Innere Medizin mit Repetitorium 9783110855494, 9783110106220


323 95 123MB

German Pages 1248 Year 1991

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Innere Medizin mit Repetitorium
 9783110855494, 9783110106220

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Lehrbuch Innere Medizin

Mit Beiträgen von M.Alexander, U.Bogner, H.-H.Erlemeier, G. Eschenhagen, E. Földi, M. Földi, W. Franz, H. Goebell, R. Götzen, H. Haller, H.Heidrich, J.Hensen, G.H.Hoffmann, K.-M.Koeppen, D. Krause, W. Kupper, E.-R. von Leitner, R. Loddenkemper, F. W. Lohmann, F. Martens, G. Middelhoff, W. Oelkers, Th. Philipp, D. Platt, H.-J. Quabbe, J. Ranft, H. Rühl, Th. Schirop, H. Schleusener, V. Schusdziarra, J. Sieper, M.V.Singer, H.-H.Studt, R.Teschke, K.Wagner, J. Wagner, B. Wedler, Th. Weinke

innere Medizin mit Repetitorium

Herausgegeben von H. Goebell und J. Wagner unter Mitwirkung von F. W. Lohmann

W G DE

Walter de Gruyter Berlin · New York 1992

Prof. Dr. med. H.Goebell Direktor der Abt. für Gastroenterologie Zentrum für Innere Medizin der G H S Essen Hufelandstraße 55 4300 Essen 1 Prof. Dr. med. J.Wagner Chefarzt der I. Inneren Abt. Städt. Krankenhaus Neukölln Rudower Straße 48 1000 Berlin 47 Prof. Dr. med. E W . L o h m a n n Oberarzt der I.Inneren Abt. Städt. Krankenhaus Neukölln Rudower Straße 48 1000 Berlin 47

Dieses Buch enthält 248 Abbildungen und 159 Tabellen

Die Deutsche Bibliothek - C1P

Einheitsaufnahme

Innere Medizin mit Repetitorium / hrsg. von H . G o e b e l l . . . [Mit Beitr. von M. Alexander . . . ] . - Berlin ; New York : de Gruyter, 1992 (De-Gruyter-Lehrbuch) ISBN 3-11-010622-1 NE: Goebell, Harald [Hrsg.] © Copyright 1991 by Verlag Walter de Gruyter & Co., Berlin 30. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Verlag hat für die Wiedergabe aller in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen. Applikationen etc.) mit Autoren bzw. Herausgebern große Mühe darauf verwandt, diese Angaben genau entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abzudrucken. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen und dergleichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, daß solche Namen ohne weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um gesetzlich geschützte, eingetragene Warenzeichen, auch wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind. Printed in Germany Didaktisches Konzept: Dr. U. Herzfeld, Gaiberg Typografie: D. Plake, Berlin Zeichnungen: H.R.Giering-Jänsch, Berlin Reproduktionen: Haußmann-Reprotechnik G m b H , Darmstadt Umschlagentwurf: Rudolf Hübler, Berlin Satz und Druck: Appl, Wemding Papier: Terraprint scidenmatt - ein Feldmühle-Erzeugnis Bindung: Lüderitz & Bauer G m b H , Berlin

Vorwort

Umfangreiche Lehrbücher der Inneren Medizin werden vom Lernenden nicht selten als unübersichtlich empfunden. Der Student greift daher zur Examensvorbereitung häufig auf kurzgefaßte Kompendien zurück, bei denen aber der pathophysiologische Hintergrund zwangsläufig zu kurz kommen muß. Das vorliegende Buch will beides - Lehrbuch und Kompendium - in einem neuen Konzept verbinden. Es ist einerseits als ein alle wesentliche Bereiche der inneren Medizin in Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie behandelndes Werk gedacht. Andererseits wird aus didaktischen Gründen parallel zum fortlaufenden Text ein Repetitorium angeboten, das die wesentlichen Gesichtspunkte herausgreift und in Kurzform, meist in Gestalt von Zusammenstellungen, den Extrakt wiedergibt. Den Herausgebern schien diese Form der Darstellung bei der enorm großen Fülle des Stoffes, der gerade das weite Feld der inneren Medizin betrifft, als angemessen. Darüber hinaus wurden den einzelnen Autoren vergleichbare Bedingungen vorgegeben, so daß das Buch trotz der Autorenvielfalt ein einheitliches Gepräge erhielt. Die einzelnen Kapitel wurden von Spezialisten in ihrem jeweiligen Gebiet erarbeitet und gestaltet, wie es heutzutage bei der Stoff- und Wissensfülle selbstverständlich ist. Bei Überschneidungen einzelner Teilbereiche bedurfte es großer Selbstdisziplin der einzelnen Autoren, innerhalb der Gesamtdarstellung ihres Gebietes eventuell auf einen Teilbereich zu verzichten und lediglich auf eine andere Kapitelstelle zu verweisen. Nur hierdurch wurde ein erträglicher Umfang des Buches eingehalten. Dieses Buch ist in erster Linie gedacht für den Studenten in den klinischen Abschnitten seines Studiums, für den Arzt im Praktikum sowie für den Arzt in der internistischen Weiterbildung. Eine systematische Darstellung der inneren Medizin, einer Disziplin, die häufig und mit Recht als die Mutter aller klinischen Disziplinen angesehen wird, im gesamten Reigen der konservativen und chirurgischen Fächer, ist stets wegen der einerseits breiten Vielfalt und der andererseits notwendigen Konzentration eine schwierige Aufgabe. Wir hoffen mit den Autoren, daß die Synopsis gelungen ist und die mosaikartig zusammengestellten Kapitel ein stimmiges Gesamtbild ergeben. Dem Verlag Walter de Gruyter und seinen Mitarbeitern danken wir für die ausgezeichnete Zusammenarbeit sowie für die Geduld und das Geschick bei den mannigfaltigen Schwierigkeiten, die sich selbstverständlich bei der Erarbeitung eines solchen Werkes ergaben. An unsere Leser richten wir den Wunsch, uns bei der Verbesserung zukünftiger Auflagen durch konstruktive Kritik zu unterstützen. Berlin und Essen, im August 1991

Die

Herausgeber

Anschriftenverzeichnis der Autoren

Alexander, Μeta, Prof. Dr. med. Univ.-Klinikum Rudolf Virchow Abteilung für Innere Medizin Spandauer Damm 130, D-1000 Berlin 19

Hensen, J., Dr. Univ.-Klinikum Steglitz Endokrinologische Abteilung Hindenburgdamm 30, D-1000 Berlin 45

Bogner, U., PD Dr. med. Univ.-Klinikum Steglitz Med. Klinik und Poliklinik Hindenburgdamm 30, D-1000 Berlin 45

Hoffmann, G. H., Dr. med. Am Drens 9, D-3006 Burgwedel 4

Erlemeier; H.-H., Dr. med. Univ.-Krankenhaus/Kardiologie II. Med. Klinik Martinistr.52, D-2000 Hamburg 20 Eschenhagen, G., Dr. med. Flechtdorfer Str. 3 a, D-3540 Korbach Földi, Ethel, Dr. med. Földi-Klinik, Fachklinik für Lymphologie D-7824 Hinterzarten Földi, M., Prof. Prof. h. c. Dr. med. Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Földi-Klinik, Fachklinik für Lymphologie D-7824 Hinterzarten Franz, I. W., Prof. Dr. Klinik Wehrawald der B f A D-7867 Todtmoos/Schwarzwald

Koeppen, K.-M., PD Dr. med. Innere Abteilung Königswarter Krankenhaus Königsberger Str.36a, D-1000 Berlin 45 Krause, D., Prof. Dr. Univ.-Klinikum Steglitz Abteilung für Physikalische Therapie Hindenburgdamm 30, D-1000 Berlin 45 Kupper, W., Prof. Dr. med. Med. Klinik der Universität Abteilung Kardiologie Martinistr.52, D-2000 Hamburg 20 Leitner, E.-R. von, PD Dr. med. c/o Krankenhaus Siloah Roesebeckstr. 15, D-3000 Hannover Loddenkemper, R., Dr. med. Innere Abteilung Lungenklinik Heckeshorn Am Großen Wannsee 80, D-1000 Berlin 19

Goebell, H., Prof. Dr. med. Med. Klinik und Poliklinik Univ.-Klinikum Essen Abteilung für Gastroenterologie Hufelandstr.55, D-4300 Essen 1

Lohmann, F. W., Prof. Dr. med. Krankenhaus Neuköln I. Innere Abteilung Rudower Str. 48, D-1000 Berlin 47

Götzen, R., Prof. Dr. Univ.-Klinikum Steglitz Med. Klinik und Poliklinik Hindenburgdamm 30, D-1000 Berlin 45

Martens, F., Dr. med. Univ.-Klinikum Rudolf Virchow Abteilung für Reanimation Spandauer Damm 130, D-1000 Berlin 19

Haller, H., Dr. Univ.-Klinikum Steglitz Abteilung für Nephrologie Hindenburgdamm 30, D-1000 Berlin 45

Middelhoff, G., PD Dr. Stadt. Krankenhaus Neukölln II. Innere Abteilung Rudower Str. 48, D-1000 Berlin 47

Heidrich, H., Prof. Dr. Innere Abteilung am Franziskus-Krankenhaus Burggrafenstr. 1, D-1000 Berlin 30

Oelkers, W„ Prof. Dr. Univ.-Klinikum Steglitz Med. Klinik und Poliklinik Hindenburgdamm 30, D-1000 Berlin 45

VIII

Anschriftenverzeichnis der Autoren

Philipp, Th., Prof. Dr. med. Univ.-Klinikum Essen Abteilung für Nieren und Hochdruck Hufelandstr. 55, D-4300 Essen

Sieper, J., Dr. Univ.-Klinikum Steglitz Med. Klinik u. Poliklinik Hindenburgdamm 30, D-1000 Berlin 45

Platt, D„ Prof. Dr. med. Institut für Gerontologie Universität Erlangen-Nürnberg Heimerichstr.58, D-8500 Nürnberg 90

Singer, Μ. V., Prof. Dr. med. Med. Klinik für Gastroenterologie Univ.-Klinikum Mannheim Theodor-Kutzer-Ufer, D-6800 Mannheim

Quabbe, H.-J., Prof. Dr. med. Univ.-Klinikum Steglitz Med. Klinik u. Poliklinik Hindenburgdamm 30, D-1000 Berlin 45 Ranft, J., Dr. med. Univ.-Klinikum Essen Klinik u. Poliklinik f. Angiologie Hufelandstr. 55, D-4300 Essen 1 Rühl, H., Prof. Dr. med. Kaiserdamm 24, D-1000 Berlin 19 Schirop, Thea, Dr. med. Univ.-Klinikum Rudolf Virchow Abteilung für Reanimation Spandauer D a m m 130, D-1000 Berlin 19

Studt, H.-H., Prof. Dr. med. Abteilung für Psychosomatik Univ.-Klinikum Steglitz Hindenburgdamm 30, D-1000 Berlin 45 Teschke, R., Prof. Dr. med. Stadtkrankenhaus Hanau Med. Klinik II Leimenstr.20, D-6450 Hanau 1 Wagner; K., PD Dr. med. Univ.-Klinikum Essen Abteilung für Nieren und Hochdruck Hufelandstr. 55, D-4300 Essen Wagner, ]., Prof. Dr. med. Stadt. Krankenhaus Neukölln I.Innere Abteilung Rudower Str. 48, D-1000 Berlin 47

Schleusener, H., Prof. Dr. med. Univ.-Klinikum Steglitz Med. Klinik u. Poliklinik Hindenburgdamm 30, D-1000 Berlin 45

Wedler, B., Prof. Dr. sc. med. Klinik für Innere Medizin Ernst-Moritz-Arndt-Univ. Friedrich-Löffler-Str. 23,0-2200 Greifswald

Schusdziarra, V., PD Dr. II.Med. Klinik rechts der Isar der Technischen Universität Ismaninger Str. 22, D-8000 München

Weinke, Th., Dr. Univ.-Klinikum Rudolf Virchow II. Med. Klinik Augustenburger Platz 1, D-1000 Berlin 65

Inhaltsverzeichnis

I Anamnese, Befunderhebung, Dokumentation (H. Goebell, F. W. Lohmann, J. Wagner) 1 1.1 1.2

Allgemein-internistische Untersuchung Allgemeines Untersuchungsgang

...

1 1 1

2

Dokumentation der Untersuchungsbefunde .

4

3

Entscheidungsfindung

5

II Krankheiten des Herzund Kreislaufsystems 1 1.1 1.2 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5 1.3.6 1.3.7 1.3.8 1.3.9 2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8

3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8

Diagnostik (J. Wagner) Anamnese Klinische Untersuchung Spezielle kardiologische Untersuchungsverfahren Konventionelle Elektrokardiographie . . . . Langzeit-Elektrokardiographie Phonokardiographie Echokardiographie Röntgenuntersuchungen Kardangiographie Herzkatheteruntersuchungen Elektrophysiologische Stimulationsverfahren Nuklearmedizinische Methoden

7 7 7 11 11 19 20 24 29 31 33 35 36

Herzinsuffizienz (J. Wagner) Definition Pathophysiologie Hämodynamik Klassifizierung Krankheitsbild und Verlauf der Herzinsuffizienz Diagnose und Differentialdiagnose Therapie der Herzinsuffizienz Akute Linksherzinsuffizienz und ihre Therapie Herzrhythmusstörungen (E.-R. von Leitner) Normaler Herzrhythmus Registrierung des Herzrhythmus Einteilung Besprechung einzelner Rhythmusstörungen Intraventrikuläre Erregungsleitungsstörungen, AV-Überleitungsstörungen . . . Symptome der Herzrhythmusstörungen . . Plötzlicher Herztod Behandlung von Rhythmusstörungen . . .

38 38 38 39 40 41 41 44

4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8 4.9 4.10 4.11 4.12

Koronare Herzkrankheit (J. Wagner) .... Pathophysiologie Besonderheiten des Koronarkreislaufes . . . Koronarregulation Klinik der Koronarinsuffizienz Diagnostik der koronaren Herzkrankheit . . Klinik des Myokardinfarktes Diagnostik des Myokardinfarktes Komplikationen Prognose Risikofaktoren Therapie der Koronarinsuffizienz Therapie des Myokardinfarktes

5

Kardiomyopathien (H.-H. Erlemeier, W. Kupper, J.Wagner) . . . Einleitung Dilatative Kardiomyopathie Hypertrophe Kardiomyopathie Restriktive Kardiomyopathie Infiltrative Kardiomyopathie Kardiomyopathie als Begleiterkrankung . . Kardiomyopathie bei endokrinen Erkrankungen Postinfektiöse Kardiomyopathie

5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 6

74 74 74 74 77 80 86 87 91 91 91 92 97

101 101 102 108 115 117 119 120 120

6.1 6.2 6.3

Entzündliche Erkrankungen des Herzens (J. Wagner) Endokarditis Myokarditis Perikarditis

120 121 125 127

7 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5

Erworbene Herzfehler (J. Wagner) Mitralstenose Mitralklappeninsuffizienz Aortenstenose Aortenklappeninsuffizienz Therapie erworbener Herzklappenfehler

131 131 135 136 139 141

8 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6 8.7 8.8 8.9 8.10

Angeborene Herzfehler (J. Wagner) Vorhofseptumdefekt Ventrikelseptumdefekt Artrioventrikularkanal Pulmonalstenose Pulmonalstenose mit Ventrikelseptumdefekt Ductus arteriosus Botalli apertus Aortenisthmusstenose Aortenstenose Ebsteinsche Anomalie Therapie der kongenitalen Herzfehler . . . .

. .

52

. . . .

54 54 54 54 55 61 64 70 71

142 143 145 146 146 147 148 149 150 150 150

Inhaltsverzeichnis

χ 9

Chronisches Cor pulmonale (7. Wagner)

...

10

Herztumoren (J. Wagner)

154

11 11.1 11.2 11.3 11.4 11.4.1 11.4.2 11.5 11.5.1 11.5.2 11.5.3 11.5.4 11.5.5 11.5.6 11.5.7 11.6 11.6.1 11.6.2 11.6.3 11.6.4 11.6.5

Arterielle Hypertonie (B. Wedler) Definition, Klassifikation, Schweregrade . . . Epidemiologie, Klinik, Prognose Ätiologie, Pathogenese, Pathophysiologic . . Diagnostik, Differentialdiagnostik Basisdiagnostik Diagnostische Zusatzprogramme Therapie Grundprinzipien Nichtmedikamentöse Basistherapie Medikamentöse Therapie Empfehlungen zur Stufentherapie Compliance Nebenwirkungen und Lebensqualität Hypertensive Krise Sekundäre Hochdruckformen Renale Hypertonie Endokrine Hochdruckformen Hypertonie und Gravidität Kardiovaskuläre Hypertonie Neurogene Hypertonie

155 155 156 157 159 159 162 164 164 165 167 173 174 174 175 176 176 177 180 181 181

12 12.1 12.2 12.3 12.4 12.5 12.6 12.7 12.8 12.9

Hypotone Regulationsstörungen (I.-W.Franz) Vorbemerkungen und Definitionen Epidemiologie Physiologie Ätiologie, Pathogenese und Pathophysiologie Klinik Diagnostik Differentialdiagnose Therapie Verlauf und Prognose

181 181 182 182 183 186 186 190 191 193

III Krankheiten der Atmungsorgane

151

(R. 1

13 13.1 13.2 13.3 13.4 13.5 13.6 13.7 13.8 13.9 14 14.1 14.2 14.3 14.4 14.5 15

Arterielle Gefäßerkrankungen (J.Ranft, H.Heidrich) Chronische periphere arterielle Durchblutungsstörungen Akuter Gefäßverschluß Aneurysmen Entzündliche Gefäßerkrankungen Supraaortale und zerebrale Gefäßerkrankungen Abdominale Arterienverschlüsse Funktionelle arterielle Durchblutungsstörungen Gefäßmißbildungen Arteriovenöse Fisteln Venöse Gefäßerkrankungen (J.Ranft, H.Heidrich) Venenthrombosen Chronisch-venöse Insuffizienz Postthrombotisches Syndrom Primäre und sekundäre Varikosis Besenreiser-und retikuläre Varizen Erkrankungen des Lymphgefäßsystems (M. Földi, E. Földi)

194 194 201 202 204 205 209 210 214 214

215 215 221 222 224 225

225

Loddenkemper)

1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7

Leitsymptome und Untersuchungsverfahren in der Pneumologie Leitsymptome Physikalische Untersuchung Bildgebende Verfahren Endoskopisch-bioptische Untersuchungen . . Lungenfunktionsuntersuchungen Immunologische Diagnostik Weitere Labordiagnostik

235 235 235 236 236 239 243 243

2 2.1 2.2 2.3

Störungen der Atemregulation Hypoventilation Schlafapnoe-Syndrom Hyperventilation

243 243 244 246

3 3.1 3.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.3.6 3.3.7 3.3.8

Atemwegskrankheiten und Emphysem Obere Atemwege Trachea Untere Atemwege Akute Bronchitis Chronische Bronchitis Bronchiolitis Bronchiolithiasis Bronchiektasen Asthma bronchiale Zystische Fibrose (Mukoviszidose) Lungenemphysem

4

4.4 4.5 4.6 4.7 4.8 4.9 4.10 4.11 4.12

Diffuse (restriktive) Lungenparenchymkrankheiten Infektionen Anorganische Stäube Organische Stäube (exogen-allergische Alveolitis) Gasförmige Noxen Physikalische Noxen Medikamente Autoimmunkrankheiten Maligne Erkrankungen Atemnotsyndrom des Erwachsenen Metabolische Ursachen Angeborene und erbliche Erkrankungen Idiopathische diffuse Lungenkrankheiten

5 5.1 5.2

Bronchopulmonale Tumoren Benigne Tumoren Maligne Tumoren

288 288 289

6 6.1 6.2 6.3

Krankheiten des Lungenkreislaufs Pulmonale Hypertonie Lungenembolie Pulmonale arteriovenöse Fisteln

301 301 304 309

7 7.1 7.2 7.3

Krankheiten der Pleura Pleuraergüsse Pneumothorax Pleuraverdickungen

309 309 316 319

8

Krankheiten des Mediastinums

321

9

Krankheiten des Zwerchfells

325

4.1 4.2 4.3

. . .

246 247 247 250 250 251 256 257 257 259 265 267 274 274 274

. . . .

277 279 279 279 279 280 280 281 281 281

Inhaltsverzeichnis

XI 7.3

IV Krankheiten des Blutes und des lymphatischen Systems

7.4 1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 2.10 3 3.1 3.2 4

Störungen der Hämatopoese (K.-M.Koeppen) Störungen der Hämatopoese, mehrere Zellsysteme betreffend Pathophysiologische Einführung Aplastische Anämie Myelodysplastische Syndrome Myeloproliferative Syndrome Störungen der Erythrozytopoese (K.-M.Koeppen) Pathophysiologische Einführung Einteilung der Störungen der Erythrozytopoese Allgemeine Anämiesymptome Akute und chronische Blutverluste Eisenmangelanämien Sideroblastische Anämien Megaloblastische Anämien Hämolytische Anämien Symptomatische (sekundäre) Anämien assoziiert mit chronischen Erkrankungen . . Polyglobulie und Polyzythämie Störungen der Granulozytopoese und Monopoese (H. Riihl) Zellsysteme der Granulozyten und Monozyten Reaktive Veränderungen der Granulozyten .

329 7.5 329 329 330 332 333

337 337 338 339 340 341 345 346 349 363 364

10

365 365 366

374

5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5

Leukämien (H. Rühl) Epidemiologie Ätiologie und Pathogenese Akute Leukämien Chronische myeloische Leukämie Chronische lymphatische Leukämie

374 374 375 375 384 387

6 6.1

Maligne Lymphome (H. Riihl) Differentialdiagnose der Lymphknotenvergrößerungen Morbus Hodgkin Non-Hodgkin-Lymphome Maligne Erkrankungen des MonozytenMakrophagen-Systems Plasmozytom (Multiples Myelom)

387

4.3 4.4

6.2 6.3 6.4 6.5 7 7.1 7.2

Hämorrhagische Diathesen (K.-M. Koeppen) Vorbemerkungen Plasmatische hämorrhagische Diathesen (Koagulopathien)

9 9.1 9.2

Erkrankungen des lymphatischen Systems (H. Rühl) Grundlagen der Klinischen Immunologie . . Reaktive Veränderungen des lymphatischen Systems Immundefekt-Erkrankungen Maligne Erkrankungen des lymphatischen Systems

4.1 4.2

8 8.1 8.2 8.3 8.4

368 368

9.3 9.4 9.5 9.6

10.1 10.2 10.3 10.4 10.5 10.6 10.7 10.8

373 373

388 388 395

413 413 417

Erkrankungen der Milz (K.-M. Koeppen) . . Einleitung Pathophysiologic und Aufgaben der Milz . . Isolierte Erkrankungen der Milz Milzbeteiligung im Rahmen myelo- und lymphoproliferativer Erkrankungen . . . . . Grundlagen der Transfusionsmedizin (H. Rühl) Blutgruppensysteme Kreuzprobe (serologischer Verträglichkeitstest) Coombs-Test Transfusion von Blut und Blutbestandteilen Risiken und Gefahren der Bluttransfusion . HLA-System Grundlagen der Tumorbiologie und der intemistisch-onkologischen Behandlung (K.-M.Koeppen) Einleitung Epidemiologie Ätiologie Tumorbiologie Zellteilung und Zellkinetik Tumorwachstum Diagnostik und Einteilung der Tumoren . . Therapeutische Möglichkeiten bei bösartigen Tumoren

425

428 432 433 433 434 434 434

435 435 437 438 438 439 440

441 441 441 441 443 443 444 444 445

V Krankheiten der Verdauungsorgane 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.4.5 1.4.6 1.4.7

407 407

Vaskuläre hämorrhagische Diathesen (Vasopathien) Störungen der Thrombozytopoese mit thrombozytär bedingten hämorrhagischen Diathesen Thrombozytopathien

1.4.8 2 2.1 2.2

Erkrankungen des Ösophagus (M. V.Singer) Anatomie und physiologische Funktion . . . Klinische Symptome von Ösophaguserkrankungen Untersuchungsmethoden bei Ösophaguserkrankungen Spezielle Ösophaguserkrankungen Motilitätsstörungen Ösophagusdivertikel Ösophagusperforation und Spontanruptur . Hiatushernie Refluxkrankheit Ösophagusverätzungen durch Säuren und Laugen Infektionen, Arzneimittelulcera, Ringe, Webs, Verschiedenes Tumoren des Ösophagus

451 451

468 471

Erkrankungen des Magens und Duodenums (M.V.Singer) Anatomie Physiologie

474 474 475

451 453 454 454 458 459 461 463 467

XII 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.3

2.4 2.5 2.5.1 2.5.2 2.6 2.6.1 2.6.2 3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 3.9 3.10 3.11 3.12 3.13 3.14 4

Inhaltsverzeichnis Motilität Magensekretion Physiologische Aufgaben des Duodenums . . Allgemeine Symptomatologie und klinische Untersuchungsbefunde bei Magenerkrankungen Akute obere gastrointestinale Blutung . . . . Spezielle Magenerkrankungen Gastritis und Reizmagen Ulcus ventriculi und Ulcus duodeni (gastroduodenale Ulkuskrankheit) Tumoren des Magens Gutartige Geschwülste des Magens und Duodenums Magenkarzinom Erkrankungen des Dünndarmes (H. Goebell) Anatomie und Physiologie Diagnostische Verfahren zur Untersuchung des Dünndarmes Leitsymptome und ihre Pathophysiologic . . Darminfektionen Einheimische Sprue Tropische Sprue Morbus Whipple Laktoseintoleranz Resektionssyndrome Bakterielle Überwucherung, Syndrom der blinden Schlinge Entzündungen des Dünndarmes (ohne Morbus Crohn) Primäre intestinale Lymphangiektasie . . . . Divertikel am Dünndarm Tumoren am Dünndarm

475 477 482

7 7.1 7.2 7.3

482 482 483 483

7.4 7.5 7.6 7.7 7.8 7.9 7.10 7.11

487 498 498 498 503 503 508 513 518 519 521 521 522 523 526 527 529 529 530

4.1 4.2

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (H. Goebell) Colitis ulcerosa Morbus Crohn

531 531 538

5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9

Erkrankungen des Dickdarmes (H. Goebell) . Anatomie und Physiologie Wesentliche Funktionen des Dickdarmes . . . Untersuchungsmethoden Leitsymptome Infektionen des Dickdarmes Appendizitis Divertikulose - Divertikulitis Polypen Kolorektales Karzinom

547 547 548 548 550 552 552 553 554 557

6

Besondere Erkrankungen an Dünnund Dickdarm (H. Goebell) Syndrom des irritablen Darmes Beteiligung des Darmes bei Systemerkrankungen Durchblutungsstörungen des Darmes Strahlenschäden am Darm Pneumatosis cystoides intestinalis Chronisch-intestinale Pseudoobstruktion . . . Angiodysplasien im Darm

6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7

7.12 7.13 7.14 7.15 7.16 8 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6 9 9.1 9.2 9.3 9.4

562 564 566 566 566 567

600 601 607 608 610

Erkrankungen der Gallenblase und Gallenwege (R. Teschke) Anatomie Physiologie Gallensteine Entzündungen Primär-sklerosierende Cholangitis Tumoren

612 612 613 615 621 623 623

Erkrankungen des Pankreas (M. V.Singer, H. Goebell) Anatomie und Physiologie Kongenitale Pankreasveränderungen beim Erwachsenen Pankreatitis Pankreastumoren

567 567 568 568 575 580 583 590 590 591 593 594

625 625 630 632 652

VI Krankheiten der endokrinen Organe und Stoffwechselstörungen 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 2

559 559

Erkrankungen der Leber (R. Teschke) .... Anatomie Physiologie Grundlagen der Diagnostik bei Lebererkrankungen Akute Virushepatitis Chronische Hepatitis Toxische Lebererkrankungen Fettleber Amyloidose der Leber Parasitosen der Leber Bakteriell bedingte Lebererkrankungen . . . Angeborene und genetisch bedingte Lebererkrankungen Chronische destruierende, nicht-eitrige Cholangitis - primär-biliäre Zirrhose Leberzirrhose Budd-Chiari-Syndrom Lebertumoren Differentialdiagnose des Ikterus

2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8

Erkrankungen des Hypothalamus und der Hypophyse (H.-J. Quabbe) Hypothalamisch-hypophysäre Einheit . . . . Hypothalamische Erkrankungen Supra-hypothalamisch bedingte Störungen der Hypothalamus-Hypophysen-Funktion . . Diagnostik hypothalamisch-hypophysärer Erkrankungen Erkrankungen der Hypophyse Erkrankungen der Schilddrüse (H. Schleusener, J. Hensen) Embryologie, Anatomie, Physiologie Struma mit euthyreoter Funktionslage Maligne Struma Hypothyreose Hyperthyreose Basedow-Orbitophathie Thyreoiditiden Diagnostische Verfahren

....

665 665 667 671 672 675

688 688 690 692 696 699 706 708 710

Inhaltsverzeichnis 3

XIII

3.9 3.10

Erkrankungen der Nebennieren (U. Bogner, W. Oelkers) Anatomie Physiologie Untersuchung der NNR-Funktion Cushing-Syndrom Hyperaldosteronismus Hypoaldosteronismus Hypokortisolismus Erkrankung der Nebennierenrinde mit Androgen- oder Östrogen-Exzeß „Incidentaloma" Phäochromozytom

4 4.1 4.2

Testes und Ovarien (G. Eschenhagen) Testes Ovarien

5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7

Erkrankungen des Knochens (K.Wagner, Th. Philipp) Knochenstoffwechsel Untersuchungsmethoden Metabolische Knochenerkrankungen .... Nebenschilddrüsenerkrankungen Morbus Paget (Osteodystrophia deformans) Hyperostosen Knochenneoplasien

751 751 753 754 756 758 760 761

6 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7

Diabetes mellitus (V. Schusdziarra) Definition Klassifikation Diagnostik Therapie des Diabetes mellitus Kontrolle Komplikationen des Diabetes mellitus . . . . Diabetes und Schwangerschaft

761 761 762 765 768 778 781 789

7

Ernährungsabhängige Gesundheitsstörungen und Stoffwechselerkrankungen (G.Middelhoff) Störungen der Energiebilanz Störungen durch qualitative Ernährungsfehler Störungen des Aminosäurestoffwechsels . . Störungen des Purinstoffwechsels Störungen des Fettstoffwechsels

791 791 797 800 800 805

3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8

7.1 7.2 7.3 7.4 7.5

715 715 715 718 718 724 726 726 729 731 732 ....

734 734 745

VIII Störungen des Volumen-, Elektrolytund Säure-Basen-Haushaltes (Th. Philipp, H. Haller)

1 1.1 1.2 1.3 1.4

Volumen-und Elektrolythaushalt Physiologie des Natrium- und Wasserhaushaltes, Osmolalitätsregulation Physiologie des Kaliumhaushaltes Kalzium-und Phosphatstoffwechsel Magnesiumstoffwechsel

2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5

Physiologie des Säure-Basen-Haushaltes Beurteilung des Säure-Basen-Haushaltes Metabolische Alkalose Respiratorische Alkalose Metabolische Azidose Respiratorische Azidose

1 1.1 1.2 1.3

Allgemeine Nephrologie Untersuchungsmethoden Nephrologische Hauptsyndrome Akutes Nierenversagen

811 811 819 829

2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6

Spezielle Nephrologie Glomeruläre Erkrankungen Tubulo-interstitielle Nierenerkrankungen . . Nephrolithiasis Genetisch determinierte Nierenerkrankungen Sekundäre Nierenerkrankungen Apparative Nierenersatztherapie

834 834 848 858 858 866 875

. . . .

896 896 898 899 900 902

Pathophysiologie Begriffsbestimmungen Klinische Einteilung der Infektionskrankheiten Abwehrmechanismen des Körpers gegenüber Infektionskrankheiten Diagnostik bei Infektionskrankheiten . . . . Besonderheiten der klinischen Leitsymptome bei Infektionskrankheiten Auf den Erreger gerichtete Therapieformen (Chemotherapeutika, Antibiotika, Antimykotika) Infektionsquellen und Infektionswege . . . . Endemie - Epidemie - Pandemie Immunität, aktive Immunisierung Passive Immunisierung Impfplan

905 905

(M.Alexander)

1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6

1.7 1.8 1.9 1.10 1.11 2 2.1 2.2

3

(Th. Philipp, K. Wagner)

881 888 891 895

IX Infektionskrankheiten

2.3

VII Krankheiten der Niere und ableitenden Harnwege

881

3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 4 4.1 5 5.1

906 907 907 913

915 916 917 917 917 918

Exanthematische Infektionskrankheiten Infektionskrankheiten mit makulopapulösem Exanthem Infektionskrankheiten mit vesikulärem Exanthem Lepra (Aussatz)

926 931

Infektionskrankheiten mit Befall der Mundschleimhaut und des Rachens Streptokokkenangina Angina Plaut-Vincenti (Fusoborreliose) . . . Herpangina Soor (Candidiasis) Diphtherie

933 933 933 934 934 936

Infektionskrankheiten mit Befall der Speicheldrüsen Mumps (Parotitis epidemica, Ziegenpeter)

939 939

Infektionskrankheiten mit Lymphknotenbefall Infektiöse Mononukleose

919 919

.

941 941

XIV 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8

Inhaltsverzeichnis Katzenkratzkrankheit Listeriose Pest Tularämie Infektionen durch Yersinia pseudotuberculosis Brucellosen Toxoplasmose

943 943 944 945 947 948 949

14

Sepsis

1003

15 15.1 15.2 15.3

Weitere Virusinfektionen Zytomegalie Newcastle disease Lassafieber und andere hämorrhagische Fieber AIDS (H.-G. Hoffmann)

1005 1005 1007

15.4 6

6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10

Infektionskrankheiten mit Befall des Respirationstraktes A k u t e r Virusinfekt der oberen Luftwege (Rhinoviren, Reoviren, RS-Viren, ECHO-Viren) Parainfluenzavirusinfektionen Adenovirusinfektionen Virusgrippe (Influenza) Atypische Pneumonien Legionellose Pneumokokkenpneumonie Bronchopneumonie Pneumocystis-carinii-Pneumonie Keuchhusten (Pertussis)

953 954 954 955 957 960 961 963 963 964

7

Tuberkulose

965

8 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5

970 970 973 973 974

8.6 8.7 8.8 8.9 8.10 8.11 8.12 8.13 8.14

Infektionskrankheiten mit Darmbefall . . . . Typhus abdominalis Paratyphus Α und Β Enteritis infectiosa durch Salmonellen . . . . Enteritis infectiosa durch Staphylokokken . . Enteritis infectiosa durch Yersinia enterocolitica Enteritis infectiosa durch Campylobacter . . Enteritis infectiosa durch Dyspepsiecoli . . . Virusenteritis Cholera Bakterielle Ruhr (Shigellose) Amöbenruhr Lambliasis Botulismus Kokzidiose

974 974 975 975 976 977 978 978 979 979

9 9.1 9.2 9.3

Infektionskrankheiten mit Befall der Leber Virushepatitis A, B, Non-A/Non-B Morbus Weil (Leptospirose) Gelbfieber

980 980 980 981

10 10.1 10.2

Wundinfektionen Tetanus Gasbrand

983 983 984

11 11.1 11.2 11.3 11.4

Infektionen mit Befall des Zentralnervensystems Eitrige Meningitis bzw. Meningoenzephalitis Tuberkulöse Meningitis Virusmeningitis Weitere Meningitiden und Enzephalitiden . .

985 985 988 988 998

12

Geschlechtskrankheiten

1002

13

Nosokomiale Infektionen

1002

6.1

953

1007 1008

16 16.1

Weitere Erkrankungen durch Chlamydien . . 1013 Trachom und Einschlußkonjunktivitis (Paratrachom) 1013

17 17.1 17.2 17.3 17.4 17.5 17.6

Weitere Infektionen durch Rickettsien . . . . Endemisches Fleckfieber Rocky Mountain Spotted Fever Altweltliches Zeckenbißfieber Rickettsienpocken Tsutsugamushi-Fieber Wolhynisches Fieber (Fünftagefieber) . . . .

18

Weitere Infektionen durch Mykoplasmen

19 19.1 19.2 19.3 19.4 19.5 19.6 19.7 19.8 19.8.1 19.8.2 19.8.3 19.8.4

Weitere bakterielle Infektionen Milzbrand (Anthrax) Schweinerotlauf (Erysipeloid) Rotz (Malleus) Melioidosis Bartonellose (Carrion-Krankheit/Oroyafieber) Aktinomykose Nocardiose Spirochätenerkrankungen Borreliose (Lyme-Krankheit) Rückfallfieber Frambösie Rattenbißfieber (Sodoku, Haverhill fever) . .

1019 1020 1021 1021 1021 1023 1024 1024

20 20.1 20.2 20.3 20.4 20.5 20.6 20.7

Weitere Mykosen Histoplasmose Blastomykose Coccidioidomykose Aspergillose Geotrichose Mukormykose Sporotrichose

1025 1025 1026 1027 1028 1030 1030 1031

21 21.1 21.2 21.3 21.4 21.5 21.6 21.7 21.8 21.9

Weitere Protozoenerkrankungen (Th. Weinke) Malaria Chagas-Krankheit Schlafkrankheit Viszerale Leishmaniasis (Kala-Azar) Kutane und mukokutane Leishmaniasis Amöbiasis Giardiasis Pneumozystose Trichomoniasis

22 22.1 22.2

Wurmerkrankungen (Helminthosen) Taeniasis und Zystizerkose Echinokokkose (Hundebandwurm)

1014 1014 1015 1015 1015 1015 1015

. . 1016 1016 1016 1017 1018 1018

1032 1032 1035 1036 1036 . . . 1037 1037 1038 1039 1039 1040 1040 1042

Inhaltsverzeichnis 22.3 22.4 22.5 22.6 22.7 22.8 22.9 22.10 22.11 22.12 22.13 22.14 22.15 22.16 22.17

XV

Hymenolepidose (Zwergbandwurm) Spulwürmer (Askaridiasis) Madenwürmer (Enterobiasis, Oxyuriasis) . . Trichinellose (Trichinen) Peitschenwürmer (Trichuriasis) Hakenwürmer (Ankylostomiasis) Fadenwürmer (Filariosen) Zwergfadenwürmer (Strongyloidose) . . . . Medinawürmer (Drakunkulose) Schistosomiasis (Bilharziose) Großer Leberegel (Fasciola hepatica) . . . . Katzenleberegel (Opisthorchiasis) Chinesischer Leberegel (Clonorchis sinensis) Darmdistomatose Lungenegel (Paragonimiasis)

1043 1044 1044 1045 1046 1046 1047 1048 1049 1049 1051 1051 1052 1053 1053

X I Psychosomatische Medizin (Η. H. Studt) 1

Allgemeine psychosomatische Medizin

2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5

Spezielle psychosomatische Medizin Herz-Kreislauf-Störungen Atemstörungen Magen-Darm-Störungen Eßstörungen Allgemeines psychosomatisches Syndrom . .

1055

1117 1137 1137 1139 1141 1146 1150

XII Physikalische Medizin, Rehabilitation, Prävention 1

X Entzündlich-rheumatische Erkrankungen (J. Sieper, R. Götzen)

...

1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.9 1.10 1.11

Physikalische Medizin und Rehabilitation (D. Krause) Vorbemerkungen Atemtherapie Krankengymnastik Hydrotherapie Mechanotherapie Extensionstherapie Thermotherapie Elektrotherapie Ultraschall Bäder-und Klimaheilkunde Schlußbemerkungen

1153 1153 1153 1154 1157 1157 1158 1158 1159 1160 1160 1160

Präventives und rehabilitatives Training (I.-W. Franz)

1161

1

Grundlagen der Diagnostik

2

Grundlagen der medikamentösen Therapie . 1059

3

Rheumatoide Arthritis

4 4.1 4.2 4.3 4.4

Seronegative Spondylarthritiden Ankylosierende Spondylitis Reiter-Syndrom und reaktive Arthritiden Psoriasis-Arthritis Enteropathische Arthritis

5

Systemischer Lupus erythematodes

1082

6

Progressive systemische Sklerose

1090

7

Polymyositis/Dermatomyositis

1092

8

Mischkollagenose

1092

1

Definition und Epidemiologie

1169

9

Sjögren-Syndrom

1093

2

Pharmakokinetik im Alter

1170

10

Vaskulitiden

1094

3

Nebenwirkungen und Wechselwirkungen . .

1175

11

Arteriitis temporalis und Polymyalgia rheumatica

1103

4

Kombinationstherapie

1176

12

Morbus Behcet

1105

5

Geriatrika

1178

13

Kryoglobulinämie

1106

14

Rheumatisches Fieber

1106

15

Kristallinduzierte Arthropathien

1107

16

Infektiöse Arthritiden

1109

17

Arthritis bei verschiedenen Erkrankungen

18

Differentialdiagnose der entzündlichrheumatischen Gelenkerkrankungen und der Kollagenosen

1064 1073 1073 . . 1076 1079 1081

. 1112

1115

2

XIII Multimorbidität und Pharmal therapie im Alter (D. Platt)

X I V Notfälle und Vergiftungen in der Inneren Medizin 1 1.1 1.2 1.3

Definition (F.Martens, Th.Schirop) Vitalfunktion Atmung Vitalfunktion Herz-Kreislauf-Funktion Leitsymptome

2 2.1 2.2 2.3 2.4

Basismaßnahmen (F.Martens) Kreislauf-und Atemstillstand Diagnostik des Kreislaufstillstandes A B C der Wiederbelebung Zusammenfassung der Maßnahmen

...

1181 1181 1181 1181 1181 1181 1182 1182 1187

XVI

Inhaltsverzeichnis

3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8

Leitsymptom Schock (F.Martens) Hypovolämischer Schock Septischer Schock Anaphylaktischer Schock Neurogener Schock Kardiogener Schock Ablauf des Schocks Therapie des Schocks Laktatazidose (Th. Schirop)

4 4.1 4.2 4.3

Leitsymptom Atemnot (F. Mariens) Untersuchungsverfahren Erkrankungen, die zur Atemnot führen Therapie von Atemstörungen

1187 1187 1187 1187 1188 1188 1188 1189 1190 1191 1191 . . . 1193 1197

5 5.1 5.2

Leitsymptom Schmerz (F. Martens) Abdominaler Schmerz Brustschmerz

6 6.1 6.2

Leitsymptom Bewußtlosigkeit (Th. Schirop) . 1204 Neurologische Phänomene 1204 Coma diabeticum und Hypoglykämie . . . . 1205

7 7.1 7.2 7.3 7.4

Vergiftungen (F. Martens) Definition Diagnostik Entgiftung Spezielle Vergiftungen

Sachregister

1199 1199 1199

1205 1205 1206 1207 1213

1221

Anamnese, Befunderhebung, Dokumentation

I Anamnese, Befunderhebung, Dokumentation

H. Goebell, F. W. Lohmann, J. Wagner

1 Allgemein-internistische Untersuchung

Allgemein-internistische Untersuchung

1.1 Allgemeines

Allgemeines

Die Befragung und die allgemeine Untersuchung des kranken Menschen sind das Herzstück der ärztlichen Tätigkeit. Hier treten sich Patient und Arzt zum ersten oder wiederholten Male unmittelbar gegenüber, und hier wird das eigentliche Vertrauensverhältnis ausgebildet. Für diese Fragen müssen wir uns ausreichend Zeit nehmen. Anamneseerhebung und Untersuchung sind oft auch bereits ein Teil der Therapie. Hier kann der Patient bei einem guten Arzt erfahren, daß dieser ihn in seiner Gesamtheit als seelisch-geistig-körperliches Individuum zu erfassen sucht und achtet. In diesem ersten Kapitel des Lehrbuches der Inneren Medizin wird eine kurze Einleitung in diese Dinge gegeben, ohne daß das Detailwissen vermittelt werden kann. Die Bücher über die klinische Untersuchung, wie sie für den Untersuchungskurs verfaßt worden sind, sollen nicht ersetzt werden. Ihre Durcharbeitung ist daher unabdingbare Voraussetzung für einen kenntnisreichen Umgang mit dem Patienten.

Befragung und allgemeine Untersuchung Herzstück der ärztlichen Tätigkeit

1.2 Untersuchungsgang

Untersuchungsgang

Ein systematisches Vorgehen erleichtert wesentlich die Entscheidungen, welche für den Gang der Diagnostik und der Therapie getroffen werden müssen. Wir gehen wie folgt vor:

Systematisches Vorgehen notwendig

Aufbau des Vertrauensverhältnisses

Erfassung des Menschen als seelisch-geistig-körperliches Individuum

1. Anamnese 2. Körperliche Untersuchung 3. Physikalisch zu erhebende Befunde Blutdruck, Puls, Temperatur, Größe, Gewicht 4. Laboratoriumsuntersuchungen 5. Physikalisch-physiologische Untersuchungen 6. Bildgebende Verfahren 7. Endoskopische Methoden 8. Diagnostische Eingriffe wie Punktionen zur Gewinnung von Material für pathologisch-anatomische Analysen.

1.2.1 A n a m n e s e

Anamnese

Die Anamnese wird einmal im direkten ärztlichen Gespräch als Eigenanamnese erhoben. Sie kann und muß bei schwerkranken Menschen, die keine geordneten Angaben machen können, durch eine Fremdanamnese von Angehörigen, Bekannten usw. ergänzt werden. Im Gespräch wird man im ersten Teil den Patienten frei berichten lassen, ohne ihn wesentlich zu unterbrechen. Nur so kann der Patient frei seine Beobachtungen darstellen. An dieser Stelle kann der Arzt korrigierend ein-

Eigenanamnese Fremdanamnese Freier Teil der Anamnese

I Anamnese, Befunderhebung, Dokumentation

2

Gezielter Teil der Anamnese Leitsymptome

Aktuelle Anamnese frühere Anamnese Vegetative Anamnese

Medikamentenanamnese

Er näh ru ngsanamnese

Aufzeichnungen des Patienten

Familienanamnese

Psychosoziale Anamnese

Körperliche Untersuchungen und physikalische Befunde

greifen, wenn der Patient bereits Diagnosen berichtet und nicht Symptome. Vielfach hat er nämlich von anderen Ärzten und Menschen Meinungen zu seiner Krankheit gehört, welche er dann wiedergibt. Man soll ihn abschließend zu diesem Teil auch fragen, welche eigene Auffassung von seinem Problem er hat und welche Sorgen. Hier kann man ζ. B. von der Angst erfahren, er habe vielleicht eine Krebserkrankung. Im zweiten Teil der Anamnese muß man dann gezielt nach den aktuellen Leitsymptomen und deren Qualität fragen: wo, wie, wann, warum sind bestimmte Symptome aufgetreten. Bei der gezielten Anamnese arbeitet der Arzt bereits nach seiner Hypothese, die er sich während der freien Anamneseerhebung zu der möglichen Erkrankung des Patienten gebildet hat. Im gezielten Teil befaßt man sich also zuerst mit der aktuellen Anamnese, die den Patienten unmittelbar zum Arzt gebracht hat. Sodann rollt man die frühere Anamnese auf, wo andere Erkrankungen, Operationen, Krankenhausaufenthalte bzw. bisherige diagnostische Maßnahmen usw. erfaßt werden. Besondere Fragen werden sodann in der sogenannten vegetativen Anamnese gestellt, so zu Appetit, Durst, Gewichtsverhalten, Stuhlgang. Wasserlassen, Schlafverhalten, Genußmitteln (Alkohol, Rauchen), Eßgewohnheiten (z.B. Süßigkeiten), Allergien. Es schließt sich die Medikamentenanamnese an, bei der man möglichst genau bisher benutzte Arzneimittel erfragt nach Name, Dosis, Zeiten der Einnahme. Hierzu läßt man sich am besten die Packungen zeigen. Abführmittel, Schlaf- und Schmerzmittel, die frei käuflich sind, werden oft nicht als Medikamente empfunden! In vielen Fällen, insbesondere aber bei Unterund Übergewicht, nimmt man eine Emährungsanamnese auf, um eine Fehlernährung erkennen zu können. Wenn die Ursache der Erkrankung hier vermutet wird, soll man die Patienten bitten, ca. eine Woche lang minutiös und unter Angabe der Tageszeiten aufzuschreiben, was und wieviel sie essen. Auf diese Weise kann man auch einen Einblick in unregelmäßige Lebensweisen bekommen (z.B. ohne Frühstück aus dem Haus gehen, keine warmen Mahlzeiten, überwiegend „fast food"), die vielleicht eine Beziehung zur Krankheit haben. Bei Patienten mit Verdauungsproblemen kann man sich zur genauen Erfassung auch prospektiv über eine Woche hin Aufzeichnungen über Zahl, Konsistenz und Uhrzeit der Darmentleerung machen lassen. Die Anamnese wird weitergeführt mit der Familienanamnese mit Fragen nach Erkrankungen und Todesfällen von Eltern, Verwandten ersten und zweiten Grades und Belastungen durch genetisch gehäufte Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Karzinom, Hochdruck usw. Schließlich wird das ärztliche Gespräch mit der psychosozialen Anamnese zu Familienstand, Beruf, Arbeitslosigkeit, Rentensituation, Arbeitsunfähigkeit, evtl. dem Sexualleben und mit dem Eingehen auf persönliche Sorgen und Probleme abgeschlossen. In diesem sensiblen Teil der Anamneseerhebung muß man mit Takt und Einfühlungsvermögen vorgehen. Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient wird hier nachhaltig gebildet. Die Anamnese braucht Zeit, sie ist das Kernstück aller ärztlichen Tätigkeit. Man sagt, daß ca. 80% der Diagnosen bereits als Ergebnis einer guten Anamnese richtig gestellt werden können. Erfahrene Arzte kehren daher im weiteren Gang, wenn sie nicht zu einer Diagnose kommen, wieder zur Erhebung der Anamnese zurück, um diese noch einmal gründlich zu erfragen.

1.2.2 Körperliche Untersuchung und physikalische Befunde In der körperlichen Untersuchung arbeiten wir mit unseren fünf Sinnen. Dieser mit der Anamnese wichtigste Teil der primären ärztlichen Tätigkeit bedarf besonderer Erfahrung. Je nach Krankheitsbild kann die körperliche Untersuchung bis zu 20% zur endgültigen Diagnose beitragen. Kardiologische Erkrankungen lassen sich

Allgemein-internistische Untersuchung beispielsweise allein durch die Anamnese und eine sorgfältige körperliche Untersuchung zu 90-95% bereits diagnostizieren. Als Methoden benutzt man die • Inspektion • Auskultation • Perkussion • Palpation • Rektale Untersuchung Auch wenn bestimmte Regionen des Körpers mit Symptomen im Vordergrund stehen, soll man nach einer ersten Untersuchung dieser Region stets systematisch vorgehen. Im Rahmen der Untersuchung werden auch an physikalischen Befunden der • Blutdruck (beidseits) • Puls mit Art und Qualität • Gefäßsystem (Palpation, Auskultation) • Rektale/axillare Temperatur • Körpergröße und Körpergewicht festgestellt.

3

Methoden: • Inspektion • Auskultation • Perkussion • Palpation • Rektale Untersuchung

Physikalische Befunde: • Blutdruck • Puls • Gefäßsystem • Temperatur • Größe, Gewicht

1.2.3 Laboratoriumsuntersuchungen

Laboratoriumsuntersuchungen

Man kann sie in Untersuchungen zur Erhebung eines Grundstatus und in gezielte Ergänzungsuntersuchungen unterteilen.

Grundstatus

Zum Grundstatus gehören: • weißes und rotes Blutbild • Blutsenkung

• Leberwerte alkalische Phosphatase G O T (oder GPT) γΰΤ

• Stoffwechselwerte: Blutzucker Harnsäure Cholesterin Triglyceride

• Pankreas Amylase (oder Lipase)

• Nierenwerte: Kreatinin Harnstoff

• Elektrolyte Na, K, Ca

• Harnuntersuchung

• Gesamteiweiß

Zu den gezielten Untersuchungen gehören eine Vielzahl von Bestimmungen, z.B. zur Erfassung des Immunstatus, des Gerinnungsstatus etc. Auch nuklearmedizinische Untersuchungen und Labormethoden im Rahmen von Funktionsprüfungen (z.B. Schilddrüsenfunktion, Magensaftuntersuchungen, Chymotrypsin im Stuhl), mikrobiologische Untersuchungen von Körpersäften und des Stuhles gehören hierher.

gezielte Untersuchungen

1.2.4 Physikalisch-physiologische Untersuchungen

Physikalisch-physiologische Untersuchungen

Mit physikalischen Methoden können wertvolle Informationen über die Funktion von Organen gewonnen werden. Das EKG (Elektrokardiogramm) gehört zur Grunduntersuchung. Weitere Beispiele sind: - Echokardiographie, - Lungenfunktionsuntersuchungen, - Manometrien in Körperhöhlen und an Sphinkteren (ζ. B. im Magen-Darm-Trakt).

EKG Lungenfunktion Manometrien

I Anamnese, Befunderhebung, Dokumentation Bildgebende Verfahren

1.2.5 Bildgebende Verfahren

Abbild von Organen oder Körperhöhlen

Hierzu gehören alle Verfahren, welche ein Abbild bestimmter O r g a n e o d e r Körperregionen geben, so • • • • •

Ultraschall Röntgenuntersuchungen Szintigraphie Computertomographie N M R (Nuclear Magnetic R e s o n a n c e ) = Kernspintomographie

Thorax-Röntgen zur Grunduntersuchung

Z u der Grunduntersuchung gehört in der Regel die R ö n t g e n u n t e r s u c h u n g des T h o r a x (Lunge, Herz, große G e f ä ß e , Pleura) und vielfach bereits die Sonographie der A b d o m i n a l o r g a n e (Leber, Milz, Prävertebralregion, Niere). Im übrigen setzt man diese Untersuchungen gezielt ein unter Bevorzugung d e r preiswerteren Ultraschalluntersuchung, bevor man teure Verfahren wie C T benutzt. Besonders die sehr teure N M R soll man nur ganz gezielt einsetzen.

Endoskopien

1.2.6 Endoskopische Untersuchungen

Untersuchung von Körperhöhlen

Durch E n d o s k o p e mit Glasfaseroptiken sind h e u t e die meisten Körperhöhlen gut zu untersuchen: - Bronchoskopie, - Mediastinoskopie, - Ösophagoskopie, - Gastroduodenoskopie, - Zystoskopie, - Laparoskopie, - endoskopisch retrograde Cholangio-Pankreatikographie ( E R C P ) - Rektoskopie, Koloskopie werden bei den einzelnen O r g a n e r k r a n k u n g e n in ihrer Indikation und Interpretation beschrieben. Von B e d e u t u n g ist, d a ß neben der direkten Inspektion von K ö r p e r h ö h l e n gezielt Biopsate zur histologischen Untersuchung e n t n o m m e n werden k ö n n e n .

direkte Inspektion Biopsien

Diagnostische Eingriffe

1.2.7 Diagnostische Eingriffe

Biopsien -» Histologie

Diagnostische Eingriffe sind im wesentlichen Biopsien von Organen, bei denen Material zur histologischen Untersuchung gewonnen wird (z.B. Pleura, Lunge, Herzmuskel, Leber, Muskulatur). Bei Punktionen wird flüssiges Material zu Untersuchungen gewonnen (Venenpunktion als häufigste Untersuchung, Arterien, Pleura, Herzbeutel, A b d o m e n , G e l e n k e , Abszesse, K n o c h e n m a r k ) . D a s a b p u n k t i e r t e Material wird in der Regel klinischchemisch, bakteriologisch und zytologisch untersucht.

Punktion

Körperflüssigkeiten

• klinisch-chemische Untersuchung • Bakteriologie • Zytologie

Dokumentation der Untersuchungsbefunde

2 Dokumentation der Untersuchungsbefunde A n a m n e s e , körperlicher B e f u n d und alle a n d e r e n e r h o b e n e n D a t e n müssen möglichst genau schriftlich dokumentiert werden. Hierzu gibt es das Krankenblatt mit vorformulierten Fragen, spezielle Formblätter (für viele Untersuchungen) und die freie Beschreibung (u.a. f ü r die A n a m n e s e ) . D i e D o k u m e n t a t i o n dient

Entscheidungsfindung zum Vergleich der in verschiedenen Zeitabschnitten erhobenen Befunde zur Information anderer Ärzte zur forensischen Begutachtung für eventuelle wissenschaftliche Auswertung (s. auch Lehrbuch der Chirurgie von Häring/Zilch) Die Dokumentationen werden in einer Krankenakte zusammengefaßt und sind gesetzlich vorgeschrieben in der Regel 15 Jahre lang aufzubewahren. Die Akte wird durch den Arztbrief oder eine Epikrise abgeschlossen.

3 Entscheidungsfindung

Entscheidungsfindung

Alle beschriebenen Maßnahmen von Anamnese, körperlicher Untersuchung, Erhebung von Befunddaten mit verschiedenen Methoden dienen der Entscheidungsfindung für die richtige Diagnose und die richtige Therapie. Diese Entscheidungsfindung darf nicht willkürlich, sondern muß gezielt und logisch aufgebaut erfolgen. Je erfahrener ein Arzt ist, umso weniger „technische" Untersuchungsmittel wird er benötigen, um diese Entscheidungsfindung rasch zu einem richtigen Ende zu führen. Am anderen Ende steht eine ungezielte „Schrotschußdiagnostik", wo man vieles in der Hoffnung untersucht, irgendetwas zu finden. Dieses Vorgehen ist unärztlich und treibt die Kosten in die Höhe. Die gezielte Entscheidungsfindung arbeitet dagegen rationell und kostensparend. Sie braucht aber ein großes Wissen und dauernd durch stetiges Lernen erweiterte Erfahrung. Der Weg der Entscheidungsfindung läßt sich wie folgt darstellen: Anamnese

i

Hypothese X körperliche Untersuchung Grunduntersuchung Hypothese bestätigt X gezielte Untersuchungen zum Beweis

Hypothese nicht bestätigt X neue Hypothesen 2,3 usw.

I

i

gezielte Untersuchungen

Diagnose X Therapie

Hypothesen bestätigt oder verworfen

i i

Einengung zur richtigen Diagnose, evtl. nur Verdachts-(Wahrscheinlichkeits-) Diagnose X Therapie, u. U. ex juvantibus

Gezielter Einsatz von technischen Mitteln zur Entscheidungsfindung

Entscheidungsbaum mit Entwicklung von Hypothesen und deren Bestätigung

II Krankheiten des Herzund Kreislaufsystems

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

1 Diagnostik

Diagnostik

J. Wagner

1.1 Anamnese Bei einem hohen Prozentsatz der Herzpatienten kann eine Verdachtsdiagnose bereits aus den anamnestischen Angaben gestellt werden. Dabei ist es häufig notwendig, den Patienten gezielt nach ganz bestimmten Kriterien zu fragen, da viele, auf die Herzkrankheit zu beziehende Beschwerden von einem medizinischen Laien oft nicht im Zusammenhang mit einer Herzerkrankung gesehen werden. Bei Erhebung der Vorgeschichte ist auf folgende Krankheiten besonders zu achten: • gehäufte, fieberhafte, eitrige Mandelentzündungen, • akutes rheumatisches Fieber, • Chorea minor, • Scharlach, • venerische Erkrankungen. Wichtig ist die Frage nach dem Nikotinabusus und nach Medikamenten. In der Familienanamnese ist bei Verdacht auf Koronarerkrankungen wichtig: • Adipositas, • Schlaganfall, • Herzinfarkt oder • plötzlicher Tod in jüngerem Lebensalter. Zusammengefaßt sind folgende Komplexe zu erfragen: a) frühere Erkrankungen, die auf das Herz Einfluß gehabt haben könnten, Häufigkeit von bestimmten Infektionskrankheiten. b) Beschwerden und Symptome des Patienten wie Schmerzcharakteristik, Schwindelerscheinungen, Synkopen, Dyspnoe, unregelmäßiger Herzschlag, Nykturie, Palpitationen, Schweißausbrüche, Ödeme. c) Risikofaktoren sowie früher und z.Z. eingenommene Medikamente.

1.2 Klinische Untersuchung

Anamnese

- Mandelentzündungen - akutes, rheumatisches Fieber - Chorea minor - Scharlach - venerische Erkrankungen - Nikotinabusus (Risikofaktoren) - Medikamente Familienanamnese: - Adipositas - Schlaganfall - Herzinfarkt - plötzlicher Tod

Zusammenfassung Beschwerden und Symptome: - Schmerzcharakteristik - Schwindelerscheinungen - Synkopen - Dyspnoe - unregelmäßiger Herzschlag - Nykturie - Palpitationen - Schweißausbrüche - Ödeme

Zur klinischen Untersuchung eines Herzpatienten gehören Inspektion, Palpation, Perkussion und Auskultation des Herzens, Messung des Blutdruckes. Beurteilung des Pulses sowie die Suche nach Rechts- und/oder Linksherzinsuffizienzzeichen.

Klinische Untersuchung

1.2.1 Inspektion

lnspektion

Bei der Inspektion sollte darauf geachtet werden, ob eine Zyanose vorliegt. Eine livide Verfärbung kann man insbesondere an Akren, also Wangen, Kinn, Nase, Händen und Füßen, oder auch am gesamten Körper beobachten. Ursache einer Zyanose ist eine unzureichende Sättigung des strömenden Blutes mit Sauerstoff. Sie entsteht in der Regel durch Übertritt des ve-

Zyanose Form des knöchernen Thorax sieht- und tastbarer Herzspitzenstoß am Hals venöse Stauung (Caesarenkragen)

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems -

Ödeme in den abhängigen Partien Ascites Trommelschlegelbildung Cutis marmorata Dyspnoe/Orthopnoe

nösen Blutes in d e n großen Kreislauf, ohne d a ß das Blut die Lunge zur Oxygenierung durchlaufen hätte. Eine Z y a n o s e tritt also immer bei einem Rechts-Links-Shunt auf. Hierzu g e h ö r e n der Truncus und der Pseudotruncus arteriosus communis, die Fallotsche Tetralogie sowie die Transposition der großen G e f ä ß e . Bei anderen a n g e b o r e n e n Herzvitien kann die Zyanose auch zu einem späteren Lebenszeitpunkt in Erscheinung treten, so beim Vorhofseptumdefekt und eventuell beim Ventrikelseptumdefekt, w e n n sich die Shuntrichtung u m k e h r t . Vitien mit einem Links-Rechts-Shunt wie der D u c t u s arteriosus Botalli, d e r Vorhofseptumdefekt und der Ventrikels e p t u m d e f e k t o h n e pulmonale Hypertension zeigen keine ausgeprägte Zyanose. Eine geringgradige A k r o z y a n o s e kann bei großem Links-RechtsShuntvolumen auch bei diesen letztgenannten Vitien auftreten, wenn die peripheren Gewebeteile insgesamt schlechter oxygeniert werden. Isoliert zyanotische Wangen sind ein typisches Zeichen der Mitralstenose. Besondere Blässe im Gesicht kann dagegen auf ein Aortenvitium hindeuten. Bei der Inspektion des T h o r a x sollte auf die Form des knöchernen Thorax geachtet werden. Bei a n g e b o r e n e n Vitien kann gelegentlich ein sogenannter Herzbuckel festgestellt werden. E s handelt sich hierbei um eine Vorwölbung der Rippen, eventuell des Sternums im Bereich des Herzens. Es entsteht eine asymmetrische T h o r a x f o r m . Weiterhin sollte darauf geachtet werden, o b der Herzspitzenstoß tastbar ist. D i e typische Lokalisierung liegt innerhalb der Medioklavikularlinie ( M C L ) im 5. Interkostalraum ( I C R ) links, bei Vergrößerung des H e r z e n s außerhalb der M C L im 5. o d e r 6. I C R links. Bei der A o r t e n k l a p p e n s t e n o se, der Aortenklappeninsuffizienz, der Aortenisthmusstenose und beim arteriellen H y p e r t o n u s ist ein sichtbarer Herzspitzenstoß nicht selten. A m häufigsten wird er bei der Aortenklappeninsuffizienz beobachtet, w e n n der linke Ventrikel infolge erheblich vermehrter Pumparbeit vergrößert ist. Im Halsbereich ist auf eine venöse Stauung zu achten. Die H e r z a k t i o n e n teilen sich den Halsgefäßen mit und k ö n n e n hier sichtbar werden. Im Extremfall verdickt sich der gesamte Hals und verfärbt sich livide. M a n spricht von einem sogenannten Caesarenkragen. Venenstauungen dieser A r t sprechen f ü r eine erhebliche Einflußstauung des Herzens und sind Teil einer schweren Rechtsherzdekompensation. Als weiteres Zeichen einer Rechtsherzdekompensation finden sich Ödeme insbesondere an den unteren Extremitäten im Gegensatz zu nephrogenen Ö d e m e n , die bevorzugt auch das Gesicht erfassen. D i e Ö d e m e bei H e r z k r a n k h e i t e n sind symmetrisch angeordnet. Bestehen Ö d e m e in den abhängigen Partien über längere Zeit, so bildet sich eine zyanotische Verfärbung aus. A u c h der Ascites sollte als Symptom der Rechtsherzdekompensation bereits bei der Inspektion vermutet werden. Sichtbare Venenzeichnungen im Bereich des A b d o m e n s (z.B. das sogenannte C a p u t M e d u s a e ) oder eine Varikosis im Bereich der u n t e r e n Extremitäten sind keine Herzdekompensationszeichen. Gestaute Venen im Bereich der oberen Extremitäten, die auch bei Lagerung der A r me o b e r h a l b der H e r z e b e n e im Liegen nicht verschwinden, k ö n n e n dagegen als ein Rechtsherzdekompensationszeichen im Sinne einer Einflußstauung gewertet werden. Bei der Trommelschlegelbildung handelt es sich um eine kolbige Auftreibung der Finger- und Zehenendglieder, die aus einer Kollageno- und Elastolyse mit gleichzeitiger Vergrößerung des subungualen Polsters entsteht. Das subunguale Polster schwillt aufgrund einer Verquellung des Stützgewebes und einer Blutüberfüllung der venösen Sinus an, die wiederum durch die chronische Hypoxie bedingt sind. Trommelschlegelfinger und -zehen sind bei schweren a n g e b o r e n e n Vitien, insbesondere denen, die auch mit einer Z y a n o s e einhergehen, nicht selten. Sie k o m m e n jedoch auch bei chronischen L u n g e n e r k r a n k u n g e n vor. Seltener findet sich bei a n g e b o r e n e n Vitien eine Cutis marmorata und, als eine vom Herzen unabhängige a n g e b o r e n e Mißbildung, ein h o h e r spitzer Gaumen. Wichtiges Zeichen einer Herzinsuffizienz kann jedoch auch eine unter R u hebedingungen b e s t e h e n d e Dyspnoe oder Orthopnoe sein, die sich unter

Diagnostik

9

Belastungsbedingungen verstärkt. E i n e Synopsis der bei einem Patienten v o r h a n d e n e n Symptome ergibt bereits wichtige Hinweise auf eine Herzkrankheit.

1.2.2 Palpation

Palpation

D e r bereits bei der Herzinspektion angesprochene Herzspitzenstoß sollte bei jeder Herzuntersuchung auch palpiert werden. Eine verstärkte Herzspitze spricht f ü r eine ü b e r h ö h t e linksventrikuläre Arbeitsleistung bei vergrößertem Herzen. A u ß e r d e m kann man anhand des Palpationspunktes des Herzspitzenstoßes beurteilen, ob ein H e r z linksverbreitert ist o d e r sich in den normalen G r e n z e n bewegt. Eine Verlagerung des Herzspitzenstoßes nach lateral der M C L o d e r nach kaudal zum 6. I C R bedeutet eine Herzvergrößerung. Schließlich ist durch die Palpation des Herzspitzenstoßes die Stelle gekennzeichnet, an der später die Herzspitze auskultiert wird. Die Palpation des Herzspitzenstoßes erfolgt mit 2 bis 3 Fingerkuppen. Bei Verdacht auf ein kongenitales Vitium sollte die H a n d flach parasternal links zwischen d e m 2. und 3. I C R aufgelegt werden. Bei einigen angeborenen Vitien kann ein präkordiales Schwirren w a h r g e n o m m e n werden, so gelegentlich beim Vorhofseptumdefekt, beim Ventrikelseptumdefekt, bei der Pulmonalstenose sowie bei kombinierten Vitien wie der Fallotschen Tetralogie. Ödeme im Bereich der unteren Extremitäten sollten durch Fingerdruck an der Schienbeinkante oder am Knöchel verifiziert werden. E b e n s o sollte die Leber abgetastet werden, um eine Lebervergrößerung, bedingt durch eine Rechtsherzinsuffizienz, feststellen zu k ö n n e n . Die Lebervergrößerung wird grob in Querfingern o d e r besser in Z e n t i m e t e r n in der rechten M C L unterhalb des rechten R i p p e n b o g e n s angegeben.

- Herzspitzenstoß - präkordiales Schwirren - Ödeme - Lebervergrößerung

1.2.3 Perkussion

Perkussion

Die Perkussion der Herzgrenzen selbst ist nur außerordentlich grob möglich. Die Perkussion des rechten H e r z r a n d e s wird so v o r g e n o m m e n , daß der p e r k u t i e r e n d e Finger sich auf den rechten Sternalrand von lateral her zubewegt. D i e Finger liegen dabei parallel zum Sternum. Die Herzspitze wird wie bereits erwähnt durch Palpation festgehalten. D e n k t man sich von diesem Herzspitzenpunkt an eine schräge Verbindungslinie zum Sternum in H ö h e des 2. I C R , so sollte d e r linke H e r z r a n d auf diese schräge Linie hin senkrecht perkutiert werden, also mit paralleler Fingerhaltung zu dieser gedachten schrägen Linie. E i n e Vergrößerung des Herzens nach rechts m u ß schon recht erheblich sein, um sich perkutorisch b e m e r k b a r zu machen, da der rechte Sternalrand deutlich von der Herzmasse überschritten sein muß. Auch eine Vergrößerung des H e r z e n s nach links ist perkutorisch nur bei erheblicher Herzvergrößerung möglich. Auf Unterschiede zwischen der relativen und der absoluten H e r z d ä m p f u n g soll in diesem Z u s a m m e n h a n g nicht eingegangen werden. Die Perkussion hat auch h e u t e noch B e d e u t u n g bei der Feststellung von Pleuraergüssen. Eine D ä m p f u n g insbesondere an der Basis der rechten Thoraxseite weist auf einen rechtsseitigen Pleuraerguß hin, der als Zeichen einer Rechtsherzdekompensation von klinischer B e d e u t u n g ist. Die D ä m p fungsfigur des rechtsseitigen Pleuraergusses folgt der Ellis-Damoiseauschen Linie. Die einseitige pleurale Ergußbildung rechts bei Rechtsherzdekompensation wird durch lymphatische B a h n e n erklärt, die bei gleichzeitiger L e b e r v e r g r ö ß e r u n g eine Verbindung zwischen abdominalem und thorakalem R a u m darstellen. N e b e n der Palpation der Lebergrenzen ist auch eine Perkussion dieser Grenze bei vergrößertem Organ möglich. Ein möglicher Aszites kann bei Umlagerung des Patienten in Seitenlage perkutiert w e r d e n .

- Herzgrenzen - Pleuraerguß - Lebervergrößerung - Aszites

10

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

Auskultation

1.2.4 Auskultation

• Aortenklappe: 2. ICR rechts parasternal • Pulmonalklappe: 2. ICR links parasternal • Ventilebene: 3.-4. ICR links parasternal (Erbscher Punkt) • Mitralklappe: 5. ICR links Medioklavikularlinie (Herzspitze) • Trikuspidalklappe: 4.-5.ICR rechts parasternal (rechter Sternumrand) Fortleitung: A.carotis (Aortenvitien) vordere Axillarlinie (Mitralvitien) Zu achten ist auf: - punctum maximum des Geräusches - Lokalisation des Geräusches - Geräuschbeginn - Geräusch-Charakter - Klang-Charakter - Lageveränderlichkeit - Fortleitung

Die Auskultation des Herzens gehört bei der klinischen Untersuchung von H e r z k r a n k e n zu den wichtigsten U n t e r s u c h u n g s m e t h o d e n . Vor allem angeb o r e n e und e r w o r b e n e Herzfehler verursachen Töne und G e r ä u s c h e (diese Töne sind in physikalischem Sinne auch Geräusche), die von Tönen, die von einem funktionell einwandfrei arbeitenden Herzen erzeugt werden, abgegrenzt werden k ö n n e n . Man unterscheidet Verstärkungen und Verminderungen vom 1. und 2. Herzton. Zusätzlich kann ein Mitralöffnungston ( M Ö T ) sowie ein 3. Herzton gehört werden. Weiterhin k ö n n e n systolische Geräusche von diastolischen Geräuschen differenziert werden. 1. u n d 2. Herzton trennen die Systole von der Diastole. Es werden Crescendo- von Decrescendo-Geräuschen unterschieden, holosystolische von spindelförmigen Geräuschen. Die fünf charakteristischen Auskultationsstellen am Herzen sollten stets routinemäßig untersucht werden.

Routine-Auskultationspunkte

Systolische und diastolische Geräusche: • Crescendo-Geräusche • Decrescendo-Geräusche • holosystolische und holodiastolische Geräusche • spindelförmige Geräusche 1. und 2. Herzton, Mitralöffnungston (MÖT), 3. Herzton

Es sind folgende Punkte: - 2. I C R parasternal rechts (für die A o r t e n k l a p p e ) - 2. I C R parasternal links (für die P u l m o n a l k l a p p e ) - 3. bis 4. I C R parasternal links, d e r sog. Erbsche Punkt (Auskultation der Ventilklappenebene) - 5 . I C R in der G e g e n d der Medioklavikularebene links f ü r die Herzspitze ( f ü r die Mitralklappe) - 4. bis 5. ICR parasternal rechts, also am rechten S t e r n u m r a n d (für die Trikuspidalklappe) Wegen charakteristischer Fortleitungsphänomene sollte zusätzlich im 5. I C R links in der vorderen Axillarlinie (Mitralvitien) auskultiert werden sowie über beiden Karotiden (Aortenvitien). Bei Verdacht auf einen offenen D u c t u s arteriosus Botalli ist im 2. I C R weiter lateral zusätzlich zu auskultieren, bei Verdacht auf eine Aortenisthmusstenose auch im R ü c k e n am medialen Skapularrand links. M a n beachte bei d e r Auskultation des H e r z e n s das Punctum maximum des Geräusches, dessen Lokalisierung besonders anzugeben ist, d e n Geräuschbeginn (gleichzeitige Palpation des peripheren Pulses), die Geräusch-Charakteristik, den Klangcharakter, die Lageveränderlichkeit und die Fortleitung. Kongenitale wie e r w o r b e n e Herzfehler gehen in der Regel mit Herzgeräuschen einher. Bei der Auskultation ist eine weitgehende Differenzierung möglich, die mit Hilfe d e r Phonokardiographie verfeinert werden kann.

Blutdruckmessung

1.2.5 Blutdruckmessung

Arterielle Blutdruckmessung s. Kap. 11.11.

Arterielle Blutdruckmessung Siehe Kapitel 11.11.

Venöse Blutdruckmessung Venöser Blutdruck abhängig vom Blutvolumen Zentrale blutige Venendruckmessung über einen Katheter in Nähe des rechten Vorhofes in der Vena cava superior. • Venöser Blutdruck zwischen 0 und 6 mmHg im Normbereich.

Venöse Blutdruckmessung D e r venöse Blutdruck hängt ganz überwiegend vom Blutvolumen ab, da sich ü b e r 80% des Blutvolumens in den Venen befindet. Von größerer klinischer B e d e u t u n g ist die zentrale blutige Venendruckmessung, die mit Hilfe eines M a n o m e t e r s und eines venösen Katheters durchgeführt wird. D e r intravenös eingeführte K a t h e t e r befindet sich bei liegendem Patienten in der Vena cava superior in unmittelbarer N ä h e des rechten Vorhofes. D e r flüssigkeitsgefüllte Katheter wird gewöhnlich Uber die Vena subclavia oder über die Vena jugularis eingeführt und der Venendruck manometrisch bestimmt. Die blutige zentrale Venendruckmessung hat sich gegenüber der unblutigen Messung der Jugularvenenpulskurve durchgesetzt.

Diagnostik

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1.2.6 Beurteilung des Pulses

Beurteilung des Pulses

In der Regel wird der Puls an derA. radialis gemessen. Mindestens eine halbe Minute sollte die Pulsschlagfolge gezählt werden. Die Pulsfrequenz braucht durchaus nicht der H e r z f r e q u e n z zu entsprechen. Nur ein ausreichend großes Schlagvolumen f ü h r t zu einem peripher gut m e ß b a r e n Puls. So kann ein beachtliches peripheres Pulsdefizit, z.B. bei einem Bigeminus oder einer Tachyarrhythmia, auftreten. N u r durch gleichzeitige Auskultation des H e r z e n s ist dabei eine exakte Bestimmung möglich. N e b e n der Pulsfrequenz wird auch die Qualität des Pulses mitbeurteilt. So kann ein Pulsus parvus et tardus, ζ. Β. bei einer Aortenstenose, von einem Pulsus celer et altus bei einer Aortenklappeninsuffizienz unterschieden werden. Ein Pulsus alternans wird als Ausdruck einer schweren Schädigung des Herzens mit letztlich schlechter Prognose gewertet. Hypertoniker h a b e n einen Pulsus durus entsprechend einem hohen intravasalen Druck. Allerdings darf man sich nicht durch arteriosklerotische G e f ä ß e über die H ö h e des intravasalen Druckes täuschen lassen. Ein Pulsus mollis wird bei Hypotonikern g e f u n d e n .

- Periphere Pulsmessung z.B. an der A. radialis - Normale Pulsfrequenz zwischen 60 und 100/min - Bei Herzinsuffizienz peripheres Pulsdefizit

1.3 Spezielle kardiologische Untersuchungsverfahren

Spezielle kardiologische Untersuchungsverfahren

1.3.1 Konventionelle Elektrokardiographie

Konventionelle Elektrokardiographie

Qualität des Pulses Aortenstenose: Pulsus parvus et tardus Aortenklappeninsuffizienz: Pulsus celer et altus Schwere Herzschädigung: Pulsus alternans Arterielle Hypertonie: Pulsus durus Arterielle Hypotonie: Pulsus mollis

Es kann keine systematische Darstellung des E K G s in allen Einzelheiten erfolgen. Es sei hierzu auf die speziellen L e h r b ü c h e r zur Elektrokardiographie hingewiesen. Das Kapitel enthält jedoch die wichtigsten A s p e k t e der Elektrokardiographie, was die Methodik, die N o r m a l b e f u n d e und die pathologischen B e f u n d e angeht. Ableitungssysteme

Ableitungssysteme

Man unterscheidet f ü r die Standardableitungen drei unterschiedliche elektrokardiographische Ableitungssysteme: 1. die bipolaren Extremitätenableitungen nach Einthoven, 2. die unipolaren Extremitätenableitungen nach Goldberger, 3. die unipolaren Brustwandableitungen nach Wilson. Die drei bipolaren Extremitätenableitungen werden mit I—III bezeichnet und in folgender Weise abgeleitet: Ableitung I: linker A r m positiv, rechter A r m negativ. Ableitung II: rechter A r m negativ, linkes Bein positiv. Ableitung III: linkes Bein positiv, linker A r m negativ. Bei den unipolaren Extremitätenableitungen wird jeweils eine Extremitätenableitung mit zwei anderen Extremitätenableitungen zusammengeschaltet, so d a ß sich auch hier drei Ableitungen ergeben, nämlich a V R , a V L und a V F (Abb. II-l). aVR: rechter A r m positiv - zusammengeschaltet linkes Bein negativ, linker A r m negativ. aVL: linker A r m positiv - zusammengeschaltet rechter A r m negativ, linkes Bein negativ. aVF: linkes Bein positiv - zusammengeschaltet rechter A r m negativ, linker A r m negativ.

Φ

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

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GOLDBERGER

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F: Elektrode Ii. Bein Abb. 11-1 EKG-Ableitungssysteme Die genormten Farben der Extremitätenkabel

Für diese beiden Extremitätenableitungen benützt man verschiedenfarbige Kabel, die verabredungsgemäß an bestimmte Extremitäten angeschlossen werden müssen: rot = rechter Arm gelb = linker Arm grün = linkes Bein schwarz (Erde) = rechtes Bein Neben den sechs Extremitätenableitungen werden sechs unipolare Thoraxableitungen über Brustwandelektroden registriert. Sie werden mit V,-V e bezeichnet und an sechs genau definierten Punkten durch Saug- oder Kle-

Diagnostik

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beelektroden a b g e n o m m e n . Als indifferente E l e k t r o d e gilt die SammelElektrode der drei zusammengeschlossenen Extremitäten-Kabel mit einem Widerstand von 5000 O h m . Die sechs Brustwandelektroden sind so anzuordnen, d a ß sie jeweils etwa gleiche A b s t ä n d e zueinander bilden. Die Elektroden V, und V 2 liegen rechts und links am Sternalrand im vierten Interkostalraum, die Elektroden V 3 und V 4 befinden sich im Bereich der Herzspitze leicht untereinander versetzt, die Elektroden V s und V 6 verlaufen wieder in einer horizontalen Linie bis zur vorderen Axillarlinie. D a b e i entsprechen V, und V 2 in etwa d e m rechten Ventrikel, V 3 und V 4 d e m septalen ventrikulären Bereich, V 5 und V 6 d e m linken Ventrikel. Somit gehören zu den Standardableitungen 12 Ableitungen: 6 Extremitätenableitungen, 6 Brustwandableitungen. 3 sind bipolare Ableitungen, 9 unipolare Ableitungen. Bei Verdacht auf einen Hinterwandinfarkt, bei erheblicher Linksherzhypertrophie o d e r Linksherzdilatation k ö n n e n zusätzliche Brustwandableitungen (Vr-V 9 ) weitere nützliche Information bieten. Diese Ableitungen ziehen sich links ringförmig bis zur Paravertebrallinie in Fortsetzung von V 6 auf den Rücken. Als Ergänzung zu den unipolaren Brustwandableitungen von Wilson hat N e h b zusätzliche, bipolare Thoraxableitungen konzipiert. Die Nehb-Ableitungen können bei der Diagnostik des Herzinfarktes, insbesondere im inferioren und posterioren Bereich, hilfreich sein.

Nehb-Ableitungen: bedeutungsvoll bei inferiorem und posteriorem Infarkt

1.3.1.1 Normales Elektrokardiogramm

Normales Elektrokardiogramm

Die N o m e n k l a t u r des E K G s bezieht sich auf eine Einteilung von Einthoven. Man unterscheidet (auch Wellen genannt) von Strecken und Komplexen. Als Bezugslinie gilt die isoelektrische o d e r Null-Linie. Die Z a c k e n , die oberhalb der isoelektrischen Linie liegen, werden als positiv bezeichnet, die Zacken, die unterhalb dieser Linie liegen, als negativ. Neben der eben beschriebenen Bezugslinie wird eine Eichzacke von 1,0 Millivolt als Bezugsgröße bei j e d e r E K G - S c h r e i b u n g mitregistriert. M a n unterscheidet folgende Z a c k e n : P, Q, R, S, T, U und folgende Strecken: QT-Strecke, STStrecke im ventrikulären Teil und die PQ-Strecke als atrioventrikuläre Überleitungszeit, sowie das RR-Intervall als A b s t a n d von zwei R - Z a c k e n . Selten wird noch eine Q U - S t r e c k e errechnet. Als Komplex wird der Q R S Komplex angegeben. Als normaler Papiervorschub werden 50 mm/s benutzt. D a s E l e k t r o k a r d i o g r a m m kann unterteilt werden in ein Elektroatriogramm und in ein Elektroventrikulogramm. D a s Elektroatriogramm erstreckt sich von Beginn Ρ bis A n f a n g Q, das Elektroventrikulogramm von A n f a n g Q bis E n d e Τ oder, wenn v o r h a n d e n , U. Die P-Zacke spiegelt die elektrische Vorhoferregung wider. Sie beträgt maximal 0,20 mV, beim Kind 0,25 mV. Die D a u e r der P-Zacke überschreitet normalerweise 0,11 s nicht. Während die P-Zacke gewöhnlich positiv ist, kann sie in den Ableitungen III, a V R , V] biphasisch oder negativ sein, o h n e als pathologisch zu gelten. Die PQ-Strecke, die die atrioventrikuläre Überleitungszeit bezeichnet, wird vom Beginn der P-Zacke bis zum Beginn der Q - Z a c k e gemessen. D i e QT-Strecke ist abhängig von der H e r z f r e q u e n z . Bei steigender Herzfrequenz verkürzt sich die PQ-Zeit, die normalerweise zwischen 0,12 und 0,21 s liegt. Die Strecke wird als isoelektrisch angesehen und damit zur Bezugslinie f ü r das gesamte E K G erklärt. D e r QRS-Komplex gibt die intraventrikuläre Erregungsausbreitung wieder. Die Breite des Q R S - K o m p l e x e s liegt zwischen 0,06 und 0,11 s. Die erste negative Z a c k e nach der atrioventrikulären Überleitungszeit entspricht der Q-Zacke. Sie soll nicht weniger als ein Viertel der auf sie unmittelbar bezogenen R - Z a c k e in m V betragen und maximal 0,04 s breit sein. Die erste positive Z a c k e nach der PQ-Überleitungszeit ist die die Q - Z a c k e unmittelbar ablösende R - Z a c k e . D i e R - Z a c k e ist in der Regel die größte Z a c k e innerhalb des E K G s . Nach der R - Z a c k e folgt die S-Zacke, die wiederum eine negative Ausrichtung zeigt. Die S - Z a c k e ist in den Extremitätenableitungen I und II kleiner als 0,6 mV. Als Beginn der endgültigen Negativbe-

12 Standardableitungen

P-Zacke (Vorhoferregung) maximal 0,20 mV maximal 0,11 s

PQ-Strecke (atrioventrikuläre Überleitungszeit) zwischen 0,12 und 0,21 s

QRS-Komplex (intraventrikuläre Erregungsausbreitung) zwischen 0,06 und 0,11 s R-Zacke = größte Zacke, positiv Q-Zacke = weniger als V4 der R-Zacke, negativ S-Zacke = in I. und II. kleiner als 0,6 mV

14

ST-Strecke (Ende der Kammerdepolarisation/Beginn der Repolarisation) Abweichung maximal 0,1 mV von der isoelektrischen Linie T-Zacke (Hauptteil der Repolarisation) größer als V7 der R-Zacke

QT-Strecke (Dauer der gesamten Kammersystole) frequenzabhängig U-Welle (möglicherweise Nachpotential der Kammererregung) nicht immer sichtbar

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems wegung gilt die R-Spitze. In V, liegt diese 0,03 s, in V 6 maximal 0,052 s nach Beginn von Q. Als Übergangszone bezeichnet m a n bei d e n Wilson-Ableitungen den Bereich, in d e m R - Z a c k e und S - Z a c k e gleich groß sind. Normalerweise liegt sie bei V 3 o d e r V 4 . Hierbei gilt ganz allgemein, d a ß in den Brustwandableitungen V, und V 2 kleine R - Z a c k e n aufgezeichnet werden, die nach V 3 an G r ö ß e z u n e h m e n , während umgekehrt die S - Z a c k e in V, und V 2 am stärksten ausgeprägt ist und nach V 3 abnimmt. Die A u s d e h n u n g dieser beiden entgegengesetzten Z a c k e n gleicht sich also in der Übergangszone an, w e n n auch u n t e r entgegengesetzten Vorzeichen. D e r Q R S - K o m p l e x zeigt Formvarianten, die einer Aufsplitterung entsprechen können. Je nach G r ö ß e der jeweiligen Z a c k e werden sie zur einfacheren Bezeichnung mit einem kleinen o d e r großen Buchstaben b e n a n n t . Tritt eine R - Z a c k e doppelt auf, wird sie zusätzlich mit einem Strich (z.B. r') gekennzeichnet. Die ST-Strecke reicht vom E n d e der S-Zacke bis zum E n d e der T-Zacke. Sie sollte 0,1 m V im Negativen und Positiven im Bezug auf die isoelektrische Linie nicht überschreiten. Die ST-Strecke entspricht d e m E n d e der Kammerdepolarisation und d e m Beginn der Repolarisation. In die T-Zacke fällt der Hauptteil der Repolarisation. Die T - Z a c k e sollte mehr als '/ 7 der R - Z a c k e betragen. Sie ist in den meisten Ableitungen positiv (Ableitung I, II, aVL, aVF, V 3 -V 6 ). In Ableitung III schwankt die TZ a c k e normalerweise zwischen positiv, biphasisch und negativ. In a V R ist die T-Zacke ganz in der Regel negativ, in V, und V 2 wird im A l t e r gewöhnlich eine positive T-Zacke registriert, bei Jugendlichen eine negative. Die QT-Strecke ist frequenzabhängig. Sie bezeichnet die D a u e r vom Beginn der Q - Z a c k e bis zum E n d e der T-Zacke und deckt so die gesamte Kammersystole ab. U-Wellen sind nicht immer sichtbar. Häufiger werden sie in Ableitung II sowie V 2 und V 4 g e f u n d e n . Möglicherweise handelt es sich bei der U-Welle um ein Nachpotential der Kammererregung. Ihre B e d e u t u n g ist noch weitgehend unklar (Abb.II-2).

Abb. 11-2 Normales EKG Lagetypen = Positionstypen Lagetyp zeigt die elektrische Herzachse an und ist aus der Amplitudenbestimmung des QRS-Komplexes ablesbar.

Lagetypen Die Lage- o d e r Positionstypen sind auf eine alleinige D r e h u n g der elektrischen Herzachse zurückzuführen. D e r Lagetyp ist aus der A m p l i t u d e n b e stimmung des Q R S - K o m p l e x e s ablesbar. E r wird überwiegend g e m ä ß den bipolaren Extremitätenableitungen nach Einthoven festgelegt. D i e elektrische H a u p t a c h s e stimmt nicht unbedingt mit der anatomischen Herzachse völlig überein. Die Bestimmung des elektrischen H a u p t v e k t o r s in Form der Lagetypen ist von Bedeutung, da im Laufe des Lebens Ä n d e r u n g e n vork o m m e n und auch ein plötzlicher pathologischer Wandel des Lagetyps eintreten kann. Man unterscheidet folgende Typen: Linkstyp, Indifferenztyp, Steiltyp, Rechtstyp sowie ü b e r d r e h t e n Links- und Rechtstyp, schließlich einen Sa-

Diagnostik

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gittaltyp. Diese Lagetypen ordnet man einem bestimmten Winkelmaß zu, wobei in einem Kreis eine Horizontallinie auf der rechten Seite den Winkel 0 und auf der linken Seite den Winkel 180 bezeichnet, das senkrecht gefällte Lot oben - 90 und unten + 90. Innerhalb dieser vier rechtwinkligen Sektoren nehmen die Lagetypen folgende Winkelbereiche ein: Rechtstyp + 1 2 0 - +90, Steiltyp + 9 0 - +60, Indifferenztyp + 6 0 - +30, Linkstyp + 30 30, überdrehter Linkstyp jenseits von - 30, überdrehter Rechtstyp jenseits von +120 (Abb. II-3). Während Kleinkinder in der Regel einen Rechtstyp zeigen, ergibt sich mit zunehmendem Alter sowie bei Adipositas eine Drehung zum Linkstyp.

+90° aVF Abb. 11-3 Einordnung der Lagetypen in ein Winkelsystem

Zur Charakterisierung der einzelnen Lagetypen: Rechtstyp: III: hohes R, aVL: tiefes S; aVF: hohes R, I: tiefes S. Vorkommen: Physiologisch bei Kleinkindern, pathologisch bei Rechtshypertrophien. Steiltyp: I: kleines R, kleines S; III: hohes R; aVF: hohes R. Vorkommen: Adoleszenz, leichte Rechtshypertrophie. Indifferenztyp: II: hohes R; aVL: kleines R; aVF: kleines R. Vorkommen: Normaltyp im Erwachsenenalter. Linkstyp: I: hohes R; III: tiefes S; aVL: hohes R; aVF: tiefes S. Vorkommen: Erwachsenenalter, Adipositas, Linkshypertrophie. Sagittaltyp: Die Herzachse ist in sagittaler Richtung gedreht und steht ungefähr senkrecht auf der frontalen Ebene. In den Extremitätenableitungen überwiegen kleine, negative Ausschläge vom Typ S|Q> Vorkommen: Lungenembolie, Cor pulmonale, Koronarinsuffizienz, Herzmuskelschädigung (Abb. II-4).

Rechtstyp: physiologisch bei Kindern, pathologisch bei Rechtshypertrophie Steiltyp: Adoleszenz, leichte Rechtshypertrophie Indifferenztyp: Normaltyp im Erwachsenenalter Linkstyp: Erwachsenenalter, Adipositas, Linkshypertrophie Sagittaltyp: Cor pulmonale, Lungenembolie, Koronarinsuffizienz, Herzmuskelschädigung

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

16 RechtsTyp ^

J\fIII

_Λ_

SteilTyp 4 _

Indiffer.- LinksTyp Typ

überdr. LinksTyp

4 _

X

J[~

- Λ -

-Λτ-

- ν -

ΛΓ

JL Jv.

T L

aVL aVF

- ν

Λ Γ

Abb.ll-4 EKG-Lagetypen

Pathologisches Elektrokardiogramm

1.3.1.2 Pathologisches Elektrokardiogramm

Pathologische Veränderungen der P-Zacke:

Pathologische Veränderungen der P-Zacke Die P-Zacke entspricht der Erregung der Vorhöfe. Als Formvariante ist die P-Zacke bei Sympathikotonie und Sinustachykardie häufig leicht erhöht, bei Vagotonie oder Bradykardie leicht abgeflacht. Als pathologische Veränderungen der P-Zacke können das P-sinistroatriale, das P-dextroatriale und das P-biatriale gelten. Zum P-sinistroatriale: Bei besonderer Belastung wird der linke Vorhof etwas verspätet erregt, so daß in den Ableitungen I und II Ρ breiter als 0,11 s und doppelgipflig ist. Diese Veränderung kommt bei der Mitralstenose, bei der Mitralklappeninsuffizienz, der hochgradigen Aortenklappenstenose, bei der Aortenklappeninsuffizienz, bei schwerer Linksherzinsuffizienz mit Erhöhung des linksventrikulären enddiastolischen Druckes und der arteriellen Hypertonie vor. Zum P-dextroatriale: Hierbei ist der rechte Vorhof besonders überlastet. Die P-Zacke ist spitz-positiv und über 0,20 mV erhöht, jedoch in Ableitung II und III nicht über 0,11 s verbreitert. Das P-dextroatriale kommt beim Ebstein-Syndrom, bei der Trikuspidalstenose, bei einer hochgradigen Pulmonalstenose, bei sekundärer und primärer pulmonaler Hypertonie sowie bei der Fallotschen Tetralogie und bei Rechtsherzinsuffizienz vor. Zum P-biatriale: Sind beide Vorhöfe überlastet, spricht man vom P-biatriale. Es ist selten und zeigt sowohl die Veränderungen des P-sinistroatriale als auch des P-dextroatriale. Hierbei sind I, II, III breiter als 0,11 s und zusätzlich über 0,20 mV erhöht. Diese Form der Vorhofveränderung kommt bei Spätformen von Mitral- oder Aortenklappenvitien vor, bei kongestiver, restriktiver und infiltrativer Kardiomyopathie. Zu den tachykarden Rhythmusstörungen mit P-Veränderungen: Bei Vorhoftachykardie, Vorhofflattern und Vorhofflimmern liegt als gemeinsame Veränderung eine überhöhte Frequenz von Ρ gegenüber dem Kammerkomplex vor. Eine Frequenz bis zu 220/min gilt als Vorhoftachykardie, zwischen 220 und 330/min spricht man von einer Flatterfrequenz. Vorhofflimmern liegt bei Frequenzen zwischen 330 und 600/min.

P-sinistroatriale: Ρ breiter als 0,11 s und doppelgipflig Vorkommen: Mitralvitien, Aortenvitien, schwere Linksherzinsuffizienz, arterielle Hypertonie

P-dextroatriale: Ρ spitz positiv, über 0,20 mV erhöht, nicht über 0,11 s verbreitert Vorkommen: Ebstein-Syndrom, Trikuspidalstenose Pulmonalstenose, pulmonale Hypertension, Fallotsche Tetralogie, Rechtsherzinsuffizienz P-biatriale: Ρ breiter als 0,11 s und höher als 0,20 mV Vorkommen: Spätformen von Aortenund Mitralvitien, kongestive, restriktive, infiltrative Kardiomyopathien Vorhoftachykardie, Vorhofflattern, Vorhofflimmern: überhöhte Frequenz von Ρ gegenüber Kammerkomplex - bis 220/min Vorhoftachykardie - 220-330/min Vorhofflattern - 330-600/min Vorhofflimmern Pathologische Veränderungen der atrioventrikulären Überleitungszeit: - kleiner als 0,12 s bei Präexzitationssyndromen - größer als 0,21 s = AV-Block ersten Grades

Pathologische Veränderungen der atrioventrikulären Überleitungszeit Die AV-Überleitungszeit, die normalerweise zwischen 0,12 und 0,21 s liegt, kann pathologisch verkürzt oder verlängert sein. Eine pathologische Verkürzung der PQ-Dauer wird bei den Präexzitationssyndromen gefunden (WPW-Syndrom, LGL-Syndrom, Faszikulo-ventrikulärer Trakt). Typisch für die Präexzitationssyndrome ist die Neigung zu paroxysmalen Tachykardien. Näheres hierzu siehe unter Kapitel Herzrhythmusstörungen.

Diagnostik

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Eine pathologische Verlängerung der PQ-Zeit über 0,21 s bei sonst regelmäßiger Erregungsleitung wird als atrioventrikulärer Block ersten Grades bezeichnet (AV-Block Grad I). Obwohl die Vorhoferregung regulär auf den Ventrikel übergeleitet wird, liegt eine Verminderung der Überleitungsgeschwindigkeit vor. Eine atrioventrikuläre Blockbildung ersten Grades kommt bei der Koronarinsuffizienz, bei Herzvitien, insbesondere beim Vorhofseptumdefekt, unter Digitaliseinfluß, unter Einfluß einiger Antiarrhythmika und bei ausgeprägter Vagotonic vor. Die höhergradigen atrioventrikulären Blockbilder werden, da sie auch in der Regel den Kammerkomplex betreffen, in dem Kapitel bradykarde Herzrhythmusstörungen angesprochen. Pathologische Veränderungen des QRS-Komplexes Man unterscheidet hierbei Druck- und Volumenbelastung des rechten und des linken Ventrikels. Weiterhin werden unvollständige und vollständige Schenkelblockbilder, Hemiblöcke sowie faszikuläre Blockbilder differenziert. Die elektrokardiographischen Zeichen der Rechtsherzbelastung sind ein Rechtstyp, ein hohes R in V, und in aVR sowie in V 5 und V 6 ein tiefes S. Die Differenzierung zwischen Druck- und Volumenbelastung beruht vorwiegend auf der Breite und Aufsplitterung des QRS-Komplexes sowie auf der unterschiedlichen Veränderung von S. Während bei der Volumenbelastung der QRS-Komplex breit und das S breit und tief in V5 und V 6 erscheint, ist bei einer einseitigen Druckbelastung des rechten Herzens der QRS-Komplex weder breit noch aufgesplittert, und das S ist zwar in V 5 und V6 tief, jedoch nicht verbreitert. Als klinisches Beispiel für eine Druckbelastung des rechten Herzens kann die Pulmonalstenose genannt werden, als typisches Beispiel für eine Volumenbelastung der Vorhofseptumdefekt. Die elektrokardiographischen Zeichen der Linksherzbelastung sind Linkstyp, ein hohes R in V5 und V6, ein verspäteter oberer Umschlagspunkt sowie ein positiver Sokolow-Index. Der Sokolow-Index wird als Zeichen einer Hypertrophie gewertet, wenn folgende Kriterien erfüllt sind: S in V, + R in V 5 oder V6 größer als 3,5 mV. Eine Differenzierung der Druckund Volumenbelastung des linken Ventrikels fällt schwerer als beim rechten Ventrikel. Es wird deswegen auf eine Gegenüberstellung verzichtet und lediglich darauf hingewiesen, daß Τ bei der Druckbelastung stets in V5 und V 6 negativ ausgeprägt ist, während bei der Volumenbelastung in diesen Ableitungen Τ zunächst positiv ist und erst später negativ wird. Weiterhin kann bei der Volumenbelastung R zwei ICR tiefer als normal, nämlich in VR erhöht gefunden werden. Ebenso wird der obere Umschlagspunkt an dieser Stelle verspätet gemessen, während bei der Druckbelastung dieses Phänomen nicht auftritt. Das hängt wohl damit zusammen, daß das volumenbelastete Herz größer ist als das druckbelastete Herz in nicht dekompensiertem Zustand. Typisches Beispiel für eine reine Druckbelastung des linken Ventrikels ist die Aortenstenose, für eine reine Volumenbelastung des linken Ventrikels sind es der offene Ductus arteriosus Botalli und die Aortenklappeninsuffizienz. Liegt eine biventrikuläre Belastung zugrunde, werden hohe R-Zacken in V,, V 5 und V 6 gefunden sowie ein Rechtstyp bei gleichzeitigen Linkshypertrophiezeichen und ein tiefes S in V,-V 4 . Pathologische Veränderungen, die die ST-Strecke und die übrige Repolarisation betreffen, also insbesondere die Veränderungen bei der koronaren Herzkrankheit und des Herzinfarktes, siehe Kapitel 4.5.1, 4.5.2 und 4.7.2. Das pathologische EKG bei Myokarditis, Perikarditis und bei den einzelnen Elektrolytstörungen dagegen werden kurz im folgenden abgehandelt.

Pathologische Veränderungen des QRSKomplexes Man unterscheidet Druck- und Volumenbelastung des rechten und linken Ventrikels. Zeichen der Rechtsherzbelastung: - Rechtstyp - hohes R in Vi und in aVR - tiefes S in V 5 , V 6 Druckbelastung: a.) R in Vi erhöht b.) QRS-Komplex weder breit noch aufgesplittert c.) oberer Umschlagspunkt später als 0,03 s d.) Τ in V,-V 3 negativ e.) S in V 5 , V 6 tief Volumenbelastung: a.) RSR'bzw. rSR'in V, b.) unvollständiger Rechtsschenkelblock c.) QRS-Komplex breit d.) oberer Umschlagspunkt später ab 0,03 s e.) S in V 5 , V 6 breit und tief Zeichen der Linksherzbelastung: - Linkstyp - hohes R in V 5 , V 6 - positiver Sokolow-Index - verspäteter Umschlagspunkt S in VT tief Sokolow-Index als Zeichen einer Hypotrophie: - S in V, + R in V 5 oder V 6 größer als 3,5 mV

EKG bei entzündlichen Erkrankungen des Herzens Myokarditis: Elektrokardiographische Veränderungen können bei einer Myokarditis recht unterschiedlich ausfallen. Man kann bestimmte Formen der Myokarditis weder durch besondere elektrokardiographische Veränderungen noch durch einen bestimmten zeitlichen Verlauf charakterisieren. Am häufigsten erscheint ein negatives Τ in Verbindung mit einer ST-Strekkensenkung, die in der Regel in allen Wilson-Ableitungen zu sehen ist. Es

Myokarditis Unterschiedliche und wechselnde EKGVeränderungen - negatives Τ - ST-Streckensenkung - tachykarde und bradykarde Rhythmusstörungen - Rechts-oder Linksschenkelblock

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Perikarditis - konkave ST-Streckenhebung - Τ spitz-negativ [ähnliches Bild wie beim Herzinfarkt] Pericarditis constrictiva - Niedervoltage - spitz-negatives Τ - ST-Streckensenkung - eventuell P-sinistroatriale oder biatriale

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems können sämtliche Formen der Herzrhythmusstörungen auftreten. Besonders häufig sind ventrikuläre Extrasystolen und Tachykardien. Auch Erregungsleitungsstörungen, insbesondere der AV-Block Γ, sind nicht selten, ebenso wechselnde PQ-Zeiten. Im Laufe einer Myokarditis kann auch ein Rechts- oder häufiger ein Linksschenkelblock entstehen. Beide bilden sich später häufig nicht mehr zurück. Perikarditis: Eine Perikarditis kann sich selbständig z.B. als tuberkulöse Erkrankung, als Teil einer Pankarditis oder auch als kurzfristige Begleiterscheinung eines frischen Herzinfarktes entwickeln. Elektrokardiographisch handelt es sich um eine konkave ST-Streckenhebung bei positivem T. Nach dem EKG-Bild allein ohne Zuhilfenahme der Klinik ist es schwer oder gar nicht zu unterscheiden, ob es sich ausschließlich um einen akuten Herzinfarkt, eine akute Perikarditis oder schließlich um eine Begleitperikarditis bei frischem Herzinfarkt handelt. Im chronischen Stadium der Perikarditis wird das Τ spitz-negativ. Diese Veränderung klingt nach einigen Wochen ab. Das elektrokardiographische Bild bei der Pericarditis constrictiva zeigt neben einer Niedervoltage ein spitz-negatives Τ in Verbindung mit einer STStreckensenkung sowie ein P-sinistroatriale oder biatriale als Zeichen der Vorhofbelastung.

EKG bei Elektrolytstörungen Hypokaliämie - ST-Streckensenkung - negatives Τ - hoch positives, breites U Hyperkaliemic - abgeflachtes Ρ - lange PQ-Zeit - schenkelblockartig verbreiterter QRSKomplex - hohes deformiertes Τ Hypokalzämie - QT-Verlängerung Hyperkalzämie - QT-Verkürzung EKG bei Stoffwechselstörungen Hyperthyreose - supraventrikuläreTachykardieneigung - überhöhtes Ρ - abgeflachtes oder negatives Τ - ST-Streckensenkung Hypothyreose - Sinusbradykardie - Niedervoltage - QT-Zeit verlängert - abgeflachtes oder negatives Τ - ST-Streckensenkung Herzschrittmacher-EKG

EKG bei Elektrolytstörungen Veränderungen der Kalium- oder Kalziumkonzentrationen können zu elektrokardiographischen Abweichungen führen. Ausgeprägte Fälle von Hypokaliämie zeigen eine ST-Streckensenkung, ein negatives Τ in Kombination mit einer hoch-positiven breiten U-Welle. Eine Hyperkaliemic manifestiert sich in schweren Fällen elektrokardiographisch in einem abgeflachten P, einer langen PQ-Zeit, einem schenkelblockartig verbreiterten QRS-Komplex und einem hohen deformierten T. Eine ausgeprägte Hypokalzämie kann sich in einer ungewöhnlichen QT-Verlängerung ausdrücken, eine Hyperkalzämie dagegen in einer QT-Verkürzung.

Der Stimulationsimpuls ist als senkrechter, schmaler Kurvenausschlag erkennbar. Die Amplitude des Stimulationsimpulses ist abhängig von: - bipolarer oder unipolarer Elektrode - Impulsspannung - EKG-Ableitung

Der von dem Schrittmacher-Generator ausgehende elektrische Impuls wird über die Schrittmachersonde auf das Myokard übertragen und löst so am Herzen eine Kontraktion aus. Dieser Stimulationsimpuls ist elektrokardiographisch als senkrechter, schmaler Kurvenaltsschlag nachweisbar. Die Amplitude dieses Stimulationsimpulses hängt einmal davon ab, ob es sich um eine bipolare oder eine unipolare Elektrode handelt, weiterhin von der Impulsspannung, zum anderen von der elektrokardiographischen Ableitung. Ist die Stimulation effektiv, folgt unmittelbar auf den Schrittmacherimpuls die Erregungsausbreitung. Liegt die Spitze der Schrittmachersonde im rechten Ventrikel, entsteht ein elektrokardiographisches Bild, das dem Linksschenkelblock entspricht. Liegt dagegen die Schrittmachersonde im Vorhof, ist die Erregungsausbreitung im Ventrikel ungestört, d.h., der QRS-Komplex ist nicht verbreitert. Bei einem Zweikammer-Schrittmacher, bei dem im rechten Vorhof und in der rechten Kammer nicht nur ein Schrittmacher-Impuls abgegeben wer-

EKG bei Stoffwechselstörungen Bei einer ausgeprägten Hyperthyreose finden sich in der Regel eine supraventrikuläre Tachykardieneigung, ein überhöhtes Ρ sowie ein abgeflachtes oder negatives Τ mit einer ST-Streckensenkung. Bei der Hypothyreose zeigt sich umgekehrt eine Sinusbradykardie bei Niedervoltage und gleichen Tund ST-Veränderungen wie bei der Hyperthyreose, die QT-Zeit kann verlängert sein. Bei der Urämie werden keine spezifischen elektrokardiographischen Veränderungen registriert. Man kann jedoch einige, bereits behandelte EKGVeränderungen beobachten, die durch Elektrolytverschiebungen, perikarditische Veränderungen oder den meist bestehenden arteriellen Hypertonus zustande kommen.

1.3.1.3 Herzschrittmacher-EKG

Diagnostik den kann, sondern auch über die Sonde Impulse empfangen werden können (DDD-Schrittmacher), sind Kombinationen und Mischformen möglich. Für den Schrittmacher-Impuls gilt ebenso wie für jeden anderen Reiz, daß während der Refraktärzeit keine Kammerdepolarisation ausgelöst werden kann. Erst nach Beendigung der Refraktärzeit kann ein Schrittmacher-Impuls wieder eine Kammerdepolarisation ingang setzen. Werden trotz Beendigung der Refraktärzeit Schrittmacher-Impulse nicht durch eine Kammerdepolarisation beantwortet, liegt ein sogenannter Exit-Block vor. Elektrokardiographisch wird lediglich der Schrittmacher-Impuls ohne nachfolgenden QRS-Komplex (bei einer in der Kammer liegenden Sonde) aufgezeichnet. Inhibition bedeutet, daß Signale vom Herzen die Schrittmacher-Stimulation verhindern, was durchaus sinnvoll sein kann, wenn das Herz einen genügend schnellen Eigenrhythmus aufweist. Triggerung bedeutet, daß die Schrittmacher-Stimulation gleichzeitig mit den Signalen des Herzens erfolgt. Die Vorstellung der einzelnen Herzschrittmacher-Typen muß der Fachliteratur entnommen werden. Es können jedoch Komplikationen bei den Herzschrittmachern auftreten, die elektrokardiographisch erfaßt werden können. Deswegen soll hierauf kurz eingegangen werden: Man unterscheidet Störungen des Herzschrittmacher-Aggregates selbst, Störungen der Schrittmacher-Sonde und Störungen der Sondenspitze. Bei Batterieerschöpfung werden keine Schrittmacher-Impulse im EKG mehr sichtbar. Der Herzschrittmacher ist ausgefallen. Beim DemandSchrittmacher würde in diesem Falle auch der Magnet-Test keine feste Erregungsfolge zeigen. Ein Fehler in der Elektronik kann sich ebenfalls in einem totalen Ausfall der Schrittmacher-Funktion äußern, so daß Herzschrittmacher-Impulse elektrokardiographisch nicht zu registrieren sind. Weiterhin gibt es die sehr selten gewordenen Möglichkeiten des sogenannten Schrittmacher-Rasens. Aufgrund eines Fehlers in der Elektronik wird die Stimulationsfrequenz kontinuierlich oder intermittierend erhöht und ruft eine Kammertachykardie hervor. Durch einen technischen Defekt in der Elektronik kann der Rezeptormechanismus ausfallen, so daß eine ausreichende Inhibition oder Triggerung durch den Schrittmacher nicht mehr möglich ist. Elektrokardiographisch wird ein solcher Fehler dadurch entdeckt, daß die SchrittmacherImpulse nicht durch einen spontanen QRS-Komplex inhibiert werden. Durch Brüche oder Isolationsdefekte der Schrittmacher-Sonde treten Leckströme auf, die elektrokardiographisch zu einem intermittierenden oder totalen Exit-Block führen. Exit-Blöcke können auch Ausdruck einer instabilen Sondenlage oder Sondendislokation sein. Differentialdiagnostische Hilfe bietet hier die röntgenologische Durchleuchtung. Schließlich kann ein Exit-Block bei einer pathologischen Reizschwellenerhöhung auftreten. Auch die Perforation der Schrittmachersonde durch die Ventrikelwand bis ins Perikard kann zu einem Exit-Block führen. Der Exit-Block ist also ein Sammelbegriff. Es können ihm eine ganze Reihe von Störungen zugrunde liegen, so daß die elektrokardiographische Entdeckung eine weitere diagnostische Klärung verlangt.

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Inhibition: Die Schrittmacher-Stimulation wird durch Signale des Herzens verhindert (sinnvoll bei genügend schnellem Eigenrhythmus). Triggerung: Die Schrittmacher-Stimulation erfolgt gleichzeitig mit den Signalen des Herzens.

Batterieerschöpfung: Schrittmacher-Impulse werden im EKG nicht mehr sichtbar. Der Schrittmacher ist ausgefallen. Exit-Block bei - pathologischer Reizschwellenerhöhung - Brüche oder Isolierdefekten der Schrittmachersonde - Fehlern in der Elektronik

1.3.2 Langzeit-Elektrokardiographie

Langzeit-EKG

Das Langzeit-EKG ist eine diagnostische Methode, mit der quantitativ und auch qualitativ bradykarde und tachykarde Herzrhythmusstönmgen erfaßt werden können. Das Langzeit-EKG zeichnet das EKG nicht nur punktuell wie das Ruhe-EKG auf, sondern registriert eine längere Phase, in der Regel 24 Stunden. Es erlaubt darüber hinaus die EKG-Registrierung während des täglichen Lebens des Patienten. Der Patient ist nicht zwangsläufig während der 24 Stunden an ein Bett oder an das Krankenhaus gebunden. Somit sind mit dem Langzeit-EKG Belastungssituationen erfaßbar, wie sie der Patient täglich erlebt. Als wichtigste Zielgruppe sind Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit anzusehen, denen nach der Statistik besonders häufig ein plötzlicher Herztod ( = Rhythmustod) droht. Rhythmusanalysen bei

Methode vornehmlich zur Erfassung von - bradykarden und tachykarden Rhythmusstörungen - aber auch stummer Ischämien Registrierung über 24 Stunden in alltäglicher Belastung

II K r a n k h e i t e n d e s Herz- u n d K r e i s l a u f s y s t e m s

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Ein Langzeit-EKG-Gerät besteht aus 3 Teilen: 1. einem beweglichen Rekorder, 2. einer sogenannten Replay-Unit, 3. einem Scanner.

Bei der Auswertung gibt es grundsätzlich 2 Möglichkeiten: - visuelle Analyse, - rechnergestützte, automatische Auswertung.

dieser P a t i e n t e n g r u p p e sind für die prophylaktische B e h a n d l u n g wertvoll. D a r ü b e r hinaus k ö n n e n Langzeit-EKG-Registrierungen helfen, b e h a n d lungsbedürftige von nicht-behandlungsbedürftigen Patienten mit Herzrhythmusstörungen zu trennen und wirksame von unwirksamen antiarrhythmischen T h e r a p e u t i k a sowohl in Hinblick auf d e n einzelnen Patienten als auch auf ganz bestimmte Herzrhythmusstörungen zu unterscheiden. Ferner gelingt es mit Langzeit-EKG-Elektrokardiographie, ischämische Phasen, die stumm verlaufen, qualitativ und quantitativ zu erfassen, so d a ß neben der Rhythmusdiagnostik auch die Diagnostik der ischämischen H e r z e r k r a n k u n g von der Langzeit-EKG-Registrierung profitiert. D e r diagnostische Stellenwert der Langzeit-Elektrokardiographie ist somit hoch einzuschätzen. D i e heute benutzten A p p a r a t e zur Langzeit-EKG-Registrierung gehen auf Holter zurück und bestehen aus drei Teilen: 1. einem beweglichen Rekorder, mit d e m das E K G kontinuierlich auf ein M a g n e t b a n d aufgezeichnet wird (diesen Teil der A p p a r a t u r trägt der Patient während 24 Stunden bei sich); 2. einer sogenannten Replay-Unit als zweitem Teil einer Langzeit-EKGEinheit. N a c h d e m d e m Patienten der tragbare R e k o r d e r und die Elekt r o d e n a b g e n o m m e n worden sind, wird das M a g n e t b a n d e n t n o m m e n und in die Replay-Unit eingelegt. Man kann das Band hin- und zurückspielen und dank verschiedener Laufgeschwindigkeiten EKG-Signale in geraffter F o r m auf den dritten Teil der L a n g z e i t - E K G - A p p a r a t u r , den Scanner, vermitteln. 3. D e r Scanner hat die A u f g a b e , die aufgezeichneten EKG-Signale auf ein e m Oszilloskop sichtbar zu machen und ü b e r einen D r u c k e r wichtige Abschnitte zu d o k u m e n t i e r e n . D i e geraffte Information, in der Regel eine Stunde Realtime = eine Minute, m u ß v o m Oszilloskop abgefragt werden. Bei d e r A u s w e r t u n g ergeben sich grundsätzlich zwei Möglichkeiten: eine visuelle Analyse und eine rechnergestützte, automatische Analyse. Die visuelle Analyse ist personal- und zeitaufwendig. Ihre G ü t e hängt von der Konzentration und d e m Wissensstand des Analysators ab. Untersuchungen haben bewiesen, d a ß bei repetitiven Analysen L e r n e f f e k t e erk e n n b a r werden, so daß Rhythmusstörungen bei nur einmaliger Analyse, die die Regel ist, leicht übersehen werden. D i e zweite Möglichkeit der rechnergestützten A u s w e r t u n g des Langzeit-EKGs ist bei entsprechender Vorp r o g r a m m i e r u n g zuverlässiger, jedoch sind R e c h n e r bisher nicht in der Lage, sämtliche Rhythmusstörungen zuverlässig zu erfassen und zu reproduzieren. Auch die A r t e f a k t e r k e n n u n g bietet noch Schwierigkeiten. Trotzd e m ist die rechnergestützte Langzeit-EKG-Analyse von einer deutlich größeren Sensitivität und Spezifität als die visuelle. Wegen der dargestellten Mängel, die auch die rechnergestützte Analyse aufweist, k o m m t man zur Zeit nicht umhin, beide M e t h o d e n miteinander zu verbinden. Ergometrie siehe Kapitel II.4.

Phonokardiographie

1.3.3

Phonokardiographie

Herztöne: Große Amplitude des I. Herztones bei: - hyperkinetischem Herzsyndrom - Hyperthyreose - Präexzitationssyndrom - Tachykardie - Fieber - Schwangerschaft - Mitralstenose - fakultativ beim AV-Block II. Grades

Nach der Auskultation des H e r z e n s können die G e r ä u s c h p h ä n o m e n e mit Hilfe der Phonokardiographie objektiviert werden. Schallschwingungen werden in Richtung des jeweiligen Blutstromes fortgeleitet und nach Durchdringung der unterschiedlichen Gewebsschichten auch an der Körperoberfläche wahrnehmbar. M a n unterscheidet H e r z t ö n e mit tieferen F r e q u e n z e n von Herzgeräuschen mit h ö h e r e n Frequenzen ( ü b e r 250 Hz). Die H e r z t ö n e entstehen vor allem durch Schwingungen im Bereich des K l a p p e n a p p a r a t e s zu Beginn und E n d e der Systole. Die Herzgeräusche dagegen entstehen durch turbulente Strömung des Blutes an den pathologisch veränderten Klappen o d e r D e f e k t e n des Septums. D a s P h o n o k a r d i o g r a m m wird in der Regel am liegenden Patienten registriert. Es ist notwendig, das P h o n o k a r d i o g r a m m sowohl im Inspirium als

Diagnostik

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auch im Exspirium zu schreiben. Man unterscheidet Klappenschlußtöne und Klappenöffnungstöne. Weiterhin kennt man ventrikuläre Füllungstöne, die als II. bis IV. Herzton registriert werden, sowie Töne bei Klappenprothesen. Zum I. Herzton: Der I. Herzton entsteht beim Schluß der Mitralklappe an der Mitralklappe selbst. Die Amplitude des I. Herztones ist immer dann groß, wenn das Klappensegel zu Beginn der Systole in weiter Stellung steht und bei der Kammerkontraktion schlagartig geschlossen wird; so beim hyperkinetischen Herzsyndrom, bei Hyperthyreose, bei Präexzitationssyndrom, bei Tachykardie, bei Fieber, Schwangerschaft, Mitralstenose und fakultativ beim AV-Block II. Grades. Eine Verminderung der Amplitude des I. Herztones kommt bei einer enddiastolischen Engstellung der AV-Klappe zustande (mit Ausnahme des Lungenemphysems und des Perikardergusses), so bei der Mitralklappeninsuffizienz, beim verminderten HZV, bei der Aortenklappenstenose, bei Herzinsuffizienz, Perikarderguß, Lungenemphysem, rheumatischem Fieber, AV-Block I.Grades und verkalkter AV-Klappe (Abb. II-5).

Verminderte Amplitude des I. Herztones bei: - Mitralklappeninsuffizienz - vermindertem HZV - Aortenklappenstenose - Herzinsuffizienz - Perikarderguß - Lungenemphysem - rheumatischem Fieber - AV-Block I.Grades - verkalkter AV-Klappe

Abb. 11-5 Herztöne: a im Verhältnis zum EKG, b 2. Herzton gespalten (Intervall 0,06 s), c 2. Herzton gedoppelt (Intervall 0,06 s)

Der II. Herzton entsteht an der Aorten- und Pulmonalklappe beim Klappenschluß, wobei sich die Aortenklappe etwa 0,02 s nach der Pulmonalklappe schließt. Bei verschiedenen kardiologischen Krankheitsbildern kann es zu einer zeitlichen Trennung der beiden Anteile (Aortenklappe/Pulmonalklappe) kommen, so daß man bei einem Intervall bis zu 0,06 s von einer Spaltung, bei einer längeren Trennung von einer Dopplung des II.Herztones spricht. So führt z.B. ein kompletter Rechtsschenkelblock zu einer Spaltung des II. Herztones, da die linke Herzkammer früher als die rechte elektrisch erregt wird und die Pulmonalklappe sich deswegen später als gewöhnlich schließt. Auch beim Vorhofseptumdefekt liegt in Abhängigkeit von der Größe des Links-Rechts-Shunts eine Spaltung oder sogar eine Dopplung des II. Herztones vor. Der rechte Ventrikel wird erheblich mechanisch beansprucht, so daß sich auch hierbei die Pulmonalklappe deutlich nach der Aortenklappe schließt. Gleiches gilt für die valvuläre und infundibuläre Form der Pulmonalstenose. Eventuell wird jedoch die erste aortale Komponente des II.Herztones durch das systolische Geräusch überdeckt und läßt sich daher nicht immer registrieren, insbesondere bei sehr ausgeprägten Formen der Pulmonalstenose. Entsprechendes gilt für die Fallotsche Trilogie, Tetralogie und Pentalogie. Eine Umkehrung der beiden Komponenten des II. Herztones tritt bei Überlastung des linken Ventrikels ein. Auch hierbei kann es zu einer Spaltung oder Dopplung des II. Herztones kommen, die dann als paradox bezeichnet wird. So beim kompletten Linksschenkelblock, beim offenen Ductus arteriosus Botalli, bei der Aortenisthmusstenose und bei Aortenklappenvitien. Eine Erhöhung der Amplitude des II. Herztones tritt bei arteriellem Hochdruck, pulmonaler Hypertension, bei Mitralklappenvitien, Vorhofseptum-

Spaltung des II. Herztones bis 0,06 s Dopplung des II. Herztones über 0,06 s

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Mitralklappenöffnungston (MÖT) 0,060,12 s nach Beginn des II. Herztones.

III. Herzton bei Mitralklappeninsuffizienz 0,12-0,16 s nach dem II. Herzton.

IV. Herzton durch Vorhofkontraktion bei Herzinsuffizienz.

Herzgeräusche - Herzgeräusche bei: - Klappenstenosen - Klappeninsuffizienzen - Septumdefekten - atrioventrikulären Fisteln - Tumoren in den Herzhöhlen - Systolische Geräusche zwischen I. und II. Herzton - Diastolische Geräusche zwischen II. und I. Herzton

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems defekt, Ventrikelseptumdefekt, chronischem Cor pulmonale, offenem Ductus arteriosus Botalli und chronischem Linksherzversagen ein. Bei der Pulmonalklappenstenose und der Aortenklappenstenose kann selten eine Amplitudenabnahme des II. Herztones beobachtet werden. Normalerweise verläuft das Öffnen der Herzklappen ohne Schallphänomene. Ist jedoch die Mitralklappe stenosiert, kann ein sogenannter Mitralklappenöffnungston 0,06 bis 0,12 s nach Beginn des II. Herztones registriert werden. Wie hämodynamische Vergleichsstudien ergeben haben, besteht eine enge Beziehung zwischen dem Intervall zum Mitralklappenöffnungston (MÖT) und dem Schweregrad derStenosierung. Es gilt, je kürzer das Intervall zum MÖT, um so ausgeprägter die Mitralstenose. Der III.Herzton tritt später als der sogenannte MÖT auf, nämlich 0,120,16 s nach dem II. Herzton. Man nimmt an, daß dieser III.Ton durch eine rückläufige Bewegung der Mitralklappe entsteht, und zwar während der Füllung des linken Ventrikels. Der III. Herzton ist dementsprechend charakteristisch für die Mitralklappeninsuffizienz.· Der IV.Herzton wird durch Vorhofkontraktion hervorgerufen. Ursache ist häufig eine Herzinsuffizienz. Ein IV. Herzton gilt als Zeichen verminderter Herzleistung. Entsprechend den eingesetzten Klappenprothesen können unterschiedliche Töne auftreten, die häufig lageabhängig sind und nicht selten auch noch in einem Abstand vom Patienten wahrgenommen werden können. Diese Geräusche kommen durch den Schluß der künstlichen Klappe zustande. Bei einem Mitralklappenersatz wird der Ton am Ende der Diastole zu registrieren sein, bei einem Aortenklappenersatz am Ende der Systole. Herzgeräusche Geräuschphänomene beobachtet man bei Klappenstenosierungen oder Klappeninsuffizienzen, Septumdefekten, atrioventrikulären Fisteln sowie bei in das Lumen der Herzhöhlen hineinreichenden Tumoren. Wie bei der Auskultation werden die Geräusche bei der Phonokardiographie in systolische und diastolische Geräusche eingeteilt, wobei die systolischen Geräusche zwischen dem I. und II.Herzton auftreten, die diastolischen Geräusche zwischen dem II. und I. Herzton. Man unterscheidet CrescendoGeräusche von Decrescendo-Geräuschen, bandförmige von spindelförmigen Geräuschen. Überdauert ein diastolisches Decrescendo-Geräusch die gesamte Diastole, spricht man von einem protodiastolischen Decrescendo-

Abb.ll-6 Geräusch-Charakteristik: a Crescendo, b bandförmig, c spindelförmig, d Decrescendo, e systolisches Crescendo-Geräusch, f diastolisches Decrescendo-Geräusch, g präsystolisches Geräusch

Diagnostik

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Geräusch. Ein Crescendo-Geräusch unmittelbar vor dem I. Herzton wird als präsystolisches Geräusch bezeichnet. Nach hämodynamischen Gesichtspunkten unterscheidet man bei den systolischen Geräuschen Preßstrahlgeräusche, Insuffizienzgeräusche, früh- und spätsystolische Geräusche (Abb.II-6). Bei den diastolischen Geräuschen können nach hämodynamischen Kriterien Insuffizienzgeräusche und Kammerfüllungsgeräusche differenziert werden. Die einzelnen Geräuschphänomene werden bei den einzelnen Herzfehlern abgehandelt, so daß in diesem Zusammenhang nicht darauf eingegangen zu werden braucht. Außer den organisch bedingten Herzgeräuschen gibt es funktionelle und extrakardiale Geräusche. Funktionelle, also nicht organisch bedingte systolische Geräusche sind Uber dem Herzen nicht selten auskultierbar; sie werden beobachtet bei Anämie, Hypertonus, hyperkinetischem Herzsyndrom, der Thyreotoxikose und bei akuter rheumatischer Endokarditis. Funktionelle diastolische Geräusche sind dagegen sehr viel seltener. Jedoch können im akuten Stadium der rheumatischen Endokarditis mesodiastolische Geräusche entstehen, die in einem späteren Stadium der Erkrankung wieder verschwinden. Man spricht auch von einem Carey-Coombs-Geräusch (Abb. 11-7).

Offener D. art. Botalli

+ 6 H +

Mitralinsuffizienz

Vorhofseptumdefekt

J- Aortenstenose Aorteninsuffizienz

Aortenisthmusstenose

K l

Kammerseptumdefekt

Charakteristik von Geräuschen: - Crescendo - Decrescendo - bandförmig - spindelförmig Nach hämodynamischen Gesichtspunkten: - Preßstrahlgeräusch - Insuffizienzgeräusch - früh- und spätsystolisches Geräusch - protodiastolisches Geräusch - präsystolisches Geräusch Neben organisch bedingten Herzgeräuschen gibt es funktionelle und extrakardial bedingte Geräusche. Bei rheumatischer Endokarditis mesodiastolisches Geräusch = Carey-CoombsGeräusch.

j tH^^I

Mitralstenose

Pulmonalstenose Abb. 11-7 Synopsis der Geräusche und Herztöne bei den Herzvitien Karotispulskurve Die Karotispulskurve ist vor allem bei Aortenklappenfehlern sowie bei der subvalvulären Aortenstenose von Bedeutung. Es handelt sich um die Registrierung des arteriellen Pulses im Bereich der Karotiden. Hierbei wird ein Aufnehmer verwendet, der rechts oder links zwischen dem Schildknorpel und dem Musculus sternocleidomastoideus über der Arteria carotis communis aufgesetzt wird. Neben der Karotispulskurve wird obligatorisch das E K G in einer Ableitung sowie das Phonokardiogramm simultan mitgeschrieben, um eine zeitliche Einordnung der Karotispulskurve zu gewährleisten. Die Hauptschwankung der Karotispulskurve tritt zu Beginn der mechanischen Systole mit dem Steilanstieg auf (frühe Austreibungsphase). Der Gipfel der Pulswelle wird in der Mitte der Austreibungsphase erreicht. Die Steilanstiegszeit beträgt weniger als 0,05 s. Nach dem Gipfel fällt die Pulswelle im zweiten Teil der Austreibungsperiode allmählich ab und endet systolisch mit der sogenannten dikroten Klappenschlußinzisur. Die dikrote Inzisur liegt unmittelbar nach dem II. Herzton. Die dikrote Welle wird verursacht durch das Zurückprallen des Blutvolumens in der Aorta von den nunmehr geschlossenen Klappen. Während der Diastole fällt die Kurve allmählich wieder zu ihrem tiefsten Punkt ab. Insgesamt entspricht diese unblutig gemessenen Karotispulskurve in ihrer Sägezahncharakteristik in etwa der nur blutig zu messenden Druckkurve in der Aorta ascendens.

Karotispulskurve Man unterscheidet: - eine zentrale Pulswellenlaufzeit - eine Anspannungszeit - eine Umformungszeit - eine Austreibungszeit - eine Pulskurvenanstiegszeit - eine Systolendauer Die Karotispulskurve ist vor allem bei Aortenfehlern sowie bei der subvalvulären Aortenstenose von Bedeutung.

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II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

Aortenstenose: verzögerter Steilanstieg mit sogenanntem Hahnenkammphänomen Aortenklappeninsuffizienz: steiler Anstieg und überhöhte Amplitude Subvalvuläre Aortenstenose: ausgeprägte dikrote Wellenform (Kamelhöckerform)

Bei der Aortenklappenstenose, der Aortenklappeninsuffizienz sowie bei der subvalvulären Aortenstenose vom muskulären Typ manifestieren sich charakteristische Veränderungen der Karotispulskurve im Sinne eines verzögerten Steilanstieges bei der Aortenklappenstenose mit dem sogenannten Hahnenkammphänomen sowie bei der Aortenklappeninsuffizienz mit einem sehr steilen Anstieg der Karotispulskurve und einer überhöhten Amplitude. Bei Abhandlung der entsprechenden Krankheitsbilder wird auf die Phänomene genauer einzugehen sein. Bei der subvalvulären Aortenstenose findet sich in typischer Weise eine ausgeprägte dikrote Wellenform (Kamelhöckerform). Diese typische Kurvenform kann unter Ruhebedingungen fehlen und erst unter Provokation erscheinen. Die Karotispulskurve kann außerdem bei der nicht-invasiven kardiologischen Untersuchung zur Bestimmung der Anspannungszeit, der Austreibungszeit, der elektromechanischen Kammersystole sowie der isovolumetrischen Kontraktions zeit und der isovolumetrischen Erschlaffungszeit benutzt werden.

Echokardiographie

1.3.4 Echokardiographie

Die Eindringtiefe eines Ultraschallstrahles nimmt mit steigender Frequenz ab.

Ein echokardiographisches Gerät besteht aus 3 Teilen: 1. dem Schallkopf, 2. dem eigentlichen Echokardiographen, 3. dem Oszilloskop zur bildlichen Darstellung.

Das Herz als sich stetig bewegendes Organ ändert ständig sein Reflexionsverhalten: deswegen als 2. Dimension neben dem Raum die Zeit. Bewegtes Bild = time motion (m-mode) Die mit der m-mode-Technik registrierten Strukturen haben keine Ähnlichkeit mit den anatomischen Strukturen des Herzens und sind deswegen für Unkundige nicht lesbar. Durch Scan zweidimensionale Schnittbild-Echokardiographie

Bei der Echokardiographie handelt es sich um ein nicht-invasives diagnostisches Verfahren, das Ultraschall verwendet. Die Ultraschallfrequenzen liegen im Bereich von Millionen Schwingungen pro Sekunde. Der vom Strahl gebündelte Ultraschall unterliegt dem Gesetz der Reflexion und der Brechung. Dichte und elastische Eigenschaften eines Mediums bestimmen die Wellenlänge, auf der sich der Ultraschall fortpflanzt. Alle medizinischdiagnostischen Ultraschallverfahren gehen auf das Prinzip der Reflexion an den Grenzflächen zwischen zwei Medien verschiedener akustischer Impedanz zurück. Die Eindringtiefe eines Ultraschallstrahles nimmt mit steigender Frequenz ab. Außerdem wird sie durch Absorption und Streuung des Schalles beeinflußt. Ein echokardiographisches Gerät besteht aus einem Schallkopf, dem Echokardiographen, der die Frequenzsignale aufzeichnet, sowie einem Oszilloskop zur bildlichen Darstellung. Wichtigster Bestandteil eines Ultraschallkopfes sind die piezo-elektrischen Elemente (keramische Stoffe wie Barium-Titanat oder Blei-Cyrocon-Titanat). Wird elektrischer Strom durch ein derartiges piezo-elektrisches Element geleitet, so ändern sich die Kristall-Formen abhängig von der Polung. Es entstehen durch Ausdehnung und Zusammenziehen des Kristalles Luftverdichtungen und -Verdünnungen, also Schallwellen. Dieser Vorgang läßt sich umdrehen. Ein Kristall erzeugt einen elektrischen Impuls, wenn er von einer Schallwelle getroffen wird. Kehrt also die Ultraschallenergie nach Reflexion echoartig zurück, entsteht im Schallkopf ein elektrischer Impuls, der zum Echokardiographen weitergeleitet wird. Diese Frequenzsignale werden aufgezeichnet und auf einem Oszilloskop sichtbar gemacht. Das Herz als sich stetig bewegendes Organ ändert ständig sein Reflexionsverhalten. Man braucht also im Gegensatz zu einem ruhenden Organ bei der echokardiographischen Darstellung der Herzstrukturen neben dem Raum die Zeit als zweite Dimension. Man registriert somit kein statisches Bild, sondern ein bewegtes Bild („ Time motion" oder m-mode). Alle echokardiographischen Systeme verfügen über eine elektrokardiographische Aufzeichnung, die wegen der zeitlichen Zuordnung der echokardiographischen Bilder unabdingbar ist. Das m-mode-Verfahren trägt den Abstand der einzelnen Strukturen gegen die Zeit auf, so daß die bewegten kardialen Strukturen als Wellenlinien registriert werden. Die mit der m-mode-Technik registrierten Strukturen haben keine Ähnlichkeit mit den anatomischen Strukturen des Herzens und sind deswegen für den Unkundigen nicht lesbar (Abb. 11-8). Bemühungen, mit Hilfe des Ultraschalles eine genaue Abbildung der natürlichen Herzstrukturen zu erhalten, gelang mit der zweidimensionalen Schnittbild-Echokardiographie. Hierbei wird der Ultraschallstrahl sehr schnell über die abzutastenden Strukturen bewegt. Man führt einen sogenannten Scan durch.

Diagnostik

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Abb.ll-8 M-Mode-Echokardiographie als Schema (3 Ebenen): a Aortenklappe, b Mitralklappe, c linker Ventrikel Folgende Darstellungsebenen sind mit der m-mode-Echokardiographie üblich:

Darstellungsebenen

Lange Achse: a) Standardmeßstelle für die Mitralklappe. b) Standardmeßstelle für die Aortenwurzel, die Aortenklappe sowie den linken Vorhof. c) Standardmeßstelle zur Vermessung des rechten Ventrikeldurchmessers, des linken Ventrikeldurchmessers, der rechtsventrikulären Vorderwand, des Interventrikularseptums, der linksventrikulären Hinterwand. Kurze Herzachse: a) Standardmeßstelle für den rechten Ventrikeldurchmesser und die Trikuspidalklappe. b) Standardmeßstelle für die Pulmonalklappe, die Trikuspidalklappe und den rechten Vorhof. Apikale Lage des Schallkopfes: a) sogenannte 2-Kammer-Ebene b) sogenannte 4-Kammer-Ebene m-mode-Echokardiographie (eindimensionale Echokardiographie): Mit Hilfe der eindimensionalen m-mode-Echokardiographie ist der Uberwiegende Teil der Diagnostik möglich. Die erfaßbaren Regionen des Herzens können in ihrer anatomischen Struktur und Funktion zufriedenstellend dargestellt werden. Sie eignet sich als Nachweis für folgende klinische Diagnosen: Mitralstenose, Mitralklappenprolaps, hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie, Perikarderguß, Trikuspidalstenose, Aortenaneurysma, Aortendissektion. Die m-mode-Echokardiographie gibt entscheidende Hinweise bei folgenden Veränderungen: Abriß eines Sehnenfadens und eines Papillarmuskels mit flatterndem Mitraisegel, endokarditische Vegetationen, Öffnungs- und Schließungsbewegungen von Klappenprothesen, kongestive Kardiomyopathien, Wandhypertrophien bei arterieller Hypertonie. Die m-mode-Echokardiographie unterstützt andere kardiologisch-diagnostische Verfahren bei den Pulmonalvitien und der pulmonalen Hypertension. Auch zur Funktionsuntersuchung des linken Ventrikels kann die m-modeEchokardiographie herangezogen werden. Ohne im einzelnen auf die Methodik einzugehen, soll jedoch festgehalten werden, daß eine Ausmessung des linksventrikulären Cavums möglich ist und die Dicke der Hinterwand und des Septums bestimmt werden kann. Weitere meßbare Größen sind die

Eindimensionale Echokardiographie

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Zweidimensionale Echokardiographie Diese Methode zeigt die einzelnen Strukturen des Herzens sehr anschaulich in ihrer Bewegung den anatomischen Verhältnissen entsprechend. Der m-mode-Echokardiographie überlegen bei: 1. Vorhoftumoren/Vorhofthromben/Ven· trikelthromben, 2. kongenitalen Vitien, 3. der Beurteilung regionaler oder auch der gesamten Wandbewegung sowie der Pumpfunktion bei der koronaren Herzkrankheit.

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems Bewegungsgeschwindigkeit der linksventrikulären Hinterwand sowie die linksventrikuläre Auswurffraktion und die zirkumferentielle Verkürzungsfraktion des linken Ventrikels. Es muß jedoch betont werden, daß Volumina mit dieser diagnostischen Methode nicht exakt quantitativ gemessen, sondern lediglich abgeschätzt werden können. Schnittbild-Echokardiographie (zweidimensionale Echokardiographie): Die Schnittbild-Echokardiographie kann als Ergänzung zur m-mode-Echokardiographie Befunde sichern helfen. Diese Methode zeigt die einzelnen Strukturen des Herzens sehr anschaulich in ihrer Bewegung. Bei einigen pathologischen Zustandsbildern erweist sich die Schnittbild-Echokardiographie als der m-mode-Echokardiographie überlegen: 1. bei Vorhoftumoren und Vorhofthromben sowie bei Ventrikelthromben, 2. bei kongenitalen Vitien, 3. die Beurteilung der regionalen oder auch der gesamten Wandbewegung sowie der Pumpfunktion bei der koronaren Herzkrankheit (Abb.II-9).

Diagnostik

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Abb. 11-9 2-D-Echokardiographie in verschiedenen Schnittebenen Schema und Original: a Längsachse - linker Ventrikel, b kurze Achse - Aortenklappe, c kurze Achse - Mitralklappe, d kurze Achse - Papillarmuskel, e apikale Längsachse, f apikaler 4-Kammer-Blick Doppler-Echokardiographie: Die Technik der Doppler-Echokardiographie bietet gegenüber der bildgebenden 2-D-Echokardiographie die Möglichkeit, zusätzliche Informationen über die Flußrichtung, die Geschwindigkeit und die Flußqualität (laminare oder turbulente Strömung) des Blutes zu gewinnen. Die nicht-invasive Bestimmung der Blutflußgeschwindigkeit basiert auf der Anwendung des Doppler-Effektes. Diese besagt, daß Schallwellen, die an sich bewegenden Objekten reflektiert werden, eine Frequenzänderung erfahren, die direkt proportional ist zur Geschwindigkeit des angeloteten Objektes. Das wichtigste Prinzip besteht darin, die zu untersuchenden Blutströmun-

Doppler-Echokardiographie Die Technik der Doppler-Echokardiographie bietet gegenüber der zweidimensionalen Echokardiographie die Möglichkeit, zusätzliche Informationen über die Flußrichtung, die Geschwindigkeit und die Flußqualität (laminare und turbulente Strömung) des Blutes zu gewinnen.

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

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2 Dopplersonden stehen zur Verfügung: 1. der Continuous-wave-Doppler (CWDoppler), 2. der gepulste Doppler (PW-Doppler).

Der gepulste Doppler ist geeignet für Flußgeschwindigkeiten zwischen 10 und 200 cm/s. Das umfaßt den physiologischen Bereich. Für den CW-Doppler existiert keine Begrenzung der meßbaren maximalen Geschwindigkeit. An kritischen Klappenstenosen und in Regurgitationsjets treten Geschwindigkeiten bis 600 cm/s auf.

gen möglichst parallel zu ihrer eigenen Richtung anzulöten. D e s h a l b müssen f ü r die Funktionsbeurteilung verschiedener Klappen Schallfenster mit linksparasternaler, apikaler, subkostaler o d e r suprasternaler Position aufgesucht werden. D i e hierbei registrierte optimale Kurve mit der größten Dopplerverschiebung ermöglicht die B e r e c h n u n g der Strömungsgeschwindigkeit. Die klassische M e t h o d e zur Messung von Strömungsgeschwindigkeiten in den G e f ä ß e n ist die Continuous-wave(CW)-Methode. Die Schallsonde besteht aus zwei Teilen: einem Quarzkristall, der kontinuierlich Schallwellen mit einer F r e q u e n z von 1-10 m H z sendet, und einem zweiten Kristall, d e m sogenannten Empfänger, der die reflektierten Schallwellen in elektrische Signale zurückverwandelt. Die S e n d e f r e q u e n z e n müssen in Abhängigkeit von d e m zu untersuchenden Organ bzw. G e f ä ß gewählt werden. Für tiefer gelegene G e f ä ß e werden niedrige Frequenzen und f ü r oberflächliche G e f ä ße h o h e F r e q u e n z e n gewählt. Vorteil des CW-Dopplers ist, daß keine Begrenzung der meßbaren maximalen Geschwindigkeit existiert. D e m g e g e n ü b e r steht die sogenannte gepulste Doppler-Technik (PW). Hier wird nur ein Quarzkristall gleichzeitig als Sender und als E m p f ä n g e r benutzt. Nach A b f r a g e n eines Schallimpulses wird auf E m p f a n g der reflektierten Schallwelle umgeschaltet. In einem bestimmten zeitlichen Abstand zum gesendeten Schallimpuls werden also selektiv Signale aus einem entsprechenden Tiefenbereich e m p f a n g e n . Echos, die zu f r ü h , also aus d e m N a h b e r e i c h bzw. zu spät, also aus großer Tiefe k o m m e n , werden nicht berücksichtigt. D e r gepulste D o p p l e r wird somit eingesetzt, w e n n selektiv in einer bestimmten Tiefe gemessen werden soll. Diese Technik hat jedoch den Nachteil, d a ß h o h e Strömungsgeschwindigkeiten nicht erfaßt werden k ö n n e n . Mit dem gepulsten Doppler werden Flußgeschwindigkeiten von 10 bis zu ca. 200 cm/s gemessen; das umfaßt den physiologischen Bereich. A n kritischen Klappenstenosen und in Regurgitationsjets treten jedoch viel h ö h e r e Geschwindigkeiten (bis zu 600 cm/s) auf, die nur durch den kontinuierlichen D o p p l e r erfaßt w e r d e n k ö n n e n . Mit der etwas vereinfachten Bernoulli-Gleichung p, - p , = 4 χ V, 2

Der systolische Druckgradient über der Aortenklappe bei Aortenstenose wird aus methodischen Gründen bei der doppler-echokardiographischen Untersuchung in der Regel überschätzt.

kann der Peak-Druckgradient ΔΡ aus der maximalen Strömungsgeschwindigkeit V im poststenotischen Jet errechnet werden, wobei P, d e m D r u c k vor der Stenose und P 2 d e m D r u c k nach der Stenose, also im Jet, entsprechen und V 2 die Geschwindigkeit V m a x nach der Stenose, also im Jet, bedeutet. Die Ableitung des maximalen Geschwindigkeitsprofils dauert gerade bei signifikanten A o r t e n s t e n o s e n lange, da die Richtung des relativ kleinen Jets auch innerhalb der aortalen A n a t o m i e sehr unterschiedlich sein kann. Des weiteren m u ß betont werden, d a ß der aus d e m Doppler-Echokardiogramm errechnete P e a k - G r a d i e n t im Vergleich zu den beim H e r z k a t h e t e r bestimmten Peak-zu-Peak-Gradienten systematisch überschätzt wird. Das hängt damit zusammen, daß der aortale Peak später als der ventrikuläre, die doppler-echokardiographische M e t h o d e aber nur einen zeitgleichen G r a d i e n t e n angeben kann. D a sich zur Zeit des maximalen D r u c k e s im linken Ventrikel der A o r t e n d r u c k noch im Anstieg befindet, wird ein überhöhter Druckgradient geschätzt. Abhilfe f ü r dieses Problem läßt sich durch die E r r e c h n u n g des mittleren G r a d i e n t e n in beiden Verfahren (Herzkatheter und D o p p l e r - E c h o k a r d i o g r a p h i e ) schaffen. D a n n besteht eine hervorragende Korrelation zwischen den beiden Untersuchungstechniken mit individuellen Abweichungen meist unter 10 m m Hg. Jedoch b e r u h t die Beurteilung einer A o r t e n k l a p p e n s t e n o s e nicht nur auf der Messung des systolischen Druckgradienten, da dieser extrem abhängig v o m tatsächlichen Fluß bzw. Schlagvolumen durch die Klappe ist. Bei Ultraschalluntersuchungen ist eine exakte Messung der kardialen Pumpleistung noch nicht möglich. Als H i l f s m a ß n a h m e kann die doppler-echokardiographische Beurteilung herangezogen werden. Insgesamt läßt sich so eine fast 100%ige

Diagnostik Sensitivität und Spezifität für die Diagnose oder den Ausschluß einer Aortenklappenstenose erzielen. Doppler-sonographisch kann der diastolische Reflux bei der Aortenklappeninsuffizienz direkt unterhalb der Aortenklappe im linksventrikulären Ausflußtrakt nachgewiesen werden. Dieser qualitative Nachweis muß sorgfältig von dem physiologischen diastolischen Blutfluß durch die Mitralklappe differenziert werden. Er erlaubt die Diagnose oder den Ausschluß einer Aortenklappeninsuffizienz mit fast 100%iger Genauigkeit. Bekanntlich wird dieser Klappenfehler bei invasiver Untersuchungstechnik und in der Doppler-Echokardiographie zumeist semiquantitativ beurteilt, wobei die Schweregradeinteilung mittels der Ausbreitung der Kontrastwolke bzw. des sonographischen Refluxes im linken Ventrikel beurteilt wird. Die Aussagekraft eines gemessenen diastolischen Druckgradienten bei der Mitralstenose wird durch die bekannte Tatsache eingeschränkt, daß sich gerade bei diesem Klappenfehler eine Veränderung der Herzfrequenz oder des Schlagvolumens sehr stark auf den Gradienten auswirkt. Insgesamt ist es jedoch wünschenswert, einen weniger variablen Parameter zu bestimmen. Hier bietet sich das anatomische Substrat, also die Mitralklappenöffnungsfläche an, die bei der Herzkatheteruntersuchung mit der Gorlin-Formel und doppler-sonographisch mit der Druckhalbwertszeit berechnet werden kann. Die Korrelation beider Werte ist sehr gut und nur mit kleinen Abweichungen von der Identitätslinie in den klinisch relevanten Bereichen zwischen 0 und 2,0 cm2 behaftet. Ferner zeigt sich eine noch bessere Korrelation zur Messung der Öffnungsfläche aus dem zweidimensionalen Echokardiogramm des Mitralflächen-Querschnittes, also einer völlig unabhängigen Ultraschall-Methode. Somit ist die Doppler-Echokardiographie hervorragend geeignet, eine Mitralstenose zu diagnostizieren und ihren Schweregrad quantitativ zu bestimmen. Der Schweregrad der Mitralklappeninsuffizienz wird bisher mittels Herzkatheter und auch Doppler-Echokardiographie lediglich semiquantitativ beurteilt, wobei jeweils die Ausdehnung der systolischen Refluxwolke oder des sonographisch erfaßten Refluxes bestimmt wird. Auch Klappenfehler des rechten Herzens, so die Trikuspidalinsuffizienz, die Trikuspidalstenose sowie die Pulmonalstenose, sind mit der dopplerechokardiographischen Untersuchungstechnik entsprechend den Klappen des linken Herzens zu beurteilen. Zur Feststellung der pulmonalen Hypertension erlaubt die Bestimmung der Beschleunigungszeit eine recht gute semiquantitative Beurteilung. Herzklappenprothesen sind mittels Doppler-Echokardiographie ähnlich wie die natürlichen Klappen zu beurteilen. Die Doppler-Echokardiographie zeigt sich in der Funktionsdiagnostik von Klappenprothesen der m-mode- und auch der 2-D-Echokardiographie deutlich überlegen. Die Farbdoppler-Echokardiographie bietet darüber hinaus die Möglichkeit, in Echtzeit gleichzeitig die Bhitflußrichtimg und die Blutflußgeschwindigkeit sowie die Blutflußqualität zu bestimmen. Es gelingt mit der Farbdoppler-Technik, eine schnelle und relativ umfassende Information über Blutströmungsrichtungen, ungefähre Geschwindigkeit und Lokalisation sowie Ausdehnung von Turbulenzen zu erzielen. Allerdings sind Quantifizierungen bisher nur sehr begrenzt möglich.

1.3.5 Röntgenuntersuchungen Röntgenologische Untersuchungen werden bei Herzkrankheiten einmal zu differentialdiagnostischen Zwecken und zur Erkennung des Schweregrades einer Herzkrankheit herangezogen. Die röntgenologischen Kriterien zur Erkennung einer Herzinsuffizienz sind folgende:

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Der qualitative Nachweis eines diastolischen Refluxes bei der Aortenklappeninsuffizienz muß sorgfältig von dem physiologischen diastolischen Blutfluß durch die Mitralklappe abgegrenzt werden.

Die Doppler-Echokardiographie ist hervorragend geeignet, eine Mitralstenose zu diagnostizieren und ihren Schweregrad quantitativ zu bestimmen.

Die Mitralklappeninsuffizienz ist auch doppler-echokardiographisch lediglich semiquantitativ zu ermitteln.

Die Doppler-Echokardiographie zeigt sich in der Funktionsdiagnostik von Klappenprothesen der m-mode- und auch der 2-D-Echokardiographie deutlich überlegen.

Mit der Farbdoppler-Echokardiographie ist darüber hinaus die Blußflußrichtung neben der Blutflußgeschwindigkeit sowie der Blutflußqualität in Echtzeit zu bestimmen.

Rö ntgenu ntersuchu ng en

30 Linksherzinsuffizienz im Thoraxbild

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems Linksherzinsuffizienz im Thoraxbild: 1. Verbreiterung des Herzens in die linke Thoraxhälfte bei erhaltener Herzbucht, 2. Dilatation der rechten Lungenoberlappenvenen, 3. Kerley-A-Linien = radiäre, hiluswärts gerichtete Streifen, Kerley-B-Linien = kostodiaphragmale Septumlinien als Zeichen eines interstitiellen Ödems, 4. Erweiterung der zentralen rechten Lungenarterie über 1,5 cm. 5. Die röntgenologische Thoraxuntersuchung im Seitenbild, evtl. mit Kontrastmitteldarstellung des Ösophagus, zeigt ggf. eine Vorhofvergrößerung (des linken Vorhofes) anhand einer Dorsalverlagerung und Impression des Ösophagus. Bei gleichzeitiger Vorhof- und Ventrikelvergrößerung findet man also die Zeichen der relativen Mitralklappeninsuffizienz, die mit denen bei der organisch bedingten Mitralklappeninsuffizienz übereinstimmen. Sämtliche radiologischen Zeichen der Linksherzinsuffizienz sind unter einer kardialen Therapie rückbildungsfähig, es sei deswegen auf die Bedeutung von Kontrolluntersuchungen hingewiesen.

Rechtsherzinsuffizienz im Thoraxbild

Röntgenologische Zeichen der arteriellen pulmonalen Hypertension: - dilatierte zentrale Pulmonalarterien - enge periphere Pulmonalarterien - fixierte Kerley-B-Linien - Pulmonalgabel dilatiert - periphere Lungenfelder vermehrt transparent

Rechtsherzinsuffizienz im Thoraxbild Bei der Rechtsherzinsuffizienz können folgende röntgenologische Zeichen beobachtet werden: 1. Verbreiterung des Herzens in die linke Thoraxhälfte bei ausgefüllter Herzbucht, 2. progrediente Verbreiterung des Herzens nach rechts durch den dilatierten rechten Vorhof als Hinweis auf eine relative Trikuspidalinsuffizienz, 3. Verbreiterung der oberen Hohlvene und der Vena azygos, 4. bei ausgeprägter Rechtsherzinsuffizienz ein basaler Pleuraerguß. Kardiale Pleuraergüsse treten meist auf der rechten Seite auf und sind anfangs basal subpulmonal lokalisiert. Ihre eindeutige Erfassung erfolgt durch eine Röntgenaufnahme in rechter Seitenlage, da der Erguß in dieser Stellung kranial ablaufen kann. 5. Zeichen einer venösen Lungenstauung fehlen. 6. Zeichen der arteriellen pulmonalen Hypertension. Sowohl aus der chronischen venösen pulmonalen Hypertension als auch aus einer chronischen Druck- und Volumenbelastung der Lungenstrombahn kann sich sekundär eine arterielle pulmonale Hypertension entwickeln, indem die präkapilläre Lungenstrombahn eingeengt und der Strömungswiderstand erhöht wird. Im Gegensatz zur venösen pulmonalen Stauung besteht bei der arteriellen pulmonalen Hypertension eine deutliche Diskrepanz zwischen den Kalibern der dilatierten zentralen Arterien und denen der peripheren Pulmonalgefäße. Weiterhin sind die Kerley-B-Linien fixiert und nicht mehr rückbildungsfähig. Die Pulmonalgabel ist dilatiert und weist distalwärts die für die arterielle pulmonale Hypertension charakteristischen Kalibersprünge auf. Die peripheren Lungenfelder sind vermehrt transparent. Eine differentialdiagnostische Abgrenzung der arteriellen pulmonalen Hypertension muß gegenüber der venösen Lungenstauung der Pulmonalklappenstenose und dem kardial bedingten Links-Rechts-Shunt z.B. beim Vorhofseptumdefekt, Ventrikelseptumdefekt oder offenen Ductus arteriosus Botalli erfolgen. Bei der globalen Herzinsuffizienz zeigen sich die Zeichen der Links- und Rechtsherzinsuffizienz kombiniert im Röntgenthoraxbild.

Diagnostik Herzvitien im Thoraxbild Die für die Herzvitien nicht unwichtige röntgenologische Untersuchung zeigt recht typische Veränderungen, die bei der Beschreibung der einzelnen Krankheitsbilder genauer dargestellt werden. Hier sollen nur die allerwesentlichsten typischen Gesichtspunkte für einige der häufigsten Herzvitien festgehalten werden. Angeborene Herzvitien Vorhofseptumdefekt: Rechter Vorhof vergrößert, rechter Ventrikel vergrößert, links Randbildung, Einengung des Retrosternalraumes, Arteria-pulmonalis-Bogen prominent, Hilustanzen bei der Durchleuchtung oder im Ky mogramm. Ventrikelseptumdefekt: Wie beim Vorhofseptumdefekt, jedoch ohne Rechtsherzvergrößerung, da der Vorhof beim Ventrikelseptumdefekt nicht erweitert ist. Pulmonalstenose: Prominenz des Pulmonalisbogens, rechter Ventrikel nicht vergrößert, links Randbildung, Einengung des Retrosternalraumes. Offener Ductus arteriosus Botalli: Durch die alleinige Belastung des linken Ventrikels tritt eine Vergrößerung des Herzens nach links ein. Der linke Ventrikel ist randbildend. Aortenisthmusstenose: Hierbei werden Rippenusuren gefunden, der linke Ventrikel ist hypertrophiert, evtl. leicht dilatiert, es finden sich Einkerbungen der Aorta descendens in Höhe des Isthmus. Erworbene Herzvitien Aortenklappenstenose: Die valvuläre Aortenstenose zeigt lange Zeit röntgenologisch keinen auffälligen Befund. Bei Durchleuchtung mit dem Bildverstärker wird Klappenkalk in Aortenklappenposition evtl. sichtbar, zudem ist eine poststenotische Erweiterung der Aorta ascendens typisch. Aortenklappeninsuffizienz: Der linke Ventrikel ist dilatiert, wird links randbildend, die Aorta ascendens ist dilatiert. Es findet sich darüber hinaus eine Dilatation und Elongation des Aortenbogens, der Retrokardialraum wird durch den vergrößerten linken Ventrikel eingeengt. Mitralklappenstenose: Folgende Zeichen sind typisch: Der linke Vorhof ist erweitert, der linke Ventrikel klein, der Pulmonalisbogen ist prominent, und es besteht eine Hypertrophie des rechten Ventrikels. Mitralklappeninsuffizienz: Hier findet sich ein erweiterter linker Vorhof, der linke Ventrikel ist ebenfalls erweitert, der Pulmonalisbogen ist prominent, evtl. bestehen eine Hypertrophie und Erweiterung des rechten Ventrikels.

