62

Die unter dem Oberbegriff Lastenausgleich zusammengefaßten Maßnahmen zugunsten der durch Vertreibung und Kriegsschäden und -Verluste Betroffenen im Zusammenhang mit der Währungsreform kamen erst allmählich in Gang: Hypothekensicherungsgesetz September 1948, Flüchtlingssiedlungsgesetz und Soforthilfegesetz August 1949; das eigentliche Lastenausgleichsgesetz wurde erst im August 1952 vom Bundestag verabschiedet. Vgl. Reinhold Schillinger, Der Entscheidungsprozeß beim Lastenausgleich 19451952, Ostfildern 1985. 63

Konferenz der Ministerpräsidenten der westdeutschen Besatzungszonen vom 8 . - 1 0 . Juli 1948 in Koblenz (Rittersturz), in: Pari. Rat 1, S. 6 0 - 1 4 2 . M

Treffen der SPD-Länderchefs und des Parteivorstands am 7. Juli 1948 im Jagdschloß Niederwald bei Rüdesheim; vgl. Carlo Schmid. Erinnerungen, Bern, München, Wien 1979, S. 318 f.

65

Gekürzt um VA Seiten Exzerpte.

156

A n m e r k u n g e n 1948

66

A n t w o r t n o t e der Ministerpräsidenten der westdeutschen Besatzungszonen an die M i l i t ä r g o u v e r n e u r e mit Stellungnahme zu d e n F r a n k f u r t e r D o k u m e n t e n , K o b l e n z , 10. Juli 1948, in: Pari. R a t 1, S. 1 4 3 - 1 5 0 . 67

Vgl. B e s p r e c h u n g der Ministerpräsidenten d e r amerikanischen B e s a t z u n g s z o n e mit G e n e r a l Clay in F r a n k f u r t a m 14. Juli 1948, in: Pari. Rat 1, S. 1 5 1 - 1 5 6 . 68

E b e n d a , S. 159.

69

Z u d e r T a g u n g in B a d Vilbel vgl. S P D - P r e s s e d i e n s t , 23. 7. 1948 (Sozialdemokratische G r u n d s ä t z e z u m Lastenausgleich).

70

K o n f e r e n z der Ministerpräsidenten d e r westdeutschen B e s a t z u n g s z o n e n , Jagdschloß N i e d e r w a l d , 21./22. Juli 1948, in: Pari. R a t 1, S. 1 7 2 - 2 7 0 .

71

K o n f e r e n z der Militärgouverneure mit den Ministerpräsidenten der w e s t d e u t s c h e n B e s a t z u n g s z o n e n , F r a n k f u r t , 20. Juli 1948, in: Pari. R a t 1, S. 1 6 3 - 1 7 1 . 72

R u n d f u n k a n s p r a c h e M a x Brauers im N D R a m 14. Juli 1948, B u n d e s a r c h i v , Z 4/121, Bl. 229 ff. 73

D i e N e u e Z e i t u n g , 24. 7. 1948 ( S P D gibt Leitsätze für Lastenausgleich).

74

Im Original stand ursprünglich „ D r . K ü l z " , T r o e g e r berichtigte d e n I r r t u m und setzte „J. K a i s e r " ein. 75

Vgl. Dietrich Staritz, D i e N a t i o n a l - D e m o k r a t i s c h e Partei D e u t s c h l a n d s 1 9 4 8 - 5 3 . Ein B e i t r a g zur U n t e r s u c h u n g des Parteiensystems der D D R . rer. pol. Diss. F U Berlin 1968.

76

Vgl. S c h l u ß k o n f e r e n z der Militärgouverneure mit den M i n i s t e r p r ä s i d e n t e n der westd e u t s c h e n B e s a t z u n g s z o n e n in F r a n k f u r t a m 26. Juli 1948, in: Pari. R a t 1. S. 2 7 3 - 2 8 5 . 77

A m 2. August 1948 empfing Stalin in M o s k a u V e r t r e t e r d e r W e s t m ä c h t e ; Die N e u e Z e i t u n g , 4. 8. 1948 ( W e s t m ä c h t e b e r a t e n Stalin-Interview. Z w e i s t ü n d i g e U n t e r r e d u n g im K r e m l erzeugt gute S t i m m u n g ) . 78

W a l t e r L i p p m a n n , T h e Bargaining Position. N e w Y o r k H e r a l d T r i b ü n e ( E u r o p e a n E d i t i o n ) , 6. 8. 1948; vgl. Ein A m e r i k a n e r blickt auf E u r o p a , in: F r a n k f u r t e r H e f t e 3 (1948), S. 6 8 9 - 6 9 1 . 79

Vgl. Süddeutsche Z e i t u n g , 27 . 7. 1948 ( V i e r j a h r e s p l ä n e f ü r E R P - L ä n d e r g e f o r d e r t . H o f f m a n a u f d e r M a r s h a l l - P l a n - K o n f e r e n z i n Paris): vgl. auch Besprechung d e r Militärgouv e r n e u r e mit bizonalen Vertretern in F r a n k f u r t . 311. Juli 1948. in: A V B R D 4. S. 704--708. 80

D i e B a n k D e u t s c h e r L ä n d e r w a r am 1 . 3 . 1948 durch G e s e t z Nr. 60 d e r amerikanischen u n d gleichlautende V e r o r d n u n g e n (Nr. 129 bzw. 155 a) der britischen und f r a n z ö s i s c h e n Militärregierung errichtet w o r d e n . Leitungsorgane w a r e n der Z e n t r a l b a n k r a t . d e m die P r ä s i d e n t e n d e r elf L a n d e s z e n t r a l b a n k e n a n g e h ö r t e n und d a s von diesem g e w ä h l t e D i r e k t o r i u m . Die W i e d e r a u f b a u b a n k , amtlich: „Kreditanstalt f ü r W i e d e r a u f b a u " , w a r d u r c h G e s e t z des Wirtschaftsrats vom 5 . 1 1 . 1948 im Z u s a m m e n h a n g mit d e m Marshall-Plan zur V e r s o r g u n g der Wirtschaft mit Krediten gegründet w o r d e n . D e r V e r w a l t u n g s r a t der W i e d e r a u f b a u b a n k w a r zum Teil von d e n O r g a n e n d e r Bizone, zum Teil v o n der B a n k D e u t s c h e r Länder bestellt. Vgl. Walter V o g e l , W e s t d e u t s c h l a n d 1945 1950, Teil III. B o p p a r d 1983, S. 138 ff. 81

Im handschriftlichen Original folgt eine A u f z ä h l u n g von teilweise unleserlichen N a m e n , die T r o e g e r schon in der T r a n s k r i p t i o n wegließ.

82 83

D i e N e u e Z e i t u n g , 2 1 . 8 . 1948.

Protokoll der V e r h a n d l u n g e n des Parteitages der S P D v o m 1 1 . - 1 4 . S e p t e m b e r 1948 in D ü s s e l d o r f , H a m b u r g 1948.

A n m e r k u n g e n 1948

157

84

A m 12. S e p t e m b e r 1948 w u r d e die zweite, endgültige Fassung des K o p e n h a g e n e r W e l l e n p l a n s veröffentlicht, in d e m die V e r t e i l u n g der europäischen R u n d f u n k s e n d e f r e q u e n z e n geregelt w u r d e . Diese war zu U n g u n s t e n der deutschen A n s p r ü c h e ausgefallen. G . v. Glowczewski: K o p e n h a g e n e r W e l l e n p l a n 1948. Seine politischen, rechtlichen und technischen Folgen f ü r die A R D , in: R u n d f u n k und Politik 1 9 2 3 - 1 9 7 3 , B e i t r ä g e zur R u n d f u n k f o r s c h u n g , B d . 3, hrsg. v. W i n f r i e d B. Lerg u n d Rolf Steininger, Berlin 1975, S. 3 8 5 - 4 1 0 .

85

P. W . W e n g e r , Die S P D in der Krise, in: Rheinischer M e r k u r , 18. 9. 1948.

86

R e f e r a t Z o r n s a m 14. S e p t e m b e r 1948, in: Protokoll der V e r h a n d l u n g e n des Parteitags d e r S P D v o m 11. bis 14. S e p t e m b e r in D ü s s e l d o r f , S. 1 3 8 - 1 5 9 . 87

K o n f e r e n z der Militärgouverneure mit d e n Ministerpräsidenten der Bizone in F r a n k f u r t am 30. S e p t e m b e r 1948, in: A V B R D 4, S. 8 2 3 - 8 3 0 . 88

B e s p r e c h u n g der Militärgouverneure mit bizonalen V e r t r e t e r n in F r a n k f u r t am 15. O k t o b e r 1948, in: A V B R D 4, S. 8 5 8 - 8 6 8 .

89

Die N e u e Z e i t u n g , 16. 10. 1948 ( F r a n k f u r t vor „ o f f e n e r Feldschlacht". C S U will Schlange-Schöningen durch H e r m e s e r s e t z e n ) . Siehe auch Im Schatten des H u n g e r s . D o k u m e n t a r i s c h e s zur Ernährungspolitik u n d E r n ä h r u n g s w i r t s c h a f t in d e n J a h r e n 1 9 4 5 1949. H r s g . von H a n s Schlange-Schöningen. B e a r b . von Justus R o h r b a c h , H a m b u r g 1955, S. 233 ff. Die Z e i t , 14. 10. 1948. 91

K o n f e r e n z der M i l i t ä r g o u v e r n e u r e mit d e n Ministerpräsidenten der Bizone in F r a n k f u r t am 29. O k t o b e r 1948, in: A V B R D 4, S. 9 0 6 - 9 1 4 . 92

A m 1. 10. 1948 ü b e r r e i c h t e n die M i n i s t e r p r ä s i d e n t e n der westlichen B e s a t z u n g s z o n e n e i n e D e n k s c h r i f t an die Regierungschefs d e r westlichen Alliierten zur D e m o n t a g e f r a g e . Siehe K o n f e r e n z d e r M i n i s t e r p r ä s i d e n t e n d e r a m e r i k a n i s c h e n , britischen und französischen Besatzungszonen im Jagdschloß N i e d e r w a l d , 1. O k t o b e r 1948. in: A V B R D 4, S. 831 f.. insbes. 837. 93

Vgl. D i e N e u e Z e i t u n g , 30. 10. 1948 (Ausschreitungen in Stuttgart. U S - T r u p p e n greifen ein - 32 D e m o n s t r a n t e n v e r h a f t e t ) . 94

Die N e u e Z e i t u n g , 30. 10. 1948 ( B o n n o d e r F r a n k f u r t als H a u p t s t a d t : B e i d e S t ä d t e k ä m p f e n u m d e n R a n g - Berlins A n s p r u c h bleibt a n e r k a n n t ) ; vgl. Klaus D r e h e r , Ein K a m p f u m B o n n , M ü n c h e n 1979.

95

K o n f e r e n z d e r Ministerpräsidenten d e r amerikanischen, britischen u n d französischen B e s a t z u n g s z o n e n in S c h l a n g e n b a d , 28. O k t o b e r 1948, in: A V B R D 4, S. 8 7 9 - 9 0 5 . 96

W i r t s c h a f t s r a t , 27. V o l l v e r s a m m l u n g , 3. 12. 1948, Wörtl. Berichte, S. 1 2 2 3 - 1 2 4 1 ; vgl. D i e N e u e Z e i t u n g , 6 . 1 1 . 1948 (Ein A m t u n d m e h r e r e M e i n u n g e n . „ O f f e n e Feldschlacht" u m Schlange-Schöningen abgeblasen). 97

Vgl. W a l t e r Vogel, W e s t d e u t s c h l a n d 1 9 4 5 - 1 9 5 0 . D e r A u f b a u von Verfassungs- und V e r w a l t u n g s e i n r i c h t u n g e n ü b e r den L ä n d e r n d e r drei westlichen B e s a t z u n g s z o n e n D e u t s c h l a n d s 1 9 4 5 - 1 9 4 8 , Teil II, B o p p a r d 1964, S. 214ff. 98

A m 22. N o v e m b e r 1948 h a t t e n die M i l i t ä r g o u v e r n e u r e d e m P a r l a m e n t a r i s c h e n R a t ein A i d e - M é m o i r e zugestellt, das die wichtigsten alliierten F o r d e r u n g e n an das G r u n d g e setz enthielt, dazu g e h ö r t e vor allem das Postulat nach einer Zweiten K a m m e r , die mit g e n ü g e n d e r Befugnis zur W a h r u n g der L ä n d e r i n t e r e s s e n ausgestattet sein m u ß t e . T e x t of A i d e - M é m o i r e left with the President of the P a r l i a m e n t a r y Council at B o n n , 22. 11. 1948,

158

Anmerkungen 1948

in: Documents of the Création of the German Fédéral Constitution, prepared by Civil Administration Division, OMGUS, Berlin 1949, S. 105. 99

Heinrich Troeger, Finanzpolitische Fragen der Gegenwart, Offenbach a. M. 1948 (Manuskript dazu, dat. Januar 1948, im Hess. Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 1185, Nr. 150). 1(x

' Bergsträsser in der 4. Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates am 17. 11. 1948, in: Parlamentarischer Rat. Verhandlungen des Hauptausschusses. Bonn 1948/49, Bonn 1949, S. 4 8 - 5 3 . 101

Pressekonferenz General de Gaulies in Paris am 17. November 1948. Vgl. Le Monde, 18. 11. 1948 (Dans sa conférence de presse le général de Gaulle déclare: „Le Reich reconstitué à Londres évoluera comme toujours vers l'aventure"). 11)2 Vgl. Konferenz der Militärgouverneure mit den Ministerpräsidenten der Bizone in Frankfurt am 29. November 1948, in: A V B R D 4, S. 963 - 971, insbes. 968. 103 Das am 9. Juli 1948 vom Wirtschaftsrat beschlossene Gewerbezulassungsgesetz wurde am 17. September 1948 von BICO abgelehnt. 104 Z u r Kontroverse um die Bestrebungen zur Reform der deutschen Sozialversicherung nach 1945, bei der um Einheitsversicherung oder traditionell gegliederte Sozialversicherung gestritten wurde, vgl. Hans-Günther Hockerts, Sozialpolitische Entscheidungen im Nachkriegsdeutschland. Alliierte und deutsche Sozialversicherungspolitik 1945 — 1957, Stuttgart 1980, S. 2 1 - 1 0 6 . 11,5 Schon vor der Suspendierung des Ausführungsgesetzes zu Artikel 41 der hessischen Verfassung („Sozialisierungsgesetz") durch die US-Militärregierung für Hessen Anfang Dezember 1948 hatten die Amerikaner das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht, wie es im hessischen Betriebsrätegesetz vom 3. Mai 1948 vorgesehen war, außer Kraft gesetzt. Vgl. Sopade, Dezember 1948, S. 109 f. 106

Die Neue Zeitung, 24. 12. 1948 (General Clay: Wir alle werden helfen).

1,17

Die Neue Zeitung, 7. 12. 1948 (TVA Eckernförde wird gesprengt. Protest des Landtags gegen „Politik der verbrannten Erde"). "Itt In der 29. Vollversammlung des Wirtschaftsrats am 17. Dezember 1948 erfolgte die 2. und 3. Lesung des Gesetzes gegen Preistreiberei (Wörtl. Berichte, S. 1293ff.). Am 19. Januar 1949 behandelte der Wirtschaftsrat den Antrag des Ausschusses für Wirtschaft betr. Einspruch des Länderrats gegen das Gesetz zur Verlängerung des Übergangsgesetzes über Preisbildung und Preisüberwachung (ebenda, S. 1361). 1119 In der Sitzung des Wirtschaftsrats am 17. Dezember 1948 erfolgte auch die 2. und 3. Lesung des Gesetzes zur Verlängerung des Gesetzes über Leitsätze für die Bewirtschaftung und Preispolitik nach der Geldreform (Wörtl. Berichte, S. 1290ff.). A m 19. Januar 1949 lag dem Wirtschaftsrat der Antrag des Ausschusses für Wirtschaft betr. Einspruch des Länderrats gegen dieses Gesetz vor (Wörtl. Berichte, S. 1361 f.). 110

A m 16./17. Dezember 1948 war eine Delegation des Parlamentarischen Rats, geführt von Adenauer, mit den Militärgouverneuren in Frankfurt zusammengetroffen. Dabei hatte A d e n a u e r Differenzen auf deutscher Seite erläutert, was ihm den Vorwurf der SPD eintrug, er habe Interna ausgeplaudert, um einen alliierten Schiedsspruch im Sinne der CDU/CSU zu erreichen. Die SPD-Fraktion sprach am 18. Dezember Adenauer schriftlich ihr Mißtrauen aus. Die „Frankfurter Affäre" hatte keine weiteren Folgen; vgl. W. Benz, Von der Besatzungsherrschaft zur Bundesrepublik, Frankfurt 1984, S. 216f.; vgl. Die Neue Zeitung, 21. 12. 1948 (Offene Krise in Bonn ausgebrochen. Zerwürfnis der großen Parteien - SPD mißtraut Adenauer).

A n m e r k u n g e n 1949

159

1949 1 D i e E r o b e r u n g Pekings am 18. 1. 1949 durch die K o m m u n i s t e n war eine wesentliche E t a p p e im Chinesischen Bürgerkrieg, die den endgültigen Machtverlust der KuomintangRegierung Tschiang Kai Scheks und die Gründung der Volksrepublik China (1. 10. 1949) einleitete. 2 A m 2 8 . 12. 1948 war der E n t w u r f des Ruhrstatuts veröffentlicht worden, das eine Internationale R u h r b e h ö r d e vorsah, deren Hauptaufgabe in der Aufteilung der Produktion von K o h l e , K o k s und Stahl der R u h r zwischen E x p o r t und inländischem V e r b r a u c h bestehen sollte. D i e W e s t z o n e n waren in dieser zunächst durch die Militärgouverneure vertreten. E n t g e g e n den Befürchtungen deutscher Politiker entwickelte sich das Ruhrstatut überraschend schnell zur Keimzelle der Europäischen Integration ( M o n t a n u n i o n ) . 1 D i e D e u t s c h e Wirtschaftskommission ( D W K ) . im J u n i 1947 auf B e f e h l der sowjetischen Militär-Administration errichtet und mehrmals umstrukturiert, war ab März 1948 praktisch die erste deutsche zentrale Regierungsinstanz in der S B Z . D e r D W K oblag die K o n t r o l l e der Planwirtschaft und Verwaltung, sie hatte g e g e n ü b e r den Landesverwaltungen auch Weisungsrechte.

Vgl. D i e N e u e Zeitung, 15. 2. 1949 ( L é o n B l u m zum deutschen P r o b l e m . R e u t e r s B e s u c h in Paris hat befriedigt). 4

5 Z u den Streitigkeiten um den Vorwurf der Vermischung von amtlichen und privaten Interessen des Präsidenten des hessischen Landesernährungsamts und Z u c k e r g r o ß h ä n d lers Fritz D i e t z vgl. D e r Spiegel, 19. 2. 1949 (In des Teufels K ü c h e . Aufopfernde Tätigkeit).

D i e N e u e Z e i t u n g , 17. 2. 1949 (Clay: B e a m t e n g e s e t z ist notwendig. Bizonale Zollkontrolle angekündigt; eventuell auch Einsatz von S o l d a t e n ) . Vgl. auch W . B e n z . V e r s u c h e zur R e f o r m des öffentlichen Dienstes, in: V f Z 29 ( 1 9 8 1 ) , S . 2 1 6 - 2 4 5 . 6

B e s p r e c h u n g der Militärgouverneure mit 15. F e b r u a r 1949, in: A V B R D 5 , S. 2 2 3 - 2 3 3 .

7

33. Vollversammlung des Wirtschaftsrats, S. 1 4 1 8 - 1 4 8 3 .

8

bizonalen

Vertretern

in

18./19. F e b r u a r 1949, W ö r t l .

Frankfurt, Berichte,

Heinrich K ö h l e r , der trotz seines spektakulären Rücktritts aus dem Exekutivrat am 9 . 8 . 1947 (s. d o r t , A n m . 16) im Länderrat W ü r t t e m b e r g - B a d e n wieder vertreten war, war am 6. F e b r u a r 1949 in Karlsruhe gestorben.

9

111 U n t e r dem gemeinsamen Untertitel „Wirtschaftliche Fragen bei Durchführung des L o n g - T e r m - P r o g r a m m s " veröffentlichte T r o e g e r die Ergebnisse des von ihm initiierten Kreises „von Sachverständigen und von politisch interessierten Freunden aus allen P a r t e i e n " in den H e f t e n 9—12 der Zeitschrift Wirtschaftsverwaltung, die von der Verwaltung für Wirtschaft und der Verwaltung für A r b e i t der Bizone herausgegeben wurde. D i e A u f s ä t z e erschienen ohne V e r f a s s e r a n g a b e ; mit A u s n a h m e des vierten ( A u f b a u der Landwirtschaft), den Hans Podeyn geschrieben h a t t e , stammten offenbar alle a u s T r o e g e r s F e d e r (vgl. T r o e g e r , E r l e b t e s und G e d a c h t e s , S. 185 f . ) . G e g e n die sechs Aufsätze - 1. D e r R a h m e n der deutschen Wirtschaftspolitik, 2. A u ß e n h a n d e l als L e b e n s f r a g e , 3 . Sicherung des Massenverbrauchs, 4. A u f b a u der Landwirtschaft, 5. Kapitalbildung und Lohnpolitik, 6 . Kapitalbildung und Steuerpolitik, in: Wirtschaftsverwaltung 2 ( 1 9 4 9 ) , S. 2 3 3 - 2 3 5 ; 2 6 5 - 2 6 9 ; 2 9 9 - 3 0 5 ; 3 2 9 - 3 3 4 - e r h o b sich nicht nur Protest aus den R e i h e n der Verwaltung für Wirtschaft in Gestalt von Entgegnungen u. a. durch L e o n h a r d Miksch und Helmut Meinhold (a. a. O . , S. 3 3 4 — 3 3 5 ; 3 4 6 - 3 4 9 ) , die R e d a k t i o n

160

Anmerkungen 1949

versicherte auch wiederholt, daß an Troegers Arbeitskreis niemand aus der Verwaltung für Wirtschaft beteiligt war, der abschließende siebte Aufsatz Troegers über Kapitallenkung kam nicht mehr zum Abdruck. „Die Auffassungen des Arbeitskreises waren den leitenden Herren der Verwaltung für Wirtschaft offenbar allzusehr auf Lenkung und Planung abgestellt, was bei der Behandlung der Fragen zur Durchführung des Long-TermProgramms unvermeidlich war" (Erlebtes und Gedachtes, S. 187). Die Manuskripte der Aufsatzserie befinden sich im Hess. Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 1185, Nr. 139, sowie in Nr. 77 und Nr. 29 (dort das Manuskript über Kapitallenkung, das Troeger dann auch erfolglos der Redaktion der Wirtschaftszeitung angeboten hatte). " A m 4. Januar 1949 lehnte die SPD-Fraktion im Parlamentarischen Rat ein förmliches Mißtrauensvotum gegen Adenauer mit 19:3 Stimmen ab. Vgl. Rudolf Morsey. Die Rolle Konrad Adenauers im Parlamentarischen Rat, in: V f Z 18 (1970), S.77. 12

Sitzung des Parteivorstands der SPD, 11./12. 3. 1948, vgl. Sopade, März 1949, Bl. 49.

13

D e r Auszug aus der Debatte im italienischen Parlament über den Beitritt zur N A T O findet sich in der Neuen Zürcher Zeitung vom 17. 3. 1949 (Aus den Erklärungen Sforzas). 14

A m 2. März 1949 hatten die Alliierten gegen den fertigen Grundgesetzentwurf Bedenken erhoben, insbesondere wegen der Finanzverfassung und der Aufteilung der Gesetzgebungskompetenz zwischen Bund und Ländern. Den daraufhin zwischen den Fraktionen ausgehandelten Kompromiß lehnten die Militärgouverneure am 18. März wiederum ab. Die SPD verhielt sich gegenüber allen Änderungswünschen zur Finanzverfassung intransigent, während die CDU/CSU den Alliierten entgegenkommen wollte. Später, als die Fassung vom 18. März doch genehmigt wurde, warf die CDU der SPD vor, sie sei von britischer Seite informiert gewesen, daß die alliierten Einwände nicht so gravierend waren und hätte deshalb die Kraftprobe mit den Alliierten ohne Risiko gesucht. Vgl. W. Benz, Von der Besatzungsherrschaft zur Bundesrepublik, S. 218 ff. 14a

S. Anm. 99 zum Jahr 1948.

15

Frankfurter Rundschau, 9. 4. 1949 (Erhard gegen Länder-Finanzpolitik. Produktionsindex im März auf 85 Prozent gestiegen). 16

Sitzung des Parteivorstands der SPD am 11./12. 3. 1949 und gemeinsame PV/PRFraktionssitzung am 11.4. 1949 in Bad Godesberg. Siehe dazu Hans Altendorf, SPD und Parlamentarischer Rat, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 10 (1979), S. 4 1 6 - 4 1 9 . 17 Die Zeit, 1. 4. 1949; wieder abgedruckt in: N. Frei, F. Friedlaender (Hrsg.), Ernst Friedlaender: Klärung für Deutschland. Leitartikel in der Zeit 1946-1950, München 1982. S. 166-169. 18

„Kleiner Parteitag" der SPD am 19./20. April 1949 in Hannover, vgl. Sopade, April 1949, Bl. 39. 19

Das Memorandum der Außenminister der drei Westmächte, das die Militärgouverneure am 22. 4. 1949 dem Präsidenten des Parlamentarischen Rats übergaben, enthielt die Konzessionen der Alliierten zu den beiden strittigen Komplexen Finanzverfassung und Gesetzgebungskompetenzen. Das Memorandum war vom 8. April 1949 datiert, die Militärgouverneure waren ermächtigt gewesen, es bis zu einem geeigneten Zeitpunkt zurückzuhalten. Message to the Military Governors, 8. 4. 1949, in: FRUS 1949, Vol. III, S. 185 ff. Vgl. Anm. 14. 20 Vgl. Die Neue Zeitung, 21.4. 1949 (Sowjetpolitiker in geheimer Mission. Westmächte zu Meldungen über Blockadeaufhebung - Kein Kommentar). 21

Anfang März 1949 wurde der bisherige sowjetische Außenminister Wjatscheslaw Molotow durch A n d r e j Wyschinsky ersetzt.

Anmerkungen 1949

161

22

Dr. Josef Kübel war 1927-1931 Justitiar der Firma Vereinigte Glanzstoff Fabriken (VGF), die mit der holländischen Algemeene Kunstzijde Unie (Aku) verflochten war (die Firmen fusionierten 1969 zum multinationalen Enka-Konzern). Im Januar 1933 mußte Dr. Fritz Blüthgen, langjähriger Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzender, zusammen mit zwei anderen Verwaltungsmitgliedern wegen schwerer Verfehlungen (Untreue, persönliche Bereicherung zu Lasten der Firma etc.) ausscheiden. Die Auseinandersetzungen zwischen V G F und Blüthgen, der für seine Interessen u. a. Göring (als Beauftragten für den Vierjahresplan) einzusetzen verstand, dauerten bis 1963. Kübel, der sich bei seinem Abgang von Blüthgen schlecht behandelt fühlte, kämpfte mit Strafanzeigen, durch Auftritte in den Hauptversammlungen (zuletzt 1972) und mit einer Broschüre „Kampf um Glanzstoff" (1950) sowohl gegen Blüthgen als auch gegen den Konzern. Die Transaktionen, an denen Adenauer beteiligt war, lieferten einerseits Kübel jahrzehntelang Munition, andererseits versuchte Blüthgen, der die Geschichte namentlich in Wahljahren immer wieder hervorkehrte und auch den Spiegel (s. den Artikel „Wertpapiere". 11. 1. 1961) zur Kolportage benutzen konnte, sie zur Aufbesserung seiner ihm von der V G F generös gewährten regelmäßigen finanziellen Beihilfe zu verwenden. Die Hintergründe des Adenauer-Komplexes: Blüthgen hatte 1928 Adenauer persönlich zum Kauf von shares einer amerikanischen VGF-Tochtergesellschaft bewogen und ihn, nachdem er sich in sehr erheblichem Maße engagiert hatte, auch bei anhaltenden Kursverlusten zum Durchhalten überredet. Die Deutsche Bank, die Adenauers Transaktionen kreditierte, erhielt als Sicherheit für Adenauers Passivsaldo von zeitweise 1,6—1,7 Mili. R M von Blüthgen vermittelte Aku-Aktien. Adenauer verlor enorme Summen, obwohl er mit der Deutschen Bank eine vergleichsweise Einigung erzielte. Spätere Regreßansprüche Adenauers gegen Blüthgen konnten, da dieser sein eigenes Vermögen verlor, nicht realisiert werden. Die Glanzstoff A. G . als Firma warvon den Vorgängen nur insoweit betroffen, als ihr Generaldirektor Blüthgen sich zweifelhaft verhalten hatte. Für Auskünfte zu diesen Problemen sind die Herausgeber Herrn Dr. Ludwig Vaubel, Wuppertal, zu Dank verpflichtet. 23

Meeting of the three western Military Governors with a Parliamentary Council Delegation, 25. April 1949 in Frankfurt. O M G U S , 17/213-3/39.

