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German Pages [188] Year 1980
Bauwelt Fundamente 52
Herausgegeben von Ulrich Conrads Beirat für das Programm: Gerd Albers Hansmartin Bruckmann Lucius Burckhardt Gerhard Fehl Rolf-Richard Grauhan Herbert Hübner Werner Kallmorgen Frieder Naschold Julius Posener Dieter Radicke Mechthild Schumpp Thomas Sieverts
In Opposition zur Moderne Aktuelle Positionen in der Architektur Ein Textbuch von G. R. Blomeyer/B. Tietze
|Vj Friedr. Vieweg & Sohn
Braunschweig/Wiesbaden
Gerald R. Blomeyer studierte Architektur an der HfbK in Hamburg. 1976—1978 Lehrbeauftragter für Architekturtheorie an der Gesamthochschule Kassel. Seit 1 9 7 4 freiberuflicher Planer. Arbeitet heute in Berlin. Barbara Tietze studierte Psychologie an der Universität Hamburg. Lehrtätigkeit an der Fachhochschule für Gestaltung und der Universität von Hamburg von 1969—1976. Seit 1976 Professor für Ergonomie an der Hochschule der Künste Berlin im Fachbereich Design. Mit Ausnahme der gesondert gekennzeichneten wurden alle Texte von Gerald R. Blomeyer und Barbara Tietze verfaßt bzw. übersetzt.
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek In Opposition zur Moderne: aktuelle Positionen in d. Architektur; e. Textbuch/von G. R. Blomeyer; B. Tietze. — Braunschweig, Wiesbaden: Vieweg, 1980. (Bauwelt-Fundamente; 52) ISBN 3-528-08752-8 NE: Blomeyer, Gerald R. (Hrsg.].
© Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig 1980 Umschlagentwurf: Helmut Lortz Satz: Friedr. Vieweg & Sohn, Braunschweig Druck: E. Hunold, Braunschweig Buchbinderei: W. Langeliiddecke, Braunschweig Alle Rechte an der deutschen Ausgabe vorbehalten. Printed in Germany West Die Vervielfältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte, Zeichnungen oder Bilder, auch für Zwecke der Unterrichtsgestaltung, gestattet das Urheberrecht nur, wenn sie mit dem Verlag vorher vereinbart wurden. Im Einzelfall muß Uber die Zahlung einer Gebühr für die Nutzung fremden geistigen Eigentums entschieden werden. Das gilt für die Vervielfältigung durch alle Verfahren einschließlich Speicherung und jede Übertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bänder, Platten und andere Medien.
ISBN
3-528-08752-8
Inhalt
Vorbemerkung 1 Wege zu einem Neuen Regionalismus von Gerald R. Blomeyer und Barbara Tietze Das vorläufige Ende der Stadtkultur Die Tradition der Moderne Die drei Schritte der Aneignung Zu den neuen Formen des Bauens Neuer Regionalismus und Postmodernismus
2 Überlegungen zur ideologischen Grundstruktur der Moderne Die Scheinlogik architektonischer Schulweisheiten von Clough und Amabel Williams-Ellis Moral und Architektur von David Wat kin Wegbereiter von Wolf Meyer-Christian
3 Architektur im Dienste des deutschen Faschismus Vom Wesen unserer Baukunst von Werner Ritt ich
4 Zur Anthropologie neuer, sehr amerikanischer Architekturströmungen Plädoyer gegen die „Moderne Architektur" von Lewis Mumford
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Ornament ist kein Verbrechen von Joseph Rykwert Eine persönliche Erklärung von Charles Moore
5 Neue Aneignungen der Tradition Britische Architektur: Dreißig verschwendete Jahre von Conrad Jameson Vom Wert der Tradition von Bob Maguire Nachbemerkung zum Skizzenbuch, Rom 1968 von Quinlan Terry
6 Die Innerlichkeit des Intellekts Postmetabolismus von Chris Fawcett Postfunktionalismus von Peter Eisenman Das Theater des Gedächtnisses von Antoine Grumbach
7 Entwerfen mit Typologien Die Dritte Typologie von Anthony Vidier Die zehn Binsenweisheiten der „einfachen" Stadtplanung von Nikola Dischkoff und Michael Wilkens
8 Architektur für das Leben in der Stadt „Sie ist gut, sie ist sehr gut, Eure Jugend, aber was bringt Ihr ihr bloß bei!" von Maurice Culot Tradition in Architektur und Städtebau: Ihre Bedeutung in den städtischen Kämpfen von René Schoonbrodt
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89 90 96 101
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Der einzige Weg der Architektur von Maurice Culot, Leon Krier Quartiersentwicklung: Modewort oder gesellschaftliche Strategie? . . . von Ernst Jacoby, Volker Martin und Karl Pächter
9 Offene Architektur
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10 Planen im Dialog
Anhang Literatur zu den Kapiteln Namensverzeichnis
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Das Innere der Zeit von Aldo van Eyck Architektur für Menschen von Herman Hertzberger Widersprüche — Acht Szenarien von der Stadt von Christian Hunziker
Bauen, ein Prozeß von Lucius Burckhardt, Walter Förderer Stadtteilplanung mit den Bewohnern von Luden Kroll Zufällige Helden von Colin Ward Gemeindearchitektur von Rod Hackney, Vernon Gracie, Bernard Knight, James Latham, Jim Johnson
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Vorbemerkung
Die Kritik an der Moderne ist so alt wie die Moderne selbst. In dem Maße, wie die Moderne an Boden gewann, wuchs auch die Skepsis gegenüber ihren Programmen. In der kritischen Diskussion unserer Tage vergessen wir leicht, daß alle die wachsenden Unmutäußerungen, die Bemühungen, sich zu distanzieren und einen alternativen Standpunkt zu beziehen, auch ihre Tradition haben. So sprach die Stadt Stuttgart 1927 anläßlich der Werkbundsiedlung Weißenhof von teilweisem Mißlingen. Andere gingen weiter (Muthesius: „Dilettantenleistung") und gründeten eine Vereinigung der anerkannten, traditionellen Architekten mit Namen „Der Block", um dem Zusammenschluß der Modernen im „Ring", welcher für die Ausrichtung der Ausstellung verantwortlich zeichnete, Paroli zu bieten. Massive Angriffe gegen die moderne Architektur formulierte auch Alexander von Senger in seinem Pamphlet „Krisis in der Architektur": teurer Kulturbolschewismus, dessen Industrialisierungsideologie volksfeindlich sei, da sie Mittelstand und überlieferte Kultur vernichte. "Crisis in Architecture" heißt aufs neue 1974 eine Broschüre des Royal Institute of British Architects. In ihr wendet sich Malcolm MacEwan gegen die langfristigen Programme der modernen Planungsideologie und gegen die fortschreitende Industrialisierung. Resultat seiner Untersuchung ist, daß diese Entwicklungen eine gestaltungs- und menschenfeindliche Entfremdung zwischen Architekten und von Architektur Betroffenen bewirkt hätten. Die Argumente von 1928 lassen sich 1974 wissenschaftlich absichern und erscheinen in neuem Gewand. Im Prinzip jedoch sind sie die gleichen geblieben, nur: die Krise von Architektur und Städtebau hat ihre Vorhersage eingeholt. Festzuhalten ist weiter: Obwohl das nationalsozialistische Deutschland in Kritiken, Programmen und auch in der baulichen Praxis in Opposition zur Moderne stand, leistete es gleichwohl ebenfalls einen Beitrag zur Entwicklung der modernen Architektur: In den dreißiger Jahren war es der Industriebau, und in der Zeit des 2. Weltkriegs waren es die Planungsgrundlagen und die Normierung, mit denen die entscheidenden Vorgaben gesetzt wurden für die stürmische Entwicklung der fünfziger Jahre.
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Erst um und nach 1960 knüpfte man international wieder an die Tradition der Architekturkritik an (CIAM'59 in Otterlo, Jane Jacobs 1961). Man sprach von der „gemordeten Stadt" (Siedler 1964), von ihrer „Unwirtlichkeit" (Mitscherlicb 1965), und Conrads konnte in seiner Sammlung von Programmen und Manifesten schon 1964 1 Stimmen festhalten, die in ihrem oppositionellen Spektrum und ihrer Schärfe eine vielversprechende Entwicklung für die siebziger Jahre andeuten. Und so hat das Bemühen um alternative Wege insbesondere in den letzten zehn Jahren zu einer breiten Diskussion im In- und Ausland geführt. Doch immer noch wird die Fachöffentlichkeit durch die Moderne so dominiert, daß zahlreiche der internationalen, aber auch der deutschen kritischen Ansätze hierzulande weitgehend unbekannt geblieben sind. Die nachfolgende Sammlung programmatischer Äußerungen möchte ein Spektrum solcher Alternativen vorstellen. Die Probleme unserer Städte legen es nahe, solche Autoren bevorzugt zu Wort kommen zu lassen, die für die Wiederherstellung einer menschenwürdigen Stadt bzw. einer wirklichen Stadtkultur einen nicht nur kritischen, sondern vor allem konstruktivstrategischen Beitrag leisten. Es geht hier um eine Praxis, die mit der ideologischen Grundstruktur der modernen Architektur bricht. Die Absicht dieser Anthologie ist, Brücken zu schlagen zwischen den Fronten. Es soll weniger das Gegensätzliche der Beiträge herausgestellt werden als vielmehr das Gemeinsame; es soll gezeigt werden, wie sich viele der neuen Überlegungen sinnvoll ergänzen. In unserem eigenen Zusammenschluß und Ausbau der praktischen Ansätze zu einem Neuen Regionalismus haben wir uns bemüht, die aktuellen Überlegungen zu städtischer, kultureller und individueller Identität einfließen zu lassen. Um eine möglichst große Anzahl von Texten aufnehmen zu können, sahen wir uns gezwungen, den größten Teil der Beiträge gegenüber ihrer jeweiligen Originalfassung — teilweise erheblich — zu kürzen. Das Literaturverzeichnis im Anhang soll auf weiterführende Literatur aufmerksam machen. Wir bedanken uns bei allen Kollegen und Freunden, mit denen wir dieses Buch diskutieren konnten. Vor allem aber bedanken wir uns bei Frau Minna Graff, ohne deren sachliches und schreibtechnisches Engagement wir vermutlich erhebliche Umsetzungsprobleme gehabt hätten. Berlin, 1979
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Gerald R. Blomeyer Barbara Tietze
Ulrich Conrads (Hrsg.), Programme und Manifeste zur Architektur des 20. Jahrhunderts (= Bauwelt Fundamente Bd. 1), Braunschweig und Wiesbaden 1975 3
1 Wege zu einem Neuen Regionalismus von Gerald R. Blomeyer und Barbara Tietze
Das vorläufige Ende der Stadtkultur „Nicht polizeiliche Bebauungspläne, sondern eine starke, alle Teile der Bevölkerung repräsentierende Selbstverwaltung, ein Bürgertum mit hoher Lebenshaltung und eine starke öffentliche Meinung sind wesentlich für die segensreiche Entwicklung des Städtebaus." Zu diesem Fazit kam Werner Hegemann 1913, nachdem er in den Jahren zuvor drei internationale Städtebauausstellungen (Boston, Berlin, Düsseldorf) ausgerichtet hatte. Und so war der Anfang dieses Jahrhunderts international charakterisiert durch Bemühungen um örtliche Traditionen und regionale Kultur. Es ging um die Bewahrung örtlicher Merkmale, Dezentralisation der Verwaltung, Bildung von regionalen Universitäten, Museen, die Erhaltung historischer Monumente und Plätze und um die Unterstützung des heimatlichen Kunsthandwerks und der lokalen Industrien. Insbesondere in den Arbeiten des Schotten Patrick Geddes wurde der Regionalismus zu einem der wichtigsten Ansätze für die neue Stadtplanung entwickelt. Geddes (1915) setzte Le Plays theoretische Überlegungen zu der Interdependenz von Ort, Arbeit und Bevölkerung (Beginn der Soziografie) in einen urbanistischen Ansatz um, der die aktive Beteiligung der Gemeinschaft bei städtischen Planungen vorsah. Seine "civic surveys" strebten die Verknüpfung von interdisziplinärer Untersuchung und Beteiligungsmodellen durch Befragung an. Stadtund Regionalplanung sollten nicht von Experten nach technokratischen Prinzipien betrieben, sondern in Kooperation mit den Anwohnern aus der lebendigen Tradition des Ortes abgeleitet werden. In der planerischen Verbindung des gemeinsamen städtischen Rückblicks und einer dezentralen Industriekultur erst entfaltet sich nach diesen Auffassungen die Kultur der Stadt. Geddes sprach von kultureller Identität im Sinne eines "spirit of cities", einer ganzheitlichen Dimension des Typischen und Wiedererkennbaren. Ebenso wie Ebenezer Howard in seinen Überlegungen zur Gartenstadtbewegung verknüpfte Geddes den Geist der Stadt mit Lebensbedingungen, Emanzipation und Entfremdung. Die Entwicklung städtischer Identität hängt nach diesen Auffassungen wesendich mit der Befreiung des Menschen von schlechten Wohnund Arbeitsbedingungen zusammen. In der Gleichheit der Stadtbewohner und ihrer Bereitschaft zu städtischer und nachbarschaftlicher Kooperation sei der eigentliche Träger von Stadtkultur zu sehen. Siedlungen, die in Selbsthilfe und auf kooperativer Basis entstanden sind, hätten sich (schon damals!) nicht nur als billiger erwiesen, sondern auch als Orte, die durch ihre neue Art des gesellschaftlichen Zusammenhangs und eine ständige Verbesserung ihrer ästhell
tischen Qualitäten zu charakterisieren seien. (Vgl. Geddes 1915 und auch Hartmann 1976 zur ersten deutschen Gartenstadt Hellerau bei Dresden.) Unter dem Einfluß dieser regionalistischen Strömungen und Sozialrevolutionären Utopien (Proudhon, Fourier) strebte Tony Garnier in den Entwürfen für eine "cité industrielle" die Endastung des arbeitenden Menschen durch neueste Technik an. Während aber bei Garnier die Stadtbewohner die neuen Möglichkeiten zu Selbstbestimmung und Emanzipation und zur Pflege der regionalen Kultur nutzen sollen, verflacht dieses Konzept bei Le Corbusier·. Die Technik wird zum Selbstzweck. Der Regionalismus wird ersetzt durch den Wunsch nach stärkerer Organisation. (Vgl. Wiebenson 1969, S. 19.) An die Stelle der Mitbeteiligung und der Stadtkultur, die noch für Garnier das Wesen der Stadt ausmacht, treten bei Le Corbusier die Norm und die Herrschaft einer elitären Verwaltung. Während Garnier das Zentrum der Stadt zum Zentrum des gesellschaftlichen Lebens machen möchte, macht Le Corbusier es zu einem Verwaltungszentrum und realisiert damit sein „Zwei-Takt-System" für die Organisation der Stadt: Man wohnt an der Peripherie und arbeitet im Zentrum. (Vgl. Hilpert 1978, S. 135.) Nicht mehr der Bewohner macht die Kultur der Stadt aus, sondern das Auto. Konsequenterweise fand Le Corbusier in der Automobilindustrie (Voisin) die entschlossendsten Mäzene für seine Pläne, die Stadt abzureißen und zugunsten des Autos neu zu erbauen. „Wohin eilen die Automobile? Ins Zentrum! Es gibt keine befahrbare Fläche im Zentrum. Man muß sie schaffen. Man muß das Zentrum abreißen." (Le Corbusier 1925, S. 101.) „Die Städte werden auf dem Land sein, ich werde 50 km von meinem Büro unter einem Tannenbaum wohnen; meine Stenotypistin auch 50 km entfernt gegenüber unter einem anderen Tannenbaum. Wir werden jeder unser Auto haben. Wir werden den Reifen abnutzen, Straßen, Getriebe; wir werden öl und Benzin verbrauchen. All das verursacht Arbeit, eine gigantische Arbeit für alle (...)." (Le Corbusier 1935, zitiert nach Hilpert 1978, S. 166.) Die Verknüpfung planerischer Utopie mit handfesten Wirtschaftsinteressen sicherte den Erfolg dieser Auffassung. Das war das vorläufige Ende der Stadtkultur.