1.3.6 Kardangiographie Bei Kardangiographien wird über einen Katheter Kontrastmittel in eine der Herzhöhlen oder die Koronargefäße injiziert und das Abströmen des Kontrastmittels gefilmt. Die Röntgenkinematographie ermöglicht sowohl die Darstellung der Binnenräume des Herzens als auch des hämodynamischen Pumpvorganges. Normale und pathologische Strömungsverhältnisse können mit dieser Methode sichtbar gemacht werden. Man unterscheidet: • eine selektive Laevokardiographie, • eine selektive Dextrokardiographie, • eine Aortographie, • eine Pulmonalisangiographie, • eine Koronarangiographie. Bei der selektiven Laevokardiographie wird Kontrastmittel selektiv in den linken Ventrikel injiziert. Dazu wird der Katheter in der Regel retrograd von der Arteria femoralis aus durch die Aortenklappe in den linken Ventrikel eingeführt. Eine derartige Kardangiographie ist sinnvoll bei Mitralvitien, beim Ventrikelseptumdefekt, bei der subvalvulären Aortenstenose, bei Kardiomyopathien und bei der Koronarinsuffizienz als Ergänzung der Koronarangiographie (Abb. 11-10).

31 Herzvitien im Thoraxbild Angeborene Vitien Vorhofseptumdefekt: - rechter Vorhof vergrößert - rechter Ventrikel vergrößert - rechter Ventrikel links randbildend - Einengung des Retrosternalraumes - Arteria-pulmonalis-Bogen prominent - Hilustanzen bei der Durchleuchtung Ventrikelseptumdefekt: - wie beim Vorhofseptumdefekt, jedoch ohne wesentliche Rechtsherzvergrößerung Pu Imonalstenose: - Prominenz des Pulmonalisbogens - rechter Ventrikel nicht vergrößert - Einengung des Retrosternalraumes offener Ductus arteriosus Botalli: - Vergrößerung des Herzens nach links - linker Ventrikel randbildend Aortenisthmusstenose: - Rippenusuren - linker Ventrikel vergrößert - Einkerbungen der Aorta descendens in Höhe des Isthmus Erworbene Vitien Aorten klappenstenose: - poststenotische Erweiterung der Aorta ascendens - evtl. im Bildverstärker Klappenkalk in Aortenklappenposition Aortenklappeninsuffizienz: - linker Ventrikel dilatiert - linker Ventrikel links randbildend - Aorta ascendens dilatiert - Dilatation und Elongation des Aortenbogens - Retrokardialraum durch den vergrößerten linken Ventrikel eingeengt Mitralstenose: - linker Vorhof erweitert - linker Ventrikel klein - Pulmonalisbogen prominent - Hypertrophie des rechten Ventrikels Mitralklappeninsuffizienz: - erweiterter linker Vorhof - erweiterter linker Ventrikel - Pulmonalisbogen prominent - Hypertrophie und Erweiterung des rechten Ventrikels

Kardangiographie

Laevokardiographie bei - Mitralvitien - Ventrikelseptumdefekt - subvalvulärer Aortenstenose - Kardiomyopathien - Koronarinsuffizienz

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

Abb. 11-10 Original Laevokardiogramm. Normalbefund: Diastole (a), Systole (b) Aortographie bei - Aortenklappeninsuffizienz - Aortenisthmusstenose

Dextrokardiographie bei - valvulärer Pulmonalstenose - infundibulärer Pulmonalstenose - Ebsteinscher Anomalie (Injektion in den re. Vorhof) - Trikuspidalinsuffizienz Pulmonalisangiographie bei - peripheren Pulmonalarterienstenosen - indirekter Darstellung des Ii. Vorhofes oder Ventrikels

Indikationen für eine selektive Koronarangiographie

Die Aortographie wird bei Verdacht auf Aortenklappeninsuffizienz durchgeführt und bei einer Aortenisthmusstenose. Hierbei ist allerdings ein Vorgehen von der Arteria axillaris notwendig, um proximal von der Aortenisthmusstenose den Druck messen und das Kontrastmittel einbringen zu können. Bei der selektiven Dextrokardiographie wird das Kontrastmittel in den rechten Ventrikel oder den rechten Vorhof gebracht bei Verdacht auf infundibuläre oder valvuläre Pulmonalstenose; bei der Ebsteinschen Anomalie sollte die Injektion in den rechten Vorhof erfolgen. Eine Trikuspidalinsuffizienz wird bei Injektion in den rechten Ventrikel durch das kontrastierte Refluxblut deutlich. Eine Pulmonalisangiographie wird notwendig bei Verdacht auf periphere Pulmonalarterienstenosen. Sie dient auch zur indirekten Darstellung des linken Vorhofes und des linken Ventrikels, ζ. B. bei vermutetem linksatrialem Thrombus oder Tumoren oder wenn sich eine direkte Lävokardiographie verbietet. Für diese indirekten Darstellungen wäre allerdings auch eine Dextrokardiographie ebenso aussagekräftig. Eine besondere Form der Kardangiographie stellt die selektive Koronarangiographie dar. Bei dieser Methode wird über einen Spezialkatheter Kontrastmittel direkt in die rechte bzw. linke Koronararterie injiziert. Die Untersuchung erfolgt in mehreren Ebenen mit dem Ziel, pathologisch veränderte Koronararterien als Ursache einer koronaren Herzkrankheit darzustellen (Abb. 11-11). Als Indikation für eine selektive Koronarangiographie gelten: 1. eine bereits fahrradergometrisch nachgewiesene koronare Herzkrankheit, 2. Kontroll-Koronarangiographien nach aortokoronarer Bypass-Operation, 3. erhebliche Fettstoffwechselstörungen, auch ohne sonstigen Nachweis einer koronaren Herzkrankheit, 4. Aortenklappenfehler; Koronarangiographie als Ergänzung der anderen invasiven Untersuchungsmethoden, 5. Mitralklappenfehler bei Patienten in höherem Alter (etwa ab 50 Jahren), Koronarangiographie als Ergänzung der anderen invasiven Untersuchungen, 6. therapeutisch die Durchführung einer transluminalen Dilatation von zentral gelegenen singulären Stenosen (PTCA), 7. therapeutisch die Durchführung einer intrakoronaren ThrombolyseBehandlung beim frischen Herzinfarkt, 8. Kontrollen zur Wirksamkeit systemisch angewandter Lysebehandlungsverfahren beim frischen Herzinfarkt.

33

Diagnostik LI. KO.

LI. KO.

RE. KO.

LA0600

LI. KO.

RAO 30° cran. 20°/40°

LA045° caud. 15°

RE. KO.

LiLAT.

LI. KO.

Li.LAT.

LI. KO

RAO 30°

RAO30° caud. 2 0 °

RE. KO.

j RAO30° I cran. 15°/20°

Abb. 11-11 Typische koronarographische Ebenen, in denen die beiden Koronargefäße dargestellt sind

1.3.7 Herzkatheteruntersuchungen

Katheteruntersuchungen

Die H e r z k a t h e t e r u n t e r s u c h u n g ist eine invasive M e t h o d e zur quantitativen Erfassung von physikalischen G r ö ß e n , die zur exakten Beurteilung von angeborenen wie erworbenen Herzfehlern, Koronarinsuffizienzen sowie Myokardiopathien herangezogen werden. Weiterhin sind H e r z k a t h e t e r u n tersuchungen wertvoll, wenn der Erfolg einer chirurgischen B e h a n d l u n g oder die körperliche Belastungsfähigkeit von Patienten nach einem Herzinfarkt und nach Herzoperationen beurteilt werden soll. D a r ü b e r hinaus kann das intrakardiale E K G erfaßt und ein passagerer Herzschrittmacher gelegt werden. Im intensivmedizinischen Bereich können mit Hilfe von Herzkathetern therapeutische M a ß n a h m e n überwacht und gesteuert werden. Im einzelnen bietet eine H e r z k a t h e t e r u n t e r s u c h u n g folgende Möglichkeiten:

Die hauptsächlichen Herzkatheterverfahren: - venöse Herzkatheteruntersuchung - retrograd-arterielle Herzkatheteruntersuchung - transseptale Herzkatheteruntersuchung - Kardangiographien

Möglichkeiten der Herzkatheteruntersuchung

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

34

1. werden die Grenzen von Herzhöhlen durch Austasten erfaßt, 2. werden systolische und diastolische Drucke erfaßt, 3. wird innerhalb der einzelnen Herzabschnitte und großen Gefäße der prozentuale 0 2 -Gehalt des Blutes erfaßt, 4. kann eine Injektion von Kontrastmittel in eine der Herzhöhlen, die Arteria pulmonalis, die Aorta ascendens oder die Koronararterien erfolgen, 5. kann das Herz-Zeit-Volumen bestimmt werden mittels Farbstoffverdünnung oder der Thermodilutionsmethode, 6. kann das intrakardiale Elektrokardiogramm (His-Bündel-EKG) dargestellt werden, 7. ist eine rhythmische Stimulation des Herzens aus diagnostischen oder aus therapeutischen Gründen möglich, 8. können aus mehreren Meßgrößen abgeleitete Funktionen berechnet werden, z.B. das Ventrikelvolumen, das Herz-Zeit-Volumen, die Kontraktilität, der Strömungswiderstand im großen und kleinen Kreislauf, die Druckgradienten über den Klappen sowie die Klappenöffnungsfläche und Shunt-Volumina (Abb. 11-12).

Abb. 11-12 Herzschema mit eingetragenen Normwerten für die Drucke und die Sauerstoffsättigung (Druck in m m H g , 0 2 -Sättigung in Prozent). R A rechtes Atrium, RV rechter Ventrikel, A P A. pulmonalis, LA linkes Atrium, LV linker Ventrikel, A O Aorta ascendens, V C S V.cava superior, VCI V.cava inferior

Eine Indikation für eine Herzkatheteruntersuchung besteht, wenn durch keine der nicht-invasiven Methoden eine quantitativ zuverlässige Aussage zu erhalten ist. Kontraindikationen

Kontraindikationen: 1. 2. 3. 4. 5.

eine hämorrhagische Diathese, eine therapieresistente hochgradige Herzinsuffizienz, eine Niereninsuffizienz für die Kardangiographie, ein akuter pulmonaler Infekt, eine bekannte Kontrastmittel-Überempfindlichkeit als relative Kontraindikation.

Diagnostik Komplikationen:

35 Komplikationen

1. schwere Herzrhythmusstörungen, 2. Kontrastmittel-Zwischenfälle, 3. hypoxische Anfälle, 4. Thrombosen, 5. Embolien, 6. Azidosen, 7. akute kardiale Dekompensationen mit Lungenödem, 8. die Dissektion an der Punktionsstelle mit Nachblutung. 9. eine Perforation der Herzwand mit nachfolgendem Hämoperikard, 10. ein Herzinfarkt bei der Koronarangiographie. Das Risiko der Herzkatheteruntersuchung ist abhängig von der Art der Herzerkrankung, der Schwere der Herzerkrankung, der Untersuchungstechnik und der Erfahrung des Untersuchers. Auf das intrakardiale Druckverhalten im einzelnen sowie die Berechnung der hämodynamischen Größen kann in diesem Zusammenhang nicht eingegangen werden; soweit es notwendig ist, werden die pathologischen Werte bei der Beschreibung der einzelnen Krankheitsbilder mit dargestellt. Als die hauptsächlichsten Herzkatheterverfahren werden die venöse Herzkatheteruntersuchung, die retrograd-arterielle Herzkatheteruntersuchung, die transseptale Herzkatheteruntersuchung und die bereits oben beschriebenen Kardangiographien, evtl. in Kombination mit den einzelnen Herzkatheteruntersuchungen, durchgeführt.

1.3.8 Elektrophysiologische Stimulationsverfahren Indikationen: 1. Diagnostik bradykarder und tachykarder Herzrhythmusstörungen, 2. Optimierung einer antitachykarden Therapie. Indikation zur Elektrophysiologie bei bradykarden Rhythmusstörungen: • Sicherung von Herzschrittmacher-Indikationen bei Sick-Sinus-Syndrom, • SA-, AV-Blockierungen, • bei faszikulären Leitungsstörungen, • Abklärung unklarer Synkopen. 1. Bestimmung der Sinusknotenerholungszeit durch schnelle atriale Stimulation von Frequenzen zwischen 110 bis maximal 180/min altersadaptiert bei Steigerungstufen von 10 Schl./min. Messung der maximalen poststimulatorischen Pause sowie der AH- und AV-Intervalle. 2. Bestimmung der funktionellen effektiven Refraktärzeit des Vorhofes und des AV-Kanals durch Einzelstimulation bei einer Basisstimulation von 120/min (und Ankoppelung eines vorzeitigen Einzelimpulses). 3. Evtl. Wiederholung der Stimulation unter Atropin, Kalziumantagonisten, Beta-Rezeptorenblockern zur Aufklärung der Sinusknotenfunktion bzw. einer AV-Überleitungsstörung. Indikation zur Elektrophysiologie bei tachykarden Rhythmusstörungen: • Abklärung supraventrikulärer (atrialer) Tachykardien, • von Präexzitationssyndromen, • von AV-Reentry-Tachykardien, • ventrikulärer Tachykardien und Arrhythmien (Zustand nach nicht-ischämischem Kammerflimmern, Zustand nach unklarer Reanimationssituation, rezidivierende Kammertachykardien bei koronarer Herzkrankheit und Kardiomyopathie), • Therapiekontrolle bei supraventrikulären und ventrikulären Tachykardien.

Elektrophysiologische Stimulationsverfahren Indikationen: 1. Diagnostik bradykarder und tachykarder Rhythmusstörungen 2. Optimierung einer antitachykarden Therapie Indikation bei bradykarden Rhythmusstörungen: - Sicherung von Schrittmacher-Indikationen bei Sick-Sinus-Syndrom, AV-Blockierung, faszikulären Leitungsstörungen - Abklärung unklarer Synkopen

Indikation bei tachykarden Rhythmusstörungen: - Abklärung supraventrikulärer Tachykardien - Abklärung ventrikulärer Tachykardien und Arrhythmien - Therapiekontrolle bei supraventrikulären und ventrikulären Tachykardien

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II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

m sec Abb.ll-13 Erregungsleitungssystem mit Leitungsgeschwindigkeiten a Sinusknoten, b atriales Leitungsbündel, c Bachmann-Bündel, d James-Bündel, e AV-Knoten, f His-Bündel, g Kent-Bündel, h Mahaim-Bündel, i rechter Tawara-Schenkel, j (linker Tawara-Schenkel) linker Faszikel, h Purkinje-Fasern 1. Bestimmung der Sinusknotenerholungszeit (s.o.) 2. Überprüfung auf atriale oder ÄV-Reentrys durch schnelle atriale Stimulation, bei Verdacht auf Präexzitation zusätzlich Stimulation im Sinus coronarius zur Aufdeckung akzessorischer Bahnen. 3. Rechtsventrikuläre Stimulation mit unterschiedlichen Frequenzen zur Überprüfung der retrograden AV-Leitung. 4. Auslösung von Vorhofflimmern mit Prüfung der spontanen Arrhythmie, Terminierung sowie Prüfung der AV-Überleitungsverhältnisse. 5. Programmierte Ventrikelstimulation bei Basisfrequenzen 100,120 und 150/min mit bis zu 3 vorzeitig angekoppelten Extraimpulsen. Bei Nichtauslösung von repetitiven Kammerantworten Stimulation im rechten oberen Ausflußtrakt. 6. Wiederholung nach Gabe z.B. von Antiarrhythmika Klasse I und III (Abb. 11-13).

Nuklearmedizinische Methoden

1.3.9 Nuklearmedizinische Methoden Als nicht-invasive Methoden haben die Myokardszintigraphie und die Binnenraumszintigraphie Eingang in die Diagnostik, insbesondere der koronaren Herzkrankheiten, gefunden. Voraussetzung für diese Methode ist eine Szintillationskamera mit hohem Auflösungsvermögen, ein potentes Datenverarbeitungssystem und vor allem ein geeignetes Radionuklid. Zur Zeit stehen drei Radioisotope zur Verfügung: das l23 Jod, das "^'Technetium und das 2l)1 Thallium. Durchgesetzt haben sich das 2(ll Thallium für die Myokardszintigraphie und das ""Technetium für die Binnenraumszintigraphie.

Myokardszintigraphie mit 201 Thallium:

Myokardszintigraphie Thallium ist ein dem Kalium analoges Element, das sich ausschließlich in vitalem Gewebe anreichert. Etwa 5% reichern sich im myokardialen Gewebe an, die anderen 95% werden in der Skelettmuskulatur, in Leber, Nie-

Diagnostik ren und im Intestinaltrakt gefunden. Thallium zerfällt durch Kaliumeinfang mit einer Halbwertszeit von 73 Stunden in 21,1 Hg unter Aussendung von Gamma-Quanten und einer Hg-Röntgenstrahlung. Entscheidend ist die Korrelation zwischen myokardialer 2() 'Thallium-Konzentration und Myokardperfusion. Weiterhin beeinflußt der Vitalitätsgrad des Myokardgewebes, der wiederum von energiereichen Phosphaten abhängt, das Ausmaß der myokardialen Speicherung von 201 Thallium. Die Strahlenbelastung der normalerweise injizierten Menge liegt um den Faktor ΙΟ""1 unter der toxischen Thallium-Dosis. Liegt eine koronare Herzkrankheit vor, so sprechen Speicherdefekte unter Ruhebedingungen für Myokardnekrosen, also Infarkt- oder Narbenbereiche. Treten derartige Speicherdefekte erst unter Belastungsbedingungen auf, dürfte es sich um einen ischämischen Bezirk handeln, dessen Versorgung unter Ruhebedingungen wieder gesichert ist. Es ergeben sich zwei Untersuchungsmöglichkeiten, deren Wahl vom Krankheitsbild und von der Fragestellung abhängt: 1. die Ruhe-Myokardszintigraphie, 2. die Myokardszintigraphie unter Belastung.

37

Speicherdefekte unter Ruhebedingungen = Infarkt- oder Narbenbereiche Speicherdefekte unter Belastungsbedingungen = ischämische Bereiche Deswegen 2 Untersuchungsmöglichkeiten: 1. die Ruhemyokardszintigraphie 2. die Myokardszintigraphie unter Belastung

Bei der zweiten Möglichkeit wird immer auch eine Ruhe-Myokardszintigraphie mit erstellt, so daß in der Regel die Kombination der beiden Methoden angewandt wird. Folgende Indikationen bestehen für die Myokardszintigraphie mit 2( "Thallium. Myokardszintigraphie unter Ruhebedingungen: 1. zur Sicherung eines frischen Infarktes bei a) Linksschenkelblock, b) Schrittmacher-Stimulation, c) septalem Herzinfarkt. 2. Lage- und Größenbestimmung eines Herzinfarktes. 3. Nachweis einer infiltrativen Myokardiopathie.

Myokardszintigraphie unter Ruhebedingungen

Myokardszintigraphie unter Belastungsbedingungen:: 1. belastungsabhängige Ischämiebereiche bei koronarer Herzkrankheit. 2. Frage nach vitalem, stenotischem Myokardgewebe bei vorgesehener aortokoronarer Bypass-Operationen. 3. Kontrolle nach einer Bypass-Operation gegenüber dem Vorbefund.

Myokardszintigraphie unter Belastungsbedingungen:

Binnenraumszintigraphie Die Binnenraumszintigraphie wird mit Wm Technetium-markierten Erythrozyten oder "Technetium-markiertem Human-Serum-Albumin durchgeführt. Diese Methode vermag auf nicht-invasivem Weg die globalen Parameter der Ventrikelfunktion, insbesondere die Ejektionsfraktion, zufriedenstellend zu bestimmen. Außerdem können diese Messungen sowohl unter Ruhebedingungen als auch unter Belastung erfolgen. Hierzu wird heute in der Regel die EKG-getriggerte Herzbinnenraumszintigraphie im Steady state benutzt. Entscheidend ist bei dieser Methode außer der EKG-Triggerung, daß man die gleichmäßige Verteilung des Radioindikators im Blut abwartet. Mit einer Weiterentwicklung dieser Methode ist auch das regionale Kontraktionsverhalten bestimmbar. Es handelt sich hierbei um die sogenannte Amplituden- und Phasenszintigraphie nach einer Fourier-Analyse. Kontraktionsschwächen entsprechen einer Minderung der Amplitudenhöhe, Asynergien einer Phasenverschiebung. Hier tritt die nuklearmedizinische Technik mit der Echokardiographie in Konkurrenz. Außerordentlich hilfreich und problemlos ist sie bei akuten Herzkrankheiten wie Herzinfarkt oder akuter Myokarditis, bei denen eine Herzkatheteruntersuchung sich meist wegen des erhöhten Untersuchungsrisikos verbietet.

Binnenraumszintigraphie unblutige Methode zur Bestimmung der globalen Parameter der Ventrikelfunktion, ζ. B. der Ejektionsfraktion

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

38 Herzinsuffizienz

2 Herzinsuffizienz J. Wagner

Definition Die Herzinsuffizienz ist das Unvermögen des Herzens, durch seine Pumparbeit die Homöostase des Kreislaufes zu erhalten.

akute und chronische Formen der Herzinsuffizienz

Pathophysiologic verminderte Kontraktilität verminderte Auswurfleistung

Periphere Vasokonstriktion verschlechtert bei insuffizientem Herzen die Pumpfunktion.

Regulationsmechanismen: Austreibungswiderstand sympathikotone Regulationsmechanismen Renin-Angiotensin-Aldosteron-System Frank-Starling-Mechanismus Vor- und Nachlast

2.1 Definition Die Herzinsuffizienz ist das Unvermögen des Herzens, durch seine Pumparbeit die Homöostase des Kreislaufes bei einer geforderten Leistung aufrechtzuerhalten. Grund für die ungenügende Versorgung der Kreislaufperipherie mit Blut ist in dem verminderten Herzminutenvolumen aufgrund der kardialen Dysfunktion zu sehen. Es tritt zusätzlich das Phänomen der Stauung vor dem linken und/oder rechten Herzen hinzu. Die Herzinsuffizienz kann sich in akuter und chronischer Form äußern. Die akute Linksherzinsuffizienz beim frischen Herzinfarkt, das Lungenödem, die akute Dekompensation bei chronischer Linksherzinsuffizienz, der kardiogene Schock und die akute Rechtsherzinsuffizienz bei Lungenembolie stehen als akute Formen der Herzinsuffizienz den chronischen Formen gegenüber. Die chronische Herzinsuffizienz läuft protrahiert ab. Hierbei handelt es sich in der Regel um eine ausgeprägte myokardiale Schädigung. Als Ursache können Veränderungen der Kontraktilität, der Herzfrequenz, der Vorlast oder der Nachlast angesehen werden. Koronarinsuffizienz, Herzvitien, Herzrhythmusstörungen oder Myokardiopathien können somit Ursache einer chronischen Herzinsuffizienz sein. Bei den Herzvitien kann sogar eine Herzinsuffizienz auftreten, ohne daß eine stärkere myokardiale Schädigung vorliegt.

2.2 Pathophysiologie Bei der myogenen Herzinsuffizienz besteht eine verminderte Kontraktilität des Herzmuskels. Die Kontraktilitätsschwäche hat eine reduzierte Pumpleistung des Herzens zur Folge und somit eine verkleinerte Auswurffraktion (definiert als Verhältnis von Schlagvolumen zu enddiastolischem Volumen). Mehrere Regulationsmechanismen sind betroffen, so der Austreibungswiderstand, sympathikotone Regulationsmechanismen, der Einfluß des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems sowie Vor- und Nachlast. Der geschädigte linke Ventrikel reagiert außerordentlich empfindlich auf Veränderungen der aortalen Impedanz. Eine Erhöhung des Austreibungswiderstandes, z.B. durch Vasokonstriktion, wird bei einem insuffizienten Herzen die Pumpfunktion verschlechtern, und damit werden der linksventrikuläre enddiastolische Druck und das enddiastolische Volumen ansteigen. Im Gegensatz zum gesunden Herzen wird sich das Schlagvolumen aufgrund der gestörten myokardialen Kontraktilität verkleinern. Vermindert sich aber die Auswurfleistung des linken Ventrikels, kommt es regulatorisch zu einer peripheren Vasokonstriktion. Der periphere Widerstand erhöht sich damit durch Stimulation des sympathischen Nervensystems. Hierdurch wird eine verbesserte kardiale Kontraktilität erreicht. Man vermutet, daß Noradrenalin direkt an den kardialen und vasalen Nervenendigungen in dieser Situation freigesetzt wird, so daß es zu einer erhöhten Vasokonstriktion kommt. Neben der neurogenen sympathikotonen Regulationsmöglichkeit kommt als humorale Komponente zirkulierendes Noradrenalin und Angiotensin II hinzu, die die Vasokonstriktion verstärken. Schließlich kann die Minderperfusion der Skelettmuskulatur zu einer Hypoxie führen, die afferente Rezeptoren stimuliert, eine reflexgesteuerte über efferente Bahnen zu einer verstärkten arterielle Vasokonstriktion ist die Folge. Im Gegensatz zu der akuten Herzinsuffizienz sind bei der chronischen Herzinsuffizienz die Regulationsmöglichkeiten über den Frank-Starling-Mechanismus bereits ausgeschöpft. Der insuffiziente linke Ventrikel arbeitet an der Grenze seiner möglichen Vordehnung. Das Perikard schließt eine weitere Vordehnung aus. Bei der großen Vordehnung ist durch die Insuffizienz eine Umwandlung in eine vermehrte Inotropic nicht möglich. Andere periphere

Herzinsuffizienz Hilfsregulationsmechanismen müssen n u n m e h r zur Verbesserung der kardialen Situation herangezogen werden. Das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System wird stimuliert, und es k o m m t zu einer sympathischen Stimulation. Die Ansprechbarkeit auf eine Stimulation der B e t a - R e z e p t o r e n wird vermindert. Man nimmt an, daß die Beta-Rezeptorendichte im Bereich des linken Ventrikels bei chronischer Herzinsuffizienz abnimmt. In ähnlicher Weise nimmt bei der chronischen Herzinsuffizienz auch der myokardiale Noradrenalinspeicher ab, so d a ß es auch hierüber zu einer Abnahme der Ansprechbarkeit auf eine sympathische Stimulation k o m m t . Dieses steht im Gegensatz zur akuten Herzinsuffizienz, bei der die Beta-Rezeptorendichte eher zunimmt. Durch die A b n a h m e von myokardialem Noradrenalinspeicher und Beta-Rezeptorendichte wird das chronisch insuffiziente H e r z immer m e h r von d e m nötigen adrenergen A n t r i e b abgekoppelt. Weiterhin wird durch das vasoaktive Angiotensin II die A l d o s t e r o n p r o d u k tion angeregt. E s k o m m t zu einer Salz- und Wasserretention und somit zu einer Volumenzunahme. Die Folge ist eine Lungenstauung o d e r eine periphere Ödembildung. E s erhöht sich also die Vorlast des Herzens (Preload). Gleichzeitig kommt es auch auf diesem Wege zu einer Reduktion der BetaRezeptorendichte. Des weiteren reagiert der Kreislauf mit einer peripheren Vasokonstriktion. Folge ist ein erhöhter peripherer Widerstand und damit eine e r h ö h t e Nachlast des Herzens ( A f t e r l o a d - E r h ö h u n g ) . Schließlich wird durch Volumen- und Drucküberlastung eine Herzinsuffizienz mit D e k o m pensationszeichen und A b n a h m e der Belastbarkeit auftreten. Die Vorlast ist definiert durch die enddiastolische Faserlänge, d.h. also durch das enddiastolische Volumen. Die Stauung vor dem Herzen in F o r m einer vergrößerten Vorlast erhöht den Füllungsdruck des linken Ventrikels deutlich. U n t e r Volumenbelastung wie unter körperlicher Belastung steigt der enddiastolische Druck auf das Drei- bis Vierfache der Norm. Entsprechend d e m ansteigenden Teil der Frank-Starling-Kurve steigt mit zunehm e n d e m Anstieg des Füllungsdruckes das H e r z m i n u t e n v o l u m e n bei normaler Funktion an, bei weiter steigendem Füllungsdruck flacht sich die Kurve ab, d.h., das H e r z m i n u t e n v o l u m e n steigert sich nur unwesentlich. Dagegen verläuft die Frank-Starling-Kurve bei herzinsuffizienten Patienten auf einem viel niedrigeren Niveau, d. h., um ein bestimmtes Herzminutenvolumen aus dieser herzinsuffizienten Situation zu erreichen, m u ß das H e r z deutlich höhere enddiastolische Drucke aufbringen. Insgesamt liegen bei einem insuffizienten Herzen die Herzminutenvolumina deutlich unterhalb der Norm. Die Abflachung der Kurve erfolgt erheblich früher. Die Nachlast ist definiert als die ventrikuläre Wandspannung, die aufgebracht werden muß, um das Schlagvolumen auszuwerfen. Es besteht nach der Laplaceschen Gleichung eine Abhängigkeit zwischen dem intraventrikulären Druck, der Wanddicke sowie der Ventrikelgröße. Die Vergrößerung des Innenvolumens des linken Ventrikels sowie eine e r h ö h t e ventrikuläre Wandspannung, bestimmen also im wesentlichen die Auswurfarbeit des Herzens. Beide G r ö ß e n sind bei der Herzinsuffizienz in der Weise verändert, d a ß eine erhöhte Nachlast resultiert. E n d z u s t ä n d e der Herzinsuffizienz sind erreicht, wenn der insuffiziente linke Ventrikel nicht m e h r den arteriellen Mitteldruck, der f ü r die Perfusion von Leber, Niere. Gehirn und Herzarbeit notwendig ist, aufbringen kann.

2.3 Hämodynamik Die hämodynamische Definition der Herzinsuffizienz ist unabhängig von der Genese. Links- und rechtsventrikuläre Füllungsdrucke sind erhöht und das Herzminutenvolumen, wie bereits oben vermerkt, deutlich reduziert. Die Herzfrequenz ist beschleunigt, das Schlagvolumen vermindert, der systolische Systemdruck nimmt erst bei schweren F o r m e n der Herzinsuffizienz auf Werte unter 100 m m H g ab. Durch das verminderte H Z V erhöht sich der systemische Widerstand. Tritt eine Linksherzinsuffizienz auf, steigt der enddiastolische D r u c k linksventrikulär an. Wird ein Wert von 20 m m H g überschritten, treten in der Regel klinische Zeichen der Links-

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Beta-Rezeptorendichte nimmt bei chronischer Herzinsuffizienz im Bereich des linken Ventrikels ab. Myokardialer Noradrenalinspeicher nimmt bei chronischer Herzinsuffizienz ab.

Durch Angiotensin II wird die Aldosteronproduktion angeregt. Folge ist eine Salzund Wasserretention: - Lungenstauung - Ödembildung

Vorlast: Die Vorlast ist definiert durch die enddiastolische Faserlänge, d.h. also durch das enddiastolische Volumen.

Nachlast: Die Nachlast ist definiert als die ventrikuläre Wandspannung, die aufgebracht werden muß, um das Schlagvolumen auszuwerfen.

Hämodynamik Links- und rechtsventrikulärer Füllungsdruck erhöht Herzminutenvolumen reduziert Herzfrequenz beschleunigt Schlagvolumen vermindert Pulmonale Hypertension Erhöhter zentraler Venendruck

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Vorwärtsversagen Herzminutenvolumen eingeschränkt Nierendurchblutung reduziert Leberdurchblutung reduziert Durchblutung im Gastrointestinaltrakt reduziert Rückwärtsversagen • linker Ventrikel: - Lungenödem - Lungenvolumina reduziert - Dehnbarkeit des Lungengewebes vermindert - Zunahme des elastischen Widerstan des - Zunahme des Atemwegwiderstandes • rechter Ventrikel: - enddiastolische Druckerhöhung im rechten Ventrikel - Ödembildung

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems herzinsuffizienz auf, denn der deutlich erhöhte diastolische Druck linksventrikulär wird druckpassiv über den linken Vorhof an die Lungenvenen und den Pulmonalkapillarbereich bis zu den Lungenarterien zurückgegeben. Es entsteht eine druckpassive pulmonale Hypertension, da entsprechende Pumpdrucke vom rechten Ventrikel aufgebracht werden müssen. Wird durch die chronisch erhöhte Pumparbeit der rechte Ventrikel ebenfalls insuffizient, geht auch diese mit erhöhten Füllungsdrucken einher, und es kommt zu einer Druckerhöhung im rechten Vorhof, d. h. des zentralen Venendruckes. Volumen staut sich vor dem rechten Herzen, es kommt zu Ödembildungen. Der linksventrikuläre Füllungsdruck entspricht dem enddiastolischen Druck. Man spricht von Rückwärts- und Vorwärtsversagen des Herzens. Beide Mechanismen werden für die Entstehung von Ödemen herangezogen. Es können jedoch auch mit diesen Begriffen die Folgeerscheinungen einer Herzinsuffizienz auf den Organismus erklärt werden. Durch das Vorwärtsversagen kommt es infolge eingeschränkten Herzminutenvolumens zu einer gestörten Pumpversorgung in einzelnen Organen. Hirn- und Myokarddurchblutung sind bei geringen und mittleren Graden der Herzinsuffizienz nicht eingeschränkt, jedoch ist die Nierendurchblutung deutlich reduziert, und zwar über das Maß der Herabsetzung des Herzminutenvolumens hinaus. Des weiteren wird der Gastrointestinaltrakt und hierbei an erster Stelle die Leberdurchblutung vermindert. Bei Rückwärtsversagen muß zwischen linkem und rechtem Ventrikel unterschieden werden. Wenn der Lungenkapillardruck den kolloidosmotischen Druck in Ruhe und unter Belastungsbedingungen überschreitet, kommt es zu Flüssigkeitsaustritt in das Interstitium und Übertritt in die Lungenalveolen. Die Folge ist dann ein Lungenödem. Die Funktionsstörung des linken Ventrikels wirkt sich infolge des Blutrückstaues und der damit verbundenen Druckerhöhung im venösen und arteriellen Anteil des kleinen Kreislaufes unmittelbar auf die Atemfunktion der Lunge aus. Hierdurch werden also auch die verschiedenen Lungenfunktionsparameter verändert. Die Lungenvolumina sind reduziert, insbesondere die Vitalkapazität, inspiratorische Reserveluft und Totalkapazität. Das Residualvolumen nimmt durch Abnahme der Retraktionskraft der Lunge zu. Durch das interstitielle Ödem wird die Dehnbarkeit des Lungengewebes vermindert, der elastische Lungenwiderstand nimmt zu. Stauungsbedingter Flüssigkeitsaustritt in die Alveolen verursacht eine Erhöhung des Atemwegswiderstandes. Die diastolische Druckerhöhung im rechten Ventrikel mit Rückstau vor demselben ist die Hauptursache von Ödemen. Diese entstehen im Zusammenspiel von Rückstau und reduzierter arterieller Nierendurchblutung bei Herzinsuffizienz.

2.4 Klassifizierung Klassifizierung der Herzinsuffizienz nach NYHA Einteilung in 4 Schweregrade, ausschließlich dem klinischen Bild folgend

Anhand der klinischen Symptome hat die New York Heart Association (NYHA) eine Einteilung in 4 Schweregrade vorgeschlagen: I. Herzkranke ohne Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Bei gewohnter körperlicher Tätigkeit kommt es nicht zum Auftreten von Dyspnoe, anginösen Schmerzen oder Palpitationen. II. Patienten mit leichter Einschränkung der körperlichen Leistung. Diese Kranken fühlen sich in Ruhe und bei leichter Tätigkeit wohl, Beschwerden machen sich erst bei stärkerer körperlicher Belastung bemerkbar. III. Patienten mit starker Einschränkung der körperlichen Leistung. Diese Kranken fühlen sich in Ruhe wohl, haben aber schon bei leichten alltäglichen Verrichtungen Beschwerden. IV. Patienten, die keine körperlichen Tätigkeiten ausüben können, ohne daß Beschwerden auftreten. Die Symptome der Herzinsuffizienz können sogar in Ruhe auftreten und werden durch körperliche Tätigkeit verstärkt.

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Herzinsuffizienz Die Gruppen I und II entsprechen etwa der latenten Form der Herzinsuffizienz, die Gruppe III der Belastungsinsuffizienz und Gruppe IV als schwerste Form der Ruheinsuffizienz. Diese Einteilung, die allgemeine Anerkennung gefunden hat, gibt gleichzeitig den natürlichen Krankheitsverlauf wieder.

2.5 Krankheitsbild und Verlauf der Herzinsuffizienz

Gradl 1 Grad II J Grad III Grad IV

latente Form der Herzinsuffizienz Belastungsinsuffizienz Ruheinsuffizienz

Krankheitsbilder der Herzinsuffizienz

2.5.1 Globalinsuffizienz Bei einer Globalinsuffizienz findet sich regelhaft ein Symptomenkomplex: Dyspnoe oder Orthopnoe, Zyanose, Tachykardie, beidseitige Herzdilatation, gestaute Halsvenen, Lebervergrößerung, beidseitige Unterschenkelödeme, Oligurie. Bei länger bestehender Herzinsuffizienz kann sich eine kardiale Polyglobulie entwickeln. Als Ausnahmen hiervon haben zu gelten: Bei einer schweren Anämie fehlt die Zyanose, bei einem totalen AV-Block findet sich keine Tachykardie, bei einer Pericarditis constrictiva ist das Herz klein.

Klinisches Bild der Globalinsuffizienz - Dyspnoe/Orthopnoe - Zyanose - Tachykardie - beidseitige Herzdilatation - gestaute Halsvenen - Lebervergrößerung - beidseitige Unterschenkelödeme - Oligurie

2.5.2 Linksherzinsuffizienz Typische klinische Symptome einer Linksherzinsuffizienz sind: Atemnot bei Belastung oder unter Ruhebedingungen, das Schlafen ist nur mit erhöhtem Oberkörper möglich, Tachykardie bzw. Tachyarrhythmie, linksseitige Herzvergrößerung, Galopprhythmus mit III. oder IV. Herzton über der Herzspitze, der von einem Herzgeräusch überdeckt sein kann, Stauungsbronchitis mit rosafarbenem Auswurf, nächtliche Anfälle von Atemnot. Bei schweren Stauungszeichen der Lunge bis hin zum Lungenödem zeigen sich klein- bis mittelblasige Rasselgeräusche Uber beiden Lungenfeldern.

Linksherzinsuffizienz - Dyspnoe/nächtliche Anfälle von Atemnot - Tachykardie/Tachyarrhythmie - linksseitige Herzvergrößerung - Stauungsbronchitis - rostfarbener Auswurf - klein- bis mittelblasige Rasselgeräusche

2.5.3 Rechtsherzinsuffizienz Als Symptome einer Rechtsherzinsuffizienz können auch die bei der Linksherzinsuffizienz bereits genannten Symptome wie Zyanose, Dyspnoe und Tachykardie vorhanden sein. Spezielle Symptome der Rechtsherzinsuffizienz: Erhöhung des zentralen und peripheren Venenpulses (positiver Jugularispuls), Vergrößerung des Herzens nach rechts durch Dilatation des rechten Vorhofes, Lebervergrößerung mit derber Konsistenz, Pleuraerguß, in der Regel rechts, Nykturie, prätibiale Ödeme, Stauungsproteinurie, Stauungsgastritis, sowie Anasarka und Aszites. Entwickelt sich die Rechtsherzinsuffizienz akut, kann es zu rechtsseitigen Oberbauchbeschwerden durch die plötzlich auftretende Leberstauung kommen (Kapselschmerz). Bei lange bestehender Linksherzinsuffizienz kann sich zusätzlich eine Rechtsherzinsuffizienz entwickeln. Bei einer so entstandenen Globalinsuffizienz ist es sogar möglich, daß die Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz überwiegen, und die Zeichen der Linksherzinsuffizienz sich vorübergehend bessern können. Rechts- und Linksherzinsuffizienz können jedoch auch gleichzeitig auftreten.

2.6 Diagnose und Differentialdiagnose

Rechtsherzinsuffizienz - Zyanose - Dyspnoe - Tachykardie - erhöhter zentraler und peripherer Venenpuls - rechtsseitige Herzvergrößerung - Lebervergrößerung (derbe Konsistenz) - Pleuraerguß rechts - Nykturie - prätibiale Ödeme - Stauungsgastritis - Stauungsproteinurie - Anasarka - Aszites

Differentialdiagnose der Herzinsuffizienz

Pathognomonisch für die Herzinsuffizienz ist allein keines der oben genannten Symptome. Die Diagnose wird durch mehrere klinische Zeichen nachgewiesen. Sie ist um so sicherer, je mehr Symptome nachweisbar sind.

2.6.1 Linksherzinsuffizienz Das hervorragende Zeichen der Linksherzinsuffizienz ist die Dyspnoe. Hier muß eine Abgrenzung gegenüber der respiratorischen Insuffizienz bei Lungenerkrankungen erfolgen, z.B. Lungenfibrose, Spontanpneumotho-

Differentialdiagnose zur Linksherzinsuffizienz • Dyspnoe: - Lungenfibrose

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

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Spontanpneumothorax Entzündlicher Pleuraerguß Emphysem Obstruktive Lungenerkrankung Lungenembolie Akutes und chronisches Cor pulmonale

• Zyanose: - Polyzythämie - Polyglobulie - Hypoxie durch Lungenerkrankung - Methämoglobinämie • Tachykardie: als unabhängige Herzrhythmusstörung - Hyperthyreose - Anämie - Hypovolämie - Urämie

rax, entzündlicher Pleuraerguß, Emphysemthorax. D i e Tachypnoe bei A n ämie und azidotische A t m u n g bei Leberinsuffizienz sind weitere Differentialdiagnosen. Bei rein respiratorischen Insuffizienzen ist der Venendruck nicht erhöht, es sei denn, es handelt sich um eine E r k r a n k u n g im Sinne eines akuten oder chronischen Cor pulmonale, bei Lungenembolie oder obstruktivem Lungenemphysem, bei d e m das rechte H e r z einer e r h ö h t e n Belastung unterliegt. N e b e n der Dyspnoe ist die Zyanose ein zweites typisches Zeichen der Linksherzinsuffizienz. Differentialdiagnostisch m u ß eine Polyzythämie oder eine Polyglobulie durch Bestimmung von Hb, Erythrozytenzahl und/oder H ä m a t o k r i t ausgeschlossen werden. Weiterhin m u ß eine Hypoxie durch Lungenerkrankung sowie eine Methämoglobinämie abgegrenzt werden. Eine Tachykardie als typisches Zeichen einer Linksherzinsuffizienz kann jedoch auch zunächst o h n e Linksherzinsuffizienz als Herzrhythmusstörung auftreten. Des weiteren sind auch Tachykardien in Abhängigkeit von anderen Krankheitsbildern möglich, z.B. Hyperthyreose, Anämie, Urämie, Hypovolämie.

2.6.2 Rechtsherzinsuffizienz

Differentialdiagnose zur Rechtsherzinsuffizienz • Stauungsleber: - Hepatomegalie - Fettleber - chronische Hepatitis - Leberzirrhose • Ödeme: - Nierenerkrankungen - Lebererkrankungen - Lymphödem Apparative Diagnostik von Rechts- oder Linksherzinsuffizienz Ruhe-EKG Röntgenthorax-Aufnahme Echokardiogramm Ergometrie (Belastungsinsuffizienz) Ruhe-EKG bei Rechtsherzbelastung: P-dextroatriale Rechtstyp R i n V , , aVR erhöht S in V5 und V e tief Ruhe-EKG bei Linksherzbelastung: P-sinistroatriale Linkstyp R in V5, V6 überhöht Umschlagspunkt in V5, V6 später als 0,052 s S in V-i tief Röntgenologisches Thoraxübersichtsbild Linksherzinsuffizienz: • Vergrößerung des linken Ventrikels (unterschiedlich)

Klinisches Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz ist die Erhöhung des Venendruckes. D e r zentrale Venendruck kann geschätzt werden: Bei Aufrichten des O b e r k ö r p e r s bis 45 ° verschwindet der sichtbare Jugularispuls hinter der Klavikula, wenn der zentrale Venendruck normal ist. Sieht man in dieser Stellung jedoch noch immer pulsierende Jugularvenen, so entspricht die Distanz zwischen den E b e n e n des rechten Vorhofes und d e m o b e r e n E n d e der Jugularisvene d e m zentralen Venendruck. D i e vergrößerte Stauungsleber ist ein typisches Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz. Differentialdiagnostisch m u ß sie von einer Hepatomegalie, insbesondere der Fettleber, der chronischen Hepatitis, der Leberzirrhose, abgegrenzt werden. Doppelseitige prätibiale Ödeme sollten abgegrenzt werden gegenüber Nieren· o d e r Lebererkrankungen und gegenüber d e m Lymphödem. E i n e Varikosis gehört nicht in diesen Formenkreis. Für die Funktionsdiagnostik der Links- oder Rechtsherzinsuffizienz stehen zur Verfügung: EKG, Röntgenthorax-Aufnahme, Echokardiogramm, Ergometrie. Elektrokardiographisch haben als Rechtsherzinsuffizienzzeichen zu gelten: ein Rechtstyp, ein R, das in V, und a V R erhöht ist, ein S, das in V 5 und V 6 tief ist. M a n unterscheidet d a r ü b e r hinaus Druckbelastungszeichen von Volumenbelastungszeichen des rechten Herzens. Bei der Volumenbelastung ist S in V , und V 6 breit und tief, bei der Druckbelastung nur tief. Bei der Volumenbelastung findet man häufiger einen unvollständigen Rechtsschenkelblock. Bei der Linksherzbelastung findet sich n e b e n einem Linkstyp in der Regel ein R, das in V , und V(l überhöht ist. D e r obere Umschlagspunkt ist in V 5 und V 6 später als 0,052 s. D a s S ist in V ( tief, es finden sich nicht selten Zeichen auch des vollständigen Linksschenkelblockes mit einem Q R S Komplex von 0,12 s o d e r länger, Aufsplitterung von R in Ableitung I, aVL, V 5 und V 6 bei verspätetem Umschlagspunkt des R's, eine konsekutive STStreckensenkung mit negativem Τ in Ableitung I, aVL, V 5 und V„ sowie ein tiefes und breites S in Ableitung III, aVF, V, und V 2 . D a r ü b e r hinaus kann sich bei der Linksherzinsuffizienz ein P-sinistroatriale o d e r eine absolute A r r h y t h m i e bei Vorhofflimmern ausbilden, bei Rechtsherzbelastung ein Pdextroatriale o d e r bei einer Globalinsuffizienz auch ein P-biatriale. Die röntgenologische Diagnostik zeigt im Thoraxübersichtsbild bei der Linksherzinsuffizienz eine Vergrößerung des linken Ventrikels von ganz unterschiedlichem A u s m a ß . D i e G r ö ß e des insuffizienten linken Ventrikels hängt im wesentlichen davon ab, o b es sich um eine D r u c k - o d e r Volumenüberlastung des linken Ventrikels handelt. Das gleiche gilt auch für die G r ö ß e des linken Vorhofes. Bei einer Drucküberlastung kann im Beginn der Insuffizienz eine nachweisbare G r ö ß e n z u n a h m e des linken Ventrikels

Herzinsuffizienz

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sogar fehlen (z.B. Aortenklappenstenose). Bei z u n e h m e n d e r Kontraktionsinsuffizienz des linken Ventrikels wird dieser jedoch größer, wobei sich das Innenlumen vergrößert. Die p u l m o n a l e Drucksteigerung, die sich als Folge der Linksherzinsuffizienz ergibt, führt im weiteren zu einer Rechtsherzbelastung und zunächst zu Rechtshypertrophiezeichen, schließlich beim Eintreten einer Rechtsherzinsuffizienz zu einer Vergrößerung des rechten Ventrikels. Z u d e m wird sehr häufig eine Stauungslunge nachweisbar. Wenn vorhanden, zeigt sich ein typisches Bild: M a n findet eine verstärkte arterielle Gefäßzeichnung im Bereich der Hili und der beiden Oberfelder, der Pulmonalbogen kann leicht prominent werden. In der Lungenperipherie besteht eine netzförmige Zeichnung. Selten finden sich kleinhirsegroße Fleckschatten. Eine akute Lungenstauung im Sinne eines akuten Lungenödems kann auch o h n e H e r z v e r g r ö ß e r u n g entstehen. Folge einer länger v o r h a n d e n e n Stauung kann eine hypostatische Infiltration sein, die zu s e k u n d ä r e n Infektionen (hypostatische B r o n c h o p n e u m o n i e ) f ü h r e n können. Bei einer Rechtsherzinsuffizienz zeigt sich röntgenologisch im sagittalen Strahlengang eine Verlängerung der A u s f l u ß b a h n des rechten Ventrikels. Die Herztaille ist verstrichen. Im seitlichen Bild wird die Verlängerung der Ausflußbahn des rechten Ventrikels d a d u r c h nachweisbar, d a ß der Herzschatten sich nach oben hin vermehrt an das Sternum anlehnt. D e r Tiefendurchmesser des Herzens wird insgesamt vergrößert. Mit z u n e h m e n d e r Rechtsherzvergrößerung verbreitert sich der Herzschatten nach rechts und links. D a sich gleichzeitig der rechte Vorhof vergrößert, wird der rechte Herzschatten nach oben hin verlängert und lädt verstärkt konvex in das rechte Lungenfeld aus (Abb. 11-14).

I

Zeichen der Lungenstauung: - verstärkte arterielle Gefäßzeichnung im Bereich der Hili und der Oberfelder - Pulmonalisbogen prominent - netzförmige Zeichnung der Lungenperipherie - kleinhirsegroße Fleckschatten - eventuell hypostatische Infiltrationen

Rechtsherzinsuffizienz: - Verlängerung der Ausflußbahn des rechten Ventrikels - Herztaille verstrichen - Verbreiterung des Herzschattens nach rechts und links

Abb. 11-14 Cor bovinum im Röntgenbild

Echokardiographisch sind die Insuffizienzzeichen durch vergrößerte Innendurchmesser, relative Mitral- oder Trikuspidalinsuffizienz (doppler-echokardiographisch) und verminderte linksventrikuläre Auswurffraktion zu sichern. D a r ü b e r hinaus können regionale Hypo-, A- oder Dyskinesien, insbesondere bei der Koronarinsuffizienz, festgestellt werden. Ergometrisch ist insbesondere die mangelnde Belastungsfähigkeit des Patienten auffällig. D e r gleichzeitige Rechtsherzkatheter registriert einen deutlich verminderten Anstieg des H e r z m i n u t e n v o l u m e n s und eine E r h ö hung der enddiastolischen ventrikulären Druckwerte.

Echokardiographie • vergrößerter Innendurchmesser • relative Mitral- oder Trikuspidalinsuffizienz • verminderte linksventrikuläre Auswurffraktion • regionale Hypo-, A- oder Dyskinesien bei der Koronarinsuffizienz Ergometrie • mangelnde Belastungsfähigkeit

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II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

Therapie der Herzinsuffizienz

2.7 Therapie der Herzinsuffizienz

Kausale Therapie

2.7.1 Kausale Therapie der Herzinsuffizienz

1. Koronarinsuffizienz - [medikamentöse, antianginöse Therapie] - aortokoronare Bypass-Operation - PTCA 2. Schwere Herzrhythmusstörungen - Antiarrhythmika - Herzschrittmacher - Defibrillator

Die Therapie der Herzinsuffizienz richtet sich nach der Ursache. 1. Koronarinsuffizienz. Koronarographisch lävokardiographisch ist zu prüfen, ob sie durch eine aortokoronare Bypass-Operation, evtl. sogar in Verbindung mit einer Aneurysektomie, oder durch eine Angioplastik (PTCA) zu beseitigen ist. 2. Behandlungsbedürftige Herzrhythmusstörung (Langzeit-EKG, HisBündel-EKG). Bei Bradykardie ist eine Herzschrittmacher-Implantation zu erwägen. Tachykardie und Extrasystolien sind mit Antiarrhythmika oder elektrotherapeutisch anzugehen. 3. Bei angeborenen oder erworbenen Herzvitien ist nach entsprechender Diagnostik (phonokardiographisch, echokardiographisch und invasiv) eine operative Korrektur anzustreben. 4. Die klinisch relevante Pericarditis constrictiva ist chirurgisch durch Ausschälung des Herzbeutels anzugehen. 5. Ein Perikarderguß sollte punktiert werden. 6. Die arterielle Hypertonie wird medikamentös behandelt (s. Kap. 11). 7. Bei Erkrankungen oder Ermüdung des Myokards und den unter 1. bis 6. genannten Krankheitskomplexen ist eine differenzierte, überwiegend medikamentöse Therapie notwendig, wenn eine ursächliche Therapie und die unter 1. bis 6. angegebenen Therapieprinzipien nicht möglich oder nicht ausreichend sind. Die Therapie richtet sich schwerpunktmäßig nach dem vorgegebenen Krankheitsbild und folgt einem gewissen Stufenschema, das pathophysiologisch gut begründet ist.

3. Herzfehler - operative Korrektur 4. Pericarditis constrictiva - chirurgische Ausschälung 5. Perikarderguß - Punktion 6. Arterielle Hypertonie - Beseitigung einer Nierenarterienstenose - [Antihypertensiva]

Ziele der medikamentösen symptomatischen Therapie:

= 0

Ihre Ziele sind: a) die Kontraktionskraft des Herzmuskels zu verbessern, b) die Vorlast zu senken, c) die Nachlast zu vermindern. Entsprechende Medikamente stehen zur Verfügung. Lediglich für die Behandlung der pulmonalen Hypertension, also zur selektiven Beeinflussung der Nachlast des rechten Herzens, steht bisher kein zufriedenstellendes Mittel zur Verfügung.

Symptomatische Therapie:

2.7.2 Grundsätze der symptomatischen Therapie bei Herzinsuffizienz

- Allgemeinmaßnahmen (Flüssigkeitseinschränkung, Bettruhe) - Herzglykoside, ACE-Hemmer - Diuretika, Aldosteron-Antagonisten - Vasodilatatoren - Sympathikomimetika (Dopamin, Dobutamin) - Katecholamine (Noradrenalin, Adrenalin, Orciprenalin)

Als Basis haben nach wie vor Allgemeinmaßnahmen zu gelten. Es handelt sich um Flüssigkeitseinschränkung, Bettruhe sowie Kochsalz-Restriktion bei gleichzeitiger strenger Überwachung des Elektrolythaushaltes und der Flüssigkeitsbilanz. Die zweite Stufe stellt die Therapie mit Herzglykosiden dar. Daneben können die Angiotensin-Converting-Enzym-Inhibitoren (A CE-Hemmer) als neues Prinzip gesetzt werden. Darauf baut sich die Behandlung mit Diuretika und/oder Aldosteron-Antagonisten auf. Als letzte Stufe stehen die anderen Vasodilatatoren und insbesondere die Sympathikomimetika und die Katecholamine zur Verfügung.

Digitalis

2.7.2.1 Digitalis

Wandel in der Einschätzung von Digitalis! Ziel neuer Therapiekonzepte: • Senkung von Vor- und Nachlast des Herzens • Ökonomisierung der Herzarbeit mit konsekutiver Senkung des myokardialen Sauerstoffverbrauches

Digitalis ist seit mehr als 200 Jahren als wirksames Medikament anerkannt. Seine unumstrittene Stellung als führendes Therapeutikum bei Herzinsuffizienz hat jedoch in den letzten Jahren Einbußen erlitten. Diesen Wandel in der Einschätzung kann man auf drei Gründe zurückführen: 1. Neuere pathophysiologische Erkenntnisse der Herzinsuffizienz haben zur Entwicklung anderer Therapieprinzipien geführt, die die Senkung von Vor- und Nachlast des Herzens anstreben. Ziel dieser neuen Therapiekonzepte ist die Ökonomisierung der Herzarbeit mit einer konsekutiven Senkung des myokardialen Sauerstoff Verbrauches. Digitalis steigert auf-

Herzinsuffizienz grund seiner positiv-inotropen Wirkung den myokardialen Sauerstoffverbrauch und widerspricht damit der Ökonomisierung. Dieses ist der wichtigste Grund, der zur Einschränkung der Digitalis-Therapie geführt hat. 2. Die akute Herzinsuffizienz, insbesondere das Lungenödem als Folge einer akuten Linksherzinsuffizienz, ist der Bereich, in dem Digitalis heute am meisten an Boden verloren hat. Die Steigerung des myokardialen Sauerstoffverbrauches ist bei akuter Linksherzinsuffizienz kontraproduktiv. Liegt dem Lungenödem ein Myokardinfarkt zugrunde, kann Digitalis die ohnehin bestehende Heterotopie-Neigung ischämischer Randzonen des Infarktes in gefährlicher Weise steigern. Von der Problematik ist die Therapie der chronischen Herzinsuffizienz nicht ganz unberührt geblieben. Dennoch bleibt sie bis heute die D o m ä n e der Glykosidtherapie. Herzerkrankungen, die mit einer vermehrten Steifigkeit des Ventrikels (erhöhte Wandspannung) einhergehen, wie etwa die Kardiomyopathie, ausgedehnt diffuse fibrosierende Herzmuskelerkrankungen oder große Herzwandaneurysmen sind durch Digitalis so gut wie nicht zu beeinflussen. Die obstruktive Kardiomyopathie wird heute nicht mehr mit Digitalis behandelt. Für die kongestive Form ist der Glykosideinsatz umstritten. Bei Herzmuskelinsuffizienz der Schweregrade II, III oder IV ist die Digitalistherapie unbestritten. Es sollte ζ. B. bei einer Koronarinsuffizienz, der häufigsten Ursache einer Herzinsuffizienz, eine Herzglykosidbehandlung eingeleitet werden, wenn klinisch eine Herzvergrößerung, eine Tachykardie oder eine Belastungsdyspnoe vorliegt. In besonderen Fällen, nämlich vor Einleitung einer antitachykarden Therapie, insbesondere mit Beta-Rezeptoren-Blockern, kann eine prophylaktische Digitalisgabe ohne Diagnose einer Herzinsuffizienz sinnvoll sein. In allen anderen Fällen ist eine generelle oder prophylaktische Glykosidtherapie der Koronarinsuffizienz grundsätzlich abzulehnen. Eine rationelle Glykosidtherapie hat sich an den Parametern der Pharmakokinetik zu orientieren. Alle Glykoside haben hinsichtlich ihres Wirkungsmechanismus auf das Myokard und das Erregungssystem gleichartige Wirkungen. Die entscheidenden Unterschiede der Glykoside bestehen in 1. der Resorptionsquote, die bei oralen Präparaten zwischen 10 und 90% schwankt; 2. dem Verteilungsmodus, der abhängig ist von dem Überwiegen hydrophiler und lipophiler Eigenschaften; 3. der Eiweißbindung, die ebenfalls große Differenzen aufweist; sie bestimmt wesentlich den Zeitpunkt des Wirkungseintrittes; 4. der Elimination über die Nieren, die anscheinend die Wirkungsdauer des jeweiligen Präparates vorgibt, insbesondere bei einer eingeschränkten Nierenfunktion.

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Akute Herzinsuffizienz, insbesondere das Lungenödem, heute nicht mehr Domäne von Digitalis

• Chronische Herzinsuffizienz ist die Domäne der Digitalistherapie. Bei der obstruktiven Kardiomyopathie ist Digitalis kontraindiziert, bei der kongestiven Form umstritten.

Die Digitalisbehandlung der Schweregrade II, III und IV ist unbestritten.

Eine prophylaktische Digitalistherapie, auch vor Operationen, ist grundsätzlich abzulehnen.

Digitalis-Glykoside unterscheiden sich durch - Resorptionsquote - Verteilungsmodus im Körper (hydrophil/lipophil) - Eiweißbindung - Elimination über die Niere

Das ideale Glykosid müßte folgenden Forderungen entsprechen: a) 100% ige Resorption, b) gute Steuerbarkeit, c) gleichmäßiger Wirkspiegel über 24 Stunden, d) kein kumulatives Verhalten bei eingeschränkter Nierenfunktion. Keines der heute verfügbaren Glykoside erfüllt sämtliche Kriterien. Für die relativ seltenen Fälle mit schwankender oder stark eingeschränkter Nierenfunktion ist Digitoxin heute das Mittel der Wahl. Sein auch bei schwerer Niereninsuffizienz adaptiv veränderter Metabolismus verhindert eine Kumulation. Ein wesentlicher Nachteil des Digitoxins ist die schlechte Steuerbarkeit mit einer täglichen Abklingquote von nur 7%. Digoxinderivate vom Typ des Beta-Methyl-Digoxin vereinen dagegen eine gute Steuerbarkeit mit einer relativ hohen Resorptionsquote (um 80%) und einem gleichmäßigen Wirkspiegel. Ihrer Kumulation bei einer Niereninsuffizienz kann in einem

Mittel der Wahl: • Digitoxin, auch bei eingeschränkter Niereninsuffizienz • Digoxin, gut steuerbar

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

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Digitalisbestimmung im Plasma oft überflüssig

Wirkungsmechanismus der Digitalis-Glykoside: Zunahme der Herzmuskelkontraktilität Verlangsamung der Erregungsüberleitung Präparate: - Kurzwirkende Glykoside (Strophanthin) - Mittelschnellwirkende Glykoside (Digoxin) - Langwirkende Glykoside (Digitoxin)

Interaktionen von Glykosiden mit anderen Medikamenten: - Chinidin - Spironolakton - Clofibrat, Tolbutamid - Cholestyramin, Aktivkohle Tägliche Erhaltungsdosen von • Digoxin: 0,25-0,375 mg • Beta-Acetyl-Digoxin: 0,2-0,4 mg • Methyl-Digoxin: 0,15-0,2 mg • Digitoxin: 0,07-0,1 mg Kontraindikation für eine Glykosidmedikation: Obstruktive hypertrophe Myokardiopathie Höherg radige AV-Blockierungen Nebenwirkungen von Glykosiden

weiten Bereich durch eine Dosisreduzierung begegnet werden. Auf Scillaund Strophanthin-Präparate kann heute grundsätzlich verzichtet werden. Digitalisbestimmung im Plasma: So sehr der Digoxinwirkspiegel und seine Korrelation zu Herzrhythmusstörungen in der Klinik bei diagnostischen Entscheidungen helfen, so wenig sinnvoll erscheint eine routinemäßige Steuerung der Digitalisbehandlung über den Plasmaspiegel in der Praxis. Grundlage einer rationalen Digitalis-Therapie bleibt vielmehr die exakte Kenntnis der pharmakokinetischen Parameter. D e r Wirkungsmechanismus d e r Digitalis-Glykoside liegt 1. in einer Z u n a h m e der Herzmuskelkontraktilität, 2. in einer Verlangsamung der Erregungsüberleitung zwischen Vorhof und Ventrikel. Präparate Drei G r u p p e n von Digitalis-Glykosiden werden unterschieden: 1. Kurzwirkende Glykoside (Strophanthin) mit einer täglichen A b klingquote von 4 0 % . Strophanthin ist wegen seiner außerordentlich schlechten Resorption nur als intravenöse G a b e sinnvoll und bei einer Digitalis-Überempfindlichkeit, die sehr selten v o r k o m m t , indiziert. 2. Mittelschnellwirksame Digitalis-Glykoside (Digoxin und Derivate) mit einer täglichen Abklingquote von 20%. D i e P r ä p a r a t e g r u p p e ist sowohl intravenös als auch oral gut wirksam. Bei Patienten mit einer Niereninsuffizienz m u ß die Erhaltungsdosis entsprechend angepaßt werden, da eine vorwiegend renale Elimination vorliegt. 3. Langwirkende Digitalis-Glykoside (Digitoxin) mit einer täglichen Abklingquote von 7%. Auch diese M e d i k a m e n t e n g r u p p e ist intravenös und oral gut wirksam. Bei chronischer Niereninsuffizienz sollte dieser G r u p p e der Vorzug gegeben werden, da sie extrarenal eliminiert wird. Herzglykoside erreichen ihre Vollwirkdosis erst nach einer Aufsättigungsphase. Diese kann ü b e r eine schnelle, 1 bis 2 Tage a n h a l t e n d e Sättigung, eine mittelschnelle, 3 bis 5 Tage d a u e r n d e und eine langsame Sättigungsphase über 6 Tage erreicht werden. D a n a c h wird eine tägliche Erhaltungsdosis als D a u e r t h e r a p i e verabreicht. Die Vollwirkdosis der Herzglykoside liegt zwischen 0,8 und 1,2 mg. Sie ist allerdings von Patient zu Patient erheblichen Schwankungen unterworfen. Ein niedriger Glykosidbedarf kann bei älteren Patienten aufgrund der eingeschränkten N i e r e n f u n k t i o n vorausgesetzt werden, ebenso bei Patienten mit einer Hypothyreose. Interaktionen mit anderen Medikamenten k ö n n e n zu einer Ä n d e r u n g der Erhaltungsdosis auf D a u e r zwingen. So vermindert Chinidin die renale Elimination von Digoxin, aber nicht von Digitoxin, und zwingt deswegen zur Reduzierung der Digoxindosis auf etwa die Hälfte. Ä n d e r u n g e n des Metabolismus werden z.B. durch Spironolaktone verursacht. Spironolakton beschleunigt durch Enzyminduktion den A b b a u von Digitoxin und senkt dadurch den Serum-Glykosidspiegel. Durch Clofibrat oder Tolbutamid wird Digitoxin aus der Eiweißbindung verdrängt, so daß die Digitoxinkonzentration im Blut erhöht wird. D u r c h M e d i k a m e n t e wie Cholestyramin und Aktivkohle wird die Resorption von Digitoxin und Digitoxin reduziert. Tägliche Erhaltungsdosen von Digoxinen liegen bei 0,25 bis 0,375 mg, von Beta-Acetyl-Digoxin zwischen 0,2 und 0,4 mg, beim Methyldigoxin zwischen 0,15 bis 0,2 mg und beim Digitoxin zwischen 0,07 bis 0,1 mg. Die relativ häufig a u f t r e t e n d e n Nebenwirkungen sind der Tabelle II-l zu entnehmen.

Herzinsuffizienz

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Tabelle 11-1 Nebenwirkungen und Kontraindikationen für Digitalis-Glykoside Nebenwirkungen von Digitalis-Glykosiden Sinusbradykardie SA-Block Supraventrikuläre Extrasystolie Vorhoftachykardie mit Blockierung AV-Block AV-Knotentachykardie Ventrikuläre Extrasystolie (Bigeminus, Trigeminus) Kammertachykardie ST-Senkung T-Abflachung QT-Verkürzung

Appetitlosigkeit Übelkeit Erbrechen Diarrhoe Farbsehen (grün/gelb) Benommenheit Muskelschwäche

Kontraindikationen für Digitalis-Glykoside 1. Obstruktive Myokardiopathie (IHSS) 2. AV-Block II. Grades 3. AV-Block III. Grades 4. Bradyarrhythmia absoluta bei Vorhofflimmern 5. Sinusknoten-Syndrom 6. Paroxysmales Vorhofflimmern und gleichzeitiges WPW-Syndrom

2.7.2.2 Angiotensin-Converting-Enzym-Inhibitoren (ACE-Hemmer) Die Gruppe der ACE-Inhibitoren gehört zu den vasodilatatorischen Substanzen. ACE-Hemmer erniedrigen den peripheren Widerstand, indem sie zu einer Akkumulation endogener vasodilatatorischer Kinine führen und den Kreislauf durch Wasser- und Elektrolytausscheidung nach Senkung der Aldosteronsekretion entlasten und dadurch eine Vasokonstriktion verhindern. ACE-Hemmer entfalten ihre Wirksamkeit innerhalb des Renin-Angiotensin-Systems wie auch innerhalb des Kallikrein-Kinin-Systems. Sie hemmen die enzymatische Umwandlung von Angiotensin I in Angiotensin II und verhindern dadurch eine Aldosteron-Produktion und eine Vasokonstriktion, so daß bei bestehender Herzinsuffizienz diese durch Nachlastsenkung reduziert werden kann. Zusätzlich wird durch die Hemmung des Bradykinin-Abbaues die vasodilatatorische Bradykinin-Einwirkung erhalten (Abb. 11-15,11-16,11-17). ACE-Hemmer sind Captopril® sowie Enanalapril®, weitere Präparate drängen auf den Markt. Eine Kombination mit Digitalispräparaten, aber auch Saluretika, ist möglich. Als Nebenerscheil/min/m2

linksventrikulärer Füllungsdruck Abb. 11-15 Funktionskurve des linken Ventrikels mit vektorartiger Andeutung der hämodynamischen Wirksamkeit einzelner Substanzgruppen

ACE-Hemmer

ACE-Hemmer verhindern die Aldosteronproduktion und eine Vasokonstriktion. Kombination eines ACE-Hemmers mit Digitalis und Saluretikum möglich. Nebenerscheinungen von ACE-Hemmern: - Orthostase - Muskelkrämpfe - Husten

48

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems Renin-Angiotensin-System

Kallikrein-Kinin-System

Angio tensinogen Renin Angiotensin I

ACEI

H?

ACE

Angiotensin II Aldosteron- z x Produktion

Vasokonstriktion

Ο erhöhter peripherer Widerstand

; Salz- und I WasserRetention VolumenI zunähme Bluthochdruck Ödembildung Lungenstauung 17" erhöhte Vorlast des Herzens (Preload)

V erhöhte Nachlast des Herzens (Afterload)

/

L

schließlich durch Überlastung Dekompensation der Herzinsuffizienz mit Abnahme der Belastbarkeit

Abb. 11-16 Wirkungsmechanismus von ACE-Hemmern

ACE-Hemmer bewirken sowohl als auch

Abnahme des peripheren Gefäßwiderstandes durch • Verminderung der Vasokonstriktion (Angiotensin II) • Akkumulation endogener vasodilatatorischer Kinine

Kreislaufentlastung durch • Wasser- und Elektrolytausscheidung nach Senkung der Aldosteronsekretion

Abb. 11-17 Wirkung von ACE-Hemmern bei Hypertonie Wirkung: - H2V gesteigert - Herzindex gesteigert - Schlagvolumen vergrößert - Herzfrequenz unverändert - peripherer Widerstand vermindert - pulmonalvaskulärer Widerstand vermindert - renaler Blutfluß und Diurese nehmen zu

nungen m u ß verstärkt auf Orthostase, Muskelkrämpfe und Husten geachtet werden. Durch d e n Einsatz von A C E - H e m m e r n wird das H e r z m i n u t e n v o lumen gesteigert, e b e n s o der Herzindex und das Schlagvolumen, w ä h r e n d die H e r z f r e q u e n z sich nicht wesentlich verändert. D e r periphere Widerstand sowie der pulmonalvaskuläre Widerstand werden vermindert. Renal n e h m e n Blutfluß und Diurese zu. Bei einer massiven Herzinsuffizienz sollte ein Saluretikum zugesetzt werden. W ä h r e n d Captopril einen schnellen Wirkungseintritt zeigt, der bereits 15 bis 20 Minuten nach E i n n e h m e n des Präparates einsetzt, liegt mit d e m Enanalapril eine Substanz mit protrahierter Wirksamkeit vor. Bei dieser gesamten Substanzgruppe ist auf individuell unterschiedliche Dosierungsoptima zu achten.

Herzinsuffizienz 2.7.2.3 Saluretika und Aldosteron-Antagonisten Ein herabgesetztes Herzminutenvolumen läßt den Organ-Perfusionsdruck abfallen, so daß auch die Leber- und Nierendurchblutung abnimmt. Folge ist eine Störung des Aldosteron-Abbaues. Diese Störung wiederum bedingt einen Anstieg des Aldosteronspiegels. Das vermehrte Aldosteron steigert die Natrium- und Wasserretention. Andererseits staut sich bei herabgesetztem Herzminutenvolumen Blutvolumen vor dem Herzen, was zu Transsudation ins Interstitium, also Ödembildung und Erhöhung des Lebervenendruckes führt. Letzterer Effekt stört ebenfalls den Aldosteron-Abbau. Der resultierende Hyperaldosteronismus wird durch die sogenannten Aldosteron-Antagonisten angegangen. Diuretika bremsen die pathologisch gesteigerte Natrium- und Wasserretention. Der Wirkungsmechanismus der Aldosteron-Antagonisten bzw. der Spironolaktone beruht auf einer Umkehr der Aldosteronwirkung, die ihrerseits bei erhöhtem Spiegel zu einer starken Natrium- und Wasserresorption führt, während Kalium vermehrt ausgeschieden wird. Der therapeutische Effekt besteht also in einer vermehrten Kalium-Rückresorption und einer vermehrten Ausscheidung von Wasser und Natrium. Alle Diuretika wirken hauptsächlich über die Hemmung der tubulären Natrium-Rückresorption. Natrium wird vermehrt ausgeschieden und zieht Wasser osmotisch mit. Unterschiedlich ist der Angriffspunkt am Nephron. Amylchlorid, Triampteren sowie Spirolol wirken am distalen Tubulus. Da hier nur noch 2% des 200 1/Tag betragenden Primärharnes ankommen, können auch nur 2% der Rückresorption verhindert werden. Der Wirkungsgrad dieser Substanzen ist also relativ gering. Nur 5% des Primärharnes gelangen zum Wirkungsort der Thiazide (kortikaler Teil der Henle-Schleife). Furosemid und Etacrynsäure wirken im gesamten Teil der Henle-Schleife. Hier werden 30 bis 35% des Primärharnes resorbiert. Dieses erklärt die starke Wirkung dieser Substanz. Bei der Gruppe der Thiazide und der sogenannten Schleifendiuretika resultiert eine hochchlorämische-hypokaliämische Alkalose im Blutserum. Die dritte Gruppe der Diuretika zeichnet sich durch eine verminderte Kalium- und H-Ionensekretion aus, so daß sie zu einer hypokaliämischen Azidose führen können. Aus diesem Grunde bietet die Pharma-Industrie gern Präparate der ersten beiden Gruppen mit der dritten Gruppe kombiniert an. Hypo- und Hyperkaliämie sowie Alkalose und Azidose können so weitgehend ausgeglichen werden. Die zur Wasserausschwemmung nötige Natriumausscheidung wird durch die verschiedenen Angriffspunkte bei den Kombinationspräparaten sogar noch verstärkt. Derartige auf dem Markt befindliche Präparate sind ζ. B. Aldactone-Saltucin® und Osyrol-Lasix®, Dytide H® und Moduretik®. Furosemid und Spironolaktone haben noch zusätzliche Effekte, die der Erwähnung bedürfen. Furosemid führt zu einer Volumenentlastung des Herzens und damit zur Erleichterung der Herzarbeit durch Erhöhung der venösen Kapazität. Dieser Effekt tritt zeitlich vor einer nennenswerten Diuresesteigerung ein. Spironolaktone haben eine geringe positive Inotropiewirkung, ersichtlich am Anstieg des Herzzeitvolumens und am Abfall des enddiastolischen linksventrikulären Druckes. Die allgemeinen Nebenwirkungen stellen eine übermäßige Steigerung der Hauptwirkung dar, nämlich eine überschießende Natrium- und Wasserausschwemmung. Deswegen werden als die Hauptnebenwirkungen angesehen: 1. eine Exsikkose infolge einer starken Diurese, 2. Wadenkrämpfe, Salzhunger, Rückgang der Diurese, Ödemneigung infolge Verdünnungsnatriämie, 3. Mattigkeit, Schwäche, Durst, thromboembolische Komplikationen, Azotämie infolge Volumenmangels, Bluteindickung und konsekutive Nierenminderdurchblutung.

49 Saluretika

Diuretika bremsen die pathologisch gesteigerte Natrium- und Wasserretention. Aldosteron-Antagonisten wirken über eine Umkehr der Aldosteronwirkung: gesteigerte Kalium-Rückresorption sowie Wasser- und Natriumausscheidung. Alle Diuretika wirken hauptsächlich über die Hemmung der tubulären NatriumRückresorption.

Unterschiedlicher Angriffspunkt der einzelnen Diuretika am Nephron: Amylchlorid Triampteren V distaler Tubulus Spirolol J Thiazide -> kortikaler Teil der Henle Schleife Furosemid gesamter Teil der Henle-Schleife Etacrynsäure

Hauptnebenwirkungen der Diuretika: - Exsikkose - Wadenkrämpfe - Salzhunger - Mattigkeit - Durst - thromboembolische Komplikationen - Azotämie - Bluteindickung - konsekutive Nierenminderdurchblutung

50 Echte Nebenwirkungen der Diuretika: - Hypokaliämie - diabetogener Effekt - Hyperurikämie - neuromuskuläre Symptome (Adynamie, Reflexverlust, Muskelschwäche) - Herzrhythmusstörungen - EKG-Veränderungen

Hypokaliämie im EKG: - leichte Fälle: abgeflachtes T, breite U-Welle - schwere Fälle: ST-Senkung mit negativem T, hoch positive, breite U-Welle Hyperkaliämie im EKG: - leichte Fälle: hohes schmales Τ - schwere Fälle: QRS-Komplex breit und schenkelblockähnlich deformiert, hohes T, flaches Ρ und lange PQ-Zeit EKG-Veränderungen bei Hyper- und Hypokaliämie sind um so ausgeprägter, je rascher die Elektrolytstörungen auftreten.

Vasodilatatoren

Bei den Vasodilatatoren müssen solche mit vorwiegend venösem Angriffspunkt von solchen mit überwiegend arteriellem Angriffspunkt unterschieden werden. Vorlastsenkende Substanzen: - Nitrite - Nitrate - Molsidomin - [Natrium-Nitroprussid]

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems Echte Nebenwirkungen sind: Hypokaliämie, diabetogener Effekt, Hyperurikämie. Die Hypokaliämie führt neben neuromuskulären Symptomen, wie Adynamie, Reflexverlust, Muskelschwäche, vor allem zu Herzrhythmusstörungen und EKG-Veränderungen, die die Diuretika zu potentiell gefährlichen Medikamenten machen. Häufig werden supraventrikuläre und ventrikuläre Extrasystolen und die Neigung zu Tachykardien beobachtet. Bei den elektrokardiographischen Veränderungen imponieren Störungen der Erregungsrückbildung in Form von TU-Verschmelzungswellen und zunehmenden ST-Streckensenkungen. Der diabetogene Effekt kommt vermutlich durch eine Störung des Kohlenhydratstoffwechsels, durch eine Änderung von Enzymaktivitäten auf dem Boden des intrazellulären Kaliummangels zustande. Die Hyperurikämie wird durch eine Hemmung der tubulären Harnsäuresekretion bei einer gestörten renalen Hämodynamik verursacht. Schwerpunkt der Spironolakton-Nebenwirkung sind die Hyperkaliämie einerseits und Störungen des Hormonhaushaltes mit Gynäkomastie, Libidoverlust, Impotenz und Amenorrhoe andererseits. Die wichtigsten Symptome der Hyperkaliämie sind elektrokardiographische Veränderungen, Herzrhythmusstörungen und neuromuskuläre Symptome in Form von Parästhesien, Muskelschwäche und schlaffen Lähmungen. Charakteristische elektrokardiographische Zeichen sind sehr hohe, spitz-schmalbasige T-Wellen, vor allem in den Brustwandableitungen. Bei ausgeprägter Hyperkaliämie sieht man auch QRS-Verbreiterungen und grobe Endteilveränderungen. Ganz allgemein gilt, daß die EKG-Veränderungen bei Hypo- und Hyperkaliämie um so ausgeprägter sind, je rascher die Elektrolytstörungen aufgetreten sind. In Anbetracht dieser mannigfachen Nebenwirkungen bei der längerfristigen Gabe von Diuretika oder Aldosteron-Antagonisten sind engmaschige Kontrolluntersuchungen unerläßlich: die Gewichtskontrolle und die Bestimmung der Serum-Elektrolyte (Natrium, Kalium), die Bestimmung des Kreatinins, das Elektrokardiogramm und in weiteren Abständen auch die Bestimmung der Harnsäure und des Blutzucker-Tagesprofils.

2.7.2.4 Andere Vasodilatatoren und Sympathikomimetika Im folgenden soll auf solche Formen der Herzinsuffizienz eingegangen werden, die durch die oben behandelten Medikamentengruppen nicht kompensierbar sind oder aufgrund ihrer schnellen Entwicklung in erster Linie ein intensivmedizinisches Problem darstellen. Es handelt sich vornehmlich um Fälle von schwerem Rückwärtsversagen oder Vorwärtsversagen (Low-Output-Failure) der linken Herzkammer bis hin zum kardiogenen Schock. Vasodilatatoren haben entweder einen venösen oder arteriellen Angriffspunkt. Nitrite, Nitrate sowie Molsidomin führen zu einem venösen Pooling vor allem in den kapazitiven Gefäßen. Als der wirksamste Vorlastsenker wird das Molsidomin angesehen. Dem herzinsuffizienten Patienten wird die erhöhte Vorlast genommen, der linksventrikuläre enddiastolische Druck sinkt, und das Herz kann durch Verschiebung der Funktionskurve ökonomischer arbeiten. Außerdem können die endokardnahen Bezirke des Koronarsystems durch Verminderung der myokardialen Widerstandskomponente ihre Funktion wieder voll erfüllen. Daher bieten sich die Nitroverbindungen, z.B. auch als Dauertropfinfusionen, insbesondere beim Rückwärtsversagen an. Um die Vorlast wiederum nicht zu sehr zu vermindern, so daß es nicht zu einer unerwünschten starken Senkung der Herzauswurfleistung kommt, sollte bei einer Dauertropfinfusion die Nitrowirkung in kurzen Intervallen durch Messung des linksventrikulären Druckes enddiastolisch (indirekt über den pulmonalen Verschlußdruck gemessen) kontrolliert werden. Natrium-Nitroprussid intravenös in Infusionsform verabreicht, hemmt den Kaliumeinstrom an der Zelle der glatten Gefäßmuskulatur, wodurch die peripheren Gefäßwiderstände und der Blutdruck gesenkt werden. Die Wirkung setzt sofort ein und ist dosisunabhängig. Natrium-Nitroprussid kann daher zur gezielten Senkung eines be-

Herzinsuffizienz drohlich hohen, sonst therapieresistenten Blutdruckes verwendet werden, besonders bei gleichzeitig vorliegender Herzinsuffizienz. Hierbei müssen jedoch der arterielle Blutdruck, der pulmonale Verschlußdruck sowie das Herzzeitvolumen sorgfältig und engmaschig invasiv, also unter Intensivbedingungen, kontrolliert werden. Die Anwendung von Natrium-Nitroprussid beim frischen Herzinfarkt ist also umstritten. Eine mögliche Nebenwirkung besteht bei sehr hohen Dosen über Tage in einer Zyanatvergiftung, da Zyanat intermediär frei wird und zu einer Blockade der Zytochromoxydase führt. Deshalb sollte man Natrium-Nitroprussid nur in einer Dosierung von 0.3 bis 10 mg/kg/min verabreichen. Dadurch wird ein breiter Abstand zu der toxischen Dosis gehalten. Phentolamin (Regitin), Dihydralazin und Prazosin wirken über eine einfache Rezeptorenblockade am arteriellen Schenkel des Kreislaufes und senken dadurch die Nachlast. Natrium-Nitroprussid, Phentolamin, Dihydralazin und Prazosin eignen sich also beim akuten Vorwärtsversagen, wenn dessen Ursache in einer Erhöhung des peripheren Widerstandes zu suchen ist. Zu der Gruppe der Vasodilatatoren sind auch die ACE-Inhibitoren zu rechnen (siehe dort). Als letzte Gruppe, die bei der Behandlung der Herzinsuffizienz zum Einsatz kommen kann, sollen die Sympathikomimetika Erwähnung finden. Allen Sympathikomimetika gemeinsam sind der gesteigerte Sauerstoffverbrauch und die im Verhältnis stark gesteigerte Herzarbeit. Das Herz arbeitet mit geringerem Nutzeffekt, weswegen eine längere zeitliche Anwendung zweifelhaft erscheint. Es handelt sich um die Substanzen Amrinone, Dobutamin (Dobutrex®) und Dopamin. Das Dobutamin ist eine Substanz, die überwiegend kardioselektiv Beta-Rezeptoren stimuliert und dadurch eine deutliche Steigerung der Kontraktilität bei nur geringer Steigerung der Herzfrequenz und Arrhythmiebildung bewirkt. Die peripher einsetzende Wirkung im Sinne einer Alpha- und Beta-Rezeptoren-Stimulation ist gering. Es resultiert ein erhöhter Cardiac-Index (CI). Die Funktionskurve des Herzens verschiebt sich in günstigere Bereiche. Es empfiehlt sich eine Dosierung von 3 bis 10 mg/kg/min. Dopamin bewirkt in niedrigen Dosen eine erhöhte Urinausscheidung ohne Beeinflussung der peripheren Gefäße. Es werden hierfür spezielle Dopamin-Rezeptoren in den Nierenarterien sowie im Mesenterialgefäßsystem angenommen, die auf Dopamin mit einer Weitstellung der Nieren- und Mesenterialgefäße reagieren. Die für eine derartig beschränkte Wirkung benötigten Gaben liegen zwischen 2 und 6 mg/kg/min. Verabreicht man 5 bis 10 mg/kg/min, resultieren auch bei diesem Präparat eine Beta-Stimulation am Herzen und eine Steigerung der Herzauswurfleistung. Bei noch höheren Dosierungen kommt es über eine zusätzliche Stimulation der Alpha-Rezeptoren zu einer zunehmenden peripheren Vasokonstriktion. Wie auch beim Noradrenalin, Adrenalin und Orciprenalin, die mit wenigen Ausnahmen nur noch im Reanimationsfall Anwendung finden sollten, besteht auch beim Dopamin als blutdrucksenkendem Katecholamin die Gefahr der Extrasystolie und des Kammerflimmems. Als weitere gefährliche Nebenwirkung kann sich eine periphere Gangrän entwickeln. Die beiden beschriebenen Sympathikomimetika Dobutrex® und Dopamin® finden ihre intensivmedizinische Anwendung bei einer erhöhten Vorlast und gleichzeitig erniedrigten Nachlast bis hin zum kardiogenen Schock. Amrinon (Wincoram®) wird in größerem Umfang in der Intensivmedizin eingesetzt und hat hier durchaus seine Bedeutung. Im Vergleich zu Dopamin und selbst zu Dobutamin verursacht es weniger Tachykardien und Rhythmusstörungen und ist gelegentlich noch wirksamer, wenn die anderen beiden Substanzen nicht mehr ausreichen. Im Rahmen der Akuttherapie zeigt es auch bei chronischer Herzinsuffizienz in mancher Hinsicht bessere Effekte als Captopril®. So sind z.B. die Wirkung auf die Druckwerte im kleinen Kreislauf und im rechten Herzen und der Effekt auf das Herzminutenvolumen in Relation zur Senkung des arteriellen Blutdruckes stärker ausgeprägt. Die drei genannten Substanzen sollten jedoch immer nur kurzfristig eingesetzt werden. Ein noch so kranker Herzmuskel kann mit entsprechenden Katecholamindosen zu einer Inotropiesteigerung, d. h. zu einer verstärkten Kontrak-

51

Anwendung von Natrium-Nitroprussid beim frischen Herzinfarkt umstritten. Gefahr der Zyanatvergiftung bei längerer Anwendung von Natrium-Nitroprussid Nachlastsenkende Substanzen: - Phentolamin - Dihydralazin - Prazosin - ACE-Hemmer Nachlastsenker beim akuten Vorwärtsversagen Sympathikomimetika: - Amrinone - Dopamin - Dobutamin Dobutamin stimuliert kardioselektiv die Beta-Rezeptoren, dadurch deutliche Steigerung der Kontraktilität bei nur geringer Steigerung der Herzfrequenz.

Dopamin bewirkt in niedriger Dosis eine erhöhte Urinausscheidung, bei höherer Dosierung Beta-Rezeptoren-Stimulation am Herzen; bei einer weiter gesteigerten Dosierung Stimulation der Alpha-Rezeptoren mit peripherer Vasokonstriktion. Schwere, gefürchtete Nebenwirkungen von Dopamin: Extrasystolie, Kammerflimmern, periphere Gangrän Katecholaminabkömmlinge: - Noradrenalin - Adrenalin - Orciprenalin Dobutrex® und Dopamin® bei erhöhter Vorlast und erniedrigter Nachlast bis hin zum kardiogenen Schock einsetzbar

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

52

tion und größeren Auswurfleistung, gezwungen werden. Die klinische E r f a h r u n g zeigt aber, d a ß das P h a r m a k o n zwar wirkt, jedoch nur kurzfristig. Es k o m m t innerhalb kurzer Zeit zur Erschöpfung, die letzten myokardialen Reserven werden verspielt, und eine Dosissteigerung bleibt ineffektiv. Katecholamin-Abkömmlinge sind grundsätzlich nur Notfallmed i k a m e n t e . Sie sollten nie über Tage hindurch angewendet werden. Prazosin

2.7.2.5 Prazosin

Prazosin hemmt die Erregungsübertragung vom terminalen Axon auf den kontraktilen Apparat zwischen den postganglionär-sympathischen Nervenendigungen und der glatten Muskulatur der Blutgefäße in der Peripherie. Wirkung: - Alpha-Adrenolytikum - Noradrenalin-Antagonist (hemmt Vasokonstriktion)

Prazosin hemmt die Erregungsübertragung vom terminalen Axon auf den kontraktilen Apparat zwischen den postganglionär-sympathischen Nervenendigungen und d e r glatten Muskulatur der Blutgefäße in der Peripherie. Z u n ä c h s t w u r d e vermutet, d a ß Prazosin einen ähnlichen Wirkungsmechanismus hat wie Papaverin. Papaverin h e m m t die Phosphodiesterase und, bedingt durch Anstieg des zyklischen AMP, eine direkte Gefäßrelaxation. In der Tat ist Prazosin in der Lage, in sehr h o h e r Konzentration die Phosphodiesterase zu h e m m e n . Diese Konzentrationen werden aber klinisch nicht erreicht. Prazosin ist ein Alpha- Adrenolytikum. E s hemmt die Vasokonstriktion, die durch A l p h a - R e z e p t o r e n - A n t a g o n i s t e n , insbesondere durch Noradrenalin, ausgelöst wird. D i e Erregungsübertragung wird postsynaptisch in der E n d s t r e c k e unterbrochen. Viele A r b e i t e n belegen, d a ß Prazosin eine schnelle Wirkung bei der Herzinsuffizienz (Verminderung des linksventrikulären Füllungsdruckes, Anstieg des H e r z m i n u t e n v o lumens, Verbesserung der Verkürzungsfraktion) entfaltet. A u c h bei D a u e r therapie tritt ein günstiger Einfluß auf die körperliche Belastungsfähigkeit ein. Trotz der ermutigenden B e f u n d e über die Langzeiteffekte von Prazosin gibt es jedoch auch eine ganze R e i h e von Berichten, die eine Wirkungsabschwächung bis hin zu vollständigen Toleranzentwicklungen d o k u m e n tieren. A u c h wir selbst haben derartige E f f e k t e beobachtet, so d a ß wir nur eine kurzfristige T h e r a p i e mit Prazosin als a d j u v a n t e T h e r a p i e e m p f e h l e n können.

Akute Linksherzinsuffizienz Vier wichtige Determinanten der akuten Linksherzinsuffizienz: • Kontraktilität • Herzfrequenz • Vorlast • Nachlast In der Regel sind mehrere der vier Determinanten beim akuten Linksherzversagen gestört.

Akute Linksherzinsuffizienz - Lungenödem - Förderinsuffizienz (Low-output-Syndrom)

2.8 A k u t e Linksherzinsuffizienz und ihre T h e r a p i e Bei der akuten Linksherzinsuffizienz handelt es sich um ein schweres, lebensbedrohliches Krankheitsbild. Die Pumpleistung des linken Ventrikels ist erheblich gestört, wobei sowohl der D r u c k als auch das zu f ö r d e r n d e Volumen eine Rolle spielen. Kompensationsmechanismen reichen zur Behandlung von Funktionsstörungen im linken Ventrikel nicht m e h r aus. Adaptationsvorgänge struktureller, biochemischer oder h o r m o n a l e r A r t sind in der Kürze der Zeit nicht aus eigenem Vermögen möglich. In der R e gel sind mehrere der vier Determinanten, welche die Auswurfleistung des linken Ventrikels bestimmen, also Kontraktilität, Herzfrequenz, Vorlast und Nachlast, verändert. E i n e dieser D e t e r m i n a n t e n kann ü b e r längere Zeit meist durch die drei anderen F u n k t i o n s p a r a m e t e r ausgeglichen werden. Vermaschte Regelkreise halten die einzelnen P a r a m e t e r normalerweise in wohlausgewogenem Gleichgewicht. Eine massive Störung in diesem diffizilen System führt zu einem akuten Linksherzversagen. Klinisch kann der menschliche Organismus bei der akuten Linksherzinsuffizienz nur auf zwei Arten reagieren: einmal mit einem Lungenödem als Stauungsinsuffizienz o d e r mit einer Förderinsuffizienz (Low-output-Synd r o m ) mit der Folge eines hypotonen Schockzustandes. D i e klinische Diagnose des alveolären Lungenödems ist nicht schwer. D i e schwere A t e m n o t in Verbindung mit dem A u s k u l t a t i o n s b e f u n d der Lungen, E K G und Röntgenthoraxbild sowie meist f r e m d a n a m n e s t i s c h e Angaben ergeben schnell ein eindeutiges Bild. E i n e differentialdiagnostische Abgrenzung hat lediglich gegenüber einem dekompensierten Cor pulmonale und einer Lungenembolie zu erfolgen. Gelingt die Abgrenzung anamnestisch, klinisch und mit Hilfe des E K G s nicht, k ö n n e n Röntgenbild und Echokardiographie sowie Bestimmung des H e r z m i n u t e n v o l u m e n s weiterhelfen.

Herzinsuffizienz Die Diagnose eines kardiogen ausgelösten Schocks ergibt sich bereits aus den klinisch auffallenden Symptomen: • die Haut ist kalt, feucht, blaß und zyanotisch, • der Puls ist klein, fadenförmig, • der Blutdruck bei Zentralisation ist zunächst noch normal, dann niedrig, • der Venendruck ist dagegen erhöht. • Es besteht eine Oligo- oder Anurie mit nachfolgender Azotämie. Die allgemein verminderte Blutversorgung führt zu Meteorismus, Ileus und zum Zusammenbruch der Leberfunktion einschließlich der Gerinnungsmechanismen. Die Differentialdiagnose zu anderen Schockformen ist schwer und läßt sich häufig nur aus zusätzlichen anamnestischen oder diagnostischen Angaben, wie ζ. B. Herzinfarkt-EKG oder septischem Körpertemperatur-Verhalten beim septischen Schock, erschließen. Eine Hilfe stellt die Messung des zentralen Venendruckes dar. Nur beim kardiogenen Schock ist der Venendruck anfänglich hoch, bei den anderen Schockformen ist er sogar erniedrigt. Als empfindlichster Parameter für das Vorwärtsversagen gilt die Messung des Cardiac-Index, also des Herzminutenvolumens, bezogen auf die Körperoberfläche. Als bester Parameter für ein Rückwärtsversagen gelten schnelle Veränderungen im pulmonalen Verschlußdruck. Klinisch entsprechen diesen beiden Parametern periphere Minderperfusion bzw. pulmonale Rasselgeräusche. So können vier Gruppen nach dem Schweregrad einer Linksherzinsuffizienz unterschieden werden. Gruppe I zeigt keine pulmonale Stauung und keine periphere Minderdurchblutung. Gruppe II zeigt eine pulmonale Stauung ohne periphere Minderdurchblutung. Gruppe III zeigt eine Hypovolämie. Gruppe IV zeigt eine pulmonale Stauung sowie eine periphere Minderperfusion (kardiogener Schock). Therapie Gruppe II: Allgemeinmaßnahmen, Nitroverbindungen bei hohem Blutdruck, Natrium-Nitroprussid oder besser Urapidil sowie Diuretika. Gruppe III: Allgemeinmaßnahmen, vorsichtige Volumengabe. Hier sind Vasodilatatoren und Katecholamine kontraindiziert. Gruppe IV: Allgemeinmaßnahmen, Katecholamingabe in Verbindung mit Vasodilatatoren, Nitro-Glycerin + Dopamin oder Nitro-Glycerin + Dobutamin oder Urapidil + Dobutamin sowie Diuretika und eine 02-Behandlung. Als Überbrückungsmaßnahme käme als Ultima ratio auch eine aortale Gegenpulsation in Frage, wenn mechanische Pumpmaßnahmen (künstliches Herz) und später eine Herztransplantation konkret vorgesehen sind. Über 80% der Patienten mit einem kardiogenen Schock sterben trotz konsequenter Therapie, da eine Entlastung der Kreislaufpumpe nur sehr begrenzt möglich ist. Die Mechanismen, die normalerweise eine homöostatische Autoregulation des Kreislaufes garantieren, sind massiv gestört. Hier stellt sich ein Circulus vitiosus ein. Die Hypoxie regt eine verstärkte Atemarbeit an, daraufhin werden vermehrt Katecholamine ausgeschüttet, der periphere Widerstand steigt, so daß erhöhte Herzarbeit erforderlich ist. Beim kardiogenen Schock sinkt aufgrund des verminderten Herzzeitvolumens der Organperfusionsdruck. Vor allem Leber- und Nierendurchblutung sind herabgesetzt, der Aldosteronabbau ist gestört. Ein erhöhter AldosteronSpiegel steigert jedoch die Natrium- und Wasserretention. Blutvolumen staut sich durch das herabgesetzte Herzminutenvolumen vor dem Herzen. Folge sind Transsudation ins Interstitium, Erhöhung des Lebervenendrukkes und des pulmonalen Verschlußdruckes. Es handelt sich also um ein Vorwärts- und Rückwärtsversagen.

53 Klinische Diagnose des kardiogenen Schocks: • feuchte, kalte Haut • Zyanose, Blässe • kleiner Puls, evtl. fadenförmig • Blutdruck niedrig • Venendruck erhöht • Oligo-bis Anurie • Azotämie • Meteorismus • Ileus • Zusammenbruch der Leberfunktion (Gerinnungsfaktoren!)

Weitere wichtige diagnostische Kriterien: Verminderter Cardiac-Index (für Vorwärtsversagen) Pulmonale Verschlußdruckerhöhung (für Rückwärtsversagen)

Vier Gruppen nach Schweregrad der Li nksherzinsuffizienz:

Differentialtherapie: Gruppe II Allgemeinmaßnahmen Nitroverbindungen intravenös Natrium-Nitroprussid Urapidil Diuretika Gruppe III Allgemeinmaßnahmen Volumengabe Gruppe IV Allgemeinmaßnahmen Katecholamingabe Vasodilatatoren Nitroverbi ndu ngen Dopamin/Dobutamin oder Urapidil + Dobutamin Diuretika 0 2 -Gabe Uber 80% der Patienten mit einem kardiogenen Schock sterben trotz konsequenter Therapie.

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

54 Herzrhythmusstörungen

3 Herzrhythmusstörungen E.-R. von Leitner

Normaler Herzrhythmus Sinusrhythmus Frequenz unter 60/min: Bradykardie Frequenz über 100/min: Tachykardie (Ausnahmen sind möglich) Schwankungen der Herzfrequenz in Form von Pausen kommen bei Gesunden vor.

Bei Herzgesunden kommen auch supraventrikuläre und ventrikuläre Extrasystolen vor.

3.1 N o r m a l e r H e r z r h y t h m u s D e r normale H e r z r h y t h m u s ist ein Sinusrhythmus mit F r e q u e n z e n zwischen 60 und 100/min. Frequenzen unter 60/min bezeichnet m a n als Bradykardie, solche ü b e r 100/min als Tachykardie. Jedoch können F r e q u e n z e n bis 40/min, wie sie beispielsweise bei überwiegendem Vagotonus nachts o d e r trainingsbedingt bei Sportlern in R u h e v o r k o m m e n , oder F r e q u e n z e n über 150/min bei überwiegendem Sympathikotonus, etwa infolge körperlicher Belastung, durchaus noch normal sein. Auch leichte Unregelmäßigkeiten der Herzfrequenz, etwa durch Schwankungen des vegetativen Tonus w ä h r e n d In- und Exspiration, die respiratorische Sinusarrhythmie, und kurze asystolische Pausen bis etwa 1,5 s D a u e r infolge Wechsels des d o m i n a n t e n Schrittmacherzentrums im Sinusknoten k o m m e n normalerweise vor. Bei 5% der Herzgesunden k o m m e n , vorwiegend nachts, gelegentlich sinuatriale Blockierungen mit Pausen bis 1,75 s vor. Längere Pausen infolge SA-Blockierungen und AV-Blockierungen höheren G r a d e s sind dagegen bei G e s u n d e n außerordentlich selten. Bei ausreichend langer Registrierdauer lassen sich auch supraventrikuläre und ventrikuläre Extrasystolen bei den meisten Herzgesunden erfassen. Im 24-Stunden-Langzeit-EKG haben etwa 90% gelegentlich supraventrikuläre Extrasystolen und ca. 80% einzelne ventrikuläre Extrasystolen. G e p a a r te und salvenförmig einfallende ventrikuläre Extrasystolen sind dagegen bei Herzgesunden nur in etwa 1% der Fälle v o r h a n d e n .

3.2 R e g i s t r i e r u n g d e s H e r z r h y t h m u s Herzrhythmusstörungen werden mit dem Ruhe-, Belastungs-, Langzeit-, intrakardialem und Ö s o p h a g u s - E K G diagnostiziert.

Einteilung der Herzrhythmusstörungen

3.3

Einteilung

Nach Frequenz: - Bradykarde Rhythmusstörungen - Tachykarde Rhythmusstörungen

Generell unterscheidet man zunächst bradykarde von tachykarden Rhythmusstörungen. B r a d y k a r d e Rhythmusstörungen gehen mit verlangsamter Herztätigkeit und/oder Pausen durch ausgefallene H e r z a k t i o n e n einher. Diese h a b e n ihren U r s p r u n g entweder im Sinusknoten bzw. im perisinusoidalen G e w e b e o d e r im AV-Knoten bzw. im His-Bündel o d e r in den TawaraSchenkeln. Bei tachykarden Rhythmusstörungen handelt es sich um eine b e schleunigte Herztätigkeit und/oder um vorzeitig einfallende Herzaktionen.

Nach Ursprungsort:

3.3.1 Einteilung tachykarder Rhythmusstörungen nach ihrem Ursprungsort

- Supraventrikuläre Rhythmusstörungen

• Supraventrikuläre Rhythmusstörungen, die im Sinusknoten, auf Vorhofe b e n e o d e r im AV-Knoten bzw. im His-Bündel-Stamm entstehen. • Ventrikuläre Rhythmusstörungen, die im rechten oder linken Ventrikel ihren Ursprung haben. Wesentliches Unterscheidungsmerkmal dieser beiden A r r h y t h m i e f o r m e n ist die Konfiguration des QRS-Komplexes. D i e K a m m e r e r r e g u n g bei tachykarden supraventrikulären R h y t h m u s s t ö r u n g e n geschieht auf d e m gleichen Wege wie im normalen Sinusrhythmus, da die Erregung in beide Tawara-Schenkel gleichzeitig eintritt und demzufolge linker und rechter Ventrikel gleichzeitig erregt w e r d e n . In der Regel gehen supraventrikuläre Rhythmusstörungen d a h e r mit schmalen Q R S - K o m p l e x e n einher, die identisch konfiguriert sind wie die K a m m e r k o m p l e x e bei Sinusrhythmus. Bei ventrikulären Rhythmusstörungen dagegen werden die K a m m e r n

- Ventrikuläre Rhythmusstörungen Nach prognostischer Bedeutung: - harmlose Rhythmusstörungen - Warnarrhythmien - lebensbedrohliche Rhythmusstörungen

Herzrhythmusstörungen

55

nicht streng gleichzeitig erregt, aus diesem Grund sehen die QRS-Komplexe anders aus als im Sinusrhythmus, in der Regel sind sie verbreitert. Paroxysmale Tachykardien bei Präexzitationssyndromen betreffen immer Vorhöfe und Kammern. Werden die Kammern über AV-Knoten und HisBündel aktiviert, führt dies in der Regel zu schmalen QRS-Komplexen. Seltener erfolgt die Kammererregung jedoch über ein akzessorisches Bündel, was dann zu breiten QRS-Komplexen führt.

3.3.2 Einteilung der Rhythmusstörungen nach ihrer prognostischen Bedeutung Alternativ kann man die Rhythmusstörungen nach ihrer prognostischen Bedeutung unterteilen in: • harmlose Rhythmusstorungen ohne prognostische Bedeutung; • Warnarrhythmien, die auf eine Bedrohung hinweisen können, obgleich sie selbst kaum hämodynamische Bedeutung haben; • lebensbedrohliche Rhythmusstörungen, die aufgrund ihrer hämodynamischen Auswirkungen eine unmittelbare Bedrohung darstellen. Die meisten supraventrikulären Arrhythmien gehören zur ersten Gruppe, ebenso vereinzelt auftretende ventrikuläre Extrasystolen. Zur Gruppe b) gehören • SA-Blöcke und AV-Blockierungen I. und II. Grades, • gehäufte oder gepaart und salvenförmig einfallende ventrikuläre Extrasystolen. In Gruppe c) befinden sich • der totale AV-Block mit Kammerstillstand, • Kammertachykardien, • Kammerflimmern.

3.4 Besprechung einzelner Rhythmusstörungen (Abb. 11-18)

3.4.1 Supraventrikuläre Rhythmusstörungen Normaler Sinusrhythmus: Wesentliche Merkmale: regelmäßige Aufeinanderfolge von P-Wellen, Frequenz 60 bis 100/min. Bei intakter AV-Überleitung folgt jeder P-Welle nach Tachykarde Rhythmusstörungen A

Sinusrhythmus Supraventrikuläre Extrasystolie

^

k^

λ

~

A ^

A

Τ^ηΤΊΓ ΙΓΊΓ

^

Vorhofflimmern

κ

A

Ventrikuläre Extrasystolie

^

Kammer flattern

{ΛΑΛΛΛΛΛΑΛΛΛΛ;

A

>

^

Kammer flimmern

_ ..

Bradykarde Rhythmusstörungen

-f—rM

Sinuatrialer Block AV-Block zweiten Grades

-Χ—~X———h—

—^

Totaler AV-Block

Abb. 11-18 Systematische Darstellung einzelner Herzrhythmusstörungen

Supraventrikuläre Rhythmusstörungen Es gibt folgende Herzrhythmusstörungen: Sinusrhythmus Sinusbradykardie Sinustachykardie Sinusarrhythmie SA-Block Supraventrikuläre Extrasystolen Vorhoftachykardie Vorhofflattern Vorhofflimmern AV-Extrasystolen AV-Rhythmus AV-Block I. bis III. Grades Ventrikuläre Extrasystolen Ventrikuläre Paare Ventrikuläre Salven Ventrikuläre Tachykardien Kammerflimmern

56

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems 0,12 bis 0,19 s ein Q R S - K o m p l e x . Bei regelmäßigem schwanken die RR-Intervalle um maximal 0,12 s.

Sinusrhythmus

Sinu sbradykardie Sinusrhythmus mit Herzfrequenz < 60/min Ursachen

Sinusbradykardie: Wesentliche Merkmale: Sinusrhythmus mit H e r z f r e q u e n z unter 60/min. Häufigste Ursachen: Normvariante, Vagotonie, M e d i k a m e n t e (Digitalis, Betablocker, Kalziumantagonisten), Sinusknotensyndrom (persistierende Sinusbradykardie), Hypothyreose, Hirndruck.

Sinustachykardie Sinusrhythmus mit Herzfrequenz > 100/min Ursachen

Sinustachykardie: Wesentliche Merkmale: Sinusrhythmus mit H e r z f r e q u e n z ü b e r 100/min. Häufigste Ursachen: Normvariante, Sympathikotonus, Herzinsuffizienz, Fieber, A n ä m i e , Hyperthyreose.

Sinusarrhythmie - respiratorische Sinusarrhythmie: Schwankung der Herzfrequenz bei Sinusrhythmus - regellose Sinusarrhythmie: unabhängig von der Atmung Ursachen

Sinusarrhythmie: Wesentliche Merkmale: a) Respiratorische Sinusarrhythmie: atemsynchrone Schwankung der H e r z f r e q u e n z bei Sinusrhythmus. In Abhängigkeit vom vagalen Tonus inspiratorische Z u n a h m e , exspiratorische A b n a h m e der H e r z f r e q u e n z . b) Regellose Sinusarrhythmie: Sinusarrhythmie unabhängig von der Atmung. Häufigste Ursachen: a) Normvariante. b) N o r m v a r i a n t e o d e r Hinweis auf Sinusknotensyndrom.

Sinuatrialer Block (SA-Block) SA-Block I.Grades: nicht im EKG erkennbar SA-Block II. Grades Typ I: Verkürzung der RR-Intervalle SA-Block II. Grades Typ II: Ausfall von P-Wellen und QRS-Komplexen

Sinuatrialer Block (SA-Block): Wesentliche Merkmale: • SA-Block I . G r a d e s im E K G nicht erkennbar. • SA-Block II. Grades, Typ I: z u n e h m e n d e Verkürzung der RR-Intervalle, bis d e m kürzesten Zyklus der längste folgt, P Q konstant. • SA-Block II. Grades, Typ II/Sinusstillstand (im E K G nicht sicher zu unterscheiden): Ausfall einzelner oder mehrerer P-Wellen und Q R S - K o m plexe. Ersatzschläge aus Vorhof, AV-Knoten o d e r K a m m e r n k ö n n e n die resultierenden Asystolien b e e n d e n . Häufigste Ursachen: idiopathisch bei Herzgesunden o d e r Folge entzündlicher o d e r degenerativer H e r z e r k r a n k u n g e n , Sinusknotensyndrom.

Supraventrikuläre Extrasystolen - vorzeitig einfallende P-Wellen - normale QRS-Komplexe

Supraventrikuläre Extrasystolen: Wesentliche Merkmale: vorzeitig einfallende, in der Regel etwas unterschiedlich konfigurierte P-Wellen, meist gefolgt von normal breiten Q R S Komplexen. P-Welle bei Überlagerung mit der v o r a n g e h e n d e n T- Welle oft schwer zu e r k e n n e n . Bei sehr vorzeitigem Einfall der P-Wellen kann die Überleitung durch den AV-Knoten auf die K a m m e r blockiert sein oder k ö n n e n aufgrund Teilrefraktärität der K a m m e r n schenkelblockartig deformierte Q R S - K o m p l e x e resultieren. Intervall zwischen d e m der Extrasystole v o r a n g e h e n d e m Schlag und d e m der Extrasystole folgenden in der Regel kürzer als zwei normale RR-Intervalle (nicht voll k o m p e n s i e r e n d e Pause).

Ursachen

Vorhoftachykardie P-Wellen-Frequenz 100-250 min -»siehe Sinustachykardie

Häufige Ursachen: Normvariante, seltener Folge degenerativer oder entzündlicher H e r z e r k r a n k u n g e n , Sinusknotensyndrom o d e r Vorhofvergrößerung bei unterschiedlichen H e r z k r a n k h e i t e n . Vorhoftachykardie: Wesentliche Merkmale: P-Wellen aufgrund des unterschiedlichen Ursprungs der Erregung etwas anders konfiguriert als bei der Sinustachykardie, sonst identisches EKG-Bild. Bei hohen F r e q u e n z e n P-Wellen wegen Überlagerung mit den v o r a n g e h e n d e n T-Wellen häufig schwer zu erkennen. Q R S - K o m p l e x e eventuell leicht verbreitert. Frequenz der P-Wellen 100 bis 250/min.

Herzrhythmusstörungen Häufige Ursachen: entzündliche oder degenerative Herzerkrankungen, Cor pulmonale, Sinusknotensyndrom, Digitalis-Intoxikation (besonders bei Vorhoftachykardie mit AV-Block II. Grades). Vorhofflattern: Wesentliche Merkmale: Regelmäßige Folge deformierter P-Wellen mit Frequenz über 200 (meist 250-350) pro Minute, die ineinander übergehen, ohne daß die isoelektrische Linie erkennbar ist („Sägezahn-Phänomen"), am besten in Ableitung II, III, aVF und VI erkennbar. QRS-Komplexe meist nicht deformiert. Häufig 2:l-AV-Überleitung, seltener 3:1-, 4:1- oder unregelmäßig, fast nie l:l-Überleitung. Häufige Ursachen: in der Regel Folge einer kardialen Grundkrankheit: Herzklappenfehler, koronare Herzkrankheit, Cor pulmonale, Kardiomyopathie, selten Hyperthyreose, entzündliche Herzerkrankung oder idiopathisch bei Herzgesunden. Vorhofflimmern: Wesentliche Merkmale: unregelmäßige, rasche (über 350/min) Folge von Grundlinienschwankungen unterschiedlicher Form und Amplitude. Regelmäßige P- Wellen fehlen. Völlig unregelmäßige Folge meist normal konfigurierter QRS-Komplexe, deren Frequenz bradykard, normal oder tachykard sein kann. Häufige Ursachen: entzündliche oder degenerative Herzkrankheiten, Herzklappenfehler (Mitralstenose), Kardiomyopathie, Hyperthyreose, Alkohol-Abusus, Sinusknotensyndrom, 5% idiopathisch bei Herzgesunden. Sinusknotensyndrom (Synonyme: sinuatriale Erkrankung, Syndrom des kranken Sinusknotens): Das Sinusknotensyndrom bezeichnet als Oberbegriff eine Reihe supraventrikulärer Arrhythmien. Klinisch stehen dabei die bradykarden Rhythmusstörungen im Vordergrund (SA-Blockierungen und persistierende Sinusbradykardie oder regellose Sinusarrhythmie). Meist treten intermittierend zusätzlich tachykarde supraventrikuläre Rhythmusstörungen auf (supraventrikuläre Extrasystolen, paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie, Vorhofflattern, Vorhofflimmern). Schwere, nicht selten symptomatische Bradykardien und asystolische Phasen werden dabei häufig beim Umschlag tachykarder Phasen in Sinusrhythmus beobachtet. Ist das Sinusknotensyndrom mit dem intermittierenden Auftreten höhergradiger AV-Überleitungsstörungen vergesellschaftet, bezeichnet man dies als Zweiknoten-Erkrankung. Häufige Ursachen: koronare Herzkrankheit, entzündliche oder degenerative Herzkrankheiten, degenerative Erkrankung des Reizleitungssystems, idiopathisch. AV-Extrasystolen: Wesentliche Merkmale: vorzeitig einfallende, normal konfigurierte QRSKomplexe, postextrasystolische Pausen, meist nicht voll kompensierend, PWellen in II, III und aVF negativ, dem QRS-Komplex entweder unmittelbar vorangehend oder folgend oder mit ihm zusammenfallend und nicht erkennbar. Häufige Ursachen: idiopathisch bei Herzgesunden, selten Folge einer Herzerkrankung oder einer Digitalis-Intoxikation. AV-Rhythmus unterschiedlicher Frequenz: Wesentliche Merkmale: regelmäßige Folge von Komplexen, die die Charakteristika der AV-Extrasystole erfüllen. In zwei Drittel der Fälle gleich-

57 Ursachen

Vorhofflattern regelmäßige Folge deformierter P-Wellen Frequenz > 200/min

Ursachen

4=3

Vorhofflimmern - rasche Grundlinienschwankungen (> 350/min)

Ursachen

Si nusknoten syndrom bradykarde Rhythmusstörung oft im Wechsel mit tachykarden Phasen. Zweiknoten erkrankung: - SA-Block + AV-Block

Ursachen

AV-Extrasystolen Vorzeitig einfallende QRS-Komplexe

Ursachen

AV-Rhythmus Folge von Komplexen wie AV-Extrasystole

58

Bei gleichzeitigem Sinusrhythmus gibt es folgende Rhythmusstörungen: - AV-Frequenz-Dissoziation - AV-Interferenz-Dissoziation - AV-Dissoziation

Ursachen

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems zeitige Erregung von Vorhöfen und K a m m e r n (P nicht e r k e n n b a r ) , sonst PWelle meist im ST-Segment, selten Q R S vorangehend. Ist gleichzeitig ein Sinusrhythmus v o r h a n d e n , sind zwischen diesem und d e m AV-Rhythmus folgende Beziehungen möglich: • AV-Frequenz-Dissoziation: P-Wellen wandern um den Q R S - K o m p l e x , erscheinen zum Teil vor ihm, kurz danach o d e r werden durch ihn überlagert. • AV-Interferenz-Dissoziation: Wie AV-Frequenz-Dissoziation, aber einzelne Vorhofaktionen, die d e m Q R S - K o m p l e x folgen, werden übergeleitet und führen so zur vorzeitigen K a m m e r e r r e g u n g . In diesen Phasen unregelmäßige Herztätigkeit. • AV-Dissoziation: E s besteht keine Beziehung zwischen d e m f ü h r e n d e n AV-Rhythmus und d e m nicht auf die K a m m e r übergeleiteten Sinusrhythmus. In der Regel unterschiedliche F r e q u e n z beider Z e n t r e n . Häufige Ursachen: Bradykard (.,Ersatzrhythmus", Frequenz ca. 40 bis 60/min): Vagotonie, ζ. B. bei Sportlern, bei Sinusbradykardie o d e r SA-Block (SinusknotenSyndrom) oder bei höhergradigen AV-Überleitungsstörungen. Normfrequent (60 bis 100/min): Digitalis-Intoxikation o d e r als gutartiges P h ä n o m e n bei unterschiedlichen H e r z k r a n k h e i t e n o d e r Herzgesunden. Tachykard (über 100/min): meist idiopathisch, seltener bei einer Reihe unterschiedlicher H e r z k r a n k h e i t e n (rheumatisch, Lungenembolie, koronare Herzkrankheit, akuter Infarkt, Kardiomyopathie), Hyperthyreose. Digitalis-Intoxikation.

AV-Block I.Grades Verlängerung der PQ-Zeit über 0,19 s

AV-Block I. Grades: Verlängerung der PQ-Zeit ü b e r 0,19 s bei normaler H e r z f r e q u e n z (bei Sinusbradykardie sind Frequenzen um 0,2 s noch normal).

AV-Block II. Grades Typ I: Verkürzung der RR-Intervalle vor kurzer Pause, zunehmende PQ-Verlängerung

AV-Block II. Grades: Typ I (Wenckebach o d e r Mobitz Typ I): z u n e h m e n d e Verkürzung der RRIntervalle, bis dem kürzesten Intervall das längste folgt, hervorgerufen durch z u n e h m e n d e Verlängerung der PQ-Zeit, bis während des längsten Intervalles eine P- Welle nicht übergeleitet wird. Typ II (Mobitz II): fehlende Überleitung von P-Wellen, wobei vor und nach der nicht übergeleiteten Erregung konstante PQ-Zeiten registriert werden. D e r 2:1-AV-Block, bei dem jede zweite Vorhoferregung auf die K a m m e r übergeleitet wird, ist formal nicht eindeutig dem Typ I o d e r II zuzuordnen.

Typ II: z.T. keine Überleitung von P-Wellen

AV-Block III. Grades Komplette AV-Dissoziation

Ursachen

AV-Block III. Grades: Komplette AV-Dissoziation. Es sind m e h r P-Wellen als Q R S - K o m p l e x e vorhanden, wobei sowohl die P-Wellen f ü r sich als auch die Q R S - K o m p l e xe f ü r sich regelmäßig sind, falls es sich nicht um ein terminales Ereignis handelt. Sind die Q R S - K o m p l e x e normal konfiguriert, kommt der Ersatzrhythmus aus d e m AV-Knoten bzw. d e m His-Bündel-Stamm. Sind sie verbreitert, handelt es sich um einen ventrikulären Ersatzrhythmus. Häufige Ursachen: AV-Block I . G r a d e s und I I . G r a d e s Typ I nicht selten idiopathisch bei Herzgesunden, bei trainierten Sportlern o d e r durch M e d i k a m e n t e (Digitalis, Betablocker, Kalziumantagonisten) verursacht. Sonst koronare Herzkrankheit, H e r z k l a p p e n f e h l e r (Aortenvitien), primäre E r k r a n k u n g des Reizleitungsystems (Lenegre-Krankheit), entzündliche Herzkrankheiten.

Herzrhythmusstörungen

59

3.4.2 Ventrikuläre Rhythmusstörungen

Ventrikuläre Rhythmusstörungen

Ventrikuläre Extrasystolen (VES): Wesentliche Merkmale: vorzeitig einfallende, verbreiterte, gegenüber Sinusrhythmus unterschiedlich konfigurierte QRS-Komplexe, keine vorausgehende P-Welle, voll kompensatorische Pause.

Ventrikuläre Extrasystolen (VES) - Vorzeitig einfallende QRS-Komplexe - Keine vorangehende P-Welle

Häufige Ursachen: koronare Herzkrankheit, Kardiomyopathie, Mitralklappenprolaps, sonstige degenerative und entzündliche Herzerkrankungen.

Ursachen

Gepaarte ventrikuläre Extrasystolen (Couplets), salvenförmig einfallende ventrikuläre Extrasystolen, Kammertachykardien: Wesentliche Merkmale: Zwei oder mehr unmittelbar hintereinander einfallende ventrikuläre Extrasystolen. Zwei VES werden als Paar bezeichnet, der Übergang zwischen salvenförmig einfallenden VES und Kammertachykardien ist fließend. Häufige Ursachen: wie VES.

Gepaarte ventrikuläre Extrasystolen Zwei (oder mehr) hintereinander einfallende Extrasystolen Ursache: wie VES

Kammerflinunern: Wesentliche Merkmale: unregelmäßige Aufeinanderfolge unterschiedlich konfigurierter Grundlinienschwankungen ohne eigentliche QRS-Komplexe.

Kammerflimmern Unregelmäßige Folge von Grundlinienschwankungen

Häufige Ursachen: wie VES, häufig Komplikation eines akuten Myokardinfarktes.

Ursachen

3.4.3 Präexzitationssyndrome

Präexzitationssyndrome

Die normalerweise vorhandene Verzögerung der Erregungsleitung von den Vorhöfen zu den Kammern ist ein wirksamer Schutz vor zu hohen Herzfrequenzen im Falle des Auftretens tachykarder Vorhofrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern und Vorhofflattern. Im wesentlichen findet diese Verzögerung im oberen Teil des AV-Knotens statt, bedingt durch die anatomische Anordnung der Fasern in dieser Region. Sie beträgt in der Regel 0,1 s oder mehr. Die Leitungsgeschwindigkeit im unteren Teil des AVKnotens, im His-Bündel und in den Tawara-Schenkeln ist dagegen wesentlich höher. Da der Zeitpunkt des Eintretens der Erregung in die AV-Knotenregion im E K G nicht erkennbar ist, mißt man überlicherweise die PQ-Zeit (Beginn der P-Welle bis QRS-Beginn), welche die AV-Überleitungszeit einschließt. Sie schwankt normalerweise zwischen 0,13 und 0,2 s. Die retrograde Passage einer ventrikulären Erregung zum Vorhof, wie sie gelegentlich bei ventrikulären Extrasystolen oder einigen Tachykardieformen beobachtet wird, dauert meist etwas länger. Eine Präexzitation liegt dann vor, wenn das Myokard teilweise oder ganz früher erregt wird, als dies bei normaler Erregungsleitung durch die AVKnotenregion mit Leitungsverzögerung im oberen Anteil der Fall wäre. Die vorzeitige Erregung von Teilen der Ventrikel bei supraventrikulärem Ursprung der Impulse ist ebenso möglich wie die Präexzitation von Vorhofmyokard bei ventrikulärem Erregungsursprung.

frühe Erregung des gesamten oder von Teilen des Myokards

3.4.3.1 WPW-Syndrom

WPW-Syndrom:

Definitionsgemäß ist die Bezeichnung beschränkt auf die Fälle, in denen das Auftreten paroxysmaler Tachykardien mit dem Vorhandensein der verkürzten PQ-Zeit und verbreiterten QRS-Komplexen im Routine-EKG einhergeht. Das anatomische Substrat des WPW-Syndroms ist eine zusätzliche Verbindung zwischen Vorhöfen und Ventrikeln, die aus Myokardfasern besteht und im Gegensatz zum AV-Knoten keine Leitungsverzögerung bewirkt.

Definition: Verkürzte PQ-Zeit, QRS-Verbreiterung und paroxysmale Tachykardien (auf dem Boden kreisender Erregungen unter Einbeziehung einer akzessorischen Verbindung zwischen Vorhöfen und Ventrikeln und des AV-Knotens).

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

60 Die Tachykardien können schmale oder breite QRS-Komplexe haben. Eine Gefährdung besteht bei kurzer Refraktärzeit des akzessorischen Bündels, insbesondere dann, wenn Vorhofflimmern auftritt.

Man unterscheidet 2 Typen: Typ A: Delta-Welle und Hauptanteil des QRS-Komplexes sind in V1 (2) positiv Typ B: Beides in V1 (2) negativ.

Normalerweise nicht behandlungsbedürftig Ausnahme: bei häufigem Auftreten

Dadurch wird ein Teil der Kammermuskulatur vorzeitig erregt. Dies führt zu einer Verkürzung der PQ-Zeit und zu einer Verbreiterung des QRSKomplexes, da ein Teil der Kammer, in die das akzessorische Bündel einmündet, vorzeitig erregt wird. Je nach Größe des vorzeitig erregten Bezirkes ist im EKG eine mehr oder weniger große initiale Deflexion erkennbar. Diese wird als Delta-Welle bezeichnet, weil sie in der Regel ebenso wie der griechische Buchstabe Dreieckform aufweist. Die demgegenüber etwas verzögerte Depolarisation der Kammer bewirkt in der Summe eine Verlängerung der Gesamterregungsdauer beider Ventrikel und damit eine Verbreiterung des QRS-Komplexes über 0,11 s. Als Folge der gestörten intraventrikulären Erregungsausbreitung kommt es auch zu Veränderungen der Repolarisation, zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Diskordanz der ST-Strecke und der T-Welle. Das Ausmaß der Präexzitation unterliegt beim einzelnen Patienten oft starken Schwankungen. Häufig tritt sie nur intermittierend in Erscheinung, während der größte Teil des Ventrikelmyokards auf regulärem Wege über AV-Knoten und Tawara-Schenkel aktiviert wird. Man unterscheidet zwei Typen des WPW-Syndroms: Beim Typ Α sind in Ableitung VI (2) Delta-Welle und Hauptanteil des QRS-Komplexes positiv, beim Typ Β dagegen negativ. Der Typ Α ist meist durch ein linksseitiges akzessorisches Bündel verursacht, während es sich beim Typ Β um eine zusätzliche Verbindung zwischen rechtem Vorhof und rechtem Ventrikel handelt. Allerdings ist das akzessorische Bündel anhand des Routine-EKG letztlich nicht immer korrekt zu lokalisieren. Die einzig zuverlässige Methode hierfür ist die invasive elektrophysiologische Diagnostik mittels intrakardialer EKG-Ableitung. Von einem „verborgenen WPW-Syndrom" spricht man, wenn ein solches akzessorisches Bündel nur in eine Richtung, nämlich retrograd, leiten kann, während antegrad, in atrioventrikulärer Richtung, ein unidirektionaler Block vorliegt (Abb. 11-19). Häufig klagen Patienten mit WPW-Syndrom über paroxysmale Tachykardien. Diese entstehen auf dem Boden kreisender Erregungen. Meist dient der AV-Knoten als antegrad leitender Teil (Alpha-Verbindung) zwischen Vorhöfen und Ventrikeln, während die retrograde ventrikulo-atriale (Beta-) Leitung über das akzessorische Bündel erfolgt. Meist werden die Tachykardien durch supraventrikuläre Extrasystolen ausgelöst, seltener durch ventrikuläre Extrasystolen. Entsprechend gehen die Tachykardien in der Regel mit schmalen QRS-Komplexen einher. Ihre Frequenz liegt meist zwischen 180 und 250/min und wird häufig von den Betroffenen relativ gut toleriert. Nur sehr selten sind sie lebensbedrohlich. Eine antiarrhythmische Dauertherapie ist daher meist nicht notwendig, zumal die Attacken oft nach kurJAMES

KENT

MAHAIM

JAMES + MAHAIM

24= PQ

kurz

kurz

normal

kurz

QRS

Delta-Welle

normal

Delta-Welle

Delta-Welle

schmal

verbreitert

Tachykardie bei WPW-Syndrom:

QRS

Abb. 11-19 WPW-Syndrom: schematische Darstellung der unterschiedlichen Formen, Entstehungsmechanismus der paroxymalen Tachykardien

61

Herzrhythmusstörungen zer D a u e r spontan o d e r auf Vagusreize, die der Patient selbst ausüben kann, sistieren. Oft liegen Wochen, M o n a t e oder gar J a h r e zwischen den Anfällen. Bei häufigem A u f t r e t e n o d e r starker subjektiver Beeinträchtigung dagegen besteht eine Indikation zur Behandlung, welche entweder medikamentös oder chirurgisch erfolgen kann. Bis zu 20 bis 30% der Menschen mit WPW-Syndrom h a b e n intermittierend Vorhofflimmern, deutlich mehr als in der Durchschnittsbevölkerung. Je kürzer die Refraktärzeit und je größer damit die Leitungskapazität eines akzessorischen Bündels ist, desto größer wird die G e f ä h r d u n g , die Vorhofflimmern beim WPW-Syndrom mit sich bringt, da bei rascher Überleitungsfrequenz des Vorhofflimmerns K a m m e r f l i m m e r n resultieren kann. D e r Verdacht auf das Vorliegen eines WPW-Syndroms mit Vorhofflimmern ist immer dann gerechtfertigt, wenn verbreiterte QRS-Komplexe in unregelmäßiger A u f e i n a n d e r f o l g e , d.h. mit wechselnden RR-Intervallen, registriert werden. O f t sind in dieser Situation die Q R S - K o m p l e x e auch unterschiedlich konfiguriert. Eine e r h ö h t e G e f ä h r d u n g besteht dann, wenn hierbei minimale RR-Intervalle von 205 ms oder weniger v o r k o m m e n , wogegen minimale RR-Intervalle über 270 ms f ü r eine nur geringe B e d r o h u n g und gegen eine Therapiebedürftigkeit sprechen. Abgesehen von diesen aus dem E K G e r k e n n b a r e n Risikomerkmalen, ist eine e r h ö h t e G e f ä h r d u n g anz u n e h m e n und besteht eine Indikation zur elektrophysiologischen Diagnostik in den Fällen, in d e n e n anamnestisch Schwindelzustände o d e r Bewußtlosigkeiten angegeben werden.

Verdacht auf WPW-Syndrom mit Vorhofflimmern: Unterschiedlich konfigurierte, z.T. verbreiterte QRS-Komplexe in unregelmäßiger Aufeinanderfolge. Dazwischen normal konfigurierte QRS-Komplexe.

3.4.3.2 Syndrom der kurzen PQ-Zeit (LGL-Syndrom)

LGL-Syndrom:

Eine PQ-Zeit unter 0,12 s, die mit normal konfigurierten Q R S - K o m p l e x e n einhergeht, ist gewöhnlich hervorgerufen durch Vorhofmyokardfasern, die den proximalen AV-Knoten und damit die Z o n e der größten Leitungsverzögerung umgehen. Sie m ü n d e n in die distale AV-Knoten-Region ein oder in das Hissche Bündel. A u s diesem G r u n d werden beide Tawara-Schenkel und damit beide Ventrikel gleichzeitig erregt, was schmale Q R S - K o m p l e x e zur Folge hat. A u c h dieses Syndrom kann zu paroxysmalen Tachykardien führen, in d e n e n AV-Knoten einerseits und akzessorisches Bündel andererseits einen Reentry-Kreis bilden. Nicht selten wird auch bei sonst Herzgesunden eine kurze PQ-Zeit unter 0,12 s registriert.

Syndrom der kurzen PQ-Zeit, meist hervorgerufen durch Vorhofmyokardfasern, die den proximalen AV-Knoten umgehen. Die QRS-Komplexe sind immer schmal. Paroxysmale Tachykardien treten eher selten auf.

3.5 Intraventrikuläre Erregungsleitungsstörungen, AV-Überleitungsstörungen

Intraventrikuläre Erregungsleitungsstörungen, AV-Überleitungsstörungen

Für das Verständnis und die elektrokardiographische E r k e n n u n g intraventrikulärer Erregungsleitungsstörungen hat sich das Konzept des trifaszikulären A u f b a u s des aus d e m His-Bündel-Stamm hervorgehenden distalen Reizleitungssystems bewährt.

Für das Verständnis der intraventrikulären Reizleitungsstörungen ist die Kenntnis vom trifaszikulären Aufbau des Reizleitungssystems hilfreich: - rechter Schenkel - linksanteriorer Faszikel - linksposteriorer Faszikel

3.5.1 EKG Im Falle des Rechtsschenkelblockes wird die Erregungsfront zeitgerecht auf den linken Ventrikel übergehen und diesen aktivieren, während d e r rechte Ventrikel verzögert über septale Verbindungen erreicht wird. Beim Linksschenkelblock sind die Verhältnisse genau umgekehrt. • Gemeinsames Merkmal der beiden Schenkelblockformen ist d a h e r eine Verbreiterung des QRS-Komplexes Uber 0,11 s, da die Depolarisation beider Ventrikel nicht innerhalb dieser Zeit abgeschlossen werden kann. Infolge der gestörten Erregungsausbreitung ist auch die Erregungsrückbildung verändert: die T-Wellen, zum Teil auch die ST-Strecken, zeigen eine Ausschlagrichtung, die der der Q R S - K o m p l e x e entgegengerichtet ist. Beim Rechtsschenkelblock zeigt das E K G zusätzlich eine rSR-Konfiguration in V, bis V 2 (der Q R S - K o m p l e x besteht aus einer kleinen R - Z a c k e , gefolgt von einer negativen S-Zacke und einer zweiten, h ö h e r e n R-Zacke)

EKG: Bei Rechtsschenkelblock: Übergang der Erregungsfront zunächst auf den linken Ventrikel Bei Linksschenkelblock: umgekehrt Gemeinsames Merkmal: Verbreiterung des QRS-Komplexes ferner: Erregungsrückbildung ist verändert: ST-Strecken und T-Wellen zeigen Ausschlagrichtung entgegengesetzt zu QRS-Komplexen

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

62

Unspezifische intraventrikuläre Leitungsstörung: QRS-Verbreiterung, ohne Verspätung der größten Negativitätsbewegung

Inkompletter Rechts- oder Linksschenkelblock: - keine QRS-Verbreiterung - Verspätung der endgültigen Negativitätsbewegung Linksanteriorer Hemi-Block: Alleinige Blockierung des anterioren Faszikels des linken Schenkels Merkmal: Drehung der Achse des QRSHauptvektors nach links (überdrehter Linkstyp)

Linksposteriorer Hemi-Block: Drehung nach rechts —» Rechtstyp

mit Verspätung der größten Negativitätsbewegung auf m e h r als 0,03 s nach QRS-Beginn. Gelegentlich ist Q R S in V, bis V 2 auch plump-positiv und ohne e r k e n n b a r e Zweigipfligkeit. D i e Ableitungen I und V 5 bis V,, zeigen ein plumpes S. D e m g e g e n ü b e r ist beim Linksschenkelblock die größte Negativitäsbewegung linkspräkordial (V 5 bis V(1) auf mehr als 0,055 s verspätet. D e r Q R S Komplex ist in diesen Ableitungen positiv, plump, oft leicht gezackt. In V, bis V 2 sind besonders tiefe und breite S-Zacken vorhanden. Von einer unspezifischen intraventrikulären Leitungsstörung spricht man, wenn eine QRS-Verbreiterung vorliegt, ohne daß links- oder rechtspräkordial eine Verspätung der größten Negativitätsbewegung e r k e n n b a r ist. D i e Begriffe Periinfarktblock, Arborisationsblock o d e r Parietalblock werden für diese F o r m der Leitungsstörung in der n e u e r e n Literatur nicht mehr verwendet. Die Bezeichnung des inkompletten Rechts- oder Linksschenkelblockes beschreiben EKG-Bilder, die mit Verspätung der endgültigen Negativitätsbewegung rechts- o d e r linkspräkordial einhergehen, o h n e daß Q R S verbreitert ist. Alleinige Blockierungen nur eines der beiden Faszikel des linken Schenkels werden als linksanteriorer o d e r linksposteriorer Hemi-Block bezeichnet. Die normale Q R S - B r e i t e von 0,11 s wird durch diese Leitungsstörungen nicht überschritten, aber das E K G wird charakteristisch verändert. • Insbesondere ist die Achse des Q R S - H a u p t v e k t o r s gedreht, beim linksanterioren Hemi-Block nach links auf minus 45 Grad o d e r mehr. Es entsteht ein überdrehter Linkstyp mit überwiegend negativer Ausschlagrichtung von Q R S in II, III und a V F und deutlichem Q in I und aVL. Beim linksposterioren Hemi-Block kommt es zur Rechtsdrehung des Vektors auf plus 110 oder m e h r G r a d . E s entsteht ein Rechtstyp mit überwiegend negativem Q R S - K o m p l e x in I und aVL und deutlichem Q in (II), III und aVF. D a der linksposteriore Hemi-Block sehr selten ist, müssen stets a n d e r e mögliche Ursachen des Rechtstyps, insbesondere die vermehrte chronische Rechtsherzbelastung, ausgeschlossen werden. Linksanteriorer Hemi-Block o d e r linksposteriorer Hemi-Block können in Kombination mit d e m Rechtsschenkelblock auftreten. Das E K G zeigt dann eine QRS-Verbreiterung, in den Brustwandableitungen die übrigen Kriterien des Rechtsschenkelblockes und in den peripheren Ableitungen die entsprechende Vektordrehung in der Frontalebene.

Ätiologie

3.5.2 Ätiologie

Häufigste Ursache intraventrikulärer Leitungsstörungen - koronare Herzkrankheit. Ferner - Kardiomyopathien - Aortenklappenfehler - die Lenegresche Erkrankung - die Levsche Erkrankung - Medikamente

A u f g r u n d der Tatsache, d a ß der AV-Knoten vagalen Einflüssen unterliegt, zeigt die PQ-Zeit eine gewisse Frequenzabhängigkeit. Bei Sinusbradykardien können auch pysiologischerweise AV-Blockierungen I . G r a d e s vork o m m e n . Bei Leistungssportlern k ö n n e n in R u h e sogar AV-Blockierungen II. G r a d e s vom Wenckebach-Typ v o r k o m m e n , o h n e d a ß diesen ein Krankheitswert zukommt. • Auch verschiedene Medikamente, insbesondere Digitalis, Beta-Rezeptoren-Blocker, Kalziumantagonisten vom Verapamil-Typ und a n d e r e Antiarrhythmika können AV-Überleitungsstörungen verursachen. • Die koronare Herzkrankheit kann proximale AV-Blockierungen verursachen, wenn sie mit einer Ischämie im Versorgungsgebiet der meist von der rechten Kranzarterie abzweigenden AV-Knoten-Arterie einhergeht. Dies ist in etwa 25% der akuten inferioren Infarkte der Fall, allerdings bilden sich diese Störungen meist innerhalb weniger Tage bis Wochen spontan zurück. Die Mehrzahl der übrigen organisch verursachten AV-Überleitungsstörungen betreffen in der Regel das distale Reizleitungssystem auf der E b e n e der Tawara-Schenkel und nur relativ selten die AV-Knoten-Region. Häufigste Ursache sind fibrosierende Prozesse im Bereich des intraventrikulären Reizleitungssystems, die Lenegre-Krankheit. A u c h im R a h m e n physiologischer Alterungsprozesse k o m m t es zur Einlagerung fibrösen Gewebes in dieser Region, so d a ß mit z u n e h m e n d e m Alter auch das A u f t r e t e n fasziku-

Herzrhythmusstörungen lärer Blöcke (linksanteriorer Hemi-Block, linksposteriorer Hemi-Block) oder von Schenkelblöcken (Rechtsschenkelblock, Linksschenkelblock) häufiger beobachtet wird. Jedoch schreiten diese Prozesse gewöhnlich sehr langsam voran, so daß sich selten höhergradige Leitungsstörungen daraus entwickeln. Bei Lenegre-Erkrankung dagegen kommt es aus bisher nicht bekannten Gründen zur raschen Progression dieser Fibrosierung und damit zur Zerstörung des spezifischen Reizleitungsgewebes und der Schrittmacherzellen. Intraventrikuläre Leitungsstörungen und schließlich höhergradige AVBlockierungen sind die Folge. Als Lev'sche Erkrankung bezeichnet man fibrosierende Prozesse und Kalkeinlagerungen im Bereich des Anulus fibrosus, die durch Übergreifen auf das proximale Erregungsleitungssystem (His-Bündel, Anfangsteil der Tawara-Schenkel) entsprechende Blockbilder hervorrufen können. Von den erworbenen Herzklappenfehlern führen insbesondere Aortenvitien durch Einbeziehung des proximalen Reizleitungssystems in entzündliche oder verkalkende Prozesse zu AV-Überleitungsstörungen. Auch die Aorteninsuffizienz im späten Stadium des Morbus Bechterew oder des Morbus Reiter führt zu AV-Blockierungen. Unabhängig von diesen beiden kommt der koronaren Herzkrankheit eine wesentliche Bedeutung bei der Entstehung höhergradiger AV-Blockierungen zu. Sie ist für 30 bis 50% der AV-Überleitungsstörungen verantwortlich. Aufgrund der Häufigkeit der koronaren Herzkrankheit in der Gesamtbevölkerung dieser Altersgruppe ist der ursächliche Zusammenhang im Einzelfall jedoch schwer nachzuweisen. Eindeutig ist er nur dann, wenn die Leitungsstörung im Rahmen eines akuten Myokardinfarktes auftritt. Entsprechend der Blutversorgung des Reizleitungssystems treten in Zusammenhang mit inferioren Infarkten vorwiegend proximale, meist passagere AV-Blockierungen durch Ischämie und/oder Ödem in der AV-KnotenRegion auf. Vorderwandinfarkte können bei Beteiligung der septalen Äste des Ramus interventricularis anterior zum linksanterioren Hemi-Block oder zum Rechtsschenkelblock, nicht selten auch zu einer Kombination beider Blockformen führen. Demgegenüber ist der linksposteriore Faszikel, der zum Teil über den Ramus interventricularis anterior der linken Kranzarterie und zum Teil über die rechte Kranzarterie versorgt wird, selten als Folge eines Infarktereignisses blockiert. Entsprechend ist auch der komplette Linksschenkelblock selten auf eine koronare Herzkrankheit zurückzuführen, sondern häufiger auf diffuse Schädigungen des linksventrikulären Myokards, etwa im Rahmen einer dilativen Kardiomyopathie, einer Myokarditis, oder auch einer hypertrophen Kardiomyopathie. Der komplette Rechtsschenkelblock ist nicht selten Folge einer vermehrten akuten oder chronischen Rechtsherzbelastung im Rahmen - des akuten Cor pulmonale bei Lungenembolien (oft auch nur passager), - bei chronischem Cor pulmonale, - bei Vitien der primären pulmonalen Hypertonie, - bei langjährig bestehendem Asthma bronchiale. In der Regel ist er jedoch Folge einer koronaren Herzkrankheit oder einer diffusen Myokardschädigung bei Kardiomyopathie oder Myokarditis. Der inkomplette Rechtsschenkelblock kommt selten auch bei Herzgesunden vor und hat in diesen Fällen keinen Krankheitswert. Auch totale AV-Blockierungen können angeboren sein. Sie sind dann meist im proximalen AV-Knoten lokalisiert und gehen mit relativ frequentem Ersatzrhythmus bei schmalem QRS-Komplex einher. Oft zeigen die Betroffenen noch eine gewisse Frequenzregulation im Tagesverlauf und bei körperlicher Belastung.

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Die meisten AV-Blockierungen sind durch die koronare Herzkrankheit bedingt. Blockierung auch als Folge der mangelnden Durchblutung bei Myokardinfarkt.

- A n d e r s liegen die Gegebenheiten beim Linksschenkelblock. W e g e n der Blutversorgung ist Myokardinfarkt oder koronare Herzkrankheit nicht ursächlich. Ursachen

Φ Kompletter Linksschenkelblock bei: - Kardiomyopathie - Myokarditis - seltener bei koronarer Herzkrankheit Kompletter Rechtsschenkelblock bei: - Cor pulmonale bei Lungenembolie - chronischem Cor pulmonale - Vitien der p u l m o n a l e n Hypertonie - chronischem A s t h m a bronchiale

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

64 Klinik

3.5.3 Klinik

Asymptomatischer Verlauf, da Organdurchblutung durch Erhöhung des Schlagvolumens erhalten wird. Andernfalls: zerebrale und kardiale Minderleistung sowie: - Schwindel/Bewußtlosigkeit - Synkopen - Angina pectoris - Herzinsuffizienz Gefahr der Entstehung von tachykarden Rhythmusstörungen ist gegeben.

AV-Blockierungen I. und II. Grades sind ebenso wie uni- oder bifaszikuläre Schenkelblockbilder asymptomatisch bzw. sind die Symptome Folge der Grundkrankheit. Die Klinik des permanenten totalen AV-Blocks ist abhängig von der Frequenz des Ersatzrhythmus. Proximale Blockierungen verlaufen nicht selten asymptomatisch, da oft die Herzfrequenz ausreichend ist, um zumindest bei sonst gesundem Herzen, durch Steigerung des Schlagvolumens eine adäquate Blutversorgung des Organismus aufrechtzuerhalten. • Kann bei permanenter Bradykardie das Schlagvolumen nicht den Erfordernissen angepaßt werden, kommt es zu Symptomen der zerebralen oder kardialen Minderleistung. Je nach Zustand des Gefäßsystems und des Myokards stehen allgemeine Leistungsschwäche, Schwindelzustände, Angina pectoris oder Herzinsuffizienz im Vordergrund des Beschwerdebildes. In aller Regel geht dem permanenten über längere Zeit ein intermittierender totaler AV-Block voraus. Klinisch kommt es hierbei zu Schwindelanfällen und zu rezidivierend auftretenden Bewußtlosigkeiten, den kardialen Synkopen (s. Kap. 6.3.1). Die im Rahmen intermittierend auftretender totaler AV-Blockierungen auftretenden Asystolien sind als präautomatische Pausen vor dem Einsetzen des Ersatzrhythmus aus einem nachgeordneten Schrittmacherzentrum anzusehen. • Fast immer werden sie entweder durch Ersatzschläge oder durch wieder regelrecht übergeleitete Sinuserregungen beendet, in Einzelfällen können sie jedoch auch zum Tode führen. Von Bedeutung ist hierbei, daß bradykarde Rhythmusstörungen, die zu einer Ischämiesituation im Myokard selbst führen können, auf diesem Wege auch die Entstehung bedrohlicher tachykarder Rhythmusstörungen begünstigen.

Symptome

3.6 S y m p t o m e von Herzrhythmusstörungen 3.6.1 Palpitationen

Palpitationen (Herzstolpern, Herzrasen) Ursache: erhebliche Schwankungen des Schlagvolumens bei Herzrhythmusstörungen (Vorhofflimmern, paroxysmale Tachykardien, gehäufte Extrasystolen, bradykarde Rhythmusstörungen) oder in folge vegetativer Labilität bzw. belastungsinduziert. Diagnostik: Langzeit-EKG. Die Korrelation zwischen der subjektiven Empfindung von Palpitationen und dem Vorhandensein von Rhythmusstörungen im zeitgleich registrierten Langzeit-EKG ist schlecht.

Gefühle des Herzstolperns oder Herzrasens werden als Palpitationen bezeichnet. Sie werden oft durch Herzrhythmusstörungen verursacht. Sie treten häufiger in körperlicher Ruhe und in psychischen Streßsituationen als unter körperlicher Belastung auf. Den Entstehungsmechanismus verdeutlicht Abbildung 11-20. Im Falle des Auftretens einer vorzeitigen Kammererregung, einer Extrasystole, erfolgt auch die Myokardkontraktion vorzeitig, und zwar zu einem Zeitpunkt in der Diastole, zu dem die Ventrikel noch nicht wieder vollständig gefüllt sind. Das durch einen extrasystolischen Schlag ausgeworfene Volumen ist aus diesem Grund kleiner als das Schlagvolumen regulärer Herzaktionen und führt nur zu Pulswellen wesentlich geringerer Amplitude.

EKG

Arterieller Druck I

Frustrane J J Kontraktionen—

Abb. 11-20 Hämodynamische Auswirkungen von Extrasystolen: simultane Registrierung des arteriellen Druckes und des EKGs

Herzrhythmusstörungen Diese sind häufig in der Peripherie nur gering oder überhaupt nicht tastbar. Es kann der Eindruck entstehen, die Herztätigkeit habe für einen Schlag ausgesetzt. Der Extrasystole folgt in der Regel eine verlängerte postextrasystolische Pause bis zum nächsten Normalschlag. Während dieser verlängerten Diastole füllen sich die Ventrikel überdurchschnittlich. Daraus resultiert, daß durch den der Extrasystole folgenden Normalschlag ein entsprechend überhöhtes Schlagvolumen gefördert wird. Die dadurch hervorgerufene überhöhte Pulswelle ist in der Peripherie besonders kräftig zu tasten und wird von den Betroffenen mitunter als unangenehmes Herzklopfen empfunden. Die häufigste Form der tachykarden Rhythmusstörungen, die Palpitationen hervorruft, ist die absolute Arrhythmie infolge Vorhofflimmerns, da die Schwankungen des Schlagvolumens besonders ausgeprägt sein können. Auf der anderen Seite haben viele Menschen, insbesondere im höheren Lebensalter als Folge unterschiedlicher kardialer Grunderkrankungen oder degenerativer Veränderungen, chronisch Vorhofflimmern, ohne dies subjektiv überhaupt zu bemerken. Unter den übrigen Rhythmusstörungen, die zu Palpitationen führen können, sind Extrasystolen, paroxysmale Tachykardien, bradykarde Rhythmusstörungen und höhergradige AV-Blockierungen zu erwähnen. Allerdings führen auch Schwankungen des Schlagvolumens aus anderen Ursachen, z.B. durch psychische oder physische Belastung hervorgerufen, zu ähnlichen Mißempfindungen. Zur Klärung ob, und gegebenenfalls welche Rhythmusstörungen den Symptomen zugrunde liegen, eignet sich das Langzeit-EKG. Unter den übrigen Rhythmusstörungen, die zu Palpitationen führen können, sind Extrasystolen, paroxysmale Tachykardien, bradykarde Rhythmusstörungen und höhergradige AV-Blockierungen zu erwähnen.

65 Therapie: selten erforderlich, gegebenenfalls Behandlung der nachgewiesenen Rhythmusstörung. Verkleinertes Schlagvolumen durch extrasystolischen Schlag vermittelt Eindruck des Aussetzens eines Schlages. Der folgende Normalschlag fördert ein überhöhtes Schlagvolumen -> Herzklopfen Palpitationen treten nach folgenden Rhythmusstörungen auf: - Extrasystolen - paroxysmale Tachykardien - bradykarde Rhythmusstörungen - regellose Sinusarrhythmie - AV-Blockierungen Ursachen sind Schwankungen des Schlagvolumens 50% der Palpitationen haben psychische oder physische Ursachen

3.6.2 Herzinsuffizienz

Herzinsuffizienz

Die Herzinsuffizienz geht in aller Regel auch mit einer erhöhten elektrischen Instabilität des Herzens einher. Die Dilatation auf Vorhofebene begünstigt das Auftreten von supraventrikulären Extrasystolen und Vorhofflimmern; Hypertrophie und Dilatation auf Ventrikelebene führen zu Frequenzsteigerung, zu ventrikulärer Extrasystolie und zum Auftreten komplexer ventrikulärer Arrhythmien. Hierbei ist die alleinige Erhöhung der Herzfrequenz, insbesondere in Belastungssituationen, noch als sinnvoller Kompensationsmechanismus des insuffizienten Herzens anzusehen. Andererseits wird durch Herzrhythmusstörungen, die permanent vorhanden sind oder gehäuft auftreten, die Auswurfleistung des Herzens herabgesetzt. Nicht selten entsteht hieraus ein Circulus vitiosus, der schließlich zur Dekomensation einer Herzinsuffizienz führt, die ein therapeutisches Einschreiten erforderlich machen kann. Im Vordergrund stehen hierbei Maßnahmen zur Behandlung der Herzinsuffizienz. Antiarrhythmika im engeren Sinne haben eine mehr oder weniger ausgeprägte negativ-inotrope Nebenwirkung (Ausnahme: Amiodarone). Ihr Einsatz bei herzinsuffizienten Patienten ist daher nur dann gerechtfertigt, wenn die Herzinsuffizienz durch entsprechende Begleitmedikation kompensiert werden kann und wenn prognostisch bedeutsame Arrhythmien therapiert werden müssen. In Notfallsituationen, ζ. B. bei Herz-Kreislauf-Versagen im Rahmen eines akuten Myokardinfarktes, welches durch Herzrhythmusstörungen kompliziert ist, kann der kombinierte Einsatz vorund nachlastsenkender Medikamente, direkt positiv wirkender Pharmaka, von Antiarrhythmika und gegebenenfalls elektrischer Behandlung (Kardioversion. Defibrillation) notwendig sein.

Die Herzinsuffizienz ist ein seltenes Symptom von Herzrhythmusstörungen. Umgekehrt geht die Herzinsuffizienz als Folge einer fortgeschrittenen kardialen Grunderkrankung in aller Regel mit einer erhöhten Arrhythmieneigung einher. In erster Linie muß daher die Grunderkrankung behandelt werden, bevor Antiarrhythmika erwogen werden.

Antiarrhythmika nur, wenn Herzinsuffizienz kompensiert worden ist.

3.6.3 Angina pectoris

Angina pectoris

Die Angina pectoris ist eine seltene Komplikation von Herzrhythmusstörungen. In Einzelfällen kann jedoch eine arrhythmiebedingte Abnahme der Herzauswurfleistung bei Patienten mit fortgeschrittener koronarer

ist eine seltene Komplikation von Herzrhythmusstörungen

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

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Herzkrankheit und kritisch eingeschränkter Koronardurchblutung zu einem Mißverhältnis zwischen myokardialem Sauerstoffbedarf und -angebot mit resultierender Angina pectoris führen. Störungen der Hirnfunktion

3.6.4 Störungen der Hirnfunktion

Symptome der Hirndurchblutungsstörungen infolge von Arrhythmien sind: 1. Global (Regelfall) - Schwindel - Synkopen 2. Fokal (sehr selten) - TIA - PRIND oder kompletter zerebraler Insult.

Hirndurchblutungsstörungen können durch kardiale Arrhythmien hervorgerufen oder begünstigt werden. Die dadurch entstehenden Symptome sind in zwei größere Gruppen zu unterteilen: Es können Symptome der fokalen und der globalen Minderdurchblutung entstehen. In der ersten Gruppe werden fokale Ausfallerscheinungen, die je nach Dauer als TIA (transiente ischämische Attacke), P R I N D (prolongiertes ischämisches neurologisches Defizit) oder kompletter zerebraler Insult bezeichnet werden. An der Entstehung dieser regionalen Durchblutungsstörung sind Herzrhythmusstörungen nur in seltenen Ausnahmefällen beteiligt. Zeichen der globalen zerebralen Minderdurchblutung, wie Schwindelzustände und kurze Bewußtlosigkeiten (Synkopen), werden dagegen relativ häufig durch Herzrhythmusstörungen hervorgerufen. Dabei ist die Ausprägung der Symptome prinzipiell von vier Faktoren abhängig: 1. von der Art der Rhythmusstörung, 2. von ihrer Dauer, 3. von der Herzfunktion, 4. vom Zustand der zerebralen Gefäße.

Symptome bei Asystolien verschiedener Dauer

Bei sonst normaler Herzfunktion und in Abwesenheit von Wandveränderungen der zerebralen Gefäße werden beispielsweise Phasen ausgeprägter Tachykardie oder Bradykardie bei Vorhofflimmern, kurze ventrikuläre Tachykardien oder Asystolien oft ohne wesentliche Symptomatik toleriert. Dagegen können die gleichen Arrhythmien bei Patienten mit eingeschränkter linksventrikulärer Funktion oder fortgeschrittener Arteriosklerose im Bereich der hirnversorgenden Arterien bereits Schwindelzustände oder Bewußtseinsstörungen hervorrufen. In Tabelle 11-2 ist aufgeführt, mit welchen Symptomen zu rechnen ist, wenn bei sonst nicht vorgeschädigtem Herzen und normalen intrazerebralen Gefäßen Asystolien unterschiedlicher Dauer auftreten. Da ähnliche Symptome auch aus anderen Ursachen auftreten können, müssen im Einzelfall stets eine Reihe differentialdiagnostischer Überlegungen angestellt werden. Zunächst kann grob zwischen nicht-kardiovaskulären und kardiovaskulären Ursachen unterschieden werden, bei letzteren sind die vaskulären von den kardialen Ursachen im engeren Sinne zu trennen. Die nicht-kardiovaskulären Ursachen sind in der Regel durch sorgfältige Anamneseerhebung auszuschließen. Falls jedoch eine aktuell vorliegende Bewußtseinsstörung beurteilt werden muß, kann meist bereits durch Überprüfung der vitalen Parameter, des Puls- und Blutdruckverhaltens und der Atmung eine kardiovaskuläre Ursache ausgeschlossen oder wahrscheinlich gemacht werden. Schwindelzustände sind, wenn sie isoliert auftreten, häufig nur schwer einer bestimmten Ursache zuzuordnen. Tab. 11-2 Beziehung der Dauer einer Asystolie zu den dadurch hervorgerufenen Symptomen (ohne zusätzliche schwerere cerebrovaskuläre Insuffizienz) Asystoliedauer (Sekunden)

Symptome

3- 5 10- 20 30- 60 60-120

Schwindel Bewußtlosigkeit Krämpfe Atemstillstand

Herzrhythmusstörungen Länger anhaltender Schwindel, der insbesondere durch Orthostase hervorgerufen oder verstärkt wird, deutet auf eine hypotone Kreislaufdysregulation oder auf eine zerebrovaskuläre Ursache hin. Schwindel bei körperlicher Belastung, der gelegentlich auch in die sogenannte Effort-Synkope übergeht, kann neben der belastungsabhängigen Angina pectoris auf eine eventuell vorliegende schwere Aortenstenose hinweisen. Der ohne Prodromi und äußeren Anlaß auftretende und kurz (meist nur wenige Sekunden) anhaltende Schwindel weist dagegen eher auf eine Herzrhythmusstörung als wahrscheinliche Ursache hin. Die Methode der Wahl, um eine solche Diagnose zu sichern, ist das Langzeit-EKG, wobei der Patient aufgefordert werden muß, im Falle des Auftretens von Symptomen eine Marker-Taste am Aufnahmegerät zu betätigen oder ein entsprechendes Protokoll zu führen. In der Mehrzahl der Fälle gelingt es mit dieser Methode, eine Herzrhythmusstörung auszuschließen und dadurch eine Kreislaufdysregulation oder zerebrovaskuläre Veränderungen als Ursache von Schwindelzuständen wahrscheinlich zu machen.

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Für Schwindel, der ohne Prodromi auftritt und nur kurz anhält, ist meist eine Herzrhythmusstörung ursächlich.