24

Besprechung von General Clay mit den Ministerpräsidenten der US-Zone am 29. 4. 1949, in: A V B R D 5, S. 405 - 407. 25 Clays Amtszeit als Militärgouverneur endete am 15. Mai 1949, drei Tage nach der Genehmigung des Grundgesetzes und der Verkündung des Besatzungsstatuts. Amtierender Militärgouverneur wurde General Huebner, der am 17. 5. 1949 seinen Vertreter General Hays bevollmächtigte, diese Funktionen auszuüben. Der am 18. 5. 1949 ernannte amerikanische Hohe Kommissar John McCloy, dessen Amtszeit mit Konstituierung der Bundesrepublik und Inkrafttreten des Besatzungstatuts (21. 9. 1949) begann, fungierte ab Anfang Juli formell als US-Militärgouverneur. 26

Der Tagesspiegel, Berlin 3.5.1949 (Die Gefahr der Parteidisziplin). Löwenthal schied daraufhin aus der Fraktion und aus der SPD aus. 27

Vgl. Die Neue Zeitung, 3. 5. 1949 (Zwischen Frankfurt und Bonn. Vor Entscheidung über die Bundeshauptstadt - Verschiedenste Argumente); s. a. Klaus Dreher, Ein Kampf um Bonn, München 1979. 28 Die Neue Zeitung, 12. 5. 1949 (Clays Abschied von Frankfurt. Wirtschaftsrat und Länderrat danken dem scheidenden Gouverneur). 29 30

S. A n m . 27.

Mit Wirkung vom 31. Mai 1949 hatte der Zentralbankrat der Bank Deutscher Länder eine Lockerung der Kreditrichtlinien beschlossen. Vgl. Die Neue Zeitung, 24. 5. 1949 (Kredite werden gelockert).

162 11

Anmerkungen 1949 6. Tagung des Alliierten Außenministerrates in Paris vom 23. Mai bis 20. Juni 1949.

32

Die Sowjetunion hatte die Wiederbelebung des Kontrollrats und die Bildung eines gesamtdeutschen „Staatsrats" vorgeschlagen. Die Westmächte offerierten den Anschluß der Sowjetzone an die Westzonen auf der Grundlage des Bonner Grundgesetzes. Text der Pariser Vorschläge der Westmächte in: A V B R D 5, S. 474ff. 33

Die Neue Zeitung, 28. 5. 1949 (Bahnstrecke nach Berlin blockiert. OstzonenEisenbahner mit Streikenden solidarisch). 34

Verwechslung mit Stalins Tochter Swetlana, die im Frühjahr 1949 in zweiter Ehe Jurij Andrejewitsch Shdanow heiratete, den Sohn des 1948 verstorbenen Politbüromitglieds und Chefs der Propagandaabteilung des Z K . Vgl. Swetlana Allilujewa, 20 Briefe an einen Freund, Wien 1967, S. 271 und 277. 35

Bei der Abstimmung über das Grundgesetz am 8. Mai 1949 hatten 6 der 8 CSUAbgeordneten im Parlamentarischen Rat dagegen gestimmt und der Bayerische Landtag lehnte am 20. Mai mit 101 gegen 63 Stimmen die Ratifikation des Grundgesetzes ab. Dazu Le Monde, 21. 5.1949: Origines, données et perspectives de l'actuelle crise bavaroise, von Jules-Albert Jaeger. 36

Konferenz der Militärgouverneure mit den Ministerpräsidenten der Bizone in Frankfurt, 31. Mai 1949, in: A V B R D 5, S. 488 - 495. 37

Ministerpräsidentenkonferenz in Bad Schlangenbad, 10. Juni 1949, in: A V B R D 5, S. 547-555. 38

S. Anm. 32.

w

Konferenz der Militärgouverneure mit den Ministerpräsidenten der Bizone in Frankfurt, 30. Juni 1949, in: A V B R D 5, S. 689-698. 40

Ministerpräsidentenkonferenz in Bad Schlangenbad, 6. 7. 1949, ebenda, S. 795-804.

41

S. Anm. 39.

42

Besprechung der Militärgouverneure mit bizonalen Vertretern in Frankfurt, 15. Juli 1949, in: A V B R D 5, S. 888-908; vgl. A n m . 25.

43

12. —16. Sitzung des Organisationsausschusses der Ministerpräsidenten in Bad Schlangenbad, 9 . - 1 3 . Juli 1949, in: A V B R D 5, S. 805-871.

44

14. Sitzung des Organisationsausschusses, 11. 7. 1949, ebenda, S. 834.

45

Süddeutsche Zeitung. 16. 7.1949 (Vatikan verdammt den Kommunismus. Exkommunizierung kommunistischer Aktivisten).

46

Wahlrede bei einer CDU/CSU-Kundgebung im Heidelberger Schloß. 21. Juli 1949, in: Konrad Adenauer, Reden 1917-1967. Eine Auswahl, hrsg. von Hans-Peter Schwarz, Stuttgart 1975, S. 146f.

47

Ebenda; vgl. dazu W. Benz. Von der Besatzungsherrschaft zur Bundesrepublik, S. 260 f.

4tt

Vgl. Konrad Adenauer, Erinnerungen 1945-1953. Stuttgart 1965. S. 217f.

4

Die Neue Zeitung, 25. 7. 1949 (Konjunktur und Krise).

"

511

A m 27. Juli 1949 bei einer CDU-Wahlkundgebung; vgl. Die Neue Zeitung. 30. 7. 1949 (Sprechchöre verhindern Erhards Rede). 51

Vgl. Besprechung der Militärgouverneure mit bizonalen Vertretern in Frankfurt. 30. Juli 1948, in: A V B R D 4, S. 703-708.

Anmerkungen 1949

163

52

Frankfurter Rundschau, 26. 7. 1949 (Thomas Mann: Meine Heimat ist die deutsche Sprache. Seine „Ansprache im Goethe-Jahr" in der Paulskirche zu Frankfurt a. M.). 53

Am 18. Mai 1948; siehe Frankfurter Rundschau. 20. 5. 1948 (Jahrhundertfeier in der Paulskirche. Große Anteilnahme der Bevölkerung - Fritz von Unruh an die Deutschen). 54

Am 11. August 1919 hatte Reichspräsident Ebert die von der Nationalversammlung angenommene Reichsverfassung der Weimarer Republik unterzeichnet. 15 Der mit „Adolf Bleibtreu" unterzeichnete Leserbrief erschien in der Süddeutschen Zeitung vom 9. August 1949. Zu den Protesten siehe Die Neue Zeitung vom 11.8. 1949 (Schwere Tumulte in München. Antisemitischer Leserbrief verursacht Straßenschlacht). 56

Konferenz der Militärgouverneure mit den Ministerpräsidenten der Bizone in Frankfurt, 4. August 1949, in: A V B R D 5, S. 977-985. 57

Zu den Ereignissen um den skandalumwitterten WAV-Vorsitzenden Alfred Loritz siehe Hans Woller, Die Loritz-Partei. Geschichte. Struktur und Politik der Wirtschaftlichen Wiederaufbau-Vereinigung (WAV) 1945-1955. Stuttgart 1982. 58

Von Toynbees A Study of History (12 Bände. Oxford 1934-1961) erschien in Hamburg 1949 eine erste deutsche Zusammenfassung u. d. T.: Studie zur Weltgeschichte. Wachstum und Zerfall der Zivilisationen. ^ Michael Iwanowitsch Rostovtzeff, Geschichte der Alten Welt. 2 Bände, in deutsch erstmals 1941 und 1942. 6,1

Die Wahl zum ersten Deutschen Bundestag hatte am 14. August 1949 stattgefunden.

61

Die Gegenwerte der von den Alliierten im Rahmen des Marshallplans eingeführten Güter und Rohstoffe blieben devisenmäßig gestundet (die inländischen Verbraucher zahlten in DM), dadurch entstanden erhebliche Beträge, die bei der Bank deutscher Länder für die Militärregierung als „Counterpart Funds" geführt wurden. Die im November 1948 gegründete Kreditanstalt für Wiederaufbau hatte die Aufgabe, diese Mittel der deutschen Wirtschaft als Darlehen zur Verfügung zu stellen. 62

Die Neue Zeitung, 23. 6. 1949 (Thyssen-Hütte soll Europa dienen. Umwandlung in europäisches Jugendaufbauwerk vorgeschlagen) und 26. 5. 1949 (Thyssenplan an Außenminister. Amerikanische Studienkommission gab erste Anregung). 61

Verwechslung mit Fritz Thyssen (1873-1951). dem Sohn des bereits 1926 verstorbenen August Thyssen. Fritz Th. brach nach dem Kriegsausbruch 1939 mit der NSDAP, die er lange gefördert hatte, und emigrierte zunächst in die Schweiz und dann nach Frankreich. Dort geriet er nach der deutschen Besetzung in Gefangenschaft. 1945 geriet er wiederum in amerikanische Internierungshaft. 1950 erhielt er sein bereits 1940 vom damaligen Land Preußen beschlagnahmtes Vermögen zurück. w

A m 2. November 1948 war Harry S. Truman trotz innerparteilicher Opposition gegen den Republikaner Thomas E. Dewey zum US-Präsidenten wiedergewählt worden. 65

Ministerpräsidentenkonferenz in Koblenz. 25./26. August 1949, in: A V B R D 5, S. 1059-1067; Die Neue Zeitung. 27. 8. 1949. 66

Die Entscheidung gegen ein mit Referenten arbeitendes Büro des Bundesrats und einen beamteten Präsidenten war schon im Organisationsausschuß am 11. 7. 1949 gefallen (s. A n m . 44), zu den Beschlüssen der Ministerpräsidenten am 25./26. August s. A V B R D 5, S. 1063-1064; die Erwähnung des Stuttgarter Ministerpräsidenten Reinhold Maier beruhte auf einem Irrtum Troegers: Maier wurde durch Justizminister Beyerle vertreten. 67

A m 7. September 1949 traten der Bundesrat und der Bundestag in Bonn zu ihren konstituierenden Sitzungen zusammen.

164

Anmerkungen 1949

68

Die Neue Zeitung, 30. 8. 1949 (Neues Kabinett in Schleswig-Holstein. Bundestagswahlergebnis führte zu Lüdemanns Rücktritt). - Auslösend war dabei. daß die verschwenderische Ausgabe von Steuergeldern für Repräsentationszwecke mitverantwortlich für das schlechte Abschneiden der schleswig-holsteinischen SPD gemacht worden war.

69

Die Verabredung, Ehard zum Bundesratspräsidenten zu wählen, war Teil der Koalitionsabsprachen gewesen. Nach der Wahl Arnolds wurde die CSU mit zusätzlichem Minister- und Staatssekretärsposten abgefunden. 70

Auf der Dürkheimer Tagung des Partei vorstandes der SPD wurde am 30. August 1949 eine Entschließung zur Oppositionspolitik veröffentlicht. Wortlaut der 16 Punkte in: Sozialdemokratischer Pressedienst, 30. 8. 1949, S. 1 f.

71

Süddeutsche Zeitung, 8. 9. 1949 (Geburtsstunde der deutschen Bundesrepublik. Arnold Präsident des Bundesrates, Köhler Präsident des Bundestages/Brüskierung Bayerns). Ebenda: Erklärung des bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Ehard. 72

Vgl. Die Neue Zeitung, 13. 9. 1949 (SPD nominierte Schumacher als Kampfkandidaten. Loritz erntete eine Stimme und Gelächter - Wahlzeremonien in Bonn). 73

Vgl. die Pressestimmen, die unter dem Titel „Dr. Pünders Dachkammer" im SopadeInformationsdienst, Sept. 1949, S. 2 7 f . . zusammengestellt sind. S. a. Hermann Pünder. Von Preußen nach Europa. Lebenserinnerungen, Stuttgart 1968, S. 326f. und 396f. 74 Adenauer wurde am 15. 9. 1949 mit 202 gegen 142 Stimmen (bei 44 Enthaltungen und einer ungültigen Stimme) gewählt. Verhandlungen des Deutschen Bundestages, I. Wahlperiode 1949, Sten. Berichte, Bd. 1. S. 13 f. 75

Bundestag, 22. 9. 1949, Sten. Berichte, Bd. 1, S. 53.

76

A m 22. September 1949 hatte Max Reimann die Oder-Neiße-Grenze als „die Grenze des Friedens" bezeichnet, wofür ihm Köhler wegen „Provokation der überwältigenden Mehrheit" einen Ordnungsruf erteilte, ebenda. S. 86. 77

Bundestag, 21. 9. 1949, Sten. Berichte, Bd. 1. S. 31 ff.

78

Antrag der K P D vom 8. September 1949 betr. Ruhrstatut. Bundestag. Anlagen zu den Sten. Berichten, Drucksache Nr. 5. 79

Zur Berner Rede am 23. März 1949 vor Schweizer Parlamentariern siehe K. Adenauer, Erinnerungen 1945—53, Stuttgart 1965, S. 182-192. wo er den Wortlaut auszugsweise wiedergibt. S. a. Neue Zürcher Zeitung. 27. 3. 1949 (Das Foreign Office gegen Adenauer), und N Z Z . 28. 3. 1949 (Die Berner Rede Adenauers. Nachträgliche Vertuschungsmanöver). 80

Bundestag, 28. 9. 1949, Debatte über die Frage der Pfundabwertung, Sten. Berichte. Bd. 1, S. 157 ff. 81 A m 3. November beschloß der Bundestag mit 200 zu 76 Stimmen, daß Bonn die vorläufige Hauptstadt der Bundesrepublik bleiben solle. Sten. Berichte. Bd. 1, S. 341 ff. 82

Eine entsprechende Denkschrift war nicht zu ermitteln. Wahrscheinlich handelt es sich um die erste Fassung einer Ausarbeitung Troegers, die 1950 vervielfältigt wurde und als vertraulich deklariert war: „Soziale Lebenssicherung. Eine Ideenskizze über die Schaffung der Grundlagen für eine soziale Neuordnung in Deutschland" (Wortlaut im Anhang, Dokument 3). 83

Antrag der Abgeordneten Gockeln, Even, Winkelheide. Hcix und Genossen (alle CDU/CSU) betr. Vorlage eines Gesetzentwurfes über die Errichtung einer FamilienAusgleichskasse vom 4. November 1949. Bundestag. Drucksache Nr. 163.

Anmerkungen 1949

165

84

Unter der Leitung des britischen Sozialreformers und Wirtschaftspolitikers William Henry Lord Beveridge arbeitete eine Regierungskommission Vorschläge für einen freien Gesundheitsdienst, staatliche Altersrenten und Pensionen aus. die 1942 veröffentlicht wurden und die Grundlage der umwälzenden Sozialreformen in England nach dem Zweiten Weltkrieg waren. 85 Vgl. die Bundestagsdebatte vom 15. November 1949. Sten. Berichte. Bd. 1. S. 4 0 0 408, 439-447. 86

Sitzung des Bundestags am 25. November 1949. Sten. Berichte. Bd. 1, S. 525 f.

87

James Burnham, Das Regime der Manager, 1941. deutsch 1948.

88

Wagner war vom November 1949 bis Dezember 1950 Minister für Arbeit, Landwirtschaft, Wirtschaft und Verkehr. 89

Vgl. Süddeutsche Zeitung, 2. 12. 1949 (Schumacher war bei Adenauer. Einstündige Unterredung des Bundeskanzlers mit dem SPD-Vorsitzenden/Beide Parteien bemühen sich um die Beilegung des Konflikts/McCIoy wurde unterrichtet).

Dokumente

Sozialpolitische Thesen und Vorschläge Heinrich Troegers Der Steuer- und Finanzexperte Troeger beteiligte sich von Anfang an engagiert an der öffentlichen Diskussion über die Bewältigung der finanzpolitischen und sozialen Probleme der Nachkriegszeit. Mit der Währungsreform wurde das Problem des Lastenausgleichs akut, Troeger war ein Exponent des sozialen Lastenausgleichs. In seinen Erinnerungen schrieb er: „Ich habe auch mich persönlich schon sehr frühzeitig in die Auseinandersetzungen um den quotalen oder sozialen Charakter des Lastenausgleichs eingeschaltet, weil es für mich in der deutschen jungen Demokratie nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges und den Erfahrungen mit der nationalsozialistischen Diktatur schlechthin ein unerträglicher Gedanke war, deutsche Mitbürger, die durch den Krieg ihre wirtschaftliche Existenz oder ihr Vermögen ganz oder teilweise verloren hatten, auf die Unterstützungsleistungen der Gemeinden - ,auf die Wohlfahrt', wie man sich populär auszudrücken pflegte - zu verweisen." Troegers „zehn Thesen" vom Juli 1948 überzeugten den Parteivorstand der SPD; die im September dem Düsseldorfer Parteitag dann vorgelegten „Sozialdemokratischen Grundsätze zum Lastenausgleich" basierten auf Troegers Vorschlägen. „Eine große Enttäuschung" war für ihn dagegen „die Tatsache, daß die Mitte Oktober 1948 in Münster am Stein versammelten Vertreter der Gewerkschaften sich trotz meiner dringenden Vorstellungen nicht dazu entschließen konnten, einhellig für den sozialen Lastenausgleich einzutreten". Troeger trat später, 1950-1952, auch als Kritiker der Entwürfe der Bundesregierung zum Lastenausgleichsgesetz hervor. Seine Zukunftsperspektiven entwickelte er in der Denkschrift „Soziale Lebenssicherung",in der sich gleichzeitig Vorstellungswelt und Aufbruchsstimmung der Gründerjahre der Bundesrepublik spiegeln. Die drei Dokumente befinden sich im Nachlaß Troegers im Hauptstaatsarchiv Wiesbaden (Abt. 1185, Nr. 30) und werden mit dessen freundlicher Erlaubnis abgedruckt. Die Fußnoten zum Dokument 3 sind original.

168

Sozialpolitische Thesen und Vorschläge Heinrich Troegers

Dokument

1: Fragen des Lastenausgleichs (1947)

Vortrag auf der steuerwissenschaftlichen Tagung in Bonn am 21.122. 4. 47 von Ministerialdirektor Dr. Troeger, Wiesbaden. Für die Finanzpolitik in den nächsten Jahren ist die Frage des Lastenausgleichs im weitesten Sinne des Wortes von entscheidender Bedeutung. Darunter ist sowohl der Lastenausgleich zwischen dem Deutschen Reich und den Ländern, wie auch der Lastenausgleich zwischen den Ländern und den Kommunen und Kommunalverbänden zu verstehen. Der Neuaufbau des Reiches und der Länder erfordert eine grundsätzlich andere Behandlung dieser Frage gegenüber dem Zustand in der Weimarer Republik und natürlich erst recht gegenüber dem Zustand im Dritten Reich. Obgleich noch nicht abzusehen ist, welche Bestimmungen der künftige Friedensvertrag über die staatsrechtliche Konstruktion des Deutschen Reiches enthalten wird, kann doch wohl schon so viel gesagt werden, daß der bundesstaatliche Charakter der deutschen Republik stärker betont sein wird, als dies nach der Weimarer Verfassung der Fall war. War es damals eine öfter behandelte Doktorfrage, ob die Länder nach der Weimarer Verfassung noch als Staaten anzusehen wären oder nicht, so wird es für das neue Deutsche Reich wohl nicht zweifelhaft sein, daß die Länder den Charakter von Staaten haben. Die Verfassungen der Länder in der amerikanischen Zone und die Entwicklung der Länder in den anderen Besatzungsgebieten zeigen deutlich den Weg zu eigenstaatlichem Leben und lassen keinen Zweifel darüber aufkommen, daß die Länder Staaten sein sollen und bleiben werden. Insoweit ist der föderative Charakter der deutschen Republik wohl als feststehend anzunehmen. Trotzdem ist sicher, daß die Finanz- und Steuergesetzgebung weitgehend bei der deutschen Zentralinstanz - es ist ein Reichsfinanzministerium von allen Besatzungsmächten in Aussicht genommen - liegen wird. Die Gesetzgebung über das formelle und materielle Steuerrecht muß für das Deutsche Reich einheitlich gestaltet werden, weil die Steuergesetzgebung eine der wichtigsten Komponenten der gesamten Wirtschaftspolitik ist. die für das Deutsche Reich nur nach einheitlichen Gesichtspunkten gemacht werden kann. Schon jetzt hat der Kontrollrat Gesetze auf dem Gebiet des formellen und materiellen Steuerrechtes erlassen und damit die Gesetzgebungskompetenz des Deutschen Reiches betont. Es sollten - dies sei hier nebenbei bemerkt - sich die Länder an diesen Tatbestand halten und die Zuständigkeit des Reiches in Fragen des Steuerrechtes respektieren, damit der einheitliche Charakter nicht verlorengeht. Deshalb sollten die Länderregierungen es insbesondere auch ablehnen, daß Änderungsgesetze zur Reichsabgabenordnung erlassen werden. Das gilt auch von solchen Bestrebungen auf bizonaler Grundlage. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen ergibt sich staatspolitisch die Notwendigkeit, die Länder finanziell auf eigene Füße zu stellen. Der Zustand aus der Weimarer Republik, daß die Länder im wesentlichen darauf angewiesen waren, daß ihnen das Reich Anteile an dem Reichssteueraufkommen überließ, ist für die Zukunft nicht tragbar. Ebenso scheint mir jedoch auch der augenblickliche Zustand unhaltbar zu sein, wonach die nach den Reichssteuergesetzen erhobenen Steuern.Verbrauchsabgaben und Zölle im vollen Umfang den Ländern zufließen, bzw. von ihnen in Anspruch genommen werden. Theoretisch betrachtet gibt es 3 Möglichkeiten des Finanzausgleichs zwischen dem Reich und den Ländern: a) Alle Einnahmen fallen den Ländern zu. Diese zahlen zur Bestreitung der Ausgaben des Reiches Matrikularbeiträge. b) Alle Einnahmen fallen wie früher dem Reiche zu; die Länder werden an dem Steueraufkommen des Reiches nach Maßgabe ihres Bedarfes usw. beteiligt. c) Es findet eine Verteilung der Steuerquellen zwischen dem Reich und den Ländern statt.

Fragen des Lastenausgleichs (1947)

169

Zu a) Der augenblickliche Zustand, daß sämtliche Einnahmen aus Reichssteuern den Ländern zufließen, dürfte wirtschaftlich nicht tragbar sein. Es hat sich schon jetzt herausgestellt, daß besonders bei den Verbrauchsabgaben aus rein fiskalischen Gesichtspunkten eine Rivalität zwischen den Ländern besteht, die zu groben volkswirtschaftlichen Schädigungen für die Gesamtheit führen muß. Als Beispiel erwähne ich die Schwierigkeiten bei der Verteilung des Tabaks an die Produzenten von Tabakwaren; jedes Land sucht möglichst viel Tabak zu erhalten oder aus eigener Produktion bei sich selbst Tabakerzeugnisse zu verarbeiten, damit ihm das Aufkommen an der Tabaksteuer zufließt. Das hat die Folge, daß z. B . Zigarettenfabriken unter mangelnder Zulieferung von Rohstoffen leiden. Ähnliche Erscheinungen zeigen sich auch auf anderen Gebieten, sodaß fiskalische Gesichtspunkte neue Zwangsmassnahmen oder Engpässe für die Wirtschaft entstehen lassen, die das deutsche Volk in seinem Verarmungszustand nicht vertragen kann. Ich bin deshalb der Auffassung, daß eine Verteilung der Steuerquellen zwischen dem Reich und den Ländern Platz greifen muß. Zu b) Zu der Wiederherstellung des früheren Zustandes. daß das Reich über das Aufkommen an Steuern, Verbrauchsabgaben und Zöllen selbst zu befinden hat und die Länder zu seinen Kostgängen macht, ist nicht viel zu sagen, weil die staatspolitische Entwicklung über diesen Zustand hinausgeführt hat: es unterliegt keinem Zweifel, daß die staatsrechtliche Stellung der Länder eine eigene Finanzbasis zwingend erfordert. Zu c) Bei der Prüfung der Frage, wie zweckmässigerweise die Steuerquellen zwischen dem Reich und den Ländern zu verteilen wären, bin ich nach reiflicher Überlegung zu dem Ergebnis gekommen, daß die Länder das gesamte Aufkommen an Einkommensteuer und Körperschaftssteuer und den dazu gehörigen Steuern wie Kapitalertragssteuer, Aufsichtsratsteuer, erhalten sollen. Alle übrigen Einnahmen aus Reichssteuern, insbesondere die Vermögenssteuer, die Erbschaftssteuer, die Umsatzsteuer und sonstige indirekte Steuern müßten dem Reich zufließen und dürften für die Finanzierung der Kriegsfolgelasten und etwaige Verpflichtungen aus dem Friedensnvertrag kaum ausreichen. Eine solche Verteilung hätte verschiedene Vorteile. Da die Wirtschaft innerhalb des Deutschen Reiches einheitlich gelenkt werden muß, kann das Reich auf die Regelung der Besteuerung schlechthin, insbesondere aber der indirekten Besteuerung nicht verzichten. Auf diese Weise wird auch der Lebensstandard der deutschen Bevölkerung, der nach den Vereinbarungen der Siegermächte gewissen Beschränkungen unterworfen wird, zweckmäßig reguliert werden. Die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem verlorenen Krieg wird nach alter geschichtlicher Erfahrung nicht anders als durch eine Senkung des Lebensstandards und d. h. eben zum großen Teil durch eine Erhöhung der indirekten Besteuerung zu erreichen sein. Die Erhöhung der Steuern auf Tabak, Branntwein und Bier zeigt bereits den Weg an. Hier liegen auch noch gewisse Reserven, nachdem kein Streit mehr darüber besteht, daß die Einkommenbesteuerung über das wirtschaftlich vernünftige Maß hinaus angespannt ist und einer erheblichen Ermäßigung bedarf. Es ist nicht im voraus zu sagen, ob bei einer solchen Verteilung der Steuerquellen die Länder ihren Finanzbedarf aus eigenen Mitteln werden decken können. Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, welche Zuständigkeiten das neue Reich haben wird und welche Zuständigkeiten zu den Ländern gehören werden. Es ist sicher, daß die Zuständigkeiten der Länder gegenüber dem früheren Zustand größer sein werden und daß insbesondere die Reichsinstanzen einen eigenen Verwaltungsunterbau kaum haben werden. Wie sich das jedoch in den Haushaltsplänen auswirken wird, ist schwer zu sagen, zumal auch noch nicht abzusehen ist. inwieweit das Reich Kriegsfolgelasten auf den eigenen Haushalt übernehmen muß, damit eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Belastungen nach dem Kriege auf alle Teile des deutschen Volkes gewährleistet wird. Es wird sich wahrscheinlich herausstellen, daß bei der Verteilung der Einnahmequellen zwischen dem Reich und den Ländern die Deckung des Spitzenbedarfs bei dem Reich oder bei den Ländern Finanzzuweisungen bzw. Matrikularbeiträge erforderlich macht. Darüber läßt sich jedoch heute nicht mehr sagen.