Die Tradition der Moderne Möglich wurde die moderne Architektur durch die Entwicklung des Ingenieurbaus im 19. Jahrhundert. Die technischen Innovationen erlaubten Konstruktionen aus Gußeisen, Stahl, Stahlbeton und Glas, die an die Stelle des traditionellen Massivbaus feingliedrige, leichte Skelettbauten setzten (ζ. B. Kristallpalast der Weltausstellung in London 1851). Für viele Architekten waren die vorgefertigten Systeme mit ihren Möglichkeiten (schnelle Montage, variable Grundrißgestaltung) der Beginn einer „Befreiung der Baukunst". Doch auch wenn die gestalterischen Möglichkeiten der neuen Tech12
nologien genutzt wurden, scheuten sich selbst so avantgardistische Stahlbauer wie die der Chicago School noch zum Ende des 19. Jahrhunderts, ihre Konstruktionen zur Schau zu stellen. Sie verkleideten und dekorierten ihre Bauten, und sie unterwarfen sich nicht zuletzt aus technischen Gründen einer Ästhetik des Natursteins, des Klinkers und des ornamentalen Terrakottaelements. Das ausgehende 19. Jahrhundert war gekennzeichnet durch den Wettstreit zwischen Klassizismus und der Vielzahl anderer historisierender Bauweisen. (Vgl. Döhmer 1976.) Der Formenapparat der Stilmischungen wuchs in diesen Auseinandersetzungen ins Unermeßliche und stand sowohl in Kontrast zu den Ansätzen einer regionalen Typisierung als auch zu den vorgeblich zweckrationalen Gesetzen einer reinen Ingenieurkonstruktion. Gleichzeitig mit diesem Eklektizismus entwickelten sich verschiedene Reformbewegungen gegen die beliebige Verwendung historischer Formen und gegen die Äußerlichkeit der Stilbildung. Diese Bemühungen um Einfachheit, Ehrlichkeit und die Verschmelzung von Kunst und Handwerk mündeten letztlich in die avantgardistischen Programme der arts-and-crafts-Bewegung, des Jugendstils und des Funktionalismus. (Vgl. S. 21 ff., Williams-Ellis, und S. 34 ff. MeyerChristian, die diese Art Ehrlichkeit indes als reinen Aberglauben geißeln.) Vorbereitet wurde der radikale Bruch der Moderne mit der Geschichte durch die Arbeiten der Neugotiker seit Pugin, insbesondere durch Ruskin und Viollet-le-Duc, die es zu einer moralischen Pflicht machten, nach der strukturellen und wahrhaftigen Logik der Konstruktion zu bauen. (Vgl. Scott 1914 und S. 27 ff., David Watkin). Die interne Fachdiskussion um Ornament und Typisierung wurde in den zwanziger Jahren in Richtung der Zeitlosigkeit und „Neuen Sachlichkeit" gelenkt, nicht ohne jedoch von erheblichen fachlichen Zweifeln begleitet zu werden: „Ganz ähnlich wie 1914 Muthesius von Phantasten (gemeint sind Gropius, van de Velde und Bruno Taut-, d. Verf.) verdrängt wurde, ging es 1927, als sich die Notwendigkeit der Typisierung endlich durchzusetzen begann und als sich konstruktiv denkende Baumeister wie Bonatz und Schmitthenner durch die noch immer formalistischen Forderungen einiger junger Schreihälse zum Austritt aus dem Werkbund veranlaßt fühlten. Nicht der Wille zur ,Neuen Sachlichkeit', sondern der durch keine Sachlichkeit gezügelte Wille zur .neuen F o r m ' (ζ. B. flaches Dach um jeden Preis!) trennt die sensationsbedürftigen Jünglinge, die Muthesius die ,Komiker' von Stuttgart nannte, (...) von ernstzunehmenden Baumeistern." (.Hegemann, 1927, S. 496 f.) Hegemann selbst trat für einen modernen Klassizismus ein, der eine Synthese aus dem Einfachen und Wirtschaftlichen, bewährter Tradition und technischem Fortschritt bilden sollte. Ähnliche Überlegungen entwickeln Maguire, Terry und Jameson (Kapitel 5 der folgenden Aufsatzsammlung), während Rykwert und Moore neue Argumente für das Ornament und eine optisch reiche Architektur in Kapitel 4 vortragen. 1928, ein Jahr nach dem Debakel von Stuttgart-Weißenhof, wurden die CIAM, Congrès Internationaux d Architecture Moderne, mit dem Ziel ins Leben ge13
rufen, die moderne Architektur in jeder Weise zu fördern. Man forderte eine leistungsfähigere Architekturproduktion durch Standardisierung und Rationalisierung, um der drängenden Probleme der akuten Wohnungsnot Herr zu werden. Der Architekt solle die Arbeitsgänge in der Fabrik und auf der Baustelle vereinfachen, das Baugewerbe die Zahl der beteiligten Berufe begrenzen, der Verbraucher schließlich solle seine Ansprüche zugunsten des Existenzminimums einschränken (Steinmann 1972, S. 42). Die ersten CIAM wurden von den deutschen Mitgliedern dominiert, die praktische Erfahrungen mit der modernen Architektur im großen Maßstab des Siedlungsbaus vorweisen konnten. Doch schon bei CIAM III, 1930, nutzte Le Corbusier seine Autorität, um den gesteckten Rahmen zu sprengen. Mit seinem Vortrag über „Die fundamentalen Elemente des neuen Städtebaus" stellte er die entscheidenden Weichen für die Charta von Athen, 1933. Im Gegensatz zu den internationalen städtebaulichen Kongressen, die seit 1910 abgehalten wurden, bemühte man sich beim CIAM IV, 1933, nicht länger um die Fortführung traditioneller Stadtstrukturen. Die städtebaulichen Konzepte Block, Straße, Platz und städtisches Zentrum der Gemeinschaft wurden als Ursachen für städtische Mißstände diffamiert und aus den Städten der Zukunft verbannt. Als Ausweg empfahl man den modernen Planern die Flächensanierung mit anschließendem Neubau. Das Ziel war die Auflockerung der Stadt, die Folge war ihre faktische Auflösung mit den Leitbildern der fünfziger und sechziger Jahre, die die autogerechte, gegliederte und aufgelockerte Stadt propagierten. Noch 1977 fanden sich namhafte Architekten in Peru auf dem Machu Picchu zusammen, um diese Überlegungen zu einem neuen Architekturmanifest der Moderne zu aktualisieren. Zu den alten Behauptungen der CIAM IV, daß der Schlüssel zum Städtebau in den vier autonomen Stadtfunktionen „Wohnen, Arbeiten, Sich erholen, Sich bewegen" liege und daß insofern — wie Le Corbusier (1962, S. 76) sagte — „das Ausgangsmaterial" der Stadt „Sonne, Grünfläche und Raum" sei, das Resultat die „vertikale Gartenstadt" (sprich Hochhaus) und der Zeilenbau, wurden im wesentlichen zwei neue hinzugefügt: die Forderungen nach Herausstellung von Raum-Zeit-Beziehungen und Integration von GebäudeStadt-Landschaft. Das Machu-Picchu-Manifest ist eine Charta der Altmodernisten, unterschrieben u.a. von namhaften Architekten wie Gottfried Böhm, Gordon Bunsbaft, Felix Candela, Charles Eames, Kunio Mayekawa, Pier Luigi Nervi, Ernst Neufert, Oscar Niemeyer, Frei Otto und Kenzo Tange. (Vgl. Bauwelt 17/1978, S. 659). In Stuttgart beeilte man sich, anläßlich einer deutsch-italienischen Architekturbegegnung eine integrative Erklärung zu diesem Manifest abzugeben, nach welcher Architektur ein Bedeutungsträger sei und aneignungsfähig werde, wenn „ihre Botschaft einen offenen Prozeß offenbart" (Bauwelt 39/1978, S. 1457). Die Tradition steht dieser Art Offenheit, die sich gegen den städtischen Raum und die Straße richtet, allerdings entgegen. Die Programme der Moderne zielen insofern weiterhin gegen städtische Tradition und damit gegen die Struktur der 14
Stadt. In Opposition zur Moderne hat man sich jetzt auf den Kampf gegen die wirtschaftlichen und politischen Machtfaktoren und Interessen eingerichtet, die für diese bürgerfeindliche Entwicklung verantwortlich zeichnen. (Vgl. die Beiträge von Culot, Schoonbrodt, Krier und Jacoby/Martin/Pächter in Kap. 8.) Die Bemühungen der regionalistischen Bewegungen um die Jahrhundertwende bieten uns viele Argumente gegen die Moderne. In Anknüpfung an die historischen Diskussionen wollen wir im folgenden versuchen, die Beiträge dieses Buches — soweit es die Art der Opposition zuläßt — zu einem übergeordneten Standpunkt eines Neuen Regionalismus zu verdichten, um damit die Argumentationsketten zu verdeutlichen. Entscheidend ist es für die Ansätze zu einem Neuen Regionalismus, daß ein planerischer Modus gefunden wird, der in Kontrast zu den makroökonomischen Planungen der Moderne die Aneignung der Umwelt durch ihre Nutzer wieder zum Thema macht.