3.6.4.1 Kardiovaskuläre Synkope

Synkope

Die durch kardiovaskuläre Störungen hervorgerufene Synkope wird durch unzureichende Sauerstoffversorgung des Gehirns bzw. der Zentren verursacht, welche die Bewußtseinslage regeln (s.Kap. 11/12).

Ursache verminderte 0 2 -Versorgung des Gehirns - vaskulär (häufiger) oder - kardial bedingt Kardiale Ursachen: plötzliches Absinken der Auswurfleistung meist durch valvuläre Aortenstenose oder obstruktive Kardiomyopathie

3.6.4.1.1 Vorwiegend kardiale Ursachen Die kardiale Synkope im engeren Sinne entsteht durch ein plötzliches Absinken der Auswurfleistung. Wenn solche Zustände während oder unmittelbar nach körperlicher Belastung auftreten, muß an die Möglichkeit des Vorliegens einer valvulären Aortenstenose oder einer hypertrophen obstruktiven Kardiomyopathie gedacht werden. Hierbei handelt es sich immer um sehr fortgeschrittene Stadien, die in aller Regel eine baldige operative Behandlung erfordern. Dies gilt auch für die relativ seltenen großen linksatrialen Vorhofmyxome, die aufgrund ihrer Lage in das Mitralostium prolabieren können und dadurch intermittierend zu einer abrupten Unterbrechung des Blutstromes in den linken Ventrikel führen können. Die weitaus häufigste Form der kardialen Synkopen sind jedoch die arrhythmiebedingten: • Etwa die Hälfte aller schwerwiegenden Schwindelzustände und Synkopen werden durch Herzrhythmusstörungen hervorgerufen. Das Absinken der Herzauswurfleistung durch anhaltende Tachykardien oder Bradykardien bzw. Asystolien wird nach ihren Erstbeschreibern Morgagni, Adams und Stokes auch als MAS-Anfall oder Adams-Stokes-Anfall genannt. Etwa zwei Drittel der arrhythmiebedingten Synkopen entstehen durch bradykarde Rhythmustörungen, ein Drittel durch Tachyarrhythmien. Häufigste Ursache sind intermittierend auftretende AV-Blockierungen III. Grades, an zweiter Stelle steht das Sinusknotensyndrom, an dritter das bradykarde Vorhofflimmern. Das Sinusknotensyndrom (Synonyme: sinuatriale Erkrankung, Syndrom des kranken Sinusknotens) ist ein Sammelbegriff für verschiedene Kombinationen bradykarder und tachykarder supraventrikulärer Rhythmusstörungen. Darunter fallen persistierende Sinusbradykardien, ausgeprägte Sinusbradyarrhythmien und intermittierende sinuatriale Blockierungen. Diese treten häufig im Wechsel auf mit bradykarden supraventrikulären Arrhythmien wie supraventrikulärer Extrasystolie, intermittierendem Vorhofflimmern oder -flattern. • Unter den tachykarden Rhythmusstörungen, die Adams-Stokes-Anfälle hervorrufen können, ist das Vorhofflimmern die häufgste, insbesondere, wenn es intermittierend auftritt. Beim Übergang vom Vorhofflimmern in Sinusrhythmus kommt es nicht selten zu längeren asystolischen Intervallen im Sinne einer verlängerten präautomatischen Pause. Zweithäufigste tachykarde Rhythmusstörung in

Häufigste kardiale Ursache von Schwindel und Synkopen sind Herzrhythmusstörungen: -»Adams-Stokes-Anfall Absinken der Herzleistung durch: - Tachykardie - Bradykardie - Asystolie durch: - AV-Block - SA-Block Ferner durch: - Vorhofflimmern - Ventrikuläre Tachykardien

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II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems diesem Zusammenhang sind ventrikuläre Tachykardien, besonders bei Zustand nach Myokardinfarkt, paroxysmale supraventrikuläre Tachykardien und Tachykardien im Rahmen eines Präexzitationssyndroms. Schließlich ist die Tachyarrhythmie infolge Vorhofflimmerns zu erwähnen.

Diagnose

3.6.4.1.2 Diagnostisches Vorgehen

- Anamnese: Bewußtlosigkeit? Krämpfe? fremdanamnestische Angaben Brücken- und Begleitsymptome Epileptische Anfälle Schwindelzustände

Im Rahmen der Diagnostik zur Klärung von Schwindelzuständen und Synkopen kommt der sorgfältig erhobenen Anamnese eine besonders große Bedeutung zu. Insbesondere müssen im Einzelfall auch fremdanamnestische Angaben berücksichtigt werden, da die Betroffenen selbst über wesentliche Einzelheiten, wie z.B. die Dauer einer Bewußtlosigkeit und das eventuelle Auftreten von Krämpfen, keine Aussage machen können. Besonders erfragt werden müssen auch Brücken- und Begleitsymptome. Epileptischen Anfällen geht charakteristischerweise eine Aura voran und folgt ein postiktischer Dämmerzustand. Schwindelzustände, die mehrere Minuten oder gar Stunden anhalten, sind in der Regel durch Kreislaufdysregulation hervorgerufen, besonders dann, wenn sie durch Lagewechsel in sitzende oder stehende Position verstärkt werden. Arrhythmiebedingte Schwindelzustände dagegen dauern mitunter nur Sekunden und sind weitgehend unabhängig von der Körperlage. Prodromi durch vorangehende weniger tachykarde Phasen oder durch weniger ausgeprägte Bradykardien sind selten, da die Störungen meist unmittelbar in ihrer vollen Ausprägung einsetzen. Bradykarde Störungen liegen etwa doppelt so häufig zugrunde wie tachykarde, meist handelt es sich um Asystolien infolge höhergradiger SA- oder AV-Blockierungen, welche nach wenigen Sekunden zu einer plötzlich einsetzenden Bewußtlosigkeit führen. In der Regel stürzen die Betroffenen ohne jede Vorwarnung zu Boden, was nicht selten mit erheblichen Verletzungen einhergeht, da durch die Bewußtlosigkeit keine Schutzreflexe mehr zum Tragen kommen. Wenig später, meist innerhalb von Sekunden, kehrt das Bewußtsein wieder, da entweder Ersatzrhythmen tiefer gelegener Zentren in Aktion treten oder aber die SA- oder AV-Überleitung wiederhergestellt ist. Die während des Anfalles vorhandene tiefe Blässe des Gesichts weicht im Moment des Wiedererwachens einer plötzlich auftretenden ausgeprägten Gesichtsröte, welche dagegen am Ende einer vagovasalen Synkope so gut wie nie beobachtet wird. Nach Adams-Stokes-Anfällen fühlen sich die Betroffenen meist sofort wieder wohl, während im Anschluß an vagovasale Synkopen Schwindel, Benommenheit, Übelkeit und Schwäche die Regel sind. Von besonderer Bedeutung ist auch die Medikamentenanamnese, da Schwindelzustände und Synkopen häufig medikamentös verursacht werden. Hier sind vor allem Antihypertensiva, Diuretika, Antiarrhythmika, Herzglykoside, Sedativa und andere Psychopharmaka zu berücksichtigen. Bei der körperlichen Untersuchung von Patienten mit unklaren Schwindelzuständen oder Synkopen ist die Blutdruckmessung im Liegen und während des Orthostaseversuchs nach Schellong von besonderer Bedeutung, um gegebenenfalls eine hypotone Kreislaufdysregulation zu erfassen. Die Auskultation über dem Herzen und den Carotiden kann Hinweise auf eine Aortenstenose oder eine hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie geben. Wechselnde Auskultationsphänomene über dem Herzen lassen an ein Vorhofmyxom denken. Der Carotisdruckversuch (unter EKG-Kontrolle) ist nur dann indiziert, wenn anamnestische Hinweise darauf vorliegen, daß die Beschwerden in zeitlichem Zusammenhang mit mechanischer Irritation der Halsregion aufgetreten sind. Das EKG ist bei Patienten mit unklaren Synkopen im anfallsfreien Intervall meist unauffällig und daher wenig ergiebig. Dennoch ist es fester Bestandteil der Diagnostik, um intraventrikuläre und AV-Leitungsstörungen, Herzrhythmusstörungen, Hinweise auf überstandene Myokardinfarkte und Linksherzhypertrophiekriterien zu erfassen. Ein Belastungs-EKG ist nur bei belastungsabhängig auftretenden Symptomen indiziert, wenn bei koronarer Herzkrankheit hämodynamisch bedeutsame, ischämiebedingte

häufig liegen Bradykardien vor durch SAoder AV-Blockierungen Bewußtlosigkeit in wenigen Sekunden, die sehr schnell wieder verschwindet - Gesichtsblässe -> Gesichtsröte

- Medikamentenanamnese Antihypertensiva Diuretika Antiarrhythmika Herzglykoside Sedativa Psychopharmaka Körperliche Untersuchung - Orthostaseversuch (Schellong) (erfaßt hypotone Dysregulation) - Auskultation (Hinweis auf Aortenstenose oder Kardiomyopathie)

- EKG erfaßt: AV-Leitungsstörungen Herzrhythmusstörungen überstandene Herzinfarkte Linksherzhypertrophie

Herzrhythmusstörungen tachykarde Rhythmusstörungen vermutet werden. Bei Verdacht auf hämodynamisch wirksame Aortenstenose ist es kontraindiziert. QRS-Verbreiterungen im E K G auf 0,12 s oder mehr als Hinweis auf eine intraventrikuläre Leitungsstörung bedürfen stets besonderer Beachtung. Intermittierende totale AV-Blockierungen, die häufigste Ursache von Adams-Stokes-Anfällen sind, treten in der Mehrzahl der Fälle nicht in der AV-Knotenregion, sondern vielmehr im distalen Reizleitungssystem auf. Bei diesen Patienten liegt im anfallsfreien Intervall ein Schenkelblock oder eine Schenkelblockkombination vor. Oft handelt es sich um einen bifaszikulären Block, die gleichzeitige Blockierung zweier der drei Faszikel, die das intraventrikuläre Reizleitungssystem bilden (rechter Tawara-Schenkel, linksanteriorer und linksposteriorer Faszikel des linken Schenkels). • Am häufigsten ist die Kombination aus komplettem Rechtsschenkelblock und linksanteriorem Hemi-Block, d.h. das Bild des Rechtsschenkelblocks mit überdrehtem Linkstyp, als Vorstufe des totalen AV-Blocks, da diese beiden Faszikel dünner und leichter vulnerabel sind als der Iinksposteriore. Ein zusätzlich vorliegender AV-Block I.Grades kann ein weiterer Hinweis auf eine höhergradige AV-Überleitungsstörung sein. Wichtigste diagnostische Methode ist das 24-Stunden-Langzeit-EKG. Da es selten gelingen wird, während des Auftretens von Symptomen zu registrieren, ist man bei der Verdachtsdiagnose der arrhythmiebedingten Schwindelzustände oder Synkopen meist auf Analogieschlüsse angewiesen. Als entsprechende Hinweise können gewertet werden: 1. Sinusbradykardien oder Sinusbradyarrhythmien mit Frequenzen unter 40/min. 2. Intermittierende SA- oder AV-Blockierungen II. bis III. Grades mit asystolischen Intervallen über 1500 bis 2000 ms. 3. Asystolische Intervalle über 3000 ms bei Vorhofflimmern. 4. Gehäufte ventrikuläre Salven oder ventrikuläre Tachykardien. 5. Paroxysmale, belastungsunabhängige supraventrikuläre Tachykardien mit Frequenzen über 130 bis 150/min.

3.6.4.1.3 Therapie Schwindelzustände oder Synkopen, die medikamentös bedingt sind, erfordern in jedem Fall ein Absetzen der auslösenden Pharmaka. Die Kreislaufdysregulation als Ursache von Schwindelzuständen oder Synkopen wird mit physikalischer Therapie und gegebenenfalls zusätzlicher Verordnung von Gummistrümpfen oder -hosen behandelt. Mineralokortikoide, Dihydroergotamin oder Sympathikomimetika können in Ausnahmefällen sinnvoll sein. Bradykarde Rhythmusstörungen sind gewöhnlich nur therapiebedürftig, wenn Präsynkopen oder Synkopen aufgetreten sind. Zurückhaltung ist dagegen geboten, wenn bislang lediglich Schwindelzustände eingetreten sind. Hier wird man im Fall des Nachweises einer sinuatrialen Erkrankung oder von bradykardem Vorhofflimmern eher nicht behandeln, da diese Rhythmusstörungen prognostisch günstig zu beurteilen sind. • Sicher indiziert ist eine Herzschrittmacherimplantation bei diesen Patienten, sofern anamnestisch klare Präsynkopen oder Synkopen geschildert werden. Im Falle des Nachweises höhergradiger AV-Überleitungsstörungen ist die Herzschrittmacherindikation etwas großzügiger zu stellen, da die Wahrscheinlichkeit des Auftretens totaler AV-Blockierungen mit entsprechender Zunahme der Symptomatik größer ist. Die Dauerbehandlung mit Parasympathikolytika oder mit sympathikomimetisch wirkenden Medikamenten hat sich nicht bewährt, da sie gewöhnlich nicht sehr effektiv ist, ein nicht unerhebliches Risiko von Nebenwirkungen beinhaltet und zudem nicht kostengünstiger ist als die Schrittmachertherapie. • Symptomatische tachykarde Rhythmusstörungen werden gezielt mit Antiarrhythmika behandelt (siehe II/3.8.1).

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Häufigste Störung: Rechtsschenkelblock mit überdrehtem Linkstyp

Wichtigste diagnostische Methode: 24-Stunden-EKG!

Hinweise auf Synkopen oder arrhythmiebedingten Schwindel

Therapie Absetzen des evtl. auslösenden Medikamentes Bei bradykarden Störungen: Therapie nur bei Auftreten von Synkopen, dann: Herzschrittmacher

Behandlung von tachykarden Rhythmusstörungen mit Antiarrhythmika

70

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

Plötzlicher Herztod

3.7 Plötzlicher Herztod

Auslösung in 85% der Fälle durch Kammertachykardien oder Kammerflimmern. 15% entstehen durch bradykarde Rhythmusstörungen. Häufigste Grundkrankheit ist die koronare Herzkrankheit.

Anhaltende, hämodynamisch wirksame Herzrhythmusstörungen führen zu einer Minderperfusion auch der Herzkranzgefäße, wodurch die Herzleistung weiter beeinträchtigt wird. Sistieren diese Rhythmusstörungen nicht spontan und stehen die Möglichkeiten der kardio-pulmonalen Reanimation nicht zur Verfügung, kommt es zum plötzlichen Herztod infolge HerzKreislauf-Versagens. • Der plötzliche Herztod stellt in den industrialisierten Ländern die häufigste aller Todesursachen dar. In etwa 85% der Fälle ist eine tachykarde ventrikuläre Rhythmusstörung, Kammertachykardie oder primäres Kammerflimmem die auslösende Rhythmusstörung. Bradykarde Arrhythmien, meist totale AV-Blockierungen, liegen in 15% vor. Das mittlere Lebensalter der plötzlich Versterbenden liegt zwischen 50 und 60 Jahren. Die Mehrzahl der Betroffenen leidet unter einer fortgeschrittenen koronaren Herzkrankheit, meist mit Zustand nach Myokardinfarkt. In etwa 25% der Fälle ist die tödliche Rhythmusstörung Folge eines akuten Myokardinfarktes, wobei das Risiko in den ersten Minuten bis Stunden nach Infarkteintritt am höchsten ist. Die Tatsache, daß etwa 50 bis 60% der plötzlich Versterbenden prinzipiell gute Voraussetzungen für eine aorto-koronare Bypass-Operation böten, unterstreicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Diagnostik und Therapie dieser häufigen Grundkrankheit. Will man aus der großen Gruppe der Koronarkranken jene herausfinden, die in besonderem Maße durch den plötzlichen Herztod gefährdet sind, gelten hierfür die folgenden Richtlinien: • Die Gefährdung ist um so höher, je stärker die linksventrikuläre Funktion (durch vorausgegangenen Myokardinfarkt) eingeschränkt ist. Die besonders bedrohten Patienten sind bezüglich ihrer Herzinsuffizienz dem klinischen Schweregrad III bis IV zuzuordnen und weisen eine linksventrikuläre Auswurffraktion unter 40% auf. • Die Gefährdung ist um so höher, je weniger Zeit seit dem vorangegangenen Myokardinfarkt verstrichen ist. Abgesehen vom akuten Infarktstadium ist die Gefährdung in den ersten 6 Monaten nach Infarkt am höchsten. • Besonders gefährdet sind Patienten, die im Langzeit-EKG Warnarrhythmien aufweisen. Dies sind die sogenannten repetitiven ventrikulären Rhythmusstörungen, gepaarte und salvenförmig einfallende ventrikuläre Extrasystolen bzw. ventrikuläre Tachykardien, insbesondere wenn sie mit größerer Häufigkeit einfallen. • Hoch gefährdet sind diese Patienten, wenn sie bereits Synkopen erlitten haben oder wegen tachykarder Rhythmusstörungen reanimiert werden mußten. Sehr vorzeitig einfallende ventrikuläre Extrasystolen im Sinne eines R-aufT-Phänomens haben nur im akuten Stadium eines Myokardinfarkts eine besondere prognostische Bedeutung, da sie in dieser Situation relativ häufig Kammertachykardien und Kammerflimmem auslösen können. Im chronischen Stadium der koronaren Herzkrankheit dagegen geht von sehr vorzeitig einfallenden ventrikulären Extrasystolen keine größere Gefährdung aus. Nach der koronaren Herzkrankheit kommt der dilatativen Kardiomyopathie die größte Bedeutung zu. Die davon betroffenen Patienten sind ebenfalls durch den plötzlichen Herztod in besonderem Maße gefährdet. Auch hier ist das Risiko um so höher, je stärker die linksventrikuläre Funktion eingeschränkt ist (Herzinsuffizienz Grad III bis IV, Auswurffraktion unter 40%) und je häufiger spontan ventrikuläre Paare, Salven oder Tachykardien auftreten. Andere kardiale Grundkrankheiten, wie die hypertrophe Kardiomyopathie, Aortenklappenfehler und das Mitralklappenprolapssyndrom gehen ebenfalls mit einer erhöhten Rate plötzlicher Todesfälle einher. Jedoch liegt deren Häufigkeit unter 1 bis 2% pro Jahr, weshalb eine erfolgversprechende Prophylaxe hier praktisch unmöglich ist. Allenfalls kommt sie in

Die Gefährdung ist um so höher, je stärker die linksventrikuläre Funktion einge-schränkt ist. Hinweisende Warnarrhythmien sind die repetitiven Arrhythmieformen (gepaarte oder salvenförmig einfallende ventrikuläre Extrasystolen, Kammertachykardien). Erhöhte Gefährdung in den ersten 6 Monaten nach Infarkt

Gefährdung ferner nach Synkopen Ventrikuläre Extrasystolen haben nur im akuten Stadium des Infarktes prognostische Bedeutung Auslösung von Kammerflimmern

- Gefährdung durch dilatative Kardiomyopathie

ferner durch (Häufigkeit 1-2%): - hypertrophe Kardiomyopathie - Aortenklappenfehler - Mitralklappenprolapssyndrom

Herzrhythmusstörungen Frage, wenn die Ventrikelfunktion deutlich eingeschränkt ist und häufige spontane Rhythmusstörungen auftreten oder die Betroffenen bereits einmal einen arrhythmiebedingten Kreislaufstillstand erlebt haben. Als gefährdete Personengruppen gelten darüber hinaus solche, die eine deutlich verlängerte QT-Dauer im E K G aufweisen und häufige spontane Rhythmusstörungen haben. Menschen ohne faßbare kardiale Grundkrankheiten und ohne Synkopen in der Anamnese, die keiner der erwähnten Gruppen zuzuordnen sind, gelten als nicht gefährdet, auch wenn sie häufige komplexe tachykarde ventrikuläre Rhythmusstörungen haben. Als weiterer Hinweis auf eine potentielle Gefährdung durch maligne tachykarde Rhythmusstörungen gilt neuerdings der Nachweis sogenannter Spätpotentiale mittels Registrierung eines hochverstärkten E K G von der Körperoberfläche. Dabei handelt es sich um sehr kleine Potentiale (im Mikrovolt-Bereich), die im ST-Segment nach Beendigung des QRS-Komplexes auftreten. Sie weisen auf eine Inhomogenität der Erregungsausbreitung hin, die eine der Voraussetzungen für die Entstehung kreisender Erregungen in den Ventrikeln darstellt. Ansatzpunkte für die Prävention des plötzlichen Herztodes ergeben sich primär bei der Prävention der koronaren Herzkrankheit und bei deren gezielter Diagnostik und Behandlung. Der Versuch einer medikamentösen Prophylaxe, etwa durch Antiarrhythmika, kann bei Patienten mit schwerwiegender kardialer Grundkrankheit (insbesondere der koronaren Herzkrankheit) sinnvoll sein, sofern die linksventrikuläre Funktion höhergradig eingeschränkt ist und häufige und/oder komplexe tachykarde ventrikuläre Rhythmusstörungen vorhanden sind.

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deutlich verlängerte QT-Dauer mit häufigen spontanen Rhythmusstörungen

Spätpotentiale kreisende Erregung in den Ventrikeln

Prävention: durch Vorbeugung der koronaren Herzkrankheit

3.8 Behandlung von Rhythmusstörungen

Behandlung von Rhythmusstörungen

Prinzipiell gibt es zwei Ziele der antiarrhythmischen Therapie: 1. die Beseitigung von Symptomen, sofern sie arrhythmiebedingt sind, 2. die Verbesserung der Prognose, sofern sie durch Herzrhythmusstörungen beeinträchtigt ist. Die Indikationsstellung ist in den vorangehenden Abschnitten ausführlich besprochen worden. Im folgenden werden Hinweise zur praktischen Durchführung der antiarrhythmischen Therapie gegeben.

Die Behandlung tachykarder Rhythmusstörungen ist indiziert - zur Beseitigung arrhythmiebedingter Symptome oder - zur Verbesserung der Prognose, sofern diese durch Herzrhythmusstörungen beeinträchtigt ist.

3.8.1 Antiarrhythmika

Antiarrhythm ika

Antiarrhythmisch wirkende Medikamente lassen sich aufgrund ihrer elektrophysiologischen Eigenschaften in vier verschiedene Klassen einteilen (Tab. II-3). Da der Zuordnung zu den einzelnen Klassen auch das Wirkprofil und der Wirkort im Reizleitungssystem entsprechen, kann mit Einschränkung auch ein schematisches Vorgehen bei der medikamentösen Behandlung von Herzrhythmusstörungen angegeben werden (Tab. II-4). Voraussetzungen für eine solche Therapie sind zunächst die exakte Diagnose einer Herzrhythmusstörung und die Bestimmung des Ursprungsortes im Einzelfall. Zu berücksichtigen ist ferner die Tatsache, daß sämtliche Antiarrhythmika eine negativ-inotrope Nebenwirkung haben. Diese ist insofern von Bedeutung, als viele der behandlungsbedürftigen Patienten bereits unter einer Herzinsuffizienz leiden. • Die Dosierung von Antiarrhythmika muß im Einzelfall die Pharmakokinetik sowie die Nieren- und Leberfunktion des Patienten berücksichtigen. Von Bedeutung ist darüber hinaus die Tatsache, daß alle Antiarrhythmika aufgrund ihres Wirkmechanismus das Risiko einer paradoxen arrhythmogenen Wirkung beinhalten. Das heißt, daß bei etwa 10 bis 15% der Therapieversuche mit einer Zunahme der Arrhythmieneigung durch das verabfolgte Medikament gerechnet werden muß. Eine solche Aggravation muß im Einzelfall durch entsprechende Therapiekontrolle mittels LangzeitEKG ausgeschlossen werden. Aufgrund der kardialen und extrakardialen

Antiarrhythmika werden aufgrund ihrer elektrophysiologischen Eigenschaften in vier Klassen eingeteilt. Die meisten Antiarrhythmika gehören zur Klasse I. Probleme der antiarrhythmischen Therapie sind: - Nebenwirkungen (paradoxe arrhythmogene Wirkung, negativ-inotrope Wirkung), - hohe Spontanvariabilität.

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

72

Tab.ll-3 Klassifikation der Antiarrhythmika nach ihren elektrophysiologischen Eigenschaften Klasse I:

Direkter Membraneffekt (Membranstabilisierung durch Hemmung des schnellen Natriumkanals)

la:

Leitungsverzögerung, Verlängerung der Aktionspotentialdauer (ζ. B. Chinidin, Disopyramid, Procainamid, Ajmalin - letzteres z.T. auch Ic zugeordnet-)

I b:

Leitungsverzögerung, Verkürzung der Aktionspotentialdauer (z.B. Lidocain, Mexiletin, Tocainid)

Ic:

Leitungsverzögerung, Aktionspotentialdauer unbeeinflußt (z.B. Aprindin, Encainid, Flecainid, Lorcainid, Propafenon)

II:

Sympathicolyse Betarezeptorenblocker (Sotalol besitzt gleichzeitig Klasse III Aktivität)

III:

Verlängerung der Aktionspotentialdauer durch Verlängerung der Repolarisationsphase (z.B. Amiodarone, Sotalol - letzteres gleichzeitig Betarezeptorenblocker -)

IV:

Kalziumantagonismus (Kalziumantagonisten vom VerapamilTyp und Diltiazem)

Tab.ll-4 Differentialtherapie mit Antiarrhythmika unter Berücksichtigung des Ursprungsortes der Arrhythmie Ursprungsort

Monotherapie

Alternativen

Kombinationsmöglichkeiten

Vorhof

laoderlc*

II oder IV (III)*

Ia oder Ic* + Digitalis, II oder IV

AV-Knoten

IV

II oder Ic* (III)*

(ll + IV)*

Kammer

lc*oderla

I b, (III)*

I + II, (I + III)*

* die in Klammern aufgeführten Antiarrhythmika und Kombinationen werden wegen ihres erhöhten Nebenwirkungsrisikos nicht zur allgemeinen Anwendung empfohlen. Ihre Verwendung erfordert strenge Indikationsstellung und gewöhnlich in der Einstellungsphase klinische Überwachung (betrifft in Klasse III nur Amiodarone). Für Tocainid wurden vom Bundesgesundheitsamt besondere Einschränkungen der Indikation verfügt. Die Therapiekontrolle erfolgt mittels 24Stunden-Langzeit-EKG. Eine wirksame antiarrhythmische Behandlung muß die Häufigkeitventrikulärer Extrasystolen um mindestens 80%, die der gepaarten ventrikulären Extrasystolen um mindestens 90% und die der ventrikulären Salven und Kammertachykardien um 100% reduzieren.

Bei besonders gefährdeten Patienten kann eine invasive Arrhythmie-Diagnostik mittels programmierter Ventrikelstimulation sinnvoll sein: 1. zur Identifikation von Risikopatienten, 2. zur Therapiekontrolle. Alternative Therapieformen für hochgefährdete Patienten, insbesondere bei Versagen der medikamentösen Behandlung:

N e b e n w i r k u n g von Antiarrhythmika sollte eine antiarrhythmische D a u e r therapie nur fortgeführt werden, wenn • sie individuell gut vertragen wird, • eine p a r a d o x e a r r h y t h m o g e n e N e b e n w i r k u n g ausgeschlossen ist, • d a r ü b e r hinaus durch das M e d i k a m e n t eine R e d u k t i o n der spontanen Arrhythmieneigung erreicht wird. • Hierzu ist es notwendig, w ä h r e n d der Therapiekontrolle mittels 24-Stunden-Langzeit-EKG eine ü b e r 80% ige R e d u k t i o n der ventrikulären Extrasystolen und eine über 90% ige R e d u k t i o n der ventrikulären Paare geg e n ü b e r d e m Ausgangsbefund zu d o k u m e n t i e r e n . Ventrikuläre Salven und Tachykardien sollten unter T h e r a p i e vollständig unterdrückt sein. Bei besonders gefährdeten Patienten kann der T h e r a p i e e f f e k t auch mittels programmierter Ventrikelstimulation ü b e r p r ü f t werden. D a b e i ist die erfolgreiche Behandlung an der nicht m e h r v o r h a n d e n e n Auslösbarkeit anhaltender ventrikulärer Tachykardien erkennbar. Bei T h e r a p i e r e f r a k t ä r i t ä t tachykarder Rhythmusstörungen ist es nicht sinnvoll, eine nicht effektive medikamentöse T h e r a p i e f o r t z u f ü h r e n , da sich hierdurch die Prognose der Patienten sicher nicht verbessern läßt. In diesen Fällen müssen alternative T h e r a p i e f o r m e n erwogen werden, die erwiesenermaßen in der Lage sind, die Prognose hoch gefährdeter Patienten zu verbessern:

Herzrhythmusstörungen 1. implantierbarer Defibrillator, 2. Elektrokoagulation arrhythmogener Bezirke in den Ventrikeln mittels Kathetertechnik, 3. Resektion arrhythmogenen Gewebes durch Operation am offenen Herzen. Arrhythmien mit Ursprung im Vorhof lassen sich gewöhnlich mit Antiarrhythmika der Klassen Ia oder Ic unterdrücken. Eine Kombination mit Digitalis oder Kalziumantagonisten kann sinnvoll sein. Gelingt eine Unterdrückung der Vorhofarrhythmien nicht, besteht die Möglichkeit, die AV-Überleitung durch Digitalis, Beta-Rezeptoren-Blocker oder Kalziumantagonisten zu verzögern und damit die Auswirkungen der Rhythmusstörung auf die Kammern zu reduzieren. Rhythmusstörungen mit Ursprung im AV-Knoten lassen sich in der Regel durch Klasse-Ic-Antiarrhythmika, Beta-Rezeptoren-Blocker oder Kalziumantagonisten unterdrücken. Auch hier kann die Kombination mit Digitalis sinnvoll sein. Rhythmusstörungen mit Ursprung in den Kammern lassen sich durch Antiarrhythmika der Klasse I unterdrücken, wobei aufgrund der Wirksamkeit und des Nebenwirkungsrisikos Mittel der Klasse Ic häufiger eingesetzt werden als die übrigen. Die Kombination mit Beta-Rezeptoren-Blockern in niedriger Dosierung kann sinnvoll sein. Eine Sonderstellung haben Antiarrhythmika der Klasse III, da sie sowohl im Vorhof als auch im AV-Knoten und auf Ventrikelebene wirksam sind. Das Amiodarone zeichnet sich durch besonders gute Wirksamkeit aus, ist jedoch durch zahlreiche Nebenwirkungen belastet. In Notfallsituationen und zur Behandlung therapierefraktärer tachykarder Rhythmusstörungen bei Vorhofflimmern, ventrikulären Tachykardien und Kammerflimmern kann eine elektrische Kardioversion oder Defibrillation sinnvoll sein. Dabei wird in Kurznarkose an der Körperoberfläche über dem Herzen ein Gleichstromstoß appliziert. Dieser führt zu einer Depolarisation sämtlicher Zellen im Myokard und im Reizleitungssystem. Anschließend ist es meist der Sinusknoten, der aufgrund seiner besonderen elektrophysiologischen Eigenschaften die Schrittmacherfunktion wieder übernimmt, wodurch der Sinusrhythmus wieder etabliert wird.

73 1. implantierbarer Defibrillator, 2. Elektrokoagulation arrhythmogener Bezirke (Katheterabiation), 3. antiarrhythmische Chirurgie (Endokardresektion).

In Notfallsituationen können therapierefraktäre tachykarde Rhythmusstörungen durch Kardioversion oder Defibrillation beendet werden.

3.8.2 Herzschrittmacher

Herzschrittmacher

Diese Therapieform ist indiziert bei Patienten mit symptomatischer sinuatrialer Erkrankung oder höhergradiger AV-Blockierung, sofern diese nicht passager im Rahmen eines akuten Myokardinfarktes auftreten und nicht medikamentös bedingt sind. Die Herzschrittmacherimplantation ist ein sehr risikoarmer Eingriff, der gewöhnlich in Lokalanästhesie vorgenommen wird. Die Schrittmacherelektrode wird hierbei Uber eine Vene (meist V. cephalica) in das rechte Herz vorgeführt. Je nach Erkrankung wird sie entweder im Vorhof oder im Ventrikel verankert. Das distale Ende wird mit dem subkutan implantierten Herzschrittmacher konnektiert. Es stehen Geräte zur Verfügung, die entweder die Vorhöfe, die Ventrikel oder beide sequentiell stimulieren. Es werden ausschließlich Bedarfsschrittmacher verwendet, die das Herz nur stimulieren, wenn eine bestimmte Eigenfrequenz unterschritten wird. Die Stimulationsbedingungen sind nach Implantation durch Verwendung spezieller Programmiegreräte variabel einstellbar. Neuerdings finden zunehmend Herzschrittmacher Anwendung, die in gewissen Grenzen eine automatische Anpassung der Stimulationsfrequenz an die körperliche Aktivität des Patienten vornehmen. Für diese Frequenzadaptation sind Regelkreise entwickelt worden, die die Atemfrequenz, die Körpertemperatur oder andere Parameter der körperlichen Aktivität erfassen und in entsprechende Algorithmen einbringen. Die durchschnittliche Funktionsdauer von Herzschrittmachern beträgt zur Zeit etwa 6 bis 10 Jahre. Sie wird durch die Kapazität der im Gerät vorhandenen Batterien begrenzt.

Ist indiziert bei Patienten mit symptomatischer sinuatrialer Erkrankung (SABlock) oder höhergradiger AV-Blockierung, sofern diese weder ischämie- noch medikamentenbedingt sind. Es gibt Herzschrittmacher, die entweder die Vorhöfe, die Ventrikel oder beide sequentiell stimulieren. Neuerdings verwendet man auch Herzschrittmacher, die die Stimulationsfrequenz an die körperliche Aktivität des Patienten anpassen können.

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

74 Koronare Herzkrankheit

4 Koronare Herzkrankheit J. Wagner

4.1 P a t h o p h y s i o l o g i e Definition

Definition Bei der Koronarinsuffizienz vermag das Herzkranzgefäßsystem seine Aufgabe, den Herzmuskel ausreichend mit Sauerstoff und Substraten zu versorgen, passager oder ständig nicht mehr zu erfüllen. Herzinfarkt und Angina pectoris vera sind Krankheitsbilder, denen eine Koronarinsuffizienz zugrunde liegt und die nur ein gradueller Unterschied voneinander trennt. Beide pathophysiologischen Zustandsbilder sind jedoch nicht zwangsläufig miteinander gekoppelt. So gibt es Patienten mit Herzinfarkt ohne Angina pectoris und andererseits Patienten, die über 10 Jahre und länger unter einer Angina pectoris leiden, ohne einen Herzinfarkt zu erleiden. Betrachtet man den Herzinfarkt und die Angina pectoris als spezielle Ereignisse innerhalb verschiedener Verlaufsformen der Koronarinsuffizienz, so ist für die Pathogenese dieser Erscheinungsformen festzustellen: Die stenosierenden Gefäße und die daraus erwachsenden Komplikationen sind die Basisveränderungen. Auf diesem Boden wirken zusätzlich mehr oder weniger akut & funktionelle Störungen als auslösende Momente für die Angina pectoris und den Herzinfarkt. Diese hinzutretenden pathophysiologischen Funktionsabläufe, die die Angina pectoris oder den Herzinfarkt auslösen, geben viele noch ungelöste Fragen auf. Die Antworten haben trotz aller Bemühungen noch immer überwiegend hypothetischen Charakter.

Besonderheiten des Koronarkreislaufes

4.2 B e s o n d e r h e i t e n des Koronarkreislaufes Engergiebedarf und Energieversorgung des Herzens weisen einige Besonderheiten auf: a) Der 0 2 -Verbrauch ist hoch (7 bis 10 ml/100 g/min, Ruhebedingungen). b) Die Koronardurchblutung beträgt etwa 80 ml/100 g/min. c) Die Sauerstoffausnutzung des koronaren Blutes ist sehr hoch (65-75%, Ruhebedingungen). d) Die arteriovenöse Sauerstoffdifferenz beträgt etwa 10 bis 12 Vol.-%. e) Das Herz ist das Organ mit der größten Sauerstoffextraktion. Die Sauerstoffreserve des Myokards reicht nur für einige Kontraktionen aus. In diesem Zusammenhang ist es von Wichtigkeit zu wissen: Das Blut benötigt im Durchschnitt vier Herzzyklen, um vom Koronararterienostium in der Aorta bis zum Koronarsinus zu gelangen. Nach weiteren zwei Zyklen ist ζ. B. das Kontrastmittel auch aus den Halsvenen verschwunden, so daß sich Kontrastmittel im Koronarkreislauf insgesamt nur über sechs Herzaktionen nachweisen läßt.

4.3 K o r o n a r r e g u l a t i o n Da eine höhere Sauerstoffausschöpfung des Koronarblutes nicht erfolgen kann, ist ein erhöhter -bedarf nur über eine Zunahme der Durchblutung zu decken.

Koronare Herzkrankheit

75

Man unterscheidet zwei unterschiedliche Mechanismen der K o r o n a r r e gulation: a) physikalische, b) biochemische.

Zwei Regulationsmechanismen bei der Koronardurchblutung

Physikalische Mechanismen der Regulation: Die treibende Kraft der Durchblutung in den K o r o n a r g e f ä ß e n ist der arteriovenöse Druckgradient zwischen A o r t a ascendens und d e m Sinus coronarius. Die H ö h e der K o r o n a r d u r c h b l u t u n g wird somit wesentlich vom Strömungswiderstand bestimmt. D e r Strömungswiderstand unterliegt sowohl aktiven als auch passiven Veränderungen. Durch aktive Variationen des Arteriolentonus wird die vasale Komponente des Koronarwiderstandes anhaltend beeinflußt. Weiterhin unterliegt der Koronarwiderstand rhythmischen Schwankungen infolge des ständig wechselnden Kontraktionszustandes des Herzmuskels. Diese K o m p o n e n t e des Koronarwiderstandes wird als extravaskulärer oder myokardialer Widerstand bezeichnet. Bestimmend f ü r den phasischen K o r o n a r f l u ß ist der Wanddruck des Myokards. Es besteht ein intramuraler Druckgradient vom Endokard zum Epikard, der die b e s o n d e r e G e f ä h r d u n g der Innenschichten bei k o r o n a r e n Durchblutungsstörungen erklärt. D e r arterielle Einstrom wird systolisch in den isovolumetrischen Kontraktionsphasen gehemmt. D a s Maximum des Einstromes liegt protodiastolisch, während der Ausstrom am E n d e der Systole ein Maximum erreicht. D e r N e t t o e f f e k t der M y o k a r d k o n t r a k t i o n auf die Koronardurchblutung, d . h . die S u m m e aus systolischer H e m m u n g und diastolischer Förderung, ist in ihrem genauen A u s m a ß noch immer umstritten. E i n e Steigerung der H e r z f r e q u e n z hat beim K o r o n a r g e s u n d e n in der Regel keinen Einfluß auf den extravaskulär bedingten Strömungswiderstand. Eigentlich reguliert also die vaskuläre K o m p o n e n t e den G e f ä ß widerstand wie auch in den anderen K ö r p e r r e g i o n e n , während die myokardiale W i d e r s t a n d s k o m p o n e n t e vom Kontraktionsablauf abhängt und erst unter pathologischen Bedingungen an B e d e u t u n g gewinnt. Die unter physiologischen Bedingungen v o r k o m m e n d e n arteriellen D r u c k ä n d e r u n gen k ö n n e n die am Menschen nachgewiesenen Steigerungen der Koronardurchblutung auf das Vier- bis Sechsfache nicht erklären. Hier müssen weitere Regulationsmechanismen wirksam sein, die einen derartigen Anstieg verursachen.

Physikalische Mechanismen: Arterio-venöser Druckgradient Strömungswiderstand (aktive und passive Veränderungen) Rhythmische Schwankungen: - extravaskuläre Widerstands komponente - vaskuläre Widerstandskomponente - Herzfrequenz - Blutdruck

Biochemische Mechanismen der Regulation: Da die erhebliche Steigerung der K o r o n a r d u r c h b l u t u n g nicht auf Druckveränderungen allein b e r u h e n kann, muß die Regelung über aktive Ä n d e rungen des Vasomotorentonus der K o r o n a r g e f ä ß e laufen (Koronarreser-

Definition U n t e r K o r o n a r r e s e r v e versteht man d e n maximal möglichen Zuwachs des k o r o n a r e n Sauerstoffangebotes gegenüber dem R u h e w e r t o h n e Änderung des Systemdruckes und der H e r z f r e q u e n z , d. h. also eine maximale S e n k u n g der vaskulären Widerstandskomponente. Die Vasomotorik steht vor allem unter metabolischen, aber auch nervalen und h o r m o n a l e n Einflüssen. Bei v e r m e h r t e r Herzarbeit m u ß der Herzmuskel m e h r Energie umsetzen. D e r gesteigerte Myokardstoffwechsel führt zu einer h ö h e r e n K o r o n a r d u r c h b l u t u n g mit einer e r h ö h t e n Sauerstoff- und Substratzufuhr. Dieser Regelmechanismus wird nach Brettschneider als lokalmetabolische Regulation der K o r o n a r d u r c h b l u t u n g bezeichnet. Adenosin wirkt als Mittler zwischen myokardialem Energiestoffwechsel und der K o r o n a r d u r c h b l u t u n g innerhalb der metabolischen Steuerung der Vasomotorik. Es entsteht aus d e m in der hypoxischen Myokardzelle anfallenden Adenosintriphosphat (ATP). Andererseits ist ein geringer Sauerstoffverbrauch mit einem h o h e n Kreatin-Phosphatgehalt (KP) im M y o k a r d korreliert. Adenosin ist gut p e r m e a b e l .

Definition der Koronarreserve

Metabolische Regulation: Adenosin wirkt als Mittler zwischen myokardialem Energiestoffwechsel und der Koronardurchblutung innerhalb der metabolischen Steuerung der Vasomotorik.

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II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

Abb. 11-21 Vereinfachte schematische Darstellung des Adenosinstoffwechsels sein Abbauprodukt (Abb. 11-21). Gestörte Regulation bei der Koronarinsuffizienz: - Lokale metabolische Regulation unzureichend (Stenose) - Zerfall energiereicher Phosphate - Glykolyse - Verlangsamte Kontraktion - Herabgesetzte Relaxationsgeschwindigkeit - Erhöhter enddiastolischer Druck linksventrikulär - Zunahme der extravaskulären Widerstandskomponente - Lokale Herzmuskelnekrose (Herzinfarkt) - Spasmus als mögliche Ursache einer gestörten Koronarregulation

Inosin wirkt im Koronargefäßsystem

erweiternd

4.3.1 Gestörte Regulation bei der Koronarinsuffizienz Wenn bei einer Koronarinsuffizienz im Schmerzanfall Herzfrequenz und Systemblutdruck ansteigen, wird die Diastolendauer verkürzt. Da der arterielle Einstrom hauptsächlich während der Diastole erfolgt, kommt es zwangsläufig zu einem verminderten Sauerstoffangebot. Eine ausreichende Kompensation durch Senkung des Koronarwiderstandes ist nicht möglich, da die anatomischen Hindernisse in Form von Stenosen und arteriosklerotischen Plaques dies verhindern. Daher kann die lokale metabolische Koronarregulation nicht ausreichend greifen. Es kommt zu einem Zerfall energiereicher Phosphate und zur Glykolyse. Hierzu tritt eine verlangsamte Kontraktion des Myokards sowie eine relativ herabgesetzte Relaxationsgeschwindigkeit. Der enddiastolische Druck im linken Ventrikel steigt über die Norm an, wodurch die extravaskuläre Widerstandskomponente zunimmt und die Koronardurchblutung weiter sinkt. Es entwickelt sich ein Circulus vitiosus, der zur lokalen Herzmuskelnekrose, also zum Herzinfarkt führen kann, wenn er nicht z.B. durch therapeutische Maßnahmen durchbrochen wird. Die zuletzt beschriebenen Vorgänge entsprechen denen einer muskulären Kontraktionsinsuffizienz· Der letzte Schritt entspricht der klinischen Erfahrung, daß Herzinfarktpatienten, wenn sie nicht den Herzrhythmustod sterben, an den Folgen einer muskulären Kontraktionsinsuffizienz ad exitum kommen. Von Maseri wurde der schon lange vermutete Koronarspasmus koronarographisch in der ersten Hälfte der 70er Jahre nachgewiesen. Ein derartiger Koronarspasmus, der nach dem bisherigen Wissen in der Regel nur an größeren Koronargefäßabschnitten auftritt, bewirkt eine Fehlregulation im Koronarkreislauf. Durch einen derartigen Spasmus wird ebenfalls ein Schmerzanfall ausgelöst, so daß Herzfrequenz und Systemblutdruck weiter ansteigen. Die Diastolendauer wird verkürzt, das Ö 2 -Angebot vermindert und der Koronarwiderstand eben durch den Spasmus erhöht. Die Folgen sind die gleichen wie bei anatomisch fixierten Stenosen. Es kommt zum Zerfall energiereicher Phosphate wie im oben beschriebe-

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Koronare Herzkrankheit nen Circulus vitiosus. Die Häufigkeit eines Koronarspasmus ist umstritten. Z u r Zeit führt man pektanginöse Anfälle zu höchsten 15% darauf zurück. Möglicherweise ist der Spasmus an anatomisch fixierten Stenosen, also im Bereich arteriosklerotischer Plaques, besonders wirksam. Bei einseitiger Einengung des K o r o n a r g e f ä ß l u m e n s k ö n n e n im wesentlichen unbeeinträchtigte Wandbezirke auf der gegenüberliegenden Seite zu einer Tonusv e r m e h r u n g beitragen. D u r c h diesen Mechanismus wird die präformierte Stenose kritisch verengt. D a s Endothel trägt einen wesentlichen Beitrag zur Regulierung des Gefäßtonus bei. Es fungiert nicht nur als Diffusionsbarriere, sondern dient unter a n d e r e m als antithrombotische Oberfläche und ist beteiligt an der Aufrechterhaltung des Gleichgewichtes zwischen Koagulation und Fibrinolyse. Eine ganze R e i h e von vasoaktiven Substanzen werden vom E n d o t h e l gebildet, gespeichert oder inaktiviert. N e b e n den synthetisierenden, sekretorischen und inaktivierenden Funktionen spielt das G e f ä ß e n d o t h e l eine bestimmende Rolle in der Modulation des lokalen Gefäßtonus. Ein vom Endothel freigesetzter F a k t o r EDRF (endothelium derived vascular relaxant factor) vermittelt über die Stimulation der Guanylat-Zyklase eine Erh ö h u n g der c-GMP mit der Folge einer Relaxation der glatten Gefäßmuskulatur. Stickoxid (NO) wurde kürzlich als ein solcher Mediator identifiziert. Endothelabhängige Dilatationen werden durch verschiedene Stimuli, die Erhöhung des Blutflusses (Schwerkraftänderung), intravasale Hypoxie sowie eine R e i h e von körpereigene Substanzen (Azetylcholin, Histamin, Serotonin, Noradrenalin, Bradykinin, ATP, ADP, Thrombin u.a.) ausgelöst. Bei intaktem Endothel resultieren aus diesen Interaktionen als vasomotorische N e t t o e f f e k t e eine verstärkte Dilatation o d e r die Abschwächung von konstriktorischen Antworten. Ist das Endothel dagegen funktionell geschädigt, ζ. B. durch arteriosklerotische Plaques, so treten verstärkte Vasokonstriktionen auf. Die spastische Angina pectoris als klinischer Ausdruck so erfolgter myokardialer Ischämie läßt sich auf diesem Wege pathophysiologisch erklären.

4.3.2 Gestörte Funktion des linken Ventrikels N e b e n der Störung der Koronarperfusion und des Myokardstoffwechsels wird auch die P u m p f u n k t i o n des linken Ventrikels durch die Koronarinsuffizienz beeinträchtigt. Hier besteht ein kausaler Z u s a m m e n h a n g zwischen den beiden erstgenannten P a r a m e t e r n und der Funktionseinschränkung im Ventrikelbereich. D a jedoch zunächst nur umschriebene Bezirke des Ventrikels funktionsuntüchtig werden, sie werden im Echokardiogramm und im L a e v o k a r d i o g r a m m als hypo- oder akinetische Zonen sichtbar, sind Parameter, die die gesamte Funktion des linken Ventrikels erfassen, wie z.B. die P u m p f u n k t i o n oder das Schlagvolumen, der enddiastolische Druck oder das enddiastolische bzw. endsystolische Volumen, zur quantitativen Erfassung dieser regionalen Störungen, die zu d e m eventuell auch nur unter Belastung auftreten, nur in Extremfällen aussagekräftig·

Endothelium derived vascular relaxant factor (EDRF) in seiner Funktion als Vermittler für eine Koronardilatation bei funktionell geschädigtem Endothel (arterio-sklerotische Plaques) gehindert

Gestörte Funktion des linken Ventrikels: Pumpfunktion des linken Ventrikels durch die Koronarinsuffizienz eingeschränkt in Form v o n - regionaler Hypokinesie - regionaler Akinesie - regionaler Dyskinesie

4.4 Klinik der Koronarinsuffizienz Eine Koronarinsuffizienz kann sich klinisch manifestieren: 1. als Angina pectoris, 2. als Herzrhythmusstörung bis zum K a m m e r f l i m m e r n , 3. als Myokardinfarkt. Angina pectoris Man unterscheidet heute drei Formen der Angina pectoris: die typische Angina pectoris, die atypische Angina pectoris und die instabile

Drei klinische Manifestationen der Koronarinsuffizienz: • Angina pectoris • Schwere ventrikuläre Herzrhythmusstörungen • Herzinfarkt

Angina pectoris Drei Angina-pectoris-Formen: • Typische Angina pectoris (Belastungsangina)

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II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

• Atypische Angina pectoris (Ruheangina) • Instabile Angina pectoris (Präinfarktsyndrom)

Angina pectoris bis zum Status anginosus. Alle drei F o r m e n k ö n n e n mit typischen E K G - V e r ä n d e r u n g e n korreliert sein.

Typische Angina pectoris durch: • körperliche Belastung • seelische Belastung • Lagewechsel • Nikotinabusus • Kältereize • Hyperglykämie • Magenüberfüllung • Schlafmangel • sexuelle Erregung • schwierige Defäkation

4.4.1 Typische, stabile Angina pectoris

Schmerzcharakter • dumpfes Druckgefühl • Beklemmung, Einengungsgefühl • thorakales Unbehagen • Brennen • Luftnot • Angst, Todesangst, Vernichtungsgefühl • Übelkeit • stechend, beißend, brennend Lokalisation des pektanginösen Schmerzes: • retrosternal, mittleres und linkes Präkordium • linke Schulter, Ober- und Unterarm, Ellenbogen, Fingerspitzen • selten Schulterblätter, Hals, linker Unterkiefer • bei Hinterwandischämie: oft Epigastrium

D e r akute Angina-pectoris-Anfall wird durch körperliche o d e r seelische Belastung, Lagewechsel, Nikotinabusus, Kältereize, Hyperglykämie, Magenüberfüllung, Schlafmangel, sexuelle Erregung, schwierige Defäkation o d e r auch schmerzhafte Wirbelsäulenaffektionen ausgelöst. Die auslösenden Bedingungen k ö n n e n bei demselben Patienten vielfältig sein, der Schmerzcharakter hingegen ist meist individuell spezifisch und erlaubt d e m Patienten eine unmißverständliche A b g r e n z u n g von anderartigen thorakalen Schmerzzuständen. In vielen Fällen wird ü b e r ein dumpfes Druckgefühl, Beklemmung, Einengungsgefühl, thorakales Unbehagen, Brennen, Luftnot - hierbei insbesondere eine b e h i n d e r t e E i n a t m u n g - , Angst und Übelkeit geklagt. In schweren Fällen dominieren heftige, sich bis zur Todesangst und bis zum Vernichtungsgefühl steigernde Schmerzen, d e r e n Charakter als stechend, drohend, drückend, beißend oder brennend geschildert wird. D e r akute Schmerz zwingt den Patienten zur sofortigen Immobilisation. D i e häufigste Schmerzlokalisation ist retrosternal mit A u s d e h n u n g auf das mittlere und linke Präkordium. O f t bleibt d e r Schmerz thorakal begrenzt, in vielen Fällen strahlt er in typischer Weise in die gesamte obere linke Extremität aus mit Schmerzempfindungen in der linken Schulter, im Ober- und Unterarm, im Ellenbogen, in der dorsalen Seite des Oberarmes und der Hand bis in die Fingerspitzen. N e b e n d e m typischen U r s p r u n g und Ausstrahlungsgebiet wird der Schmerz gelegentlich in beiden o b e r e n Extremitäten, zwischen den Schulterblättern und d e m Hals e m p f u n d e n . Seltenere Schmerzprojektionen sind der Unterkiefer, die untere Zahnreihe, das Gesicht, der Hinterkopf, Nacken und das mittlere und untere Abdomen. Das epigastrische Gebiet deutet häufiger auf den Hinterwandbereich des Herzens als Ausgangsort hin ( A b b . 11-22). Die Angina pectoris überfällt den Patienten stets plötzlich, leichtere Schmerzen und Mißempfindungen können sich innerhalb weniger Minuten bis zum Vernichtungsgefühl steigern. Durch körperliche Belastung induzierte Schmerzen e b b e n bei sofortiger Schonhaltung oft innerhalb von Mi-

23%

Abb. 11-22 Schmerzlokalisation bei Patienten mit Angina pectoris

79

Koronare Herzkrankheit nuten wieder ab. Hingegen halten psychisch ausgelöste Schmerzen, abhängig von der emotionalen Situation, oftmals wesentlich länger an. Die Anfallsfrequenz variiert erheblich, in vielen Fällen wird nicht mehr als ein Angina-pectoris-Anfall pro Woche registriert, in schwereren Fällen treten mehrere Schmerzanfälle pro Tag auf. Es gibt Patienten, die wegen ihrer gehäuften Anfälle bis zu 30 Kapseln Nitrolingual pro Tag verbrauchen. Meistens hält der Anfall nicht länger als 10 Minuten an.

4.4.2 Atypische Angina pectoris

Atypische Angina pectoris durch:

Diese Form der Angina pectoris wurde erstmals von Prinzmetal beschrieben. Sie tritt im Gegensatz zu der typischen Angina pectoris bereits unter Ruhebedingungen mit heftiger und länger andauernder Schmerzintensität auf. Die Ansprechbarkeit auf Nitroglyzerin ist nicht immer gegeben. Kalziumantagonisten richten hier mehr aus. Die typischen EKG-Zeichen sind im Gegensatz zu der typischen Angina pectoris eine ST-Streckenhebung, eine monophasische QRS-Deformierung und gelegentlich eine R-Reduktion während des Schmerzanfalls. ST-Streckensenkungen werden im Anfall nicht beobachtet. Hingegen kann das Belastungs-EKG typische ST-Strekkensenkungen aufweisen. Man nimmt heute an, daß diese Form der Angina pectoris auf Spasmen zurückzuführen ist, die möglicherweise insbesondere exzentrisch liegende Stenosen innerhalb des Koronarsystems vorübergehend subtotal verengen (Abb. 11-23). Da das E K G dem des Herzinfarkts zunächst weitgehend gleicht, kann häufig die richtige Diagnose erst nachträglich gestellt werden, wenn sich das E K G wieder normalisiert hat und die Enzyme keine Veränderungen aufweisen.

Koronarspasmen im Bereich exzentrischer Stenosen Atypische Angina pectoris unter Ruhebedingungen Im EKG: ST-Streckenhebung

Abb. 11-23 Schematisch: a exzentrische Koronarstenose, b konzentrische Koronarstenose im Quer- und Längsschnitt

4.4.3 Instabile Angina pectoris

Instabile Angina pectoris:

Die dritte Form der Angina pectoris ist eine Steigerung der stabilen Angina pectoris. Wenn bei einer stabilen Angina pectoris die Anfälle häufiger, intensiver, länger und leichter auslösbar werden und auf Nitroglyzerin zunehmend schlechter ansprechen, ist sie zur instabilen Form der Angina pectoris zu rechnen. Typisch für diese Verlaufsform ist das Auftreten von Ruhe- und Nachtschmerzen bis hin zum Status anginosus. Hier leitet die Symptomatologie zum Herzinfarkt über. Ursächlich liegt dieser Verlaufsform der Angina pectoris eine Zunahme der Koronarsklerosierung bis hin zur beginnenden Thrombusbildung zugrunde. Das Beschwerdebild dieser instabilen oder Crescendo-Angina pectoris ist daher klinisch zwischen typischer, atypischer Angina pectoris und dem akuten Myokardinfarkt einzuordnen. Be-

Steigerung der stabilen Angina pectorisAnfälle: • häufiger • intensiver • länger • leichter auslösbar • schlechter auf Nitroglyzerin ansprechbar Instabile Angina pectoris = CrescendoAngina pectoris = Präinfarktsyndrom

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

80

schwerden im Sinne der instabilen Angina pectoris treten bis zu 80% der Fälle in den Wochen vor dem akuten Myokardinfarkt auf, weswegen diese Angina-pectoris-Form auch unter dem Begriff des Präinfarktsyndroms zusammengefaßt wird. Jeder Angina-pectoris-Anfall, der länger als 20 Minuten anhält, ist herzinfarktverdächtig.

4.4.4 Herzrhythmusstörungen und koronare Herzkrankheit Die Koronarinsuffizienz kann fast alle Herzrhythmusstörungen verursachen.

Sämtliche Formen der bradykarden und tachykarden Herzrhythmusstörungen, mit Ausnahme der Präexzitationssyndrome, können als Ursache eine Koronarinsuffizienz haben. Da es andererseits keine spezifischen Herzrhythmusstörungen als Korrelat für die koronare Herzkrankheit gibt, verweisen wir in diesem Zusammenhang auf das Kapitel II.3.

Diagnostik der KHK

4.5 D i a g n o s t i k d e r k o r o n a r e n H e r z k r a n k h e i t Liegt eine Koronarinsuffizienz ohne Herzinfarkt vor, kann man sich neben der häufig nicht eindeutigen Klinik auf eine Palette von diagnostischen Verfahren stützen.

Belastungs-EKG

4.5.1 Belastungs-EKG Die ergometrische Belastungsuntersuchung als nicht-invasive ScreeningMethode hat innerhalb der Diagnostik der koronaren Herzkrankheit einen hohen Stellenwert erlangt. Sinn dieser Untersuchung ist es, die eingeschränkte Koronarreserve mittels einer durch körperliche Belastung ausgelösten Hypoxie nachzuweisen, indem gleichzeitig eine Registrierung des EKGs erfolgt. Zur Belastung stehen verschiedene Methoden zur Wahl, die alle Vor- und Nachteile aufweisen. Häufigste Methode ist die Fahrradergometrie.

Ergometrie

Ergometrie Auf die Ergometrie soll in diesem Zusammenhang nur insoweit eingegangen werden, als sie innerhalb kardiologischer Funktionsdiagnostik Aufschluß über pathologische Reaktionen geben kann.

Indikationen

Indikationen: 1. Beurteilung des Schweregrades einer Koronarinsuffizienz 2. Beurteilung allgemeiner körperlicher Leistungsfähigkeit für die Rehabilitation nach Herzoperationen oder Herzinfarkten 3. Beurteilung der kardialen Leistungsfähigkeit bei Mitralvitien 4. Beweis von belastungsabhängigen Kreislauf-Regulationsstörungen 5. Provokationstest bei vermuteten Herzrhythmusstörungen in Form von belastungsabhängigen Extrasystolen, Rückbildung einer Extrasystolie unter Belastung, Nachweis einer vagotonen Sinusbradykardie oder Verdacht auf ein Sick-Sinus-Syndrom 5. Kontrolle antiarrhythmischer Medikamentenwirkung 7. Kontrolle antihypertensiver Medikamentenwirkung 8. Kontrolle antianginöser koronarer Medikamentenwirkung

Absolute Kontraindikationen

Absolute Kontraindikationen: • frischer Herzinfarkt • Herzinfarktverdacht • instabile Angina pectoris

Koronare Herzkrankheit

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• manifeste Herzinsuffizienz • H e r z w a n d a n e u r y s m a oder A n e u r y s m a der großen G e f ä ß e • entzündliche H e r z e r k r a n k u n g (Endokarditis, Myokarditis, Perikarditis und bei Verdacht auf eine Begleitmyokarditis) • höhergradige Herzrhythmusstörungen (salvenartige o d e r polym o r p h e Extrasystolen, Tachyarrhythmien, ventrikuläre Tachykardien, AV-Block III. G r a d e s ) • valvuläre Aortenstenose • subvalvuläre A o r t e n s t e n o s e (IHSS) • Cor pulmonale mit R u h e d y s p n o e • Bronchospasmus • Lungeninfarkt, akute Embolien • akute Thrombophlebitis • arterielle H y p e r t o n i e mit systolischen Werten über 200 m m Hg und diastolischen Werten ü b e r 110 m m H g • fieberhafter Infekt Relative Kontraindikationen: • • • • • • • • • • •

Vorhofflimmern Vorhofflattern polytope, gehäufte Extrasystolen AV-Block II. G r a d e s kompletter Linksschenkelblock, der frisch entstanden ist bifaszikulärer Block Patient mit einem frequenzfixierten Herzschrittmacher latente Herzinsuffizienz hochgradige Linksherzhypertrophie mit Endteilveränderungen höhergradige A n ä m i e mit Hb-Werten unter 10 g% Gravidität mit gleichzeitig b e s t e h e n d e m Verdacht auf eine Herzerkrankung • periphere Durchblutungsstörungen

Relative Kontraindikationen

Folgende F a k t o r e n können eine ergometrische U n t e r s u c h u n g beeinflussen: • Medikamente • Trainingszustand des Patienten • respiratorische Insuffizienz • nicht e r k a n n t e Infekte • h o r m o n a l e Einflüsse • tageszeitliche und klimatische Einflüsse • Mahlzeiten, Alkohol, Nikotin • E r k r a n k u n g e n des Bewegungsapparates • periphere G e f ä ß e r k r a n k u n g e n • positive oder negative Einstellung des Patienten zur U n t e r s u c h u n g Abbruchkriterien Abbruchkriterien: • Angina pectoris (trotz normalen E K G s ) • körperliche E r s c h ö p f u n g • inadäquate Dyspnoe • Schwindel • Kopfschmerz • Zyanose • Blässe • kalter Schweiß als Zeichen einer Herzinsuffizienz, eventuell in Verbindung mit Dyspnoe • klassische Ischämiezeichen im E K G • Erreichen der jeweils maximalen H e r z f r e q u e n z • b r a d y k a r d e o d e r tachykarde Herzrhythmusstörungen

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II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems • plötzliches Auftreten intraventrikulärer Blockierungen in Form eines Schenkelblockes • Auftreten eines AV-Blockes II. oder III. Grades • Rhythmuswechsel • Abfall der Herzfrequenz oder fehlender Anstieg unter ergometrischer Belastung • Blutdruckanstieg auf systolische Werte über 250 mm Hg oder 130 mm Hg diastolisch • Blutdruckabfall oder fehlender Blutdruckanstieg

Drei Phasen werden unterschieden: - Ausgangs-Ruhephase - Arbeitsphase - Erholungsphase Stufenweise Erhöhung der Wattbelastung um je 25 oder 50 Watt im 2-Minuten-Abstand Dauer der Erholungsphase mindestens 5 min

Ziel der ergometrischen Untersuchung bei Patienten: submaximale Belastung = 85%ige Maximalbelastung

Diese Abbruchkriterien sollten streng beachtet werden, um das Risiko der Untersuchung möglichst gering zu halten. Ergometrische Arbeit kann in verschiedener Form durchgeführt werden: Hand- oder Beinkurbelarbeit im Sitzen oder Liegen. Die Ergometer können mechanisch oder elektrisch gebremst werden, drehzahlabhängig oder unabhängig. Die wohl häufigste Form ist der fahrradergometrische Test im Sitzen. Viele Ärzte führen die Untersuchung jedoch auch am liegenden Patienten durch. Nachteilig beim Übergang aus der senkrechten Körperhaltung zum Liegen ist die erhebliche Verlagerung von Blutvolumen (400 bis 500 ml) aus den unteren Extremitäten in den Thoraxraum. Zudem ist bei adipösen Patienten die Atmung im Liegen erschwert. Andererseits kann man nur im Liegen gleichzeitig eine venöse Herzkatheteruntersuchung mit Messung des Pulmonalarteriendruckes durchführen. Die Arbeit in liegender Position ist anstrengender als im Sitzen und ungewohnt. Daher können im Liegen nur niedrigere Wattzahlen eingesetzt werden. Die Differenz zwischen sitzender und liegender Arbeit liegt bei etwa 25 Watt. Drei Phasen werden bei der ergometrischen Untersuchung unterschieden: Die Ausgangs-Ruhephase, die Arbeitsphase und die Erholungsphase. In der Ausgangs-Ruhephase werden E K G , Herzfrequenz und Blutdruck registriert. In der Arbeitsphase wird eine stufenweise Erhöhung der Tretkurbelarbeit nach jeweils 2minütiger Arbeit im vorher abgeschätzten submaximalen Bereich des jeweiligen Patienten unter Berücksichtigung des Krankheitsbildes durchgeführt. Die stufenweise Erhöhung der Arbeit erfolgt in 25-Watt-, evtl. in 50-Watt-Stufen. Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit zeigen meist zwischen 50 und 125 Watt positive Zeichen im E K G und andere Abbruchkriterien. Die D a u e r der Erholungsphase sollte 5 bis 10 min betragen. Während dieser Zeit werden Blutdruck und Herzfrequenz sowie E K G beobachtet. 3 bis 5 min nach Beendigung der Belastung sollten die Ausgangswerte wieder erreicht sein. Häufig zeigen sich ischämische Zeichen auch erst nach Beendigung der Belastung. Die Dokumentation der drei Phasen sollte auf einem EKG-Monitor und einer fortlaufenden EKG-Registrierung erfolgen. Eine ergometrische Untersuchung bei Herzpatienten strebt nicht eine maximale, sondern eine submaximale Leistung an. Um dieses Ziel zu erreichen, muß von vornherein die Leistungsfähigkeit des Patienten richtig eingeschätzt werden. Unerwünscht sind sowohl eine Unterbelastung, bei der schließlich Beinermüdung ohne ausreichende Belastung des Herz-Kreislauf-Systems eintritt, als auch die Einstellung einer zu hohen Wattzahl, die den Patienten durch Überforderung gefährdet. Es sind daher von Kaltenbach Normwerte erstellt worden, die sich auf die Körperoberfläche beziehen und Alter sowie Geschlecht berücksichtigen. Andere Untersucher wählen statt der Körperoberfläche die Körpergröße. A n h a n d dieser Normwerte kann der Patient unter Berücksichtigung der Schwere der Erkrankung gleichförmig mit derselben Wattstufe über mindestens 6 min belastet werden, oder die Belastungsstufe wird alle 2 min erhöht, in der Regel dreimal hintereinander. Die H ö h e der erreichbaren Herzfrequenz dient als Maß für die maximale Belastbarkeit des Patienten. 85% der altersentsprechenden maximalen Herzfrequenz sollte bei der ergometrischen Untersuchung Koronarkranker erreicht werden. Die Maximalbelastung und die 85%ige Belastung ( = submaximale Belastung) sind altersabhängig.

Koronare Herzkrankheit

83

Beurteilung des EKG: Wenn nach einem unauffälligen A u s g a n g s - R u h e - E K G während o d e r nach der Belastungsphase horizontale oder deszendierende ST-Streckensenkungen von mehr als 0,1 mV in den Extremitätenableitungen und mindestens 0,2 mV in den Brustwandableitungen auftreten, handelt es sich um eine typische Ischämiereaktion. Treten derartige typische ST-Streckensenkungen nur in einer Ableitung auf, m u ß die Belastung verlängert oder erhöht werden, um die A n n a h m e einer koronaren H e r z e r k r a n k u n g zu bestätigen. Weiterhin m u ß beachtet werden, d a ß ST-Streckenveränderungen in den Ableitungen III und a V F allein nicht verwertbar sind, da sie häufig variieren. Eine sogenannte aszendierende ST-Streckensenkung gilt nicht als pathologisch im Sinne einer Koronarinsuffizienz. Eine sogenannte verzögerte ST-Streckensenkung vom aszendierenden Typ dagegen legt den Verdacht der Koronarinsuffizienz n a h e und sollte daher durch längere und h ö h e r e Belastung abgeklärt werden. Die Interpretation der T-Welle ist abhängig von einem vorherigen Herzinfarkt. Ist kein Infarkt vorausgegangen, sollte die T-Welle nicht zur Beurteilung einer Koronarinsuffizienz herangezogen werden. Ist dagegen ein Herzinfarkt durchgemacht worden, gibt eine positive T-Welle einen deutlichen Hinweis auf eine Koronarinsuffizienz (Abb. 11-24). ST-HEBUNG ST-SENKUNG

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Abb. 11-24 ST-Hebung 1 akute Perikarditis, 2 Herzinfarkt 1. Stadium, 3 Aneurysma bei Herzinfarkt, 4 Linksherzhypertrophie

Zur Beurteilung des EKGs: Pathologische Belastungsreaktionen: a) horizontale ST-Streckensenkung unter 0,1 mV b) deszendierende ST-Streckensenkung c) verzögert aszendierende ST-Streckensenkung d) ST-Streckenhebungen über 0,2 mV e) positive T-Welle bei Zustand nach Herzinfarkt f) spät-negatives U Nichtpathologische EKG-Veränderungen: a) verbreiterte T-Welle b) Verkürzung der PQ-Zeit c) Drehung des Hauptvektors nach rechts d) Senkung der ST-Strecke um weniger als 0,1 mV e) aszendierende ST-Streckensenkung f) abgeflachtes oder betontes Τ Beurteilung des Belastungs-EKGs bei pathologischem Ruhe-EKG: 1. Zustand nach Herzinfarkt a) - Ableitung über Infarktbereich - Negativierung eines positiven Τ - Positivierung eines negativen Τ - ST-Hebung mit positivem Τ b) - Ableitung außerhalb des Infarktbereiches - Ischämiereaktion bei Stenose weiterer Koronargefäße 2. Linksschenkelblock und WPWSyndrom Nur spät-negative U-Wellen gelten als Ischämiereaktion 3. Rechtsschenkelblock Linksventrikuläre ST-Streckensenkungen gelten als Ischämiereaktion. 4. Linksherzhypertrophie Nur spät-negative U-Wellen gelten als Ischämiereaktion

Beurteilung des Belastungs-EKGs bei pathologischem Ruhe-EKG: Bei Zustand nach Herzinfarkt ist zu unterscheiden zwischen Ableitungen über dem Infarktbereich, somit den direkten Herzinfarktzeichen, und den Ableitungen außerhalb des Infarktbereiches. Bei den Ableitungen über d e m Infarktbereich ist auf die Negativierung eines positiven Τ zu achten, auf die Positivierung eines negativen Τ sowie auf ST-Streckenhebungen mit positivem T. Bei den Ableitungen a u ß e r h a l b des Infarktbereiches sollte auf Ischämiereaktionen bei Stenosen weiterer K o r o n a r g e f ä ß e geachtet werden. Beim Linksschenkelblock und beim WPW-Syndrom sind nur spätnegative UWellen als Ischämiereaktion zu werten. Beim Rechtsschenkelblock gilt eine linksventrikuläre ST-Streckensenkung als Ischämiereaktion, und bei einer Linksherzhypertrophie gelten nur spät-negative U-Wellen als Ischämiereaktion. Beurteilung der Herzfrequenz: Neben d e m elektrokardiographischen B e f u n d sind H e r z f r e q u e n z und Blutdruck wichtige G r ö ß e n der ergometrischen Untersuchung. Erreicht ein Patient die geforderte submaximale H e r z f r e q u e n z nicht, so kann das entweder an einer zu niedrigen Leistungsstufe, einer zu kurzen Belastungszeit

Beurteilung der Herzfrequenz Unverhältnismäßig hohe Frequenzen bei niedriger Belastung sind typisch für: - Herzklappenfehler - Lungenerkrankungen mit Cor pulmonale

84

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

- Hyperthyreose - Hypertonie Zu geringer Frequenzanstieg unter Belastung bei: - Sick-Sinus-Syndrom - sinuatrialen Blöcken - atrioventrikulären Überleitungsstörungen

o d e r an einer u n g e n ü g e n d e n Mitarbeit des Patienten liegen. In d e r E r h o lungsphase fällt die H e r z f r e q u e n z zunächst schnell, dann langsam ab. In der 5. R u h e - M i n u t e sollte spätestens die A u s g a n g s f r e q u e n z wieder erreicht sein. Unverhältnismäßig hohe Frequenzen bei niedriger Belastung sind typisch f ü r Herzklappenfehler, Lungenerkrankungen mit Cor pulmonale, die Hyperthyreose und die Hypertonie. Ü b e r s c h i e ß e n d e Frequenzanstiege bei zufriedenstellender Leistung d e u t e n auf vegetative Kreislaufstörungen hin. Ein zu geringer Frequenzanstieg läßt an ein Sick-Sinus-Syndrom bei sinuatrialen Blöcken und atrioventrikuläre Überleitungsstörungen denken.

Beurteilung des Blutdruckes Systolische Blutdruckwerte von 250 mmHg und diastolische Blutdruckwerte von 140 mmHg sollten unter Belastungsbedingungen auf keinen Fall überschritten werden.

Beurteilung des Blutdruckes: Z u Beginn der Belastung zeigen systolischer Blutdruck und die Blutdruckamplitude einen raschen Anstieg. Nach einer Weile erhöht sich der Blutdruck nur noch langsam. Nach der Belastung erfolgt zunächst ein schneller, dann immer langsamerer Abfall des systolischen Blutdruckes, der - wie die H e r z f r e q u e n z - nach 5minütiger R u h e p a u s e zu seinem Ausgangswert zurückgekehrt sein sollte. D e r diastolische Blutdruck verhält sich uneinheitlich. Systolische Blutdruckwerte von 250 mmHg und diastolische Druckwerte von 140mmHg sollten unter Belastungsbedingungen nicht überschritten werden. Bei Beachtung der Kontraindikationen und der Abbruchkriterien ist die ergometrische U n t e r s u c h u n g s m e t h o d e relativ ungefährlich. Ihren größten Aussagewert besitzt die Ergometrie in der Diagnostik der k o r o n a r e n Herzkrankheit. Eine zumindest qualitative Aussage hierzu ist in 8 0 - 8 5 % möglich.

Myokardszintigraphie

4.5.2 Myokardszintigraphie mit

201

Thallium

D i e Myokardszintigraphie hat in der Diagnostik der Koronarinsuffizienz in den letzten J a h r e n einen festen Platz erhalten. Diese ebenfalls nicht-invasive M e t h o d e ermöglicht es, insbesondere in der Kombination mit einer Ergometrie, ischämische Bezirke von Narbengewebe zu unterscheiden (Einzelheiten vgl. Kap. II.1.3.9). Koronarangiographie

Sinn der Laevokardiographie ist es, die für die koronare Herzkrankheit typischen regionalen Wandbewegungsstörungen aufzudecken.

4.5.3 Selektive Koronarangiographie und Laevokardiographie U m die therapeutischen Möglichkeiten richtig einschätzen zu können, bedarf es der individuellen Kenntnis d e r K o r o n a r g e f ä ß e und des linken Ventrikels. Dieses ermöglichen die selektive Koronarangiographie und die Laevokardiographie. Hierbei wird Kontrastmittel selektiv in die Koronararterien bzw. bei der Laevokardiographie in den linken Ventrikel injiziert. Die Dreidimensionalität des Herzens und die meist exzentrische Lage der Stenosen ergeben bei Betrachtung der Bilder in einer E b e n e Schwierigkeiten. Deswegen werden Röntgenfilmaufnahmen stets in mehreren Ebenen durchgeführt. Z u j e d e r koronarangiographischen U n t e r s u c h u n g gehört auch eine Laevokardiographie. D e r linke Ventrikel trägt die Hauptlast der P u m p a r b e i t des Herzens. Bei bestehender Koronarinsuffizienz ist diese Arbeit gestört, da die linksventrikuläre Muskulatur infolge der mangelnden Sauerstoffzufuhr über die verschlossenen o d e r verengten K o r o n a r a r t e r i e n bei ihrer Arbeitsleistung beeinträchtigt ist. So können nach einem Herzinfarkt entstandene bindegewebige N a r b e n an der Kontraktion des Myokards nicht teilnehmen. Es bilden sich akinetische oder auch dyskinetische Bezirke. Liegen lediglich eine Mangelversorgung oder kleinere N a r b e n vor, k ö n n e n hypokinetische Bezirke beobachtet werden. Sinn der Laevokardiographie ist also, die f ü r die k o r o n a r e Herzkrankheit typischen regionalen Wandbewegungsstörungen aufzudecken ( A b b . 11-25). Erst ihre Lokalisation läßt z u s a m m e n mit einer Koronarangiographie einen indirekten Schluß auf die Auswirkungen der koronarangiographisch dargestellten Veränderungen zu. Die Aussage des Laevokardiogramms entspricht weitgehend d e m zweidimensionalen echokardiographischen B e f u n d ( A b b . II26). D i e vom Koronargeschehen nicht b e t r o f f e n e n Bereiche k ö n n e n mit einer kompensatorischen Hyperkinesie reagieren.

Koronare Herzkrankheit

85

Abb. 11-25 Schematische Darstellung des linksveritrikulären Cavums. a normale Kontraktion, b Akinesie der Herzspitze, c Dyskinesie (Aneurysma) Lateralwand, d Hypokinesie Als Indikation für eine selektive Koronarangiographie gelten • eine stabile Angina pectoris, • eine typische Angina pectoris bei pathologischem Belastungs-EKG, • ein im Sinne einer Ischämie pathologisches E K G , • ein pathologisches Belastungs-EKG auch ohne Angina pectoris, • Aortenklappenfehler, als Ergänzung der anderen H e r z k a t h e t e r u n t e r s u chungen und Angiographien, • Mitralklappenfehler bei Patienten ü b e r 50 J a h r e als Ergänzung der anderen Herzkatheteruntersuchungen und Angiographien, • chirurgische Eingriffe am Herzen, z.B. A n e u r y s m e k t o m i e n , • Koronarangiographien zu Kontrollzwecken,

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Abb. 11-26 Quantitative,, rechnergestützte Bestimmung von einem kontraktionsgestörten Bereich des linken Ventrikels. Beispiel eines apikalen linksventrikulären Herzwandaneurysmas

Indikationen für eine Koronarangiographie: - instabile Angina pectoris - typische Angina pectoris bei pathologischem Belastungs-EKG - ischämisch pathologisches Ruhe-EKG - pathologisches Belastungs-EKG auch ohne Angina pectoris - Aortenklappenfehler (ergänzend) - Mitralklappenfehler (ergänzend bei Patienten über 50 Jahre) - chirurgische Eingriffe am Herzen - Kontrollzwecke - Darstellung von aortokoronaren Bypässen - bei Verdacht auf Verschluß des Bypass - Frühkoronarangiographie bei frischem Herzinfarkt im Rahmen derThrombolysebehandlung

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

86

Kontraindikationen für eine Koronarangio graphie: - schwere Herzrhythmusstörungen bei terminaler Koronarsklerose und gleichzeitiger manifester Herzinsuffizienz - floride Endo- oder Myokarditis - schwere Nierenerkrankungen - Digitalisintoxikation Myokardinfarkt

• Darstellung von koronaren Bypässen nach Koronaroperationen bei Verdacht auf Verschluß eines Bypass • Frühkoronarangiographien bei frischem Herzinfarkt innerhalb der ersten 3 bis 4 Stunden zur therapeutischen Überwachung bei Thrombolyse. Als Kontraindikationen haben zu gelten • eine schwere Herzrhythmusstörung bei terminaler Koronarsklerose und gleichzeitiger manifester Linksherzinsuffizienz, • eine floride Endo- oder Myokarditis, • eine schwere Nierenerkrankung, • eine Digitalisintoxikation.

4.6 Klinik des Myokardinfarktes 4.6.1 Schmerzen Myokardinfarkte gehen in der Regel mit Schmerzen einher, die sich retrosternal oder präkordial manifestieren und in die linke Schulter und in den linken Arm ausstrahlen. Bei Hinterwandinfarkten finden sich häufiger Schmerzen im epigastrischen Winkel. Neben dem anhaltenden schwer beeinflußbaren Schmerzanfall sind noch andere klinische Größen beim frischen Infarkt auffällig.

4.6.2 Blutdruck Während des initialen Infarktstadiums kann es vorübergehend zu einer Blutdruckerhöhung kommen. Später sinkt der Blutdruck gewöhnlich unter die Norm. Bei systolischen Blutdruckwerten unter 85 mmHg mit entsprechender Symptomatik (blasse, feuchte Haut, schlecht durchblutete Extremitäten, Bewußtseinseintrübung, Schwäche, Oligurie und metabolische Azidose) liegt ein kardiogener Schock vor. Die dabei beobachtete kleine Blutdruckamplitude mit relativ hohem diastolischem Wert ist als Zeichen einer Zentralisation, d.h. eines hohen peripheren Widerstandes, anzusehen.

4.6.3 Herzfrequenz Klinik • Schmerzen wie bei Angina pectoris: intensiver, länger als 20 min • Galopprhythmus, perikardiales Reiben (stundenweise) • Hypertonie -» Hypotonie • Häufig Tachykardie (bei Hinterwandinfarkten zunächst Bradykardie), ektope Rhythmen • Erhöhter Venendruck • Dyspnoe, Orthopnoe, pulmonale Rasselgeräusche -»Linksherzinsuffizienz • Urinausscheidung (< 20 ml/h) -> Niereninsuffizienz (kritisch!)

In der akuten, häufig noch prähospitalen Phase des Herzinfarktes läßt sich insbesondere beim Hinterwandinfarkt häufig eine Bradykardie feststellen. Nach einigen Stunden überwiegen die Tachykardien. Wenn sie im Bereich zwischen 100 und 150/min liegen, sind sie häufig Ausdruck einer Linksherzinsuffizienz. Hohe Frequenzen bedeuten eine Verschlechterung der Prognose. Bei sehr hohen Frequenzen liegt meist keine Sinustachykardie vor, sondern es handelt sich um Kammertachykardien sowie ektope Rhythmen oder auch Schwellenformen der absoluten Arrhythmie.

4.6.4 Venendruck In den meisten Fällen ist der Venendruck im akuten Stadium des Herzinfarktes erhöht. Es ist anzunehmen, daß dabei die Katecholaminausschüttung mit Erhöhung des Venentonus eine wesentliche Rolle spielt.

4.6.5 Auskultationsphänomene am Herzen Das Auftreten eines Galopprhythmus kann als Hinweis für das Vorliegen einer Herzinsuffizienz angesehen werden. Dabei handelt es sich entweder um einen präsystolischen oder um einen protodiastolischen Galopprhythmus. Weiterhin ist nicht selten ein perikardiales Reiben für wenige Stunden auskultierbar.

Koronare Herzkrankheit

87

4.6.6 Lungenbefund Vereinzelte Rasselgeräusche über beiden Basalfeldern können noch nicht als Hinweis auf eine beginnende Linksherzinsuffizienz gewertet werden. Wenn der B e f u n d jedoch mit einer Dyspnoe oder Orthopnoe einhergeht, muß eine Linksherzinsuffizienz a n g e n o m m e n werden. Bei Auskultation von mittel- bis grobblasigen Rasselgeräuschen ist ein beginnendes Lungenödem zu vermuten.

4.6.7 Bestimmung der Urinausscheidung Eine verminderte Urinausscheidung kann im Laufe eines akuten Herzinfarktes als kritisches Zeichen gewertet werden. Im Schock geht die Urinausscheidung auf weniger als 20 ml/Std zurück. Die fortlaufende Messung der stündlichen Urinausscheidung erlaubt eine zuverlässige Beurteilung des Schockzustandes. A m besten sollte gleich bei Einlieferung des Patienten in die Klinik bei drohendem Schock ein Dauerkatheter gelegt werden.

• Metabolische Azidose (pH < 7,3), kardiogener Schock (!) Zwischen ischämischem Angina-pectoris-Anfall und Infarkt existieren fließende Übergänge!

4.6.8 Säure-Basen-Haushalt Die infolge d e r Gewebehypoxydose a u f t r e t e n d e metabolische Azidose ist ein typischer Hinweis auf den drohenden kardiogenen Schockzustand. Bei schweren Schockzuständen k o m m e n pH-Erniedrigungen bis 7,0 vor. Z u s a m m e n f a s s e n d kann gesagt werden, d a ß zwischen d e m ischämischen Angina-pectoris-Anfall und d e m Herzinfarktereignis nur quantitative Unterschiede bestehen.

4.7 Diagnostik des Myokardinfarktes

Diagnostik

Existenz und G r ö ß e eines frischen Infarktes können heute einigermaßen zuverlässig diagnostiziert werden. Basisdiagnostik: A n a m n e s e , Klinik, E K G , Enzyme.

- schwerer pektanginöser Anfall über 20 min - typisches EKG (Lokalisation, zeitlicher Verlauf) - typisches Enzymverhalten

Regel: Ein Myokardinfarkt gilt als sicher, wenn mindestens zwei der folgenden P a r a m e t e r typische Hinweise geben: Klinik, E K G , Enzyme.

4.7.1 Symptomatik Hält ein pektanginöser Anfall über 20 min an und ist durch Nitroglyzeringabe nicht e i n z u d ä m m e n , besteht der Verdacht auf einen frischen Myokardinfarkt, wenn zusätzlich die anamnestischen A n g a b e n das Bild einer instabilen Angina pectoris in den letzten Wochen bei vorher stabiler Angina pectoris ergeben. Im Mittel gehen diese Symptome dem Infarkt 7 bis 10 Tage voraus. Z u Beginn eines Herzinfarktes fehlen Herzschmerzen bei etwa 10 bis 20% der Patienten. 50 bis 60% geben typische Schmerzen im Sinne eines Status anginosus an. Bei weiteren 20 bis 30% der Patienten sind die Beschwerden uncharakteristisch und schwer definierbar. 4.7.2 H e r z i n f a r k t i m E K G Beim Herzinfarkt zeigt das E K G typische formale Veränderungen, die sich nach der Lokalisation des geschädigten Bereiches und d e m zeitlichen Abstand vom Eintreten des Myokardinfarktes unterscheiden lassen ( A b b . II27). Als zweites wichtiges Anzeichen eines Herzinfarktes k ö n n e n sich insbesondere in den ersten 48 Stunden nach dem Infarktbeginn Herzrhythmusstörungen brady- oder tachykarder Art im E K G abzeichnen. Das E K G kann den Untersucher bei der Herzinfarktdiagnostik im Stich lassen, wenn ein Schenkelblockbild, insbesondere das eines Linksschenkelblockes, vorliegt.

Herzinfarkt im EKG

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

88 STADIUM

EKG

1

^

V

-

2

- λ Λ λ ^ -

3

λ/V-

4



^ Abb. II-27 Zeitlicher Verlauf des Herzinfarkt-EKGs

Man unterscheidet direkte von indirekten Infarktreichen. Zeitliche Stadieneinteilung: EKG-Stadium 0: • Erstickungs-T • Τ positiv, hoch, breit EKG-Stadium I: • Q klein • R klein • deutliche monophasische ST-Streckenhebung • Τ positiv EKG-Stadium II: • Q groß • R klein • ST-Hebung rückläufig • Τ spitz-negativ EKG-Stadium III: • Q groß • R höher als im Stadium • ST-Hebung verschwunden • Τ spitz-negativ EKG-Stadium IV: • Q noch groß • R wieder normal groß • keine ST-Hebung, keine ST-Senkung • Τ wieder positiv

Durch den Schenkelblock werden die typischen Infarktzeichen maskiert. Auch Herzinfarkte im Septumbereich sind elektrokardiographisch schwer zu erkennen. Typische formale Veränderungen beim transmuralen Herzinfarkt: Es handelt sich um Veränderungen der Q-Zacke, der R-Zacke, der STStrecke sowie der T-Zacke. Man unterscheidet direkte Infarktzeichen von indirekten Zeichen, wobei die indirekten Infarktzeichen spiegelbildliche Veränderungen in den dem Infarkt gegenüberliegenden Ableitungen zeigen. Im folgenden soll ausschließlich auf die direkten Infarktzeichen eingegangen werden, da sich die diagnostische Beurteilung ganz überwiegend darauf stützt. Man unterscheidet beim Herzinfarkt ein akutes Stadium von einem chronischen Stadium. Beide Stadien können noch einmal in zwei Unterstadien unterteilt werden, so daß man insgesamt eine Einteilung in vier Stadien erhält. Die ersten beiden Stadien entsprechen einem frischen Herzinfarkt und die beiden letzten Stadien einem alten Infarkt. Vor dem ersten Stadium beobachtet man häufig kurzfristig das sogenannte „ Erstikkungs-T", ein hohes positives und verbreitertes T. Im Stadium I ist das Q klein, das R ebenfalls klein. Es finden sich eine deutliche monophasische ST-Streckenhebung und ein positives T. Im Stadium II wird das Q groß, das R bleibt klein, die ST-Streckenhebung ist rückläufig, das Τ wird spitz-negativ. Im Stadium III ist das Q groß, das R höher als in Stadium II, die ST-Hebung ist verschwunden. Auch ST-Streckensenkung ist nicht eingetreten, das Τ ist nach wie vor spitz-negativ. Im Stadium IV ist das Q noch groß, das R wieder normal groß, die ST-Streckenhebung ist verschwunden, das Τ ist wieder positiv. Genaue Angaben über die zeitliche Dauer der einzelnen EKG-Stadien können nicht verbindlich gegeben werden, da der Verlauf von Patient zu Patient erheblich schwankt und das EKG-Bild außerdem von der Größe des Infarktbereiches sowie von schon bestehenden pathologischen Veränderungen abhängig ist, wie z.B. akinetischen Zonen oder Aneurysmabildungen sowie im positiven Sinne von einer Kollateralenbildung. Auch kann das elektrokardiographische Bild in jedem Stadium stehenbleiben, wenn entsprechende narbige Veränderungen vorliegen, so daß sich die Vier-Stadien-Einteilung verkürzt. Andererseits können anhand der nicht ganz zurückgebildeten elektrokardiographischen Zeichen unter Umständen noch nach Jahren Relikte eines durchgemachten transseptalen Herzinfarktes nachgewiesen werden. Je nach Lokalisation des Herzinfarktes stellen sich die oben beschriebenen EKG-Veränderungen in unterschiedlichen Ableitungen am deutlichsten dar, so daß andererseits von einer bestimmten elektrokardiographischen Konstellation auf die Lage des infarzierten Gebietes geschlossen werden

Koronare Herzkrankheit kann. So werden unabhängig von den jeweils b e t r o f f e n e n Koronararterien die Herzinfarkte grob in Vorder- und H i n t e r w a n d i n f a r k t e sowie diaphragmale (inferiore) Infarkte eingeteilt. Bei der Einteilung der verschiedenen Herzinfarkt-Typen unterscheidet man bei den Vorderwandinfarkten einen Anteroseptalinfarkt (mit typischen Herzinfarktzeichen in Ableitungen I, ν , , V 2 , V 3 ) vom Vorderwandspitzeninfarkt (mit den typischen Zeichen in den Ableitungenkl, II, aVL, V 2 , V 3 , V 4 und V 5 ) und von d e m Anterolateralinfarkt (mit den formalen, herzinfarkttypischen Abweichungen in den A b leitungen V 5 , V 6 , gering ausgeprägt in I, II und aVL). Die Hinterwandinfarkte unterteilen sich in den Posterolateralinfarkt (mit den deutlich ausgeprägten Zeichen in Ableitung II, III, aVF, V 5 , V 6 , V 7 , V s und N e h b D), den strikt posterioren Infarkt (mit den Veränderungen in den Ableitungen III, aVF, V 7 , V 8 , Vc, und N e h b D ) sowie den inferioren Infarkt (mit den Veränderungen in den Ableitungen II, III, a V F und N e h b D ) . Rudimentärer Herzinfarkt Während der transmurale Herzinfarkt elektrokardiographisch in der Regel recht gut e r f a ß b a r und auch die Lokalisation und das Alter abschätzbar sind, fällt die Beurteilung des nicht-transmuralen rudimentären Herzinfarktes schwerer. Allerdings ist die E r k e n n u n g von rudimentären Herzinfarkten auch von geringerer klinischer Relevanz als die Erfassung eines transmuralen Infarktes. Elektrokardiographisch ist beim rudimentären Infarkt der QRS-Komplex nicht alteriert. D i e Veränderungen erstrecken sich auf die ST-Strecke und die T-Zacke. D i e ST-Strecke zeigt eine Senkung, die T-Zacke ist spitz-negativ. Differentialdiagnostisch k o m m e n bei diesem elektrokardiographischen Bild auch eine Koronarinsuffizienz, eine Perikarditis und eine Lungenembolie infrage.

89 Einteilung der verschiedenen Herzinfarkt-Typen: Vorderwandinfarkte: direkte Infarktzeichen in: - Anteroseptalinfarkt I· V-|,V2, v 3 (ASI), - Vorderwandspitzen- 1, ll,aVh,V 2 , V 3 ,V 4 , V5 infarkt (ASPI), - AnterolateralV5, V6, gering infarkt (ALI), 1, II, aVh Hinterwandinfarkte: - Posterolateral11,111, aVF, V 5 , V6, infarkt (PLI), V 7 ,V 8 , NehbD - Strikt posteriorer III, aVF, V7, V8, Infarkt (PI), Vg, NehbD - Inferiorer Infarkt (II), 11,111, aVF, NehbD

Beim rudimentären Herzinfarkt ist der QRS-Komplex nicht alteriert. Die Veränderungen erstrecken sich auf die ST-Strecke und die T-Zacke.

Koronarinsuffizienz Koronarinsuffiziente Patienten, die noch keinen Herzinfarkt durchgemacht haben, können unter R u h e b e d i n g u n g e n ein völlig normales E K G aufweisen, das sich jeweils u n t e r Belastungsbedingungen pathologisch verändert (siehe hierzu insbesondere Abschnitt Ergometrie). Die typischen E K G - V e r ä n d e r u n g e n können bei schwerer Koronarinsuffizienz bereits unter R u h e b e d i n g u n g e n auftreten. E s handelt sich hierbei um horizontale oder deszendierende ST-Streckensenkungen und eventuell terminal- o d e r präterminal spitz-negative T-Zacken. D a die Koronarinsuffizienz insbesondere den linken Ventrikel betrifft, sind derartige Veränderungen häufiger in den Ableitungen I, II, a V L sowie linkspräkordial, also in V 5 , und V 6 nachweisbar. Prinzmetal-Angina Während bei der typischen, belastungsabhängigen Angina pectoris u n t e r R u h e b e d i n g u n g e n meist keine und u n t e r Belastung horizontale o d e r deszendierende ST-Streckensenkungen auftreten, ist bei der Prinzmetal-Angina mit a n d e r e n E K G - V e r ä n d e r u n g e n zu rechnen. Als Ursache einer Angina pectoris in R u h e w e r d e n K o r o n a r s p a s m e n insbesondere in stenotischen G e b i e t e n a n g e n o m m e n , wenn sich kurzfristig die elektrokardiographischen Zeichen eines frischen Herzinfarktes aufzeigen lassen, jedoch nicht von einem Infarktgeschehen gefolgt werden. Innerhalb einer Stunde normalisiert sich das E K G wieder, o h n e die einzelnen Stadien zu durchlaufen. Die Klinik verschwindet, die S e r u m e n z y m e lassen sich nicht in pathologischer H ö h e nachweisen. Herzrhythmusstörungen Störungen des H e r z r h y t h m u s lassen sich besonders gut elektrokardiographisch erfassen. Vor allem die Möglichkeit der Langzeit-EKG-Registrierung hat neue Dimensionen der E r k e n n u n g von Herzrhythmusstörungen gesetzt, die sich nun mit viel größerer Präzision einschätzen lassen.

Kurzfristig Zeichen eines akuten Herzinfarktes im EKG als Folge von Koronarspasmen bei Prinzmetal-Angina

Innerhalb einer Stunde normalisiert sich das EKG wieder.

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

90 Enzymdiagnostik

4.7.3 Enzymdiagnostik

Erhöht sind: - CK nach 4-6 h (Anstieg > 150 mU/ml beweist einen frischen Infarkt) - SGOT nach 5-8 h - LDH nach 12-16 h

Für die Infarktfrüherkennung besitzt der Nachweis eines pathologischen CK- und CK-MB-Anstieges besonderen Wert, da er bereits 4 bis 6 Stunden nach Infarktbeginn positiv ausfallen kann (Tab. II-5). Sein Maximum liegt allerdings bei 24 bis 36 Stunden bei einer Aktivitätsdauer von 2 bis 4 Tagen. Für die Spätdiagnostik dagegen kann das Alpha-HBDH-Verhalten im Blut herangezogen werden. Es ist ein indirektes Maß für die Aktivitäten der Isoenzyme L D H und LDH 2 , die einen empfindlichen Parameter für Myokardnekrosen darstellen. Der Beginn der überhöhten Aktivität liegt bei 12 bis 16 Stunden, das Maximum bei 3 bis 4 Tagen und die Dauer bei 12 bis 16 Tagen. Ein Anstieg des CK-Wertes über 150 mU/ml gilt als Beweis für einen frischen Herzinfarkt, zumal wenn die CH-MB mehr als '/w des CK-Wertes ausmacht. Differentialdiagnostisch können CK-Anstiege jedoch ζ. B. auch bei einem akuten Lungenödem, bei starkem Muskelzittern oder einem Sturz vorhanden sein, so daß die spezifische CK-MB-Bestimmung ein wichtiges zusätzliches Kriterium darstellt. Der Anstieg der Enzyme ist also nach festen Regeln zeitlich gestaffelt. Dem Anstieg der Creatininphosphokinase (CK) folgt der Anstieg der Glutaminoxalsäuretransaminase (GOT) und schließlich der der Laktatdehydrogenase (LDH).

Tabelle 11-5 Enzymkinetik beim Herzinfarkt mit Differentialdiagnose Infarktenzyme

Aktivitätsprofil

Differentialdiagnose

CK (Creatinphosphokinase)

B: 4 bis 6 Stunden

Hypoxische und traumatische Schädigung der Skelettmuskulatur Progressive Muskeldystrophie, Myositis, Dermato myositis Intramuskuläre Injektionen, Hypothyreose, Hyperthyreose, Apoplektischer Insult, Hirntumor, Perikarditis Infarkttypische Bedeutung, wenn die CK-MBAktivität größer als 10% der CK-Aktivität ist Lebererkrankungen Erkrankungen des Skelettsystems Schlafmittelintoxikationen Hämolyse, Lebererkrankungen Skelettmuskelerkrankungen Schlafmittelintoxikationen, Lungen-, Niereninfarkt, Myokarditis, Perikarditis Infarkttypische Bedeutung ist größer als bei der LDH, wenngleich falsch-positive Reaktionen bei Hämolyse, Skelett- und Nierenerkrankungen vorkommen können

M: 24 bis 36 Stunden D: 2 bis 4 Tage

CK-MB Isoenzym der Creatinphosphokinase

B: ähnlich dem CK-Profil M: ähnlich dem CK-Profil D: ähnlich dem CK-Profil

SGOT Serumglutamatoxalacetat-Transaminase

B: 5 bis 8 Stunden M: 24 bis 48 Stunden

LDH

D: 4 bis 7 Tage B: 12 bis 16 Stunden M: 3 bis 4 Tage

Laktatdehydrogenase

D: 12 bis 16 Tage

alpha-HBDH [alpha-HydroxybutyratDehydrogenase (entspricht der Isoenzymaktivität LDH-1 und LDH-2) ]

B: ähnlich dem LDH-Profil M: ähnlich dem LDH-Profil D: ähnlich dem LDH-Profil

B: Beginn,

M: Maximum des Aktivitätsanstiegs,

D: Dauer

Koronare Herzkrankheit

91

4.8 Komplikationen In den ersten 48 Stunden k o m m t es in ü b e r 90% der Fälle zu Herzrhythmusstörungen, die zum Teil bedrohlichen C h a r a k t e r haben. N e b e n ventrikulären Extrasystolen, zum Teil in Salvenform, können ventrikuläre und supraventrikuläre Tachykardien oder auch atrioventrikuläre Blockformen auftreten. D e r anfänglich häufig gesteigerte Blutdruck kann bald auf subnormale Werte absinken. Die sechs gefährlichsten Komplikationen beim frischen Herzinfarkt sind: • K a m m e r f l i m m e r n o d e r Kammerflattern, ausgelöst durch vorzeitig einfallende Extrasystolen (etwa 5 % ) , • Kreislaufversagen im kardiogenen Schock bei ausgedehnten transmuralen Infarkten (etwa 14%), • Asystolien (7 bis 8 % ) , • Embolien infolge der veränderten H ä m o d y n a m i k mit H e r z w a n d a n e u rysma (etwa 5 % ) . • ein R e i n f a r k t (35% innerhalb der stationären Beobachtungszeit), • M y o k a r d r u p t u r e n nach Ausbildung eines Aneurysmas im infarzierten Bezirk o d e r Links-Rechts-Shunt durch R u p t u r des K a m m e r s e p t u m s (beides zusammen etwa 5 % ) .

Die 6 gefährlichsten Komplikationen (der Häufigkeit nach geordnet): 1. Reinfarkt (35%) 2. Kardiogener Schock (14%) 3. Asystolien (8%) 4. Kammerflimmern (5%) 5. Embolien (5%) 6. Myokardrupturen (5%)

4.9 Prognose Die Prognose nach einem Herzinfarkt wird bestimmt: • durch den G r a d der muskulären Suffizienz des Herzens, • die H ö h e des arteriellen Blutdruckes, • ein Fehlen, Fortbestehen o d e r Einsetzen von Angina pectoris, • ein H e r z w a n d a n e u r y s m a , • ein Fortbestehen von malignen Herzrhythmusstörungen, • das Fortbestehen o d e r Fehlen von Risikofaktoren. D e r Herzinfarkt ist ein häufiges und vital bedrohliches Ereignis. Nach neueren, großangelegten Statistiken hat der Herzinfarkt eine Letalität von mindestens 5 0 % . D a der Tod innerhalb der ersten Stunde auftreten kann, gelangen viele Patienten gar nicht erst in die Kliniken. Hier beträgt die Letalität zur Zeit etwa 30%, in d e n Kliniken mit gut geführten k o r o n a r e n Intensiveinheiten jedoch u n t e r 20%.

Prognose hängt ab von - Leistung des Herzmuskels - Höhe des arteriellen Blutdruckes - Fehlen oder Fortbestehen von Angina pectoris - Herzwandaneurysmen - Herzrhythmusstörungen - Risikofaktoren

4.10 Risikofaktoren Erhöhte Blutfettwerte: Triglyceride, Cholesterin und Phospholipide sind an der Entwicklung der Gefäßsklerose beteiligt. Mit steigender Lipidkonzentration im Blutserum nimmt das Risiko einer K H K zu. Stoffwechselerkrankungen, Diabetes mellitus und Hyperlipoproteinämie, sind gehäuft mit der K H K kombiniert. D a ß die genannten Stoffwechselerkrankungen in der Regel mit einem e r h ö h t e n Cholesterinspiegel im Blutserum einhergehen, deutet ebenfalls indirekt auf die B e d e u t u n g der Lipide und Lipoproteine als Risikofaktor hin. Nikotin: Während bei Zigarren- und Pfeifenrauchern ein erhöhtes Risiko f ü r die K H K nicht gesichert ist, steigt dieses f ü r Zigarettenraucher, an einem Myokardinfarkt zu e r k r a n k e n , auf das Dreifache im Vergleich zu Nichtrauchern. Die G e f ä h r d u n g starker R a u c h e r ist deutlich höher als die der Gelegenheitsraucher. Interessant ist, daß das Risiko bei ehemals rauchenden Nichtrauchern wieder sinkt. Arterielle Hypertonie: Die Korrelation zwischen arteriellem H o c h d r u c k und Koronarinsuffizienz ist sehr hoch. E t w a 70% aller K o r o n a r p a t i e n t e n weisen gleichzeitig einen e r h ö h t e n Blutdruck auf. Entscheidend ist hierbei der systemische Mitteldruck, der nicht unmittelbar nach Riva-Rocci bestimmt werden kann. Dieser Wert richtet sich aus physikalischen G r ü n d e n erheblich m e h r nach d e m diastolischen D r u c k als nach d e m systolischen, so

Empfohlene Richtwerte: Triglyceride 70% Lumenverschluß; 3. hämodynamisch wirksame Hauptstammstenose Ii.

Abb. 11-28 Operationstechnik anhand von Beispielen aortokoronarer BypassOperationen

Operationsindikation

96

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems Selbst Patienten mit durch die Koronarinsuffizienz erheblich eingeschränkter Ventrikelfunktion oder mit zusätzlichen anderen Erkrankungen wie Diabetes mellitus und Nierenleiden oder mit einer diffusen Sklerosierung aller Koronargefäße werden der Operation zugeführt. Das biologische Alter bestimmt die Altersgrenze für die Bypass-Operation. 68 bis 70 Jahre werden zur Zeit als Alterslimit für eine derartige Operation angegeben. Aber auch 75jährige werden mit gutem Erfolg operiert. Die Operation wird am stillstehenden Herzen mit Unterstützung der HerzLungen-Maschine durchgeführt. Die Vitalität des Myokards wird durch protektive Maßnahmen während der Herzstillstandszeit gesichert, so daß das Herz den Stillstand bis über 2 Stunden toleriert. Als Bypass-Material wird neben der Vena saphena die Arteria mammaria verwendet.

Herzwandaneurysmen: - Verlust aktiver Kontraktilität - Gefahr von Thrombenablagerungen - Neigung zu komplexen Herzrhythmusstörungen

Perkutane transkoronare Angioplastik

Indikationen zur PTCA: Schwere Eingefäß-Erkrankung Mehrgefäß-Erkrankung unter Vorbehalt Kontraindikation zur PTCA: Hauptstammstenose

Vorteile der PTCA gegenüber der Bypass-Operation: - bei älteren Patienten möglich - Wiederholung möglich

Aneurysektomie In der aortokoronaren Bypass-Operation kann bei der KHK gelegentlich auch eine zusätzliche Aneurysektomie die Pumpleistung verbessern. Ist nach Verschluß eines größeren Koronargefäßes und mangelnder Kollateralbildung ein größerer Narbenbezirk entstanden, nimmt dieser nicht mehr an der Kontraktion des linken Ventrikels teil. Es kommt zu einer paradoxen Beweglichkeit dieses Abschnittes, zur Verschlechterung der Hämodynamik im linken Ventrikel, zu Turbulenzen in der Blutströmung und des öfteren zu Thrombenablagerungen im aneurysmatischen Bereich. Diese Thromben können zu arteriellen Embolien führen. Bei Patienten mit Herzwandaneurysma wurde darüber hinaus gehäuft der Nachweis von elektrischen Spätpotentialen erbracht, die mit komplexen Herzrhythmusstörungen hoch korreliert sind. In beiden Fällen muß zusätzlich zur aortokoronaren Bypass-Operation eine Aneurysektomie erwogen werden. Hierbei wird das betroffene Narbengebiet operativ entfernt und Myokardareal zu Myokardareal gefügt. Um ein ausreichendes Restlumen des linken Ventrikels zu gewährleisten, muß die Aneurysmagröße präoperativ abgeschätzt werden. Eine solche Einschätzung ist bei laevokardiographisch gut abgrenzbaren Aneurysmen möglich. Eine grundsätzliche Revision eines Aneurysmas ist nicht notwendig.

4.11.3 Perkutane transkoronare Angioplastik (PTCA) Bereits seit vielen Jahren ist die Gefäßerweiterung mit Hilfe eines Ballonkatheters im Bereich der unteren Extremitäten bekannt. Überwiegend bei proximalen Gefäßstenosen im Koronarsystem kann seit über 10 Jahren unter Operationsbereitschaft eine intrakoronare Baiiondilatation erfolgen. Der für die Behandlung der koronaren Herzkrankheit benutzte Katheter ist an seiner Spitze mit einem länglichen Ballon ausgestattet, der auf mehrere Atmosphären Überdruck (atü) aufgeblasen werden kann, ohne einen kritischen Außendurchmesser zu überschreiten. Unter Durchleuchtungskontrolle wird der dünne Baiionkatheter über einem Führungsdraht in das erkrankte Koronargefäß vorgeschoben. Diese Technik, die eine Operation erübrigt, führt in etwa 80% aller Eingriffe zum gewünschten Erfolg. Während sich fibrotische Stenosen für diese Technik weniger eignen, ist der Erfolg bei einengenden koronarsklerotischen Plaques hervorragend. Indessen sind Mehrfachstenosen innerhalb eines Gefäßes mit einem sogenannten Kissing-Katheter mit zwei aufblasbaren Ballons erfolgreich angegangen worden, ebenso auch mehrere proximal gelegene Stenosen in unterschiedlichen Gefäßästen: Schwerpunkt bleibt jedoch die schwere Eingefäß-Erkrankung. Zur Zeit werden bereits 50% der Patienten, die prinzipiell für einen herzchirurgischen Eingriff im Sinne einer Bypass-Operation in Betracht kommen, mit Hilfe der Ballondilatation erfolgreich behandelt. Diese Methode hat gegenüber der Bypass-Operation mehrere Vorteile: 1. Sie kann auch bei älteren Patienten durchgeführt werden. 2. Sie kann bei Bedarf häufiger wiederholt werden.

K o r o n a r e Herzkrankheit 3. Der Eingriff ist für den Patienten wesentlich leichter als eine Bypass-Operation. Eine Narkose erübrigt sich ebenso wie eine Thorakotomie. Der Patient kann sich am nächsten Tag wieder frei bewegen. 4. Das Verfahren ist erheblich preisgünstiger und damit wirtschaftlicher.

97 - keine Narkose, keine Thorakotomie - kein größeres Risiko - preisgünstiger

Neben diesen Vorteilen ist das Risiko des Eingriffes nicht größer als bei einer Bypass-Operation. Allerdings liegt die Rezidivquote bei über 30%.

4.12 Therapie des Myokardinfarktes

Therapie des Myokardinfarktes

Grundsätzlich stehen zwei therapeutische Gesichtspunkte bei der Behandlung eines Myokardinfarktes im Vordergrund: Behandlung der kardialen Dekompensation, Begrenzung des Myokardinfarktes. Die therapeutischen Maßnahmen richten sich nach dem klinischen und zeitlichen Verlauf.

Vor allem zwei therapeutische Gesichtspunkte: • Behandlung der kardialen Dekompensation • Begrenzung der Infarzierung

4.12.1

Erstmaßnahmen

Vom Beginn der Symptome bis zur Krankenhausaufnahme: Der Beginn eines Herzinfarktes ist in der Regel durch klinische Symptome wie Schmerz, Luftnot, Schweißausbruch und Übelkeit gekennzeichnet. Weiterhin charakterisieren Herzrhythmusstörungen, erhöhte Adrenalinausschüttung sowie intrazellulärer Kaliumverlust und lokale Azidose dieses frühe Stadium eines Herzinfarktes. Grundsätzlich gilt, je früher ärztliche Hilfe einsetzt, um so besser läßt sich der Schaden begrenzen. Der Patient sollte bequem gelagert werden, möglichst im Bett mit aufgerichtetem Oberkörper, beengende Kleidung sollte entfernt und der Patient beruhigt werden. Gleichzeitig sollte ein Notarztwagen gerufen werden. Mit dem Eintreffen des Notarztwagens, der als ein verlängerter Arm der Intensivstation des zugehörigen Krankenhauses angesehen werden kann, beginnen folgende Maßnahmen: 1. Sedierung, ζ. B. Diazepam (Valium®) intravenös 5 bis 10 mg, 2. Schmerzbekämpfung, z.B. Buprenorphin (Temgesic®), Fentanyl (Thalamonal®), Pentazocin (Fortrai ), Pethidin (Dolantin®) oder Morphin. 3. 02-Nasensonde: 2-4 1/min. 4. Intravenöse antiarrhythmische Behandlung bei: gehäuft auftretenden Extrasystolen polytoper Art, Bigeminien, Couplets, Salven und kurzfristige Kammertachykardien sowie vorzeitig einfallende Extrasystolen (drohendes Kammerflimmern/-flattern). Als Mittel der Wahl kann Lidocain in einer Anfangsdosierung von 100 mg i.v. verabreicht werden. Bei längeren Transportwegen muß die Injektion nach 15 Minuten wiederholt werden, um einen wirksamen Plasmaspiegel aufrechtzuerhalten. Bei sehr langer Transportzeit sollte im Anschluß an die Bolusinjektion eine Infusionsbehandlung mit Lidocain 1 bis 4 mg/min erfolgen. 5. Sofortige elektrische Defibrillation bei Kammerflimmern oder -flattern im Notarztwagen absolut indiziert. 6. Bei schwerer Kammerbradykardie unter 45/min: passagere Herzschrittmachersonde mit externem Schrittmacher. Steht ein derartiges Instrumentarium nicht zur Verfügung, kann mit Atropinsulfat in einer intravenösen Dosierung zwischen 0,5 und 1,5 mg die Zeit bis zur Schrittmacherimplantation überbrückt werden. Befindet sich der Patient beim Eintreffen des Arztes in einer Asystolie oder besteht Kammerflimmern über 5 Minuten, ist die Prognose schlecht. Liegt dagegen nach fremdanamnestischer Erhebung ein derartier Zustand erst Sekunden oder wenige Minuten vor, ist zunächst nach folgendem Schema zu verfahren:

Erstmaßnahmen: - Bequeme Lagerung des Patienten - Beengende Kleidung entfernen - Beruhigung des Patienten Ärztliche Erstmaßnahmen: - Sedierung - Schmerzbekämpfung - Sauerstoff-Insufflation - Antiarrhythmikum i.v. - bei Kammerflimmern/-flattern elektrische Defibrillation - bei schwerer Kammerbradykardie passager Herzschrittmachersonde oder Atropin

98 Reanimation

•=!> Bei Asystolie Reanimation: - Atemwege frei machen - Kopf reklinieren - Beatmung mit Maske oder Atembeutel nach Intubation - Rhythmische Kompression des Herzens - Venös-zentralen Zugang legen An Medikamenten bei Bedarf: - Alupent - Adrenalin - Natriumhydrogencarbonat in Infusionsform

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems Reanimation a) Atemwege frei machen, b) Kopf reklinieren, c) Beatmung (entweder Mund-zu-Mund- oder Nase-zu-Mund-Beatmung oder besser mit Maske und Atembeutel, am besten nach Intubation mit dem Ambu-Beutel), d) Extrathorakale Herzmassage (einmal pro Sekunde wird das Sternum heruntergedrückt), e) nach Intubation erfolgt 1 Beatmungsaktion auf 5 externe Herzmassagen. Diese Maßnahmen werden fortgesetzt, bis ein peripher palpabler Puls zurückkehrt. An Medikamenten werden in dieser Phase verwendet: Alupent 0,5 bis 1,0 mg i.v. oder Adrenalin 0,5 bis 1,0 mg i.V., eventuell wiederholt, sowie einmolare Lösung von Natriumhydrogencarbonat 250 ml i.v. sowie als Infusion. Gleichzeitig sollte der Erfolg der Maßnahmen auf einem Monitor oder durch EKG-Kontrolle objektiviert werden. Bei Kammerflimmern sollte eine Elektrokonversion notfalls mehrfach erfolgen. Einweisung in die nächste Intensivstation.

4.12.2 Intensivmedizinische Maßnahmen Maßnahmen in der Intensivstation: - Strenge Bettruhe - Schmerzbekämpfung - Sedierung - antiarrhythmische Therapie - Stabilisierung der Hämodynamik - Heparinisierung oder Lysebehandlung Schmerzbekämpfung mit • Temgesic® • Fortrai® • Opiatderivaten Sedierung mit Valium® antiarrhythmische Therapie: bei VES: • Xylocain als Dauertropf (besser DTI) bei Sinusbradykardie: • Atropin • Herzschrittmacher bei Sinustachykardie: • Isoptin® (Verapamil) • Digitalis • Beta-Rezeptoren-Blocker (nicht bei Herzinsuffizienz!) bei Erregungsleitungsstörungen: • passagerer Herzschrittmacher

Stabilisierung der Hämodynamik: Arterielle Hypertonie: ohne Herzinsuffizienz—» Beta-RezeptorenBlocker mit Herzinsuffizienz —> Vasodilatatoren, z.B. Ebrantil

Aufenthalt auf der Intensivstation: Auch in dieser Phase können lebensbedrohliche Komplikationen auftreten, deren Ursache meist Herzrhythmusstörungen, aber auch mehr und mehr eine gefährlich eingeschränkte Pumpfunktion des Herzens sind. Unter Berücksichtigung einer Überschneidung der therapeutischen Maßnahmen im Notarztwagen oder davor ist folgendes notwendig: 1. strenge Bettruhe. Ausgenommen hiervon sind hohes Alter mit der vitalen Notwendigkeit früher Mobilisierung sowie Benutzung des Nachtstuhles bei Stuhl- oder Harnverhaltung. 2. Schmerzbekämpfung mit stark wirkenden Analgetika wie Temgesic®, Fortrai® oder Opiatderivaten. 3. Sedierung, z.B. mit Valium® 5 oder 10 mg dreimal täglich. 4. Als antiarrhythmische Therapie kommen folgende Maßnahmen infrage: a) bei ventrikulären Extrasystolen: Xylocain (Lidocain®) 2 bis 4 mg/min als Dauerinfusion; b) bei Sinusbradykardie ( < 45/min): 0,5 bis 1,5 mg Atropin i.v., ggf. externer Herzschrittmacher; c) bei Sinustachykardien sollte die auslösende Ursache wie Schmerz, Angst oder Hypoxie beseitigt werden; bei Fortbestehen kommen Isoptin®, Digitalis oder Beta-Rezeptoren-Blocker infrage, letztere erst nach Ausschluß einer Herzinsuffizienz; d) Bei Erregungsleitungsstörungen mit Bradykardie ist eine externe Schrittmacherstimulation die Maßnahme der Wahl. Neben der eigentlichen antiarrhythmischen Behandlung sollten die auslösenden Faktoren wie Schmerz, Unruhe, Hypoxie, Elektrolytstörungen, eine Anämie oder Störungen des Säure-Basen-Haushaltes therapeutisch angegangen werden. 5. Stabilisierung der Hämodynamik: Hypotone oder hypertone Blutdruckwerte, eine Herzinsuffizienz oder ein kardiogener Schock komplizieren die hämodynamische Situation. Alle diese Zustände bedürfen einer sofortigen Behandlung, da sie zu einer Vergrößerung des Infarktbezirkes führen und damit den Patienten unmittelbar gefährden. a) Arterielle Hypertonie: Zu erhöhten Blutdruckwerten können in dieser Situation Schmerz, Angst und Unruhe führen. Tritt nach entsprechender Therapie kein ausreichender Blutdruckabfall ein und liegt keine Herzinsuffizienz vor, so ist das Mittel der ersten Wahl ein Beta-Rezeptoren-Blocker. Häufig ist bei einem frischen Herzinfarkt gleichzeitig von einer Herzinsuffizienz, insbesondere von einer Linksherzinsuffi-

Koronare Herzkrankheit zienz, auszugehen. Hier bieten sich blutdrucksenkende Medikamente vom Typ der Vasodilatatoren wie ζ. B. Ebrantil an. b) Eine leichte Herzinsuffizienz wird mit Diuretika oder Nitroglyzerin behandelt. Nitroglyzerin als überwiegend im Niederdrucksystem angreifender Vasodilatator entlastet das Myokard über eine Verminderung der Vorlast. Bei schwereren Formen der Herzinsuffizienz wird man vorwiegend auf einen Vasodilatator vom Typ eines Nachlastsenkers zurückgreifen, wie z.B. ACE-Hemmer, eventuell in Verbindung mit Nitroglyzerin. Eine derartige Medikation senkt den peripheren erhöhten Widerstand und entlastet damit die Herzarbeit. c) Besteht zusätzlich zu einer Herzinsuffizienz eine Hypotonie, so resultiert eine Minderperfusion lebenswichtiger Organe. Es kommt als Folge zu einer Oligo- oder Anurie und schließlich zum kardiogenen Schock. Hier wird dann neben der Vor- und Nachlastsenkung mit Hilfe von Vasodilatatoren zusätzlich mit Adrenalin-Abkömmlingen, also Medikamenten wie Dobutrex und/oder Dopamin gearbeitet. Sie erhöhen zwar den Sauerstoffverbrauch des Herzens, sind aber in dieser verzweifelten Situation unumgänglich. d) Eine arterielle Hypotonie kann auf zwei Ursachen beruhen: auf einem Volumenmangel oder auf einer Kontraktionsschwäche des Herzens. Eine Kontraktionsschwäche des Herzens verlangt eine Therapie wie unter c). Ein Volumenmangel könnte durch vorsichtige Flüssigkeitszufuhr unter Kontrolle des zentralen Venendruckes behandelt werden. Führt jedoch ein erniedrigter Blutdruck nicht zu einer Minderperfusion der Organe, tritt also z.B. keine Oligurie ein, kann auf eine gesonderte Therapie verzichtet werden. Eine Steuerung der komplizierten therapeutischen Maßnahmen ist nur durch Messung der pulmonalarteriellen Druckwerte und wiederholte Bestimmung des HerzMinuten-Volumens möglich. Deswegen muß vor Behandlungsbeginn ein Pulmonalarterien-Katheter gelegt werden. Hiermit können indirekt der hämodynamische Zustand des linken Ventrikels und damit die therapeutischen Maßnahmen überwacht werden. Weiterhin muß bei allen Formen der Herzinsuffizienz für eine ausreichende Sauerstoffzufuhr gesorgt werden, entweder mit einer Sauerstoffsonde oder notfalls auch mit künstlicher Beatmung. 6. Digitalisglykoside: Liegt klinisch keine Herzinsuffizienz bei frischem Herzinfarkt vor, sollte auf Digitalis verzichtet werden. 7. Nicht selten auskultiert man in den ersten Tagen eines Herzinfarktes manchmal nur für Stunden ein perikarditisches Reiben. In der Regel ist es nicht behandlungsbedürftig. Schmerzfreiheit können Salizylate, ζ. B. Colfarit oder Amuno, gewähren. 8. Gelegentlich entstehen postinfarzielle Embolien durch wandständige Thromben, die sich meist im linken Ventrikel bei grobflächigen akinetischen oder dyskinetischen Infarktzonen bilden. Löst sich ein derartiger Thrombus, droht ein apoplektischer Insult oder eine arterielle Embolie. Die Vollheparinisierung und überlappend ein Kumarinderivat (Marcumar®) beugen vor. Voraussetzung ist, daß zuvor kein Medikament i.m. appliziert wurde. Derartige unüberlegte Handlungen sind bei dem Verdacht auf einen Herzinfarkt strengstens zu vermeiden, zumal sie auch andere therapeutische und diagnostische Möglichkeiten (siehe unten) blokkieren.

99

Herzinsuffizienz leichte Formen-» · Diuretika • Nitroglyzerin schwere Formen Vasodilatatoren, ζ. B. ACE-Hemmer

Herzinsuffizienz + Hypertonie Vor- und Nachlastsenker (Vasodilatatoren) Herzinsuffizienz + Hypotonie Vor- und Nachlastsenker + Dobutamin + Dopamin

Ein Volumenmangel kann durch vorsichtige Flüssigkeitszufuhr unter Kontrolle des zentralen Venendruckes behandelt werden. Deswegen vor Behandlungsbeginn Legen eines Pulmonalarterien-Katheters wichtig zur Therapiekontrolle! Sauerstoffsonde eventuell künstliche Beatmung

Beim frischen Herzinfarkt ohne Herzinsuffizienzzeichen auf Digitalis verzichten! Bei länger anhaltender Begleitperikarditis: Salizylate, z.B. Colfarit oder Amu-

Gefahr einer arteriellen Embolie: deswegen zunächst Vollheparinisierung, dann Marcumar®, wenn vorher keine intramuskuläre Injektion erfolgte. Keine intramuskuläre Injektion!

4.12.3 Remobilisierung Nach der Intensivzeit, die durchschnittlich 3 Tage betragen sollte, wird der Patient mit stabilem Herzrhythmus und Kreislauf auf eine kardiologisch ausgerichtete Allgemeinstation verlegt. Hier besteht die Aufgabe, bei der allmählichen Mobilisierung gleichzeitig die bestehenden Risikofaktoren zu erkennen und, wenn möglich, zu beseitigen (vgl. Kap.XI1/1.). Fettstoffwechselstörungen, Diabetes mellitus, Hyperurikämie, Hypertonus und Rauchen sollten zum Wohle des Patienten energisch und ohne Zugeständnisse angegangen werden. Wichtig bei der Mobilisation ist auch die richtige

Maßnahmen in der Remobilisierungsphase: - abgestufe, sich steigernde physikalische Maßnahmen - EKG-Kontrollen - Kontrollen der Laborwerte - echokardiographische Kontrollen

100

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems Einschätzung d e r verbliebenen Leistungsfähigkeit des Herzens. Eine antiarrhythmische T h e r a p i e kann notwendig werden, falls nach wie vor Rhythmusstörungen komplexer A r t vorhanden sind. J e nach G r ö ß e des Herzinfarktes, Alter des Patienten, den durchgemachten Komplikationen und d e m Beschwerdebild erstreckt sich der gesamte stationäre A u f e n t h a l t über ca. 3 Wochen. D u r c h sich steigernde, abgestufte physikalische Maßnahmen wird n e b e n der Kontrolle einzelner kardiologischer P a r a m e t e r wie EKG, Laborwerte und Echokardiographie die Zeit d e r Remobilisierung ausgefüllt. Bei Patienten mit ausreichender Leistungsfähigkeit, die jedoch während des stationären A u f e n t h a l t e s ü b e r p r ü f t werden sollte, k a n n zu einer stationären oder ambulanten Rehabilitation als Phase 4 übergegangen werden.

4.12.4 Rehabilitationsstadium Maßnahmen in der Rehabilitationsphase: - Körperlich angepaßtes Training - Erzieherische und sozialmedizinische Maßnahmen, die Lebensführung, die Lebensinhalte und die zu vermeidenden Risikofaktoren betreffend

Die Rehabilitationszeit setzt die A r b e i t der allgemeinen Station möglichst nahtlos fort. D u r c h körperlich angepaßtes Training, erzieherische und sozialmedizinische Maßnahmen, Lebensführung, Lebensinhalte und zu vermeidende Risikofaktoren, soll nicht nur eine dauerbelastungsfähige Vernarbung des infarzierten Herzmuskels, sondern auch eine optimale Kompensation des Kontraktilitätsdefektes am H e r z e n sowie die Verhütung eines Reinfarktes erreicht werden. Gleichzeitig m u ß d e m Patienten einfühlsame psychologische Führung über die kritische Situation hinweghelfen und ihm sein körperliches Selbstbewußtsein wiedergeben.

4.12.5 Versuch der Rettung des ischämischen Myokardgewebes Stoffwechselfaktoren beeinflussen die A u s d e h n u n g des Infarktes. Deswegen wird versucht, d e n N e k r o s e p r o z e ß zu begrenzen. Wie m a n aus physiologischen Untersuchungen weiß, ist eine realistische Erfolgschance nur dann gegeben, wenn die B e h a n d l u n g innerhalb der ersten 3 S t u n d e n nach Infarktbeginn einsetzt. O b es im klinischen Betrieb gelingt, tatsächlich der Vergrößerung eines Myokardinfarktes vorzubeugen, ist bis h e u t e nicht gesichert. Kurzzeitthrombolyse beim frischen Myokardinfarkt: - intrakoronare Thrombolyse - systemische (i.v.) Thrombolyse Indikationen zur Thrombolyse: - gesicherter Myokardinfarkt - Infarktbeginn nicht länger als 3 bis höchstens 6 Stunden vorher

Kurzzeitthrombolyse Ein Thrombus, der beim Herzinfarkt ein K o r o n a r g e f ä ß verschließt, kann durch Streptokinase, Eminase oder rtPA beseitigt werden. Dieses Ziel kann grundsätzlich auf zweierlei Weise angestrebt werden: durch eine systemische o d e r durch eine intrakoronare Lysebehandlung. In einem Falle wird durch eine h o h e G a b e systemisch eingesetzter Fibrinolytika (i.v.) versucht, den Thrombus aufzulösen, im anderen Falle wird die Lysebehandlung gezielt über einen K o r o n a r k a t h e t e r unmittelbar vor d e m T h r o m b u s zum Einsatz gebracht. In beiden Fällen handelt es sich u m Kurzzeitlysen. Durch anschließende koronarographische Kontrollen kann der Lyseerfolg beobachtet werden. Die Intrakoronarlyse vermag bei etwa 80% d e r Patienten innerhalb von 20 Minuten nach Beginn der T h e r a p i e das G e f ä ß wieder zu öffnen. Bei der systemischen Behandlungsform liegen die Wiedereröffnungserfolge zwischen 60 und 70%. Bei diesen relativ guten Therapieergebnissen m u ß allerdings auch eine spontane Lyserate berücksichtigt werden. Bisher liegen jedoch kaum exakte Z a h l e n vor. M a n v e r m u t e t eine Spontanlyse um 4 0 % , wobei auch der Z e i t p u n k t der Lyse bisher nicht bekannt ist. Beide Therapiemöglichkeiten h a b e n Nachteile. D i e intrakoronare Lyse ist nur in speziell dafür ausgerüsteten Katheterlaboratorien möglich, eine weite Ausbreitung dieser M e t h o d e ist so nicht denkbar, so d a ß der größte Teil der Patienten auf eine derartige B e h a n d l u n g s m e t h o d e verzichten muß. D i e systemische Lyse ist nicht an ein derartiges H e r z k a t h e t e r l a b o r a t o r i u m geb u n d e n . Die E r ö f f n u n g s r a t e ist jedoch deutlich niedriger als bei der intrak o r o n a r e n Lyse.

Kardiomyopathien Kontraindikationen für eine derartige Behandlung sind • Blutungsübel, • höheres Alter, • Hochdruck, • Ulcerationen im Bereich des Magen-Darm-Traktes, • Erkrankungen des zentralen Nervensystems, • hämatologische Erkrankungen, • frische Verletzungen und Operationen. Die Nachbehandlung der erfolgreichen Fibrinolyse bleibt ein Problem. Der Thrombus setzt sich meist auf hochgradig arteriosklerotische Stenosen, die nach erfolgreicher Fibrinolyse unmittelbar distal des Thrombus erhalten bleiben. Es droht daher jederzeit eine erneute Thrombusbildung. Eine baldige PTCA oder herzchirurgische Intervention ist somit unumgänglich.

5 Kardiomyopathien

101 Kontraindikationen der Thrombolyse: - Blutungsübel - hohes Alter - arterielle Hypertonie - Ulzerationen in Magen-Darm-Trakt - Erkrankungen des zentralen Nervensystems - hämatologische Erkrankungen - frische Verletzung und Operationen

Kardiomyopathien

H.-H. Erlemeier, W. Kupper, J. Wagner

5.1 Einleitung Als Kardiomyopathie wird eine Herzmuskelerkrankung meist unklarer Genese bezeichnet. Es gibt eine Vielzahl von Schemata für die Einteilung der Kardiomyopathien. So ist eine Einteilung auf ätiologischer, klinisch funktioneller und pathologischer Grundlage möglich. Auch eine grobe Einteilung nach primären (Ursache unbekannt) und sekundären (Ursache bekannt) ist gängig. Aufgrund morphologischer Kriterien werden die Kardiomyopathien wie folgt klassifiziert. 5.1.1 Dilatative K a r d i o m y o p a t h i e Unter der dilatativen Kardiomyopathie (Synonym: kongestive Kardiomyopathie) versteht man eine Herzmuskelerkrankung unklaren Ursprungs, die mit einer progredienten Erweiterung des linken oder rechten Ventrikels einhergeht. Im Vordergrund der Klinik stehen meist Symptome der Linksherzinsuffizienz, daher das Synonym „kongestive" Kardiomyopathie.

Klassifikation: 1. Dilatative Kardiomyopathie mit - Erweiterung des linken Ventrikels - Linksherzinsuffizienz

5.1.2 H y p e r t r o p h e K a r d i o m y o p a t h i e Dieses Krankheitsbild ist gekennzeichnet durch eine unproportionale Verdickung und Hypertrophie der links- und seltener auch rechtsventrikulären myokardialen Muskulatur. Meistens ist diese Verdickung im Bereich des Septums lokalisiert, sie bewirkt dann häufig eine Obstruktion des linksventrikulären Ausflußtraktes. Daher werden für diese Form der hypertrophen Kardiomyopathie auch die Begriffe idiopathische hypertrophe Subaortenstenose (IHSS) oder hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie (HOCM) synonym gebraucht. Die asymmetrische Septumhypertrophie kann mit oder ohne Ausflußbahnobstruktion einhergehen. In einigen Fällen ist die Hypertrophie nicht im Septum lokalisiert, sondern im Bereich der Vorderwand und Spitzenregion. Diese Fälle werden als nicht-obstruktive hypertrophe Kardiomyopathie bezeichnet.

2. Hypertrophe Kardiomyopathie mit - Verdickung und Hypertrophie des linken (seltener des rechten) Herzens meist i m Septumbereich - Ausflußbahnobstruktion kommt vor

Bei Lokalisation an der Vorderwand —» nicht-obstruktive hypertrophe Kardiomyopathie

5.1.3 Restriktive K a r d i o m y o p a t h i e Als restriktive Kardiomyopathie wird eine Gruppe von Herzmuskelerkrankungen zusammengefaßt, die als gemeinsames Kennzeichen eine Endomyokardfibrose mit Behinderung der diastolischen Füllung haben. Die Wanddicken des linken und rechten Ventrikels sind normal.

3. Restriktive Kardiomyopathie mit: - Endomyokardfibrose Behinderung der diastolischen Füllung

102 Dilatative Kardiomyopathie

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

5.2 Dilatative Kardiomyopathie 5.2.1 Epidemiologie und Ätiologie Die idiopathische dilatative Kardiomyopathie tritt gehäuft im Alter zwischen 30 und 45 Jahren auf. Frauen und Männer sind etwa gleichhäufig betroffen, auf 100000 Personen erkranken im Mittel zwischen 0,7 und 7,5 Patienten. Die Ätiologie der dilatativen Kardiomyopathie ist ungeklärt. Möglicherweise treten mehrere ätiologisch verschiedene Krankheiten unter dem Bild der dilatativen Kardiomyopathie mit gleicher klinischer Symptomatik auf. Einige Krankheitsbilder sind jedoch in ihrer Ätiologie bekannt. Sie sollen im folgenden Erwähnung finden.

Sekundäre Kardiomyopathien Alkohol-Kardiomyopathie Ursache: toxische Einwirkung des Alkohols auf Myozyten Dilatation des linken Ventrikels, Fibrosierung

5.2.1.1 Alkohol-Kardiomyopathie Die Alkohol-Kardiomyopathie gilt als der Prototyp einer kongestiven Kardiomyopathie. Durch die toxischen Einwirkungen des Alkohols auf die Myozyten kommt es nach langjährigem Verlauf zu einer irreversiblen Schädigung und Funktionseinschränkung. Der linke Ventrikel dilatiert, histologisch ist auch eine zunehmende interstitielle Fibrosierung erkennbar.

Anthrazyklin-Kardiomyopathie

5.2.1.2 Anthrazyklin-Kardiomyopathie

Ursache: Myokardschädigung durch toxische Einflüsse diverser Zytostatika Klinisches Bild: - kongestive Kardiomyopathie - meist tödlich - therapierefraktär

Adriamyzin und Daunorubizin sind Zytostatika. Durch toxische Einflüsse dieser Substanzen kommt es zu einer Myokardschädigung, die als ventrikuläre Herzinsuffizienz mit Herzdilatation unter dem Bild der kongestiven Kardiomyopathie einhergeht. Nur in Ausnahmefällen ist die AnthrazyklinKardiomyopathie reversibel. Licht- und elektronenmikroskopisch zeigen sich schwere Schädigungen an den Myozyten, insbesondere im Bereich der Myofibrillen, aber auch im Zytoplasma. Als Endzustand findet man eine von sehr großen Vakuolen durchsetzte Herzmuskelzelle. Nach Auftreten der Anthrazyklin-Kardiomyopathie endet die dann auftretende Herzinsuffizienz meistens tödlich und ist meist therapierefraktär gegenüber den üblicherweise bei Herzinsuffizienz eingesetzten Medikamenten.

Schwermetall-Kardiomyopathie

5.2.1.3 Schwermetall-Kardiomyopathie

Ursache: durch Schwermetalle wie Kobalt und Nickel wird Ca aus dem Herzmuskel verdrängt Bild der kongestiven Kardiomyopathie

In seltenen Fällen kommt es bei Exposition mit Schwermetallen wie Kobalt und Nickel zu einer kompetitiven Verdrängung des Kalziums aus dem Herzmuskel unter dem klinischen Bild einer kongestiven Kardiomyopathie. Ein vorher unbekanntes Syndrom einer fulminanten kongestiven Herzerkrankung tauchte erstmalig 1966 auf, zuerst in Quebec, dann auch in Omaha, Minneapolis und in Belgien. Die Krankheit befiel Menschen, die eine besondere Biersorte getrunken hatten, der Kobaltsulfat als Schaumstabilisierungsmittel beigefügt worden war. Nachdem Kobalt aus dem Herstellungsprozeß entfernt worden war, wurden keine weiteren Fälle dieser Erkrankung mehr gesehen. Das Herz war bei dieser Kardiomyopathie dilatiert. Oft bestand ein beträchtlicher Perikarderguß. Mikroskopische Untersuchungen zeigten myofibrilläre, hyaline Nekrosen wie auch myokardiale Vakuolenbildung und Degeneration. Klinisch waren herausragende Symptome: ein großer perikardialer Erguß, eine Polyzythämie, ein Galopprhythmus und Zyanose, eine Hypotension bis zum Schock und eine metabolische Azidose. Der Cardiac-Output war erheblich erniedrigt. Im EKG wurde gewöhnlich eine Sinustachykardie deutlich mit Zeichen der Rechtsherzbelastung oder Veränderungen, die einen Vorderwandinfarkt vermuten ließen.

Kardiomyopathie bei Vitaminmangel

5.2.1.4 Kardiomyopathie bei Vitaminmangel

Ursache: Mangel an Vitamin B-i, Vitamin E, Carnitin, Selen

Bei Mangel an Vitaminen oder Spurenelementen kommt es ebenfalls zu einer sekundären myokardialen Funktionsstörung, welche mit dem klini-

103

Kardiomyopathien sehen Bild einer kongestiven Kardiomyopathie einhergeht. Besonders empfindlich reagieren die Myozyten auf Mangelzustände an dem Vitamin Β,, Bft und Vitamin E. Zusätzlich beschrieben wurde ein Mangel an Carnitin und Selen als Ursache für eine sekundäre Kardiomyopathie. Neben der symptomatischen Behandlung der Herzinsuffizienz steht bei diesen Krankheitsbildern vor allem eine Substitutionstherapie im Vordergrund.

Folge: myokardiale Funktionseinschränkung Klinisches Bild: kongestive Kardiomyopathie Therapie: Substitution

5.2.1.5 Morbus Fabry (Angiokeratoma corporis diffusum universale)

Morbus Fabry

Es handelt sich um eine kongenitale, chromosomengebundene (X-Chromosom) Störung des Glykosphingolipid-Stoffwechsels, die auf einen Mangel des Enzyms Keramid-Trihexosidase zurückzuführen ist. Die Krankheit ist charakterisiert durch eine intrazelluläre Anhäufung eines neutralen Glykolipids, besonders in Haut, Nieren und Myokard. Histologisch wird oft eine weitgehende Beteiligung des Myokards, des vaskulären Endothels, des Bindegewebes und der Klappen gefunden. Das Glykolipid wird in den Lysosomen des kardialen Gewebes angehäuft und ist verantwortlich für die multiplen kardiovaskulären Manifestationen. Dieses Krankheitsbild findet sich nur beim männlichen Geschlecht. Klinische Symptome: arterieller Bluthochdruck, myokardiale Ischämie oder Herzinfarkt sowie kongestive Herzerkrankung mit den Zeichen der Globalinsuffizienz. EKG: linksventrikuläre Hypertrophiezeichen, P-Wellen-Veränderungen, Überleitungsstörungen und Arrhythmien.

Ursache: kongenital, chromosomengebundene Störung des GlykosphingolipidStoffwechsels Klinisches Bild: - arterieller Bluthochdruck - myokardiale Ischämie/Herzinfarkt - kongestive Kardiomyopathie - Überleitungsstörungen - Arrhythmien

5.2.1.6 Morbus Gaucher

Morbus Gaucher

Diese Erkrankung ist wie die vorherbeschriebene eine außerordentlich seltene, vererbte Störung des Glykosyl-Keramid-Stoffwechsels. Sie entsteht durch einen Mangel des Enzyms Beta-Glukosidase und führt zu einer Anhäufung von Zerebrosiden in Milz, Leber, Knochenmark, Lymphknoten, Gehirn und Myokard. Diffuse, interstitielle Infiltrationen mit Zerebrosiden beladener Zellen, besonders im linken Ventrikel, sind der typische pathologische Befund. Das Schlagvolumen ist vermindert, ebenso die linksventrikuläre Compliance. Eine klinisch relevante Herzbeteiligung ist ungewöhnlich. Wenn vorhanden, drückt sie sich in der oben beschriebenen isolierten Dysfunktion des linken Ventrikels aus.

Ursache: vererbte Störung des GlykosylKeramid-Stoffwechsels

5.2.2 Pathologie und Pathophysiologie

Pathologie

• • • • •

Makroskopisch: - Herzvergrößerung - Dilatation der Herzkammern - leichte Hypertrophie - erhöhtes Herzgewicht - Thromben im linken Vorhof

Makroskopisch ist das Herz vergrößert, die Herzkammern sind dilatiert, es findet sich eine leichte bis mäßige Hypertrophie, das Herzgewicht ist erhöht. Im linken Vorhof und zwischen den Trabekeln des linken Ventrikels sind Thromben ein häufiger Befund. • Die Koronararterien sind kräftig und ohne wesentliche Stenosen. Mikroskopisch finden sich häufig eine Hypertrophie der Muskelfasern sowie degenerative Veränderungen, die mit Vakuolenbildung und dem Untergang der Myofilamente einhergehen. Die Arteriolen weisen manchmal eine Verdickung ihrer Wand auf, manchmal finden sich in der Umgebung der Arteriolen auch entzündliche Infiltrate. Die Häufigkeit von Lymphozyteninfiltrationen im Gewebe wird in der Literatur zwischen 0% und 67% der untersuchten Fälle angegeben. • Charakteristisch für das Bild der dilatativen Kardiomyopathie sind herdförmige interstitielle Fibrosen neben weitgehend gesunden Muskelabschnitten. Andererseits findet man diese Veränderungen auch bei anderen Erkrankungen, sie sind nicht spezifisch für die dilatative Kardiomyopathie. Pathophysiologisch ist die Kontraktionsleistung eingeschränkt, daher ist insbesondere die Systole betroffen. Enddiastolisches wie endsystolisches

Mikroskopisch: - Hypertrophie der Muskelfasern - Vakuolenbildung - Untergang der Myofilamente - herdförmige interstitielle Fibrosen

Pathophysiologie - Kontraktionseinschränkung - verminderte Auswurffraktion - erhöhtes Restvolumen

104

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems Volumen sind deutlich vergrößert. Das Schlagvolumen ist erheblich vermindert. Typisch für diese Form der Kardiomyopathie ist die verminderte Auswurffraktion mit gleichzeitig erhöhtem Volumen.

Pathogenese

5.2.3 Pathogenese

Dilatation hat zur Folge: Verschlechterung des Verhältnisses: enddiastolischer Durchmesser zu Wanddicke -»Zunahme von Wandspannung und Sauerstoffbedarf -> Entwicklung einer Hypertrophie der Muskulatur, begrenzte Kompensation der erhöhten Wandspannung -> vergrößerte kapilläre Diffusionsstrecke beeinträchtigt Sauerstoffversorgung -> oft bei Anstrengung oder Infekt kardiale Dekompensation Weitere Folgen: - Mitral- undTrikuspidalinsuffizienz - pulmonale Hypertonie - später: Rechtsherzversagen reduziertes HZV Funktionsstörungen von Niere und Leber Katabolismus kardiale Kachexie

Die dilatative Kardiomyopathie kann lange Zeit symptomarm verlaufen, manchmal wird als Zufallsbefund bei einer Thoraxaufnahme eine Herzvergrößerung festgestellt. Mit zunehmender Dilatation des linken Ventrikels verschlechtert sich das Verhältnis von enddiastolischem Durchmesser und Wanddicke des Myokards. Nach dem Leplaceschen Gesetz nimmt bei weiterer Dilatation die Wandspannung und damit der Sauerstoffbedarf des Myokards zu. Es entwickelt sich eine Hypertrophie der Muskulatur, welche die Zunahme der Wandspannung jedoch nur begrenzt kompensieren kann. Die vergrößerte kapilläre Diffusionsstrecke beeinträchtigt die Sauerstoffversorgung der Myozyten. Liegt eine Lumeneinengung der kleinen Gefäße vor, trägt dies zusätzlich zur myokardialen Ischämie bei. Oft kommt es beim Fortschreiten der Erkrankung im Rahmen einer körperlichen Überanstrengung oder eines Infektes zur kardialen Dekompensation. Im Verlauf der progredienten Dilatation der Ventrikel entwickelt sich eine Mitral- und Trikuspidalinsuffizienz, die als Folge der Überdehnung des Klappenringes und der Sehnenfäden anzusehen ist. Häufig besteht eine pulmonale Hypertonie. Im Terminalstadium treten, bedingt durch ein zusätzlich auftretendes Rechtsherzversagen und das reduzierte Herzzeitvolumen, Funktionsstörungen von Leber und Niere auf. Bei herabgesetztem Herzzeitvolumen (Vorwärtsversagen) führt die generell verminderte Organperfusion zum Katabolismus und zur kardialen Kachexie. Bei zunehmender Dilatation des linken Ventrikels treten häufig maligne Herzrhythmusstörungen wie ventrikuläre Tachykardien, Kammerflimmern oder auch Vorhofflimmern mit schneller Überleitung auf. Bei bereits eingeschränkter linksventrikulärer Funktion nimmt das Schlagvolumen unter der Rhythmusstörung rapide ab. Als Folge sinken arterieller Blutdruck und Koronarperfusion. So können diese Rhythmusstörungen zum Sekundenherztod führen.

bei zunehmender Dilatation: - ventrikuläre Tachykardie - Kammerflimmern - Vorhofflimmern Folge: - Absinken des Schlagvolumens Absinken des arteriellen Blutdruckes Absinken der Koronarperfusion Sekundenherztod Klinik

- Belastungsinsuffizienz - Angina-pectoris-Schmerzen

- Herzvergrößerung - 3. und 4. Herzton - Galopprhythmus - Zeichen der Mitralinsuffizienz Fortgeschrittenes Stadium: - biventrikuläre Herzinsuffizienz - Stauung der Halsvenen - positiver Venen puls - Beinödeme - Lebervergrößerung - feuchte Rasselgeräusche über basalen Lungenabschnitten

5.2.4 Anamnese und Klinik Die Anamnese ist meist leer. Ein Virusinfekt kann der Erkrankung vorausgehen. Das Auftreten einer leichten bis mäßigen Belastungsherzinsuffizienz ist gewöhnlich das erste klinische Zeichen der dilatativen Kardiomyopathie. Schon bei mäßigen körperlichen Belastungen wie Treppensteigen oder schnellem Gehen tritt Kurzluftigkeit als Ausdruck der Lungenstauung auf, in Ruhe sind keine Beschwerden vorhanden. Manche Patienten klagen über typische Angina-pectoris-Schmerzen, ohne daß Stenosen der großen Herzkranzgefäße vorhanden sind. Bei der klinischen Untersuchung findet man Zeichen der • Herzvergrößerung. • Auskultatorisch kann man einen dritten und vierten Herzton, • in fortgeschrittenen Fällen als Galopprhythmus, sowie ein hauchendes Systolikum über der Herzspitze und der linkslateralen Thoraxwand als Zeichen der Mitralinsuffizienz finden. • In fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung entwickelt sich dann eine biventrikuläre Herzinsuffizienz. Die Halsvenen sind im Sitzen gestaut, als Hinweis auf eine Trikuspidalinsuffizienz findet man einen positiven Venenpuls. • Weitere Symptome sind Beinödeme und eine Lebervergrößerung mit Aszites und Pleuraergüssen. Als Ausdruck der Leberfunktionsstörung können ein Ikterus und eine Albuminsynthesestörung auftreten. Als Hinweis auf eine Linksherzinsuffizienz treten feuchte Rasselgeräusche über den basalen Lungenabschnitten auf.

Kardiomyopathien

105

5.2.5 Diagnostik

Diagnose

5.2.5.1 EKG Bei der dilatativen Kardiomyopathie finden sich gelegentlich • deszendierend verlaufende Senkungen der ST-Strecke, • präterminal negative T-Wellen. In fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung findet man häufig: • einen kompletten Linksschenkelblock. Einige Patienten entwickeln dieses Blockbild jedoch schon im Frühstadium der Erkrankung und teilweise auch nur belastungsabhängig. • Unter der zunehmenden Linksherzbelastung erscheint ein P-sinistroatriale, welches bei globaler Herzinsuffizienz in ein P-biatriale übergehen kann. • Meistens tritt jedoch mit zunehmender kardialer Dekompensation Vorhofflimmern oder Vorhofflattern auf. • Ventrikuläre Rhythmusstörungen in Form von Salven oder andauernden Tachykardien können zum Kammerflimmern und plötzlichem Herztod führen.

EKG: - ST-Streckensenkung - präterminal negative T-Welle - kompletter Linksschenkelblock - P-sinistroatriale -» P-biatriale - Vorhofflimmern - Vorhofflattern - Salven, Tackykardien, plötzlicher Herztod

5.2.5.2 Röntgen-Thorax (Abb. 11-29) • Die Vergrößerung der Herzsilhouette weist auf die Dilatation des linken Ventrikels hin. Im Frühstadium ist dies häufig der einzige auffallende Befund. • In fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung zeigt sich meist eine biventrikuläre Vergrößerung des Herzens, zusätzlich als Ausdruck der akuten und chronischen Lungenstauung finden sich Kerley-B-Linien in den basalen Abschnitten. • Im Terminalstadium treten Pleuraergüsse auf, die Lunge zeigt eine diffuse Verschattung bei alveolärem Lungenödem unter dem klinischen Bild der globalen dekompensierten Herzinsuffizienz.

Röntgen: - Vergrößerung der Herzsilhoutte -» Dilatation des linken Ventrikels Später: - biventrikuläre Vergrößerung des Herzens Terminal: - Pleuraergüsse - diffuse Verschattung der Lunge bei Lungenödem

Abb. 11-29 Röntgen-Thorax-Befund der kongestiven Kardiomyopathie

5.2.5.3 Echokardiogramm Im Echokardiogramm lassen sich Größen und Funktionsweise von linkem Ventrikel und linkem Vorhof gut darstellen. • Der enddiastolische Durchmesser des linken Ventrikels ist vergrößert, das Kontraktionsverhalten global eingeschränkt. • Die Verkürzungsfraktion im m-mode-Echokardiogramm ist deutlich vermindert. Die Klappen sind meistens unauffällig. • In fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung beobachtet man eine verminderte Öffnung der Mitralklappe als Hinweis auf das herabgesetzte Herzzeitvolumen.

Echokardiogramm: - Vergrößerung des enddiastolischen Durchmessers - eingeschränktes Kontraktionsverhalten - Verkürzungsfraktion vermindert Später: - verminderte Öffnung der Mitralklappe - Mitral- und Trikuspidalinsuffizienz

106

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems • Doppler-echokardiographisch läßt sich die Mitral- und Trikuspidalinsuffizienz als Folge der Dilatation des Klappenringes nachweisen. Als nicht-invasive und den Patienten wenig belastende Untersuchung eignet sich die Echokardiographie gut zur Verlaufskontrolle der Größenverhältnisse des linken Ventrikels und Vorhofes.

5.2.5.4 Nuklearmedizinische Verfahren Nuklearmedizin: - Einschränkung der Auswurffraktion - durch Thallium-Szintigraphie: disseminierte Myokardnekrosen sichtbar

Die Radionuklidventrikulographie eignet sich zur Bestimmung der linksventrikulären Funktion. Ähnlich wie bei der Echokardiographie findet sich hier schon in frühen Stadien der Kardiomyopathie eine Einschränkung der Austreibungsfraktion, die mit Fortschreiten der Erkrankung weiter abnimmt. Die neu entwickelte SPECT-Technik erlaubt eine dreidimensionale semiquantitative Darstellung von Wandbewegung und Ventrikelvolumen. Die 2UI Thallium-Szintigraphie zeigt häufig eine diffuse, fleckförmige Verminderung der Nuklidaufnahme als Ausdruck von herdförmigen disseminierten Myokardnekrosen.

5.2.5.5 Herzkatheterdiagnostik (Abb. 11-30) Herzkatheter: Bei Kontrastmitteldarstellung: - Einschränkung der Kontraktion - Vergrößerung der enddiastolischen und endsystolischen Volumina - herabgesetzte Ejektionsfraktion - Mitralinsuffizienz - enddiastolischer Füllungsdruck erhöht - erhöhte Druckwerte in Pulmonalarterie

ferner: - herabgesetztes Schlagvolumen - Endomyokardbiopsie

Bei selektiver Darstellung der Herzkranzgefäße finden sich meistens kräftige Arterien ohne hämodynamisch wirksame Stenosen. • Die Kontrastmitteldarstellung der linken Herzkammer zeigt • eine globale Einschränkung der Kontraktion, • das endsystolische und enddiastolische Volumen des linken Ventrikels ist vergrößert. • Die Ejektionsfraktion ist deutlich herabgesetzt. • Die Regurgitation von Kontrastmittel in den linken Vorhof weist auf die häufig mitbestehende Mitralinsuffizienz hin. • Der enddiastolische linksventrikuläre Füllungsdruck ist in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung meistens erhöht, • ebenso erhöht sind die Druckwerte in der Pulmonalarterie und in Pulmonalkapillarposition. • Bei Vorliegen einer hämodynamisch wirksamen Mitral- oder Trikuspidalinsuffizienz findet sich eine deutliche V-Welle in der Druckkurve des rechten Vorhofes bzw. in Pulmonalkapillarposition. • In Frühstadien der Erkrankung sind die Druckwerte in Ruhe im kleinen Kreislauf häufig noch normal, steigen unter körperlicher Belastung jedoch auf pathologische Werte an. • Das Schlagvolumen ist mit Beginn der Dekompensation herabgesetzt. Das Herzzeitvolumen kann in fortgeschrittenen Stadien nur durch die Erhöhung der Herzfrequenz aufrechterhalten werden. Während der Katheteruntersuchung besteht die Möglichkeit einer Endomyokardbiopsie, welche aus der Wand des linken Ventrikels oder aus dem

Abb. 11-30 Laevokardiogramm bei kongestiver Kardiomyopathie Links: endsystolisch; rechts: enddiastolisch (30°-RAD-Projektion)

Kardiomyopathien

107

rechtsventrikulären Septum v o r g e n o m m e n wird. D e r Wert der Biopsie ist in der Klinik jedoch begrenzt: Die Sensitivität der Myokardbiopsie bei der Myokarditis beträgt nur etwa 50%, andererseits finden sich oft auch bei Fehlen von klinischen Zeichen einer Myokarditis entzündliche Infiltrate im Biopsiematerial.

5.2.5.6 Kernspintomographie (NMR) Die EKG-getriggerte N M R - D a r s t e l l u n g des Herzens erlaubt bei der dilatativen Kardiomyopathie eine sehr exakte Bestimmung von Größenverhältnissen der Herzhöhlen und der Myokarddicke. Auch T h r o m b e n im Ventrikel und Vorhof stellen sich gut dar. Bei Verbesserung der Auflösung läßt sich wahrscheinlich in Z u k u n f t auch die fleckförmige Verteilung der Myokardfibrose darstellen.

Kernspintomographie: Exakte Bestimmung von Größenverhältnissen der Herzhöhlen und des Myokards möglich

5.2.6 Therapie

Therapie

Eine kausale T h e r a p i e der dilatativen Kardiomyopathie ist nicht b e k a n n t . Die Behandlung erfolgt symptomatisch. • Bei einer leichten bis mäßigen Herzinsuffizienz ( N Y H A II bis III) mit Belastungsdyspnoe und leicht eingeschränkter Leistungsfähigkeit wird in der traditionellen T h e r a p i e ein Diuretikum und/oder Digitalis eingesetzt. • Bei beginnender linksventrikulärer Dekompensation haben sich die ACE-Hemmer (ζ. B. Enalapril®, Captopril®) bewährt. Nach ersten Hinweisen können A C E - H e m m e r auch in früheren Stadien der E r k r a n k u n g die Lebenserwartung und Belastbarkeit der Patienten verbessern, diese B e f u n d e bedürfen jedoch noch der Absicherung in größeren randomisierten Studien. Vasodilatatoren wie Dihydralazin®, Prazosin® und Minoxidil® f ü h r t e n in der chronischen Therapie der Herzinsuffizienz trotz eindrucksvoller Ergebnisse bei akuter G a b e nicht zu der erwarteten klinischen Besserung und fördern häufig die Entwicklung von Ö d e m e n . Auch f ü r Kalziumantagonisten wie Nisoldipin®, Nifedipin® und Verapamil® wurden bisher keine überzeugenden Ergebnisse in der Langzeitbehandlung nachgewiesen. In ersten kleineren Studien wurde unter der Langzeitbehandlung mit Phosphordiesterase-Hemmern (Milrinone®, Enoximone®) eine a n h a l t e n e Verbesserung der Leistungsfähigkeit und der klinischen Symptome beobachtet. Beta-Rezeptoren-Blocker wurden in der B e h a n d l u n g der dilatativen Kardiomyopathie ebenfalls eingesetzt. Es liegen jedoch noch keine endgültigen Ergebnisse vor. • Eine anhaltende Besserung der Leistungsfähigkeit und der Lebenserwartung w u r d e für die orale Langzeitbehandlung einer Kombination aus Isosorbiddinitrat und Dihydralazin g e f u n d e n . Es befanden sich jedoch auch Patienten mit k o r o n a r e r Herzkrankheit in dieser Untersuchung, so d a ß endgültige Schlüsse f ü r die B e h a n d l u n g der dilatativen Kardiomyopathie daraus nicht abgeleitet werden können. Eine weitere häufigere Komplikation bei kongestiver Kardiomyopathie ist das A u f t r e t e n von arteriellen Embolien, die ihren U r s p r u n g meistens von kardialen T h r o m b e n n e h m e n . Die Häufigkeit w u r d e mit 3,5 p r o 100 Patienten und J a h r beschrieben. D a h e r sollte insbesondere bei gesicherten kardialen T h r o m b e n eine Therapie mit Antikoagulantien eingeleitet werden. Bei etwa 50% aller Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie treten ventrikuläre Arrhythmien auf. G e h ä u f t e ventrikuläre Extrasystolen o d e r ventrikuläre Tachykardien erfordern in einigen Fällen den Einsatz von Antiarrhythmika, deren negativ-inotroper E f f e k t jedoch zu berücksichtigen ist. Die Lebenserwartung kann durch den Einsatz von Antiarrhythmika, deren Wirksamkeit jedoch in einer elektrophysiologischen U n t e r s u c h u n g überprüft werden muß, nur bei nachgewiesenen anhaltenden ventrikulären Tachykardien verbessert werden.