170

Sozialpolitische Thesen und Vorschläge Heinrich Troegers

D a ß die Eisenbahn und die Post Anstalten des Reiches sein müssen, ist wohl nicht bestritten. Ganz andere Gesichtspunkte dürften für den Lastenausgleich zwischen den Ländern und den Kommunen (Gemeinden, Städten, Landkreisen, Kommunalverbänden) maßgebend sein. Hier handelt es sich darum, daß das Erfordernis einer demokratischen Einrichtung der Verwaltung mit der Notwendigkeit sparsamen Wirtschaftens der öffentlichen Hand verbunden werden muß. Der Lastenausgleich zwischen Ländern und Kommunen ist daher zugleich eine Frage der Verwaltungsreform, worunter ich sowohl die Vereinfachung (Rationalisierung) des Verwaltungsbetriebes, wie auch die Veränderung von Zuständigkeiten verstehe. Aus demokratischen Gesichtspunkten erscheint es mir unerläßlich, daß alle Verwaltungsaufgaben, die nicht unbedingt aus staatspolitischen Gesichtspunkten bei den Ländern verbleiben müssen, in die Zuständigkeit der Kommunen übergehen sollten. Für die staatliche Zuständigkeit sehe ich bei den Verwaltungsaufgaben der örtlichen Instanz nur eine Notwendigkeit, d. h. die Sicherheitspolizei. Alle übrigen Aufgaben, die zur örtlichen Verwaltung gehören, wobei unter örtlicher Verwaltung auch die Verwaltung in der Kreisinstanz zu verstehen ist, sollten Selbstverwaltungsaufgaben der Kommunen werden. Das gilt insbesondere von dem gesamten Schulwesen, also von den Volksschulen, Berufsschulen, Fachschulen u. dergl., nicht jedoch von den Universitäten. Bei Anerkennung dieses Grundsatzes ergibt sich die Notwendigkeit, daß die Länder den Kommunen ausreichende Mittel f ü r die Erfüllung dieser Aufgaben zur Verfügung stellen. Ich halte es daher f ü r notwendig, daß generell die Länder den Stadt- und Landkreisen ausreichende Dotationen zur Deckung der Personalkosten für die Sicherheitspolizei, die Schulen und ferner Dotationen für die Flüchtlingsfürsorge und den Straßenbau zahlen. Dabei wären gewisse Mindestanforderungen wegen der Erfüllung dieser Aufgaben zu stellen und durch feste Zuweisungen zu finanzieren. Das könnte geschehen indem der Staat für x Einwohner die Kosten eines uniformierten Polizeibeamten mit einem festen Betrag übernimmt oder daß auf y Volksschüler oder z Schüler an höheren Unterrichtsanstalten je ein fester Betrag zur Deckung des Personalaufwandes gezahlt wird. Auf diese Weise würde erreicht, daß die Polizeibeamten und Lehrer, um bei diesen beiden Beispielen zu verweilen, Kommunalbeamte würden, daß der Staat dadurch eine wesentliche Entlastung erführe und daß diese Aufgabengebiete durch ihre Verwaltung in der Kommunalinstanz unter demokratische Kontrolle gestellt würden. Für die Finanzierung der Flüchtlingsfürsorge ist durch bizonale Regelung festgestellt, daß die Länder 85 % der Kosten übernehmen, während 15 % auf die Kommunen entfallen. Wegen der Straßenbaulasten läßt sich leicht eine Regelung treffen, indem die Länder die Unterhaltung der Reichsautobahnen und Straßen 1. Ordnung in eigener Regie behalten, während im übrigen der Straßenbau und die Straßenunterhaltung zu den Aufgaben der Kommunen gehören, wofür ihnen finanzielle Zuweisungen unter Berücksichtigung der Bevölkerungsdichte und der Länge der Straßen zugesichert werden. Den Kommunen verbleiben als Haupteinnahmequellen die Grundsteuer und die Gewerbesteuer. Sie sollten eine weitere finanzielle Beweglichkeit erhalten dadurch, daß die Länder auf die Steuer der kommunalen Versorgungsbetriebe und Verkehrseinrichtungen verzichten. Daneben behalten die Kommunen die indirekten Steuern, wie Vergnügungssteuer, Hundesteuer u.dergl., die für den gesamten Lastenausgleich nur von untergeordneter Bedeutung sind. Inwieweit es bei Durchführung einer solchen Regelung im Sinne der Verwaltungsreform und des Lastenausgleichs noch notwendig sein wird, den Kommunen allgemeine Finanzzuweisungen (Schlüsselzuweisungen) zukommen zu lassen, unter Berücksichtigung des örtlichen Steueraufkommens oder der Einwohnerzahl oder der Belastung mit Fürsorgelasten usw. bedürfte eingehender Prüfung. Es dürfte sich dabei herausstellen, daß für die Städte, die durch die Kriegsereignisse großen Schaden erlitten haben und daher eine große Einbuße in der Steuerkraft haben hinnehmen müssen, noch solche Steuerzuweisungen erforderlich sein werden. Bei der Beurteilung der Frage, wie diese Steuerzuweisungen zu

Fragen des Lastenausgleichs (1947)

171

gestalten sind, müßte jedoch der Grundsatz Berücksichtigung finden, daß es nicht Aufgabe der betroffenen Gemeinden, sondern des Landes oder gar des Reiches ist, die Kosten des Wiederaufbaues für öffentliche Gebäude. Einrichtungen und Anstalten aus allgemeinen Steuermitteln ganz oder zum größeren Teil aufzubringen. Es kann den zerbombten Städten nicht zugemutet werden, daß sie die Verwaltungsgebäude, Schulen, Brücken, Straßen, Krankenhäuser u.dergl., die durch Kriegsereignisse beschädigt oder zerstört worden sind, aus eigenen Mitteln und unter Inanspruchnahme des eigenen Kredites wiederherstellen. Hier ist eine allgemeine Aufgabe durch die Länder oder das Reich zu erfüllen. Deshalb müssen bei dem Lastenausgleich genügend Mittel für Zwecke des Wiederaufbaues der öffentlichen Hand bereitgestellt werden. Die Verteilung dieser Mittel sollte sich nach den praktischen Möglichkeiten des Wiederaufbaues richten, die gegeben sind durch Materialbeschaffung und Bereitstellung von Arbeitskräften. So ergibt sich für den Lastenausgleich zwischen den Ländern und den Kommunen nach den hier vorgetragenen Gesichtspunkten eine vierfache Gliederung: 1. Die Grundlage des Lastenausgleichs bilden die Dotationen für bestimmte Aufgabengebiete. nämlich Polizei, Schulen, Flüchtlingswesen und Straßenbau. Das ist der sogenannte spezielle Lastenausgleich. Er müßte die breite Basis für den kommunalen Lastenausgleich darstellen. 2. Dazu kommen die eigenen Einnahmequellen der Kommunen aus Grundsteuer und Gewerbesteuer sowie aus den kommunalen Versorgungsbetrieben und Verkehrseinrichtungen. Mit den letzteren ist den Kommunen durch Erhebung von Finanzzuschlägen die Möglichkeit indirekter Besteuerung gegeben. Inwieweit es möglich sein wird, den Gemeinden noch eine zusätzliche Einnahmequelle dadurch zu erschließen, daß sie eine Personalsteuer, etwa in der Art der früheren Bürgersteuer erheben dürfen, muß davon abhängig sein, wie die Einkommensteuer nach der Währungsreform gestaltet wird. Z.Zt. ist kein Streit darüber, daß die Einkommensteuer überhöht ist, so daß für eine weitere Personalsteuer kein Raum vorhanden ist. Sollte in Zukunft bei der Einkommensteuer ausdrüklich darauf Rücksicht genommen werden, daß eine zusätzliche Belastung durch eine Personalsteuer der Kommunen stattfindet, dann würde finanzpolitisch und volkswirtschaftlich die Möglichkeit der Wiedereinführung der Bürgersteuer oder einer anderen ähnlichen Personalsteuer gegeben sein. 3. O b die allgemeinen Schlüsselzuweisungen beizubehalten sind, hängt von der Beantwortung der Frage ab, welche Aufgabengebiete den Kommunen zugewiesen werden und inwieweit sie in der Lage sind, ihre Aufgaben durch die Finanzquellen zu 1) und 2) zu erfüllen. Es dürfte sich wahrscheinlich herausstellen, d a ß wenigstens für die zerstörten Gemeinden noch allgemeine Steuerzuweisungen (allgemeiner Lastenausgleich) erforderlich sind. 4. Unerläßlich erscheint schließlich, daß in den Haushaltsplan der Länder ausreichende Mittel zur Finanzierung des öffentlichen Wiederaufbaues in den zerstörten Städten zur Verfügung gestellt werden, weil die Beseitigung dieser Kriegsschäden nicht von den betroffenen Kommunen erwartet oder gefordert werden kann; sie ist eine allgemeine Aufgabe des deutschen Volkes und muß daher weitgehend aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werden.

172

Sozialpolitische T h e s e n u n d Vorschläge Heinrich T r o e g e r s

Dokument 2: 10 Thesen zum Lastenausgleich (1948) 1. D e r Lastenausgleich m u ß für die Sachwertbesitzer ein großes O p f e r sein, w e n n er seinen politischen, wirtschaftlichen u n d sozialen Sinn erfüllen soll, d . h . die G r u n d l a g e und d e r A u s g a n g s p u n k t für d e n W i e d e r a u f b a u D e u t s c h l a n d s zu sein aus d e m Z u s t a n d e des C h a o s , der V e r a r m u n g u n d der moralischen Z e r r ü t t u n g . 2. H a t ein s e h r g r o ß e r Teil des deutschen Volkes seine Existenzgrundlage, H a u s und H o f , S p a r g r o s c h e n u n d L e b e n s v e r s i c h e r u n g , Möbel u n d Kleidung, oft auch G e s u n d h e i t und A r b e i t s f ä h i g k e i t , H e i m a t u n d nahe A n g e h ö r i g e verloren - ist ein H e e r v o n Millionen D e u t s c h e r d u r c h d e n Krieg und seine Folgen bis zum T a g e nach der W ä h r u n g s r e f o r m in bitterstes E l e n d u n d m e n s c h e n u n w ü r d i g e Verhältnisse gestoßen w o r d e n , d a n n e r f o r d e r t d e r G r u n d s a t z der Gerechtigkeit u n d der A n s t a n d aus nationaler G e s i n n u n g , d a ß die Besitzenden ihr V e r m ö g e n o h n e Unterschied u n d E i n s c h r ä n k u n g der Allgemeinheit zur V e r f ü g u n g stellen, damit die großen sozialen Schäden b e k ä m p f t u n d im R a h m e n des Möglichen beseitigt w e r d e n . 3. N u r aus d e m E r t r a g e d e r Arbeit kann das deutsche Volk nach Verlust eines g r o ß e n Teiles seines V e r m ö g e n s leben und eine bessere Z u k u n f t a u f b a u e n . D e s h a l b sollten alle Deutschen u n t e r den gleichen Bedingungen, d . h . o h n e d e n Besitz freier Kapitalgüter im o f f e n e n L e i s t u n g s w e t t b e w e r b zu angestrengter A r b e i t a n t r e t e n und d u r c h die H e r g a b e ihrer Sachgüter und sonstigen V e r m ö g e n s w e r t e die Mittel bereitstellen. die g e b r a u c h t w e r d e n , um d e n Flüchtlingen, B o m b e n g e s c h ä d i g t e n , E n t e i g n e t e n und sonst v o m Kriege B e t r o f f e n e n das tägliche Brot und ein bescheidenes eigenes H e i m zu g e b e n , s o f e r n sie arbeitsunfähig und vermögenslos sind. 4. Die W ä h r u n g s r e f o r m hat den Geldbesitzern unterschiedslos 90 % ihres V e r m ö g e n s g e n o m m e n . D i e g r o ß e Z a h l der kleinen S p a r e r ist völlig enteignet w o r d e n , w ä h r e n d a n d e r e im gleichen V e r h ä l t n i s von ihren Schulden befreit w o r d e n sind. D e r Krieg hat schon v o r h e r Millionen Deutsche durch B o m b e n s c h a d e n o d e r V e r t r e i b u n g a u s d e r H e i m a t b e t t e l a r m g e m a c h t o d e r um die Ergebnisse ihrer A r b e i t gebracht. D a h e r ist es nur allzu g e r e c h t f e r t i g t , w e n n die Besitzer von Sachgütern und sonstigen V e r m ö g e n s w e r t e n z u g u n s t e n d e r A l l g e m e i n h e i t 80 % d e s Wertes ihres R e i n v e r m ö g e n s a b z u g e b e n h a b e n . 5. Die 8 0 % i g e V e r m ö g e n s a b g a b e auf G r u n d d e r n e u festzustellenden Einheits- und S t e u e r w e r t e soll in d e r Regel mit 3 % jährlich verzinst u n d mit 1 % jährlich u n t e r Z u w a c h s d e r e r s p a r t e n Z i n s e n getilgt w e r d e n . Eine schnellere Tilgung ist zugelassen. Durch die V e r m ö g e n s a b g a b e wird zugleich der V e r m ö g e n s z u w a c h s aus Kriegsverdiensten. R ü s t u n g s g e w i n n e n , W ä h r u n g s r e f o r m und a n d e r e n Verhältnissen und G e s c h ä f t e n e r f a ß t . F ü r die Schuld aus d e r V e r m ö g e n s a b g a b e h a f t e t das gesamte V e r m ö g e n des A b g a b e p f l i c h tigen; es wird zu 80 % seines W e r t e s erstrangig zugunsten des Staates belastet bzw. v e r p f ä n d e t . D i e n ä h e r e n B e s t i m m u n g e n zur D u r c h f ü h r u n g dieser G r u n d s ä t z e u n d zur V e r m e i d u n g von volkswirtschaftlichen Schäden o d e r persönlichen H ä r t e n trifft das G e s e t z ü b e r d e n Lastenausgleich. 6. D a s A u f k o m m e n aus d e r V e r m ö g e n s a b g a b e dient a) der Z a h l u n g von Vorzugsrenten an arbeitsunfähige u n d vermögenslose Flüchtlinge, B o m b e n g e s c h ä d i g t e u n d andere E n t e i g n e t e und V e r a r m t e , b) der Z a h l u n g von Hausratsentschädigungen nach Pauschalbeträgen an solche Flüchtlinge. B o m b e n g e s c h ä d i g t e und V e r a r m t e , die Hausrat u n d Kleidung ganz o d e r zum größeren Teil verloren h a b e n und aus A r b e i t s e r t r a g alsbald nicht wieder b e s c h a f f e n k ö n n e n . Es ist zu p r ü f e n , o b und inwieweit d a s A u s k o m m e n aus der V e r m ö g e n s a b g a b e d a r ü b e r hinaus zur Z a h l u n g von R e n t e n an arbeitsunfähige und vermögenslose D e u t s c h e b e n u t z t w e r d e n kann im Interesse d e r Entlastung der öffentlichen H a u s h a l t s p l ä n e u n d der sozialen Versicherungsträger.

T h e s e n zum Lastenausgleich (1948)

173

D i e G e w ä h r u n g verbilligter Kredite zur F i n a n z i e r u n g der B e g r ü n d u n g selbständiger wirtschaftlicher Existenzen d u r c h Flüchtlinge u n d B o m b e n g e s c h ä d i g t e im R a h m e n ihres B e r u f e s u n d nach M a ß g a b e d e r volkswirtschaftlichen Dringlichkeit aus d e m A u f k o m m e n o d e r mit Hilfe d e r H a f t u n g s m a s s e d e r V e r m ö g e n s a b g a b e ist v o r z u s e h e n . 7. W e i t e r e Entschädigungszahlungen w e r d e n nicht geleistet. Eine Feststellung der Kriegssachschäden findet nicht statt. Die E r s t a t t u n g von Besatzungsschäden aus der Zeit vor der W ä h r u n g s r e f o r m unterbleibt. 8. Z u r V e r w a l t u n g der V e r m ö g e n s a b g a b e wird die D e u t s c h e Ausgleichskasse als K ö r p e r schaft d e s öffentlichen R e c h t s errichtet. Sie hat in j e d e m L a n d e eine Hauptstelle, der die Zins- u n d Tilgungsbeiträge aus Z a h l u n g e n d e r A b g a b e p f l i c h t i g e n dieses Landes zufließen. D i e D e u t s c h e Ausgleichskasse hat die Stellung einer öffentlichen H y p o t h e k e n b a n k und k a n n P f a n d b r i e f e u n d Schuldverschreibungen a u s g e b e n . D i e E i n g ä n g e aus der V e r m ö g e n s a b g a b e bei allen H a u p t s t e l l e n der Deutschen Ausgleichskasse d i e n e n zur Z a h l u n g der V o r z u g s r e n t e n und der H a u s r a t s e n t s c h ä d i g u n g e n im g e s a m t e n Zuständigkeitsbereich der D e u t s c h e n Ausgleichskasse. Sobald das A u s k o m m e n a u s der V e r m ö g e n s a b g a b e nicht m e h r in vollem U m f a n g e für die Z a h l u n g der Vorzugsrent e n und H a u s r a t s e n t s c h ä d i g u n g e n benötigt wird, verbleiben die ü b e r s c h i e ß e n d e n Beträge vorbehaltlich gesetzlicher Ausgleichsbestimmungen den Hauptstellen zur V e r w e n d u n g in d e n einzelnen L ä n d e r n im Interesse der F i n a n z i e r u n g des W o h n u n g s b a u e s und der B e g r ü n d u n g wirtschaftlich selbständiger Existenzen d u r c h Flüchtlinge und B o m b e n g e schädigte. D i e D e u t s c h e Ausgleichskasse ist verpflichtet, die ihr z u s t e h e n d e n Sicherheiten ( H y p o t h e k e n , P f a n d r e c h t e ) zur A u f n a h m e von Krediten durch den Abgabepflichtigen nach M a ß g a b e b e s o n d e r e r B e s t i m m u n g e n bereitzustellen.Durch die Tilgungszahlungen aus d e r V e r m ö g e n s a b g a b e w e r d e n jeweils die erstrangigen Sicherheiten zugunsten der A b g a b e p f l i c h t i g e n frei, sofern eine u n g e d e c k t e Schuld aus der V e r m ö g e n s a b g a b e nicht m e h r besteht. D i e V e r a n l a g u n g und Einziehung d e r V e r m ö g e n s a b g a b e obliegt den F i n a n z ä m t e r n , die k o s t e n l o s Rechts- und A m t s h i l f e zu leisten h a b e n . 9. Die 8 0 % i g e V e r m ö g e n s a b g a b e b e d e u t e t finanzpolitisch die E r f a s s u n g des größeren Teiles d e r Kapitalrente u n d hat d a h e r eine V e r m i n d e r u n g des A u f k o m m e n s an E i n k o m m e n s t e u e r zur Folge, weshalb die öffentlichen H a u s h a l t e von R e n t e n z a h l u n g e n an A r b e i t s u n f ä h i g e nach Möglichkeit freigestellt w e r d e n müssen. D i e 8 0 % i g e V e r m ö g e n s a b g a b e b e d e u t e t volkswirtschaftlich den Z w a n g zu g r ö ß e r e r P r o d u k t i v i t ä t u n d fördert d a h e r die Tüchtigenauslese. D e r Abgabepflichtige ist gezwung e n , das wieder zu e r w e r b e n , was er ü b e r d e n Krieg und die Nachkriegszeit retten k o n n t e u n d nach der Feststellung d e r V e r m ö g e n s a b g a b e wieder zu besitzen wünscht. D i e 8 0 % i g e V e r m ö g e n s a b g a b e b e d e u t e t sozialpolitisch, daß die Vermögensbesitzer für B r o t u n d Bett d e r A r b e i t s u n f ä h i g e n und V e r m ö g e n s l o s e n durch E r f ü l l u n g einer einmalig e n A b g a b e s c h u l d a u f k o m m e n sollen, damit der A r b e i t s e r t r a g der deutschen Volkswirtschaft in d e n J a h r e n des W i e d e r a u f b a u e s von d e n Lasten der Sozialschäden der Vergangenheit möglichst befreit wird. 10. D e r Lastenausgleich m u ß einen n e u e n Start f ü r das deutsche Volk einleiten und die A r b e i t s k r ä f t e f ü r d e n W i e d e r a u f b a u frei m a c h e n . E r darf deshalb nicht r ü c k s c h a u e n d den aussichtslosen u n d t e u r e n Versuch m a c h e n , eine vernichtete und vergangene V e r m ö g e n s schichtung u n t e r d e n D e u t s c h e n teilweise wieder h e r b e i z u f ü h r e n . D e r Lastenausgleich m u ß mit d e m Blick in die Z u k u n f t d e n Interessen der J u g e n d u n d der S c h a f f e n d e n d a d u r c h d i e n e n , d a ß er sie von der sozialen Last des verlorenen Krieges durch die E r f a s s u n g d e r v e r b l i e b e n e n Sachwerte weitgehend entlastet. F r a n k f u r t / M a i n , d e n 2. Juli 1948.

174

Sozialpolitische Thesen und Vorschläge Heinrich Troegers

Dokument 3: Soziale Lebenssicherung (1950) Eine Ideenskizze über die Schaffung der Grundlagen für eine soziale Neuordnung in Deutschland Ministerialdirektor Dr. Troeger, Düsseldorf /.

Vertraulich!

Ausgangsüberlegungen

a) Historisch Die soziale Frage ist nach der Katastrophe des zweiten Weltkrieges noch dringlicher, als sie früher, etwa in den Jahren der Weimarer Republik oder gar zur Zeit der Entstehung der deutschen Sozialversicherung gewesen ist. Die Sozialversicherungsgesetze haben eine befriedigende Lösung der sozialen Frage nicht gebracht. Die Träger der Sozialversicherung, der Bund, die Länder und die Wohlfartsämter der Gemeinden bemühen sich, abgesehen von zahlreichen Arbeitgebern und sozialen Verbänden, miteinander und nebeneinander um die Behebung der Notstände. sie verursachen viel bürokratische Arbeit und viel Verdruß und haben doch nicht ein befriedigendes Ergebnis erreichen und das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen können. Zahlreiche Änderungs-, Ergänzungs-, Angleichungs und Erweiterungsgesetze und Verordnungen bedeuten nur Flickwerk an dem überkommenen System, das vor zwei Menschenaltern unter anderen wirtschaftspolitischen Umständen geschaffen worden ist. Es muß daher überlegt werden, ob nicht ein besseres System für die Lösung der sozialen Frage unter den heutigen Umständen gefunden werden kann, zumal die Verarmung in Deutschland nach dem verlorenem Kriege und dem großen Bevölkerungszustrom für lange Zeit das Kennzeichen der deutschen Wirtschaftspolitik sein wird. b) Soziologisch Die Menschen in Deutschland, und zwar nicht nur die Arbeitnehmer, sondern auch große Teile des Mittelstandes, leben in der Angst 1 um ihre wirtschaftliche Existenz und Z u k u n f t , in der Angst vor Familienzuwachs, vor Krankheit, vor Arbeitslosigkeit und vor dem Alter. Diese Angst geht zurück auf die persönlichen Erfahrungen, die wohl alle Deutschen im reifen Alter mit Wirtschaftskrise. Krieg, Inflation, Währungsumstellung und anderen Nachkriegsereignissen gemacht haben. Der Warenhorter, der Hamsterer, der Sachwertbesitzer hat diejenigen übervorteilt und zum Teil sogar ausgeplündert, die auf ihre persönliche Arbeit zur Befriedigung des Lebensunterhalts angewiesen sind und nicht in den Warenumschlag als wirtschaftlich Selbständige eingeschaltet waren. Alle Versicherungen der Staatsorgane über die Mündelsicherheit von Sparguthaben und anderen Kapitalwerten, über die gleichmäßige Verteilung der Kriegsfolgelasten und der Währungsverluste auf Geld- und Sachwertbesitzer, über die große soziale Schicksalsgemeinschaft des deutschen Volkes haben sich als falsch herausgestellt. Der Glaube an die öffentlichen Einrichtungen ist bis ins Mark erschüttert. Die Angst bzw. der Drang nach Sicherung der persönlichen Existenz beherrscht die meisten Deutschen in ihrem wirtschaftlichen Verhalten und fördert die erschreckende Lockerung der allgemeinen Moral, besonders der Stcuerunehrlichkeit. die schon vielfach als unabänderlich hingenommen wird. c) Wirtschaftspolitisch Die neue Demokratie in Deutschland - wohl die letzte Chance für das deutsche Volk muß nach den ungeheuren Verlusten des zweiten Weltkrieges und auf der verbliebenen schmalen Basis zu neuen Wegen und Zielen kommen. Es wäre für sie tödlich, wenn sie die 1

Die Angst vor dem Kriege gehört nicht in diesen Zusammenhang.

Soziale Lehenssicherung (1950)

175

wirtschaftenden Menschen in ihrer Angst und Unsicherheit sich selbst überließe. Die Entfaltung der wirtschaftlichen Freiheit und Leistungsfähigkeit, ihr Einsatz im freien Wettbewerb führt zur Verarmung der Armen und zur Bereicherung der Reichen, wie wir es in den letzten Jahren deutlich erlebt haben, und am Ende zum politischen Ruin. Die Volkswirtschaft muß auf ein Fundament bestimmter sozialer Mindestsicherungen für die persönliche Existenz des Einzelnen gestellt werden, auf ein Fundament von Einkommen und Eigentum, das stark genug ist. den wirtschaftlichen Wettbewerb zu tragen, und das die staatliche Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik bestimmt. d) Staatspolitisch Deutschland steht schütz- und wehrlos zwischen Ost und West. Es soll sich niemand darüber täuschen, daß der Neid eine der stärksten Triebkräfte im Leben ist. Deshalb wäre für die deutsche Zukunft nichts so gefährlich als eine große politische Spannung aus den sozialen Verhältnissen heraus. Es könnte leicht eintreten, daß Millionen Enttäuschter. Deklassierter und Verzweifelter zu dem Ergebnis kommen, daß es sozial gerechter wäre, wenn alle nichts hätten. Denn die politische Freiheit wiegt bei Neid und Haß weniger als das Gefühl der Gleichheit. Es kommt hinzu, daß zahlreiche Staaten der Kulturwelt in den letzten 20 Jahren zu neuen Formen der Verteilung des Sozialproduktes (Volkseinkommens) im Interesse der Behebung sozialer Notstände gekommen sind. Sie sind gewiß gesünder und wohlhabender als das geschlagene und zerteilte deutsche Volk. Deshalb besteht umsomehr für die deutsche Staatspolitik die Notwendigkeit, die Sozialordnung unter den verbliebenen Umständen nach neuen Gesichtspunkten - bescheiden aber befriedigend - einzurichten. Es ist nicht wahr, daß wir Deutschen immer noch Grund haben, auf unsere Sozialversicherung stolz zu sein; sie ist bei weitem nicht mehr die wirksamste und umfassendste, also die beste Sozialgesetzgebung, die es gibt. D e r neue deutsche Staat hat die Chance, von neuem zu beginnen, wahrhaftig eine große geschichtliche Chance. Man möchte an dem Gleichnis von dem Ungerechten und den 99 Gerechten denken. Wir stehen vor der Aufgabe, für unser Volk diese Chance zu nutzen, daß wir vielleicht, die wir jetzt die Letzten sind, in einem ganz anderen Sinne die Ersten werden könnten.

II. Vorschlag Z u r Schaffung neuer Grundlagen für die soziale Ordnung in Deutschland werden im wesentlichen zwei Vorschläge vorbehaltlich der Prüfung im Einzelnen und ohne nähere Erörterung der organisatorischen und der finanziellen Fragen zur Diskussion gestellt; sie sind von finanzpolitischen Erwägungen getragen, d.h. von der öffentlichen Haushaltslage und deswegen von der Einnahmeseite her entwickelt, die in der Diskussion über sozialpolitische Aufgaben häufig vernachlässigt wird. 1. Familienausgleichskasse Eine staatliche Familienausgleichskasse sollte errichtet werden mit der Aufgabe, Kinderbeihilfen an die in Deutschland wohnenden unterhaltspflichtigen Arbeitnehmer (oder Vormünder) für alle Kinder bis zum 15. Lebensjahre zu zahlen. Die Kinderbeihilfen müßten steuerfrei gewährt werden; die Zahlung sozialer Zuschläge an Lohn- und Gehaltsempfänger und an Beamte könnte dann vorbehaltlich gewisser Lohnausgleiche in Fortfall kommen. Inwieweit auf Kinder von selbständig Erwerbstätigen bei der Zahlung von Kinderbeihilfen - etwa nach dem Vorschlage von Senator van Heukuleun (Bremen) oder dem Königsteiner Beschluß vom 6. 1. 1950 berücksichtigt werden - sollte der weiteren Diskussion vorbehalten bleiben, ohne das hier entwickelte Schema zu stören.