Die drei Schritte der Aneignung Aneignung, also das Herstellen und Wiedererkennen von menschlichen Spuren (vgl. die Beiträge von Hertzberger, Van Eyck und Hunziker in Kap. 9), findet in sozialen Umwelten statt, die unterschiedlich komplex sind. Unterschiedlich sind gleichfalls Art und Aufwand an sozialer Organisation, die notwendig sind, um Aneignung zu realisieren. Eine zentrale Rolle spielt hier die Ästhetik der Partizipation. Partizipative Planungen, Bürgerbeteiligung auf den verschiedensten Niveaus der Aneignung, machen entsprechend viele Organisationsformen für ihre Durchführung notwendig (vgl. Jacoby/Martin/Päcbter auf S. 132 ff.). Grundsätzlich tritt der Neue Regionalismus für eine uneingeschränkte Planungsbeteiligung ein. Hier aber ist Rücksicht zu nehmen auf die unterschiedlichen Interessen und auf den Alltag mit seinen Belastungen, der für diese Art Aneignung nicht uneingeschränkt Zeit läßt. Der Neue Regionalismus geht davon aus, daß verschiedene Stufen/Komplexitätsebenen von Planung unterschiedliche Modelle für den Aneignungsfreiraum und eine Mitbeteiligung vorzusehen haben. Im Sinne der „offenen Planung" (Hegger/Pohl 1975, S. 949) ist zu fordern, „daß innerhalb eines durch übergeordnete Planungsentscheidungen vorgegebenen Rahmens die Planung schrittweise erfolgt, mit Zwischenstufen der Information, Diskussion und Zielkorrektur". In diesem Sinne gilt es, die allgemein formulierten Erörterungs- und Mitwirkungsvorschriften des StBauFG (1976) §§ 1, 5, 8, 9 und 10 und § 2a BBauG durch verbindliche Mitbestimmungskonzepte zu ersetzen. (Vgl. Kögler 1974 und Mühlich/Zinn 1977.) Die neue Stadtkultur braucht einen Bewohner, der ein anderes Verständnis von Stadt hat, als es die moderne Bewegung dem Stadtbewohner erlaubte. Für den Prozeß der Planung hat diese Forderung weitreichende Konsequenzen. Insbeson15
dere steht sie in Widerspruch zur traditionellen Expertenarchitektur und zum autoritären Anspruch anonymer Programme (vgl. Burckbardt/Förderer auf S. 154 ff.). An die Stelle des Besser-Wissens und der Programmreduktion auf statistische Daten tritt für den Neuen Regionalismus die Bereitschaft zum Gespräch und zur Kooperation (vgl. Kroll auf S. 160 ff.). Das richtet sich gegen das Denken der Planer in Durchschnitten und gegen die statistische Formulierung des Existenzminimums bzw. gegen die derzeitigen Förderungsrichtlinien des Sozialen Wohnungsbaus. Es gilt, sie zugunsten der qualitativen Vielfalt zu erweitern: „Die oft gutgemeinten, auf dem Massenwohnen basierenden Verfahren sind sehr teure Arten und Weisen, die Menschen arm zu machen — zuerst die Menschen, die sowieso arm sind, und auf die Dauer die gesamte Gesellschaft." (Turner 1978, S. 90.) Damit erfährt die alte Auseinandersetzung Architekt-Bauherr insbesondere dann, wenn der Bauherr eine anonyme Institution ist, eine Neuinterpretation. Planungstechniken sind zu entwickeln, die eine Differenzierung der Nutzung und der sozialen Gruppierungen auf Seiten des Bauherrn zulassen: die Stadt und die verschiedenen Stadtbewohner, die Straße und die verschiedenen Hausbesitzer, der Betrieb und die verschiedenen Arbeiter und Angestellten, die Wohnung und die verschiedenen Bewohner. Die Varianz der individuellen Bedürfnisse muß in der Bandbreite ihrer prinzipiellen sozialen und nutzungsspezifischen Unterschiedlichkeit erkannt und berücksichtigt werden. Auf Geschmackskulturen, ökonomische Möglichkeiten, Artikulationsfähigkeiten und Artikulationsbereitschaft muß Rücksicht genommen werden. Der erste Schritt für diese Rücksichtnahme heißt: Betroffenheit bewußt machen, Wege aus der Ohnmacht anbieten, Partizipation so organisieren, daß sie von allen Beteiligten erlernt werden kann. Das Planungsvorgehen, in dem sachliche Differenzen zwischen verschiedenen Ebenen der Planungshierarchie ausgetragen werden, sollte weitgehend zugunsten dezentraler Regelungen ausgelegt sein. Wesentliche Entscheidungen für das Quartier bzw. die Straße treffen nach dieser Vorstellung die Betroffenen selbst. Für die nächsten Planungsebenen müssen Verfahren eingerichtet werden, die der Ablösung der Planung von den Interessen der Planungsbasis vorbeugen, den Interessenausgleich demokratisch organisieren. (Vgl. dazu Nascholds Modelle einer demokratischen Regionalplanung, Naschold 1978.) Konkret heißt das für die Architektur und Stadtplanung: Die Gegenmacht ist in der Formulierung der Planung zu institutionalisieren. Auf der Ebene der Flächennutzungs- und der Stadtentwicklungsplanung sind das Dietzenbacher Modell (vgl. Dischkoff/Wilkens auf S. 116 ff.) oder aber auch die Planungszelle (Dienel 1978) wegweisende Modelle. Mit zunehmender Alltagsnähe fordert der Neue Regionalismus eine Beteiligung, die schrittweise an Unmittelbarkeit zunimmt (ζ. B. Quartiersrat, Gemeindearchitektur etc., vgl. Kap. 10). Ausgangspunkt für diese konkreten Forderungen sind umweltpsychologische Überlegungen zum Verhältnis von Territorialität und Verantwortung, von kul16
tureller und sozialer Identität. Das menschliche Bedürfnis nach Identität steckt Territorialitäten ab, exklusive Ansprüche auf den Ort (mein Platz, meine Wohnung, unser Stammtisch, unsere Straße etc.), die ein wesentliches Mittel zur sozialen Strukturierung der Welt sind. Der Neue Regionalismus geht von dem sozialen Prozeß aus, in dem diese Strukturierung zustande kommt. Dem Bedürfnis nach sozialer und kultureller Identität und dem Bedürfnis nach Orientierung k o m m t es entgegen, wenn Umwelt diese sozialen Prozesse wiedererkennbar und benennbar macht, sich räumliche Umwelten erfahrbar unterscheiden. Eine verständliche und wiedererkennbare Umwelt begegnet dem Individuum in den drei sozialen Bezugsebenen der individuellen, kollektiven und gesellschaftlichen Aneignung, deren räumliche Differenzierung einer Gliederung in den unmittelbaren privaten Verfügungsbereich (individuelle Aneignung·, ζ. B. Wohnung, Haus, Arbeitsplatz), den unmittelbaren öffentlichen, aber nicht anonymen Verfügungsbereich (kollektive Aneignung: ζ. B. Straße, nachbarschaftlicher Freiraum) und den mittelbaren und in der Regel der Verfügung anonymisierten gesellschaftlichen Verfügungsbereich (gesellschaftliche Aneignung·, ζ. B. öffentliche Bauten, Zentren) nahelegt. Die regionalistische Planung stellt für jeden dieser sozialen Aneignungsbereiche ästhetische und organisatorische Leitregeln der Stadtgestaltung auf. Auf der ersten, der individuellen Aneignungsebene, gilt es, den Gestaltungswillen aller am Prozeß des Bauens Beteiligten, Architekten, Ingenieure, Nutzer wie Bauarbeiter, zu einem qualifizierten Bestandteil des Bauprozesses zu machen. Die Veränderungen im Bereich der Sekundärstruktur, die von den Modernisten in Pessac und Wertherberg beklagt werden, sind den Regionalisten nicht Schritte der Zerstörung, sondern positiv zu wertende Äußerungen der Aneignung. Die Straße als Territorium der gemeinsamen Nutzung allerdings bedarf der Abstimmung der Anrainer. Und das ist der zweite Schritt der Aneignung, mit dem Gegenwärtiges in Historisches übergeht, sich kulturelle Identität herstellt dadurch, daß sich die individuellen Interessen unter einen übergreifenden Gesichtspunkt einordnen. Der Neue Regionalismus stellt in dieser zweiten Stufe der Aneignung auf lebendige Verfahren ab, wie sie im Ansatz bei der Aneignung gemeinsamer Freiräume (Spille 1978) sowie bei Siedlungsplanungen (Huth/Pollet 1976, vgl. auch Kroll auf S. 160 ff.) realisiert worden sind. Im städtischen Bereich (vgl. auch Kap. 10) kann das Modellvorhaben SO 36 in Berlin-Kreuzberg als Ansatz in diese Richtung gewertet werden (Lang/Richter 1978, Duntze 1978). Die organisatorischen Probleme dieses zweiten Schrittes der kollektiven Aneignung liegen im Bereich der Verwaltungsstruktur, der Verwaltungskosten und der partizipationsfeindlichen Entwicklung der Bautechnologien (vgl. Hegger/Pohl 1977). Kulturelle Identität entsteht dadurch, daß die Traditionen des Ortes im Licht der persönlichen Erfahrungen und Bedürfnisse interpretiert werden. Für die kulturelle Identität und die Kontinuität von Aneignung sind insofern Bau- und Stadtgeschichte von großer Bedeutung. Der Neue Regionalismus nutzt die Tradition und das Bewährte als konkrete Hilfe für den Entwurf (vgl. Kap. 5). Ihm geht es dar17
um, auch die anonyme Architektur und die mittelmäßige Entwurfspraxis wieder soweit zu qualifizieren, daß sie es wert sind, in die Kulturgeschichte des Bauens einzugehen. Wichtig für die Begründung der Neuplanung sind die typologischen und morphologischen Studien über regionale Traditionen, Bauformen und Stadtstrukturen (vgl. Kap. 7), Stadtbildatlanten, Entwurfsmusterbücher etc. Doch wenn der Architekt — wie der Italiener Aldo Rossi — diese Traditionen in beliebiger Form aufgreift, wird die Behauptung der Aneignung über die kollektive Erinnerung anmaßend. Ohne die Mitwirkung der Betroffenen gerät das Monumentale zum Pathos — die „Bedeutung" verkehrt sich ins Gegenteil. Ein Architekt, der eine lebendige Tradition fortführen möchte, muß seine Bemühungen im Alltag der Bewohner und Nutzer verankern, welche diejenigen sind, die die Aneignung vollziehen. Deutsche Ansätze in die regionalistische Richtung der typologischen Interpretation sind z. B. die Wohnhäuser von Hennig (Nürnberg-Langwasser), der Vinetaplatz (Berlin-Wedding) von Kleihues, das Kaufhaus Schneider (Freiburg) von Mobl, das Altersheim (Reutlingen) von Behnisch & Partner, die Wohnanlage am Volkspark (Berlin-Wilmersdorf) von Krebs und Jachmann sowie die Häuser von Gehse, Grüneke und Volmerhaus (Wetter). Sie greifen alle zurück auf das Erfahrbare der örtlichen Tradition, lassen jedoch den partizipativen Ansatz vermissen.
Zu den neuen Formen des Bauens Die Moderne verknüpfte im Auftrag der Industrie ihre technischen und ästhetischen Entwicklungen weitgehend mit arbeitstechnologischen Rationalisierungsbemühungen. „Ich autorisiere Sie, Ihre Theorie in der Praxis bis zum Äußersten durchzusetzen (...). Pessac muß ein Laboratorium werden. Ich bevollmächtige Sie, vollständig mit allen bisherigen Konventionen zu brechen, alle bisherigen Methoden zu verlassen. (...) Die Mauern, Balken, Dächer usw. sollen von der besten Qualität sein, und Sie sollen zur Herstellung derselben Maschinen benutzen, die ich Sie hiermit bevollmächtige zu kaufen, um hierdurch ein wirkliches Taylorsystem zu ermöglichen", so lautete der Auftrag des Bauherrn der Siedlung Pessac, des Industriellen Fruges an Le Corbusier (Le Corbusier 1964, S. 78; Hervorhebung durch d. Verf.) Unter dem Einfluß der Industrialisierung, die darauf abzielte, durch arbeitswissenschaftliche Rationalisierung Zeit und Qualifikation zu sparen, führte die Moderne neue Baustoffe, eine neue Ästhetik und neue Arbeitstechniken ein. Die Konsequenzen der neuen Fertigungstechniken hießen Anonymisierung und Veränderung des Maßstabs. Das Ziel war die exakt planmäßige Bewältigung großer Bauvolumen unter minimalen Herstellungskosten. Die Bauindustrie stellte immer billigere und einfachere Teile her, die Arbeit am Bau wurde immer schneller, und 18
tatsächlich wurden die alten fachlichen Qualifikationen mehr und mehr überflüssig, die traditionellen Berufsbilder am Bau änderten sich radikal. Es entstanden Gebäude, die sehr präzise den Mechanismus ihrer eigenen Produktion widerspiegeln bzw. auch bei konventioneller Fertigung den Geist industrieller Produktion ausdrücken. So wie der Regionalismus die Moderne in Frage stellt, macht er die Bauarbeit selbst wieder zur Grundlage seiner Überlegungen: „Die Werkstatt ist wichtiger als das Atelier." (Tessenow 1916, S. 11.) Tessenows Forderung findet ihre Weiterführung in den Arbeiten der heutigen Gemeindearchitekten (vgl. Hackney et al., S. 167 ff.). Der Neue Regionalismus greift die Vorstellungen der alten Regionalisten auf und fordert wieder handwerkliche Qualifikationen vom Architekten (vgl. Maguire, S. 80 ff.), um den Hausbau auf die Qualifikation der Bauarbeiter abzustellen und bei den Kooperationen vor Ort selbst Hand anlegen zu können. Diesem Ansatz geht es um ein neues berufliches Selbstverständnis, um neue Anforderungen und neue Fertigkeiten auf Seiten von Bauarbeitern, Nutzern und Architekten. Das Ziel ist eine Anpassung der Planungen an die regionalen und individuellen Bedürfnisse, eine Erhöhung der Bauqualität und eine Verminderung der Folgekosten.