Bei leichter Herzinsuffizienz: - Diuretikum - Digitalis

Bei beginnender Dekompensation: - ACE-Hemmer

Langzeit behandlung: - Isosorbiddinitrat + Dihydralazin möglich

Komplikationen - arterielle Embolie -> bei kardialen Thromben: Therapie mit Antikoagulantien

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

108 Prognose

5.2.7 Prognose

Ungünstig Häufigste Todesursache: dekompensierte Herzinsuffizienz maligne Rhythmusstörungen

Verlängerung der Lebenserwartung durch: - ACE-Hemmer - Herztransplantation

Die Prognose der dilatativen Kardiomyopathie ist ungünstig. In einer klinischen Untersuchung starben 35% der Patienten innerhalb eines Jahres. Die häufigste Todesursache war die dekompensierte, t h e r a p i e r e f r a k t ä r e Herzinsuffizienz, bei einigen Patienten auch ein plötzlicher H e r z t o d aufgrund von malignen Rhythmusstörungen. L o o g e n und Kuhn definierten das Krankheitsbild der latenten Kardiomyopathie. D a b e i liegen in R u h e noch normale D r u c k w e r t e in der Pulmonalarterie vor, die nur u n t e r Belastung pathologisch ansteigen. D i e Patienten klagen häufig über Leistungsschwäche und pektanginöse Beschwerden. In einer retrospektiven B e o b a c h t u n g fand sich bei 25 Patienten mit latenter Kardiomyopathie ü b e r eine Beobachtungszeit von im Durchschnitt etwa 5 J a h r e n kein einziger Todesfall. Möglicherweise handelt es sich hier um ein eigenständiges Krankheitsbild. Die gute Prognose spricht gegen die Überlegung, daß die latente Kardiomyopathie ein Vorstadium der dilatativen Kardiomyopathie darstellt. D u r c h Einsatz von A C E - H e m m e r n und bei therapierefraktären Fällen durch eine Herztransplantation kann eine Verlängerung der Lebenserwartung erzielt werden.

Hypertrophe Kardiomyopathie

5.3 Hypertrophe Kardiomyopathie

Latente Kardiomyopathie In Ruhe noch normale Druckwerte in der Pulmonalarterie Kein Vorstadium der dilatativen Kardiomyopathie

D i e hypertrophe Kardiomyopathie wurde erstmals in den späten 50er Jahren als eigenständiges Krankheitsbild verstanden. Nach Entwicklung der m o d e r n e n Herzkathetertechnik gelang es in kurzer Zeit, die Pathophysiologic dieser seltenen H e r z e r k r a n k u n g aufzuklären.

5.3.1 Epidemiologie und Ätiologie Seltene Erkrankung, erbliche Disposition (55%)

D i e hypertrophe K a r d i o m y o p a t h i e ist eine seltene Erkrankung. Bei etwa 55% aller Patienten tritt das Krankheitsbild erblich auf, und häufig besteht ein autosomal-dominanter Erbgang. Jedoch manifestiert sich die hyp e r t r o p h e Kardiomyopathie nicht in allen Fällen in voller Ausprägung. Manifestationsalter und Verlauf sind nicht von äußeren F a k t o r e n abhängig· Die genetischen Z u s a m m e n h ä n g e sind bislang ungeklärt. D i e Untersuchungen verschiedener H L A - G e n e führten zu keinen k o n k r e t e n Ergebnissen.

Pathologie

5.3.2 Pathologie

makroskopisch: - massive Hypertrophie des linken Myokards - Herzgewicht vergrößert - Hypertrophie des Septums - Hinterwand normal

Bei d e r makroskopischen Untersuchung findet man eine massive Hypertrophie des linksventrikulären Myokards, welche jedoch nur auf einzelne Wandabschnitte beschränkt ist. D a s Herzgewicht ist im Regelfall vergrößert. In 80% aller Fälle ist das S e p t u m hypertrophiert. Auch die Spitze des linken Ventrikels o d e r die Papillarmuskeln können betroffen sein (nichtobstruktive hypertrophe Kardiomyopathie). Die H i n t e r w a n d des Herzens hat meistens eine normale Muskeldicke. In seltenen Fällen findet man eine isolierte Hypertrophie des rechten Ventrikels, insbesondere im Bereich der rechtsventrikulären Ausflußbahn. Die H e r z k r a n z g e f ä ß e sind meistens unauffällig, doch 20% aller Patienten weisen eine Koronarsklerose auf. Die Klappen sind meistens unauffällig. Bedingt durch die H y p e r t r o p h i e der Papillarmuskeln wird die Mitralklappe manchmal in das C a v u m des linken Ventrikels hineingezogen, die K l a p p e n r ä n d e r können dann nicht m e h r dicht schließen. Bei einigen Patienten wurde eine valvuläre A o r t e n s t e n o s e als Begleiterkrankung beschrieben. Mikroskopisch imponieren die unregelmäßig a n g e o r d n e t e n , massiv hypertrophierten Muskelfasern. Sie verlaufen teilweise sternförmig, teilweise in Wirbeln. Das Bindegewebe ist ebenfalls vermehrt. Elektronenmikroskop!-

- Koronarien meist unauffällig - Klappen meist unauffällig

mikroskopisch: - hypertrophierte Muskelfasern - vermehrtes Bindegewebe - Myofibrillen verlaufen unregelmäßig

Kardiomyopathien

109

sehe Untersuchungen haben gezeigt, daß auch die Myofibrillen unregelmäßig verlaufen.

5.3.3 Pathophysiologie 5.3.3.1 Obstruktion Während der Systole bewirkt die kräftige Muskulatur zunächst einen raschen Druckanstieg im linken Ventrikel, daher steigt die Flußgeschwindigkeit im Ausflußtrakt schnell an. Während des Kontraktionsablaufes verdickt sich das Septum und wölbt sich in die Ausflußbahn vor. Die Austreibung des restlichen Blutes aus der Kammer wird dadurch behindert, es entsteht bei 20 bis 80% der betroffenen Patienten ein Druckgradient zwischen Ventrikelcavum und der aortalen Ausflußbahn.

5.3.3.2 Ischämie Da die Zahl der Kapillaren mit zunehmender Hypertrophie der Muskelzellen nicht an Zahl zunimmt, verlängert sich die Diffusionsstrecke und verschlechtert die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung des Gewebes. Bedingt durch die Hypertrophie der Muskulatur und manchmal zusätzliche Infiltrationen der Gefäßwände, ist der Koronargefäßwiderstand erhöht. Zusätzlich wird der Sauerstoffverbrauch durch die vermehrte Herzarbeit erhöht, da der Druckgradient im Bereich der linksventrikulären Ausflußbahn überwunden werden muß. Die Verkleinerung des endsystolischen und enddiastolischen Volumens durch die Hypertrophie führt zu einer Verkleinerung des Schlagvolumens, als Kompensationsmechanismen erhöhen sich im Rahmen des Frank-Starling-Mechanismus die Füllungsdrucke, was durch die gesteigerte Wandspannung zu einer weiteren Vermehrung des Sauerstoffverbrauches führt. In fortgeschrittenen Stadien besteht zur Aufrechterhaltung eines ausreichenden Herzzeitvolumens eine Ruhetachykardie. Einige Patienten weisen eine Koronarsklerose mit hämodynamisch wirksamen Stenosen als zusätzlichem Faktor einer myokardialen Ischämie auf. Der chronische Sauerstoffmangel führt bei einigen Patienten zum disseminierten Untergang von Herzmuskelgewebe und geht im weiteren Verlauf mit einer Gefügedilatation des linken Ventrikels einher. Im Endzustand findet sich dann ein klinisches Bild wie bei dilatativer Kardiomyopathie.

Obstruktion: während Systole: hohe Flußgeschwindigkeit bei Ausfluß während Kontraktion: Verdickung des Septums -»Vorwölbung in Ausflußbahn —> Behinderung der Austreibung des Restblutes Druckgradient Ischämie: - Verschlechterung der Sauerstoff- und Nährstoffversorgung - Koronarwiderstand erhöht - Sauerstoffbedarf erhöht - Verkleinerung des Schlagvolumens -> Erhöhung der Füllungsdrucke gesteigerte Wandspannung Erhöhung des Sauerstoffverbrauches - in einigen Fällen: Koronarsklerose als erschwerender Faktor

Folge des chronischen Sauerstoffmangels: Untergang von Herzmuskelgewebe und Gefügedilatation des linken Ventrikels

5.3.3.3 Mitralinsuffizienz Die Papillarmuskeln sind verkürzt und verdickt angelegt, dadurch werden die Mitralklappensegel in das Ventrikelcavum hineingezogen. Bei Vorliegen einer Obstruktion kommt es während der Systole zur Vorwärtsbewegung des vorderen Mitraisegels durch den sogenannten Venturi-Effekt (Abb. 11-31). Das anteriore Mitralsegel behindert so ebenfalls die Austreibung und vergrößert die Obstruktion. Durch die Schlußunfähigkeit des Mitralklappenapparates entsteht während der Systole in den meisten Fällen eine hämodynamisch bedeutsame Mitralinsuffizienz.

Mitralinsuffizienz: Verkürzte und verdickte Papillarmuskeln bewirken ein Einziehen der Mitralklappensegel in das Ventrikelcavum -» Vorwärtsbewegung des Mitralsegels (Venturi-Effekt) bei Obstruktion -> Vergrößerung der Obstruktion -> durch Schlußunfähigkeit Mitralinsuffizienz

5.3.3.4 Diastolische Füllung Die ungeordnete wirbelartige Architektur der Muskelfasern sowie die Verdickung der linksventrikulären Wand und die Bindegewebsvermehrung bewirken, daß sich der Ventrikel bei normalen diastolischen Druckwerten aufgrund seiner Steifigkeit nur ungenügend füllt. Das enddiastolische Volumen ist dabei erheblich verkleinert, trotz fast völliger systolischer Entleerung der Herzkammer bleibt das Schlagvolumen reduziert. Die Relaxation ist passiv gestört durch die Verdickung der Texturstörungen der kardialen Muskulatur und die bindegewebigen Infiltrationen. Da die Relaxation ein stoffwechsel-aktiver Vorgang ist, nimmt die diastolische Steifigkeit unter einer myokardialen Ischämie noch weiter zu. Daher kommt es zum Rück-

Diastolische Füllung: - ungenügende Füllung des Ventrikels wegen seiner Steifigkeit -* das Schlagvolumen ist reduziert - gestörte Relaxation durch Verdickung und Texturstörung -»Zunahme der myokardialen Ischämie -» Rückstau im kleinen Kreislauf und pulmonale Hypertonie

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

110

Abb.ll-31 Venturi-Effekt S Septum, Ao Aortenklappe, AMS anteriores Mitralsegel, LV linker Ventrikel stau des Blutes in den kleinen Kreislauf und zur pulmonalen Hypertoni« Während in leichteren Fällen nur bei Belastung Zeichen der Linksherzinsuffizienz auftreten, findet sich bei fortgeschrittenen Krankheitsbildern ei ne chronische Lungenstauung. Bei Fehlen einer Obstruktion im Bereich des Septums und alleiniger apikaler Beteiligung steht die Behinderung der diastolischen Füllung ganz im Vordergrund des Krankheitsbildes.

5.3.3.5 Rhythmusstörungen Rhythmusstörungen: Ventrikuläre Extrasystolen durch: - Texturstörung - myokardiale Ischämie Folgen: —> weitere Verkürzung der Diastole und Füllungszeit -> Vorwärtsversagen und Abfall des Blutdruckes, Verminderung der Koronarperfusion Sekundenherztod

Patienten mit hypertropher Kardiomyopathie weisen häufig Rhythmusstörungen auf. Bedingt durch die Texturstörung des Myokards und möglicherweise mitbedingt durch die myokardiale Ischämie, besteht häufig eine Neigung zu ventrikulären Extrasystolen, die bisweilen salvenartig auftreten. Schon bei normalen Herzfrequenzen ist die diastolische Füllung vermindert. Bei einer ventrikulären Tachykardie mit entsprechend erhöhter Herzfrequenz kommt es zu einer weiteren Verkürzung der Diastole und damit der Zeit zur Füllung des linken Ventrikels. Das Herzzeitvolumen nimmt rapide ab, die Folge ist ein Vorwärtsversagen mit Abfall des Blutdrucks und weiterer Verschlechterung der Situation durch die Verminderung der Koronarperfusion, was zum Sekundenherztod führen kann. Die Vorhofkontraktion führt gegen Ende der Diastole zur Druckerhöhung im linken Ventrikel und trägt besonders bei Patienten mit verminderter diastolischer Dehnbarkeit zur Ventrikelfüllung bei. Beim Auftreten einer absoluten Arrhythmie bei Vorhofflimmern entfällt die Vorhofkontraktion und das Herzzeitvolumen nimmt ab. Häufig kann ein ausreichender Blutdruck nicht mehr aufrecht erhalten werden, die Folgen können auch hier Bewußtseinsverlust und der plötzliche Herztod sein.

Klinik

5.3.4 Klinik

- Rhythmusstörungen - Synkopen sind erste Symptome der Erkrankung ferner: - Kurzatmigkeit bei Belastung - Angina pectoris-Beschwerden - Schwindel {-> Vorwärtsversagen)

Die hypertrophe Kardiomyopathie kann in jedem Lebensalter manifest werden, der Häufigkeitsgipfel liegt jedoch zwischen 30 und 40 Jahren. Die Patienten dieser Altersgruppe sind häufig beschwerdearm und gut belastbar. • Rhythmusstörungen und Synkopen stellen meistens das erste Symptom der Erkrankung dar. • Einige Patienten klagen über Kurzluftigkeit bei körperlicher Belastung und rasche Ermüdung. • Angina-pectoris-Beschwerden werden auch von Patienten mit normalen Koronararterien angegeben. • Als Ausdruck des Vorwärtsversagens unter Belastung treten Schwindelerscheinungen auf.

Kardiomyopathien Bei älteren Patienten stehen Kurzluftigkeit und pektanginöse Beschwerden häufig im Vordergrund, dagegen weniger die Neigung zu Synkopen. Die Schwere der Symptome korreliert aber nicht mit d e m A u s m a ß oder der Lokalisation der Hypertrophie. So k ö n n e n Patienten mit massiver Septumhypertrophie und Obstruktion beschwerdefrei sein. • Bei der klinischen Untersuchung findet sich in m e h r als der H ä l f t e der Patienten ein 2- bis 3/6 lautes systolisches Austreibungsgeräusch im dritten Interkostalraum links. Das Geräusch wird nicht fortgeleitet. Beim Valsalva-Manöver und nach G a b e von Nitraten wird dieses Geräusch im Gegensatz zur Mitralinsuffizienz lauter. Diese kann zusätzlich bestehen, sie läßt sich durch den bandförmig h a u c h e n d e n Klangcharakter und die Fortleitung in die Axillarregion deutlich abgrenzen. • D e r erste Herzton ist meistens unauffällig, in 40 bis 90% der Patienten folgt, bedingt durch die Steifigkeit des linken Ventrikels, ein vierter Herzton. D e r zweite Herzton ist häufig physiologisch gespalten. 40% aller Patienten weisen auch einen dritten Herzton auf, welcher jedoch nicht mit Lungenstauungszeichen korreliert. • D e r Carotispuls ist im Unterschied zur A o r t e n s t e n o s e hart und oft doppelgipflig, da nach anfänglich rascher Austreibung in der Systole der Ausflußtrakt durch die septale Muskelmasse eingeengt wird.

5.3.5 Diagnostik

111

Klinische Untersuchung: - systolisches Austreibungsgeräusch (nach Nitratgabe lauter) - bei Mitralinsuffizienz: bandförmig-hauchendes Geräusch mit Fortleitung in Axillarregion - vierter Herzton (-» Steifigkeit) - in einigen Fällen auch 3. Herzton (40%)

- Carotispuls: hart, oft doppelgipflig

Diagnose

5.3.5.1 EKG Im E K G finden sich bei den meisten Patienten Auffälligkeiten. • Charakteristisches Zeichen ist ein pathologischer Sokolow-Lyon-Index als Hinweis auf die myokardiale Hypertrophie. • Häufig finden sich präterminal negative T-Wellen als Zeichen der Linksherzschädigung. • Bei einigen Patienten zeigt sich in den Ableitungen V2 bis V4 eine tiefe Q - Z a c k e als Ausdruck der Septumhypertrophie, die die Unterscheidung von einer Infarktnarbe schwierig machen kann. Besonders bei der apikalen Form sind tiefe negative T-Wellen über den linkspräkordialen Ableitungen ein häufiger Befund.

EKG: - pathologischer Sokolow-Lyon-Index - präterminal negative T-Welle - in V2-V4-: tiefe Q-Zacke

5.3.5.2 Röntgen-Thorax Die Herzsilhouette ist meistens nur wenig verbreitert. Bei E r h ö h u n g des linksventrikulären Füllungsdruckes treten Zeichen der Lungenstauung auf. Eine massive Verbreiterung der Herzsilhouette findet sich nur bei Dilatation des linken Ventrikels.

Röntgen: - Zeichen der Lungenstauung - verbreiterte Herzsilhouette nur bei Dilatation

5.3.5.3 Echokardiographie Die Echokardiographie ist als nicht-invasives Verfahren gut dazu geeignet, mit h o h e r Sensitivität und Spezifität eine hypertrophe Kardiomyopathie zu erkennen. Sie hat große B e d e u t u n g im R a h m e n des Screenings von Familienangehörigen bereits e r k r a n k t e r Patienten, da besonders bei jüngeren Patienten oft ein s y m p t o m a r m e r Verlauf besteht. In d e r 2 - D - E c h o k a r d i o g r a p h i e läßt sich das Septum gut einsehen. Lage und A u s m a ß der H y p e r t r o p h i e und besonders die Beziehung zum vorderen Mitralsegel k ö n n e n dargestellt werden. In der m-mode-Echokardiographie e r k e n n t man häufig bei Anlotung des linksventrikulären Ausflußtraktes die Verdickung des Septums und die Vorwärtsbewegung des anterioren Mitralsegels w ä h r e n d der Systole (systolic anterior movement, S A M ) . Bei Darstellung der A o r t e n k l a p p e wird oft der systolische Klappenschluß erkennbar. Ein isolierter Befall der Herzspitze dagegen ist schwieriger zu e r k e n n e n . In der Doppler-Untersuchung läßt sich eine erhöhte Strömungsgeschwindigkeit im linksventrikulären Ausflußtrakt und die Regurgitation in den linken Vörhof als Ausdruck einer Mitralinsuffizienz gut erkennen und semiquantitativ abschätzen.

Echokardiographie: gut geeignet als Screeningmethode gute Beurteilung des Septums möglich Ausmaß der Hypertrophie gut erkennbar

bei m-mode-Echokardiographie erkennbar: - Dicke des Septums - Vorwärtsbewegung des Mitralsegels während Systole - Darstellung der Aortenklappe und systolischer Klappenschluß bei Doppler-Untersuchung erkennbar: - erhöhte Strömungsgeschwindigkeit im linksventrikulären Ausflußtrakt - Regurgitation im linken Vorhof

112

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems 5.3.5.4 Herzkatheterbefund (Abb.II-32)

Katheterbefund: - Verkleinerung des enddiastolischen und endsystolischen V o l u m e n s - bei septaler Beteiligung: Bananenform des linken Ventrikels - bei Beteiligung der Spitzenregion: völlige Entleerung des C a v u m s - bei Mitralinsuffizienz: Regurgitation in den linken Vorhof - bei Beteiligung des rechten Ventrikels: Obstruktion der Ausflußbahnen, fehlende diastolische Relaxation

Die Koronarangiographie ist in der Mehrzahl der Patienten unauffällig, nur bei etwa 20% aller Patienten findet sich eine Koronarsklerose. • Lage und Ausmaß der Hypertrophie werden durch die Angiographie des linken und auch des rechten Ventrikels dargestellt. • Das endsystolische und enddiastolische Volumen des linken Ventrikels ist im Regelfall verkleinert. • Bei septaler Beteiligung mit Obstruktion der Ausflußbahn findet sich die sogenannte Bananenform des linken Ventrikels. • Am Ende der Systole ist der Ausflußtrakt durch die Vorwölbung des hypertrophierten Septums fast vollständig verschlossen, das in der Spitze der Kammer befindliche Blut kann nicht entweichen. Bei Beteiligung der Spitzenregion kommt es zur völligen Entleerung des Cavums.

Abb.II-32 Laevokardiogramm bei hypertropher Kardiomyopathie Links: endsystolisch; rechts: enddiastolisch (30°-RAD-Projektion)

Charakteristisch sind: - A n w a c h s e n des Druckgradienten bei A u s l ö s e n v o n Extrasystolen (mit septa ler Obstruktion) - hohe A- und V-Welle in der Druckkurve des linken Vorhofes

• Eine Mitralinsuffizienz läßt sich durch die Regurgitation in den linken Vorhof angiographisch quantifizieren. Selten besteht auch eine Beteiligung des rechten Ventrikels. In der Angiographie erkennt man dann eine Obstruktion der rechtsventrikulären Ausflußbahn und die fehlende diastolische Relaxation im anteroseptalen Bereich. Bei simultaner Messung der Druckwerte im linken Ventrikel und in der Aorta findet man bei einer Obstruktion einen Druckgradienten. Beim Rückzug des Katheters aus der Spitze des linken Ventrikels in die Aorta wird erkennbar, daß der Druckgradient vor der Passage der Aortenklappe entsteht, da unmittelbar unterhalb der Aortenklappe die gleichen systolischen Drucke wie in der Aorta herrschen. • Charakteristisch für die hypertrophe Kardiomyopathie mit septaler Obstruktion ist das Anwachsen des Druckgradienten bei gleichzeitigem Abfall des Aortendrucks nach Auslösen von Extrasystolen (Brockenbrough-Phänomen). Auch unter körperlicher Belastung und Vorlastsenkung mit Nitraten steigt der Druckgradient an. • Charakteristisch für die hypertrophe Kardiomyopathie ist eine hohe Aund V-Welle in der Druckkurve des linken Vorhofes. Wegen der verminderten Dehnbarkeit des linken Ventrikels steigt der Druck während der Entleerung des linken Vorhofes stark an (A-Welle). Bedingt durch eine häufig mitbestehende Mitralinsuffizienz, kommt es während der Systole zur Regurgitation und zum Druckanstieg im linken Vorhof (V-Welle). Je nach Ausmaß der linksventrikulären Funktionsstörung kann der Druck in der Pulmonalarterie normal oder bereits erhöht sein. Beim Rückzug in den rechten Ventrikel stellt sich in manchen Fällen auch in der rechtsventrikulären Ausflußbahn ein Druckgradient dar.

113

Kardiomyopathien 5.3.5.5 Thallium-Szintigraphie Bei Darstellung des Myokards mittels der Thallium-Szintigraphie kann man Grad und Lage der Hypertrophie semiquantitativ abschätzen. Unter Ergometerbelastung gibt auch bei Fehlen einer stenosierenden Koronarsklerose eine verminderte Speicherung Hinweise auf eine myokardiale Ischämie.

Szintigraphie: semiquantitativ: Lage und Grad der Hypertrophie

5.3.5.6 Kernspintomographie (Abb. 11-33)

Kernspintomographie

Die EKG-getriggerte NMR-Technik erlaubt eine dreidimensionale genaue Darstellung des gesamten Myokards. Neben der septalen Beteiligung kann hier auch gut die Hypertrophie der Herzspitze dargestellt werden, was im Rahmen der Echokardiographie manchmal nur mit Einschränkungen möglich ist.

Darstellung: - der septalen Beteiligung - Hypertrophie der Herzspitze

Abb. 11-33 Kernspintomogramm bei hypertropher Kardiomyopathie (Horizontalebene) (mit freundl. Überlassung durch Dr. Spielmann, Radiol. Klinik des Univ.-Krhs. Eppendorf, Hamburg)

5.3.6 Verlauf und Prognose

Verlauf

Die hypertrophe Kardiomyopathie verläuft meistens langsam progredient oder bleibt stabil. In langer Zeit (über 5 bis 10 Jahre) entwickelten nur 10 bis 20% aller Patienten eine progrediente Herzinsuffizienz. Bei Diagnosestellung im Alter unter 20 Jahren ist bei zwei Drittel der Patienten ein beschwerdefreier Verlauf beschrieben worden. • Allerdings treten häufig aus vollem Wohlbefinden maligne Herzrhythmusstörungen auf, die zum plötzlichen Herztod führen können. So ist die Prognose durch eine Mortalität von 6% pro Jahr in der Jugend und von 2-3% pro Jahr im Erwachsenenalter belastet. Prognostisch ungünstige Parameter sind das Vorliegen von Hypertrophiezeichen im EKG und der Nachweis einer asymmetrischen Septumhypertrophie. Ältere Patienten haben häufiger Symptome wie Angina pectoris und Kurzluftigkeit, plötzliche Todesfälle treten jedoch seltener auf. Aufgrund des unterschiedlichen Verlaufs und Manifestationsalters könnten der hypertrophen Kardiomyopathie ätiologisch unterschiedliche Krankheitsbilder zugrunde liegen, die sich klinisch ähnlich manifestieren. Andererseits ergaben echokardiographische Reihenuntersuchungen, daß neben einer juvenilen Manifestation mit progredientem Verlauf Familienangehörige erst im fortgeschrittenen Lebensalter eine milde verlaufende hypertrophe Kardiomyopathie entwickeln. Im 24-Stunden-Langzeit-EKG konnten bei vielen Patienten ventrikuläre Arrhythmien im Sinne von Salven oder langsamen ventrikulären Tachykardien festgestellt werden. Einige Autoren wiesen einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Arrhythmien und einem erhöhten Risiko des

- langsam, progredient - stabil - häufig Rhythmusstörungen aus vollem Wohlbefinden mit plötzlichem Herztod

Prognostisch ungünstig sind: - Hypertrophiezeichen im EKG - asymmetrische Septumhypertrophie

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

114

plötzlichen Herztodes nach. Viele Arrhythmien bleiben jedoch asymptomatisch und führen nicht zu synkopalen Ereignissen. Therapie

5.3.7 Therapie

Ziel: - Verbesserung der diastolischen Relaxation - Verminderung der septalen Obstruktion

Die Therapie der hypertrophen Kardiomyopathie erfolgt rein symptomatisch: • Ziel der Behandlung ist es, durch Gabe von Pharmaka die diastolische Relaxation zu verbessern und den Grad der septalen Obstruktion zu vermindern.

5.3.7.1 Beta-Rezeptoren-Blocker Beta-Rezeptoren-Blocker: Ziel: Verlängerung der Diastole, Erfolg nur in V3 der Fälle

Beta-Rezeptoren-Blocker wurden zuerst in der Behandlung der hypertrophen Kardiomyopathie eingesetzt und haben einen negativ-inotropen Effekt. Die Senkung der Herzfrequenz verlängert die Diastole. Es sind relativ hohe Dosen erforderlich, z.B. 320 bis 480 mg Propranolol pro Tag. Bei über einem Drittel der Patienten konnte der Druckgradient im linken Ventrikel unter Belastung reduziert werden, in mehr als der Hälfte konnte jedoch keine klinische Besserung erreicht werden. Die Behandlung mit Beta-Rezeptoren-Blockern ist limitiert durch Nebenwirkungen wie Bronchialkonstriktion, Blutdrucksenkung und Bradykardien.

5.3.7.2 Kalziumantagonisten Kalziumantagonisten: - Erfolg in 37% der Fälle durch Verapamil - Reduktion der Obstruktion unter Belastung in 50% der Fälle

In der Behandlung der hypertrophen Kardiomyopathie wurde Verapamil eingeführt. Es sind ebenfalls sehr hohe Dosen (360 bis 720 mg pro Tag) erforderlich. Die Herzinsuffizienz verbesserte sich unter Verapamil bei 37% der behandelten Patienten, blieb bei 60% unverändert und verschlechterte sich bei 3%. Bei mehr als der Hälfte wurde die Obstruktion unter Belastung reduziert. Verapamil erwies sich im direkten Vergleich gegenüber Propranolol überlegen. Nebenwirkungen unter diesen hohen Dosen wie Bradykardien, AV-Blockierungen und Obstipation werden häufig beobachtet. Nifedipin hat einen peripheren Angiffspunkt und senkt die Nachlast. Die Substanz hat sich in der Behandlung der hypertrophen Kardiomyopathie nicht als erfolgreich erwiesen.

5.3.7.3 Amiodaron Amiodaron: Einsatz nur bei Patienten, bei denen Beta-Rezeptoren-Blocker und Kalziumantagonisten keinen Erfolg gebracht haben

Amiodaron ist ein Klasse-III-Antiarrhythmikum, welches sowohl ventrikuläre Arrhythmien als auch die Tachyarrhythmie bei Vorhofflimmern unterdrückt. Zusätzlich besteht ein leichter negativ-inotroper Effekt, so daß diese Substanz als günstiges Medikament zur Behandlung der hypertrophen Kardiomyopathie angesehen wurde. Andererseits besitzt Amiodaron in klinischen Dosen von 100 bis 200 mg pro Tag ein nicht unerhebliches Nebenwirkungspotential. Durch Verzögerung der Überleitung und Bradykardie kann es zur Verschlechterung der hämodynamischen Situation kommen. Daher wird Amiodaron nur an ausgewählten Patienten, bei denen die Behandlung mit Kalziumantagonisten und Beta-Rezeptoren-Blockern fehlgeschlagen ist, eingesetzt, insbesondere wenn atriale oder ventrikuläre Tachyarrhythmien bestehen.

5.3.7.4 Diuretika Diuretika: Einsatz bei biventrikulärer Herzinsuffizienz bei Dilatation. Dann: - Beeinflussung der Lungenstauung - Erhöhung der Belastbarkeit

Eine Senkung der Vorlast durch Gabe von Diuretika kann generell nicht empfohlen werden, da wegen der Steifigkeit des linken Ventrikels zur Aufrechterhaltung eines erforderlichen Herzzeitvolumens eine erhöhte Vordehnung erforderlich ist. Allerdings können Diuretika im Zustand der biventrikulären Herzinsuffizienz bei Dilatation des linken Ventrikels die Symptome der Lungenstauung günstig beeinflussen und die Belastbarkeit der Patienten erhöhen.

Kardiomyopathien

115

• Sie sollten d a h e r nur bei Patienten, die bereits in R u h e eine deutliche pulmonale Stauung aufweisen, mit Vorsicht eingesetzt werden.

5.3.7.5 Operative Behandlung Bei Fehlschlagen der konservativen Behandlung und Nachweis eines hohen Druckgradienten ü b e r d e m Septum k o m m t als chirurgisches Therapieverfahren die Myektomie des linksventrikulären Ausflußtrakts infrage. • Dieser Eingriff sollte nur schwerstkranken Patienten vorbehalten werden, da die Mortalität mit 7 bis 17% relativ hoch ist und häufig postoperativ Komplikationen auftreten. Die meisten operierten Patienten weisen jedoch eine deutliche Besserung ihrer Symptome auf. In einigen Fällen ist zusätzlich ein Mitralklappenersatz bei Deformation der Mitralklappe erforderlich.

Operation: Indikation nur bei schwerstkranken Patienten

5.4 Restriktive Kardiomyopathie

Restriktive Kardiomyopathie

5.4.1 Einteilung 5.4.1.1 Primär restriktive Kardiomyopathie Die primär restriktive Kardiomyopathie ist eine sehr seltene, ätiologisch ungeklärte, progrediente Fibrose im interstitiellen G e w e b e des Myokards. Häufig findet man eine Beteiligung des E n d o k a r d s und Perikards (restriktiv-konstriktive Myokardiopathie). Die linke und rechte H e r z k a m m e r sind normal groß und die enddiastolischen Volumina normal. Die systolische Funktion ist normal oder allenfalls leicht eingeschränkt. Die myokardiale Wanddicke ist nicht vergrößert. Bei Beteiligung des Erregungsleitungssystems tritt häufig ein Schenkelblock oder Atrioventrikularblock auf. Linker und rechter Vorhof sind meistens vergrößert, bei einigen Patienten finden sich T h r o m b e n in Vorhof und Ventrikel. Makroskopisch ist die Bindegewebsneubildung vor allem in den subendokardialen Schichten des Myokards ausgebildet.

Primär restriktive Kardiomyopathie: Seltene, ungeklärte, progrediente Fibrose im interstitiellen Gewebe des Myokards - linker und rechter Vorhof sind vergrößert - oft Schenkelblock od. Atrioventrikularblock - ausgeprägte Bindegewebsneubildung

5.4.1.2 Löfflersche Endokarditis Die Löfflersche Endokarditis ist eine ebenfalls sehr seltene Herzmuskelerkrankung, welche 1936 als parietale fibroplastische Endokarditis beschrieben wurde. Die Krankheit ist ätiologisch ungeklärt und geht mit einer Bluteosinophilie einher. Ein chronisch entzündlicher Prozeß befällt das Endokard und die subendokardialen Schichten beider Ventrikel. U n t e r der entzündlichen Nekrose bildet sich sekundär ein festes Narbengewebe, das ins Myokard ausstrahlt. Im Bereich der Herzspitze, jedoch auch im Mitralklappenapparat finden sich häufig wandständige T h r o m b e n . Mikroskopisch sieht man im Bereich der nekrotisierenden E n t z ü n d u n g zahlreiche Granulozyten mit hohem A n teil an eosinophilen Zellen.

Löfflersche Endokarditis: Seltene, ätiologisch ungeklärte Herzmuskelerkrankung - Endokard ist chronisch-entzündlich befallen Ausbildung von festem Narbengewebe - oft wandständige Thromben

5.4.1.3 Tropische endomyokardiale Fibrose Bei Kindern und jungen Erwachsenen findet sich in tropischen Regionen häufig die endomyokardiale Fibrose. Ähnlich wie bei die Löfflersche Endokarditis bestehen auch hier ausgedehnte Vernarbungen im Bereich des linken und rechten Ventrikels. Die Vorhöfe sind massiv überdehnt, und es finden sich T h r o m b e n in der Spitze und der Einflußbahn des linken, selten des rechten Ventrikels. Die T h r o m b e n können die Herzhöhlen fast vollständig ausfüllen, das Krankheitsbild wird dann als restriktiv-obliterative Kardiomyopathie bezeichnet. Die Segelklappen können in den fibrotischen Prozeß einbezogen sein und werden häufig schlußunfähig.

Tropische endomyokardiale Fibrose: - Vernarbungen im Bereich des linken und rechten Ventrikels - Vorhöfe massiv überdehnt - Thromben in Herzspitze und linker Einflußbahn - Segelklappen oft schlußunfähig

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

116 Pathophysiologie

5.4.2 Pathophysiologie

- Durch Bindegewebsvermehrung diastolische Füllung beeinträchtigt - Dehnbarkeit der Ventrikel eingeschränkt hohe Füllungsdrucke zur Aufrechterhaltung des Schlagvolumens erforderlich - Lungenstauung und pulmonale Hypertonie

• Die endo- und myokardiale Bindegewebsvermehrung beeinträchtigt die diastolische Füllung, • die Dehnbarkeit des linken und auch des rechten Ventrikels ist deutlich eingeschränkt. Die systolische Funktion ist meistens nicht betroffen. Als Folge der gestörten linksventrikulären Dehnbarkeit werden zur Aufrechterhaltung eines ausreichenden Schlagvolumens immer höhere Füllungsdrucke erforderlich, dadurch kommt es zum Bild der Lungenstauung und pulmonalen Hypertonie.

Klinik - Herzinsuffizienz - Kurzatmigkeit - rasche Ermüdung - Beinödeme - Aszites Diagnose

5.4.3 Klinik Spezifische Symptome der restriktiven Kardiomyopathie sind nicht bekannt, die Klinik wird von den Erscheinungen der Herzinsuffizienz wie Kurzluftigkeit, rasche Ermüdung, Beinödeme und Aszites bestimmt.

5.4.4 Diagnostik 5.4.4.1 Röntgen-Thorax

Röntgen: - Zeichen des Linksherzversagens mit Lungenstauung

Bei Röntgenaufnahme des Thorax ist das Herz meistens normal groß, bei beginnender kardialer Dekompensation zeigen sich Zeichen des Linksherzversagens mit Lungenstauung, in Endstadien der Erkrankung auch Pleuraergüsse.

5.4.4.2 Echokardiographie Echokardiographie: - vergrößerte Vorhöfe - Thromben in Ventrikelspitzen und hinterem Mitralsegelbereich - hoher Fluß über Mitralklappe später Abfall der Strömungsgeschwindigkeit

• Echokardiographisch imponieren die vergrößerten Vorhöfe, während die Diameter der Herzkammern normal sind. • Thromben können im Bereich der Ventrikelspitzen und des hinteren Mitralklappensegels dargestellt werden. Die systolische Funktion ist meistens noch normal. Doppler-echokardiographisch findet sich frühdiastolisch ein hoher Fluß über der Mitralklappe, während es im weiteren Verlauf der späten diastolischen Füllung, bedingt durch die Steifigkeit der Herzkammer, zu einem raschen Abfall der Strömungsgeschwindigkeit kommt. Dieses Geschwindigkeitsprofil ist jedoch nicht spezifisch für die restriktive Kardiomyopathie, sondern findet sich z.B. auch bei Patienten mit Pericarditis constrictiva.

5.4.4.3 Herzkatheterbefund Katheterbefund: - Herzhöhlen normal groß - frühdiastolischer Druckabfall anschließend Plateau (DipPhänomen)

Differentialdiagnose Nicht verkalkte Pericarditis constrictiva

Bei der Angiographie des rechten und linken Ventrikels sind die Herzhöhlen enddiastolisch normal groß. Die Registrierung des Druckes im Cavum des betroffenen Ventrikels zeigt einen frühdiastolischen Druckabfall, der oft bis zu negativen Druckwerten abfällt. Danach kommt es frühdiastolisch zu einem raschen Druckanstieg im Ventrikel mit anschließender Plateaubildung (Dip-Phänomen). Bei Sinusrhythmus findet sich, bedingt durch die Vorhofkontraktion, enddiastolisch eine Uberhöhte a-Welle. Diese Druckkurvenform ist nicht spezifisch für die restriktive Kardiomyopathie, sondern findet sich auch bei anderen Erkrankungen mit einer Verminderung der diastolischen Dehnbarkeit des Ventrikels. Die Differentialdiagnose zur nicht-verkalkenden Pericarditis constrictiva wird durch simultane Registrierung der Druckwerte im rechten und linken Ventrikel gestellt. Bei der Pericarditis constrictiva besteht, bedingt durch die Ummauerung des gesamten Herzens, diastolisch ein gleicher Druck in beiden Herzkammern.

5.4.4.4 Endomyokardbiopsie Die Durchführung von Endomyokardbiopsien hat nicht zur ätiologischen Klärung der idiopathischen restriktiven Kardiomyopathie beigetragen. Hingegen erlaubt die Probengewinnung aus dem Myokard die Diagnose ei-

117

Kardiomyopathien ner Speichererkrankung, wie z.B. der Amyloidose oder Glykogenose, als sekundär bedingte restriktive Kardiomyopathie.

5.4.4.5 Kernspintomographie (Abb. 11-34) Die EKG-getriggerte Kernspintomographie erlaubt im Gegensatz zu anderen bildgebenden Verfahren, wie z.B. der Echokardiographie oder dem Laevokardiogramm. die Darstellung von Lage und Ausdehnung der endomyokardialen Fibrose. Die Kernspintomographie hat sich darüber hinaus als nützlich auch in der Diagnostik evtl. mitbestehender oder differentialdiagnostisch zu berücksichtigender perikardialer Erkrankungen erwiesen.

Kernspintomographie: Gute Darstellung von Lage und Größe der Fibrose Abgrenzung gegenüber perikardialen Erkrankungen

Abb. 11-34 Kernspintomogramm bei restriktiver Kardiomyopathie (Horizontalebene) (mit freundl. Überlassung durch Dr. Spielmann, Radiol. Klinik des Univ.-Krhs. Eppendorf, Hamburg)

5.4.5 Therapie

Therapie

Eine kausale Therapie zur Behandlung der restriktiven Kardiomyopathien ist nicht bekannt. So beschränkt man sich auf die symptomatische medikamentöse Behandlung. • Das Herzzeitvolumen kann durch Verbesserung der systolischen Funktion wie durch Gabe von positiv-inotropen Medikamenten und Nachlastsenkern gesteigert werden. Vorlastsenkende Medikamente wie Nitrate und Diuretika sind nur bei stark erhöhten Füllungsdrucken im Zustand der dekompensierten Herzinsuffizienz indiziert. Zur Aufrechterhaltung eines ausreichenden Herzzeitvolumens sind relativ hohe Füllungsdrucke erforderlich. In therapieresistenten Fällen wurde eine Endokardresektion und bei Beteiligung der Segelklappen ein operativer Klappenersatz versucht. Die Ergebnisse sind jedoch enttäuschend und konnten die Langzeit-Prognose der betroffenen Patienten nicht verbessern. Insgesamt liegen wegen der Seltenheit der beschriebenen Krankheitsbilder auch nur begrenzte Erfahrungen vor. Die Prognose der Erkrankung richtet sich nach der Ausdehnung der endomyokardialen Fibrosierung. Auch hier liegen wegen der Seltenheit der Krankheitsbilder keine größeren Studien vor. Thromboembolische Komplikationen sind trotz der häufig nachgewiesenen Thromben in den Herzhöhlen ein relativ seltener Befund. Im Endstadium sind Zeichen der biventrikulären Herzinsuffizienz das führende Symptom.

Keine kausale Therapie möglich Ziel: Steigerung des Herzzeitvolumens durch Verbesserung der systolischen Funktion - positiv-inotrope Substanzen - Nachlastsenker Bei stark erhöhten Füllungsdrucken: - Vorlastsenker

Prognose ist abhängig von der Ausdehnung der Fibrosierung

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

118 Infiltrative Kardiomyopathie

5.5 Infiltrative Kardiomyopathie

Im Myokard diffus eingestreute Infiltrationen unterschiedlicher Art. Folge: - gestörte systolische Pumpfunktion - durch erhöhte Wandstarre diastolische Dip-Plateaubildung somit Verbindung von kongestiver und restriktiver Kardiomyopathie

Die infiltrative K a r d i o m y o p a t h i e hat in hämodynamischer Hinsicht kein so charakteristisches Profil wie die anderen F o r m e n . Im Vordergrund stehen im M y o k a r d diffus eingestreute Infiltrationen unterschiedlicher Art, die die myokardiale Funktion massiv stören. Es k o m m t zu einer insuffizienten systolischen P u m p f u n k t i o n , gleichzeitig ruft eine e r h ö h t e Wandstarre ein diastolisches Dip-Plateau hervor. Es verbinden sich also bei den infiltrativen Kardiomyopathien die Eigenschaften der kongestiven und der restriktiven Kardiomyopathie. D e m e n t s p r e c h e n d handelt es sich in der Regel um sehr ernst zu n e h m e n d e Krankheitsbilder, die tödlich enden und f ü r die es so gut wie keine therapeutischen Ansätze gibt. Im folgenden sollen einige dieser schwer zu diagnostizierenden Krankheitsbilder in Hinblick auf die kardiale Beteiligung vorgestellt werden.

Amyloidose

5.5.1 Amyloidose

Ablagerung von anormalem, eosinophilem, fibrösem Protein

D i e Amyloidose ist eine Störung u n b e k a n n t e r Genese, bei der ein anormales, eosinophiles, fibröses Protein in verschiedenen Körpergeweben abgelagert wird. Amyloid kann in fast jedem Organ gefunden werden, aber erst eine starke Infiltration ist klinisch relevant. D i e Amyloidose k o m m t in vier H a u p t f o r m e n vor: als primäre Amyloidose, als s e k u n d ä r e Amyloidose, als familiäre Form und als senile Amyloidose. Bei der primären F o r m k o m m e n gleichzeitig mit der Einlagerung im Herzen Manifestationen in der Z u n g e , im Gastrointestinaltrakt, in den Nerven, in der H a u t und in den B ä n d e r n der Handwurzeln vor. Bei der s e k u n d ä r e n Amyloidose bestehen im Gegensatz zur primären Form vor der E r k r a n kung des Herzens oft chronische E r k r a n k u n g e n , wie eine r h e u m a t o i d e Arthritis oder chronische Infektionen, z.B. Tuberkulose o d e r chronische Osteomyelitis. Die familiäre Amyloidose k o m m t als nephropathische, neuropathische o d e r kardiopathische F o r m vor. Bei routinemäßigen O b d u k t i o n e n wird bei Patienten über 75 J a h r e n in 10% der Fälle eine senile Amyloidose gefunden. D a s Faserprotein gleicht nicht dem, das bei den anderen F o r m e n d e r Amyloidose g e f u n d e n wird. Klinisch sind vier S y m p t o m e n k o m p l e x e von Bedeutung: D a s kongestive Herzversagen, das überwiegend auf eine systolische Dysf u n k t i o n zurückzuführen ist, ist die erste Erscheinungsform. Die zweite Erscheinungsform, die seltener v o r k o m m t , entspricht der restriktiven Kardiomyopathie. Diastolischer Dip und Plateaubildung sind typisch. Die dritte Erscheinungsform manifestiert sich besonders in A r r h y t h m i e n und Überleitungsstörungen, die bis zu Synkopen f ü h r e n können. Ein plötzlicher Tod (sudden d e a t h ) rhythmischen Ursprungs ist relativ häufig. Die vierte Erscheinungsf o r m geht mit einer orthostatischen Hypotension einher. E s handelt sich vorwiegend um Amyloidinfiltrationen im a u t o n o m e n Nervensystem o d e r in den Blutgefäßen, a u ß e r d e m im Herzmuskel und in den Nebennieren. A u c h hier entspricht das hämodynamische Bild einer Kombination der kongestiven und der restriktiven Kardiomyopathie. Es k ö n n e n zusätzlich Pleuraergüsse auftreten. Das E K G zeigt eine diffuse Niedervoltage bei etwa der H ä l f t e der Patienten. O f t wird ein Myokardinfarkt aufgrund von kleinen oder fehlenden R - Z a c k e n in den rechtspräkordialen Ableitungen vorgetäuscht. Die Herzachse verlagert sich nach rechts. A r r h y t h m i e n sind häufig, besonders k o m m t Vorhofflimmern mit absoluter A r r h y t h m i e bei etwa 20% der Patienten vor. Auch der Sinusknoten ist häufig befallen und wird dadurch zum „kranken Sinusknoten". Echokardiographisch werden Wandverdickungen der Ventrikel sowie die insgesamt vergrößerte Ventrikelmasse links sichtbar.

3 -

Formen: primäre Amyloidose sekundäre Form familiäre Form senile Amyloidose

Klinisch vier Symptomenkomplexe 1. Kongestives Herzversagen (systolische Dysfunktion) 2. Restriktive Kardiomyopathie (diastolische Dysfunktion) 3. Arrhythmien und Überleitungsstörungen 4. Orthostatische Hypotension

119

Kardiomyopathien 5.5.2

Hämochromatose

Hämochromatose

Diese Erkrankung ist durch exzessive Ablagerungen von Eisen in verschiedenen Parenchymen (Herz, Leber, Gonaden, Pankreas) gekennzeichnet, die familiär oder idiopathisch zusammen mit einem Defekt der Hämoglobinsynthese und damit der Erythropoese auftreten. Im Myokard sind besonders die kontraktilen Zellen befallen. Die hämodynamischen Auswirkungen gleichen denen bei der Amyloidose und hängen vom Ausmaß der Einlagerungen ab. Es finden sich also die Zeichen der restriktiven und kongestiven Kardiomyopathie. Das Herzversagen ist gewöhnlich progressiv und weitestgehend therapierefraktär.

-

Exzessive Ablagerungen von Eisen Defekt der Hämoglobinsynthese Kontraktile Myokardzellen befallen Zeichen der kongestiven und restriktiven Kardiomyopathie - Weitgehend therapierefraktär

5.5.3 S a r k o i d o s e

Sarkoidose

Die Sarkoidose ist eine granulomatöse Störung unbekannter Ätiologie, die durch eine systemische Beteiligung gekennzeichnet ist. Gewöhnlich dominieren die Infiltrationen der Lungen, des retikulo-endothelialen Systems und der Haut. Die pulmonale Beteiligung führt oft zu einer diffusen Fibrose, die ihrerseits ein Rechtsherzversagen verursacht. Die primäre kardiale Beteiligung wird klinisch oft übersehen, obwohl sie bei 20 bis 30% der obduzierten Fälle nachgewiesen wird. Die myokardiale Sarkoidose befällt junge Erwachsene und Patienten im mittleren Lebensalter. Beide Geschlechter sind etwa gleich stark vertreten. Die Granulome infiltrieren das Myokard und wandeln sich eventuell in fibröse Narben um. Die Granulome können jedes Gebiet des Herzens befallen, am häufigsten die Außenwand des linken Ventrikels und das interventrikuläre Septum. Des öfteren werden bei diesem Krankheitsbild Aneurysmen gefunden. Die kleineren Koronaräste werden nur selten von der Sarkoidose angegriffen. Der plötzliche Herztod ist bei zwei Drittel der Patienten die Todesursache. Vorher bestehen wie bei den anderen Krankheiten dieser Rubrik die Zeichen der kongestiven und der restriktiven Kardiomyopathie. Ist das Herz erst einmal einbezogen, ist die Schädigung schwer, progressiv und gewöhnlich therapieresistent. Kardiale Geräusche sind häufig, aber unspezifisch. Sie spiegeln gewöhnlich die Mitralinsuffizienz wider. Die Sarkoidose scheint eine gewisse Affinität zum AV-Knoten und zum His-Bündel zu haben. Daher können AV-Blockierungen verschiedenen Grades entstehen.

- befällt junge Erwachsene und Patienten im mittleren Lebensalter

5.5.4 W h i p p l e s c h e Krankheit

Whipplesche Krankheit

Hierbei handelt es sich um eine intestinale Lipodystrophie mit myokardialer Beteiligung, die sich in Infiltraten und Fibroseherden speziell im Bereich der Klappen äußert.

- Intestinale Lipodystrophie mit myokardialer Beteiligung - Infiltrate und Fibroseherde im Bereich der Klappen

5.5.5 Beckersche Krankheit

Beckersche Krankheit

Es handelt sich um eine Kardiomegalie, die am häufigsten in Südafrika vorkommt. Sie ist durch Herzdilatation mit Fibrose im Bereich der Papillarmuskeln, des Subendokards und des Endokards gekennzeichnet. Im Endokard zeigen sich weiße Flecken, die aus fibroelastischem Gewebe bestehen, vor allem in der Herzspitze. Das Endokard ist mit einer dünnen Fibrinauflage bedeckt, die Herzklappen sind nicht beteiligt. Die Ursache der Erkrankung ist unklar. Sie hat einige Berührungspunkte mit der Endomyokardfibrose und auch mit der Löfflerschen Endokarditis.

- Kardiomegalie in Südafrika - Herzdilatation mit Fibrose in den Papillarmuskeln des Endokards und des Subendokards - Nekrosen und Wandthrombosen - Dünne Fibrinauflage auf dem Endokard

Granulome infiltrieren das Myokard fibröse Narben gewisse Affinität zum AV-Knoten und His-Bündel

5.6 Kardiomyopathie als Begleiterkrankung

Kardiomyopathie als Begleiterkrankung

Bei der erblichen Muskeldystrophie Curschmann-Steinert mit autosomaldominantem Erbgang kann es auch zur Beteiligung der Herzmuskelzellen kommen. Histologisch imponieren eine vermehrte Fettinfiltration des Myokards mit Degeneration der Herzmuskelzellen sowie eine zunehmen-

Bei Muskeldystrophie (Curschmann/Duchenne) erfolgt auch im Herzmuskel: - vermehrte Fettinfiltration - Degeneration der Herzmuskelzellen

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

120 - interstitielle Fibrose, Vernarbung Folge: Herzinsuffizienz, Rhythmusstörungen

Bei Friedreichscher Auftreten einer - Fibrose - Hypertrophie - Texturstörung

Ataxie:

Kardiomyopathie bei endokrinen Erkrankungen Myxödem-Herz bei Mangel an Schilddrü senhormon Klinisches Bild: - Degeneration der Herzmuskelzellen - biventrikuläre Herzinsuffizienz - Koronarsklerose Therapie Korrektur der Schilddrüsenstoffwechsellage, jedoch irreversibel bei fortgeschrittenem Myxödem-Herz

Postinfektiöse Kardiomyopathie Bei: - Virusmyokarditis - Chagas-Krankheit - einigen bakteriellen Infektionskrankhei ten,z.B. Diphtherie, bakterieller Sepsis, rheumatischer Myokarditis kann ein progredienter Myozytenuntergang folgen.

Entzündliche Erkrankungen des Herzens

de interstitielle Fibrose und Vernarbung. Ein ähnlicher Verlauf ist auch bei der rezessiv vererbten Muskeldystrophie Duchenne beschrieben. Klinisch entwickelt sich unter dem Bild einer kongestiven Kardiomyopathie eine zunehmende Herzinsuffizienz, zusätzlich können bei Befall des Erregungsleitungssystems EKG-Veränderungen mit AV-Überleitungsstörungen sowie Tachyarrhythmien auftreten. Bei der Friedreichschen Ataxie findet sich häufig auch eine Beteiligung des Herzens. Mikroskopisch tritt eine interstitielle Fibrose auf, daneben werden jedoch eine Hypertrophie der Herzmuskelzellen und eine Texturstörung ähnlich wie bei hypertropher Kardiomyopathie gefunden. Das klinische Bild wird bestimmt durch die Lokalisation der Muskelhypertrophie und Fibrose, wobei die Echokardiographie entscheidende diagnostische Hinweise gibt.

5.7 Kardiomyopathie bei endokrinen Erkrankungen Bei Mangel an Schilddrüsenhormonen entwickelt sich das sogenannte Myxödem-Herz, welches durch eine mukoide Degeneration der Herzmuskelzellen gekennzeichnet ist. Klinisch manifestiert sich das Myxödem-Herz durch eine biventrikuläre Herzinsuffizienz bei herabgesetzter Herzfrequenz und Niedervoltage im EKG. Häufig findet sich wegen der begleitenden Hypercholesterinämie eine fortgeschrittene Koronarsklerose. Bei Hyperthyreose kommt es ebenfalls zu einer progredienten myokardialen Schädigung, es besteht meistens eine Ruhetachykardie bei Zeichen der mäßigen Herzinsuffizienz. Die Korrektur der Schilddrüsenstoffwechsellage kann in vielen Fällen zur weitgehenden Wiederherstellung der kardialen Funktion führen, bei fortgeschrittenem Myxödem-Herz sind die Veränderungen jedoch nicht reversibel. Bei endokrin aktiven Tumoren im Rahmen eines Karzinoid-Syndroms entwickelt sich in einigen Fällen eine isolierte subendokardiale Fibrose des rechten Ventrikels und der Trikuspidalklappe, die klinisch unter dem Bild einer rechtsventrikulären restriktiven Kardiomyopathie verläuft. Der linke Ventrikel ist nicht betroffen.

5.8 Postinfektiöse Kardiomyopathie Neben der bereits erwähnten Virusmyokarditis, die in eine kongestive Kardiomyopathie übergehen kann, wird auch bei anderen Infektionskrankheiten, wie der parasitär bedingten Chagas-Krankheit (Trypanosoma cruzi), ein progredienter Myozytenuntergang beobachtet. Im Rahmen einer Diphtherie kommt es zu einer toxischen Schädigung der Myozyten. Eine irreversible Myokardschädigung kann auch bei der bakteriellen Sepsis sowie bei der rheumatischen Myokarditis auftreten. Bei allen sekundären Kardiomyopathien ist meistens durch die Herzmuskelbiopsie eine Diagnosestellung möglich.

6 Entzündliche Erkrankungen des Herzens J. Wagner

Herzentzündung, meist Pankarditis

Die entzündlichen Erkrankungen des Herzens befallen in der Regel alle Wandschichten: Endo-, Myo- und Perikard. Somit handelt es sich um eine Pankarditis. Jedoch bevorzugen ätiologisch unterschiedlich hervorgerufene Krankheiten ganz bestimmte anatomische Teile des Herzens, wie z.B. Viruserkrankungen schwerpunktmäßig Myokard und Perikard, während das rheumatische Fieber überwiegend Veränderungen am Endokard nach sich zieht.

Entzündliche Erkrankungen des Herzens

6.1 Endokarditis Definition: Die Endokarditis ist eine E n t z ü n d u n g der Herzinnenhaut, die entweder infektiös o d e r rheumatisch bedingt sein kann. Man unterscheidet eine akute und eine subakute Form.

121 Endokarditis Definition

Die subakute Form entspricht der Endocarditis lenta. D a eine b e s o n d e r e Empfindlichkeit der Herzklappen vorliegt, werden diese d ü n n e n Segelklappen besonders schwer von der E n t z ü n d u n g befallen und in ihrer Funktion eingeschränkt, so d a ß der Begriff Endokarditis auch eingeschränkt nur als Synonym für die E n t z ü n d u n g der Herzklappen benutzt wird. Eine Endokarditis an den Herzklappen führt auch nach Abheilung häufig zu Herzklappenfehlern. Hierbei sind ursächlich immunologische Vorgänge (rheumatisches Fieber) häufiger als direkte bakterielle Besiedelungen (Endocarditis lenta). Eine Angina tonsillaris (beta-hämolysierende Streptokokken) geht häufig 8 - 1 4 Tage der entzündlichen Systemerkrankung des Bindegewebes voraus. Dieses Krankheitsbild wird als rheumatisches Fieber bezeichnet ( s . K a p . X ) .

Voraussetzung für eine Endokarditis: rheumatisches Fieber oder direkte Infektion mit beta-hämolysierenden Streptokokken (auch andere bakterielle Erreger sind möglich)

6.1.1 Rheumatische Endokarditis

Rheumatische Endokarditis

Die subakute Form der Endokarditis entspricht der Endocarditis lenta. Folgeerscheinung einer Endokarditis mit Herzklappenbeteiligung = Herzklappenfehler.

6.1.1.1 Klinik Die rheumatische Endokarditis ist die kardiale Manifestation des rheumatischen Fiebers. 1 - 3 Wochen nach einem A - S t r e p t o k o k k e n - I n f e k t tritt erneut ein Fieberschub auf. Dieser ist verbunden mit Gelenkentzündungen, am häufigsten sind Knie-, H a n d - Sprung-, Schulter- und Ellenbogengelenke, weniger häufig sind H ü f t - und Fußgelenke befallen, noch seltener die kleinen G e l e n k e der Finger und der Z e h e n . D i e betroffenen Gelenke sind schmerzhaft geschwollen und gerötet. In der Regel ist die rheumatische Endokarditis eine Pankarditis. Hier verbinden sich die klinischen S y m p t o m e und diagnostischen B e f u n d e der Endokarditis, Myokarditis und Perikarditis. Symptome • Fieber • Müdigkeit • Schwäche • Herz- und G e l e n k b e s c h w e r d e n D a s Herz ist vergrößert, es treten bei Beteiligung des Myokards Herzrhythmusstörungen auf und bei Beteiligung des Perikards auch elektrokardiographische Veränderungen im Sinne einer Perikarditis (ST-Streckenhebungen und später ein spitz-negatives T) oder myokarditische E K G Veränderungen (uncharakteristische Kammerendteilveränderungen). Es k o m m e n neu a u f t r e t e n d e Herzgeräusche hinzu, insbesondere über der Herzspitze, evtl. ein perikarditisches Reiben und klinisch Zeichen der Herzinsuffizienz. Prädisponierend sind vorher bestehende H e r z e r k r a n k u n g e n wie bereits v o r h a n d e n e rheumatische Herzklappenfehler oder angeborene Herzvitien. Nicht selten sind Nasenbluten, Leukozytose, deutlich erhöhte BSR, ein erhöhter And-O-Streptolysin-Titer sowie ein positives C-reaktives Protein sowie Hautsymptome in F o r m von Noduli und Erythema anulare rheumaticum multiforme nodosum. Eine differentialdiagnostische A b k l ä r u n g m u ß gegenüber d e m E r y t h e m a t o d e s disseminatus, der primär-chronischen Polyarthritis, den bakteriellen Endokarditiden und anderen fieberhaften Infekten bei gleichzeitig b e s t e h e n d e m Herzfehler erfolgen.

6.1.1.2 Verlauf Nach R ü c k g a n g der entzündlichen Gelenkschwellungen und Abfall der erhöhten T e m p e r a t u r k ö n n e n auch die Herzsymptome verschwinden und somit das rheumatische Fieber o h n e pathologische Folgen ausheilen. Es kann

Klinische Zeichen -

erhöhte Körpertemperatur Müdigkeit Schwäche Gewichtsabnahme Gelenkentzündungen (schmerzhaft geschwollen und gerötet) Herzvergrößerung Herzrhythmusstörungen elektrokardiographische Veränderungen Herzgeräusche Zeichen der Herzinsuffizienz Nasenbluten Leukozytose BSG-Erhöhung Anti-O-Streptolysin-Titer positives C-reaktives Protein Erythema anulare rheumaticum multiforme nodosum

Differentialdiagnose gegenüber: -

Erythematodes disseminatus primär-chronischer Polyarthritis bakterieller Endokarditis anderen fieberhaften Infekten

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

122

jedoch auch zu einem Wiederaufflackern d e r entzündlichen Erscheinungen k o m m e n . Die K r a n k h e i t s d a u e r liegt im Kindes- bis Jugendalter über 100 Tage, bei Erwachsenen im 4. und 5. D e z e n n i u m bei 40 Tagen. Das Wiederaufflackern der E r k r a n k u n g steht stets im Z u s a m m e n h a n g mit einem erneuten Streptokokkeninfekt. Bei den 50 unterschiedlichen beta-hämolysier e n d e n S t r e p t o k o k k e n der G r u p p e Α muß bei R e i n f e k t e n immer wieder mit einer neuen A n t i k ö r p e r b i l d u n g gerechnet werden, so d a ß das Bild eines rheumatischen Fiebers und einer rheumatischen Karditis i m m e r wieder voll zur Geltung k o m m e n kann. Seltener ist eine rheumatische Entzündung, die das Myokard betrifft o h n e wesentliche Klappenbeteiligung. Sie wird als rheumatische Myokarditis bezeichnet. Begleitende perikardiale Reaktionen, die im E K G ihren A u s druck finden, werden als Pericarditis rheumatica bezeichnet. Therapie

6.1.1.3 Therapie

- Therapie des Streptokokkeninfektes mit Penicillin (4 Mill. Einheiten tgl.) - Therapie des rheumatischen Fiebers mit Salizylaten ( 6 - 8 g) oder Phenylbutazon ( 4 0 0 - 6 0 0 mg/die) - eventuell Prednison (beginnend mit 8 0 - 1 2 0 mg/die) Zur Prophylaxe eines Rezidivs: Tardocillin 1200 (1,2 Mill. Einheiten) über Jahre alle 4 Wochen ASL-Titer-Kontrollen 8wöchentlich

A n erster Stelle steht die Behandlung des Streptokokkeninfektes. Hier sollten Penicillin-Dosen von 4 Mill./IE täglich bis zum Abklingen der Entzündungserscheinungen verabreicht werden. Die B e h a n d l u n g des rheumatischen Fiebers geschieht mit Salizylaten (6-8 g) oder Phenylbutazon (400-600 mg/die). Ist es unter d e m rheumatischen Fieber zu einer Karditis g e k o m m e n , sollte mit Prednison (80-120 mg täglich) b e g o n n e n werden, wobei diese Dosis bei Besserung der entzündlichen Symptomatik reduziert wird. Als prophylaktische Behandlung sollte über Jahre hindurch Penicillin verabreicht werden, z.B. Tardocillin 1200 1 Ampulle = 1,2 Mill. Einheiten alle 3 - 4 Wochen. Die Wirksamkeit der Prophylaxe wird durch f o r t l a u f e n d e Kontrolle des Antistreptolysin-Titers (ASL) verfolgt. E i n e unzureichende Prophylaxe liegt dann vor, wenn der ASL-Titer ansteigt. Derartige Kontrollen sollten alle 2 Monate durchgeführt werden.

Bakterielle Endokarditis

6.1.2 Bakterielle Endokarditis

Definition

Prädisponierende Faktoren: - rheumatische Herzerkrankungen - Rauschgiftsucht Hierbei direkte Besiedelung der Herzklappen Folgen: - granulierende Gewebsreaktionen - Thrombenauflagerungen - Klappenläsionen - destruierende Nekrosen

Haupterreger: - Streptococcus viridans - Staphylococcus aureus - Staphylococcus epidermidis

Definition: Eine bakterielle Endokarditis entsteht durch die direkte Besiedelung der schlecht mit G e f ä ß e n versorgten Herzklappen. Als prädisponierend f ü r eine infektiöse Endokarditis werden 4 F a k t o r e n angesehen: • rheumatische H e r z k l a p p e n f e h l e r • kongenitale Herzvitien • implantiertes infiziertes Material (Venenkatheter, Herzschrittmacherkabel, H e r z k l a p p e n ) • u n s a u b e r e intravenöse Injektionen, z.B. von Suchtmitteln Von den prädisponierenden F a k t o r e n sind rheumatische Herzerkrankungen mit etwa der Hälfte der Fälle am häufigsten. Deutlich ansteigend ist in den letzten Jahren die Zahl der E n d o k a r d i t i d e n bei Rauschgiftsüchtigen. Bei etwa einem Drittel der infektiösen Endokarditiden kann kein prädisponierender Faktor e r k a n n t werden. Die bakterielle E n t z ü n d u n g führt zu destruierenden Nekrosen der teils granulierenden, teils produktiven Gewebsreaktionen, die die Klappen zerstören und zu Thrombenbildungen an den b e t r o f f e n e n Klappen führen. D e r Ablauf der bakteriellen Endokarditis kann foudroyant mit schweren Entzündungszeichen oder mehr protrahiert verlaufen. Die Bakterien gelangen durch einen Primärherd wie eine Körperhöhlenvereiterung, septische O p e r a t i o n e n , Zystopyelitiden o d e r auch durch u n b e k a n n t e Eintrittspforten in den Organismus. Zahnextraktionen spielen eine große Rolle. Als E r r e g e r k o m m e n in erster Linie Streptokokken und Staphylokokken in Betracht. Bei den S t r e p t o k o k k e n sind wiederum die vergrünenden Streptokokken (Streptococcus viridans) am häufigsten. Bei den Staphylokokken dominiert Staphylococcus aureus, seltener ist Staphylococcus epidermidis. Während bei den rheumatischen H e r z e r k r a n k u n g e n die Streptokokken

Entzündliche Erkrankungen des Herzens eindeutig an erster Stelle stehen, ist es bei Rauschgiftsüchtigen Staphylococcus aureus und bei infiziertem künstlichem implantiertem Material Staphylococcus epidermidis. W ä h r e n d bei infiziertem Implantationsmaterial o d e r infizierten Injektionsnadeln, z.B. bei Suchtkranken, die Infektionsquelle klar e r k e n n b a r ist, bedarf die Pathogenese der Endokarditis bei rheumatischen H e r z k l a p p e n f e h l e r n o d e r kongenitalen Herzvitien einer Erklärung: Veränderungen der Hämodynamik, z.B. turbulente Strömung o d e r der sogenannte Venturi-Effekt, die infolge anatomischer Veränderungen an den Klappen, z.B. durch Stenosen oder aus anderen G r ü n d e n , entstehen, führen zu einer besonderen Beanspruchung des E n d o k a r d s unmittelbar nach der Stenose. E s entstehen Mikrorisse und Thromben. Derartig vorgeschädigtes E n d o k a r d oder v e r ä n d e r t e Klappen sind der bevorzugte O r t f ü r die Ablagerung infektiösen Materials. Diese Erklärung gilt allerdings nicht f ü r Staphylococcus aureus. Dieser Keim siedelt sich auch an gesunden Herzklappen und unauffälligem E n d o k a r d an. E s bedarf also im letzteren Falle keiner kardialen Prädisposition, um an einer infektiösen Endokarditis zu erkranken. Als subakute bakterielle Endokarditis (Endocarditis lenta) bezeichnet man die blande protrahierte Verlaufsform der bakteriellen Endokarditis durch die verschiedenen oben genannten Erreger. D e r häufigste Keim ist auch hier Streptococcus viridans.

123 Prädisposition für die bakterielle Endokarditis: anatomisch veränderte Klappen: • Folge: Veränderung der Hämodynamik (turbulente Strömung oder sogenannter Venturi-Effekt) • Folge: Mikrorisse, Thromben

Subakute bakterielle Endokarditis = Endocarditis lenta

6.1.2.1 Klinik und Diagnostik

Klinik

Das klinische Bild entspricht dem einer Infektionskrankheit und wird oft mißgedeutet. D a s Sensorium ist häufig getrübt, neben hohen Temperaturen bestehen in der Regel eine Kardiomegalie, eine Hepatomegalie und eine Splenomegalie. In etwa der H ä l f t e der Fälle k o m m e n Herzgeräusche, die wechseln k ö n n e n , vor. Liegt bereits ein Vitium cordis vor, ist der Geräuschbefund schlecht zu verwerten. Das EKG zeigt meist Kammerendteilveränderungen. Bei Beteiligung des Myokards manifestieren sich klinisch Zeichen der Herzinsuffizienz. D e r Patient klagt ü b e r Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Palpitationen im Bereich des Herzens, Neigung zu Schweißausbrüchen und nicht selten Schüttelfrost. Häufig finden sich arterielle Embolien und periphere petechiale Blutungen entlang des Gefäßverlaufes. Hiervon abzugrenzen sind die sog. Oslerschen Knötchen, die schmerzhaft und bläulich oder rötlich verfärbt sind. Letztere werden besonders an den Handflächen und den Fußsohlen Stecknadelkopf- bis linsengroß g e f u n d e n . Im Blutbild zeigen sich neben einer Leukozytose meist eine Anämie und nicht selten eine Thrombozytopenie, im Urin fallen eine Hämaturie sowie eine Proteinurie auf, die Blutkörperchen-Senkungsgeschwindigkeit (BSG) ist erheblich beschleunigt, die Rheumafaktoren sind positiv. Splenomegalie und H e p a t o megalie sind sonographisch zu sichern; die Kardiomegalie wird röntgenologisch und echokardiographisch diagnostiziert. Ist ein Rauschgiftsüchtiger von einer Endokarditis befallen, wird am häufigsten die Trikuspidalklappe betroffen, Lungenembolien können die Folge sein. Unerläßlich zur Sicherung der Diagnose ist das Anlegen von Blutkulturen. Es werden zwei- bis dreimal 10 ml Blut aus verschiedenen Körpervenen e n t n o m m e n und hieraus aerobe und a n a e r o b e Blutkulturen angelegt. Bei antibiotisch vorbehandelten Patienten sollte das Antibiotikum .1 Tage abgesetzt sein, e h e erneut Blutkulturen angesetzt werden können. U m nicht eine Kontamination zu erhalten, m u ß die Punktionsstelle vorab einwandfrei desinfiziert werden, ζ. B. mit 70%igem Alkohol o d e r Polamidon-Jod in Alkohol. A u s Venenkathetern sollte grundsätzlich kein Blut f ü r Blutkulturen gewonnen werden. Eine B e b r ü t u n g der Blutkulturen ü b e r 10 bis 14 Tage ist das Minimum. Trotzdem sind nur etwa 25% der Blutkulturen positiv. So bleibt die Diagnose einer infektiösen Endokarditis stets schwierig. E i n e mosaikartige Zusammenstellung der prädisponierenden Faktoren und die klinischen Erscheinungen erleichtern die Vermutungsdiagnose „ E n d o k a r ditis", die ihrerseits sofort zu einer antibiotischen Behandlung f ü h r e n sollte o h n e Rücksicht auf die Identifizierung der Keime. Möglicherweise wird später ein Wechsel des Antibiotikums notwendig.

-

Sensorium häufig getrübt hohe Temperaturen Kardiomegalie Herzrhythmusstörungen Hepatomegalie Splenomegalie wechselnde Herzgeräusche elektrokardiographische Veränderungen Zeichen der Herzinsuffizienz Appetitlosigkeit Gewichtsverlust Palpitationen im Bereich des Herzens Schweißausbrüche Schüttelfrost arterielle Embolien petechiale Blutungen Oslersche Knötchen Leukozytose Anämie Thrombozytopenie Hämaturie Proteinurie BSG-Beschleunigung Rheumafaktoren positiv

124

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

Differentialdiagnose - Meningitis (Hirnembolie) - Nephrolithiasis (Nierenembolie) - Pankreatitis (Milzinfarkt) - Pleuritis (Milzinfarkt) - akutes Abdomen (Mesenterialinfarkt)

Differentialdiagnosen D i e differentialdiagnostische Palette ist groß und führt häufig zu Fehleinschätzungen. Insbesondere f ü h r e n die Embolien bei Endokarditis oft auf die falsche Fährte. So kann eine Hirnembolie eine Meningitis vortäuschen, ein Niereninfarkt eine Nephrolithiasis, ein Milzinfarkt eine Pankreatitis o d e r eine Pleuritis. Mesenterialinfarkte k ö n n e n zu der Diagnose „akutes Abdomen" verleiten. Kardiologische Leitsymptome weisen den Weg. Typisch sind Fieber in Verbindung mit Herzrhythmusstörungen in F o r m von Tachyarrhythmien und in einem Viertel der Fälle kurzfristige Veränderungen der Herzgeräusche. Bei Beteiligung des Myokards k o m m t es zu einer allmählich z u n e h m e n d e n Kardiomegalie. Elektrokardiographisch finden sich n e b e n den bereits genannten Herzrhythmusstörungen nur uncharakteristische Veränderungen der Kammerendteile.

Therapie

6.1.2.2 Therapie der akuten und subakuten bakteriellen Endokarditis

- Streptokokken: 20-40 Mill. I.E. Penicillin G täglich über 6-8 Wochen in Form von Kurzinfusionen - Enterokokken: 10-20 g Ampicillin täglich - Staphylokokken: Penicillin G oder Staphylex®

D e r Verdacht auf eine bakterielle Endokarditis rechtfertigt die stationäre Einweisung. Die B e h a n d l u n g erfolgt bei einem Streptokokkeninfekt mit 20 bis 40 Mill. I. Ε. Penicillin G täglich. Die Therapiedauer sollte 4 bis 6 Wochen mit schnell einlaufenden Penicillin-Infusionen (zweimal täglich) durchgeführt werden. Enterokokken und Pneumokokken sollten ebenfalls mit Penicillin G in der oben angegebenen Dosierung b e h a n d e l t werden. Enterokokken können auch mit Ampicillin 10 bis 20 g täglich therapiert werden. Bei Staphylokokken kann ebenfalls Penicillin G gegeben werden, besser ist die Verabreichung von Staphylex ®. Bei resistenten Stämmen von vergrünenden Streptokokken, die in letzter Zeit häufiger in Erscheinung treten, ist f ü r 2 bis 3 Wochen eine Kombinationsbehandlung der h o h e n Penicillin-Gaben mit Streptomycin 0,5 bis 1,0 g i.m. täglich angezeigt. Bei Penicillin-G-resistenten Staphylokokken können mit Oxacillin 2 g i. v. viermal täglich über 4 bis 6 Wochen gute Erfolge erzielt werden. Bei einer Penicillinallergie sollten Cephalosporine bei Streptokokken und bei Staphylokokken z.B. Klinomycin eingesetzt werden. Bei gramnegativen Keimen wird stets kombiniert behandelt, z.B. mit Cephalosporinen und einem Aminoglykosid. Ist kein E r r e g e r nachweisbar, kommt entweder Ampicillin in Kombination mit Gentamycin infrage oder eine Dreierkombination, z.B. Ampicillin, Oxacillin und Gentamycin. Zusätzlich ist bei der bakteriellen Endokarditis die B e h a n d l u n g der b e s t e h e n d e n Herzinsuffizienz (siehe dort) notwendig. Bei subakuten bakteriellen E n d o k a r d i t i d e n k ö n n e n auch in kleinen bis mittleren D o s e n (15 bis 25 mg/die) Steroide verabreicht werden, wenn nach längerer antibiotischer T h e r a p i e keine Normalisierung der T e m p e r a t u r e n eintritt. Voraussetzung ist ein Anstieg des Plasma-Gammaglobulinspiegels.

Kombinationsbehandlung bei resistenten Stämmen: - Penicillin + Streptomycin für 2-3 Wochen - Oxacillin über 4-6 Wochen Bei Penicillinallergie: - Streptokokken: Cephalosporine - Staphylokokken: Klinomycin Bei negativen Keimen: - Cephalosporin + Aminoglykosid oder - Ampicillin + Gentamycin oder - Ampicillin + Gentamycin + Oxacillin

Besondere Endokarditisformen:

6.1.3 Besondere Endokarditis-Formen

Libman-Sacks-Endokarditis Endokarditis bei Periarteriitis nodosa

Libman-Sacks-Endokarditis E i n e S o n d e r f o r m der Endokarditis stellt die Libman-Sacks-Endokarditis dar. Sie ist verrukös und nicht bakteriell bedingt. Die verrukösen Vegetationen bestehen aus degeneriertem Klappengewebe, vermischt mit Fibrin und Plättchenthromben. Diese F o r m der verrukösen Endokarditis k o m m t beim Erythematodes visceralis vor. Endokarditis bei Periarteriitis nodosa Eine ebenfalls verruköse F o r m der Endokarditis wird bei der Periarteriitis nodosa g e f u n d e n . Bei beiden E r k r a n k u n g e n w e r d e n A u t o i m m u n p h ä n o m e ne nachgewiesen. Beim E r y t h e m a t o d e s visceralis werden häufig LE-Zellen gesehen, bei der Periarteriitis nicht. Eine zusätzliche Beteiligung des Myokards und des Perikards ist bei der Libman-Sacks-Endokarditis möglich.

Entzündliche Erkrankungen des Herzens

6.2 Myokarditis

125 Myokarditis

Definition: Unter einer Myokarditis ist eine Herzmuskelentzündung zu verstehen, die akut oder chronisch-rezidivierend auftreten kann.

Definition

Myokarditiden sind in der Regel ähnlich den Perikarditiden Begleiterkrankungen bei Infektionen, Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis oder auch innerhalb einer granulomatösen Systemerkrankung. So gibt es eine rheumatische Myokarditis, eine Virusmyokarditis, allergische Myokarditiden und Myokarditiden bei Diphtherie, Scharlach, Toxoplasmose, Trichinose, Sarkoidose. Entweder sind bei einer Myokarditis die Muskelfasern selbst betroffen (parenchymatöse Myokarditis) oder das Bindegewebe (interstitielle Myokarditis). Hierdurch wird die Pumpleistung des Herzens herabgesetzt, so daß mit einer mehr oder weniger ausgeprägten Symptomatik der Herzinsuffizienz zu rechnen ist. Klinik: Klinische Zeichen einer Myokarditis sind eine • Herzvergrößerung ohne typische Vitiumkonfiguration, • Herzrhythmusstörungen (Sinustachykardie, Extrasystolie, Überleitungsstörungen), eine • erhöhte Körpertemperatur und bei vorliegender bakterieller Infektionskrankheit eine • Leukozytose und • erhöhte BSG. Diagnostik: Klinisch fallen Herzpalpitationen und eine schnelle Erschöpft)arkeit auf. Im E K G wird häufig eine Tachykardie oder eine Bradykardie festgehalten, ebenso sind häufig Extrasystolien, AV-Blockierungen bis III. Grades, inkomplette oder komplette Rechts- oder Linksschenkelblock-Formen, STStreckensenkungen, T-Negativierungen (präterminal oder terminal). Bei den Blutuntersuchungen kann der ASL-Titer positiv sein. Es sollte KBR auf Coxsackie-, Echo- und Adeno-Viren durchgeführt werden. Hierdurch kann eine differentialdiagnostische Trennung der einzelnen Myokarditiden vorgenommen werden. Der Nachweis einer bestimmten Infektion kann häufig nur über einen Titeranstieg erfolgen. Deswegen müssen Blutproben zweimal in etwa zwei- bis dreiwöchigen Abständen nach Beginn der Erkrankung abgenommen werden. Einzelne Myokarditis-Formen

Histologische Differenzierung

- Virusmyokarditis

interstitiell, diffuse herdförmige Vernarbung Zellverfettung, Degeneration, Fibrose multiple Abszedierungen unterschiedlich = serös, fibrinös-eitrig oder interstitiell Aschoff-Geipel-Knötchen Granulome serös

- Myokarditis bei Diphtherie - Myokarditis bei Scharlach - Myokarditis bei anderen Infektionen - rheumatische Myokarditis - granulomatöse Myokarditis - allergische Myokarditis

Klinik -

erhöhte Körpertemperatur Herzvergrößerung Herzrhythmusstörungen Herzpalpitationen schnelle Erschöpfbarkeit elektrokardiographische Veränderungen - Anti-O-Streptolysin-Titer kann positiv sein

6.2.1 Virusmyokarditis

Virusmyokarditis:

Bei jeder Virusinfektion ist eine Beteiligung der Herzmuskulatur möglich. Da bakterielle Infekte durch die antibiotische Therapie heute schnell behandelbar sind, stehen die schwer zu bekämpfenden Virusinfektionen im Vordergrund. Dieses ist auch der Grund, warum die Virusmyokarditis die häufigste Myokarditisform darstellt. Jeder grippale Virusinfekt, jede Influenzainfektion kann von einer Myokarditis begleitet sein. Besonders häufig sind Infektionen mit Coxsackie- und Adeno-Viren.

häufigste Myokarditisform, besonders häufig Coxsackie- und Adeno-Viren als Verursacher. Histologisch: herdförmige oder diffuse interstitielle Zellinfiltration nekrotischer Zerfall —> herdförmige oder diffuse Narben

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II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems Histologisch k o m m t es zu herdförmigen oder diffus ausgebreiteten interstitiellen Zellinfiltrationen und anschließendem nekrotischem Zerfall der bet r o f f e n e n Zellen. Folge sind diffuse interstitielle o d e r herdförmige Vernarbungen. A u s d e h u n g des Befalles und damit Schweregrad der myokardialen Veränderungen hängen weitgehend von der Virulenz und der Virusart ab.

Myokarditis bei Diphtherie:

6.2.2 Myokarditis bei Diphtherie

Verursacht durch das Toxin von Corynebacterium diphtheriae (hemmt den myo kardialen Eiweißstoffwechsel). Histologisch: diffuse Verfettung und Degeneration —> scholliger Zerfall der Myokardzellen -> Fibrose

Diese heute seltener gewordene bakterielle Infektionskrankheit kann mit einer Myokarditis vom infektiös-toxischen Typ vergesellschaftet sein. Verantwortlich für die Myokarditis ist lediglich das Toxin von Corynebacterium diphtheriae, das den Eiweißstoffwechsel im Herzmuskel h e m m t . Histologisch zeigen sich eine diffuse Verfettung und Degeneration mit anschließendem scholligen Zerfall der Herzmuskelzellen. Begleitet werden diese interzellulären Veränderungen von einer interstitiellen Zellinfiltration durch neutrophile und eosinophile Leukozyten sowie mononukleäre Histiozyten. D e m scholligen Zerfall der Herzmuskelzellen folgt schließlich eine bindegewebige narbige Umwandlung, so d a ß das Bild einer zarten interstitiellen Fibrose zurückbleibt.

Myokarditis bei Scharlach

6.2.3 Myokarditis bei Scharlach

Verursacht durch Streptokokken —> Folge: Abszedierungen im Moykard. Eine zweite, im späteren Verlauf eines Scharlachs auftretende Form ähnelt der rheumatischen Endokarditis.

Bei schwerem Verlauf des durch Streptokokken hervorgerufenen Scharlachs kann es ebenfalls zu einer septischen Myokarditis mit multiplen Abszedierungen im Myokard k o m m e n . Von dieser F o r m zu t r e n n e n ist die im späteren Verlauf eines Scharlachs a u f t r e t e n d e Myokarditis, deren Ätiologie ähnlich ist wie die der rheumatischen Endokarditis (siehe unten). D i e H ä u figkeit der Myokardbeteiligung bei Scharlach liegt zwischen 5 und 10%.

6.2.4 Andere Infektmyokarditis-Formen Es gibt weitere abzugrenzende Infektmyokarditis-Formen. Sie ergeben kein einheitliches Bild. Sie können überwiegend serös oder fibrinös-eitrig oder aber nicht-eitrig, d a f ü r interstitiell-zellulär reagieren. Es sind sowohl herdförmige als auch diffuse Infiltrationen nachweisbar, so daß eine systematische A u f a r b e i t u n g dieser Myokarditisformen schwer möglich erscheint. Rheumatische Myokarditis

6.2.5 Rheumatische Myokarditis

Histologisch: Aschoff-Geipel-Knötchen im perivaskulären Bindegewebe und im myokardialen Interstitium Aschoff-Geipel-Knötchen: • Zellverbände von Aschoff-Zellen • Anitschkow-Zellen • myogene Riesenzellen • vereinzelt: Leukozyten, Lymphozyten, Plasmazellen

D i e rheumatische Myokarditis ist durch den histologischen B e f u n d von Aschoff-Geipel-Knötchen definiert, die unter d e m parietalen Perikard im perivaskulären Bindegewebe sowie im Interstitium des Herzmuskels gef u n d e n werden. D i e Aschoff-Geipel-Knötchen bestehen aus Zellverbänden von Aschoff-Zellen (vermutlich mesenchymale Zellen, groß, mit leicht basophilem Zytoplasma) in Verbindung mit Anitschkow-Zellen, ebenfalls mesenchymaler oder aber auch myogener H e r k u n f t . Weiterhin werden in diesen Aschoff-Geipel-Knötchen myogene Riesenzellen sowie vereinzelt Leukozyten, Lymphozyten und Plasmazellen g e f u n d e n . Klinisch k ö n n e n zwei Formen der rheumatischen Myokarditis unterschieden werden: • Exsudative Form mit hochfieberhaftem Verlauf innerhalb eines rheumatischen Fieberschubes. Hierbei kann das M y o k a r d durch die entzündlichen Veränderungen so alteriert werden, d a ß es zu einer schweren Herzinsuffizienz k o m m t . • Rezidivierende myokarditische Schübe sind f ü r die zweite Form der Myokarditis typisch mit mäßigem Temperaturanstieg, meist auf d e m B o d e n eines rheumatischen Herzleidens. Beide Formen haben eine ernste Prognose.

2 Formen der rheumatischen Myokarditis: - exsudative Form, hochfieberhaft - mäßiges Fieber, typisch rezidivierende myokarditische Schübe

Granulomatose Myokarditis

6.2.6 Granulomatose Myokarditis Diese sehr seltene F o r m der Myokarditis kann bei Sarkoidose, Tuberkulose, Lymphogranulomatose und auch bei der Lues auftreten. Typische granulo-

Entzündliche Erkrankungen des Herzens matöse entzündliche Proliferationen nach einer kurzen serösen Phase. Die Granulome enthalten Plasmazellen, Lymphozyten, Histiozyten sowie Langhanssche Riesenzellen und vereinzelt neutrophile und eosinophile Granulozyten sowie myogene Riesenzellen. Dieser Typ dergranulomatösen Myokarditis entspricht der Fiedler-Myokarditis, deren Ätiologie ungeklärt ist. Bei der Sarkoidose stehen epitheloidzellige Knötchen mit Langhansschen Riesenzellen im Vordergrund, später können sich hyaline Narben ausbilden. Der tuberkulöse Befall kann sich ebenfalls als epitheloid-riesenzellige Knötchen oder als miliare Herde bei hepatogener Streuungoder schließlich in Form von solitären Konglomerat-Tuberkeln manifestieren. Bei der Lues ist eine interstitielle, diffus-fibroplastische Beteiligung von Gummen zu unterscheiden.

6.2.7 Allergische Myokarditis

127 Seltene Form bei: • Sarkoidose • Tuberkulose • Lymphogranulomatose • Lues Granulome enthalten: • Plasmazellen • Lymphozyten • Histiozyten • Langhanssche Riesenzellen • vereinzelt: neutrophile+eosinophile Granulozyten myogene Riesenzellen Granulomatose Myokarditis = FiedlerMyokarditis

Bei allergischen Reaktionen, z.B. nach Seruminjektionen oder bei Arzneimittelexanthemen. kann es zu einer Beteiligung des Herzmuskels mit Myokarditis kommen. Es handelt sich um die Therapie aller Myokarditisformen und nicht nur der allergischen Form (ebenso Prognose) Therapie der Myokarditis: Die Therapie einer Myokarditis richtet sich ganz entschieden danach, ob eine Grunderkrankung vorliegt - ζ. B. rheumatisches Fieber, eine Diphtherie, ein Scharlach - die entsprechend behandelt werden muß. Somit steht die Behandlung der Grunderkrankung an erster Stelle. Weiterhin sollte strenge Bettruhe eingehalten werden. Rhythmusstörungen sollten symptomatisch behandelt werden, ebenso sollte die Herzinsuffizienz einer Behandlung zugeführt werden. Bei rheumatischen und allergischen Myokarditiden sind Steroidgaben erlaubt, bei der allergischen Myokarditis sogar entscheidend geboten (80bis 100 mg/die). Bei Virusmyokarditis ist eine ursächliche Behandlung nicht möglich. Hier muß sich die Therapie auf strenge Bettruhe beschränken, die bei allen Myokarditiden bis zum Abklingen der entzündlichen Erscheinungen (Rückbildung einer Ruhe-Tachykardie) erforderlich ist.

Therapie - Die Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung - Bettruhe - Symptomatische Behandlung der Herzrhythmusstörung - Symptomatische Behandlung der Herzinsuffizienz Bei rheumatischer und allergischer Myokarditis: Steroide

Prognose der Myokarditis: Myokarditiden können über eine interstitielle Fibrose und Narbenbildung ausheilen. Inwieweit ein Übergang zu Myokardiopathien möglich ist, ist unbekannt. Unabhängig davon sind sowohl Verläufe ohne wesentliche bleibende Rückwirkungen auf die Herzfunktion als auch tödliche Verlaufsformen oder schwere dauerhafte Beeinträchtigungen der Myokardfunktion bekannt.

Prognose: Myokarditiden können über eine interstitielle Fibrose und Narbenbildung ausheilen. Inwieweit ein Übergang zu Myokardiopathien möglich ist, ist unbekannt. Unabhängig davon sind sowohl Verläufe ohne wesentliche bleibende Rückwirkungen auf die Herzfunktion als auch tödliche Verlaufsformen oder schwere dauerhafte Beeinträchtigungen der Myokardfunktion bekannt. Perikarditis Definition

6.3 Perikarditis Definition: Eine Perikarditis ist eine Herzbeutelentzündung, die in der Regel als Begleiterkrankung auftritt und deren Charakter wesentlich von der Grunderkrankung abhängt. Am häufigsten kommt sie als Begleiterkrankung eines frischen Myokardinfarktes (in ganz leichter Form) und einer Urämie vor. Eine Perikarditis kann auch eine infektiöse Ursache haben, etwa eine Pankarditis oder eine Tuberkulose. Auch im Rahmen von Neoplasien können Perikarditiden auftreten. Sie kann mit oder ohne Ergußbildung (Pericarditis sicca oder exsudativa), akut oder chronisch verlaufen. Ätiologisch kommen Virusinfekte, Streptokokken, Rheumatismus und toxische Substanzen (Urämie) in Betracht. Am häufigsten ist die Perikarditis fibrinös, sehr viel seltener hämorrhagisch, serös oder purulent. Während sich bei Myokardinfarkt und Urämie eine fibrinöse oder auch seröse Perikarditis entwickelt, handelt es sich bei Neoplasmen in der Regel um hämorrhagische Herzbeutelentzündungen. Die tuberkulösen Perikarditiden können purulent sein. Entsprechend der Art der Perikarditis können das viszerale und das parietale Blatt

Perikarditisformen: - akute Formen - chronische Formen - Pericarditis sicca - Pericarditis exsudativa - fibrinös (Urämie, Myokardinfarkt) - hämorrhagisch (Neoplasien) - serös (nach Herzoperationen, Urämie) - purulent (Tuberkulose)

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Perikarderguß maximal 3 I Exsudat Bei kritisch großem Perikarderguß: - werden die Vorhofwände eingedrückt - die Perfusion der großen Koronargefäße vermindert - das Schlagvolumen vermindert - der Blutdruck sinkt ab - die Herzfrequenz steigt an - ein Herz-Kreislauf-Kollaps tritt ein

Klinik der akuten Perikarditis: - retrosternale Schmerzen - erhöhte Körpertemperatur - Schweißausbrüche - Angstgefühl - auskultatorisch: perikardiales Reibenpräkordial - bei Erguß fehlt das Reiben, Herzspitzenstoß und Herztöne sind abgeschwächt Differenzierung des Perikardergusses nach Punktion: - bakteriologisch - virologisch - rheumatisch - histologisch - zyto logisch

Klinische Diagnose - retrosternaler Schmerz - schabendes, kratzendes Reibegeräusch präkordial - Nachweis eines Perikardergusses - elektrokardiographische Veränderungen

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems des Herzbeutels miteinander verkleben und verwachsen oder auch verkalken. Eine iatrogene Perikarditis wird heutzutage nicht selten nach Herzoperationen gesehen. Diese meist serösen Perikarditiden verlaufen in der Regel leicht ohne wesentliche klinische Manifestation. Innerhalb des postoperativen Heilungsprozesses in den ersten 14 Tagen sind sie des öfteren elektrokardiographisch und echokardiographisch nachweisbar. Pathophysiologie: Geht eine Perikarditis mit einer erheblichen Vermehrung der Flüssigkeit im Herzbeutel einher, entsteht ein Perikarderguß, der ab einer gewissen Größe pathophysiologische Konsequenzen nach sich zieht. Normalerweise gleiten parietales und viszerales Blatt dank eines Flüssigkeitsfilmes aufeinander. Bei einem Perikarderguß kann der Herzbeutel maximal etwa 3 l Exsudat aufnehmen; da die Vorhofwände im Vergleich zu den Ventrikelwänden eine erheblich dünnere Myokardschicht aufweisen, wird der Erguß zunächst die Vorhofwände eindrücken und damit hämodynamisch den Vorhofeinstrom des Blutes reduzieren. Bei weiterer Drucksteigerung kann die Perfusion der großen Koronargefäße, die zunächst außen am Myokard entlanglaufen, vermindert werden. Bei extremer Steigerung des intraperikardialen Druckes nehmen schließlich das Schlagvolumen und die Blutdruckamplitude ab. Der Blutdruck sinkt, während die Herzfrequenz steigt. Es kommt bei gesteigertem venösem Druck zu einer höheren Sauerstoffausnutzung in der Peripherie, schließlich tritt ein HerzKreislauf-Kollaps ein. Nur eine sofortige Punktion des Perikardergusses vermag in diesem Falle den lebensbedrohlichen Zustand zu beheben. Klinik: Patienten mit einer Perikarditis zeigen in der akuten Phase neben dem typsichen retrosternalen Schmerz deutlich erhöhte Körpertemperaturen, Schweißausbrüche und Angstgefühl. Tritt im weiteren Verlauf ein Perikarderguß auf, kann der Schmerz nachlassen. Steht von vornherein ein Perikarderguß im Vordergrund, kann häufiger der sonst typische retrosternale Schmerz völlig fehlen. Bei der klinischen Untersuchung wird ein typisches perikardiales Reiben über dem Herzen auskultiert. Beim Perikarderguß wird dieser Befund nicht festgestellt. Der Herzspitzenstoß und die Herztöne sind abgeschwächt. Es sollte stets nach Zeichen einer venösen Einflußstauung gesucht werden. Differenzierung: Zur Differenzierung der einzelnen Formen der Perikarditis sollte bei einem Perikarderguß und unklarer Grunderkrankung, insbesondere bei Infektionsverdacht, das Perikard punktiert werden. Das Punktat wird bakteriologischen, virologischen, rheumatischen, histologischen und zytologischen Untersuchungen unterzogen, die die Genese der Perikarditis zu klären vermögen. Notfalls kann die Ätiologie durch eine Perikard-Biopsie erhellt werden, wenn die Untersuchungen des Punktates erfolglos waren. Klinisch wird die Perikarditis im wesentlichen anhand von vier Befunden diagnostiziert: 1. Der Patient verspürt einen erheblichen retrosternalen Schmerz. 2. Über dem Herzen ist ein deutliches schabendes oder kratzendes Reibegeräusch wahrnehmbar, das sog. Perikardreiben. 3. Der Nachweis eines Perikardergusses (bei dem das Perikardreiben verschwunden ist) gelingt zuverlässig durch die Echokardiographie. Zwischen dem viszeralen und dem parietalen Blatt des Herzbeutels werden echoarme Bereiche nachgewiesen, insbesondere im Bereich der Hinterwand. Röntgenologisch können ausgedehnte Perikardergüsse durch Vergrößerung der Herzsilhouette nachgewiesen werden. Die Herzkonturen erscheinen abgerundet, die Herztaille verstrichen. Typisch ist das zeltförmige Herz. Kymographisch sind Randpulsationen abgeschwächt oder aufgehoben. Der röntgenologische Befund tritt heutzutage hinter der sicheren echokardiographischen Diagnostik zurück. 4. Eine elektrokardiographische Darstellung bringt wenig Hilfe, da die Bilder denen beim Herzinfarkt ähneln. Da eine perikardiale Beteiligung beim Myokardinfarkt nicht selten ist, ist eine Differenzierung im Einzelfall kaum möglich. Unabhängig vom Myokardinfarkt unterscheiden sich elektrokardiographische Veränderungen bei der Perikarditis häufig dadurch, daß die ST-Streckenhebung und die späte spitze T-Negativierung nicht auf wenige Ableitungen beschränkt sind wie beim Herzinfarkt, son-

Entzündliche Erkrankungen des Herzens

129

d e m in der Mehrzahl der Brustwandableitungen (häufig in allen) und in den Extremitätenableitungen gesehen werden.

6.3.1 Akute Perikarditis 6.3.1.1 Tuberkulöse Perikarditis Typisch f ü r diese Form der Perikarditis ist eine Verdickung des Herzbeutels durch große Massen von käsigem Material, nachdem sich zunächst ein evtl. erheblicher serös-hämorrhagischeer E r g u ß gebildet hat. Die Infektion erfolgt auf hämatogenem o d e r lymphogenem Wege. E i n e Verkalkung kann erfolgen. D a s männliche Geschlecht ist vermehrt betroffen.

6.3.1.2 Virusperikarditis

Akute Perikarditis-Formen: - tuberkulöse Perikarditis - Virusperikarditis - Perikarditis bei rheumatischer Erkrankung - Perikarditis bei Herzinfarkt - urämische Perikarditis - Perikarditis bei Neoplasien

Während eine bakterielle Perikarditis heute nur noch selten v o r k o m m t , gehen Virusinfektionen auch heute häufiger mit einer Beteiligung des Herzmuskels und des Perikards einher. Hier sind vor allem die Echo-Viren (Typ A ) sowie die Coxsackie-Viren als H a u p t e r r e g e r zu nennen. In der R e gel zeigt eine Virusperikarditis keinen schweren Verlauf und klingt mit der Ausheilung der Infektion ab.

6.3.1.3 Perikarditis bei rheumatischer Erkrankung Bei einer rheumatischen H e r z e r k r a n k u n g ist der Herzbeutel in der Regel in Form einer Perikarditis beteiligt. Rheumatologische Untersuchungen, das Bild eines akuten rheumatischen Fiebers (siehe dort) und die Klinik einer akuten Perikarditis f ü h r e n zur richtigen Diagnose und Behandlung.

6.3.1.4 Perikarditis bei Herzinfarkt Nach d e m Schmerzcharakter ist eine Differenzierung gegenüber d e m Infarktschmerz nicht möglich. In den ersten 3 Tagen eines transmuralen Herzinfarktes kann ein umschriebenes Perikardreiben auskultiert werden. Häufig ist es nur für Stunden nachweisbar. G r ö ß e r e Perikardergüsse sind selten. E i n e besondere T h e r a p i e erübrigt sich in der Regel bei dieser flüchtigen, wenig gravierenden Begleiterscheinung des frischen Herzinfarktes.

6.3.1.5 Urämische Perikarditis Bei chronischem Nierenversagen wird eine Perikarditis bei etwa einem Drittel der Fälle im terminalen Stadium der E r k r a n k u n g beobachtet. Die evtl. erheblichen Ergüsse sind fibrinös-serös oder auch hämorrhagisch.

6.3.1.6 Perikarditis bei Neoplasien Bei Neoplasien ist der E r g u ß stets hämorrhagisch, insbesondere S a r k o m e und neoplastische Systemerkrankungen können derartige Perikarditiden hervorrufen. Die Diagnose wird durch zytologische Untersuchung des Punktates oder durch Perikard-Biopsie gestellt.

6.3.2 Chronische Perikarditis Während die akuten F o r m e n der Perikarditis weniger als eigenständige Erkrankungen angesehen werden können, sondern eher als Symptom einer anderen E r k r a n k u n g im Sinne der Beteiligung zu verstehen sind, müssen chronische F o r m e n gewöhnlich abgelöst von der G e n e s e betrachtet und behandelt werden. Rezidivierende Perikardergüsse als Folge chronischer Erkrankungen k ö n n e n insbesondere bei dem rheumatischen Formenkreis und bei der Tuberkulose v o r k o m m e n . Persistierende Perikardergüsse sind bei der Urämie und bei den neoplastischen Prozessen zu finden ( A b b . 11-35). Wird bei den beiden letztgenannten E r k r a n k u n g e n der E r g u ß punktiert, muß mit schnellem Nachlaufen gerechnet werden. D a r u m wählt m a n bei der urämischen Perikarditis oft eine Perikardfenestration als therapeutischen

Chronische Perikarditis

Rezidivierende Perikardergüsse als Folge chronischer Erkrankungen, z.B. beim rheumatischen Formenkreis und bei der Tuberkulose Persistierende Perikardergüsse bei Urämie und Neoplasien

130

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

Abb. 11-35 m-mode-Echokardiographie: Perikarderguß (heller, breiter Streifen unter der wellenförmigen Struktur in der Mitte des Bildes) Ausweg. So kann der Perikarderguß in die größere und besser zugängliche Pleurahöhle ablaufen und dort in längeren Abständen punktiert werden. Pericarditis constrictiva: Panzerartige Einengung durch Kalkeinlagerung in den perikardialen Raum (Panzerherz) Behinderung der diastolischen Ventrikelfüllung diastolische Dip-Plateau-Bildung bei intrakardialer Ventrikeldruckkurvenmessung

Klinik der Pericarditis constrictiva: - Erhöhung des Pulmonalarteriendruckes - Aszites - Lebervergrößerung - Ödembildung - Einflußstauung - Zyanose - Steigerung der Herzfrequenz - somit insgesamt Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz Diagnose der Pericarditis contrictiva: - klinisches Bild - echokardiographisch: Verbreiterung des perikardialen Echobandes - Röntgenthoraxbild: Kalkeinlagerungen ringförmig, keine Herzvergrößerung - bei intrakardialer Druckmessung diastolische Dip-Plateau-Bildung mit deutlich erhöhtem diastolischem Druck

Pericarditis constrictiva Ein besonders eindrucksvolles Krankheitsbild stellt die Pericarditis constrictiva als Endzustand einer chronischen Herzbeutelentzündung dar. Bei diesem Krankheitsbild ist es zu einer narbigen Konstriktion des Herzbeutels gekommen. Durch beachtliche Kalkeinlagerungen wird das Herz häufig panzerartig eingeengt (Panzerherz)· Als Ursache bekannt ist die tuberkulöse Perikarditis. Die rheumatische Perikarditis führt dagegen nicht zu einer konstriktiven Perikarditis. Häufig bleibt die Ursache einer Pericarditis constrictiva unbekannt. Von entscheidender hämodynamischer Bedeutung ist bei der konstriktiven Perikarditis die Behinderung der diastolischen Ventrikelfüllung. Die Ventrikel können sich während der Diastole nicht ausreichend dehnen. Hierdurch entsteht eine typische, intrakardial zu messende Ventrikeldruckkurve mit einer diastolischen Dip-Plateau-Bildung wie bei der restriktiven Myokardiopathie. Klinik: Klinische Folgen dieser pathologischen Veränderungen sind eine Verlagerung der zirkulierenden Blutmenge in das Niederdrucksystem mit Erhöhung des Pulmonalarteriendruckes sowie venöse Stauungen wie Aszites, Lebervergrößerung, Ödembildung und Einflußstauung. Die Patienten zeigen häufig eine Zyanose. Die Herzfrequenz ist gesteigert und häufig im Sinne einer absoluten Arrhythmie wie bei Vorhofflimmern verändert. Insgesamt sind klinisch die Zeichen einer Rechtsherzinsuffizienz führend. Diagnostik: Bei der konstriktiven Perikarditis zeigt sich echokardiographisch eine Verbreiterung des perikardialen Echobandes im Bereich der Hinterwand. Die diastolische Bewegung der Ventrikelwände ist entsprechend der veränderten Hämodynamik anormal. Der linke Ventrikel ist nicht erweitert, eher klein. Bei Kalkeinlagerungen wird die Diagnose am sichersten und elegantesten durch die Röntgenthoraxuntersuchung gestellt. Hier lassen sich die schalenförmigen Kalkeinlagerungen nachweisen. Die Herzsilhouette ist nicht vergrößert, so daß der Ausdruck „Panzerherz" röntgenologisch recht anschaulich wird. Hierbei ist die Röntgenuntersuchung der echokardiographischen Untersuchung überlegen. Invasiv kann insbesondere das rechts- und linksdiastolische Druckverhalten m\i frühdiastolischem Dip und nachfolgender überhöhter Plateau-Bildung registriert werden. Die Höhe des enddiastolischen Druckes kann bis zu einem Drittel

Erworbene Herzfehler

131

der systolischen Gesamthöhe des Ventrikeldruckes gesteigert sein. Fehlen Kalzifizierungen, ist die Diagnose erschwert. Auffällig ist die hochgradige Rechtsherzinsuffizienz bei weitgehend normal großem Herzen. Ein zunächst widersprüchlicher Befund, der nur durch eine intrakardiale Messung des Druckverhaltens erklärt werden kann. Differentialdiagnostisch auszuschließen ist noch die restriktive Myokardiopathie, gegen die jedoch eindeutig die mangelnde Herzvergrößerung spricht. Therapie: Die Therapie der akuten Perikarditis richtet sich nach der Grundkrankheit (rheumatisches Fieber, Tuberkulose, Kollagenose, Urämie). Initial ist für Schmerzstillung zu sorgen. Reichen die üblichen Analgetika zunächst nicht aus, müssen vorübergehend Opiate gegeben werden. Kommt es zu großen Herzbeutelergüssen, dann ist die Punktion angezeigt, wenn Zeichen der Herztamponade (Einflußstauung) vorhanden ist. Die Therapie der Pericarditis contrictiva besteht in der chirurgischen Entfernung der das Herz umklammernden Bindegewebs- und Kalkplatten.

Therapie der Perikarditis: Die Behandlung richtet sich nach der Grunderkrankung - Schmerzstillung - bei großen Herzbeutelergüssen: Perikardpunktion zur Entlastung - bei der Pericarditis constrictive: chirurgische Entfernung der Bindegewebs- und Kalkplatten

7 Erworbene Herzfehler

Erworbene Herzfehler

J. Wagner Als Ursachen der erworbenen Herzklappenfehler kommen unterschiedliche Vorerkrankungen infrage. In der überwiegenden Zahl der Fälle geht eine rheumatische Karditis voraus, wobei das Klappenendokard besonders befallen ist. Drei Viertel der Patienten haben in ihrer Kindheit oder Jugend ein rheumatisches Fieber durchgemacht, eine eitrige Mandelentzündung, Scharlach oder sogenannte rheumatische Äquivalente. Bakterielle Endokarditiden können sich später auf das befallene Endokard der Klappenregion aufpfropfen. Diese Infekte stellen die zweithäufigste Ursache der Klappenvitien dar. Durch derartige bakterielle Infekte können die Klappen fast völlig zerstört werden, so daß meist Klappeninsuffizienzen oder kombinierte Klappenfehler resultieren. Außer Bakterien können auch Viren oder Pilze verantwortlich für derartige Herzklappenfehler sein. Während letztere Formen seltener sind, stellt die bakterielle Endokarditis mit Streptokokken den klassischen Fall dar. Neuerdings tauchen insbesondere im Drogenmilieu zunehmend andere bakterielle Keime als Verursacher von Endokarditiden auf, während die Mesaortitis luica heute als Ursache insbesondere der Aortenklappeninsuffizienz in den Hintergrund gerückt ist. Die statistische Geschlechtsverteilung ist für die einzelnen erworbenen Herzvitien unterschiedlich. Frauen erkranken doppelt so häufig an Mitralklappenfehlern wie Männer, während das männliche Geschlecht wesentlich stärker bei den Aortenvitien vertreten ist. Aufgrund der Hämodynamik werden Mitralklappenvitien in früheren Lebensdezennien klinisch relevanter als Aortenklappenvitien. Da sich vor der Mitralklappe in Richtung Lungenvenen keine Klappe mehr befindet, wird eine Mitralklappenstenose relativ früh, z.B. durch Klagen über Dyspnoe, auffallen, in der Regel bereits im zweiten bis dritten Jahrzehnt. Aortenklappenvitien dagegen werden häufig erst im vierten oder fünften Lebensjahrzehnt bemerkt, da über lange Zeit eine beschwerdefreie Kompensation möglich ist. Einen Zusammenhang mit dem meist längst vergessenen rheumatischen Fieber in der Jugend stellen die Patienten so gut wie nie her.

7.1 Mitralstenose

Ursachen der erworbenen Herzfehler: - rheumatische Endokarditiden - bakterielle Endokarditiden - virale Endokarditiden - mykotische Endokarditiden selten

Statistische Geschlechtsverteilung: - Mitralklappenfehler doppelt so häufig bei Frauen wie bei Männern - Aortenklappenfehler deutlich häufiger bei Männern gegenüber dem weiblichen Geschlecht - Mitralklappenfehler führen die Patienten deutlich früher zum Arzt als Aortenklappenfehler aufgrund der unterschiedlichen Hämodynamik

Mitralstenose

Die Mitralstenose stellt den häufigsten erworbenen Herzklappenfehler dar. Definition Bei der Mitralstenose liegt eine Störung der Ventilfunktion im Sinne der verengten Klappe zwischen linkem Vorhof und linkem Ventrikel vor.

Definition

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

132

7.1.1 Pathophysiologie Mitralklappenöffnungsfläche 4-6 cm 2 (normal)

Druck und Volumen im Ii. Vorhof erhöht Pathophysiologie Öffnungsfläche geringe Mitralstenose: 1,6-2,0 cm2 mäßiggradige Mitralstenose: 1,3-1,6 cm2 hochgradige Mitralstenose: 0,6-1,2 cm2 höchstgradige Mitralstenose: unter 0,6 cm 2 - Diastolischer Druckgradient zwischen linkem Vorhof und linkem Ventrikel - Herabsetzung der Förderleistung des linken Ventrikels, vergrößerte AVD0 2 - pulmonale Hypertension durch Rückstau des Blutes vor dem linken Vorhof - später verselbständigte pulmonale Hypertension mit vergrößertem transpulmonalem Druckgradienten - morphologische Veränderungen von Intima und Media bei der pulmonalen Hypertension

Bei einer Mitralstenose engen die verklebten Mitralklappensegel das diastolisch wirksame Ostium zwischen linkem Vorhof und linker Kammer ein und stören damit die Ventrikelfunktion. Die Mitralklappenöffnungsfläche beträgt normalerweise 4 bis 6 cm2. Bei einer Stenosierung vergrößern sich infolge der erschwerten Vorhofentleerung Druck und Volumen im Vorhofbereich. Die diastolische Füllung der linken Kammer wird behindert und vermindert. Folge davon ist eine Abnahme des Herzzeitvolumens. Die Druckerhöhung im linken Vorhof führt zur typischen Ausbildung eines diastolischen Druckgradienten zwischen linkem Vorhof und linkem Ventrikel. Bei absoluter Arrhythmie mit Vorhofflimmern, einer häufigen Rhythmusstörung bei der Mitralstenose, kommt es zu einer unterschiedlichen Diastolendauer. So entsteht ein von Herzrevolution zu Herzrevolution unterschiedlich ausgeprägter Druckgradient über der Mitralklappe. Bis auf eine Abnahme der Ostiumöffnungsfläche auf ca. 2,0 cm2 kann die Stenose kompensiert werden. Das Herzzeitvolumen ist unter Ruhebedingungen nicht herabgesetzt. Bei einer Öffnungsfläche von 1,3 bis 1,6 cm2 besteht eine mäßige, bei 0,6 bis 1,2 cm2 eine stärkere Reduktion der Förderleistung des Herzens. Bei noch stärkerer Einengung sind die Patienten praktisch an das Bett gebunden. Die Herabsetzung der Förderleistung des linken Ventrikels wird mit einer stärkeren 02-Extraktion in der Peripherie beantwortet. Die arterio-venöse Sauerstoffdifferenz (AVD02) wird vergrößert. Der aus den Druckwerten und dem gleichzeitig bestimmten Herzzeitvolumen ermittelte Widerstand im Lungenkreislauf ist unterschiedlich stark erhöht. Bei einem Teil der Patienten spiegelt der erhöhte Widerstand im wesentlichen die Druckzunahme infolge des Anstaues vor der verengten Klappe wider. Andere Patienten zeigen eine zusätzliche, z.T. exzessive Widerstandserhöhung (verselbständigte pulmonale Hypertension), die vermutlich oft sekundär auf die durch die Druck- und Volumenüberlastung ausgelöste morphologische Veränderung in den Lungengefäßen zurückgeht. Eine aktive Vasokonstriktion ist ebenfalls als Erklärung herangezogen worden, da sich die Veränderungen teilweise nach der Operation des Mitralvitiums zurückbilden können. Die morphologischen Veränderungen liegen in der Intima und der Media der Lungengefäße. Häufig finden sich zusätzlich Kalzifikationen an den stenosierten Mitralklappen, die nicht nur eine Einengung sondern auch eine verminderte Bewegungsfähigkeit der Klappen bewirken.

Klinik

7.1.2 Klinik

- Dyspnoe - Rechtsherzdekompensationszeichen wie Lebervergrößerung, Aszites, Ödeme der unteren Extremitäten - absolute Arrhythmie mit Vorhofflimmern - nicht selten arterielle Embolien in Gehirnarterien Nierenarterien Abdominalarterien Extremitätenarterien - „Mitralbäckchen" = Akrozyanose oder Rötung der Wangen - Lippenzyanose

Etwa zwei Drittel aller Patienten mit einer Mitralstenose sind Frauen. Da vor dem linken Vorhof keine den erhöhten Druck zurückhaltende Klappe vorhanden ist, wird der erhöhte Druck des linken Vorhofes unmittelbar in die Lungenstrombahn rückwärts fortgeleitet. Deswegen fallen bei diesem Krankheitsbild relativ häufig schon in jungen Jahren Kurzatmigkeit unter Belastungsbedingungen und Reizhusten auf. Nachdem die rheumatischen Fieberschübe meist im Jugend- oder Adoleszentenalter aufgetreten sind, manifestieren sich diese Beschwerden bereits in der 3. bis 4. Lebensdekade. Wird der Fehler nicht rechtzeitig erkannt und eine Therapie eingeleitet, tritt Dyspnoe bereits unter Ruhebedingungen auf. Es kommt zur Lungenstauung und zum zeitweiligen Lungenödem. Die pulmonale Hypertension zieht eine Rechtsherzbelastung mit Dekompensationszeichen des rechten Herzens nach sich, so Ödeme der unteren Extremitäten, Aszites sowie infolge Leberstauung eine vergrößerte Leber. Die absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern und -flattern ersetzt häufig den Sinusrhythmus. Die fehlende Kontraktion des linken Vorhofes bereitet den Boden für Thromben, die zu arteriellen Embolien in Gehirn, Nieren, Abdominalarterien und unteren Extremitäten führen können. Synkopale Anfälle können durch gestielte Thromben verursacht werden, die sich kurzfristig vor die verengte Mitralklappe legen.

Erworbene Herzfehler 7.1.3 Charakteristische diagnostische Befunde Bei der Inspektion fällt häufig eine Rötung beider Wangen auf (sogenannte Mitralbäckchen) bei gleichzeitiger Lippenzyanose. Auskultatorisch und phonokardiographisch wird ein tieffrequentes diastolisches DecrescendoGeräusch mit Punctum maximum über der häufig gegenüber der N o r m verschobenen Herzspitze festzustellen sein und ein präsystolisches CrescendoGeräusch, das mit d e m I. H e r z t o n endet. Dieses letztere Geräusch wird bei Vorhofflimmern vermißt. D e r Mitralklappenöffnungston ( M Ö T ) tritt 0,05 bis 0,12 s nach Beginn des II. Herztones auf. D e r Abstand zwischen d e m II. Herzton und d e m M Ö T hängt erheblich vom linksatrialen Druck a b und gibt somit Aufschluß ü b e r den Schweregrad der Stenose. Es gilt, ye kürzer das Zeitintervall, desto ausgeprägter die Stenose. D e s weiteren wird ein lauter I. Herzton registriert. Elektrokardiographisch besteht sehr häufig eine absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern/-flattern. Bei Sinusrhythmus findet sich häufig ein P-mitrale (P verbreitert und doppelgipflig). In späteren Stadien werden oft Zeichen einer Rechtshypertrophie beobachtet. D i e R ö n t g e n u n t e r s u c h u n g der T h o r a x o r g a n e sollte stets in 2 E b e n e n (a. p. und seitlich) erfolgen, die seitliche A u f n a h m e mit einer Ösophagus-Kontrastdarstellung. Im a.p.-Bild sind die Ausfüllung der Herzbucht und eine schmale A o r t a typische Zeichen ( A b b . 11-36). Bei Betrachtung der Lungenfelder fallen bei ausgeprägten Krankheitsbildern sogenannte Kerley-B-Linien auf. Es handelt sich u m dünne, horizontale und parallelverlaufende Streifen in den unteren Abschnitten beider Lungenfelder. Sie treten auf, wenn der linke Vorhofdruck 25 m m Hg übersteigt und werden durch den erhöhten D r u c k in den niederlobulären Septen und den lymphatischen G e fäßen verursacht. Es handelt sich also um Lungenstauungszeichen. Das seitliche Thorax-Röntgenbild mit d e m Kontrastmittelbrei im Ö s o p h a g u s zeigt in typischer Weise den isoliert vergrößerten linken Vorhof, der den retrograden R a u m in diesem Bereich nach hinten ausfüllt und damit den Ösophagusbogen nach hinten drängt. Evtl. v o r h a n d e n e Klappenverkalkungen werden bei einer Durchleuchtung mit d e m Bildverstärker sichtbar. Echokardiographisch ist die Mitralstenose gut e r k e n n b a r und auch quantifizierbar. Im m - m o d e - E c h o flacht sich die EF-Strecke ab, die a-Welle verschwindet. A u s dem Abfallwinkel kann die Bewegungsgeschwindigkeit ermittelt und somit der Schweregrad der Stenose recht exakt abgeschätzt werden. Je größer der Winkel zur Horizontalen, desto leichter die Stenose ( A b b . 11-37). Im 2 - D - E c h o kann d a r ü b e r hinaus der vergrößerte Durchmesser des linken Vorhofes berechnet, die verminderte Beweglichkeit der Mitralklappensegel unmittelbar sichtbar gemacht und die Öffnungsfläche, insbesondere bei vorliegender Verkalkung, planimetrisch bestimmt werden. Verdickungen bzw. Kalzifizierungen der Mitralklappe sind ebenfalls feststellbar, weiterhin wird mit der 2-D-Echo-Technik und neuerdings exakter mit der Oesophagus-Echokardiographie nach Vorhofthromben gesucht

Abb. 11-36 Mitralstenose

133 Diagnose Rötung der Wangen Lippenzyanose Dyspnoe

Phonokardiogramm diastolisches Decrescendo-Geräusch mit Punctum maximum über der Herzspitze präsystolisches Crescendo-Geräusch Mitralklappenöffnungston (MÖT) lauter I. Herzton

EKG absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern/-flattern bei Sinusrhythmus P-mitrale im EKG Zeichen der Rechtsbelastung elektrokardiographisch

röntgenologisch: Lungenstauungszeichen vergrößerter linker Vorhof in Seitenlage Klappenkalk bei Durchleuchtung m-mode echokardiographisch: EFStrecke flacht ab, a-Welle verschwindet 2-D-Echo = vergrößerter Durchmesser des linken Vorhofes verminderte Beweglichkeit der Mitralsegel planimetrische Bestimmung der verbliebenen Öffnungsfläche Suche nach Vorhofthromben

Farbdoppler-Echokardiographie: erhöhte Strömungsgeschwindigkeit durch die verengte Mitralklappe direkte Bestimmung des diastolischen Druckgradienten durch transseptale Herz katheteruntersuchung und quantitative Festlegung der pulmonalen Hypertension durch venöse Katheterisierung

134

II Krankheiten des Herz-und Kreislaufsystems (Abb. 11-38). D i e Farbdoppler-Echokardiographie vermag die erhöhte Strömungsgeschwindigkeit durch die verengte Mitralklappe abzuschätzen. Mit Hilfe der transseptalen Herzkathetertechnik und einem retrograd arteriell vorgeschobenen Katheter, der im linken Ventrikel liegt, kann bei si-

Abb. 11-37 m-mode-Echokardiographie: Mitralstenose

Abb. 11-38 2-D-Echokardiographie: linksatrialer Thrombus a in Ventrikelsystole, b in Ventrikeldiastole (schematisch) HOCHGRADIGES MITRALVITIUM (überwiegend Stenose)

0

ι

1 sec

Systole

02-Verbrauch: 208 ml/min AVD-0 2 : 6,7 Vol % HMV: 4,0 l/min Cl

: 2,11 l/min · m2

Hfm

Diastole : 59/min

Pm As diast: 22,6 mm Hg Pm VS diast: 9,0 mm Hg q: 0.95cm·' Iq: 0,5

Abb. 11-39 Simultane diastolische Druckmessung im linken Vorhof (transseptal) und im linken Ventrikel (retrograd arteriell) bei hochgradiger Mitralstenose

Erworbene Herzfehler

135

multaner Druckmessung der diastolische Druckgradient über der Mitralklappe unmittelbar und exakt bestimmt werden ( A b b . 11-39). Er ist neben der D r u c k h ö h e im linken Vorhof entscheidend f ü r den Schweregrad der Mitralstenose. Z u v o r wird die Pulmonalarterie sondiert, um das Ausmaß der pulmonalen Hypertension sowie den transpulmonalen Druckgradienten zwischen der Arteria pulmonalis und dem linken Vorhof zu bestimmen.

7.2 Mitralklappeninsuffizienz

Mitralklappeninsuffizienz

Definition Bei der Mitralklappeninsuffizienz liegt eine Störung der Ventilfunktion im Sinne einer Schlußunfähigkeit vor. Folge ist eine Regurgitation des Blutes vom linken Ventrikel in den linken Vorhof.

7.2.1 Pathophysiologie Bei der Mitralklappeninsuffizienz liegt eine Störung der Ventilfunktion vor. Die Mitralklappe schließt sich während der Ventrikelsystole nur ungenügend. D e r durch das Pendelblut veränderte D r u c k im linken Vorhof mit einer hohen Refluxwelle (als v-Welle bezeichnet) ist selbst in ausgeprägten Fällen im Mittel nur wenig e r h ö h t und beeinflußt den Druck in der Lungenstrombahn weniger. D e r hypertrophierte und dilatierte linke Vorhof zeigt veränderte Beziehungen und kann so gewissermaßen als Puffer wirken.

7.2.2 Ursache und Häufigkeit

Ursachen

Mitralklappeninsuffizienzen können unmittelbar durch Verminderung der Klappensegelfläche als Folge einer rheumatischen Endokarditis entstehen, oder es handelt sich um primäre Mitralstenosen mit fibröser Verdickung oder Kalzifikation der Klappen, deren Unbeweglichkeit zusätzlich zu einer Klappenschlußunfähigkeit führt. Reine Mitralklappeninsuffizienzen können als Folge eines Herzinfarktes durch A b r e i ß e n eines S e h n e n f a d e n s im infarzierten Bereich auftreten. Schließlich können Mitralklappeninsuffizienzen auch artefiziell durch Kommissurotomie einer Mitralklappenstenose entstehen, wenn es d e m O p e r a t e u r nicht gelingt, die verklebten Kommissuren zu lösen, sondern stattdessen die Klappenfläche einreißt. Durch den Einriß wird die Klappe schlußunfähig. Reine Mitralklappenstenosen oder reine Mitralklappeninsuffizienzen k o m m e n nicht so häufig vor wie die kombinierten Klappenfehler der Mitralklappe. In etwa 40% der Fälle mit Mitralvitium ist der Anteil der Stenose und der Insuffizienz etwa gleich groß, in etwa 50% liegen vorwiegend reine Stenosen vor, bei nur 2 bis 3% der Kranken handelt es sich um reine Mitralklappeninsuffizienzen.

- rheumatische Endokarditis - bakterielle Endokarditis - Mitralklappenprolaps (Durchhängen eines Segels) - Sehnenfadenabriß, ζ. B. durch Myokardinfarkt

7.2.3 Charakteristische diagnostische Befunde

Diagnose

Auskultatorisch und phonokardiographisch wird ein lautes schabendes holosystolisches Geräusch mit Punctum maximum ü b e r der häufig gegenüber der Norm verschobenen Herzspitze festzustellen sein, ein M Ö T fehlt, d a f ü r wird oft ein III. Herzton 0,12 bis 0,14 s nach dem II. Herzton gehört. Elektrokardiographisch wird häufig ein P-mitrale gefunden. D a s E K G zeigt weiterhin Zeichen der Linksherzbelastung, bei höhergradigen Mitralklappeninsuffizienzen k o m m e n evtl. die Zeichen der Rechtsherzbelastung hinzu (Abb. 11-40). Die röntgenologische Untersuchung der Thoraxorgane ergibt im Seitenbild mit Kontrastmittelfüllung des Ö s o p h a g u s eine Vergrößerung des linken Vorhofs und des linken Ventrikels. Hierdurch ist auch röntgenologisch eine deutliche Unterscheidung zur reinen Mitralstenose möglich. Im a.p.-Bild ist in ausgeprägten Fällen die Herzbucht ausgefüllt. Eventuelle Klappenverkalkungen werden mit d e m Bildverstärker in der Durchleuchtung sicht-

- holosystolisches Geräusch mit Punctum maximum an der Herzspitze - III. Herzton - elektrokardiographisch: P-mitrale Zeichen der Linksbelastung - röntgenologisch: Vergrößerung des linken Vorhofs und des linken Ventrikels im Seitenbild - farbdoppler-echokardiographisch: Refluxvolumenbestimmung - laevokardiographisch: Refluxvolumenbestimmung

Ii Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

136

Abb. 11-40 Mitralklappeninsuffizienz bar gemacht. Die Stauung in der L u n g e verrät sich, wie bei der Mitralstenose, durch die Kerley-B-Linien. D i e E c h o k a r d i o g r a p h i e spielt bei der Diagnostik der Mitralklappeninsuffizienz keine entscheidende Rolle. Lediglich indirekte Zeichen können Hinweise geben, so die unkoordinierte Bewegung des hinteren Mitraisegels und verstärkte Pulsation im Bereich des linken Vorhofs und Ventrikels. E r gänzend können H y p e r t r o p h i e und Dilatation des linken Ventrikels indirekte Hinweise geben. D i e farbdoppler-echokardiographische Untersuchung allerdings hilft hier entscheidend weiter; es kann das Refluxvolumen durch die Mitralklappe sichtbar gemacht und quantifiziert werden. D e r Schweregrad einer reinen Mitralklappeninsuffizienz ist jedoch auch angiographisch durch die Laevokardiographie bestimmbar. Bei Injektion des Kontrastmittels in den linken Ventrikel erfolgt eine starke Regurgitation des Kontrastmittels in den linken Vorhof. Bei gleichzeitiger transseptaler Katheterisierung wird im linken Vorhof bei Sinusrhythmus eine deutlich überhöhte v-Welle g e f u n d e n .

Aortenstenose Definition

7.3 Aortenstenose Definition Bei der A o r t e n k l a p p e n s t e n o s e vermag sich die Klappe w ä h r e n d der Ventrikelsystole nur ungenügend zu ö f f n e n . Die valvuläre A o r t e n s t e n o s e wird in der überwiegenden Z a h l der Fälle (85 bis 9 0 % ) durch ein rheumatisches Fieber verursacht. Lediglich 10 bis 15% der A o r t e n s t e n o s e n sind kongenital.

Pathophysiologie

systolischer Druckgradient bis zu 150 mmHg zwischen linkem Ventrikel und Aorta ascendens isometrische Kontraktionsphase verkürzt Austreibungsphase verlängert

7.3.1 Pathophysiologie Bei der A o r t e n k l a p p e n s t e n o s e kann sich die Klappe während der Ventrikelsystole nur ungenügend öffnen. D e r linke Ventrikel kompensiert dieses vorwiegend durch Mobilisation der Kontraktions- und Wachstumsreserven, d . h . durch Hypertrophie. Diese Mechanismen versetzen das Herz in die Lage, den Druck im linken Ventrikel zu steigern und einen Druckgradienten von bis zu 150 m m H g systolisch zwischen dem linken Ventrikel und der Aorta ascendens aufzubauen. D u r c h den e r h ö h t e n Ventrikeldruck wird der Austreibungswiderstand ü b e r w u n d e n und ein ausreichendes Schlagvolumen gefördert. D i e isometrische Kontraktionsphase ist verkürzt, die Austreibungsphase verlängert, die D r u c k ü b e r t r a g u n g in die A o r t a verzögert sich. 1st eine effektive Weite der A o r t e n k l a p p e n ö f f n u n g s f l ä c h e geringer als 1,2 cm 2 , das entspricht etwa einem Drittel d e r normalen Öffnungsfläche,

Erworbene Herzfehler kann ein systolischer Druckgradient von etwa 50 bis 60 m m H g über der Aortenklappe angenommen werden. Hier liegt auch die kritische Größe für die Indikation zu einer operativen Korrektur dieses Fehlers. Neben dem bei ausgeprägten Krankheitsbildern erheblich erhöhten systolischen Druck im linken Ventrikel (die Drucke können systolisch im linken Ventrikel bis 300 m m H g ansteigen), erhöht sich ebenfalls der diastolische Druck linksventrikulär. Dieses rührt zunächst von einer verminderten Compliance des hypertrophierten linken Ventrikels her und stellt einen Kompensationsversuch zur Bewältigung der überhöhten Druckarbeit dar. Der erhöhte enddiastolische Druck im linken Ventrikel kann eine Dilatation und damit eine relative Mitralklappeninsuffizienz mit pulmonaler Hypertension erzeugen und schließlich eine Rechtsherzinsuffizienz nach sich ziehen. Auch in diesem Falle ist der enddiastolische linksventrikuläre Druck erhöht, so daß dieser Befund nur im Zusammenhang mit anderen hämodynamischen Größen richtig interpretiert werden kann (kompensierter Aortenklappenfehler oder Aortenvitium in dekompensiertem Zustand). Nicht selten wird bei diesem Herzfehler eine Koronarinsuffizienz gefunden; sie erklärt sich folgendermaßen: Die Hypertrophie des linken Ventrikels erhöht den Sauerstoffbedarf des Myokards. Da sich die Koronararterien nicht vermehren können, verlängert sich durch die Hypertrophie die Diffusionsstrecke für den Sauerstoff. Der erhöhte enddiastolische Druck im linken Ventrikel verstärkt zudem die extravaskuläre, myokardiale Widerstandskomponente des Koronarkreislaufes, so daß speziell die endokardnahen, besonders empfindlichen Bereiche des Koronarkreislaufes leiden. Ein weiterer koronarwirksamer Mechanismus wird diskutiert. Bei kalzifizierten, verdickten stenotischen Aortenklappen wird das Blut in einem jetförmigen Strahl in die Aorta ascendens ausgeworfen. Da die Koronarostien unmittelbar hinter den Klappenansätzen liegen, könnte die Perfusion durch Veränderung der Strömungsbedingungen (ζ. B. Turbulenzen) beeinträchtigt werden. Da statistisch gesehen das männliche Geschlecht erheblich häufiger an Aortenfehlern erkrankt als das weibliche, ist unabhängig von dem Aortenklappenfehler zusätzlich an eine Koronarinsuffizienz mit einengenden Stenosen im Koronarsystem zu denken.

137 - Indikation zur operativen Korrektur bei systolischem Druckgradienten über der Aortenklappe von mindestens 50-60 mm Hg

Koronarinsuffizienz bei diesem Herzfehler wird durch folgende Faktoren verursacht: - Die Hypertrophie des linken Ventrikels erhöht den 0 2 -Bedarf des Myokards. - Durch die Hypertrophie wird die Diffusionsstrecke für 0 2 verlängert. - Der erhöhte enddiastolische Druck linksventrikulär verstärkt die extravaskuläre Widerstandskomponente. - eventuell durch Turbulenzen - bedingt durch die veränderte Aortenklappe - verschlechterte Strömungsbedingungen im Koronararterienfluß. - Unabhängig vom Aortenklappenfehler ist eine Koronarinsuffizienz durch Stenose im Koronarsystem möglich.

7.3.2 Klinik

Klinik

Klinische Auswirkungen zeigt die Aortenstenose erst relativ spät, da die Mitralklappe anfangs einen Rückstau in den Lungenkreislauf verhindert. So treten zunächst andere Symptome wie Angina pectoris, Schwindel bis zur Bewußtlosigkeit und erst am Schluß die Dyspnoe, in der Regel zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr, auf. Zur Bewußtlosigkeit oder auch zu Schwindel insbesondere bei Belastung kommt es, weil durch die Aortenklappenstenose das Herzminutenvolumen nicht in dem nötigen Maß gesteigert werden kann. Infolgedessen wird das Gehirn nicht ausreichend oxygeniert. Entsprechend der Hämodynamik treten in einem fortgeschrittenen Stadium Zeichen der Linksdekompensation wie Orthopnoe und Lungenödem auf. Im Endstadium manifestieren sich zusätzlich die Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz mit peripheren Ödemen und einer Vergrößerung der Leber.

- Angina pectoris - Schwindel bis zur Bewußtlosigkeit bei Belastung - Dyspnoe - Linksherzinsuffizienz - im Endzustand zusätzlich Rechtsherzinsuffizienz

7.3.3 Charakteristische diagnostische Befunde

Diagnose

Typisch für eine Aortenstenose ist der Pulsus parvus et tardus. Es besteht zudem eine kleine Blutdruckamplitude bei niedrigem systolischem Blutdruck. Auskultatorisch und phonokardiographisch werden ein rauhes systolisches Geräusch mit Punctum maximum im 2. Interkostalraum parasternal rechts, fortgeleitet in die Carotiden, registriert, sowie ein II., meist abgeschwächter Herzton (Abb. 11-41). Die Carotispulskurve zeigt eine verlängerte Austreibungszeit und das sogenannte Hahnenkammphänomen. Elektrokardiographisch sind die Zeichen der Linksherzbelastung, insbesondere der Druckbelastung, sichtbar, in fortgeschrittenen Fällen ist eine ST-Streckensenkung linkspräkordial nachweisbar. Des öfteren wird ein Linksschenkelblock beobachtet.

- Pulsus parvus et tardus - kleine Blutdruckamplitude (niedriger systolischer Wert) - systolisches Geräusch mit Punctum maximum im 2. ICR parasternal rechts, fortgeleitet in die Carotiden - II. Herzton abgeschwächt - verlängerte Austreibungszeit in der Carotispulskurve mit „Hahnenkammphänomen" - elektrokardiographisch: Linksherzbelastung

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

Abb. 11-41 Aortenstenose - röntgenologisch: poststenotische Dilatation der Aorta ascendens - echokardiographisch fehlt die Trennung der Aortenklappe - farbdoppler-echokardiographisch: vermehrter Fluß durch die verengte Klappe - Bestimmung des systolischen Druckgradienten durch invasive simultane Messung der Druckwerte im linken Ventrikel und der Aorta ascendens oderdoppler-echokardiographisch nichtinvasiv.

Die valvuläre Aortenstenose ist von der subvalvulären und der supravalvulären Form zu unterscheiden: • supravalvuläre Form (selten): zirkuläre Einengung der Aorta ascendens • subvalvuläre Form (IHSS): infundibulär, muskulär, obstruierend • valvuläre Form: auf die Klappe beschränkt, meist erworbener Herzklappenfehler, in 10-15% kongenital, dann eventuell als bivalvuläre Klappe angelegt

Die röntgenologische Untersuchung der T h o r a x o r g a n e ergibt lange Zeit keine charakteristischen B e f u n d e , das linksventrikuläre druckbelastete H e r z ist klein. Erst später e r k e n n t man die linksventrikuläre H y p e r t r o p h i e an der Vergrößerung d e r linken K a m m e r sowie der poststenotischen Dilatation der Aorta ascendens. Kymographisch werden vermehrt Bewegungen am linksventrikulären Rand beobachtet, während die R a n d b e w e g u n g e n im Bereich der A o r t a vermindert sind. Bei der Durchleuchtung mit d e m Bildverstärker können Klappenverkalkungen nachgewiesen werden. Echokardiographisch fehlt die Trennung der Aortenklappe während der Systole, die Verdickung der linksventrikulären Wandbereiche vervollständigt die Diagnose. Dopplerechokardiographisch ist ein vermehrter Fluß durch die verengte Aortenklappe auszurechnen. Die quantitative Beurteilung einer A o r t e n k l a p p e n s t e n o s e erfolgt überwiegend durch invasive Verfahren. Durch simultane Druckmessung ü b e r einen transseptalen Herzkatheter, dessen Spitze sich im linken Ventrikel befindet, und einen retrograd arteriellen Katheter wird der systolische Druckgradient zwischen dem linken Ventrikel und der Aorta ascendens bestimmt (Abb. 11-42). Nach der Druckmessung wird eine A o r t o g r a p h i e durchgeführt, die vor allem bei verkalkter Klappe eine zusätzliche A o r t e n k l a p p e n insuffizienz aufdecken kann. Zusätzlich ist eine selektive Koronarangiographie notwendig, um auszuschließen, daß die Koronarinsuffizienz nicht durch Koronarstenosen verursacht ist. Diese Differenzierung ist für das operative Vorgehen und die Prognose unabdingbar. Neben der valvulären Aortenstenose sind die subvalvuläre und die supravalvuläre Form der Aortenstenose zu nennen. Bei der recht seltenen supravalvulären Form handelt es sich um eine zirkuläre Einengung der A o r t a ascendens, also um eine G e f ä ß a n o m a l i e . Für eine druckreduzierende

1 sec Abb. 11-42 Valvuläre Aortenstenose. Simultane Druckmessung in linkem Ventrikel und Aorta descendens

139

Erworbene Herzfehler Wirkung m u ß das L u m e n um m e h r als 50% verengt sein. In der Regel ist die Form der Stenosierung nicht so stark ausgeprägt, d a ß eine D r u c k r e d u zierung zustande kommt. Die Diagnose wird dann angiographisch gestellt. Bei der subvalvulären F o r m der A o r t e n s t e n o s e handelt es sich um eine infundibuläre muskuläre, obstruierende Form, auch idiopathische hypertrop h e subvalvuläre Stenose (IHSS) genannt. Sie ist eine Myokarderkrankung (siehe unter Myokardiopathie), die die A u s f l u ß b a h n des linken Ventrikels einengt, o d e r es handelt sich um eine äußerst rare septale subvalvuläre A o r tenstenose. Hierbei findet sich unterhalb der A o r t e n k l a p p e im Ausflußtrakt des linken Ventrikels eine zusätzliche septale Stenose, die ebenfalls druckreduzierend wirken kann.

7.4 Aortenklappeninsuffizienz Definition Durch die Schlußunfähigkeit bei d e r Aortenklappeninsuffizienz strömt w ä h r e n d der Diastole Blut in den linken Ventrikel zurück. D a b e i kann das zurückströmende Blut das effektive Vorwärtsvolumen überschreiten.

Aortenklappeninsuffizienz

Definition

7.4.1 Pathophysiologie

Pathophysiologie

Wie bei der Mitralklappeninsuffizienz wird auch bei der A o r t e n k l a p p e n i n suffizienz der linke Ventrikel durch ein vergrößertes Herzzeitvolumen belastet. Das w ä h r e n d der Diastole durch die lecke A o r t e n k l a p p e zurückström e n d e Blut kann dabei das effektive Vorwärtsvolumen überschreiten. Das vergrößerte Schlagvolumen setzt sich also aus der effektiven, in die A o r t a ausgeworfenen Blutmenge und der regurgitierenden Menge zusammen. Das enddiastolische Volumen im linken Ventrikel ist erhöht und dementsprechend auch der diastolische Druck. Die Blutdruckamplitude ist vergrößert (erhöhter systolischer, erniedrigter diastolischer A o r t e n d r u c k ) .

- vergrößertes Schlagvolumen - erhöhtes enddiastolisches Volumen - vergrößerte Blutdruckamplitude

7.4.2 Ursache und Klinik

Klinik

Ursache f ü r Aortenklappeninsuffizienzen sind vor allem rheumatische Fieberschübe und bakterielle Endokarditiden, seltener Fehlanlagen der A o r tenklappe, ζ. B. eine bikuspidale Klappe, o d e r als bindegewebige Fehlanlage das D u r c h h ä n g e n eines Klappensegels. Eine Kombination mit d e m sogenannten Marfan-Syndrom ist möglich. D e r überwiegende Anteil der Patienten mit Aortenklappeninsuffizienzen ist männlich. Ähnlich wie bei der A o r t e n k l a p p e n s t e n o s e liegt zwischen dem Beginn der E r k r a n k u n g (z.B. Endokarditis) und d e m A u f t r e t e n von Beschwerden ein Z e i t r a u m von 2 bis 3 Jahrzehnten. D a das Herzminutenvolumen in R u h e normal ist, aber unter Belastung nicht gesteigert werden kann, spüren die Patienten zunächst eine Neigung zu Tachykardien unter körperlicher Belastung. Hinzu k o m m e n später eine Ruhedyspnoe, Anfälle wie A t e m n o t und Schweißausbrüche, da der e r h ö h t e diastolische Druck eine relative Mitralklappeninsuffizienz und schließlich eine pulmonale D r u c k e r h ö h u n g nach sich zieht. Nicht selten klagen gerade diese Patienten über pektanginöse Beschwerden, die durch folgende F a k t o r e n verursacht sein können: Einmal wird durch den erhöhten enddiastolischen, linksventrikulären Druck die myokardiale W i d e r s t a n d s k o m p o n e n t e des Koronarkreislaufes wie bei der A o r tenklappenstenose erhöht und damit werden die e n d o k a r d n a h e n , präkapillaren K o r o n a r g e f ä ß e nicht genügend mit sauerstoffreichem Blut versorgt. Weiterhin hypertrophiert die Muskulatur des linken Ventrikels erheblich infolge der chronischen Volumen- und Druckbelastung, so daß wie bei der A o r t e n s t e n o s e die Diffusionsstrecke f ü r den Sauerstoff vom K o r o n a r g e f ä ß bis zur Myokardzelle länger wird, und schließlich wird durch den erniedrigten diastolischen Aortendruck der Perfusionsdruck und damit das Perfusionsgefälle innerhalb des Koronarkreislaufes vermindert.

- Tachykardien unter körperlicher Belastung - Ruhedyspnoe - Anfälle von Atemnot - Schweißausbrüche - Angina pectoris - Pulsus celer et altus - vergrößerte Blutdruckamplitude - in ausgeprägten Fällen pulssynchrone Kopfbewegungen

140

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

Diagnose

7.4.3 Charakteristische diagnostische Befunde

- sichtbarer nach links verlegter Herzspitzenstoß - vergrößerte Blutdruckamplitude mit verminderten diastolischen und erhöhten systolischen Werten - Pulsus celer et altus - positiver „Kapillarpuls" - hochfrequentes diastolisches Geräusch mit punctum maximum im 2. ICR rechts parasternal, ebenfalls Erbscher Punkt - Karotispulskurve: schneller Anstieg und Abfall ohne Inzisur - III. Herzton - ab und zu Austin-Flint-Geräusch (Herzspitze) - elektrokardiographisch: Linksbelastungszeichen - röntgenologisch: erhebliche Vergrößerung des linken Ventrikels („Holzschuhherz") - echokardiographisch: diastolisches Flattern des vorderen oder auch des hinteren Mitralsegels - farbdoppler-echokardiographisch: Reflux in den linken Ventrikel gut sichtbar - invasiv: Reflux des kontrastierten Blutes in den linken Ventrikel bei der Aortographie

Bei der Inspektion fallen in ausgeprägten Fällen pulssynchrone Kopfbewegungen auf. Der Herzspitzenstoß ist nach links außerhalb der Medioklavikularlinie und in den 6. Interkostalraum verlagert sichtbar. Die Blutdruckamplitude ist vergrößert durch Erhöhung der systolischen Blutdruckwerte und eine Verminderung der diastolischen Werte. Es besteht ein Pulsus celer (schnellend) et altus, also entsprechend dem Blutdruckverhalten ein schnell ansteigender und kräftiger Puls. Das Phänomen des sogenannten positiven „Kapillarpulses" läßt sich durch leichten Druck auf die Fingernägel oder durch Auslösen eines abwechselnd weißen und roten Dermographismus auf der Haut nachweisen. Das Fingernagelgewebe rötet sich ebenfalls pulssynchron. Auskultatorisch und phonokardiographisch wird über dem 2. Interkostalraum parasternal rechts ein hochfrequentes diastolisches Geräusch wahrgenommen. Das Geräusch wird ebenfalls deutlich über dem Erbschen Punkt auskultiert, es wird in der Regel auch in die Karotiden fortgeleitet. Elektrokardiographisch werden insbesondere die Merkmale der VolumenMehrbelastung des linken Ventrikels registriert. Die Karotispulskurve zeigt einen schnellen Anstieg und einen schnellen Abfall ohne Inzisur. Neben dem hochfrequenten diastolischen Geräusch wird phonokardiographisch häufig ein III. Herzton aufgezeichnet, weiterhin gelingt bei der Aortenklappeninsuffizienz ab und zu der Nachweis eines Austin-Flint-Geräusches, das durch Rückstrom des Blutes durch die undichte Aortenklappe und gleichzeitiges Einströmen des Blutes durch die unauffällige Mitralklappe zustande kommt. Dieses Geräusch wird nicht über der Aortenauskultationsstelle, sondern über der Herzspitze als ein tiefes Mesodiastolikum registriert (Abb. 11-43). Röntgenologisch erkennt man eine erhebliche Vergrößerung des linken Ventrikels, der Herzschatten im Ventrikelbereich ist nach links verlagert, so daß die typische Form des sogenannten Holzschuhherzens erscheint. Echokardiographisch gilt das diastolische Flattern des vorderen oder auch des hinteren Segels der Mitralklappe, gelegentlich sogar des Septum interventriculare, als typischer Befund. Dieses Phänomen ist durch das Zurückströmen des Blutes während der Diastole bedingt. In fortgeschrittenem Stadium kann bei relativer Mitralklappeninsuffizienz ein vergrößerter linker Vorhof nachgewiesen werden, die systolischen Wandbewegungen des linken Ventrikels sind deutlich verstärkt. Der Reflux des aortalen Blutes in den linken Ventrikel ist farbdoppler-echokardiographisch gut sichtbar zu machen, muß jedoch von dem in gleicher Richtung strömenden antegraden Blutstrom durch die Mitralklappe getrennt werden. Quantitativ wird die Aortenklappeninsuffizienz durch die Aortographie bestimmt. Bei der Aortographie kommt es zu einem Rückstrom des Kontrastmittels in den linken Ventrikel, da der Pater-noster-Effekt an der Aortenklappe nicht mehr funktioniert. Die Regurgitationsstrecke kann mittels

Abb. 11-43 Aortenklappeninsuffizienz

Erworbene Herzfehler

141

Kontrastmittel- oder Indikatorlösung in der Aorta bestimmt werden. Weiterhin sind der diastolische Druck im linken Ventrikel und in der Aorta sowie der überhöhte systolische Druck in den beiden genannten Abschnitten für den Schweregrad des Fehlers von Bedeutung. Eine Koronarangiographie sollte stets angeschlossen werden, da eine auf die Koronarien selbst beschränkte Koronarinsuffizienz von einer Koronarinsuffizienz, die ausschließlich auf den Herzfehler zurückgeht (und bei dessen Beseitigung verschwinden würde), differenziert werden muß. Im Gegensatz zu der lange möglichen Kompensation des Vitiums sinkt die Lebenserwartung nach einer eingetretenen Linksherzinsuffizienz rapide. 80% der Patienten haben hiernach nur noch eine Lebenserwartung von 2 Jahren, so daß spätestens nach erstmaliger Dekompensation eine diagnostische Abklärung des Fehlers dringend geboten ist. Nicht selten wird ein kombinierter Aortenfehler mit valvulärer Stenose und Insuffizienzanteil entdeckt. Insbesondere bei Klappenkalk ist ein kombiniertes Aortenvitium zu vermuten, da die verengte verkalkte Klappe sich weder vollständig öffnen noch schließen kann. Ziel der Diagnostik ist es, das Ausmaß und Gewichtung der Stenose und Insuffizienz abzuschätzen, um daraus die entsprechenden therapeutischen Schritte ableiten zu können.

Nach erster Dekompensation im Mittel nur noch 2 Jahre Lebenserwartung ohne operative Intervention.

7.5 T h e r a p i e e r w o r b e n e r H e r z k l a p p e n f e h l e r

Therapie erworbener Herzklappenfehler

Zu den einzelnen Operationsverfahren soll hier nicht Stellung genommen werden. Sie sind in speziell kardiologisch-chirurgischen Werken nachzulesen (Abb. 11-44). Eine Mitralklappenkommissurotomie wird nur dann durchgeführt, wenn eine reine Mitralklappenstenose vorliegt und der Klappenring nicht verkalkt oder fibrotisch verdickt ist. Bei einem kombinierten Mitralklappenvitium oder einer reinen Mitralklappeninsuffizienz wird die Mitralklappe ersetzt. Hierbei ergeben sich grundsätzlich zwei Möglichkeiten: einmal eine Kunststoffscheibenklappe oder eine Faszienklappe vom Schwein. Darüber hinaus besteht seit kurzem die Möglichkeit der Verwendung von Humanklappen. Während der Erfolg der Humanklappen noch nicht abzuschätzen ist, hat sich gezeigt, daß die Kunststoffscheibenklappen für eine lange Implantationsdauer am günstigsten sind, während bei den Faszienklappen vom Schwein doch nach einigen Jahren häufiger Insuffizienzzeichen auftreten. Bei Faszienklappen ist dafür eine ständige Marcumarisierung nicht notwendig, während bei der Implantation von Kunststoffklappen eine

Abb. 11-44 Gebräuchliche Klappenprothesen: a Björk-Shiley-Scheibenkippventil, b St. Jude-Medical-Doppelkippventil, c Hancock-Bioprothese, d lonescu-Shiley-Klappe

Mitralklappenkommissurotomie n u r bei

reiner Mitralstenose ohne Klappeninsuffizienzanteil und ohne Verkalkung. Mitralklappenersatz bei kombiniertem Mitralvitium, bei Vorhandensein von Klappenkalk und bei Mitralklappeninsuffizienz. Drei Möglichkeiten des Klappenersatzes: - Kunststoffscheibenklappen - Faszienklappen vom Schwein - Humanklappen

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

142

Bei Aortenklappenfehlern wegen der hohen Belastung (Systemdruck) fast ausschließlich Klappenersatz Zweiklappenersatz und Kombination mit aortokoronarer Bypass-Operation technisch möglich

Angeborene Herzfehler

langfristige Antikoagulation unabdingbar ist. Liegt eine relative Mitralklappeninsuffizienz bei erheblich vergrößertem linkem Ventrikel vor, kann evtl. eine Raffplastik an der Mitralklappe erfolgen. Eine Indikation zur Mitralklappenoperation besteht bei einem mittleren oder schweren Mitralklappenvitium. Dagegen wird ein leichtes Mitralklappenvitium nur dann einer Operation zugeführt, wenn gleichzeitig Vorhofthromben (linker Vorhof) vorhanden sind, um die Gefahr einer Embolisierung abzuwenden. Eine Aortenklappenoperation sollte erfolgen, wenn eine Aortenklappenstenose einen systolischen Druckgradienten von mindestens 50mmHg verursacht. Wenn ein kombiniertes Aortenklappenvitium besteht, sollte bereits bei einem niedrigeren Druckgradienten über der Aortenklappe eine Operation angestrebt werden. Ebenso ist eine Operation der Aortenklappe bei reiner Aortenklappeninsuffizienz indiziert. Die Aortenklappenoperation ist heute fast ausschließlich eine Aortenklappenersatz-Operation wegen der hohen Belastung, der die Aortenklappe ausgesetzt ist. Zwei-Klappen-Operationen sind bei kombinierten Mitral-Aorten-Vitien durchaus möglich. Auch wenn zwei unterschiedliche Operationen, z.B. eine an der Aortenklappe und eine aortokoronare Bypass-Operation, notwendig sind, ist ein kombiniertes operatives Vorgehen üblich. In bezug auf die Operationstechnik und ihre Einzelheiten sei auf die entsprechende kardiochirurgische Spezialliteratur hingewiesen.

8 Angeborene Herzfehler J. Wagner

Ursachen für kongenitale Herzfehler: - genetisch - infektiös - toxisch-pharmakologisch

In der Regel werden kongenitale Herzvitien durch eine Störung während der embryonalen Entwicklung hervorgerufen. Diese Störungen bestehen in fehlerhaften Rotationsvorgängen des sich entwickelnden Herzens, durch Fehlen in der Ausbildung des Vorhof- oder Kammerseptums oder durch eine Kombination dieser beiden fehlerhaften Entwicklungsvorgänge. Ursächlich für eine kardiale Fehlentwicklung kommen genetische, infektiöse und toxisch-pharmakologische Gründe in Betracht. Genetisch bedingte Herzfehler sind in der Regel mit anderen körperlichen Fehlentwicklungen verbunden. Hierhin gehört das Marfan-Syndrom. Beim Turner-Syndrom sowie bei Mongolismus sind chromosomale Mißbildungen nachgewiesen. Auch das Ehlers-Danlos-Syndrom muß hier genannt werden. Macht die Mutter innerhalb der ersten drei Monate ihrer Schwangerschaft Infektionen durch, können diese zu Mißbildungen des kindlichen Herzens führen, da bereits in den ersten drei Monaten der Gravidität die entscheidende Entwicklung des Herzgefäßsystems stattfindet. Am besten belegt ist der Zusammenhang zwischen kongenitalem Vitium und einer Röteln-Infektion der Mutter während dieser Zeit. Eine Röteln-Virusinfektion in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten stellt eine Indikation zur Interruptio (aus kindlicher Indikation) dar. Auch wenn der absolut sichere Nachweis äußerst schwerfällt, kann auch eine toxisch-pharmakologische Ursache mit großer Wahrscheinlichkeit zur embryonalen Fehlentwicklung führen. Tabletteneinnahmen in der Schwangerschaft sollten deswegen auf absolut notwendige Indikationsstellungen beschränkt bleiben. Die Kenntnis kongenitaler Herzvitien ist deswegen von Bedeutung, weil ein großer Teil operabel ist und eine rechtzeitige Diagnose lebensrettend sein kann. Andererseits weist lediglich '/ 2 % der Lebendgeburten kongenitale Vitien auf, so daß die statistische Bedeutung gegenüber der koronaren Herzkrankheit und den Herzrhythmusstörungen innerhalb der Kardiologie zurücktritt.

Angeborene Herzfehler

8.1 Vorhofseptumdefekt Definition: Der Vorhofseptumdefekt ist eine Kurzschlußverbindung zwischen dem linken und dem rechten Vorhof. Der Vorhofseptumdefekt ist eine Kurzschlußverbindung zwischen dem linken und dem rechten Vorhof. Man unterscheidet drei Formen des Vorhofseptumdefektes: 1 .den Septum-primum-Defekt, 2. den Septum-secundumDefekt, 3. den Vorhofseptumdefekt vom Sinus-venosus-Typ. Die häufigste Form des Vorhofseptumdefektes ist der Sekundum-Typ. Die Nomenklatur der ersten beiden Typen leitet sich von den beiden innerhalb der fetalen Entwicklung aufeinanderzuwachsenden Septen, dem Septum primum und dem Septum secundum, ab. Bleibt das von kranial wachsende Septum secundum in seiner Entwicklung zurück, entsteht ein Septum-secundum-Defekt. Bleibt das von der Klappenebene her wachsende Septum primum zurück, entsteht ein Septum-primum-Defekt (im Angelsächsischen wegen seiner Nähe zur Klappenebene auch Endokardkissen-Defekt genannt). Der Sinus-venosus-Typ stellt eine Kurzschlußverbindung zwischen der Vena cava superior und der dem System am nächsten gelegenen Lungenvene dar, und zwar an der Einmündungsstelle dieser beiden Gefäße in den rechten bzw. linken Vorhof. Hämodynamisch besteht bei einem unkomplizierten Vorhofseptumdefekt ein von links nach rechts gerichteter Blutstrom, den man als Links-Rechts-Shunt bezeichnet. Dieser Links-Rechts-Shunt entsteht aufgrund eines Druckgefälles zwischen beiden Vorhöfen, denn im linken Vorhof mißt man einen höheren Druck als im rechten Vorhof. Das Shunt-Volumen ist einmal von der Defektgröße, zum anderen vom Druckgefälle abhängig. Nicht selten ist der Vorhofseptumdefekt mit anderen Mißbildungen am Herzen kombiniert. So wird eine Kombination zwischen Vorhofseptumdefekt mit einer Pulmonalstenose auch Fallotsche Trilogie genannt, eine Kombination zwischen Vorhofseptumdefekt und einer angeborenen Mitralstenose Lutembacher-Syndrom. Nicht selten ist ein Vorhofseptumdefekt auch kombiniert mit einer oder mehreren in den rechten Vorhof fehleinmündenden Lungenvenen.