176

Sozialpolitische Thesen und Vorschläge Heinrich Troegers

Es wäre des Näheren zu untersuchen und darzustellen, daß a) die Zahlung von Kinderbeihilfen ein wesentlicher Beitrag zur Existenzsicherung bei Familien mit Kindern bedeutet. Die Erfahrung beweist, daß Familienväter in ihrer wirtschaftlichen Existenz gerade dann gefährdet sind, wenn bei der Lohn- und Gehaltsregelung mit Rücksicht auf den Familienstand die Zahlung sozialer Zuschüsse vorgesehen ist; die Arbeitgeber bevorzugen häufig junge und unverheiratete Arbeitskräfte, weil sie sich davon Lohnersparnisse errechnen. Den Familienvätern und den Unterhaltspflichtigen durch Zahlung von Kinderbeihilfen eine bescheidene, aber doch sichere Grundlage für die Bedürfnisse des täglichen Lebens ihrer Kinder zu geben, wäre von unerhörter sozialpolitischer Bedeutung. Es könnte dann der Gedanke des Leistungslohnes in vollem Umfange zur Auswirkung kommen, weil ja der soziale Aspekt befriedigt wäre. b) die Kinderbeihilfen den Staat in die Lage versetzen würden, die gesetzliche Miete zu erhöhen, so daß der soziale Wohnungsbau auf eine breitere und tragfähigere Grundlage gestellt werden könnte. Die Erhöhung der Altmieten hätte für lange Zeit der Finanzierung des sozialen Wohnungsbaues zu dienen. Es würde damit zugleich die soziale Ungerechtigkeit gemindert werden, daß Arbeiter, die gezwungen sind, Neubauwohnungen zu beziehen, einen erheblich größeren Teil ihres Arbeitseinkommens für die Miete aufwenden müssen als ihre Kollegen, die das Glück haben, in alten Wohnungen zu sitzen, oder gar darin noch Untermieter aufnehmen können. Auf die Dauer ist es finanzpolitisch unmöglich, einen etwa 40-50 %igen unrentierlichen Anteil der Baukosten aus öffentlichen Mitteln zu finanzieren. Der Vorschlag von Bipartite Control Office vom 6.5.1949 (Fin 26563/1) gibt hier wertvolle Anregungen. c) die Subventionierung importierter Lebensmittel durch die Zahlung der Kinderbeihilfen überflüssig gemacht oder doch wesentlich erleichtert würde, weil die Kinderbeihilfen so bemessen werden könnten, daß etwa notwendige Erhöhungen des Brotpreises oder des Preises für Fett, Fleisch und dergleichen aufgefangen würden. Das Ergebnis läge auch im Sinne der deutschen Landwirtschaft, die einerseits an ausreichenden, aber festen Preisen und andererseits an einem kaufkräftigen inländischen Markt interessiert ist. d) die Errichtung einer Familienausgleichskasse eine ausserordentliche Ersparnis von unproduktiver Arbeit, und zwar nicht nur beim Staat, sondern ebenso in den Lohnbüros und an anderen Stellen der Wirtschaft zur Folge hätte. Das gilt umsomehr, als die Familienausgleichskasse eine Vereinfachung im Steuersystem nach sich ziehen könnte.

2. Altersversicherung Die Altersversicherung sollte von Staats wegen durch eine besondere Anstalt mit dem Ziele geregelt werden, allen deutschen Männern und Frauen vom 65. Lebensjahre ab eine Rente zu zahlen, die so hoch ist, daß der Lebensunterhalt in bescheidendem Maße gesichert ist. Niemand sollte im Alter darauf angewiesen sein, die ..Wohlfahrt" in Anspruch zu nehmen, nachdem er ein Leben lang gearbeitet hat. Abweichend von der bisherigen Regelung sollte der Unterschied zwischen der Altersversicherung der Arbeiter und der Angestellten fortfallen und die Invalidenversorgung (vor Erreichung des 65. oder 60. Lebensjahres) auf eine andere Grundlage gestellt werden; es wird eine reine Altersversicherung vorgeschlagen. Die neue Altersversicherungsanstalt sollte eine einheitliche Rente - diese allerdings in ausreichender Höhe gewähren. Wer den Wunsch hat, in seinem Alter oder für seine Ehefrau eine bessere Versorgung zu haben, als sie durch die allgemeine Rente gewährleistet wird, dem bleibt es überlassen, entweder freiwillig eine Zusatzversicherung bei der öffentlichen Altersversicherungsanstalt abzuschließen oder entsprechende Verträge mit Versicherungsgesell-

Soziale Lebenssicherung (1950)

177

schaffen oder anderen Institutionen zu treffen, denen gegenüber er sich zur Zahlung von Prämien, Sparbeträgen und dergleichen nach eigenem Ermessen verpflichtet. Selbstverständlich würden solche zusätzlichen Sparmaßnahmen zur Sicherung der Altersversorgung ebenso wie die Zwangsbeiträge an die neue Altersversicherungsanstalt gleichermaßen von der Lohn- und Einkommenssteuer freizustellen sein. Um die persönliche Verbindung des Versicherten zu der neuen Anstalt herzustellen und dem Versicherten das Gefühl zu geben, daß er für sein Alter durch die Zahlung der Zwangsbeiträge Vorsorge trifft und daß er bei der Anstalt ein eigenes Spar-Vermögen ansammelt, muß die Versicherung grundsätzlich auf das Kapitaldeckungsverfahren eingerichtet sein, so daß der Versicherte das Recht hat, im Rahmen der von ihm gezahlten Versicherungssumme z.B. ein Hypothekendarlehen in Anspruch zu nehmen, wenn er ein Haus bauen oder ein Grundstück erwerben will. Allerdings müssten bestimmte Beschränkungen gelten, damit der Zweck der Altersversorgung gesichert bleibt und der Versicherte nicht etwa über sein Grundstück oder andere Kapitalwerte in einer Weise verfügt, daß am Ende doch das Wohlfahrtsamt für seinen Lebensunterhalt im Alter aufzukommen hätte. Entscheidend wichtig wäre die radikale Vereinfachung der Versicherung gegenüber den bisherigen Verhältnissen. Einheitliche Beiträge und einheitliche Renten hätten die einfachste Form der Berechnung, Zahlung und Kontrolle zur Folge. Der Rentenanspruch stünde dem Versicherten oder seiner Ehefrau zu; falls beide den Eintritt des Versicherungsfalles nicht erleben, dann müßte an die erbberechtigten Abkömmlinge die eingezahlte Prämiensumme (mit oder ohne Zinsen) zur Auszahlung kommen, sofern sie unversorgt sind. Sind solche Abkömmlinge nicht vorhanden, dann würde die eingezahlte Prämiensumme der neuen Anstalt zufallen. Die vorgeschlagene Regelung dürfte für den großen Durchschnitt von 80 % der Erwerbstätigen zu einer befriedigenden Lösung führen. Schwierigkeiten wären mit der Überleitung von der bisherigen Form der Altersversicherung auf das vorgeschlagene System verbunden, wenn man nicht eine etwa 30jährige Übergangszeit in Kauf nehmen will. Der Übergang wäre mit Hilfe von Staatszuschüssen oder durch eine Beitragsstaffelung oder durch verschieden hohe Rentenzahlungen je nach der Altersklasse und den bisherigen Beiträgen der Versicherten zu regeln, so daß jedenfalls für die Betroffenen keine Schlechterstellung gegenüber der bisherigen Lösung einträte. 3. Andere soziale Aufgaben Der hier gemachte Vorschlag steht im Widerspruch zu verschiedenen Plänen für die Reform der deutschen Sozialversicherung, die im allgemeinen für eine Einheitsversicherung oder gar für eine Volksversicherung eintreten, wobei jedoch im Grunde genommen nur eine Erweiterung des Kreises der Versicherten, eine Verbesserung der Leistungen und in der Regel die organisatorische Zusammenfassung der verschiedenen Versicherungszweige angestrebt wird; der Grundgedanke der überkommenen deutschen Sozialversicherung als einer Mischung von staatlicher Fürsorge mit versicherungstechnischen Formen wird von diesen Reformvorschlägen übernommen. Es mag ergänzend zu den bestehenden Versicherungseinrichtungen folgendes bemerkt werden: Für die Krankenversicherung wäre zu prüfen, ob das bisherige System durch einen allgemeinen staatlichen Gesundheitsdienst abgelöst werden sollte etwa in der Art, wie er vor kurzem in England eingeführt worden ist. Die Zeit für eine solche Umstellung scheint mir in Deutschland noch nicht gekommen, weil der Wiederaufbau der Volkswirtschaft und des Staates eben erst begonnen hat und die Finanzkraft bis an die Grenze der Leistungsfähigkeit beansprucht. Sie wäre auch nicht von der gleichen fundamentalen Bedeutung für die Neuordnung der sozialen Verhältnisse wie die Errichtung einer Familienausgleichskasse und die Neuregelung der Altersversicherung, weil die bestehende Form der Krankenversicherung den sozialen Ansprüchen im wesentlichen genügt und könnte ohne große Schwierigkeiten auch später durchgeführt werden. Es wird deshalb vorgeschlagen, an dem jetzigen System der Krankenversicherung im Prinzip vorläufig nichts zu ändern.

178

Sozialpolitische Thesen und Vorschläge Heinrich Troegers

Deshalb bleibt nach wie vor dringlich, die Krankenversicherung durch eine Erweiterung des versicherten Personenkreises und eine Stärkung der allgemeinen Krankenkassen leistungsfähiger zu gestalten. Die Versicherung gegen Berufsunfälle und Berufskrankheiten sollte ebenfalls in der bisherigen Form beibehalten werden unbeschadet der Tatsache, daß Verbesserungen bei den Leistungen erforderlich sind und die Betreuung der Berufsinvaliden auf eine breitere Grundlage gestellt werden müßte, weil mit Einrichtung der neuen Altersversicherung die bisherige Form der Invalidenversicherung in Fortfall käme und dafür z.T. Ersatz geschaffen werden müßte. Für die Knappschaftsversicherung gilt grundsätzlich Entsprechendes. Die Versorgung der Kriegsbeschädigten ist eine Staatsaufgabe besonderer Art, die in diese Überlegungen wegen der Schaffung neuer Grundlagen für die Sozialordnung in Deutschland nicht einbezogen zu werden braucht. Die Vorsorge für den Fall der Arbeitslosigkeit kann nach den bisherigen Erfahrungen nicht durch ein System öffentlichrechtlicher Zwangsversicherung getroffen werden. Es ist Aufgabe des Staates, Konjunkturpolitik zu treiben und die erforderlichen Mittel für Umschulung, Arbeitsbeschaffung und Arbeitslosenunterstützung aus Steuermitteln aufzubringen, wobei eine angemessene Beteiligung der Gemeinden vorzusehen wäre. Zu überlegen ist, ob nicht die Arbeitnehmerorganisationen in geeigneter Weise eingeschaltet werden und die finanzielle Betreuung der Arbeitslosen mit Hilfe staatlicher Mittel übernehmen sollten. Es fehlt uns die geeignete Form der Selbstverwaltung für die Betreuung der Arbeitslosen: sie hängt keineswegs mit dem Vcrsicherungscharakter der Reichsanstalt zusammen. Die Leistungen aus dem Lastenausgleich wären den geplanten Leistungen der Altersversicherung anzupassen. Es sei nur bemerkt, daß der Lastenausgleich klar auf dem Grundsatz der sozialen Gerechtigkeit aufgebaut werden muß; das bedeutet für den Gesetzgeber, daß nicht der Versuch gemacht werden darf, die alten Vermögenswerte zu ermitteln und ganz oder anteilsmäßig wiederherzustellen, so daß den ehemals Wohlhabenden viel und den Armen wenig oder gar nichts aus dem Aufkommen des Lastenausgleichs zuzuteilen wäre. Die Gerechtigkeit beim Lastenausgleich kann nur aus der sozialen Notwendigkeit hergeleitet werden. Das bedeutet, daß für die arbeitsunfähigen Berechtigten eine ausreichende Versorgungsrente gezahlt werden muß, während im übrigen durch Gewährung von Ausbildungsbeihilfen, Hausratsbeihilfen und Gemeinschaftsbeihilfen nach der Art, wie dies im Soforthilfegesetz vorgesehen ist, Abhilfe geleistet wird, wobei der produktiven Seite des Lastenausgleiches eine besondere Bedeutung zugemessen ist. Es sollten Mittel aus der Abgabe für den Lastenausgleich zur Finanzierung der Rentenversicherung abgezweigt werden, nachdem diese durch die Währungsreform etwa 9 Milliarden D M Deckungsvermögen verloren hat und ohne ein solches Deckungsvermögen gar nicht imstande sein kann, ihren Verpflichtungen unter Beibehaltung des Versicherungsgedankens nachzukommen. Inwieweit Mittel aus dem Lastenausgleich hierfür benötigt werden, wird an andere Stelle behandelt.

III. Finanzielle Auswirkungen

und

Bedeutung

Vorbemerkungen Die Dringlichkeit der hier angestellten Überlegungen ergibt sich zum Teil aus der Materie selbst, in der Hauptsache jedoch aus der Tatsache, daß sich der Bund zu Beginn seines Aufbaues darüber schlüssig werden muß. ob er die überkommene Sozialordnung grundsätzlich beibehalten will oder Änderungen für notwendig hält, die dann allerdings zu Beginn der Gesetzgebung Gestalt finden müßten. Erst wenn man darüber eine Entscheidung getroffen hat, kann mit Aussicht auf Dauer und befriedigenden Erfolg eine Reihe anderer Aufgaben, insbesondere die der Steuerreform, in Angriff genommen werden. Die hier gemachten Vorschläge gehen davon aus, daß die wirtschaftliche Sicherung der

Soziale Lebenssicherung (1950)

179

Existenz des Einzelnen Ausgang und Ziel aller wirtschaftlichen Bestrebungen des Staates sein muß und daß die bestehende soziale Ordnung diesem Gesichtspunkt nicht genügend Rechnung trägt und bei ihrer grundsätzlichen Beibehaltung auch nicht Genüge leisten kann. Ferner haben diese Vorschläge zum Ziele, eine weitgehende Vereinfachung der Verwaltung herbeizuführen und den Gedanken der Versorgung durch den Staat nach Möglichkeit zu ersetzen durch die Selbstverantwortung der beteiligten Wirtschaftskreise unter Einschaltung des Staates mit seiner Steuerkraft dort, wo es notwendig ist. Finanzpolitisch betrachtet, brauchen wir eine Auflockerung des Systems der Steuern und Abgaben mit dem Ziele, dem einzelnen Steuer- und Abgabepflichtigen, soweit dies möglich ist, deutlich vor Augen zu führen, für welche ihn selbst betreffenden Zwecke er von Staats wegen zu Steuern und Abgaben herangezogen wird. Dabei kann das persönliche Interesse des Einzelnen jedenfalls bei der Altersversicherung dadurch noch besonders geweckt werden, daß er seine Beiträge als Ansammlung eigenen Sparvermögens betrachten kann. Dem volkswirtschaftlichen Bedürfnis nach Bildung von Kapital ist in den Vorschlägen weitgehend Rechnung getragen. Lohnpolitisch ist zu beachten, daß die Neuordnung der sozialen Verhältnisse vor die Anpassung der Reallöhne an die gesteigerte Produktion und die Vergrößerung des Sozialproduktes gestellt werden muß. Danach wird es möglich sein, dem Erfordernis des Leistungslohnes und der wirtschaftlichen Existenzsicherung in der Zeit einer wachsenden Volkswirtschaft besser Rechnung zu tragen. Schließlich gehen die Vorschläge davon aus, daß zum Lohn oder Gehalt nach den Grundsätzen der Betriebswirtschaft auch die Arbeitgeberbeiträge für die Sozialversicherung gehören, d . h . daß der Gesamtlohn um diese Beiträge höher ist als der Bruttolohn des Arbeitnehmers. Es ist daher betriebswirtschaftlich einfacher, wenn die Aufteilung der Beiträge zu den Sozialversicherungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern beseitigt wird, wodurch an dem finanziellen Ergebnis nichts geändert würde. Bei der Vereinfachung des Systems und der Abgrenzung der sozialpolitischen Verantwortlichkeit gehen die Vorschläge davon aus, daß die Zahlung von Kinderbeihilfen, d. h. die soziale Ausgestaltung des im übrigen auf die Leistung abgestellten Lohnes Aufgabe der Arbeitgeber ist, weshalb diese durch entsprechende Beiträge an die Familienausgleichskasse (FAK) für die Deckung des Bedarfes allein aufzukommen haben; es handelt sich um einen Teil des Lohnaufwandes; die Zahlung der Beiträge zu den Krankenkassen allein im persönlichen Interesse der Arbeitnehmer liegt, weshalb es nur folgerichtig ist, daß sie allein die Beiträge aus ihrem Lohn bestreiten; an der Höhe des Gesamtlohnes (s. oben) und des ausgezahlten Nettolohnes ändert sich dadurch nichts; die Zahlung der Beiträge zur Unfallversicherung gerade in der hier vorgeschlagenen erweiterten Form allein den Arbeitgebern obliegt, weil die Berufsstände dafür aufzukommen haben, daß die gesundheitlichen Schäden durch den Beruf und bei der Berufsarbeit ausgeglichen bzw. behoben werden. Das gilt auch dann, wenn man sich dafür entscheiden sollte, die soziale Betreuung der Erwerbsbeschränkten und der Erwerbsunfähigen vor Erreichung des 65. Lebensjahres als Aufgabe den Berufsgenossenschaften zu übertragen; die Zahlung der Prämien zur Altersversicherung die ureigenste Angelegenheit der Versicherten ist und daher von ihnen allein getragen werden muß. Dafür stehen aus dem Gesamtlohn die vollen 10 % zur Verfügung, die nach dem augenblicklichen Stand der Gesetzgebung den Rentenversicherungen zufließen. Der persönliche Charakter soll durch ein gewisses Verfügungsrecht des Versicherten über seine Deckungsreserve und durch eine beschränkte Vererblichkeit besonders betont werden; die Zahlungen zur Arbeitslosenversicherung aufgehoben werden, indem der Staat allein in der Lage ist und deshalb als dafür verantwortlich angesehen wird, die erforderlichen

180

Sozialpolitische Thesen und Vorschläge Heinrich Troegers

Maßnahmen im Falle der Arbeitslosigkeit (Arbeitsvermittlung, Arbeitsbeschaffung, Umschulung und Unterstützungszahlung) zu treffen und zu finanzieren. Die hier vorgeschlagene Abgrenzung der sozialpolitischen Verantwortlichkeiten dient neben der Vereinfachung der Verwaltung einer grundsätzlichen sozialpolitischen Ausrichtung des Wirtschaftslebens. Inwieweit durch geeignete organisatorische Maßnahmen, insbesondere durch die Beteiligung der Arbeitnehmer und Arbeitgeber an der Verwaltung der Sozialversicherungsträger und an dem Verfahren zur Betreuung der Arbeitslosen, eine Vertiefung der Verantwortlichkeit zu erreichen ist, wird hier nicht erörtert. 1. Familienausgleichskasse E s wird vorgeschlagen, steuerfreie Kinderbeihilfen in Höhe von 2 0 - D M (bei Vollwaisen 3 0 - D M ) monatlich für alle Kinder bis zum 15. Lebensjahr (Schulabgang) - jedoch höchstens 100,- D M monatlich an einen Unterhaltsverpflichteten - zu zahlen, soweit der Unterhaltsverpflichtete in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis 1 steht oder stand und deshalb Bezieher von sozialen Renten oder Unterstützungen ist. Die Kosten für die Zahlung der Kinderbeihilfen durch die FAK werden durch Beiträge der Arbeitgeber (einschl. des Staates) nach der Höhe der Gesamtlohnsumme aufgebracht; die anteiligen Beiträge für die Kinder solcher Unterhaltsverpflichteten, die vorübergehend nicht in einem Arbeitsverhältnis stehen, hat der Staat zu zahlen. Die Frage eines Ausgleiches zwischen lohnintensiven und kapitalintensiven Betrieben bedarf der Erörterung und Klärung. Die Kinderbeihilfen werden, soweit möglich, von den Arbeitgebern zugleich mit den Löhnen ausgezahlt; die Verrechnung der Arbeitgeberbeiträge mit den Vorschußzahlungen für die Kinderbeihilfen ist zulässig. Die Zahlung von Kinderbeihilfen an alle Kinder inländischer Unterhaltsverpflichteter (also auch an die Kinder beruflich selbständiger Personen) wird nicht vorgeschlagen, weil die Belastung der Arbeitgeber mit den dadurch erhöhten Aufwendungen der FAK sozialpolitisch nicht zu rechtfertigen wäre und daher eine zusätzliche Abgabe vom Einkommen eingeführt werden müßte, weil die Aufnahme dieser Last in den Etat des Bundes - von kleinen Ausgleichsbeträgen abzusehen - vorerst nicht möglich erscheint, eine spätere Ausdehnung der Leistungen der FAK vorbehalten bleibt. Für den Gesamtaufwand der FAK geben nachstehende Zahlen für das Bundesgebiet einen Anhalt. Die Zahl der Kinder von Arbeitnehmern unter 15 Jahren beträgt rund 8000000. Bei einem Monatsbetrage von 15,- D M Beihilfe pro Kind ergäbe sich ein Gesamtbetrag von 132 Mill.DM monatlich oder 1584 Mill. DM jährlich. Bei einem Monatsbetrage von 20,- DM pro Kind bedeutet dies eine Summe von 176 Mill.DM monatlich oder 2112 Mill. DM jährlich. Es wird darauf verzichtet, noch rechnerisch klarzustellen, ob sich eine Mehrbelastung dadurch ergäbe, daß für Waisenkinder eine Beihilfe von 30,- DM monatlich gezahlt werden soll, während für das 6. und weitere Kinder allerdings eine Beihilfe nicht in Aussicht genommen ist. Diese Summen bedeuten bei einem Gesamtlohneinkommen aller Arbeitnehmer in Höhe von 32 Mrd.DM (nämlich in der Bizone 29,7 Mrd.DM - „Deutschland in Zahlen" Bund-Verlag Köln 1949, S. 85 zuzüglich rund 8 % = 2,3 Mrd. D M in der französischen Zone) etwa 5 bzw. 6,6 % der derzeitigen Löhne und Gehälter. Wird die Kinderbeihilfe in Fällen nicht vollendeter Schul- oder Berufsausbildung bis zum 18. Lebensjahre weitergezahlt, dann ergäbe sich ein Arbeitgeberbeitrag von etwa 5,5 bzw. 7,2 % . Die Frage, wie hoch die Kinderbeihilfe zu bemessen ist, hängt von den finanzpolitischen Überlegungen ab, die mit der Zahlung der Kinderbeihilfe verbunden werden. Sie sollte, wie bereits in Abschnitt II angegeben, die Subventionen bei importierten Lebensmitteln aus Steuern erübrigen. Hierfür gelten folgende Zahlen: Die Gesamthöhe der Subventionen ist für 1949/50 mit 800-900 Mill.DM angegeben worden. Wenn dazu noch einmal derselbe Betrag für die Preiserhöhung inländischer Produkte hinzugerechnet wird, ergibt 1

A n m . = Wegen der Aufnahmen von Kindern sozialbedürftiger, selbständiger Erwerbspersonen vgl. Seite 4 [175].

Soziale Lebenssicherung (1950)

181

sich eine V e r t e u e r u n g s s u m m e von 1 . 7 0 0 - 1 . 8 0 0 Mill.DM oder pro Kopf der Bevölkerung von rd. 40 - D M im Jahre. Die V e r t e u e r u n g der Lebensmittel wäre danach höchstens mit 3,50 D M im Monat auf den Kopf des Verbrauchers zu veranschlagen; wahrscheinlich ist der Betrag praktisch niedriger. Es ist ferner beabsichtigt, durch die Zahlung von Kinderbeihilfen eine E r h ö h u n g der gesetzlichen Mieten möglich zu machen. Die Miete in einem Arbeiterhaushalt mit 2 Kindern wird für die weiteren Überlegungen mit 5 0 . - D M monatlich a n g e n o m m e n , was der Miete von W o h n u n g e n mit etwa 60 qm bei ca. 90 Pfg. Miete pro qm entspricht, die nach dem ersten Weltkrieg gebaut worden sind. Eine Mieterhöhung um 25 % b e d e u t e t e daher eine Verteuerung der Lebenserhaltung um monatlich 12,50 D M . bei 30 % um monatlich 15,- D M . Dabei mag erwähnt werden, daß nach den Feststellungen des wirtschaftswissenschaftlichen Instituts der Gewerkschaften (in der Sonderbeilagc / i den Mitteilungen Nr. 4/5, 2. Jahrgang „Die wichtigsten Einzelkenntnisse aus der Haushaltsb u c h e r h e b u n g " , S. 3 A n m . 3) die Miete bei einer 3,6 Personen umfassenden Familie durchschnittlich 2 2 - D M monatlich beträgt. Z u m Ausgleich der V e r t e u e r u n g der Lebensmittel und der Miete sind nach obiger Berechnung bei 4 Personen erforderlich: 1 4 D M für Lebensmittel und 12,50 bzw. 15,- D M für Miete, zusammen also 26.50 bzw. 2 9 D M . D a r a u s ergibt sich, daß die Beihilfe mindesten auf 15,- D M monatlich pro Kind bemessen werden müßte. Die Folge wäre bei verheirateten und kinderlosen E h e p a a r e n mit nur einem Verdiener im Haushalt eine Verteuerung mit 3.50 bzw. 7 . - D M monatlich zuzüglich der Mieterhöhung'; bei Verheirateten mit einem Kind unter A n n a h m e einer monatlichen Miete von 4 0 . - D M eine Verteuerung um 9.50 D M und um 10,- bzw. 12.D M für Miete, wogegen eine Kinderbeihilfe von 15,- bzw. 2 0 . - D M stünde. D a ß sich die Verhältnisse in allen den Fällen erheblich günstiger stellen, in denen die Miete u n t e r 4 0 . bzw. 5 0 , - D M liegt (was immerhin die Mehrheit ist) oder in d e n e n für drei o d e r m e h r Kinder Beihilfe gezahlt wird, liegt auf der H a n d . An sich ist die Bemessung der Kinderbeihilfe mit 2 0 , - D M monatlich wünschenswert, weil erst mit einem solchen Betrage eine sozial befriedigende Lösung für Haushaltungen der A r b e i t n e h m e r mit Kindern g e f u n d e n würde. Deshalb wird der Vorschlag gemacht. 2 0 - D M monatlich Kinderbeihilfe zu zahlen und damit den Anschluß an die Praxis der öffentlich-rechtlichen A r b e i t g e b e r zu finden. Volkswirtschaftlich wäre zu beachten, d a ß in der Bizone das gesamte Mieteinkommen auf 2 . 5 - 3 M r d . D M geschätzt wird, so daß die E r h ö h u n g der gesetzlichen Mieten, die vom Staate in F o r m einer Mietzinssteuer zu erfassen wiire. einen Betrag von 600 - 700 M i o . D M für Zwccke des sozialen Wohnungsbaues einbrächte: dadurch könnten gegenüber dem bisherigen Stande jährlich mindestens 120 (MX) Wohnungsneubauten zusätzlich finanziert werd e n . was f ü r die volkswirtschaftliche Entwicklung von einer unerhörten B e d e u t u n g wäre. Die lohnpolitischen Folgerungen aus diesem Vorschlag werden weiter unten erörtert.

2. Altersversicherung Es wird vorgeschlagen, alle deutschen Erwerbstätigen (also nicht nur die A r b e i t n e h m e r ) bei einer staatlichen Anstalt zwangsweise zur Altersversicherung heranzuziehen, so daß sie nach d e m 65. Lebensjahre eine monatliche R e n t e von 1 0 0 - D M 2 erhalten. D i e R e n t e wird nach Erreichung des 65. L e b e n s j a h r e s des E h e m a n n e s an die überlebende E h e f r a u in H ö h e von 70, - D M monatlich bis zu deren Ableben weitergezahlt. D e r Versicherungsfall tritt d a h e r ein: Fall I: mit dem Beginn des 65. Lebensjahres für den versicherten M a n n ; 1

Ein Ausgleich würde bei jungen A r b e i t n e h m e r n ganz oder teilweise durch geringere Beiträge zu der neuen Altersversicherung eintreten.