Neuer Regionalismus und Postmodernismus Mit seinem Bekenntnis zur traditionellen Stadtstruktur vertritt Charles Jencks in seinem Buch „Die Sprache der postmodernen Architektur" eine dem Neuen Regionalismus verwandte Auffassung. Doch erfordert die Anerkennung der unterschiedlichen „Geschmackskulturen" (Herbert Gans) von Stadtbewohnern seines Erachtens eine größere Komplexität, als sie der Regionalismus zu bieten hat: die Stadt als „bunte Sammlung von Widersprüchlichkeiten und unterschiedlichen Absichten" (Jencks 1978, S. 127). Bauten müssen nach dieser Auffassung weder modern sein noch regional, denn Bauformen, -techniken und -materialien seien inzwischen international. „Warum sollte man sich auf die Gegenwart und auf das Lokale beschränken, wenn man es sich leisten kann, in verschiedenen Zeitaltern und Kulturen zu leben?" (ebd., S. 127). Aus diesen Überlegungen leitet Jencks schließlich sein Programm für die postmoderne Architektur ab: den „radikalen Eklektizismus". Dieser beginnt „bei den Geschmacksvorstellungen und Sprachen, die an jedem Ort vorherrschen, und überkodiert die Architektur (mit vielen überladenen Einfällen), so daß sie von verschiedenen Geschmackskulturen verstanden und genossen werden kann." (ebd., S. 131 f.) Die Forderung jedoch nach der totalen Komplexität um der Freiheit des einzelnen willen begeht den gleichen Fehler wie die nach der modernen Komplexitätsreduktion. Freiheit wächst paradoxerweise sowohl mit einem Abbau als auch mit einem Aufbau von Regeln. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß die soziale 19
Realität einen radikalen Eklektizismus allenfalls in der Form einzelner Gebäude zuläßt. Und so muß Charles Jencks gestehen: „Es existieren, meine ich, keine völlig überzeugenden Beispiele für radikalen Eklektizismus außer den ehrwürdigen Bauten von Antonio Gaudi" (ebd., S. 129). Der Forderung nach einer neuen Freiheit sind insofern Regeln u n d Anwendungsbereiche zur Seite zu stellen, um Architektur weder der Beliebigkeit der ästhetischen Äußerung noch der „naturwüchsigen" Unfreiheit außerarchitektonischer Sachverhalte zu überantworten. Die Bau- und Stadtkultur hat uns gelehrt, daß die Freiheit des Individuums in einem Gemeinwesen von anderer Natur ist als eine Freiheit, die von der Ordnung sozialer Bezüge abstrahiert. Soziale Identität entwickelt sich nicht ohne kulturelle Identität, Traditionen entfalten sich nicht aus der Summe beliebiger Erfahrungen, Erfahrungen schließlich entfalten sich nicht ohne kulturelle Tradition. Der Neue Regionalismus nimmt deshalb zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen zwar den einzelnen Menschen und die individuelle Situation, aber doch innerhalb des jeweiligen gesellschaftlichen Rahmens. Eine Umwelt, die für ihre Bewohner verständlich und wiedererkennbar ist, macht es notwendig, daß darin die Geschmackkultur des Indiviuums genauso ihren Platz hat wie die Entscheidung der Gruppe oder der Gesamtheit der Gruppen. Das Dauerhafte darf nicht zugunsten des Kurzlebigen aufgebraucht werden und umgekehrt.
20
2 Überlegungen zur ideologischen Grundstruktur der Moderne Architekten liefern für die Erscheinung ihrer Bauten höchst unterschiedliche historische Begründungen. Insofern ist das Verhältnis von Form und Funktion, von Materialgerechtigkeit und konstruktiver Ehrlichkeit bei weitem nicht so festgelegt, wie es viele moderne Architekten gerne hätten. Die ideologische Grundstruktur der Moderne scheint vor allem ein rhetorisches Konstrukt zu sein, dessen Wirksamkeit mit der Leichtgläubigkeit seiner Abnehmer zusammenhängt. Die Texte dieses Bandes sind mit der Absicht ausgewählt, diese Grundstruktur offenzulegen und eine Neueinschätzung der Wegbereiter und Ideologen einzuleiten. Williams-Ellis greift die Scheinlogik griffiger architektonischer Leitformeln an, um die Architektur von rhetorischen Scheuklappen zu befreien (vgl. auch Scott 1914). Sein Ziel ist der Mensch und dessen Vergnügen. Watkin geht weiter, indem er zeigt wie Kunstwissenschaftler mit Hilfe nachträglicher Fiktionen Entwicklungslinien erfinden. So wieMeyer-Cbristian das Un technische des vorgeblich Technischen, das Unsachliche des vorgeblich Sachlichen bei Walter Gropius bloßstellt, so deckt Watkin die außerarchitektonischen und vor allem moralischen Postulate auf, die der Architektur des 19. und 20. Jahrhunderts zu ihrer Begründung dienten. Mit der Enttarnung dieser Grundprinzipien und Beschwörungsformeln allerdings wird noch keine einheitliche Neuorientierung eingeleitet. Während Meyer-Christian auf den Abbau des dilletierenden Architekten zielt, setzt Watkin allein auf den Künstler als Träger von Fortschritt und Tradition. Hier sei auf die Kapitel 8 bis 10 verwiesen, die Architektur in der Einheit wissenschaftlicher und künstlerischer Disziplinen als neuen Beruf humanökologischer Erkenntnis und Planung entwerfen.
Die Scheinlogik architektonischer Schulweisheiten von Clough und Amabel
Williams-Ellis
Sir Clough Williams-Ellis (1885 — 1 9 7 8 ) war ein Pionier in der Wiederverwendung architektonischer Elemente und alter Bauten. Das bekannteste seiner Werke ist das künstliche Dorf Portmeirion, Wales, wo er die alte Architektur neu zusammenbaute.
In der Architektur wie in den anderen Künsten strebt die Kritik von Zeit zu Zeit immer wieder einmal nach Objektivität. In der Tat hat Ruskin bis zu einem gewissen Grad — indem er seiner Baukritik einen moralischen wie auch archäologischen Dreh gab — die Architekturästhetik in diese — objektivierende — Richtung gelenkt. In den gewöhnlichen Klischees von Architektur ist hingegen viel die Rede 21
von „Richtigkeit", von Einfachheit, von Expressivität, von ehrlicher Konstruktion, — alles Vorstellungen, die auf einen externen Maßstab verweisen, unabhängig vom Vergnügen eines Betrachters. Dabei haben wir es nicht mit einem zusammenhängenden System zu tun, sondern mit Überresten von Ideen, die sich in unserer Sprache verbergen oder verwickelt sind in den Fransen gewohnheitsmäßigen Denkens. Im allgemeinen treten sie auf als ordentliche, abgerundete Redewendungen, die so glatt von der Zunge gehen, daß wir sie weder untersuchen noch anfechten. Und dann geht uns auf, daß wir nach der Proklamierung einer Binsenwahrheit, der wir interesselos zustimmten, irgendein Lieblingsgebäude nicht länger schätzen dürfen. Dieser interesselos hingenommene Code legt dann fest: 1. daß Schönheit schmucklos sein solle. Deshalb sei ein schlichtes Gebäude immer einem mit Ornamenten bedeckten vorzuziehen; 2. daß ein Gebäude Ausdruck sein soll a) seiner Konstruktion, b) seines Zweckes, c) seines Architekten oder seiner Periode; 3. daß falscher Marmor ein Greuel sei; 4. daß der Stil eines Gebäudes rein sein müsse; 5. daß Stile eine biologische Lebensgeschichte haben und unterschieden werden können nach Kindheit, Jugend, Reife und Senilität; 6. daß Gebäude, deren Hauptlinien waagerecht seien, auf hügeligem Gelände gebaut werden sollten; umgekehrt Gebäude mit vornehmlich senkrechten Linien auf flachem Gelände; 7. daß Architekten einen vollständig neuen Stil entwickeln sollten und keinen Gebrauch von „klassizistischem", „gotischem" oder „orientalischem" Detail und allgemeinen Wirkungen machen dürfen; 8. daß das Ziel jedes Kunststudiums die Bildung eines reinen und exklusiven Geschmacks sei. Wenn wir diese Merksätze im Detail untersuchen, werden wir herausfinden, daß sie mit jenen großen Wahrheiten übereinstimmen, die vor einem Jahrzehnt in den Bildungsanstalten gelehrt wurden, um starke Männer zu Tränen zu rühren: „Der beste Freund eines Mannes ist seine Mutter" oder „Ein freundliches Herz ist mehr wert als eine K r o n e " oder „Die Hölle kennt keine größere Verheerung als die Wut einer verschmähten Frau". Jeder dieser Sprüche enthält ein Körnchen Wahrheit, aber sie sind alle zu umfassend und ein wenig zu einfach, um wahr zu sein.
Der Irrglaube: Bauten sollen am besten schmucklos
sein
Es liegt auf der Hand, daß dieser Grundsatz für Leute, die entweder naturalistische Theoretiker oder sentimentale Vertreter des Nützlichkeitsprinzips sind, sehr 22
reizvoll ist. Aber leider kann man die Natur in Gebäuden nicht besonders gut nachahmen. In Fällen, wo eine Nachahmung unpraktisch wird, hielten die Naturalisten schon immer das Unaufdringliche für das Nächstbeste. Der schlichte, gescheuerte Tisch, der nackte Holzfußboden, die Worpsweder Binsenstühle, die Ästhetik des naturfarbenen Leinens sind ebenso Gesten der Unterwerfung unter die Natur wie die wilden Gärten, die wilden Grasränder, die unregelmäßigen Gartenwege, die Natursteine und die spontanen Häufungen von Osterglocken unter den Bäumen. Frauen bekannten sich zur Naturanbetung, schrieben Bücher über ihr Surrey oder den deutschen Garten. Sie ernährten sich von Salat, da sie das Geld für den Fleischeinkauf schon für den Kräutergarten ausgegeben hatten. Und so schien es nicht nur billiger, schmucklos zu sein, sondern man hielt es für ein ästhetisches Verdienst. In diesem neuen Hafen der Cottage-Architektur sollte es keine Zeitverschwendung für das Schnitzen pompöser Säulen und unmöglicher Ornamente geben. Schließlich wollte man beweisen, daß die Kunst auf der Seite der Ökonomie lag. Aber es gibt keinen Zweifel, daß diese Theorie auch einen echten ästhetischen Hintergrund gehabt haben muß. Tatsache ist, daß mit dem Schmuck sich auch eine Betonung verbindet. Die Kritiker, die in von einer Generation gebauten Städten leben, deren Geschmack ihnen extrem widerspricht, werden notwendigerweise die einfacheren Bauten bevorzugen. All jene Angehörigen der neuen Generation, die Gefallen an Gemeinplätzen haben, werden bald einen Satz Sprichworte oder Platitüden vorlegen, in dem diese aus der Situation entstandenen spezifischen Abneigungen und Vorlieben zu allgemeinen Wahrheiten erklärt werden. „Man läßt ein Gebäude lieber schmucklos", „Sprechen ist Silber, aber Schweigen ist Gold". So wird die Jugend verwirrt durch einen unechten Gegensatz und ein unechtes Dilemma. Viele Künstler der Gotik und des Rokoko zielten, jeder auf seine eigene Art, auf das zugleich Reichhaltige und Leichte. Die Architekten des römischen Imperiums suchten und fanden die Pracht, die Griechen hingegen eine ruhige, lyrische Schönheit. Keines dieser Ideale hätte je durchweg verfolgt werden können, ohne daß man das nicht-konstruktive Ornament üppig gebraucht hätte, um so die Bedeutung des Architekten hervorzuheben. Kein Architekt, der in einer aktiven Zeit lebt, würde auf den Gebrauch des Ornaments verzichten, ebenso wie er auf den Gebrauch von Schlichtheit nicht verzichten würde.