143 Vorhofseptum defekt Definition 3 -

Formen des Vorhofseptumdefektes: Septum-primum-Defekt Septum-secundum-Defekt Sinus-venosus-Typ

Der Links-Rechts-Shunt entsteht aufgrund eines Druckgefälles zwischen beiden Vorhöfen. Fallotsche Trilogie: Vorhofseptumdefekt + Pulmonalstenose Lutembacher-Syndrom: Vorhofseptumdefekt + Mitralstenose

8.1.1 Pathophysiologie Die Shunt-Volumina können bis zu 10 1/min betragen und hängen im wesentlichen neben der Defektgröße auch von den Druckverhältnissen in den Lungengefäßen ab. Nach der Literatur kann man beim Vorhofseptumdefekt nicht davon ausgehen, daß ein größeres Links-Rechts-Shunt-Volumen eine entsprechende pulmonale Hypertension automatisch nach sich zieht. Vielmehr können im Gegensatz zum Ventrikelseptumdefekt drei Formen der pulmonalen Hypertension bei diesem Herzfehler unterschieden werden: 1. ein sogenanntes Persistieren der fetalen Hypertension, 2. eine sich in Abhängigkeit von der Shunt-Größe entwickelnde pulmonale Hypertension, 3. eine von der Shunt-Größe unabhängige pulmonale Hypertension. Schließlich gibt es hämodynamisch sehr bedeutsame Vorhofseptumdefekte, denen lebenslang keine pulmonale Hypertension folgt. Einerseits vermindert eine pulmonale Hypertension das Links-Rechts-Shunt-Volumen, es kann abhängig vom Ausmaß der pulmonalen Hypertension sogar zu einem gekreuzten Shunt oder zu einer sogenannten Shunt-Umkehr - zu einem Rechts-Links-Shunt - kommen. Eine pulmonale Hypertension kompliziert den Herzfehler, da der rechte Ventrikel statt der reinen Volumenarbeit, die er in der Regel über lange Zeit gut tolerieren kann, nun zusätzlich eine vermehrte Druckarbeit leisten muß. Hierauf ist der rechte Ventrikel von seiner Funktion her, die auch im automatischen Feinbau der Anordnung der Myofibrillen ihren Ausdruck findet, nicht so gut wie auf Volumenarbeit eingestellt. Damit entsteht im Gefolge der pulmonalen Hypertension meist eine Rechtsherzinsuffizienz· Entsprechendes gilt auch für den Ventrikelseptumdefekt.

Die Shunt-Volumina hängen von der Defektgröße und den Druckverhältnissen ab

Drei Formen der pulmonalen Hypertensionsentwicklung sind möglich: - Persistieren der fetalen Hypertension - sich in Abhängigkeit von der ShuntGröße entwickelnde Hypertension - von der Shunt-Größe unabhängige pulmonale Hypertension Nach Entwicklung einer pulmonalen Hypertension Shunt-Umkehr, so daß ein Rechts-Links-Shunt entsteht.

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

144 Klinik

8.1.2 Klinik

In schwereren Fällen - Dyspnoe - verminderte körperliche Leistungsfähigkeit - schmächtiger Körperwuchs - Akrozyanose - Trommelschlegelfinger-Bildung - gehäuft Infektionskrankheiten in der Anamnese

Die Klinik des Vorhofseptumdefektes hängt von der Größe des Shunt-Volumens und von den zusätzlichen Mißbildungen ab. So ist das Spektrum der möglichen Beschwerden groß. Bei kleineren Defekten kann sich eine normale körperliche Entwicklung vollziehen. Schwerere Krankheitsbilder gehen mit einer Dyspnoe, verminderter körperlicher Leistungsfähigkeit bei schmächtigem Körperwuchs, Akrozyanose und eventuell sogar Trommelschlegelfinger-Bildung einher. Infektionskrankheiten werden anamnestisch gehäuft angegeben.

Diagnose

8.1.3 Charakteristische diagnostische Befunde

- systolisches, spindelförmiges Geräusch mit Punctum maximum im 2. bis 3. ICR links parasternal - eventuell kurzes diastolisches Geräusch bei großem Shunt - röntgenologisch: - Größenzunahme des rechten Ventrikels - Pulmonalisbogen prominent - Lungengefäße zentral weit, Aorta schmal - Kontrast-Echokardiographie: direkter Nachweis des Shunts - farbdoppler-echokardiographisch: Nachweis der Strömung und der Strömungsrichtung - invasiv: - Nachweis des Defektes - Shunt-Richtung und -Größe - hämodynamische Auswirkung auf rechten Ventrikel - Widerstandsverhältnisse im kleinen Kreislauf - Suche nach zusätzlichen Anomalien

Auskultatorisch und phonokardiographisch wird ein systolisches Geräusch gefunden, das Punctum maximum liegt im 2. bis 3. Interkostalraum links parasternal als Ausdruck einer relativen Pulmonalstenose (infolge des durch das Shunt-Volumen vergrößerten HZV des kleinen Kreislaufes) und eventuell ein kurzes diastolisches Geräusch beim großen Vorhofseptumdefekt als Ausdruck einer relativen Trikuspidalstenose. Röntgenologisch ist eine Größenzunahme des rechten Ventrikels typisch. Der rechte Ventrikel kann links randständig werden. Der Pulmonalisbogen ist prominent, die Lungengefäße sind zentral weit und zeigen kymographisch Eigenpulsationen, die Aorta erscheint schmal (Abb. 11-45). Echokardiographisch wird der indirekte Nachweis des Vorhofseptumdefektes anhand des diskontinuierlichen Vorhofseptums und der Dilatation des rechtsventrikulären Cavums erbracht. Der direkte Nachweis des Defektes gelingt in der Regel durch die sogenannte Kontrast-Echokardiographie (intravenöse Injektion mit physiologischer NaCl-Lösung und Valsalvascher Druckpreß-Versuch). Beim Septum-primum-Defekt wird nicht selten zusätzlich eine Mitralklappeninsuffizienz durch Einbeziehung des Klappenapparates in die Anomalie gesehen, eventuell auch eine abnorme Septumbewegung. Bei pulmonaler Hypertension besteht eine Veränderung der Pulmonalklappenbewegung in Form einer Abflachung des sogenannten Α-Dip. Farbdoppler-echokardiographisch kann nicht nur die Strömung durch den Septumdefekt nachgewiesen werden, sondern auch die Strömungsrichtung. Ziel der venösen Herzkatheteruntersuchung ist es, die Existenz eines Vorhofseptumdefektes zu verifizieren, die Shunt-Richtung und -Größe zu bestimmen und die hämodynamischen Auswirkungen des Fehlers auf den rechten Ventrikel sowie die Widerstands verhältnisse im kleinen Kreislauf zu erkennen. Zusätzliche Anomalien sind zu eruieren und die Differenzierung des Defekttypes vorzunehmen. Somit wird der direkte Nachweis des Defektes mit Hilfe einer Kathetersonde durch unmittelbare Passage erbracht, die Bestimmung des Shunt-Volumens erfolgt nach dem Fickschen Prinzip. Es erfolgt der Nachweis oder der Ausschluß von transponierten Lungenvenen sowie die Erfassung der Druck- und Widerstandsverhältnisse im Lun-

Bestimmung des Shunt-Volumens nach dem Fickschen Prinzip

Abb. 11-45 Vorhofseptumdefekt

Angeborene Herzfehler

145

genkreislauf. Schließlich m u ß der Nachweis oder der Ausschluß zusätzlicher G e f ä ß a n o m a l i e n , z.B. einer linken oberen Hohlvene, erfolgen.

8.2 Ventrikelseptumdefekt

Ventrikelseptumdefekt

Definition

Bei diesem kongenitalen Vitium handelt es sich um eine Kurzschlußverbindung zwischen d e m linken und d e m rechten Ventrikel. Je nach der Lokalisierung des D e f e k t e s wird ein membranöser, hochsitzender Ventrikelsept u m d e f e k t von einem m e h r spitzenwärts gelegenen, muskulären Defekt unterschieden. D e r hochsitzende, meist kleine Ventrikelseptumdefekt entspricht d e m M o r b u s Roger. A u f g r u n d der unterschiedlichen Druckverhältnisse im linken und rechten Ventrikel wird auch beim Ventrikelseptumdefekt ein Links-Rechts-Shunt vorhanden sein. Bei diesem angeborenen Fehler entwickelt sich in Abhängigkeit vom Shunt-Volumen und der Zeitdauer (also d e m Lebensalter des Patienten) in der Regel eine pulmonale Hypertension. Ist der Ventrikelseptumdefekt mit einer Pulmonalstenose kombiniert, spricht m a n von einer Fallotschen Tetralogie. Ist mit d e m Ventrikelseptumdefekt eine hochgradige pulmonale Hypertension v e r b u n d e n , spricht man von einem Eisenmenger-Komplex. Auch bei diesem Vitium sind die Beschwerden von der G r ö ß e des Shunt-Volumens und der Entwicklung der pulmonalen Hypertension, gegebenenfalls auch von zusätzlich b e s t e h e n d e n Mißbildungen abhängig. Auch hier wird gehäuft a n a m n e stisch eine Neigung zu Erkältungskrankheiten erhoben. D i e Beschwerden können bei kleinem, hämodynamisch u n b e d e u t e n d e m Ventrikelseptumdefekt völlig fehlen, bei größeren Shunt-Volumina o d e r pulmonaler Hypertension ähneln die Beschwerden weitgehend d e n e n der Patienten mit Vorhofseptumdefekt. Sowohl der Vorhofseptumdefekt wie der Ventrikelseptumdefekt verursachen eine Rechtsherzbelastung. Beim Ventrikelsept u m d e f e k t ist sie mit einer zusätzlichen Belastung des linken Ventrikels verbunden.

Zwei Typen nach Lokalisation: - hochsitzender, membranöser, meist kleiner Ventrikelseptumdefekt (Morbus Roger) - muskulärer, mehr spitzenwärts gelegener Ventrikelseptumdefekt

Links-Rechts-Shunt aufgrund unterschiedlicher Druckverhältnisse im linken und rechten Ventrikel. Beim Ventrikelseptumdefekt entsteht in der Regel eine pulmonale Hypertension im Laufe des Lebens. Ventrikelseptumdefekt + hochgradige pulmonale Hypertension = Eisenmenger-

Komplex

8.2.1 Charakteristische diagnostische Befunde

Diagnose

Auskultatorisch und phonokardiographisch wird ein holosystolisches Geräusch mit Punctum maximum im 3. bis 4. Intercostalraum links parasternal bis hin zur Herzspitze auskultiert. M a n fühlt ganz in der Regel ein deutliches Schwirren über diesem Gebiet, der II. Herzton ist gespalten, das Pulmonalissegment betont. Röntgenologisch ist das H e r z mehr oder weniger nach links verbreitert, die Lungengefäßzeichnung ist deutlich verstärkt. Elektrokardiographisch werden bei einem mittelgroßen und großen Shunt Zeichen der Links- und der Rechtsherzbelastung v o r h a n d e n sein. Echokardiographisch entgehen kleine D e f e k t e häufig der Untersuchung, sonst fällt die Diskontinuität des interventrikulären Septums auf. A u ß e r d e m besteht eine Dilatation des linken Ventrikels sowie eine Hypertrophie dieses Ventrikels und eine Dilatation und/oder H y p e r t r o p h i e des rechten Ventrikels ( A b b . 11-46). Bei pulmonaler Hypertension findet man d a r ü b e r hinaus eine Veränderung der Pulmonalklappenbewegung in F o r m einer Abflachung des A-Dip. Dopplerechokardiographisch ist insbesondere der Ventrikelseptumdefekt gut in seiner G r ö ß e und der Shunt in seiner Strömungsrichtung sichtbar zu machen. Bei der venösen H e r z k a t h e t e r u n t e r s u c h u n g besteht eine signifikante Erhöhung des 0 2 - G e h a l t e s des venösen Blutes im rechten Ventrikel. Z u r quantitativen Beurteilung der H ä m o d y n a m i k sollte außer der Berechnung des Shunt-Volumens der D r u c k im rechten Ventrikel und in der Arteria pulmonalis gemessen werden. D a r ü b e r hinaus sollten die Widerstandsverhältnisse im kleinen Kreislauf errechnet werden. Kardangiographisch sollte eine se-

- holosystolisches Geräusch mit Punctum maximum im 3.-4. ICR parasternal links bis zur Herzspitze - präkordiales Schwirren - II. Herzton gespalten, Pulmonalissegment betont - röntgenologisch: Lungengefäßzeichnung verstärkt, Herz nach links verbreitert - elektrokardiographisch: Zeichen der Links- und Rechtsherzbelastung - echokardiographisch: Diskontinuität des interventrikulären Septums Dilatation und/oder Hypertrophie des rechten und linken Ventrikels Abflachung des Α-Dip bei pulmonaler Hypertension - dopplerechokardiographisch: Strömung und Strömungsrichtung durch das Septum deutlich sichtbar

146

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

Abb. 11-46 Ventrikelseptumdefekt - invasiv: - Nachweis des Defektes - Shunt-Richtung und-Größe - hämodynamische Auswirkung auf rechten Ventrikel - Widerstandsverhältnisse im kleinen Kreislauf

lektive Laevokardiographie erfolgen mit Einstellung des Kammerseptums parallel zum Strahlengang, wodurch der Übertritt des kontrastreichen Blutes aus der linken Kammer in die rechte Kammer unmittelbar zur Darstellung kommt und auch die Lokalisation des Defektes einwandfrei erkannt werden kann. Eine Kardangiographie erübrigt sich, wenn farbdoppler-echokardiographisch eindeutig die Lokalisation und das Ausmaß des Defektes eruiert werden konnten.

Artrioventrikularkanal

8.3 Artrioventrikularkanal

Definition

Definition: Kurzschlußverbindung zwischen linkem Ventrikel und rechtem Vorhof mit Links-Rechts-Shunt. Es handelt sich bei dieser seltenen kardialen Mißbildung um eine Kurzschlußverbindung zwischen dem linken Ventrikel und dem rechten Vorhof. Entsprechend der Zwischenstellung zwischen Vorhofseptum und Ventrikelseptum gleicht dieses Links-Rechts-Shunt-Vitium klinisch diesen beiden Herzfehlern. Die genaue Lokalisierung der Kurzschlußverbindung gelingt nur durch eine genaue 0 2 -Sättigungsanalyse, eine direkte Sondierung des Defektes und eine Laevokardiographie nach vorheriger FarbdopplerEchokardiographie.

Pulmonalstenose Definition

8.4 Pulmonalstenose Definition: Bei diesem Vitium ist der Blutstrom zwischen rechtem Ventrikel und Pulmonalarterie behindert.

Man unterscheidet drei Typen: - valvuläre Pulmonalstenose - subvalvuläre infundibuläre muskuläre Pulmonalstenose - (selten) supravalvuläre Pulmonalstenose

Es können drei Typen der Pulmonalstenose unterschieden werden: die valvuläre Pulmonalstenose, die subvalvuläre infundibuläre muskuläre Pulmonalstenose und die sehr seltene supravalvuläre Pulmonalstenose. Letztere stellt eine Einengung des Stammes der Arteria pulmonalis dar. Darüber hinaus gibt es auch Pulmonalstenosen, die die peripheren Anteile der Pulmonalarterienäste betreffen.

Pathophysiologie

8.4.1 Pathophysiologie

- Systolischer Drucksprung zwischen rechtem Ventrikel und Arteria pulmonalis - Häufig Kombination mit Vorhofseptumdefekt

Hämodynamisch führt die Pulmonalstenose zu einem systolischen Drucksprung zwischen dem rechten Ventrikel und der Arteria pulmonalis. Überhöhte rechtsventrikuläre Druckwerte bedingen eine Hypertrophie des rechten Ventrikels. Die Pulmonalstenose kommt als eigenständiger kongenitaler Fehler vor, sie ist jedoch auch häufig mit einem Vorhofseptumdefekt kombi-

147

Angeborene Herzfehler niert. D e r Schweregrad wird durch die H ö h e des systolischen Druckgradienten zwischen d e m rechten Ventrikel und der Arteria pulmonalis bestimmt.

8.4.2 Klinik

Klinik

Auch bei diesem Fehler stehen in Abhängigkeit vom Schweregrad der Stenose Leistungsminderung und Dyspnoe im Vordergrund der Beschwerden. Die muskuläre infundibuläre Pulmonalstenose kann durch eine Septumhypertrophie bedingt sein, die wiederum zu einer infundibulären Einengung der linksventrikulären A u s f l u ß b a h n im Sinne einer obstruktiven Myokardiopathie führen kann. Häufig dominiert in diesem Falle die linksventrikuläre Veränderung, so daß die Veränderungen im rechtsventrikulären A u s f l u ß t r a k t lediglich begleitenden C h a r a k t e r haben.

- Leistungsminderung - Dyspnoe

8.4.3 Charakteristische diagnostische Befunde

Diagnose

Auskultatorisch und phonokardiographisch finden sich ein spindelförmiges Systolikum und ein Schwirren mit p u n c t u m maximum über d e m 2. bis 3. Interkostalraum parasternal links bei der valvulären Form und über dem 3. bis 4. ICR parasternal links bei der infudibulären Form. D e r II. Herzton ist gespalten, das Intervall um so länger, je ausgeprägter die Stenose ist. Röntgenologisch fällt besonders die Prominenz des Pulmonalisbogens bei heller Lungenperipherie auf. Elektrokardiographisch finden sich die Zeichen der Rechtshypertrophie. Echokardiographisch wird die Hypertrophie der rechtsventrikulären Vorderwand und des Septums sichtbar. Die Diagnose einer Pulmonalstenose aus d e m echokardiographischen Bild ist schwierig, da die Klappe selbst sich häufig nur ungenügend darstellen läßt. Farbdoppler-echokardiographisch sollte jedoch versucht werden, die Stenose durch die Flußbeschleunigung in diesem Bereich zu sichern ( A b b . 11-47). Bei der venösen H e r z k a t h e t e r u n t e r s u c h u n g sind folgende Kriterien wichtig: Einmal sollte der systolische Druckgradient zwischen dem rechten Ventrikel und der Arteria pulmonalis bestimmt werden. Z u m anderen sollte kardangiographisch ein Dextrogramm mit Kontrastmittelinjektion in den rechten Ventrikel oder in den rechten Vorhof zur unmittelbaren Darstellung der stenosierten Pulmonalklappe erfolgen.

- Spindelförmiges Systolikum mit Punctum maximum im 2. ICR links parasternal - präkordiales Schwirren - II. Herzton gespalten - röntgenologisch: Prominenz des Pulmonalisbogens helle Lungenperipherie - elektrokardiographisch: Zeichen der Rechtshypertrophie - echokardiographisch: Hypertrophiezeichen des rechten Ventrikels - farbdoppler-echokardiographisch: Flußbeschleunigung über der stenosierten Pulmonalklappe - invasiv: Bestimmung des systolischen Druckgradienten über der Pulmonalklappe und dextrographische Darstellung der Stenose

Abb. 11-47 Pulmonalstenose

8.5 Pulmonalstenose mit Ventrikelseptumdefekt Fallotsche Tetralogie Definition: Bei der Fallot-Tetralogie liegt ein Ventrikelseptumdefekt, eine Pulmonalstenose, eine reitende A o r t a und eine Rechtsherzhypertrophie vor.

Fallot-Tetralogie Definition

148

Dieses kombinierte kongenitale Herzvitium wird überwiegend invasiv durch 0 2 Sättigungsbestimmung, Druckmessung und Kardangiographie quantitativ abgeschätzt. Weitere komplizierte, seltene kongenitale Vitien sind: - Aortopulmonale Fenestration - Truncus communis - Vollständige oder gekreuzte bzw. korrigierte Transposition der großen Gefäße

Ductus arteriosus Botalli apertus Definition

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems Bei der Fallotschen Erkrankung unterscheidet man eine Fallotsche Trilogie von einer Fallotschen Tetralogie und einer Fallotschen Pentalogie. Die klassische Mißbildung ist die Fallotsche Tetralogie mit Ventrikelseptumdefekt, Pulmonalstenose, auf dem Septum reitender Aorta sowie einer Rechtsherzhypertrophie. Liegt statt des Ventrikelseptumdefektes ein Vorhofseptumdefekt vor, kann man von einer Fallotschen Trilogie sprechen, die reitende Aorta fehlt. Kommt zu dem Ventrikelseptumdefekt ein Vorhofseptumdefekt hinzu, wird dieser Fehler Fallotsche Pentalogie genannt. Die Rechtshypertrophie muß als Folge der kombinierten Mißbildung verstanden werden, sie ist also nicht primär Bestandteil. Diese kombinierten angeborenen Vitien, die zudem durch weitere Anomalien kompliziert sein können, stellen höchste Anforderungen an die Diagnostik. Die hämodynamischen Auswirkungen der einzelnen Fehler sind nicht leicht abzuschätzen und voneinander abzugrenzen, da eine gegenseitige Abhängigkeit der einzelnen pathologischen Faktoren besteht. Weitere komplizierte kongenitale Herzvitien sind die aortopulmonale Fenestration, der Truncus communis sowie die vollständige oder gekreuzte bzw. korrigierte Transposition der großen Gefäße. Letztere sind ausgesprochene Raritäten, die nur mit angiographischen Methoden, evtl. in Verbindung mit der zweidimensionalen Echokardiographie und der FarbdopplerEchokardiographie, diagnostiziert werden können (siehe spezielle Literatur).

8.6 Ductus arteriosus Botalli apertus Definition: Persistieren einer fetalen offenen Verbindung zwischen Aorta und Arteria pulmonalis. Entsprechend dem Druckgefälle handelt es sich primär um ein LinksRechts-Shunt-Vitium. Eine pulmonale Hypertension kann sich bilden. Es handelt sich um eine Mißbildung im herznahen Gefäßsystem, bei der eine im embryonalen Kreislauf offene Verbindung zwischen der Arteria pulmonalis und der Aorta persistiert. Während der Embryonalzeit wird hierüber das Blut an der noch nicht für die Oxygenierung notwendigen Lunge vorbeigeleitet. Schließt sich dieses Gefäß nach der Geburt nicht, so wird diese Kurzschlußverbindung aufgrund der unterschiedlichen Druckverhältnisse in der Aorta und der Arteria pulmonalis nunmehr in umgekehrter Richtung benutzt. Auch bei diesem Fehler handelt es sich um ein LinksRechts-Shunt-Vitium, das zunächst ausschließlich das linke Herz belastet. In etwa 10% der Fälle kommt es auch bei dieser Mißbildung zu einer pulmonalen Hypertension mit einer Shunt-Umkehr, die dann eine zusätzliche Rechtsherzbelastung verursachen kann. Das Beschwerdebild ist abhängig von der Größe des Links-Rechts-Shunts oder der Ausbildung der pulmonalen Hypertension.

Diagnose

8.6.1 Charakteristische diagnostische Befunde

- kontinuierliches systolisch-diastolisches Geräusch (Maschinengeräusch) mit punctum maximum im 2. ICR linkslateral. Das Geräusch zeigt zum II.Herzton hin ein Crescendo, danach ein Decrescendo. - röntgenologisch: Vergrößerung des linken Vorhofs und Ventrikels Aorta erweitert Lungengefäßzeichnung verstärkt Pulmonalisbogen prominent

Auskultatorisch und phonokardiographisch stellt man ein kontinuierliches systolisch-diastolisches Geräusch (Maschinengeräusch) mit punctum maximum im 1. bis 2. Interkostalraum parasternal links und auch weiter lateral fest. Das Geräusch zeigt zum II. Herzton hin ein Crescendo, nach dem II. Herzton ein Decrescendo. Der II. Herzton kann vom Geräusch völlig überlagert sein. Röntgenologisch zeigt sich eine Vergrößerung des linken Vorhofs und des linken Ventrikels, die Aorta ist erweitert, die Lungengefäßzeichnung verstärkt, der Pulmonalisbogen prominent. Elektrokardiographisch können sich Zeichen einer Linksherzbelastung manifestieren. Echokardiographisch kann ein offener Ductus arteriosus Botalli zumeist nicht diagnostiziert werden. Hinweise ergeben sich bei sonst untypischen Befunden durch eine Dilatation des linken Ventrikels.

Angeborene Herzfehler Die venöse H e r z k a t h e t e r u n t e r s u c h u n g ergibt eine signifikante E r h ö h u n g des 0 2 - G e h a l t e s im Pulmonalarterienblut. Eventuell wird unmittelbar der Ductus sondiert, dann ergibt sich röntgenologisch das Bild eines kleinen griechischen φ, was die Katheterlage angeht (bei Vorgehen von der linken Vena cubitalis). Dabei findet sich die Spitze des Katheters in der deszendierenden A o r t a . Entscheidend f ü r operatives Vorgehen und Prognose ist die Höhe des Lungengefäßwiderstandes. In Fällen mit Angleichung des Widerstandes beider Kreisläufe o d e r gar S h u n t - U m k e h r (etwa in 10% der Fälle) ist ein operatives Vorgehen kontraindiziert. Hierbei kann jedes Geräusch fehlen, elektrokardiographisch herrschen die Zeichen d e r Rechtsherzbelastung vor.

8.7 Aortenisthmusstenose Definition: Bei der Aortenisthmusstenose ist die A o r t a im deszendierenden Teil des A o r t e n b o g e n s nahe der M ü n d u n g des Ductus arteriosus eingeengt. Folge ist ein arterieller Bluthochdruck im oberen Teil des Körpers.

149 elektrokardiographisch: Zeichen der Linksherzbelastung invasiv: • Sondierung des Ductus • Bestimmung der Shunt-Größe • Bestimmung des Lungengefäßwiderstandes

Aortenisthmusstenose

Definition

Bei der Aortenisthmusstenose ist die A o r t a im deszendierenden Teil des A o r t e n b o g e n s nahe der M ü n d u n g des D u c t u s arteriosus eingeengt. Folge ist durch diesen Widerstand eine arterielle Blutdruckerhöhung proximal von der Stenose. Diese Stenose kann unterschiedlich lang sein. Seltener findet sich die Aortenisthmusstenose am A b g a n g der linken Arteria subclavia. Das männliche Geschlecht wird, statistisch gesehen, häufiger von einer Aortenisthmusstenose betroffen als das weibliche.

8.7.1 Charakteristische diagnostische Befunde

Diagnose

Auskultatorisch und phonokardiographisch wird ein systolisches Geräusch Uber der Herzspitze und d e m Erbschen Punkt, häufig jedoch auch über dem Rücken zwischen den Schulterblättern, festzustellen sein. D e r arterielle Blutdruck ist in typischer Weise verändert, an den oberen Extremitäten werden hypertone Blutdruckwerte g e f u n d e n , an den unteren Extremitäten normale oder erniedrigte Blutdruckwerte. Röntgenologisch sind typisch Rippenusuren als Ausdruck der als Kollateralen stark b e a n s p r u c h t e n Interkostalarterien zu sehen ( A b b . 11-48). Elektrokardiographisch zeigen sich Hypertrophiezeichen am linken Ventrikel als Folge des arteriellen Hochdruckes in der oberen Körperhälfte. Echokardiographisch ist die Isthmusstenose direkt nur schwer darstellbar. Im m - m o d e - E c h o erscheinen Hypertrophiezeichen im Bereich des linken Ventrikels. In der zweidimensionalen Technik stört der luftgefüllte linke H a u p t b r o n c h u s .

- systolisches Geräusch mit punctum maximum über Herzspitze, Erbschem Punkt, typisch über dem Rücken zwischen den Schulterblättern - hypertone Blutdruckwerte ausschließlich an den oberen Extremitäten - röntgenologisch: Rippenusuren - elektrokardiographisch: Zeichen der Linkshypertrophie - echokardiographisch: Linkshypertrophiezeichen - invasiv: thorakale Aortographie von transaxillär zur Darstellung der Stenose

Abb. 11-48 Aortenisthmusstenose

150

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems Eine retrograd arterielle Katheterisierung erfolgt von transaxillär mit einer thorakalen Aortographie zur unmittelbaren Darstellung der Stenose bzw. des Gefäßverschlusses. Nicht selten sind Kombinationen dieses Fehlers mit Aortenvitien (ζ. B. bikuspidale Aortenklappen), deswegen empfiehlt sich bei der gleichen Untersuchung eine Druckmessung im linken Ventrikel und in der Aorta ascendens.

Aortenstenose

8.8 Aortenstenose

(Definition siehe unter erworbenen Herzvitien) 10 bis 15% der Aortenklappenstenosen sind angeboren. Häufig handelt es sich um bivalvuläre Klappen.

Bei der Aortenstenose werden, wie bei der Pulmonalstenose, grundsätzlich drei Formen unterschieden: 1. die infundibuläre Form, 2. die valvuläre Form, 3. die supravalvuläre Form. Die infundibuläre Aortenstenose wird zu den Myokardiopathien gerechnet. Sie stellt eine Unterform der hypertrophen Myokardiopathie dar (siehe dort). Die valvuläre Form ist in der überwiegenden Zahl der Fälle erworben (siehe unter erworbenen Herzklappenfehlern). 10 bis 15% der Aortenklappenstenosen sind jedoch angeboren, häufig als bivalvuläre Klappe. Da Hämodynamik und Diagnostil der erworbenen Form weitgehend gleichen, verweisen wir auf die Abhand lung bei den erworbenen Herzfehlern. Die supravalvuläre Form der Ao> tenstenose ist außerordentlich selten und entspricht einer Einengung de Aorta im aszendierenden Anteil. Sie läßt sich von der Aortenisthmussteno se schon topographisch unterscheiden.

Ebsteinsche Anomalie

8.9 Ebsteinsche Anomalie

Definition

=i>

Definition: Bei der Ebsteinschen Anomalie handelt es sich um eine kongenitale, erhebliche, isolierte Vergrößerung des rechten Vorhofes, eventuell kombiniert mit einer Trikuspidalstenose. Es handelt sich bei der Ebsteinschen Anomalie um eine angeborene, erhebliche isolierte Vergrößerung des rechten Vorhofs, eventuell kombiniert mit einer Trikuspidalstenose. Dieser Fehler ist sehr selten.

Diagnose

8.9.1 Charakteristische diagnostische Befunde

- röntgenologisch: Herzsilhouette kugel förmig und erheblich vergrößert - echokardiographisch: erheblich vergrößerter rechter Vorhof ohne Anhalt für Vorhofseptumdefekt

Im Röntgenbild stellt sich die Herzsilhouette kugelförmig und erheblich vergrößert dar. Echokardiographisch wird der erheblich vergrößerte rechte Vorhof sichtbar, ein pathologisches Herzgeräusch fehlt, oder es ist ein diastolisches Geräusch parasternal rechts im 4. bis. 5. Interkostalraum als Zeichen einer Trikuspidalstenose zu auskultieren und phonokardiographisch abzuleiten. Bei dem Versuch der venösen Herzkatheterisierung ergeben sich häufig Schwierigkeiten, den rechten Ventrikel zu sondieren. Differentialdiagnostisch muß immer ein Shunt-Vitium auf Vorhofebene ausgeschlossen werden.

Therapie der kongenitalen Herzfehler

8.10 Therapie der kongenitalen Herzfehler

Operation: Vorhofseptumdefekt, Ventrikelseptumdefekt bei Links-Rechts-Shunt über 2 l/min

Bei den kongenitalen Herzfehlern ist eine operative Korrektur dann angezeigt, wenn hämodynamische Auswirkungen vorhanden oder zu erwarten sind, die die Lebensfähigkeit des Patienten einschränken oder die Lebenserwartung verkürzen würden. Ein Vorhofseptumdefekt und ein Ventrikelseptumdefekt werden operiert, wenn ein Links-Rechts-Shunt 2 l/min übersteigt. Ein systolischer Druckgradient über der Pulmonalklappe wird als unbedeutend und nicht relevant erachtet, wenn er weniger als 10 mmHg beträgt. Eine Operation ist ab 20 bis 25 mmHg systolischer Druckgradient über der Pulmonalklappe zu erwägen.

Pulmonalstenose ab systolischem Druckgradienten von 20-25 mmHg

Chronisches Cor pulmonale Ein offener Ductus arteriosus Botalli sollte dagegen selbst bei geringem Links-Rechts-Shunt unterbunden werden; eine Entscheidung, die angesichts der vergleichsweise geringen Schwierigkeit der Operation nicht schwer fällt. Kombinierte, angeborene Vitien wie die Fallotsche Tetralogie sollten frühzeitig einer direkten und kompletten operativen Therapie zugeführt werden, auch wenn häufig eine völlige Korrektur des Fehlers nicht möglich ist. Eine Voroperation im Sinne eines Entlastungs-Shunts (Blalock-Taussig-Operation) ist heutzutage nur noch in Ausnahmefällen angebracht. Die Aortenisthmusstenose wird in folgender Weise operativ angegangen: Liegt eine kurzstreckige Stenose vor, kann nach Entfernung des stenosierten Stückes die Aorta End-zu-End zusammengefügt werden. Handelt es sich um eine längerstreckige Stenose, wird eine Kunststoffprothese in entsprechender Länge eingesetzt. Ist ein derartiger prothetischer Einsatz notwendig, sollte mit der Operation möglichst bis über die Pubertät hinaus gewartet werden, etwa bis zum 16. Lebensjahr des Patienten, um bei weitgehend ausgewachsenem Organismus eine entsprechend endgültige Prothese, die groß genug ist, verwenden zu können, da sonst eine im Kindesalter bereits eingesetzte Prothese später als Strömungshindernis wirksam werden könnte. Eine Kontraindikation für ein operatives Vorgehen besteht beim offenen Ductus arteriosus Botalli, wenn eine Shunt-Umkehr vorliegt, also ein Rechts-Links-Shunt, da sich die Situation für den Patienten durch einen Verschluß des Ductus deutlich verschlechtern würde. Entsprechende Verhältnisse liegen bei der Eisenmengerschen Reaktion vor.

9 Chronisches Cor pulmonale

151 Offener Ductus arteriosus Botalli selbst bei geringem Links-Rechts-Shunt Operation Fallotsche Tetralogie frühzeitige korrigierende Operation

Aortenisthmusstenose Operation, wenn möglich erst ab 15. bis 16. Lebensjahr

Cor pulmonale

J. Wagner

9.1 Pathophysiologie Definition: Ein Cor pulmonale ist ein Herz, dessen rechter Ventrikel als Folge einer pulmonalen Hypertension hypertrophiert ist. Die Hypertension ihrerseits ist nicht durch eine Herzkrankheit, sondern durch Funktions- oder Strukturstörungen der Lungen und der anderen Atmungsorgane verursacht. Nach dieser Definition entsteht ein chronisches Cor pulmonale ausschließlich durch intrapulmonal gelegene Veränderungen des Lungenparenchyms, primäre Veränderungen der intrapulmonalen Gefäße oder durch alveoläre Hyperventilation, wobei diese drei Ursachen kombiniert sein können. (Einzelheiten s. Kap. III) Den Druck im kleinen Kreislauf bestimmen: Blutfluß, pulmonaler, vaskulärer Widerstand, Druck im linken Vorhof, Blutviskosität, Veränderungen des pulmonal durchströmten Gebietes, Öffnung intrapulmonaler Shunts, Druckveränderungen zwischen Alveolen und pulmonaler Endstrombahn und schließlich intrathorakale Druckschwankungen. Eine pulmonale Hypertension besteht, wenn der pulmonale arterielle Mitteldruck unter Ruhebedingungen über 20 mmHg liegt. Eine latente pulmonale Hypertension liegt vor, wenn unter Ruhebedingungen pulmonalarterielle Normdrucke gemessen werden, jedoch unter körperlicher Belastung der pulmonale Mitteldruck über 32 mmHg ansteigt. Bei schweren pulmonalen Hypertensionen können unter Ruhebedingungen pulmonalarterielle Mitteldruckwerte zwischen 50 und 60 mmHg auftreten. Derartige Druckwerte bilden sich in der Regel nur langsam aus, meist über Jahre hinweg. Sie ziehen eine Hypertrophie des rechten Ventrikels nach sich, die das Bild eines chronischen Cor pulmonale vervollständigt.

Definition

Der Druck im kleinen Kreislauf wird durch folgende Faktoren bestimmt: - Blutfluß - pulmonaler, vaskulärer Widerstand - Druck im linken Vorhof - Blutviskosität - Veränderungen des pulmonalen, durchströmten Gebietes - Öffnung intrapulmonaler Shunts - Druckveränderungen zwischen Alveolen und pulmonaler Endstrombahn - intrathorakale Druckschwankungen

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

152 Klinik pulmonal

- Husten - Dyspnoe - Auswurf kardial

-

Tachykardie eventuell präkordiale Schmerzen gestaute Halsvenen Lebervergrößerung Beinödeme Gefahr von Embolien und zerebralen Komplikationen durch Hyperkapnie Somnolenz Polyglobulie Verlangsamung des Biutstromes Gefahr von Thrombosen und intrazerebralen Blutungen

Bei den intravaskulären Formen und bei Lungenfibrosen überwiegen die kardial bedingten Symptome. Bei der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung überwiegen die pulmonal bedingten Symptome.

Diagnose

- elektrokardiographisch: Zeichen der Rechtsherzbelastung - echokardiographisch: konzentrische Rechtshypertrophie später Rechtsherzvergrößerung relative Trikuspidalinsuffizienz abgeflachter EF-Slope Fehlen des A-Dip Ausschluß kardialer Ursachen durch Echokardiographie

9.2 Klinik Klinisch unterscheidet man kardiale Symptome von solchen, die von den Lungenveränderungen ausgehen. Bei den chronisch obstruktiven Atmungs- und Lungenerkrankungen stehen für lange Zeit die pulmonalen Symptome wie Husten, Dyspnoe und Auswurf im Vordergrund. Das klinische Bild ist bunt (s.Kap. Atemwegserkrankungen). Unterschieden werden jedoch zwei Patiententypen: die Pink puffer und die Blue bloater. Die kardial bedingten Symptome können in drei Stadien eingeteilt werden. Im ersten Stadium ist der rechte Ventrikel konzentrisch hypertrophiert, das Herz ist nicht vergrößert. Im zweiten Stadium verlängert sich die Ausflußbahn des rechten Ventrikels, so daß der Tiefendurchmesser rechts asymmetrisch zunimmt, insgesamt ist das Herz noch nicht vergrößert, der Füllungsdruck ist jedoch erhöht und das Herzminutenvolumen eingeschränkt. Es handelt sich um das Stadium der exzentrischen Druckhypertrophie, klinisch erkennbar an einer Tachykardie und eventuell präkordialen Schmerzen. Im letzten, dritten Stadium sind der rechte Ventrikel und der rechte Vorhof stark dilatiert. Es handelt sich um das Stadium einer Rechtsdekompensation mit erhöhtem venösem Druck, der zu gestauten Halsvenen, einer Lebervergrößerung und Beinödemen führt. Aszites ist selten. Insgesamt sind die Zeichen der Rechtsdekompensation in der Regel nicht so zahlreich und so ausgeprägt wie bei Patienten mit kardial bedingter Rechtsherzdekompensation. In diesem Stadium ist mit Embolien und zerebralen Komplikationen zu rechnen, infolge der Hyperkapnie tritt Somnolenz auf. Der Körper versucht, den Sauerstoffmangel durch eine Vermehrung der Sauerstoffträger zu kompensieren, die resultierende Polyglobulie verstärkt die stauungsbedingte Verlangsamung des Blutflusses, so daß leicht Thrombosen und intrazerebrale Blutungen auftreten. Hustenanfälle können generalisierte tonisch-klonische Krämpfe auslösen, da durch den hustenbedingten Blutdruckabfall und den Anstieg des Venendruckes das arteriovenöse Druckgefälle abnimmt. Dabei kann die kritische zerebrale Sauerstoffversorgung unterschritten werden. Während bei der intravaskulären Form des Cor pulmonale und bei den Lungenfibrosen die kardial bedingten Symptome überwiegen, beherrschen bei der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung die pulmonalen Symptome in den beiden unterschiedlichen Ausprägungen das klinische Bild. In den Endstadien werden jedoch kardiale und pulmonale Symptome in gleicher Weise im Vordergrund stehen, so daß neben der Atemnot, Zyanose, Husten, Polyglobulie die Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz wie Lebervergrößerung, Beinödeme und Halsvenenstauung treten.

9.3 Diagnostik Elektrokardiographisch sind die Zeichen der Rechtsherzbelastung typisch, so eine Rechtsverspätungskurve, ein unvollständiger Rechtsschenkelblock und ein P-dextroatriale. Echokardiographisch kann die konzentrische Rechtshypertrophie und schließlich im dritten Stadium der vergrößerte rechte Ventrikel und der rechte Vorhof mit den Zeichen der relativen Trikuspidalinsuffizienz dargestellt werden. Der abgeflachte EF-Slope und das Fehlen des Α-Dip können als indirekte Zeichen für das Bestehen der pulmonalen Hypertension gewertet werden. Andererseits ist die echokardiographische Untersuchung besser zum Ausschluß kardialer Ursachen einer pulmonalen Hypertension anzuwenden, z.B. eines Mitralfehlers oder eines Rezirkulationsvitiums, also Krankheitsbildern, die definitionsgemäß kein Cor pulmonale nach sich ziehen, jedoch in gleicher Weise Veränderungen im Bereich des rechten Ventrikels, der Pulmonalklappe und des rechten Vorhofes verursachen. So kann die echokardiographische Untersuchung für sich allein genommen nicht zur Diagnose eines Cor pulmonale führen, jedoch wohl zum Ausschluß eines solchen dienen. Eine wichtige diagnostische Bedeutung hat beim Cor pulmonale das Röntgenbild, da hier gleichzeitig Lungen und Herz beurteilt werden können. Im kardialen ersten Sta-

Chronisches Cor pulmonale dium des Cor pulmonale wird röntgenologisch keine Herzvergrößerung gefunden. Dieses Stadium entspricht dem Stadium der konzentrischen Hypertrophie. Das Herz gleicht einem Normalherz. Entscheidende Impulse können jedoch röntgenologisch bereits sichtbare pulmonale Veränderungen geben, etwa eine Fibrosierung der Lunge. Das zweite Stadium, das durch eine exzentrische Druckhypertrophie des rechten Ventrikels charakterisiert ist, zeigt eine Dilatation des rechten Ventrikels im Bereich der Ausflußbahn. Der Transversaldurchmesser ist entsprechend vergrößert. Im dritten Stadium sind der rechte Ventrikel und der rechte Vorhof als Zeichen der ausgeprägten exzentrischen Druckhypertrophie erheblich vergrößert und die Ausflußbahn des rechten Ventrikels stark dilatiert. Die Herzvolumina liegen weit außerhalb der Norm, das Herz ist rechts und links verbreitert. Die Rechtshypertrophie dreht das Herz leicht nach links. Durch diese Drehung wird der Pulmonalisbogen deutlich prominent, die Herztaille ist verstrichen, der Truncus pulmonalis ist erweitert, häufig sind auch seine Hauptäste weit. Die pulmonale Hypertension kann eindeutig durch intrapulmonale Druckmessung, also invasiv durch eine Katheterisierung nachgewiesen werden. Dem in der Arteria pulmonalis gemessenen Druck entspricht ein gleich hoher systolischer Druck im rechten Ventrikel. Eventuell ist der enddiastolische Druck rechtsventrikulär ebenfalls erhöht. Im dritten Stadium steigt der Mitteldruck im rechten Vorhof ebenfalls an, und es bestehen die Zeichen einer relativen Trikuspidalinsuffizienz. Bei dieser invasiven Druckmessung in Verbindung mit Messungen der Sauerstoffsättigung können Herzvitien differentialdiagnostisch ausgeschlossen werden. Bei leichteren Fällen (erstes Stadium) eines Cor pulmonale sollte diese Rechtsherzkatheterisierung unbedingt mit einer ergometrischen Untersuchung verbunden werden, um die funktionellen Auswirkungen der pulmonalen Hypertension besser einschätzen zu können. Die Prognose des chronischen Cor pulmonale hängt entscheidend von der Höhe der pulmonalen Hypertension ab. Auch die jeweilige Grunderkrankung und die therapeutischen Möglichkeiten sind von Einfluß (s. Kap. III).

9.4 Pulmonale Hypertension Neben der oben beschriebenen Form der pulmonalen Hypertension, die ausschließlich durch respiratorische Krankheiten bedingt ist, gibt es pulmonale Hypertonieformen, die durch Auswirkungen von Herzfehlern entstehen. Sie wurden bereits bei der Behandlung von einzelnen Herzfehlern abgehandelt, jedoch soll hier noch einmal zusammenfassend zur Verdeutlichung eine kurze Darstellung erfolgen. Pulmonale Hypertensionsformen, die durch kongenitale oder erworbene Herzvitien verursacht werden, müssen danach unterschieden werden, ob die Ursache der Hypertonie im rechten oder im linken Herzen liegt. Liegt z.B. eine Mitralstenose vor, wird sich das Blutvolumen zunächst in die venösen Bereiche der Lungenstrombahn zurückstauen. Durch den chronischen Stau und den damit verbundenen Druck zunächst in den Lungenvenen, später auch transkapillär in den arteriellen Anteilen der Lungenarterien, wird es zu Intima- und Mediaveränderungen kommen. Folge wird eine Widerstandserhöhung sein. Bei einer passiv zurückgegebenen pulmonalen Hypertension wird man in der Arteria pulmonalis gegenüber dem linken Vorhof nur unwesentlich höhere Drucke antreffen. Die Druckdifferenz liegt zwischen 3 und 5 mmHg. Es kann jedoch im Laufe der Zeit zu einer sogenannten verselbständigten pulmonalen Hypertension kommen. Dann ist der transpulmonale Druckgradient, also die Mitteldruckdifferenz zwischen dem Druck in der Arteria pulmonalis und dem Druck im linken Vorhof, vergrößert. Eine derartig verselbständigte pulmonale Hypertension bildet sich auch nach operativer Korrektur des Mitralvitiums nicht ohne weiteres wieder zurück, während die passiv weitergegebene Druckerhöhung sich schnell wieder reguliert. Auf der anderen Seite kann z.B. ein Vorhof- oder Ventrikelseptumdefekt eine pulmonale Hypertension verursachen, die in diesem Falle vom rechten Herzen ausgeht und als, wenn auch trüglicher, Kompensationsversuch der Lungen-

153 Röntgenologische Einteilung 1. Stadium: konzentrische Hypertrophie 2. Stadium: exzentrische Druckhypertrophie 3. Stadium: rechter Ventrikel und rechter Vorhof sowie rechtsventrikuläre Ausflußbahn erheblich dilatiert. Durch Drehung wird der Pulmonalisbogen stark prominent, Herztaille verstrichen.

Invasiv: Druckmessung in der Arteria pulmonalis, im rechten Ventrikel und im rechten Vorhof

Prognose Die Prognose hängt von der Höhe des pulmonalen Druckes, von der jeweiligen Grunderkrankung und den therapeutischen Beeinflussungsmöglichkeiten ab. Pulmonale Hypertension als Folge von kardialen Erkrankungen:

Passive Formen der pulmonalen Hypertension müssen von verselbständigten Formen unterschieden werden: solche, die durch venösen Rückstau vom linken Vorhof her entstehen, von solchen, die sich aufgrund z.B. großen ständigen Volumens dem Blutstrom folgend, also vom rechten Herzen her, entwickeln.

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

154

Pulmonale Hypertension als Schnittstelle zwischen respiratorischen und kardia len Erkrankungen.

Herztumoren

strombahn verstanden werden kann. Hier wird durch eine Widerstandserhöhung in den lungenpräkapillaren Bereichen das erheblich vermehrte Herzzeitvolumen vermindert. Der pulmonale Druck erhöht sich und mit ihm der Druck im rechten Ventrikel. Der Links-Rechts-Shunt reduziert sich. Diese Art der pulmonalen Hypertension ist eine vorwärtsgerichtete Widerstandserhöhung, die mit dem Blutstrom geht, während die oben beschriebene pulmonale Hypertension, ζ. Β. bei einem Mitralvitium, durch einen retrograden Rückstau entsteht. Durch eine sehr langsame Entwicklung der rückwärtsgerichteten pulmonalen Hypertension und durch die Möglichkeit des verselbständigten pulmonalen Hockdruckes können enorm hohe pulmonale Druckwerte aufgebaut werden, die denen, die durch Lungenerkrankung verursacht werden, in der Höhe entsprechen. Würde ein derartiger Druck plötzlich vom linken Vorhof aus auf das Lungenkapillarbett einwirken, käme es sofort zu einem Lungenödem, denn druckbedingt könnte die ausgetretene Flüssigkeit nicht wieder in das Gefäßlumen gelangen. Die Flüssigkeit füllt dagegen die Alveolen, ein Zustand, der sofortiges therapeutisches Handeln im Sinne einer massiven Diurese veranlassen muß. Welche Ursache eine pulmonale Hypertension hat, hängt also ausschließlich von der Grunderkrankung ab, wobei es sich hierbei um eine Schnittstelle zwischen respiratorischen Krankheiten und kardialen Erkrankungen handelt.

10 Herztumoren J. Wagner 10.1 V o r k o m m e n

Gutartige Tumoren im Herzen (häufig im Bereich des linken Vorhofs): Myxome Myxofibrome Elastomyxome Fibroangiomyxome Lipome Fibrolipome Fibrome Rhabdomyone

Maligne Tumoren im Herzen (selten): Sarkome (rechter Vorhof bevorzugt) Mesotheliome (Herzbeutel)

Sekundär maligne Herztumoren, d. h. Metastasen, bei: Lymphosarkomatose Retikulosarkomen akuten und chronischen Leukosen

Herztumoren sind selten. Gutartige Herztumoren finden sich besonders häufig im Bereich des linken Vorhofs. Es handelt sich meist um Myxome. Bei den malignen Tumoren ist die Lokalisation dagegen ubiquitär. Der häufigste gutartige Tumor ist das Myxom. Myxome liegen im linken Vorhof und können bis zu 8 cm groß werden. Sie wachsen häufig polypös, kugelförmig und fallen ab und zu dadurch auf, daß sie das Mitralostium ventilartig verlegen. Neben reinen Myxomen gibt es Mischformen, wie z.B. Myxofibrome, Elastomyxome, Fibroangiomyxome. Während Myxome und ihre Mischformen meist polypenartig in das atriale Lumen hineinwachsen, ebenso wie Lipome und Fibrolipome, entwickeln sich reine Fibrome überwiegend innerhalb der Herzwand. Rhabdomyome wachsen selten solitär, sondern treten multipel auf. Rhabdomyome gelten nicht als echte Tumoren, sondern als herdförmige Leitungshemmungen in der Entwicklung der Herzmuskulatur. Bei den sehr seltenen primären malignen Tumoren des Herzens steht das Sarkom statistisch an erster Stelle. Es wächst im Gegensatz zu den meist im linken Atrium beheimateten benignen Tumoren überwiegend im rechten Vorhof, breitet sich infiltrierend bis in den rechten Ventrikel aus. Mesotheliome sind primär bösartige Geschwülste des Herzbeutels, der dann obliteriert. Viszerales und parietales Perikard sind verdickt, der Tumor kann vom Perikard aus den Herzmuskel durchsetzen. Primäre Sarkome des Herzens metastasieren bei rechtsseitigem Sitz, der überwiegt, in die Lungenstrombahn und Pleura, bei linksseitigem Sitz in Gehirn, Knochen, Leber, Pankreas, Nebennieren und selten in Haut und Schilddrüse. Sekundäre bösartige Herztumoren, d.h. Herzmetastasen, betreffen häufiger das Perikard als das Myokard. Hämorrhagische Perikardergüsse als Folge erlauben häufig die Diagnose aus dem Punktat oder einer Perikardbiopsie. Karzinommetastasen sind häufiger als Sarkommetastasen.

Arterielle Hypertonie

155

Lymphosarkomatose, das Retikulosarkom sowie akute und chronische Leukosen können zu diffuser zelliger Infiltration des Perikards und des Myokards führen.

10.2 Diagnostik

Klinik

Durch E i n f ü h r u n g echokardiographischer und kernspintomographischer M e t h o d e n ist die Diagnostik von H e r z t u m o r e n in breiterem U m f a n g möglich geworden. Das klinische Bild ist recht unspezifisch und wechselhaft. Perikardergüsse, Herzrhythmusstörungen in Form von totalen AV-Blöcken oder Arrhythmien, eine schwer zu b e h a n d e l n d e Herzinsuffizienz, Behinderungen der Füllung und Leerung des Herzens stehen bei den intrakavitär wachsenden Tumoren im Vordergrund. N e b e n der Echokardiographie, die hier als hervorragendes diagnostisches Hilfsmittel anzuwenden ist, kann röntgenologisch eine v e r ä n d e r t e Herzsilhouette bei f e h l e n d e m Herzvitium A n h a l t s p u n k t e f ü r das Vorliegen eines Perikard- o d e r M y o k a r d t u m o r s geben. Bei d e m häufigsten intrakavitär wachsenden Tumor, d e m Myxom, das vorwiegend im linken Vorhof lokalisiert ist, steht die pulmonale Stauung im Vordergrund. Röntgenologische Hinweise sind nicht zu erwarten. Echokardiographisch können andererseits intrakavitär wachsende T h r o m b e n nicht ausgeschlossen werden. Alle anderen B e f u n d e sind uncharakteristisch. Herzgeräusche k ö n n e n in Form von diastolischen o d e r auch systolischen G e r ä u s c h e n zu hören sein. Die Veränderlichkeit der Herzgeräusche in Abhängigkeit von der Körperlage e b e n s o wie die wechselnde, schlecht einzuordnende Symptomatik sind typische Kennzeichen des Myxoms. D e r elektrokardiographische B e f u n d ist ebenfalls uncharakteristisch. Im zweidimensionalen Echoverfahren können A u s d e h n u n g , Lokalisation und Bewegung des Tumors erfaßt werden. Insbesondere die Oesophagus-Echokardiographie ist bei diesen Krankheitsbildern hilfreich. A u ß e r dieser unblutigen M e t h o d e ist bei Myxomen zusätzlich eine angiographische Darstellung möglich, ζ. B. beim Vorliegen eines Myxoms im linken Vorhof durch eine indirekte Darstellung von der Arteria pulmonalis her. D e r Tumor stellt sich dann als Füllungsdefekt im Vorhof dar. Bei Verdacht auf rechtsseitigen V o r h o f t u m o r wird das Kontrastmittel in die Vena cava superior oder in die Vena cava inferior injiziert. Durch eine kernspintomographische U n t e r s u c h u n g kann durch schrittweise Erfassung von Herzquerschnitten eine direkte Darstellung der T u m o r e n erfolgen. Maligne Tumoren: Zu den bereits besprochenen uncharakteristischen, häufig schwer zusammenpassenden B e f u n d e n k o m m e n Gewichtsabnahme, Inappetenz und ein Leistungsknick. Da die Tumoren häufig im rechten Herzen sitzen, können ausgeprägte Zeichen einer Rechtsherzinsuffizienz vorhanden sein, bei Beteiligung des Perikards ist ein Perikarderguß möglich. Aus ihm können durch Punktat eventuell maligne Tumorzellen gewonnen werden, so d a ß die Diagnose zytologisch gestellt werden kann. D e r Perikarderguß ist in der Regel hämorrhagisch.

- Klinisches Bild unspezifisch, wechselhaft - Perikardergüsse - Herzrhythmusstörungen - Herzinsuffizienz - Behinderung der Füllung und Leerung des Herzens bei malignen Tumoren: - Gewichtsabnahme - Inappetenz - Leistungsknick Diagnose - 2-D-Echokardiographie - Kernspintomographie - bei Beteiligung des Perikards -» Punktion - zytologische Untersuchung des Punktates

11 Arterielle Hypertonie B. Wedler

11.1 Definition, Klassifikation, Schweregrade Hypertonie ist ein Symptom, nämlich der e r h ö h t e arterielle Blutdruck. Dieses Symptom erhält jedoch auf G r u n d seiner vielfältigen Folgen auf den menschlichen Organismus seinen eigenen Krankheitswert. Die Festlegung, ab welchem Blutdruck man von einem Hypertonus spricht, erfolgt willkürlich auf der Basis epidemiologischer und Interventionsstudien. Für das Erwachsenenalter werden von der W H O drei Blutdruckbereiche definiert:

Arterielle Hypertonie

156 WHO-Definition 1. normaler Blutdruck systol. bis 139mmHg diastol. bis 89 mm Hg 2. Grenzwerthypertonie systol. 140-159 mmHg diastol. 90-94 mmHg 3. Hypertonie systol. ab 160 mmHg diastol. ab 95 mmHg Belastungshypertonie • bei 100 Watt wird ein Druck von 200/100 mm Hg ( < 50 Jahre) oder von 215/105 mm Hg (>50 Jahre) überschritten isolierte systolische Hypertonie systol. Druck > 160 mmHg, diastol. Druck 115 mm Hg Schweregradeinteilung nach dem Grad der Organbeteiligung (WHO) • Grad I: Keine Organbeteiligung • Grad II: Organbeteiligung nachweisbar, keine Insuffizienz • Grad III: Auftreten von Organinsuffizienzen (ζ. B. Herz, Niere, Hirn) Maligne Hypertonie • Schwere Verlaufsform mit rasch eintretender Nieren-, Herz- o. Koronarinsuffizienz, Hypertensionsenzephalopathie • Typische Kennzeichen - diastolischer Druck > 130 mmHg - Papillenödem Elastizitätshochdruck = systolische Hypertonie mit vergrößerter Amplitude Normwerte im Kindesalter

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems • normaler Blutdruck: systolische Werte von 139 m m H g bzw. diastolische Werte von 89 m m H g werden nicht überschritten, • arterieller Hypertonus: u m f a ß t systolische Werte von 160 m m H g und diastolischen Werten a b 95 m m Hg, • Grenzwert- oder Borderline-Hypertonie: Zwischenbereich, systolisch 140-159 und diastolisch 90-94 m m H g . Diese Werte beziehen sich auf den Blutdruck unter R u h e b e d i n g u n g e n . Trotz normaler R u h e w e r t e kann bereits eine sog. Belastungshypertonie vorliegen, d.h., bei einer Belastung mit 100 Watt wird ein Blutdruck von 200/100 m m H g (bei einem A l t e r unter 50 J a h r e ) bzw. 215/105 m m H g (bei einem Alter über 50 J a h r e ) überschritten. Menschen mit einer „Belastungshypertonie" e r k r a n k e n 2 - 3 m a l häufiger an arterieller Hypertonie als solche mit n o r m o t o n e r Belastungsreaktion. Arterielle H y p e r t o n i e wird überwiegend nach der B l u t d r u c k h ö h e auch weiterhin unterteilt in isolierte systolische Hypertonie, wenn der systolische Druck über 160 mm Hg, der diastolische aber unter 90 mm Hg liegt. Ferner wird nach d e m diastolischen D r u c k unterschieden zwischen • milder Hypertonie, diastolisch 90-104 mm Hg • mittelschwerer Hypertonie, diastolisch 105-114 m m Hg • schwerer Hypertonie, diastolisch über 115 m m H g . Dabei wird bei milder H y p e r t o n i e n e b e n d e m diastolischen Kriterium auch das Fehlen sekundärer Organmanifestationen gefordert. Für die Klinik und Praxis am zweckmäßigsten erscheint immer noch die Schweregradeinteilung auf E m p f e h l u n g der W H O , da hierbei weniger absolute Blutdruckwerte als vielmehr feststellbare Organbeteiligungen bzw. -Insuffizienzen die b e s t i m m e n d e n Kriterien sind: WHO-Grad I: keine nachweisbaren sekundären Organschäden (besonders an: Herz, Augenhintergrund, Hirn und Niere), Grad Π: deutlich feststellbare sekundäre Organschäden, aber keinerlei Organinsuffizienzen (z.B. myokardialc Linkshypertrophie, Beteiliging der Retina-Arterien), Grad ΠΙ: Auftreten von Organinsuffizienzen (Herz-, Koronar-, zerebrovaskuläre, Niereninsuffizienz) Grad IV: Akzelerierte bzw. maligne Hypertonie. Die maligne Hypertonie stellt eine eigenständige rasche Verlaufsform der Hypertonie mit meist extrem e r h ö h t e n diastolischen Werten ( > 120 m m Hg) dar. Die Patienten k o m m e n unbehandelt zu 95% innerhalb von 5 J a h r e n an Nieren-, Linksherz- o d e r Koronar- bzw. zerebrovaskulärer Insuffizienz ad exitum. Typisch f ü r die maligne Verlaufsform sind am A u g e n f u n d u s Exsudate und ein Papillenödem. Mit steigendem A l t e r k o m m t es meist als Folge des Elastizitätsverlustes der A o r t a und großen Arterien (Windkessel) zu einem geringen Anstieg des systolischen Blutdruckes, d e m sog. Elastizitätshochdruck. Typisch ist die erhöhte Blutdruckamplitude. Im Gegensatz zum Erwachsenenalter gelten für Kinder niedrigere Blutdruckwerte als normoton, z.B. bei Kindern unter 6 Jahren Werte unter 115/75 mmHg, bei bis 10jährigen unter 125/75 mmHg und bei bis 16jährigen unter 140/85 mmHg.

Epidemiologie

11.2 Epidemiologie, Klinik, Prognose

Prävalenz (Häufigkeit) • Gesamtbevölkerung ca. 20% • Kindesalter 5-7% • hohes Lebensalter bis 40%

Die Prävalenz der arteriellen Hypertonie in der G e s a m t b e v ö l k e r u n g der entwickelten Industriestaaten liegt bei ca. 20%. Sie ist im Kindesalter sehr viel niedriger (ca. 5 - 7 % ) und steigt mit z u n e h m e n d e m Lebensalter auf 3 0 40% an. D i e Prävalenz korreliert ziemlich eng mit dem täglichen Salzverzehr p r o Kopf einer Bevölkerung. D i e Klinik der arteriellen Hypertonie ist typischerweise e h e r uncharakteristisch bzw. fehlt völlig. In Einzelfällen klagen die Patienten über Kopfschmerzen, Schwindel, eingeschränkte körperliche Dauerleistung oder Palpitationen. Dieses Bild ändert sich häufig unter der M e d i k a m e n t e n e i n n a h m e bzw. wenn es zum A u f t r e t e n von Organbeteiligung bzw. Organinsuffizienz k o m m t . H i e r k ö n n e n dann klinische Symptome d e r Linksherzinsuffizienz (Dyspnoe), der Koronarinsuffizienz (Angina pectoris,

Klinik • Beschwerden fehlen häufig, • ggf. Kopfschmerzen, eingeschränkte körperliche Dauerleistung, Palpitatio· nen, Schwindel • in Spätstadien: Organinsuffizienzen, Synkopen, Claudikatio intermittens etc.

Arterielle Hypertonie Myokardinfarkt, Rhythmusstörungen), der zerebrovaskulären Insuffizienz (Schwindel, Synkopen bis zur Apoplexia cerebri), der Niereninsuffizienz oder auch Sehstörungen bzw. Zeichen von peripheren, arteriellen Durchblutungsstörungen (Claudicatio intermittens) auftreten. H o h e G e f ä h r d u n g bei geringem Leidensdruck zumindest in den Frühstadien der arteriellen Hypertonie kennzeichnen die typische Situation und erklären die zum Teil schlechte Compliance bzw. den geringen Erfassungsgrad. Die Prognose der arteriellen Hypertonie wird dadurch bestimmt, d a ß die arterielle Hypertonie zum Teil der Hauptrisikofaktor für eine Reihe von kardiovaskulären bzw. Endorganschäden ist. Hier ist besonders die Arteriosklerose im Bereich der Koronarien, des Gehirns, der Nieren, der Extremitäten und der Retina zu nennen. Einen eigenständigen prognostischen Wert besitzt die sich entwickelnde Linksherzhypertrophie, die nur zum Teil Folge des erhöhten Druckes ist. Sowohl systolischer als auch diastolischer Druck haben ihre Bedeutung f ü r die schlechte Prognose. Diese Prognose kommt in einer erheblichen Einschränkung der Lebenserwartung schon bei relativ gering e r h ö h t e n Blutdruckwerten zum Ausdruck. Zum Beispiel hat ein 35jähriger Mann mit einem Blutdruck von 150/100 mm Hg eine weitere Lebenserwartung von 25 Jahren statt von 41,5 Jahren. Es ist wichtig zu betonen, daß die arterielle Hypertonie nur ein Risikofaktor unter vielen ist und deshalb auch nicht isoliert betrachtet werden darf. Nach der Framingham-Studie erkranken Hypertoniker sieben mal häufiger (als Normotoniker) an Apoplexie, vier mal häufiger an Herzinsuffizienz, drei mal häufiger an Koronarinsuffizienz oder doppelt so häufig an peripheren arteriellen Durchblutungsstörungen.

157

Prognose wird durch Endorganschäden bestimmt: • Linksherzinsuffizienz (Lungenödem) • Koronarinsuffizienz (A. pectoris, Myokardinfarkt) • zerebrovaskuläre Insuffizienz (Apoplexia cerebri) • Niereninsuffizienz (Urämie) • periphere arterielle Durchblutungsstörungen • Hypertonie ist ein Hauptrisikofaktor für die Arteriosklerose Die Lebenserwartung wird schon bei gering erhöhten Blutdruckwerten erheblich reduziert

Die weiteren b e d e u t e n d s t e n Risikofaktoren sind: Rauchen, Fettstoffwechselstörungen, Diabetes mellitus und Hyperinsulinämie sowie Hyperurikämie, körperliche Inaktivität und mangelhafte Streßbewältigung.

11.3 Ätiologie, Pathogenese, Pathophysiologic

Ätiopathogenese

Ätiopathogenese: Die Ursachen der arteriellen Hypertonie sind nur zum Teil und nur bei einer kleinen G r u p p e von Hypertonien, den sog. sekundären Hochdruckformen b e k a n n t . Diese sind wahrscheinlich nur zu ca. 5 - 7 % an der Gesamthäufigkeit d e r arteriellen Hypertonie beteiligt. D e r „ R e s t " , also 93-95%, wird von der primären (essentiellen) Hypertonie gebildet, bei der wir die g e n a u e Ursache d e r Hypertonie nicht k e n n e n . Z u den sekundären Hochdruckformen (siehe K a p . I I / l 1.6.) gehören z.B.: die renalen, die endokrinen Hypertonien, die Hypertonie in der Gravidität, die kardiovaskulären Hochdruckformen sowie die seltene neurogene Hypertonie. Bei den sekundären H y p e r t o n i e n kennen wir z.T. exakt die Ursache, k ö n n e n sie diagnostizieren und durch ihre Beseitigung also auch eine kausale T h e r a p i e d u r c h f ü h r e n . Dies ist bei der primären Hypertonie nicht der Fall.

• primäre HT: Ursache zu 95% unbekannt • sekundäre HT: bekannte Ursache (5%)

Wir fassen h e u t e die primäre Hypertonie als eine E r k r a n k u n g auf, bei der eine genetische Disposition besteht, die spezieller exogener Realisationsfaktoren bedarf, die zur Manifestation der E r k r a n k u n g führen. Solche exogenen Realisationsfaktoren könnten z.B. sein: Kochsalz, Alkohol, Kaliummangel etc. Pathophysiologic: Die H ö h e des Blutdrucks wird bekannterweise durch drei F a k t o r e n bestimmt, das Herzminutenvolumen ( H M V ) , den peripheren Widerstand ( T P R ) sowie die Viskosität des Blutes (BV). Generell scheint bei der primären H y p e r t o n i e ein Mißverhältnis zwischen Volumen und Widerstand vorzuliegen, d.h., selbst bei einem normalen o d e r sogar reduzierten Blutvolumen besteht ein absolut o d e r relativ e r h ö h t e r T P R . Die Ursachen für diese e r h ö h t e Bereitschaft zur Vasokonstriktion sind sowohl in einer morphologischen K o m p o n e n t e , d.h. einer Mediahypertrophie als vor allem auch einer funktionellen K o m p o n e n t e , der gesteigerten Kontraktionsbereitschaft der glatten Gefäßmuskelzellen zu sehen. Die gesteigerte Kon-

Sekundäre Hochdruckformen • renale Hypertonie • endokrine Hypertonie • Hypertonie in der Gravidität • neurogene Hypertonie • Medikamenten-induzierte Hypertonie

Primäre Hypertonie:

Pathophysiologie 3 Determinanten des Blutdruckes: • BD = HMV - TPR - BV - HMV = Herzminutenvolumen - TPR = Total peripheral resistance - BV = Blutviskosität Pathophysiologisch ist die primäre Hypertonie durch ein Mißverhältnis zwischen vaskulärem Volumen und Widerstand gekennzeichnet

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

158

Systemische, auto- und parakrine Hormone

Erhöhter Widerstand bedingt durch: • strukturelle (Mediahypertrophie) und • funktionelle Komponente (Kontraktionsbereitschaft) An der erhöhten Kontraktionsbereitschaft der glatten Gefäßmuskelzelle sind beteiligt (Abb. 2-49): • Hormone • transmembranöse Elektrolyttransporte • Membranrezeptoren • Signalübertragung (zelluläre) • kontraktiles System • Wachstumsfaktoren, Protoonkogene Kochsalzsensitivität • Ca. 30-40% der Menschen scheinen eine besondere Empfindlichkeit gegenüber Kochsalz zu besitzen • Kochsalzsensitivität ist durch gesteigerte Vasokonstriktion bedingt Insulinresistenz Primäre Hypertoniker zeigen eine Hyperinsulinämie Barorezeptorenresetting: Barorezeptoren sprechen erst auf höhere Blutdruckwerte an, wodurch es zu einer „Sollwertstellung" kommt

Abb. 11-49 Mosaik wichtiger Faktoren im Rahmen der Ätiopathogenese der primären Hypertonie traktionsbereitschaft als auch die Mediahypertrophie und sicher auch die Linksherzhypertrophie haben eine Reihe von möglichen Ursachen, die sich in einer A r t neuer Mosaiktheorie darstellen lassen (Abb. 11-49). Solche möglichen Tcilursachcn sind in Störungen ζ. B. folgender Faktoren zu suchen: Systemische als auch lokale (auto-, parakrine) Pressor- oder Depressorhormone (Katecholamine, Renin-Angiotensin-Aldostcron-System, Endothelin u.a. oder Kinin-System, Prostaglandin-System, ANF, EDRF u.a.), die Endothelfunktion (Regulation der Druck-Fluß-Tonusrelation), Elektrolytmembrantransporte (z.B. Na + /H + -Austausch), Membranrezeptoren (z.B. Alpha- und Beta-Rezeptoren, Angiotcnsin-II-Rezeptoren u.a.), die intrazelluläre Signalübertragung, das intrazelluläre kontraktile System sowie Wachstumsfaktoren und Protoonkogene. Die Existenz eines oder mehrerer sog. natriuretischer Faktoren (NUF) ist wahrscheinlich und zum Teil bewiesen. Eine Gruppe von ca. 30-40% der primären Hypertoniker scheint eine besondere Kochsalzsensitivität zu besitzen, d.h. diese Individuen reagieren auf das tägliche Überangebt von NaCl (-10-12 g NaCl/d) vor allem mit ihrem Gefäßtonus qualitativ anders als „Kochsalzresistente". Insbesondere scheinen sowohl zentraler sympathischer „outflow" als auch eine periphere Alpha2-Rezeptoren„upregulation" Kennzeichen der Salzsensitivität zu sein. Eine weitere wichtige pathophysiologische Erscheinung bei primärer Hypertonie ist die Hyperinsulinämie, die sowohl die Mediahypertrophie als auch die Vasokonstriktion stimulierend beeinflußt. E s besteht also eine In-

Umweltfaktoren

Genetische Disposition gestöne Volumenregulation

NaClt K+T (Ca ++ ?) Alkohol Streß Adipositas etc.

j inadäquate iNa + -Exkretion ι

Na + + H 2 0Retention

t Blutvolumen

t Blutdruck (HMV)

TNUF (?) Membrantransport und

-permeabiHtät

Rezeptoren

(NA, AB)

gestörte Autoregulation

Signalübertragung Wachstumsfaktoren Endothelfunktion Hormone

I

TWiderstand

TBIutdruck (TPR)

systemische autokrine parakrine

Insu/insensitivität

Abb. 11-50 Gegenwärtige Vorstellungen zur Pathophysiologie der primären Hypertonie ( N U F = Natriuretischer Faktor)

159

Arterielle Hypertonie sulinresistenz, d. h. für gleich hohe Glukoseplasma- sind höhere Insulinspiegel erforderlich. Eine zentrale Position in der Pathophysiologie der primären Hypertonie nehmen neben der „Peripherie" ganz sicher das ZNS als auch die Niere ein. Es kommt bei primärer Hypertonie ζ. B. zu einem Barorezeptorensetting als auch zu einem Resettingphänomen der Drucknatriurese. Ebenso scheint ein Resetting der Volumenrezeptoren, also der zentralen Volumenregulation zu bestehen. Dagegen gilt es heute nicht als bewiesen, daß eine signifikante Zunahme des Gesamtkörpernatriums und, konsekutiv, des Körperflüssigkeitsgehaltes bei primärer Hypertonie besteht. Es scheint, wie bereits oben postuliert, eher eine Regulationsstörung in der Feinabstimmung zwischen einem beliebigen (auch normalen) vorgegebenen Volumen und dem Gefäßtonus zu bestehen (Abb. 11-50). Insofern muß auch das frühere Konzept antiquiert erscheinen, daß die primäre Hypertonie im Frühstadium als „Volumenhochdruck" beginnt und später in einen Widerstandshochdruck übergeht. Tatsächliche Formen eines Volumenhochdrucks (bei erhaltener adäquater Tonusregulation) sind dagegen im Bereich der sekundären Hochdruckformen zu finden, z.B. bei Bradykardie, Hyperthyreose oder Aorteninsuffizienz.

11.4 Diagnostik, Differentialdiagnostik

Drucknatriurese: Blutdruckerhöhung vermehrte glomeruläre Natriumfiltration

Diagnostik

11.4.1 Basisdiagnostik Die Diagnostik der arteriellen Hypertonie dient neben der sicheren Charakterisierung des Hypertonikers als solchem vor allem folgenden Zielen: • Klärung der Ätiologie der Hypertonie, • Festlegung des klinischen Schweregrades, • Erfassung von Risikofaktoren und Begleiterkrankungen, • der Therapieüberwachung. Es hat sich international eingebürgert, nicht alle prinzipiell zur Verfügung stehenden diagnostischen Möglichkeiten kritiklos zur Anwendung zu bringen, sondern in einem Stufenprogramm vorzugehen. Die erste Stufe, das sogenannte Basisprogramm, dient vor allem dem Ausschluß sekundärer Hochdruckformen. Die Diagnose „primäre Hypertonie" ist also nur indirekt durch den Ausschluß sekundärer Hypertonien möglich. Charakteristisch für die Untersuchungen des Basisprogramms ist, daß sie „obligat", ohne weitere spezielle Indikationsstellung bei jedem erkannten Hypertoniker durchgeführt werden sollen. Für jede einzelne Untersuchung der zweiten Stufe, des sog. Zusatzprogramms, gelten dagegen konkrete Indikationen, die sich am individuellen Fall orientieren. Die Möglichkeiten des Zusatzprogramms sollten in Anspruch genommen werden, wenn: • primär und reproduzierbar sehr hohe diastolische Blutdruckwerte ( > 1 1 0 mm Hg) vorhanden sind, • auf Grund des Basisprogramms der Verdacht auf eine sekundäre Hypertonie vorliegt, • trotz sinnvoller Therapie eine Therapieresistenz besteht. Zum Basisprogramm gehören folgende Untersuchungen: • Anamnese und Status praesens, • Blut- und Harnuntersuchungen, • EKG, Rö-Thorax. Zu empfehlen ist allerdings beim heutigen Stand der bildgebenden Diagnostik eine Einbeziehung der Nierensonographie und der Echokardiographie in das Basisprogramm (Abb. 11-51)

Ziele: Erkennung bzw. Kontrolle von 1. Ätiologie 2. Schweregrad 3. Risikofaktoren, 4. Therapieeffekte Stufenprogramm der Diagnostik • Basisprogramm obligat • Zusatzprogramm erfordert strenge Indikation Die Diagnose der primären Hypertonie ist eine Ausschlußdiagnose sekundärer Hypertonieformen Zusatzprogramm bei: • V. a. sekundäre Hypertonie • hohe diastolische Blutdruckwerte (> 110mm Hg) • Therapieresistenz

Basisprogramm:

11.4.1.1 Anamnese Im Rahmen der Anamneseerhebung weist eine positive Familienanamnese bezüglich einer Hypertonie oder deren Komplikationen auf eine primäre Hypertonie hin.

Anamnese: Hinweise auf Hypertonie in der Familienanamnese: Hypertonie oder Folgekrankheiten, Zystennieren etc. bei Eltern u. Großeltern.

160

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems Bei allen Patienten

ANAMNESE

Familie: Hochdruck/ Schlaganfall/Herzschlag? Nierenkrankheiten in der Familie? selbst? SchwangerschaftsKomplikationen?

}

Herzerkrankung? Medikamente/ Ovulationshemmer? Blutdruckkrisen? Phäochromozytom?

Rauchgewohnheiten* ? Mehrfache Blutdruckmessungen KÖRPERLICHE UNTER SUCHUNG

Übergewicht, Aspekt?

Cushing?

Herz: Auskultation

Aortenisthmusstenose? Nierenarterienstenose?

Pulse Arm/Leiste/Fuß

ZK

Gefäßgeräusche im Abdomen? Nierenlager: Bimanuelle Palpation Protein HARN

-|Nierenerkrankung? -

Sediment oder Streifentest Glukose*

—I

Kreatinin BLUT

Kalium Glukose* Cholesterin*, Triglyzeride*, Harnsäure*

ZUSATZLICHE UNTER SUCHUNGEN

Elektrokardiogramm

Wenn diast. Druck mehrfach >105mmHg

Röntgen-Thorax

Saluretika? Laxantien? Lakritze? Carbenoxolon? prim./sek. Aldosteronismus?

Nierensonographie

Röntgendarstellung der Nierenarterien, insbesondere - bei indirekten Hinweisen auf Nierenarterienstenose - medikamentös schwer einstellbarer Hypertonie, - bei jüngerem Lebensalter Fundoskopie

magligne Hypertonie?

*Zur Erfassung weiterer kardiovaskulärer Risikofaktoren Abb.ll-51 Die Basisdiagnostik der arteriellen Hypertonie (Empfehlungen der Deutschen Liga zur Bekämpfung des hohen Blutdruckes e.V., Stand Juni 1990) In der Eigenanamnese: Kopfschmerzen, Schwindel, Palpita tionen.anfallsartige Tachykardien, Dyspnoe, Angina pectoris, Nierenerkrankungen, kalte Füße, Polyurie, Muskelschwäche, Alkoholabusus etc.

Bei der Erhebung der Eigenanamnese werden meist nur selten Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel, Palpitationen oder Sehstörungen angegeben oder sie weisen ebenso wie Dyspnoe, A. pectoris, Konzentrations- und Merkstörungen bereits auf Organinsuffizienzen hin. Anfallsartige Beschwerden mit blassem Gesicht und Tachykardie, Kopfschmerzen, innere Unruhe etc. können Hinweise auf ein Phäochromozytom sein. Harnwegsinfekte, Angabe von Pyelonephritiden etc. sind evtl. Hinweise auf eine renalparenchymatöse Hypertonie. Muskelschwäche und Polyurie in Verbindung mit Kopfschmerzen können auf einen Hyperaldosteronismus bzw. eine Hy-

Arterielle Hypertonie

161

pokaliämie sein. Hier sollte sich auch die Frage nach Diuretika, Laxantienund Lakritzenabusus anschließen. Die anamnestische Erhebung eines regelmäßigen Alkoholgenusses läßt eine alkoholinduzierte Hypertonie (ca. 10% der primären Hypertonien) vermuten. Bei Frauen muß auf jeden Fall nach Ovulationshemmern gefragt werden. Ferner gehören Fragen nach bereits bekannten Begleiterkrankungen und Risikofaktoren wie Diabetes mellitus, Gicht, Hyperlipidämien, Nikotinabusus dazu. Unbedingt muß nach Hypertoniedauer, bisheriger Diagnostik und Therapie gefragt werden.

Bei Frauen m u ß nach Einnahme von Ovulationshemmern gefragt w e r d e n

11.4.1.2 Status praesens

Status praesens

Blutdruckmessung: Bei der körperlichen Untersuchung steht natürlich die Blutdruckmessung im Mittelpunkt. Diese Messung erfolgt in der Regel nichtinvasiv mit einem Sphygmomanometer nach der Methode von RivaRocci und Korotkoff.

Blutdruckmessung Diese erfolgt mit d e m Sphygmomanometer nach Riva-Rocci und Korotkoff

Das systolische Kriterium ist die Phase I nach Korotkoff, d.h. das erste hörbare Geräusch, das diastolische Kriterium die Phase V, d.h., das völlige Verschwinden der Geräusche über der Auskultationsstelle. Bei Kindern und Schwangeren wird das Leiserwerden des Geräusches (Phase IV) als diastolisches Kriterium benutzt. Der Blutdruck wird mit einer Manschette von 12 cm Breite und 24 cm Länge (bei einem Oberarmumfang bis 32 cm) am rechten oder linken Oberarm gemessen. Eine beidseitige Messung zum Ausschluß von Aortenbogensyndromen (ζ. B. Takayashu's disease) empfiehlt sich zumindest bei der Erstuntersuchung. Systolische Differenzen bis 20 mmHg, diastolische Differenzen bis 15 mmHg gelten als physiologisch. Bei jedem therapierten Hypertoniker soll der Blutdruck nach 5 min Sitzen oder Liegen und nach 23 min Stehen zur Erfassung einer Orthostase gemessen werden. Für stärkere oder schwächere Oberarmumfänge bzw. zur Messung des Blutdrucks am Oberschenkel (im Rahmen des Ausschlusses einer Aortenisthmusstenose) müssen Manschetten größerer oder kleinerer Breite verwandt werden (Tab.II-7). Der Manometerdruck sollte etwa 20-30 mmHg über dem Druck liegen, bei dem der palpierte Radialispuls verschwindet. Die Quecksilbersäule sollte nicht schneller als 2-3 mmHg/s sinken. Die Messung des Blutdrucks geschieht meist in Ruhe oder unter körperlicher Belastung, durch Fremdoder in Selbstmessung. Die Blutdruckselbstmessung ist meist repräsentativer als die in der Sprechstunde gemessene „ Weißkittel"-Hypertonie. Bei all diesen Messungen wird jedoch immer nur ein Augenblickswert registriert, der weder die Variabilität noch den echten Tagesquerschnitt des Blutdrucks widerspiegelt. In den letzten Jahren besteht mit Hilfe der 24-h-Registrierung des Blutdrucks eine sehr viel bessere Möglichkeit der Blutdruckbeurteilung wähTab.ll-7 Abhängigkeit der Manschetten breite v o m O b e r a r m u m f a n g Manschettenbreite und -länge cm

Oberarmumfang cm

Normale Breite 12x24

Vergrößerte Breite 24-32

17x32 20x42 11 x 1 7 8x13 5χ 8 3χ 5

32-42 >42 17-26 13-20 7,5-13 5-7,5

Die normale Blutdruckmanschette bis zu einem Oberarmumfang von 32 c m ist 12 c m breit und 24 c m lang Bei Erstuntersuchung ist grundsätzlich an beiden Armen zu messen. Differenzen bis zu 20 m m H g systol. und 15 m m H g diast. gelten als physiologisch

Blutdruckselbstmessung ist repräsentativer als die M e s s u n g e n in der Sprechstunde 24 h-Blutdruckregistrierung • Tagesmitteldruck (7-22.00): 135/85 • ^ 25% der Einzeltageswerte liegen über dem Tagesmitteldruck • mittlerer nächtlicher systol. und diastol. Druck liegen mindestens 15% unter dem Tagesmittelwert

162

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems rend eines normalen Tagesablaufes. Obwohl einheitliche Bewertungskriterien noch ausstehen, wird ein Tagesmitteldruck (von 7.00-22.00 U h r ) von bis zu 135/85 m m H g als normal betrachtet, bzw. wenn nicht m e h r als 25% der Einzelwerte des Tages über 135/85 m m Hg liegen und der mittlere Nachtwert des systolischen und diastolischen D r u c k e s mindestens 15% unter d e m des Tagesmittelwertes liegt.

Diagnose

Schwerpunkte der klinischen Untersuchung sind: • Arterienpulse (Differenzen, Abschwächung) • Auskultation des Herzens und des Epigastriums (Nierenarterienstenose) • Palpation der Nierenlager • Schilddrüsen und der Akren • Kardiale Insuffizienzzeichen • Xanthelasmata, Gichttophi

Die Diagnose einer Hypertonie beruht in j e d e m Fall auf 3 Einzelmessungen an 2 verschiedenen Tagen.

mindestens

Körperliche Untersuchung: Beim H y p e r t o n i k e r schließt sie inbesondere die Inspektion und Palpation des Halses (Hyperthyreose), der Akren (Akromegalie), die Palpation der Arterienpulse (Aortenisthmusstenose mit Abschwächung d e r Beinarterienpulse), die Auskultation des Herzens, die Auskultation des Epigastriums (Stenosegeräusche bei Nierenarterienstenose) als auch die Palpation der Nierenlager ein. Zu erwähnen ist die Auslösbarkeit eines idiomuskulären Wulstes bei Hypokaliämie (Conn-Syndrom) durch kurzen Schlag des Rcflexhammers z.B. auf dem M.biceps. Selbstverständlich sind Symptome einer möglichen Herzinsuffizienz (Ödeme, Hepatomegalie, Zyanose, D y s p n o e ) o d e r einer zerebrovaskulären Insuffizienz bzw. peripherer arterieller Durchblutungsstörungen zu erfassen. Xanthelasmata oder Gichttophi weisen auf Stoffwechselstörungen hin (HLP, Arthritis urica).

Basisdiagnostik (Labor)

11.4.1.3 Labordiagnostik

Blut: Kreatinin, Kalium, Glukose, Harnsäure, Cholesterin, Triglyzeride Urin: Sediment, Protein, Glukose

Z u r Erfassung einer möglichen endokrinen, renalen Hypertonie und weiterer Risikofaktoren sollte heute zum obligaten Teil der Basisdiagnostik im Blut die Bestimmung des Kreatinins, des Kaliums, der Glukose, der Harnsäure, des Cholesterins (Gesamt-, V D L , H D L ) und der Triglyzeride, im Urin das Sediment, die Untersuchung auf Proteine und Glukose gehören.

Basisdiagnostik (apparative)

11.4.1.4 Apparative Diagnostik

• EKG und Rö-Thorax • (Sonographie der Nieren) und (Echokardiographie)

Die apparative Diagnostik im R a h m e n der Basisdiagnostik beschränkt sich gegenwärtig vor allem auf das EKG zur Erfassung von Rhythmusstörungen und insbesondere einer Linksherzhypertrophie, die Rö-Thoraxaufnahme gibt Hinweise auf eine pathologische Herzkonfiguration bei Herzfehlern oder Linksherzhypertrophie, zeigt evtl. das K e r b p h ä n o m e n als auch Rippenusuren bei der Aortenisthmusstenose. Bei der geringen Belastung f ü r den Patienten bei h o h e m Aussagewert sollte heute das Sonogramm der Nieren und insbesondere die Echokardiographie (zur exakten Erfassung einer Linksherzhypertropie) zum Basisprogramm gehören. D i e Fundusbeurteilung dient vor allem d e m Ausschluß bzw. der Diagnose einer malignen Hypertonie (Papillenödem, Exsudate).

Diagnostische Zusatzprogramme

11.4.2 Diagnostische Zusatzprogramme 11.4.2.1 Labordiagnostik

1. Laborzusatzuntersuchungen • Katecholamine (Phäochromozytom) • Renin-Aldosteron (primärer Hyperaldosteronismus, Reninom, Nierenarterienstenose) • Kortisol (ACTH (Cushing) • STH (Akromegalie) • T3, T 4 (Hyperthyreose) • PTH (Hyperparathyreoidismus) • 11-Desoxykortikosteron (AGS)

Die Labordiagnostik im R a h m e n des Zusatzprogramms dient im wesentlichen der E r k e n n u n g endokriner Hypertonien sowie evtl. der Beurteilung der hämodynamischen Wirksamkeit einer Nierenarterienstenose. Die Bestimmung der Katecholamine (Adrenalin, Noradrenalin, D o p a m i n ) im Urin oder Plasma sowie der Vanillinmandelsäure im Urin kann Aussagen ü b e r das Vorliegen eines Phäochromozytoms, seinen medullären oder extramedullären Sitz als auch Hinweise auf Benignität o d e r Malignität liefern. Etagenweise Katecholaminbestimmung im Bereich beider H o h l v e n e n dient der Lokalisation extramedullärer Phäochromozytome. In Verbindung mit dem Clonodintest spricht eine nicht h e m m b a r e Katecholaminsekretion ebenfalls f ü r ein P h ä o c h r o m o z y t o m . Die Bestimmung der Kompo-

Arterielle Hypertonie

163

nenten des Renin-Angiotensin-AIdosteron-Systems erfolgt vor allem zur E r k e n n u n g des primären Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom), des Rent no ms (Robertson-Kihara-Syndrom) sowie der Beurteilung einer Nierenarterienstenose. (Reninquotient = PRA-stenosierte Seite größer als 1,5-1,8 spricht f ü r die hämodynamische Wirksamkeit der Stenose.) Seitengetrennte Aldosteronbestimmungen im N e b e n n i e r e n v e n e n b l u t dienen der Lokalisation eines N e b e n n i e r e n r i n d e n a d e n o m s bzw. der Differenzierung zwischen N e b e n n i e r e n r i n d e n a d e n o m und bilateraler Nebennierenrindenhyperlasie. Die Bestimmungen der Plasma-Renin-Aktivität und des Aldosterons müssen unter standardisierten Bedingungen (Kochsalzbilanz, Körperlage, Blutentnahmezeiten) erfolgen. Ferner dienen die Bestimmung von freiem Kortisol in Urin und Plasma (vor und nach D e x a m e t h a s o n ) oder des A C T H vor und nach i. v.-CRH-Applikation (Corticotropin-releasing-Hormon) der Diagnose und Differenzierung des Cushing-Syndroms, die STH-Bestimmung im Plasma (vor und nach Glukose bzw. T R H ) der U n t e r m a u e r u n g der Akromegalie-Diagnose. Die in-vitro-Diagnostik d e r Schilddrüsenhormone T 3 , T 4 (vor und nach T S H ) bzw. die T S H - B e s t i m m u n g (vor und nach T R H ) sichern die Hyperthyreose (Tab. 11-8).

Die Bestimmung des Reninquotienten dient der Beurteilung der hämodynamischen Wirksamkeit einer Nierenarterienstenose (NAST) PRA-stenosierte Seite = > 1,5-1,8 (NAST) PRA gesunde Seite

Tab. 11-8 Hormone und zugehörige Krankheitsbilder mit Hypertonie Hormon

Krankheitsbild

Katecholamine Renin-Angiotensin Aldosteron NNR-Steroide ST Η PTH T3, T 4 11-Desoxykortikosteron

Phäochromozytom Reninom, Nierenarterienstenose Conn-Syndrom Cushing Akromegalie Hyperparathyreoidismus Hyperthyreose adrenogenitales Syndrom

11.4.2.2 Funktionsdiagnostik

2. Funktionstests

Auch Funktionstests dienen meist der E r h ä r t u n g des Verdachts auf eine endokrine H o c h d r u c k f o r m . Die wichtigsten, klinisch relevanten Tests seien hier kurz genannt. Phäochromozytom: Die f r ü h e r üblichen Provokationstests sind bis auf den gelegentlich durchgeführten Glukagontest weitgehend verlassen. Intravenöse Applikation von 0,1-10 mg Glukagon f ü h r t bei Patienten mit Phäochromozytom zu einem erheblichen Blutanstieg und Anstieg der Plasmakatecholamine. Die orale Applikation von 300 μg Clonidin beim Clonidin-Hemmtest führt normalerweise innerhalb von 3 Stunden zum Abfall der Plasmakatecholamine bzw. nach abendlicher Clonidingabe zu einer Suppression der Katecholaminexkretion im Nachturin. Bei Patienten mit P h ä o c h r o m o z y t o m bleiben die Katecholaminwerte in Plasma oder Urin erhöht. Bei reninabhängigen Hypertonien, insbesondere der renovaskulären Hypertonie soll der Captopril-Test (Angiotensin-Converting-Enzym-Inhibitor) zur klareren Abgrenzung gegenüber der primären H y p e r t o n i e f ü h r e n . 60 min nach oraler Applikation von 25 mg Captopril k o m m t es bei reninabhängiger Hypertonie zu einem deutlichen Blutdruckabfall und zur über 100%igen Steigerung der Plasma-Renin-Aktivität. Bezüglich der Funktionstests bei Hyperthyreose, Cushing-Syndrom, A k r o megalie etc. wird auf die speziellen Kapitel verwiesen.

• Glukagon-, Phäochromozytom • Clonidintest • Captopriltest-reninabhängige Hypertonie • Dexamethason-Hemmtest (Cushing) • CRH-Test (Cushing) • TRH-Test (Hyperthyreose, Akromegalie)

11.4.2.3 Apparative Diagnostik Die apparative Diagnostik im R a h m e n des Zusatzprogramms betrifft fast ausschließlich die bildgebende Diagnostik und dient der Lokalisation bzw.

Clonidin-Hemmtest

Captopril-Test

Apparative Untersuchungsmethoden zur Diagnostik sekundärer Hypertonien

164 • • • • • . • • • • •

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems Sonographie Duplexsonographie Nierenszintigraphie (99 m Tc) NN-Markszintigraphie (131-J-MIBG) NN-Rindenszintigraphie (131-J-19Jodocholesterol) CT MRT DSA Renale Arteriographie NN-Phlebographie Kardangiographie

Darstellung der die Hypertonie verursachenden Prozesse (Tumoren, Stenosen etc.). Im Rahmen der renalen Hypertonie sind hier vor allem die Sonographie inklusive Duplex-Sonographie, die i. v. Urographie, die Computertomographie, die Radioisotopenuntersuchungen (131-J-HippuranClearance, 133 Xe-washout-Methode, 99 m-Tc-Perfusions-Serien-Szintigraphie) und vor allem die Darstellung der Nierenarterien mittels digitaler Substraktionsangiographie (DSA) oder auch der renalen Arteriographie mit Übersichtsaortogramm und selektiver Nierenarteriendarstellung zu nennen. Bei den endokrinen Hypertonien finden sich in erster Linie Sonographie, CT und Kernspintomographie (MRT) zuerst Anwendung. Schließlich werden erfolgreich Radioisotopenuntersuchungen angewandt, z.B. beim Phäochromozytom die Szintigraphie mit 131-J-Meta-Jodobenzylguanidin (131-J-MIBG), bei primärem Hyperaldosteronismus mit 131-J-19-Jodocholesterol, bei Cushing-Syndrom mit Jod-131-6-beta-Jod-methyl-Cholesterol. Schließlich finden auch angiographische Methoden (oft kombiniert mit Hormonbestimmungen) in der Lokalisationsdiagnostik, ζ. B. des Phäochromozytoms oder des Conn-Syndroms (primärer Hyperaldosteronismus) Anwendung. Je invasiver und belastender eine Untersuchung ist, um so strenger sollte die Indikation gestellt werden. Bei den kardiovaskulären Hypertonien spielt vor allem die Echokardiographie in Verbindung mit der Doppler-Sonographie eine überragende Rolle. Jedoch sind hier nach wie vor kardangiographische Methoden im Einzelfall indiziert (Aortenisthmusstenose).

Therapie

11.5 Therapie

Grundprinzipien

11.5.1 Grundprinzipien

Die Therapie der primären Hypertonie ist symptomatisch, die der sekundären Hypertonie z.T. kausal möglich

Die Therapie der arteriellen Hypertonie richtet sich nur bei den sekundären Hypertonieformen gezielt gegen deren jeweilige Ursache und ist damit kausal. Dabei besteht diese kausale Therapie sowohl in medikamentösen als auch nichtmedikamentösen, in der Regel chirurgischen oder intervenDiastolischer Blutdruck: 9 0 - 1 0 4 mmHg nach wiederholten Messungen innerhalb 4 Wochen

Abb. 11-52 Empfohlenes therapeutisches Vorgehen bei „milder" Hypertonie

165

Arterielle Hypertonie tionsradiologischen Maßnahmen. Auf die Therapie der sekundären Hypertonien wird jeweils unter 11.6 näher eingegangen. Rund 95% der Hypertoniker sind primäre Hypertoniker, bei denen die Ursache der Hypertonie nicht bekannt ist. Aus diesem Grund kann die Therapie hier auch nur symptomatisch sein. Symptomatisch soll aber nicht heißen, daß mit der Therapie nur das Symptom „hoher Blutdruck" behandelt, also eine Blutdruckkosmetik betrieben werden soll. Die moderne antihypertensive Therapie zielt nicht nur auf den Blutdruck an sich, sondern auch auf alle anderen Risikofaktoren, wie Übergewicht, Rauchen, Fehlernährung, HLP, Hyperurikämie, Alkoholabusus, körperliche Inaktivität, Streß etc.

Primäre HT

Ferner werden bei der Wahl der Antihypertensiva heute gezielt solche Medikamente bevorzugt, die ebenfalls günstig auf den Stoffwechsel sowie die Regression der Linksherzhypertrophie wirken oder zumindest keine Störungen des Metabolismus oder eine Stimulation der Linkshypertrophie trotz Drucksenkung (z.B. bei Monotherapie mit direkten Vasodilatatoren) hervorrufen. Neben diesen subjektiv meist unbemerkten Wirkungen sollten die Medikamente auch durch andere Nebenwirkungen (z.B. Reflextachykardie, Sedierung, Ödembildung, Obstipation, Diarrhoe, Impotenz etc.) die Lebensqualität des Patienten nicht wesentlich beeinträchtigen. Diese Prämissen setzen beim Arzt die genaue Kenntnis der Situation des Patienten als auch der Wirkungen und Nebenwirkungen der Medikamente sowie die Zusammensetzung von Kombinationspräparaten voraus. Man wird versuchen, mit möglichst wenigen Medikamenten und geringsten Dosierungen, mit l-2maliger täglicher Einnahme zum Ziel zu kommen. Um die Compliance der Patienten zu erhalten, ist auch eine weitgehende Aufklärung des Patienten über sein Krankheitsbild, die Prognose, aber auch die Probleme und den Nutzen der Therapie erforderlich.

So wenig Medikamente wie möglich ) RR T, diast. RR T, HFT) 2. vasovagal (syst. RR i , diast. 3. vasovagal RR I.HFJ.)

Rezeptorenblockern als erfolgreich erwiesen (Tab. 11-12). Bei Hinweisen auf gesteigerten Vagotonus und Neigung zu gehäuften vagovasalen Synkopen kann die Gabe von Parasympathikolytika (Belladonna-Alkaloide) nützlich sein.

• Bei psychosomatisch erkrankten Patienten mit hyperkinetischem Herzsyndrom Versuch mit Beta-Rezeptorenblockern. Bei Neigung zu gehäuften vagovasalen Synkopen Versuch mit Parasympathikolytika

12.9 Verlauf und Prognose

Verlauf und Prognose

• Den hypotonen Regulationsstörungen kommt global gesehen kein Krankheitswert und somit keine Behandlungsbedürftigkeit zu. Untersuchungen deutscher Lebensversicherungen und Anamneseerhebungen bei Patienten mit einer 20 Jahre zuvor festgestellten neurozirkulatorischen Asthenie ergaben im Vergleich zum Kontrollkollektiv eine höhere Lebenserwartung. Funktionelle Kreislaufregulationsstörungen (mit Ausnahme der hypertonen) scheinen für die Entwicklung organischer Erkrankungen bedeutungslos zu sein.

Funktionelle Kreislaufregulationsstörungen scheinen für die Entwicklung organischer Erkrankungen bedeutungslos zu

Allerdings wird im Verlauf der Jahre nur ein kleiner Prozentsatz der Patienten symptomfrei und voll leistungsfähig. Dies erklärt sich hauptsächlich dadurch, daß eine oftmals ausschließlich somatische Betrachtungsweise des zu niedrigen Blutdruckes den Blick für die eigentlich zugrunde liegenden psychischen und psychosozialen Ursachen verdeckt, die fortbestehen.

194 Therapienotwendigkeit besteht allerdings bei Patienten mit kritischen Gefäß stenosen und bei Graviden mit Hypotonie

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems Ausnahmen vom günsten Verlauf der hypotonen Regulationsstörung und somit eine Therapienotwendigkeit ergeben sich bei älteren Patienten mit kritischen Gefäßstenosen, wo ein Absinken des Perfusionsdruckes zu einer vitalen Gefährdung wichtiger Organe wie Gehirn, Herz oder Niere führen kann. Bei Graviden mit Hypotonie sind die perinatale Mortalität und die Frühgeburtenrate erhöht, das Geburtsgewicht ist erniedrigt. Bei den sekundären Hypotonieformen wird die Prognose durch die Grunderkrankung bestimmt. Auswahl der häufigsten Medikamente 1. Dihydroergotamin (Dihydergot®) 2. Sympathikomimetika (Effortil®, Novadral®, Sympatol®) 3. Mineralokortikoide (Astonin"®) 4. Beta-Rezeptorenblocker (Beloc®, Prent®, Tenormin®) 5. Belladonna-Alkaloide (Bellergal®)

13 Arterielle Gefäßerkrankungen J. Ranft, H. Heidrich Arterielle Gefäßerkrankungen In den Industrieländern weit verbreitet, mit Abstand häufigste Todesursache

Arterielle Gefäßerkrankungen sind in den Industrieländern die am weitesten verbreiteten Krankheiten und die mit Abstand häufigste Todesursache.

Chronische periphere arterielle Durch blutungsstörungen

13.1 Chronische periphere arterielle Durchblutungsstörungen

Definition

13.1.1 Definition der arteriellen Verschlußkrankheit Die arterielle Verschlußkrankheit wird als organisch bedingter Verschluß oder hochgradige Stenosierung einer oder mehrerer Arterien mit konsekutiver Funktionseinschränkung der zu versorgenden Extremität definiert.

Über 80% durch Arteriosklerose verursacht, seltener durch entzündliche Gefäßerkrankungen und embolische Ereignisse

Über 80% der chronischen arteriellen Durchblutungsstörungen werden durch die Arteriosklerose verursacht, die mit einer Verhärtung, Verdikkung, einem Elastizitätsverlust der Arterienwand und einer Einengung des Gefäßlumens einhergehen. Seltener wird die arterielle Verschlußkrankheit durch entzündliche Gefäßerkrankungen und embolische Ereignisse verursacht.

Ätiologie und Pathogenese

13.1.2 Ätiologie und Pathogenese

Uneinheitlich, multifaktorielles Geschehen: - Veränderungen der Arterienwand - Veränderungen der Hämodynamik - Beeinflussung des hämostaseologischen Gleichgewichtes von Gerinnung und Fibrinolyse - nervale Regulationsstörungen - endogene und exogene Risikofaktoren Risikofaktoren: - arterielle Hypertonie - Hyperlipidämie - Nikotinabusus - Diabetes mellitus

Bei der Atherosklerose bestehen weder eine einheitliche Pathogenese noch eine einheitliche Ätiologie. Es handelt sich um ein multifaktorielles Geschehen, bei dem primäre Veränderungen der Arterienwand, Veränderungen der Hämodynamik durch mechanische Faktoren, die Beeinflussung des hämostaseologischen Gleichgewichtes von Gerinnung und Fibrinolyse mit konsekutiven Theologischen Veränderungen, nervale Regulationsstörungen sowie endogene und exogene Risikofaktoren beteiligt sind und sich gegenseitig beeinflussen. Die Risikofaktoren arterielle Hypertonie, Hyperlipidämie (Hypercholesterinämie, Hypertriglyzeridämie), Nikotinabusus und Diabetes mellitus begünstigen sowohl das Auftreten als auch die Progression einer arteriellen Verschlußkrankheit. Bei Vorhandensein mehrerer Risikofaktoren potenziert sich die Wahrscheinlichkeit an einer zerebralen, koronaren oder peripheren Durchblutungsstörung zu erkranken. Initial kommt es bei der Atherosklerose wegen einer erhöhten Endothel-

Arterielle Gefäßerkrankungen durchlässigkeit zur subendothelialen Einlagerung von Proteinen (vor allem Lipoproteine, Gammaglobuline) und Mukopolysacchariden. Folge ist ein lipidfreies Intimaödem. Durch die Endothelquellung werden Thrombozytenadhäsion und -aggregation (zunächst reversibel) mit Freisetzung von Adrenalin, Histamin und Serotonin und Gerinnungsaktivierung (Thromboplastin) gefördert und irreversible Plättchenthromben gebildet. A u s den T h r o m b o z y t e n wird T h r o m b o x a n A 2 freigesetzt und d a d u r c h T h r o m b o z y tenaggregation und Vasokonstriktion unterhalten. Als Gegenregulation wird in intaktem G e f ä ß e n d o t h e l Prostazyklin gebildet, welches die Wirkungen von T h r o m b o x a n A : antagonisiert. Eine Störung dieses Gleichgewichtes von T h r o m b o x a n A : und Prostazyklin bei lokalem Überwiegen von T h r o m b o x a n A 2 fördert die Tendenz zur Bildung von Plättchenthromben. Lipide und Fibrin werden angelagert, die Hypoxie der G e f ä ß w a n d mit nachfolgender E n d o t h e l n e k r o s e hat den bindegewebigen U m b a u zur FolgeBei klinischer Manifestation einer Atherosklerose sind die fibrinösen Plaques meist exulzeriert und h a b e n thrombotische Auflagerungen, die zu einer kritischen Einengung o d e r einem Verschluß des G e f ä ß l u m e n s geführt haben. Sowohl bei a k u t e n Arterienverschlüssen als auch bei chronischen Arteriopathien ist die Hyperkoagulabilität bei langsamer Blutströmung z.B. hinter Arterienstenosen - mit Bildung intravasaler T h r o m b e n („rote G e r i n n u n g s t h r o m b e n " ) ein wesentlicher Bestandteil des pathophysiologischen Gefäßverschlußprozesses. Bei der Mönckebergschen Mediasklerose erfolgt die Einlagerung von Kalkpartikeln isoliert ringförmig in die Media. Die Intima ist am Krankheitsgeschehen nicht beteiligt. Die Mediasklerose allein führt nicht zu Stenosen. Mediasklerose und Atherosklerose können gemeinsam vorkommen. Die Langzeitprognose der Mediasklerose ist wegen erschwerter und schlechter gefäßrekonstruktiver Möglichkeiten ungünstig. Eine weitere S o n d e r f o r m d e r Atherosklerose ist die zystische Medianekrose, vor allem der A o r t a , die zu aneurysmatischen Aussackungen führt. Bei der a n g e b o r e n e n fibromuskulären Hyperplasie findet man häufig multilokulare Lumeneinengungen, meist an den Aa. renales und den A a . c a r o tides. Die zystische Adventitia-Degeneration hat ihre bevorzugte Lokalisation im Bereich der A . poplitea, selten sind A. femoralis, iliaca ext., radialis o d e r ulnaris befallen.

195 erhöhte Endotheldurchlässigkeit —> Einlagerung Proteine, Mukopolysaccharide lipidfreies Intimaödem —> Thrombozytenadhäsion, -aggregation, Gerinnungsaktivierung gefördert irreversible Plättchenthromben aus den Thrombozyten Freisetzung von Thromboxan A 2 - » i n intaktem Gefäßendothel Bildung von Prostazyklin - > lokales Überwiegen von Thromboxan A2 - » Bildung von Plättchenthromben - » Hypoxie der Gefäßwand hat bindegewebigen U m b a u zur Folge Bei klinischer Manifestation Plaques exulzeriert, thrombotische Auflagerungen Hyperkoagulabilität mit Bildung intravasaler Thromben („rote Gerinnungsthromben") wesentlicher Bestandteil des pathophysiologischen Gefäßverschlußprozesses

Mönckebergsche Mediasklerose Kalkpartikel isoliert in der Media Langzeitprognose wegen erschwerter und schlechter gefäßrekonstruktiver Möglichkeiten ungünstig

zystische Medianekrose fibromuskuläre Hyperplasie

zystische Adventitia-Degeneration

13.1.3 Häufigkeit

Häufigkeit

E t w a 90% der chronischen peripheren arteriellen Verschlüsse finden sich an den unteren Extremitäten. Periphere arterielle Durchblutungsstörungen werden am häufigsten im Bereich der A. femoralis superficialis ( 5 0 % ) . danach im Bereich der A . iliaca communis und externa (35%) g e f u n d e n . Verschlüsse der A . p o p l i t e a sind seltener, die Kollateralisierung in diesem Bereich ist meist unzureichend. Unterschenkelarterienverschlüsse finden sich in etwa 15% aller Beinarterienverschlüsse, besonders bei Diabetikern und Patienten mit einer Thrombangiitis obliterans.

Untere Extremitäten sind mit 9 0 % a m häufigsten betroffen: - A.femoralis superficialis (50%) - A.iliaca communis und externa (35%) - Unterschenkelarterienverschlüsse (15%)

13.1.4 Klinik

Klinik

In Abhängigkeit von der Verschlußlokalisation werden bei der peripheren arteriellen Verschlußkrankheit ein Aortenbifurkations-, Becken-, Oberschenkel- und Unterschenkeltyp unterschieden, die zu einer differierenden klinischen Symptomatik führen. Häufig finden sich Mehretagenverschlüsse, bei d e n e n Unterschenkel-, Oberschenkel- und abdominale Arterien gleichzeitig betroffen sind. • Das klinische Beschwerdebild einer peripheren arteriellen Verschlußkrankheit ist entscheidend für das diagnostische und therapeutische Vorgehen. Entsprechend der Symptomatik der chronischen arteriellen Verschlußkrankheit werden klinisch vier Stadien nach Fontaine unterschieden:

nach Verschlußlokalisation werden Aortenbifurkations-, Becken-, Oberschenkelund Unterschenkeltyp unterschieden Mehretagenverschlüsse häufig klinisches Beschwerdebild entscheidend für Diagnostik und Therapie

196 Stadieneinteilung nach Fontaine

II Krankheiten des Herz-und Kreislaufsystems Stadium I:

asymptomatischer Gefäßverschluß, der auch bei körperlicher Belastung keine Beschwerden auslöst. Stadium II: Claudicatio intermittens, bei der belastungsabhängig nach einem zunächst schmerzfreien Intervall beim Gehen ein Muskelschmerz auftritt, der zum Stehenbleiben zwingt. Der Schmerz verschwindet innerhalb weniger Minuten nach dem Stehenbleiben. Die schmerzfreie Gehstrecke hängt stark vom Gehtempo ab. Stadium III: Ruheschmerz. Die arterielle Durchblutung ist bereits ohne Gehbelastung so stark eingeschränkt, daß schon unter Ruhebedingungen (Liegen, Sitzen) hypoxische Schmerzen auftreten. Stadium IV: Gangrän und Nekrose. Die Durchblutungsreduktion führt zu Gewebsuntergang mit und ohne Superinfektion.

13.1.4.1 Familienanamnese Herz- und Gefäßkrankheiten (Herzinsuffizienz und -infarkt, apoplektischer Insult, plötzliche Todesfälle) und die Risikofaktoren Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie in der Familie weisen auf mögliche genetische Einflüsse hin, die bei der degenerativen Arteriosklerose von Bedeutung sein können. Frühere Krankheiten, Beruf

13.1.4.2 Frühere Krankheiten, Beruf

Herzklappenfehler, Rhythmusstörungen begünstigen Embolien chronische Infekte und allergische Dispositionen Arteriitiden Beruf: Lösemittel führen zu funktionellen Durch blutungsstörungen feuchtes und kaltes Milieu, vibrierende Geräte Raynaud-Syndrom

Herzklappenfehler, insbesondere die Mitralstenose, und Herzrhythmusstörungen können zu embolischen Arterienverschlüssen führen. In der Vorgeschichte von Arteriitiden findet man chronische Infekte und allergische Dispositionen. Die Berufsanamnese kann differentialdiagnostische Hinweise geben: Kontakt mit Blei kann zu nächtlichen Wadenkrämpfen führen, die auch an eine arterielle Verschlußkrankheit denken lassen. Lösemittel verursachen funktionelle Durchblutungsstörungen, Arbeit in feuchtem und kaltem Milieu oder mit vibrierenden Geräten können zu einem Raynaud-Syndrom führen. Die Medikamentenanamnese hilft bei der Diagnostik des Ergotismus, andere Arzneimittel können zu hyperergisch-allergischen Angiitiden führen.

Symptomatik

13.1.4.3 Subjektive Symptomatik der peripheren arteriellen Verschlußkrankheit

abhängig von Lokalisation, Verschluß· grad und Kollateralisation Leitsymptom: Claudicatio intermittens

Leitsymptom ist die Claudicatio intermittens. Der Claudicatio-Schmerz tritt bei Steigung, hartem Untergrund, schnellerem Gehtempo und Tragen von Lasten rascher auf. Prognostisch ungünstig kommt es im fortgeschrittenen Stadium der Durchblutungsstörung (Fontaine-Stadium III—IV) zu akral lokalisiertem Ruheschmerz, zunächst bei Hochlagerung der betroffenen Extremität. Herabhängen der Extremität bewirkt Linderung. Der Schmerz bei Gangrän oder Nekrosen verhält sich ähnlich, bei Diabetikern mit bestehender Polyneuropathie ist der Schmerz häufig auffällig gering.

Diagnostik

13.1.5 Diagnostik 13.1.5.1 Klinische Untersuchung

- Abblassung, Temperaturdifferenz bei akutem Arterienverschluß am ausgeprägtesten

Bei fortgeschrittener arterieller Verschlußkrankheit (Fontaine-Stadium III—IV) ist die Haut der Extremität vermindert behaart, atrophisch, dünn. Besonders bei Hochlagerung ist die erkrankte Extremität häufig blaß, zyanotisch oder marmoriert, die Hautvenenfüllung ist vermindert. Bei Herabhängen der Extremität wird die Haut als Zeichen der maximal möglichen Gefäßdilatation tiefrot, livide und bleibt in der Regel kühl. Abblassung und Temperaturdifferenz sind beim akuten Arterienverschluß am

Arterielle Gefäßerkrankungen

197

ausgeprägtesten und haben dagegen bei der chronischen peripheren arteriellen Verschlußkrankheit eine geringere diagnostische Wertigkeit. • Akrale Hautnekrosen beginnen häufig periungual oder interdigital. Die scharf begrenzte, teilweise stationäre, trockene Gangrän wird von der unscharf begrenzten, mit eitriger Sekretion und perifokaler entzündlicher Infiltration, zur raschen Ausbreitung neigenden feuchten Gangrän unterschieden (häufig bei Diabetikern). • Pulspalpation und Gefäßauskultation erlauben zusammen mit Anamnese und Inspektion bei der Mehrzahl der Patienten bereits eine aussagekräftige, differenzierte Beurteilung von Lokalisation, Schwere und Ätiologie einer arteriellen Verschlußkrankheit. Die typischen Palpations- und Auskultationsorte sind aus Abbildung 11-60 ersichtlich. • Stenosegeräusche bei der Auskultation großer Gefäße (Aorta, A.ilaca communis und A. iliaca externa, A.femoralis) stellen Frühsymptome einer chronisch arteriellen Verschlußkrankheit dar.

A. temporalis Α. carotis communis A. axillaris A. brachialis Aorta abdominalis A. ulnaris —— A. radialis A. femoralis

Beginn akraler Nekrosen periungual oder interdigital trockene Gangrän feuchte Gangrän

Palpations- und Auskultationsorte

Stenosegeräusche bei Auskultation großer Gefäße sind Frühsymptome

Α. carotis Α. subclavia -Α. brachialis -Aorta abdominalis -A. iliaca A. femoralis

A. poplitea-

A. tibialis posterior A. dorsalis pedis—

Palpation

Auskultation

Abb. 11-60 Typische Orte der Arterienpalpation und -auskultation Lagerungsprobe nach Ratschow Der liegende Patient läßt mit senkrecht gehobenen Beinen die Füße im oberen Sprunggelenk kreisen (2 min). Dabei wird auf das Abblassen von Zehen und Fußsohle und das Auftreten einer Claudicatio-Symptomatik auch im Seitenvergleich geachtet. Nach Herabhängen der Beine wird die Zeit bis zum Auftreten der Fußrötung (reaktive Hyperämie) und der Venenfüllung am Fußrücken erfaßt. Normal sind eine Venenwiederauffüllung und eine Hautrötung innerhalb von 15 Sekunden. Treten bei der Hochlagerung Schmerzen im Fuß- oder Wadenbereich auf und setzen Venenwiederauffüllung und reaktive Hyperämie später als nach 15 Sekunden ein, muß der Verdacht auf eine arterielle Verschlußkrankheit geäußert werden.

Lagerungsprobe nach Ratschow

Faustschlußprobe Bei erhobenem Arm wird die Hand 60mal/min zur Faust geschlossen. Armarterienstenosen oder -Verschlüsse bewirken innerhalb dieser Zeit eine Abblassung von Handinnenfläche und Fingern.

Faustschlußprobe

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

198 Gehtest

Gehtest Auf ebenem Boden werden bei einem normierten Schrittempo von 80,100 oder 120 Schritte/min oder auf einem Laufband mit einer Steigung von 4-8° und einem Tempo von 3,0 bis 5,0 km/Stunde sowohl die schmerzfreie als auch die absolute Gehstrecke erfaßt.

Apparative Diagnostik

Apparative Diagnostik Zur Sicherung der Diagnose einer peripheren arteriellen Verschlußkrankheit stehen unter anderem die Ultraschall-Doppler-Untersuchung, Venenverschlußplethysmographie, Angiographie u.a. zur Verfügung. • Die Ultraschall-Doppler-Untersuchung ermöglicht auch in pheripher gelegenen Arterien (Fuß- und Digitalarterien) eine exakte, nicht-invasive Messung der systolischen Blutdruckwerte. Diastolische Blutdruckwerte können nicht erfaßt werden. Zur Bestimmung der systolischen Knöchelarteriendrucke wird supramalleolar eine Blutdruckmanschette auf übersystolische Werte aufgeblasen, so daß das Doppler-Signal nicht mehr zu hören ist. Nach Ablassen des Manschettendrucks zeigt das Wiederauftreten des Dopplerströmungsgeräusches den systolischen Blutdruck an. Zur Abschätzung der Schwere einer arteriellen Durchblutungsstörung wird der Knöchelarteriendruck in Ruhe zum Armarteriendruck (A.brachialis) in Beziehung gesetzt. Eine Druckdifferenz (Druckgradient) zugunsten der oberen Extremitäten von mehr als 10-20 m m H g spricht für ein Strombahnhindernis, entweder eine Stenose oder einen Verschluß an der unteren Extremität. Die mit der Doppler-Methode nicht-invasiv gemessenen Blutdruckwerte stimmen mit blutig gemessenen intravasalen Werten überein.

Ultraschall-Doppler-Untersuchung exakte, nicht-invasive Messung der systolischen Blutdruckwerte Druckdifferenz zugunsten der oberen Extremitäten von mehr als 10-20 mm Hg spricht für ein Strombahnhindernis

Bei Knöchelarteriendruckwerten unter 40-50 mm Hg ausreichende Ruhedurchblutung nicht gewährleistet, Gefahr der Entwicklung von Ruheschmerzen und Nekrose. Bei Diabetes mellitus, Mediasklerose (Typ Mönckeberg), Knöchelödemen können dopplersonographisch fehlerhafthohe Knöchelarteriendruckwerte gemessen werden. Venenverschlußplethysmographie quantitative Erfassung der Durchblutung

Ein Absinken der absoluten Knöchelarteriendruckwerte unter 4 0 50 mm Hg bedeutet, daß ein ausreichender Druck zur Aufrechterhaltung der Ruhedurchblutung nicht gewährleistet ist und damit die Gefahr der Entwicklung von Ruheschmerzen und einer Nekrose besteht. Bei Diabetikern, Patienten mit Mediasklerose (Typ Mönckeberg) oder Knöchelödemen können dopplersonographisch fehlerhaft-hohe Knöchelartierendruckwerte gemessen werden. Das Verfahren ist bei diesen Patienten daher wenig aussagekräftig. Mit der Venenverschlußplethysmographie kann die Durchblutungsgröße eines Extremitätenabschnittes quantitativ in ml/min/100 ml Gewebe sowohl in Ruhe als auch nach induzierter arterieller Ischämie erfaßt werden. Die Stärke der reaktiven Hyperämie stellt ein Maß für die Größe der Durchblutungsreserve eines Gliedmaßenabschnitts dar.

Differentialdiagnostik neurologische, rheumatische, orthopädische Erkrankungen Beinermüdung bei kardio-pulmonaler Insuffizienz

Differentialdiagnostik Differentialdiagnostische Schwierigkeiten bei der Einordnung einer Claudicatio intermittens bieten Beschwerden bzw. Schmerzen beim Gehen (Pseudoclaudicatio) durch neurologische (z.B. ischämische Neuritis, Kausalgie), rheumatische oder orthopädische Erkrankungen (z.B. Spondylolisthesis, Arthrosen) besonders dann, wenn gleichzeitig eine periphere arterielle Verschlußkrankheit vorliegt. Klinisch relevant ist auch eine Beinermüdung bei einer kardio-pulmonalen Insuffizienz.

Therapie

Therapie

Alter, Allgemeinzustand und Begleiterkrankungen beeinflussen die Therapie: - sekundäre Prävention - Bewegungstraining - vasoaktive Substanzen - Hämodilution - Hypofibrinogenierung - induzierte Blutdrucksteigerung - Fibrinolyse

Die nicht-chirurgischen Therapieverfahren der peripheren arteriellen Verschlußkrankheit umfassen folgende Therapieprinzipien: sekundäre Prävention, Bewegungstraining, Durchblutungsverbesserung durch orale und parenterale Gabe vasoaktiver Substanzen, Hämodilution, Hypofibrinogenierung, induzierte Blutdrucksteigerung und lumeneröffnende Maßnahmen durch Fibrinolyse oder Katheterdilatation. Lokale Maßnahmen ergänzen die Behandlung bei Nekrosen und Gangrän. Operative Maßnahmen (Bypass-Verfahren, Endarterektomie, Sympathektomie) sind primär bei Ruheschmerzen (Fontaine-Stadium III)

Arterielle Gefäßerkrankungen und Gangrän und Nekrosen (Fontaine-Stadium IV) indiziert, kommen aber nur bei etwa 25% der Patienten infrage.

199 - Katheterdilatation - operative M a ß n a h m e n

Elimination und Behandlung der Risikofaktoren Die Basistherapie einer peripheren arteriellen Verschlußkrankheit umfaßt die Elimination und Behandlung der Risikofaktoren (s.13.1.2).

Elimination und Behandlung der Risikofaktoren Diabetes mellitus, Hyperlipidämie, arterielle Hypertonie, Rauchen

Gehtraining und

Gehtraining und Bewegungstherapie

Bewegungstherapie

Das Intervall-Gehtraining ist die Basisbehandlung der Claudicatio intermittens, wenn keine operativen Maßnahmen, keine Katheterdilatation oder keine Lysebehandlung zur Rekanalisation infrage kommen. Durch systematisches, intensives Gehen auf der Ebene oder dem Laufband kann es im Fontaine-Stadium II zu einer beträchtlichen Zunahme der schmerzfreien Gehstrecke kommen. Bei einer schmerzfreien Gehstrecke zwischen 300-600 m kann mit dem Erreichen eines „Walkingthrough"-Phänomens gerechnet werden. Dabei tritt nach einer schmerzfreien Gehstrecke zunächst eine Claudicatio-Symptomatik auf, die bei weiterem Gehen verschwindet.

2 mg/dl) beeinflussen besonders das Operationsrisiko und erhöhen die postoperative Frühletalität (jeweils > 15%). Für den elektiven operativen Eingriff muß das individuelle Operationsrisiko sorgsam gegen die Rupturgefahr im Spontanverlauf (4%/Jahr bei Aortenaneurysmadurchmesser < 5 cm) abgewogen werden. Durch regelmäßige sonographische Kontrolle eines kleinen Bauchaortenaneurysmas ( < 5 c m ) beim risikobelasteten Patienten können Wachstumstendenz und Rupturgefahr frühzeitig erkannt werden.

Therapie symptomatisches Aneurysma -» Rupturgefahr gefäßchirurgisches Vorgehen

Prognose Eine aneurysmatische Erweiterung des arteriellen Lumens neigt zur Progression. Dabei geht ein größerer Gefäßdurchmesser in der Regel mit schnellerer Progression und höherer Rupturgefahr einher. Allerdings können auch kleine Aneurysmen rupturieren. Andere Komplikationen von Aneurysmen sind partielle oder totale Thrombosierung des Gefäßlumens, arterio-arterielle Embolien und Kompression umgebender Strukturen.

Zufallsbefund beim Röntgen-Thoraxbild

Abdominale Aneurysmen Pulsationen, Schmerz im RückenLendenbereich, Völlegefühl Manifestation als mesenteriale, renale oder periphere Durchblutungsstörung möglich 40% asymptomatische Zufallsbefunde

asymptomatisches Aneurysma: Op-Indikation abhängig vom Operationsrisiko individuelles Op-Risiko gegen Rupturgefahr im Spontanverlauf abwägen

Prognose größerer Gefäßdurchmesser - schnellere Progression und höhere Rupturgefahr Komplikationen: partielle oder totale Thrombosierung arterio-arterielle Embolien Kompression umgebender Strukturen

204 Entzündliche Gefäßerkrankungen

Ii Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

13.4 Entzündliche Gefäßerkrankungen Arteriitiden Entzündliche Veränderungen aller Wandschichten kleiner und größerer A r t e r i e n , nicht selten auch von Venen mit meist nachfolgenden G e f ä ß v e r schlüssen.

Thrombangiitis obliterans

13.4.1 Thrombangiitis obliterans

Definition proliferativ-granulomatös entzündlich, subakut bis chronisch, segmentärer Befall muskulärer Extremitätenarterien, bevorzugt Fuß-, Unterschenkel-, Finger-, Unterarmarterien

Definition D i e Thrombangiitis obliterans (Endangiitis obliterans, Μ.v. WiniwarterBuerger) ist eine eigenständige, proliferativ-granulomatöse, entzündliche, s u b a k u t e bis chronische Arteriopathie mit segmentärem Befall der muskulären Extremitätenarterien und Bevorzugung der Fuß- und Unterschenkel·, Finger- und U n t e r a r m a r t e r i e n .

Ätiologie

Ätiologie

ungeklärt

D i e Ätiologie ist ungeklärt. Häufigkeit seltene Erkrankung (0,5/10000) 1-3% der Pat. mit peripherer arterieller Verschlußkrankheit im Mittelmeerraum und Asien häufiger, überwiegend Männer (Geschlechtsverhältnis 3:1)

Klinik Manifestationsalter 20-40 Jahren schubweiser Verlauf oder rasch fortschreitende Gangrän möglich rezidivierende Thrombophlebitiden (50%) Bei 40% der Pat. auch Hände und Unterarme betroffen

Diagnostik Gefäßhistologie sichert Diagnose Laborchemisch keine spezifischen Hinweise

Häufigkeit Die Thrombangiitis obliterans ist eine seltene E r k r a n k u n g (0,5/10000). Un ter d e n Patienten mit einer p e r i p h e r e n arteriellen Verschlußkrankheit ist ir etwa 1 - 3 % der Fälle das Vorliegen einer Thrombangiitis obliterans zu erwarten, im Mittelmeerraum u n d Asien ist die E r k r a n k u n g häufiger. Es erk r a n k e n überwiegend M ä n n e r (Geschlechtsverhältnis 3:1). Klinik Die E r k r a n k u n g manifestiert sich bei Patienten im Alter von 20—40 Jahren. A u ß e r R a u c h e n sind keine weiteren Risikofaktoren b e k a n n t . Ein schubweiser Verlauf o d e r eine fulminante Entwicklung mit rasch fortschreitender G a n g r ä n o h n e vorherige Claudicatio im Fußbereich mit d e m Bild eines a k u t e n Arterienverschlusses sind möglich. N e b e n der arteriellen Verschlußkrankheit sind gehäuft ( 5 0 % ) rezidivierende T h r o m b o p h l e b i t i d e n in F o r m der Phlebitis saltans o d e r migrans nachweisbar. Bei 40% der Patienten sind n e b e n den Beinen auch H ä n d e und U n t e r a r m e betroffen. Diagnostik D i e klinische Untersuchung und apparative Diagnostik geben Hinweise auf das Vorliegen einer peripheren arteriellen Verschlußkrankheit, erlauben a b e r keine Differenzierung gegenüber einer degenerativen Arteriopathie. D i e Gefäßhistologie sichert dagegen die Diagnose einer T h r o m b a n g i itis obliterans. Differentialdiagnostik Wichtig ist vor allem die Unterscheidung gegenüber der degenerativen arteriellen Verschlußkrankheit und anderen entzündlichen G e f ä ß e r k r a n k u n gen (Periarteriitis). Bei b e s t e h e n d e r Fußclaudicatio ist die A b g r e n z u n g geg e n ü b e r orthopädischen Krankheitsbildern notwendig.

Therapie - Intraarterielle oder intravenöse Infusionen mit PGE·, führen zu den besten Behandlungsergebnissen - Hämodilution - Nikotinverzicht

Therapie • Intraarterielle o d e r intravenöse Infusionen mit P G E i weisen z . Z . die besten Behandlungserfolge auf und führen bei etwa 70% der Patienten mit einer Thrombangiitis obliterans zum Verschwinden von R u h e s c h m e r z e n und Abheilen von Nekrosen. H ä m o d i l u i e r e n d e M a ß n a h m e n k ö n n e n versucht werden. • Nikotinverzicht ist eine unabdingbare Voraussetzung, u m eine Progression der E r k r a n k u n g zu verhindern und ein „ A u s b r e n n e n " der T h r o m b angiitis obliterans mit Stabilisierung der Durchblutungsverhältnisse zu erreichen. • Therapieerfolge mit Azetylsalizylsäure, Kortikoiden u n d Immunsuppressiva sind nicht ausreichend belegt.

205

Arterielle Gefäßerkrankungen Prognose Amputationen, meist im Zehen-, Vorfuß- oder Unterschenkelbereich, lassen sich häufig nicht vermeiden, die Lebenserwartung der Patienten ist bei der Thrombangiitis obliterans jedoch nicht verkürzt. Bei langjährigem Bestehen wird die Prognose nur von einer möglichen sekundären Arteriosklerose bestimmt.

Prognose Periphere Amputationen häufig nicht vermeidbar, Lebenserwartung jedoch nicht verkürzt

13.4.2 Periarteriitis nodosa (Panarteritis)

Periarteriitis nodosa

siehe Kapitel X.10.1

s. Kap. X.10.1

13.4.3 Takayasu-Arteriitis

Takayasu-Arteriitis

Die Takayasu-Arteriitis ist eine thrombosierende Arteriitis der elastischen Aorten- und Pulmonalarteriensegmente und tritt meist isoliert im Bereich des Aortenbogens auf. Typisch ist die ausgeprägte Beteiligung der Adventitia. Die Erkrankung ist sehr selten. Junge Frauen zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr erkranken gehäuft, aber auch Männer im mittleren und höheren Lebensalter können erkranken. Die Behandlung ist schwierig. Kortikoide sind häufig nur vorübergehend wirksam, ein operatives Vorgehen kann indiziert sein.

Thrombosierende Arteriitis elastischer Aorten- und Pulmonalsegmente

13.4.4 Arteriitis temporalis (Horton)

Arteriitis temporalis

siehe Kapitel X. 11.1

s. Kap. X. 11.1

13.5 Supraaortale und zerebrale Gefäßerkrankungen

Supraaortale und zerebrale Gefäßerkrankungen

Supraaortale Gefäße Über 90% der supraaortalen Gefäßveränderungen sind arteriosklerotischer Genese. Seltene Ursachen sind entzündliche Erkrankungen, die fibromuskuläre Dysplasie oder ein dissezierendes thorakales Aortenaneurysma mit Stenosierung der supraaortalen Gefäßabgänge. In etwa 60% sind intrakranielle, lediglich in 40% extrakranielle Gefäße befallen. Bei extrakranieller Lokalisation dominieren die Gefäßveränderungen der A.carotis interna unmittelbar am Abgang oder kurz nach ihrem Abgang von der A. carotis communis.

13.5.1 Extrakranielle Gefäßstenosen und -Verschlüsse 13.5.1.1 A o r t e n b o g e n s y n d r o m

Gehäuft Frauen zwischen 20.-40. Lebensjahr Kortikoide vorübergehend wirksam, operatives Vorgehen kann indiziert sein

areriosklerotische Genese bei mehr als 90% der supraaortalen Gefäßveränderungen etwa 60% intra-, 40% extrakranielle Gefäße befallen

Extrakranielle Gefäßstenosen und -Verschlüsse Aortenbogensyndrom

Definition Stenosierende und okkludierende Veränderungen an den unmittelbar vom Aortenbogen abgehenden großen Arterien mit oder ohne Symptomatik werden als Aortenbogensyndrom bezeichnet. Ätiologie Häufigste Ursache eines Aortenbogensyndroms sind arteriosklerotische Veränderungen, häufiger als bei peripheren arteriellen Durchblutungsstörungen finden sich aber im Bereich des Aortenbogens Arteriitiden.

Ätiologie Häufig arteriosklerotisch auch Arteriitiden

Klinik Ein- oder doppelseitige Pulslosigkeit und Blutdruckseitendifferenz an den Armarterien sowie Stenosegeräusche über dem Truncus brachiocephalicus, den Carotiden oder in den Supraklavikulargruben geben diagnostische Hinweise. Die klinischen Symptome sind auch bei ausgeprägten Gefäßveränderungen häufig gering. Ischämische Armsymptome treten meist schleichend auf (Ermüdbarkeit und einseitiges Kältegefühl bei manueller Tätigkeit) und sind kombiniert mit uncharakteristischen, meist flüchtigen

Klinik

klinische Symptome auch bei ausgeprägten Gefäßveränderungen häufig gering

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

206 meist flüchtige neurologische Ausfälle im Carotis-oder vertebrobasilären Versorgungsgebiet

neurologischen Ausfällen im Carotis- oder vertebrobasilären Versorgungsgebiet mit Schwindel, intermittierender Aphasie, Hemiparese und Krämpfen. Bei einer Insuffizienz im Vertebralis-Basilaris-Versorgungsgebiet sind doppelseitige motorische und sensorische Ausfälle möglich.

Diagnostik Auskultation an den großen Arterien Blutdruckmessung an beiden Armen dopplersonographisch und/oder B-Scan wenn ein operatives Vorgehen erwogen wird, dann Angiographie

Diagnostik Neben der klinischen Untersuchung mit Auskultation an den großen Arterien und Blutdruckmessung an beiden Armen erfolgt eine dopplersonographische oder B-Scan-Beurteilung der extrakraniellen Gefäße. Wird ein operatives Vorgehen erwogen, ist eine angiographische Untersuchung notwendig. Differentialdiagnostik Neben neurologischen und orthopädischen Krankheitsbildern ist auch an ein dissezierendes Aneurysma der Aorta thoracalis zu denken.

Therapie Progressionsprophylaxe mit Azetylsalizylsäure Bei klinischen Symptomen operatives Vorgehen

Therapie Eine medikamentöse Therapie ist bis auf eine Progressionsprophylaxe mit Azetylsalizylsäure nicht sinnvoll. Bestehen Symptome, ist ein operatives Vorgehen indiziert. Ein asymptomatisches Aortenbogensyndrom ist nicht zu behandeln.

Truncus brachiocephalicus

13.5.1.2 Truncus brachiocephalicus

selten Leitsymptom Blutdruckseitendifferenz Supraklavikulär rechts Systolikum

Die alleinige Obliteration des Truncus brachiocephalicus ist selten. Leitsymptom ist eine Blutdruckseitendifferenz zwischen rechtem und linkem Arm. Supraklavikulär rechts kann bei Stenosierung des Truncus brachiocephalicus ein systolisches Strömungsgeräusch auskultierbar sein, das bei komplettem Gefäßverschluß fehlt. Bei manueller Tätigkeit mit dem rechten Arm sind eine Strömungsumkehr des Blutes in der gleichseitigen A.vertebralis oder auch A. carotis mit und ohne zerebraler Ausfallssymptomatik (Subclavian-steal-Syndrom) sowie eine Armschwäche möglich. Die Therapie ist chirurgisch in Abhängigkeit von der klinischen Symptomatik.

Subclavian-steal-Syndrom möglich Therapie chirurgisch

Carotisstenosen und -Verschlüsse

13.5.1.3 Carotisstenosen und -verschlusse

Häufigkeit Stenosen und Verschlüsse der A.carotis interna in Häufigkeit (etwa 60%) und klinischer Relevanz am bedeutungsvollsten

Häufigkeit Unter den supraaortalen Gefäßveränderungen sind Stenosen und Verschlüsse im Bereich der A. carotis interna unmittelbar hinter der Bifurkation sowohl in ihrer Häufigkeit (etwa 60%) als auch in ihrer klinischen Relevanz am bedeutungsvollsten.

Klinik - kontralaterale, häufig brachiofazialbetonte Hemiparesen und Parästhesien - Visusstörung, passagere Blindheit (Amaurosis fugax) möglich - Mehrzahl der Carotisstenosen ist asymptomatisch

Klinik Bei einer Insuffizienz im Carotisstromgebiet durch eine Stenose oder einen Verschluß der A. carotis interna kann es zu kontralateralen, häufig brachiofazial betonten Hemiparesen und Parästhesien, Dys- oder Aphasien sowie ipsilateraler monokulärer Visusstörung bis zu passagerer Blindheit (Amaurosis fugax) kommen. Die Mehrzahl der Carotisstenosen ist asymptomatisch. • Carotisstenosen und -Verschlüsse können zu transitorisch ischämischen Attacken (TIA) und zu ischämischen Insulten mit ihren verschiedenen Formen (Reversibles ischämisches neurologisches Defizit = RIND, Prolongiert reversibles ischämisches neurologisches Defizit = PRIND, progredienter Insult, kompletter zerebraler Infarkt) führen. Ein kompletter zerebraler Infarkt entwickelt sich entweder allmählich aus einem progredienten Hirninsult oder innerhalb von Sekunden bzw. Minuten, die neurologischen Ausfälle persistieren. Das Strombahnhindernis liegt meist intrakraniell, oft handelt es sich um einen thrombotischen Verschluß zerebraler Gefäße auf der Grundlage arterieller Thrombosen.

-

TIA RIND PRIND zerebraler ischämischer Insult

kompletter zerebraler Infarkt: Entwicklung progredient oder innerhalb von Minuten, neurologische Ausfälle persistieren Strombahnhindernis meist intrakraniell

Arterielle Gefäßerkrankungen Diagnostik Die Diagnose einer Carotisstenose ist in der Regel zunächst mit nicht-invasiven Untersuchungsverfahren zu stellen. Neben Palpation und Auskultation der Halsgefäße und einem vollständigen neurologischen Status sind die Doppler-Sonographie, die B-Scan-Untersuchung sowie die intravenöse oder intraarterielle Angiographie zum Nachweis hämodynamisch wirksamer Stenosen oder Verschlüsse wichtig.

207 Diagnostik - Palpation und Auskultation - neurologischer Status - Doppler-Sonographie - B-Scan-Untersuchung - Angiographie

Mit der Doppler-Sonographie lassen sich hämodynamisch wirksame Stenosen über 50%, mit der B-Scan-Untersuchung auch geringgradigere Stenosen erkennen. Bei Kombination beider Verfahren ist eine richtige Diagnose der extrakraniellen Gefäßveränderungen bei 90% der Patienten möglich. Beide Verfahren sind insbesondere auch für die Verlaufsbeobachtung von Carotisstenosen nützlich.

Doppler-Sonographie erfaßt Stenosen >50%, B-Scan-Untersuchung auch geringgradige Stenosen

• Die Indikation zur Angiographie ist gegeben, wenn eine gefäßchirurgische Behandlung zur Diskussion steht oder die Diagnose auf nicht-invasive Weise nicht geklärt werden kann.

Angiographie, wenn Operation zur Diskussion steht oder nicht-invasiv keine diagnostische Klärung möglich ist

Differentialdiagnostik Differentialdiagnostisch ist an intrakranielle Gefäßveränderungen, eine zerebrale Blutung, einen Hirntumor und eine Subarachnoidalblutung zu denken, die mit gleicher klinischer Symptomatik einhergehen können. Therapie Für die Behandlung der akuten neurologischen Symptomatik bei nachgewiesener Carotisstenose mit transitorisch ischämischer Attacke (TIA) gelten die gleichen Behandlungsprinzipien wie für den akuten kompletten zerebralen Insult: Normalisierung von Blutdruck- und Kreislaufverhältnissen (Behandlung einer Linksherzinsuffizienz, Normalisierung von Herzrhythmusstörungen, Volumenausgleich), Hirnödemtherapie und Infusion von Plasmaexpandern bzw. Hämodilution, evtl. auch in Kombination mit einem Aderlaß. Im symptomfreien Intervall bei Zustand nach TIA und bestehender Carotisstenose ist eine operative Beseitigung der Carotisstenose anzustreben. Ist das nicht möglich, muß eine Dauertherapie als Verschlußprophylaxe mit Azetylsalizylsäure eingeleitet werden. Bei einem manifesten zerebralen Insult gelten für die Behandlung der Ischämie folgende Regeln: • Durch Normalisierung der Blutdruck- und Kreislaufverhältnisse, gegebenenfalls Steigerung der Herzleistung wird eine Stabilisierung der Hirndurchblutung erreicht. • Eine Hämodilutionsbehandlung mit Hydroxyäthylstärke 10%, evtl. auch kombiniert mit Aderlaß (nach Ausschluß einer Hyperviskosität infolge Exsikkose), kann bei Beachtung der Kontraindikationen (arterielle Hypertonie, Myokard- oder Niereninsuffizienz) sinnvoll sein, weil damit die fokale und perifokale Durchblutung gesteigert wird. Bei Hämatokritwerten über 0,45 ist die isovolämische Hämodilution indiziert. Bei Hämatokritwerten unter 0,38 ist die Hämodilution nicht mehr indiziert. • Zur Behandlung des begleitenden Hirnödems werden hyperosmolare Substanzen (Sorbit oder Mannit) infundiert. Der Nutzen einer Kortikoidtherapie ist beim ischämischen Hirninsult dagegen bislang nicht erwiesen. • In den ersten 6 Stunden nach Krankheitsbeginn kann bei bewußtseinsklaren Patienten mit einer Carotisthrombose eine Thrombenarterektomie indiziert sein. Das Operationsrisiko ist in dieser akuten Phase jedoch deutlich erhöht und der Operationserfolg nicht sicher, da das Thrombuswachstum rasch nach intrazerebral fortschreiten kann.

Therapie

Zustand nach TIA

Bei manifestem zerebralem Insult: Normalisierung der Blutdruck- und Kreislaufverhältnisse Hämodilutionsbehandlung

Hirnödemtherapie

erste 6 Stunden nach Krankheitsbeginn kann Thrombenarterektomie indiziert sein Operationsrisiko in dieser akuten Phase deutlich erhöht

208 Operation bei manifestem zerebralen Insult nach frühestens 4-6 Wochen Asymptomatische Carotisstenose opera tiv angehen, wenn filiform (> 80%), sonst Azetylsalizylsäure

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems Eine Operation bei manifestem zerebralen Insult und Carotisstenose ist frühestens 4 - 6 Wochen nach Eintritt des Insults indiziert und v o m individuellen Verlauf der Insult-Symptomatik abhängig. Asymptomatische Carotisstenosen sind nur d a n n operativ anzugehen, wenn sie filiform (mehr als 8 0 % ) sind, sonst mit Azetylsalizylsäure zu behandeln.

Prognose TIA Vorläufer eines zerebralen Insultes, in den nächsten 5 J. bei etwa 30%

Prognose Symptomatik, Häufigkeit, D a u e r der transitorisch ischämischen A t t a c k e n und betroffenes intrazerebrales Versorgungsgebiet beeinflussen den klinischen Verlauf einer Carotisstenose • Eine transitorisch ischämische A t t a c k e bei bestehender Carotisstenose ist häufig Warnzeichen und Vorläufer eines zerebralen Insultes, der in d e n nächsten 5 J a h r e n bei etwa 30% der Patienten auftritt.

Vertebralarterienstenosen und -verschlusse

13.5.1.4 Vertebralarterienstenosen und-Verschlüsse Häufigkeit Vertebralarterienstenosen und -Verschlüsse sind seltener als arteriosklerotische Veränderungen der A. carotis interna und externa.

Klinik Drehschwindel = häufigstes Symptom

Klinik Für eine Insuffizienz im vertebrobasilären Versorgungsgebiet sprechen Drehschwindel (häufigstes S y m p t o m ) und Ataxie, Doppelbilder, Flimm e r s k o t o m e , Dysarthrie, Dysphagie, ein- o d e r doppelseitige motorische und sensible Störungen, transitorische Amnesie sowie Sturzanfälle o h n e Bewußtlosigkeit, o h n e vorherige Warnzeichen und o h n e Begleitsymptome. Diagnostik D i e A. vertebralis ist der klinischen Untersuchung nur schwer bzw. gar nicht zugänglich. A u c h dopplersonographisch kann nicht der gesamte Verlauf der A. vertebralis, sondern lediglich der A b g a n g von der A. subclavia und der Bereich der Atlasschlinge beurteilt werden. Die angiographische Untersuchung zum Nachweis von Vertebralarterienstenosen und -Verschlüssen ist nötig, wenn operative T h e r a p i e v e r f a h r e n in differentialtherapeutische Überlegungen einbezogen werden. E i n e umfassende neurologische, otologische und ophthalmologische U n t e r s u c h u n g ist notwendig, um Krankheitsbilder aus diesen Fachrichtungen differentialdiagnostisch auszuschließen.

Armarterienstenosen und -Verschlüsse

13.5.1.5 Armarterienstenosen und-verschlusse

Ätiologie Embolien, Traumen und Ergotismus häufiger als Arteriosklerose

Ätiologie Embolien, Traumen und der Ergotismus sind häufigere U r s a c h e von Gefäßverschlüssen dieser Lokalisation als arteriosklerotische Veränderungen.

Häufigkeit wesentlich seltener als Verschlüsse der Beinarterien

Häufigkeit Armarterienverschlüsse sind wesentlich seltener als Verschlüsse der Beinarterien.

Klinik - gute Kollateralisierung - häufig asymptomatisch - RR-Differenz an den Armen - Schwächegefühl, rasche Ermüdbarkeit des Armes

Klinik Isolierte Verschlüsse der proximalen A r m a r t e r i e n verlaufen wegen der guten Kollateralisierung häufig asymptomatisch. Auch ein Verschluß der A . axillaris oder A. subclavia ist nicht selten ein Zufallsbefund. M a n findet lediglich eine Blutdruckdifferenz an den A r m e n mit niedrigerem Blutdruck auf der Verschlußseite gegenüber der kontralateralen Seite. Seitendifferenzen bis zu 20 m m Hg können normal sein, wenn sie inkonstant auftreten. Ein Schwächegefühl und eine rasche E r m ü d b a r k e i t des b e t r o f f e n e n A r m e s stehen klinisch im Vordergrund, selten ist ein ischämischer Muskelschmerz unter Belastung f ü h r e n d e s S y m p t o m . Bei Verschluß der A.subclavia vor d e m A b g a n g der A. vertebralis kann es zu einem „Subclavian-steal-Phänomen" mit F l u ß u m k e h r in der A. vertebralis k o m m e n , die dann als Kollate-

„Subclavian-steal-Phänomen"

Arterielle Gefäßerkrankungen

209

ralgefäß für den gleichseitigen Arm dient. Bei Armarbeit sinkt der poststenotische Druck mit Zunahme des retrograden Vertebralisflusses. Neurologische Zeichen einer resultierenden Basilaris-Vertebralis-Insuffizienz sind dabei aber selten (30%) und machen eine arteriographische Abklärung notwendig. Differentialdiagnostik Differentialdiagnostisch ist an neurovaskuläre Kompressionssyndrome im Bereich der oberen Thoraxapertur zu denken (hintere Scalenuslücke, Kostoklavikularspalt).

Differentialdiagnostik ηeu rovasku Iä re Kom ρ ressiοnssyη drοme

Therapie Die Therapie von Armarterienverschlüssen unterscheidet sich prinzipiell nicht von der Therapie der arteriellen Verschlußkrankheit der unteren Extremitäten. Neben der Gabe vasoaktiver Substanzen werden hämodiluierende Maßnahmen und Fibrinolytika eingesetzt (siehe 13.1.7). • Bei akutem Gefäßverschluß ist die Thrombektomie Therapieverfahren der Wahl. Eventuell kommt auch eine Fibrinolyse infrage.

Therapie - vasoaktive Substanzen - Hämodilution - Fibrinolytika - Bei akutem Gefäßverschluß: Thrombektomie, evtl. Fibrinolyse

13.5.1.6 Fingerarterienverschlüsse

Fingerarterienverschlüsse

Die klinischen Symptome von Fingerarterienverschlüssen beginnen meist akut oder subakut mit Schmerzen und Kältegefühl in einzelnen Fingern. Fingerkuppennekrosen können in der Folge auftreten. Ursachen akraler Gefäßverschlüsse sind häufiger Kollagenosen, entzündliche Gefäßerkrankungen (Thrombangiitis), Thrombozytosen, Kryoglobuline, Traumen (Vibrationstraumen) und arteriosklerotische Gefäßverschlüsse. Therapeutisch kommen vasoaktive Substanzen, eine Hämodilutionsbehandlung und bei akuten oder subakuten Symptomen in den ersten Tagen auch eine fibrinolytische Behandlung mit Streptokinase oder Urokinase infrage. Als ultima ratio sind eine thorakale Sympathektomie oder Stellatum-Blockaden möglich.

akut oder subakut: Schmerzen und Kältegefühl in einzelnen Fingern Fingernekrose Ursachen Kollagenose, Thrombangiitis, Thrombozytose, Kryoglobuline, Trauma, arteriosklerotisch Therapie vasoaktive Substanzen, Hämodilution, in den ersten Tagen auch Fibrinolyse thorakale Sympathektomie oder Stellatum-Blockaden als ultima ratio

13.6 Abdominale Arterienverschlüsse

Abdominale Arterienverschlüsse

13.6.1 Mesenterialarterien

Mesenterialarterien

Während Verschlüsse der A.mesenterica inferior wegen der guten Kollateralisierung - Truncus coeliacus und A. mesenterica superior sind durch pankreatikoduodenale Kollateralen, A.mesenterica superior und inferior über die A.colica med. und sin. (Riolansche Anastomose) verbunden - meist wenig Beschwerden auslösen, führt der Verschluß der A. mesenterica superior oder des Truncus coeliacus fast regelmäßig zu Darmnekrosen. In Analogie zu den Extremitätenarterien ist auch bei den intestinalen Arterien die akute Verschlußsymptomatik von der chronisch-intermittierenden Mangeldurchblutung (Angina abdominalis) abzugrenzen. Der akute Mesenterialarterienverschluß wird meist durch Embolien hervorgerufen. Initial kommt es zu plötzlichem Abdominalschmerz bei oft gesteigerter Peristaltik, evtl. blutigen Durchfällen und fehlender Abwehrspannung. Die spärlichen objketivierbaren Befunde stehen im Gegensatz zum schlechten Allgemeinbefinden der Patienten. Eine Frühdiagnose und rasche operative Intervention sind entscheidend, da nach etwa 9-12 Stunden Ischämie der Darm irreversibel geschädigt und die Letalität beim Mesenterialinfarkt sehr hoch ist. Aortographie oder Probelaparotomie sind daher bei klinischem Verdacht ohne Zeitverzug notwendig. Chronische mesenteriale Durchblutungsstörungen führen zu postprandialen Schmerzen (Angina abdominalis etwa 15-30 min nach der Nahrungsaufnahme), Gewichtsabnahme und Malabsorption weisen auf die mögliche Diagnose hin.

Verschluß A.mesenterica inferior gute Kollateralisierung über Riolansche Anastomose -»wenig Beschwerden Verschluß der A. mesenterica superior oder Truncus coeliacus Darmnekrosen Akuter Verschluß meist embolisch Klinik plötzlicher Abdominalschmerz, gesteigerte Peristaltik, evtl. blutige Durchfälle, fehlende Abwehrspannung, schlechtes Allgemeinbefinden Frühdiagnose und rasche operative Intervention sind entscheidend Letalität bei Mesenterialinfarkt sehr hoch

13.6.2 Nierenarterien

Nierenarterien

siehe Kapitel II. 11

s. Kap. II. 11

210 Funktionelle arterielle Durchblutungsstörungen

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

13.7 Funktionelle arterielle Durchblutungsstörungen E r k r a n k u n g e n mit Verengungsbereitschaft (Spasmus) und E r k r a n k u n g e n mit Erweiterungsbereitschaft (Dilatation) von Arterien, Arteriolen und Kapillaren, teilweise auch der Venolen werden als funktionelle Durchblutungsstörungen bezeichnet.

Raynaud-Syndrom

13.7.1 Raynaud-Syndrom

Definition anfallsartig auftretende Vasospastik akra ler Gefäße, durch Kälte oder Stress induziert, durch Wärme oder pharmakologisch gelöst

Definition Definitionsgemäß wird unter einem R a y n a u d - S y n d r o m eine anfallsartig auftretende Vasospastik der akralen G e f ä ß e an H ä n d e n und Beinen verstanden. D a b e i werden ein sogenanntes „primäres" von einem „sekundären" R a y n a u d - S y n d r o m unterschieden. Beide werden bei gleicher Symptomatologie durch Kälte o d e r Stress induziert und k ö n n e n unter Wärmeeinfluß o d e r pharmakologisch gelöst werden. Ein primäres Raynaud-Syndrom ist durch eine Vasospastik gekennzeichnet. Unter einem s e k u n d ä r e n R a y n a u d - S y n d r o m werden vasospastische P h ä n o m e n e bei gleichzeitigem Nachweis einer G r u n d e r k r a n kung o d e r eines Fingerarterienverschlusses verstanden. Bei akraler Dauerischämie durch Fingerarterienverschlüsse o h n e gleichzeitigen Vas o s p a s m s darf nicht von einem R a y n a u d - S y n d r o m gesprochen werden.

Ätiologie und Pathogenese Kälteempfindlichkeit der Gefäßwand lokale Konzentration vasokonstriktiver Substanzen dienzephale Fehlsteuerung der Gefäßweite erhöhter autonomer und sympathischer Gefäßtonus

Ursachen - Kollagenosen, Systemerkrankungen (Tab.ll-13) - Arbeit mit vibrierenden Geräten, - PVC-Herstellung

Ätiologie und Pathogenese Eine a b n o r m e Kälteempfindlichkeit der G e f ä ß w a n d , die lokale Konzentration vasokonstriktiver Substanzen, eine dienzephale Fehlsteuerung der Gefäßweite und ein e r h ö h t e r a u t o n o m e r und sympathischer G e f ä ß t o n u s sind die pathophysiologischen Grundlagen, die ein v o r ü b e r g e h e n d e s Absinken des digitalen Perfusionsdruckes u n t e r den kritischen Gefäßverschlußdruck bewirken. Im Bereich der terminalen S t r o m b a h n k o m m t es zu einer E r h ö hung der Plasmaviskosität, Verminderung der Erythrozytenflexibilität und Steigerung der Erythrozytenaggregation mit konsekutiver Strömungsverlangsamung des Erythrozytenflusses und zeitweisen Stase im Kapillarbereich. H ä u f i g e Ursachen eines s e k u n d ä r e n R a y n a u d - S y n d r o m s sind Kollagenosen und Systemerkrankungen (Tab. 11-13). Arbeitsmedizinisch relevant ist das R a y n a u d - S y n d r o m nach langjähriger A r b e i t mit vibrierenden G e r ä t e n o d e r in der PVC-Herstellung. Tabelle 11-13 Mögliche Ursachen eines sekundären Raynaud-Syndroms Kollagenosen Arterienversch I üsse Neurologische Erkrankungen Endokrinologische Erkrankungen Medikamenteninduktion Paraneoplastische Syndrome

Schultergürtelsyndrome Venöse Verschlüsse Hämatogene Erkrankungen Intoxikationen Traumata arterielle Gefäßdysplasien

Häufigkeit Überwiegend Frauen 15.-40. Lebensjahr Inzidenz für primäres Raynaud-Syndrom 8% der Gesamtbevölkerung

Häufigkeit Überwiegend tritt das R a y n a u d - S y n d r o m bei F r a u e n (Geschlechtsverhältnis 5 : 1 ) zwischen d e m 15. und 40. L e b e n s j a h r auf. D i e Inzidenz ist hoch und liegt f ü r das primäre R a y n a u d - S y n d r o m bei etwa 8% der Gesamtbevölkerung.

Klinik - Anfallsartig, überwiegend bilateral zweiter bis fünfter oder einzelne Finger initiale Zyanose

Klinik Anfallsartige, überwiegend bilaterale Verfärbung meist im Bereich der zweiten bis fünften Finger o d e r nur auf einzelne Finger beschränkt. Selten sind D a u m e n o d e r Z e h e n befallen. Einer initialen Zyanose folgt in der R e -

Arterielle Gefäßerkrankungen

211

gel eine ausgeprägte Weißverfärbung und später eine überschießende Rötung. In etwa einem Drittel aller Fälle kommt es aber nur zu einer anfallsweisen Zyanose oder Weißverfärbung. Der Raynaud-Anfall kann mit Parästhesien und akral lokalisierten Schmerzen einhergehen. Nekrosen kommen beim Raynaud-Syndrom nur vor, wenn gleichzeitig ein Gefäßverschluß besteht.

-

Weißverfärbung überschießende Rötung Parästhesien und akrale Schmerzen Nekrosen nur bei Gefäßverschluß

Diagnostik Die Diagnose eines Raynaud-Syndroms wird aufgrund der klinischen Befunde gestellt und durch den apparativen Nachweis von Vasospasmen bei standardisierten Kälteprovokations- und Wärmetests (z.B. UltraschallDoppler-Sonographie) gesichert. Ohne Provokationstest ist eine Differenzierung organischer von funktionellen Durchblutungsstörungen nicht möglich. Für die Routinediagnostik empfiehlt sich eine Kälteprovokation durch Eiswasser mit einer Temperatur von + 10 °C für die Dauer einer Minute. Dopplersonographisch führt Kälteexposition zu einem Abfall des systolischen Fingerarteriendruckes um mehr als 50% vom Ausgangswert. Ohne arterielle Vasospastik werden unter Kälteeinfluß nur geringfügige Druckabnahmen um maximal 10% vom Ausgangswert beobachtet. Thermographisch ist nach Kälteexposition die Wiedererwärmungszeit mit mehr als 20-30 Minuten deutlich verzögert. Bei Gesunden erfolgt die Wiedererwärmung bereits nach 10-20 Minuten. Kapillarmikroskopisch kann unter Kälteprovokation der Flußstillstand der Erythrozytensäulen in den Kapillaren und seine Dauer belegt werden. Ein zweifelsfreier Ausschluß oder Nachweis eines Fingerarterienverschlusses ist jedoch nur angiographisch möglich. Die Diagnostik eines Raynaud-Syndroms muß eine umfassende klinische Untersuchung zum Ausschluß möglicher Grunderkrankungen einschließen (Tab. 11-13). • Bei Kollagenosen kann das Raynaud-Syndrom als Früh- und Leitsymptom den übrigen klinischen Manifestationen um 5-10 Jahre vorausgehen. Eine Schlüsselposition bei der Frühdiagnose von Kollagenosen besitzt die Kapillarmikroskopie. Bei Nachweis krankheitstypischer Megakapillaren, einer Kapillarverminderung, avaskulären Feldern und einer perlmuttartigen Transparenzminderung des Hintergrundes ist die Diagnose einer Kollagenose wahrscheinlich.