2

A n m . : D i e Zahl hat nur beispielhafte Bedeutung.

182

Sozialpolitische Thesen und Vorschläge Heinrich Troegers

Fall 2: mit dem Beginn des 65. Lebensjahres für den verheirateten Mann (auch nach dessen Tod), so daß die Rente in Höhe von 70, - D M an seine Witwe lebenslänglich gezahlt wird; Fall 3: mit Beginn des 65. Lebensjahres für die versicherte Frau. Die Versicherung ist als eine Sparversicherung gedacht, so daß jeder Versicherte das Recht hat, schon zu seinen Lebzeiten über das von ihm eingezahlte und mit 3 % verzinste Sparkapital zu bestimmten Zwecken zu verfügen. Die weitere Folge dieses Sparsystems wäre, daß zum Beispiel eine Frau im Falle ihrer Verheiratung den gesparten Betrag zurückfordern kann, wenn sie sich mit der Altersversicherung ihres Ehemannes begnügt, oder daß sie die Versicherung freiwillig fortsetzen kann. Sollten die Versicherten den Eintritt des Versicherungsfalles nicht erleben, dann soll der gesparte Versicherungsbetrag den erbberechtigten inländischen Abkömmlingen (mit oder ohne Zinsen) ausgezahlt werden, wenn sie noch unversorgt sind. Nach den Angaben des Direktors der Verwaltung für Arbeit in dem Memorandum über die finanziellen Auswirkungen des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes vom April 1949 (S.12) betrugen die Renten in der Bizone durchschnittlich vor der Erhöhung durch das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz bei der

bei der

Invalidenversicherung: Invalidenrente Witwenrente Waisenrente

42,80 D M monatlich 25,10 DM monatlich 14,60 D M monatlich

Angestelltenversicherung: Ruhegeld Witwenrente Waisenrente

79,10 D M monatlich 37,80 DM monatlich 2 3 - D M monatlich

„Die unzulängliche Höhe der Renten wird noch deutlicher, wenn man ihre Schichtung nach der Rentenhöhe untersucht. Eine allgemeine Statistik hierüber liegt nicht vor. Im Bereich des Landes Nordrhein-Westfalen sind jedoch für die Invalidenversicherung repräsentative Auszählungen in 6 Bezirken mit typischen Berufs- und Wirtschaftsstrukturen durchgeführt worden. Danach liegen in ländlichen Bezirken (Lemgo und Geldern) etwa 50 v.H. aller Versichertenrenten unter 35, - D M monatlich. In schwerindustriellen Bezirken (Duisburg) erhalten zwar nur 20 v. H. aller Versichertenrenten Monatsbezüge in Höhe von weniger als 35 D M monatlich; andererseits kommt aber auch nur die Hälfte der Rentner auf einen höheren Betrag als 55, - D M monatlich." Das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz hatte nur den Sinn, die Mindestrenten zu erhöhen, so daß sich nach den statistischen Ermittlungen für die britische Zone die Durchschnittsrenten nach den Pauschalzuschlägen monatlich belaufen auf (vergl. Begründung zum Sozialversicherungs-Anpassungsgesctz, S . l ) in der

in der

Invalidenversicherung: bei Invalidenrenten bei Witwenrenten bei Waisenrenten

61,20 DM 41,70 DM 30,-DM

Angestelltenversicherung: bei Ruhegeldern 94,10 DM bei Witwenrenten 50,20 DM bei Waisenrenten 34,10DM Es ist zu berichten, daß die Durchschnittsrenten in der britischen Zone über dem Durchschnitt des Bundesgebietes liegen; die Differenz gegenüber der amerikanischen Z o n e beträgt in der Invalidenversicherung etwa 1 0 % . Wenn die Höhe der Renten unbefriedigend ist, so liegt das nicht ausschließlich an den

Soziale Lebenssicherung (1950)

183

Verlusten infolge der Währungsumstellung, sondern zu einem erheblichen Teil daran, daß sehr große Beträge an Rentenempfänger gezahlt werden, welche die Altersgrenze nicht erreicht haben. E s wurde schon darauf hingewiesen, daß Anfang 1939 bei der Angestelltenversicherung nach Feststellungen der Verwaltung für Arbeit 42 % der Rentenempfänger die Altersgrenze noch nicht erreicht hatten, was deutlich beweist, daß die Verkoppelung von Altersversicherung und Invalidenversicherung dann nicht tragbar ist, wenn eine befriedigende Altersversicherung gewünscht wird. Für die Höhe der Beiträge gelten nach den Grundsätzen des individuellen Sparverfahrens mit 3 % Verzinsung und bei Annahme von 5 % Zuschlag für Verwaltungskosten die folgenden Sätze, deren Berechnung auf die Rentnersterblichkeitstafeln neuester Art für die private Lebensversicherung zurückgeht: im VersicherungsFall 1 Fall 2 Fall 3 Alter DM DM DM 15 20 35 50

10,25 12,45 24,25 62,-

13,70 16,65 32,45 82,95

11,95 14,50 28,25 72,75

E s ergibt sich selbst bei diesem weitgehenden und daher teuersten Verfahren, dessen Anwendung nicht vorgeschlagen wird, daß die zur Zeit erhobenen 1 0 % Beiträge zur Rentenversicherung bei Annahme eines monatlichen Durchschnittslohnes von 240,- D M ausreichend wären für Beitragszahlungen vom 30. Lebensjahre ab, also für die Dauer eines Versicherungsverhältnisses von 35 Jahren. Wer mit jüngeren Jahren in die Altersversicherung einträte, käme mit geringeren Beiträgen aus. Tatsächlich würde die Beitragslast erheblich niedriger sein als nach diesen privatversicherungsrechtlichen Berechungen. Das bedeutet für die praktische Anwendung in der Sozialversicherung eine wesentliche Verkürzung der Übergangszeit und zugleich eine ausreichende Spanne für beitragsfreie Zeiten wegen Krankheit oder Arbeitslosigkeit. E s würde zu weit führen, darüber im Einzelnen Berechnungen anzustellen; nur sei angemerkt, daß die Beiträge der sozialen Altersversicherung schätzungsweise 30 % unter den angegebenen Zahlen liegen dürften. Wegen der Berechtigung des Versicherten zur Verfügung über die gezahlte Beitragssumme ist es interessant, die Höhe der angesammelten Guthaben festzustellen. Sie betragen nach den oben angegebenen Beiträgen im Falle der Privatversicherung: bei

VersicherungsFall 1 DM

Fall 2 DM

Fall 3 DM

1384 1680 3272 8366

1848 2246 4379 11190

1612 1956 3812 9749

3242 3937 7670

4333 5266 10260

3779 4586 8935

20

5740 6972

7672 9324

8120

20

9097 11050

12150 14770

10600 12860

Sparbeginn im Alter von Jahren a) nach 10 Jahren 15

20

35 50 b) nach 20 Jahren 15 20 35 c) nach 30 Jahren 15 d) nach 40 Jahren 15

6692

184

Sozialpolitische T h e s e n u n d Vorschläge Heinrich T r o e g e r s

Schwierigkeiten bereitet die Überleitung von d e m bisherigen System der Angestelltenund Invalidenversicherung auf die vorgeschlagene F o r m d e r Altersversicherung. E s ist zu b e a c h t e n , d a ß bis h e u t e die Beitragszahlungen im U m l a g e v e r f a h r e n das erforderliche G e l d f ü r die l a u f e n d e n R e n t e n z a h l u n g e n nicht sicher a u f b r i n g e n , obgleich die Leistungen u n g e n ü g e n d sind. W e n n die Altersversicherung auf das K a p i t a l d e c k u n g s v e r f a h r e n umgestellt w ü r d e , wie es hier vorgeschlagen wird, d a n n h ä t t e dies f ü r die Zeit bis z u m W i r k s a m w e r d e n der n e u e n Versicherunusform ( Ü b e r g a n g s z e i t ) zur Folge 1. d a ß die B e i t r ä g e d e r von dem n e u e n V e r f ü h r e n e r f a ß t e n Versicherten nicht m e h r zur D e c k u n g der l a u f e n d e n R e n t e n z a h l u n g e n verwandt w e r d e n k ö n n e n , weil sie ja zur Ans a m m l u n g des D e c k u n g s k a p i t a l s nach d e m neuen V e r f a h r e n aufgespart w e r d e n und d a ß 2. v o n J a h r zu J a h r ein Teil der l a u f e n d e n Beiträge - z. B . bei 10-jähriger Übergangszeit ein Z e h n t e l - f ü r die D e c k u n g der R e n t e n v e r p f l i c h t u n g e n nach d e m bisherigen Versicherungssystem fortfiele, weil die Versicherten das 60. o d e r 65. L e b e n s j a h r erreichen und rentenbezugsberechtigt werden. Bei d e r F i n a n z i e r u n g der Übergangsperiode ist d a h e r sowohl die T a t s a c h e zu berücksichtigen. d a ß f ü r die laufenden R e n t e n v e r p f l i c h t u n g e n sofort ein erheblich h ö h e r e r Z u s c h u ß b e d a r f e n t s t e h t , als auch d e r U m s t a n d zu e r w ä g e n , d a ß dieser Z u s c h u ß b e d a r f von J a h r zu J a h r ansteigt, bis er mit Ablauf d e r Ü b e r g a n g s p e r i o d e den H ö c h s t b e t r a g erreicht u n d d a n n mit d e r V e r m i n d e r u n g d e r Zahl der R e n t e n b e z i e h e r ständig geringer wird. V o r d i e s e m F i n a n z i e r u n g s p r o b l e m sind bisher o f f e n b a r alle Vorschläge zur R e f o r m d e r Sozialversicherung mit d e m Ziele der Umstellung auf das K a p i t a l d e c k u n g s v e r f a h r e n zurückgeschreckt. Z u r Lösung d e r F r a g e , wie die Ü b e r g a n g s p e r i o d e auf e t w a 10 bis 12 J a h r e verkürzt u n d die zur Zeit gültigen R e n t e n für die Berechtigten finanziell sichergestellt w e r d e n k ö n n e n , gibt es v e r s c h i e d e n e Möglichkeiten: a) Die V e r s i c h e r t e n leisten höhere Beiträge ( m e h r als 10 % der L o h n s u m m e ) , um in d e n G e n u ß der A l t e r s r e n t e von 100 - D M monatlich zu k o m m e n (evtl. zusätzliche Leistungen der Arbeitgeber). b) D i e A l t e r s r e n t e wird für bestimmte J a h r g ä n g e auf 8 0 , - D M monatlich festgesetzt, was eine V e r r i n g e r u n g d e r Beiträge u m 20 v. H. zur Folge h ä t t e . c) D i e R e n t e n v e r s i c h e r u n g erhält aus den Mitteln des Lastenausgleichs (Soforthilfe) e i n e n Z u s c h u ß als teilweisen Ersatz der ihr durch die W ä h r u n g s r e f o r m verloren gegangenen Vermögenswerte. d ) D e r Staat leistet l a u f e n d Zuschüsse bis zum vollen W i r k s a m w e r d e n d e s Kapitaldekk u n g s v e r f a h r e n s d e r n e u e n Altersversicherung, wobei die I n a n s p r u c h n a h m e von Steuermitteln d a d u r c h auf ein bestimmtes M a ß b e s c h r ä n k t w e r d e n k ö n n t e , d a ß die n e u e Altersversicherungsanstalt dem Staate aus ihrem D e c k u n g s v e r m ö g e n Kredite g e w ä h r t , die a n g e m e s s e n verzinst und innerhalb b e s t i m m t e r Frist getilgt w e r d e n m ü ß t e n . F ü r eine überschlägliche finanzielle Kalkulation stehen folgende Z a h l e n 1 zur V e r f ü gung: a) A u s g a b e n d e r A r b e i t e r - und Angestelltenversicherung in Millionen D M von J a n u a r bis Juni 1949. u m g e r e c h n e t auf ein volles J a h r (Wirtschaft u. Statistik 1949, Seite 659) I n v a l i d e n v e r s i c h e r u n g Bizone rd. 1 250 Mill. D M A n g e s t e l l t e n v e r s i c h e r u n g Bizone 550 Mill. D M Französische Z o n e (10 % Zuschlag) 180 Mill. D M 1 980 Mill. D M 1

A n m . : D i e s e Kalkulation soll n u r die A r t der technischen Ü b e r l e g u n g e n darstellen, sie e r h e b t keinen A n s p r u c h auf absolute Richtigkeit, weil geeignetes statistisches Material erst b e a r b e i t e t w e r d e n müßte. D i e Z a h l e n sind z. T . e n t n o m m e n der Aufstellung d e s B u n d e s m i n i s t e r s f ü r A r b e i t über die Entwicklung des Sozialaufwandes in D e u t s c h l a n d von März 1 9 5 0 - I V a 411/50.

Soziale Lehcnssicherung (1951))

185

D e r G e s a m t a u f w a n d w ü r d e sich d u r c h E i n f ü h r u n g von Kinderbeihilfen nach einer überschläglichen G e n e h m i g u n g um e t w a 116 M i o . D M jährlich v e r m i n d e r n , so d a ß rd. 1865 Mio. D M v e r b l i e b e n . E s wird a n g e n o m m e n , d a ß in d e m V e r s i c h e r u n g s a u f w a n d f ü r die B e t r e u u n g der Invaliden ( u n t e r 60 bzw. 65 J a h r e n ) einschließlich d e r Heilverfahren u n d dergl. e n t h a l t e n sind bei d e r Invalidenversicherung Bizone Angestelltenversicherung Bizone Französische Z o n e V e r w a l t u n g s k o s t e n (anteilig)

4(X) 180 60 40 Zusammen

Mill. Mill. Mill. Mill.

DM DM DM DM

680 Mill. D M

D a n a c h verbliebe f ü r die reine Altersversicherung ein Finanzbedarf in H ö h e von ca. 1300 Mill. D M jährlich, d e r noch bis auf 1500 Mill. D M ansteigen k ö n n t e . Die A u f w e n d u n g e n in H ö h e von 680 Mill. D M für Z w e c k e der I n v a l i d e n b e t r e u u n g gingen als zusätzliche A u f g a b e n u n d Belastung auf die T r ä g e r der Unfallversicherung ( o d e r auf die K r a n k e n k a s s e n o d e r auf einen neuen Sozialversicherungsträger) ü b e r . D a b e i d ü r f t e die Möglichkeit b e s t e h e n , d u r c h e i n e Ä n d e r u n g im System d e r B e t r e u u n g d e r B e r u f s k r a n k e n u n d frühzeitig Invaliden wesentliche V e r b e s s e r u n g e n und Ersparnisse zu erzielen. A n E i n n a h m e n s t ü n d e n für die D e c k u n g des R e n t e n b e d a r f s von 1 3 0 0 - 1 500 Mill. D M in der Altersversicherung nach d e m bisherigen System zur V e r f ü g u n g d e r zur Zeit gezahlte Staatszuschuß in H ö h e von r u n d 460 Mill. D M jährlich (einschließlich d e r Zuschüsse für Flüchtlingsrenten und d e r Z a h l u n g e n aus d e m Arbeitslosenstock) und die Beiträge der Versicherten in H ö h e von etwa einem Drittel des augenblicklichen B e i t r a g s a u f k o m m e n s , w e n n a n g e n o m m e n wird, d a ß von den erwerbstätigen A r b e i t n e h m e r n e t w a ein Drittel im A l t e r von 5 0 - 6 5 J a h r e n steht. Die B e i t r a g s e i n n a h m e n der R e n t e n v e r s i c h e r u n g b e t r u g e n laut „Wirtschaft u n d Statistik", S e p t e m b e r - H e f t 1949, Seite 521. im zweiten Kalendervierteljahr 1949 bei d e r Invalidenversicherung Bizone 230 Mill. D M Angestelltenversicherung B i z o n e 120 Mill. D M 350 Mill. D M 35 Mill. D M

dazu 1 0 % für französische Z o n e Zusammen

385 Mill. D M

also jährlich 1540 Mill. D M

Nach neuerlichen B e r e c h n u n g e n des Bundesarbeitsministeriums w e r d e n allerdings die jährlichen B e i t r a g s e i n n a h m e n im Bundesgebiet nach voller A u s w i r k u n g der B e s t i m m u n gen des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes e r r e c h n e t bei der Invalidenversicherung 1780 Mio. D M Angestelltenversicherung 840 Mio. D M Zusammen

2620 Mio. D M

Diese Z a h l e n b e w e i s e n , welche Unsicherheit auf d e m G e b i e t e d e r statistischen E r f a s s u n g von D a t e n bei d e r Sozialversicherung besteht, da o f f e n b a r die A u s g a b e n höher a n g e g e b e n w e r d e n m ü s s e n , als es hier geschehen ist. D a s Drittel der B e i t r a g s e i n n a h m e n , d a s für die

186

Sozialpolitische Thesen und Vorschläge Heinrich Troegers

15 Jahrgänge der älteren Arbeitnehmer zur Finanzierung der Altersversicherung unter Beibehaltung des jetzt gültigen Systems zur Verfügung steht, liegt danach zwischen 520 und 880 Mill. DM. Es erscheint gerechtfertigt, für die weiteren Überlegungen anzunehmen, daß das Jahresaufkommen aus den Beiträgen der Rentenversicherung im Bundesgebiet wenigstens 2400 Mill. DM betragen wird, so daß auf die Jahrgänge 1900 und älter anteilig rd. 800 Mill. DM entfallen. Z u r Deckung der mit 1 3 0 0 - 1 5 0 0 Mill. D M anzusetzenden Altersrenten stünden danach außer den bisher gezahlten 400 Mill. DM Staatszuschüssen ' (hier ohne die Zahlungen aus dem Arbeitslosenstock) aus dem Beitragsaufkommen weitere 800 Mill. D M zur Verfügung, so daß ein Fehlbetrag von 1 0 0 - 300 Mill. D M zu decken bliebe. Dafür könnte das Aufkommen aus dem Lastenausgleich herangezogen werden, nachdem die Rentenversicherungen ein Deckungsvermögen in Höhe von rd. 9 Mrd. RM durch die Währungsreform verloren haben. Diese kalkulatorische Rechnung hätte allerdings nur Gültigkeit für ein Jahr, sagen wir z. B. für das Jahr 1951, wenn die Umstellung der Altersversicherung bis dahin durchgeführt würde. In den darauffolgenden Jahren würde die Rentenlast mindestens dieselbe sein oder gar noch ansteigen, während von der Beitragsumlage bei 15 jähriger Übergangszeit jährlich der 15. Teil (nämlich im ersten Jahre der Beitrag für die Arbeitnehmer des Jahrgangs 1886) ausfiele, der das 65. Lebensjahr erreicht. Das bedeutet eine Lücke in den Einnahmen von jährlich 54 Mill. D M bei einem anteiligen Beitragsaufkommen von 800 Mill. DM. Diese Lücke wächst von Jahr zu Jahr, bis der Jahrgang 1900 aus der zur Zeit gültigen Form der Altersversicherung ausgeschieden ist und Rentenempfänger wird. In den darauf folgenden Jahren träte eine laufende Verminderung der Rentenlast ein, weil dann die neu hinzukommenden Jahrgänge das erforderliche Deckungskapital angesammelt hätten, wofür ein Zuschußbedarf nicht mehr bestünde. Wenn der hier gemachte Vorschlag einer Umstellung der Altersversicherung auf das Kapitaldeckungsverfahren realisiert werden soll, dann müßte für die Abwicklung der jetzt gültigen Form der Altersversicherung eine Finanzierung gefunden werden, welche jährlich 1 3 0 0 - 1 5 0 0 Mill. D M für Rentenzahlungen aufbrächte, ohne daß eine wesentlich höhere Belastung des Steueretats damit verbunden sein würde. Der Vorschlag lautet nach dem Vorhergesagten: 1951 1966 Beiträge wie bisher (Jährlich 54 Mill. D M Minderung) 800 Mill. DM Staatszuschuß 500 Mill. DM 500 Mill. DM Zuschuß aus Lastenaus(200) Mill. D M gleich 200 Mill. DM 800 Mill. DM

Staatszusschuß aus Kredi— ten der neuen Altersver— sicherungsanstalt

Zusammen

1300 (1500) Mill. DM

1500 Mill. D M

' A n m . : Es sei vermerkt, daß die Einführung von Kinderbeihilfen einschl. der bereits erwähnten Ersparnis in Höhe von 116 Mill. D M bei der Invaliden- und Angestelltenversicherung insgesamt eine Ausgabeminderung in Höhe von ca. 250 Mill. DM bei den Rentenversicherungen und der Arbeitslosenfürsorge zur Folge hätte.

Soziale Lebenssicherung ( 1950)

187

Wahrscheinlich ergibt sich eine gewisse E i n n a h m e e r h ö h u n g aus w a c h s e n d e n L ö h n e n u n d d a m i t w a c h s e n d e n Beiträgen. W e n n im J a h r e 1966 die neue Altersversicherung wirksam w ü r d e und d e r J a h r g a n g 1901 die monatliche A l t e r s r e n t e von 100,- D M erhielte, d a n n w ü r d e n die Staatszuschüsse zum alten Versicherungssystem von Jahr zu J a h r geringer w e r d e n und schließlich ganz fortfallen, so d a ß d e r Staat aus d e m Z u s c h u ß b e t r a g von 500 Mill. D M jährlich den Kredit bei der n e u e n Anstalt tilgen k ö n n t e . Erst g e n a u e r e B e r e c h u n g e n , auch wegen d e r e r z i e l b a r c n Ersparnisse an verschiedenden sozialen A u f w e n d u n g e n , k ö n n t e n die G r u n d l a g e für e i n e abschließende Stellungnahme geben.

3. K r a n k e n v e r s i c h e r u n g Bei d e r K r a n k e n v e r s i c h e r u n g ist zu sagen, d a ß die Beiträge auf höchstens 5 % des L o h n e s o d e r G e h a l t e s b e m e s s e n w e r d e n d ü r f t e n , wie es zur Zeit für die amerikanische Z o n e als D u r c h s c h n i t t gilt (vgl. B e g r ü n d u n g zum Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz S. 5). E s wird e m p f o h l e n , den Kreis d e r Versicherungspflichtigen bis zu e i n e m Monatseink o m m e n von 600 D M a u s z u d e h n e n . Wie bereits a u s g e f ü h r t , ist die K r a n k e n v e r s i c h e r u n g eine A n g e l e g e n h e i t d e r Versicherten, weshalb sie a u c h allein Beiträge zahlen sollten. D a m i t die B e i t r ä g e bei aller A n e r k e n n u n g der Notwendigkeit eines sozialen Ausgleichs doch in e i n e m a n g e m e s s e n e n Verhältnis zu den Leistungen bleiben, wäre zu erwägen, bei d e r E r w e i t e r u n g der Versicherungspflicht eine B e s t i m m u n g zu t r e f f e n , wonach bei 5 % B e i t r a g s h ö h e ein alleinstehender Versicherter h ö c h s t e n s 15.- D M . ein Versicherter mit e i n e m mitversicherten A n g e h ö r i g e n höchstens 2 0 , - D M , mit 2 - 3 Mitversicherten höchstens 2 5 , - D M , mit 4 u n d m e h r Mitversicherten den vollen Betrag, also höchstens 3 0 . - D M monatlich zu zahlen h ä t t e . Es ist selbstverständlich, daß d e r A r b e i t g e b e r a n t e i l zur K r a n k e n v e r s i c h e r u n g d e m A r b e i t n e h m e r bei D u r c h f ü h r u n g des Vorschlages mit zur V e r f ü g u n g s t ü n d e , w o d u r c h sich dort, wo bereits 6 % Beiträge für die Krankenversicherung e r h o b e n w e r d e n , insgesamt eine E r m ä ß i g u n g um 1 % e r g ä b e . Z u p r ü f e n wäre f e r n e r , o b nicht nach d e m französischen Vorbild die U n t e r s c h e i d u n g zwischen kurzen und l a n g w ä h r e n d e n E r k r a n k u n g e n e i n g e f ü h r t w e r d e n sollte.

4. Die U n f a l l v e r s i c h e r u n g Bei d e r Unfallversicherung wird vorgeschlagen, d a ß die A r b e i t g e b e r die erforderlichen Beiträge allein t r a g e n , weil es sich um die B e t r e u u n g von A r b e i t n e h m e r n handelt, die im Z u s a m m e n h a n g mit i h r e r B e r u f s a u s ü b u n g eine gesundheitliche Schädigung erlitten h a b e n . Z u p r ü f e n w ä r e , o b nicht die Invalidenversicherung, d. h. die B e t r e u u n g von P e r s o n e n u n t e r 60 bzw. 65 J a h r e n wegen voller o d e r teilweiser Berufs- o d e r E r w e r b s u n f ä higkeit, auf die Unfallversicherung ü b e r t r a g e n w e r d e n sollte, auch wenn es sich nicht um B e r u f s e r k r a n k u n g e n h a n d e l t . Nach d e m Vorbild a n d e r e r europäischer Staaten wird dabei e n t s c h e i d e n d e r W e r t darauf gelegt werden m ü s s e n , d a ß R e n t e n n u r an voll E r w e r b s u n f ä hige gezahlt w e r d e n , w ä h r e n d in d e n übrigen Fällen mit Umschulung, eventuell unter Z a h l u n g v o r ü b e r g e h e n d e r U n t e r s t ü t z u n g e n o d e r einmaliger K a p i t a l s u m m e n , gearbeitet wird. D i e T a t s a c h e , d a ß nach d e m Stande v o n A n f a n g 1939 in der Angestelltenversicher u n g 42 % der R u h e g e l d e m p f ä n g e r im A l t e r u n t e r 65 J a h r e n w a r e n , zeigt, d a ß Fehler im System vorliegen. Die hier vorgeschlagene R e g e l u n g b e d e u t e t e gewiß e i n e erhebliche B e i t r a g s e r h ö h u n g für die A r b e i t g e b e r . W e n n a n g e n o m m e n wird, daß in d e n Rentenversic h e r u n g e n e t w a 680 Mill. D M A u s g a b e n f ü r vorzeitige Invaliden e n t h a l t e n sind, dann w ü r d e n die A r b e i t g e b e r in Z u k u n f t etwa 4 % d e s G e s a m t l o h n e s als Beitrag f ü r die U n f a l l v e r s i c h e r u n g zu zahlen h a b e n . E i n e b e f r i e d i g e n d e Lösung für die B e t r e u u n g der vorzeitig E r w e r b s u n f ä h i g e n bringt dieser Plan nicht; insoweit liegt eine L ü c k e vor.

188

Sozialpolitische Thesen und Vorschläge Heinrich Troegers

5. Arbeitslosenversicherung Die Arbeitslosenversicherung sollte aufgehoben werden, weil die Arbeitslosigkeit ein volkswirtschaftliches Risiko ist, das sich jeder versicherungstechnischen Bewertung und Behandlung entzieht. Es ist Aufgabe des Staates, Konjunkturpolitik, Arbeitsbeschaffung und Arbeitsumschulung zu betreiben und nötigenfalls die erforderlichen Unterstützungssummen aufzubringen. Eine aktive Mitwirkung der Gewerkschaften sollte dabei vorgesehen werden; hier ist eine angemessene Form der Selbstverwaltung zu entwickeln. Der Staat würde durch die Abschaffung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung im Gebiet der Bizone eine Einnahme von monatlich 67,8 Mill. DM verlieren (vergl. das Memorandum der Verwaltung für Arbeit über die finanziellen Auswirkungen des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes vom April 1949, S. 27). Das bedeutete jährlich einen Ausfall von 800 Mill. DM (nach dem neuesten Stand etwa 1000 Mio. D M ) , der zum grösseren Teil durch die Aufhebung der Subventionen für importierte Lebensmittel ausgeglichen würde. Es kommt hinzu, daß nach den hier gemachten Vorschlägen durch die Finanzierung von zusätzlich wenigstens 120000 Wohnungen im Jahre eine Entlastung der öffentlichen Hand auf dem Gebiete der Arbeitslosenfürsorge zu erwarten ist. Wenn zur Finanzierung der Altersversicherung auch Mittel des Lastenausgleiches herangezogen werden, dann würde der Staat eine große Entlastung bei der Zuschußgewährung für die Rentenversicherung der nächsten Jahre erfahren.