Der Irrglaube: Bauten sollen Ausdruck oder Epoche sein
von Konstruktion,
Zweck,
Architektur
Diese Theorie zu entkräften ist ziemlich schwer, nicht nur weil sie so einleuchtet, sondern weil man alle möglichen und widersprüchlichen Arten von Vorteilen durch ihre Anerkennung gewinnt. Man muß beispielsweise zugeben, daß ein Gebäude über die Ursache, dem Grund seiner Errichtung nicht lügen sollte. Von 23
hier schließt m a n dann schnell auf das Axiom, daß jene Architektur am besten sei, deren K o n s t r u k t i o n am besten ist u n d in der dies am ehrlichsten dargestellt wird. Der K o n s t r u k t e u r , der diesen Grundsatz vertritt, m u ß allerdings nicht beweisen, daß einige schöne Bauten Zeugnis ihrer K o n s t r u k t i o n sind, sondern daß sie alle schönen Bauten sind. Aber dies kann nicht bewiesen werden, weil z.B. sowohl die R ö m e r als auch die Architekten der späten Renaissance ihre echten Tragwerke versteckten u n d doch das Auge durch ein vollständiges System falscher Konstruktion befriedigen k o n n t e n . Für unser Vergnügen ist nicht entscheidend, daß die Säulen, die wir sehen, tatsächlich die Last tragen. Es reicht für das Auge, wenn sie sie zu tragen scheinen. Die römischen u n d die Renaissance-Baumeister haben sich mit der Architektur beschäftigt u n d e r k a n n t , daß viele neue K o m b i n a t i o n e n dann umgesetzt werden können, wenn der konstruktive Anlaß für unser Vergnügen an einem Gebäude zwischen Wirklichkeit u n d Erscheinung manchmal t r e n n t . Und doch: Eine sorgfältige Ausarbeitung in der K u n s t ist mit der Statik vergleichbar. Es ist o f t eine Freude zu sehen, wie eine Last u n t e r T r i u m p h getragen wird. Aber es k o m m t der Punkt, an dem der Betrachter zu d e m Schluß k o m m e n kann, daß das Spiel nicht der Mühe wert war. Es gibt eine Grenze, verschieden je nach Ländern u n d Epochen, an der der Betrachter merkt, daß die sorgfältige Bemühung zur Qual wird. Ein Gebäude m u ß also einen Grund nachweisen, wenn es seine Konstruktion nicht ausdrückt. (Die Gegenwart irgendeines Elementes von Schönheit, das im speziellen Fall mit der konstruktiven Ehrlichkeit unvereinbar ist, wird im allgemeinen als Grund akzeptiert.) Häufig wird das Gebäude auch auf die Frage nach seiner Nutzung eine angemessene u n d öffentliche A n t w o r t geben können. Aber wenn wir eine Pumpstation fragen, warum sie versucht, wie eine gotische Kapelle auszusehen, wird die Antwort vielleicht nicht so überzeugend ausfallen. Die wirkliche A n t w o r t wird natürlich die sein, daß der Architekt es einfacher f a n d , der Schiene falscher Tradition zu folgen, als eine schöne Tradition von Pumpstationen für sich selbst zu entwickeln. Der dritte Grundsatz, „daß ein Gebäude seinen Architekten oder seine Periode ausdrücken solle", kann gleichgesetzt werden mit der Behauptung, daß jeder Schriftsteller seinen eigenen Stil haben müsse. In jedem Fall ist die A n t w o r t , daß das Thema oder Objekt des Schriftstücks, so wie die Umgebung und der Zweck eines Gebäudes, unendlich wichtiger sind.
Der Irrglaube: Falscher Marmor ist ein Greuel Wir glauben, daß die emotionale Ablehnung von architektonischen „ L ü g e n " weitgehend auf einer A r t falscher Analogie beruht. Ein Gedicht ist wirklich nicht deshalb schön, weil der Dichter zur Abfassung ein schwieriges Versmaß wählte, u n d 24
auch der Schweiß der Männer und Pferde, die die Säulen aus den Steinbrüchen holen, fügt nicht ein Jota zum Glanz des Marmors hinzu. Das Problem ist allein: Falsche Juwelen tendieren dazu, in nicht so guten Fassungen aufzutreten wie die echten. Wenn er falsche Materialien gebraucht, muß der Architekt sich dazu entscheiden, sie mit ebensoviel Sorgfalt und Achtung zu behandeln, als ob sie echt wären. Natürlich wird er in den meisten Fällen einen Schein von Marmor oder Bronze überhaupt nicht anstreben, sondern nur eine Anspielung auf sie, wobei er eine Art freier Darstellung sucht, die ihm eine gleichwertige Wirkung von Farbe und Oberfläche geben und die Assoziationen des echten Materials in Erinnerung rufen wird. Diese spielerischen Verwendungen von Material können bezaubernd sein und sind eine legitime Erweiterung der Palette von Farben und Oberflächen.
Der Irrglaube: Der Stil eines Gebäudes muß rein sein und eine haben
Lebensgeschichte
Ein Gebäude ist ein Ding für sich und bereitet dem Betrachter entweder Vergnügen oder Unlust. Es drückt entweder das aus, was der Entwerfer damit sagen wollte, oder es tut es eben nicht. Reinheit oder die ausschließliche Anwendung eines Stiles, der Gebrauch eines wissenschaftlich belegten Details sind für sich genommen weder gut noch schlecht. Tatsächlich können auch Bauten, die in einem „Bastardstil" entworfen sind, o f t wirklich bezaubernd sein, so z.B. das St. Johns College in Oxford. Die andere Vorstellung, daß die Baustile eine Art organische Lebensgeschichte haben mit einer schwächlichen Kindheit, übergehend in eine spielerische Jugend, dann die volle Kraft erreichend, schließlich sich „abnutzend" und o f t in unrühmlicher Altersschwäche verendend, lebt von der Attraktivität einer falsch angewandten Vermenschlichung. Die chronologischen Entwicklungen können tatsächlich relativ einfach begründet werden, wenn wir uns klar machen, daß zu jener Zeit der Entwerfer, der sich dem Zeitgeist beugte, vielleicht eine sehr eigene Idee ausdrücken wollte, sich aber entschloß, aus Gründen der Mitteilbarkeit sich einer allgemeinen Sprache anzuschließen.
Der Irrglaube: Waagerecht betonte betonte auf flaches Gelände
Bauten gehören
auf hügeliges,
senkrecht
Tatsächliche Schönheit erreicht man sowohl in Übereinstimmung mit als auch im Gegensatz zu den Lehrbüchern. Das hat seine Berechtigung in den Überlegungen, daß es manchmal richtig ist, der Landschaft zu widersprechen (ebenso wie man Ingwer mit Melone ißt), und daß es manchmal richtig ist, sich ihr anzupassen (ebenso wie man Sahne dem Quark hinzufügt). Die so oder so geartete 25
Entscheidung wird dabei von Fall zu Fall am besten als eine Angelegenheit von Maßstab und Proportion angegangen. Aber mit Hilfe kleiner Zeichnungen in Handbüchern über die Angelegenheit Verallgemeinerungen machen zu wollen, ist ein wenig albern.
Der Irrglaube: Das Ziel jedes Kunststudiums
ist der gute Geschmack
Es ist eine alte Auffassung, daß Architekten immer wieder Neues erfinden sollten und daß sie, sobald sie sich auf die alten Formeln einlassen, z.B. den Spitzbogen oder die fünf Ordnungen, nur schwache Plagiate liefern werden. Es ist natürlich anregend anzunehmen, daß eine neue Zeit eine vollkommen neue Art des Ausdrucks brauche. In einem Café geboren und auf nichts so sehr bedacht wie zu erschrecken, erschuf die Art Nouveau-Schxiie. einen Architekturstil, der einen an eine verkaterte Geschichte in Esperanto erinnert. Tatsächlich ist es keine einfache Sache, ein neues architektonisches Wort zu prägen, und manchmal mag der Betrachter (wie bei den holländischen und deutschen Entwürfen) empfinden, daß dieser Anspruch den Architekten zu sehr beschäftigt habe. Das Hauptproblem ist immer, ein Haus zu bauen oder ein Theater etc. und dabei solche Überlegungen wie Schönheit, Zweckmäßigkeit, Standfestigkeit und Wirtschaftlichkeit einzubeziehen. Diese Faktoren sind vielfältig genug, auch wenn man den Faktor Neuigkeit nicht hinzufügt. Die Baukunst ist eng umschrieben durch den Anwendungszweck und durch die Proportionen des menschlichen Körpers. Eine Stufe von mehr als 22,5 cm ist lästig, und es gibt einen Punkt, von dem an eine Tür zu schwer zu öffnen ist oder zu klein, um durchzugehen. Fenster werden im allgemeinen in Augenhöhe gewünscht, selten auf dem Fußboden oder 1,50 m darüber. Dies war immer so, und alle bekannten Stile haben diese Faktoren berücksichtigt und wiederholt und auf verschiedene Art das Entwurfsproblem gelöst. Architektur entwickelt sich richtig aus Zwecken und Materialien. Wo uralte Bedürfnisse mit uralten Materialien befriedigt werden, ist es vollkommen zulässig, im Entwurf auf frühere Problemlösungen zurückzugreifen.
Vergnügen an der
Architektur
Wir haben nun einige der alten Faustregeln besprochen und hoffen, dabei zumindest ein oder zwei zu Grabe getragen zu haben. Das ist vielleicht der Augenblick zu überlegen, ob es sich nicht lohnt, einige neue an ihren Platz zu setzen. Nicht so sehr Faustregeln, sondern Faustfragen wären hier vielleicht von Nutzen. Es gibt keinen Zweifel, daß ein Gebäude, das für uns neu ist, einem lebendigen Wesen ähnelt. Wir würden uns viel wohler fühlen, wenn wir ihm ein oder zwei Fragen stellen könnten. 26
Das nämlich war das beste an den alten Regeln, man konnte geradeheraus fragen: „Ist es rein?" oder „Drückt es seine Konstruktion aus?" Von Faustfragen sollte man nicht erwarten, daß sie alles abdecken, aber soweit ihre Grenzen sichtbar sind, scheint es fair genug, ein Gebäude zumindest nach den folgenden fünf Kriterien zu untersuchen: 1. Erfüllt es seine Funktion als Haus oder Laden oder Kirche oder was auch immer angemessen und mit einem Minimum an Reibung? 2. Ist oder war es eine vernünftige Zeit lang konstruktiv leistungsfähig, so daß seine Türen und Fenster richtig schlossen? Bleibt das Wetter draußen? 3. Erscheint es mir schön oder wenn nicht, ist es zumindest denen schön erschienen — nicht nur richtig und teuer —, die es gebaut haben? 4. Hat es ein allgemeines architektonisches Thema, das es versucht mitzuteilen? 5. Ist es ein guter Nachbar, so daß die Bauten in seiner Umgebung durch seine Gegenwart an Schönheit oder Anstand eher gewinnen als verlieren? Ein bewundernswerter Kandidat braucht nicht unbedingt in allen fünf Kriterien zu bestehen. Stark gekürzte Obersetzung des 5. Kapitels aus " T h e Pleasures of A r c h i t e c t u r e " , 1924. Abd r u c k m i t f r e u n d l i c h e r G e n e h m i g u n g d e s Verlages J o n a t h a n Cape, L o n d o n / T o r o n t o A n m e r k u n g : Die Zwischentitel w u r d e n wegen der starken Kürzungen eingeführt.
Moral und Architektur von David Watkin Dr. David Watkin studierte bei Nikolaus Pevsner u n d lehrt Kunstgeschichte an der Universität C a m b r i d g e , England.
Einleitung Genau ein Jahrhundert trennen die Veröffentlichungen von Pugins Contrasts (1836) und Pevsners Pioneers of the Modern Movement (1936). Mit ähnlich moralischen Fanfaren streitet jedes der beiden Bücher für eine Art von Architektur, die in England zur Zeit ihrer Niederschrift nicht sehr verbreitet war: für die Gotik im Falle von Pugin, für den Internationalen Stil bei Pevsner. Trotz des großen Unterschiedes zwischen ihren Architekturauffassungen gebrauchten beide Kritiker die gleiche Form der Argumentation, um für die Sache des von ihnen gewählten Typus einzutreten: daß es sich nicht nur um einen Stil, sondern um eine rationale Art zu Bauen handele, als zwingende Antwort abgeleitet aus der Formulierung dessen, was Gesellschaft wirklich sei oder zumindest sein sollte. Der 27
Zweifel an solchen Formen wird damit asozial und höchstwahrscheinlich unmoralisch. Die Idee, daß Architektur grundsätzlich erzeugt wird als Antwort auf praktische Anforderungen, hat ihre Tradition in den klassischen und mittelalterlichen Philosophien, ebenso wie die Diskussionen über den Zusammenhang zwischen dem Gutem, dem Schönen und dem Moralischen. Doch in dem erhabenen Entwurf der Welt, wie er von Piaton oder Thomas von Aquin entwickelt wurde, hatte die Architektur nur einen randständigen Platz. Die extrem mechanistische und moralische Rechtfertigung der architektonischen Form, wie sie besonders von Viollet-le-Duc und Pugin gepflegt wurde, hat als theoretische Tradition kaum einen Boden in den Interpretationen von Architektur bei Platon oder Thomas von Aquin. Das Scheitern dieser Art von Theorie wird vollkommen klar in den Schriften des größten Theoretikers neo-klassizistischer Architektur des 18. Jahrhunderts, Laugier. Seine mechanistische und primitivistische Interpretation ließ ihn die Hütte des primitiven Mannes als den idealen und normativen Bautyp bestimmen. Weil Laugier jedoch zu einer Zeit lebte, die letztendlich niemals die Vorherrschaft des klassischen Stils oder des Altertums akzeptierte, wurden seine vereinfachenden und destruktiven Theorien notwendigerweise außer Gefecht gesetzt. Stattdessen spielten sie eine Rolle in der Schaffung eines stilistischen Übergangs vom Barock zum Klassizismus innerhalb einer bestehenden klassischen Tradition. Laugier akzeptierte die „klassische Sprache der Architektur" (um es mit Summerson zu sagen) fast unbewußt als Norm. Das gleiche gilt für Pugin, der sich über die Gotik, wie Laugier über die klassische Architektur, geäußert hat. Tatsächlich wußte auch Pugin, wie die Architektur, die er haben wollte, aussehen sollte, bevor er seine Theorien formulierte. Und wenn man nicht wüßte, daß Pugin die gotische Architektur verteidigt, würde man es aus seinen Postulaten kaum erraten. Wie sollte seine strenge Lehre, daß „es keine Merkmale an einem Gebäude geben sollte, die nicht notwendig sind für Bequemlichkeit, Konstruktion oder Ans t a n d " (Pugin 1841, S. 1), den Kirchturm von der Kathedrale in Salisbury rechtfertigen und nicht den Portikus von St. Martin-in-the-Fields? Die Notwendigkeit, mit der eine solche Lehre in sich zusammenfällt, wenn sie auf wirklich phantasievolle Bauten angewandt wird, ist nie genügend hervorgehoben worden. Folglich konnte die moderne Architektur an ein Publikum verkauft werden, welches zu glauben gelernt hatte, daß es nur eine logische architektonische Lösung der jeweils vorgegebenen Probleme gäbe. Tatsächlich aber gibt es Hunderte von Lösungen, und die ausgewählte wird immer zum Teil auf gegenwärtigen, modischen Vorstellungen, wie ein Gebäude auszusehen habe, beruhen.