Diagnostik Kälteprovokations- und Wärmetests Ohne Provokationstest Differenzierung organischer von funktionellen Durchblutungsstörungen nicht möglich Eiswasser + 10°C für eine Minute Dopplersonographie

Thermographie Kapillarmikroskopie

umfassende klinische Untersuchung zum Ausschluß möglicher Grundkrankheiten Bei Kollagenosen ist Raynaud-S. Frühund Leitsymptom Frühdiagnose von Kollagenosen durch Kapillarmikroskopie

Differentialdiagnostik Wichtig ist eine neurologische, orthopädische und internistische, nicht nur angiologische Untersuchung der Patienten zur genauen differentialdiagnostischen Zuordnung. Therapie 1. Ein Raynaud-Anfall ist nicht behandlungsbedürftig, wenn er seltener als ein- bis zweimal pro Woche für etwa 15 bis 30 Minuten auftritt. Werden häufigere Anfälle beobachtet, sind die Grundlage jeder Anfallsprophylaxe ein verläßlicher Kälteschutz und die Vermeidung von Nässeexposition. Besteht der Verdacht auf Induktion der Raynaud-Anfälle durch Betablocker, hormonelle Kontrazeptiva oder Ergotaminderivate, so sind diese Substanzen nicht mehr zu geben. Manchmal kann ein autogenes Training, eine Gesprächstherapie oder eine Psychoanalyse zu einer Reduktion oder einem Verlust der Raynaud-Anfälle führen, weil speziell chronische Konfliktsituationen die Zahl und den Schweregrad von Raynaud-Anfällen erhöhen können. Für einen Teil der Patienten kann eine Umschulung oder ein Arbeitsplatzwechsel sinnvoll sein. Medikamentös ist eine Anfallsprophylaxe mit lokal applizierten Nitroglyzerinpräparaten, systemischer Gabe von Kalziumantagonisten und unter Umständen auch mit einigen vasoaktiven Substanzen möglich. 2. Raynaud-Syndromen mit gleichzeitigen Fingerarterienverschlüssen, Nekrosen und akral lokalisierten Schmerzen sollte eine intravenöse Langzeittherapie mit vasoaktiven Pharmaka, PGE] oder Dextranen erfolgen. Es gelingt damit fast immer, Fingeramputationen zu vermeiden.

Therapie nicht behandlungsbedürftig, wenn seltener als ein- bis zweimal pro Woche für 15-30 min Anfallsprophylaxe durch Kälteschutz und Vermeidung von Nässeexposition medikamentöse Anfallsprophylaxe: - lokale Nitroglyzerinpräparate - systemisch Kalziumantagonisten - vasoaktive Substanzen

Bei gleichzeitigen Fingerarterienverschlüssen, Nekrosen und Schmerzen i.v. Langzeittherapie mit vasoaktiven Pharmaka, PGE-i oder Dextranen

212 Sympathektomie ist indiziert, wenn konservative Behandlung erfolglos ist und Fingerarterienverschlüsse vorliegen

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems Eine Sympathektomie ist nur dann indiziert, wenn eine konservative Behandlung erfolglos bleibt und Fingerarterienverschlüsse vorliegen. Prognose Bei primärem Raynaud-Syndrom gut, während die Grunderkrankung den Verlauf des sekundären Raynaud-Syndroms beeinflußt.

Ergotismus

13.7.2 Ergotismus Definition Als Ergotismus bezeichnet man eine Intoxikation mit Alkaloiden des Mutterkorns, die zu spastischen, segmentären Stenosen an muskulären Stammarterien, nicht aber an Gefäßen vom elastischen Typ führt.

Ätiologie Ergotamintartrathaltige Medikamente, hydrierte Mutterkornalkaloide nicht epidemische Form durch Claviceps purpurea

Ätiologie Ergotamintartrathaltige Medikamente können einen Ergotismus auslösen, hydrierte Mutterkornalkaloide führen dagegen nicht zu arteriellen Spasmen. Durch Überladung des Getreides mit Mutterkornalkaloiden nach Verseuchung des Getreides mit Claviceps purpurea wurde die epidemische Form des Ergotismus verursacht.

Häufigkeit sporadische Form selten überwiegend jüngere Frauen

Häufigkeit Die sporadische Form des Ergotismus stellt ein seltenes Krankheitsbild dar. Es erkranken überwiegend jüngere Frauen, weil sie besonders häufig ergotaminhaltige Medikamente einnehmen. Die epidemische Form wurde selbst im 20. Jahrhundert noch beobachtet. Bei Getreide aus biologischem Anbau besteht eine vermehrte Gefährdung durch Überladung an Mutterkornalkaloiden.

Klinik - Spasmen, konsekutiv Gefäßverschlüsse häufig untere Gliedmaßen - Fortschreiten bis Gangrän und Amputation möglich

Klinik Die ischämischen, durch Spasmen und konsekutive Gefäßverschlüsse verursachten Symptome betreffen häufig die unteren Gliedmaßen. Beginn der Symptomatik mit einer Claudicatio intermittens ist möglich. Wird die Ursache nicht erkannt, ist ein Fortschreiten der Symptomatik bis zur Gangrän mit gegebenenfalls Amputation zu erwarten.

Diagnostik - Medikamenten-/Nahrungsanamnese - toxikologische Ergotamin-Bestimmung - Stenosen

Diagnostik • Die Medikamenten- und Nahrungsanamnese ist wegweisend, eine toxikologische Ergotamin-Bestimmung im Serum beweisend für die Diagnose. Bei der klinischen Untersuchung finden sich Bilder wie bei einer arteriellen Verschlußkrankheit. Differentialdiagnostik Thrombangiitis obliterans, Erfrierungen, Sudeck-Dystrophie, Vibrationssyndrome.

Therapie Absetzen ergotamintartrathaltiger Medikamente Vasodilatierende Subst. (z.B. PGE^ Chirurgische Maßnahmen kontraindiziert

Therapie Absetzen der ergotaminartrathaltigen Medikamente. Wenn notwendig, ist eine zusätzliche Gabe von vasodilatierenden Substanzen (z.B. PGEj. CaAntagonisten) oder vasoaktiven Pharmaka möglich. Chirurgische Maßnahmen sind kontraindiziert, da sie die Symptomatik verschlimmern oder erfolglos sind.

Prognose Bei frühem Erkennen voll reversibel

Prognose Bei frühem Erkennen der Erkrankung sind die Arterienspasmen nach Absetzen der Medikation vollständig reversibel.

Akrozyanose

13.7.3 Akrozyanose

Definition atonisch-hypertone Dysregulation der terminalen Strombahn

Definition Permanent anhaltende atonisch-hypertone Dysregulation der terminalen Strombahn, bei welcher die Arteriolen und afferenten Kapillarschenkel

213

Arterielle Gefäßerkrankungen enggestellt sind, während Venolen und efferente Kapillarschenkel weitgestellt werden. Ätiologie Die Pathogenese ist weitgehend unklar.

Ätiologie weitgehend unklar, dienzephale, konstitutionelle und endokrine Faktoren Häufigkeit selten, gehäuft bei Frauen im zweiten Dezennium und im Klimakterium

Häufigkeit Die Akrozyanose ist eine seltene Erkrankung, sie tritt gehäuft bei Frauen im zweiten Dezennium und im Klimakterium auf. Klinik Dauernde rötlich-livide, überwiegend bilateral-symmetrisch, teils aber auch fleckförmige Verfärbung der Akren. Neben einer Hyperhidrosis und Parästhesien können bei starker Ausprägung schmerzhafte Rhagaden mit geringer Heilungstendenz nachweisbar sein. Fingerkuppennekrosen kommen bei der Akrozyanose nicht vor.

Klinik - rötlich-livide, bilateral-symmetrisch, teils fleckförmig - Hyperhidrosis und Parästhesien - schmerzhafte Rhagaden - keine Fingerkuppennekrosen

Diagnostik Die Diagnose ist aufgrund des typischen klinischen Befundes zu stellen. Die arteriellen Pulse sind unauffällig palpabel. Positives Irisblenden-Phänomen. Kapillarmikroskopisch läßt sich die Diagnose bestätigen.

Diagnostik arterielle Pulse unauffällig palpabel Positives Irisblenden-Phänomen Kapillarmikroskopie

Differentialdiagnostik Verschiedene pulmonale und kardiale Erkrankungen mit zyanotischen Akren sind von einer Akrozyanose abzugrenzen. Polyglobulien oder die Akrodermatitis atrophicans Pick-Herxheimer können ebenfalls mit akraler Lividverfärbung einhergehen.

Differentia Id iag nosti k pulmonale und kardiale Erkrankungen Polyglobulien Akrodermatitis atrophicans

Therapie Eine physikalische Behandlung mit Kälteschutz und Hochlagerung ist in der Regel ausreichend.

Therapie Kausaltherapie nicht möglich und nötig Kälteschutz und Hochlagerung

Prognose Die Erkrankung neigt zur spontanen Besserung.

Prognose spontane Besserung

13.7.4 Erythromelalgie

Erythromelalgie

Definition Die Erythromelalgie ist eine durch Wärme induzierte, anfallsartig auftretende, schmerzhafte, hyperämische Rötung mit Schwellungsneigung der Haut besonders an den Beinen. Bei Überschreiten einer kritischen Temperaturgrenze ( + 32 bis + 36 °C) kommt es zu einer anfallsweise auftretenden Erweiterung von Arteriolen, Kapillaren und Venolen.

Definition - Wärme induziert ( + 32 bis + 36°C) - anfallsartig - schmerzhafte hyperämische Rötung - Schwellungsneigung der Beine

Ätiologie Die Ätiologie ist unklar. Die primäre idiopathische Form der Erythromelalgie wird von der sekundären Form bei Vaskulitiden, Diabetes mellitus, Gicht, Hypertonie, Thrombangiitis obliterans, Polyglobulie und der Polycythaemia vera oder nach Sympathektomie unterschieden.

Ätiologie Ätiologie unklar primäre idiopathische Form sekundäre Form

Häufigkeit

Häufigkeit selten

Beide Formen sind sehr selten. Klinik Anfallsweise auftretende, oft symmetrische, schmerzhafte akrale Rötung und Schwellung bei Wärmeexposition ( + 32 bis +36°C). Die Fußsohlen sind häufiger befallen als die Handflächen. Die Anfallsdauer beträgt Minuten bis Stunden. Trophische Störungen treten nicht auf. Eine Milderung der Beschwerden tritt durch Abkühlung oder Elevation der Extremität auf. Diagnostik Die Diagnose ist aus dem typischen klinischen Befund zu stellen. Ein an-

Klinik Anfallsweise, oft symmetrisch, schmerzhafte Rötung, Schwellung bei Wärmeexposition Fußsohlen häufiger als Handflächen Anfallsdauer Minuten bis Stunden keine trophischen Störungen Diagnostik typischer klinischer Befund

214

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

Provokationstest: ansteigendes Wärmebad

steigendes Wärmebad als Provokationstest löst die typischen Symptome bei Überschreiten der kritischen Temperaturgrenze aus.

Differentialdiagnostik Neuritiden, Kausalgie, Palmarerythem bei Leberzirrhose

Differentialdiagnostik Neuritiden, eine Kausalgie, das Palmarerythem bei Leberzirrhose können mit einem ähnlichen klinischen Bild einhergehen.

Therapie - Azetylsalizylsäure - Teilbäder mit steigender Temperatur

Therapie Durch Einnahme von Azetylsalizylsäure sowie einem Gefäßtraining durch systematische Teilbäder mit steigender Temperatur läßt sich die Anfallshäufigkeit deutlich reduzieren.

Prognose gut, keine trophischen Störungen Spontanremission möglich

Prognose Die Langzeitprognose ist gut, Spontanremissionen sind möglich.

Gefäßmißbildungen

13.8 Gefäßmißbildungen Definition Als Angiodysplasien werden alle angeborene Mißbildungen des Gefäßsystems - Aplasien, Hypoplasien, Hypertrophien - zusammengefaßt. Angiome sind angeborene Mißbildungen, die infolge des erhöhten intravasalen Druckes durch Gefäßerweiterungen an Größe zunehmen.

Häufigkeit selten Klinisch relevant: Klippel-Trenaunay-Syndrom

Häufigkeit Arterielle Angiodysplasien sind selten. Im Venenklappensystem der unteren Extremitäten treten häufiger Aplasien oder Hypoplasien auf. Klinisch relevant ist das Klippel-Trenaunay-Syndrom.

Klinik Abhängig von der Lokalisation im Venensystem sekundäre chronisch-venöse Insuffizienz Klippel-Trenaunay-Syndrom: - Naevus flammeus - variköse Venenerweiterungen - Hypertrophie Weichteile/Knochen

Klinik Die klinische Symptomatik entwickelt sich in Abhängigkeit von der Lokalisation bei Fehlanlage oder Hypoplasie im arteriellen System, bei Fehlanlage im Venensystem kommt es nach der Pubertät zu einer sekundären chronisch-venösen Insuffizienz. Das Klippel-Trenaunay-Syndrom besteht aus einem Naevus flammeus, varikösen Venenerweiterungen, Hypertrophie von Weichteilen und Knochen des betroffenen Körperteils als Mißbildungsentität.

Arteriovenöse Fisteln

13.9 Arteriovenöse Fisteln

Definition pathologischer Kurzschluß zwischen großen oder kleinen Arterien und Venen ohne Regulation durch Organismus

Definition Eine arteriovenöse Fistel (Av-Fistel) ist ein pathologischer Kurzschluß zwischen großen oder kleinen Arterien und Venen, der keiner Regulation durch den Organismus unterliegt.

Ätiologie angeboren erworben

Ätiologie und Pathophysiologic Es werden angeborene (kongenitale) von erworbenen arteriovenösen Fisteln differenziert. Bei den kongenitalen handelt es sich meist um multiple, kleinkalibrige arteriovenöse Fisteln, während die erworbenen Kurzschlußverbindungen verschiedenste Kaliber aufweisen. Av-Fisteln induzieren pathophysiologisch aufgrund des Druckgefälles zwischen Arterie und Vene ein Shuntvolumen, das in Abhängigkeit von Lokalisation und Kaliber einer arteriovenösen Fistel durch eine dauernde Volumenbelastung mit konsekutiver Steigerung von Schlag- und Herzminutenvolumen die Ursache einer Herzinsuffizienz sein kann.

Shuntvolumen: —> dauernde Volumenbelastung Steigerung des Herzminutenvolumens —> Herzinsuffizienz

Klinik - lange Latenzzeit - Haut im Fistelbereich überwärmt, ödematös geschwollen, Turbulenzen als Schwirren palpabel

Klinik Arteriovenöse Fisteln manifestieren sich teilweise erst nach langer Latenzzeit. Die Haut ist im Fistelbereich überwärmt und ödematös geschwollen, Turbulenzen in den Av-Fisteln sind als Schwirren palpabel. Auskultatorisch besteht ein kontinuierliches systolisch-diastolisches Geräusch. Als

Venöse Gefäßerkrankungen Folge der chronischen Volumenbelastung hypertrophiert das Myokard nach teilweise jahrelanger Latenzzeit. Myokardiale Insuffizienzzeichen können auftreten. Im arteriellen Gefäßsystem ist distal der Fistel die Durchblutung vermindert, im venösen Gebiet kommt es konsekutiv zur venösen Hypertonie, die auch zur chronisch-venösen Insuffizienz mit Entwicklung von Ulcera cruris führen kann. Bei enger topographischer Beziehung zu Epiphysenfugen ist bei kongenitalen Av-Fisteln ein vermehrtes Längenwachstum von Röhrenknochen möglich.

215 systolisch-diastolisches Geräusch myokardiale Insuffizienzzeichen Durchblutung vermindert chronisch-venöse Insuffizienz bei kongenitalen Av-Fisteln vermehrtes Längenwachstum von Röhrenknochen

Diagnostik Bei der Palpation, Auskultation und dopplersonographisch ist ein systolisch-diastolisches, hochfrequentes, mehrgipfliges schwirrendes Geräusch im Fistelbereich nachweisbar. Die 0 2 -Sättigung im venösen Blut ist erhöht. Angiographisch lassen sich das Shuntvolumen einer arteriovenösen Fistel quantifizieren und die Morphologie dokumentieren.

Diagnostik systolisch-diastolisches, hochfrequentes, mehrgipfliges schwirrendes Geräusch 0 2 -Sättigung im venösen Blut erhöht

Therapie Bei größeren arteriovenösen Fisteln ist die operative Beseitigung der arteriovenösen Verbindung notwendig. Ein Verschluß der Av-Fistel kann auch durch gezielte Thrombosierung oder Embolisation erreicht werden. Prognose Bei großen Fisteln ohne operative Beseitigung ist die Prognose wegen der zunehmenden Rechtsherzbelastung schlecht, nach Fistelverschluß gut.

Therapie - Spontanheilung nicht möglich - operative Beseitigung - Rekonstruktion der arteriellen Strombahn - gezielte Thrombosierung oder Embolisation Prognose nach Fistelverschluß gut

14 Venöse Gefäßerkrankungen

Venöse Gefäßerkrankungen

J. Ranft, H. Heid rieh 14.1 V e n e n t h r o m b o s e n 14.1.1 Thrombophlebitis

Thrombophlebitis

Definition Als Thrombophlebitis wird der thrombotische Verschluß subkutaner und epifaszialer Venen mit entzündlicher Gefäßwandreaktion bezeichnet.

Definition thrombotischer Verschluß subkutaner und epifaszialer Venen mit Gefäßwandentzündung Ätiologie und Pathogenese Strömungsverlangsamung, Gefäßwandschädigung selten infektiöse Thrombophlebitiden

Ätiologie und Pathogenese Strömungsverlangsamung und Gefäßwandschädigung sind die wesentlichen pathophysiologischen Grundlagen der Thrombophlebitis, während die Hyperkoagulabilität von untergeordneter Bedeutung ist. Seltener sind infektiöse Thrombophlebitiden in der Umgebung infizierter Wunden oder spezifische Reaktionen bei Lues oder Tuberkulose. Klinik Die Thrombophlebitis ist stets sieht- und tastbar, fast immer schmerzhaft. Sie imponiert klinisch als geröteter, überwärmter, druckempfindlicher Bezirk, teils als Knoten oder Strang palpabel, teils indurativ mit ödematös veränderter Umgebungsreaktion. Der Thrombus ist meist fest mit der Intima verwachsen, Embolien treten nicht auf. • Eine Sonderstellung nimmt die aszendierende Thrombophlebitis der V.saphena magna im Oberschenkelbereich ein, bei der sowohl Embolisationen in die Lunge als auch ein Fortschreiten auf das tiefe Venensystem an der sapheno-femoralen Mündungsstelle möglich sind.

Klinik - sieht- und tastbar, schmerzhaft - gerötet, überwärmt, druckempfindlich, - als Knoten oder Strang palpabel, - Embolien treten nicht auf

Diagnostik Die klinische Untersuchung ist in der Regel ausreichend. Bei Verdacht auf das Vorliegen einer septischen oder spezifischen Thrombophlebitis ist eine umfassende internistische Ursachenklärung notwendig.

Diagnostik klinische Untersuchung ausreichend bei septischer oder spezifischer T. internistische Ursachenklärung notwendig

Sonderstellung: Thrombophlebitis der v. saphena magna, sowohl Embolisationen als auch Fortschreiten in tiefes Venensystem möglich

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II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems Differentialdiagnostik Eine Lymphangitis o d e r ein Erysipel k ö n n e n im Anfangsstadium einer Thrombophlebitis ähneln.

Therapie Antiphlogistikatherapie, Kompressionsbehandlung und aktive Bewegung Antibiotika nur bei septischer T.

Therapie E i n e lokale und systemische Antiphlogistikatherapie und Kompressionsbehandlung und aktive Bewegung reichen im Normalfall aus. Eine Immobilisierung der b e t r o f f e n e n Extremität ist kontraindiziert, da sonst ein appositionelles T h r o m b e n w a c h s t u m , ein Fortschreiten in das tiefe Venensystem gefördert würde.

Prognose In der Regel ohne Komplikation restitutio ad integrum Sepsis und lokale Ulzeration Bettruhe kontraindiziert Sonderform: Thrombophlebitis migrans (saltans) segmental, mit rezidivierenden, multifokalen Phlebitiden Meist Beine, seltener Arme - ohne Grunderkrankung - bei akuten und chronischen Infekten - bei entzündlichen Angiopathien: Thrombangiitis obliterans, Μ. Behget Häufung bei Männern mittleren Alters

Prognose In der Regel verläuft die E r k r a n k u n g komplikationslos mit restitutio ad integrum. Sepsis und lokale Ulzeration sind selten. S o n d e r f o r m der Thrombophlebitis: D i e Thrombophlebitis migrans (saltans) ist eine segmental ablaufende E n t zündungsreaktion der G e f ä ß w a n d mit rezidivierenden, multifokalen Phlebitiden in nicht varikös veränderten Venen. Meist sind die Beine, seltener die A r m e betroffen. Sie kommt sowohl isoliert o h n e G r u n d e r k r a n k u n g , bei akuten und chronischen Infekten wie auch als S y m p t o m einer entzündlichen Angiopathie (Thrombangiitis obliterans, Μ. Behget) vor und kann dieser um Jahre vorausgehen. M ä n n e r im mittleren A l t e r e r k r a n k e n gehäuft.

Phlebothrombose

14.1.2 Phlebothrombose Im Gegensatz zur Thrombophlebitis besteht bei der tiefen Phlebot h r o m b o s e besonders bei Lokalisation im Oberschenkel- o d e r Beckenbereich die G e f a h r einer Lungenembolie.

unbehandelt postthrombotisches Syndrom ernstes Krankheitsbild

D a sich unbehandelt in der Regel D a u e r s c h ä d e n in Form eines postthrombotischen Syndroms entwickeln, handelt es sich bei der P h l e b o t h r o m b o s e um ein ernstes Krankheitsbild.

Definition inkompletter oder kompletter thromboti scher Verschluß im tiefen Venensystem

Definition Als P h l e b o t h r o m b o s e wird ein inkompletter o d e r kompletter thrombotischer Verschluß im tiefen Venensystem bezeichnet.

Ätiologie und Pathogenese erythrozytenreiche Gerinnungs- oder Fibrinthromben Virchowsche Trias: - Gefäßwandschädigung - Hypozirkulation oder Stase - Hyperkoagulabilität

Ätiologie und Pathogenese Während im arteriellen System hauptsächlich thrombozytenreiche A b scheidungsthromben v o r k o m m e n , überwiegen im venösen System erythrozytenreiche Gerinnungs- o d e r Fibrinthromben. Noch immer gilt f ü r die pathogenetischen und prophylaktischen Überlegungen des venösen Gerinnungsthrombus die Virchowsche Trias: Gefäßwandschädigung, Hypozirkulation oder Stase des Blutstroms und Veränderungen der Blutzusammensetzung mit Neigung zur Hyperkoagulabilität. - Die Gefäßwandschädigung kann traumatisch, degenerativ, entzündlich, allergisch, hyperergisch oder iatrogen bedingt sein. - Eine Verlangsamung der Strömungsgeschwindigkeit des Blutes ist bei Immobilität o d e r Immobilisation (Bettlägerigkeit, Fraktur, postoperativ, postpartal, langem Sitzen mit angewinkelten Beinen [„Reisethrombose"]), rechtsmyokardialer Insuffizienz, bei Varikosis, Adipositas, lokalen A b f l u ß b e h i n d e r u n g e n und Gravidität zu erwarten. - Rheologische Veränderungen mit Neigung zur Hyperkoagulabilität treten bei a n g e b o r e n e m oder e r w o r b e n e m Antithrombin-III-Mangel, T h r o m b o z y t o s e n unterschiedlicher Ätiologie, aber auch gesteigerter Thrombozytenaggregation und -adhäsion bei normaler T h r o m b o z y t e n zahl im R a h m e n von Infektionskrankheiten und malignen E r k r a n k u n gen auf. Die E i n n a h m e oraler Kontrazeptiva gilt ebenfalls als relativer Risikofaktor.

Venöse Gefäßerkrankungen Häufigkeit Phlebothrombosen sind überwiegend im Bein-Becken-Bereich lokalisiert (95%). Bei etwa 2% aller Thrombosen sind die Venen der oberen Extremität und des Schultergürtels betroffen. Bei der Mehrzahl der Phlebothrombosen im Bein-Becken-Bereich handelt es sich um Thrombosen in mehreren Venenabschnitten. Meist ist der Unterschenkel (etwa 65%) in den thrombotischen Prozeß einbezogen, isolierte Oberschenkel- oder Beckenvenenthrombosen sind selten. Die Kompression der linken Beckenvene durch die rechte A.iliaca communis (Überkreuzungsphänomen) und bindegewebige Endothelveränderungen der Vena iliaca Ii. vor Einmündung in die V.cava inferior bei 20% (Venensporn nach May) bedingen die Häufung der linksseitigen phlebothrombotischen Prozesse im Beckenbereich im Verhältnis 2:1. Nach operativen Eingriffen ergibt sich eine große Variation in der Häufigkeit des Nachweises von Phlebothrombosen in Abhängigkeit von Selektion der Patienten und Untersuchungstechnik: nach allgemeinchirurgischen ist bei 10% der Patienten, nach abdominalen bei 25%, nach orthopädischen und neurochirurgischen Eingriffen bei bis zu 50% der Patienten mit dem Auftreten einer akuten Bein-Beckenvenenthrombose zu rechnen. Der größte Teil dieser Phlebothrombosen lysiert spontan, nur etwa '/, 0 wird klinisch manifest. Eine Rezidivthrombose nach akuter Bein-Beckenvenenthrombose ist im nachfolgenden 5-Jahres-Intervall bei 15% der Überlebenden zu erwarten.

217 Häufigkeit 95% im Bein-Becken-Bereich 2% A r m und Schultergürtel 65% Unterschenkelbeteiligung

20% Venensporn nach M a y Häufung linksseitiger phlebothrombotischer Prozesse i m Beckenbereich im Verhältnis 2:1 nach allgemeinchirurgischen ist bei 10% nach abdominalen bei 25%, nach orthopädischen und neurochirurgischen Eingriffen bis zu 50% mit Bein-Bekkenvenenthrombose zu rechnen Rezidivthrombose i m 5-Jahres-lntervall bei 15%

14.1.2.4 Bein-Beckenvenenthrombose

Bein-Beckenvenenthrombose

Klinik Die Thrombose der tiefen Bein-Beckenvenen ist durch ein breites klinisches Erscheinungsbild zwischen foudroyantem Verlauf und Symptomlosigkeit insbesondere bei bettlägerigen Patienten gekennzeichnet. Im Gegensatz zur absteigenden Beckenvenenthrombose mit rascher Schwellung des gesamten Beines sind aszendierende Thromboseformen mit appositionellem Wachstum nach proximal initial in der Regel symptomarm. Spezifische klinische Zeichen sind nicht nachweisbar. Eventuell besteht zu Beginn der Phlebothrombose eine ödematöse Schwellung des Unterschenkels mit glattglänzender Haut, im weiteren Verlauf ist der befallene Extremitätenabschnitt deutlich ödematös geschwollen, es besteht eine lokale Überwärmung, die Hautoberfläche ist leicht zyanotisch, die oberflächliche Venenzeichnung kann vermehrt sein. Das Aufsetzen des Fußes sowie die Dorsalflexion der Zehen sind schmerzhaft. Druckschmerz kann im Bereich des Adduktorenkanals oder in der Leiste nachweisbar sein, bei Palpation ist in der Tiefe der Muskulatur ein derber druckschmerzhafter Venenstrang tastbar.

Klinik Erscheinungsbild zwischen foudroyantem Verlauf und Symptomlosigkeit glattglänzende Haut Extremitätenabschnitt ödematös lokale Ü b e r w ä r m u n g Hautoberfläche leicht zyanotisch oberflächliche Venenzeichnung vermehrt Aufsetzen des Fußes, Dorsalflexion der Zehen schmerzhaft Druckschmerz Adduktorenkanal/Leiste derber, druckschmerzhafter Venenstrang

Diagnostik Die Inspektion kann bei bestehender Zyanose, Umfangsdifferenz und Vermehrung der oberflächlichen Venenzeichnung Hinweise auf das Vorliegen einer Venenthrombose geben. Bei Dorsalflexion des Fußes kann es bei einer Bein-Beckenvenenthrombose, zu einem akuten Wadenschmerz (Homansches Zeichen), bei Druck im mittleren Fußsohlenbereich zu plantarem Druckschmerz kommen (Payrsches Zeichen). Nach alleiniger klinischer Untersuchung ist aber die Wahrscheinlichkeit einer Fehldiagnose mit 40-50% auch bei geübten Untersuchern hoch. Inspektion, Palpation und Messung von Beinumfängen zur Erfassung von Umfangsdifferenzen weisen eine Sensitivität von bis zu 70%, aber geringe Spezifität von 30-60% auf. Somit bleibt die klinische Diagnose „akute Phlebothrombose" eine Verdachtsdiagnose. Wegen der drohenden thrombembolischen Komplikationen muß der begründete klinische Verdacht einer Phlebothrombose objektiviert werden: - Dopplersonographisch kann ein Verschluß der V. iliaca communis bzw. V.femoralis communis nachgewiesen werden, allerdings kann nur ein freier oder behinderter Abstrom diagnostiziert werden. Die Differenzie-

Diagnostik Zyanose, Umfangsdifferenz, Vermehrung der Venenzeichnung Homan-Zeichen Payr-Zeichen

alleinige klinische Untersuchung Fehldiagnose in 40-50% klinische Diagnose „ P h l e b o t h r o m b o s e " m u ß apparativ objektiviert w e r d e n

Dopplersonographie

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Plethysmographie

Radio-Fibrinogen-Test

Bein-Becken-Phlebographie

Hämostaseologische Untersuchungen bei jungen Patienten mit rezidiverenden Thrombophlebitiden, Thrombosen oder Lungenembolien

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems rung eines intravasalen Thrombus und einer Kompression von außen ist nicht möglich, Unterschenkelvenenthrombosen können nicht ausreichend sicher erfaßt werden. - Plethysmographische Verfahren (Bestimmung der venösen Kapazität und Messung des maximalen Abstromvolumens nach venöser Okklusion) können nur Oberschenkel- und Beckenvenenthrombosen objektivieren. - Der Radio-Fibrinogen-Test beruht auf der Inkorporation von i.v. appliziertem markiertem l25 J-Fibrinogen in den entstehenden Thrombus. Die rasche Diagnose einer manifesten Phlebothrombose ist mit diesem Verfahren nicht möglich, da die Einlagerung des 125 J-Fibrinogens in den möglichen Thrombus etwa einen Tag dauert. Im Beckenbereich ist der Radio-Fibrinogen-Test nicht anwendbar. - Die aszendierende Bein-Becken-Phlebographie ist das Diagnoseverfahren der Wahl zum sicheren Nachweis einer Phlebothrombose. Sie besitzt die höchste Sensitivität in der Diagnostik einer Phlebothrombose, erlaubt eine genaue Lokalisationserfassung und kann auch zur Verlaufsbeobachtung eingesetzt werden. Wenn therapeutisch eine Fibrinolyse oder Thrombektomie erwogen werden, muß eine phlebographische Untersuchung zur Objektivierung einer Phlebothrombose erfolgen. Kontraindiziert ist die Phlebographie bei Kontrastmittelallergie, Hyperthyreose und Gravidität. Hämostaseologische Untersuchungen (Fibrinogen, Thrombozytenzahl, Plättchenaggregation, Protein C, Protein S, Antithrombin III, Plasminogen, Plasminbildungskinetik, Stautest zum Nachweis von Plasminogenaktivator) sollten besonders bei jungen Patienten mit rezidivierenden Thrombophlebitiden, Thrombosen oder Lungenembolien durchgeführt werden. Differentialdiagnostik Posttraumatische Schwellungen, externe Kompression von Venen, eine insuffiziente Muskelpumpe bei Paresen oder ein Muskelriß, ein primäres und sekundäres Lymphödem. Erysipel oder Angioödem sowie ödematöse Schwellungen anderer Genese sind differentialdiagnostisch abzugrenzen.

Therapie Behandlungsziel: Thromben entfernen aszendierendes Wachstum verhindern postthrombotisches Syndrom vermeiden Anamnesedauer bis zu 5-10 Tage: systemische Fibrinolyse oder Thrombektomie Fibrinolytische Therapie in den ersten Tagen Beseitigung oder Teilrekanalisation in 70-80% subakut (7-14 Tage) vollständige Rekanalisation 20-35% partielle Rekanalisation 15-50%

Inzidenz von Lungenembolien durch Fibrinolyse nicht beeinflußt therapiebegrenzende Blutungen in 3% Letalität unter 1%

Therapie Ziel der Behandlung einer akuten Bein-Beckenvenenthrombose ist der Versuch, die Thromben zu entfernen und ein aszendierendes Wachstum der Thrombose zu verhindern. Thrombembolische Komplikationen und ein postthrombotisches Syndrom müssen vermieden werden. • Bei kurzer Anamnesedauer von bis zu 5-10 Tagen, in Ausnahmefällen bis zu drei Wochen, sollte versucht werden, die Venenthrombose in Abhängigkeit von der Lokalisation durch eine systemische Fibrinolyse oder operativ durch eine Thrombektomie zu beseitigen. • Die fibrinolytische Therapie der Bein-Beckenvenenthrombose in den ersten Tagen ermöglicht die Beseitigung der Thrombose oder eine Teilrekanalisation in 70-80%. Bei subakuten Bein- und Beckenvenenthrombosen (7-14 Tage) ist mit einer vollständigen Rekanalisation in 20-35% und einer partiellen Wiedereröffnung in 15-50% zu rechnen. Das Nutzen/Risiko-Verhältnis bei sogenannten Spätlysen (Lysebeginn > 14 Tage nach Thromboseentstehung) ist bislang noch nicht vollständig geklärt. Anamnesedauer, Lokalisation und Ausdehnung einer Thrombose sind für die Thrombolyserate wesentlicher als das Fibrinolyseverfahren. Die Inzidenz von Lungenembolien als Komplikation einer tiefen Beinvenenthrombose wird durch eine fibrinolytische Therapie nicht signifikant beeinflußt. Eingesetzt werden für die Fibrinolyse bislang vor allem Streptokinase und Urokinase in der Regel nach standardisierten Dosierungsschemata (s. 13.1.7.5). Heparin wird während der Lysephase zugefügt, wenn die Thrombinzeit unter das Dreifache der Norm absinkt. Durch Dosisanpassung ist eine optimierte Therapie mit geringem Blutungsrisiko möglich. Blutungen sind dennoch die wesentliche Nebenwirkung fibrinolytischer Therapien. Mit therapiebegrenzenden Blutungen ist in 3% zu rechnen.

Venöse Gefäßerkrankungen Die Letalität einer fibrinolytischen Therapie bei Beinvenenthrombosen liegt unter 1%. Kontraindikationen für eine systemische Fibrinolysebehandlung sind das Vorliegen einer hämorrhagischen Diathese, erosiven Gastritis oder Duodenitis, eines Ulcus ventriculi oder duodeni, entzündlicher oder maligner Erkrankungen, einer medikamentös nicht kompensierten Hypertonie (RR > 180/100mmHg), eine arterielle oder intramuskuläre Injektion in den letzten 7 Tagen, eine Operation oder Knochenfraktur, Gravidität, schwere Hepatopathie, Niereninsuffizienz oder Nephrolithiasis. • Die venöse Thrombektomie mittels Fogarty-Katheter mit und ohne Anlage einer temporären av-Fistel ist eine Alternative zur Fibrinolysebehandlung und zu erwägen bei Kontraindikation zur Fibrinolyse und immer indiziert bei Vorliegen einer Phlegmasia coerulea dolens. Die Rekanalisationsrate der Thrombektomie nimmt von proximal nach distal ab. • Minimaltherapie einer akuten Phlebothrombose sind eine Antikoagulation, das Einhalten von Bettruhe. Hochlagerung der Extremität und die Behandlung mit einem Kompressionsstrumpf. Sie ist nur dann sinnvoll, wenn eine fibrinolytische Behandlung oder ein operatives Vorgehen kontraindiziert, nicht sinnvoll oder nicht möglich ist. Die Antikoagulation, auch nach Fibrinolyse, erfolgt initial mit Heparin intravenös oder subkutan, möglichst als Vollheparinisierung mit etwa 25000-30000 E/die über insgesamt 10 Tage. Überlappend wird die Antikoagulation mit Kumarinen begonnen, bei einem Quick-Wert unter 30-35% erfolgen alleinige Phenprocoumon-Gaben. Nach einer ersten Phlebothrombose ohne Lungenembolie sollte die Antikoagulation für 3-6 Monate, bei einer Rezidivthrombose mit und ohne Lungenembolie für 12 Monate durchgeführt werden. Nur nach rezidivierenden Lungenembolien und bei rezidivierenden Phlebothrombosen ist eine lebenslange Dauerantikoagulation zu erwägen. Die funktionellen Ergebnisse einer alleinigen Antikoagulation sind schlecht. Bei ausgedehnter Beinvenenthrombose ist mit großer Wahrscheinlichkeit ein postthrombotisches Syndrom zu erwarten. Eine Spontanfibrinolyse ist selten und meist auf den Unterschenkelvenenbereich begrenzt. • Wickeln der Beine, 5-10 Tage strenge Bettruhe (Lungenembolie!), Kompressionsstrümpfe sollten über Jahre getragen werden. • Eine Prophylaxe thrombotischer Erkrankungen ist bei operativen Eingriffen, Krankheitsbildern mit längerer Bettlägerigkeit sowie rezidivierenden Phlebothrombosen notwendig. Zur Prophylaxe sind physikalische (Frühmobilisation, Kompressionsbehandlung) und medikamentöse Maßnahmen (Low-dose-Heparin. Kumarine) geeignet. • Die Indikation zur mechanischen Lungenembolie-Prophylaxe mit CavaSchirm, -plikatur oder -Ligatur ergibt sich nur bei rezidivierenden Lungenembolien trotz guter Antikoagulation und bei strengen Kontraindikationen gegen Antikoagulantien wie rezidivierendem subduralem Hämatom, blutenden Ösophagusvarizen und nicht behebbaren und anderen Blutungsquellen. Prognose Lungenembolien sowie das postthrombotische Syndrom sind die typischen Komplikationen bzw. Spätfolgen einer Phlebothrombose. Verschlüsse der Viliaca, V. femoralis, V.poplitea sowie Mehretagenverschlüsse führen häufig zu postthrombotischen Veränderungen, während ein postthrombotisches Syndrom bei isolierter Unterschenkelvenenthrombose selten ist. Im Einzelfall können auch ausgedehnte Mehretagenthrombosen ohne postthrombotisches Syndrom einhergehen. Die Lebenserwartung ist nach tiefer Bein-Beckenvenenthrombose verkürzt. Eine auf das Dreifache erhöhte Mortalität ist auf Thrombembolien bei Rezidivthrombose, Myokardinfarkte und maligne Erkrankungen zurückzuführen.

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Kontraindikationen

Thrombektomie als Alternative zur Fibrinolysebehandlung immer indiziert bei Phlegmasia coerulea dolens

Minimaltherapie - Antikoagulation - Bettruhe - Hochlagerung der Extremität - Kompressionsstrumpf Antikoagulation: initial möglichst Vollheparinisierung 25000-30000 E/die über 10 Tage dann Koumarine funktionelle Ergebnisse bei alleiniger Antikoagulation schlecht

erkrankte Beine wickeln 5-10 Tage strenge Bettruhe Prophylaxe physikalische Maßnahmen: Frühmobilisation, Kompression medikamentöse Maßnahmen: Low-dose-Heparin, Koumarine mechanische Lungenembolie-Prophylaxe

Prognose Komplikationen: - Lungenembolie - postthrombotisches Syndrom

Lebenserwartung verkürzt

220

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

Phlegmasia coerulea dolens

14.1.2.5 Phlegmasia coerulea dolens

Verschluß aller Venen, konsekutiv der Arterien Ohne Rekanalisation hämorrhagische Blasen, es droht arterielle und venöse Gangrän mit konsekutiver Amputation

Der thrombotische Verschluß aller Venen und konsekutiv der Arterien einer Extremität wird als Phlegmasia coerulea dolens bezeichnet und wegen der Schwere der Symptomatik und der Notwendigkeit des raschen therapeutischen Handelns als eigenständiges Krankheitsbild aufgefaßt. Auch bei Hochlagerung nehmen Schwellung, Zyanose und Schmerz in der Extremität schnell zu. Ohne Rekanalisationsversuch (Thrombektomie oder Fibrinolye) treten hämorrhagische Blasen auf, es droht die arterielle und venöse Gangrän mit konsekutiver Amputation.

Thrombose der Vena cava inferior

14.1.2.6 Thrombose der Vena cava inferior

meist aszendierend, appositionell aus V. iliaca

Die Thrombose der Vena cava inferior entsteht meist durch aszendierendes, appositionelles Thrombenwachstum aus dem Bereich der V. iliaca communis. Bei Befall der Nierenvenen sind Albuminurie, bei ungünstigem Verlauf auch eine Niereninsuffizienz nachweisbar. Bei einer Cavavenenthrombose im subdiaphragmalen Bereich verursacht die Beteiligung der hepatischen Venen eine Hepatosplenomegalie, einen Aszites und Ikterus (Budd-Chiari-Syndrom).

bei ungünstigem Verlauf: Niereninsuffizienz Budd-Chiari-Syndrom

Paget-von-Schroetter-Syndrom

14.1.2.7 Axillar-Subclaviavenenthrombose (Paget-von-Schroetter-Syndrom) Die Thrombose der V. subclavia und axillaris hat hinsichtlich ihres Thrombembolie-Risikos und ihren Spätfolgen einen völlig anderen Stellenwert als die Bein-Beckenvenenthrombose. Definition Eine Thrombose im Bereich der Vena subclavia und axillaris wird als Paget-von Schroetter-Syndrom bezeichnet.

Ätiologie spontan, durch externe Kompression Venenverweilkatheter Okklusion V.cava superior

Ätiologie Die Axillar-Subclaviavenenthrombose kann spontan auftreten, durch externe Gefäßkompression, Venenverweilkatheter oder durch Okklusion im Bereich der Vena cava superior hervorgerufen werden.

Häufigkeit 2% aller Phlebothrombosen

Häufigkeit Lediglich 2% aller tiefen Phlebothrombosen sind an den oberen Extremitäten lokalisiert. Bei der Thrombose der V. subclavia und axillaris ist das SchultergürtelKompressionssyndrom die häufigste Ursache neben Tumoren und zentralen Venenkathetern.

Klinik Vorderarm- und Handschwellung leichte Zyanose Handrückenvenen gestaut in Schulter- und Pectoralisregion venöser Umgehungskreislauf Umfangsdifferenz im Schulterbereich 3-6 cm

Klinik Das Paget-von Schroetter-Syndrom kann subakut mit gelegentlich auftretender Vorderarm- und Handschwellung mit leichter Zyanose, Schweregefühl und Ermüdbarkeit des betroffenen Armes beginnen. Die Handrückenvenen können gestaut sein, in der Schulter- und Pectoralisregion wird ein venöser Umgehungskreislauf sichtbar. Ein akuter Beginn führt zu Schmerz im Unter- und Oberarm sowie der Schulterregion, Schwellung und Zyanose der Schulterregion. Die Umfangsdifferenz im Schulterbereich kann 3 6 cm betragen. Parästhesien der Hand und des Vorderarms können nachweisbar sein.

Diagnostik - klinische Untersuchung - Dopplersonographie - Phlebographie

Diagnostik Neben der notwendigen klinischen Untersuchung ist eine dopplersonographische im Seitenvergleich sinnvoll. Normalerweise fließt das Blut aus den Armvenen in der Inspirationsphase herzwärts. Dieses Flußphänomen ist bei einer Thrombose der V. axillaris und subclavia vermindert oder aufgehoben. Die Lokalisation der Thrombose kann phlebographisch erfaßt werden.

Venöse Gefäßerkrankungen

221

Differentialdiagnostik Bei diskreter angiologischer Symptomatik sind insbesondere neurologische und orthopädische Erkrankungen abzugrenzen. Therapie Thrombolyse und Thrombektomie sind prinzipiell möglich, sollten jedoch nur im Ausnahmefall bei ausgeprägter Symptomatik unter Berücksichtigung von Alter und Beruf des Patienten und nach Risiko/Nutzen-Abwägung durchgeführt werden, zumal die Gefahr einer Lungenembolie und der Entwicklung eines postthrombotischen Syndroms bei dieser Thromboselokalisation gering ist. Eine konservative Therapie (Ruhigstellung, Armhochlagerung, Vollheparinisierung) ist in der Regel ausreichend, anschließend erfolgt die Antikoagulation für 1-3 Monate.

Therapie Thrombolyse und Thrombektomie sind die Ausnahme konservative Therapie ausreichend Antikoagulation 1-3 Monate

Prognose Der Spontanverlauf ist relativ günstig. Weniger als 50% der Patienten weisen bei rein konservativer Therapie Restsymptome mit Schwellungsneigung der Finger und Arme sowie Fingerparästhesien besonders bei Herabhängen des Armes und bei der Arbeit auf.

Prognose relativ günstig < 50% der Pat. bei konservativer Therapie weisen Restsymptome auf

14.1.2.8 Lungenembolie

Lungenembolie

siehe Kapitel III.6.2

s. Kap. III.6.2

14.2 Chronisch-venöse Insuffizienz

Chronisch-venöse Insuffizienz

Definition Unter dem Begriff der chronisch-venösen Insuffizienz werden verschiedene Formen der Varikosis und des postthrombotischen Syndroms zusammengefaßt.

Definition Formen der Varikosis und des postthrombotischen Syndroms

Ätiologie Durch postthrombotische Obliteration oder Stenosierung tiefer Venen und der Venenklappen- oder durch eine Venenwandinsuffizienz tiefer, oberflächlicher Venen und Venae communicantes kommt es zur chronisch-venösen Insuffizienz. Bei der primären Varikosis tritt eine chronisch-venöse Insuffizienz nur bei einer Beteiligung der Vv. communicantes auf. Ein erhöhter venöser Abflußwiderstand und eine mangelhafte Muskelpumpe sowie ein Reflux bei intraabdominaler Bauchpresse können zur chronisch-venösen Insuffizienz mit bidirektionaler Strömung des Blutes im venösen System auch während des Gehens führen.

Ätiologie

Häufigkeit Die chronisch-venöse Insuffizienz ist ein häufiges Krankheitsbild. Etwa 2025% der Berufstätigen leiden mindestens an einer leichten Form. Die primäre Varikosis überwiegt als Ursache im Verhältnis 3:1 gegenüber der postthrombotisch bedingten chronisch-venösen Insuffizienz. Frauen sind in allen Altersklassen häufiger betroffen.

Häufigkeit häufiges Krankheitsbild 20-25% der Berufstätigen primäre Varikosis überwiegt postthrombotisch im Verhältnis 3:1 Frauen häufiger betroffen

Klinik Häufigste subjektive Beschwerden sind Schweregefühl, Müdigkeit und Schwellungsneigung der Beine und Arme. An Prädilektionsstellen muß nach sekundären Varizen gesucht werden. Corona phlebectatica paraplantaris reicht vom medialen Fußrand über den Fußrücken bis zur Lateralseite des Fußes. Zusätzlich kommt es besonders im Stehen zur livid-ödematösen Schwellung und Hyperpigmentierung. Trophische Störungen treten meist an den Austrittspunkten der Vv. communicantes im Verlauf der hinteren Bogenvene auf. Dabei gehen eine flächenhafte Rötung, Überwärmung und Druckdolenz der Ulcusbildung voran. Komplikationen der chronisch-venösen Insuffizienz sind das Ekzem mit mykotischer oder bakterieller Superinfektion, die subkutane Knochenmetaplasie und die Spitzfußstellung.

Klinik Schweregefühl Müdigkeit Schwellungsneigung Suche nach sekundären Varizen im Stehen livid-ödematöse Schwellung und Hyperpigmentierung

erhöhter venöser Abflußwiderstand mangelhafte Muskelpumpe Reflux bei intraabdominaler Bauchpresse

Rötung, Überwärmung, Druckdolenz vor Ulcusbildung Komplikationen: - Ekzem mit Superinfektion - subkutane Knochenmetaplasie - Spitzfußstellung

222

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems Klinisch lassen sich drei Schweregrade der chronisch-venösen Insuffizienz unterscheiden:

Schweregrade der chronisch-venösen Insuffizienz

Diagnostik Venendruckmessung Phlebographie

Therapie Kompressionsbehandlung bei primärer Varikosis: Sklerosierung, chirurgische Behandlung möglich

I. Stauungszeichen im Fußbereich (diskretes Ö d e m , vermehrte Venenzeichnung, Kölbchenvenen, C o r o n a phlebectatica paraplantaris) o h n e trophische Störungen II. Stauungszeichen mit trophischen Störungen (Hyperpigmentierung, Hyperkeratose, Dermatosklerose, A t r o p h i e blanche), aber o h n e Ulcera III. zusätzlich florides oder abgeheiltes Ulcus cruris Diagnostik Durch Messung des Venendrucks vor, während und nach einem Provokationstest (60 Z e h e n s t ä n d e / m i n ) läßt sich das A u s m a ß einer venösen Insuffizienz quantifizieren. Phlebographisch können die morphologischen Veränderungen am tiefen Venensystem und an den Vv.communicantes sowie die Kollateralisierung d o k u m e n t i e r t werden. Therapie Grundprinzip der T h e r a p i e der chronisch-venösen Insuffizienz ist eine adäquate Kompressionsbehandlung mit elastischen Binden o d e r Kompressionsstrümpfen. Entstauungsgymnastik, regelmäßiges Schwimmen, Vermeiden direkter Sonnenbestrahlung sowie Hochlagerung der Beine führen zur Entlastung und Linderung der Symptomatik. Liegt der chronisch-venösen Insuffizienz eine primäre Varikosis zugrunde, ist die Möglichkeit einer Sklerosierungstherapie o d e r chirurgischen B e h a n d l u n g zu berücksichtigen.

Postthrombotisches Syndrom

14.3 Postthrombotisches Syndrom

Definition chronisch-venöse Insuffizienz mit sekundärer Varikosis nach tiefer Bein- oder Beckenvenenthrombose

Definition Als postthrombotisches Syndrom wird eine chronisch-venöse Insuffizienz mit sekundärer Varikosis als Spätfolge einer tiefen Bein- o d e r Beckenven e n t h r o m b o s e mit persistierender A b f l u ß b e h i n d e r u n g bezeichnet.

Ätiologie und Pathogenese - Thrombus an der Venenwand fixiert Venenklappen werden insuffizient Kollateralkreislauf mit nachfolgender Varizenbildung und insuffizientem Klappensystem - Lymphabfluß beeinträchtigt - Stauungsödem - trophische Störungen - entzündliche und degenerative Hautveränderungen

Ätiologie und Pathogenese Nach einer B e i n - B e c k e n v e n e n t h r o m b o s e mit unvollständiger oder fehlender Auflösung des T h r o m b u s entwickelt sich ein bindegewebiger Organisationsprozeß, der den T h r o m b u s an der Venenwand fixiert. Venenklappen werden verändert bzw. zerstört und damit insuffizient. Ü b e r Vv.communicantes entwickelt sich ein Kollateralkreislauf von den tiefen zu den oberflächlichen Beinvenen mit nachfolgender Varizenbildung und insuffizientem Klappensystem. D e r subfasziale Lymphabfluß wird beeinträchtigt, konsekutiv k o m m t es zur E r h ö h u n g des epifaszialen Lymphabflusses. Folge ist ein Stauungsödem mit Entwicklung von trophischen Störungen sowie entzündlichen und degenerativen H a u t v e r ä n d e r u n g e n .

Häufigkeit am häufigsten bei thrombotischem Befall mehrerer Gefäßabschnitte

Häufigkeit Nach einer P h l e b o t h r o m b o s e k o m m t es nicht in allen Fällen zu einem postthrombotischen Syndrom. Es entwickelt sich am häufigsten bei thrombotischem Befall m e h r e r e r Gefäßabschnitte und läßt hier die ausgeprägtesten Veränderungen erwarten. So ist innerhalb von 5 Jahren nach einer Phlebot h r o m b o s e etwa bei 20% der M ä n n e r und 8% der Frauen mit der Entwicklung eines postthrombotischen Syndroms zu rechnen. Isolierte Unterschenkelvenenthrombosen führen selten, ausgedehnte Unterschenkel-, Oberschenkel- und B e c k e n v e n e n t h r o m b o s e n dagegen häufig zu einem postthrombotischen Syndrom (etwa 35%).

innerhalb von 5 Jahren nach Phlebothrombose etwa bei 20% der Männer und 8% der Frauen

Venöse Gefäßerkrankungen

223

Klinik • Trophische Störungen - Hyperkeratose, Hyperpigmentierung, Ulcus cruris und Atrophie blanche - sind vorwiegend auf den medialen distalen Unterschenkel im Verlauf der hinteren Bogenvene begrenzt. Subjektiv geben die Patienten Müdigkeit, Schweregefühl, nächtliche Wadenkrämpfe, Schwellungsneigung im Fuß- und Malleolenbereich, Schmerzen nach längerem Sitzen oder Stehen im Unterschenkelbereich an. Eine Linderung der Symptomatik ist bei kühlerem Wetter oder bei Hochlagerung der Extremität zu erwarten. • Typisch ist eine lange Anamnese mit Verschlimmerung der Symptomatik in warmer Jahreszeit. Zunächst sind die Ödeme weich, später kommt es zur Induration und braunen Pigmentierung durch Hämosiderineinlagerung. Als Komplikationen können Stauungsdermatosen in Form von Ekzemen, Phlebitiden, Erysipel sowie andere bakterielle und mykotische Infektionen und eine Knochenmetaplasie auftreten. Ulcera bevorzugen die Innenseite des Unterschenkels und sind insbesondere supramalleolar lokalisiert.

Klinik Trophische Störungen am medialen distalen Unterschenkel

Diagnostik Dopplersonographisch lassen sich Verschlüsse oder Klappeninsuffizienz im Oberschenkel- und Beckenvenenbereich durch aufgehobene oder reduzierte Atemabhängigkeit des venösen Rückflusses, verminderte Strömungsspitzen bei manueller Kompression und erhöhtem Fluß in den Kollateralvenen objektivieren. Plethysmographische Untersuchungen sowie die Lichtreflexions-Rheographie erlauben eine Quantifizierung der chronisch venösen Insuffizienz, ohne Hinweise auf die zugrunde liegende Ätiologie zu geben. Nicht-invasive Verfahren sind in der Regel ausreichend, um die postthrombotischen Veränderungen zu verifizieren. Das Ausmaß eines postthrombotischen Syndroms kann durch eine Venendruckmessung mit Belastung quantifiziert werden. Bei einem postthrombotischen Syndrom wird der periphere Venendruck unter Zehenstandsbelastung weniger stark vermindert als bei normalen venösen Abflußverhältnissen. Sind venenrekonstruktive Maßnahmen geplant, dann sind eine phlebographische Abklärung und eine Venendruckmessung notwendig.

Diagnostik

Schweregefühl, Wadenkrämpfe, Schwellungsneigung, Schmerzen nach längerem Sitzen oder Stehen im Unterschenkelbereich lange Anamnese Verschlimmerung der Symptomatik in warmer Jahreszeit Induration der Haut Hämosiderineinlagerung Stauungsdermatosen Ulcera supramalleolar innen

Dopplersonographie Plethysmographie Lichtreflexions-Rheographie

Nicht-invasive Verfahren in der Regel ausreichend Venendruckmessung mit Belastung wenn venenrekonstruktive Maßnahmen geplant, Phlebographie und Venendruckmessung

Differentialdiagnostik Schwierigkeiten bereitet gelegentlich die klinische Abgrenzung gegenüber einem Lymphödem oder der Akrodermatitis atrophicans. Therapie Grundprinzip der Therapie des postthrombotischen Syndroms ist eine adäquate Kompressionsbehandlung mit elastischen Binden oder Kompressionsstrümpfen. • Unter adäquater Kompressionsbehandlung arbeitet die Muskelpumpe effektiver. Bei leichterem postthrombotischem Syndrom genügt ein Kompressionsstrumpf der Klasse II (Kompressionsdruck ca. 30 mmHg), bei schwerem postthrombotischem Syndrom ist ein Kompressionsstrumpf der Klasse III (Kompressionsdruck ca. 40 mm Hg) erforderlich. Entstauungsgymnastik, regelmäßiges Schwimmen, Vermeiden direkter Sonnenbestrahlung sowie Hochlagerung der Beine führen zur Entlastung und Linderung der Symptomatik. Venenpharmaka sind beim postthrombotischen Syndrom umstritten, wenngleich ödemprotektive und venenkonstringierende Wirkungen bei einigen Präparaten nachgewiesen wurden. Obwohl der Kombination von Kompressionsbehandlung und Physiotherapie der Vorzug zu geben ist, scheint die vorübergehende, additive Gabe von Venenpharmaka bei ausgeprägter Symptomatik gerechtfertigt. Bei insuffizienten Vv. perforantes und postthrombotischem Syndrom sind eine Sklerosierungstherapie oder chirurgische Ligatur möglich. • Die Indikation zu rekonstruktiv-venenchirurgischen Maßnahmen ist mit großer Zurückhaltung zu stellen, da die Rethrombosierungstendenz

Therapie Kompressionsbehandlung

Ödemprotektive und venenkonstringierende Wirkung einiger Präparate nachge-

Bei insuffizienten Vv. perforantes Sklerosierungstherapie, Ligatur rekonstruktiv-venenchirurgische Maßnahmen mit großer Zurückhaltung

224 Rethrombosierungstendenz hoch Palma-Operation May-Husny-Operation

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems hoch ist. Bei isolierten Beckenvenenthrombosen kann eine Umleitung des venösen Blutes zur nicht erkrankten Extremität durch ein Venentransplantat (Palma-Operation) erfolgen, die venöse Umgehungsoperation zwischen V. poplitea und V femoralis wird als May-Husny-Operation bezeichnet.

Primäre und sekundäre Varikosis

14.4 Primäre und sekundäre Varikosis

Definition Erweiterung oberflächlicher subkutaner Venen, sackförmig, zylindrisch, häufig geschlängelt oder geknäuelt - primäre Varikosis - sekundäre Varikosis

Definition Eine Erweiterung der oberflächlichen subkutanen Venen, teils sackförmig oder zylindrisch, häufig geschlängelt oder geknäuelt, wird als Varikosis bezeichnet. Die primäre Varikosis entwickelt sich ohne faßbare Ursache. Eine sekundäre Varikosis kann sich als Folge einer Kollateralisierung bei insuffizientem tiefem Venensystem entwickeln.

Ätiologie Erweiterung des Venendurchmessers Klappeninsuffizienz, Pendelfluß statische Belastung der aufrechten Körperhaltung

Ätiologie Mit zunehmender Erweiterung des Venendurchmessers kommt es zur Klappeninsuffizienz der bikuspidalen Venenklappen und damit zum Pendelfluß. Pathogenetisch spielt die statische Belastung der aufrechten Körperhaltung eine wesentliche Rolle. Zu unterscheiden sind die Insuffizienz der V. saphena magna, V. saphena parva, Nebenastvarikosis bzw. Insuffizienz der Vv. communicantes. Wegen der starken Altersabhängigkeit des Auftretens einer Variköse mit Manifestation in höheren Lebensjahren haben die disponierenden Faktoren Schwangerschaft, Bindegewebsschwäche und ein stehender Beruf in der Ätiologie einer primären Varikosis untergeordnete Bedeutung. Sekundäre Varizen sind Folge einer Funktionsstörung von Venenwand und Venenklappen mit bekannter Ursache. Am häufigsten treten sie im Rahmen eines postthrombotischen Syndroms bei Zustand nach akuter Phlebothrombose auf. Portale Hypertension (Leberkrankheiten, abdominale Tumoren), arterio-venöse Fisteln, primäre Insuffizienz der Vv. perforantes mit Strömungsumkehr können Ursache einer sekundären Variköse sein.

Altersabhängigkeit mit Manifestation in höheren Lebensjahren sekundäre Varizen

Häufigkeit mit steigendem Alter zunehmend 20% der 20jährigen 80% der über 60jährigen Frauen häufiger als Männer

Häufigkeit Die Varikosis ist ein außerordentlich häufiges und mit steigendem Lebensalter rasch zunehmendes Krankheitsbild (20% der 20jährigen und etwa 80% der über 60jährigen haben eine Varikosis). Frauen sind häufiger betroffen als Männer.

Klinik Müdigkeits- und Schweregefühl

Klinik Trotz ausgeprägter Varizen kann lange Zeit Beschwerdefreiheit bestehen. Müdigkeits- und Schweregefühl der Beine sind die führenden klinischen Symptome. Im Spätstadium können eine ödematöse Schwellung sowie trophische Hautveränderungen nachweisbar sein. Die Symptome sind lageabhängig, treten besonders bei längerem Stehen auf und sind nach Hochlagerung der betroffenen Extremität weniger ausgeprägt oder verschwinden. Die sekundäre Varikosis manifestiert sich häufig im Rahmen eines postthrombotischen Syndroms (siehe 14.3).

ödematöse Schwellung trophische Hautveränderungen Symptome sind lageabhängig

Diagnostik Inspektion und Palpation Begrenzung der Symptomatik auf Stammvene und deren Äste spricht für primäre Varikosis Mündungsklappeninsuffizienz der Vv.sa phenae durch Perkussionstest Doppler-Untersuchung

Diagnostik Inspektion und Palpation im Liegen und Stehen ermöglichen eine Beurteilung von Varizen, Ödem, trophischen Störungen und Ulcera. Großes Kaliber der insuffizienten Vene und Begrenzung der Symptomatik auf eine Stammvene und deren Äste spricht für das Vorliegen einer primären Varikosis. Eine segmentäre Insuffizienz des oberflächlichen Venensystems mit atypischer Lokalisation, Ödem und Induration sprechen eher für sekundäre Varizen. Die palpatorische Suche nach Faszienlücken und insuffizienten Vv. communicantes ist notwendig, um klinisch eine Differenzierung zwischen primärer und sekundärer Varikosis zu versuchen. Eine Mündungsklappeninsuffizienz der Vv. saphenae kann durch den Perkussionstest oder apparativ

Erkrankungen des Lymphgefäßsystems mit einer Doppler-Untersuchung einschließlich Funktionsprüfung durch Preßversuch und durch die Preßphlebographie nachgewiesen werden. Insuffiziente Vv. communicantes werden ebenfalls durch eine Doppler-Untersuchung, Thermographic der Haut oder Phlebographie belegt. • Eine Differenzierung zwischen primärer und sekundärer Varikosis, der Ausschluß bzw. Nachweis des Ausmaßes einer Abflußstörung im Bereich des tiefen Venensystems durch eine dopplersonographische Funktionsprüfung, eine Venendruckmessung und/oder Phlebographie bleiben notwendig, wenn eine ausgedehnte Sklerosierungstherapie oder ein operatives Vorgehen geplant sind.

225

Differenzierung zwischen primärer und sekundärer Varikosis notwendig, wenn ausgedehnte Sklerosierungstherapie oder operatives Vorgehen geplant

Therapie Eine Behandlung der verschiedenen Varikosisformen bei fehlender chronisch-venöser Insuffizienz ist medizinisch indiziert bei rezidivierenden Varikophlebitiden oder nach einer Varizenblutung, sonst ist eine Behandlung nicht notwendig. Konservativ steht die Kompressionsbehandlung mit Bandagen oder einem Kompressionsstrumpf bei Bestehen eines venösen Ödems im Vordergrund. Medikamente zur Venentonisierung und antiödematösen Therapie werden adjuvant eingesetzt (Flavonoide, Äscin). Eine Antiphlogistika-Therapie ist nur bei begleitender Phlebitis indiziert. • Eine Sklerosierungsbehandlung ist bei Nebenastvarikosis, Rest- oder Rezidivthrombose, Besenreiservarizen oder retikulärer Varikosis möglich, die Sklerosierung von insuffizienten Perforansvenen dagegen kontraindiziert. Klassische Indikation zur operativen Therapie ist die primäre Stammvarikosis der V. saphena magna oder parva. Bei strenger Indikationsstellung und ausreichendem venösem Rückstrom über das tiefe Venensystem ist ein operatives Vorgehen im Bereich der V. saphena magna bzw. V. saphena parva auch bei der sekundären Varikosis möglich.

Therapie bei rezidivierenden Varikophlebitiden oder nach Varizenblutung Kompressionsbehandlung

Prognose Als Komplikation einer primären und sekundären Varikosis können Varikophlebitis oder Varizenruptur, Venenwandverkalkungen und Phlebolithen auftreten.

Prognose Komplikationen: Varikophlebitis oder Varizenruptur, Venenwandverkalkungen, Phlebolithen

14.5 Besenreiser- und retikuläre Varizen

Besenreiser- und retikuläre Varizen

Medikamente zur Venentonisierung

Sklerosierungsbehandlung Sklerosierung von insuffizienten Perforansvenen kontraindiziert operative Therapie bei primärer Stammvarikosis der V.saphena magna oder parva

keine chronisch-venöse Insuffizienz hämodynamisch ohne Bedeutung

Besenreiser- und retikuläre Varizen verursachen keine chronisch-venöse Insuffizienz, sind hämodynamisch ohne wesentliche Bedeutung. Besenreiser sind geschlängelte Teleangiektasien, retikuläre Varizen sind kleinkalibrig und netzartig angeordnet. Während andere Varizenformen überwiegend im Unterschenkel lokalisiert sind, tritt die Besenreiservarikosis häufiger im Oberschenkelbereich auf. Eine besondere Form ist der Kranz von Venektasien im Rippenbogenbereich (Sahli-Girlande) bei Lungenemphysem.

Besenreiservarikosis häufiger im Oberschenkelbereich

15 E r k r a n k u n g e n des L y m p h g e f ä ß s y s t e m s

Erkrankungen des Lymphgefäßsystems

Sahli-Girlande

M. Földi, E. Földi

15.1 Physiologische Grundlagen Sämtliche Blutkapillaren des Körpers sind - in quantitativ unterschiedlichem Ausmaß - für Plasmaproteine durchlässig. Die Eiweißmoleküle werden von den initialen Lymphgefäßen (Lymphkapillaren) resorbiert und über das Lymphgefäßsystem in die Blutbahn transportiert. Die in der Zeiteinheit über das Lymphgefäßsystem abzutransportierende Eiweißmenge wird als „lymphpflichtige Eiweißlast" bezeichnet. Die Rolle des Lymphgefäßsystems beim Flüssigkeitstransport aus dem Interstitium ist unter physiologischen Bedingungen gering: Durchschnitt-

Physiologische Grundlagen Abtransport von Plasmaproteinen aus dem Interstitium ist die wichtigste physiologische Aufgabe des Lymphgefäßsystems

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

226 Sicherheitsventilfunktion des Lymphgefäßsystems

lieh werden im Bereich der venösen Blutkapillarschenkel 90% der ultrafiltrierten Flüssigkeitsmenge resorbiert, die restlichen 10% bilden eine „lymphpflichtige Wasserlast". Störungen, welche zum Anstieg des Flüssigkeitsgehalts im Interstitium und zum Anstieg des Gewebedruckes führen, aktivieren die sogenannte „Sicherheitsventilfunktion" des Lymphgefäßsystems, wodurch diese Störungen kompensiert werden kön-

In jedem „Lymphangion" (ein zwischen 2 Klappen liegender, muskelhaltiger Abschnitt der Lymphgefäße) befindet sich ein Schrittmacher, welcher das Lymphzeitvolumen reguliert

Die Sicherheitsventilfunktion des Lymphgefäßsystems beruht auf der Tatsache, daß die Lymphe durch aktive Pulsationen der Lymphgefäßwände vorangetrieben wird und daß eine durch ein Mehrangebot an Lymphe herbeigeführte Dehnung der Lymphgefäßwände durch Aktivierung eines Schrittmachers zum Anstieg der Frequenz und der Amplitude der Pulsationen, d. h. zum Anstieg des Lymphzeitvolumens führt. Das höchstmögliche Lymphzeitvolumen nennen wir „ Transportkapazität des Lymphgefäßsystems".

Die Transportkapazität des Lymphgefäßsystems ist das höchstmögliche Lymphzeitvolumen.

15.2 Pathophysiologie Insuffizienz des Lymphgefäßsystems, wenn Last größer als Transportkapazität

Das Lymphgefäßsystem ist insuffizient, wenn die lymphpflichtige Last größer ist als die Transportkapazität des Lymphgefäßsystems. Man unterscheidet drei Insuffizienzformen.

Dynamische (Hochvolumen-) Insuffizienz: Wenn bei Überlastung eine Dekompensation der Störung eintritt, bildet sich ein ->Ödem

15.2.1 „Dynamische Insuffizienz des Lymphgefäßsystems"

Mechanische (Niedrigvolumen-) Insuffizienz Bei reduzierter Transportkapazität: kein Abtransport der Eiweißlast Folge: eiweißreiches Ödem oder: Lymphödem

Ist das normale Lymphgefäßsystem durch eine seine Transportkapazität überschreitende lymphpflichtige Last überlastet, kommt es zu einer Dekompensation. Es entsteht ein Ödem trotz eines maximal gesteigerten Lymphzeitvolumens: Es handelt sich um eine „Hochvolumen-Insuffizienz". Abhängig davon, ob die ursprüngliche Störung zu einem Anstieg des interstitiellen Wassergehalts geführt hat oder ob infolge einer Erhöhung der Blutkapillarpermeabilität ein Anstieg der Eiweißkonzentration der Gewebsflüssigkeit zustande gekommen ist, wird das Ödem eiweißarm oder eiweißreich sein.

15.2.2 „Mechanische Insuffizienz des Lymphgefäßsystems" Organische Erkrankungen, aber auch Störungen funktioneller Art können die Transportkapazität des Lymphgefäßsystems derart reduzieren, daß es unter das Niveau der normalen lymphpflichtigen Last sinkt. Es handelt sich um eine Insuffizienz bei subnormalem Lymphzeitvolmen (Niedrigvolumen-Insuffizienz). Da das Lymphgefäßsystem nicht mehr in der Lage ist, seine wichtigste Funktion, den Abtransport der lymphpflichtigen Eiweißlast wahrzunehmen, entsteht ein eiweißreiches Ödem, welches als „lymphostatisches Ödem" oder „Lymphödem" bezeichnet wird.

Sicherheitsventilinsuffizienz des Lymphgefäßsystems

15.2.3 „Sicherheitsventilinsuffizienz des Lymphgefäßsystems"

Bei Anstieg der lymphpflichtigen Last einer reduzierten Kapazitätslage: -» Folgen: Ödem und Nekrose

Wird ein krankes Lymphgefäßsystem mit einer reduzierten Transportkapazität durch einen Anstieg der lymphpflichtigen Last überlastet, kommt es zu einer Sicherheitsventilinsuffizienz. Diese Insuffizienzform ist neben einem eiweißreichen Ödem durch das Absterben von Zellen im Staugebiet gekennzeichnet.

Folgen der Lymphostase Bindegewebsproliferation, Fibrose, Sklerose

15.3 Folgen der Lymphostase Der Eiweißreichtum der Ödemflüssigkeit führt zwangsläufig zu sekundären Gewebsveränderungen: Fibroblasten lösen eine Bindegewebsproliferation (Fibrose) aus. Im weiteren Verlauf verhärtet sich dieses Gewebe narbenartig (Sklerose, Induration).

Erkrankungen des Lymphgefäßsystems

227

Lymphostatische Gebiete verfügen über eine herabgesetzte Immunabwehr. Aus diesem Grunde treten oft Pilz- und bakterielle Infektionen auf, gelegentlich entstehen im lymphostatischen Staugebiet auch entzündliche Schübe steriler Art („Hypodermitis"). Die entzündlichen Schübe haben weitere Bindegewebsproliferation und Verhärtung des Hautgewebes, papillomatöse Wucherungen und monströse Volumenzunahmen zur Folge: Wir sprechen von einer „lymphostatischen Elephantiasis".

- Immunschwäche —> Folgen: - Bindegewebsproliferation - Verhärtung der Haut - papillomatöse Wucherungen - Volumenzunahme ergeben das Bild der „lymphostatischen Elephantiasis"

15.4 Antworten des Körpers auf eine Lymphostase Werden Lymphgefäße einer Körperregion verschlossen, so werden zur Abwehr des drohenden Eiweißstaus und der darauffolgenden sekundären Gewebsveränderungen die folgenden Mechanismen aktiviert: a) Die noch funktionstüchtigen Lymphgefäße steigern ihre lymphangiomotorische Aktivität (Sicherheitsventilfunktion). b) Falls entsprechende Lymphgefäße vorhanden sind, kommt es zu lymphatischen Umgehungskreisläufen. c) Lympho-lymphatische Anastomosen können das Hindernis überbrücken. d) Lympho-venöse Anastomosen können im Staugebiet Lymphe unmittelbar in Venen ableiten. e) Über Bindegewebskanäle sickert aus dem Staugebiet Odemflüssigkeit in die angrenzende normale Region hinüber. f) Im Staugebiet befindliche Makrophagen beseitigen Eiweißkörper durch Pinozytose bzw. Proteolyse.

Wie wehrt sich der Körper gegen die Folgen einer Lymphostase? - Steigerung der lymphangiomotorischen Aktivität - Ausbildung von lymphatischen Umgehungskreisläufen - Lympho-lymphatische Anastomosen - Lympho-venöse Anastomosen - Ödemflüssigkeit geht in unbefallene Regionen über - Pinozytose, Proteolyse

15.5 Lymphödem

Lymphödem

15.5.1 Definition und klinischer Verlauf

Definition

Ein Lymphödem entsteht, wenn irgendeine Erkrankung des Lymphgefäßsystems dessen Transportkapazität so stark herabsetzt, daß es die normal anfallende lymphpflichtige Eiweißlast nicht abtransportieren kann. Den Folgen der Lymphostase entsprechend, läßt sich das Lymphödem in drei aufeinanderfolgende Verlaufsstadien einteilen (Tab. 11-14). Das Lymphödem kann Gliedmaßen, Genitalien, Rumpf und Gesicht, aber auch einzelne Organe erfassen. Tabelle M-14 Die klinischen Verlaufsstadien des Lymphödems (nach Brunner, modifiziert) Stadien

Klinische Merkmale

Pathologische Grundlage

I. Reversibles Stadium

Hochlagerung kann zum Rückgang des Ödems führen; die Ödembeschaffenheit ist weich: es sind Dellen eindrückbar.

eiweißreiches Ödem

II. Spontan irreversibles Stadium

Hochlagerung reduziert die Schwellung nicht. Die Beschaffenheit der Schwellung ist hart, Dellen sind kaum oder nicht eindrückbar. Entzündliche Schübe; monströse Volumenzunahme. Gewebsverhärtung (Pachydermie); papillomatöse Wucherungen.

Fibrose, Sklerose

III. Lymphostatische Elephantiasis

enorme Bindegewebswucherung

3 klinische Verlaufsstadien des LymphÖdems (s. Tab. 11-14) Symptome

228 Auftreten an - Gliedmaßen - Genitalien - Rumpf - Gesicht Beinlymphödem - meist asymmetrisch - typisches Merkmal: • Beteiligung des Fußrückens • Narbige Vertiefung von Hautfalten über den Gelenken - Hautfarben - papillomatöse Wucherungen Große diagnostische Bedeutung hat das Stemmersche Hautfaltenzeichen, bei dem die Zehenhautfalten infolge eines Ödems und einer darauffolgenden Fibrose verbreitert, schwer oder überhaupt nicht abhebbar werden. Bei Lymphödem des Armes können Finger und Hand sowie der ipsilaterale obere Rumpfquadrant beteiligt sein.

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems Beinlymphödeme sind entweder einseitig oder beidseitig. Doppelseitige Beinlymphödeme sind meist asymmetrisch ausgeprägt, d.h., das eine Bein ist stärker erkrankt als das andere. Typische Merkmale sind die Beteiligung des Fußrückens an der Schwellung und narbige Vertiefungen natürlicher Hautfalten über den Gelenken. Die sich zunehmend verhärtende Haut kann ihre normale Farbe behalten, sie kann aber auch - infolge der Mehrdurchblutung des proliferierten Bindegewebes - rötlich verfärbt sein. Im Stadium III der Elephantiasis gibt es Fälle mit normaler Hautfarbe (Elephantiasis alba) und solche mit schmutzig-grauer bzw. schwarzer Verfärbung (Elephantiasis fusca). Papillomatöse Wucherungen kommen oft vor, gelegentlich entstehen auch Höcker monströsen Ausmaßes. Von großer diagnostischer Bedeutung ist das „Stemmersche Hautfaltenzeichen": Die Zehenhautfalten werden infolge eines Ödems und einer darauffolgenden Fibrose breit, schwer bzw. nicht abhebbar. Neben der sichtbaren und meßbaren Volumenzunahme deuten auch anderswo verbreiterte Hautfalten auf eine lymphödematöse Durchtränkung des Hautgewebes hin, z.B. im Bereich des gleichseitigen unteren Rumpfquadranten (Abb. 11-61). Bei Armlymphödemen können Finger und Hand sowie der gleichseitige obere Rumpfquadrant beteiligt sein.

Abb.ll-61 Das Tributargebiet der axillären (oben) und inguinalen (unten) Lymphknoten Heftige Schmerzen, Lähmungen und Ulcere gehören nicht zum Krankheitsbild des Lymphödems.

Gliedmaßenlymphödeme können schmerzhaft sein (Komplikation). Bei Verdacht auf (Lymph)-Angiosarkom (Stewart-Treves-Syndrom) Biopsie

Das Lymphödem kann Schwere- und Spannungsgefühl verursachen. Unerträgliche, helle Schmerzen gehören genausowenig zu den Symptomen eines Lymphödems wie Lähmungen und Ulcerationen. Diese Symptome müssen den Verdacht auf eine begleitende Nervenschädigung entweder als Folge einer fehlerhaft dosierten Bestrahlungstherapie oder durch maligne Infiltration erwecken. Gliedmaßenlymphödeme können mit Wirbelsäulen-, Schulter-NackenArm-Syndromen, Arthrosen, Ligamentosen und Tendinosen kompliziert und aus diesen Gründen ebenfalls schmerzhaft sein. Eine lymphostatische Elephantiasis geht mit der Gefahr einer sarkomatösen Entartung einher. An Blutergüsse erinnernde makulopapulöse Hautveränderungen im lymphostatischen Gebiet sind (lymph-) angiosarkomverdächtig. Beim Verdacht auf ein (Lymph-) Angiosarkom muß umgehend eine Biopsie zur histologischen Untersuchung durchgeführt werden.

Erkrankungen des Lymphgefäßsystems

229

15.5.2 Vorstadien des Lymphödems

Vorstadien

Wenn die Transportkapazität des Lymphgefäßsystems reduziert ist, zur Bewältigung der normalen lymphpflichtigen Last jedoch noch ausreicht, ist der Patient klinisch lymphödemfrei, jedoch lymphödemgefährdet. Eine zusätzliche Reduktion der Transportkapazität oder ein geringfügiger Anstieg der lymphpflichtigen Last können eine Insuffizienz des Lymphgefäßsystems zur Folge haben. Wird die Transportkapazität des Lymphgefäßsystems durch eine Entwicklungsstörung herabgesetzt, so nennen wir dieses klinisch l y m p h ö d e m f r e i e Vorstadium „Lympliangiopathie mit noch suffizientem Lymphgefäßsystem". Im Falle einer erworbenen R e d u k t i o n der Transportkapazität des Lymphgefäßsystems sprechen wir von einem „Intervall- o d e r Latenzstadi-

Entwicklungsstörungen des Lymphgefäßsystems und verschiedene erworbene Lymphgefäßerkrankungen setzen dessen Transportkapazität herab.

15.5.3 Klassifikation des Lymphödems

Klassifikation

Die Erstellung der Diagnose „ L y m p h ö d e m " ist lediglich der erste Schritt und an sich genauso unzulänglich wie ζ. B. diejenige einer „ A n ä m i e " . Das Lymphödem kann nach verschiedenen Gesichtspunkten klassifiziert werden. Die einfachste und wichtigste Einteilung ist die Unterscheidung zwischen

Nach der Diagnose „Lymphödem" muß stets die ätiologische Diagnose erstellt werden!

15.5.3.1 „Benignes" und „malignes" Lymphödem Wird die Transportkapazität des Lymphgefäßsystems durch ein Malignom unter das Niveau der normalen lymphpflichtigen Last reduziert, handelt es sich um ein malignes Lymphödem. Werden Lymphgefäße durch intraluminal wuchernde Krebszellen blockiert, spricht man von einer „Lymphangiosis carcinomatosa". Wenn Tumormetastasen Lymphgefäße und/oder Lymphknoten von außen komprimieren, wird meist auch ein venöses Abflußhindernis erzeugt (Zyanose, erweiterte Venen!). Da das venöse Abflußhindernis eine passive Hyperämie mit einem konsekutiven Anstieg des Blutkapillardruckes erzeugt, erhöht sich die lymphpflichtige Last, wodurch besonders massive Lymphö d e m e entstehen. Jedes nach einer Krebsbehandlung auftretende Lymphödem ist grundsätzlich verdächtig: Es kann sich um ein Krebsrezidiv bzw. um eine Krebsmetastase handeln! Im Falle eines A r m l y m p h ö d e m s nach operativer und strahlentherapeutischer Brustkrebsbehandlung sprechen die folgenden Merkmale für das Vorliegen einer malignen Form: rasche Progression; zentrale B e t o n u n g (Schulter und obere Hälfte des O b e r a r m e s sind massiv geschwollen, die distalen Abschnitte des A r m e s und die H ä n d e k a u m o d e r ü b e r h a u p t nicht); die supraklavikuläre Region wölbt sich vor; die E n t f e r n u n g zwischen Hals und A c r o m i o n ist kürzer als auf der gesunden Seite; erweiterte Kollateralvenen im Operationsgebiet bzw. in der Achselhöhle; Zyanose; Plexopathie (Schmerz - Parese - Lähmung usw.); tastbare Knoten; Lymphangiosis carcinomatosa. Z u r diagnostischen A b k l ä r u n g reichen R ö n t g e n a u f n a h m e n und Knochenszintigramme nicht aus; erforderlich sind A n a m n e s e , Inspektion, Palpation und - falls erforderlich - C o m p u t e r t o m o g r a p h i e , Kernspintomographie und eventuell Histologie. Nicht nur L y m p h ö d e m e nach vorangegangener Krebsbehandlung, sondern jedes L y m p h ö d e m kann prinzipiell zur bösartigen Form gehören. Die ätiologische Diagnose „gutartiges Lymphödem" darf nur per exclusionem, d.h. nach Ausschließen einer malignen Form mittels einer sinnvollen onkologischen Stufendiagnostik, erstellt werden ( A b b . 11-62).

Die wichtigste Frage: Steht ein bösartiger Prozeß im Hintergrund? —» malignes Lymphödem Bei Kompression von außen und durch einen Tumor: massive Lymphödeme

Jedes Lymphödem das nach Krebsbehandlung auftritt, ist verdächtig. Maligne Form: - rasche Progression - zentrale Betonung - supraklavikuläre Region ist vorgewölbt - Entfernung: Hals-Acromion verkürzt - erweiterte Kollateralvenen im Operationsgebiet oder Achselhöhle - Zyanose - Plexopathie - tastbare Knoten - Lymphangiosis carcinomatosa Onkologische Stufendiagnostik: - Anamnese - Inspektion - Palpation - CT, NMR, Histologie - Röntgendiagnostik - Knochenszintigramm Gutartige Form: Diagnose nur per exclusionem!

230

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems

Abb. 11-62 Onkologische Stufendiagnostik 1 Computertomographie, 2 Kernspintomographie „Primäre" und „sekundäre" Lymphödeme Primäre Form: Ursache Entwicklungsstörungen

Sekundäre Form: Ursachen: - Trauma - Lymphangitiden - ärztliche Eingriffe - artifiziell

15.5.3.2 „ P r i m ä r e " u n d „ s e k u n d ä r e "

Lymphödeme

Nach einer a n d e r e n Klassifikation teilt man die L y m p h ö d e m e in primäre und sekundäre Formen ein (Tab. 11-15). D i e primären L y m p h ö d e m e b e r u h e n nach unserer heutigen Auffassung auf Entwicklungsstörungen (Hypoplasie; Aplasie initialer Lymphgefäße; Leistenlymphknotenfibrose; Hyperplasie). Sekundäre F o r m e n können durch ein Trauma, durch Lymphangitiden, durch ärztliche Eingriffe, aber auch artifiziell entstehen. D a s „artifizielle" L y m p h ö d e m f ü h r t der Patient durch Abschnürung, durch absichtliches Hängenlassen der A r m e usw. selbst herbei. Eine Filariasis ist in unseren Breitengraden selten, muß aber bei j e d e m Patienten, der aus einem endemischen, tropischen Gebiet stammt, ja sogar sich dort nur kurzfristig aufgehalten hat, in Betracht gezogen werden. Pilzinfektionen k o m m e n beim L y m p h ö d e m häufig vor und müssen unbedingt erfaßt werden. Tabelle 11-15 Lymphödemklassifikation 1. Primär

2. Sekundär

1.1 Hypoplasie 1.2 Aplasie initialer Lymphgefäße 1.3 Hyperplasie 1.4 Leistenlymphknotenfibrose (?)

2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.3 2.4 2.5 2.6

Posttraumatisch Lymphangitis Bakterien Pilze Parasiten (Filaria) Viren Geochemisch Maligne Angeborenes Ringband Iatrogen Artifiziell

Erkrankungen des Lymphgefäßsystems

231

15.5.3.3 Lymphödeme mit und ohne Reflux

Reflux von Lymphe oder Chylus

Ein Lymphödem kann mit einer retrograden Strömung der Lymphe bzw. des Chylus kompliziert sein. Es können auf der Haut Lymphozysten bzw. lymphokutane Fisteln entstehen. Von einem Reflux können Gelenke, innere und äußere Genitalien, der uropoetische Apparat sowie seröse Körperhöhlen erfaßt sein. Der seltene chylöse Reflux in die Lungen führt zu einer tödlich verlaufenden chylösen Pneumonie.

bedingt auf der Haut - Lymphzysten - lymphokutane Fisteln Chylöser Reflux tödliche chylöse Pneumonie

15.5.4 Diagnostik und Differentialdiagnostik des Lymphödems

Diagnose

Das Lymphödem kann aufgrund der Anamnese, der Inspektion und Palpation in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle diagnostiziert und gleichzeitig die Stadieneinteilung vorgenommen werden (Abb. 11-63). Die erste Frage, die geklärt werden muß, lautet: Handelt es sich bei der Schwellung um ein extrazelluläres Odem? Von einem extrazellulären Ö d e m sprechen wir, wenn die Schwellung auf einer Vermehrung des interstitiellen Flüssigkeitsgehalts beruht und mit unseren Sinnesorganen zu erkennen, d.h. sichtbar und tastbar ist.

Die Diagnose des Lymphödems beruht auf der Basisdiagnostik: - Anamnese - Palpation - Inspektion - » Stadieneinteilung Abklärung des extrazellulären Ödems: Schwellung durch interstitielle Flüssigkeit

Abb. 11-63 Diagnostische Schritte („Schwellung" bis „Lymphödem")

Handelt es sich um ein Ödem, so muß klargestellt werden, ob es „zentral" ( = „generalisiert") ist, wie z.B. bei hypoproteinämischen Ödemen und beim kardialen Ödem, oder „peripher" ( = „lokal") ist, wie z.B. bei einem postthrombotischen Syndrom des Beines und auch meist beim Lymphödem. Was die Anamnese betrifft, so ist daraufhinzuweisen, daß das Lymphödem meist langsam, allmählich in Erscheinung tritt bzw. voranschreitet. In seltenen Fällen beginnt ein primäres Lymphödem schlagartig; es gibt aber Fälle, bei denen ein Bagatelltrauma oder eine Wundrose zum plötzlichen Erscheinen des Lymphödems führt. Primäre Beinlymphödeme beginnen meist distal im Bereich des Fußrükkens und der Knöchel und dehnen sich allmählich proximalwärts aus, nur die sogenannte „hohe Dysplasie" (Mißbildungen im Bereich der Lymphgefäße im Becken) bildet eine Ausnahme: Die Schwellung beginnt in diesem Fall an der Gliedmaßenwurzel und dehnt sich langsam distalwärts aus. Sekundäre Beinlymphödeme nach Unterleibskrebsbehandlungen beginnen

Es gibt zentrale und periphere Ödeme

Anamnese: Lymphödem tritt meist langsam in Erscheinung

Primäre Beinlymphödeme Primärlokalisation am Fußrücken und Knöchel -> Ausdehnung proximalwärts Ausnahme „hohe Dysplasie"

232 Sekundäre Beinlymphödeme Primärlokalisation an der Gliedmaßenwurzel -»Ausdehnung nach unten Das Stemmersche Hautfaltenzeichen ist in der Lymphödemdiagnostik von entscheidender Bedeutung: keine falsch-positive Aussage!

Farbstofftest Nur in seltenen Ausnahmefällen (anaphylaktische Reaktionen!)

Lymphographie Vorsichtige Indikation, da Komplikationen: - Verschlechterung des Lymphödems - Auftreten eines Lymphödems auf der gesunden Seite - Morbidität, Mortalität Anwendung bei: - Verdacht auf malignes Lymphödem - Reflux in eine Körperhöhle Phlebographie Bei chronischen Gliedmaßenödemen nur in Ausnahmefällen Lymphszintigraphie Ermöglicht zahlenmäßige Funktionserfassung

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems meist ebenfalls an der Gliedmaßenwurzel, um sich allmählich nach unten auszudehnen. Beginnt ein Beinlymphödem in akuter Form, so muß eine tiefe Beinvenenthrombose ausgeschlossen werden (vgl. Kap. 11.14). Von größter praktischer Bedeutung in der Lymphödemdiagnostik ist das bereits erwähnte Stemmersche Hautfaltenzeichen, welches ursprünglich für das Beinödem bzw. für die Zehen beschrieben wurde, aber auch für den Arm bzw. die Finger gültig ist. Das Stemmersche Zeichen ist nie falsch-positiv, allerdings kann im Falle eines negativen Stemmerschen Zeichens das Lymphödem nicht ausgeschlossen werden. Die eigenartige, voranschreitende Verhärtung des Hautgewebes und andere charakteristische Merkmale sind im Abschnitt 15.5.1. beschrieben worden. Der „Farbstofftest" soll keineswegs als Routineuntersuchung vorgenommen werden. Im Falle einer Lymphostase färben sich keine Lymphgefäße an, und es kommt zu einer tintenklecksartigen, ausgedehnten Blaufärbung der Haut. Da trotz vorangehender Allergieproben anaphylaktische Reaktionen nicht ganz auszuschließen sind, muß der Farbstofftest auf Ausnahmefälle beschränkt sein. Sehr zurückhaltend sollte man auch bei der Indikation einer direkten Lymphographie mit einem öligen Kontrastmittel sein. Nach diesem diagnostischen Eingriff kann es zu einer drastischen Verschlechterung des Lymphödems kommen; bei Lymphographien wegen eines einseitigen Lymphödems kann auf der noch nicht geschwollenen Seite schlagartig ein Lymphödem auftreten. Eine Berechtigung zur Durchführung einer Lymphographie besteht dann, wenn die ätiologische Diagnose (malignes Lymphödem?) nur mittels Lymphographie geklärt werden kann, sowie im Falle eines Reflux z.B. in eine seröse Körperhöhle, welcher einen chirurgischen Eingriff erfordert. Auch eine Phlebographie ist in den meisten Fällen chronischer Gliedmaßenödeme überflüssig. Ein chronisches Armödem beruht nie auf einem postthrombotischen Syndrom. Das postthrombotische Syndrom der unteren Gliedmaßen ist durch die Basisdiagnostik zu erfassen. Die Lymphszintigraphie ermöglicht die zahlenmäßige Erfassung der Funktion des Lymphgefäßsystems, die Methode ist jedoch noch nicht standardisiert, und die Resultate korrelieren nicht immer mit dem klinischen Bild.

Therapie

15.5.5 Therapie des Lymphödems

Malignes Lymphödem: - onkologische Behandlung

Die Therapie des Lymphödems darf nur nach Erstellung der ätiologischen Diagnose eingeleitet werden. Maligne Lymphödeme bedürfen einer onkologischen Behandlung; ob das Lymphödem als solches gleichzeitig in Behandlung genommen wird oder nicht, wird von Fall zu Fall entschieden. Von den gutartigen Lymphödemformen muß bei durch eine Filariasis verursachten Form vorerst eine gegen die Parasiten gerichtete medikamentöse Therapie eingeleitet werden. Das artifizielle Lymphödem ist solange der Patient die Selbstverstümmelung fortsetzt, therapieresistent. Die Behandlung des Lymphödems erfolgt mittels einer komplexen physikalischen Entstauungstherapie. Diese wird unter fachkundiger ärztlicher Leitung von hierzu ausgebildeten Physiotherapeuten durchgeführt. Nach sorgfältigen hauthygienischen Maßnahmen (auf die Sanierung eventueller Pilzinfektionen wird besonders geachtet) werden in einer 1. Therapiephase von der Dauer von etwa 4 Wochen Spezialmassagen („manuelle Lymphdrainagen"), Kompressionsbandagen sowie entstauende krankengymnastische Übungen durchgeführt. Wird die Behandlung im Stadium I des Lymphödems begonnen, kann eine vollständige Beseitigung der Schwellung erreicht werden. Wird die Behandlung erst im Stadium II oder sogar erst im Stadium III eingeleitet, erreicht man am Ende der Phase I der Therapie lediglich einen partiellen Rückgang der Schwellung: Entfernt werden kann vorerst nur die eiweißreiche Ödemflüssigkeit, nicht aber das proliferierte Bindegewebe.

Komplexe physikalische Entstauungstherapie - Spezialmassagen - Kompressionsbandagen - entstauende krankengymnastische Übungen

Erkrankungen des Lymphgefäßsystems

233

In allen 3 Lymphödemstadien m u ß die erste Therapiephase nahtlos in die zweite Therapiephase Ubergehen. Diese 2.Therapiephase dient der Erhaltung und der Optimierung des durch die 1. Therapiephase erzielten Entstauungseffekts durch das rigorose Tragen von maßgeschneiderten Kompressions-(Arm-)strümpfen, durch entstauende Krankengymnastik und - falls erforderlich - regelmäßige manuelle Lymphdrainage-Behandlungen. Auf diese Weise kann, wenn die Behandlung im Stadium I b e g o n n e n wurde, der lymphödemfreie Zustand konserviert werden. Falls die B e h a n d l u n g im Stadium II oder III in Angriff g e n o m m e n wurde, erfolgt ein langsam voranschreitender A b b a u des proliferierten Bindegewebes, wodurch die Schwellung weiter abnimmt ( A b b . 11-64).

c 01

ε

-

2

_Gesunde Gliedmaße

Monate Phase I

Phase I

•-Armlymphödem

Abb. 11-64 Wird die Phase I der komplexen physikalischen Entstauungstherapie im reversiblen Stadium I des Lymphödems begonnen, so kann eine vollständige Odemfreiheit erreicht werden. Wird mit der Behandlung erst im Stadium II oder III begonnen, so führt die Phase I lediglich zu einer Reduktion der Schwellung; in der Phase II der Konservierung und Optimierung nähert sich das Volumen der kranken Gliedmaße demjenigen der gesunden. = Stadium I, — = Stadium II/III Wie bei j e d e r chronischen E r k r a n k u n g m u ß mit einer lebenslangen o d e r zumindest mehrere Jahre lang konsequent durchgeführten Behandlung gerechnet werden. Die B e h a n d l u n g des L y m p h ö d e m s durch Diuretika, von manchen Ärzten als D a u e r m a ß n a h m e praktiziert, widerspricht der Pathophysiologic des Lymphödems. Rückgestaute Eiweißmoleküle werden durch Diuretika nicht mobilisiert. Hinzu k o m m t die G e f ä h r d u n g des Organismus durch die N e b e n w i r k u n g einer langdauernden B e h a n d l u n g mit Diuretika. Z u r chirurgischen Therapie des Lymphödems wurden zahlreiche M e t h o den beschrieben. Kein operatives Verfahren liefert bessere Erfolge als die nebenwirkungsfreie komplexe physikalische Entstauungstherapie. Als relative Operationsindikationen gelten die Resektion großer schlotternder Hautsäcke nach erfolgreicher komplexer physikalischer Entstauungstherapie einer lymphostatischen Elephantiasis sowie die Elephantiasis der Z e h e n , die sogenannte „lymphostatische Hyperkeratose".

Diuretika sind als Dauertherapie des Lymphödems nicht geeignet!

Operative Behandlung: nur in seltenen Ausnahmefällen! Relative Operationsindikation - Resektion großer Hautsäcke - Elephantiasis der Zehen

234 Entstauungstherapie bietet Schutz gegen tödliche Gefahr einer sarkomatösen Entartung

II Krankheiten des Herz- und Kreislaufsystems Die adäquat durchgeführte komplexe physikalische Entstauungstherapie bei der ubnedingt erforderlichen aktiven Mitarbeit des Patienten erhält dessen Arbeits- und Erwerbsfähigkeit und bietet einen sicheren Schutz gegen die tödliche Gefahr einer sarkomatösen Entartung. In den meisten Fällen werden auch Wundrosenschübe verhütet. In den seltenen Fällen, in denen dennoch Erysipele auftreten, ist eine gelegentlich lebenslange vorbeugende Behandlung mit einem Antibiotikum erforderlich (z.B. 1,2 Millionen Einheiten Benzathin-Penicillin in Abständen von 3-4 Wochen injiziert).

Lymphostatische Enteropathie (= Lymphödem des Dünndarms) ist eine eiweißverlierende Enteropathie Folge -> Hypoproteinämie Hypovolämie Flüssigkeitsretention Aktivierung der Sicherheitsventilfunktion des Lymphgefäßsystems Klinik Nephrosesyndrom ohne Proteinurie Diagnose durch Histologie nach Saugbiopsie Therapie Entlastung der Chylusgefäß durch Diät und physiotherapeutische Maßnahmen

Lymphostatische Enzephalo- und Ophthalmopathie Lymphostase führt zu Hirn- und Retinaödem Bei lymphostatischer Retinopathie: - Augenspiegelung - Ödem des Gesichts, der Mundschleimhaut, der Bindehaut Therapie - Beseitigung der entzündlichen Schübe - manuelle Lymphdrainage - Atemgymnastik

15.6 Lymphostatische Enteropathie, Enzephalopathie und Ophthalmopathie Die lymphostatische Enteropathie ist eine der beiden Formen der eiweißverlierenden Enteropathie. (Die andere Form, die exsudative Enteropathie, welche auf entzündlichen Dünndarmerkrankungen beruht, wird auf S.517 beschrieben). Bei der eiweißverlierenden Enteropathie führt ein andauernder Verlust von Plasmaproteinen mit dem Stuhlgang zu einer Hypoproteinämie. Das klinische Bild entspricht einem Nephrosesyndrom ohne Proteinurie. Die Diagnose der lymphostatischen Form der eiweißverlierenden Enteropathie wird durch histologische Untersuchung eines durch Saugbiopsie gewonnenen Materials erstellt. Therapie: Der Versuch, die Hypoproteinämie bei der lymphostatischen Enteropathie mittels Plasmainfusionen zu beheben, schlägt fehl, da das zugeführte Eiweiß mit dem Kot ausgeschieden wird. Durch eine Diät, frei von langkettigen Fettsäuren enthaltenden Fetten, in Kombination mit einer das Darmwandlymphödem reduzierenden Spezialmassage und Atemgymnastik kann der Zustand der Patienten wesentlich gebessert werden. Trotz der Tatsache, daß es weder im Gehirn noch in der Retina Lymphgefäße gibt, hat eine zervikale Lymphostase (lymphostatische Enzephalound Ophthalmopathie) ausgedehnte ödematöse Veränderungen im Gehirn und in der Retina zur Folge. Begleitet werden diese zentralnervalen Folgen der zervikalen Lymphostase durch ein Lymphödem des Gesichts, der Mundschleimhaut und gelegentlich durch dasjenige der Bindehaut. Therapie: An erster Stelle stehen hals-nasen-ohrenärztliche bzw. zahnärztlich-kieferorthopädische Maßnahmen zur Beseitigung der entzündlichen Schübe. Anschließend wird die Transportkapazität des zervikalen Lymphgefäßsystems durch Physiotherapie (manuelle Lymphdrainage und Atemgymnastik) gesteigert.

III Krankheiten der Atmungsorgane

III Krankheiten der Atmungsorgane

R. Loddenkemper

Leitsymptome und Untersuchungsverfahren in der Pneumologie 1.1 Leitsymptome Die charakteristischen pneumologischen Leitsymptome sind - Atemnot - Husten (mit o d e r ohne A u s w u r f ) und - Thoraxschmerzen. Sie k o m m e n allerdings bei einer Vielzahl von (auch nicht-pneumologischen) Krankheiten vor, so daß sie allein eine Diagnose selten zulassen. Jedoch ermöglichen häufig die unterschiedlichen Kombinationsformen dieser Leitsymptome, Reihenfolge, Art und Tempo ihres Auftretens und zusätzliche Allgemeinsymptome wie Fieber, G e w i c h t s a b n a h m e . Nachtschweiß u. a. zumindest eine Verdachtsdiagnose (Einzelheiten siehe bei den jeweiligen Krankheiten). Bei der Atemnot (Dyspnoe) ist besonders zwischen einer plötzlichen (in Minuten oder Stunden) und einer allmählichen (über Tage, Wochen, Monate o d e r gar J a h r e ) Entwicklung, zwischen d e m Vorhandensein in R u h e und d e m A u f t r e t e n erst unter verschiedenen körperlichen Belastungsstufen sowie den unterschiedlichen Z e i t p u n k t e n des A u f t r e t e n s (z.B. nachts, in liegender Position, bei bestimmten Expositionen) zu differenzieren. Beim Husten kann zwischen a k u t e m Beginn und chronischem Bestehen (hier ist auf eine plötzliche Ä n d e r u n g des Hustencharakters zu achten) unterschieden werden. Ebenfalls ist auf die Abhängigkeit von körperlicher Belastung oder inhalativer Exposition zu achten. Wichtige Hinweise können Art, Menge, Farbe, Geruch (schleimig, zäh, eitrig, blutig, stinkend u.a.) von zusätzlichem Auswurf (produktiver H u s t e n ) geben (s. 1.4). Auch beim Thoraxschmerz ist nach a k u t e m o d e r allmählichem A u f t r e t e n zu differenzieren. Weiter ist auf den C h a r a k t e r des Schmerzes (Stechen, Bohren, abhängig von A t m u n g , Husten, Schlucken, Körperlage) sowie auf Lokalisation und Ausstrahlung zu achten.

1.2 Physikalische Untersuchung In der Diagnostik vieler pneumologischer Krankheiten k o m m t den physikalischen Untersuchungen eine große B e d e u t u n g zu. Bei der Inspektion sollte besonders auf Hautveränderungen (z.B. Zyanose, Einflußstauung mit Kollateralkreislauf, Sahlische Venengirlanden, E r y t h e m a nodosum), Thoraxkonfiguration (z.B. Kyphoskoliose, Faßthorax), Thoraxbeweglichkeit (z.B. starr, einseitig) sowie auf

Leitsymptome

- Atemnot - Husten mit oder ohne Auswurf - Thoraxschmerzen Selten allein die Diagnose zulassend Häufige Allgemeinsymptome: - Fieber, Gewichtsabnahme, Nachtschweiß

Bei Atemnot zu differenzieren - akut/allmählich - in Ruhe oder erst unter Belastung - abhängig von Lage, Zeitpunkt, Exposition

Bei Husten zu differenzieren - akut/chronisch - abhängig von körperlicher Belastung oder Exposition Hinweis durch Art des Auswurfs

Bei Thoraxschmerzen zu differenzieren - akut/allmählich - stechend/bohrend/ausstrahlend - abhängig von Atmung, Husten, Bewegung, Lage - Lokalisation Physikalische Untersuchung

- Inspektion

III Krankheiten der Atmungsorgane

236

- Palpation - Perkussion

Auskultation

andere Befunde wie Trommelschlegelfinger, Uhrglasnägel, Unterschenkelödeme, Kachexie usw. geachtet werden. Palpatorisch ist besonders der Stimmfremitus zu prüfen. Weiterhin können Lymphknotenvergrößerungen, besonders supraklavikulär, sowie lokalisierter Druckschmerz festgestellt werden. Die Perkussion erlaubt die Unterteilung in den normalen sonoren oder in den pathologischen hypersonoren oder gedämpften Klopfschall (lokalisiert, einseitig, beidseitig) über dem Thorax sowie die Beurteilung der Zwerchfellbeweglichkeit. Pathologische Auskultationsbefunde sind besonders feuchte (fein-, mittel-, grobglasige) und trockene (Giemen, Pfeifen, Brummen) Nebengeräusche, die in- und/oder exspiratorisch vorhanden sein können. Weiterhin ist auf ein verlängertes Exspirium, auf Stridor, Bronchialatmung, Bronchophonie, Pleurareiben und -knarren, Sklerophonie u.a. zu achten.

Bildgebende Verfahren Röntgenübersicht des Thorax in 2 Ebenen Durchleuchtung zur Ergänzung

Tomographie gezielt Computertomographie zunehmend in der Bedeutung. In Zukunft auch MRT. Bronchographie. Angiographie

Sonographie vor allem bei Pleuraerguß und -Verdickung - Nuklearmedizin - Perfusionsszintigraphie - Ventilationsszintigraphie - Inhalationsszintigraphie

Endoskopisch-bioptische Untersuchungen Übersicht Sputumdiagnostik

1.3 Bildgebende Verfahren An erster Stelle steht die Röntgenübersichtsaufnahme des Thorax in 2 Ebenen (postero-anterior und seitlich), evtl. ergänzt durch die Durchleuchtung zur Beurteilung der Atem- und Lageveränderungen (ggfs. inkl. Ösophagusdarstellung). Ergänzende röntgenologische Verfahren, die gezielt eingesetzt werden sollten, sind konventionelle Schichtuntersuchungen (Tomographie), Computertomographie (CT), alternativ und ergänzend in Zukunft auch die Kernspintomographie (Magnet-Resonanz-Tomographie MRT), Bronchographie (in Kombination mit der Bronchoskopie), Angiographien wie direkte Pulmonalisangiographie zusammen mit der Druckmessung im kleinen Kreislauf oder als digitale Subtraktionsangiographie, Kavographie, Aortographie, Lymphographie u. a. Die Sonographie hat vor allem in der Diagnostik pleuraler Krankheiten eine wichtige Bedeutung. Unter den nuklearmedizinischen Methoden sind besonders wichtig - die Lungenperfusionsszintigraphie zur Emboliediagnostik und zur quantitativen Durchblutungsmessung der Lungen, - die Ventilationsszintigraphie zum Ausschluß einer Belüftungsstörung und - die Inhalationsszintigraphie zur Messung der mukoziliären Clearance und zum Nachweis von Belüftungsstörungen.

1.4 Endoskopisch-bioptische Untersuchungen Die Atmungsorgane sind endoskopisch-bioptisch gut zu untersuchen (Tab. III-l). Sputumuntersuchungen Sputum ist das bei produktivem Husten am einfachsten zu gewinnende Material. Wenn kein Auswurf vorliegt, kann das Sputum durch Inhalation (ζ. B. Provokation mit hypertoner NaCl-Lösung) oder durch physiotherapeutische Unterstützung gefördert werden.

Leitsymptome und Untersuchungsverfahren in der Pneumologie

237

Tabelle 111-1 Internistische Endoskopie- oder Biopsieverfahren in der Pneumonologie nach dem erreichbaren anatomischen Gebiet Methode Anästhesie

Bronchial- LungenBrustwand, Mediasti- Bemerbäum parenchym Pleura num kungen

a) internistisch BronchoInspekKathetertion, skopie biopsie, Zangen- Bürsten1. flexibel 1. lokal biopsie, biopsie, 2. starr 2. meist allgemein Abstrich, transbronBürsten- chiale küretZangentage biopsie, bronchoalveoläre Lavage ZangenThorako- lokal, ggf. biopsie, skopie allgemein Punktion

Nadelbiopsie

keine oder lokal

Feinnadelpunktion (Stanzbiopsie)

Zangenbiopsie, Punktion

perbronchiale Punktion

gezielte Biopsie unter optischer Kontrolle oder unter Röntgendurchleuchtung

Punktion

gezielte Biopsie unter optischer Kontrolle

Punktion (Mediades Pleu- stinalraerguspunktion) ses, Stanzbiopsie

„blind" oder unter Kontrolle (Durchleuchtung, Sonographie, CT)

Z u beachten sind folgende Charakteristika des Sputums: • • • • • • •

Charakteristika des Sputums

Aussehen (klar, weißlich, eitrig (gelb-grün), rostig, blutig usw.) Konsistenz (dünn, schleimig, zäh, gelatinös, gummiartig) Geruch (faulig) Menge (am besten nach Volumen o d e r Gewicht gemessen) Erreger (färberisch bzw. kulturell) Zellen (Leukozyten, Eosinophile, Tumorzellen u.a.) andere (Charcot-Leyden-Kristalle, Curschmann-Spiralen, Fremdkörper wie A s b e s t k ö r p e r c h e n u. a.)

Bronchologische Verfahren Die Bronchoskopie ist das wichtigste pneumologisch-endoskopische Verfahren mit diagnostischem und therapeutischem Anwendungsbereich (Tab. HI-2). Sie wird heute vorwiegend in Lokalanästhesie mit d e m flexiblen Fiberbronchoskop durchgeführt, bei bestimmten Situationen ist die Verwendung des starren Bronchoskops jedoch günstiger. Durch spezielle Instrumente (Katheter, Bürsten, Z a n g e n , N a d e l n ) lassen sich auch extrabronchiale Gebiete erreichen (periphere transbronchiale Lungenbiopsie, transbronchiale Lymphknotenpunktion u.a.). Durch Einbringen von Kontrastmittel (Bronchographie) lassen sich bronchiale Veränderungen (besonders Bronchiektasen) darstellen. Lungenpunktion Hierzu wird in der Regel von außen eine d ü n n e Nadel unter Durchleuchtungskontrolle in das Herdgebiet geführt (perthorakale Feinnadelpunktion).

Bronchoskopie am wichtigsten

Unterschiedliche Indikationen für flexible und starre Bronchoskope

Bronchographie besonders bei Bronchiektasen und bei Hämoptysen unklarer Ätiologie Punktion von Lungenherden unklarer Ätiologie, die nicht operiert werden können

III Krankheiten der A t m ungsorgane

238

Tabelle 111-2 Indikationen zur Bronchoskopie diagnostisch

therapeutisch

aufgrund von Röntgenveränderungen: 1. Atelektase, Dystelektase 2. Peripherer Rundherd, Einschmelzung 3. Hilusverdichtung 4. Pneumonisches Infiltrat 5. Diffus vermehrte Lungenzeichnung (retikulär/nodulär)

1. Fremdkörperentfernung 2. Beseitigung zentraler Tumorstenosen (Zange, Laser, endob r o n c h i a l Bestrahlung) 3. Intensivmedizin (gezielte Absaugung bei Sekretretention; Intubation und Lagekontrolle von Tubus oder Trachealkanüle) 4. Blutstillung

aufgrund klinischer Befunde: 1. Hämoptoe 2. Unklarer Husten 3. Unklare Atemnot 4. Verdacht auf Fremdkörperaspiration 5. Unklare Phrenikus- oder Rekurrensparese 6. Störung der Atemwegsmechanik

Die Indikation besteht vorwiegend bei für eine Operation nicht geeigneten Patienten mit Tumorverdacht und negativem bronchoskopischem Ergebnis. Das aspirierte Material kann nicht nur zytologisch, sondern auch mikrobiologisch untersucht werden. Pleuraergußdiagnostik Bei allen ätiologisch unklaren Fällen. 1. Aussehen 2. Gesamteiweiß -»Transsudat: < 30 g/l -> Exsudat: > 30 g/l 3. Zellgehalt (Zytologie) 4. Tumormarker, Erreger, Amylase, Fette, Glukose

Pleurapunktatuntersuchungen Beim Pleuraerguß sollte in allen ätiologisch unklaren Fällen eine Punktion erfolgen. Meistens genügen 20 bis 50 ml Flüssigkeit zur Diagnostik. Wichtigste Parameter sind Aussehen (serös, blutig, eitrig, chylös u. a.), Gesamteiweiß (Trennung zwischen Transsudat und Exsudat bei 30 g/l) und Zellgehalt (Tumorzellen, Lymphozyten, Granulozyten u.a.). Bei entsprechendem Verdacht ist auch auf Erreger und andere Parameter (ζ. B. Amylase, Fette, Glukose, Tumormarker) zu untersuchen.

Pleurastanzbiopsie (blind) zur Histologie und Kultur

Pleurastanzbiopsie Bei unklaren Pleuraexsudaten kann die Pleurastanzbiopsie mit speziellen Nadeln in Lokalanästhesie durchgeführt werden. Das gewonnene Gewebe wird histologisch und mikrobiologisch aufgearbeitet. Die Methode ist besonders geeignet zum Nachweis von Tumorbefall der Brustwandpleura und bei tuberkulösem Pleuraerguß.

Thorakoskopie

Thorakoskopie Die Thorakoskopie entspricht der Laparoskopie. Die Spiegelung des Pleuraraumes erfolgt in Lokalanästhesie nach Anlage eines Pneumothorax und erlaubt die makroskopische Beurteilung und die Gewinnung von Gewebe zur histologischen und mikrobiologischen Untersuchung bei einer Reihe von Krankheiten (Tab.III-3). In der Regel wird anschließend eine intrapleurale Schlauchdrainage eingelegt, durch die dann auch noch sklerosierende Substanzen instilliert werden können (Pleurodesetherapie bei chronischen Ergüssen und beim Pneumothorax).

Hohe Sensitivität und Spezifität.

Indikationen s.Tab. II I-3 Anschließend Pleuradrainage Pleurodese

Mediastinoskopie

Mediastinoskopie Mit Hilfe der Mediastinoskopie, die in Allgemeinnarkose vorgenommen wird, lassen sich Veränderungen vor allem im hinteren und oberen Mediastinum bioptisch (histologisch und kulturell) klären.

Leitsymptome und Untersuchungsverfahren in der Pneumologie

239

Tabelle 111-3 Indikationen zur Thorakoskopie 1. Pleuraerguß unklarer Ätiologie (vorwiegend Exsudate - neoplastisch, tuberkulös, unspezifische Infektionen, Lungeninfarkt, Systemkrankheiten) 2. Pneumothorax (Lokalisation der Fistel, Verödungstherapie) 3. Unklare Pleuraverschattungen (Pleurahyalinose, Rippenexostosen) 4. Mediastinaltumoren (Neurinome, Zysten, Lipome, Thymome u.a.) 5. Diffuse Lungenkrankheiten (interstitielle Pneumonie, Lungenfibrose, Sarkoidose, Miliartuberkulose u.a.) 6. Lokalisierte pleuranahe Lungenherde (Tumor, Tuberkulose, Infarkt) 7. Seltene Indikationen (Beurteilung einer Pneumonektomiehöhle, Suche nach Blutungsquelle, Abgrenzung von subdiaphragmalen Befunden u.a.)

Indikationen zur Mediastinoskopie sind vor allem

Indikationen

Ί. unklare mediastinale und/oder hiläre Veränderungen (ζ. B. Sarkoidose, maligne Lymphome, Mediastinaltumor) 2. Lungenveränderungen unklarer Ätiologie (z.B. Silikotuberkulose) 3. Lymphknotenstadiierung beim Bronchialkarzinom zur Diagnostik, Beurteilung der Resektabilität und Prognose. Für unklare B e f u n d e im vorderen Mediastinum eignet sich die Mediastinotomie. Die supraklavikuläre Lymphknotenbiopsie nach Daniels (bei nichtpalpablen L y m p h k n o t e n ) hat k a u m noch Bedeutung. Palpable Lymphknoten sollten punktiert oder operativ entfernt werden. Chirurgische (offene) Lungen- und Pleurabiopsie Bei allen durch die vorgenannten Eingriffe morphologisch nicht zu klärenden Krankheiten ist die diagnostische Thorakotomie einzusetzen, wenn therapeutische Konsequenzen wahrscheinlich sind und keine Kontraindikationen vorliegen, bei Tumorverdacht auch die P r o b e t h o r a k o t o m i e .

Offene Lungen- und Pleurabiopsie

1.5 Lungenfunktionsuntersuchungen

Lungenfunktionsuntersuchungen

D e r intrapulmonale Gasaustausch ist die Hauptaufgabe der Atmungsorgane. D a b e i ist die Funktion der A t m u n g eng mit der von Herz- und Kreislauf gekoppelt. Störungen in einem Teil dieses kardiopulmonalen Systems haben d a h e r oft zusätzliche Auswirkungen auf a n d e r e Bereiche. O f t sind die Regulationsmechanismen auch so gut, d a ß Störungen von Einzelfunktionen mit globalen Untersuchungsmethoden nicht entdeckt werden. Folgende Vorgänge sind beim intrapulmonalen Gasaustausch direkt beteiligt: 1. Die Ventilation, d.h. die Ein- und A u s a t m u n g der Luft, wozu auch 2. die Verteilung der Gase innerhalb der Lungen gehört. 3. Die Diffusion, d. h. der eigentliche Gasaustausch zwischen der Luft in der Alveole und d e m Blut in der Lungenkapillare, und 4. die Perfusion, d.h. die Durchblutung der Lungengefäße. Die Indikation zur diagnostischen Anwendung von Lungenfunktionsuntersuchungen ergibt sich f ü r

Enge Kopplung zwischen Lunge und Herz-Kreislauf-System

1. Nachweis o d e r Ausschluß von Funktionsstörungen (z.B. zur Objektivierung von Symptomen wie A t e m n o t und Zyanose, zur A b g r e n zung g e g e n ü b e r kardialen Krankheiten, zur F r ü h e r k e n n u n g von Umwelt- und Berufsschäden). 2. Differenzierung der A r t der Funktionsstörungen (z.B. obstruktive o d e r restriktive Ventilationsstörung, primäre Perfusions- o d e r Diffusionsstörungen).

Probethorakotomie

Störungen von Einzelfunktionen oft schwer zu differenzieren Am intrapulmonalen Gasaustausch beteiligt 1. Ventilation 2. Verteilung 3. Diffusion 4. Perfusion Diagnostische Indikationen

III Krankheiten der Atmungsorgane

240

3. Objektivierung des Schweregrades (die funktionelle Beeinträchtigung ist häufig schlecht mit Anamnese, Klinik, Röntgenbild u.a. korreliert). 4. Verlaufsbeobachtung (objektiver Vergleich der Lungenfunktionsdaten und Abschätzung der Prognose). 5. Objektivierung durch inhalative Provokationsteste (z.B. bei hyperreaktivem Bronchialsystem oder exogen-allergischer Alveolitis). Störungen der Ventilation (Atemmecha· nik) zu erfassen durch - Spirometrie (VK, FEV,) Einteilung in obstruktive und restriktive Ventilationsstörungen

Störungen der Ventilation (Atemmechanik) lassen sich mit folgenden Verfahren nachweisen: einfache Spirometrie mit Messung der Vitalkapazität (VK), deren Unterteilungen sowie dem Atemstoßtest (forciertes exspiratorisches Volumen in der ersten Sekunde (FEV,), wobei bereits eine grobe Einteilung in obstruktive und restriktive Ventilationsstörungen möglich ist (Abb.III-1).

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Abb.III-1 Spirometrie-Kurven (VK= Vitalkapazität,, FEV, = forciertes exspiratorisches Volumen in der I.Sekunde): a) normal, b) obstruktive Ventilationsstörung (FEV-i vermindert), c) restriktive Ventilationsstörung (VK eingeschränkt), d) obstruktive Ventilationsstörung (FEV-, vermindert) mit niedriger VK (entweder bei Kombination mit restriktiver Ventilationsstörung oder als Folge eines erhöhten Residualvolumens, ζ. B. durch Emphysem)

Definition: Obstruktiv

Beispiele

Definition: Restriktiv

Beispiele nach Lokalisation: - Lunge - Pleura - Zwerchfell - Thoraxwand

Obstruktive Ventilationsstörungen sind Folge einer Einengung der Atemwege mit Verminderung der Strömungsgeschwindigkeit (nachweisbar in dynamischen Funktionstesten). Beispiele: Asthma bronchiale, obstruktive Bronchitis, Trachealstenose, Emphysem. Restriktive Ventilationsstörungen sind Folge einer verminderten Dehnbarkeit von Lungen oder Brustkorb (nachweisbar durch die A b n a h m e der statischen Compliance oder der statischen Volumina, insbesondere der Totalkapazität). Beispiele: Pulmonal: lokal: Pneumonie, Atelektase; diffus: Fibrose, Lungenödem. Pleural (Erguß, Schwarte, Pneumothorax). Zwerchfell (Parese, Hochstand). Thorakal (Kyphoskoliose, neuromuskulär).

Leitsymptome und Untersuchungsverfahren in der Pneumologie Gemischte Ventilationsstörungen liegen bei Kombinationen von Obstruktion und Restriktion vor (z.B. Emphysem und Pneumonie, Asthma und Pleuraerguß). Das Residualvolumen entspricht dem Volumen, das am Ende einer maximalen Ausatmung im Thorax verbleibt (kann durch Fremdgaseinmischung (Helium, Argon) bestimmt werden). Auch die Ganzkörperplethysmographie ermöglicht die Messung des Residualvolumens (intrathorakales Volumen). Bei einer Differenz dieser beiden Volumina spricht man von „Trapped Air", wobei langsam oder gar nicht ventilierte Räume mit der Fremdgasmethode nicht erfaßt wurden (Abb.III-2).

241 Gemischte Ventilationsstörung bei Kombination Residualvolumen-Bestimmung mit Fremdgasmethode oder Ganzkörperplethysmographie Bei Differenz: „Trapped Air"

Abb.III-2 Messung der Totalkapazität (TK) (VK = Vitalkapazität, RV = Residualvolumen, TAV= „Trapped-Air"-Volumen = Differenz der Volumina, gemessen mit Ganzkörperplethysmographie und Fremdgaseinwaschung): a) normal, b) vergrößertes RV (etwas vergrößerte TK, verminderte VK) bei reversibler (ζ. B. Asthma bronchiale) oder irreversibler (ζ. B. Lungenemphysem) Überblähung, c) vergrößertes RV einschließlich TAV, welches nur mit der Ganzkörperplethysmographie erfaßt werden kann

Bei der Bestimmung der Compliance (Volumen-Druck-Beziehung) wird über eine intraösophageale Ballonsonde die „intrapleurale" Druckänderung gemessen, die zu einer Volumenvergrößerung um 1 Liter notwendig ist (praktisch heute aber ohne große Relevanz). Als dynamische Parameter haben sich neben dem FEV, bewährt: Atemwegswiderstandsmessung im Ganzkörperplethysmographen (Abb.III-3), Atemwiderstandsmessung (Oszillations- oder Unterbrechertechnik), Fluß-Volumen-Messung (mit Pneumotachographen) u.a.

Abb. 111-3 Atemwegswiderstandskurven: a) normal, b) leichte Erhöhung mit exspiratorischer Keule (z.B. Asthma), c) starke Erhöhung mit exspiratorischer Bauchung (z.B. Emphysem), d) inund exspiratorische Erhöhung (z.B. Trachealstenose)

Compliance (Dehnbarkeit) ohne wesentliche Relevanz in der klinischen Routine

Dynamische Parameter zur Messung der Obstruktion

242 Differenzierung: peripher/zentral und funktionell/fixiert Bronchospasmolysetest

Gasaustauschstörungen P0 2 -Abfall unter Belastung CO-Transfer in Ruhe

Respiratorische Partial-/Globalinsuffizienz Definition

Perfusionsstörungen Perfusionsszintigraphie zur Emboliediagnostik, aber auch reflektorische Perfusionsausfälle bei Ventilationsstörungen (alveolarkapillärer Reflex, Euler-Liljestrand-Reflex) Auch genaue quantitative Messungen möglich (z.B. präoperativ) Rechtsherzkatheter bei pulmonaler Hypertonie Differenzierung prä-/postkapillär mit Ballonkatheter EKG Spiroergometrie

Belastungsuntersuchungen

= 0 Therapeutische Indikationen

III Krankheiten der Atm ungsorgane Der unterschiedliche Ausfall verschiedener Untersuchungstechniken läßt unterschiedliche Obstruktionslokalisationen differenzieren (peripher-zentral), die vorhandene oder fehlende Reversibilität im Bronchospasmolysetest zwischen funktionellen (Bronchialmuskelkonstriktion) oder anatomisch-fixierten Ursachen (Trachealstenose, Emphysem). Verteilungsstörungen können durch eine verlängerte Helium-Mischzeit, durch einen verzögerten Anstieg in der CO,-Ausatemkurve, durch einen steilen Verlauf der Phase III u. a. nachgewiesen werden, sind aber ohne große praktische Relevanz. Störungen des Gasaustausches lassen sich mittels arterieller Blutgasanalyse (oder Kapillarmethode am hyperämisierten Ohrläppchen) durch einen P0 2 -Abfall unter Belastung nachweisen. Nicht ganz so sensitiv ist die Messung der Diffusionskapazität (CO-Transfer, z.B. mit der Ein-Atemzug-Methode). Bei einem unter die Altersnorm erniedrigten arteriellen P 0 2 in Ruhe liegt eine respiratorische Partialinsuffizienz, bei gleichzeitiger Erhöhung des arteriellen P C 0 2 auf Werte über 45 m m H g eine Globalinsuffizienz vor. Letztere kann Folge einer Störung des Atemzentrums oder einer Insuffizienz der muskulären Atempumpe sein. Zur Feststellung von Perfusionsstörungen der Lunge eignet sich besonders die Perfusionsszintigraphie, die lokale Ausfälle erkennen läßt (jedoch nicht jeweils gleichbedeutend mit einer Embolie, da die Perfusion häufig reflektorisch als Folge einer Ventilationsstörung eingeschränkt wird). - Auf die frühere Bronchospirometrie kann dank der guten quantitativen Aussage der Perfusionsszintigraphie heute verzichtet werden. Die Druckmessung im kleinen Kreislauf mit Hilfe von Einschwemmkathetern erlaubt die Feststellung einer pulmonalen Hypertonie. Bei Verwendung von Baiionkathetern ist gleichzeitig die Differenzierung zwischen einer prä- und postkapillären pulmonalen Hypertonie möglich. Das EKG kann auf eine vermehrte Rechtsherzbelastung hinweisen, ein normales EKG schließt jedoch eine pulmonale Hypertonie nicht aus. Als globale Belastungsuntersuchung eignet sich die Spiroergometrie zur Differenzierung kardialer und pulmonaler Leistungsbeschränkungen besser als die alleinige Ergometrie, da gleichzeitig Atemfrequenz, Atemminutenvolumen, 0 2 - A u f n a h m e und C0 2 -Abgabe und verschiedene weitere, hieraus zu errechnende Parameter bestimmt werden. Untersuchungen unter Belastungsbedingungen sind bei speziellen Fragestellungen notwendig, da der Ausfall der Ruhefunktion nicht immer verläßlich die Belastbarkeit voraussagen läßt. Weiterhin finden Lungenfunktionsuntersuchungen häufig Anwendung bei therapeutischen Fragestellungen: 1. Objektivierung eines Therapieeffektes (häufigste Fragestellung ist nach der akuten Reversibilität einer Obstruktion im Bronchospasmolysetest, aber auch Feststellung der Zunahme des P 0 2 unter Sauerstoffgabe u. a.). 2. Verlaufsbeurteilung unter Therapie (z.B. unter langfristiger Kortikosteroid-Gabe bei fibrosierenden Lungenkrankheiten u.a.). 3. Indikationsstellung zur Operation (ζ. B. für funktionsverbessernde chirurgische Eingriffe wie „Bullektomie" oder Dekortikation). 4. Präoperative Risikoeinschätzung (heute stellt die Lungenfunktionsminderung keine absolute Kontraindikation dar, das Risiko kann aber durch eine intensive medikamentöse und physiotherapeutische präoperative Behandlung reduziert werden).

Störungen der Atemregulation

243

5. Feststellung von Nebenwirkungen der Therapie (ζ. B. obstruktive Ventilationsstörungen durch Beta-Rezeptoren-Blocker, Induktion einer Lungenfibrose durch Medikamente. Strahlenschädigung u.a.).

1.6 Immunologische Diagnostik

Immunologische Diagnostik

Einzelheiten siehe bei „Asthma bronchiale" (2.4) und „Exogen-allergische Alveolitis" (4.2) u.a.

s. 2.4 und 4.2

1.7 Weitere Labordiagnostik

Weitere Labordiagnostik

Hierzu gehören das Blutbild zum Ausschluß oder Nachweis einer Anämie oder Polyglobulie, die Infektionsserologie, die Tumorserologie und andere übliche Laboruntersuchungen (s. Kap. I).

2 Störungen der Atemregulation Ein komplexer Regulationsmechanismus, an welchem eine Vielzahl von peripheren und zentralen (chemischen, nervalen, muskulären und anderen) Faktoren beteiligt sind, sorgt für die Konstanz der arteriellen Blutgaswerte (POi PCO : ) unter verschiedensten metabolischen und krankhaften Bedingungen. Der entscheidende Atemantrieb wird über den PC0 2 -Anstieg bzw. den pH-Abfall ausgeübt, in zweiter Linie erst über den PCX-Abfall.

2.1 Hypoventilation Eine Hypoventilation mit ungenügender Atmung, die einen pathologischen Anstieg des arteriellen P C 0 2 über 45 mm Hg bewirkt, kann durch eine Insuffizienz der Atemmuskulatur oder durch einen ungenügenden zentralen Atemantrieb verursacht sein. Die Diagnose einer zentralen Hypoventilation setzt den Ausschluß von (vorwiegend obstruktiven) Ventilationsstörungen (Bronchitis u.a.) oder neuromuskulären Erkrankungen (Poliomyelitis, Myasthenie, Kyphoskoliose u.a.) voraus. Es kommen jedoch auch Mischformen wie bei Schlafapnoe und beim Pickwick-Syndrom vor. Die zentrale Hypoventilation kann Folge einer Erkrankung des ZNS (Enzephalitis, Stammhirninfarkt, Bulbärparalyse) sein, aber auch durch eine metabolische Alkalose oder durch Narkotika und Sedativa ausgelöst werden. Als Cheyne-Stokes-Atmung wird ein abnormer Hypoventilationstyp mit allmählicher und periodischer Zu- und Abnahme der Atemzugvolumina in Atemruhelage bezeichnet, der in der Regel Ausdruck einer schweren Störung des bulbären Atemzentrums ist (Abb.IH-4). Bei der Biot-Atmung werden kräftige, gleichtiefe Atemzüge periodisch von unterschiedlich langen Atempausen unterbrochen (Abb. III-4), was auf ernsthafte Störungen des Atemzentrums (erhöhter intrakranieller Druck) deutet.

Störungen der Atemregulation Atemregulation durch komplexen Mechanismus

Atemantrieb vor allem über PC02-Anstieg bzw. pH-Abfall

Hypoventilation (= PC0 2 > 45 mm Hg) durch Insuffizienz der Atemmuskulatur und bei ungenügendem zentralem Atemantrieb Diagnose einer zentralen Hypoventilation bei Ausschluß von Ventilationsstörungen und neuromuskulären Erkrankungen, aber auch Mischformen. Ätiologie: Erkrankung des ZNS, metabolische Alkalose, Narkotika und Sedativa Cheyne-Stokes-Atmung s. Abb.lll-4 Biot-Atmung

244

III Krankheiten der Atmungsorgane

Abb. 111-4 Atemtypen: a) normal, b) Cheyne-Stokes-Atmung, c) Biot-Atmung, d) Kussmaul-Atmung

Schlafapnoe-Syndrom Definition

=t> Zentrale Schlafapnoe: fehlende Aktivität der Atemmuskulatur Obstruktive Schlafapnoe: Verschluß des Oropharynx mit frustraner Zwerchfellaktivität Gemischte Schlafapnoe Bei zusätzlicher Störung der Atemmechanik oft lebensbedrohlich.

Epidemiologie: Prävalenz bis 1-10% der Männer, besonders ab 45.-65. Lebensjahr. Pathogenese: Bei zentraler Schlafapnoe primäre Störung des Atemzentrums. Bei obstruktiver Schlafapnoe Verlegung des Oropharynx durch erschlaffte Schiundmuskeln und Zurücksinken von Zunge und Gaumen. Begünstigende Faktoren sind anatomische Veränderungen . . . . . . sowie sedierende Substanzen (Schlafmittel, Alkohol!)

Schlafapnoe während NREM-Schlaf

Anstieg von PC02 und Abfall von P02 führen zu p u l m o n a l e r . . . .

2.2 Schlafapnoe-Syndrom Definition: Bei der Schlafapnoe ist die Atemregulation während des Schlafes gestört, wobei während eines siebenstündigen Schlafes mindestens 35 Episoden gefordert werden, in denen der Atemstrom 10 s oder länger sistiert. Unterschieden wird zwischen der zentralen Apnoe, bei welcher die Aktivität der Atmungsmuskulatur komplett aufgehoben ist, und der obstruktiver, (peripheren) Apnoe, bei welcher es zum Verschluß des Oropharynx bei vorhandener Aktivität des Zwerchfells kommt. Nicht selten liegt eine gemischte Apnoe vor, die in der Anfangsphase der zentralen Form entspricht und der dann frustrane Atembemühungen wie bei der obstruktiven Form folgen. Physiologische schlafbezogene Atemregulationsstörungen treten bei normalem Atmungssystem auf und verursachen keine Beschwerden. Liegt gleichzeitig aber eine gestörte Atemmechanik (obstruktive Atemwegserkrankung) oder ein gestörtes Atemzentrum vor, können schwere, oft lebensgefährliche Symptome auftreten. Epidemiologie: Die Prävalenz des Schlafapnoe-Syndroms wird auf 1-10% der männlichen Bevölkerung, die deutlich mehr als Frauen betroffen ist, geschätzt. Sie tritt am häufigsten zwischen dem 45. und 65. Lebensjahr auf. Pathogenese: Bei der zentralen Schlafapnoe liegt die primäre Störung im Atemzentrum, wobei vermutlich vorwiegend die Empfindlichkeit gegenüber einem PC0 2 -Anstieg herabgesetzt ist. (nach Enzephalitis, Hirnstamminfarkten und anderen ZNS-Erkrankungen oder idiopathisch). Die obstruktive Schlafapnoe wird durch eine Verlegung der oberen Atemwege in Höhe des Oropharynx als Folge einer Erschlaffung der Schlundmuskulatur mit Zurücksinken der Zunge und des weichen Gaumens bewirkt, welche die hintere Pharynxwand berühren und so den Oro- und Nasopharynx verschließen. Begünstigende Faktoren sind anatomische Veränderungen wie Fettablagerung im Pharynx bei Übergewicht, kurzer Hals, behinderte Nasenatmung, vergrößerte Tonsillen, vergrößerte Zunge u. a. sowie sedierende Substanzen wie Schlafmittel, Alkohol u. a. Liegen gleichzeitig Krankheiten mit gestörter Atemmechanik (chronischobstruktive Atemwegserkrankungen, restriktive Lungen- und Brustwanderkrankungen) sowie zentrale Hypoventilationssyndrome vor, kann es zu einer Verstärkung der Komplikationen der Schlafapnoe kommen. Bei Normalpersonen treten die seltenen Apnoe-Episoden während des REM-Schlafes (rapid eye movement während der aktiven und der Traumphasen), beim Schlafapnoe-Syndrom vorwiegend während des NREM(nonrapid eye movement)Schlafes auf. Während der zahlreichen (zwischen 200 bis 300 pro Nacht) apnoischen Pausen kommt es zu erheblichen arteriellen Blutgasveränderungen mit Anstieg des P C 0 2 und Abfall des P 0 2 (bis auf 20 bis 30 mmHg). Daraus resultieren deutliche Anstiege des Pulmonalarteriendruckes, die bei der obstruktiven Apnoe noch durch die erhebliche (5 bis 85 mmHg) intrathorakale Druckschwankung verstärkt wer-

Störungen der Atemregulation den, und auch des systemischen Blutdruckes, welche langfristig ein Cor pulmonale mit oder ohne gleichzeitige Linksherzinsuffizienz herbeiführen können. Klinik: Führendes Symptom am Tage ist eine v e r m e h r t e Müdigkeit mit Schlafneigung und Schläfrigkeit, weiterhin morgendlicher Kopfschmerz, Konzentrationsstörung, Antriebsmangel, Leistungsschwäche. Herz-Kreislauf-Krankheiten wie Herzrhythmusstörungen, Hypertonus, Polyglobulie und Herzinsuffizienz sowie Persönlichkeitsveränderungen und psychotisch-depressive Störungen mit oder o h n e Halluzinationen sowie Impotenz zeigen sich dagegen meist erst später. O f t wird nicht daran gedacht, d a ß es sich hier um Manifestationen des Schlafapnoe-Syndroms handelt. Typischerweise wird vom Partner nahezu immer lautes (pharyngeales) und unregelmäßiges Schnarchen mit längeren A t e m p a u s e n , meist verstärkt nach Alkoholgenuß, beobachtet. Nächtliche Dyspnoezustände und Herzrhythmusstörungen sind nicht selten. Diagnostik: Bei den geschilderten Symptomen und der A n g a b e von häufigem Schnarchen sollte besonders bei M ä n n e r n im mittleren und höheren Alter und mit gleichzeitigem Übergewicht an ein Schlafapnoe-Syndrom gedacht werden. Bei der Erfassung der A n a m n e s e sind spezielle Fragebögen hilfreich. Die endgültige Diagnosestellung bedarf aber spezialisierter Untersuchungen im „Schlaflabor" mittels Langzeitregistrierung von Blutgasen (bzw. Sauerstoffsättigung), E K G (Rhythmusstörungen) und Atmungsparametern (Luftstrom an Nase und M u n d mittels Thermistor, getrennte Aufzeichnung der diaphragmalen und thorakalen A t e m b e w e g u n g e n mittels Induktionsplethysmographie u.a.), ggf. unter Einschluß eines E E G während des Schlafes. Therapie: Prophylaktische Maßnahmen sind Vermeidung von M e d i k a m e n ten (Schlafmittel, Sedativa), Alkohol und ähnlichem, welche die E m p f i n d lichkeit des A t e m z e n t r u m s und die Ansprechbarkeit der Muskulatur herabsetzen, weiterhin die Konstanthaltung eines normalen Körpergewichtes. Medikamentöse Beeinflussung durch atmungsstimulierende Substanzen (Progesteron, Azetolamid, D o x a p r a m , Almitrin, Theophyllin) ist bislang nicht gesichert. Die 0 2 -Dauertherapie verhindert zwar die extremen 0 2 - U n t e r s ä t t i g u n g e n , verlängert jedoch die Apnoezeiten und ist f ü r sich allein nicht ausreichend wirksam. M a ß n a h m e n zur K o r r e k t u r von Anomalien der o b e r e n A t e m w e g e wie Nasenseptumbegradigung, E n t f e r n u n g der Tonsillen und A d e n o i d e n , kieferchirurgische Eingriffe o. ä. sind nur in Einzelfällen indiziert. Die Uvulo-Palato-Pharyngico-Plastik ist ein großer Eingriff und nur in etwa 50% erfolgreich. Mechanische M a ß n a h m e n wie Z u n g e n k l e m m e n und Körperpositionsdetektoren helfen nur in milden Fällen. Die Tracheotomie w a r f r ü h e r bei den obstruktiven A p n o e f o r m e n die M e t h o d e der Wahl, ist aber für den Patienten erheblich belastend. Als Methode der Wahl gilt derzeit die Behandlung mit kontinuierlich positivem nasalem D r u c k (nasaler CPAP). Prognose: D i e Prognose ist bei den schweren F o r m e n des SchlafapnoeSyndrom ernst. Cor pulmonale oder a n d e r e kardiale Manifestationen können eine f r ü h e Arbeitsunfähigkeit und eine vorzeitige Sterblichkeit verursachen.

245 .. . und systemischer Hypertonie. Langfristig Cor pulmonale mit oder ohne Linksherzinsuffizienz. Klinik Leitsymptome am Tage: - vermehrte Müdigkeit - morgendlicher Kopfschmerz - Leistungsschwäche u.a. Später Herz-Kreislauf-Krankheiten, Persönlichkeitsveränderungen u.a.

Leitsymptome bei Nacht: - lautes, unregelmäßiges Schnarchen begleitet von längeren Atempausen Diagnostik Typisch: Schnarchen, Männer über 45 Jahre, gleichzeitig Übergewicht Anamnese mit Fragebogen Schlaflabor

Therapie Prophylaxe durch Vermeiden von Alkohol und Schlafmittel sowie von Übergewicht

0 2 -Dauertherapie allein nicht ausreichend Operative Korrekturen nur selten indiziert

Tracheotomie belastend Methode der Wahl bei obstruktiver Schlafapnoe nasaler CPAP, zusätzlich Reduktion von Übergewicht Prognose Bei schweren Formen ernst mit Insuffizienz des rechten und/oder linken Herzens.

2.2.1 Pickwick-Syndrom

Pickwick-Syndrom

Das Pickwick-Syndrom wird heute als eine U n t e r f o r m des SchlafapnoeSyndroms aufgefaßt. Es ist gekennzeichnet durch ein erhebliches Übergewicht und eine starke Einschlafneigung während des Tages. Therapeutisch wirksam ist besonders die Gewichtsreduktion. Ausgeschlossen werden muß ein „blue bloater", bei d e m es infolge der chronisch-obstruktiven A t e m w e g s e r k r a n k u n g zur Entwicklung einer respiratorischen Globalinsuffizienz k o m m e n kann (s. 3.2.2).

Unterform des Schlafapnoe-Syndroms. Erhebliches Übergewicht. Therapie durch Gewichtsreduktion. Differentialdiagnostische Abgrenzung gegen „blue bloater" wichtig.

III Krankheiten der Atm ungsorgane

246 Undine-Fluch-Syndrom

Hyperventilation (= P C 0 2 < 3 5 m m H g ) Ätiologie: - psychogenes Hyperventilationssyndrom - organische Krankheiten

Auch das Undine-Fluch-Syndrom (Einschlafneigung bei normalem Körpergewicht) und die primäre alveoläre Hypoventilation sind zum Schlafapnoe-Syndrom zu zählen.

2.3 Hyperventilation Eine Hyperventilation mit überschießender Atmung, die ein Absinken des arteriellen Kohlendioxidpartialdruckes unter 35 mmHg bewirkt, kann Folge organischer Krankheiten, aber auch psychogen oder willkürlich ausgelöst sein. Vor Annahme eines psychogenen Hyperventilationssyndroms muß eine organische Ursache ausgeschlossen werden.

Kußmaul-Atmung s. Abb. 111-4

Psychogenes Hyperventilationssyndrom - besonders bei Frauen - zwischen 20.-30. Lebensjahr - weitere funktionelle Beschwerden Tetanischer Krampfanfall durch Abfall von PC0 2 und Alkalose

Diagnose: - Hyperventilationsversuch - Ausschluß organischer Ursachen

Therapie: - Beruhigung - C0 2 -Rückatmung

Hierzu gehören zerebrale Krankheiten, metabolische Azidosen (Diabetes mellitus, Urämie u. a.), akute und chronische Hypoxämien (besonders Lungen- und Herzkrankheiten, Anämie, Aufenthalt in großen Höhen u.a.), aber auch starke Schmerzen. Die Therapie besteht im Beseitigen der ursächlichen Störung. Als Kußmaul-Atmung wird eine Hyperventilation mit sehr tiefen, regelmäßigen Atemzügen bezeichnet, mit der respiratorisch eine ausgeprägte metabolische Azidose, besonders im Coma diabeticum, ausgeglichen werden soll (s. Abb.III-4). Das psychogene Hyperventilationssyndrom tritt am häufigsten zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr und bei Frauen dreimal so oft auf. Meist liegen weitere funktionelle Störungen wie Konzentrationsschwäche, Antriebslosigkeit, Schlafstörungen, Globusgefühl, Tachykardie, Herzbeschwerden, Hypotonie, Parästhesien, Magen-Darm-Beschwerden u. a. vor. Der Abfall des P C 0 2 und die Alkalose können einen tetanischen Krampfanfall mit der typischen Pfötchenstellung der Hände auslösen (differentialdiagnostisch müssen Hypokalzämie und Alkalose anderer Ätiologie ausgeschlossen werden). Diagnostisch läßt sich im Anfall eine arterielle Hypokapnie nachweisen, ansonsten kann ein Hyperventilationsversuch durchgeführt werden. Blutgasanalyse, Spirometrie, E K G und E E G sollten zum Ausschluß organischer Ursachen ebenso wie die Bestimmung der Serumwerte von Kalzium, Phosphor, Magnesium, Kalium, Natrium und Chlor vorgenommen werden. Therapeutisch genügt oft schon die Beruhigung durch den Arzt und die Aufforderung, langsam zu atmen oder die Luft anzuhalten. In schwereren Fällen hilft die C0 2 -Rückatmung über einen Plastikbeutel mit angereichertem 0 2 , zusätzlich ggf. Beruhigungsmittel.

Atem wegskrankheiten/Emphysem

3 Atemwegskrankheiten und Emphysem

Wichtige Funktionen: - Atemwege führen Luft zur Lunge und zurück —» Gasaustausch. - Anwärmen, Anfeuchten und Filtrieren der Luft. - Schutzreflexe vor Fremdkörpern. - Reinigung durch mukoziliäre Clearance.

Über die Atemwege gelangt während der Inspiration Luft aus der Umgebung in die Alveolen und während der Exspiration Luft aus den Alveolen in die Umgebung, womit der Gasaustausch in der Lunge ermöglicht wird. In den Atemwegen, besonders in der Nase, wird die Luft angewärmt und angefeuchtet, außerdem werden grobe Partikel herausgefiltert. Niesen, Husten und Stimmbandschluß stellen wichtige Schutzreflexe vor Fremdkörpern dar. Die mukoziliären Klärmechanismen sorgen für die ständige Reinigung des Tracheobronchialsystems.

Atemwegskrankheiten und Emphysem

3.1 Obere A t e m w e g e Hierzu werden die A t e m w e g e bis einschließlich Trachea gezählt. Im strengen Sinne rechnen hierzu nur die A t e m w e g e oberhalb der Trachea wie Nase und N e b e n h ö h l e n , Mundhöhle, G a u m e n , Tonsillen, Rachenhöhle und Kehlkopf, die im wesentlichen zum Fachgebiet der H N O - H e i l k u n d e gehören. O f t besteht jedoch ein enger Zusammenhang zwischen Krankheiten der oberen und unteren Atemwege, z.B. beim sinubronchialen Syndrom (gleichzeitige E n t z ü n d u n g der N a s e n n e b e n h ö h l e n und der Bronchien) oder bei allergischen A t e m w e g s e r k r a n k u n g e n (Heuschnupfen bzw. allergische Rhinitis und A s t h m a bronchiale), so d a ß hier Überschneidungen möglich sind. Die E r m ü d u n g der Schiundmuskulatur ist heute häufigste Ursache der peripheren Schlafapnoe (s. 2.2).

247 Obere Atemwege einschließlich Trachea

Oft enger Zusammenhang von Krankheiten der oberen und unteren Luftwege: - Sinubronchiales Syndrom - Allergische Rhinitis und Asthma bronchiale

3.2 Trachea 3.2.1 Entzündungen (Tracheitis)

Tracheitis

Epidemiologie: Die Schleimhautentzündung der Trachea tritt fast nur kombiniert mit einer Bronchitis auf (Tracheobronchitis). Sie kann e b e n s o akut wie chronisch verlaufen. Sonderformen: Beim Keuchhusten sind n e b e n der Tracheobronchitis meist auch eine Epiglottitis und eine Laryngitis vorhanden. Die Diphtherie ist heute auf G r u n d der I m p f u n g seltene Ursache einer Laryngitis ( K r u p p ) . Häufiger ist die subglottische Epiglottitis (Pseudokrupp), die bei Kindern bis zum 3. Lebensjahr in der Regel viral, danach bakteriell (Haemophilus influenzae) ausgelöst wird. Die Tuberkulose des Kehlkopfes zählt heute zu den Raritäten. Klinik: Charakteristisch f ü r E n t z ü n d u n g e n des Larynx und der Trachea sind bellender Husten und ein inspiratorischer Stridor, häufig v e r b u n d e n mit Heiserkeit und schwerer A t e m n o t (Einsatz der Atemhilfsmuskulatur). Differentialdiagnostisch ist gegenüber a n d e r e n Ursachen von Trachealstenosen zu unterscheiden: 1. entzündlich, 2. narbig (nach Verletzungen und E n t z ü n d u n g e n ) , 3. intratracheale T u m o r e n , 4. Fremdkörper, 5. Kompression von a u ß e n (Schilddrüse, Lymphome), 6. Anomalien u.a. Therapie: wie bei Bronchitis (antiphlogistische, antibiotische und abschwellende M a ß n a h m e n ) .

fast immer zusammen mit Bronchitis, akuter oder chronischer Verlauf Sonderformen: - Keuchhusten - Diphtherie (Krupp) - Pseudokrupp: viral vor 3.Lebensjahr, danach bakteriell - Tuberkulose (selten)

Klinik: -

bellender Husten inspiratorischer Stridor Heiserkeit Atemnot

Ursachen von Trachealstenosen

Therapie: - antiphlogistisch - antibiotisch

3.2.2 Intratracheale Tumoren Epidemiologie: Die Karzinome der Trachea treten ebenso wie des Larynx und der Bronchien häufiger beim Raucher auf, meist handelt es sich um Plattenepithelkarzinome. A d e n o k a r z i n o m e sind häufig Metastasen eines M a m m a - oder Lungenkarzinoms. D a s adenoid-zystische Karzinom wächst relativ langsam ebenso wie das noch seltenere m u k o e p i d e r m o i d e Karzinom. S a r k o m e (Leiomyo- und C h o n d r o s a r k o m e ) k o m m e n äußerst selten vor. Die Papillomatose, welche vorwiegend den Larynx betrifft, gelegentlich aber auf die Trachea übergreift, wird gewöhnlich erstmals bei Kindern unterhalb des 6. Lebensjahres beobachtet (virusbedingt?). Im mittleren Lebensalter treten an gutartigen Tumoren meist Lipome und Fibrolipome auf. Klinik: Die Larynxtumoren machen sich meist durch Heiserkeit b e m e r k bar, Tumoren in der Trachea und den großen A t e m w e g e n durch die Einengung der A t e m w e g e mit Stridor und A t e m n o t . Sie können dabei eine obstruktive A t e m w e g s e r k r a n k u n g , z.B. ein Asthma, vortäuschen.

Intratracheale Tumoren Epidemiologie: Häufig Raucher, meist Plattenepithelkarzinome Adenoid-zystisches Karzinom langsam wachsend Papillomatose bei Kindern

Lipome und Fibrolipome

Klinik: - Heiserkeit - Stridor - Atemnot

248 Lungenfunktion deckt Obstruktion auf. Lokalisation durch Tomographie. Diagnose durch Bronchoskopie.

III Krankheiten der Atm ungsorgane Spätestens bei Nichtansprechen der Therapie sollte man eine Obstruktion der zentralen Atemwege ausschließen. Hierzu bieten sich neben der Klinik (Stridor) die Lungenfunktion (s. 3.2.4.1), die Röntgenuntersuchung (Tomogramme der Trachea) und besonders die Endoskopie mit dem Bronchoskop an.

Therapie Maligne Tumoren selten radikal zu entfernen -> Endoskopische Ausräumung und Bestrahlung Gutartige Tumoren werden endoskopisch oder operativ entfernt.

Therapie: Die malignen Tumoren sind selten radikal resezierbar. Häufig bieten sich die endoskopische Ausräumung mittels Laser- oder Elektrokoagulation und die nachfolgende Bestrahlung von innen (After-LoadingTechnik mit ll)2 Iridium) oder perkutan bzw. kombiniert an. Lipome und Fibrolipome lassen sich häufig über das starre Bronchoskop entfernen, aber auch operative Maßnahmen mit Teilresektion der Trachea können sinnvoll sein.

Kompression nach außen

3.2.3 Kompression von außen

Extratracheale Ursachen

Kausale Therapie

Einengungen der Trachea von außen können durch Lymphome, Schilddrüsenvergrößerungen, gelegentlich auch durch eine Mediastinitis oder Gefäßanomalien (s. 3.2.5) hervorgerufen werden. Pathophysiologic: In der Regel handelt es sich um fixierte, in- und exspiratorisch wirksame Stenosen. Klinik: Hinweisend sind eine vergrößerte Schilddrüse oder vergrößerte Lymphknoten, die einer entsprechenden Diagnostik unterzogen werden müssen. Die Bronchoskopie zeigt eine von außen eingeengte Trachea (schornsteinartig). Röntgenologisch finden sich häufig eine Verschattung des oberen Mediastinums und eine Einengung der Trachea. Die Therapie richtet sich nach der jeweiligen Ursache.

Traumen

3.2.4 Traumen

Fixierte Stenose

Schornsteinartige Einengung der Trachea bei Bronchoskopie

3.2.4.1 Stenosen Stenosen häufig Folge von Intubation oder Tracheotomie Pathophysiologie

Extrathorakal: inspiratorische Stenose Intrathorakal: exspiratorische Stenose Starr: in- und exspiratorisch

Klinik: - Stridor - Atemnot Diagnose - typische Vorgeschichte - Tomographie - Laryngo-Bronchoskopie Therapie: abhängig von Schweregrad und Art der Stenose

Epidemiologie: Intubations- und Tracheotomiefolgen sind häufig Ursachen von Trachealstenosen. Sie sind meist Folge des langen Druckes durch den Tubus bzw. durch die Tubusmanschette. Pathophysiologie: Extrathorakale Stenosen werden durch Strikturen im Bereich des Larynx infolge naso- bzw. orotrachealer Intubation bzw. durch Strikturen infolge Tracheotomie, intrathorakale Stenosen dagegen durch das Tubusende hervorgerufen. Funktionell lassen sich diese dann unterscheiden, wenn sie nicht völlig starr sind: Bei extrathorakalen Stenosen ist eine stärkere Einengung während der Inspiration, bei intrathorakalen umgekehrt zu sehen. Bei starren Stenosen findet sich in- und exspiratorisch die typische Fluß-Volumen-Kurve mit praktisch linearem Verlauf bzw. die charakteristische Resistancekurve mit in- und exspiratorischer Erhöhung der Atemwegswiderstände. Klinik: Stridor und Atemnot stehen im Vordergrund. Diagnose: Die typische Vorgeschichte mit langdauernder Intubation bzw. Tracheotomie, die Röntgenschichtuntersuchung und die Laryngo- bzw. Bronchoskopie sind diagnostisch hinweisend. Therapie: Abhängig von Grad und Art der Stenose kommen Inhalationen und abschwellende Maßnahmen, endoskopische Bougierungen, intratracheale Kunststoffprothesen, Trachealresektion mit End-zu-End-Anastomosen und bei membranösen Stenosen Laserkoagulationen in Betracht.

Atemwegskrankheiten und Emphysem

249

3.2.4.2 Trachealrisse

Trachealrisse

Rupturen der Trachea und der großen Bronchien treten bei stumpfen und penetrierenden Brustkorbverletzungen auf, aber auch z.B. nach fehlerhafter Intubation. Ösophago-tracheale Fisteln können ebenfalls Folge eines stumpfen T h o r a x t r a u m a s sein, werden a b e r auch als Folge des Tubusdrukkes bei Langzeitbeatmungen, bei T u m o r e n , Bestrahlungen und anderen Ursachen gesehen. Klinik: Klassisch ist die Trias Mediastinalemphysem, P n e u m o t h o r a x und Atelektase, die aber auch fehlen k ö n n e n . Bei der ösophago-trachealen Fistel stehen Aspirationsfolgen im Vordergrund (s. auch 8.4.1 und 8.5). Diagnose: Besonders bei Bluthusten und Atelektasen nach Trauma sowie therapieresistentem P n e u m o t h o r a x und Mediastinalemphysem ist eine Bronchoskopie dringend angezeigt, die in der Regel die Diagnose ermöglicht. D e r Nachweis der ösophago-trachealen Fistel erfolgt durch Bronchoskopie, Ösophagographie und/oder Ösophagoskopie. Therapie: Risse bzw. Abrisse der Trachea und der großen Bronchien müssen ebenso wie ösophago-tracheale Fisteln möglichst frühzeitig operativ beseitigt werden.

nach Thoraxtraumen, iatrogen. Ösophago-tracheale Fisteln

Klinik: - Mediastinalemphysem - Pneumothorax - Atelektase Diagnose: Bronchoskopie Fistel: Ösophagographie Therapie: frühzeitig operativ

3.2.4.3 Tracheomalazie

Tracheomalazie

Bei der Tracheomalazie k o m m t es zum Stabilitätsverlust der Trachea, hauptsächlich durch Erweichung der Knorpelringe o d e r durch D r u c k von außen (Schilddrüse, G e f ä ß e u.a.). So kann sie Folge einer langdauernden Beatmung mit E n t z ü n d u n g d e r Trachealwand sein, aber auch in den großen Bronchien Folge eines Emphysems. Einige Fälle bleiben ätiologisch unklar. Seltene Ursache ist die rezidivierende Polychondritis, bei der auch Knorpeldeformierungen an Nase (Sattelnase), O h r e n u.a. vorliegen. Klinik: erhebliche Hustenattacken mit Atemnot. Diagnose: bronchoskopische Feststellung des Trachealkollapses beim Husten. Therapie: operative Versteifung der Trachea, eventuell Trachealendoprothese.

Stabilitätsverlust der Trachea durch Knorpelerweichung und/oder Druck von außen

Klinik - Hustenattacken - Atemnot Diagnose durch Bronchoskopie Therapie: operativ

3.2.5 Mißbildungen

Mißbildungen

3.2.5.1 Gefäßanomalien

Gefäßanomalien mit Kompression der Trachea

Häufigste G e f ä ß a n o m a l i e n , die zu Kompression der Trachea f ü h r e n , sind der doppelte A o r t e n b o g e n , ein rechter A o r t e n b o g e n mit linkem Ligamentum arteriosum und eine aberrierende A . subclavia dextra (A.lusoria). Klinik: F ü h r e n d e Symptome sind Stridor, Dyspnoe, Dysphagie, Tracheomalazie. Diagnose: Diese wird durch T r a c h e a - Z i e l a u f n a h m e n , Ösophagographie, Bronchoskopie und besonders durch die Angiographie gestellt. Therapie: operativ.

Selten: rezidivierende Polychondritis

Klinik Stridor, Dyspnoe, Dysphagie Diagnose Angiographie Therapie operativ

3.2.5.2 Angiom In 50% der Fälle finden sich Angiome auch an anderen Stellen des Körpers. A t e m n o t tritt meist innerhalb des 1. Lebensjahres auf. Die Diagnose wird bronchoskopisch gestellt, die T h e r a p i e ist operativ.

50% multilokulär Atemnot innerhalb des I.Lebensjahres

3.2.5.3 Weitere angeborene Mißbildungen

Weitere angeborene Mißbildungen:

Weitere angeborene Mißbildungen sind die Trachealstenose, die Trachealatresie (mit d e m Leben nicht vereinbar), Trachealdivertikel, Trachealzysten, ösophago-tracheale Fisteln (meist zusammen mit Ösophagusatresie), Tracheomalazie durch Tonusverlust der Pars m e m b r a n a c e a o d e r durch weichen bzw. unvollständigen Trachealringknorpel und die Tracheobronchomegalie.