IV. Zusammenfassende

Betrachtungen

1. Lohngestaltung Schon an anderer Stelle wurde vermerkt, daß die Gesamtaufwendungen des Arbeitgebers für die Arbeitnehmer seines Betriebes in Betracht gezogen werden müssen, um die Auswirkungen der hier gemachten Vorschläge für Lohn und Gehalt des Einzelnen und des Arbeitgebers zu beurteilen. Ein Beispiel möge das erläutern; es ist an einen Arbeiter gedacht, dessen Ehefrau nicht erwerbstätig ist und der 2 Kinder im Alter bis zu 15 Jahren zu versorgen hat, ohne daß er für Frau und Kinder Sozialzuschläge zum Lohn erhält.

Arbeitnehmer erhält jetzt Bruttolohn Abzüge: 5 9'c Rentenversicherung 12 — 3 9'c Krankenver7,20 sicherung 2 9o Arbeitslosenversicherung 4.80 Nettolohn

240,— DM

216,— DM

Arbeitgeber zahlt jetzt Bruttolohn 5 % Rentenversicherung 12 — 3 % Krankenversicherung 7,20 2 % Arbeitslosenversicherung 4,80 1.2 % Unfallvers. 2,88

240,— DM

266,88 DM

Soziale Lebenssicherung (1950)

189

Nach Durchführung der hier gemachten Vorschläge sähe das vorstehende Beispiel folgendermaßen aus: Arbeitgeber zahlte

Arbeitnehmer erhielte Auszahlung

Abzüge

DM 40,—

DM

Kinderbeihilfe 5 % Krankenvers. 10 % Altersvers, bisheriger Nettolohn

216 —

zusammen

25(i.—

Bruttolohn Nettolohn steuerpflichtiger Lohn

12-

24,-

292,256,-

36 — DM DM

DM 7,2 % Beitrag z. FAK 4 % Beitrag zur Unfallversicherung bisheriger Nettolohn bisherige Beiträge zur Kranken- und bisherige Gesamtbeiträge zur Rentenversicherung

DM 17,28 9,60

216,—

36,—

252,-

216— DM Lohnaufwand bisheriger Gesamtlohn Mehrbelastung = 4.5 % des Gesamtlohnes oder 5,0 % des Bruttolohnes.

278.88 266.88 12,—

Sofern bisher Soziallöhne gezahlt worden sind, würde sich das Mehreinkommen des Arbeitnehmers vorbehaltlich der Verständigung der Tarifparteien um die dadurch bedingte Mehrbelastung des Arbeitgebers möglicherweise verringern. Nach angestellten Ermittlungen in verschiedenen Industriebetrieben ist festgestellt, daß bei diesen im Durchschnitt vom Arbeitgeber für zusätzliche Altersversorgung der Arbeitnehmer 4 % der Lohnsumme, für Verheiratete und Kinderzuschläge 2,5 % der Lohnsumme aufgewendet werden; diese Zahlen lassen sich gewiß nicht verallgemeinern. Die Lage des Arbeitnehmers, der ledig oder ohne Kinder verheiratet ist, erfährt eine gewisse Verschlechterung wegen der Erhöhung der Lebensmittelpreise und der Mieten, denen jedoch in vielen Fällen eine Verringerung der Beiträge zur Altersversicherung gegenüberstünde. Es entsteht hier die Frage, ob durch eine Erhöhung des steuerfreien Existenzminimums schon im Interesse der Verringerung des Verwaltungsaufwandes eine Erleichterung geschaffen werden sollte. Mit Nachdruck sei darauf hingewiesen, daß diese Vorschläge nicht den Zweck haben, Lohnerhöhungen und Lohnverbesserungen zu ersetzen; sie wollen nur deutlich machen, daß an die Spitze aller Maßnahmen auf lohn-, sozial- und steuerpolitischem Gebiet ein gewisser Umbau der Grundlagen der deutschen Sozialordnung gestellt werden sollte, dem sich die Tarifverträge und die steuerliche Regelung anzupassen hätten. Selbstverständlich bedeutete eine Erhöhung des Gesamtlohnaufwandes um 4,5 % eine allgemeine Lohnerhöhung, die bei künftigen Tarifverhandlungen zu berücksichtigen wäre. Daß eine solche Form allgemeiner Lohnerhöhung erstrebenswert ist, weil sie sozial und volkswirtschaftlich notwendig ist, haben die vorstehenden Ausführungen hoffentlich bewiesen. Weitere L o h n - und Gehaltserhöhungen werden in der nächsten Zeit schon deswegen kommen, weil der Aufbau der deutschen Wirtschaft mit ausländischer Hilfe eine bedeutende

190

Sozialpolitische Thesen und Vorschläge Heinrich Troegers

Steigerung des Sozialproduktes mit sich bringen wird, so daß die allgemeine Konsumrate und damit das Realeinkommen der Arbeitnehmer gesteigert werden können und gesteigert werden müssen.

2. Sozialpolitische Bedeutung Hinter diesen Vorschlägen, insbesondere wegen der Altersversicherung, steht der Gedanke, das „Wohlfahrtsamt" weitgehend überflüssig zu machen, mindestens wegen der Rentenempfänger aller Art. Es müßte auch möglich sein, die Arbeitslosen außerhalb der Wohlfahrtsämter sachgemäß zu betreuen. Das Weiterschieben arbeitsloser Unterstützungsempfänger von der Versicherung an die Fürsorge und von dort an die Wohlfahrtsämter wirkt erniedrigend und ist würdelos, abgesehen davon, daß damit erhebliche Verwaltungskosten verbunden sind. Deshalb wird zur Erwägung anheimgegeben, eine Form der Selbstverwaltung oder Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften wegen Betreuung der Arbeitslosen zu finden; es sollten dabei die Arbeitsbeschaffung mit und ohne Umschulung und die Durchführung von Notstandsarbeiten im Vordergrunde stehen. Deshalb wird der Vorschlag gemacht, die Arbeitslosenversicherung nach der bisherigen Form aufzuheben und dem Staate die volle finanzielle und sozialpolitische Verantwortung zu übertragen. Die vorgeschlagene Form der Altersversicherung trägt auch dem Gedanken Rechnung, daß nach dem deutschen Wiederaufbauprogramm der Gesamtkonsum mit Rücksicht auf die begrenzten Importmöglichkeiten und die großen Investitionsbedürfnisse auch nach einer erheblichen Steigerung des Sozialproduktes nicht den Vorkriegsstand erreichen kann (vergl. dazu Schrift der ECA in Washington über „Westdeutschland im europäischen Wiederaufbauprogramm", S. 67). Wenn die Arbeitnehmer unter diesen Verhältnissen nicht einen Teil des verdienten Lohnes ..geschenkweise" dem Arbeitgeber überlassen wollen (vergl. dazu Hofmann in der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 1948, S. 351), dann müssen sie sich an der Kapitalbildung beteiligen; sie tun es am besten für ihre eigenen Zwecke, insbesondere zur Sicherung ihres Alters. D e r Rückgang der Lohnquote, d. h. der Lohn- und Gehaltssumme in Prozenten des Nettoproduktionswertes von 50 % im Jahre 1936 auf 39 % im März 1949 (vergl. dazu „Deutschland in Zahlen", S. 89) zeigt die Lage an. Das sozialpolitische Problem ist die Frage nach der gerechten Verteilung des Sozialproduktes (Volkseinkommens). Die Auseinandersetzung darüber wird niemals aufhören; es ist aber für die Arbeitnehmer von entscheidender Bedeutung, von welcher Grundlage aus sie ihre Forderungen verfechten. Die hier gemachten Vorschläge wollen den Arbeitnehmern durch die Errichtung der Familienausgleichskasse und die Errichtung einer echten Versicherung für das Alter eine bessere Stellung im volkswirtschaftlichen Prozeß sichern, als ihnen bisher nach der deutschen Sozialgesetzgebung eingeräumt war. 3. Volkswirtschaftliche Forderungen Die Schaffung sozialer Sicherungen für den Einzelnen, insbesondere den Arbeitnehmer, ist nicht nur aus allgemein-politischen Gründen jetzt wichtig, sondern bei der Lage der deutschen Volkswirtschaft auch dringend notwendig. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände haben sich schon selbst um die soziale Gestaltung der Löhne und Gehälter bekümmert und Vorschläge für die Zahlung von Kinderbeihilfen unterbreitet, die sich jedoch von den hier gemachten Vorschlägen dadurch unterscheiden, daß sie die volkswirtschaftliche Notwendigkeit der Beseitigung der Lebensmittelsubventionen und einer Erhöhung der gesetzlichen Mieten im Interesse des sozialen Wohnungsbaues nicht berücksichtigen. Die Entwicklung der Leistungslöhne in den Tarifverträgen wäre wesentlich erleichtert, wenn durch Gründung einer Familienausgleichskasse die sozialen Grundlagen gesichert wären.

Soziale Lebenssicherung (1950)

191

Eine ganz besondere Bedeutung wird dem Umstand beigemessen, daß die Umstellung der Altersversicherung auf das Kapitalsparverfahren eine wesentliche Erhöhung der Kapitalbildung mit sich brächte. Dabei wird der Tatsache, daß die Versicherten in bestimmten Grenzen über ihr Sparkapital verfügen können, großer Wert beigelegt. Die deutsche Volkswirtschaft braucht in den nächsten Jahren die Bildung neuen Kapitals ganz dringend. Die Einflußnahme der Arbeitnehmer auf die Anlage der von ihnen gesparten Kapitalien - nicht nur in den Fällen einer Verwendung - wäre volkswirtschaftlich und politisch höchst bedeutsam. 4. Finanzpolitische Bedeutung Die hier gemachten Vorschläge haben zum Ziele, die Sozialversicherung nach Möglichkeit auf eigene Füße zu stellen und von Staatszuschüssen unabhängig zu machen. Für die Zeit der Überleitung bei der Altersversicherung ist das jedoch nicht möglich, weil die jetzigen Rentenversicherungen ihr Kapitalvermögen durch die Währungsreform verloren haben und daher auf Staatszuschüsse für die Rentenzahlungen angewiesen sind. D e r Fortfall der Einnahmen für den Staat aus der Arbeitslosenversicherung wird nach den hier gemachten Vorschlägen durch die Ersparnisse bei den Lebensmittelsubventionen und bei den Zuschüssen für die Sozialversicherung sowie durch andere volkswirtschaftliche Vorteile insbesondere bei der Kapitalbildung vollkommen ausgeglichen. D e r Staat müßte seine Pläne für eine große Steuerreform zurückstellen, bis über den Umbau der sozialen Grundlagen der deutschen Volkswirtschaft entschieden ist. Steuerprogression, steuerfreies Existenzminimum, Steuerermäßigung für Haushaltsangehörige, das Verhältnis der direkten zu den indirekten Steuern und ähnliche Fragen sollten abhängig gemacht werden von der vorherigen sozialen Neugestaltung, insbesondere der Errichtung der Familienausgleichskasse. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, daß die Arbeitnehmer heute absolut und relativ höhere Abgaben an die öffentliche Hand aus ihrem Einkommen entrichten als die wirtschaftlich selbständigen Personen: absolut mehr, weil sie durch die Beiträge zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung tatsächlich öffentliche Aufwendungen finanzieren, die der Sache nach dem Staat obliegen, und relativ mehr, weil die wirtschaftlich Selbstständigen einen beträchtlichen Teil ihrer Ausgaben als Unkosten behandeln können und darüber hinaus durch Abschreibungen und Bewertungsfreiheit aus ihren Einkünften Vermögen bilden, bevor die steuerliche Belastung wirksam wird. Es bedarf keiner näheren Erläuterung, daß die privatwirtschaftliche Bilanz eines Handwerkers, der ein steuerpflichtiges Einkommen von 3 000 oder 4 000 DM jährlich ausweist. erheblich anders, und zwar erheblich günstiger für ihn aussieht als die gleiche Rechnung für einen Arbeitnehmer mit einem Einkommen in gleicher Höhe. Deshalb kann wohl behauptet werden, daß die hier vorgeschlagene allgemeine Lohnerhöhung in Höhe von rund 5 % eine Korrektur im Sinne der Gerechtigkeit wäre.

V. Schlußbemerkungen Kurz zusammengefaßt wird der Vorschlag gemacht, die Löhne in Deutschland um 5 % allgemein zu erhöhen, um 1. die Zahlung von Kinderbeihilfen an die Arbeitnehmer in Höhe von 20,- DM pro Kind und Monat zu ermöglichen; 2. jeden Erwerbstätigen zu einer Altersversicherung mit Kapitaldeckungsverfahren und einer Monatsrente von 100,- DM nach dem 65. Lebensjahre gesetzlich anzuhalten. Die Folge dieser Vorschläge würde sein a) die Beseitigung der Subventionen für importierte Lebensmittel, b) die Möglichkeit einer Erhöhung der gesetzlichen Miete zum Zwecke der Erweiterung des sozialen Wohnungsbaues,

192

Sozialpolitische Thesen und Vorschläge Heinrich Troegers

c) die Trennung von Invaliden- und Altersversicherung, d) die Aufhebung der Arbeitslosenversicherung, e) eine erhebliche zusätzliche Kapitalbildung, Nach Durchführung dieser Vorschläge würde es möglich sein, 1. wesentliche Ausgaben für Verwaltungszwecke, insbesondere in den Lohn- und Personalbüros, zu ersparen; 2. die Steuerreform und die Wirtschaftspolitik auf eine sozial tragfähige Grundlage zu stellen; 3. die Lohnregelung in Zukunft mehr unter dem Gesichtspunkt des Leistungslohnes zu behandeln. Die Vorschläge gehen davon aus. daß es im Jahre 1950 wegen der eingetretenen Steigerung des Sozialproduktes ohne volkswirtschaftliche Schädigung möglich ist, die Löhne und Gehälter um mehr als 5 % über den Stand von 1948/49 zu erhöhen, so daß nach der Durchführung dieser Vorschläge bei den Verhandlungen über die Anpassung der Tarifverträge und sonstigen Lohn- und Gehaltsbestimmungen an die Neuregelung noch Raum für Lohnverbesserungen vorhanden ist. Die Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten sich zu Beginn des Aufbaues der Deutschen Bundesrepublik bei der Lösung der entscheidenden Sozialprobleme zusammenfinden. Die Arbeitnehmer haben durch ihr „vernünftiges" Verhalten in der Zeit nach der Währungsreform bereits einen sehr realen Beitrag geleistet; er sollte jetzt durch die hier vorgeschlagene Form einer allgemeinen Lohnerhöhung zum Zwecke des Umbaues der sozialen Ordnung realisiert werden.

Kurzbiographien Clarence L. Adcock (1895), US-General. 1946 stellv. Militärgouverneur, amerikanischer Vorsitzender von BICO.

1947-49

Viktor Agartz (1897-1964), seit 1918 SPD. 1946 Leiter des Zentralamtes für Wirtschaft in der britischen Besatzungszone. 1947 Leiter des Zwei-Zonen-Wirtschaftsamtes in Minden und MdL in Nordrhein-Westfalen, führender Wirtschaftsexperte des D G B , 1955 Trennung wegen politischer Differenzen, 1957 Ausschluß aus der SPD. Peter Altmeier (1899-1977), 1947-69 Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, seit 1946 Landesvorsitzender der C D U . Wilhelm Apel (1906-1969). 1923 - 33 Verwaltungsbeamter, danach politischer Emigrant im Saargebiet und in Frankreich, ab 1946 Mitglied der Verfassungberatenden Hessischen Landesversammlung und des Hessischen Landtags. 1947 Ernennung zum Staatsrat, 1947-1963 Bevollmächtigter des Landes Hessen bei der Bundesregierung. Josef Arndgen (1894-1966), 1945 Mitgründer der CDU in Hessen. 1945-47 Ministerialdirektor im Hessischen Ministerium für Arbeit und Wohlfahrt, 1946-49 MdL. 1947-51 Hessischer Minister für Arbeit und Wohlfahrt. 1949-65 MdB. Karl Arnold (1901-1958). 1945 Mitgründer der C D U im Rheinland. J a n . - D e z . 1946 Oberbürgermeister von Düsseldorf, Juni 1947 bis Febr. 1956 Ministerpräsident von Nordrhein-Westfahlen. Erich Arp (1909). ab 1945 Vorstandsmitglied der von ihm mitgegründeten SPD SchleswigHolsteins. 1946-50 MdL. nach seinem Austritt aus der SPD 1949 parteilos. 1946-48 Minister für Aufbau bzw. Landwirtschaft und Aufbau von Schleswig-Holstein, bat am 10. 12. 1947 um Beurlaubung wegen seines angegriffenen Gesundheitszustandes. Philipp Auerbach (1906-1952). 1940-45 in Auschwitz und Buchenwald inhaftiert, ab 1946 Staatskommissar für die rassisch, religiös und politisch Verfolgten in Bayern, seit Oktober 1948 Generalanwalt für Wiedergutmachung, ab November 1949 Präsident des bayerischen Landesentschädigungsamtes, wegen Verfehlung in diesem Amt 1951 verhaftet, Freitod nach der Verurteilung im August 1952. Josef Baumgartner (1904-1964). Volkswirt, 1929-33 stellv. Generalsekretär der Bayerischen Bauernvereine. 1945 Mitgründer der CSU. 1945-48 bayerischer Landwirtschaftsminister. MdL in Bayern 1946-54, 1948 Übertritt zur Bayernpartei, Vorsitzender der Bayernpartei 1948—52 und 1953-57, 1954-57 stellv. Ministerpräsident und Landwirtschaftsminister. Georg Berger (1897). Wirtschaftsprüfer, 1947-49 Mitglied des Frankfurter Wirtschaftsrates für die SPD. Ludwig Bergsträsser (1883-1960), Historiker. 1924-28 MdR. wechselte 1930 von der D D P zur SPD, nach dem Krieg Regierungspräsident in Darmstadt. 1948-49 Abgeordneter im Parlamentarischen Rat, 1949—53 MdB. Sir Vaughan Berry (1891), 1946-49 Regional Commissioner für Hamburg der britischen Militärregierung, 1949-50 britischer Vertreter in der Internationalen Ruhrbehörde.

194

Kurzbiographien

Ulrich Biel (1907), Rechtsanwalt. 1934 Emigration nach USA, 1946-52 Tätigkeit für USAußenministerium, leitende Funktionen bei O M G U S und H I C O G , ab Nov. 1949 Land Observer in Hannover, anschließend Rechtsanwalt und Notar in Berlin, seit 1965 C D U , ab 1971 Mitglied des Abgeordnetenhauses. Franz Blücher (1896-1959), 1945 Mitgründer der F D P in Essen, ab 1946 Finanzminister in Nordrhein-Westfalen, 1947 MdL, ab Juni 1947 Mitglied des Frankfurter Wirtschaftsrates, 1949— 58 MdB, 1949—57 Vizekanzler und Bundesminister für Angelegenheiten des Marshallplans bzw. wirtschaftliche Zusammenarbeit. Lorenz Bock (1883-1948), Rechtsanwalt, C D U , 1947-48 Staatspräsident von Württemberg-Hohenzollern. Paul Bourdin (1900-1955), 1945 - 49 Lizenzträger und Chefredakteur der Berliner Abendzeitung „Der Kurier", Dez. 1949-Jan. 1950 Pressechef der Bundesregierung, Mai—Sept. 1950 Chefredakteur der „Welt", dann freier Journalist. Max Brauer (1887-1973), seit 1903 SPD, 1924-33 Oberbürgermeister von Altona, Emigration, 1946—53 und 1957-60 1. Bürgermeister von Hamburg, 1961—65 MdB. Arnold Brecht (1884-1977), seit 1910 Ministerialbeamter in Preußen und im Reich, 1933 Emigration nach USA, Prof. für Polit. Wissenschaften in New York, nach dem Krieg Berater der US-Militärregierung, Gastprofessor in Heidelberg. Hermann Louis Brill (1895-1959), 1920-33 MdL Thüringen (USPD bzw. SPD), 1932 M d R , nach 1933 wiederholt inhaftiert, 1939-43 Zuchthaus Brandenburg, dann KZ Buchenwald bis 1945, 1945 Regierungsschef von Thüringen, 1946 Chief Consultant bei O M G U S , Berlin, 1947—49 Staatssekretär und Leiter der Hessischen Staatskanzlei, ab 1948 Professor an der Universität Frankfurt, 1949-53 MdB (SPD). Gustav Dahrendorf (1901-1954), SPD, als Mitglied des Goerdeler-Kreises 1944 zu Zuchthaus verurteilt, 1928-33 und seit Oktober 1946 als Abgeordneter in der Hamburger Bürgerschaft, 1947-49 Vizepräsident des Frankfurter Wirtschaftsrates. Justus Danckwerts (1887-1969), ab 1920 preußischer Ministerialbeamter, 1923-1930 Regierungspräsident in Stade, 1946 Ministerialrat in Niedersachsen. Hermann Dietrich (1879-1954), 1928 - 33 Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, anschließend Reichswirtschaftsminister ( D D P bzw. Staatspartei) 1930-32 Reichsfinanzminister, 1945 Mitgründer der FDP, Sept. 1946-Sept. 1947 Vorsitzender des Amtes f ü r Ernährung und Landwirtschaft für die amerikanische und britische Zone, danach wieder als Rechtsanwalt tätig. Fritz Dietz (1909-1984), Zuckergroßkaufmann und Verbandspolitiker, war daneben ab Februar 1946 Vertreter des hessischen Ernährungs- und Landwirtschaftsministers und 1946—48 Präsident des Landesernährungsamtes Hessen. Sir Sholto Douglas (1893-1969), 1940 Generalstabschef der britischen Luftwaffe, nach dem Krieg zum Luftmarschall befördert, 1947-48 Militärgouverneur für die Britische Besatzungszone. Walter Dudek (1890-1976), SPD seit 1916,1925-33 Oberbürgermeister von Harburg, ab 1933 Textilkaufmann, 1944 verhaftet, 1946-53 Senator und Präses der Finanzbehörde Hamburg.

Kurzbiographien

195

John Foster Dulles (1888-1976), Berater der US-Delegationen auf den Außenministerkonferenzen, 1952—59 US-Außenminister. Fritz Eberhard (1896-1982), seit 1922 SPD, 1947-49 Staatssekretär im WürttembergBadischen Staatsministerium und Leiter des Deutschen Büros für Friedensfragen, 1948-49 Mitglied des Parlamentarischen Rates, 1949-58 Intendant des Süddeutschen Rundfunks. Werner Eggerath (1900-1977), KPD/SED, 1947-52 Ministerpräsident von Thüringen, 1954-57 Botschafter der D D R in Rumänien, 1957-60 Staatssekretär für Kirchenfragen. H a n s Ehard (1887-1980), 1924 Anklagevertreter im Hitler-Prozeß, vor 1933 Mitglied der BVP, 1945/46 Staatssekretär im bayerischen Justizministerium, 1946-54 und 1960- 62 bayerischer Ministerpräsident, 1962-66 Justizminister, 1949-55 Vorsitzender der CSU. Johannes von Elmenau (1906), nach dem Krieg Regierungsrat in der Bayerischen Staatskanzlei, 1948-49 Leiter des Hauptreferats Wirtschaft, Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in der Direktorialkanzlei des Verwaltungsrates des V W G , dann bis 1974 im bayerischen Kultusministerium. Hans Ewers (1887-1968), Rechtsanwalt, 1929-33 im Lübecker Senat (DVP), Landesvorsitzender der D P in Schleswig-Holstein, 1949-53 MdB. Gustav Otto Feick (1904-1983), 1946-56 Stadtkämmerer in Darmstadt, 1956-57 Staatssekretär im Hessischen Finanzministerium. 1957 - 60 Präsident der hess. Brandversicherungskammer, 1960 Stadtkämmerer in Wiesbaden. Eugen Fischer (1880), Jurist, seit 1907 im Eisenbahndienst, ab Jan. 1946 Generaldirektor des Verkehrswesens der US-Zone, ab Jan. 1947 Leiter der Reichsbahn-Generalbetriebsleitung Süd in Stuttgart. Herbert Fischer-Menshausen (1906), 1948/49 Ministerialrat im Frankfurter Länderrat, 1949/50 im Bundesrat, 1950-58 im Bundesfinanzministerium (zuletzt Ministerialdirektor), 1959-69 Vorstandsmitglied bei ESSO. Walter Fliess (1901), seit 1925 führender Funktionär des Internationalen Jugend-Bunds und des ISK, 1933 Flucht nach Holland und Großbritannien, 1943-45 Mitarbeiter am Radiosender Freies Europa, 1947-48 Leiter der Abteilung German Organisations bei der britischen Militärverwaltung, 1948 für das Foreign Office als Berater bei B I C O in Frankfurt/M. Ernst Fraenkel (1891-1971), Prof. für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, emigrierte 1939 nach Großbritannien, kehrte 1947 nach Deutschland zurück als Lehrer an das Pädagogische Institut Jugenheim/Bergstraße, seit 1957 o. Prof. und Direktor des Instituts für Wissenschafts- und Sozialgeschichte der Universität Frankfurt/M. A n d r é Fran?ois-Poncet (1887-1978), 1 9 3 1 - 3 8 Botschafter Frankreichs in Berlin, 194953 Hoher Kommissar, 1953-55 Botschafter in Bonn. Karl Johann Freudenberg (1886-1983), 1 9 2 6 - 56 Professor für Chemie an der Universität Heidelberg, 1949/50 Rektor.

196

Kurzbiographien

Carl J . Friedrich (1901), Politikwissenschaftler, seit 1922 in U S A , seit 1927 Prof. in H a r v a r d , 1 9 5 6 - 6 8 auch in Heidelberg, 1946— 49 Governmental Affairs Adviser der amerikanischen Militärregierung. J o s e p h Kardinal Frings ( 1 8 8 7 - 1 9 7 8 ) , 1 9 4 2 - 6 9 Erzbischof von Köln, Herbst Frühjahr 1949 Mitglied der C D U .

1948-

E d m u n d Frohne ( 1 8 9 1 - 1 9 7 1 ) , Bauingenieur. Reichsbahnbeamter, nach dem Krieg Staatssekretär für Verkehr in Niedersachsen, 1 9 4 7 - 4 9 Direktor der Verwaltung für Verkehr im V W G , 1949 Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, 1 9 5 2 - 5 6 Vorstandsvorsitzender der Bundesbahn. G e r h a r d Fürst (1897), 1 9 4 5 - 4 8 Direktor im Statistischen Landesamt Hessen, 1 9 4 9 - 6 4 Leiter bzw. seit 1951 Präsident des Statistischen Bundesamtes. Walther Ernst G a s e (1901), nach Kriegsende Leiter des Oberfinanzpräsidiums in Kassel, 1 9 4 7 - 5 0 Ministerialdirektor im Hessischen Finanzministerium, 1 9 5 0 - 5 2 Staatssekretär im Bundesministerium für den Marshall-Plan. A n d r e a s G a y k ( 1 8 9 3 - 1 9 5 4 ) , 1 9 4 5 - 5 4 Oberbürgermeister von Kiel, seit 1946 M d L Schleswig-Holstein, 1 9 4 8 - 4 9 Abgeordneter im Parlament. R a t . ab 1946im PV der S P D . Willi G e b h a r d (1901). K P D / S E D . 1 9 4 7 - 5 2 Innenminister in Thüringen. 1. Vorsitzender des R a t e s des Bezirks Erfurt.