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Architektur
als Abbild von Religion, Soziologie
oder Politik
Lange bevor Pugin zum Katholizismus übertrat, hatte er ausschließlich aus geschmacklichen Gründen festgestellt, daß die Gotik der perfekte Stil sei. In seinen Schriften verschleiert er diesen Punkt und deutet an, daß er die Gotik gewählt habe, weil sie die Verkörperung der katholischen Lehre und der konstruktiven Rationalität sei. Die katholische Kirche betrachtet sich als Vertreter der offenbarten Wahrheit und kann behaupten, daß ihre Mitglieder 1977 im wesentlichen an dieselbe Lehre glauben wie 1477. Dennoch sind die Formen der Kirchenarchitektur in den beiden Perioden vollständig verschieden. Und diese Unterschiede können nicht erklärt werden in Begriffen von Wahrheiten oder Lehren, die die Anhänger als ewig und unveränderbar ansehen. Religionen sind heutzutage nicht sehr in Mode, aber eine Konsequenz religiöser Weltansicht gibt es sicherlich doch: Das ist der Glaube, daß Architektur soziale, moralische, philosophische Bestimmungsfaktoren habe und daß, wenn man nur genügend über solche Bestimmungsfaktoren in einer bestimmten Periode wisse, man sehr wohl vorhersagen könne, wie ihre Architektur sein werde bzw. daß man erklären könne, wie sie sein sollte. Die Auffassung, daß in der gebauten Umwelt sich soziale, moralische und philosophische Kategorien widerspiegeln, sieht in der Architektur ein Instrument zur Umsetzung sozialer Programme, dazu da, um angeblich „moralische" Ziele zu erreichen. Für Giedion „nimmt die zeitgenössische Architektur ihren Anfang immer dann in einem moralischen Problem ( . . . ) , wenn sie es möglich machte, einen neuen Rahmen für das zeitgenössische Leben zu entwickeln. Dieser Rahmen hat zurückgewirkt auf das Leben, aus dem heraus er entwickelt wurde. Die neue Atmosphäre führte zu Wandel und zu Entwicklungen in den Vorstellungen der Menschen, die ihr ausgesetzt waren." (Giedion 1941, S. 705) Wenn man Architektur als etwas sieht, das mehr oder weniger wahr sein kann, durchgängig bei den französischen Rationalisten, der englischen arts-and-craftsBewegung bis hin zu den Propagandisten des 20. Jahrhunderts Viollet-le-Duc, Morris, Berlage, Frank Lloyd Wright, Le Corbusier: Alle haben geglaubt, daß ihre Arbeit aus der ehrlichen Verwendung der Materialien entstand. Auch daß ihre Arbeit aus der ehrlichen Verwendung der Materialien entstand. Auch wenn sie die gleichen Materialien verwendeten, arbeiteten sie immer in völlig verschiedenen und sofort erkennbaren Stilen. Die Auffassung, daß das, was ein Objekt von einem anderen unterscheide, nicht Stil sei, sondern Moral, wurde deutlich von Pevsner formuliert. Es war seine Behauptung, daß „falsche Materialien und falsche Techniken" unmoralisch seien. {Pevsner 1937, S. 11)
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Architektur
als Ausdruck des Zeitgeistes
Manche moderne Kulturhistoriker glauben, daß man die Kategorie des Zeitgeistes erfinden müsse, wenn es sie nicht gäbe, und unweigerlich werden sie all jene übersehen oder verurteilen, die das Bestehende oder das, was sein soll — die aktuellen Leitbilder —, in Frage stellen. So hat man die breite Öffentlichkeit überredet, an bestimmte Moden zu glauben, ob man diese nun mag oder nicht; sie hätten eine Autorität und eine historische Logik, die den ins Unrecht setzt, der sie in Frage stellt. Eine typische Konsequenz dieser Haltung finden wir im Bereich der Architektur bei Pevsner, wenn er bei Marshall Sissons erheblichen Erneuerungen von Okever Hall in den fünfziger Jahren behauptet, daß das Vorhaben, einen NeoStil der Georges an echten Georges-Stil anzubauen, ein Projekt sei, das man verbieten müßte. (Pevsner 1974, S. 215) Aber was soll es, wenn Pevsner andeutet, daß es „echt" sei für Lord Burlington, sich an Palladio zu orientieren, aber nicht für Sisson an Vanbrugh? Diese Auffassung spricht dem Künstler jegliches kulturelle Empfinden ab, beraubt ihn aller Möglichkeiten, eine eigene Tradition zu schaffen, leitet von einem historischen und einem vom Zeitgeist erfüllten Glauben ab, daß menschliche Natur sich grundlegend geändert habe. Ein neuer Mensch müsse sich in einer radikal neuen Art ausdrücken, die von außen durch wirtschaftliche und politische Bedingungen diktiert wird. Oder aber er müsse selbst radikal verändert werden, um den neuen Bedingungen zu entsprechen. Nach einer noch älteren Ansicht jedoch verändert sich die menschliche Natur nicht von Generation zu Generation. Stattdessen entwickeln Künstler Traditionen, die in der Lage sind, von anderen Künstlern interpretiert und weiterentwickelt zu werden. Diese Tatsachen machen das Überleben und die Entwicklung von Traditionen in einer Kultur möglich, obwohl die Formen für unterschiedliche Menschen unterschiedliche Bedeutungen zu unterschiedlichen Zeiten haben. Der Historizist und zeitgeist-inspirierte Historiker meint so, ein einzelnes übergeordnetes Prinzip oder Muster in der Vergangenheit zu finden, wie er glaubt, daß politische Organisation versucht, in der Gegenwart Fuß zu fassen. Doch schon wenn wir uns selbst betrachten, wissen wir, daß stetige und dominante Muster nur in theoretisch konstruierten Typen, nicht aber in Wirklichkeit existieren.
Die rationale oder technische Begründung der
Architektur
Die mechanistische Auffassung der Gotik ist besonders mit Viollet-le-Duc verbunden: „Es gibt in der Architektur (...) zwei unverzichtbare Arten, in der die Wahrheit befolgt werden muß. Wir müssen ehrlich sein hinsichtlich des Pro30
gramms und ehrlich hinsichtlich des konstruktiven Prozesses." (Viollet-leDuc 1858, S. 448) Hier ist der Anfang dessen, was wir den „Programmfetischismus" der modernen Architekturtheoretiker nennen, die glauben, daß die umfangreichen Angaben des modernen Bauherrn oder eines öffentlichen Auftraggebers dem Architekten und den Ingenieuren ein Programm übergeben, das die architektonische Lösung von selbst bestimmt. Dies verleitete 1957 Sir John Summerson in einer veröffentlichten Rede zu der Mutmaßung, daß „das Programm als Quelle der Einheit (...) das neue Prinzip in der modernen Architektur ist. (...) Es ist ein Bestandteil meines Vorschlags für eine Theorie der modernen Architektur, daß es die Quelle ist." (Summerson 1957, S. 309 f.) Zwar ist es vollkommen willkürlich zu behaupten, moderne Architektur sei kein Stil, den wir ablehnen oder dem wir zustimmen können, sondern der Ausdruck irgendeines Bedarfs oder einer Anforderung des 20. Jahrhunderts, der man sich anpassen müsse. Doch gerät diese Argumentationstechnik bei Pevsner gleich zu einer Drohung: „Nur wenn ein weiterer Ausgleich von sozialen Unterschieden in diesem Land stattfindet, kann eine stetige Entwicklung in Richtung der Ziele der Modernen Bewegung möglich sein". (Pevsner 1937, S. 202) Die Programmanbetung und der technische Ansatz haben neuerdings Unterstützung bei denen, die vorschlagen, daß man Architekturarten durch mathematische Modelle und Computereinsatz entwickeln könnte. Man nimmt hier an, daß menschliche Bedürfnisse über statistische, soziologische und physiologische Studien erfaßt und numerisch aufbereitet werden könnten. Architektur wird hier zu „dem Kontrollsystem, auf dem die Verteilung des Städtischen beruht". (Benevolo 1971, S. 375) 1 Dieser technische, mechanistische und politische Ansatz hat Gemeinsamkeiten mit den moralischen und Zeitgeist-Begründungen der Architektur: Der architektonische Stil wird von außerarchitektonischen Faktoren abgeleitet. Doch keiner glaubt ernsthaft daran, daß die Gegenwart einer entwickelten Technik die Form eines Gebäudes, die diese aufnimmt, bestimmt. Noch immer kann der Architekt bestimmen, wie sein Gebäude aussehen soll. Wenn es aussehen soll wie ein Gebäude, das eine entwickelte Technik enthält, so ist dieses eine ästhetische Entscheidung, die wir nach Lust und Laune annehmen oder ablehnen können.
Die Begrenztheit der Moderne Die Moderne hat als Richtschnur die sogenannten menschlichen Bedürfnisse beliebig arrogant und mit vollständiger Mißachtung der Tradition dem Architek1
Das Zitat stammt aus der Einleitung zu Kap. 12, die nicht in der deutschen Ausgabe enthalten ist. 31
ten mitgegeben. Die großmaßstäbliche Zerstörung der historischen, sozialen und architektonischen Umwelt zugunsten von modernen Monumenten ist eine Warnung vor der Annahme der Architekten, sie hätten eine besondere soziale Aufgabe, die auf einer „vollständigen und systematischen Überprüfung menschlicher Bedürfnisse" beruhe (auch wenn hierzu Forschungsgruppen und neue Universitätsinstitute gegründet werden). Architektur nämlich ist keine Wissenschaft, sondern eine Kunst mit ihren eigenen Traditionen, so daß die Beschäftigung mit ihrer Erscheinung nicht weniger wesentlich ist als die Lösung praktischer Probleme (vgl. Banbam 1955, S. 358). So hat die moderne Architektur, wie Mark Girouard sagt, „fast vollständig versagt in der Schaffung von Erscheinungen der Freude oder des Vergnügens oder von Erscheinungen der Häuslichkeit, mit der jede größere Menge von Menschen sich identifizieren kann". (Girouard 1973, S. 202) Darüber hinaus unterscheiden sich die Vorstellungen von dem, was praktisch und bequem ist oder nicht, von Individuum zu Individuum, von Land zu Land, von Zeit zu Zeit. Architektur als „Gemeinschaftsdienst" entworfen, ausgerichtet auf die Lösung „praktischer Anforderungen", definiert durch architektonische und akademische Lehren, mag schließlich sogar unpraktischer erscheinen als diejenige Architektur, die ganz andere Überlegungen in den Vordergrund stellt. Die Verrücktheiten, zu denen diese Selbstüberschätzung führen kann, waren ζ. B. die palladianischen Villen des frühen 18. Jahrhunderts in England, die Alexander Pope zu der Bemerkung anregten, daß die modernen Eigentümer „stolz darauf seien, sich an einer Glastür zu erkälten". Doch seit Mitte des 18. Jahrhunderts hat sich eine Art konspiratives Schweigen um die Pope 'sehe Bemerkung gehüllt. Historiker und Theoretiker haben sich verzweifelt darum bemüht, der Beschäftigung mit der Erscheinung aus dem Wege zu gehen. Stattdessen haben sie „nach einer ideologischen Basis, die die Architektur ein für alle Male entfernen würde aus der Arena von Stil und M o d e " (Macleod 1971, S. 58), gesucht. Von dieser Grundlage aus sollten radikal rationalistische und kollektivistische Lösungen vorgeschlagen werden, eine totale Umwelt für den kommunalen Bedarf. Für Pevsner war dieses Problem mit der Internationalen Moderne gelöst. Abweichungen waren asozial und unmoralisch. Das quasi-religiöse Engagement in ein weltliches Ideal gewinnt ein besonderes Gewicht bei Männern, die selber einen formalen religiösen Glauben haben oder, wie Pugin, Architektur vorübergehend mit Religion verwechseln. Pugin behauptete, daß er „nicht einen Stil, sondern ein Prinzip" verteidige, und dieser Irrglaube geisterte durch das gesamte 19. und 20. Jahrhundert, vertreten durch Menschen, die sich in einer gottlosen Welt an einer objektiven Wahrheit festklammerten. In diesem Zusammenhang schrieb Ruskin über die Renaissance, daß es nicht die Form der Architektur sei, gegen die er sich wende. Sondern es sei ihre moralische Natur, die so korrupt sei. Noch 1975 kann James Stirling, ein Held der Avantgarde in der Architektur, von seiner Studentenzeit (1945—1950) schrei32
ben: „Es gab eine heftige Debatte über die Gültigkeit der modernen Bewegung. Die Gemüter waren erhitzt und die Diskussion intensiv (...). In jedem Fall verblieb mir eine tiefe Überzeugung der moralischen Richtigkeit der neuen Architektur." Lethaby, Viollett-le-Duc, Le Corbusier vertraten diese Ansicht und wurden von Giedion darin bestätigt, daß „es ein Wort gibt, das wir bei der Beschreibung der zeitgenössischen Architektur vermeiden sollten — 'Stil'. In dem Augenblick, wo wir Architektur mit einer Idee von 'Stil' eingrenzen, öffnen wir die Tür zu einem formalistischen Ansatz. Die zeitgenössische Bewegung ist kein Stil (...)." (Giedion 1941, S. xxxiii) 2 Schließlich nimmt Pevsner diese Haltung in extremer Form ein, wenn er die gesamte europäische Architektur von 1760 bis 1860 angreift, weil es sich — wie beim Jugendstil — bei ihr um bloße Oberflächendekoration handele. So lange etwas „auf individueller Kreativität beruht, kann daraus kein universeller Stil entstehen". (Pevsner 1936, S. 110) Der zeitgenössische Mensch solle eine neue kollektivistische Gesellschaft auf eine anerkannte moralische und soziale Übereinstimmung gründen: in der Architektur unangreifbare „ e c h t e " und „universelle" Wahrheit wäre nicht länger verunstaltet durch ihre Traditionen oder die „individuellen" und „erfinderischen" Züge einer überholten Welt, in der individueller Geschmack und Phantasie als wichtige Eigenschaften angesehen wurden. Mit ihrem kunstgeschichtlichen Glauben an den Zeitgeist, mit der Betonung des Fortschritts und dem Glauben an die historische Überlegenheit des Neuen hat die Moderne die eigentlichen Grundlagen der Architektur gefährlich untergraben. Stark gekürzte Einleitung zu "Morality and Architecture — The Development of a Theme in Architectural History and Theory from the Gothic Revival to the Modern Movement", 1977. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlages Clarendon Press, Oxford University Press, Oxford. Anmerkung: Die Kürzungen machten die Einführung von Zwischenüberschriften notwendig. Der letzte Satz des Buches (S. 115) wurde zur Verdeutlichung hinzugefügt.