-

Trachealstenose Trachealdivertikel Fisteln Tracheomalazie Tracheobronchomegalie

250 Frühe Symptomatik Möglichst operative Sanierung

III Krankheiten der Atmungsorgane Die S y m p t o m e treten meist schon im Säuglings- und Kleinkindesalter auf. Soweit möglich sollten die A n o m a l i e n operativ b e h o b e n werden.

3.2.6 Andere Trachealkrankheiten Tracheobronchopathia chrondroosteoplastica Stridor und Atemnot Typisches bronchoskopisches Bild

3.2.6.1 Tracheobronchopathia chrondroosteoplastica Diese seltene E r k r a n k u n g geht mit knorpelig-knöchernen Auflagerungen auf d e r Schleimhaut d e r Trachea und der großen Bronchien einher. Die Ätiologie ist unklar. Klinisch überwiegen Stridor und A t e m n o t , gelegentlich handelt es sich um einen bronchoskopischen Zufallsbefund. D a b e i findet sich ein charakteristisches bronchoskopisches Bild mit tropfsteinhöhlenartigen Veränderungen. Therapeutisch kann die endoskopische A b tragung (z.B. Laser) versucht werden.

Amyloidose

3.2.6.2 Amyloidose

Klinik: - Heiserkeit, Stridor, Dyspnoe, Hämoptysen

Hierbei k o m m t es zu tumorartigen, oft solitären Amyloidablagerungen in der Schleimhaut der Trachea und der H a u p t b r o n c h i e n (eventuell mitbetroffen sind die ableitenden H a r n w e g e , A u g e n und H a u t ) . Die Ätiologie ist unklar. Klinisch stehen Heiserkeit, Stridor, D y s p n o e und Hämoptysen im Vordergrund. D i e Diagnose erfolgt bronchoskopisch. Bei solitären Veränderungen ist die O p e r a t i o n , bei multiplen Veränderungen die endoskopische A b t r a g u n g indiziert.

з.3 Untere Atemwege Akute Bronchitis sehr häufig, meist kombiniert mit Rhinitis und Tracheitis Besonders bei Kindern und Jugendlichen Meist Virusinfekt Nach Inhalation toxischer Substanzen Am Beginn von Infektionskrankheiten (Scharlach, Diphtherie, Masern u.a.)

3.3.1 Akute Bronchitis Definitionen, Epidemiologie Die a k u t e E n t z ü n d u n g der Bronchialschleimhaut ist eine der häufigsten Krankheiten. Sie geht in der Regel mit einer Rhinitis und Tracheitis einher (sogenannter „grippaler Infekt"); ganz besonders tritt sie bei Kindern und Jugendlichen auf. Bei fehlender Vorschädigung ist sie meist Folge einer Virusinfektion (Adeno-, Myxo-, Echo-, Rhino-Viren u.a.), kann jedoch auch Folge d e r Inhalation toxischer Substanzen sein, ζ. B. Schwefeldioxid, Ozon. Infektionskrankheiten wie Scharlach, Diphtherie, Masern, Windpocken и.a. können mit den Symptomen einer akuten Bronchitis beginnen. Eine primär bakterielle akute Bronchitis ist selten, sie tritt entweder als Komplikation einer Virusinfektion oder als Exazerbation einer chronischen Bronchitis auf. E i n e Pilzinfektion (Candida, Cryptococcus, Aspergillus u. a.) kann ursächlich bei Abwehrschwäche ( A I D S , immunsuppressive bzw. zytostatische T h e r a p i e ) eine akute Bronchitis auslösen.

Pathophysiologie In der Regel normale Funktion Im Verlauf, besonders bei chronischer Bronchitis, Atemwegsobstruktion möglich

Pathophysiologie Die unkomplizierte akute Bronchitis zeigt in der Regel keine Funktionseinschränkungen. E s kann sich jedoch, besonders bei der chronischen Bronchitis, im Verlauf eine Obstruktion der A t e m w e g e durch Bronchospasmus, Hypersekretion und/oder Schleimhautschwellung entwickeln.

Klinik

Klinik F ü h r e n d e s Symptom ist der Husten, dem bei Virusinfekten meist Schnupfen o d e r Halsschmerzen vorausgehen. D a z u finden sich häufig subfebrile T e m p e r a t u r e n und Thoraxschmerzen. Die Krankheit tritt meist in der kalten Jahreszeit bzw. epidemisch auf. D e r anfänglich trockene (unproduktive) Husten kann sich zum produktiven Husten mit Auswurf wandeln, der dann zunächst schleimig o d e r glasig-zäh ist und nach einer bakteriellen Superinfektion eitrig (gelbe oder g r ü n e Verfärbung) werden kann. Auskultatorisch liegt oft kein pathologischer B e f u n d vor. Bei zähem Sekret können

Leitsymptom: Husten Auftreten: kalte Jahreszeit, epidemisch Später oft Auswurf Oft normales Atemgeräusch, später trockene und feuchte Nebengeräusche möglich

Atemwegskrankheiten und Emphysem

251

trockene Rasselgeräusche vorwiegend während der Exspiration, bei starker Sekretbildung auch diffus feuchte Rasselgeräusche zu hören sein. Diagnostik A n a m n e s e und Klinik sind in der Regel eindeutig. Im Blutbild findet sich oft eine L e u k o p e n i e o d e r eine leichte Leukozytose o h n e Linksverschiebung, die B S G ist nur leicht erhöht. Virologische Untersuchungen sind meist nicht notwendig, bei eitrigem Sputum finden sich mikroskopisch vermehrt neutrophile Granulozyten. Häufigste bakterielle Erreger sind Pneumokokken und Haemophilus influenzae, auch Mykoplasmen, ggf. Chlamydien (Ornithose/Psittakose). Differentialdiagnostik Infektionskrankheiten wie Scharlach, Typhus, Masern und Windpocken können mit einer akuten Bronchitis beginnen. Auch an abortive Verläufe beim Keuchhusten des Erwachsenen muß gedacht werden. Eine ähnliche Hustensymptomatik, meist a b e r mit h ö h e r e m Fieber und A t e m n o t , findet sich bei den nicht-bakteriellen Pneumonien, die vorwiegend röntgenologisch zu diagnostizieren sind. Gedacht werden muß auch an eine Stauungsbronchitis im R a h m e n einer Linksherzinsuffizienz, bei Kindern an eine Mukoviszidose und eine Agammaglobulinämie. Weitere Krankheitsbilder mit ähnlicher Symptomatik sind die Byssinose, die akuten exogen-allergischen Alveolitiden, die allergisch-bronchopulmonale Aspergillose, die Lungentuberkulose und a n d e r e hustenverursachende Krankheiten (Bronchialkarzinom u. a., s. auch unter Bronchiolitis, A s t h m a , hyperreaktives Bronchialsystem). In Zweifelsfällen und bei einem Verlauf über mehr als 2 bis 3 Wochen ist eine weitere Diagnostik inklusive Thorax-Röntgen, Sputumuntersuchung, Bronchoskopie u. a. erforderlich.

Diagnostik Meist eindeutige Anamnese und Klinik

Differentialdiagnostik Viele Krankheiten mit ähnlichen Symptomen

Im Zweifelsfall weitere Diagnostik: - Thorax-Röntgen - Sputumuntersuchungen - Bronchoskopie

Therapie Bei einer a k u t e n Virus-Bronchitis k o m m t nur eine symptomatische (antipyretische, antitussive) Behandlung in Betracht. Bei einer bakteriellen Infektion sollten ungezielt Antibiotika (Ampicillin, Tetracycline oder T M P - S M Z ) eingesetzt werden, bei Nichtansprechen ist eine bakteriologische Resistenztestung erforderlich. Bei Bronchospasmus sollten vorwiegend Beta-2-Sympathikomimetika gegeben werden. Sekretolytika und Mukolytika werden zwar sehr häufig verschrieben, sind aber nur selten wirklich indiziert bzw. wirksam. Wichtig ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr.

Therapie:

3.3.2 Chronische Bronchitis

Chronische Bronchitis

Die chronische Bronchitis ist eine der häufigsten chronischen Krankheiten überhaupt. Betroffen sind etwa 20% aller erwachsenen Männer, seltener dagegen Frauen. Unterschieden wird die einfache chronische Bronchitis mit schleimigem Auswurf, o h n e eitrige Beimengungen und ohne nachweisbare Bronchialobstruktion von der m u k o p u r u l e n t e n chronischen Bronchitis mit schleimig-eitrigem Auswurf als H a u p t m e r k m a l und die obstruktive chronische Bronchitis mit nachweisbarer Bronchialobstruktion mit schleimigem o d e r eitrigem Auswurf.

Eine der häufigsten chronischen Krankheiten: Betroffen sind 20% aller Männer

A n m e r k u n g : Für epidemiologische Zwecke empfiehlt die W H O folgende Definition: Husten und Auswurf an den meisten Tagen während mindestens je 3 M o n a t e n in 2 aufeinanderfolgenden Jahren. Ätiologie: Als Ursache der chronischen Bronchitis k o m m e n sowohl exogene als auch endogene Faktoren in Betracht (Tab. III-4). Wichtigster exogener F a k t o r ist das Zigarettenrauchen, jedoch sind auch andere Berufs- und Umwelteinflüsse zu beachten. D a n e b e n spielen aber auch genetische Faktoren eine Rolle. Hierzu gehö-

-

Symptomatisch Bei eitrigem Auswurf Antibiotika Bei Bronchospasmus antiobstruktiv Sekretolytika und Mukolytika sind wenig effektiv Flüssigkeit

- Einfache Form - Mukopurulente Form - Obstruktive Form

Definition für epidemiologische Zwecke

Ätiologie Exogene und endogene Faktoren: s. Tab.lll-4

III Krankheiten der Atm ungsorgane

252

Tabelle 111-4 Ätiologie der chronischen Bronchitis 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8

Begleitkrankheit Pathogenese Hyperplasie und Hypertrophie der Schleimdrüsen Verlust von Flimmerepithel Erhöhte Infektgefährdung

Bronchialobstruktion durch - Schleimhautschwellung - Sekretvermehrung - Muskelkontraktion

Exogene Faktoren Tabakrauch (auch passiv) Luftverschmutzung (S0 2 , N0 2 , 0 3 u.a.) Exposition am Arbeitsplatz Witterung (Kälte, Feuchtigkeit) Infektionserreger (Viren, Bakterien, Pilze) Allergene Endogene Faktoren Allergische Disposition Hyperreaktives Bronchialsystem Mangel an Immunglobulinen (IgA, IgG, IgM) Zystische Fibrose (Mukoviszidose) Angeborene Bronchiektasen Immotile-cilia-Syndrom Young-Syndrom Antiproteasenmangel (Alpha r Antitrypsin)

ren nicht nur die familiäre Disposition zum Asthma bronchiale oder zur bronchialen Hyperreaktivität, sondern eine Vielzahl von Krankheiten, die durch eine verbesserte Diagnostik inzwischen aufgedeckt wurden. Weiter kann sich eine chronische Bronchitis als Begleiterkrankung einer Lungenfibrose, einer chronischen Herzinsuffizienz u.a. finden. Pathogenese Die chronische Entzündung der Schleimhaut führt über eine Hyperplasie und Hypertrophie der schleimsezernierenden Drüsen zu einer vermehrten Schleimretention. Der Verlust an Flimmerepithel bewirkt zusätzlich einen Sekretstau mit erhöhter Anfälligkeit für Infekte. Dadurch kann auf der einen Seite eine Bronchialobstruktion und auf der anderen Seite über eine Zerstörung des Lungengewebes ein Emphysem (s. 3.2.6.1) entstehen. Der Reid-Index, der das Verhältnis zwischen submukösen Drüsen und Bronchuswand quantitativ aufgrund einer histologischen Analyse angibt, steigt bei der chronischen Bronchitis. Die obstruktiven Veränderungen als Folge von entzündlicher Schleimhautschwellung, intrabronchialer Sekretvermehrung (Abb.III-5) und Kontraktion der glatten Muskulatur sind in der Regel stärker in den knorpelfreien kleinen Atemwegen („small-airways-disease").

Muskelkontraktion

Schleimhautschwellung

Hypersekretion

b+c+d

Abb.III-5 Ursachen der Bronchialobstruktion: a) Muskelkontraktion (Spasmus), b) Sekretvermehrung (Hypersekretion), c) Schleimhautschwellung (Odem) Pathophysiologic Normale Funktion bei der einfachen Form, s. Tab. 111-5 Ggf. Obstruktion bei mukopurulenter Form

Pathophysiologic Bei der einfachen Form ist die Lungenfunktion normal (Tab.III-5). Trotzdem kann eine latente Neigung zur Bronchialobstruktion bestehen, die durch unspezifische inhalative Provokationsteste nachgewiesen werden kann (siehe hyperreaktives Bronchialsystem). Bei der mukopurulenten Form kann sich bereits eine funktionell relevante Einengung der Atemwege zeigen,

Atemwegskrankheiten und Emphysem

253

Tabelle IN-5 Befunde bei den verschiedenen Formen der chronischen Bronchitis Bronchitisform

Symptome

Auskultation

Lungenfunktion

1.

einfache

normal

normal

2.

mukopurulente

Husten ohne/ mit Auswurf Schübe mit schleimig-eitri gem Auswurf

trockene und/ oder feuchte Nebengeräusche

normal oder Obstruktion

trockene Nebengeräusche

Obstruktion

trockene Nebengeräusche, oft leises Atemgeräusch

starke Obstruktion (z.T. irreversibel)

3.1 obstruktive 3.2 obstruktive mit respiratorischer Partial-/Globalin suffizienz

Belastungsdyspnoe Ruhedyspnoe

bei der obstruktiven Bronchitis ist sie in unterschiedlichem Ausmaß, welches vom Krankheitsstadium, von einer akuten Exazerbation und von der Therapie abhängt, vorhanden. Der Nachweis erfolgt in der Lungenfunktionsuntersuchung mit dem FEV,, den Atemwegswiderständen und anderen Obstruktionstesten. Besonders empfindlich sind hier die Früherkennungsteste mit Fluß-Volumen-Kurven, Helium-Verdünnung, dynamischer Compliance u.a.

Unterschiedliches Ausmaß der Obstruktion bei der chronisch obstruktiven Bronchitis. Abhängig von - Krankheitsstadium - akuter Verschlimmerung - Therapie

Die Obstruktion kann teilweise oder vollkommen, sofort oder erst im weiteren Verlauf reversibel sein, je nachdem, ob der Spasmus der Bronchialmuskulatur (akut sichtbarer Effekt im Bronchospasmolysetest), die Schleimhautschwellung, das zähe Sekret oder bereits anatomisch fixierte Bronchialwandveränderungen im Vordergrund stehen.

Akute Reversibilität im Bronchospasmolysetest feststellbar

In den späten Stadien und bei einer akuten Verschlimmerung der chronischen Bronchitis kann die obstruktive Ventilationsstörung zu einer respiratorischen Partial- oder sogar Globalinsuffizienz und über eine Hypertonie im kleinen Kreislauf zu einem Cor pulmonale führen (Bronchitis-Typ; Tab.III-6). Die eingeschränkte mukoziliäre Klärfunktion läßt sich nuklearmedizinisch durch die Inhalationsszintigraphie nachweisen.

Folgen: Respiratorische Partial- oder Globalinsuffizienz mit Cor pulmonale Bronchitis-Typ s. Tab. III-6

Klinik Führendes Symptom ist Husten mit oder ohne Auswurf. Anfanglich besteht der Husten nur morgens (sogenannter Raucherhusten), später überwiegend während der kalten Jahreszeit, dann ganzjährig. Schübe mit eitrigem Auswurf nehmen an Häufigkeit, Dauer und Schwere allmählich zu. Oft führen erst die Atemnot unter Belastung, manchmal auch erst Unterschenkelödeme als Zeichen der Rechtsherzdekompensation zum Arztbesuch. Abhängig von der Bronchitisform finden sich unterschiedliche auskultatorische Phänomene, unter denen die trockenen Nebengeräusche (Giemen, Pfeifen, Brummen) vor allem während der Exspiration überwiegen (s. Tab. III-5). Vom Körpertyp zählt der Bronchitiker eher zu den Adipösen, oft ist eine Zyanose sichtbar (s. Tab. III-6).

Klinik Leitsymptom: - Husten mit oder ohne Auswurf - Atemnot unter Belastung - Unterschenkelödeme - Unterschiedliche Auskultationsphänomene, vorwiegend exspiratorisch trokkene Nebengeräusche - Pat. eher adipös und zyanotisch

Diagnostik Besondere Bedeutung hat die Erhebung der Anamnese. Bei der Beurteilung des Sputums sollte besonders auf Konsistenz, Menge und Aussehen geachtet werden, bei eitrigem Auswurf ist bei Therapieversagen bakteriologisch zu untersuchen (in der Regel finden sich Haemophilus influenzae, Pneumokokken und andere gut zu behandelnde Erreger). Trockene Nebengeräusche über den Lungen sind nicht obligat, erlauben jedoch in vielen Fällen bereits die Diagnose einer obstruktiven Bronchitis.

Diagnostik - Anamnese - Sputum

Bronchospastik nicht obligat

III Krankheiten der Atmungsorgane

254

Tabelle 111-6 Unterschiede zwischen Bronchitis- und Emphysemtyp Wichtige Parameter

Anamnese Anfangssymptom Alter bei Beginn Sputumproduktion Bronchialinfekte Respiratorische Insuffizienz Rechtsherzinsuffizienz Klinik Körpertyp Hautfarbe Auskultation Röntgen-Thorax Lungenstruktur Zwerchfellhochstand Herzkonfiguration Lungenfunktion Arterieller P02 Arterieller PC02 Hämatokrit/Erythrozyten Obstruktion Residualvolumen Diffusionskapazität Pulmonalarteriendruck

wichtig • = >

Lungenfunktionstest notwendig

Stufenweises diagnostisches Vorgehen, s.Tab. II 1-7

Vorwiegend Bronchitistyp

Vorwiegend Emphysemtyp

Husten/Auswurf um 50 Jahre viel, oft eitrig rezidivierend rezidivierend

Belastungsdyspnoe um 60 Jahre wenig, schleimig selten erst spät im Verlauf

rezidivierend erst spät im Verlauf pyknisch zyanotisch trockene Nebengeräusche

leptosom blaß leises Atemgeräusch

vermehrt bronchovaskulär („dirty lung") normal vergrößert

Strukturverlust tief, flach normal oder klein

deutlich erniedrigt erhöht (Globalinsuffizienz) erhöht stark, z.T. reversibel mäßig erhöht, z.T. reversibel wenig eingeschränkt deutlich erhöht

wenig erniedrigt normal normal mäßig, wenig reversibel deutlich erhöht, irreversibel deutlich eingeschränkt mäßig erhöht

Ein normaler A u s k u l t a t i o n s b e f u n d (wichtig ist die P r ü f u n g auch während einer forcierten Ausatmung!) schließt das Vorliegen einer A t e m wegseinengung nicht aus. Diese kann häufig erst durch die Lungenfunktionsuntersuchung festgestellt werden, wobei dies gleichzeitig auch eine objektive Beurteilung des Schweregrades der Obstruktion, die Feststellung eines zusätzlichen Lungenemphysems und den Nachweis eines positiven E f f e k t e s eines bronchialerweit e r n d e n M e d i k a m e n t e s (Bronchospasmolysetest) erlaubt. D a s diagnostische Vorgehen erfolgt am besten nach e i n e m Stufenplan (Tab. III-7).

Differentialdiagnostik: Abzugrenzen sind fast alle kardiorespiratorischen Krankheiten, Unterscheidung gegenüber exogen-allergischem Asthma wichtig wegen anderer Therapie

Differentialdiagnostik D a die chronische Bronchitis mit Husten u n d / o d e r Auswurf einhergeht, k o m m e n differentialdiagnostisch fast alle respiratorischen und kardialen Krankheiten in Betracht. Ihr Ausschluß erfolgt durch die im Stufenplan (s. Tab. III-7) angegebenen diagnostischen Untersuchungen. B e s o n d e r e r Wert ist auf die Abgrenzung gegenüber dem exogen-allergischen Asthma bronchiale zu legen, da sich hier in einigen P u n k t e n wesentliche therapeutische Unterschiede ergeben.

Therapie - Ausschalten der Noxen (Rauchverbot)

Therapie In der B e h a n d l u n g der chronischen Bronchitis steht die Ausschaltung der Noxen (also insbesondere des Zigarettenrauchs) an vorderster Stelle. N u r so kann ein weiteres Fortschreiten verhindert werden, wobei die Karenz

Atemwegskrankheiten und Emphysem

255

Tabelle 111-7 Stufenplan zur Bronchitis-Diagnostik Stufe 1: Anamnese Auskultation Lungenfunktionsuntersuchungen Stufe 2: Röntgenthoraxaufnahme (2 Ebenen) Allergiediagnostik (Haut, Schleimhäute) Spezielle Laboruntersuchungen (Sputum-Bakteriologie, Virus- und Mykoplasmenserologie, Immunglobuline A, G, M, Alpha r Antitrypsin, IgE [PRIST] und spezifische IgE [RAST]) Stufe 3: Bronchialer Provokationstest Bronchoskopie (eventuell mit -graphie) Lungenszintigraphie Rechtsherzkatheter (evtl. mit Pulmonalisangiographie) mukoziliäre Clearance Computertomographie (Nachweis von Bullae) Zusätzlich je nach differentialdiagnostischer Situation HNO-fachärztliche (inklusive Röntgenaufnahmen der Nasennebenhöhlen) und/oder kardiologische Untersuchungen und/oder Ösophagusdiagnostik

möglichst frühzeitig begonnen werden sollte. Entsprechende Hilfestellung (Aufklärung, evtl. Raucherentziehungskurse, Nikotinsubstitution u.a.) ist dabei notwendig. Bei akuten, eitrigen Exazerbationen sollten Antibiotika (Doxycyclin, TMP-SMZ, Ampicillin) möglichst frühzeitig gegeben werden. Nur in Problemfällen ist vorher eine Sensibilitätsprüfung notwendig. Bei zähem Sekret können zusätzlich Mukolytika (ζ. B. Carbozystein, Acetylcystein, Ambroxol) verabreicht werden. Effektiver sind hier in der Regel Inhalationen mit Drüsenvernebler oder IPPB und orale Flüssigkeitszufuhr. Liegt eine obstruktive Ventilationsstörung vor, sind Bronchospasmolytika entscheidend, in erster Linie die Beta-2-Sympathikomimetika zur Inhalation (Salbutamol, Fenoterol, Terbutalin u.a.), bei im Spasmolysetest nachgewiesener Wirksamkeit auch Parasympathikolytika (Ipatropiumbromid u.a.). Zusätzlich je nach Schweregrad auch inhalierbare Kortikosteroide (ζ. B. Beclomethason, Budenosid) sowie orale Theophyllin-retard-Präparate unter Kontrolle des Serum-Theophyllinspiegels. Bei ungenügender Wirksamkeit und schwerem Krankheitsbild sind kurzfristig evtl. hochdosiert Kortikosteroide i. v. oder oral, in seltenen Fällen in niedriger Dosis (5 bis 15 mg täglich) auch langfristig indiziert. Bei einer akuten Verschlechterung oder als Dauertherapie ist auch die zusätzliche Gabe von Sauerstoff (1-3 I 0 2 /min mindestens über 10 Stunden pro die über Sauerstoffkonzentratoren) bei einem arteriellen PO : . der konstant unter 60 mm Hg liegt, sinnvoll. Weiterhin empfehlen sich physikalische Maßnahmen wie Atemgymnastik, Lagerungsdrainagen und Klopfmassagen, bei erheblicher Polyglobulie ein Aderlaß. Bei akuter, schwerer respiratorischer Insuffizienz kann eine intensivmedizinische Behandlung und Überwachung inklusive einer vorübergehenden Respiratortherapie notwendig sein. Bei kardialer Dekompensation erfolgt die übliche Therapie mit Diuretika und Glykosiden. Beta-RezeptorenBlocker sind kontraindiziert. Im „freien Intervall" sollte bei nachgewiesener Neigung zur Obstruktion (siehe hyperreaktives Bronchialsystem) eine konsequente Prävention mit Beta-2-Sympathikomimetika ( 3 x 2 Hübe pro die, evtl. kombiniert mit einem inhalierbaren Kortikosteroid, 2 bis 3 x 2-3 Hübe über eine Inhalierhilfe) betrieben werden. Sinnvoll ist die Eigenkontrolle durch Peak-FlowMessung zu Hause (analog RR-Messung, Blutzuckerkontrollen und

Antibiotika bei eitriger Exazerbation Sekretolyse und Mukolyse Bronchospasmolytika, besonders Beta2-Sympathikomimetika, evtl. auch Parasympathikolytika, Theophyllin evtl. zusätzlich Topische Kortikosteroide, ggf. auch systemisch

- 0 2 -Dauertherapie bei Hypoxämie

Physiotherapie Aderlaß bei Polyglobulie Bei schwerer respiratorischer Insuffizienz Intensivtherapie und/-überwachung Beatmung Diuretika und Glykoside Keine Beta-Rezeptoren-Blocker! Konsequente Präventon im freien Intervall

256

ill Krankheiten der Atmungsorgane Tabelle 111-8 Therapie der chronischen Bronchitis 1. Ausschaltung der Noxe(n), besonders Rauchverbot 2. Antibiotika bei akuter eitriger Exazerbation 3. Förderung der Expektoration (Sekretolytika, Mukolytika, Inhalationen, Flüssigkeitszufuhr, Lagerungsdrainage, Klopfmassage und medikamentöse Maßnahmen zur Verbesserung der mukoziliären Klärfunktion (siehe unter 4. bis 7.) Bei obstruktiver Bronchitis zusätzlich: 4. Beta-2-Sympathikomimetika inhalativ 5. Parasympathikolytika inhalativ 6. Theophyllin oral (oder i.v.) 7. Glukokortikosteroide als DA über „Spacer" (oder oral bzw. i.v.) Bei respiratorischer Insuffizienz zusätzlich: 8. 0 2 -Gabe oder 9. Beatmung Bei kardialer Dekompensation zusätzlich: 10. Diuretika 11. Glykoside 12. Aderlaß bei schwerer Polyglobulie

ähnlichem). Im Einzelfall ist eine prophylaktische Grippeschutzimpfung oder P n e u m o k o k k e n i m p f u n g zu diskutieren. Die Z u s a m m e n f a s s u n g der T h e r a p i e findet sich in der Tabelle III-8. Prognose Tendenz zur stetigen Verschlechterung FEV r Abnahme um 75 ml/Jahr

Nach kardialer Dekompensation oder nach Beatmung Prognose schlechter Verbesserung durch 0 2 -Dauertherapie

Prognose Die chronische Bronchitis hat eine Tendenz zur langsamen, a b e r stetigen Verschlechterung ( F E V r A b n a h m e jährlich um etwa 75 ml), wenn es nicht gelingt, durch die therapeutischen M a ß n a h m e n hier wirksam einzugreifen. Patienten mit gleichzeitigem Emphysem haben eine schlechtere Prognose. Ist es einmal zu einer kardialen Dekompensation oder zur Notwendigkeit einer Beatmung g e k o m m e n , liegt die Lebenserwartung in der Hälfte der Fälle unterhalb einem Jahr. Allerdings hat hier die Sauerstofflangzeittherapie eine Verbesserung der Prognose und seltenere K r a n k e n h a u s a u f e n t h a l te gebracht. Für die Z u k u n f t bleibt zu hoffen, d a ß es durch geeignete M a ß n a h m e n gelingt, den Zigarettenkonsum als entscheidende Noxe (auch für Gefäßkrankheiten und Karzinome) auszuschalten o d e r wenigstens stark einzuschränken.

Bronchiolitis

3.3.3 Bronchiolitis

Akute Form meist schwer und bei Kindern auftretend

Hierbei handelt es sich um eine akute oder chronische Entzündung der kleinen und kleinsten Bronchien. D i e akute Bronchiolitis ist gewöhnlich eine schwere E r k r a n k u n g , die meist im Kindesalter auftritt. Bei Erwachsenen ist sie meist Folge der Inhalation toxischer Gase, gelegentlich auch einer Infektion. Die chronische Bronchiolitis ist dagegen meist unter der chronischen Bronchitis subsumiert.

Klinik - Meist Virusinfektion - Respiratorische Insuffizienz - Spärlicher physikalischer Befund

Klinik Die a k u t e kindliche Bronchiolitis ist eine schwere E r k r a n k u n g , die meist viral (RS-Virus), selten bakteriell ausgelöst ist. Sie geht meist mit einer respiratorischen Insuffizienz mit P 0 2 - A b f a l l und P C 0 2 - A n s t i e g als Folge der mechanischen Verlegung der Bronchiolen einher. D e r physikalische Befund ist meist spärlich mit hypersonorem Klopfschall und verschärftem Atemgeräusch mit vereinzelten Nebengeräuschen. Die Therapie erfolgt wie bei akuter Bronchitis, der Wert einer zusätzlichen Kortikosteroidtherapie ist nicht gesichert.

Therapie Symptomatisch

Atemwegskrankheiten und Emphysem

257 Prognose: - Entwicklung einer Bronchiolitis obliterans möglich

Prognose Es kann als Folgezustand eine generelle, unilaterale oder auf einen Lungenlappen begrenzte fibrosierende Bronchiolitis (Bronchiolitis obliterans) resultieren. Dadurch kann es retrostenotisch zu einem erworbenen kindlichen hypoplastischen Empyhsem kommen (unilaterales oder unilobäres Emphysem mit einseitig „heller Lunge", MacLeod-Syndrom oder SwyerJames-Syndrom, s. auch 4.1.2.2). Zu unterscheiden ist hiervon die nekrotisierende Bronchiolitis (als Folge der 0 2 -Therapie?) bei unreifer Lunge (Respiratory-Distress-Syndrom der Frühgeborenen). Die Bronchiolitis obliterans des Erwachsenen ist extrem selten. Meist sind Obstruktion (sogenanntes „air trapping") und Restriktion kombiniert. Ursächlich entweder postpneumonisch, bei chronischen pulmonalen Infektionen, nach Inhalation von toxischen Gasen oder idiopathisch. Hier sollte ein Therapieversuch mit Kortikosteroiden erfolgen.

- Therapieversuch mit Kortikosteroiden

3.3.4 Broncholithiasis

Broncholithiasis

Hierunter werden sehr seltene Verkalkungen in der Bronchialwand oder im engeren Sinne verkalkte intrabronchiale Gewebeteile verstanden. Letztere entstehen durch Verkalkung aspirierten Materials, durch verkalkten Bronchusknorpel im Rahmen von Bronchiektasen oder durch perforierte verkalkte Lymphknoten, in der Regel im Rahmen einer Tuberkulose. Klinisch kann sich die Broncholithiasis durch Hustenattacken, mit Abhusten von Kalkbröckeln oder Steinen, rezidivierendes Bluthusten oder bronchopulmonale Infektionen bemerkbar machen. Röntgenologisch finden sich meist multiple Verkalkungen in der Lunge und/oder den mediastinalen und hilären Lymphknoten. Im Verdachtsfalle ist eine Bronchoskopie möglichst mit Entfernung der Steine indiziert. Bei retrostenotischen Komplikationen oder stärkerem Bluthusten kann die operative Sanierung notwendig werden.

Intrabronchiale Verkalkungen

- Als Folge lokalisiertes Emphysem - Abzugrenzen ist die Bronchiolitis nach RDS bei Frühgeborenen - Bei Erwachsenen extrem selten

Klinik: - Röntgenbild - Bronchoskopische Entfernung

3.3.5 Bronchiektasen

Bronchiektasen

Definition Unter Bronchiektasen werden abnorme irreversible Erweiterungen eines oder mehrerer großer Bronchien (Durchmesser > 2 mm) mit Zerstörung der elastischen und muskulären Anteile der Bronchialwand verstanden, wobei man zwischen sackförmigen (zystischen), zylindrischen und varikösen (Übergang zwischen sackförmigen und zylindrischen Bronchiektasen) Formen unterscheidet. Der Übergang von dilatierten Bronchien bei chronischer Bronchitis zu zylindrischen Bronchiektasen ist fließend.

Definition Unterschiedliche Formen: - sackförmig - zylindrisch - varikös

Epidemiologie Die Häufigkeit von Bronchiektasen hat in der Antibiotika-Ära deutlich abgenommen, da sie sich früher als eine Komplikation bzw. Folge subakuter oder chronischer Pneumonien entwickelten. Aber auch heute noch können sie als Folge einer abgeheilten Tuberkulose, retrostenotisch hinter Tumoren, im Rahmen von Aspirationen, anderen chronischen Infekten und bei Mukoviszidose erworben (sekundär) auftreten. Bei angeborenen (primären) Bronchiektasen, die oft generalisiert und sackförmig sind, liegen häufig andere Mißbildungen (Kartagener-Syndrom mit Sinusitis und Situs inversus) vor. Hierzu gehört als Oberbegriff das Immotile-Cilia-Syndrom, bei welchem angeboren die Zilien (oft auch die Spermien) unbeweglich sind, wodurch es leichter zu Sekretretentionen und Infektionen in den Atemwegen kommt. Aufgrund dieser mechanischen Störung, aber auch als Folge von hereditären Immundefekten mit Prädisposition zu gehäuften Atemwegsinfekten, können sich dann auch sekundäre Bronchiektasen ausbilden.

Angeboren oft generalisiert, häufig zusammen mit anderen Mißbildungen

Fließender Übergang von dilatierten Bronchien bei chronischer Bronchitis zu zylindrischen Bronchiektasen Epidemiologie Rückgang durch Antibiotika

Folge von mechanischen Störungen der mukoziliären Klärfunktion, aber auch von Immundefekten

258 Pathophysiologie Bronchialobstruktion möglich Cor pulmonale vorwiegend bei generalisierten, angeborenen Bronchiektasen

Klinik abhängig von - A u s m a ß und Lokalisation - Begleit- und Grundkrankheiten - Komplikationen

• Leitsymptome:

- Produktiver Husten - Hämoptysen - Rezidivierende Bronchitis (Pneumonie) Septische Verläufe heute selten

Diagnostik Selten auf Röntgenübersicht zu erkennen

Entscheidend ist die Anamnese

Endgültige Diagnose durch Bronchographie (s. Abb. 111-6)

III Krankheiten der Atmungsorgane Pathophysiologie Bei den Bronchiektasen ist die mukoziliäre Clearance lokalisiert o d e r generalisiert, meist ähnlich wie bei der Bronchitis, gestört. Funktionell kann sie mit einer Obstruktion der A t e m w e g e einhergehen. E i n e schwere Hypoxämie mit Ausbildung von Trommelschlegelfingern und Cor pulmonale ist in der Regel nur bei den generalisierten, a n g e b o r e n e n F o r m e n zu finden. Klinik Die Symptomatik hängt von A u s m a ß , Lokalisation, zugrunde liegenden o d e r assoziierten Krankheiten und von den Komplikationen ab. Führende Symptome sind chronischer Husten mit Auswurf, Hämoptysen und rezidivierende Bronchitiden sowie Pneumonien. A k u t e Exazerbationen zeigen sich durch v e r m e h r t e n und eitrigen Auswurf (die sogenannte „maulvolle E x p e k t o r a t i o n " mit Produktion eines dreischichtigen Sputums wird heute nur noch selten b e o b a c h t e t ) und durch systemische Begleitreaktionen wie Fieber, Schwäche, Gewichtsverlust und A n ä m i e . Durch den f r ü h e n Einsatz von Antibiotika sind septische Verläufe, unter U m s t ä n d e n mit Hirnabszessen und Ausbildung einer s e k u n d ä r e n Amyloidose, sehr selten geworden. Auskultatorisch finden sich je nach Lokalisation vorwiegend inspiratorisch grobblasige feuchte Nebengeräusche, bei zusätzlicher Obstruktion auch trockene Nebengeräusche. Bei Kindern mit angeborenen Bronchiektasen zeigen sich Entwicklungsstörungen, Zeichen d e r U n t e r e r n ä h r u n g und gelegentlich Trommelschlegelfinger. Diagnostik N u r in den seltenen Fällen mit ausgeprägter sackförmiger Bronchiektasie ergibt sich röntgenologisch ein Verdacht, ansonsten k ö n n e n sich im R ö n t genbild Veränderungen wie bei Bronchitis mit peribronchialer E n t z ü n d u n g und Fibrose zeigen, gelegentlich Flüssigkeitsspiegel in den sackförmigen Bronchiektasen. Entscheidende Hinweise liefert die Anamnese mit f r ü h e r durchgemachter pulmonaler Infektion, rezidivierenden Bronchialinfekten o d e r Pneumonien und/oder Hämoptysen. D i e endgültige Sicherung der Diagnose erfolgt bronchographisch ( A b b . III-6) wobei die Kontrastmitteleinbringung erst nach Abklingen ei-

Abb. 111-6 Röntgenologische Darstellung der Bronchien (Bronchographie): a) normales Bronchialsystem rechts, b) sackförmige Bronchiektasen im linken Unterlappen mit rezidivierenden Bronchialinfekten (nach Resektion vollständige Heilung)

Atemwegskrankheiten und Emphysem nes eitrigen Bronchialinfektes v o r g e n o m m e n werden sollte. Die Bronchographie selbst ist nur dann sinnvoll, w e n n die Ursache von H ä m o p t y s e n unklar ist o d e r evtl. eine operative Sanierung in Frage kommt. Bei der Sputumuntersuchung ist auf Menge, Farbe, G e r u c h (fötid bei A n a e r o b i e r n ) , zelluläre Bestandteile und bakterielle Erreger, insbesondere bei vorangegangener antibiotischer T h e r a p i e und bei Therapieresistenz, zu achten. Bei Patienten mit gleichzeitigem Asthma bronchiale sollte nach Aspergillen gesucht werden (bronchopulmonale Aspergillose). Weiterhin empfehlen sich immunologische Untersuchungen zum Ausschluß eines I m m u n d e f e k t e s . Die Untersuchung der mukoziliären Clearance erfolgt global durch Inhalationsszintigraphie, die der Ziliarfunktion nach Bronchusbiopsie. Z u m Ausschluß einer Mukoviszidose sollte ein Schweißtest erfolgen. Differentialdiagnostisch ist auch an Bronchozelen zu d e n k e n . Hierunter versteht man umschriebene, mit Schleim (Mukozele) o d e r Eiter (Pyozele) gefüllte erhebliche Bronchusvereiterungen zwischen zwei kompletten oder inkompletten Verschlüssen des Bronchuslumens, z.B. nach Bronchialschleimhauttuberkulose o d e r angeboren. Therapie Bei eitrigem Sputum werden Antibiotika (Ampicillin, T M P - S M Z , Tetracyclin), ggf. auch nach Testung gezielt gegeben. Die antibiotische B e h a n d l u n g sollte früh eingesetzt werden. Eine D a u e r t h e r a p i e ist dagegen selten sinnvoll. Zusätzlich sind Lagerungsdrainagen und Physiotherapie wichtig, bei Obstruktion eine gleichzeitige bronchospasmolytische Therapie. A n d e r e expektorationsfördernde M a ß n a h m e n wie bei chronischer Bronchitis, gelegentlich sind aber auch bronchoskopische Absaugungen und Spülungen bei großen Mengen zähen, schlecht abhustbaren Sekrets notwendig. Bei Hypoxämie sollte dauerhaft Sauerstoff zugeführt werden. Wichtig ist ein Rauchverbot j ä h r l i c h e Grippeschutzimpfungen sind zu empfehlen. Die operative Sanierung ist heute nur noch selten, und zwar bei lokalisierten Bronchiektasen indiziert, die nicht zylindrisch sind und wiederholt Beschwerden mit Infektionen o d e r Hämoptysen verursachen, wobei eine ausreichende L u n g e n f u n k t i o n und eine normale Bronchographie und/oder mukoziliäre Clearance auf d e r anderen Seite zu f o r d e r n sind.

259

Sputumuntersuchungen

Bei gleichzeitigem Asthma an bronchopulmonale Aspergillose denken Ausschluß eines Immundefektes Mukoziliäre Funktionsprüfungen Ausschluß einer Mukoviszidose

Therapie - Antibiotika-Therapie frühzeitig bei akuter Exazerbation - ggf. erst nach Antibiogramm - Physiotherapie - Weitere Maßnahmen

Operationsindikation heute seltener, nur bei lokalisierten Bronchiektasen

Präventiv ist von B e d e u t u n g die I m p f u n g gegen Masern und Pertussis, eine früh einsetzende antibiotische T h e r a p i e bei bakteriellen Atemwegs- und Lungeninfekten sowie eine f r ü h e Beseitigung von Bronchialstenosen.

Prävention durch - Impfung - frühe Gabe von Antibiotika bei bakteriellen Infekten

3.3.6 Asthma bronchiale

Asthma bronchiale

Definition Für das A s t h m a bronchiale gibt es eine R e i h e von Definitionsmöglichkeiten (klinisch, funktionell, nosologisch), wobei sich für praktische Zwecke folgende Definition anbietet: Das A s t h m a bronchiale ist eine Krankheit, die durch ihre vorwiegend anfallsweise a u f t r e t e n d e Obstruktion der intrapulmonalen A t e m w e g e auf d e m B o d e n eines hyperreaktiven Bronchialsystems gekennzeichnet ist. Z u unterscheiden ist zwischen einem anfallsweisen A s t h m a , das sich bis zum Status asthmaticus steigern kann, und einem D a u e r a s t h m a . Die A b grenzung gegenüber einer chronisch-obstruktiven Bronchitis kann im Einzelfall schwierig sein.

Definition

260 Epidemiologie Als chronische Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen führend. 1-10% der Gesamtbevölkerung betroffen.

Bei Kindern vorwiegend allergisch, bei Beginn im mittleren Lebensalter eher nicht-allergisch.

Ätiologie Viele Ursachen, oft kombiniert.

III Krankheiten der Atmungsorgane Epidemiologie D a s A s t h m a bronchiale ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen, im Kindes- und Jugendlichenalter ist es sogar f ü h r e n d . Wegen d e r nicht so seltenen Schwierigkeit, das A s t h m a bronchiale von der chronischen Bronchitis sicher abzugrenzen, schwanken die Häufigkeitsangaben zwischen 1 bis 10% der Gesamtbevölkerung. Im Kindesalter sind Jungen häufiger als M ä d c h e n b e t r o f f e n (1,5-2:1), im Jugendlichen- und Erwachsenenalter ist das Vorkommen ausgeglichen. D a s A s t h m a bronchiale macht sich schwerpunktmäßig erstmals in der Kindheit (hier vorwiegend allergisch) und im mittleren Lebensalter (über 40 Jahre, hier vorwiegend nicht-allergisch) bemerkbar. U n k l a r ist, ob die zunehmende Inzidenz durch v e r m e h r t e U m w e l t n o x e n o d e r durch eine bessere Diagnostik bedingt ist. Ätiologie und Pathogenese Das A s t h m a bronchiale ( A . b . ) kann viele Ursachen haben, in den meisten Fällen spielen ätiologisch m e h r e r e Faktoren eine Rolle (Tab.III-9). D i e Unterscheidung zwischen exogen-allergischem (extrinsic) und nicht-allergischem (intrinsic, k r y p t o g e n e m ) A s t h m a hat sich bewährt, wobei Kombinationsformen besonders bei Erwachsenen häufig sind. Tabelle 111-9 Faktoren, die ein nicht-allergisches Asthma bronchiale auslösen können • Infektion (Viren und/oder Bakterien) • Chemische Reizstoffe (Histamin, Azetylcholin, Carbachol und andere Mediatoren, Schwefeldioxid, Zigarettenrauch, Autoabgase, Fettdünste, organische und anorganische Lösungsmittel u.a.) • Medikamente (Analgetika, nicht-steroidale Antiphlogistika, Konservierungsstoffe, Beta-Blocker u.a.) • Physikalische Noxen (Kaltluft, destilliertes Wasser, mechanische Reize wie Bronchoskopie, körperliche Anstrengung mit [Kaltluft-] Hyperventilation) • Psychische Reize (z.T. durch [Kaltluft-] Hyperventilation)

Bei exogen-allergischem A.b. lösen spezifische Allergene - IgE-vermittelte Sofortreaktion (Typ I) - und/oder IgG-vermittelte verzögerte Reaktion (Typ III) aus. Wichtigste Inhalationsallergene: - Pollen - Hausstaubmilben - Tierhaare - Pilzsporen - zahlreiche Berufsaliergene Mediatorfreisetzung: - primär besonders Histamin - sekundär besonders Leukotriene und Prostaglandine (s. Abb.lll-7) Wirkung auf - Bronchialmuskulatur - Schleimdrüsen - Schleimhaut Zusätzlich Vaguswirkung Verzögerte Reaktion durch präzipitierende IgG-Antikörper (Typ III) Exogen-allergisches Asthmabronchiale häufig hereditär

Bei exogen-allergischem Asthma lassen sich spezifische Allergene nachweisen, die eine IgE-vermittelte Sofortreaktion (Typ I) o d e r eine IgG-vermittelte verzögerte R e a k t i o n (Typ III) auslösen. D i e wichtigsten inhalativen Allergene sind Pollen, Hausstaubmilben, Tierhaare, Federn u n d Pilzsporen sowie zahlreiche Berufsaliergene, u n t e r den Nahrungsmitteln Milch, Hühnereiweiß, Fisch, Nüsse und E r d b e e r e n . D e r Ablauf der allergischen R e a k t i o n (Abb. III-7) tritt nach einer unterschiedlich langen Sensibilisierungsphase ein: D a s Allergen trifft auf IgEsensibilisierte Mastzellen und/oder Basophile. D u r c h die Antigen-Antikörper-Reaktion erfolgt eine Ausschüttung von primären Mediatoren, die in der Schleimhaut lokalisiert sind (besonders Histamin) o d e r von sekundär ü b e r die Arachidonsäurekaskade gebildete Mediatoren wie Leukotrienen, die über den Lipoxygenase-Weg, und Prostaglandinen, die ü b e r d e n Zyklooxygenase-Weg gebildet werden. Diese wirken direkt auf die Bronchialmuskulatur, auf die Schleimdrüsen und die Schleimhaut ein, wobei sie neben spezifischen Reaktionen wie Bronchialmuskelkontraktion und Schleimüberproduktion eine Entzündungsreaktion hervorrufen, die w i e d e r u m die Funktion der Zilien beeinträchtigt. Zusätzlich kommt es reflektorisch über afferente und efferente Vagusnerven zu einer Verstärkung der Reaktionen. Bei d e r verzögerten Reaktion, die isoliert oder kombiniert mit der Sofortreaktion a u f t r e t e n kann, wird die immunologische Reaktion durch präzipitierende IgG-Antikörper vermittelt. Hereditäre Faktoren spielen besonders bei der exogenen Form eine wichtige Rolle. Häufig ist eine Familienvorgeschichte mit A s t h m a , H e u s c h n u p -

Atemwegskrankheiten und Emphysem

261

Inhalation von Allergenen IgE-sensibilisierte Mastzelle Antigen/Antikörper-Reaktion (Allergische Sofortreaktion Typ I) Freisetzung von Mediatoren (primär oder sekundär) Atemwegseinengung (Bronchialobstruktion) durch Bronchospasmus Schleimhautschwellung u/o. Hypersekretion Abb.III-7 Schematischer Ablauf der allergischen Reaktion beim Asthma bronchiale fen und/oder E k z e m zu e r h e b e n . In der eigenen Vorgeschichte des Asthmatikers finden sich oft Hinweise auf eine allergische Rhinitis und ein E k zem. Für das nicht-allergische Asthma k o m m e n eine R e i h e von unterschiedlichen F a k t o r e n in B e t r a c h t (s. Tab. III-9). Hier überwiegen die reflektorisch über den N.vagus ausgelösten Mechanismen, die durch unterschiedliche R e i z e bei hyperreaktivem Bronchialsystem ausgelöst werden. D a n e b e n spielt a b e r auch die Freisetzung von Mediatorsubstanzen (besonders Histamin) eine verstärkende R o l l e . Pathogenetisch wird die Überempfindlichkeit (Hyperreaktivität) der Bronchialmuskulatur durch verschiedene Faktoren, besonders durch eine erhöhte Durchlässigkeit der Schleimhautbarriere, z . B . infolge eines Virusinfektes, erklärt. Dies führt möglicherweise dazu, daß die sensiblen Vagusendigungen („irritant r e c e p t o r s " ) freiliegen und leicht den verschiedenen Reizen zugänglich werden. D a z u werden eine generell vermehrte Empfindlichkeit der „irritant receptors", eine gesteigerte Kontraktilitätsneigung der glatten Bronchialmuskulatur und ein gestörtes Gleichgewicht zwischen Parasympathikus und Sympathikus sowie pharmakologisch zwischen α- und ß - R e z e p t o r e n angenommen. Zum Nachweis eines hyperreaktiven Bronchialsystems eignen sich im anfallsfreien, nicht-obstruktiven Intervall unspezifische Provokationsteste. Diese werden mit Inhalation steigender Konzentrationen bronchokonstriktorisch wirkender Substanzen ( z . B . Histamin, Azetylcholin, M e t a c h o lin, Carbachol, B e t a - R e z e p t o r e n - B l o c k e r ) oder durch Inhalation von kalter Luft und/oder durch körperliche Belastung v o r g e n o m m e n . D i e Bronchialantwort wird mit geeigneten Lungenfunktionstesten ( F E V , , R e sistance u . a . ) objektiviert.

In der Eigenanamnese oft allergische Rhinitis (Heuschnupfen) und Ekzeme Nicht-allergisches A. b. durch unterschiedliche Faktoren (s. Tab.lll-9) Bronchiale Hyperreaktivität

durch vermehrte Empfindlichkeit der „irritant receptors", gesteigerte Muskelkontraktilitätsneigung, Störung des Gleichgewichts zwischen Parasympathikus und Sympathikus sowie zwischen a- und b-Rezeptoren Nachweis einer bronchialen Überempfindlichkeit durch unspezifische inhalative Provokation: - Histamin und andere Substanzen - Kaltluft - körperliche Belastung Objektivierung durch Lungenfunktionsuntersuchungen

Zeigt sich früher eine Obstruktion als beim Normalkollektiv, handelt es sich um eine Hyperreaktivität. A u ß e r dem Asthma bronchiale können weitere E r k r a n k u n g e n wie chronisch-obstruktive Bronchitis, zystische Fibrose, Sarkoidose, Lungenfibrose u.a. mit einem hyperreaktiven Bronchialsystem einhergehen. D i e Provokationsprüfung sollte insbesondere bei A t e m n o t und Husten unklarer Ätiologie vorgenommen werden.

Hyperreaktivität a u c h bei a n d e r e n Krankheiten

Pathophysiologic Charakterisiert ist das A s t h m a bronchiale durch erhebliche Schwankungen des Atemwegswiderstandes: Im freien Intervall kann die Lungenfunktion

Pathophysiologic Charakteristisch sind Schwankungen des Atemwegswiderstandes

Krankheiten der Atmungsorgane

262

Lungenfunktionsuntersuchung normale Funktion

obstruktive Ventilationsstörung

Bronchialer Provokationstest

Bronchospasmolysetest

Abb. 111-8 Flußdiagramm für die Lungenfunktionsuntersuchung

Reversibilität durch Bronchospasmolytika bei Bronchialmuskelspasmus

Bei zusätzlichem Emphysem oder chronischer Bronchitis irreversible Komponente

Diagnostisches Vorgehen Klinik • Leitsymptom: anfallsweise Atemnot mit oder ohne Husten, mit oder ohne zähen Auswurf

- Wechselnde Auskultationsbefunde, vorwiegend trockene Nebengeräusche, vorwiegend während Exspiration

Auch feuchte Rasselgeräusche sind möglich. Hypersonorer Klopfschall Zeichen der respiratorischen Insuffizienz Manchmal ist ein trockener Husten alleinige Manifestation inhalative Provokation

- Exogen-allergisches, A.b. meist von Rhinitis und Konjunktivitis begleitet

völlig normal ausfallen (in der Regel kann dann durch inhalative Provokation eine Obstruktion ausgelöst werden). Im Anfall liegt je nach Schweregrad eine unterschiedlich ausgeprägte Obstruktion mit Abnahme des FEV! und Zunahme des Residualvolumens (Überblähung - Volumen pulmonum auctum), wodurch die Vitalkapazität absinkt, vor. Ist die Obstruktion allein durch die Kontraktion der Bronchialmuskulatur bedingt, ist sie in der Regel durch Bronchospasmolytika voll und rasch reversibel. Wenn aber Sekretverlegungen oder Schleimhautschwellungen bestehen, normalisiert sich die Obstruktion oft nur langsam. Bei langem Verlauf kann auch ein zusätzlich entstandenes Emphysem oder eine chronische Bronchitis eine irreversible Komponente bewirken. Im schweren Asthmaanfall bzw. im Status asthmaticus ist oft eine Lungenfunktionsmessung nicht mehr möglich, da der Patient hierbei nicht mehr kooperieren kann. Die arterielle Blutgasanalyse zeigt hier neben dem erniedrigten P 0 2 in der Regel auch eine Erhöhung des P C 0 2 (respiratorische Globalinsuffizienz). Die Abbildung II1-8 stellt das diagnostische Vorgehen in Abhängigkeit vom jeweiligen Lungenfunktionszustand dar. Klinik Das führende Symptom ist die anfallsweise Atemnot, die von Husten mit oder ohne zähen Auswurf (Curschmann-Spiralen, Eosinophile und Charcot-Leydensche Kristalle im Sputum) begleitet sein kann. Der Schweregrad und die Dauer der Atemnot können erheblich variieren zwischen leichter, oft nur unter Belastung merkbarer, bis zu schwerster, gelegentlich lebensbedrohlicher Atemnot. Subjektiv empfindet der Patient oft zusätzlich ein Enge- und Beklemmungsgefühl im Thorax. Entsprechend können die Auskultationsphänomene über den Lungen mit trockenen, vorwiegend exspiratorischen Nebengeräuschen (Giemen, Pfeifen, Brummen) wechseln: Bei leichten Formen sind sie eventuell nur während einer forcierten Ausatmung auskultierbar, bei schwereren Formen oft von weitem in- und exspiratorisch zu hören (Distanzgiemen), bei schwersten Anfällen kann das Giemen oft nur noch sehr leise oder gar nicht mehr wegen der fast aufgehobenen Atmung vorhanden sein, was als besonders gefährlich einzustufen ist. Daneben können sich feuchte Rasselgeräusche finden. Der Klopfschall ist infolge der Überblähung hypersonor, das Exspirium verlängert. Zyanose, Schwitzen, Tachykardie, Betätigung der Atemhilfsmuskulatur und Beeinträchtigung der Ansprechbarkeit u. a. hängen von der Schwere der respiratorischen Insuffizienz ab. Manchmal findet sich als Ausdruck des Asthma bronchiale nur ein trockener Husten, der oft lediglich bei körperlicher Anstrengung auftritt. Hier zeigen dann die unspezifischen Provokationsteste eine Hyp e r a k t i v i t ä t des Bronchialsystems an. Das exogen-allergische, saisonale Asthma bronchiale ist praktisch immer von einer Rhinitis („Heuschnupfen") und Konjunktivitis begleitet.

Atemwegskrankheiten und Emphysem Bei analgetika-induziertem chronischem Asthma des Erwachsenen besteht fast immer die Trias eines schweren kontinuierlichen Asthmas, von Nasenpolypen und Sinusitis. Bei lange, besonders seit Kindheit bestehendem Asthma bronchiale können sich fixierte, faßförmige oder glockenförmige Brustkorberweiterungen entwickeln, die röntgenologisch durch einen vergrößerten Thoraxdurchmesser, verbreiterte Interkostalräume und ein tiefstehendes Zwerchfell erkennbar sind. Diagnostik Die Verdachtsdiagnose eines Asthma bronchiale läßt sich häufig schon durch die Anamneseerhebung und den Auskultationsbefund stellen. Charakteristisch in der Anamnese sind • familiäre Belastung mit Asthma, Heuschnupfen und Ekzem • eigene allergische Anamnese mit Heuschnupfen oder Ekzem • jahreszeitliche oder örtliche Abhängigkeit der Beschwerden • ein Zusammenhang mit Tierkontakten oder anderen Allergenexpositionen (ζ. B. Nahrungsaufnahme, berufliche Tätigkeiten) • Auslösung durch Infekte der Atemwege (Rhinitis, Sinusitis [Röntgen der Nasennebenhöhlen!], Bronchitis) • Auslösung durch unspeziflsche physikalische Reize wie Rauchen, Gase, Dämpfe, feucht-kalte Luft, Nebel, körperliche Anstrengung u.a. • Auslösung durch Analgetika und nicht-steroidale Antiphlogistika (Salizylsäure, Indometacin, Phenylbutazon u. a.) Hilfreich in der sorgfältigen Erhebung sind spezielle Fragebögen, die durch den Patienten (oder seine Eltern) auszufüllen sind und anschließend im Arzt-Patienten-Gespräch vertieft oder korrigiert werden müssen. Auskultation und/oder Lungenfunktion decken die Atemwegsobstruktion auf, gegebenenfalls erst nach inhalativer Provokation. Ein Bronchospasmolysetest gibt Auskunft über das Ausmaß der sofortigen Reversibilität der Obstruktion, d.h., um wieviel das FEV] nach Inhalation eines Bronchospasmolytikums zunimmt. Zum Nachweis oder Ausschluß einer spezifischen exogen-allergischen Ursache ist eine Allergietestung notwendig, die stufenweise vorgenommen wird: 1. Hauttests (Prick- und Scratchtest, Intrakutantest, Reibtest, Epikutantest) zum Nachweis spezifischer sensibilisierender Antikörper in der Haut. 2. In-vitro-Tests (radioimmunologisch oder enzymatisch) zum Nachweis eines erhöhten Gesamt-IgE (PRIST) oder von spezifischem (gegen bestimmte Allergene gerichtetem) IgE (RAST) im Blut. 3. Nasale (konjunktivale oder orale) Provokationsteste zum Nachweis der klinischen Aktualität eines Allergens am Manifestationsorgan. 4. Bronchiale Provokation bei besonderen Fragestellungen (unklare Befundkonstellation nach Durchführung der vorhergehenden Testungen, Frage des Berufswechsels, unter Umständen auch die Frage der Hyposensibilisierungsbehandlung). Weiterhin können wiederholte Karenz- und Expositionsproben bei Verdacht auf bestimmte Allergene zur diagnostischen Sicherung sinnvoll sein (zu objektivieren unter Benutzung eines Symptomkalenders und einfacher Lungenfunktionsmessungen wie Peak-Flow-Meter). Bei nicht-allergischem Asthma sind die unspezifischen Provokationstests zum Nachweis eines hyperreaktiven Bronchialsystems wichtig. Diese werden im anfallsfreien, nicht-obstruktiven Intervall durchgeführt.

263

- Bei lange bestehendem A b . Brustkorbumformungen

Diagnostik

Charakteristische Vorgeschichte

Spezielle Allergie-Fragebögen erleichtern Anamneseerhebung Auskultation Lungenfunktionsuntersuchung Bronchospasmolysetest Allergietests 1. Hauttests 2. IgE-Antikörper im Blut 3. Nasale Provokation 4. Bronchiale Provokation

5. Karenz-und Expositionsproben

Bei nicht-allergischem A.b. unspezifische inhalative Provokation

264 Differentialdiagnose Abgrenzung in der Regel klinisch gut möglich

Asthma cardiale: Stauungszeichen - Aspiration (Anamnese) - Inhalation toxischer Dämpfe (Anamnese) - Akute Lungenembolie (Anamnese) - Zentrale Tumoren: Stridor Pneumothorax: Röntgenaufnahme

III Krankheiten der Atmungsorgane Differentialdiagnose In der Regel kann ein Asthma bronchiale klinisch gut von anderen Krankheiten, die mit Atemnot und trockenen Nebengeräuschen einhergehen, unterschieden werden (die oft gestellte Frage an den Patienten, ob die Einatmung oder die Ausatmung schwieriger ist, hilft in der Regel differentialdiagnostisch nicht weiter). Gelegentlich kann eine beginnende Linksherzinsuffizienz mit alleinigem interstitiellem Lungenödem Schwierigkeiten machen (Asthma cardiale). Hier hilft das Röntgenbild (Stauungszeichen) oder im Zweifelsfall ein kurzer Behandlungsversuch mit Diuretika. An Aspirationen oder Inhalationen toxischer Dämpfe muß ebenso gedacht werden wie an akute Lungenembolien, bei denen sich reflektorisch jeweils eine Bronchialmuskelkontraktion einstellen kann. Zentrale intratracheale oder intrabronchiale Tumoren weisen dagegen einen inspiratorischen und exspiratorischen Stridor auf. Durch Röntgenuntersuchung sollte ein Pneumothorax, der als Komplikation eines schweren Asthmaanfalls auftreten kann, ausgeschlossen werden.

Therapie Ähnlich wie bei chronisch-obstruktiver Bronchitis

Therapie Die Behandlung des Asthma bronchiale entspricht in den wesentlichen Punkten der der chronisch-obstruktiven Bronchitis, besonders, wenn es sich um ein nicht-allergisches und/oder um ein ganzjähriges Asthma bronchiale handelt. Eigenkontrollen durch Peak-Flow-Messungen sind zur Erfassung starker Schwankungen sehr sinnvoll.

Kausale Maßnahmen: • Antigenkarenz • Expositionsprophylaxe

Kausale Therapie Hinzu kommen aber beim exogen-allergischen Asthma als wichtigste kausale Maßnahmen, die möglichst allen anderen vorausgehen sollten, • die Antigenkarenz und die Expositionsprophylaxe mit Abschaffen von Tieren, Berufswechsel, Wohnungs- und Arbeitsplatzsanierung, Vermeidung bestimmter Nahrungsmittel und Analgetika, aber auch von unspezifischen inhalativen Umweltreizen sowie von schweren psychischen Belastungen. • Spezifische Hyposensibilisierung:

• Spezifische Hyposensibilisierung Herabsetzung der Empfindlichkeitsschwelle durch Applikation unterschwelliger, langsam gesteigerter Allergendosis über längeren Zeitraum

Erfolge besonders bei saisonalen Allergien Besonders gute Indikation sind Wespenund Bienengiftallergien Genauer Mechanismus noch unbekannt, mehrere immunologische Reaktionswege wahrscheinlich

Medikamentöse Therapie - DNCG zur lokalen Prophylaxe - Beta-2-Sympathikomimetika - Kortikosteroide vorzugsweise topisch

Mit der spezifischen Hyposensibilisierung soll bei IgE-vermittelten Allergien eine Herabsetzung der Empfindlichkeitsschwelle gegenüber den auslösenden Umwelt-Antigenen erreicht werden. Hierbei werden Extrakte der verantwortlichen Allegene in unterschwelliger, langsam individuell gesteigerter Dosis über einen längeren Zeitraum (bis zu 3 Jahren) regelmäßig appliziert (beim Erwachsenen vorzugsweise subkutan, bei Kindern auch oral, unter Einhaltung von bestimmten Vorsichtsmaßnahmen). Die besten Therapieerfolge sind bei saisonalen Allergien (Pollen) zu erzielen (60-90%), schlechter sind die Chancen bei ganzjährigen Allergenen (Hausstaubmilben, Pilzsporen, Tieren und Berufsaliergenen und bei multiplen verantwortlichen Allergenen [50-60%]). Eine besonders gute Indikation sind Allergien gegen Wespen-/Bienengift, bei denen innerhalb von 3 Monaten eine vollständige Immunoprotektion hergestellt werden kann. Der genaue Immunmechanismus der spezifischen Hyposensibilisierung ist nicht bekannt. Diskutiert wird die Bildung blockierender IgG-Antikörper, von schleimhautoberflächenabdichtenden IgA-Antikörpern, die Herabsetzung der Produktion des spezifischen IgE auf verschiedenen Wegen u. a. Medikamentöse Therapie Zur medikamentösen Prophylaxe eignet sich das Dinatriumcromoglycat (DNCG, inhalativ als Pulver oder als Dosieraerosol) - auch für die lokale Prophylaxe bei Rhinitis und Konjunktivitis - welches besonders die antigen-induzierte Freisetzung von Mediatoren aus der Mastzelle hemmt (aber auch beim anstrengungsinduzierten Asthma wirkt). Die Wirkung von

265

Atemwegskrankheiten und Emphysem Tabelle 111-10 Therapie des Status asthmaticus 1. Theophyllin (240-480 mg i.V.), anschließend Theophyllin-Dauerinfusion (etwa 1 mg/kg/Std.) 2. alternativ oder zusätzlich Beta-2-Sympathikomimetika, ζ. B. Terbutalin s.c. oder Fenoterol i.v. 3. Glukokortikoide i.v. (Bolus von 250-500 mg), anschließend alle 4-6 Std. 100-250 mg i.v. 4. Sauerstoffgabe 5. Flüssigkeitszufuhr 6. Assistierende (oder kontrollierte) Beatmung 7. Sedierung/Physiotherapie 8. Antibiotika bei eitrigem Infekt 9. Bronchoskopische Absaugung von zähem Sekret oder Bronchiallavage über Doppellumen-Tubus (nur in seltenen Fällen notwendig)

Ketotifen, einem Verwandten der Antihistaminika, ist dagegen weniger eindrucksvoll. Durchaus auch v o r b e u g e n d sind weiterhin Beta-2-Sympathikomimetika (und Vagolytika) einzusetzen. Die A n w e n d u n g von Kortikosteroiden (lokal durch Inhalation vorzugsweise ü b e r Inhalationsboxen und/oder systemisch) ist beim Asthma bronchiale noch e h e r als bei der chronisch-obstruktiven Bronchitis angezeigt. Im Status asthmaticus bzw. im schweren Asthmaanfall sollte man frühzeitig hochdosiert Kortikosteroide intravenös verabreichen (250-500-1000 mg Prednisolonäquivalent). Sie haben vielfältige Angriffspunkte, die entscheid e n d e Wirkung stellt sich oft aber erst nach Stunden oder später ein, gleichzeitig aber auch intravenös Theophyllin und/oder Beta-2-Sympathikomimetika (Tab.III-10). Prognose Etwa ein Drittel bis zur Hälfte der kindlichen Asthmatiker verliert die Beschwerden bis zum Erwachsenenalter. Prognostisch ungünstige Faktoren sind ein schweres Asthma und weitere Atopiemanifestationen (besonders Neurodermitis). Dagegen sind spontane Remissionen bei Erwachsenen seltener (ca. 2 0 % ) . Die Letalität an A s t h m a bronchiale wird auf jährlich l%o geschätzt.

Therapie des Status asthmaticus

Prognose - Beim kindlichen Asthma unterschiedlich - Bei Erwachsenen seltener Spontanremissionen - Letalität jährlich etwa 1%o, häufig durch Fehler von Patient und/oder Arzt

Die Ursache liegt häufig in einer inadäquaten B e h a n d l u n g infolge falscher Einschätzung des Schweregrades durch Patient und/oder Arzt.

3.3.7 Zystische Fibrose (Mukoviszidose) Definition Die zystische Fibrose ist eine autosomal-rezessiv vererbbare Krankheit (beide Eltern müssen heterozygote Merkmalsträger sein) mit einer Häufigkeit von 1 auf 2000 N e u g e b o r e n e . Sie gehört somit zu den häufigsten angeborenen Stoffwechselkrankheiten. Die Krankheit ist charakterisiert durch ein abnorm dickes Sekret der Schleimdrüsen, wodurch es zu einer Verlegung der Bronchien und zu gehäuften bronchopulmonalen Infektionen kommt. Pathogenetisch werden n e b e n einem D e f e k t im Zellstoffwechsel eine Störung des Elektrolyttransportes durch die Epithelzellmembran und humorale Faktoren a n g e n o m m e n , welche die chemische Z u s a m m e n s e t z u n g und die physikalischen Eigenschaften der Sekrete pathologisch verändern (erhöhter NaCl-Gehalt des Schweißes, e r h ö h t e Viskosität des Sekrets, Hypertrophie der Schleimdrüsen). Die weiße Rasse ist besonders stark betroffen, die Gen-Häufigkeit liegt bei

Zystische Fibrose (Mukoviszidose)

Häufigkeit: 1:2000 Neugeborene

Abnorm dickes Sekret der Schleimdrüsen Pathogenese

Erhöhter NaCl-Gehalt des Schweißes

III Krankheiten der Atm ungsorgane

266

Durch verbesserte Therapie i s t . . . die Inzidenz im Erwachsenenalter gestiegen

Klinik • Leitsymptom: gehäufte bronchopulmonale Infekte

- N e i g u n g zu Nasennebenhöhleninfekten - Röntgenbild: Atelektasen, lokale Überblähungen - Akute Komplikationen: Hämoptysen, Pneumothorax

Pankreasinsuffizienz - Vitaminmangel - Diabetes mellitus - Wachstumsstörungen

5% der Bevölkerung. Homozygote Merkmalsträger erkranken in der Regel schwer, heterozygote nur leicht oder überhaupt nicht. Durch die verbesserten therapeutischen Möglichkeiten ist die Lebenserwartung dieser Patienten so gestiegen, daß mit einer erhöhten Inzidenz im Erwachsenenalter gerechnet werden muß. Mehr als 85% der Fälle werden vor dem 15.Lebensjahr aufgedeckt, Erstdiagnosen nach dem 20. Lebensjahr werden aber zunehmend gestellt. Betroffen sind beide Geschlechter gleich häufig. Klinik Hauptsymptome der pulmonalen Beteiligung sind das Auftreten gehäufter bronchopulmonaler Infekte (im späteren Verlauf besonders mit Pseudomonas aeruginosa) mit oft quälendem Husten, Bronchitis, Bronchopneumonien und Lungenabszessen. Auch eine Aspergillusbesiedlung wird häufig beobachtet. Daneben besteht eine Neigung zu Nasennebenhöhleninfekten. Röntgenologisch finden sich oft kleinere Atelektasen und Hinweise auf lokale Uberblähungen. Als akute Komplikationen werden nicht selten Hämoptysen und Pneumothorax beobachtet. Die respiratorische Insuffizienz zeigt sich durch eine Zyanose und gelegentlich durch Ausbildung von Uhrglasnägeln und Trommelschlegelfingern. Langfristig können sich Bronchiektasen und ein Cor pulmonale entwickeln. Von seiten des Verdauungstraktes steht - neben dem Mekonium-Ileus und anderen mechanischen Störungen, die besonders im Neugeborenen- und Kleinkindalter auftreten - die Pankreasinsuffizienz bei etwa 80% der Patienten mit großvolumigen und fettigen Stühlen, Mangelernährung mit Vitaminmangel (Vitamin A, D, Ε und K), Diabetes mellitus und anderen Symptomen im Vordergrund. Aufgrund der Mangelernährung kommt es häufig zu Wachstumsstörungen. Auch die Gallenwege und die Leber können mit betroffen sein (Leberzirrhose und portale Hypertonie in etwa 5%).

Unter den männlichen Erwachsenen ist die überwiegende Mehrzahl steril, unter den weiblichen ist die Fertilitätsrate erheblich gesenkt. Diagnostik Im S c h w e i ß erhöhte Natrium- und Chlorid werte > 6 0 mmol/1 bei Kindern > 90 mmol/1 bei Erwachsenen

Früherkennung durch Screening-Verfahren

Lungenfunktionsdiagnostik

Differentialdiagnostik Alle Krankheiten mit rezidivierenden bronchopulmonalen Infekten Im Zweifelsfall Schweißtest

Diagnostik Die geschilderten klinischen Manifestationen sollten an die zystische Fibrose denken lassen. Die endgültige Diagnose erfolgt durch den Schweißtest - Natrium und Chlor - mit Werten über 60 mmol/1 bei Kindern und 90 mmol/1 bei Erwachsenen (am besten geeignet ist die Pilokarpin-Iontophorese am Vorderarm). Der pathologische Ausfall sollte wegen der erheblichen Konsequenzen durch mehrfache Wiederholung bestätigt werden (Normalwerte bis zu 50 mmol/1). Für die Früherkennung möglichst schon im Säuglingsalter stehen Screening-Methoden wie die Bestimmung eines erhöhten Gehaltes an Albumin und einer erhöhten Laktase-Aktivität im Mekonium oder eines erhöhten NaCl-Gehaltes im Parotissekret u.a. zur Verfügung. Ein sicherer Test zur Erkennung aller Heterozygoten existiert nicht, wird aber bald durch D N A Analyse zur Verfügung stehen. Die Lungenfunktionsdiagnostik ist zur Feststellung einer Obstruktion (reversibel, Emphysem) mit Beurteilung des Schweregrades und zur Verlaufsbeurteilung notwendig. Differentialdiagnose Differentialdiagnostisch ist gegenüber allen Krankheiten mit rezidivierenden bronchopulmonalen Infekten (chronische Bronchitis, Asthma bronchiale, Bronchiektasen, Immundefekte u.a.) abzugrenzen. Im Zweifelsfall empfiehlt sich ein Schweißtest. Die familiäre Dysautonomie (Riley-Day-Syndrom) ist eine autosomal-rezessiv vererbbare Krankheit, die fast nur bei jüdischen Kindern gefunden

Atemwegskrankheiten und Emphysem

267

wird. Eine bronchiale Hypersekretion führt zu gehäuften respiratorischen Infekten, Pneumonien, Atelektasen und Emphysem. Das Röntgenbild ist ähnlich wie bei der zystischen Fibrose. Wegen einer fehlenden Katecholamin-Ausschüttung zeigt sich keine Histaminreaktion. Die Plasma-BetaHydroxylase ist herabgesetzt. Therapie Wegen der unterschiedlich ausgeprägten Verlaufsformen ist eine individuelle Behandlung notwendig. Bei den schweren bronchopulmonalen Manifestationen empfiehlt sich eine regelmäßige Drainagebehandlung, unterstützt von Inhalationen mit Mukolytika (Azetylzystein, Mesna) und bei Vorliegen eines Bronchospasmus die Gabe von Bronchodilatatoren. Antibiotika sind möglichst früh zu Beginn eines eitrigen Infektes einzusetzen (wegen des Vorliegens von Pseudomonas-Keimen in den späteren Stadien möglichst kombiniert und gezielt Breitband-Antibiotika). Je nach Ausprägung der respiratorischen Insuffizienz kann eine Sauerstoffdauertherapie notwendig sein, bei akuter Verschlechterung im Rahmen von Infekten auch eine vorübergehende Beatmung. Auch Lungentransplantationen wurden bereits mit Erfolg vorgenommen. Bei Pankreasinsuffizienz sind Substitution der entsprechenden Enzyme, zusätzliche Gabe von Vitaminen und eine fettarme, kalorienreiche Diät notwendig. Salzverluste infolge starken Schwitzens müssen ausgeglichen werden. Wichtig sind die ständige ärztliche Überwachung und Beratung in Zusammenarbeit mit Krankengymnastinnen und evtl. Diätberatern. Erhebliche Anforderungen sozialer und psychologischer Art stellen sich bei Patienten, die das Pubertäts- und Erwachsenenalter erreichen.

Therapie Individuell: - Bronchialdrainage - Inhalationen - Bronchospasmolytika

3.3.8 Lungenemphysem

Lungenemphysem

Breitbandantibiotika 02-Dauertherapie

Pankreasenzyme Vitamine (A, D, Ε, K) Fettarme Diät

3.3.8.1 Generalisiertes Emphysem Vorbemerkungen, Definition Das Lungenemphysem ist nach pathologisch-anatomischen Kriterien definiert als:

Definition

Irreversible Erweiterung der Lufträume distal der terminalen Bronchioli mit Destruktion der Alveolarsepten. Unterschieden wird das zentriazinäre (zentrilobuläre), das meist mit einer chronischen Bronchitis einhergeht und eher die oberen Lungenanteile betrifft, vom panazinären (panlobulären) Emphysem, das in leichter Form im Alter physiologisch ist und besonders typisch pathologischerweise beim Alphai-Antitrypsin-Mangel vorkommt und eher die basalen Lungenanteile betrifft. Beim Lappenrand-(paraseptalen) Emphysem ist die sonstige Lunge nicht emphysematös umgewandelt. Funktionell ergeben sich kaum Ausfälle, jedoch tritt hier häufiger ein Spontanpneumothorax auf. Beim bullösen Emphysem bilden sich zusätzlich große blasige Hohlräume in den Lungen (progrediente Lungendystrophie s. 4.1.2.1). Ein lokalisiertes lobäres oder einseitiges Emphysem (einseitig helle Lungen, Swyer-JamesSyndrom) kann angeboren oder erworben (meist nach Bronchiolitis im Kindesalter) sein (s. 3.6.2.2). In der Nachbarschaft von Narben kann sich ein lokalisiertes Narbenemphysem (paracicatricial) ausbilden. Von kompensatorischem „Emphysem" spricht man bei Überblähung als Ausgleich von Lungenparenchymverlusten (z.B. nach Resektion oder bei chronischer Schrumpfung).

Zentriazinär bei chronischer Bronchitis Panazinär bei primärem Emphysem

III Krankheiten der Atmungsorgane

268 Klinische Diagnose

Ätiologie Stoffwechselstörung Mechanische Ursachen weniger von Bedeutung Vermehrte Produktion von Proteasen (In fekte, Zigaretten) und/oder zu wenig Antiproteasen

Hauptfaktor: Zigarettenrauch

Auch direkte toxische Schädigungen

Die klinische Diagnose eines Emphysems drückt die Wahrscheinlichkeit aus, daß die v o r h a n d e n e n Zeichen und S y m p t o m e auch auf einem morphologischen E m p h y s e m b e r u h e n . Ätiologie Die E n t d e c k u n g des Alpha^Antitrypsin-Mangels als v e r e r b b a r e Stoffwechselstörung, die zum E m p h y s e m führt und bei etwa 1 bis 2% ursächlich ist, hat die f r ü h e r e T h e o r i e einer mechanischen Entstehung aufgrund verengter Bronchien o d e r e r h ö h t e r intrapulmonaler D r u c k e in den Hintergrund gedrängt. H e u t e wird a n g e n o m m e n , d a ß eine v e r m e h r t e Produktion von proteolytischen Enzymen (Proteasen), die besonders aus vermehrten Granulozyten infolge Infekten oder Zigarettenrauchens freigesetzt werden, o d e r ein vermindertes A n g e b o t von Antiproteasen o d e r beides die E m p h y s e m e n t s t e hung begünstigen (Proteasen/Antiproteasen-Konzept; A b b . III-9). Als Folge k o m m t es zur A n d a u u n g des Lungengewebes mit nachfolgender Destruktion und e m p h y s e m a t ö s e m U m b a u . D e r Zigarettenrauch ist der H a u p t f a k t o r , der nicht nur f ü r eine Vermehrung der Leukozyten und eine verstärkte Freisetzung der Proteasen (besonders Elastase) sorgt, sondern auch noch die Synthese von Antielastasen und a n d e r e Reparationsvorgänge blockiert. A u c h direkte toxische Schädigungen durch Cadmiumchlorid, Nitrosegase u.a. k ö n n e n ein E m p h y s e m verursachen (z.T. als Berufskrankheit).

(a) normal

Gleichgewicht Proteasen

(b)Lungen emphysem

I |

Antiproteasen

Antiproteasenmangel oder Proteasenübergewicht

Abb. 111-9 Schema des Proteasen-Antiproteasen-Konzeptes für die Entstehung des Lungenemphysems

Pathophysiologie

Charakteristisch ist irreversible Erhöhung von Residualvolumen und Totalkapazität

Obstruktion mit Kollapsphänomen

Pathophysiologie Einen spezifischen Lungenfunktionstest f ü r das E m p h y s e m gibt es nicht, zumal es sehr häufig mit einer obstruktiven Bronchitis und ihren Funktionsstörungen einhergeht. Charakteristischerweise sind aber das Residualvolumen und die Totalkapazität erhöht bei in der Regel erniedrigter Vitalkapazität. Im Gegensatz zur einfachen Ü b e r b l ä h u n g (z.B. im Asthmaanfall) bleibt dieser B e f u n d konstant, was auf die irreversible Destruktion des Lungenparenchyms hinweist. U n t e r den dynamischen Funktionstests zeigt das F E V , eine Einschränkung, wobei hier als Folge des Bronchuskollapses häufig ein Knick im Kurvenverlauf zu b e o b a c h t e n ist (Abb.III-10). D e r Bronchuskollaps ist Folge des Elastizitätsverlustes der Lungen, wodurch die A t e m w e g e w ä h r e n d der forcierten A u s a t m u n g nicht m e h r offen gehalten werden können.

Atemwegskrankheiten und Emphysem

269

Abb. 111-10 Bronchialkollaps: a) Einengung der Bronchien während der forcierten Exspiration, b) Kollaps mit Knick im Verlauf der FEV,-Kurve

Zusätzlich werden die Atemwege durch den positiven intrathorakalen Druck als Folge der fehlenden Entleerung der Alveolen komprimiert (extrabronchiale Ursache der Atemwegseinengung). Der Anteil der Obstruktion, der Folge des Emphysems ist, ist ebenfalls nicht reversibel (nicht allein aufgrund des akuten Spasmolysetestes, sondern erst nach intensiver mehrtägiger Therapie beurteilbar). Der Bronchuskollaps kann vom Patienten aber durch langsames Ausatmen gegen die zusammengepreßten Lippen (Lippenbremse), wodurch der intrabronchiale Druck erhöht und das Bronchiallumen offen gehalten werden, zum Teil vermieden werden. Die Dehnbarkeit der Lunge (Compliance) ist infolge des „schlaffen" Parenehyms erhöht (allerdings schwierig zu messen) im Gegensatz zur verminderten Compliance bei „steifer" Lunge. Die Diffusionskapazität ist in der Regel als Folge der Kapillarzerstörung ebenso wie der arterielle Sauerstoffpartialdruck vermindert. Trotz erheblichen Mißverhältnisses zwischen Ventilation und Perfusion sind die alveoläre Ventilation und entsprechend der PaCOi im kompensierten Stadium meist normal. Abhängig vom Schweregrad stellt sich eine pulmonale Hypertonie mit Cor pulmonale ein. Im EKG entwickeln sich (nicht obligat) die Zeichen der vermehrten Rechtsherzbelastung mit überwiegender Negativität von QRS in V, bis V, sowie starken Schwankungen der R- und S-Amplituden in V, und V2 und oft eine Niedervoltage (QRS < 0,5 mV). Jedoch schließt ein normales EKG ein Lungenemphysem und ein Cor pulmonale nicht aus. Klinik Führendes Symptom ist die allmählich zunehmende Atemnot unter körperlicher Belastung. In Spätstadien findet sich auch eine Ruhedyspnoe, die selbst das Sprechen behindern kann. Bei reinem Emphysem fehlt anfallsweise oder nächtliche Atemnot. Da aber häufig auch eine chronische Bronchitis vorliegt, können sich entsprechende Symptome bei Infektexazerbationen, verbunden mit Husten und eitrigem Auswurf, einstellen. Für das Vorliegen eines Emphysems sprechen folgende Befunde: faß- oder glockenförmig vergrößterter Thorax mit nur geringen Atemexkursionen (starr), horizontale Rippenverläufe mit verbreiterten Interkostalräumen, verstärkte Benutzung der Atemhilfsmuskulatur („Fighter"), tiefstehendes Zwerchfell mit verminderter oder aufgehobener Zwerchfellbeweglichkeit, hypersonorer Klopfschall, abgeschwächtes Atemgeräusch (abhängig vom Ausmaß der begleitenden Bronchitis, trockene Nebengeräusche), leise Herztöne, Verschwinden der absoluten Herzdämpfung. Im Gegensatz zum Bronchitiker ist der Emphysematiker asthenisch und aufgrund der seltenen Polyglobulie eher nicht zyanotisch (s.Tab. III-6).

Extra bronchiale Obstruktion, nicht reversibel Lippenbremse verhindert durch Erhöhung des intrabronchialen Druckes den Bronchialkollaps

Compliance bei „schlaffer" Lunge erhöht P02-Abnahme PC02 meist normal

Pulmonale Hypertonie EKG

Klinik • Leitsymptom: zunehmende Atemnot bei körperlicher Belastung

- Starrer und vergrößerter Thorax

Zwerchfell tief und unbeweglich, hypersonorer Klopfschall

leise Herztöne

270 Diagnostik - Anamnese - Körperliche Untersuchungsbefunde - Lungenfunktion - Röntgenologische Zeichen

Wichtig

- Alpha r Antitrypsin-Spiegel im Serum

- ggf. Phänotypisierung

III Krankheiten der Atm ungsorgane Diagnostik Die klinischen Beschwerden und Untersuchungsbefunde legen in den meisten Fällen die Diagnose nahe. Unterstützt wird die Wahrscheinlichkeit, daß die vorhandenen Symptome auf einem morphologischen Emphysem beruhen, durch die Konstellation der Lungenfunktionsstörungen (siehe Pathophysiologie) und röntgenologische Befunde. So zeigt die Thorax-Übersicht in 2 Ebenen neben dem vergrößerten Thorax mit abgeflachtem und tiefliegendem Zwerchfell einen vergrößerten Retrosternalraum, eine Verbreiterung der zentralen Pulmonalarterien (über 15 mm im Durchmesser) und eine Verminderung der Gefäßzeichnung in der Peripherie bei eher kleinem, steil gestelltem Herz. Eine gleichzeitig vermehrte unregelmäßige und schlecht abgrenzbare Parenchymzeichnung („dirty ehest") weist auf eine zusätzliche chronische Bronchitis hin. Vor der - häufig gestellten - Diagnose allein aufgrund des Röntgenbefundes muß gewarnt werden; besonders bei großen und schlanken Menschen besteht wegen des Zwerchfelltiefstandes und der geringen Weichteildichte die Gefahr der Fehldiagnose. Klinisch-chemische Untersuchungen spielen nur eine geringe Rolle (evtl. Polyglobulie bei chronischer Hypoxie) bis auf die Bestimmung des AlphaiAntitrypsin-Spiegels im Serum (radiale Immundiffusion). Der Verdacht auf einen Mangel entsteht besonders bei jüngeren Patienten mit ausgeprägtem Emphysem ohne Begleitbronchitis, jedoch finden sich vermehrt niedrige oder intermediäre Werte (Normalbereich zwischen 150-400 mg/dl) bei älteren Patienten und solchen mit Bronchitis. Die niedrigsten Werte zeigen homozygote Träger (ZZ-Typ). Der Phänotyp läßt sich mittels Spezialtests ermitteln (isoelektrische Fokussierung, Antigen-Antikörper-Kreuzelektrophorese u.a.).

Differentialdiagnostik Abzugrenzen gegen sämtliche Krankheiten mitzunehmender Belastungsdyspnoe. Akute Atemnot bei Emphysem durch - Obstruktive Bronchitis, - Pneumothorax oder - Lungenembolie

Differentialdiagnostik Differentialdiagnostisch abzugrenzen sind sämtliche Krankheiten, bei denen sich eine Belastungsdyspnoe allmählich entwickelt. Eine akute Atemnot bei Emphysem ist in erster Linie durch Exazerbation einer obstruktiven Bronchitis, durch einen Pneumothorax oder durch eine Lungenembolie verursacht.

Therapie Prophylaxe: - Behandlung der chronisch-obstruktiven Bronchitis - Rauchverbot

Therapie Die Möglichkeiten der Behandlung sind beim Emphysem sehr beschränkt. Versucht werden muß, ein Fortschreiten der Destruktion zu vereiteln. Hierzu sind die permanente Behandlung der chronisch-obstruktiven Bronchitis (s. 3.2.2), die sofortige intensive Behandlung einer exazerbierten Bronchitis (s. 3.2.2) und vor allem die Beseitigung jeglicher weiterer Noxen (in erster Linie striktes Rauchverbot) notwendig. Bei Alpha] -Antitrypsin-Mangel ist die Substitution von gereinigtem Alpha,-Antitrypsin aus humanem Plasma (evtl. später auch gentechnische Herstellung) in beschränktem Umfang möglich. Anzustreben sind eine frühzeitige Erfassung und Substitution der Homozygoten mit hoher Gefährdung (aber auch hier ist ein Rauchverbot am wichtigsten). Die Wirkung niedermolekularer Inhibitoren von Proteasen und von Mitteln wie Oxydantien oder anabolen Steroiden, welche eine vermehrte Produktion von Antiproteasen bewirken, ist noch ungesichert.

- Substitution von Alpha r Antitrypsin

Wegen der ähnlichen physikalischen Phänomene (hypersonorer Klopfschall, leises Atemgeräusch) ist ein Pneumothorax nur röntgenologisch sicher auszuschließen!

Atemwegskrankheiten und Emphysem Eine wichtige symptomatische Maßnahme ist das Erlernen der richtigen Atemtechnik mit Lippenbremse und Zwerchfellatmung, möglichst unter krankengymnastischer Anleitung.

271 Atemtechnik mit - Lippenbremse - Zwerchfellatmung

Bei jüngeren Patienten mit rasch fortschreitendem Emphysem bei homozygotem Alpha r Antitrypsin-Mangel sind beidseitige Lungentransplantationen bzw. Herz-Lungen-Transplantationen mit Erfolg vorgenommen worden. Einseitige Lungentransplantationen sind wegen der unterschiedlichen mechanischen Eigenschaften dagegen kontraindiziert. Verlauf und Prognose - Tendenz zur Verschlechterung

Verlauf und Prognose Die Krankheit hat eine Tendenz zur Verschlechterung, die individuell abhängig von der Beeinflussung der Bronchitis, von der Vermeidung der Noxe Tabak und von weiteren, z.T. noch ungeklärten Faktoren ist. Besonders schlecht ist die Prognose, wenn bereits eine Rechtsherzinsuffizienz aufgetreten ist, im Mittel beträgt dann die Lebenserwartung drei bis vier Jahre. Eine Verbesserung dieser Prognose kann bei hypoxischen Patienten ( P 0 2 < 60 mmhg) durch die Langzeit-0 2 -Gabe über mehr als 10 Stunden täglich durch Senkung des Pulmonalarteriendruckes bewirkt werden. In Einzelfällen mit akuter Verschlechterung hat sich gezeigt, daß eine Intensivtherapie mit Beatmung noch sinnvoll sein kann.

- Bei Rechtsherzinsuffizienz im Mittel Lebenserwartung von 3-4 Jahren - Verbesserte Prognose durch 0 2 -Dauertherapie

3.3.8.2 Lokalisiertes Emphysem

Lokalisiertes Emphysem

3.3.8.2.1 Bullöses Emphysem Definition Unter Bulla wird ein luftgefüllter, dünnwandiger (über 1 cm im Durchmesser großer) Raum in der Lunge verstanden, der durch Destruktion von Alveolargewebe entstanden ist. Die Bildung von Bullae ist häufig mit anderen Erkrankungen der Lunge verbunden, besonders mit der chronischen Bronchitis und dem Emphysem, kommt aber auch nach Narbenbildung, in Spätstadien einer Sarkoidose oder Pneumokoniose u.a. vor. Von bullösem Emphysem im engeren Sinne spricht man, wenn eine oder mehrere Bullae bei sonst normalem Lungenparenchym vorliegen. Als Zysten werden angeborene Höhlen, die in der Regel mit einem Epithel ausgekleidet sind, bezeichnet. Auch Abszeßhöhlen nach einschmelzenden Pneumonien und Kavernen nach tuberkulöser Infektion können hierzu gezählt werden. Unter Blase versteht man dagegen eine Ansammlung von Luft (Durchmesser 1-2 mm) in den Schichten der viszeralen Pleura (Neigung zum Spontanpneumothorax).

Bullöses Emphysem Definition der Bulla

Φ



Häufig bei anderen Lungenkrankheiten

Bullöses Emphysem im engeren Sinn bei sonst normaler Lunge

Pathogenese

Pathogenese Ähnliche Mechanismen wie bei der Entstehung des Emphysems führen zu Bullae: Atrophie, Hypoplasie, Überblähung und Lungenzerstörung. Überblähungen mit Ventilmechanismen können zu einer ständigen Vergrößerung der Bulla mit zunehmender Kompression des umgebenden Gewebes oder Verdrängung des Mediastinums führen. Am häufigsten entwickelt sich eine Bulla bei sonst normaler Lunge in der Spitze der Oberlappen oder entlang der kostodiaphragmalen Kante des Mittellappens oder der Lingula. Bei generalisiertem, panazinärem Emphysem liegen dagegen keine sicheren Prädilektionsstellen vor.

Φ

Pathophysiologic

Pathophysiologic

Lokalisation



Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Patienten mit sonst normalem und mit pathologisch verändertem Lungenparenchym. Bei den ersteren findet sich entsprechend dem Volumen der Bulla(e) eine Differenz zwischen dem ganzkörperplethysmographisch und dem durch Fremdgaseinwaschung (Helium, Argon) ermittelten Residualvolumen

Bei sonst normaler Lunge keine Obstruktion

272

Bei generalisiertem Emphysem typische Funktionsstörungen

III Krankheiten der Atm ungsorgane („Trapped Air-Volumen") bei sonst meist unauffälligen Funktionswerten. Bei sehr großen Bullae kann auch die Vitalkapazität vermindert sein. Perfusions- und ventilationsszintigraphisch finden sich meist den Bullae entsprechende Ausfälle. Dagegen sind bei generalisiertem Emphysem die typische Atemwegsobstruktion und die herabgesetzte Diffusionskapazität vorhanden.

Klinik Bei sonst normaler Lunge Atemnot und Thoraxschmerz Komplikationen: - Pneumothorax - Infektion - selten Blutungen

Klinik Ein bullöses Emphysem bei sonst normaler Lunge macht in der Regel keine Beschwerden. Erst die Entwicklung zu sehr großen, verdrängenden Bullae kann Atemnot und Thoraxschmerzen verursachen. Weitere Komplikationen sind ein Pneumothorax bei Ruptur einer Bulla mit erheblicher Atemnot sowie eine Infektion einer Bulla mit Fieber, Schüttelfrost, Husten und eitrigem Auswurf, gelegentlich Blutungen. Bei anderen Grundkrankheiten finden sich die dafür typischen Symptome (siehe chronische Bronchitis, Emphysem).

Diagnostik

Diagnostik Bei symptomfreien Fällen hilft die Lungenfunktion, eine gleichzeitige obstruktive Ventilationsstörung aufzudecken oder auszuschließen. In der Regel wird die Diagnose eines bullösen Emphysems röntgenologisch gestellt (Abb.III-11). Typisch ist eine verstärkte Strahlentransparenz bzw. ein Fehlen der Lungenzeichnung in einem umschriebenen Areal mit einem meist sichtbaren haarfeinen Rand, der konvexbogig verläuft. Tomographie, Bronchographie und Angiographie können gut die Kompression des umgebenden Gewebes darstellen. Die Perfusionsszintigraphie, am empfindlich-

- Röntgen-Thoraxübersicht - Zusatzuntersuchungen zeigen Kompression des umgebenden Lungengewebes - Computertomographie sehr sensitiv

Abb. 111-11 a) Röntgen-Thoraxübersicht mit großer Blase im rechten Obergeschoß (deutliche Erhöhung der Transparenz), b) Darstellung der Bulla im Computertomogramm; zusätzlich kleinere Blasen links, die in der Thoraxübersicht nicht zu erkennen sind

Atemwegskrankheiten und Emphysem

273

sten aber die Computertomographie hilft bei der Aufdeckung weiterer, auf der Thoraxübersicht unentdeckter Bullae. Differentialdiagnostik Bei großen Bullae besteht die Gefahr, daß sie mit einem Pneumothorax verwechselt werden. Bei letzterem verläuft aber die Begrenzung zur Lunge konkav. Weiter muß gegenüber einem lobären oder einseitigen Emphysem abgegrenzt werden (CT, Pulmangiographie). Schwierig ist gelegentlich die Unterscheidung zwischen einem Abszeß und einer superinfizierten Bulla (Anamnese. Vergleich mit früheren Röntgenbildern). Eine luftgefüllte Pneumonektomiehöhle ist aufgrund der vorangegangenen Operation leicht zu diagnostizieren.

Differentialdiagnostik - Verwechslungsgefahr mit Pneumothorax - Lokalisiertes Emphysem - Lungenabszeß

Therapie Die Behandlung des bullösen Emphysems erfolgt in der Regel konservativ. Bei asymptomatischen Patienten mit normaler sonstiger Lunge sind regelmäßige Röntgenkontrollen in halb- bzw. ganzjährigen Abständen sowie die Einhaltung eines Rauchverbotes zu empfehlen. Bei erheblicher Größe und dadurch bedingter Kompression normaler Lunge oder bei rascher Größenzunahme oder bei Eintreten von Komplikationen (Pneumothorax, Infektion, Blutung) sollte zur operativen Entfernung geraten werden. Präoperativ ist zum Ausschluß bzw. Nachweis weiterer Blasen eine Computertomographie des Thorax notwendig. Bei beidseitigen Bullae kann eine einzeitig-beidseitige Operation mittels medianer Sternotomie sinnvoll sein.

Therapie - In der Regel konservativ - Röntgenologische Überwachung, Rauchverbot

Verlauf und Prognose Die Geschwindigkeit der Größenzunahme einer Blase nach Erstentdekkung ist nicht sicher vorhersagbar, gelegentlich helfen zum Vergleich herangezogene Voraufnahmen. Wird bei vorhandener Kompression einer sonst normalen Lunge rechtzeitig operiert, ist die Prognose gut und das Operationsrisiko klein. Dagegen ist die Fünf-Jahres-Sterblichkeit bei generalisierter Atemwegs- und Lungenkrankheit bei Patienten mit Bullae erhöht.

Verlauf und Prognose

3.3.8.2.2 Unilaterales/Iobäres Emphysem

Unilaterales/Iobäres Emphysem

Bei diesem Krankheitsbild fällt die verstärkte Transparenz einer Lungenseite (oder eines Lappens) auf. Man spricht von der „einseitig hellen Lunge" (Swyer-James-Syndrom oder MacLeod-Syndrom). Ätiologisch werden rezidivierende respiratorische Infekte in der Kindheit angeschuldigt. Wahrscheinlich entwickelt sich aufgrund eines Virusinfektes eine akute Bronchiolitis, die zur Verlegung kleiner Atemwege führt. Das periphere Lungenparenchym kann nur über Kollateralen ventiliert werden, dahinter kommt es zu „air trapping", Überblähung und schließlich zur emphysematösen Destruktion. Die Lungenfunktion zeigt eine herabgesetzte Vitalkapazität und im Ganzkörperplethysmographen ein erhöhtes Residualvolumen. In der Regel findet sich keine wesentliche Obstruktion. Die Blutgaswerte in Ruhe sind meist normal, können aber unter Belastung abfallen. Die seltene Entwicklung eines Cor pulmonale ist wahrscheinlich Folge einer chronischen Bronchitis auf der kontralateralen Seite. Die Klinik variiert zwischen symptomlosen Fällen, solchen mit Atemnot unter Belastung und solchen mit wiederholten respiratorischen Infekten. Die betroffene Thoraxseite kann verminderte Atemexkursionen, einen hypersonoren Klopfschall und ein leises Atemgeräusch verbunden mit vereinzelten feuchten Nebengeräuschen bieten. Die Diagnose läßt sich nahezu immer durch die Durchleuchtung stellen, wo sich unter Exspiration die betroffene Lungenseite nicht entleert. Das Perfusionsszintigramm zeigt oft eine völlig aufgehobene Durchblutung, die Angiographie enggestellte Lungengefäße, die Bronchographie dagegen häufig eine Weitstellung der Bronchien (zylindrische Bronchiektasen).

Indikationen zur Operation: - Erhebliche Ausgangsgröße - Rasche Größenzunahme - Auftreten von Komplikationen

Prognose bei generalisierter Atmungsund Lungenkrankheit schlechter

Einseitig helle Lunge Ätiologie: Virusinfekte in Kindheit Bronchitis Atemwegsverschluß -> kollaterale Ventilation -» Überblähung —> emphysematöse Destruktion Lungenfunktion

Klinik

Diagnose durch - Durchleuchtung - Perfusionsszintigraphie

III Krankheiten der Atmungsorgane

274 Differentialdiagnostik

Symptomatische Therapie nur in Ausnahmefällen operativ

Diffuse Lungenparenchymkrankheiten Rötngenologisch mit nodulärer und/oder retikulärer Zeichnungsvermehrung, funktionell mit Restriktion und Diffusionsstörung relativ gleichförmig Großes ätiologisches Spektrum

Zwei Drittel der Fälle bleiben ungeklärt Broncho-alveoläre Lavage (BAL) verbessert Einblick in Krankheitsabläufe

Infektionen Erreger - Tuberkulose - Ornithose - Mycoplasma pneumoniae - Pneumocystis carinii bei AIDS

Differentialdiagnostisch sind alle anderen Ursachen einer verstärkten unilateralen Transparenz wie Unterbrechung oder thrombembolische Verlegung einer Pulmonalarterie, angeborene Hypo- oder Aplasie von Pulmonalgefäßen, angeborenes lobäres Emphysem (meist dramatisch während der ersten Lebenstage auftretend), großes bullöses Emphysem, Pneumothorax und besonders die intrabronchiale Einengung mit exspiratorischem Ventilmechanismus (bei Tumor, Aspiration u.a.) zu beachten. Die Therapie ist in der Regel symptomatisch mit Bronchospasmolytika bei Obstruktion und Antibiotika bei respiratorischen Infekten. Nur in Ausnahmefällen (Bronchiektasen, gehäufte rezidivierende Infekte) dürften operative Maßnahmen indiziert sein.

4 Diffuse (restriktive) Lungenparenchymkrankheiten Die generalisierten Lungenparenchymkrankheiten (ausgenommen sind das Emphysem und die zystische Fibrose) zeigen zwar röntgenologisch mit einer nodulären und/oder retikulären Zeichnungsvermehrung sowie funktionell mit einer restriktiven Ventilationsstörung und einer Gasaustauschstörung besonders unter Belastung häufig ein recht gleichförmiges Bild, jedoch ist das ätiologische Spektrum mit über 100 möglichen Ursachen für die pathologisch-anatomischen Veränderungen sehr groß. Neben infektiösen Erkrankungen des Parenchyms kommen ursächlich inhalierte anorganische und organische Substanzen, physikalische Noxen, immunologische Krankheiten, Medikamente, Neoplasien, Herz-KreislaufKrankheiten, angeborene oder erbliche Krankheiten in Betracht. Ein hoher Anteil von fast zwei Drittel der Fälle bleibt jedoch ätiologisch ungeklärt. Die neueren Untersuchungsverfahren wie broncho-alveoläre Lavage und transbronchiale Lungenbiopsie, die auf fiberbronchoskopischem, wenig belastendem Weg Zellmaterialien und Stoffwechselprodukte gewinnen lassen, ermöglichen einen immer besseren Einblick in die Krankheitsabläufe.

4.1 Infektionen

Klinik - Husten - Auswurf - Fieber - rasch zunehmende Atemnot Diagnose - aus Sputum/Bronchialsekret, serologisch usw. - lungenbioptisch Therapie Gezielt nach Erregern und symptomatisch

Unter den infektiösen Erregern, die diffuse entzündliche Veränderungen im Lungenparenchym hervorrufen können, sind Bakterien (Tuberkulose Miliartuberkulose - , Staphylokokken, Salmonellen u.a.), Viren (Varizellen, Zytomegalie, Influenza u.a.), Chlamydien - Ornithose - , Mykoplasmen - M. pneumoniae - , Pilze und Parasiten - hier hat im Rahmen der AIDS-Erkrankungen Pneumocystis carinii erheblich an Bedeutung gewonnen. Die infektiöse Ätiologie ist gewöhnlich aufgrund der Anamnese und der Klinik mit erhöhten Temperaturen, Husten, Auswurf, rasch zunehmender Atemnot u.a. zu vermuten. Die Diagnose wird durch färberischen oder kulturellen Erregernachweis vor allem im Sputum oder Bronchialsekret, durch Antigen-Antikörper-Reaktionen oder lungenbioptisch, vorzugsweise durch transbronchiale Lungenbiopsie gestellt. Die Therapie richtet sich gezielt nach den Erregern (Einzelheiten siehe Kapitel: Pneumonien bzw. Tuberkulose).

Anorganische Stäube

4.2 Anorganische Stäube

Definition

Definition Die Lungenkrankheiten, die durch Inhalation und Ablagerung anorganischer (mineralischer) Stäube hervorgerufen werden, bezeichnet man als Pneumokoniosen im engeren Sinne (Tab.III-11).

Diffuse (restriktive) Lungenparenchymkrankheiten

275

Tabelle 111-11 Lungenerkrankungen durch anorganische Stäube (Pneumokoniosen) Silikose (freie kristalline Kieselsäure) Asbestose (Asbestfasern) Aluminose (Bauxit) Hartmetallfibrose (Vanadium, Wolfram u.a.) Tal kose Siderose (Bogenschweißerlunge) Mischstaubfibrosen (Quarz, Talk, Aluminiumsilikat) Berylliose (Beryllium) Barytose (Barium) Anthrakose (Kohlenstaub, Ruß) Argyrosiderose (Silber) Stannose (Zinn) u.a. Als Pneumokoniosen im weiteren Sinne werden dagegen auch Krankheiten nach Inhalation organischer Stäube (in der Regel handelt es sich hier um eine exogen-allergische Alveolitis, s. 4.2.8) und Bronchopneumopathien infolge toxisch bzw. karzinogen wirkender Stoffe angesehen. In der Regel handelt es sich um berufliche Expositionen, besonders im Bergbau, in der Stein- und Erdenindustrie, in der Eisen- und Metallindustrie sowie in der Chemie- und Elektroindustrie und in den Gewerbezweigen Bau, Nahrungsmittel, Textil und Holz. Die Anerkennung als Berufskrankheit mit den daraus folgenden gesetzlichen Leistungen erfolgt nach der Berufskrankheiten-Verordnung (BeKV). Bei Verdacht auf eine Berufskrankheit ist der Arzt verpflichtet, unverzüglich eine Anzeige zu erstatten. Die Pneumokoniosen machen mehr als V4 der rentenpflichtig entschädigten Berufskrankheitsfälle aus, wobei die Silikose bei weitem führt. Der Grad der Gefährdung durch die verschiedenen Stäube ist wesentlich von der Partikelgröße, von den pathogenen Eigenschaften der jeweiligen Stäube (fibrogen, kanzerogen, apathogen), von der Dauer der Exposition und von den bronchopulmonalen Schutzmechanismen wie mukoziliäre Clearance, Abtransport durch Makrophagen u. a.) abhängig. Pathophysiologisch stehen die restriktiven Ventilationsmuster mit Gasaustauschstörung (P0 2 -Erniedrigung in R u h e oder unter Belastung, Diffusionsstörung, erniedrigte Vital- und Totalkapazität, erniedrigte statische Compliance) im Vordergrund. Diese können jedoch von obstruktiven Ventilationsstörungen (FEV,-Verminderung, Atemwegswiderstandserhöhung u.a.) mit und ohne Lungenüberblähung (Erhöhung des relativen Residualvolumens) begleitet werden. Daraus resultiert häufig eine Druckerhöhung im Pulmonalkreislauf mit Entwicklung eines Cor pulmonale. Für die röntgenologische Beurteilung der Pneumokoniosen hat sich die Staublungenklassifikation der ILO (International Labour Office), zuletzt von 1980, bewährt. Diese ermöglicht eine einheitliche und damit vergleichbare Beschreibung der intrapulmonalen Schatten nach Größe (klein, mittel, groß), Typ (rundlich, unregelmäßig, gemischt), Anzahl (Streuung) und Verbreitung (Ober-, Mittel-, Unterfeld, rechts/links). Zusätzlich sind Kodierungsmöglichkeiten für weitere wichtige Befunde wie Cor pulmonale, Tuberkulose. Honigwabenlunge, pleurale Veränderungen u.a. vorgesehen. Wesentlich für die Diagnose ist die Erhebung der Expositionsanamnese, insbesondere der kompletten beruflichen Vorgeschichte, aber auch Exposition durch Hobby, Wohnort oder andere Kontaktmöglichkeiten müssen berücksichtigt werden. In Einzelfällen sind zur endgültigen Sicherung außer den radiologischen, funktionellen, bakteriologischen und immunologischen Befunden auch bioptische Verfahren notwendig. Kausale Therapiemöglichkeiten stehen bei den Lungenfibrosen durch anorganische Stäube nicht zur Verfügung. Ein Expositionsstopp ist in der Regel indiziert. Für andere zusätzliche Manifestationen wie Tuberkulose (besonders bei Silikose) oder Tumoren kommen die entsprechenden

Pneumokoniosen im engeren Sinne verursacht durch anorganische Stäube.

Meist berufliche Exposition.

Silikose führend. Gefährdungsgrad abhängig von - Partikelgröße - Pathogenität - Expositionsdauer - Schutzmechanismen Pathophysiologie Vorwiegend restriktiv, evtl. zusätzlich obstruktiv.

Häufig Cor pulmonale Röntgenologische Klassifikation der ILO nach - Größe - Typ - Anzahl - Verbreitung

Diagnose Expositionsanamnese wesentlich In Einzelfällen bioptisch Therapie - Expositionsprophylaxe

III Krankheiten der Atmungsorgane

276 sonst nur symptomatisch Silikose

Röntgenbild: - Schrotkornlunge bei reiner Silikose - Schneegestöberlunge bei Mischstaubsilikose

Klinik - zunehmende Atemnot - Akuter Verlauf selten - Diagnose durch Anamnese und Röntgenbild Rentenberechtigung abhängig von - Funktionseinschränkung - gleichzeitiger Tuberkulose

Behandlungsmaßnahmen in Betracht. Ansonsten muß die Behandlung symptomatisch erfolgen. Silikose Die Silikose (BeKV Nr. 4101) hat die größte Bedeutung unter den Pneumokoniosen. Sie kommt besonders im Bergbau (im Kohlebergbau meist Mischstaubsilikose) und in der Stein-, Kies- und Sandindustrie vor. Pathologisch-anatomisch bilden sich Silikosegranulome und eine Fibrose. Das Röntgenbild (Abb. 111-12) zeigt eine vorwiegend scharf abgegrenzte noduläre Zeichnung bei der reinen Silikose („Schrotkornlunge")» dagegen bei der Mischstaubsilikose eher eine unscharfe, z.T. konfluierende Zeichnungsvermehrung („Schneegestöberlunge"). Häufig sind die hilären und mediastinalen Lymphknoten mit eierschalenartigen Verkalkungen mitbetroffen. Klinisch kommt es zu einer langsamen, gelegentlich schubweise zunehmenden Atemnot, wobei funktionell meist neben der Restriktion auch obstruktive Ventilationsstörungen und Emphysemhinweise vorliegen. Die akute Verlausform mit plötzlicher, rasch progredienter respiratorischer Insuffizienz ist sehr selten. Die Diagnose wird aufgrund der Anamnese und des Röntgenbildes gestellt, die Rentenberechtigung hängt vom Ausmaß der funktionellen Beeinträchtigung oder vom gleichzeitigen Vorliegen einer aktiven Tuberkulose (Silikotuberkulose, BeKV Nr. 4102) ab. Auf das Caplan-Syndrom wurde bereits bei der rheumatoiden Arthritis hingewiesen.

Abb. 111-12 Röntgen-Thoraxübersicht bei Silikose: a) „Schrotkornlunge" bei reiner Silikose, b) „Schneegestöberlunge" bei Mischstaubsilikose

Diffuse (restriktive) Lungenparenchymkrankheiten

277

Asbestose Die Asbestose (BeKV Nr.4103) entsteht durch Inhalation der verschiedenen Asbestfasern. Auch andere faserförmige Minerale und auch Kunststoffasern besitzen Fibrose (und Tumor) induzierte Eigenschaften. Eine Vielzahl von Berufsgruppen ist gefährdet. Kurze Expositionszeiten und eine lange, oft Jahrzehnte dauernde Latenzzeit bis zum Auftreten der Krankheitszeichen (Atemnot, Husten, auskultatorisch ohrnahes Knisterrasseln über den basalen Lungenanteilen, röntgenologisch retikuläre Fibrosezeichnung) erschweren häufig die Zuordnung. Funktionell steht die Restriktion mit Gasaustauschstörung eindeutig im Vordergrund, erst relativ spät tritt eine obstruktive Atemwegsbeteiligung hinzu. Die Asbestose führt meist chronisch fortschreitend zum Cor pulmonale, die asbestinduzierten Mesotheliome und der Lungenkrebs in der Verbindung mit einer Asbestose sind ebenfalls als Berufskrankheiten anerkannt (BeKV Nr.4105 bzw. 4104, siehe entsprechende Kapitel). Die Pleurahyalinose (Pleuraplaques) gilt als starker Hinweis auf eine Asbestexposition. Der benigne Asbesterguß ist eine weitere Manifestationsform.

Asbestose

Weitere Pneumokoniosen Die weiteren durch Inhalation anorganischer Stäube hervorgerufenen Pneumokoniosen (s. Tab. 111-11) sind selten. Die Bery lliose ist von einer Sarkoidose differentialdiagnostisch abzugrenzen. Die reine Anthrakose und die Siderose (Schweißerlunge), aber auch die Pneumokoniosen durch Antimon, Barium, Cer, Kaolin, Ockererde und Zinn werden als gutartig bezeichnet, da klinische Symptome und Funktionsstörungen in der Regel fehlen.

Weitere Pneumokoniosen

4.3 Organische Stäube (exogen-allergische Alveolitis) Inhalierte organische Stäube können das zunehmend diagnostizierte Krankheitsbild der exogen-allergischen Alveolitis (Synonym: Hypersensitivity Pneumonitis) hervorrufen. Ihr liegt pathogenetisch eine IgG-vermittelte Immunreaktion vom verzögerten Typ (Typ III) und eine zelluläre Immunreaktion (vom Typ IV) gegen die krankheitsauslösenden organischen Allergene zugrunde. Eine Sonderform sind die allergischen bronchopulmonalen Mykosen (besonders durch Aspergillus fumigatus), bei denen zusätzlich eine IgE-vermittelte Typ-I-Reaktion mit Asthma bronchiale vorliegt. Eine Vielzahl von Allergenen sind inzwischen bekannt, von denen die wichtigsten in Tabelle II 1-12 aufgezählt sind. Bei Verdacht ist daher eine sorgfältige Eruierung der Berufs-, Hobby- und Wohnsituation notwendig. Männer erkranken häufiger als Frauen, Nichtraucher häufer als Raucher. Der Altersgipfel liegt zwischen 40 und 50 Jahren, die Häufigkeit der Erkrankung bei etwa 5% (2 bis 10%) der Kontaktpersonen. Die akute Verlaufsform weist Symptome auf, die etwa 3 bis 12 Stunden nach Exposition auftreten. Kratzen im Hals, Husten, Fieber, Schüttelfrost, Abgeschlagenheit und Atemnot entwickeln sich rasch und werden häufig mit einem grippalen Infekt verwechselt. Auskultatorisch sind oft nur kurzTabelle 111-12 Ursachen exogen-allergischer Alveolitiden • Tierische Allergene (ζ. B. Vogelhalterlunge - Tauben, Wellensittiche u.a. • Bakterien (besonders Thermoaktinomyzeten - Farmerlunge, Befeuchterlunge u.a.) • Schimmelpilze (Aspergillus, Penicillium, Alternaria), Candida (?) u.a. • Pflanzliche Allergene (ζ.B. Pilzarbeiter-, Holzarbeiterlunge u.a.) • Chemische Allergene (z.B. Isozyanat)

Gefährdung vieler Berufsgruppen Lange Latenzzeit Retikuläre Fibrose im Röntgenbild Funktion

Chronisches Cor pulmonale Weitere Asbestfolgen: - Malignes Pleuromesotheliom - Bronchialkarzinom - Pleuraplaques - Benigner Asbesterguß

Organische Stäube

Immunreaktion vom Typ III (und IV) Bei allergischen bronchopulmonalen Mykosen zusätzlich Typ-I-Reaktion. Vielzahl von organischen Allergenen: s.Tab. 111-12. Anamnese Epidemiologie

Klinik Akute Verlaufsform (3-12 Stunden nach Exposition) - Fieber - Atemnot - Feinblasige Rasselgeräusche - Gasaustauschstörung (reversibel) - Röntgenologisch diffuse Zeichnungsvermehrung - Leukozytose

278

Chronische Verlaufsform - Husten - Belastungsdyspnoe - Fibrosegeräusche

Diagnosesicherung durch - Nachweis präzipitierender Antikörper - T-Lymphozytose in der BAL - Reexposition nach Karenz - bzw. durch inhalative Provokation

Differentialdiagnostik

Byssinose ist abzugrenzen

Therapie - Allergenkarenz an erster Stelle - Atemschutzmasken nur in Ausnahmefällen - Evtl. systemische Kortikosteroide Prognose Bronchopulmonale Mykosen (besonders durch Aspergillus fumigatus). Asthma und pulmonale Infiltration, Eosinophilie. Durch Hautreaktion Erhöhtes Gesamt-lgE Präzipitierende Antikörper Schimmelpilze im Sputum Oft „Mucoid Impaction" Oft Bronchiektasen Kortikosteroidtherapie und Kontrolle des IgE-Spiegels

III Krankheiten der Atm ungsorgane fristig feinblasige Rasselgeräusche zu hören. Lungenfunktionell findet sich eine reversible Restriktion mit Gasaustauschstörungen, röntgenologisch eine diffuse noduläre und/oder retikuläre Zeichnungsvermehrung unterschiedlicher Stärke. Im Fieber ist auch eine Leukozytose vorhanden. Histologisch überwiegen anfangs neutrophile Granulozyten im Lungengewebe, später Lymphozyten und Histiozyten mit Granulombildung (auch mit Langhans-Riesenzellen). Bei der chronischen Verlaufsform stehen Husten, Belastungsdyspnoe und Allgemeinsymptome wie Schwäche, Appetitlosigkeit u.a. im Vordergrund. Auskultatorisch können hier die Zeichen der Fibrose (basales ohrnahes Knisterrasseln, Fibrosequietschen) vorliegen. Die Lungenfunktion ist dauerhaft und abhängig vom Fibrosegrad eingeschränkt, röntgenologisch finden sich zusätzlich Schrumpfungszeichen. Die endgültige Diagnosesicherung erfolgt durch den Nachweis präzipitierender Antikörper im Serum (Ouchterlony-Test, Radioimmun-Assay, ELISA), durch den Nachweis eines erhöhten Lymphozytengehalts, besonders von T-Lymphozyten mit normalem oder erniedrigtem Helfer-SuppressorQuotient, in der bronchoalveolären Lavage (BAL) und in Zweifelsfällen durch Reexposition nach vorangegangener Karenz bzw. durch die inhalative Provokation mit dem vermuteten Allergen (nach mehrtägiger Steroidpause und unter stationären Bedingungen). Differentialdiagnostisch müssen bei der akuten Verlaufsform das Asthma bronchiale, das Lungenödem unterschiedlicher Ätiologie, akute respiratorische Infekte (bei der Vogelhalterlunge besonders die Ornithose) ausgeschlossen werden, bei der chronischen Verlaufsform alle anderen ätiologischen Möglichkeiten einer Lungenfibrose. In Einzelfällen ist der lungenbioptische Ausschluß anderer Ursachen notwendig. Abzutrennen von der exogen-allergischen Alveolotis ist die Byssinose, die durch Inhalation von Rohbaumwoll-, Flachs- oder Hanfstaub verursacht wird und bei der sich eine akute oder chronische obstruktive Atemwegserkrankung einstellt (textilverarbeitende Industrie, Symptombeginn nur nach mindestens eintägiger Arbeitspause - „Montagssymptomatik"). Therapie und Prophylaxe gegenüber weiteren Schüben erfolgen nach Möglichkeit durch Allergenkarenz, am besten durch endgültige Beseitigung der für das Allergen verantwortlichen Sitation (Berufswechsel, Abschaffen der Vögel usw.), nur in Ausnahmefällen durch Verwendung von Atemschutzmasken. Zusätzlich sind bei nur langsamer Rückbildung der akuten Verlaufsform kurzfristig und bei Vorliegen chronischer Veränderungen langfristig systemische Kortikosteroide angezeigt. Der weitere Verlauf und damit die Prognose hängen von der Karenz, der Reversibilität der Lungenschädigung und vom Ausmaß der bereits vorliegenden Lungenfibrose ab. Bei den allergischen bronchopulmonalen Mykosen (besonders Aspergillus fumigatus) stellt sich der Verdacht bei Asthmapatienten mit rezidivierenden pulmonalen Infiltraten, mit Blut- und Sputum-Eosinophilie, Symptomen einer Pneumonie oder Bluthusten. Als gesichert ist die Diagnose bei Vorliegen einer dualen Hautreaktion im Allergietest (Früh- und Spätreaktion), bei erhöhtem Gesamt-lgE, bei Nachweis von präzipitierenden Antikörpern gegen Schimmelpilze und bei kulturellem Nachweis von Schimmelpilzen im Sputum oder Bronchialsekret. Bronchoskopisch finden sich häufig sehr zähe Sekretausgüsse, welche die Bronchien verlegen („Mucoid Impaction") und zu Belüftungsstörungen (Dystelektase, Atelektase) führen können. Bronchographisch lassen sich oft sackförmige Bronchiektasen zeigen. Neben einer bronchospasmolytischen Therapie ist die Kortikosteroidtherapie indiziert, die nach der Höhe und dem Abfall des Gesamt-IgESpiegels dosiert wird.

279

Diffuse (restriktive) Lungenparenchymkrankheiten

4.4 Gasförmige Noxen

Gasförmige Noxen

Zu den gasförmigen Noxen die nach Inhalation diffuse Lungenveränderungen (Lungenödem oder Pneumonien mit akuter respiratorischer Insuffizienz, selten chronisch-fibrosierender Umbau) hervorrufen können, gehören Phosgen, Nitrosegase (Futtersilos), Azetylen, Fluorwasserstoffe, Chlor, Salzsäure u.a. Häufig gehen sie zusätzlich mit einer erheblichen Reizung der (Bronchial-)Schleimhäute einher.

Lungenödem, Pneumonien

4.5 Physikalische Noxen

Schleimhautreizung

Physikalische Noxen

Hierzu zählen die Schädigung durch ionisierende Strahlen (Strahlenfibrosen), durch thermische Einwirkungen (Verbrennungen), durch hohe inspiratorische Sauerstoffkonzentrationen, durch akute oder chronische Aspiration von Magensaft und die Ertrinkungslunge.

Strahlenfibrosen

4.6 Medikamente

Medikamente

Zu den wichtigsten Medikamenten, die Lungenfibrosen induzieren können, gehören Nitrofurantoin und Methysergide (häufig auch Pleuraerguß), Zytostatika (Bleomycin, Busulfan, Methotrexat, Cyclophosphamid, Mitomycin C), die einen systemischen Lupus erythematodes (SLE) induzierenden Medikamente (Isoniazid, Hydralazin, Procainamid, Diphenylhydantoin) u.a.

Zytostatika SLE-induzierende Medikamente

4.7 Autoimmunkrankheiten

Autoimmunkrankheiten

Vorbemerkungen, Definition Pulmonale (und pleurale) Manifestationen kommen bei Autoimmunkrankheiten unterschiedlich häufig vor. Die Diagnose wird gewöhnlich aufgrund der extrathorakalen Befunde gestellt (s. Kap. IV.4 u. Abschn.6.1.1.1 bzw. 7.1). In seltenen Fällen macht sich der pleuropulmonale Befund aber auch als erster bemerkbar.

Pleuropulmonale Manifestationen häufig

4.7.1 Rheumatoide Arthritis

Rheumatoide Arthritis

Die diffuse Fibrose ist eine seltene Manifestation der rheumatoiden Arthritis. Weitere mögliche Manifestationen sind solitäre oder multiple Knoten in der Lunge, beim Caplan-Syndrom in Kombination mit einer Pneumokoniose, eine rheumatoide Vaskulitis oder akute pneumonische Infiltrationen zusammen mit einer Pleuroperikarditis. Wegen der Tendenz zum Fortschreiten ist in der Regel eine Therapie mit Kortikosteroiden und evtl. anderen Immunsuppressiva angezeigt.

Selten

4.7.2 Systemischer Lupus erythematodes

Häufg gleichzeitiger Pleuraerguß Weitere Manifestationsformen: - Solitäre Knoten in der Lunge - Caplan-Syndrom - Vaskulitis - Akute Pneumonie Therapie mit Kortikosteroiden und Immunsuppressiva. Lupus erythematodes

Eine pleurale oder pulmonale Beteiligung findet sich beim SLE in 30—40%, Frauen sind fünfmal mehr betroffen. Die akute Lupuspneumonie ist selten, jedoch lebensbedrohlich. Die Therapie erfolgt mit Glukokortikosteroiden und evtl. anderen Immunsuppressiva, bei Absetzen besteht eine erhebliche Rezidivgefahr.

- Beteiligung in 30-40% - Frauen 5mal häufiger betroffen Therapie mit Kortikosteroiden Rezidivgefahr

4.7.3 Sklerodermie

Sklerodermie

Die Beteiligung der Lunge in Form einer Fibrose ist bei der Sklerodermie häufig (25-90%), gelegentlich ist aber das Röntgenbild noch unauffällig. Frauen sind dreimal häufiger als Männer betroffen. Oft geht jahrelang nur ein Raynaud-Phänomen voraus. Eine Beteiligung der Pleura ist selten.

Häufig (25-90%) Lungenbeteiligung Frauen 3mal häufiger betroffen

280 Oft zuvor Raynaud-Phänomen

III Krankheiten der Atmungsorgane Funktionell zeigt sich eine schwere Restriktion mit Diffusionsstörung, im Röntgenbild meist eine retikuläre Fibrose mit B e t o n u n g der basalen Felder und mit Ü b e r g a n g in eine Honigwabenlunge.

4.7.4 Andere Krankheitsbilder Sjögren-Syndrom

Pulmonale Vaskulitiden (s. 6.1.1.1)

Das Sjögren-Syndrom hat in etwa 10% eine pulmonale Beteiligung in Form einer Fibrose. Verlauf und T h e r a p i e sind wie bei rheumatoider Arthritis. Z u den pulmonalen Vaskulitiden aufgrund a u t o i m m u n e r G r u n d k r a n k h e i ten zählen die Wegenersche Granulomatose u.a. (s. 6.1.1.1). Sie k ö n n e n röntgenologisch diffuse Veränderungen hervorrufen.

Goodpasture-Syndrom

4.7.5 Goodpasture-Syndrom

- Immunreaktion vom Typ I

Beim G o o d p a s t u r e - S y n d r o m handelt es sich wahrscheinlich um eine immunologische Reaktion vom Typ II, verursacht durch Antikörper, die mit den vaskulären Basalmembranen der Lungenalveolen und Nierenglomerula reagieren. Als auslösend werden Infektionen, aber auch Medikamente und a n d e r e Ursachen vermutet. Von der seltenen Krankheit werden M ä n n e r im Alter von 15-30 J a h r e n bevorzugt betroffen. N e b e n oft starken Hämoptysen ist die rasch fortschreitende Niereninsuffizienz auffällig. Röntgenologisch zeigen sich e h e r grobfleckige, zum Teil konfluierende Verschattungen, das Bild kann aber auch weitgehend unauffällig sein. Die Diagnose wird immunhistologisch aus einer Nierenund/oder Lungenbiopsie gestellt. Therapeutisch wird die Plasmapherese, kombiniert mit Kortikosteroiden und Cyclophosphamid, angewandt. Die Prognose ist gewöhnlich schlecht, jedoch sind Spontanheilungen bekannt. Differentialdiagnostisch sind idiopathische Hämosiderose (keine Nierenbeteiligung) und Systemkrankheiten, die mit einem „renopulmonalen Syndrom" einhergehen können (systemischer L u p u s erythematodes, Wegenersche G r a n u l o m a t o s e , Periarteriitis nodosa, Schönlein-Henoch-Purpura, Kryoglobulinämie), abzugrenzen.

- Vorwiegend Männerzwischen 15-30 Jahren - Hämoptysen und Niereninsuffizienz - Immunhistologische Diagnose aus Nieren- und/oder Lungenbiopsie - Kombinationstherapie von Plasmapherese mit Kortikosteroiden und Cyclophosphamid Differentialdiagnose des „renopulmonalen Syndroms"

Maligne Erkrankungen

4.8 Maligne Erkrankungen

Alveolarzellkarzinom (selten) Häufiger Metastasen und maligne lymphatische und leukämi sehe Krankheiten

U n t e r den neoplastischen Ursachen eines diffusen L u n g e n p a r e n c h y m b e falls sind vor allem das primäre Alveolarzellkarzinom, die s e k u n d ä r e n häm a t o g e n e n und lymphogenen (Lymphangiosis carcinomatosa) Metastasierungen und die malignen lymphatischen und leukämischen Erkrankungen zu n e n n e n (siehe die jeweiligen Kapitel). Seltener sind das Kaposi-Sarkom (heute allerdings infolge A I D S häufiger zu beobachten), die Makroglobulinämie Waldenstrom sowie multiple „benigne" und a n d e r e Tumoren. Diagnostisch hinweisend sind meist die Anamnese mit bekanntem Primärtumor, weitere Tumormanifestationen und allgemeine S y m p t o m e wie stärkere Gewichtsabnahme. Differentialdiagnostisch ist besonders unter einer zytostatischen T h e r a p i e an s e k u n d ä r e Infektionen o d e r an medikamenten-induzierte Veränderungen zu denken. Bei unklarem Bild sollten bioptische Verfahren wie transbronchiale Lungenbiopsie, Mediastinoskopie (bei Lymphknotenbeteiligung) o d e r o f f e n e Lungenbiopsie eingesetzt werden. Die T h e r a p i e richtet sich nach dem Primärtumor.

Kaposi-Sarkom

Diagnose - Anamnese mit Primärtumor - Gewichtsabnahme Differentialdiagnose - sekundäre Infektion - Veränderungen durch Medikamente Therapie richtet sich nach Primärtumor

Atemnotsyndrom des Erwachsenen (ARDS) Definition

4.9 Atemnotsyndrom des Erwachsenen U n t e r d e m Atemnotsyndrom des Erwachsenen (Adult-Respiratory-Distress-Syndrom, A R D S ) wird eine akute pulmonale Insuffizienz mit Einlagerung von v e r m e h r t e r Flüssigkeit verstanden.

Diffuse (restriktive) Lungenparenchymkrankheiten Eine Reihe von Faktoren k o m m t hierfür ätiologisch in Frage (die Bezeichnung „Schocklunge" ist zu einseitig, obwohl diese Komplikation sich besonders häufig bei K r a n k h e i t e n mit schweren Schockzuständen wie Polytrauma, Sepsis, nach Aspiraton und exogenen Intoxikationen einstellt. Pathogenetisch kommt es aufgrund eines alveolo-toxischen Insults mit Ausbildung eines L u n g e n ö d e m s zu einer Permeabilitätsstörung. D a r u n t e r entwickelt sich mechanisch und infolge Surfactantverminderung eine Abn a h m e der Alveolaroberfläche mit Atelektasen. Hierdurch kommt es zu einer Verdickung der alveolo-kapillären Membran und zur Mikrothrombenbildung, woraus eine respiratorische Insuffizienz resultiert. Läßt sich d e r akute Versagenszustand durch therapeutische Maßnahmen wie B e a t m u n g mit P E E P und hoher Sauerstoffkonzentration, Ultrafiltration, Surfactantersatz u. a. überwinden, so bleiben meist nur geringe Folgeschäden mit leichten funktionellen und radiologischen Veränderungen zurück (s. entsprechende Kapitel).

281 Ätiologie

Pathogenese

Therapie

4.10 Metabolische Ursachen

Metabolische Ursachen

Eine Urämie kann zu einer Überwässerung der Lunge mit einem häufig schmetterlingsförmigen, perihilären Ödem führen. Bei chronischer Niereninsuffizienz können sich pulmonale Kalkherde ausbilden ebenso wie bei Hyperkalzämie verschiedener Ursachen. Gewöhnlich rufen sie keine Symp t o m e hervor. Die sekundäre Amyloidose, welche sich bei r h e u m a t o i d e r Arthritis, malignen Tumoren oder bei chronischen eitrigen Infektionen entwickeln kann, manifestiert sich in der Lunge entweder in einer nodulären, meist symptomlosen Form oder mit einem generalisierten Befall der Alveolarsepten mit erheblicher Atemnot. Vergiftungen mit dem Insektizid Paraquat rufen in der Regel letale pulmonale Veränderungen hervor.

Urämie

Sekundäre Amyloidose

Paraquat-Intoxikation

4.11 Angeborene und erbliche Erkrankungen

Angeborene/erbliche Erkrankungen

A n g e b o r e n e und erbliche Krankheiten als Ursache diffuser netzig-knotiger Lungenveränderungen sind selten. Hierzu zählen die systemischen Fettspeicherkrankheiten, die mit Lungenbeteiligung einhergehen können (Niemann-Pick-Gaucher), die Lipoidproteinose, die N e u r o f i b r o m a t o s e von Recklinghausen, die tuberöse Sklerose (häufig mit chylösem E r g u ß und Pneumothorax). Die Lungendysplasie wird zunehmend beobachtet. Sie tritt bei Frühgeborenen auf, bei d e n e n die Lunge noch unreif war und eine langfristige Sauerstoffbehandlung notwendig gemacht hat.

Selten

Lungendysplasie bei Frühgeborenen mit unreifer Lunge

4.12 Idiopathische diffuse Lungenkrankheiten 4.12.1 Fibrosierende Lungenkrankheiten

Fibrosierende Lungenkrankheiten

Sarkoidose

Sarkoidose

Definition

Definition

Die Sarkoidose ( f r ü h e r auch Morbus B o e c k ) ist eine multisystemische, granulomatöse Krankheit u n b e k a n n t e r Ätiologie mit verstärkten zellulären Immunvorgängen an den O r t e n der Beteiligung. Regelmäßig befallen sind die intrathorakalen Lymphknoten und die Lunge. Häufig findet sich eine meist diskrete Beteiligung extrathorakaler Organe (Eisberg-Syndrom), so d a ß fast alle medizinischen Fachgebiete betroffen sein können.

Eisberg-Syndrom

III Krankheiten der Atmungsorgane

282 Epidemiologie — % jünger als 40 Jahre

- Ätiologie unklar

- Häufiger bei Nichtrauchern

Pathogenese Epitheloidzellgranulome durch aktivierte T-Lymphozyten

Epidemiologie Die Prävalenz beträgt bei uns etwa 50 auf 100000 Einwohner, Frauen sind etwas häufiger als M ä n n e r betroffen, etwa % der Sarkoidosen werden vor d e m 40. Lebensjahr entdeckt. Ätiologie und Pathogenese D i e Ätiologie ist noch unklar, familiäre H ä u f u n g e n sind b e k a n n t . E i n e oder m e h r e r e unbekannte Noxen werden als Auslösungsmechanismus der immunologischen Antwort a n g e n o m m e n . U n t e r den pulmonalen Sarkoidosen werden Nichtraucher auffallend häufig registriert (Einfluß auf die Immunvorgänge durch den Zigarettenrauch). Pathogenetisch wird vermutet, daß aktivierte T-Lymphozyten über eine Anlockung von Monozyten die charakteristischen Epitheloidzellgranulome herbeiführen. Durch Freisetzung verschiedener Mediatoren, wie z.B. Fibronektin wird dann die Fibrosebildung induziert (Abb. 111-13). Stimulus (Antigen?)

\

Alveolitis / Granulombildung

\ -

Zerstörung des Lungengewebes

I

Fibrose

Klinik In 1 0 - 3 0 % akute Verlaufsform (Löfgren Syndrom) - Fieber - Gelenkbeschwerden - Erythema nodosum Meist Röntgen-Stadium I Häufig andere Organe beteiligt

Abb. 111-13 Pathogenese-Schema der pulmonalen Sarkoidose

Klinik Eine akute Sarkoidose, die bei etwa 10-30% aller Fälle und bevorzugt bei Frauen auftritt, wird von den primär chronischen Verlaufsformen unterschieden. Die akute Sarkoidose (Löfgren-Syndrom) zeigt sich mit Fieber, Gelenkbeschwerden und fast immer einem Erythema nodosum, vorzugsweise an den Streckseiten der Unterschenkel, evtl. mit Husten, dazu mit weiteren Allgemeinsymptomen wie Abgeschlagenheit, Mattigkeit und A p petitmangel. Röntgenologisch finden sich Vergrößerungen der hilären und mediastinalen Lymphknoten (Stadium I), seltener zusätzlich eine Lungenbeteiligung (Stadium II). Eine Beteiligung von Leber, A u g e n , Speicheldrüsen und anderen Organen ist nicht selten. Tabelle 111-13 Extrathorakale Manifestationen der Sarkoidose 1. A u g e n (Iridozyklitis, Chorioretinitis u.a.) 2. Speicheldrüsen (Parotis, Uveo-Parotitis [Heerfordt-Syndrom] u.a.) 3. Lymphatisches System (Lymphknoten) 4. Haut (Narbensarkoid, Lupus pernio u.a.) 5. Nervensystem (Meningitis, Hirnnerven-Sarkoidose, Polyneuroradikulitis) 6. Muskulatur (Skelettmuskelsarkoidose, Myopathie, Polymyositis) 7. Knochen (Knochenmark mit Anämie, Ostitis multiplex cystoides u.a.) 8. Leber (Granulome mit Transaminasenanstieg, Fibrose u.a.) 9. Milz (splenomegale Markhemmung) 10. Nieren 11. Herz (Myokard, Rhythmus- und Leitungsstörung) 12. Blut (Anämie, Hyperkalzämie) 13. Endokrine Drüsen (Schilddrüse, Pankreas)

Diffuse (restriktive) Lungenparenchymkrankheiten

283

Bei d e n primär chronischen Sarkoidosen ist die A n a m n e s e häufig leer (röntgenologische Z u f a l l s e n t d e c k u n g ) . Bei den symptomatischen F o r m e n überwiegen A t e m n o t unter Belastung, u n p r o d u k t i v e r Husten, unspezifische A l l g e m e i n b e s c h w e r d e n o d e r bei Vorliegen extrathorakaler Manifestationen (Tab. 111-13) d e r e n S y m p t o m a t i k .

In 75-90% primär chronischer Verlauf, oft zufällige Entdeckung

Diagnostik F ü r die röntgenologische Klassifizierung i n t r a t h o r a k a l e r S a r k o i d o s e n hat sich international folgende Einteilung durchgesetzt:

Diagnostik - Röntgen-Klassifizierung der intrathorakalen Sarkoidosen

Gelegentlich extrathorakale Manifestationen

Stadium I:

i n t r a t h o r a k a l e Lymphknotenvergrößerungen ohne röntgenologisch e r k e n n b a r e Lungenbeherdung, Stadium II: i n t r a t h o r a k a l e Lymphknotenvergrößerung mit röntgenologisch e r k e n n b a r e r Lungenbeherdung (vorwiegend nodulär; A b b . I I I - 1 4 ) . Stadium III: Lungenbeherdung ohne Lymphknotenvergrößerung (unabhängig, o b G r a n u l o m a t o s e o d e r Fibrose).

Abb.III-14 Röntgen-Thoraxübersicht bei Sarkoidose im röntgenologischen Stadium II (Vergrößerung der hilären und mediastinalen Lymphknoten plus Parenchymbefall) U n t e r Stadium 0 wird eine unauffällige T h o r a x r ö n t g e n a u f n a h m e (selten!) bei e x t r a t h o r a k a l e r S a r k o i d o s e m a n i f e s t a t i o n v e r s t a n d e n . Die Lungenfunktion kann trotz ausgedehnter röntgenologischer Lungenbeherdung normal ausfallen, jedoch n i m m t die Häufigkeit von Funktionsstörungen in F o r m von Restriktion, V e r m i n d e r u n g d e r D i f f u s i o n s k a p a z i t ä t und P 0 2 - A b f a l l unter Belastung mit d e m Stadium zu. Die Diagnosesicherung bedarf des morphologischen Nachweises von nichtv e r k ä s e n d e n E p i t h e l o i d z e l l g r a n u l o m e n . was in m e h r als 80% durch bronchoskopische Biopsien mit e i n e r K o m b i n a t i o n aus Bronchialschleimhautbiopsie, t r a n s b r o n c h i a l e n p e r i p h e r e n L u n g e n p a r e n c h y m b i o p s i e n (auch im Stadium I) sowie durch t r a n s b r o n c h i a l e L y m p h k n o t e n a s p i r a t i o n e n (besond e r s Stadium I und II) gelingt. Erst bei Versagen sollten Mediastinoskopie, Thorakoskopie u.a. eingesetzt werden. Bei Vorliegen leicht zugänglicher e x t r a t h o r a k a l e r M a n i f e s t a t i o n e n bietet sich die G e w e b s e n t n a h m e dort an (Haut - ausgenommen Erythema nodosum! Konjunktiven, periphere L y m p h k n o t e n u.a.). D e r Kveim-Test hat eine h o h e Sensitivität, steht a b e r kommerziell nicht zur Verfügung. Als A u s d r u c k d e r v e r m i n d e r t e n zellvermittelten I m m u n i t ä t fallen d e r Tuberkulin-Test und andere Antigen-Hauttests in der Regel negativ oder abgeschwächt aus. Für die Beurteilung d e r Aktivität der Sarkoidose und zur Verlaufsbeobachtung stehen folgende Parameter zur Verfügung:

- Stadium 0 äußert selten! - Lungenfunktion oft normal - Störungen nehmen mit S t a d i u m zu - Nachweis von nicht-verkäsenden Epitheloidzellgranulomen zu 80% durch Bronchoskopie

- Antigen-Hauttests negativ oder abgeschwächt Parameter zur Aktivitätsbeurteilung und Verlaufs beobachtung

284

III Krankheiten der Atmungsorgane 1. Klinik: Zeichen der akuten Sarkoidose (Arthralgien, Erythema nodosum, Fieber), Atemnot u.a. 2. Extrathorakale Manifestationen (s.Tab. III-13) 3. Röntgenaufnhame des Thorax 4. Lungenfunktionsuntersuchungen 5. Angiotensin-konvertierendes Enzym (A. C.E.) im Serum 6. Vermehrung der Lymphozyten in der bronchoalveolären Lavage (T-Lymphozyten und erhöhter T4/T8-Quotient) 7. Gallium-Szintigraphie

Klassische Parameter: - Atemnot - Röntgenbild - Lungenfunktion A.C.E. T-Lymphozytose in der BAL mit erhöhtem T4/T8-Quotienten (Gallium-Szintigraphie)

Differentialdiagnostik Auszuschließen sind alle Krankheiten mit mediastinalen Lymphomen und/oder mit diffusen Lungenherden und Epitheloidzellgranulomen

Abgrenzung zur Tuberkulose gelegentlich schwierig (Bakterienkultur!)

Therapie • Kortikosteroide sind Mittel der Wahl, wenn Indikation vorliegt - Akute Sarkoidose nur symptomatisch

- Absolute Indikationen bei extrapulmonalen Manifestationen - Indikationen bei chronischer pulmonaler Sarkoidose richten sich nach Röntgenbild, Symptomen und Funktion

Bei der akuten Sarkoidose liegt ohne Zweifel eine Aktivität vor. Für eine Aktivität bei den chronischen intrathorakalen Formen sprechen die Verschlechterung der klassischen 3 Parameter; subjektive Beschwerden (besonders Atemnot), Röntgenbild des Thorax und Lungenfunktion. Aktivität ist weiterhin bei allen wesentlichen extrathorakalen Manifestationen anzunehmen. Weiterhin eignen sich das als Ausdruck der Granulombildung erhöht A.C.E. im Serum, welches sich als einfache Untersuchung auch gut zi • Überprüfung der Kortikosteroidtherapie anbietet, jedoch nicht spezifisi für die Sarkoidose ist, die vermehrten Lymphozyten in der bronchoalveol ren Lavage, vor allem die T-Lymphozyten mit Erhöhung des Helfer/Su^ pressor-Quotienten (nach Ausschluß einer Berylliose und Asbestose recht spezifisch für dic Sarkoidose) und die Gallium-Szintigraphie, welche bei der Unterscheidung zwischen granulomatösen und fibrotischen Röntgenveränderungen helfen kann, jedoch nicht sehr spezifisch ist und mit hohen Kosten und Strahlenbelastungen einhergeht. Differentialdiagnostik Differentialdiagnostisch müssen alle Krankheiten mit mediastinalen Lymphknotenvergrößerungen (infektiös, neoplastisch, besonders Morbus Hodgkin), mit diffusen Lungenbeherdungen und mit epitheloidzellig-granulomatösen Organbeteiligungen ausgeschlossen werden (z.B. Tuberkulose, nicht-tuberkulöse Mykobakterien, Lepra, Yersinia-Infektion, Brucellose, Listeriose, Katzenkratzkrankheit, Berylliose, Morbus Crohn u.a.). Schwierigkeiten können besonders die Unterscheidung zwischen Sarkoidose und Tuberkulose und die verschiedenen Granulomatosen der Leber bereiten. Therapie Die Kortikosteroide mit ihrer suppressiven Wirkung sind bei der aktiven Sarkoidose Mittel der Wahl, wenn eine Indikation zur Behandlung besteht. Die Therapie der akuten Sarkoidose erfolgt in der Regel nur symptomatisch (nicht-steroidale Antiphlogistika wie Azetylsalizylsäure, Indometacin u.ä.; selten sind kurzfristig Kortikosteroide bei anhaltenden, hierauf nicht ansprechenden Beschwerden notwendig). Absolute Indikation zur Kortikosteroidtherapie sind dagegen einige extrapulmonale Manifestationen an Augen, Nieren, Herz und zentralem Nervensystem; ferner eine hämolytische Anämie, eine splenogene Markhemmung sowie eine anders nicht beeinflußbare Hyperkalzämie. Bei den chronischen intrathorakalen Sarkoidosen richtet sich die Therapie nach den Aktivitätskriterien und - wegen der unterschiedlichen Spontanverläufe - nach dem röntgenologischen Stadium; Im Stadium I und II wird bei normaler Lungenfunktion und fehlenden Beschwerden zunächst nur beobachtet, bei Verschlechterung des Röntgenbildes, Auftreten von klinischen Symptomen und/oder Lungenfunktionsstörungen wird die Kortikosteroidtherapie eingeleitet. Liegen dagegen Beschwerden, besonders Atemnot sowie Funktionseinschränkungen vor,

Diffuse (restriktive) Lungenparenchymkrankheiten wird eine Langzeittherapie mit Kortikosteroiden (mindestens über 6 Monate, beginnend mit Prednisolon 0,5 bis 1,0 mg pro kg Körpergewicht täglich oder alternierend jeden 2.Tag 40 bis 60 mg) mit stufenweiser Reduktion auf eine tägliche Erhaltungsdosis von 7,5 bis 15 mg, die sich nach den Aktivitätsparametern und den Nebenwirkungen richtet, empfohlen.

285 Langzeittherapie 0 = "

Im Stadium III wird in der Regel mit oder ohne eine kurzfristige Beobachtungszeit gleich mit einer Behandlung begonnen, da hier eine spontane Rückbildung wenig wahrscheinlich ist. Verlauf und Prognose Die Spontanremissionsraten betragen bei der akuten Sarkoidose etwa 90%, bei den chronischen Verlaufsformen im Stadium I etwa 75%, im Stadium II etwa 50% und im Stadium III etwa 25%. Die Prognose hängt besonders davon ab, ob sich eine irreversible Lungenfibrose (in etwa 10%) und eine letale respiratorische Insuffizienz (in etwa 5%) ausbildet. Ungeklärt ist dabei noch die Frage, ob eine Langzeitbehandlung mit Kortikosteroiden den natürlichen Verlauf verzögern oder endgültig verhindern kann. Wegen der Möglichkeit der Reaktivierung auch noch nach Jahren empfehlen sich regelmäßige Kontrollen, zunächst in kürzeren (3 bis 6 Monate), später in jährlichen Abständen.

Verlauf und Prognose - Spontanremissionen - bei akuter Sarkoidose 80-90%, - bei chronischen Sarkoidosen bis Stadium I -75% - im Stadium II -50%, - im Stadium III -25% Prognose wird vor allem durch Entwicklung einer Lungenfibrose (in -10%) bestimmt

Histiozytose X Definition Bei der Histiocytosis X handelt es sich um eine histiozytäre Granulomatose, bei der entzündliche, immunologische und neoplastische Ursachen diskutiert werden. Gelegentlich ist sie multisystemisch mit Beteiligung von Knochen (eosinophiles Granulom), Hypothalamus mit Diabetes insipidus zusammen mit Exophthalmus als Trias der Hand-Schüller-ChristianKrankheit), von Haut, Schleimhäuten, Lymphknoten und anderen Organen (generalisiert mit rascher Progredienz im Kleinkindesalter als Abt-Letterer-Siwe-Krankheit). Bei der pulmonalen Histiocytosis X, die im Erwachsenenalter meist vorliegt, steht der Lungenbefall im Vordergrund des klinischen Bildes. Die Häufigkeit liegt deutlich unter der der Sarkoidose (etwa 1:18). Das führende Symptom ist Atemnot unter Belastung mit und ohne Husten. Auffallig oft besteht eine Raucheranamnese. Auskultatorisch findet sich häufig nur ein leises Krepitieren. Die Lungenfunktion zeigt eine Restriktion mit Gasaustauschstörungen, in den Spätstadien finden sich zusätzlich eine Obstruktion und Überblähung. Röntgenologisch zeigen sich in den Frühstadien retikulo-noduläre Verdichtungen, gelegentlich pathognomonische Ringfiguren, in Spätstadien auch grobstreifige Veränderungen sowie Bullae und Honigwabenlunge. Die Diagnose wird durch Lungenbiopsie oder durch bronchoalveoläre Lavage (Darstellung von X-Bodies, elektronenmikroskopisch oder immunzytologisch mit dem Oberflächenmarker O K T 6) gestellt. In der Therapie werden Kortikosteroide (Dosierung wie bei Sarkoidose) über mindestens 9 Monate eingesetzt, zusätzlich ist ein striktes Rauchverbot einzuhalten. Hierunter kommt es in den Frühstadien zu einer meist raschen Besserung (auch spontan möglich), in den Spätstadien ist diese nur gering. Die Prognose ist stadienabhängig, Komplikationen sind rezidivierende Pneumothoraces und ein Cor pulmonale.

Histiozytose X Definition:

Fibrosierende Alveolitis (Synonyme: kryptogene fibrosierende Alveolitis, idiopathische interstitielle Pneumonie, idiopathische Lungenfibrose - früher Hamman-Rich-Syndrom)

Regelmäßige Kontrollen sind noch nach Jahren notwendig

gelegentlich multisystemisch Hand-Schüller-Christian-Krankheit Abt-Letterer-Siwe-Krankheit Pulmonale Histiozytose X seltener als Sarkoidose (1:18) Leitsymptom: Belastungsdyspnoe Häufig Raucher. Diagnose - Funktionell in den Spätstadien oft zusätzlich Obstruktion und Überblähung. - Röntgenbild

- Morphologische Diagnostik notwendig Therapieversuch mit Kortikosteroiden. Rauchverbot.

Prognose in den Spätstadien schlecht, häufig Pneumothoraxrezidive und Cor pulmonale Fibrosierende Alveolitis Synonyme

III Krankheiten der Atm ungsorgane

286 Definition

Definition, Ätiologie und Epidemiologie Unter idiopathisch-fibrosierender Alveolitis werden chronisch verlaufende, generalisierte Lungenerkrankungen verstanden, die von der Alveole bzw. dem Interstitium ausgehen, zu einer fortschreitenden Fibrosierung führen, nicht Manifestation einer Systemkrankheit und ätiologisch unklar sind.

Ätiologie unklar Epidemiologie

Familiäre Häufungen sind beschrieben. Die Geschlechtsverteilung ist etwa gleich, die Krankheit beginnt selten vor dem 30. Lebensjahr, im Durchschnitt zwischen dem 45. und 55. Lebensjahr. Die Inzidenz dürfte bei etwa 10 bis 20% der Sarkoidosen, also relativ niedrig, liegen.

Pathogenese s.Abb.111-15

Pathogenese Ausgelöst durch ein unbekanntes Agens, führt eine alveoläre oder kapilläre Schädigung zu einer komplexen entzündlichen Reaktion, an der besonders die B-Lymphozyten, die Alveolarmakrophagen und die neutrophilen Granulozyten beteiligt sind. Durch die aktive Freisetzung von Mediatoren aus diesen Zellen wird eine Zerstörung der Parenchymzellen und des Bindegewebes sowie eine Fibroseentwicklung bewirkt (Abb. 111-15). Pathologisch-anatomisch lassen sich Formen mit Betonung des interalveolären, des peribronchialen und perivaskulären Bindegewebes (abhängig von exogener oder endogener Herkunft der Noxen?) unterscheiden. Die Einteilung nach Liebow in UIP (usual interstitial pneumonia), DIP (desquamative), LIP (lymphoid), GIP (giant-cell) hat keine sichere klinische Relevanz erhalten.

Pathologisch-anatomisch unterschiedliche Formen

Pathophysiologic - Funktionell „steife Lunge" - Restriktion und Gasaustauschstörung und - P0 2 -Abfall besonders unter Belastung

Pathophysiologic Die morphologischen Veränderungen bewirken funktionell eine steife Lunge mit erniedrigter Compliance und daraus resultierender restriktiver Ventilationsstörung. Hinzu kommt eine Störung des Gasaustauschs mit Verminderung der Diffusionskapazität und Abfall des P O j besonders unter

Unbekannter Stimulus (Antigen(e)?)

Immunkomplexe

I

Reaktion mit [Makrophagen Freisetzung von: • Neutrophil chemotactic factor • ? Oxidantien • Fibronectin u.a. Fibroblastenproliferation

Freisetzung von: Proteasen • Oxidantien

Zerstörung der Paremchymzellen

Fibrose

Abb. 111-15 Pathogenese-Schema der Lungenfibrose

Zerstörung des Bindegewebes

J

Diffuse (restriktive) L u n g e n p a r e n c h y m k r a n k h e i t e n

287

Belastung. Abhängig vom bevorzugten Ort der pathomorphologischen Veränderungen (peribronchial) kann zusätzlich eine Atemwegsobstruktion vorhanden sein. Klinik Führendes Symptom ist die meist allmählich, selten akut (eigentliches Hamman-Rich-Syndrom) einsetzende Atemnot, anfangs nur unter Belastung. Recht häufig sind auch ein trockener Reizhusten und Allgemeinsymptome wie Gewichtsabnahme und erhöhte Temperaturen vorhanden. Auskultatorisch imponiert basal ein ohrnahes Knisterrasseln (wie beim Öffnen eines Klettenverschlusses). Neben Tachypnoe und Zyanose können bei chronischen Verläufen Uhrglasnägel und Trommelschlegelfinger entstehen.

Klinik • Leitsymptom: zunehmende Belastungsdyspnoe - Fibrosegeräusche - Tachypnoe - Zyanose - Uhrglasnägel - Trommelschlegelfinger

Diagnostik Röntgenologisch findet sich eine noduläre und/oder retikuläre Beherdung unterschiedlichen Ausmaßes mit den Zeichen der Fibrosierung, gelegentlich bis zur Honigwabenlunge. Die Diagnose wird histiologisch nach olfener Lungenbiopsie (transbronchial häufig zu kleine Bioptate) gestellt. In der bronchoalveolären Lavage können die neutrophilen, gelegentlich auch eosinophilen Granulozyten vermehrt sein. Unter den Laborbefunden sind die Rheumafaktoren und die antinukleären Faktoren in etwa 25% erhöht.

Diagnostik Noduläre und/oder retikuläre Zeichnungsvermehrung i m Röntgenbild

Differentialdiagnostik Auszuschließen sind alle Fibrosen anderer Ätiologie, bei den akuten Verlaufsformen besonders infektbedingte Ursachen (Mykoplasmen, Viren, Pneumocystis carinii, Tuberkulosebakterien u.a.) und eine exogen-allergische Alveolitis, bei den chronischen Formen Systemkrankheiten, Pneumokoniosen u.a.

Differentialdiagnostik Abzugrenzen sind alle Fibrosen anderer Ätiologie

Therapie Kortikosteroide sind Mittel der Wahl. Die anfängliche Dosierung ist etwa wie bei der Sarkoidose. Die Dauer der Therapie richtet sich nach den Beschwerden, dem Röntgenbild, der Lungenfunktion sowie den Nebenwirkungen. Azathioprin hat keine gesicherte Wirkung, jedoch ist eine Behandlung mit Cyclophosphamid (1,5-2,0 mg/kg Körpergewicht täglich) bei fehlender oder ungenügender Wirkung von Kortikosteroiden bzw. bei absoluter Kontraindikation oder zu starken Nebenwirkungen indiziert. Für Einzelfälle kommt kausal eine (Herz-) Lungentransplantation in Betracht. Ansonsten erfolgt eine symptomatische Behandlung, insbesondere eine Sauerstofflangzeittherapie.

Therapie - Kortikosteroide Mittel der Wahl

Prognose und Verlauf Bei etwa 50% der Fälle führt die progressive Fibrose innerhalb von 5 Jahren nach Auftreten von Atemnot zum Tode. Unklar ist, ob eine verlängerte Überlebenszeit Folge der Kortikosteroidbehandlung ist oder ob das Ansprechen auf Kortikosteroide eine Untergruppe von Patienten mit einer besseren Prognose identifiziert oder beides zutrifft. Unter einer Kortikosteroidtherapie kommt es zu einer Verbesserung subjektiv anhand der Atemnot in 40 bis 50%, objektiv anhand des Röntgenbildes und der Lungenfunktion in 15 bis 20%. Faktoren, die ein Ansprechen auf die Therapie wahrscheinlich machen, sind ein jüngeres Alter, weniger ausgeprägte Röntgenveränderungen, eine kürzere Anamnesedauer, vermehrte Makrophagen im Lungenbioptat sowie vermehrte Lymphozyten und normale Eosinophilenzahl in der bronchoalveolären Lavage.

Prognose 5-Jahres-Überlebensrate ~50%

4.12.2 S e l t e n e r e L u n g e n k r a n k h e i t e n

Seltenere Lungenkrankheiten

• Bei der Alveolarproteinose sind die Alveolen mit einem eiweißhaltigen Exsudat (vorwiegend Phospholipide) gefüllt. Die Diagnose wird durch positive PAS-Färbung von Material aus Sputum oder Bronchialsekret

Alveolarproteinose

Lungenbiopsie zur Histologie Bronchoalveoläre Lavage mit Vermehrung Neutrophiler

Alternativ C y c l o p h o s p h a m i d

Lungentransplantation 02-Therapie

288

Lungenhämosiderose

Lymphangiomyomatosis

Bronchopulmonale Tumoren Unter den primären Tumoren Bronchial karzinome in >90% Häufig sind auch Metastasen

III K r a n k h e i t e n d e r A t m u n g s o r g a n e o d e r lungenbioptisch gesichert. D i e T h e r a p i e besteht in Heparin-Inhalationen, die zu einer Verflüssigung des zähen Sekrets f ü h r e n und bei schweren, nicht anders zu beeinflussenden Fällen in einer therapeutischen bronchoalveolären Lavage (am besten über D o p p e l l u m e n tubus). · Die idiopathische Lungenhämosiderose ist charakterisiert durch schubweise Hämoptysen, röntgenologisch durch wechselnde Infiltrate mit Ü b e r g a n g in eine Lungenfibrose. Die Diagnose erfolgt durch den Nachweis hämosiderinspeichernder M a k r o p h a g e n in der Lungenbiopsie. Differentialdiagnostisch sollte ein G o o d p a s t u r e - S y n d r o m ausgeschlossen werden. Die T h e r a p i e erfolgt mit Bluttransfusionen symptomatisch, eine kausale T h e r a p i e ist nicht gesichert. D i e Prognose ist in der Regel schlecht. · Bei der Lymphangiomyomatosis, die Ähnlichkeiten mit der tuberösen Sklerose hat, findet sich eine Hyperplasie der glatten Muskulatur besonders entlang der L y m p h b a h n e n . N e b e n einer interstitiellen Fibrose sind chylöse Pleuraergüsse und Pneumothoraces typisch.