1952-62

Ernst Gerlach ( 1 8 9 8 - 1 9 7 9 ) . Direktor des Instituts für Städt. Straßenwesen und des Zentralinstituts für Städtebau der T U Berlin. H e r m a n n Gögler ( 1 8 8 7 - 1 9 6 4 ) . 1 9 2 1 - 3 6 im Württembergischen Wirtschaftsministerium, 1 9 4 5 - 5 1 Ministerialdirektor bzw. Staatssekretär im Württ.-Badischen Staatsministerium, Vertreter im Süddeutschen Länderrat in Stuttgart. 1947 Vertreter im Exekutivrat, 1 9 4 9 - 5 2 Vertreter des Landes Württemberg-Baden in Bonn. Victor Gollancz (1893—1967), englischer linkssozialistischer Schriftsteller und Verleger, setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg für die Versöhnung zwischen Großbritannien und Deutschland ein, unternahm im November 1946 und Frühjahr 1947 Reisen durch die britische Z o n e Deutschlands. Karl Hagen ( 1 8 9 0 - 1 9 5 9 ) . nach dem Krieg Vizepräsident des O L G G e r a und stellv. Vorsitzender der thüringischen Justizverwaltung. M d L Thüringen und Fraktionsvorsitzender der C D U , 1948 Übersiedlung in den Westen, später Ministerialdirigent im Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen. A u g u s t Halbfell ( 1 8 8 9 - 1 9 6 5 ) , S P D seit 1931, nach Kriegsende Leiter des Arbeitsamts E s s e n und Präsident des Landesarbeitsamtes Westfalen-Lippe. 1 9 4 6 - 5 0 Arbeitsminister in Nordrhein-Westfalen, 1 9 4 7 - 5 4 M d L . Bernhard Hansen (1896), Rechtsanwalt, seit 1946 S P D , 1 9 4 6 - 4 9 in der Hamburger Bürgerschaft, Vertreter Hamburgs im Exekutivrat. Länderrat und Bundesrat, dann wieder als Rechtsanwalt tätig. G u s t a v Wilhelm Harmssen ( 1 8 9 0 - 1 9 7 0 ) . ab 1933 Direktor, ab 1942 Vorstandsmitglied der Atlas-Werke B r e m e n , 1 9 4 5 - 5 3 Senator für Wirtschaftsforschung und Außenhandel in B r e m e n , seit 1948 B D V bzw. F D P .

Kurzbiographien

197

A l f r e d H a r t m a n n ( 1 8 9 4 - 1 9 6 7 ) . seit D e z e m b e r 1945 im B a y e r . Finanzministerium. 1 9 4 7 49 D i r e k t o r d e r V e r w a l t u n g für Finanzen im V W G , 1 9 4 9 - 5 9 Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Fritz H e i n e (1904). 1933—45 mit dem emigrierten Parteivorstand der S P D in P r a g . Paris u n d L o n d o n , 1 9 4 6 - 5 7 Mitglied im Parteivorstand u n d Pressechef der S P D . 1958 - 74 G e s c h ä f t s f ü h r e r der Konzentration G m b H . B o n n . Fritz H e n ß l e r ( 1 8 8 6 - 1 9 5 3 ) , 1 9 3 0 - 3 3 M d R ( S P D ) , anschließend insgesamt n e u n J a h r e i n h a f t i e r t , seit N o v e m b e r 1946 O b e r b ü r g e r m e i s t e r von D o r t m u n d , ab April 1947 M d L Nordrhein-Westfalen. 1949-53 MdB. H u b e r t H e r m a n s (1909). 1 9 4 4 - 4 7 Richter in Koblenz. 1947 Ministerialrat im Justizministerium R h e i n l a n d - P f a l z , ab 1948 in der Staatskanzlei. 1 9 5 2 - 7 1 Bevollmächtigter von R h e i n l a n d - P f a l z beim B u n d . 1949 kurzzeitig im Parlamentarischen Rat ( C D U ) . Paul H e r m b e r g ( 1 8 8 8 - 1 9 6 9 ) . P r o f e s s o r für Volkswirtschaft, bis 1933 Professor in Leipzig ( f ü r Statistik), 1 9 3 6 - 5 5 Tätigkeit in Kolumbien und U S A . 1 9 4 6 - 4 8 in Diensten von O M G U S , seit 1957 H o n o r a r p r o f e s s o r an der F U Berlin. A n d r e a s H e r m e s (1878—1964), 1 9 2 0 - 2 2 R c i c h s e r n ä h r u n g s m i n i s t e r . 1 9 2 2 - 2 3 Reichsfinanzminister ( Z e n t r u m ) , nach d e m Krieg erster Vorsitzender der von ihm m i t b e g r ü n d e t e n C D U in d e r S B Z bis D e z e m b e r 1945. 1946 Ü b e r s i e d l u n g in den W e s t e n . 1 9 4 7 - 4 9 A b g e o r d n e t e r im Wirtschaftsrat. bis 1961 Vorsitzender des R a i f f e i s e n v e r b a n d e s . Erwin Hielscher ( 1 8 9 8 - 1 9 7 1 ) . a b O k t o b e r 1945 Ministerialrat im Bayerischen Finanzministerium. A u g u s t 1 9 4 6 - 1 9 6 4 S t a d t k ä m m e r e r in M ü n c h e n . 1 9 4 7 - 4 8 zugleich stellv. Vorsitzender d e r Sonderstelle G e l d und Kredit. H e i n z Hilpert ( 1 8 9 0 - 1 9 6 7 ) , Regisseur u n d I n t e n d a n t , a b 1945 Gastregisseur u . a . a m Schauspielhaus Z ü r i c h , 1 9 4 7 - 4 8 I n t e n d a n t der Städt. B ü h n e n F r a n k f u r t . 1 9 5 0 - 6 5 in Göttingen. W e r n e r Hilpert ( 1 8 9 7 - 1 9 5 7 ) . 1 9 2 2 - 3 3 V e r b a n d s s y n d i k u s . 1 9 3 9 - 4 5 im K Z B u c h e n w a l d , O k t . 1945 bis J a n . 1947 Minister o h n e G e s c h ä f t s b e r e i c h und stellv. Ministerpräsident von H e s s e n . V o r s . d e r hessischen C D U . J a n . 1947 bis Dez. 1950 Finanzminister und stellv. M i n i s t e r p r ä s i d e n t . 1 9 4 6 - 5 2 M d L H e s s e n . 1 9 5 2 - 5 7 Präsident d e r D e u t s c h e n Bundesbahn. Paul G . H o f f m a n ( 1 8 9 1 - 1 9 7 4 ) . 1 9 3 5 - 4 8 Präsident der S t u d e b a k e r A u t o m o b i l Gesellschaft, 1 9 4 8 - 5 0 E R P - A d m i n i s t r a t o r . 1 9 5 0 - 5 3 Präsident der F o r d - F o u n d a t i o n . Friedrich H o l z a p f e l ( 1 9 0 0 - 1 9 6 9 ) . 1945 - 46 O b e r b ü r g e r m e i s t e r von H e r f o r d , stellv. V o r s i t z e n d e r d e r C D U W e s t f a l e n und bis 1952 d e r Bundespartei ( C D U ) , stellv. G e n e r a l s e k r e t ä r des V e r w a l t u n g s a m t e s f ü r Wirtschaft in M i n d e n , v o r ü b e r g e h e n d M d L N o r d r h e i n - W e s t f a l e n . 1 9 4 7 - 4 9 Mitglied des F r a n k f u r t e r Wirtschaftsrates. 1 9 4 9 - 5 3 M d B , 1 9 5 2 - 5 8 G e s a n d t e r bzw. B o t s c h a f t e r in der Schweiz. Kurt J a h n (1914), 1945 - 4 9 Leiter des Versicherungs-, Besatzungs- u n d S c h a d e n s a m t e s in G i e ß e n , 1 9 4 9 - 5 2 Regierungsrat im Hessischen A r b e i t s m i n i s t e r i u m . 1 9 5 2 - 5 8 Landeso b e r v e r w a l t u n g s r a t d e r Landesversicherungsanstalt W e s t f a l e n , zugleich seit 1945 Lehrtätigkeit, zuletzt 1959 —70 H o n o r a r p r o f e s s o r f ü r Sozialversicherungswesen an der F U Berlin.

198

Kurzbiographien

Paul Josten (1887), 1924 Ministerialrat im Reichswirtschaftsministerium. 1948 Hauptabteilungsleiter bei der Verwaltung für Wirtschaft. Wilhelm Kaisen (1887-1979), seit 1905 SPD, 1927-33 Senator für Wohlfahrt in Bremen, von Aug. 1945 bis Juli 1965 Bürgermeister und Senatspräsident von Bremen, 1946-50 Mitglied des Parteivorstands der SPD. Jakob Kaiser (1888-1961), Mitgründer und ab 1947 1. Vorsitzender der C D U in der SBZ bis zu seiner Absetzung durch die S M A D im Jan. 1948, 1948-49 Vertreter Berlins im Parlamentarischen Rat, 1949-57 Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen. Rudolf Katz (1895-1961), SPD, 1933 Emigration nach China. 1935 weiter nach USA, 1946 Rückkehr mit der Delegation der „Association of Free Germans", 1947-50 Justizminister in Schleswig-Holstein, Vertreter im Frankfurter Länderrat, 1948-49 Mitglied des Parlamentarischen Rates, seit September 1951 Richter und Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts. H e r m a n Katzenberger (1891-1958), 1920 Generalsekretär der Deutschen Zentrumspartei, 1928—33 im A A , nach Kriegsende Mitbegründer und Verlagsleiter, des Berliner CDU-Organs „Neue Zeit", 1947 Ministerialdirigent und Pressechef der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, 1949—51 Direktor des Sekretariats des Bundesrats, 19511956 Gesandter in Irland. E d m u n d Kaufmann (1893-1953), C D U , 1946 Landesdirektor für Wirtschaft, Ernährung und Verkehr in Karlsruhe, 1946—48 Ministerialdirektor im Württ.-Bad. Wirtschaftsministerium, 1948-49 stellvertretender Direktor der Verwaltung für Wirtschaft des V W G , 1949-51 Württ.-Bad. Finanzminister. Theophil Kaufmann (1888-1961), 1946-48 Bürgermeister von Ettlingen/Baden, 1948— 1949 Mitglied des Frankfurter Wirtschaftsrates und des Parlamentarischen Rates ( C D U ) , 1952-54 Generalkonsul in Basel. Günter Keiser (1902), 1933 - 37 Redakteur bei der Voss. Zeitung und Frankfurter Zeitung. 1946-49 Hauptabteilungsleiter im Verwaltungsamt für Wirtschaft (Grundsatzabteilung). Mitglied Sonderstelle Geld und Kredit, 1950-51 im Bundeswirtschaftsministerium, 1952-56 Feldmühle A G , 1956- 64 bei O E E C bzw. O E C D in Paris. Manfred Klaiber (1903-1981), seit 1926 im A A , 1949-57 Chef des Bundespräsidialamts in Bonn, 1957 deutscher Botschafter in Italien und 1963—68 in Frankreich. Karl Heinrich Knappstein, (1906), nach Kriegsende Ministerialdirektor im Hessischen Ministerium für polit. Befreiung, 1936-43 Redakteur bei der Frankfurter Zeitung, ab 1948 Leiter der Presseabteilung des Verwaltungsrats des VWG, 1950-56 Generalkonsul in Chicago, 1956-58 Botschafter in Spanien, 1958 - 60 ao. Staatssekretär im A A , 1 9 6 0 - 62 deutscher Beobachter bei der UN, New York. Wilhelm Knothe (1888-1952), SPD seit 1906, ab 1945 Mitglied des Bürgerrates in Frankfurt/M., Vorsitzender der SPD-Fraktion im vorbereitenden Landesausschuß und in der Verfassungberatenden Landesversammlung für das Land Hessen, bis 1951 im SPD-Parteivorstand, 1949-52 MdB. Harald Koch (1907), 1946 Finanz- und Wirtschaftsminister in Oldenburg MdL Niedersachsen (SPD), 1947-49 hessischer Wirtschafts- und Verkehrsminister, 1 9 4 9 - 5 3 MdB.

Kurzbiographien

199

Erich K ö h l e r ( 1 8 9 2 - 1 9 5 8 ) , vor 1933 bei der D V P , 1 9 3 3 - 3 8 arbeitslos, schlug sich anschließend als Versicherungsagent durch. 1945 Hauptgeschäftsführer der Industrieund H a n d e l s k a m m e r Wiesbaden und Mitgründer der C D U in Hessen, seit 1946 stellv. L a n d e s - und Fraktionsvorsitzender im Hessischen Landtag, von Juni 1947 bis Aug. 1949 Präsident des F r a n k f u r t e r Wirtschaftsrats, 1 9 4 9 - 5 3 M d B , 1 9 4 9 - 5 0 Präsident des Bundestags. Heinrich Köhler ( 1 8 7 8 - 1 9 4 9 ) , 1 9 2 0 - 2 7 bad. Finanzminister, 1923 und 1926 bad. Staatspräsident, 1 9 2 7 - 2 8 Reichsfinanzminister, 1 9 4 6 - 4 8 Wirtschaftsminister von W ü r t t e m b e r g - B a d e n , Vertreter im Exekutivrat bzw. Länderrat. Eugen K o g o n (1903), seit 1946 Mitherausgeber der „Frankfurter H e f t e " , 1 9 5 1 - 6 8 o. Professor für wissenschaftliche Politik an der T H Darmstadt. Walter K o l b ( 1 9 0 2 - 1 9 5 6 ) , seit 1920 SPD, 1 9 2 4 - 3 3 (Entlassung) öffentlicher Dienst, 1 9 3 4 - 4 1 Anwaltspraxis in Bonn, 1 9 4 1 - 4 5 Militärdienst, O k t . 1945 Oberstadtdirektor in Düsseldorf, 1 9 4 6 - 5 6 Oberbürgermeister von Frankfurt/M. Hinrich Wilhelm Kopf ( 1 8 9 3 - 1 9 6 1 ) , ab Sept. 1945 Oberpräsident der Provinz H a n n o v e r , seit 1946 M d L S P D , 1 9 4 6 - 5 5 Ministerpräsident von H a n n o v e r bzw. Niedersachsen. H a n s K r a u s ( 1 8 7 9 - 1 9 5 2 ) , 1919—32 im Bayerischen Finanzministerium, 1 9 4 5 - 4 6 Ministerialdirektor bzw. Staatssekretär in der Bayerischen Staatskanzlei, 1 9 4 6 - 5 0 Finanzminister. Carl Krautwig ( 1 9 0 4 - 1 9 8 1 ) , nach d e m Krieg Oberverwaltungsdirektor bei der Stadtverwaltung Köln, später Ministerialdirektor und Leiter der Direktorialkanzlei des Verwaltungsrates des V W G , 1953—1963 Ministerialdirektor im Bundesministerium für Wirtschaft, 1 9 6 4 - 6 8 Staatssekretär im Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen. G e r h a r d Kreyssig ( 1 8 9 9 - 1 9 8 2 ) , 1 9 3 1 - 4 5 Leiter d e r wirtschaftspolitischen Abteilung des Internationalen Gewerkschaftsbundes in Berlin, Paris und L o n d o n , 1946—51 Wirtschaftsredakteur der Süddeutschen Zeitung, 1 9 4 7 - 4 9 Mitglied des F r a n k f u r t e r Wirtschaftsrats ( S P D ) , 1 9 5 1 - 6 5 M d B , 1958 - 65 M d E P . Herbert K r i e d e m a n n ( 1 9 0 3 - 1 9 7 7 ) , seit 1925 bei d e r SPD, ab 1946 Mitglied des Parteivorstands, 1 9 4 7 - 4 9 M d L Niedersachsen und Mitglied des Wirtschaftsrats. Alfred K ü b e l (1909), S P D , 1946 Ministerpräsident von Braunschweig, in Niedersachsen 1 9 4 6 - 70 Minister (Wirtschaft, Verkehr, A r b e i t , Finanzen) und 1 9 7 0 - 7 6 Ministerpräsident. Wilhelm Külz ( 1 8 7 5 - 1 9 4 8 ) , 1904 Oberbürgermeister von Bückeburg, 1912 von Zittau, 1 9 3 0 - 3 3 von D r e s d e n , 1920 - 30 M d R ( D D P bzw. Staatspartei), 1926 Reichsminister des I n n e r n , 1 9 4 5 - 4 8 Vorsitzender der L D P in der S B Z , 1 9 4 6 - 4 8 Vorsitzender der L D P ( z u s a m m e n mit T h e o d o r Heuss) in ganz Deutschland. Georg K u r l b a u m (1902), Diplomingenieur, 1 9 3 1 - 4 1 T e l e f u n k e n Gesellschaft für drahtlose Telegraphie in Berlin, danach im Vorstand der Metrawatt A . G . Nürnberg, 1 9 4 9 1969 M d B {SPD). Ludwig M a x Lallinger (1908), Polizeibeamter und Mitgründer der Bayernpartei, wurde im H e r b s t 1945 von der Militärregierung als Leibwächter von H o e g n e r eingesetzt, verschiedene Ä m t e r in der Landesleitung der B P , M d L in Bayern 1 9 5 0 - 66.

200

Kurzbiographien

Johannes Langendörfer (1891-1985), Arzt, 1946-56 Oberstadtdirektor in Bonn. Herbert Lauffer (1900-1980), seit 1946 Staatssekretär in Niedersachsen und von 1951-56 in Hessen, 1956—64 Vorstandsvorsitzender der Hessischen Landesbank/Girozentrale. Joachim Lehmann (1901), 1946-47 Geschäftsführer der Handelskammer Hamburg, ab 1947 Justitiar des Exekutivrats. 1950-51 Leiter der Rechtsabteilung des Bundespräsidialamts, 1 9 5 1 - 5 9 Richter am Bundesverfassungsgericht. Edward H. Litchfield (1914), 1937 - 38 Dozent für polit. Wissenschaft an der Brown University, 1942—45 stellv. Direktor der Michigan State Civil Service Commission, 1946 - 4 7 stellv. Direktor von Civil Administration Division (CAD) der US-Militärregierung in Berlin, 1947-49 Direktor, 1950-53 Geschäftsführer der American Political Science Association. Fritz Löwenthal (1888-1956), seit 1928 KPD, 1930-32 MdR, 1933 Emigration nach UdSSR, E n d e 1946 bis zu seiner Flucht im Mai 1947 nach Westdeutschland Abteilungsleiter in der deutschen Zentralverwaltung für Justiz der SBZ, anschließend SPD, 19481949 Abgeordneter im Parlamentarischen Rat. Erich Walter Lötz (1895-1966), bis 1960 Oberstadtdirektor in Braunschweig. Herbert Lubowski (1898-1977), nach Kriegsende Oberregierungsrat im Thüring. Finanzministerium, 1946-50 Ministerialrat im Hess. Finanzministerium, 1950—68 Präsident der Deutschen Pfandbriefanstalt. Hermann Lüdemann (1880-1959). seit 1912 SPD, ab Nov. 1946 Innenminister und stellv. Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, von April 1947 bis Aug. 1949 Ministerpräsident. Hans Lukaschek (1885-1960). 1929-33 Oberpräsident von Oberschlesien. 1944-45 KZ Ravensbrück, nach 1945 Mitgründer der CDU in Thüringen, bis zur Amtsenthebung Sept. 1946 Minister für Land- und Forstwirtschaft, April 1948 bis Juni 1949 Vizepräsident des Deutschen Obergerichts für das V W G , 1949-53 Bundesminister für Angelegenheiten der Vertriebenen. Sir Gordon MacReady (1891), 1942 Chief of British Army Staff in Washington, 1946-47 Regional Commissioner für Niedersachsen, 1947-49 britischer Vorsitzender von BICO. Alfred Mehmel (1898-1972), 1939- 65 Ordinarius für Massivbau und Institutsdirektor der TH Darmstadt. Walter Menzel (1901-1969), SPD seit 1921, im Herbst 1945 Berater der US-Militärregierung Berlin, Sept. 1946-Aug. 1950 Innenminister von Nordrhein-Westfalen, 1948-49 Abgeordneter des Parlamentarischen Rates. Verfassungsexperte der SPD, 1946-69 MdB. Ludwig Metzger (1902). SPD. März 1945 - Januar 1951 Oberbürgermeister von Darmstadt, seit 1946 MdL Hessen, von Juli 1947 bis Februar 1948 Vertreter Hessens im Exekutivrat, von Januar 1951-53 Hessischer Kultusminister. 1953-69 MdB. Gebhard Müller (1900). Jurist, 1934-45 Amtsrichter, 1946 Vertreter des Justizministers in Württemberg-Hohenzollern. 1948-52 Staatspräsident. Finanz- und Justizminister

Kurzbiographien

201

von Württemberg-Hohenzollern. 1953-58 Ministerpräsident von Baden-Württemberg ( C D U ) , 1958-71 Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Josef Müller (1898-1979). 1945 Mitgründer. 1946-49 Landesvorsitzender der CSU, 1946 - 62 MdL in Bayern, 1947-52 Justizminister und stellv. Ministerpräsident. Robert D. Murphy (1894-1978). amerikanischer Diplomat. 1944-49 politischer Berater der amerikanischen Militärregierung für Deutschland. 1949-52 Botschafter in Belgien. Wilhelm von Nathusius (1893-1952), Verwaltungsjurist, arbeitete nach 1945 zunächst in der Zentralverwaltung des Verkehrswesens von Berlin, seit Juli 1946 Abteilungsleiter und Ministerialrat im Hessischen Landwirtschaftsministerium, seit Sommer 1948 Bürgermeister von Wiesbaden, ab Januar 1950 Leitung der Unterabteilung für Verfassung und Staatsrecht im Bundesinnenministerium. Alfred Nau (1906-1983), SPD. 1928-33 Sekretär beim Parteivorstand. 1945 Mitarbeiter Kurt Schumachers, seit 1946 Mitglied des Parteivorstands, 1946-75 Schatzmeister der SPD. Franz Neumann (1904-1974). 1946-58 Landesvorsitzender der SPD in Berlin, 1946-60 Stadtverordneter und MdA Berlin, 1946-69 MdB. Wilhelm Niklas (1887-1957), CSU, bis 1943 MinRat im Bayer. Landwirtschaftsministerium, nach Kriegsende MinRat und MinDirektor im Bayer. Landwirtschaftsministerium ( O k t . 1945 Ernennung zum Staatsrat), 1948-49 stellv. Direktor der Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des V W G . 1949-53 Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Martin Nischalke (1882-1962), SPD. 1928 Regierungs- und Schulrat in Arnsberg, 1933 entlassen, seit dem 1, Mai 1945 Regierungspräsident in Wiesbaden, 1946 Mitglied der Verfassungberatenden Landesversammlung Hessen, bis 1950 MdL. Erik Nölting (1892-1953), S P D seit 1923, nach dem Krieg Generalreferent für die Wirtschaft in Westfalen, Juni 1947-50 Wirtschaftsminister in Nordrhein-Westfalen, 1 9 4 9 - 5 3 MdB. Erich Ollenhauer (1901 - 1 9 6 3 ) , seit 1933 im Parteivorstand der SPD, 1946-52 stellvertretender, 1952-63 Vorsitzender der SPD, 1949-63 MdB. Kurt Oppler (1902-1981), bis 1937 Rechtsanwalt in Gleiwitz, politisch aktiv in der SAPD, 1938 Emigration nach Holland anschließend Belgien, 1946 Rückkehr, aktiv in der SPD, ab Mai 1946 Ministerialdirektor und Abteilungsleiter im Hessischen Justizministerium, ab Oktober 1947 Chef des Personalamts des V W G , 1952 Gesandter, später Botschafter in Island, Norwegen (1956), Belgien (1959). Kanada (1963-66). Lord Francis Angier Pakenham (1905). 1938 Labourkandidat für das Parlament in Oxford, 1941-44 persönlicher Assistent von Sir William Beveridge. 1946-47 parlamentarischer Staatssekretär im War Office, 1948-51 Minister für Zivile Luftfahrt. Anton Pfeiffer (1888-1957), Studienrat, 1918-33 Generalsekretär der BVP, 1945 Mitgründer der CSU, 1 9 4 5 - 4 6 als Staatsrat bzw. Staatssekretär Leiter der Bayerischen Staatskanzlei, 1946 Staatsminister, MdL in Bayern 1946-50, 1948-49 Mitglied des Parlamentarischen Rats, 1950-54 deutscher Generalkonsul bzw. Botschafter in Brüssel.

202

Kurzbiographien

Hans Piloty (1894 - 1 9 6 9 ) , Professor für Elektrische Nachrichten- und Meßtechnik, 19481951 Rektor der T H München. Hans Carl Podeyn (1894-1965), SPD, 1924-33 Abgeordneter in der Hamburger Bürgerschaft, 1945 Senatsdirektor im Landwirtschaftsamt Hamburg, 1946-49 Abteilungsleiter und Ministerialrat in der Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, 1949 Generalreferent im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, 1949—54 bei der Vertretung Bonns in Washington, 1954-59 Botschafter in Pakistan. Heinrich Potthoff (1904-1974), Wirtschaftswissenschaftler, 1945 Direktor eines Elektrizitätsversorgungsunternehmens in Minden-Ravensberg, 1946 Ministerialdirektor im Wirtschaftsministerium Nordrhein-Westfalen, 1950 stellv. Mitglied für die Gewerkschaft in der Internationalen Ruhrbehörde, 1951 Chef der deutschen Delegation in der Ruhrbehörde, 1953 - 63 deutscher Vertreter in der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Ludwig Preller (1897-1974), seit 1920 SPD, ab 1946 Leiter der Abteilung Sozial- und Kulturpolitik im Süddeutschen Länderrat in Stuttgart, 1947 Honorarprofessor T H Stuttgart, 1 9 4 8 - 5 0 Minister für Arbeit, Wirtschaft und Verkehr in Schleswig-Holstein, 1 9 5 1 - 5 7 MdB. Friedrich Wilhelm von Prittwitz und Gaffron (1884-1954), ab 1920 als Diplomat in Triest, R o m , Washington, seit 1946 MdL (CSU) in Bayern, 1949-51 Fraktionsvorsitzender. Ernst Reuter (1889-1953), SPD seit 1912 (1919-22 KPD), 1931-33 Oberbürgermeister von Magdeburg, 1933-35 zweimal im K Z , Emigration über England in die Türkei, 1946 Rückkehr nach Berlin, 1947-53 Oberbürgermeister bzw. Regierender Bürgermeister von Berlin. Willi Richter (1894-1972), Gewerkschafter, 1947-49 im Frankfurter Wirtschaftsrat (SPD), 1949-57 MdB, 1950-62 Vorstandsmitglied und Vorsitzender (1956) des D G B . Richard Ringelmann (1889-1965), seit 1919 im bayerischen Staatsdienst, 1945 Ministerialdirektor, 1950—54 Staatssekretär im Finanzministerium. Erich Roßmann (1884-1953), SPD, 1924-33 MdR, 1945-48 Generalsekretär des Süddeutschen Länderrats (Stuttgart), 1948-49 Intendant von Radio Stuttgart. Herbert Ruscheweyh (1892-1965), 1946- 60 Vizepräsident bzw. Präsident des Hanseat. O L G und Hamburger O V G , 1948-51 zugleich Präsident des Deutschen Obergerichts für das V W G , Köln. Reinhold Schairer (1887-1971), Verbandsfunktionär und Bildungsexperte, emigrierte 1934 nach London und 1940 in die USA, seit 1945 Zusammenarbeit mit dem State Department, 1949 Erziehungssachverständiger bei der US-Hohen Kommission in Deutschland, Mitwirkung an der Gründung der Carl-Duisberg-Gesellschaft und der Stiftung Volkswagenwerk. Eduard Schalfejew (1888-1962), 1935-45 Generaldirektor der Deutschen ContinentalGas-Gesellschaft, Dessau, 1947—49 Leiter der Hauptabteilung Energiewirtschaft und Bergbau sowie für Wirtschaftspolitik (1948) in der Verwaltung für Wirtschaft des V W G , 1949-51 Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium.