Literatur Benevolo 1971: Leonardo Benevolo "History of Modern Architecture", 1971 Giedion 1941: Sigfried Giedion "Space, Time, Architecture, the Growth of a New Tradition", (1941), 5. Aufl., Oxford University Press, 1971 Girouard 1973: M. Girouard "The Outside Story", in: Times Literary Supplement vom 23.2.1973 Macleod 1971: R. Macleod "Style and Society, Architectural Ideology in Britain", 1835 — 1914,1971 Pevsner 1936: Nikolaus Pevsner "Pioneers of the Modern Movement" 1936 Pevsner 1937: Nikolaus Pevsner "An Enquiry into Industrial Art in England", Cambridge 1937 2
Die Einleitung von 1941 liegt nicht in der deutschen Obersetzung vor. (Anm. d. Hrsg.)
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Pevsner 1974: Nikolaus Pevsner "The Buildings of England, Staffordshire", 1974 Pugin 1836: A. W. N. Pugin "Contrasts", 1836 Pugin 1841: A. W. N. Pugin "The True Principles of Pointed or Christian Architecture", 1841 Stirling 1975: James Stirling "Buildings and Projects, 1 9 5 0 - 1 9 7 4 " , 1975 Summerson 1975: John Summerson "The Case for a Theory of Modern Architecture", RIBA Journal, lxiv, 1957, S. 309 f. Viollet-le-Duc. E. E. Vtollet-le-Duc "Entretiens sur l'architecture", in Teilen herausgegeben, Paris 1858—72, übersetzt v. B. Bucknall als "Discourses on Architecture", 2. Bde., Boston 1889, London 1959
Wegbereiter von Wolf
Meyer-Christian
Wolf Meyer-Christian, Studium der Architektur in Berlin bei O. M. XJngers bis 1966. Danach Beschäftigung mit Einzelfragen der Bautechnik. Studien zur Architektur und Baugeschichte.
Daß nie der Schalk in seinen Augen geblitzt hat, man möchte es nicht glauben. Abkömmling einer älteren Rasse, Großbürger, Weltstädter — aber dann Programmatiker des Deutschen Werkbundes, Gründer des 'Bauhaus', Theoretiker, weltbekannter Architekt schließlich: Das Werk, das er hinterlassen, scheint über das Menschliche hinauszuweisen. Bei seinem Ableben erhoben sich die Zeitgenossen, „Jahrhundertleistung", „tief sondierend", „hart, phrasenlos, selbstverständlich", „das Weltganze durchdrungen". Bewunderung, wenigstens von Fachnahen, wie auch Anfeindungen haben ihn schon zu Lebzeiten erreicht. Aber, ist der Meister überhaupt verstanden worden?
Das Weltganze,
Ausschnitte
Am Beginn dieses Jahrhunderts, fünfzig Jahre nach A u f k o m m e n des bürgerlichen Architekten, hat die jüngere berufsständische Elite sich zu einem, ja, Kampfbund zusammengeschlossen. Veränderungen auf der Auftraggeberseite, in der Bautechnik und den Anforderungen an Architekten ließen die Frage der Identität für einen jungen Beruf, der mit alten Gewichten hantelte, zum Problem werden. Führende Kunstgeschichtler haben später die etwas weit gehenden verbalen Aktivitäten dieses neuen Bundes durch ihr Schweigen ungeschehen gemacht. An dieser Stelle pflegt über Sozialreformerisches aus England berichtet zu werden. Neben den gebauten Beispielen aber senkte sich, von kunsthistorischer Hand gehalten, eine Zugbrücke und lud zum Betreten einer plötzlich entstan34
denen Landschaft. In ihr erklingen Rationalität (S. Giedion) und Funktionalität (Ν. Pevsner) als Glockenzeichen Pawloffscher Reflexe. Und die breite Straße darin befestigend — Walter G. Dies überrascht, hatten doch frühe Äußerungen dieses Meisters eine, wie es scheint, andere Richtung gewiesen. Mit 28 Jahren klärt er: „Während sich der Gestaltungstrieb im Menschen dem mechanischen Zwang der Dinge und Erscheinungen entgegensetzt, seinem Wesen nach lebensbejahend, aufbauend, produktiv ist, dringt jener Trieb zur Erkenntnis in die Erscheinungswelt ein, ist lebensverneinend, auflösend, kritisch. (...) Der Wille also ordnet das Chaos, macht Willkürliches notwendig, Ungeordnetes rhythmisch." Walter G., 1911 [1] In diesem Getriebe dachte Vereinsbruder Muthesius bereits an völkischen Fortschritt, Die Bewegung, Ordnung und Zucht, Zeitenschicksal, Sieg der deutschen Arbeit, kurz, alles führte auf die gute Form zu. Aber welche? ,,(...) was das Schlimmste ist, wir wissen selbst noch nicht recht, wohin wir im Sinne einer Stilentwicklung treiben." H. Muthesius, 1912 [2] Solche Zweifel hat Walter G. im folgenden Jahr beseitigt: „Die neue Zeit erfordert den eigenen Sinn. Exakt geprägte Form, jeder Zufälligkeit bar, klare Kontraste, Ordnen der Glieder, Reihung gleicher Teile und Einheit von Form und Farbe (...) Walter G., 1913 [3] Spätere Jubelexegeten, trotz dieses Gleichschritts auf dem bound for future des Meisters bestehend, überschauen die Komplexität seiner Aussagen nicht ganz. Hier spricht u. a. ein Konservativer, aus der Zukunft: „Denn es gilt, für diese Baugebilde der Gegenwart, die dem Verkehr, der Industrie, dem Handel dienen sollen, endgültige Ausdrucksformen — Formtypen — aus neuen technischen und neuen räumlichen Voraussetzungen aufzubauen." Walter G., 1914 [4] Aber auch höhere Zeitgenossen haben diesen Willen zur Endlösung nicht erkannt. Aus Stuttgart wurde spät, aber nicht zu spät, folgender Handlungsvorschlag bekannt — kein Wegbereiter, ein Mitläufer, wie sich später herausgestellt hat: ,,(...) dieser Geist, der seinen Nährboden im letzten Grunde in liberalistischem Denken hat, muß wieder in jenen .scheuen Respekt' versetzt oder er muß ausgerottet werden, wenn das Bauen im neuen Reich der Ausdruck seiner geistigen Haltung werden soll." P. Schmitthenner, 1934 [5] 35
Es ist heute schwer auszumachen, wer eigentlich damit gemeint war. Walter G. jedenfalls, frischgebackener Emigrant in London, fabulierte zur gleichen Zeit: „Die Gesetze, die der Willkür des Individuums ein Ende setzen sollen, sind durch gründliche Forschungen im sozialen, technischen und künstlerischen Feld erobert w o r d e n . " Walter G., 1934 [6]
Forschungen Forschungen? Drei leere Nachkriegsjahrzehnte machen neugierig. Wir untersuchen das Werk von Walter G., lassen aber die künstlerische Seite dabei aus, weil an persönlicher Kränkung uninteressiert. Im Wohnungswesen brachte der Werkbund in den allerdings wenigen Jahren seiner Existenz vor dem ersten Weltkrieg praktisch nichts hervor, wenn man von dem blondzöpfigen bißchen Interieur (Riemerschmid) und Landhäusern für Berlin im englischen Geschmack (Muthesius) absieht. Soziale Fragen in beliebiger Form haben sich nicht gestellt. Aber da gab es, irgendwie verbunden mit product design, den Fabrikbau, wichtigste Kategorie einer Architektur, der bald der Stempel der Funktionalität auf die Fassade gedrückt werden sollte. Hier aber zeigte sich, daß die Bezeichnung Zweckbau den Zweck besaß, den Zweck des Baus zu verdrängen. Das Dilemma ist, daß nach dem Übergang vom Fabrikbau (Werkstatt) zum Industriebau (Klimahülle, Kranbahn, Belichtung, Maschinensockel) jede zusätzliche Aussage zur Farce wird, eine soziale Mebraufwendung. Genau diese hatte Walter G. im Auge: „Gerade bei der ersten Disposition der Bauanlage muß der Künstler befragt werden. Nur dann vermag er die organisatorischen Richtlinien seines Bauherrn verständnisvoll zu formen, den Sinn des Fabrikationsvorganges zu veranschaulichen und den inneren Wert der Einrichtung und der Arbeitsmethode würdig auszudrücken." Walter G., 1913 [3] Zwar wurde der innere Wert schon damals über die Abschreibung erfaßt, doch wird man die Rückkehr ins kleine Glück ebenso verständnisvoll übergehen wie später den plötzlichen Abschied von Bauhaus. Was Industrialisierung für die Architektur bedeutet, ob sie vielleicht einen sozialen Wandel herbeiführt, der Kompensation statt Veranschaulichung sucht — darüber nachzudenken haben nur Architekten ohne Bauaufträge Zeit. Von eigentlichen technischen Forschungen kann keine Rede sein. Als Substitute angebotene unausgereifte Projekte lassen das Wesentliche weg. Sollte das dilettantische Versuchshaus von Weimar [7] von Walter G. sein, so stammt 36
Haus Sommerfeld nicht von ihm. Solange Walter G. der „Große Koordinat o r " (Walter G.) des Bauhauses war, gab es dort überraschenderweise gar keine Bauabteilung. Diese wurde vielmehr von H. Meyer geschaffen, dem ersten, der auch mit Forschungen ernst machen wollte. Er konnte als Kommunist erkannt und alsbald entfernt werden. Der Vorgänger regelte die Nachfolgerfrage. Auf gewisse persönliche Verschiedenheiten beider (Walter G., „Bunt ist meine Lieblingsfarbe" — H. Meyer·, „buntheit ist uns ein greuel") brauchen wir nicht einzugehen. Wichtiger ist genaues Hinhören in dem erst heute entschiedenen Streit der Konzeptionen: „Bauen bedeutet Gestaltung von Lebensvorgängen" Walter G., 1927 „bauen heißt überlegte organisation von lebensvorgängen" H. Meyer,
1928
Der von der Gestaltung geleitete Forscher konnte etwa beim Bau der Großsiedlung Siemensstadt 1929 dem Bauprinzip mit tragender Mittelsäule und umsetzbaren Innenwänden bzw. Einbaumöbeln (Scharoun, Häring) nicht folgen, er lieferte vielmehr eine starr konventionelle Mauerkiste. Daß mit gleichen Mitteln wenigstens intelligente Grundrisse zu schaffen sind, hat etwa A. Klein gezeigt. Ein deutlicher Fortschritt ist in den krangerechten Billighäusern von DessauTörten erreicht worden. „Nach eigenem System" wurden 320 Reihenhäuser aus Schlackenbeton-Hohlsteinen und Betonbalken erstellt. Im Taktverfahren und gegen jede Regel des Umgangs mit Leichtbeton konnten bis zu 130 Häuser in 88 Arbeitstagen einschließlich Herstellung der Betonsteine und -balken auf der Baustelle fertig gemacht werden [8]. Es waren teure Häuser. Schwere Bauschäden aus Schwinden und aus Wärmedehnung, die beharrliche Mißachtung der Flachdachprobleme in Törten und sonstwo haben das Neue Drauflos-Baw^w diskreditiert und, wie anders, einem gesünderen den Weg bereitet. Die lebenslange Verwechslung von Vorfertigung mit Industrialisierung, von Endproduktdesign mit Bedarfsermittlung, Organisation von Finanzierung, Absatz, Produktion und Produkt hat auch zu einem grotesken Versuch geführt, für ein märkisches Kupferwerk zur Zeit der Weltwirtschaftskrise Häuser aus Kupfer zu entwerfen.