5 Bronchopulmonale Tumoren U n t e r den primären T u m o r e n der Bronchien und der L u n g e überwiegen eindeutig die Bronchialkarzinome, die anderen malignen und benignen Neoplasmen machen weniger als 10% aus. Hinzu k o m m e n a b e r die häufigen s e k u n d ä r e n Metastasen extrapulmonaler P r i m ä r t u m o r e n , da die L u n ge als das am stärksten durchblutete Organ das primäre o d e r sekundäre Auffangfilter ist. Für die Klinik gilt, d a ß jede umschriebene röntgenologische Lungenverschattung ( R u n d h e r d , Dystelektase, Atelektase, Pneumonie, Abszeß u.a.) und j e d e umschriebene intrabronchiale Veränderung so lange als potentiell tumorverdächtig anzusehen ist, bis das Gegenteil bewiesen ist. Hierzu m u ß häufig die gesamte Palette der p n e u m o l o gisch-diagnostischen Untersuchungsmöglichkeiten angewandt werden.

Benigne Tumoren

fakultativ maligne

5.1 Benigne Tumoren D i e seltenen malignen Tumoren k ö n n e n nach ihrer H e r k u n f t in epitheliale, mesenchymale und embryonale Geschwülste eingeteilt werden. Sie sind insbesondere differentialdiagnostisch gegenüber den malignen T u m o r e n von Bedeutung, k ö n n e n aber auch erhebliche Komplikationen, z.B. durch Verlegung von Trachea oder Bronchus verursachen. A u ß e r d e m verhalten sich einige, besonders Karzinoide, fakultativ maligne mit Neigung zu Lokalrezidiven und Fernmetastasen.

Tracheobronchiaie Tumoren

5.1.1 T r a c h e o b r o n c h i a l T u m o r e n

Karzinoide in 80% Zylindromein 15%

D i e Tumoren epithelialer H e r k u n f t machen zwar den größten Anteil der benignen, jedoch nur 1% der b r o n c h o p u l m o n a l e n Tumoren aus. Früher wurden sie unter „ B r o n c h i a l a d e n o m " zusammengefaßt. Hierzu gehören das Karzinoid (80%) und die Bronchialdrüsentumoren wie adenoidzystisches Karzinom (Zylindrom, 15%), das M u k o e p i d e r m o i d k a r z i n o m ( 5 % ) und die Papillome. Sie alle k ö n n e n sich in einem kleinen Prozentsatz maligne mit lymphogenen und h ä m a t o g e n e n Metastasen verhalten, zeigen in der Regel aber ein langsames Wachstum. H a u p t s y m p t o m ist eine allmählich z u n e h m e n d e Belastungsdyspnoe, gelegentlich mit Stridor und Hustenattacken, Hämoptysen und Fieber o h n e wesentlichen Auswurf (rezidivierende retrostenotische Pneumonien!). D a s seltene Karzinoid-Syndrom (u. a. Flush) wird fast nur bei gleichzeitiger Lebermetastasierung beobachtet.

Leitsymptom: Belastungsdyspnoe

Bronchopulmonale Tumoren Die Diagnose wird aufgrund des klinischen und röntgenologischen (Tomographie) Bildes vermutet und bronchoskopisch-bioptisch gesichert. Die Therapie der Wahl ist die komplette chirurgische Resektion des Tumors, gegebenenfalls kombiniert mit bronchoplastischen Verfahren (Manschettenresektion). Häufig zeigt sich mit d e m intrabronchialen Anteil nur die Spitze des Tumors (Eisberg-Phänomen). Die intrabronchiale B e h a n d l u n g mit bronchoskopischer Tumorabtragung (Laser) und gegebenenfalls Bestrahlung (After-Loading-Technik) eignet sich für die malignen F o r m e n , besonders das adenoidzystische Karzinom. Vor allem Papillome k ö n n e n diffus als laryngo-tracheo-bronchiale Papillomatose vorzugsweise bei Kindern und Jugendlichen auftreten (ätiologisch Infektion mit Papova-Viren). Sie müssen häufig wiederholt endoskopisch abgetragen werden. Weitere gutartige intrabronchiale T u m o r e n wie Lipome, C h o n d r o m e , Ham a r t o m e , Leiomyofibrome, A n g i o m e u.a. werden noch seltener beobachtet. Differentialdiagnostisch ist die A b g r e n z u n g gegenüber Bronchialkarzinomen und anderen Ursachen von Bronchialstenosen (s.3.2) notwendig.

289 Bronchoskopisch-bioptische Diagnostik Operative Therapie

Bei malignen Formen intrabronchiale Behandlung: Laser und Bestrahlung Papillomatose besonders bei Kindern

5.1.2 Lungentumoren

Lungentumoren

Gutartige Lungengeschwülste sind selten. A m häufigsten ist noch das Hamartom mit H e r k u n f t vom Bindegewebe, meist als C h o n d r o h a m a r t o m , seltener als leiomyomatoses o d e r fibromatoses H a m a r t o m . Sie werden röntgenologisch zufallig meist als Rundherd, gelegentlich mit Verkalkungen entdeckt und zeigen ein langsames und gleichmäßiges Wachstum. Teratome, Angiome, Zysten, die Endometriose und a n d e r e T u m o r e n gehören zu den großen Raritäten. Sie alle h a b e n besonders differentialdiagnostische Bedeutung gegenüber den malignen R u n d h e r d e n und d e n e n infektöser Ätiologie (Tuberkulom, E c h i n o k k o m u. a.) und sollten d a h e r in der Regel chirurgisch entfernt werden (Enukleation, atypische bzw. sparsame Resektion).

Selten

5.2 Maligne Tumoren

Maligne Tumoren

5.2.1 Bronchialkarzinom

Bronchialkarzinom

Definition U n t e r d e m Bronchialkarzinom (Lungenkrebs) werden alle primären Karzinome der Bronchien, der Trachea und der Lunge zusammengefaßt. Von der W H O werden sie nach histologischen Kriterien klassifiziert (Tab. III14). Die Plattenepithelkarzinome haben mit 35-45% den größten Anteil, gefolgt von den A d e n o k a r z i n o m e n ( 1 3 - 2 3 % ) , den kleinzelligen Karzinomen (15-25%) und d e n großzelligen Karzinomen. Nicht selten ist das gleichzeitige Vorkommen verschiedener histologischer Typen innerhalb eines Bronchialkarzinoms. Für die Klinik hat die Unterteilung in nicht-kleinzellige und kleinzellige Bronchialkarzinome wegen der unterschiedlichen T h e r a p i e und Prognose besondere Bedeutung.

Definition Histologische Klassifikation

Epidemiologie D a s Bronchialkarzinom ist in den Industrieländern der häufigste Organkrebs des Mannes und zeigt auch bei der Frau einen deutlichen Anstieg. In den U S A hat es bereits als Todesursache bei den Frauen den Brustkrebs überholt. Jährlich sterben in der B R D und Berlin (West) etwa 25000 Menschen an den Folgen des Bronchialkarzinoms, die enge Korrelation mit dem Zigarettenkonsum läßt in Zukunft noch eine Zunahme erwarten. Ätiologie Kein Zweifel besteht heute daran, daß die wichtigste auslösende Noxe d e r Zigarettenrauch ist: 8 0 - 9 0 % aller Patienten mit Bronchialkarzinomen sind Zigarettenrauchen Das Risiko des Zigarettenrauchers, ein Bronchialkarzi-

Meist röntgenologisch Zufallsentdeckung

Operative Entfernung

- Plattenepithelkarzinome führend (35-45%) - Adenokarzinome in 13-23% - kleinzellige Karzinome in 15-25% - großzellige Karzinome u.a. Klinische Unterteilung in nicht-kleinzellige und kleinzellige Karzinome

Epidemiologie Häufigster Organkrebs des Mannes, Anstieg auch bei Frauen 25000 Todesfälle/Jahr

80-90% Zigarettenraucher

III Krankheiten der Atmungsorgane

290

Tabelle 111-14 Histologische Klassifikation des Bronchialkarzinoms nach der WHO 1. Plattenepithelkarzinom Variante: a) Spindelzellig (squamös) 2. Kleinzelliges Karzinom a) Oat-cell-Karzinom b) Intermediärer Typ c) Kombinierter Oat-cell-Typ 3. Adenokarzinom a) Azinär b) Papillär c) Bronchiolo-alveolär d) Solides Karzinom mit Schleimbildung 4. Großzelliges Karzinom Varianten: a) Riesenzellkarzinom b) Klarzelliges Karzinom 5. Adenosquamöses Karzinom 6. Karzinoid 7. Bronchialdrüsenkarzinom a) Adenoid-zystisches Karzinom b) Mukoepidermoides Karzinom c) Andere Formen 8. Andere Karzinomarten Für die Klinik bedeutsam ist die Unterteilung A. Kleinzelliges (undifferenziertes) Bronchialkarzinom B. Nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom 1. Plattenepithelkarzinom 2. Adenokarzinom a) Bronchiolo-alveoläres Karzinom 3. Großzelliges (undifferenziertes Karzinom)

Risiko 10-20fach höher als beim Nichtraucher

- Erbliche Disposition - Berufliche Noxen, besonders Asbest

Vorbeugende Maßnahmen entscheidend! Primärprävention

n o m zu entwickeln, ist gegenüber d e m Nichtraucher 10- bis 20fach - abhängig von der Menge und Dauer des Zigarettenkonsums - erhöht, bei Zigarren- und Pfeifenrauchern etwa 2- bis 3 fach. Eine große Anzahl von tumorinduzierenden Substanzen, welche direkt oder als Kokarzinogene (besonders die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe) oder auf ziliotoxischem, die Selbstreinigung b e h i n d e r n d e n Weg wirken, sind hierfür verantwortlich. Hinzu k o m m e n weitere exogene (Umwelt, B e r u f ) und endogene (erbliche Disposition mit familiärer H ä u f u n g , L u n g e n n a r b e n ) Faktoren, die das Risiko eines Bronchialkarzinoms e r h ö h e n . U n t e r den beruflichen Noxen sind besonders Asbest, f e r n e r Chrom u n d Arsen sowie ihre Verbindungen, halogenierte Alkylsulfide (Senfgas) und ionisierende Strahlen ( U r a n b e r g bau) u.a. zu nennen. Asbest findet bislang bei uns nur bei gleichzeitigem Nachweis einer Asbestose oder von Pleuraplaques als berufliche Noxe eines Bronchialkrebses Anerkennung ( B e K V Nr. 4104). D a s Risiko ist bei Zigarettenrauchem mit Asbestexposition g e g e n ü b e r Nichtrauchern mit Exposition bis zum 10 fachen, gegenüber Nichtrauchern o h n e Exposition sogar bis zum 53 fachen erhöht! Wegen der vorwiegenden Auslösung des Bronchialkarzinoms durch inhalierte chemische und a n d e r e Karzinogene sollten in der Z u k u n f t besonders vorbeugende Maßnahmen in der B e k ä m p f u n g des Bronchialkarzinoms ergriffen werden. In erster Linie ist hier die Primärprävention durch Verhind e r u n g des Zigarettenrauchens (Verhütung des R a u c h e n s bei Jugendlichen,

Bronchopulmonale Tumoren Entwöhnung u.a.), Reinhaltung der Luft und Vermeidung beruflicher Expositionen zu nennen. Bei Ex-Rauchern ist 15 Jahre nach Rauchstopp das Risiko eines Bronchialkarzinoms wieder so klein wie beim Nichtraucher. Weiterhin sollten bei Personengruppen mit erhöhtem Risiko (Raucher über dem 40. Lebensjahr, bestimmte Berufsgruppen, bei familiärer Belastung, bei postentzündlichen Lungennarben) Früherkennungsmaßnahmen (sekundäre Prävention) durch regelmäßige Röntgenüberwachung, eventueil kombiniert mit der Sputumzytologie, vorgenommen werden, da sich gezeigt hat, daß sich besonders beim Plattenepithelkarzinom die Resektabilitätschancen deutlich verbessern lassen.

291

Sekundäre Prävention

Pathogenese Durch Einwirkung der inhalierten Noxen kommt es entweder direkt zu einer Tumorinduktion der Bronchusschleimhautzelle und/oder zur Störung der mukoziliären Klärfunktion der Bronchien. Abhängig von Art, Dauer und Menge der exogenen Noxen und von der individuellen (genetischen) Disposition kommt es über eine Metaplasie zum Wachstum der Krebszellen.

Pathogenese Durch inhalierte Noxen: - Tumorinduktion - Störung der mukoziliären Klärfunktion

Pathophysiologic Die Untersuchung der kardiopulmonalen Funktion dient der Einschätzung des Risikos eines (diagnostischen und) therapeutischen Eingriffs. Ihr Ergebnis kann wesentlichen Einfluß auf die Behandlungsstrategie nehmen, ζ. B. durch das Urteil „funktionell inoperabel". Zu unterscheiden ist zwischen den funktionellen Auswirkungen durch den Tumor selbst (restriktive Ventilationsstörung durch z.B. Atelektase oder Pleuraerguß oder Obstruktion durch Bronchial- oder Trachealstenose, beides konsekutiv von Perfusionsausfällen begleitet) und durch gleichzeitig bestehende andere, vorwiegend obstruktive Atemwegs- und Lungenkrankheiten (chronische Bronchitis und Emphysem), die ebenfalls in erster Linie Folge des Zigarettenrauchens sind. Die ersteren Funktionsstörungen können durch therapeutische Maßnahmen, die gegen den Tumor gerichtet sind (inklusive Operation), evtl. beseitigt werden, die letzteren ggf. durch andere (z.B. pharmakologische) Maßnahmen. Zur Klärung der funktionellen Operabilität ist das FEV! in Verbindung mit der quantitativen Perfusionsszintigraphie geeignet. Zu fordern ist, daß postoperativ mindestens 800 bis 1000 ml FEV! zur Verfügung stehen müs-

Pathophysiologie - Kardiopulmonale Funktion beeinflußt Behandlungsstrategie

Klinik Bis auf die wenigen Zufallsentdeckungen bieten Patienten mit Bronchialkarzinom eine Symptomatologie, die abhängig von der Lokalisation des Tumors und seiner intra- und extrabronchialen Ausbreitung ist. Zu den Frühsymptomen zählen Husten, Auswurf und besonders Hämoptysen. Bei chronischem Husten ist auf eine Veränderung bzw. Verschlimmerung des Hustencharakters zu achten. Spätere Symptome sind Atemnot, Thoraxschmerzen, Arm-Plexusschmerzen (Pancoast-Tumor) und die Erscheinungen einer retrostenotischen Pneumonie, Heiserkeit, Horner-Syndrom, Schluckbeschwerden, obere Einflußstauung sowie uncharakteristische Beschwerden wie Gewichtsabnahme, Appetitlosigkeit, Leistungsschwäche u.a. Paraneoplastische Syndrome als extrathorakale, nicht-metastatisch bedingte Tumorfolgen treten in bis zu 10% der Bronchialkarzinome auf (z.B. hypertrophe pulmonale Osteoarthropathie mit Trommelschlegelfingern und Uhrglasnägeln, neuromuskuläre Manifestationen wie myasthenisches Eaton-Lambert-Syndrom u.a., endokrinologische Manifestationen, besonders beim kleinzelligen Karzinom, wie Cushing-Syndrom, Schwartz-Bartter-Syndrom, Hyperkalzämie, Gynäkomastie u.a., hämatologische Manifestationen wie Anämie, Eosinophilie, Thrombozytose (welche ein Grund für die vermehrte Neigung zur Thrombose ist) u.a. Die körperliche Untersuchung deckt gegebenenfalls lokale, durch den Tumor bedingte Befunde wie Atelektase, Pleuraerguß, Zwerchfellhochstand

- Funktionsstörung durch den Tumor selbst oder durch obstruktive Begleitkrankheiten

- Klärung der funktionellen Operabilität mit FEV, und quantitativer Perfusionsszintigraphie

Klinik

- Frühsymptome - spätere Symptome

- Paraneoplastische Syndrome

- Körperliche Untersuchung

III Krankheiten der Atm ungsorgane

292

Pancoast-Tumor

oft Horner-Trias Obere Einflußstauung

Alveolarzellkarzinom

Diagnostik

(Phrenikusparese), Horner-Trias, Rekurrensparese, Stridor oder andere Obstruktionsfolgen sowie durch Metastasen hervorgerufene Befunde wie Lebervergrößerung, Knochenschmerzen, neurologische Ausfälle auf. Beim seltenen Pancoast-Tumor wächst das - meist plattenepitheliale Bronchialkarzinom aus der Oberlappenspitze infiltrierend in den Armplexus und seine Umgebung (Sulcus-Superior-Tumor). Dadurch kann eine neurologische Symptomatik im betroffenen Arm mit Schmerzen und Parästhesien sowie bei Übergreifen auf den sympathischen Grenzstrang die Horner-Trias (Miosis, Ptosis und Enophthalmus, oft fehlt auch das Schwitzen auf der betroffenen Gesichtshälfte) auftreten. Bei der oberen Einflußstauung, bei der durch direktes Tumorwachstum oder durch komprimierende paracavale Lymphknoten-Metastasen die Vena cava superior (Superior-Vena-cava-Syndrom) partiell oder komplett verlegt wird, entwickeln sich eine Schwellung und Zyanose der oberen Körperhälfte (Gesicht, Hals, Arm). Meist bildet sich ein Kollateralkreislauf aus, der besonders gut in den vorderen Thoraxbereichen zu erkennen ist. Häufigste Ursache ist das kleinzellige Karzinom. Für das seltene Alveolarzellkarzinom, welches lokal oder diffus auftreten kann, ist oftmals eine ausgeprägte Hypersekretion mit schleimigem Auswurf ( > 1 1/die) charakteristisch. Diagnostik Die mittlere Zeit vom Auftreten der Symptome bis zur Diagnosestellung beträgt etwa 6 Monate, was häufig an den uncharakteristischen Beschwerden liegt. Die Verdachtsdiagnose wird in der Regel aufgrund röntgenologischer Befunde (Abb. II 1-16) erhoben und muß dann morphologisch bewiesen oder ausgeschlossen werden.

Basisuntersuchungsprogramm

Fakultativ weitere Verfahren: -

Computertomographie Lungenperfusionsszintigraphie Knochenszintigraphie Perthorakale Punktion Mediastinoskopie Pleuraergußdiagnostik Lymphknotenpunktion Probethorakotomie

Ziel: Feststellung von - Tumorzelltyp - Tumorausdehnung - kardiopulmonaler Funktion TNM-System

Unterteilung der kleinzelligen Karzinome auch in „limited" und „extensive disease"

Das Basis-Untersuchungsprogramm schließt neben Anamnese und körperlicher Untersuchung einige Laboruntersuchungen (BSG, Blutbild, Leberwerte, Nierenwerte, Gerinnungsstatus, Blutgruppe) sowie Funktionsteste (EKG, arterielle Blutgasanalyse, Spirometrie) und röntgenologische Verfahren (Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen und Vergleich mit früheren Bildern, evtl. Tomographie und Durchleuchtung) sowie die Bronchoskopie (alternativ bei schlechtem Zustand des Patienten zunächst die dreimalige Sputumzytologie) ein. Fakultativ werden zur Diagnosesicherung und/oder zur Therapieplanung weitere Verfahren eingesetzt (Abb.III-17). Zu den bildgebenden Verfahren gehören besonders die Computertomographie von Thorax, Abdomen (alternativ Sonographie) und Gehirn sowie die Szintigraphie der Lungen und der Knochen. Zur endgültigen morphologischen Sicherung wird bei peripheren Herden die perthorakale Feinnadelaspiration (bei zweifelsfreier Operabilität auch die direkte Resektion), bei zentralem extrabronchialem Wachstum die Mediastinoskopie, bei Pleuraerguß die Zytologie und Thorakoskopie, bei peripheren Lymphknoten (besonders supraklavikulär) die Feinnadelpunktion zur Zytologie und die Exstirpation zur Histologie vorgenommen. In ausgewählten unklaren Fällen kann die diagnostische bzw. Probethorakotomie notwendig werden. Ziel der Untersuchungen ist die Feststellung des Tumorzelltyps (siehe oben), der Tumorausdehnung und der kardiopulmonalen Funktionsreserven (siehe oben). Die anatomische Ausdehnung des Bronchialkarzinoms wird nach dem TNM-System (neue Fassung seit 1.1. 1987) beschrieben, in welchem die Ausbreitung des Primärtumors gegebenenfalls mit Übergreifen auf benachbarte Strukturen (T), der Befall der regionären Lymphknoten (N) und das Vorhandensein von Fernmetastasen (M) erfaßt werden (Tab.III-15). Hieraus erfolgt dann die Stadieneinteilung. Die zentral gelegenen Bronchialkarzinome, ausgehend von den Haupt- und Lappenbronchien, zeigen häufiger Metastasierungen als die peripheren, ebenso die kleinzelligen und undifferenzierten Karzinome häufiger als die differenzierteren. Beim kleinzelligen Bronchialkarzinom wird auch eine Unterteilung „limited

Bronchopulmonale Tumoren

Abb. 111-16 Röntgen-Thoraxübersicht bei Bronchialkarzinom: a) peripheres Karzinom, b) zentrales Karzinom

Abb. 111-17 Diagnostisches Vorgehen und Therapieentscheid bei Bronchialkarzinomen

293

294

III Krankheiten der A t m ungsorgane Tabelle 111-15 Stadieneinteilung des Bronchialkarzinoms T-Primärtumor Tx

Primärtumor kann nicht beurteilt werden oder Nachweis von malignen Zellen im Sputum oder bei Bronchialspülungen, jedoch Tumor weder radiologisch noch bronchoskopisch sichtbar.

T0

Kein Anhalt für Primärtumor

T is

Carcinoma in situ

T-i

Tumor 3 cm oder weniger in größter Ausdehnung, umgeben von Lungengewebe oder viszeraler Pleura, kein bronchoskopischer Nachweis einer Infiltration proximal eines Lappenbronchus (Hauptbronchus frei). Tumor mit einem der folgenden Kennzeichen hinsichtlich Größe oder Ausdehnung: - Tumor mehr als 3 cm in größter Ausdehnung, - Tumor mit Befall des Hauptbronchus, 2 c m oder weiter distal der Carina, - Tumor infiltriert viszerale Pleura, - assoziierte Atelektase oder obstruktive Entzündung bis zum Hilus, aber nicht der ganzen Lunge.

T2

T3

Tumor jeder Größe mit direkter Infiltration einer der folgenden Strukturen: Brustwand (einschließlich Tumoren des Sulcus superior), Zwerchfell,, mediastinale Pleura, parietales Perikard; oder Tumor im Hauptbronchus weniger als 2 cm distal der Carina 1 ', aber Carina selbst nicht befallen oder Tumor mit Atelektase oder obstruktiver Entzündung der ganzen Lunge.

T4

Tumor jeder Größe mit Infiltration einer der folgenden Strukturen: Mediastinum, Herz, große Gefäße, Trachea, Ösophagus, Wirbelkörper, Carina oder Tumor mit malignem Pleuraerguß 21 .

Anmerkungen: 1) Ein seltener, sich oberflächlich ausbreitender Tumor jeder Größe mit einer nur auf die Bronchialwand begrenzten Infiltration w i r d auch dann, w e n n er sich weiter proximal ausdehnt, als T, klassifiziert. 2)

Die meisten Pleuraergüsse bei Lungenkarzinomen sind durch den Tumor verursacht. Es gibt jedoch einige wenige Patienten, bei denen die mehrfache zytologische Untersuchung des Pleuraergusses negativ und der Erguß weder hämorrhagisch noch exsudativ ist. Wo diese Befunde und die klinische Beurteilung einen tumorbedingten Erguß ausschließen, sollte der Erguß als Kriterium der Klassifikation nicht berücksichtigt und der Tumor als T,, T 2 oder T 3 eingestuft werden.

N-Regionäre Lymphknoten Nx

Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden.

N0

Keine regionären Lymphknotenmetastasen.

Ν-,

Metastasen in ipsilateralen peribronchialen Lymphknoten und/oder in ipsilateralen Hiluslymphknoten (einschließlich einer direkten Ausbreitung des Primärtumors). Metastasen in ipsilateralen mediastinalen und/oder subkarinalen Lymphknoten.

N2 N3

Metastasen in kontralateralen mediastinalen, kontralateralen Hilus-, ipsioder kontra lateralen Skalenus- oder supraklavikulären Lymphknoten.

M-Fernmetastasen Mx M0 MT

Das Vorliegen von Fernmetastasen kann nicht beurteilt werden. Keine Fernmetastasen Fernmetastasen

Die Kategorie MT kann wie folgt spezifiziert werden: Lunge PUL Knochenmark MAR Knochen Leber

OSS HEP

Pleura Peritoneum

PLE PER

Bronchopulmonale Tumoren Hirn Lymphknoten

BRA LYM

295

Haut Andere Organe

SKI OTH

Stadiengruppierung Okkultes Karzinom

Τχ

NO

Stadium 0

Tis

No

Stadium 1

Ti T2

Stadium II

Ti T2

Stadium IIIA

Ti T2 T3 jedes Τ τ* jedes Τ

Stadium HIB Stadium IV

Μ0 Μ0

No N0 Ν, Ν, Ν2 ν2 Ν0, Ν „ Ν 2

Μ0 Μ0

Ν3

jedes Ν

Μ0 Μ0

jedes Ν

M^

Μ0 Μ0 Μ0 Μ0 Μ0

Tabelle 111-16 Unterscheidung zwischen „limited" und „extensive disease" bei kleinzelligen Bronchialkarzinomen limited disease

extensive disease

1. Primärtumor

1. kontralaterale hiläre Lkn

2. ipsilaterale hiläre Lymphknoten (Lkn)

2. kontralaterale supraklavikuläre Lkn

3. ipsilaterale supraklavikuläre Lkn

3. Thoraxwandinfiltrationen (auch ipsilateral)

4. ipsilaterale und kontralaterale mediastinale Lkn 5. evtl. vorhandene Atelektase 6. Rekurrens- und/oder Phrenikusparese 7. kleiner Winkelerguß ohne maligne Zellen

4. Pleuritis carcinomatosa, Pleuraerguß (außer kleinem Winkelerguß ohne maligne Zellen) 5. Lymphangiosis carcinomatosa 6. Vena-cava-superior-Syndrom 7. Metastasen in die kontralaterale Lunge 8. Sonstige Fernmetastasen (Leber, Gehirn, Knochen, sonstige Lkn)

disease" und „extensive disease" angewandt (Tab.III-16). H ä m a t o g e n e Fernmetastasierungen sind bevorzugt in Leber, N e b e n n i e r e n , Knochen und Gehirn lokalisiert. Z u m Z e i t p u n k t der Diagnosestellung liegt bei etwa 50% bereits eine Fernmetastasierung und bei etwa 25% ein weit fortgeschrittenes lokales Wachstum vor. Therapie

Fernmetastasen bevorzugt in Leber, Nebennieren, Knochen, Gehirn

Therapie

Die T h e r a p i e der Bronchialkarzinome muß individuell in Abhängigkeit von Zelltyp und Ausbreitung des Tumors sowie vom Funktionszustand des Patienten (Alter, kardiopulmonale Leistungsfähigkeit u.a.) v o r g e n o m m e n werden. Bereits die Planung sollte interdisziplinär erfolgen, da nur bei einem Teil der Patienten ausschließlich eines der möglichen Behandlungsverfahren (Operation, Strahlentherapie, zytostatische Behandlung) zur A n w e n d u n g kommt, häufig dagegen eine Kombination zweier oder mehrerer Methoden (Abb.III-18). Die Immuntherapie hat bislang enttäuscht.

- Interdisziplinäre Planung wichtig - Häufig Kombination mehrerer Behandlungsmethoden

III Krankheiten der Atmungsorgane

296

RAD

RAD + ZYT

Abb. 111-18 Therapiemöglichkeiten beim Bronchialkarzinom mit Operation (OP), Bestrahlung (RAD) und/oder Zytostatika ( Z Y T )

F ü r einen erheblichen Anteil (bis zu 30%) d e r Patienten k o m m e n lediglich symptomatische Maßnahmen wie S c h m e r z b e k ä m p f u n g , S a u e r s t o f f g a b e , P l e u r a e r g u ß e n t f e r n u n g u.a. in Betracht. Operation , • Beste kurative Aussichten durch Resektion, aber nur bei ~25% möglich - Generelle Operation beim nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom der Stadien I—III A

- Mediastinaler Lymphknotenbefall keine Kontraindikation!

- Beim kleinzelligen Bronchialkarzinom der Stadien I und II Kombinationstherapie Op-Kontraindikationen: - Tumorausdehnung - Hohes funktionelles Risiko - Palliation oder Tumorverkleinerung durch Operation in Kombination sinn voll -

Resektionsverfahren

- Operationsrisiko auch v o m A u s m a ß der Resektion abhängig

Operation F ü r die operative Entfernung, welche die besten k u r a t i v e n Aussichten b e i m B r o n c h i a l k a r z i n o m bietet, k o m m e n etwa 25% d e r P a t i e n t e n noch in Betracht. Beim nicht-kleinzelligen B r o n c h i a l k a r z i n o m im S t a d i u m I—III Α sollte generell operiert w e r d e n . Im Stadium I I I B ist die Indikation d i f f e r e n z i e r t e r zu stellen. W ä h r e n d ein T 4 N 1 - B e f u n d d u r c h a u s noch kurativ resektabel sein k a n n , gilt dies f ü r ein T 4 N 3 - S t a d i u m mit s u p r a k l a v i k u l ä r e m L y m p h k n o t e n - B e f a l l nicht mehr. Ein mediastinaler L y m p h k n o t e n - B e f a l l stellt k e i n e K o n t r a i n d i k a t i o n dar, s o f e r n eine radikale L y m p h k n o t e n a u s r ä u m u n g erfolgt. D a h e r ist die M e d i a s t i n o s k o p i e auch nicht r o u t i n e m ä ß i g p r ä o p e r a t i v indiziert. A u c h b e i m kleinzelligen B r o n c h i a l k a r z i n o m im Stadium I und II sowie im S t a d i u m III ohne mediastinalen Lymphknoten-Befall sollten C h e m o t h e r a pie und O p e r a t i o n möglichst k o m b i n i e r t eingesetzt w e r d e n . Bei % aller Patienten ist der T u m o r e n t w e d e r w e g e n seiner a n a t o m i schen A u s d e h n u n g nicht m e h r resezierbar, o d e r d e r schlechte F u n k tionszustand schließt eine O p e r a t i o n wegen des h o h e n Risikos aus. J e d o c h k ö n n e n sinnvolle chirurgische A n s ä t z e in fortgeschrittenen T u m o r stadien zur Palliation o d e r Tumorverkleinerung b e s t e h e n , meist w e r d e n zusätzlich a n d e r e T h e r a p i e v e r f a h r e n prä-, intra- u n d / o d e r postoperativ kombiniert a n g e w a n d t . D a s A u s m a ß d e r R e s e k t i o n richtet sich nach d e r a n a t o m i s c h e n Lage des T u m o r s , wobei das Prinzip „so radikal wie nötig und so parenchymsparend wie möglich" gilt. D i e klassischen R e s e k t i o n s v e r f a h r e n sind die L o b e k t o mie und die P n e u m o n e k t o m i e mit e i n e r Operationsletalität von 2-A bzw. 6 8 % . E r w e i t e r t e R e s e k t i o n e n u n t e r M i t n a h m e v o n Teilen b e n a c h b a r t e r S t r u k t u r e n (Perikard, T h o r a x w a n d , g r o ß e G e f ä ß e u . a . ) h a b e n meist eine h ö h e r e , s p a r s a m e r e R e s e k t i o n e n ( S e g m e n t - o d e r Keilresektion, M a n s c h e t t e n r e s e k t i o n e n ) eine niedrigere Letalität.

Bronchopulmonale Tumoren Strahlentherapie Die Strahlentherapie wird als primäres Behandlungsverfahren in etwa 2540% aller Bronchialkarzinompatienten angewandt, in der Regel in Form einer perkutanen Bestrahlung mit Hochvolt-Geräten (Tele-Kobalt, Linearoder Kreisbeschleuniger). Man unterscheidet kurative Ansätze bei nur funktionell nicht-operablen Patienten und bei postoperativen Lokalrezidiven ohne Fernmetastasen von symptomatischen bzw. palliativen Ansätzen, welche die Symptome lindern sollen ohne bzw. mit Lebensverlängerung. Indikationen können hier direkte Auswirkung des Primärtumors mit Schmerzen. Hämoptysen, Bronchusverlegung u.a., regionale Metastasen mit z.B. oberer Einflußstauung und Fernmetastasen besonders im Skelettsystem und Gehirn (hier kombiniert mit hochdosierten Kortikosteroiden zur Ödembekämpfung) sein. Bei Tumorwachstum in Trachea, Hauptbronchien und Lappenabgängen ist häufig die lokale Abtragung durch Zangen und/oder Laserresektion indiziert, der dann eine intrabronchiale Bestrahlung (After-Loading-Technik) angeschlossen werden kann. Bei nicht-radikalen Resektionen bietet sich intraoperativ die Einlage von z.B. 12:1 Jod-Seeds an (interstitielle Brachytherapie). Präoperativ wird beim Pancoast-Tumor etwa die Hälfte der Bestrahlungsdosis, postoperativ die andere Hälfte verabreicht. Eine adjuvante Bestrahlung über dem Mediastinum erfolgt entweder nach einer radikalen Resektion bei ( N l - oder)N2-Befall oder nach kompletter Remission durch zytostatische Therapie beim kleinzelligen Karzinom. Beides vermindert die Gefahr eines Lokalrezidivs. Nicht gesichert ist, ob dies für Ν 1-Fälle gilt und ob dadurch die Überlebenszeit verlängert wird. Beim kleinzelligen Karzinom empfiehlt sich zumindest nach kompletter Remission die adjuvante Hirnbestrahlung zu überlegen, da die Zytostatika die Blut-Hirn-Schranke schlecht oder gar nicht passieren. Die Häufigkeit von Hirnmetastasen läßt sich so von etwa 30 auf 5% reduzieren. Bei kurativem Ansatz wird eine Bestrahlungsdosis zwischen 55 und 65 Gray in unterschiedlicher Fraktionierung (1-5 mal wöchentlich) und unterschiedlichen Zeiträumen (6-12 Wochen) verabreicht, möglichst unter Verwendung einer rechnergestützten Bestrahlungsplanung (Computertomographie) zur bestmöglichen Erfassung der Tumorausdehnung und zur Schonung des umgebenden gesunden Parenchyms. Eine respiratorische Insuffizienz kann durchaus auch eine Kontraindikation zur Bestrahlung bedeuten. Die symptomatischen und palliativen Bestrahlungsdosen liegen gewöhnlich niedriger (1CM0 Gray). Eine Schonung des umliegenden Gewebes läßt sich besonders durch die Radio-Gold-Seeds-Implantation direkt in den Tumor erreichen. Besonders zu beachten ist als Komplikation der Strahlentherapie die pulmonale Strahlenreaktion mit Pneumonie, die gehäuft bei gleichzeitiger Gabe von strahlensensibilisierenden Zytostatika wie Adriamycin, Mitomycin C und anderen beobachtet wird. An sie muß bei Auftreten von Fieber, Husten, Auswurf, Dyspnoe, bei Anstieg der BSG, bei Abfall der VK und des P 0 2 sowie bei röntgenologischer Zeichnungsvermehrung im Bestrahlungsfeld gedacht werden. Regelmäßige, engmaschige Kontrolluntersuchungen sind daher während und nach der Bestrahlung notwendig, damit frühzeitig die Bestrahlung unterbrochen und die Behandlung mit Kortikosteroiden (anfangs 40 mg Prednisolon-Aquivalent täglich) eingeleitet werden kann. Auch an die Reaktivierung einer Tuberkulose ist zu denken (evtl. Chemoprophylaxe mit Isoniazid). Zytostatische Therapie Die zytostatische Therapie wird primär bei etwa 15-20% aller Bronchialkarzinome angewandt. Besonders indiziert ist sie beim kleinzelligen Typ, bei dem sie in allen Tumorstadien in der Regel die Therapie der ersten Wahl ist. Ausnahme sind die seltenen Fälle mit T 1 - T 2 und N 0 - N 1 , die meist erst nach der Resektion histologisch diagnostiziert werden. Die Kombinationsmöglichkeiten mit einer adjuvanten Strahlentherapie (lokal, Ge-

297 Strahlentherapie Perkutane Bestrahlung - kurative Ansätze - Symptomatisch bzw. palliativ

Intrabronchiale Bestrahlung

präoperativ bei Pancoast-Tumor adjuvant nach Operation bei Lymphknotenbefall oder nach kompletter Remission eines kleinzelligen Karzinoms

Adjuvante Hirnbestrahlung beim kleinzelligen Karzinom senkt Rate der Hirnmetastasen von 30 auf 5% kurative Dosis 55-65 Gray

Komplikationen: - Strahlenpneumonie - besonders bei gleichzeitiger Anwendung strahlensensibilisierender Zytostatika - Wichtig sind frühzeitige Erkennung und Behandlung

Zytostatische Therapie Therapie erster Wahl beim kleinzelligen Bronchialkarzinom

298

III Krankheiten der Atmungsorgane Tabelle 111-17 Behandlungsregime für das kleinzellige Bronchialkarzinom 1. Adriamycin (Epirubicin), Cyclophosphamid, Vincristin, (ACO) 2. Cisplatin (Carboplatin), Etoposid 3. Adriamycin (Epirubicin), Cyclosphosphamid, Etoposid 4. Ifosfamid, Cisplatin (Carboplatin) 5. Cyclosphosphamid, Etoposid, Vincristin

Bei nicht-kleinzelligen Karzinomen in der Regel nur bei Fernmetastasen

Kontraindikationen und Nebenwirkungen beachten

Bei nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinomen partielle Remissionen in 30-60%

Prognose 5-Jahres-Überlebensrate nach Resektion 25-30%, abhängig vom Zelltyp und Stadium

6-8% nach Strahlentherapie Zytostatische Therapie: - 40-70% komplette Remissionen beim kleinzelligen Bronchialkarzinom - 10-15 Monate mediane Überlebenszeiten, abhängig vom Stadium

hirn) und in ausgewählten Fällen mit einer O p e r a t i o n (neo-adjuvant) sind oben beschrieben. Bei der akuten oberen Einflußstauung ist zur raschen Besserung der Beschwerden häufig in niedriger Dosis (5-10 G r a y ) vorzubestrahlen. Beim nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom wird eine zytostatische Behandlung in der Regel nur bei Vorliegen von Fernmetastasen und gleichzeitig noch ausreichendem Allgemeinzustand des Patienten versucht. Ein A n sprechen ist besonders dann zu erwarten, wenn die Tumoreigenschaften denen kleinzelliger Karzinome gleichen (ζ. B. kleiner P r i m ä r t u m o r bei früher lymphogener und h ä m a t o g e n e r Metastasierung, entdifferenzierte Tumormorphologie, schnelles röntgenologisches Tumorwachstum). D e r Wert einer adjuvanten zytostatischen T h e r a p i e nach Resektion ist bei nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom bislang nicht gesichert. Für die zytostatische Therapie beim kleinzelligen Bronchialkarzinom haben sich eine R e i h e von Behandlungsregimen bewährt (Tab. 111-17). Auch Methotrexat o d e r Dinitroseharnstoffe lassen sich in den Behandlungsplan einbauen. Bevorzugt wird die intermittierende, parenteral-kombinierte Applikation, deren Dosierung so gewählt wird, d a ß ein Unterschreiten des Leukozytennadirs unter 1000 Leukozyten nicht zu erwarten ist. Z u beachten sind die Kontraindikationen (besonders aus kardialen [Adriamycin], renalen und h e p a t o g e n e n G r ü n d e n ) und die Nebenwirkungen der Zytostatika. Hiernach und nach dem Therapieerfolg richtet sich die Wahl der nach jedem Zyklus jeweils neu zu ü b e r d e n k e n d e n Zytostatika-Kombination. Wann und o b die T h e r a p i e nach Vollremission beendet (oder unterbrochen) werden kann, ist nich sicher geklärt. Zusätzlich sollte zumindest bei kompletter Remission adjuvant eine Hirnbestrahlung überlegt werden (zusätzlich zur Bestrahlung der Lunge und des Mediastinums und einer eventuellen O p e r a t i o n ) . Beim nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom können besonders Zytostatika-Kombinationen mit Ifosfamid, Cisplatin und Vindesin, a b e r auch mit Etoposid, Mitomycin C und Adriamycin partielle Remissionen in 30 bis maximal 60% bewirken. Prognose D i e Gesamtprognose der Bronchialkarzinome ist mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von etwa 10% schlecht, was angesichts der bei Diagnosestellung bereits in etwa der H ä l f t e d e r v o r h a n d e n e n Fernmetastasierung nicht verw u n d e n werden kann. Jedoch beträgt sie bei chirurgischer Therapie etwa 25-30% in deutlicher Abhängigkeit vom Zelltyp (33% f ü r epidermoide, 26% f ü r adenoide, 28% für großzellige, a b e r weniger als 1 % f ü r kleinzellige Karzinome) und vom Stadium. Im Stadium I beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate 60%, bei mediastinaler Lymphknotenbeteiligung immerhin noch 2 5 % , beim Plattenepithelkarzinom sogar 4 0 % . Die Überlebenswahrscheinlichkeit nach 5 J a h r e n beträgt nach Strahlentherapie 6 - 8 % , jedoch liegt auch hier eine Abhängigkeit von Stadium und Zelltyp vor (z.B. im Stadium I bis 25%). D i e zytostatische B e h a n d l u n g beim kleinzelligen Karzinom führt selten zu einem Ü b e r l e b e n nach 5 Jahren, als Erfolg m u ß hier ein Ü b e r l e b e n bis zum 3. J a h r gewertet werden. Die Prognose ist deutlich abhängig vom Stadium. Bei „limited disease" lassen sich komplette Remissionen in 4 0 - 7 0 % (inklusive teilweiser Remission bis zu 9 0 % ) und mediane Überlebenszeiten zwischen 12 und 15 M o n a t e n erreichen. Bei primärer Fernmetastasierung

Bronchopulmonale Tumoren („extensive disease") sind Vollremissionen in 40% (Gesamtremissionen zwischen 50 und 80%) und mediane Überlebenszeiten von etwa 10 Monaten zu erwarten. Für Kombinationsformeii der einzelnen heute zur Verfügung stehenden Therapiearten liegen noch keine ausreichenden Zahlen vor, jedoch dürften sich hierdurch Verbesserungen erreichen lassen. Fortschritte in der Früherkennung, Therapie und Nachsorge versprechen für die Zukunft weitere Teilerfolge. Wegen der insgesamt schlechten Prognose ist eine drastische Beeinflussung der Bronchialkarzinom-Mortalität in Zukunft aber nur von primären Präventivmaßnahmen zu erhoffen!

299

- Verbesserung durch Kombinationstherapie Entscheidend in der Zukunft primäre Prävention!

5.2.2 Primäres Sarkom

Primäres Sarkom

Primäre Sarkome der Bronchien und der Lunge sind selten. Auf 100 Bronchialkarzinome kommen etwa 1,4 Sarkome. Bei fast der Hälfte handelt es sich um Fibro- und Spindelzellsarkome, die meist intraparenchymatös, rund, häufig von einer Pseudokapsel umgeben, wachsen. Der Altersgipfel liegt zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Ähnlich verhalten sich die Leiomyosarkome, die etwa 40% ausmachen. Andere Typen wiel Rhabdomyosarkom, Chondrosarkome, Neurofibrosarkome, Angiosarkome und andere gehören zu den großen Raritäten. Die Resektion ist Therapie der Wahl, bei Inoperabilität Versuch der Strahlen- oder Chemotherapie. Die Prognose entspricht etwa der nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinome.

Selten

5.2.3 Sekundäre Tumoren

Sekundäre Tumoren

Pulmonale Metastasen treten in etwa 30% aller bösartigen Tumoren auf, in etwa der Hälfte beschränken sie sich auf die Lunge. Neben einem direkten Übergreifen auf die Lunge (Ösophagus- und Schilddrüsenkarzinome, Pleuramesotheliome, bösartige Mediastinaltumoren) erfolgt die Metastasierung auf hämatogenem oder lymphogenem Weg. Bis auf die Karzinome des unteren Magen-Darm-Traktes, die primär über die Pfortader in die Leber und erst sekundär in die Lunge metastasieren, ist die Lunge das primäre Filter für hämatogene Metastasen. Aber auch das lymphatische System - mit direktem Transport der Tumorzellen zu den mediastinalen Lymphknoten und Übergreifen auf das Lungenparenchym oder indirekt über den Ductus thoracicus und das venöse Blutsystem - ist ein häufiger Metastasierungsweg. Die Karzinome von Mamma, Urogenitaltrakt (Niere, Prostata, Uterus, Ovarien, Samenblasen, Hoden, Harnblase) und Schilddrüse sind häufiger, Tochtergeschwülste von Sarkomen dagegen selten. Oft ist die Lunge auch bei systemischen malignen Lymphomen, der Leukämie und anderen beteiligt. Selten ist eine direkte intrabronchiale Metastasierung, häufiger handelt es sich um ein Durchwachsen ausgehend von peribronchialen Lymphknoten.

Lungenmetastasen bei 30% aller bösartigen Tumoren - in 50% nur pulmonal Pathogenese: - direktes Übergreifen - hämatogen - lymphogen

Klinik Nicht selten finden sich Lungenmetastasen nur zufallig im Rahmen der sonstigen Tumordiagnostik nach Sicherung eines Primärtumors oder während der Nachsorge. Führende Symptome können Atemnot unter Belastung, gelegentlich Bluthusten, Husten mit oder ohne Auswurf, Fieber und Allgemeinsymptome wie Gewichtsabnahme und andere sein. Die weiteren klinischen Befunde sind abhängig von den lokalen Auswirkungen des Primärtumors und sonstigen Fernmetastasen.

Klinik oft zufällig röntgenologisch Führende Symptome: - Atemnot - Husten (blutig) - Gewichtsabnahme

Diagnostik Das Röntgenbild des Thorax zeigt entweder einen einzelnen Rundherd (Solitärmetastase) oder multiple, unterschiedlich große Herde. Beide Bilder sprechen am ehesten für eine hämatogene Metastasierung.

Diagnostik Solitärmetastase Multiple Herde

III Krankheiten der Atm ungsorgane

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Abb. 111-19 Röntgen-Thoraxübersicht bei multiplen Lungenmetastasen Zusätzlich häufig mediastinaler Lymphknotenbefall und/oder Pleuraerguß

Lymphangiotische Metastasierung

D e r metastatische Rundherd, der auch eingeschmolzen sein kann, macht 2 15% aller R u n d h e r d e aus, bei b e k a n n t e r T u m o r k r a n k h e i t a b e r %, auch wenn zuvor eine „radikale" E n t f e r n u n g erfolgt ist. Die multiple B e h e r d u n g kann zwischen miliaren kleinen Knötchen (Differentialdiagnostik s.4.24.4) und wenigen großen H e r d e n wechseln ( A b b . 111-19). Sie werden häufig von mediastinalen Lymphknotenmetastasen und einem malignen Pleuraerguß begleitet. D i e lymphangiotische Metastasierung, die meist von peripheren hämatogenen Metastasen, aber auch von befallenen Mediastinal-Lymphknoten ausgeht (häufige P r i m ä r t u m o r e n sind M a m m a , Schilddrüse, Pankreas, Larynx, Cervix und die Lungen), weist röntgenologisch e n t w e d e r eine K o m b i n a tion von knotiger und retikulärer P a r e n c h y m b e h e r d u n g oder lokalisiert bzw. generalisiert allein eine retikulärer Zeichnungsvermehrung auf. Das diagnostische Vorgehen richtet sich nach d e r T u m o r a n a m n e s e , den sonstigen Tumormanifestationen, d e m A l t e r und d e m Allgemeinzustand des Patienten.

Morphologische Sicherung gelingt meist mit Bronchoskopie sonst perthorakale Herdpunktion, Mediastinoskopie oder Thorakoskopie

Therapie Richtet sich nach Primärtumor und weiteren Faktoren

Operative Entfernung kann indiziert sein

Prognose 5-Jahres-Überlebensrate 10-30%

In der Regel sollte die morphologische Sicherung erfolgen, am besten eignet sich die Bronchoskopie mit peripherer transbronchialer Biopsie und transbronchialer L y m p h k n o t e n p u n k t i o n . A b e r auch die perthorakale H e r d p u n k t i o n , die Mediastinoskopie und die T h o r a k o s k o p i e sind geeignet. Wichtig ist die Diagnostik besonders zur Feststellung eines Zweitkarzinoms, zum Ausschluß anderer (besonders tuberkulöser) Ursachen der L u n g e n v e r ä n d e r u n g und bei Metastasen, bei d e n e n eine Therapiechance besteht. Therapie Die Therapie richtet sich im wesentlichen nach d e m P r i m ä r t u m o r sowie nach der sonstigen Metastasierung, dem Allgemeinzustand, der kardiopulmonalen Funktion und d e m Alter des Patienten. Bei zu erwartender Effektivität einer systemischen zytostatischen (z.B. maligne Lymphome, M a m m a k a r z i n o m ) o d e r h o r m o n a l e n T h e r a p i e (Prostata-, M a m m a k a r zinom) sollten diese möglichst angewandt werden. Bei einigen Tumortypen (besondes H o d e n k a r z i n o m , osteogene S a r k o m e , H y p e r n e p h r o m , kolorektale Karzinome, aber auch f ü r andere), besonders wenn Solitärmetastasen vorliegen, kann die operative Entfernung im R a h m e n einer Gesamtbehandlungsstrategie sinnvoll sein. A u c h bilaterale multiple Metastasen lassen sich mit Erfolg, vorzugsweise nach medianer Sternotomie, resezieren. Die 5-Jahres-Überlebensraten, die 10-30% betragen, hängen im wesentlichen von der A r t des Primärtumors, vom Z e i t p u n k t nach seiner radikalen

Krankheiten des Lungenkreislaufs

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operativen Entfernung, von der Anzahl der Lungenmetastasen und von den sonstigen Fernmetastasen ab.

6 Krankheiten des Lungenkreislaufs

Krankheiten des Lungenkreislaufs

6.1 Pulmonale Hypertonie

Pulmonale Hypertonie

Der normale mittlere Pulmonalarteriendruck beträgt in Ruhe 15 ± 3,5 S. D. mm Hg (systolisch/diastolisch 21,5 ± 5/9,5 ± 3 mm Hg), wobei atemsynchron der Druck schwankt. Unter Belastung steigt der Druck normalerweise auf 25-30 m m H g an. Von einer latenten pulmonalen Hypertonie spricht man, wenn der normale Mitteldruck in Ruhe unter Belastung aufwerte über 30 mmHg ansteigt. Bei Ruhewerten oberhalb 20 mm Hg gilt eine pulmonale Hypertonie als gesichert. Bei Werten bis 30 mmHg spricht man von einer leichten, zwischen 30-40 mmHg von einer mitteigradigen und Werten Uber 40 mmHg von einer schweren pulmonalen Hypertonie.

Definitionen: - latente pulmonale Hypertonie - manifeste pulmonale Hypertonie - unterschiedliche Schweregrade

Akute Drucksteigerungen auf Werte oberhalb 40 mm Hg sind höchst gefährlich, dagegen kann der trainerte Herzmuskel des chronischen Cor pulmonale solche und höhere Drucksteigerungen tolerieren. Von einem Cor pulmonale wird jedoch nur gesprochen, wenn die Widerstandserhöhung im kleinen Kreislauf durch respiratorische Krankheiten bedingt ist (präkapilläre pulmonale Hypertonie). Im Gegensatz dazu ist die postkapilläre Hypertonie vorwiegend eine Folge von Erkrankungen des linken Herzens (Ausnahmen sind die seltenen Krankheiten mit Verengung bzw. Verlegung der Pulmonalvenen). Pathogenetisch kommen eine Reihe von Ursachen wie die direkte Verlegung der Lungenstrombahn (Embolien), eine chronische Gefäßdestruktion (Emphysem, Fibrosen), eine Gefäßkompression durch einen erhöhten Alveolardruck (Asthma, obstruktive Bronchitis) und/oder die Vasokonstriktion infolge alveolärer Hypoxie in Betracht. Als weitere Faktoren sind eine respiratorische Azidose, eine Viskositätserhöhung infolge Polyglobulie u.a. zu nennen. Die Krankheiten, die Ursachen für ein akutes oder ein chronisches Cor pulmonale sein können, sind in Kap.6.1.1.2 zusammengestellt. Klinik Klinische Zeichen der vermehrten Rechtsherzbelastung sind ein betonter Pulmonalklappenton, ein hepatojugulärer Reflux, eine permanente Spaltung des 2. Herztones und ein abnorm palpabler rechter Ventrikel. Typische (aber nicht obligate) EKG-Zeichen der Rechtsherzhypertrophie sind (bei fehlendem Emphysem, siehe dort) eine Rechtsdrehung der elektrischen Herzachse, ein inkompletter oder kompletter Rechtsschenkelblock, ein hohes R in V! und eine R-S-Relation in V 6 < 1 sowie eine ST-Senkung und/oder eine T-Negativierung in Ableitung II, III und aVF. Röntgenologisch findet sich bei Dilatation des rechten Ventrikels eine scheinbare Linksverbreiterung und erst bei Trikuspidalinsuffizienz eine Rechtsverbreiterung. Der Conus pulmonalis ist ebenso wie die zentralen Lungenarterien verbreitert (die rechte absteigende A. pulmonalis > 18 mm im Durchmesser). Bei obstruktiven Atemwegserkrankungen mit Emphysem und bei primär vaskulärer pulmonaler Hypertonie zeigt sich häufig als Folge der Engstellung der peripheren Lungengefäße ein plötzlicher Kalibersprung.

Cor pulmonale - Präkapilläre Hypertonie - Postkapilläre Hypertonie Pathogenese

Ätiologie - Akutes Cor pulmonale - Chronisches Cor pulmonale Klinik der Rechtsherzbelastung Zeichen: - betonter Pulmonalklappenton - hepatojugulärer Reflux - Spaltung des 2. Herztones - palpabler rechter Ventrikel EKG-Zeichen

Röntgenologische Zeichen

III Krankheiten der Atm ungsorgane

302

6.1.1 Präkapilläre pulmonale Hypertonie Hier unterscheidet man zwischen primären Gefäßerkrankungen und den primär extravaskulären Ursachen.

6.1.1.1 Primäre Gefäßerkrankungen Hierzu zählen die Thromboembolie (s. 6.2), die primäre pulmonale Hypertonie und die pulmonalen Vaskulitiden. Primäre pulmonale Hypertonie - Ausschlußdiagnose - Ätiologie meist unklar - bei Frauen häufiger

Medikamente, Kollagenkrankheiten, kongenitale Vasokonstriktion Leitsymptome: • Atemnot nach Belastung - gelegentlich Synkopen

Diagnose durch Rechtsherzkatheter Differentialdiagnostik Lungenperfusionsszintigraphie normal, Lungenfunktion normal Therapie - 02-Dauergabe - Lungentransplantation - Verlauf progredient

Primäre pulmonale Hypertonie Die primäre pulmonale Hypertonie ist eine klinische Diagnose, welche erst bei Ausschluß einer zugrunde liegenden Herzkrankheit, einer chronischen Lungenkrankheit, von Thromboembolien oder einer pulmonalen veno-okklusiven Erkrankung gestellt werden kann. Die Ätiologie dieser seltenen Krankheit, bei der die kleinen Pulmonalarterien fixiert eingeengt sind, ist meist unklar. Frauen sind deutlich häufiger betroffen, so daß ein Einfluß hormonaler Faktoren angenommen wird. Auch wird ein familiär gehäuftes Vorkommen beobachtet. Ende der 60er Jahre kam es nach Einnahme des Appetitzüglers Aminorex zu einer erheblichen Zunahme der primär pulmonalen Hypertonie. Auch kann ein Zusammenhang mit anderen Noxen und Medikamenten, Kollagenkrankheiten (20-30%) und einer kongenitalen Vasokonstriktion bestehen. In den frühen Stadien ist die Diagnose schwierig zu stellen. Müdigkeit und Leistungsschwäche werden häufig nicht ernst genommen. In den späteren Stadien ist klinisch führendes Symptom die Atemnot, ferner treten während oder nach körperlicher Belastung gelegentlich Synkopen auf. Die klinische Untersuchung deckt keine primäre pulmonale oder kardiale Krankheit auf, jedoch finden sich die Zeichen des Cor pulmonale. Die Diagnose wird durch Pulmonalisdruckmessung bei normalem Kapillarverschlußdruck und normalem Herzzeitvolumen gestellt. Differentialdiagnostisch sind alle anderen Ursachen einer prä- oder postkapillären Hypertonie auszuschließen, besonders schwierig kann dies bei multiplen kleineren Lungenembolien sein. Hier ist besonders hilfreich die Lungenperfusionsszintigraphie, auch Lungenfunktionsteste müssen normal ausfallen. Eine kausale Therapie ist nicht bekannt. Vasodilatatoren haben keinen dauerhaften Effekt, auch Kortikosteroide oder Antikoagulantien helfen nicht. Symptomatisch sinnvoll sind die Bekämpfung der Hypoxämie durch 0 2 -Dauertherapie und die Behandlung der Rechtsherzdekompensation. In Einzelfällen sind Lungentransplantationen bzw. Herz-Lungen-Transplantationen mit Erfolg vorgenommen worden. In der Regel ist der Verlauf progredient über wenige Jahre und letal (Ausnahmen mit langen Überlebenszeiten sind aber gelegentlich zu beobachten).

Pulmonale Vaskulitiden Oft im Rahmen einer generalisierten Vaskulitis.

Pulmonale Vaskulitiden Die pulmonale Vaskulitis stellt einen kleinen Teil eines weiten Spektrums von vaskulitischen Syndromen dar. Ein Teil zeigt sich als Krankheit nur an den Lungen, wogegen andere im Rahmen einer generalisierten Vaskulitis auftreten. An folgenden Vaskulitiden ist in erster Linie die Lunge beteiligt:

Wegenersche Granulomatose - Nasenschleimhaut - Niere

Wegenersche Granulomatose Hierbei handelt es sich um eine granulomatöse Vaskulitis, meist auch im oberen Respirationstrakt (Nasenschleimhautbiopsie) und an den Nieren (Niereninsuffizienz). Die Ätiologie ist unbekannt. Röntgenologisch zeigen sich meist multiple, z.T. eingeschmolzene Rundherde. Im Blut lassen sich häufig antizytoplasmotische Antikörper (ACPA) nachweisen. Die Thera-

Krankheiten des Lungenkreislaufs

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pie erfolgt mit Cyclophosphamid in Kombination mit Kortikosteroiden, auch mit T M P - S M Z sind Erfolge gesehen worden. Allergische granulomatöse Vaskulitis (Churg-Strauss-Syndrom): Diese ist eine eosinophile Vaskulitis, die der Periarteriitis nodosa ähnelt. Typisch sind rhinitische und asthmatische Symptome sowie eine ausgeprägte Bluteosinophilie. Röntgenologisch zeigen sich wechselnde Lungeninfiltrate unterschiedlicher G r ö ß e , zum Teil einschmelzend. Die Diagnose wird durch Lungenbiopsie gestellt. Die Therapie erfolgt mit Kortikosteroiden, evtl. auch mit Azathioprin und/oder Cyclophosphamid. Weiterhin gehören in diese G r u p p e noch seltenere Vaskulitiden wie lymp h o m a t o i d e G r a n u l o m a t o s e , die benigne lymphozytische Angiitis und Granulomatose, die nekrotisierende Vaskulitis bei Sarkoidose und die Periarteriitis nodosa. Z u den Krankheiten, bei denen die pulmonale Vaskulitis ein Teil des pathologischen Spektrums ausmacht, zählen die Kollagenkrankheiten (rheumatoide Arthritis, systemischer Lupus erythematodes, progressive systemische Sklerose), die eosinophilen Pneumonien, die Colitis ulcerosa, die ankylosierende Spondylitis u.a. Z u den ebenfalls sehr seltenen Vaskulitiden, bei d e n e n die Lunge beteiligt sein kann, gehören das SchönleinHenoch-Syndrom, die disseminierte leukozytoplastische Vaskulitis, die Kryoglobulinämie, die disseminierte Riesenzellarteriitis, die Beh9etKrankheit und die Takayasu-Krankheit.

Churg-Strauss-Vaskulitis

- Eosinophilie im Blut - Rhinitis und Asthma bronchiale - Lungeninfiltrate

Seltenere Vaskulitiden

Generalisierte Kollagenkrankheiten

6.1.1.2 Primär extravaskuläre Ursachen Ursächlich k o m m e n alle akuten und chronischen pulmonalen und ventilatorischen Störungen in Betracht. Chronische Krankheiten, die zu einem Cor pulmonale fuhren (außer vaskuläre Ursachen): 1. obstruktive Atemwegs- und Lungenkrankheiten (Bronchitis, Asthma, E m p h y s e m , Bronchiektasen, zystische Fibrosen u.a.). 2. Restriktive L u n g e n p a r e n c h y m k r a n k h e i t e n (Fibrosen, chronische Pneumonien, Lungenresektionen u.a.). 3. Restriktive Pleura- und T h o r a x k r a n k h e i t e n (Pleuraschwarten. Thorakoplastik, Kyphoskoliose, neuromuskuläre E r k r a n k u n g e n ) . 4. Zentrale Störungen der Atemregulation (Schlafapnoe u. a.).

Chronische Krankheiten, die ein Cor pulmonale verursachen:

Hinzu kommt als Möglichkeit die Hypoxie infolge Aufenthaltes in großen H ö h e n , die d a u e r h a f t zu einem Cor pulmonale f ü h r e n kann. Krankheiten, die zu einem akuten Cor pulmonale führen: 1. Lungenembolie 2. Schwerer Asthmaanfall 3. S p a n n u n g s p n e u m o t h o r a x 4. Toxische Lungenparenchymschädigung 5. Thoraxchirurgische Eingriffe 6. A k u t e Atemwegsverlegung (z.B. Aspiration). Therapie Die T h e r a p i e m u ß in erster Linie auf die Wiederherstellung normaler Blutgaswerte gerichtet sein. Neben der jeweils kausalen Behandlung der verschiedenen Krankheitsbilder k o m m t daher die 0 2 - A p p l i k a t i o n dort in Frage, wo sie nicht kontraindiziert ist (in erster Linie wegen der G e f a h r der Hyperkapnie), ggf. die Beatmung. Bei eingetretener Rechtsherzdekompensation wird mit Diuretika und Digitalis behandelt. Bei starker Polyglobulie kann ein A d e r l a ß sinnvoll sein. Die A n w e n d u n g von Vasodilatatoren hat bislang keinen sicheren langfristigen Nutzen. Die Prognose hängt von der jeweiligen G r u n d k r a n k h e i t ab, hat sich jedoch aufgrund der Möglichkeiten einer antibiotischen und intensivmedizinischen T h e r a p i e bei akuten respiratorischen Insuffizienzen sowie bei chro-

Akute Ursachen eines Cor pulmonale

Therapie

- 0 2 -Gabe - Beatmung - Kardiaka, Diuretika

Prognose abhängig von der Grundkrankheit

III Krankheiten der Atmungsorgane

304

nischen F o r m e n durch die Langzeit-0 2 -Therapie, in Einzelfällen durch eine intermittierende H e i m b e a t m u n g oder durch (Herz-)Lungen-Transplantationen deutlich verbessern lassen. Postkapilläre pulmonale Hypertonie

6.1.2 Postkapilläre pulmonale Hypertonie

Erkrankungen des linken Herzens

Erkrankungen des linken Herzens (Mitralklappenfehler, Linksventrikelinsuffizienz, Myxom- o d e r Thrombusbildung im linken Vorhof u.a.), die zu einer Lungenstauung mit oder ohne Ödem und zu einer postkapillären pulmonalen Hypertonie f ü h r e n können, sind in den entsprechenden Kapiteln beschrieben, (s. Kap. II Abschn. 9.4) Diese Krankheiten sind bei Verdacht auf ein Cor pulmonale immer auszuschließen. Allerdings ist ein gleichzeitiges Vorkommen möglich, wobei in erster Linie an eine unabhängige Zweitkrankheit gedacht werden muß. In Einzelfällen ist bei extremem Cor pulmonale mit Ventrikelseptumhypertrophie oder mit extremer Hypoxämie eine direkte Beeinträchtigung der Linksventrikelfunktion möglich. Seltene pulmonale Ursachen sind Erkrankungen der Lungenvenen mit ang e b o r e n e n Stenosen, T h r o m b o s e n , D r u c k s t e n o s e n bei Mediastinaltumoren o d e r -granulomen und die idiopathische veno-okklusive Krankheit, die ü b e r eine Intimafibrose ausgedehnte Gefäßverschlüsse und eine Lungenstauung bewirkt. Differentialdiagnostisch wichtig sind Krankheiten, die zu einem Lungenödem bei normalem Pulmonalkapillardruck f ü h r e n (ζ. B. Inhalation von toxischen Substanzen, H ö h e n k r a n k h e i t , rasche Reexpansion der L u n g e nach A b s a u g u n g eines großen Pleuraergusses o d e r P n e u m o t h o r a x ) .

Erkrankungen der Lungenvenen

Differentialdiagnose bei normalem Pulmonalkapillardruck

Lungenembolie Definition

6.2

Lungenembolie

Definition: U n t e r Lungenembolie wird die Verlegung der Pulmonalarterien durch im Venensystem o d e r im rechten Herzen gebildetes ( T h r o m b e m b o l i e im engeren Sinne) oder in diese gelangtes Material (Luft, Fett, F r e m d k ö r p e r u.a.) verstanden.

Thrombembolien

6.2.1 Thrombembolien

Epidemiologie Häufig und wichtig Verantwortlich für 10% der Todesfälle

Epidemiologie Die T h r o m b e m b o l i e n gehören zu den wichtigsten und häufigsten Krankheiten überhaupt, in bis zu 10% sind sie unmittelbar verantwortlich für die Todesfälle. In den U S A wird eine jährliche Gesamtinzidenz von über 500000 Fällen a n g e n o m m e n . Im Obduktionsgut werden sie in etwa 20% g e f u n d e n , wobei klinisch nur in etwa einem Drittel der Fälle die Diagnose gestellt o d e r vermutet wird. Postoperativ m u ß abhängig von der A r t des Eingriffs eine Emboliehäufigkeit zwischen 10 bis 40% a n g e n o m m e n werden, die hierdurch bedingte postoperative Letalität schwankt zwischen 0,2 bis 2 % .

Postoperativ in 10-40% vorkommend Postoperative Letalität 0,2-2%

Ätiologie Thromben stammen zu 85-90% aus den tiefen Beinvenen.

Begünstigende Faktoren: - venöse Stase

- Venenwandschädigung - Blutgerinnungsstörung

Ätiologie Die T h r o m b e n s t a m m e n hauptsächlich aus dem Einzugsgebiet der unteren Hohlvene, besonders von T h r o m b o s e n in den tiefen Beinvenen. Seltener (maximal 10 bis 15%) k o m m e n die T h r o m b e n aus dem Gebiet der o b e r e n Hohlvene oder d e m rechten H e r z e n . Faktoren, die die Entstehung von Thromben begünstigen, sind: - Venöse Stase (Immobilisation, Varizen, postthrombotisches Syndrom, Herzinsuffizienz, Kompression der Venen u.a.). - Schädigung der Venenwand (Phlebitis, T r a u m a u. a.) - Störungen der Blutgerinnung (Thromboplastinfreisetzung besonders durch operative Eingriffe,

Krankheiten des Lungenkreislaufs

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Thrombozytose, Hyperfibrinogenämie, Fibrinolysehemmung z.B. durch Kortikosteroide oder Ovulationshemmer, erworbener oder angeborener Antithrombin-III-Mangel, Hyperviskosität u.a.). Pathogenese und Pathophysiologie Die Embolisation von Thromben in die Lungenarterien behindert dort die Durchblutung, was bei der massiven Embolie (mehr als 50% des Gefäßbettes) zum akuten Cor pulmonale mit tödlichem Ausgang führen kann. Aber auch kleinere Embolien vermögen durch Freisetzung von Mediatoren, die zu einer Gefäß- und Bronchuskonstriktion führen, eine pulmonale Hypertonie auszulösen. Gleichzeitig kann durch die Verminderung des Herzzeitvolumens eine systemische Hypotonie bis zum Schock (fulminante Embolie) ausgelöst werden. Daneben entwickeln sich abhängig vom Ausmaß der Embolie eine Vergrößerung des funktionellen Totraumes (erhöhter arterio-alveolärer C 0 2 Druckgradient) und eine Diffusionsstörung mit partieller respiratorischer Insuffizienz (Hypoxämie). Die Gegenregulation wird durch eine Katecholaminausschüttung in Gang gesetzt. Danach setzten Reparationsvorgänge mit Auflösung, Retraktion und Organisation des Thrombus ein, so daß sich in unterschiedlicher Zeit die Druckverhältnisse wieder normalisieren können. In den meisten Fällen erfolgt die Versorgung des distal gelegenen Lungenareals über bronchopulmonale Anastomosen, so daß die Häufigkeit von kompletten hämorrhagischen Lungeninfarkten mit Nekrosen kleiner als 10% ist. Sie treten vermehrt bei gleichzeitigen, kardial bedingten Behinderungen des Abflusses (postkapilläre Hypertonie) und bei nur distalem Pulmonalarterienverschluß (kleine bzw. submassive Embolien) auf. Sie führen zu Hämoptysen und Beteiligung der Pleura in Form einer trockenen Pleuritis oder eines Pleuraergusses. Klinik Die klinischen Manifestationen können zwischen fast normalem Verhalten und schweren Schockerscheinungen, abhängig vom Ausmaß der Embolie und von den vorbestehenden Herz-Lungen-Krankheiten, variieren. Bei kleineren Embolien (Schweregrad I mit Verlegung peripherer Gefäße) zeigen sich häufig nur kurzfristig eine Tachykardie, eine Tachypnoe und/oder ein Temperaturanstieg, begleitet von einem Angstgefühl und evtl. gefolgt von kleineren Hämoptysen und atemabhängigen umschriebenen Thoraxschmerzen mit Pleurareiben infolge einer trockenen Pleuritis. Bei submassiven Embolien (Schweregrad II mit Verlegung von Segmentarterien) sind die Symptome ausgeprägter und länger anhaltend. Neben deutlicher Atemnot und einer leichten Zyanose infolge POi-Abfalls können sich schon ein geringer Blutdruckanstieg und eine geringe pulmonale Hypertonie zeigen. Bei der massiven Embolie (Schweregrad III mit Verlegung von Lappenarterien bzw. Ästen der Arteria pulmonalis) machen sich bereits eine Ruhedyspnoe, eine stärkere Zyanose, Tachykardie und Herzrhythmusstörungen, Synkopen, starke Schmerzen und evtl. Hämoptysen, Unruhe und Schwitzen bemerkbar. Der systemische Blutdruck fällt ab, der pulmonale Druck steigt an. Bei der fulminanten Embolie (Schweregrad IV mit Verlegung mindestens eines Stammes der Arteria pulmonalis) kommen noch die Zeichen des ausgeprägten Schocks hinzu mit erheblichem Abfall von Blutdruck und P 0 2 sowie starker pulmonaler Hypertonie. Die Zeichen der akuten Rechtsherzbelastung mit betontem zweiten Herzton über der Pulmonalklappe, Galopprhythmen, Venenstauung u.a. treten entsprechend unterschiedlich hervor. Bei rezidivierenden kleinen Embolien kann sich lediglich eine allmählich zunehmende Atemnot unter Belastung mit Entwicklung eines chronischen Cor pulmonale zeigen. Klinische Hinweise auf eine manifeste Thrombose oder Thrombophlebitis der tiefen Beinvenen finden sich nur bei 10 bis maximal 50% der Lungenemboliepatienten.

Pathogenese, Pathophysiologie Massive Embolie ( > 50% der Gefäße) -> akutes Cor pulmonale mit hoher Letalität Abnahme des Herzzeitvolumens bis zum Schock

Hypoxämie Reparationsvorgänge in unterschiedlichen Zeiträumen, bis zur Normalisierung

Hämorrhagische Infarkte

Antikoagulation (zunächst mit Heparin, fortgesetzt mit CumarinPräparaten) Fibrinolyse (Streptokinase, Urokinase, Plasmininaktivatoren) Embolektomie (Notembolektomie nach Trendelenburg, Herz-Lungen-Maschine). Hinzu kommen symptomatische Maßnahmen wie 0 2 -Zufuhr, RespiratorBeatmung, Gabe von Katecholaminen, Digitalis, Analgetika. Sedativa, Bronchospasmolytika, Antibiotika u.a. Die Indikation zur Art der Therapie richtet sich nach dem Schweregrad der Embolie, nach den Kontraindikationen, nach den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und nach der Wahrscheinlichkeit der Diagnose. Eine Notembolektomie dürfte nur bei der fulminanten Embolie mit Herzstillstand in Betracht kommen.

Kausale Möglichkeiten

- Symptomatisch

Kriterien zur Therapie

- Notembolektomie

III Krankheiten der Atmungsorgane

308 -

Embolektomie

-

Fibrinolyse

Frühzeitiger Beginn bei ausreichender klinischer Wahrscheinlichkeit

• Heparinisierung

Orale Antikoagulation

Rezidivprophylaxe

Prognose unterschiedlich

< 10% tödlich

Embolien anderer Ursache

Eine Embolektomie unter extrakorporaler Zirkulation ist bei massiver Lungenembolie indiziert, bei welcher sich ein Schockzustand durch entsprechende M a ß n a h m e n nicht bessern läßt o d e r bei welcher eine Fibrinolyse absolut kontraindiziert ist. Eine Fibrinolyse, die eine Z e r s t ö r u n g des T h r o m b u s , eine G e r i n n u n g s h e m m u n g und Viskositätsverminderung bewirkt, ist sicher bei der massiven Lungenembolie bei fehlenden absoluten Kontraindikationen, bei der submassiven Lungenembolie bei Fehlen relativer Kontraindikationen angezeigt. Mit d e m Beginn sollte bei ausreichender Wahrscheinlichkeit einer Embolie nicht gezögert w e r d e n , die weitere diagnostische Sicherung kann w ä h r e n d der B e h a n d l u n g v o r g e n o m m e n werden (Dosierung: Initial 250000 Ε über 20 Minuten, anschließend 100000 Ε pro Stunde unter Kontrolle der Plasmothrombinzeit, die um das Zwei- bis Dreifache verlängert werden sollte, und des Fibrinogengehaltes, der auf 100 mg/100 ml abfallen sollte. Bei der fulminanten Embolie kann eventuell mit sehr hoher Dosis von 1000 000 Ε Streptokinase o d e r Urokinase eine sofortige Fibrinolyse versucht werden. Bei weniger wahrscheinlicher Diagnose und bei klinisch geringerem Ausm a ß sollte zunächst die Antikoagulation mit Heparin eingeleitet und abhängig vom festgestellten A u s m a ß der Lungenembolie die fibrinolytische B e h a n d l u n g ergänzt werden. Bei den kleinen Lungenembolien genügt die Antikoagulation möglichst mit kontinuierlicher intravenöser G a b e (20000 bis 30000 Ε pro die) nach vorangegangenem Bolus (10000 E ) unter Kontrolle der Thrombinzeit, die etwa um das D o p p e l t e verlängert werden sollte. Die Antikoagulation mit Heparin wird auch nach der Fibrinolyse und operativen E m b o l e k t o m i e eingeleitet. Sie ist nach wenigen (etwa 5) Tagen durch überlappende Gabe von oralen Antikoagulantien (Cumarinderivate u n t e r Kontrolle der Thromboplastinzeit, die unter 20% des N o r m w e r t e s liegen sollte) o d e r bei Kontraindikationen durch eine „Low-dose"-Heparin-Gabe subkutan f ü r 6 bis 12 M o n a t e fortzusetzen. Bei d r o h e n d e n weiteren Embolierezidiven m u ß nach entsprechender phlebographischer Darstellung eine Unterbrechung der unteren Hohlvene (transvenöse Schirmfilterimplantation, Ligatur o d e r Plikatur der Cava inferior) in Betracht gezogen werden, insbesondere bei vorliegender Kontraindikation gegen Fibrinolyse und/oder Antikoagulation. Prognose D i e Prognose hängt stark vom A u s m a ß der Embolie, von einem vorbesteh e n d e n kardiopulmonalen Risiko und von A r t und Z e i t p u n k t der T h e r a p i e ab. Bei fulminanter Embolie sterben mehr als 80% innerhalb der ersten Stunde. Bei massiver Embolie und manifestem Schock beträgt die Letalität trotz Fibrinolyse 60 bis 7 0 % , bei E m b o l e k t o m i e u n t e r extrakorporaler Zirkulation dagegen unter 50%. Insgesamt verlaufen aber weniger als 10% der Embolien tödlich. Entscheidend sind prophylaktische Maßnahmen, die erneuten Lungenembolien bei b e s t e h e n d e r o d e r d r o h e n d e r V e n e n t h r o m b o s e entgegenwirken (Low-dose-Heparin, orale Antikoagulantien, niedermolekulares Dextran).

6.2.2 Embolien anderer Ursache A n d e r e Ursachen f ü r Embolien sind Luftembolien (z.B. bei negativem venösem Druck, iatrogen bei versuchten P n e u m o t h o r a x f ü l l u n g e n ) , Fettembolien (besonders nach F r a k t u r e n der langen R ö h r e n k n o c h e n o d e r nach Lymphangiographie mit öligen Kontrastmitteln), Fruchtwasserembolien (postpartal), Tumorembolien (bei Einbruch in das Venensystem, z.B. H y p e r n e p h r o m ) , septische Embolien (besonders bei D r o g e n a b h ä n g i g e n ) , E m b o l i e n durch Fremdkörper (z.B. Venen- o d e r Herzkatheter, Quecksilbersuizid, Drogenabusus). Die Diagnose läßt sich in der Regel aufgrund der U m s t ä n d e stellen, die T h e r a p i e ist im wesentlichen symptomatisch, bei

Krankheiten der Pleura

309

Luftembolien evtl. Überdruckkammer, bei Fremdkörpern evtl. operative Entfernung.

6.3 Pulmonale arteriovenöse Fisteln Definition: Unter arteriovenösen Fisteln werden die seltenen anomalen Verbindungen zwischen den Lungenarterien und den Lungenvenen verstanden, in seltenen Fällen kommt der zuführende Schenkel auch von Bronchial- und anderen systemischen Arterien. Ätiologie: Ätiologisch sind angeborene (entweder multilokular im Rahmen der hereditären Teleangiektasie [Osler-Rendu-Weber-Krankheit] oder isoliert) und erworbene (durch Trauma, Tumor, chronische Leberzirrhose, Schistosomiasis u.a.) av-Fisteln bekannt. Klinik: Meist handelt es sich um eine Zufallsentdeckung auf dem Röntgenbild des Thorax. Je nach Größe der Fistel besteht wegen des Rechts-LinksShunts eine Hypoxämie, die auch eine Atemnot verursachen kann. In der Regel finden sich hier auch Zyanose und Trommelschlegelfinger. Charakteristisch ist ein extrakardiales Geräusch, welches während der Inspiration lauter wird. Im Röntgenbild findet sich entweder eine rundherd- oder traubenartige Veränderung mit zuführenden Gefäßen, die sich besonders tomographisch und angiographisch darstellen lassen. Unter Durchleuchtung ist meist eine Pulsation zu erkennen. Komplikationen sind in etwa 10% Blutungen in den Bronchus (Hämoptysen) oder in die Pleura (Hämatothorax). Thrombosierungen der Fisteln sind nicht selten, sie können in 10% zerebrale Embolien auslösen. Differentialdiagnostisch sind alle lokalisierten Veränderungen der Lunge auszuschließen. Die Zyanose und das Fistelgeräusch dürfen nicht zur Verwechslung mit Herzfehlern führen. Die Behandlung besteht in der chirurgischen Entfernung unter Schonung des Lungengewebes, präoperativ sollten aber multiple av-Fisteln durch Angiographie ausgeschlossen werden. Auch eine Katheterembolisation ist in Einzelfällen erfolgversprechend. Der Verlauf ist bei nicht-operierten av-Fisteln unterschiedlich. Etwa die Hälfte bleibt stabil, die andere Hälfte wird größer (häufiger bei multiplen av-Fisteln).

Pulmonale arteriovenöse Fisteln

Ätiologie - angeboren (isoliert oder multipel) - erworben Klinik - oft Zufallsentdeckung - Hypoxämie wegen Rechts-Links-Shunt - Zyanose und Trommelschlegelfinger

- Röntgen Komplikationen: - Hämoptysen - Hämatothorax - Hirnembolien

Operative Entfernung Alternativ in Einzelfällen Katheterembolisation Unterschiedlicher Verlauf

7 Krankheiten der Pleura

Krankheiten der Pleura

Die Pleurahöhle ist der kapilläre, wenige Millimeter seröse Flüssigkeit enthaltende Spalt zwischen den beiden Pleurablättern (Pleura visceralis und Pleura parietalis). Hierdurch wird die Verschieblichkeit zwischen Lunge und Brustwand während der Atmung gewährleistet („Gelenkfunktion"). Bei einer Vielzahl von Krankheiten ist die Pleura sekundär mitbetroffen, primäre Krankheiten der Pleura sind dagegen seltener.

Primäre Pleurakrankheiten sind seltener, jedoch ist sekundäre Beteiligung häufig.

7.1 Pleuraergüsse

Pleuraergüsse

Definition Ein Pleuraerguß liegt vor, wenn sich im Pleuraraum vermehrt Flüssigkeit befindet. Ist die Pleura selbst normal, entwickelt sich ein transsudativer Erguß, ist die Pleura dagegen pathologisch verändert, ein exsudativer Erguß.

Definitionen Vermehrte Flüssigkeit im Pleuraraum

Epidemiologie, Ätiologie Schätzungsweise liegt bei 10% aller Patienten eines gemischten internistischen stationären Krankengutes ein Pleuraerguß vor. Die jährliche Inzidenz in den USA wird auf 1,35 Millionen Fälle geschätzt.

Epidemiologie, Aetiologie

Transsudat Exsudat

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- 30-40% kardial - 20-30% infektiös - 10-20% tumorös - 5-10% postinfarziell - 10-20% andere Ursachen Tuberkulose immer seltener

Iii Krankheiten der Atmungsorgane A m häufigsten sind die kardial bedingten Ergüsse mit einem Anteil von etwa 30 bis 40%, gefolgt von Ergüssen im Rahmen einer bakteriellen oder viralen Lungenentzündung (20-30%), im Rahmen von Tumoren (10-20%) und nach Lungeninfarkten (5-10%). Das sehr große Spektrum der weiteren Ursachen ist dagegen nur für etwa 10 bis 20% der Ergüsse verantwortlich. Die früher bei jungen Menschen so häufige tuberkulöse Pleuritis wird immer seltener. Längst ist es nicht mehr gerechtfertigt, bei ungeklärter Ätiologie eines Exsudates eine antituberkulöse Therapie einzuleiten.

Pathogenese Mißverhältnis zwischen Produktion und Resorption Bei Transsudaten (mit normaler Pleura) - Erhöhung des hydrostatischen Drucks oder - Verminderung des kolloidosmotischen Drucks Gesamteiweiß < 30 g/l Bei Exsudaten (mit veränderter Pleura) - Diffuse Erhöhung der Kapillarpermeabi lität - Lokalisierte Schädigungen oder - Resorptionsstörungen Gesamteiweiß > 30 g/l Pathophysiologic - Restriktive Ventilationsstörung - Durchblutungsminderung

- Respiratorische Insuffizienz unter Belastung

Klinik Leitsymptome - Atemnot - Thoraxschmerz - Husten Atemnot durch - Grundkrankheit und/oder - Erguß Thoraxschmerz durch - fibrinöse Pleuritis oder - Grundkrankheit (Tumor, Trauma u.a.) - Husten durch Lungengrundkrankheit

Pathogenese Für die Entstehung von Pleuraergüssen kommen mehrere pathologische Mechanismen in Frage, die alle das Gleichgewicht zwischen Ergußbildung und -rückresorption stören. Bei den transsudativen Ergüssen, bei denen die Pleura selbst normal ist, liegt ursächlich entweder eine Erhöhung des hydrostatischen Druckes (ζ. B. Herzinsuffizienz) oder eine Verminderung des kolloidosmotischen Drukkes im Gefäßsystem (z.B. Hypoproteinämie) vor (Gesamteiweiß < 30 g/l). Bei den exsudativen Ergüssen, bei denen ursächlich die Pleura pathologisch verändert ist, kommt es hauptsächlich wegen einer diffus erhöhten Kapillarpermeabilität zu einem verstärkten Übertritt von Flüssigkeit und anderen Bestandteilen in den Pleuraraum. Weitere Ursachen liegen in lokalisierten Rupturen von Blutgefäßen (Hämatothorax), Lymphgefäßen (Chylothorax), Lungenabszessen, Ösophagus u.a. oder in einer Resorptionsstörung (z.B. Lymphstau) (Gesamteiweiß>30 g/l). Pathophysiologic Abhängig von der Menge des Pleuraergusses und der Art der ursächlichen Erkrankung liegt funktionell eine restriktive Ventilationsstörung mäßigen bis mittelgradigen Ausmaßes vor. Im Perfusionsszintigramm zeigt sich eine entsprechende Minderung der Lungendurchblutung, die bei ausgedehntem Erguß auf der betroffenen Seite fast völlig aufgehoben sein kann. Der Erguß allein führt in der Regel in Ruhe zu keiner respiratorischen Insuffizienz. Diese kann sich aber unter körperlicher Belastung deutlich bemerkbar machen. Bei pleuritischen Schmerzen wird die betroffene Seite reflektorisch geschont, so daß sich auch hier zusätzlich eine Atemnot bemerkbar machen kann. Die arterielle Blutgasanalyse bleibt bei alleinigem Pleuraerguß in der Regel weitgehend normal. Klinik Entsprechend der jeweiligen Grundkrankheit stehen ein oder mehrere Symptome der Trias Atemnot, Thoraxschmerz oder Husten im Vordergrund. Die Atemnot wird entweder durch den Erguß selbst in Abhängigkeit von der Menge hervorgerufen und/oder durch die Grundkrankheit, z.B. Herzinsuffizienz oder Pneumonie. Thoraxschmerzen sind entweder Folge einer fibrinösen Pleuritis, wobei der Schmerz bei Ergußausbildung abnimmt, oder der Grundkrankheit, ζ. B. Tumorinfiltration der Brustwand (unabhängig vom Vorhandensein eines Ergusses) oder Rippenfrakturen. Husten und Auswurf sind in der Regel durch eine primäre Lungenerkrankung bedingt, z.B. Lungenentzündung, Lungeninfarkt, Bronchialkarzinom.

Krankheiten der Pleura

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Diagnostik • Nachweis von E r g u ß (Tab. III-18) Ein Pleuraerguß ist in der Regel durch Perkussion erst ab 300 bis 400 ml festzustellen. Z u m Nachweis auf der Röntgen-Thoraxübersicht sind mindestens 200 bis 300 ml notwendig. Kleinere Mengen lassen sich durch A u f n a h m e in Seitenlagerung (Ergußseite nach unten) o d e r unter Durchleuchtung (Kopftieflage) e r k e n n e n (Abb.III-22). Die Computertomographie erfaßt früh auch kleine Ergüsse, zusätzlich hilft sie bei der Differenzierung zwischen intrapleuralen und intrapulmonalen Verschattungen. Die Sonographie eignet sich in hohem M a ß e zur Ergußdiagnostik, da sie auch M e n g e n unter 100 ml aufdeckt und wenig aufwendig ist.

Diagnostik · Nachweis von Erguß

Tabelle 111-18 Techniken zur Feststellung eines Pleuraergusses Technik

Minimale Ergußmenge (ml)

Perkussion

300-400

Röntgen-Thoraxübersicht Röntgen in Seitlagerung (oder Durchleuchtung) Computertomographie

200-300

Sonographie

< 100

|

Grenze bei 30 g/1. Weitere Differenzierungskriterien s. Tab. 111-19

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III Krankheiten der Atmungsorgane Tabelle III-13 Differenzierung zwischen Transsudat und Exsudat

Pleurabiopsie - durch Pleurastanzbiopsieoder - vorzugsweise Thorakoskopie mit hoher Sensitivität und Spezifität bei ma lignen und tuberkulösen Ergüssen.

Parameter

Transsudat

Exsudat

Gesamteiweiß (GE) GE-Pleura/GE-Serum Spezifisches Gewicht Laktatdehydrogenase (LDH) LDH-Pleura/LDH-Serum Leukozytenzahl Erythrozytenzahl Prostaglandin Aussehen

< 30 g/l 0,5 > 1016 > 200 U/l >0,6 > 1000/ml > 10000/ml > 50 pg/ml dunkel

T h e r a p i e (Pseudoexsudat) und bei Exsudaten gelegentlich auch unterhalb 30 g/1 beträgt, ist der Vergleich mit dem Serumeiweiß notwendig, auch die Bestimmung der L D H hilft im Zweifelsfall weiter (Tab.III-19). • Pleurabiopsie K a n n aus der Untersuchung der Pleuraflüssigkeit die D i a g n o s e nicht gestellt werden, sind eine blinde Plcurastanzbiopsie o d e r die aussagekräftigere Thorakoskopie indiziert. Die T h o r a k o s k o p i e kann mit h o h e r Sicherheit eine maligne oder tuberkulöse Ätiologie eines Pleuraexsudates beweisen oder ausschließen.

Differentialdiagnostik

mit Hilfe von CT und ggf. Punktion

Therapie Möglichst ursächlich, oft aber nur sym ptomatisch.

Transsudate Meist kardial Linksherzinsuffizienz und/oder Rechtsherzinsuffizienz.

Gelegentlich Pseudotumor!

Leberzirrhose

Meigs-Syndrom. Peritonealdialyse. Nephrotisches Syndrom.

Differentialdiagnostik Ergußverschattungen sind vor allem abzugrenzen gegenüber Pleuraschwarten, Zwerchfellhochstand, Zwerchfellhernien, Pleurazysten und intrapulmonalen T u m o r e n . B e s o n d e r e Schwierigkeiten k ö n n e n hierbei infrapulmonale, interlobäre, mediastinale und abgekapselte Ergüsse bereiten. Mit Hilfe der C o m p u t e r t o m o g r a p h i e und ggf. der gezielten Punktion gelingt in der Regel die Abgrenzung. Therapie Die Ätiologie des Pleuraergusses bestimmt den einzuschlagenden Therapieweg. In erster Linie sollte die Ursache beseitigt werden, oft ist jedoch nur eine symptomatische B e h a n d l u n g möglich (Einzelheiten bei den jeweiligen Krankheiten). Transsudate Die Herzinsuffizienz ist häufigste Ursache f ü r ein Transsudat. D e r E r g u ß ist in der Regel bilateral, wenn unilateral, vorzugsweise rechts. Ursächlich k ö n n e n sowohl eine Linksherzinsuffizienz mit verstärkter Flüssigkeitsfiltration über die viscerale Pleura infolge e r h ö h t e m pulmonalen Kapillardruck als auch eine Rechtsherzinsuffizienz mit B e h i n d e r u n g vorwiegend der Lymphdrainage ü b e r die parietale Pleura sein. Gelegentlich bildet sich ein interlobärer Erguß, der nicht mit einem Tumor verwechselt werden darf ( P s e u d o t u m o r ) . U n t e r kardialer R e k o m p e n s a t i o n bildet sich der E r g u ß zurück. Bei der Leberzirrhose tritt in 5 bis 6% ein E r g u ß , überwiegend als Folge des transdiaphragmalen Übertritts von Aszites, gelegentlich als Folge der Hypalbuminämie auf. In mehr als 2 / 3 der Fälle ist d e r E r g u ß rechtsseitig, in den restlichen Fällen linksseitig oder bilateral. Das seltene Meigs-Syndrom bei gutartigen Ovarial- oder U t e r u s t u m o r e n ist ebenfalls verursacht durch Übertritt von Flüssigkeit aus dem A b d o m e n . Das gleiche gilt f ü r Pleuraergüsse unter Peritonealdialyse. Beim nephrotischen Syndrom mit H y p a l b u m i n ä m i e zeigen sich die Pleuraergüsse meist bilateral. Bei der akuten Glomerulonephritis ist verantwort-

Krankheiten der Pleura lieh die Hypervolämie und die dadurch bedingte Erhöhung des Kapillardruckes. Eine seltene Ursache ist die Verlegung der Harnabflußwege, wobei die Serumkreatininwerte im Erguß erheblich überschritten werden (Urinothorax). Bei der urämischen Pleuritis findet sich dagegen meist ein Exsudat. Ein Transsudat kann auch als Begleiterguß bei verschiedenen intrathorakalen Tumoren auftreten. Die Abgrenzung hat therapeutische und prognostische Bedeutung (siehe maligne Pleuraergüsse). In 30 bis 40% wird eine Lungenembolie von einem Pleuraerguß begleitet, meist liegt jedoch ein Exsudat vor. Pleuraergüsse beim Myxödem treten gewöhnlich gemeinsam mit einem Perikarderguß auf. Beide bilden sich unter einer Hormonbehandlung zurück.

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Begleiterguß bei Tumoren Lungenembolie Myxödem

Exsudate

Exsudate

1. Infektiös In 40% der bakteriellen Pneumonien entwickeln sich sogenannte parapneumonische Pleuraergüsse.

1. Infektiös Bei bakteriellen Pneumonien in 40% (parapneumonisch)

Die Wahrscheinlichkeit ist umso größer, je länger unbehandelt die Pneumonie ist. Hält Fieber nach Einleitung einer antibiotischen Therapie mehr als 48 Stunden an, muß der Verdacht auf einen komplizierenden parapneumonischen Erguß geäußert werden. Unterschieden wird zwischen dem anfänglichen exsudativen, dem späteren fibropurulenten Stadium und dem Empyem. Letzteres kann eine dramatische Notfallsituation mit heftigen Schmerzen, septischen Temperaturen und Schocksymptomatik darstellen. Diagnostisch sollte eine Pleurapunktion durchgeführt werden. Ergibt sich dabei der Verdacht auf ein Empyem (eitriges Aussehen, fötider Geruch, Bakteriennachweis, niedrige Glukose, niedriger pH-Wert), sollte eine intrapleurale Drainage-Therapie eingeleitet werden (indiziert etwa in 10% aller parapneumonischen Ergüsse). Die lokale Behandlung erfolgt durch regelmäßige Spülungen mit oder ohne Zusatz von Antibiotika. Operative Verfahren wie die offene Drainage oder die Dekortikation sind selten bei Versagen der kombinierten systemischen Antibiotika-Behandlung und der lokalen Drainage notwendig. Die Sonderform der tuberkulösen Pleuritis ist heute seltener geworden. Sie ist früher besonders eine Erkrankung von jungen Menschen im Alter zwischen 20-40 Jahren gewesen, heute verschiebt sich das Auftreten häufig in die Altersgruppe über 70 Jahre. Der Beginn kann sowohl akut mit hohen Temperaturen als auch chronisch mit allmählich zunehmender Luftnot und Gewichtsabnahme sein. Der Erguß ist in der Regel lymphozytär, in den frühen Stadien jedoch auch vermehrt granulozytär. Ein niedriger Glukosewert findet sich in etwa einem Drittel der Fälle. Die Diagnose sollte bioptisch-histologisch durch blinde Pleurastanzbiopsie oder Thorakoskopie erfolgen. Der kulturelle Nachweis aus dem Erguß gelingt nur in etwa einem Drittel der Fälle. Die Behandlung erfolgt mit einer kombinierten Chemotherapie entsprechend dem Vorgehen bei der Lungentuberkulose. Eine funktionell stark beeinträchtigende Pleuraschwarte mit Indikation zur Dekortikation ist hierunter selten geworden. Bei Virusinfektionen und Infektionen mit Mykoplasmen und Rickettsien liegen in etwa 20% der Pneumonien kleinere Pleuraergüsse vor. Diese sind insbesondere differentialdiagnostisch von Bedeutung. Pleuraergüsse durch Pilzinfektionen oder bei Parasitosen sind selten, jedoch sollte bei ätiologisch unklaren entzündlichen Ergüssen hiernach gesucht werden.

Exsudatives Stadium Fibropurulentes Stadium Empyem Empyem-Diagnose durch Punktion: - eitriges Aussehen - fötider Geruch - Glukose und pH niedrig - Bakteriennachweis Empyem-Therapie durch Drainage inklusive Spülungen

Tuberkulöse Pleuritis

Akuter oder allmählicher Beginn

Diagnose bioptisch Kombinierte Chemotherapie wie bei Lungentuberkulose

314 2. Maligne Pleuraergüsse Führend - beim Mann Bronchialkarzinome - bei der Frau Mammakarzinome

ill Krankheiten der Atmungsorgane 2. Maligne Pleuraergüsse Das Bronchialkarzinom beim M a n n und das Mammakarzinom bei der Frau sind f ü h r e n d e Ursachen f ü r die malignen Pleuraergüsse, j e d o c h k ö n n e n prinzipiell alle malignen Tumoren Metastasen in die Pleura setzen. Diagnostisch wichtig sind die Vorgeschichte mit f r ü h e r e n T u m o r k r a n k heiten sowie die Suche nach weiteren Metastasen bzw. nach einem noch u n b e k a n n t e n Primärtumor.

Malignes Pleuramesotheliom oft mit Asbestexposition von Jahrzehnten

Beim primären diffusen malignen Pleuramesotheliom ist oft eine berufliche Exposition gegenüber Asbest bekannt, wobei die Latenzzeit mehrere Jahrzehnte betragen kann. Charakteristisch ist hier der b o h r e n d e thorakale Schmerz, der bei E r g u ß z u n a h m e nicht nachläßt.

Diagnose

- Zytologie in 50-80% positiv

- Vorteile der Thorakoskopie

Therapie Pleurodese (ζ. B. Tetrazyklin-HCI)

D i e malignen Ergüsse k ö n n e n hämorrhagisch aussehen. Hauptsächlich werden sie durch die Zytologie diagnostiziert. Tumormarker wie C E A und a n d e r e spielen eine z u n e h m e n d e Rolle, allerdings ist die Spezifität heute noch oft eingeschränkt. Die Sensitivität der zytologischen U n t e r s u c h u n g liegt abhängig vom Tumortyp zwischen 50 u n d 80%. Die C h r o m o s o m e n a n a l y s e und die ImpulsZ y t o p h o t o m e t r i e h a b e n bei den lymphatischen T u m o r e n T r e f f e r q u o t e n u m 70 bis 9 0 % . Pleurabiopsien mit blinder Pleurastanzbiopsie o d e r besser durch Thorakoskopie ermöglichen eine zusätzliche histologische Klassifikation, a u ß e r d e m ein lokales Staging beim Bronchialkarzinom und beim diffusen Pleuramesotheliom sowie die Materialgewinnung f ü r eine Hormonrezeptorenbestimmung beim M a m m a k a r z i n o m . A u c h ist so die Abgrenzung gegenüber Begleitergüssen sicher durchführbar. Die Therapie der malignen Pleuraergüsse erfolgt je nach Ätiologie, A u s d e h n u n g und Z u s t a n d des Patienten mit lokalen und/oder systemischen Maßnahmen (Tab. 111-20). Als wichtigstes Verfahren hat sich die Pleurodesebehandlung mit einer Kombination von Pleuradrainage und Einbringung von pleuraverödenden Substanzen (z.B. Tetrazyklin-HCI) bewährt. In t h e r a p i e r e f r a k t ä r e n Fällen kann eine Pleurektomie indiziert sein.

Tabelle III-20 Therapie der malignen Pleuraergüsse • systemisch 1. Hormone (Mamma, Prostata) 2. Zytostatika (kleinzelliges Bronchialkarzinom, Lymphome, Mammakarzinom u.a.) • lokal 1. Entlastungspunktion (zur Frage der Symptomverbesserung bzw. [präfinal] palliativ) 2. Pleuradrainage (allein nicht sehr effektiv) 3. Drainage plus Pleurodese (z.B. Tetrazyklin-HCI) 4. Bestrahlung (besonders der mediastinalen Lymphknoten) 5. Pleurektomie (bei Versagen von 3. und/oder 4. und relativ gutem Allgemeinzustand) 6. Pleuropneumonektomie (diffuses Mesotheliom)

3. Vaskulär Lungeninfarkt

Oft blutig

3. Vaskulär Beim Lungeninfarkt ist der E r g u ß uncharakteristisch: Es kann sich sowohl um ein Exsudat als auch um ein Transsudat handeln. Häufig ist er blutig o d e r blutig tingiert. Ein blutiger E r g u ß durch Blutung aus Kollateralen bei d e r Leberzirrhose ist sehr selten.

Krankheiten der Pleura 4. Autoimmunkrankheiten Im Rahmen von Autoimmunkrankheiten treten häufig Pleuraergüsse auf, besonders bei der rheumatoiden Arthritis und dem systemischen Lupus erythematodes. Diagnostisch hinweisend sind ein niedriger Glukosegehalt, ein niedriger pH-Wert, erhöhte LDH-Werte u. a.

315 4. Autoimmun Besonders bei rheumatoider Arthritis und systemischem Lupus erythematodes

Niedriger Glukosegehalt

Differentialdiagnostisch muß hier besonders an Komplikationen der Grundkrankheit wie Herzinsuffizienz, Pneumonie oder tuberkulösen Erguß unter immunsuppressiver Therapie gedacht werden. Die Behandlung erfolgt im Rahmen der Grundkrankheit. 5. Abdominale Ursachen Die akute Pankreatitis wird in 20% von einem Pleuraerguß begleitet, der in der Regel linksseitig ist. Die Amylasewerte im Erguß sind meist höher als im Serum. Bei persistierendem Erguß muß an einen Pankreasabszeß oder an eine Pseudozyste gedacht werden. Differentialdiagnostisch ist eine Ösophagusperforation mit erhöhten Speichelaniylasen von Bedeutung. 50% der subphrenischen Abszesse gehen mit einem Pleuraerguß einher, wobei die thorakalen Symptome Uberwiegen können. Ein galliger Erguß bei Gallensteinperforation in die Pleura ist extrem selten (Cholothorax). Die Endometriose führt zu einem blutigen Erguß.

5. Abdominal Pankreatitis Amylase höher als im Serum

Subphrenischer Abszeß - Cholothorax - Endometriose

6. Traumatisch Nach Thoraxtraumen kann es zu Blutungen in die Pleurahöhle kommen (siehe Hämatothorax), in seltenen Fällen entwickelt sich ein Chylothorax. Nach Operationen im Thorax oder diaphragmanah im Abdomen ist differentialdiagnostisch an postoperative Lungeninfarkte, Pneumonien oder einen subphrenischen Abszeß zu denken. Ein Pneumothorax kann von einem Erguß begleitet werden.

6. Traumatisch Thoraxtrauma (s. Hämato- und Chylothorax)

7. Weitere Ursachen Weitere seltenere Ursachen für Exsudate sind eine urämische Pleuritis, ein Dressler-(Postinfarkt-)Syndrom, ein benigner Asbesterguß u.a. Ätiologisch ungeklärt bleiben etwa 10-20% aller Pleuraergüsse (idiopathisch). Nicht selten finden sich hierbei vermehrt Eosinophile im Erguß.

7. Weitere Ursachen 8. Idiopathisch in 10-20%, oft Eosinophilie

Hämatothorax Beim Hämatothorax beträgt der Hämatokrit mehr als die Hälfte des Blutwertes. Häufige Ursachen sind Traumen, Lungeninfarkte und Tumoren. Therapeutisch ist in der Regel eine Drainagebehandlung notwendig, bei Entwicklung einer Schwarte eine Dekortikation.

Hämatothorax, besonders bei - Trauma - Lungeninfarkt - Tumor Hämatokrit > 50% des Blutwertes

Chylothorax Beim Chylothorax tritt Chylus direkt in den Pleuraraum über. Je nach Lokalisation des Defektes im Ductus thoracicus findet er sich rechts, links oder beidseitig. Das Hauptsymptom ist die Atemnot, Thoraxschmerzen sind selten. In der Regel sieht der Erguß milchig-weiß aus, besonders nach fettigen Mahlzeiten. Ein Triglyzeridgehalt über 110 mg/dl ist beweisend. Hauptursache in mehr als der Hälfte der Fälle ist ein Tumorleiden (besonders maligne Lymphome). Ein Viertel ist Folge von Traumata, weitere 5% finden sich bei selteneren Krankheiten, 15% bleiben ätiologisch unklar. Die Therapie richtet sich nach der ursächlichen Krankheit. Kommt es immer wieder zum Nachlaufen, kann eine Pleurodese versucht werden, bei Versagen ist eine operative Unterbrechung des Ductus thoracicus notwendig.

Chylothorax

Postoperativ Pneumothorax begleitend

Milchig-weißes Aussehen (nicht obligat!) Triglyzeride> 110 mg/dl Ätiologie: - In 50% Tumoren (besonders maligne Lymphome) - in 25% Traumata - in 5% seltenere Krankheiten - in 15% idiopathisch Therapie - Pleurodese - operative Unterbrechung des Ductus thoracicus

III Krankheiten der A t m ungsorgane

316 Pneumothorax Definition Ansammlung von Luft zwischen den Pleurablättern

- Spontanpneumothorax - Traumatischer Pneumothorax

Inzidenz: 5-46/100000/Jahr beim Spontanpneumothorax. Traumatisch noch höher (inklusive iatrogen). Ätiologie und Pathogenese Spontanpneumothorax: - primär (idiopathisch) - sekundär (symptomatisch)

Primär besonders bei großen, schlanken Männern zwischen 20 und 30 Jahren, sekundär zwischen 60 und 70 Jahren Sonderformen: - katamenial - neonatal

7.2 Pneumothorax Definition Ein P n e u m o t h o r a x liegt vor, wenn sich Luft zwischen den Pleurablättern ansammelt. D a d u r c h kommt es zu einem partiellen oder totalen Kollaps der Lunge. Die Luft tritt in der Regel aus der L u n g e über, k a n n aber auch durch die Brustwand, das Zwerchfell oder das Mediastinum in den Pleurar a u m eindringen. Z u unterscheiden ist zwischen einem Spontanpneumothorax, d e r ohne äußere Einwirkung auftritt, und einem traumatischen Pneumothorax als Folge ä u ß e r e r Einwirkungen. Epidemiologie D i e jährliche Inzidenz des Spontanpneumothorax liegt zwischen 5 bis 46 pro 100000 Einwohner, wobei das V o r k o m m e n der primären und sekundären F o r m e n etwa ausgeglichen ist. Die Zahl der traumatischen Pneumothoraces ist wahrscheinlich höher, da hierzu auch die iatrogen verursachten gerechnet werden müssen. Ätiologie und Pathogenese Z u m Spontanpneumothorax k o m m t es e n t w e d e r primär (idiopathisch), wobei nach anamnestischen, klinischen und röntgenologischen Kriterien die Lungen gesund sind, oder sekundär (symptomatisch) als Komplikation einer Lungenkrankheit (Tab. 111-21). Auch beim sogenannten idiopathischen P n e u m o t h o r a x findet sich noch meist bei genauer makroskopischer und mikroskopischer U n t e r s u c h u n g ein subpleuraler o d e r pleuraler D e f e k t , vorzugsweise in der Lungenspitze. Auffällig ist besonders, d a ß große und schlanke M ä n n e r bevorzugt betroffen sind. D e r Altersgipfel liegt zwischen 20 bis 30 J a h r e n (beim s e k u n d ä r e n Pneumothorax, dessen häufigste Ursache eine chronisch-obstruktive Lungenkrankheit ist, zwischen 60 bis 70 Jahren). S o n d e r f o r m e n sind der katameniale P n e u m o t h o r a x , der rezidivierend im Z u s a m m e n h a n g mit der Menstruation und meist rechtsseitig auftritt, und der neonatale S p o n t a n p n e u m o t h o r a x . Tabelle 111-21 Vorkommen des sekundären Spontanpneumothorax (symptomatisch bei primären Lungenkrankheiten)

Pathophysiologie

• Chronisch-obstruktive Lungenkrankheiten - Emphysem - Asthma - Bulla - Zysten - Zystische Fibrose u.a.

Lokalisierte Lungenkrankheiten - Abszeß - Kaverne - Eingeschmolzener Lungeninfarkt - Bronchialkarzinom - Metastasen - Echinokokkuszysten u.a.

• Diffuse Lungenkrankheiten - Interstitielle Pneumonie - Fibrose - Sarkoidose - Histiozytose X - Alveolarproteinose - Sklerodermie - Rheumalunge - Strahlenfibrose - Hämosiderose - Lymphangiomyomatose - Tuberöse Sklerose u.a.

Katamenial Neonatal

Pathophysiologic In Abhängigkeit vom A u s m a ß des P n e u m o t h o r a x kommt es zu einer A b n a h m e von Vitalkapazität und arteriellem P 0 2 .

317

Krankheiten der Pleura Beim sekundären Pneumothorax ist die Funktionsminderung in der Regel stärker ausgeprägt aufgrund der bereits vorliegenden Einschränkung durch die Grundkrankheit. Beim Spannungspneumothorax kann sich eine erhebliche respiratorische Insuffizienz entwickeln. Hierbei tritt inspiratorisch Luft in den Pleuraraum ein, verläßt diesen aber wegen eines Ventilmechanismus w ä h r e n d der Exspiration nicht. Somit steigt der intrapleurale Druck von A t e m z u g zu A t e m z u g an, was zu einer Verdrängung des Mediastinums mit Kompression der gesunden Seite führt (Abb. 111-23). Zusätzlich entwickelt sich eine kardiozirkulatorische Insuffizienz, da das Herzminutenvolumen infolge der B e h i n d e r u n g des venösen Rückstroms absinkt.

Abb. 111-23 Röntgen-Thoraxübersicht bei Spannungspneumothorax mit Verdrängung des Zwerchfells nach unten

Stärkere Funktionsstörung meist bei sekundärem Pneumothorax Spannungspneumothorax führt zu erheblicher respiratorischer Insuffizienz

rechts

Klinik F ü h r e n d e S y m p t o m e sind Atemnot, die plötzlich o d e r allmählich entsteht, gelegentlich auch ein kurzfristiger Schmerz sowie Husten. N u r in wenigen Fällen wird der P n e u m o t h o r a x zufällig entdeckt. Häufig ist bereits auf derselben, manchmal auch auf der anderen Thoraxseite, bereits ein P n e u m o t h o r a x vorausgegangen. Bei einem kompletten P n e u m o t h o r a x ist physikalisch ein deutlicher Unterschied im Vergleich zur nichtbetroffenen Seite vorhanden: der Klopfschall ist hypersonor, das Atemgeräusch ist leise bis aufgehoben, der Stimmfremitus abgeschwächt. Schwierig kann a b e r die Unterscheidung bei Vorliegen eines schweren E m p h y s e m s sein, da hier oft dieselben physikalischen P h ä n o m e n e auch auf der anderen Seite vorliegen. Gelegentlich ist bei einem kleinen linksseitigen P n e u m o t h o r a x ein mit d e m Herzschlag synchrones Geräusch auskultierbar (Hamman-Zeichen). Als Folge des P n e u m o t h o r a x kann auch Luft unter die Haut treten (Hautemphysem). D e r Verdacht auf einen S p a n n u n g s p n e u m o t h o r a x liegt nahe, wenn sich eine Tachykardie, eine H y p o t o n i e , eine Z y a n o s e und/oder ein elektromechanischer A l t e r n a n s im E K G ausbilden.

Klinik • Leitsymptom: Atemnot zusätzlich auch kurzfristiger Schmerz und Hustenreiz möglich

Kompletter Pneumothorax: hypersonorer Klopfschall leises Atemgeräusch

Schwierig bei Emphysem

Hamman-Zeichen Hautemphysem Bei Spannungspneumothorax auch kardiozirkulatorische Insuffizienzzeichen

318 Diagnostik Anamnese und Klinik häufig charakteristisch. Idiopathischer Spontanpneumothorax

Symptomatischer Spontanpneumothorax

Traumatischer Pneumothorax

Röntgenuntersuchung! Unterschiedliche Pneumothoraxgrößen

Spiegelbildung Computertomographie bei schwierigen Fällen (atypischer Pneumothorax) Thorakoskopie

Nützlich für Therapieplanung

III Krankheiten der Atmungsorgane Diagnostik Häufig sind A n a m n e s e und der körperliche U n t e r s u c h u n g s b e f u n d ausreichend hinweisend: Beim idiopathischen Spontanpneumothorax mit Bevorzugung junger, lept o s o m e r M ä n n e r ist oft ein P n e u m o t h o r a x schon vorausgegangen, der physikalische Befund ist meist eindeutig. Beim symptomatischen Spontanpneumothorax ist eine entsprechende G r u n d k r a n k h e i t meist b e k a n n t , die Diagnose ist oft a b e r erst röntgenologisch zu stellen, gelegentlich zeigen sich dann auch bereits intrapleurale H o h l r ä u m e als Ursache des P n e u m o t h o r a x . Beim traumatischen Pneumothorax sind vorangegangene Traumata inklusive iatrogener M a ß n a h m e n (Punktionen u. a.) in der Regel eindeutig. O f t fehlen zunächst Symptome, weshalb sich nach den entsprechenden Eingriffen eine röntgenologische Kontrolle empfiehlt. Wichtigstes diagnostisches Verfahren ist die Röntgenuntersuchung des Thorax, die auch die Größe des P n e u m o t h o r a x e r k e n n e n läßt. Man unterscheidet zwischen Spitzen-, Teil-, Mantel- und komplettem Pneumothorax. Ein kleiner P n e u m o t h o r a x ist oft erst in Exspirationsstellung oder in Seitlagerung (gesunde Seite nach unten) zu e r k e n n e n . Bei vorausgegangenem T h o r a x t r a u m a und bei einem Mediastinal- o d e r H a u t e m p h y s e m ist besonders sorgfältig nach einem P n e u m o t h o r a x zu f a h n d e n . Eine Spiegelbildung weist immer auf zusätzliche Flüssigkeit im Pleuraraum hin (z.B. H ä m a t o p n e u m o t h o r a x ) . In Einzelfällen ist die Computertomographie hilfreich, besonders beim Vorliegen eines atypischen P n e u m o t h o r a x (gleichzeitige partielle pleuropulmonale Verwachsungen). Die Thorakoskopie, die unmittelbar vor und im Zusammenhang mit der therapeutischen Schlaucheinlage durchgeführt werden kann, deckt häufig kleinere Blasen, Blutungsquellen und Verwachsungsstränge auf, die röntgenologisch nicht zu e r k e n n e n sind. Sie kann so wesentlich zur Therapieplanung beitragen.

Differentialdiagnostisches Spektrum ist groß

Differentialdiagnostik Differentialdiagnostisch muß an alle Krankheiten gedacht werden, bei denen plötzlich oder allmählich Atemnot und/oder Thoraxschmerzen auftreten k ö n n e n . Röntgenologisch - evtl. unter Einbeziehung der C o m p u t e r t o m o g r a p h i e m u ß besonders gegenüber intrapulmonalen Hohlräumen und lokalisierten Emphysemen (siehe 4.1.2) sowie Zwerchfellbrüchen differenziert werden.

Therapie Zwei Ziele: 1. Beseitigung der Beschwerden und des Pneumothorax

Therapie Die B e h a n d l u n g des P n e u m o t h o r a x verfolgt zwei Ziele: 1. Akut sind die Beschwerden zu beseitigen, die Lungen wieder zur Ausd e h n u n g zu bringen und Komplikationen wie S p a n n u n g s p n e u m o t h o r a x , Ergußbildung, Infektion, Atelektase, respiratorische Insuffizienz, C o r pulmonale u. a. zu vermeiden. 2. Langfristig soll ein Rezidiv verhindert w e r d e n .

2. Rezidivprophylaxe

Die einzuschlagende T h e r a p i e richtet sich zusätzlich nach den Ursachen bzw. der G r u n d k r a n k h e i t des P n e u m o t h o r a x , nach evtl. O p e r a tionsrisiken und ggf. nach sozialen U m s t ä n d e n (Beruf, Sport, Alter u.a.). Intrapleurale Saugdrainage (evtl. kombiniert mit Thorakoskopie)

Pleurodese

In der Regel wird eine intrapleurale Saugdrainage v o r g e n o m m e n . Dieser wird evtl. eine Thorakoskopie aus diagnostischen G r ü n d e n o d e r zur Durchführung lokaler Therapiemaßnahmen wie Koagulation, Laserung o d e r Verklebung von Blasen o d e r A d h ä s i o n e n vorgeschaltet. Als sinnvolle Rezidivprophylaxe bietet sich die intrapleurale Instillation von chemischen (Tetrazyklin-Hydrochlorid) und a n d e r e n zur Verklebung führenden Substanzen (Talkum, Fibrinkleber u.a.) durch den liegenden Drainageschlauch an (Pleurodese).

Krankheiten der Pleura

319

Die Indikation zur operativen Sanierung besteht bei unter Drainage(n) persistierenden und bei trotz vorhergehender Drainage rezidivierenden Pneumothoraces,wobei vorhandene Fisteln geschlossen und Blasen exzidiert bzw. übernäht werden können. Durch gleichzeitige partielle oder komplette Pleurektomie mit konsekutiver Verklebung zwischen Lunge und Brustwand läßt sich die Gefahr eines Rezidivs praktisch ausschließen.

Indikationen zur Operation: - persistierender Pneumothorax, - rezidivierender Pneumothorax (nach vorhergehender Drainage mit oder ohne Pleurodese)

Prognose Die Prognose hängt von der Art der pulmonalen Krankheit und den Komplikationen des Pneumothorax ab. Lebensgefährlich ist akut besonders der nicht rasch behandelte Spannungspneumothorax.

Prognose

Beim idiopathischen Spontanpneumothorax steigt mit jedem erneuten Auftreten die Gefahr eines weiteren Rezidivs. Die Rezidivhäufigkeit läßt sich durch eine Drainagetherapie auf etwa 15%, kombiniert mit einer Pleurodese auf 5% und durch Thorakotomie auf 0,5% senken. Die Letalität ist beim symptomatischen Pneumothorax in der Regel wesentlich höher, oft ist wegen der Schwere der Grundkrankheit eine Operation mit einem sehr hohen Risiko verbunden oder sogar kontraindiziert.

Beim idiopathischen Spontanpneumothorax: Rezidivgefahr steigt von Mal zu Mal. Rezidivhäufigkeit - ohne Therapie ~30% - nach Drainage ~15% - nach Drainage plus Pleurodese - 5 % - nach Operation - 0 , 5 % Beim sympathischen Pneumothorax: - höhere Letalität - Operation oft zu riskant

7.3 P l e u r a v e r d i c k u n g e n 7.3.1 Pleuratumoren

Pleuratumoren

7.3.1.1 Pleurafibrom (lokalisiertes Pleuramesotheliom)

Pleurafibrom

Hierbei handelt es sich um einen solitären Pleuratumor, der sich primär aus der viszeralen oder parietalen Pleura entwickelt. Die Pleurafibrome sind selten. In der Hälfte der Fälle werden sie zufällig entdeckt. Führende Symptome in der anderen Hälfte sind Schmerzen, Atemnot und Husten. In einem Viertel der Fälle zeigen sich Trommelschlegelfinger und Uhrglasnägel (pulmonale hypertrophe Osteoarthropathie). Röntgenologisch machen sich die kleineren Tumoren als solitäre Verschattungen bemerkbar, bei ausgedehnten Tumoren können erhebliche Verdrängungen der Lunge resultieren. Die Diagnose wird histologisch durch Nadelbiopsie, Thorakoskopie oder diagnostische Thorakotomie gestellt. Die Therapie der Wahl ist die radikale Resektion des Tumors. Lokale Rezidive treten in bis zu 11% und noch nach mehr als 10 Jahren

Solitärer Pleuratumor Selten. Kein Zusammenhang mit Asbestexposition Klinik Asymptomatisch in 50% Leitsymptome: Schmerzen, Atemnot, Husten Bei 25% Trommelschlegelfinger und Uhrglasnägel

Therapie der Wahl: Operation

Die seltenen malignen Varianten haben eine deutlich schlechtere Progno-

7.3.1.2 Diffuses malignes Pleuramesotheliom Das diffuse Pleuramesotheliom ist ein primär maligner Pleuratumor, der sich sowohl durch multizentrisches Entstehen als auch durch Wachstum per continuitatem ausbreitet. Bei bekannter Asbestexposition wird das Mesotheliom als Berufskrankheit anerkannt (Nr.4105 BeKV). Die Latenzzeit zwischen Asbestexposition und Auftreten des Tumors ist mit 10 bis 40 Jahren sehr lang. Daher sind die Patienten in der Regel schon älter, im Mittel über 60 Jahre. Das männliche Geschlecht ist mit 75% deutlich öfter betroffen. Führende Beschwerden sind Thoraxschmerzen und/oder Atemnot in 95% der Fälle.

Diffuses malignes Pleuramesotheliom

Asbestexposition häufig Latenzzeit im Mittel 30 Jahre Bei Männern häufiger Klinik und Diagnostik - Leitsymptome: Thoraxschmerzen und/oder Atemnot in 95%

320 - Bohrender Schmerz (auch bei Erguß) - Nur 20% ohne Erguß - Röntgenbild

- Computertomographie

- Thorakoskopie

Oft schwer vom in die Pleura metastasierten Adenokarzinom abzugrenzen Therapie unbefriedigend Operation Strahlentherapie Zytostatika. Pleurodese Prognose schlecht

III Krankheiten der Atm ungsorgane Der Schmerz ist bohrend und läßt charakteristischerweise beim Auftreten eines Ergusses nicht nach. Nur 20% der diffusen Pleuramesotheliome bleiben ergußfrei. Röntgenologisch zeigen sich häufig diffuse korallenartige und knollige thoraxwandnahe Verschattungen. Wenn hyaline Pleurapiaques zu erkennen sind, ist der Verdacht auf ein diffuses Pleuramesotheliom sehr dringend. Die Computertomographie hilft bei der Beurteilung der Ausdehnung des Tumors, wobei lokal Brustwand und Lunge, mediastinale Lymphknoten, Perikard und die kontralaterale Thoraxseite beteiligt sein können. Auch ein Durchwachsen des Zwerchfells bis ins Abdomen ist möglich. Die Diagnose wird histologisch nach Punktion, Thorakoskopie oder Thorakotomie gestellt, wobei zwischen fibromatösen, epithelialen und gemischten Formen zu unterscheiden ist. Besonders beim epithelialen Pleuramesotheliom ist die Abgrenzung gegenüber metastasierten Adenokarzinomen schwierig. Die Behandlungsmöglichkeiten beim diffusen Pleuramesotheliom sind unbefriedigend. Die Indikation zu operativen Eingriffen mit palliativer Pleurektomie (Einschränkung der Ergußproduktion) oder in Einzelfällen mit einer erweiterten Pleuropneumonektomie ergeben Fünf-Jahres-Überlebenszeiten von nur knapp 10%. Die Strahlentherapie eignet sich zur symptomatischen Beeinflussung von Schmerzen. Zytostatika haben Remissionen bis zu 40% erbracht. Bei Erguß empfiehlt sich eine Pleurodese-Behandlung. Die Prognose ist schlecht. Die mittlere Überlebenszeit nach Beginn der Symptome beträgt 1 bis 1,5 Jahre.

Sekundäre Pleuratumoren

7.3.1.3 Sekundäre Pleuratumoren

Metastatisch Meist mit Pleuraerguß maligne Pleuraergüsse

Die sekundären Pleuratumoren, die auf metastatischem Wege entstehen, gehen in der Regel mit einem Pleuraerguß einher. Häufige Primärtumoren sind das Bronchialkarzinom und das Mammakarzinom (siehe Pleuraerguß). Nur vereinzelt und in den früheren Stadien sind sie als pleurale Verdickungen bemerkbar. Die Diagnostik erfolgt dann durch Punktion oder thorakoskopische Biopsie. Die Therapie richtet sich nach der Art des Primärtumors.

Postentzündliche Pleuraverdickungen

7.3.2 Postentzündliche Pleuraverdickungen

Fibrothorax

7.3.2.1 Pleuraschwarte (Fibrothorax)

Definition

Unter einer Pleuraschwarte versteht man eine starke Bindegewebsverdikkung der Pleura mit ausgedehnten Verwachsungen, welche die Funktion deutlich einschränken (gefesselte Lunge). Meist ist ein Empyem, eine chronisch verlaufende (nicht erkannte) tuberkulöse Pleuritis oder ein Hämatothorax vorangegangen. Ein Fibrothorax kann aber auch Folge von Pleuritiden bei rheumatoider Arthritis, Pankreatitis, Urämie u.a. sein. Führendes Symptom ist die Atemnot. Über der betroffenen Thoraxseite ist der Klopfschall gedämpft und das Atemgeräusch leise oder aufgehoben. Bei fortgeschrittenen Fällen entwickelt sich eine Thoraxasymmetrie durch Schrumpfung der erkrankten Seite. Röntgenologisch zeigt sich eine breite Schwiele zwischen Lunge und Thoraxwand meist mit Verkalkung (Pleuritis calcarea). Eingeschlossene Erguß- oder Empyemkammern lassen sich sonographisch oder computertomographisch erfassen. Therapie der Wahl ist die Dekortikation, so daß sich die Lunge wieder ausdehnen kann. Voraussetzung ist aber ein funktionell noch erhaltenes Lungenparenchym.

·=Φ Ätiologie: - Empyem - Tuberkulöse Pleuritis - Hämatothorax - andere Ursachen • Leitsymptom: Atemnot Röntgenologisch breite Schwiele, oft Verkalkung der Pleura Therapie Dekortikation

321

Krankheiten des Mediastinums Die Prognose ist abhängig vom Ausmaß der Funktionsstörungen. Die Entwicklung eines Cor pulmonale ist wahrscheinlich, wenn die Funktion um mehr als 50% reduziert ist. 7.3.2.2 Lokalisierte P l e u r a v e r w a c h s u n g e n

Lokalisierte Pleuraverwachsungen

Lokalisierte Pleuraverwachsungen (Pleuraadhäsionen) sind ebenfalls Residuen einer abgelaufenen Pleuritis. Häufigste Manifestation ist der obliterierte Zwerchfellrippenwinkel. Die Lungenfunktion ist in der Regel wenig verändert. Differentialdiagnostisch ist besonders gegen basale Pleuraergüsse zu differenzieren. Therapeutische Konsequenzen bestehen in der Regel nicht.

Pleuraadhäsionen

Keine Therapie notwendig

7.3.3 N i c h t - t u m o r ö s e P l e u r a v e r d i c k u n g e n nach A s b e s t e x p o s i t i o n

„Pleuraasbestose"

7.3.3.1 P l e u r a p l a q u e (Hyaline, P l e u r a s c h w i e l e )

Pleuraschwiele

Hierbei handelt es sich um derbe, fibröse Herde, welche isoliert oder multipel auf der parietalen Pleura entstehen. Meist ist anamnestisch eine Asbestexposition vorangegangen. Die Latenzzeit beträgt in der Regel 20 Jah-

Meist Asbestexposition zu eruieren Latenzzeit u m 20 Jahre

Beschwerden werden in der Regel nicht ausgelöst. Die röntgenologische Darstellung hängt von Dicke und Verkalkung der Pleuraplaques ab. Therapeutische Konsequenzen bestehen nicht. Wegen der möglichen anderen Asbestrisiken sollte jedoch eine regelmäßige Überwachung erfolgen.

Keine Beschwerden

7.3.3.2 D i f f u s e P l e u r a v e r d i c k u n g (Pleurafibrose)

Pleurafibrose

Die diffuse pleurale Fibrose kann die gesamte Lunge umgeben. Sie tritt wesentlich seltener auf als die Pleuraplaques. Häufig geht ein benigner Asbesterguß voraus. Die Atemnot ist führendes Symptom. Meist ist die Pleuraverdickung bilateral vorhanden, wobei sie meist einseitig basal beginnt. Asbest-Anamnese und Röntgenbild mit pleuraler diffuser Verschattung führen in der Regel zur Diagnose. Differentialdiagnostisch sind eine postpleuritische Pleuraschwarte und ein Pleuramesotheliom ohne Erguß auszuschließen. Der Versuch der Dekortikation bringt in der Regel keine funktionelle Verbesserung.

Selten Häufig benigner Asbesterguß vorausgegangen

8 Krankheiten des M e d i a s t i n u m s

Keine Therapie notwendig

Atemnot Meist bilateral

Unterschiedliche Prognose

Krankheiten des Mediastinums

Die Unterteilung des Mediastinums in verschiedene Räume hat besonders in der Differentialdiagnostik der Mediastinaltumoren praktische Bedeutung. Wesentliche andere Krankheiten stellen die Mediastinitis sowie das Pneumo- und Hämomediastinum dar.

8.1 W i c h t i g e d i a g n o s t i s c h e Verfahren • Röntgenuntersuchungen in 2 Ebenen • Tomographie und Computertomographie • Kontrastdarstellungen von Herz, Aorta, Vena cava, Pulmonalgefässen, Vena azygos, von Gefäßen des Großen Kreislaufs und des Ösophagus

Wichtige diagnostische Verfahren

322

III Krankheiten der A t m u n g s o r g a n e • • • •

Pathologische Lageveränderungen

Mediastinalverdrängung durch Volumenzunahme Mediastinalverziehung durch Volumenabnahme - Mediastinalflattern bei offenem Pneumothorax lebensgefährlich - Mediastinalhernien

Sonographie und Szintigraphie (Schilddrüse, Gallium-) Transkutane, transbronchiale und transthorakoskopische Punktionen Mediastinoskopie bzw. Mediastinotomie mit Biopsiemöglichkeit Thorakotomie (transsternal oder interkostal).

8.2 Pathologische Lageveränderungen Durch krankhafte Veränderungen innerhalb des Thorax kann das Mediastinum in seiner Lage verändert werden: Zur Mediastinalverdrängung auf die andere Seite kommt es durch eine Volumenzunahme auf der kranken Seite (einseitige Lungenüberblähung, Pneumothorax, Pleuraerguß, Zwerchfellhochstand oder -hernie). Die Mediastinalverziehung zur erkrankten Seite ist Folge einer Volumenminderung (Atelektase, Lungenresektion, chronische Pneumonie mit Schrumpfung, Deformierungen der Brustwand und Wirbelsäule, z.B. Kyphoskoliose, Trichterbrust). Das Mediastinalflattern mit atemabhängigen Verschiebungen des Mediastinums kann beim offenen Pneumothorax zu einer erheblichen Kreislaufbeeinträchtigung und respiratorischen Insuffizienz führen. Unter einer Mediastinalhernie versteht man eine Verlagerung des Lungengewebes über die Mediastinalbarriere hinaus, bedingt durch einen verstärkten Zug der Gegenseite (z.B. Lungenschrumpfung) oder einen übermäßigen Druck der sich vorwölbenden Seite (ζ. B. Pneumothorax). Eine Hernienbildung ist besonders im vorderen oberen oder im hinteren unteren Mediastinum möglich.

Mediastinitis

8.3 Mediastinitis

Akute Mediastinitis

8.3.1 Akute Mediastinitis

Selten, aber lebensgefährlich

Die akute Mediastinitis ist selten, jedoch meist schwerwiegend und lebensgefährlich. Ätiologie: Ursachen sind: Direkt durch Perforation des Ösophagus oder der Trachea iatrogen (Endoskopie, Langzeitintubation, Bougierung, thoraxchirurgische Eingriffe, Nahtinsuffizienz), traumatisch oder als Folge von Tumorwachstum oder Fremdkörperaspiration. Fortgeleitet von infektiösen Prozessen aus der Nachbarschaft (Pleuraempyem, subphrenischer Abszeß, Lungenabszeß, Senkungsabszeß aus dem Halsgebiet). Lymphbogen und hämatogen (sehr selten), meist bei generalisierter Lymphadenitis (pathognomonisch für Milzbrand). Klinik: Die Krankheitserscheinungen sind erheblich mit hohem Fieber, Schüttelfrost, Tachypnoe und Tachykardie, retrosternalen Schmerzen, Schluckbeschwerden, Singultus, bei Perforation von Trachea und Ösophagus mit Hautemphysem am Hals und Gesicht und Hamman-Zeichen als Hinweis auf Mediastinalemphysem, eventuell obere Einflußstauung. Diagnostik: Die Röntgenaufnahme des Thorax zeigt ein verbreitertes Mediastinum, eventuell lufthaltig bei Perforation von Ösophagus (bei Verdacht Gabe von wasserlöslichem Kontrastmittel und Ösophagoskopie) oder Trachea (Bronchoskopie). Ein Pneumomediastinum ist oft auch kombiniert mit einem Pneumothorax. Die laborchemischen Veränderungen sind wie bei akuter bakterieller Entzündung oder Sepsis. Therapie: Im Vordergrund steht die operative Entlastung und Drainage, bei Verletzungen von Ösophagus und Trachea deren möglichst operative Versorgung. Zusätzlich Breitband-Antibiotika und Intensivtherapie. Verlauf und Prognose: Beide sind abhängig von der Ursache und den Begleitkrankheiten, die Letalität ist hoch.

Ätiologie

Klinik Schwere Krankheitssymptome

Diagnostik - Röntgenologisch verbreitertes Mediastinum - Oft lufthaltig (Pneumomediastinum) - Oft gleichzeitig Pneumothorax Therapie Möglichst operativ, Antibiotika Letalität hoch

Krankheiten des Mediastinums

323

8.3.2 Chronische Mediastinitis

Chronische Mediastinitis

Ätiologie: Bei der chronischen Mediastinitis wird die granulomatöse von der fibrosierenden Form (Mediastinalfibrose) unterschieden: Für die granulomatöse Mediastinitis ist ätiologisch hauptsächlich die Tuberkulose (Lymphknoten- oder Senkungsabszeß) verantwortlich, selten Pilzinfektionen (Nocardiose, Aktinomykose), Sarkoidose, eingedrungene Fremdkörper u.a., in den USA häufiger die Histoplasmose. Die fibrosierende Form kann Folge einer Bestrahlung, einer Langzeittherapie mit Methysergid (Serotonin-Antagonist zur Migräne-Therapie) oder einer chronischen Infektion sein. In der Regel ist sie jedoch ätiologisch unklar (idiopathische mediastinale Fibrose), häufig ist sie kombiniert mit fibrosierenden Erkrankungen anderenorts, besonders mit retroperitonealer Fibrose, Riedel-Struma, aber auch mit systemischem Lupus erythematodes, rheumatoider Arthritis, Raynaud-Phänomen u.a. Klinik: Bei der granulomatösen Form sind häufig keine Beschwerden vorhanden. Symptome infolge einer Kompression der Vena cava superior, des Tracheobronchialbaums. des Ösophagus und der Pulmonalgefäße sind dagegen häufig bei der sklerosierenden Form zu beobachten. Diagnostik: Röntgenologisch findet sich am häufigsten eine Verbreiterung des oberen Mediastinums, gelegentlich mit Verkalkungen und intrapulmonalen Residuen. Kontrastmitteluntersuchungen der Gefäße und des Ösophagus decken Stenosierungen auf. Die genaue Diagnose wird erst durch die histologische Untersuchung nach Mediastinoskopie und Thorakotomie ermöglicht. Differentialdiagnostisch muß in erster Linie ein Tumor ausgeschlossen werden. Therapie: Bei infektiöser Ätiologie werden entsprechende Antibiotika gegeben (antituberkulös, antimykotisch). Ein Fremdkörper muß entfernt, Methysergid abgesetzt werden. Bei der sklerosierenden (fibrosierenden) Form können Kortikosteroide versucht werden, meist jedoch ohne Erfolg.

Ätiologie

8.4 Pneumomediastinum (Mediastinalemphysem) Ätiologie: Ursachen für den Eintritt von Luft in das Mediastinum sind • Ruptur von Ösophagus, Trachea, Bronchien, • fortgeleitet vom Hals oder Retroperitonealraum, • direkt nach Alveolarzerrcißung entlang den Gefäßen zum Hilus, oft von einem Pneumothorax begleitet (spontan oder nach intrathorakaler Druckerhöhung, ζ. B. stumpfes Trauma, Erbrechen, Valsalva-Manöver, Barotrauma, Asthmaanfall). Klinik: Die Symptome hängen von der Menge der Luft im Mediastinum und einer zusätzlichen Mediastinitis (siehe dort) ab. Typisch sind retrosternale Schmerzen, die in beide Schultern und Arme ausstrahlen und durch Atmung und Schlucken verstärkt werden können. Die Atemnot kann erheblich sein. Meist läßt sich ein Hautemphysem an Hals, Gesicht oder an der Brustwand tasten (Knistern). In etwa der Hälfte läßt sich das HammanZeichen Uber der Herzspitze auskultieren (ohrnahes klickendes oder knirschendes Geräusch synchron mit dem Herzschlag). Diagnostik: Das p.a.-Röntgenbild der Thorax zeigt eine Luftlinie entlang dem Herzrand, besonders links gut zu sehen; in der Seitenaufnahme retrosternal und entlang der Aorta. Zusätzlich findet sich häufig ein Hautemphysem und/oder ein Pneumothorax (meist links). Ansonsten erfolgt die Diagnostik einer Perforation von Ösophagus oder Luftwegen durch Kontrastmittelgabe bzw. Endoskopie. Therapie: Eine Druckentlastung durch Mediastinotomie o.ä. ist selten notwendig. Bei nachweisbarem Pneumothorax sollte eine Absaugung über eine suffiziente Drainage erfolgen, bei Perforation von Ösophagus oder Trachea die operative Versorgung. Bei zusätzlicher Mediastinitis Gabe von Breitband-Antibiotika.

Granulomatös, besonders durch Tuberkulose

Fibrosierend oft unklar

Klinik - Granulomatös meist asymptomatisch. - Fibrosierende Form: häufig Symptome durch Kompression Diagnostik - Verbreitertes Mediastinum - gelegentlich Verkalkungen - Stenosierungen

Therapie - Antibiotika

Mediastinalemphysem Ätiologie Hämoglobinopathien

Hämsynthese In den Mitochrondien der Erythrozyten Hämoglobinstruktur und Aufgaben des Hämoglobins Durch sterischen Aufbau des Moleküls reversible Bindung von 0 2 und C0 2

Überlebensdauer der Erythrozyten 120 Tage

Durch die bikonkave Form der Erythrozyten Vergrößerung der Oberfläche

Einteilung der Störungen der Erythro-

zytopoese Definition

Wichtig für die Ursachenfindung:

und auch die reifen E r y t h r o b l a s t i c zur Proliferation und R e i f u n g an. H r v t h r o p o e t i n w i r d bei m a n g e l n d e r S a u e r s t o f f v e r s o r g u n g d e s G e w e b e s in d e r N i e r e g e b i l d e t . D a n e b e n h a b e n die H y p o p h y s e n - u n d d i e S c h i l d d r ü s c n h o r m o n e , die G l u k o k o r t i k o i d e u n d die A n d r o g e n e e i n e u n s p e z i f i s c h e stim u l i e r e n d e W i r k u n g auf d i e E r y t h r o z y t o p o e s e . Globinsynfhese D i e E n t w i c k l u n g d e r r o t e n R e i h e ist d a r a u f h i n a u s g e r i c h t e t , h ä m o g l o b i n h a l t i g c Z e l l e n zu p r o d u z i e r e n , d i e in d e r L a g e sind, S a u e r s t o f f d u r c h H ä m o g l o b i n r e v e r s i b e l zu b i n d e n . I n d e n E r y t h r o z y t e n b e s t e h t d a s P r o t e i n z u aus H ä m o g l o b i n . D a s G l o b i n m o l e k t i l w i r d g e b i l d e t a u s je 2 P a a r e n v o n P o l y p e p t i d k e t t e n . E s gibt u n t e r s c h i e d l i c h e P o l y p e t i d k e t t e n , die als α - , β-, γ- o d e r δ - K e t t e n b e z e i c h n e t w e r d e n u n d sich n u r d u r c h d i e Z a h l u n d F o l g e d e r A m i n o s ä u r e s e q u e n z u n t e r s c h e i d e n . Bei F r w a c h s e n e n b e s t e h t d a s I l ä m o g l o b i n zu: 97% Hämoglobin Α (a2,ß,-Potypcptidketten). 3 % H ä m o g l o b i n A - (o!i,öi-Polypeptidketten). N u r bei F e t e n u n d in d e n e r s t e n fi M o n a t e n tritt d a s H ä m o g l o b i n F ( Ο ί ι , γ ι - P o l y p e p t i d k e t t e n ) auf. W ä h r e n d der letzten 3 M o n a t e d e r S c h w a n g e r s c h a f t wird die γ-Ketten-Synt h e s e u m g e s t e l l t auf die B i l d u n g d e r ß - K e t t e n . Bei a n g e b o r e n e n g e n e t i s c h e n S c h ä d i g u n g e n k o m m t es d u r c h e i n e F e h l b i l d u n g in d e r S y n t h e s e d e r P o l y p e p t i d k e t t e n zu f e h l g e b i l d e t e n 1 l ä n i o g l o b i n e n . die zu d e n H ä m o g l o h i nopathien führen. D i e H ä m s y n t h e s e f i n d e t in d e n M i t o c h r o n d r i e n d e r E r y t h r o z y t e n statt. H ä i n o g l o b i n s t r u k t u r und A u f g a b e n d e s H ä m o g l o b i n s D i e H a u p t f u n k t i o n d e s H ä m o g l o b i n s ist d e r T r a n s p o r t d e s S a u e r s t o f f s v o n d e r L u n g e in d a s G e w e b e u n d d e r A b t r a n s p o r t v o n K o h l e n d i o x i d m die entgegengesetzte Richtung. Durch den dreidimensionalen A u f b a u des Häm o g l o b i n s ist d a s M o l e k ü l b e s o n d e r s gut g e e i g n e t , S a u e r s t o f f u n d K o h l e n d i o x i d in e i n e r b e s t i m m t e n s t e r i s c h e n P o s i t i o n r e v e r s i b e l z u b i n d e n . D i e U b e r l e b e n s d a u e r der Krythrozyten b e t r ä g t ca. 120 Tage, g e m e s s e n m i t d e r ^ ' C h r o m - M a r k i e r u n g . D e r A b b a u d e r E r y t h r o z y t e n e r f o l g t in d e n retik u l o e n d o t h e l i a l c n O r g a n e n , j e d o c h t i b e r w i e g e n d in d e r Milz. D a b e i w i r d d a s H ä m o g l o b i n in s e i n e H a u p t b e s t a n d t e i l e , d a s H ä m u n d d a s G l o b i n , ges p a l t e n . D a s G l o b i n v\ird d e m K ö r p e r als E i w e i ß m o l e k ü l o d e r als A m i n o säuren w i e d e r zur V e r f ü g u n g gestellt, das H ä m wird ü b e r Z w i s c h e n s t u f e n z u m u n k o n j u g i e r t e n u n d s p ä t e r k o n j u g i e r t e n B i l i r u b i n a b g e b a u t . D a s freig e s e t z t e Fiscn w i r d an Transferrin g e b u n d e n u n d als Ferritin g e s p e i c h e r t . S e i n e r F u n k t i o n als S a u e r s t o f f - u n d K o h l e n d i o x i d t r ä g e r k a n n d e r E r y t h r o zyt d u r c h s e i n e s p e z i e l l e F o r m als b i k o n k a v e S c h e i b e , w o d u r c h e i n e Verg r ö ß e r u n g d e r O b e r f l ä c h e e r r e i c h t w i r d , n a c h k o m m e n . D a n e b e n ist die V e r f o r m b a r k e i t der Z e l l m e m b r a n der E r y t h r o z y t e n für die Fließeigens c h a f t e n u n d V i s k o s i t ä t d e s B l u t e s von g r o ß e r B e d e u t u n g

2.2

Einteilung

der

der

Störungen

Εrythrozytopoese

D e f i n i t i o n : L i n e A n ä m i e ( B l u t a r m u t ) liegt d a n n vor, w e n n d i e I l ä m o g l o b i n m e n g e u n d d e r H ä m a t o k r i t u n t e r d i e .Norm v e r m i n d e r t s i n d ( T a b . 1V-3)'. E s h a t sich f ü r d i e t T s a c h e n f i n d u n g e i n e r A n ä m i e als g ü n s t i g e r w i e s e n , imm e r n a c h zwei v e r s c h i e d e n e n G e s i c h t s p u n k t e n z u f r a g e n :

Störungen der Erythrozytopoese

339

1. Welche morphologischen Kriterien zeigen die Erythrozyten im peripheren Ausstrich? 2. Welche pathogenetische Mechanismen h a b e n zu der A n ä m i e geführt?

Tabelle IV-3 Normalwerte für Hämoglobin, Erythrozyten, Hämatokrit, MCH, MCHC und MCV Hämo- Erythro- Häma- MCH (mean corpuscular globin zyten tokrit hemoglobin)

Männer 160 ± 20 g/l

4,5-5,5· 1012/l

0,47 ± 0,05

Frauen 144± 20 g/l

4,0-5,0 • 0,43 ± 0,05 10 l2 /l

MCHC (mean corpuscular hemoglobin concentration)

MCV (mean corpuscular volume)

30 ± 3 · 10~ 12 pg

330 ± 2 0 g/l

90 ± 5 fl

30 ± 3-10l2pg

330 ± 20 g/l

90 ± 5 fl

Tabelle IV-4 Einteilung der Anämien nach morphologischen Gesichtspunkten und Veränderung der Erythrozytenparameter mikrozytär

normozytär

makrozytär

MCV

erniedrigt

normal

erhöht

MCH

erniedrigt

normal

erhöht

MCHC

normal oder

normal

erhöht

ernied rigt häufigste Ursachen

chronische Blutakuter Blutverlust, verluste, innerer Hämolyse, fehund äußerer Eisen- lende Neubildung mangel, Infektionen

mangelhafte Aufnahme oder Fehlen von Vitamin B12 oder Folsäure

Einteilung nach morphologischen und pathogenetischen Kriterien Einfach und praktisch ist es, die A n ä m i e n nach der Morphologie ihrer Erythrozyten einzuteilen. Nach d e m Hämoglobingehalt im einzelnen Erythrozyten, d e m MCH (mean corpuscular hemoglobin), unterscheiden wir zwischen hypochromen, normochromen und hyperchromen A n ä m i e n . Nach der G r ö ß e der Erythrozyten, d e m MCV (mean corpuscular volume) unterscheiden wir zwischen mikrozytären, normozytären und makrozytären Anämien. Beide P a r a m e t e r zusammengefaßt, ergeben eine g e n a u e morphologische Klassifikation der E r k r a n k u n g e n der Erythrozytopoese (Tab. IV-4). H a b e n wir mit diesen sehr einfachen und bei j e d e r Routineblutuntersuchung vorliegenden Blutwerten eine Einteilung nach morphologischen Kriterien vorgenommen, so m u ß in einem zweiten Schritt die Klärung der Pathogenese zur Erkrankungsursache und damit zur endgültigen Diagnose führen. Dabei müssen wir fragen, ob ein e r h ö h t e r Blutverlust, eine ungenügende Bildung oder ein vermehrter A b b a u von Erythrozyten vorliegt (Tab. IV-5).

- Erhöhter Blutverlust - Ungenügende Bildung - Vermehrter Abbau

2.3 Allgemeine Anämiesymptome

Allgemeine Anämiesymptome

In der Tabelle IV-6 sind verschiedene S y m p t o m e aufgelistet, die bei allen A n ä m i e f o r m e n , abhängig vom Alter und von der A r t der G r u n d k r a n k h e i t , m e h r o d e r weniger stark ausgeprägt auftreten k ö n n e n . D a n e b e n finden sich bei den einzelnen A n ä m i e f o r m e n jedoch typische Symptome, die eng mit der Ursache der E r k r a n k u n g gekoppelt sind.

s.Tab. IV-6

Einteilung nach morphologischen und pathogenetischen Kriterien - Hämoglobingehalt im einzelnen Erythrozyten (MCH) - Nach der Größe der Erythrozyten (MCV)

Pathogenetische Kriterien

340

IV Krankheiten des Blutes und des lymphatischen Systems Tabelle IV-5 Einteilung der Anämien nach pathogenetischen Gesichtspunkten • Blutverlust - Anämie nach akutem Blutverlust - Anämie nach chronischem Blutverlust • Ungenügende Bildung reifer Erythrozyten - Mangel an essentiellen Substanzen (Eisen, Vitamin B12, Folsäure) - Mangel an Erythroblasten 1. aplastische Anämien 2. isolierte Eryblastophthise - Infiltration des Knochenmarks durch Leukämien, Lymphome, Karzinome u.a. - endokrine Ursachen - nephrogene Anämien - chronische Erkrankungen (Tumoren, Entzündungen, chronische Lebererkrankungen) • Hämolysen - korpuskuläre Defekte - extrakorpuskuläre Faktoren Tabelle IV-6 Allgemeine Anämiezeichen Blässe Schwäche Müdigkeit Erschöpfung Appetitlosigkeit Konzentrationsschwäche Kopfschmerzen

Haarausfall gespaltene Nägel Mundwinkelrhagaden Belastungsdyspnoe Tachykardie Angina pectoris Herzgeräusche Ohrensausen

Dysmenorrhoe Amenorrhoe Potenzstörungen Depressionen

Es ist zu beachten, d a ß die meisten A n ä m i e s y m p t o m e unspezifisch sind und ganz andere Ursachen haben können.

Akute und chronische Blutverluste Definition

= 0

2.4 Akute und chronische Blutverluste Definition: A k u t e und chronische Blutungen f ü h r e n je nach A u s m a ß der Blutung zu unterschiedlich stark ausgeprägten A n ä m i e n mit entsprechenden Symptomen.

Häufigste Anämien überhaupt

Häufigkeit und Vorkommen Die A n ä m i e n durch Blutverluste sind die häufigsten A n ä m i e f o r m e n überhaupt. A k u t e Blutungen k o m m e n bei beiden Geschlechtern in allen Lebensaltern vor. Chronische Blutungen werden bei F r a u e n im gebärfähigen A l t e r häufiger angetroffen, finden sich im Adoleszentenalter k a u m und werden nach der Pubertät häufiger.

Pathogenese

Pathogenese Die hämodynamischen Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System stehen bei akuten Blutungen durch die akute Hypovolämie im Vordergrund. In d e n ersten Stunden sind keine Veränderungen der B l u t p a r a m e t e r zu sehen, da Erythrozyten und Plasma parallel verlorengehen. Erst nach ca. 2 4 Stunden k o m m t es zum Einströmen von interstitieller Flüssigkeit ins G e fäßsystem, wodurch es zu einem Abfall des Hämatokrits, der Erythrozyten und des Hämoglobins k o m m t . In den Tagen nach akuter Blutung versucht der Organismus durch verm e h r t e N a c h p r o d u k t i o n den Erythrozytenverlust auszugleichen. Es

Akute Blutung Auswirkung auf das Herz-KreislaufSystem -»akute Hypovolämie Laborveränderung erst 2-4 Stunden später

Störungen der Erythrozytopoese

341

kommt zu einem Anstieg der Retikulozyten im Blut. Die weitere Entwicklung der Anämie hängt vom Ausmaß der Blutung und von den Eisendepots ab. Übergänge zu chronischen Blutungsanämien sind fließend. Hält die akute Blutung länger an oder geht über in eine chronische Blutung, so entwickelt sich die klassische Form der Eisenmangelanämie.

Übergang von akuter Blutung in chronische Blutung ist häufig -> Entwicklung einer Eisenmangelanämie

Ätiologie Die wichtigste Ursache für akute Blutungen sind die traumatischen äußeren und die inneren Blutungen. Bei Zeichen einer chronischen Blutung muß an Blutungen aus dem MagenDarm-Trakt, aus dem Urogenitaltrakt und an Störungen der Hämostase gedacht werden. Äußerlich sichtbare Blutungen wie Zahnfleischblutungen, Nasenbluten, Hämorrhoidalblutungen und andere sind zwar leicht erkennbar, werden aber vom Patienten häufig verharmlost.

Ätiologie Akute Blutung: traumatische Blutung

Klinik Die akute Blutung imponiert durch den akuten Blutverlust und die Veränderung auf das Herz-Kreislauf-System, evtl. mit Entwicklung eines hämorrhagischen Schocks mit entsprechender Symptomatik. Die chronische Blutungsanämie führt zu Symptomen, die unter der Eisenmangelanämie (s. dort) ausführlich besprochen werden.

Klinik Akute Blutung Schock

Diagnostik Bei den akuten Blutungen ist es besonders wichtig, daran zu denken, daß sich das Ausmaß der Blutung erst protrahiert an den Blutparametern wie Hämatokrit, Erythrozyten und Hämoglobin ablesen läßt. Hier sind die Herz-Kreislauf-Parameter und der Schockindex als Verlaufsparameter für die Beurteilung des Blutungsausmaßes wichtiger als die hämatologischen Parameter. Bei den chronischen Blutungen kommt es zu einer Erniedrigung des Hämoglobins, des MCH und des MCV. Weitere Befunde siehe Eisenmangelanämie.

Diagnostik

Therapie Drei Grundsätze müssen bedacht werden:

Therapie

Chronische Blutung: Magen-Darm-Trakt Urogenitaltrakt Störungen der Hämostase

• hämorrhagischer

Chronische Blutung anämie

Eisen mangel-

1. Behandlung der Blutungsquelle, 2. Ersatz des verlorengegangenen Blutes, 3. Ersatz des Eisens. Die Therapie der akuten Blutung richtet sich nach dem Ausmaß der Blutung und den auftretenden Kreislaufreaktionen. Gabe von Plasma und Bluttransfusionen sind abhängig vom Blutverlust. Chronische Blutungen werden nach Feststellung der Ursache entsprechend therapiert. Prognose Die Prognose der akuten und chronischen Blutungsanämie ist abhängig von der Prognose der Blutungsquelle.

2.5 Eisenmangelanämien Definition: Eisenmangelanämien sind hypochrome-mikrozytäre Anämien, bei denen die Hämoglobinkonzentration im einzelnen Erythrozyten herabgesetzt ist. Durch den verminderten Eisenstoffwechsel kommt es zu einer mangelhaften Hämoglobinbildung. Epidemiologie Der Eisenmangel ist weltweit die häufigste Ursache einer Blutarmut. In Europa und in den USA haben ca. 20% der erwachsenen Frauen, 50% der

Prognose Abhängig von Blutungsquelle

Eisenmangelanämien Definition

Epidemiologie Eisenmangel häufigste Ursache einer Anämie, besonders bei:

342

IV Krankheiten des Blutes und des lymphatischen Systems Tabelle IV-7 Ursachen von Eisenmangelanämien • Eisenverluste Physiologisch: Pathologisch:

Menstruation Blutungen aus dem Magen-Darm-Trakt Blutungen aus dem Urogenitaltrakt Blutungen bei Medikamenten (ASS) Blutungen bei Helminthosen, bei Teleangiektasien, bei Gerinnungsstörungen

• Erhöhter Eisenbedarf Gravidität, Laktation, Wachstumsphase • Ungenügende Eisenzufuhr Eisenarme Kost bei Vegetariern, Alkoholikern Eiweißarme Kost besonders in Entwicklungsländern • Eisenresorptionsstörungen Achlorhydrie (atrophische Gastritis) Gastrektomie und Teilresektion des Magens Darmanastomosen und -resektionen Malabsorptionssyndrom Resorptionshemmende Faktoren Fehlen von resorptionsfördernden Faktoren • Eisenverteilungsstörungen (mangelnde biologische Verfügbarkeit) Chronische Infekte, Tumoren, Lungenhämosiderose, chronische Erkrankungen

Frauen heranwachsenden Kindern und in Entwicklungsländern

schwangeren Frauen und 3% der erwachsenen M ä n n e r einen Eisenmangel. Auch im Kleinkindesalter tritt der Eisenmangel häufig auf, 30% aller Kleinkinder zwischen d e m 12. und 24. Monat h a b e n einen Eisenmangel. In Entwicklungsländern sind der Eisenmangel und die Eisenmangelanämie besonders häufig und besonders stark ausgeprägt und hat eine h o h e sozialpolitische Bedeutung. Besonders ausgeprägt sind diese A n ä m i e n in G e g e n den, in denen B a n d w ü r m e r endemisch sind.

Ätiologie s. Tab. IV-7

Ätiologie In Tabelle IV-7 sind die verschiedenen Ursachen, die zu einem Eisenmangel f ü h r e n k ö n n e n , zusammengefaßt.

Pathogenese Jeder Verlust von Eisen führt bei längerem Bestehen zu einem Eisenmangel

Pathogenese D e r Eisenstoffwechsel ist sehr ökonomisch gesteuert. J e d e r längerbesteh e n d e Verlust von Eisen führt zu einem Eisenmangel und später zu einer Eisenmangelanämie.

Physiologie des Eisens und des Eisenstoffwechsels

Physiologie des Eisens und des Eisenstoffwechsels Eisen wird mit d e r N a h r u n g a u f g e n o m m e n . Nur das N e u g e b o r e n e bekommt von seiner M u t t e r ein Eisendepot mit. Im Verlauf der Entwicklung wird das durch die N a h r u n g a u f g e n o m m e n e Eisen z u n e h m e n d wichtiger, da sich die Erythrozytopoese im K n o c h e n m a r k entwickelt und ausdehnt. Bei Frauen wird nach Einsetzen der Menarche, später besonders w ä h r e n d der Schwangerschaft und der Laktationsphase, Eisen zusätzlich zur Kompensation des e r h ö h t e n Bedarfs benötigt. D e r Körper eines erwachsenen M a n n e s enthält ungefähr 50 mg/kg Körpergewicht, einer Frau im Gestationsalter 35 mg/kg Körpergewicht. 2/3 des Eisens sind g e b u n d e n im Hämoglobin, ca. 3 mg zirkulieren im Plasma an Transferrin g e b u n d e n , das f ü r den Transport des Eisens vom D a r m ins K n o c h e n m a r k notwendig ist. Ein kleinerer Anteil des Körpereisens ist im Myoglobin und in den H ä m - E n z y m e n gebunden. D e r Rest, ca. '/ 5 des G e samteisens, stellt eine Eisenreserve dar, die rasch zur Hämoglobinsynthese angefordert werden kann und vor allem in der Leber, d e r Milz und im K n o c h e n m a r k als Ferritin und/oder Hämosiderin gespeichert wird ( A b b . IV-2).

Aufnahme erfolgt mit Nahrung

Eisenverteilung und Wechselbeziehung s. Abb.lV-2

Störungen der Erythrozytopoese

343

Resorption 1 mg

Speicher