Kurzbiographien

203

Richard Schenck (1900), 1946- 47 Geschäftsführer der Handelskammer Hamburg, 19461950 M d L Schleswig-Holstein, 1947-49 Finanzminister. Hans Schlange-Schöningen (1886-1960), 1924-32 MdR (DNVP bzw. Volkskonservative), 1945 Mitgründer der C D U , 1947-49 Direktor der Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im V W G , 1949/50 MdB, 1950-55 Generalkonsul bzw. Botschafter in Großbritannien. Carlo Schmid (1897-1979), 1949-53 Professor für Völkerrecht in Tübingen, 1953 - 64 Professor für politische Wissenschaft in Frankfurt/M., seit 1945 SPD, 1946-47 Präsident des Staatssekretariats Württemberg-Hohenzollern, 1947-48 stellv. Staatspräsident, 1947-50 Justizminister, 1948—49 Mitglied des Parlamentarischen Rats, 1949— 1972 MdB. Otto Schniewind (1887-1970), Bankier und Mitglied zahlreicher Aufsichtsräte. Erwin Schoettle (1899-1976), seit 1919 SPD, 1933-45 Emigration in die Schweiz und nach Großbritannien, seit 1946 MdL Württemberg-Baden, 1947-49 Mitglied des Frankfurter Wirtschaftsrats, 1 9 4 9 - 7 2 MdB. Louise Schröder (1887-1957), SPD, 1946-51 Bürgermeisterin in Berlin, 1949-57 MdB. Hans Schuberth (1887-1976), CSU, 1947-49 Direktor der Verwaltung für Post- und Fernmeldewesen des V W G , 1 9 4 9 - 5 3 Bundesminister für Post- und Fernmeldewesen. Gebhard Seelos (1901-1984), 1925 bis zu seiner Entlassung 1944 im diplomatischen Dienst, 1945-47 bayerischer Bevollmächtigter beim Länderrat in Stuttgart, 1947-49 beim Exekutivrat bzw. Länderrat in Frankfurt/M., 1949—53 MdB (Fraktionsvorsitzender der Bayernpartei). Johannes Semler (1898-1973), Mitbegründer der CSU, 1947 Direktor der Verwaltung für Wirtschaft, 1948 wegen seiner berüchtigten „Hühnerfutter-Rede" entlassen, 1950—55 MdB. Walter Seuffert (1907), 1948/49 Mitglied des Frankfurter Wirtschaftsrats für die SPD, 1 9 4 9 - 6 7 MdB, 1964- 67 M d E P , 1967-75 Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts. Valentin Siebrecht (1907), nach dem Krieg Referent im Landesarbeitsamt Hessen, später Abteilungsleiter in der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in Nürnberg, anschließend Präsident des Landesarbeitsamtes Südbayern. Hans Simons (1893-1972), SPD, 1930-32 Oberpräsident von Niederschlesien, 1933 Emigration nach USA, 1947- 49 Abteilungsleiter bei O M G U S , Verbindungsmann zum Parlamentarischen Rat. Carl Spiecker (1888-1953), seit 1923 Ministerialdirektor und Pressechef der Reichsregierung, Vorstandsmitglied des Reichsbanners, des Republikanischen Reichsbundes und der Vereinigten Republikanischen Presse, 1933 - 45 Emigration nach Frankreich, England, USA und Kanada, ab 1946 stellv. Vorsitzender der von ihm mitgegründeten Zentrumspartei, April bis Juni 1947 MdL Nordrhein-Westfalen, Juli 1947 bis Aug. 1949 Mitglied des Wirtschafts- und des Exekutiv- bzw. Länderrats in Frankfurt, Dez. bis Febr. 1949 Vorsitz des Zentrums, März 1949 Eintritt in die C D U , 1 9 4 9 - 5 3 Minister ohne Geschäftsbereich in Nordrhein-Westfalen und Bevollmächtigter beim Bundesrat.

204

Kurzbiographien

Christopher E . Steel (1903-1973), Political Advisor bei der britischen Militärregierung, ab 1949 stellvertretender Hoher Kommissar, Botschafter in Bonn 1957- 63. Erwin Stein (1902), 1 9 4 6 - 5 1 MdL Hessen für die C D U , Jan. 1947 bis Dez. 1950 Minister für Kultus und Unterricht, Nov. 1949 bis Dez. 1950 auch für Justiz, 1951-71 Richteram Bundesverfassungsgericht. Theodor Steltzer (1885-1964), 1920 Landrat in Rendsburg, 1944 als Mitglied des Kreisauer Kreises verhaftet, 1945 Mitgründer der C D U in Schleswig-Holstein, Nov. 1945 bis Mai 1947 Oberpräsident bzw. Ministerpräsident von Schleswig-Holstein. Christian Stock (1884-1976), SPD seit 1902, 1919-20 Mitglied der Nationalversammlung, Gewerkschaftsfunktionär, 1933—45 Vertreter, zeitweise im KZ, nach Kriegsende Direktor der A O K Frankfurt und Präsident der Hessischen Landesversicherungsanstalt, Mitglied der Verfassungberatenden Landesversammlung Hessen und des Landtags, 1946 — 50 Ministerpräsident von Hessen. Sir William Strang (1893-1978), politischer Berater der britischen Militärregierung. Walter Strauß (1900-1976). 1928-35 Hilfsreferent im Reichswirtschaftsministerium, O k t . 1945—Dez. 1946 Staatssekretär im Hessischen Staatsministerium. Mitglied des Direktoriums des Süddeutschen Länderrates, Juni 1947—März 1948 stellvertretender Direktor der Verwaltung für Wirtschaft, ab April 1948 Leiter des Rechtsamts des V W G , Mitglied des Parlamentarischen Rates ( C D U ) , Nov. 1949-Nov. 1962 Staatssekretär im Bundesjustizministerium. Fritz Stricker (1897-1949), 1946-1947 Verkehrsminister in Nordrhein-Westfalen, Zentrumsabgeordneter im Wirtschaftsrat von Juni 1947 bis Juli 1949. Franz Suchan (1911 — 1971), SPD, Landesdirektor in Schleswig-Holstein und Vertreter Schleswig-Holsteins im Exekutivrat, 1950-57 Mitglied des Direktoriums und seit 1954 Vizepräsident der Berliner Zentralbank. Otto Suhr (1894-1957), seit 1919 SPD, Aug. 1945-März 1946 Hauptabteilungsleiter der Deutschen Zentralverwaltung für Industrie in der SBZ, seit August 1946 Generalsekretär der SPD Berlin, 1946-48 Vorsteher der Stadtverordnetenversammlung von GroßBerlin, 1948-55 Stadtverordnetenvorsteher bzw. Präsident des Abgeordnetenhauses von Westberlin, 1 9 5 5 - 5 7 Regierender Bürgermeister von Berlin. Edward A. Tenenbaum (1921-1975), US-Leutnant, Assistent von Clays Finanzberater Jack Bennett, 1952-54 Berater der amerikanischen Regierung in Griechenland. Fritz Usinger (1895-1982), Studienrat und Schriftsteller, Georg-Büchner-Preisträger 1946, o. Mitglied der Akademie für Sprache und Dichtung Darmstadt sowie der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz. Hermann Veit (1897-1973), SPD, 1945-46 Oberbürgermeister von Karlsruhe, 1946-60 Wirtschaftsminister, seit 1951 auch stellv. Ministerpräsident von Württemberg-Baden bzw. Baden-Württemberg, 1949-53 MdB. Otto Veit (1898-1984), 1947 - 5 2 Präsident der Landeszentralbank Hessen, 1948-52 Mitglied des Zentralbankrats der Bank Deutscher Länder bzw. Bundesbank, seit 1952 o. Professor an der Universität Frankfurt, Direktor des Instituts für Kreditwesen.

Kurzbiographien

205

Albert Wagner (1885-1974), hessischer Pädagoge und SPD-Politiker, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zunächst Landrat, dann Ministerialrat im hessischen Finanz-, Wirtschafts- und Verkehrsministerium, von Nov. 1949 bis Dez. 1950 hessischer Minister für Arbeit, Landwirtschaft, Wirtschaft und Verkehr, seit 1950 MdL. H e r m a n n Wandersieb (1895-1977), 1946- 49 Chef der Landeskanzlei Nordrhein-Westfalen, 1 9 5 0 - 5 9 Staatssekretär im Bundeswohnungsbauministerium, bis 1963 Leiter der Gesellschaft für Kernforschung in Karlsruhe. Gerhard Weisser (1898), Professor f ü r Sozialpolitik, nach Kriegsende Ministerialdirektor in Braunschweig, Leiter des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft und stellv. Ministerpräsident, ab 1946 Generalsekretär des Zonenbeirats der britischen Besatzungszone, 1948—50 Staatssekretär im Finanzministerium Nordrhein-Westfalen, 1950—60 o. Professor an der Universität Köln. Heinrich Weitz (1890-1962), 1927-37 Oberbürgermeister von Trier, bis 1933 Zentrum, seit 1945 C D U , 1945 — 47 Oberbürgermeister von Duisburg, 1946-51 Finanzministerin Nordrhein-Westfalen, 1952- 61 Präsident des Deutschen Roten Kreuzes. Lawrence Wilkinson (1905), 1946-49 Economic Adviser der amerikanischen Militärregierung in Berlin, 1950—54 Direktor bzw. Präsident der New York State Civil Defence Community. Leo Wohleb (1888-1955), 1947-52 Staatspräsident von Baden, bis 1948 Landesvorsitzender der C D U , 1952-55 Gesandter in Lissabon. Eduard Wolf (1903-1964), 1934-48 Mitarbeiter des Instituts für Konjunktur- bzw. Wirtschaftsforschung in Berlin, seit 1947 wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Sonderstelle Geld und Kredit, später im Direktorium der Deutschen Bundesbank. Lorenz Wolkersdorf (1915), Diplomkaufmann, 1945-46 Revisor Kölner Wirtschaftsprüfer, 1 9 4 7 - 5 8 Abteilungsleiter im Wirtschaftswissenschaftlichen Institut der Gewerkschaften, 1959-71 Referent und Unterabteilungsleiter im Bundesfinanzministerium. Georg-August Zinn (1901-1976), 1927-33 Stadtverordneter in Kassel (SPD), 1945 Landgerichtsdirektor in Kassel, 1947-62 hessischer Justizminister, 1948-49 Mitglied des Parlamentarischen Rats, August 1949-51 und 1961 MdB, 1950-69 hessischer Ministerpräsident. Rudolf Z o r n (1893-1966), SPD, 1927-33 Bürgermeister von Ludwigshafen-Oppau, 1946 Präsident des Landesamtes für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung, 1 9 4 6 1947 bayer. Wirtschaftsminister, 1951 Finanzminister, 1949—64 Präsident des Bayerischen Sparkassen- und Giroverbandes.

Abkürzungen AVBRD BICO CDU CSU DP DVO DVP ERP FDP FRUS KPD LDP NDP NSDAP NZZ OMGUS SBZ SED SMA SPD VfZ VO VWG WAV

Akten zur Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland Bipartite Control Office Christlich Demokratische Union Christlich Soziale Union Deutsche Partei Durchführungsverordnung Demokratische Volkspartei European Recovery Program Freie Demokratische Partei Foreign Relations of the United States Kommunistische Partei Deutschlands Liberaldemokratische Partei Nationaldemokratische Partei Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Neue Zürcher Zeitung Office of Military Government for Germany (US) Sowjetische Besatzungszone Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Sowjetische Militär-Administration Sozialdemokratische Partei Deutschlands Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Verordnung Vereinigtes Wirtschaftsgebiet Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung

Register

Acheson, Dean 120 Bourdin, Paul 91 Adcock, Clarence L. 28,58,61,76,78,145 Brauer, Max 47, 48, 49, 62, 63, 77, 85, 86, A d e n a u e r , Konrad 29, 33, 66, 69, 75, 82, 87, 89, 90, 98, 107, 112, 115, 134, 138, 88, 99, 101, 104, 107, 109,110,112, 115, 144, 152, 156 116, 117, 118, 121, 124, 132, 133, 136, Brecht, Arnold 83 137, 138, 139, 140, 142, 143, 144, 146, Bremer, Adolf 27 149, 156, 160, 161, 162, 164, 165 Brentano, Heinrich von 119 Agartz, Viktor 67 Brill, Hermann Louis 8 , 1 2 , 1 3 , 1 4 , 15, 16, Allemann, Fritz René 16 2 2 , 2 3 , 2 4 , 2 7 , 4 0 , 6 9 , 1 3 1 , 136 Allilujewa, Swetlana 162 Brinkmann 73 Altheim 118 Burnham, James 143 Altmeier, Peter 86, 125 Andersch, Alfred 54 Canter 73 Apel, Wilhelm 37, 99 Clave 72 Apelt, Manfred 64 Clay, Lucius D. 28, 39, 45, 53, 55, 58, 61, Armstrong, Orland Kay 45, 149 65, 73, 76, 77, 79, 84, 88, 89, 90, 97, 98, Arndgen, Josef 28 102, 103, 109, 117, 118, 120, 124, 127, Arnold, Karl 47, 65, 120, 135, 137, 140, 133, 145, 149, 153, 154, 155, 156, 158, 164 159, 161 A r p , Erich 54, 149 Cripps, Sir Richard Stafford 149 Auerbach, Philipp 127 Baudelaire, Charles 49 Baumgartner, Josef 40, 44, 50, 51, 53, 54, 98, 148, 149 Becker, Hellmut 16 Beckmann, Max 30 Beethoven, Ludwig van 125 Benesch, Eduard 152 Berger, Georg 67, 68 Bergsträsser, Ludwig 91, 101, 136, 158 Berley 91 Berry, Sir Vaughan 87 Beveridge, William Henry Lord 165 Bevin, Ernest 92, 109 Beyerle, Josef 163 Biel, Ulrich 73 Birrenbach, Kurt 16 Bismarck, Otto Fürst von 30, 83 Blauer 23 Blessing, Kari 16 Bley 89 Blücher, Franz 31 Blüthgen, Fritz 116, 161 Blum, Léon 81, 159 Bock, Lorenz 86 Böhme, Jakob 49

Dahrendorf, Gustav 82 Dalton 52, 149 Danckwerts, Justus 140 Dewey, Thomas E. 163 Diehls 60 Dietrich, Hermann 70 Dietz, Fritz 24, 109, 133, 159 Dörr, Wilhelm 56 Douglas, Sir Sholto 28 Draper, William H. 133 Dudek, Walter 74, 76, 88, 140 Dulles, John Foster 97 Eberhard, Fritz 71 Ebert, Friedrich 163 Eden, Anthony (Earl of Avon) 89 Eggerath, Werner 91 Ehard, Hans 33, 37, 40,47, 53, 58, 59, 62, 63,71,77,78,82,109,135,137,146,147, 149, 152, 164 Ellscheid, Robert 15 Elmenau, Johannes von 59, 72, 80 Engler, Herbert 143 Erhard, Ludwig 79, 84, 97, 102, 114, 119, 123, 124, 125, 139, 150, 160, 162

208

Register

Ernst, Otto 143 Erzberger, Matthias 80, 154 Etzel, Franz 16 Even, Johannes 164 Ewers, Hans 139 Fay, Fritz 118 Feick, Gustav Otto 43 Fischer, Eugen 29 Fischer-Menshausen, Herbert 138 Fliess, Walter 33, 123, 138 Forrestal, James V. 133 Fraenkel, Ernst 65 Frangois-Poncet, André 133 Freudenberg, Karl Johann 141 Friedlaender, Ernst 115, 160 Friedrich II. (der Große) 111 Friedrich, Carl J. 89 Frings, Joseph Kardinal 109 F r o h n e , Edmund 31, 59, 79 Fürst, Gerhard 96, 102 Funke 132

Henßler, Fritz 67,68, 114 Hermans, Hubert 140 Hermberg, Paul 110, 111, 144 Hermes, Andreas 69, 110, 157 Hess, Berta 71 H e ß , Rudolf 124 Hesse, Hermann 21, 22 Hielscher, Erwin 107, 154 Hill 56 Hilpert, Heinz 52 Hilpert, Werner 14, 15, 16, 23, 43, 46, 63, 65, 68, 69, 70, 72, 73, 74, 76, 78, 79, 82, 85, 88, 93, 100, 102, 109, 116, 137, 138, 140, 145 Hitler, Adolf 1 3 , 2 7 , 8 3 , 1 1 1 , 1 2 0 , 1 2 4 , 1 3 3 Hoch 22 H o f f m a n , Paul G. 77, 93, 156 Hoffmann 110 Holgate 62 Holzapfel, Friedrich 50, 119, 140 Housen 73 Huch, Ricarda 51 Huebner, Clarence R . 161 Hugenberg, Alfred 132 Huizinga, Johan 51

Gase, Walther Ernst 68, 69 Gatteridge 91 Gaulle, Charles de 83, 101, 158 Imhof 94 Gayk, Andreas 86 Imhoff, Christoph von 16 G e b h a r d , Willi 91 Irmer, Franz 62 Gerlach, Ernst 141 Gockeln, Josef 164 Jahn, Kurt 43, 80, 112, 144 Goebbels, Joseph 27, 124 Josten, Paul 38 Gögler, Hermann 40 Göring, Hermann 28, 161 G o e t h e , Johann Wolfgang von 22,49,125, Kaisen, Wilhelm 46,63, 68,69, 86, 90, 97, 126 107, 112, 114, 115, 117, 135, 138, 140, Gollancz, Victor 21, 33, 34, 35, 45 152 Grace, Alonso G. 132 Kaiser, Jakob 90,156 Griebel 28 Katz. Rudolf 135. 136 Gromyko, Andrej 133 Katzenberger. Hermann 144 Gusenko, Igor 95 Kaub 86 Kaufmann, Edmund 42 Hagen, Karl 90,91 Kaufmann, Theophil 47 Keiser, Günter 38, 75, 111 Halbfell, August 107 H a n s e n , Bernhard 42,46,64,75,102,112, Klaiber, Manfred 138 Klein, Josef 91 134, 140, 146 Knappstein, Carl Heinrich 92 Harmssen, Gustav Wilhelm 77 Knothe, Wilhelm 130, 131 Harriman, W. Averell 153 Koch, Harald 78 H a r t m a n n , Alfred 31, 38, 40, 79 Hays, George P. 151,161 Köhler, Erich 2 8 , 3 0 , 3 2 , 3 4 , 3 7 , 4 0 , 4 2 , 4 5 , Heine, Fritz 62, 103, 110, 114, 138 46, 47, 51, 55, 56, 61, 63, 74, 79, 84, 92, Heix, Martin 164 100, 118, 119, 122, 139, 164 Held, Martin 53 Köhler, Heinrich 29, 31, 38, 82, 88, 110, Hensel, Walther 16 146, 147, 152, 153, 159

Register Koenig, Pierre 86, 89 Körner 116 Kogon, Eugen 16, 64, 91 Kolb, Walter 28, 30, 78, 125 Konstantin (der Große) 129 Kopelmanas, Lazare 83 Kopf, Hinrich Wilhelm 46, 48, 60, 63, 74, 75, 78, 107, 121, 122, 134,135,144, 151, 152 Kraus, Hans 88 Krautwig, Carl 72 Kreyssig, Gerhard 67 Kriedemann, Herbert 15, 29. 31, 32, 33, 34,51, 52, 72,76, 77. 86, 89.90,96, 100, 102, 107, 109, 112, 114, 115, 118, 119. 120, 122, 134. 136, 138, 141 Krug, Julius A. 153 Kübel, Alfred 29, 48, 107 Kübel, Josef 116, 161 Külz, Wilhelm 156 Kurlbaum. Georg 136

209

Meinecke, Friedrich 24 Meinhold, Helmut 119, 159 Menzel, Walter 65, 68, 99, 113 Metzger, Ludwig 8, 28, 30, 33, 35, 37, 39, 40, 43, 46, 60, 146, 150 Meyer, Paul 53 Miksch, Leonhard 119, 159 Mittendorff. Oswald 146 Moering, Ernst 19 Molotow, Wjatscheslaw Michailowitsch 120, 160 Morgenstern, Christian 61 Mozart, Wolfgang Amadeus 89 Müller, Gebhard 135 Müller, Josef (Ochsensepp) 4 7 , 5 9 , 6 4 , 7 7 , 82, 97, 98, 121 Müller 126 Murphy, Robert D. 97, 117 Nathusius, Wilhelm von 52 Nau, Alfred 86 Neumann, Franz 67 Niemöller, Martin 66 Niklas, Wilhelm 57 Nischalkc. Martin 78 Nölting, Erik 107 Nourse, Edwin G. 153

Lallinger, Ludwig Max 98 Langendörfer, Johannes 118 Lauffer, Herbert 96, 102 Lehmann, Joachim 33 Leitner, Alfons 90 Lentze, Helmut 43, 77, 112, 113 Ollenhauer, Erich 48, 62, 68, 86, 88, 102, Leuninger, Franz 11 103, 107, 112, 121 Levy, Sigfrid 45 Oppler, Kurt 35, 37, 40, 56, 57, 72, 120, Lippmann, Walter 92 131, 147 Litchfield, Edward H. 62, 63. 89, 115 Ortega y Gasset, José 123 Löwenthal, Fritz 117, 161 Ostrowski, Otto 12, 23, 145 Loritz, Alfred 128, 163, 164 Lötz, Erich 62 Pakenham, Lord Francis Angier 80 Lubowski, Herbert 15, 23, 87, 96, 102 Pascal, Blaise 49 Lüdemann, Hermann 12, 13, 46, 48, 63, Peters 91 9 9 , 1 1 5 , 125, 133, 135. 152, 164 Pfeiffer, Anton 45, 59, 77, 135. 138 Lukaschek, Hans 46, 69, 70. 72, 73, 75, Pferdmenges, Robert 15 144 Phelps, Robert K. 92 Luther 77 Piloty, Hans 141 Plato 44 MacReady, Sir Gordon 58,61, 76, 78, 145 Podeyn, Hans Carl 5 0 , 5 1 , 7 8 , 9 6 . 1 0 2 , 1 5 9 Maier, Reinhold 86, 135, 163 Poincaré, Raymond 101 Maier 133 Potthoff, Heinrich 33, 146 Mann, Thomas 22, 125, 126, 145 Preller, Ludwig 89 Manz, Albert 71 Prittwitz und Gaffron, Friedrich Wilhelm Marreco, Anthony 62 von 69 Marshall, George C. 92 Pünder, Hermann 9, 70,71,72,73, 74,75. Marx, Karl 44 79, 80, 92, 102, 109, 118, 125, 138, 152. McCloy, John J. 122, 141, 161, 165 164 Medicus, Franz Albrecht 119 Mehmel, Alfred 134, 141 Ouisling, Vidkun 66

210

Register

Stalin, JosefWissarionowitsch 92,95,102, Rauch, Karl 49 120, 162 Reichel, Edgar 88 Steel, Christopher E. 63 Reichelt 73 Stein, Erwin 109 Reimann, Max 139, 164 Steltzer, Theodor 69, 91 Reisser 91 Stock, Christian 14,16, 43, 47, 48, 63, 65, R e u t e r , Ernst 107, 109, 115, 117,159 69, 78, 98, 99, 118, 125, 130, 131, 133, Richter, Willi 141 134, 137, 142, 144, 152 Ringelmann, Richard 135, 140 Robertson, Sir Brian Hubert 39, 53, 55, Strang, Sir William 97 58, 61, 65, 73, 76, 77, 79, 84, 97, 98, 99, Strauß, Walter 41, 57, 72, 110 Stresemann, Gustav 80 100, 101, 102, 121, 124, 127, 145 Stricker, Fritz 70 Rolf 80 Strobel, Robert 100 Roos 110 Suchan, Franz 89, 146 Roßmann, Erich 71 Süßmuth 22 Rostovtzeff, Michael Iwanowitsch 129 Suhr, Otto 12,67 Ruscheweyh, Herbert 73, 75 Szczesny, Gerhard 22 Sachse, Rudolf 46, 146 Schairer, Reinhold 132, 133, 141 Schalfejew, Eduard 41 Schenck, Richard 74, 76, 88 Schiller, Friedrich von 64 Schlange-Schöningen,Hans 39,50,51,61, 70, 78, 79, 97, 98, 100, 102, 149, 157 Schmid, Carlo 21, 86, 88, 101, 107, 114, 117, 138, 142 Schmid, Richard 54 Schniewind, Otto 29 Schoettle, Erwin 15, 67, 107 Schröder, Louise 87, 88 Schuberth, Hans 59, 79, 151 Schumacher, Karl 77 Schumacher, Kurt 8 , 1 6 , 2 4 , 2 5 , 2 6 , 2 7 , 2 9 , 31, 32, 36, 38, 50, 57, 62, 66, 67, 68, 77, 81,102,107,112,113,114,115,116,117, 127, 132, 134, 135, 136, 138, 139, 141, 142, 143, 144, 145, 165 Schuman, Robert 109 Seelos, Gebhard 8, 33, 37, 40, 43, 44, 45, 47, 50, 56, 57, 59, 64, 65, 150 Seidel, Hanns 76 Semler,Johannes 3 1 , 3 3 , 3 8 , 4 1 , 4 2 , 4 7 , 4 8 , 55 Serwe, August 95 Seuffert, Walter 15, 136 Sforza, Carlo Graf 112 Shdanow, Jurij Andrejewitsch 162 Siebrecht, Valentin 87 Simons, Hans 60 , 89, 115 Spiecker, Carl 42 , 44, 45 , 46, 47, 50, 54, 57, 64, 65, 73, 77, 86,140,141,142, 148, 150 Spranger, Eduard 22

Taft, Robert Alphonso 133 Tenenbaum, Edward A. 81, 154 Thyssen, August 133, 163 Thyssen, Fritz 163 Toynbee, Arnold J. 129,163 Troeger, Else 19, 56 Truman, Harry S. 133, 153, 163 Tschiang Kai Schek 105, 159 Udet, Ernst 53 U n r u h , Fritz von 125 Usinger, Fritz 49, 50 Valéry, Paul 49 Veit, Hermann 62, 147 Veit, Otto 23 Viehweg 49 Vogelsang, Thilo 12, 19 Voigt, Fritz 11 Wagner, Albert 14, 116, 143, 165 Wagner, Otto 11 Wahrhaftig, Samuel L. 102 Wandersieb, Hermann 118 Weber, Max 24 Weir, Sir Cecil 73 Weisser, Gerhard 89, 144 Weitz, Heinrich 144 Weizsäcker, Richard von 16 Wenger, Paul Wilhelm 96 Wilkinson, Lawrence 73 Wilson, Minox Keith 133 Winkelheide, Bernhard 164 Winkler 43 Wirth, Joseph 80, 133 Witsch, Joseph 15

Register Woerner 114 Wohleb, Leo 86, 109, 125 Wolf, Eduard 96 Wolkersdorf, Lorenz 89 Wyschinsky, Andrej 160

211

Zimmer 71 Zinn, Georg August 15,32, 37,46,68,69, 73, 107, 147 Zinnkann, Heinrich 13, 14 Zorn, Rudolf 96, 157 Zuckmayer, Carl 52, 53

Akten zur Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1945-1949 Herausgegeben von Bundesarchiv und Institut für Zeitgeschichte Das Werk liegt geschlossen vor: 5 Bände zusammen DM 1022,—

Band 1

September 1945 - Dezember 1946 Bearbeitet von Walter Vogel und Christoph Weisz 1976. 1197 Seiten, DM 2 3 0 , ISBN 3 4 8 6 4 4 3 2 1 - 6

Band 2

Januar - Juni 1947 Bearbeitet von Wolfram Werner 1979. 654 Seiten, DM 118,— ISBN 3 4 8 6 4 4 5 5 1 - 0

Band 3

Juni - Dezember 1947 Bearbeitet von Günter Plum 1982. 1068 Seiten, DM 2 1 8 , ISBN 3 4 8 6 4 9 1 4 1 - 5

Band 4

Januar - Dezember 1948 Bearbeitet von Christoph Weisz, Hans-Dieter Kreikamp und Bernd Steger 1983. 1076 Seiten, DM 2 2 6 , ISBN 3 4 8 6 4 9 1 5 1 - 2

Band 5

Januar - September 1949 Bearb. von Hans-Dieter Kreikamp 1981. 1160 Seiten, DM 2 3 0 , ISBN 3 4 8 6 4 9 1 6 1 - X

Aus der Fachkritik: Das Parlament: „Das fünfbändige Werk hat nunmehr mit dem Band 4 seinen Abschluß gefunden und es läßt sich schon nach dem ersten Sichten mit Fug und Recht sagen, daß den zahlreichen Mitarbeitern hiermit etwas ganz Großes gelungen ist, auf das man immer wieder zurückgreifen wird, wenn man sich forschend, lehrend oder aus dem Interesse des Zeitzeugen oder Nachgeborenen heraus mit dieser Epoche deutscher Zeitgeschichte befassen will." Bernd Rudolph Historische Zeitschrift: „Die vorbildliche Kommentierung setzt Maßstäbe." Rudolf Morsey Wehrwissenschaftliche Rundschau: „Das Bestreben der Herausgeber ist es, die wichtigsten politischen Entscheidungen zu dokumentieren, die als Etappe zur Weststaatsgründung angesehen werden können. So werden deutliche Schwerpunkte gebildet. Außerdem führt ein umfangreicher Anmerkungsapparat den Benutzer zu weiterem ungedruckten Material. Nur so war es möglich, dem Aktenberg eine Gestalt zu geben, die eine Benutzung der Bände auch in Lehrveranstaltungen der Universitäten und anderen Bildungsstätten ermöglicht." Andreas Hillgruber

Oldenbourg