Erfolge Die Synthese dieser Forschungsarbeiten auf sozialem und technischem Gebiet zeigt sich recht eigentlich in einem Element, bei dessen Anblick die Jubler vollends die Gewalt über sich verlieren — der curtain wall. Nicht so sehr ihre 37
Erfindung geht auf Walter G. zurück — obwohl er diese Meinung gefördert hat — als vielmehr die Erfindung ihres Mißbrauchs. Dieser erfuhr in drei Stufen eine bedeutende Steigerung. Ein frühes Beispiel einer curtain wall (die Decken erschienen als schmale Metallstreifen) war die ca. 4 5 0 m z -Total-Glasfassade des Berliner Warenhauses Tietz in der Leipziger Straße, errichtet in den neunziger Jahren von den Erfolgsarchitekten Sebring und Lachmann. Selbstverständlich war sie Walter G. und seinen Kollegen bekannt. Besagtes Element auf seiner ersten Stufe ist in der Umgestaltung der Fassade für einen Fabrikbau zu erkennen, den ein Architekt Werner bereits entworfen hatte (Fagus, 1911). Pevsners durch viele Auflagen geschleppte Mißdeutung: „Zum erstenmal wurde eine vollständige Glasfassade konzipiert. Die unterstützenden Pfeiler sind reduziert zu schmalen Bändern aus Stahl." N. Pevsner [9] läßt mit gleich zwei Falschaussagen auf hartnäckiges Wunschdenken schließen. Der Modernisierungsaufgabe hat Walter G. sich mit Geschick unterzogen, indem er das Fenster an der Stirnseite der Behrens'sehen Turbinenhalle in Berlin-Moabit, an der er mitgearbeitet hatte, dort mit vereinfachter Sprossenteilung einsetzte. Auch die Böschung der anschließenden Mauern dort ist getreulich übernommen. „Die Fensterpfeiler des Bürogebäudes habe ich noch etwas stärker gemacht wie Herr Werner" [10], meldet er einem besorgten Bauherrn. Für die unsichtbaren gemauerten Fensterbrüstungen aber, von Walter G. wohl aus Unwissenheit noch 1959 für überflüssig erklärt, hat eine Baupolizei gesorgt. Bei einer Forschungsarbeit aus jüngerer Zeit ist festgestellt worden, daß einige der Fenster zu den Ecken hin etwas breiter sind, Ungenauigkeiten des Rohbaus. Diese ,Eckvergrößerung' wird mit der Eckkontraktion an griechischen Tempeln in Beziehung gebracht, wir seien Zeugen eines ritardando'. Das Ergebnis dieser Forschungen berührt Grenzen des Geschmacks [10]. Der Meister selbst hat hier auf den „ersten wahrhaften Curtain-Wall-Bau" erkannt, war aber 1959 schon in der Lage, zugleich auf new brutalism zu tippen mit „Schattenwirkung unter der Dachwölbung" (?), und mit einer „Plastizität der Fenster, welche mir wünschenswert erscheinen" [10]. In dem Blendwerk aber steckt noch mehr. „Der Bauherr hatte zuerst große Bedenken gegen eine solche Konstruktion. Aber als die Berechnungen eine erhebliche Verbilligung gegenüber der traditionellen Bauweise ergaben, nahm er das Risiko auf sich. Ausschlaggebend für diese Entscheidung war wohl nicht zuletzt sein starkes soziales Interesse, denn die klaren lichtdurchfluteten Räume versprachen eine entscheidende Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Angestellten." 38
¡ ¡ e G . [11]
Diese hatten damals die Glasflächen längst von innen mit Schränken zugestellt. Ob das die entscheidende Verbesserung war, muß vorerst offenbleiben. Auf ihrer zweiten Stufe zeigt sich die curtain wall in dem Beitrag zur Werkbund-Ausstellung in Köln, 1914. Der bei diesem Bürohaus zusätzlich angefallene Grundriß ist in organischer Weise aus der Ansicht entwickelt worden. Diese zeigt nach außen die Zähne einer Mauerwerkspalisade, nach innen aber die Rationalität einer Glasfassade, im Obergeschoß, sie setzt ihre Last auf eine Batterie engstehender Pfeiler im Erdgeschoß ab. Der Grundriß hat wegen dieser Zweiteilung nur einbündig ausfallen können. Die Nutzfläche befindet sich im Obergeschoß, ihre Tiefe von 6 m wird von der 4,7 m hohen Glasfassade voll ausgeleuchtet. An beiden Enden des Gebäudes liegen die bekannten Turbo-Treppenhäuser, die Glashaut der Rückseite aufspannend. Ihre Erschließung erfolgt, etwas ungewöhnlich, von der Gebäudemitte aus. Die Wright 'sehen Tempiettos auf dem Dach sind über einen dritten, nicht sichtbaren Treppenlauf von einem Podestgeschoß im OG aus zugänglich. An dessen sichtbarem Treppenausgang aber mangelte es an Kopfhöhe, weil die Treppenhäuser der Vorderseite an die Glasfassade der Rückseite gebunden sind. Es mußte deshalb die zweite sichtbare Treppenwendel gebrochen werden. Eine Form ist die Funktion der nächsten. Feuilleton-Exorzisten haben dieses Gebäu zu „konsequent funktionaler Archit e k t u r " gemacht, eine Tatortveränderung. Etwas anders dagegen hat N. Pevsner den Akzent gesetzt, merkwürdigerweise nur in der englischen Ausgabe: "The new style in the form G. gave it takes its place in the procession which leads f r o m the Romanesque and the Gothic to the Renaissance of Brunelleschi and Alberti and the Baroque of Borromini and Neumann (...) Never since the Saint Chapelle and the Choir of Beauvais had the human art of building been so triumphant over matter." N. Pevsner [9] Der Mißbrauch der curtain wall auf der dritten Stufe wird mit dem Werkstättengebäude des Bauhauses in Dessau (1925/26) erreicht. Zum erstenmal ist es gelungen, auch einen Geschoßbau ohne Brüstungen herzustellen. Obwohl gleiches Wärmedämmgebiet wie Berlin, ist eine einfache Verglasung gewählt worden. Der dreigeschossige Trakt mit seinen riesigen Glasfronten an der Ost- und West-Langseite ist das ganze Jahr schutzlos gegen Durchstrahlung. Für eine gesteigerte Durchlüftung sorgt eine Doppelreihe gekuppelter Wendeflügel. Das einfache Sprossenprofil stellt diese Funktion auch im Winter und in geschlossenem Zustand sicher. Die vor die Decken vorgezogene Glashaut erlaubt den Geschoßdecken, sich ganz auf die statische Funktion zurückzuziehen. Die erschreckenden Wärmeaufwendungen für dieses Gebäude werden relativiert durch die gesundheitlichen der Benutzer. Diese schlagen im thermischen Maximum eines Brandfalles von einer latenten in eine akute Gefährdung um. Sein volles direktoriales Gewicht wird der Architekt zur Durchsetzung dieser letzten gegen die Benutzer denkbaren Steigerung eingesetzt haben müssen. 39
Der Kampf geht weiter Wozu eigentlich? Das Bauen im Neuen Reich bediente sich zunächst noch der Weimarer Technik innerer Prothesen, Stahlbau mit Ziegelummantelung. Eine Verkleidung aus Kalksteinplatten verkündete die neue Struktur, beschränkt auf bloße visuelle Nutzung. Bald aber begann eine bemerkenswerte Differenzierung und Durchdringung, die Baugattungen lebten wieder auf, und sie erhielten in sich stimmige Strukturen. Als äußere Teilung mag erscheinen, daß Flugzeughallen in modernster geschweißter Stahlkonstruktion errichtet wurden, die Kommandantura dazu, die Kasernen aber aus Mauerwerk, in den stillen wuchtigen Formen des Barockmeier, und die Kameradschaftsgebäude in sauberem Ingenieur-Holzfachwerk. Das Politische daran war die innere Teilung, das Angebot einer geteilten Versöhnung für Engagierte und für Fachleute. Diese Rückkehr zu Baugattungen darf nicht mit einem wieder wirklichen Bezug zur Baubestimmung verwechselt werden. Im Gegenteil, es trennten sich jetzt das Bauwerk und seine Nutzung, Ersteller und Nutzer. Mit dieser Teilung entfiel die Verantwortung, jedem Bauwerk konnte ein unpolitischer Hauch von Ganzheit mitgegeben werden. Daß bei der allgemeinen Orientierungslosigkeit mit solcher Baukunst Entartetes leichter zu ermitteln war und abgestoßen wurde, ist .normal'. Zu erinnern ist schließlich noch an eine wenig bekannte dritte Phase dieser für den unkontrollierbaren echten technischen Fortschritt so fruchtbaren Zeit: an die sich seit Kriegsbeginn entwickelnde Bauforschung und Normung. Die neuen Möglichkeiten des juristischen, wirtschaftlichen und siedlungspolitischen Durchgriffs führten in technischer Konsequenz zu Planungsbausteinen, deren Zusammenbau völlig neue Interpretationen nötig gemacht hätte. Daß Bauen etwas Unpolitisches ist, war willkommenes Erbe in den fünfziger Jahren; es erlaubte seine völlige Privatisierung und die Abstoßung alles Politischen, wie etwa der Sühne. Änderungen werden nunmehr aus wirtschaftlichen und aus Gründen des Umweltschutzes nötig, sind aber nicht ohne weiteres möglich. Architektur, Schauplatz der Gesellschaft, kann mit einer wahren oder verlogenen übereinstimmen oder nicht — subtil, höherrangig, und am produktivsten ist die Übereinstimmung mit einer verlogenen. Deshalb auch bleibt eine Ehe mit der Technik kinderlos, nicht aber die Prostitution mit ihr. Es stellt sich die Frage, ob die mangelhafte technische Ausbildung der Architekten, eine Kontinuität eigener Art in einer Welt des Wandels, die erforderliche dialektische Distanz nicht von alleine herstellt. Ein Trick. Aber steht das Bauen überhaupt noch zur Verfügung? Schritt um Schritt verläßt den Berufsstand die Realität, wird der bisherige Architekt aus Standort- und Betriebsplanung, Organisation, Konstruktion, Gebäude- und Sicherheitstechnik entlassen. Unbemerkt 40
scheidet der Hochbau endgültig aus dem Gebiet künstlerisch-schöpferischer Bearbeitbarkeit aus. Die einstige Möglichkeit, seine bildenden Elemente — also nicht: seine Faktoren — assoziativ zu sammeln und zu entwerfen, ist zu Ende. Dabei ist die Industrialisierung des Bauens kein beliebiges technisches Ziel, sie ist ein gesellschaftliches Problem, vorher, und danach. Wenn dies so ist, was bedeutet es dann, daß Architekten Architekten ausbilden? Ist die nicht einmal ausreichende .Ausbildung für einen Beruf' nicht auch eine platte Fehlkonzeption für das zukünftige Bauen und seine Nutzungsvermittlung? Müßte nicht die Ausbildung in den hierfür wichtigsten Lebensjahren zuerst das Ziel haben, den inneren Reflexionsraum zu vergrößern — womit anschließend erst verschiedenartige Kompetenz erreichbar würde und auch erreicht? Wäre nicht deshalb eine Ausbildung durch Künstler und durch Ingenieure angebracht? Es bleiben Fragen. Wieweit hinauf dürfen die Bilder der täglichen technischen Rationalität reichen? Wird die Agression des Fortschrittes langsam genug sein, die menschlichen Gegenbilder nicht in die Irrationalität zu treiben? Und wird, wo erst ein solcher Wille ist, ein Weg wieder unvermeidbar? Neufassung (1979) des Artikels „Wegbereiter", der erstmals in ,Bau', Wien, Heft 2 - 3 / 1 9 7 1 erschien
Quellenangabe [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11]
Vortrag im Folkwang-Museum in Hagen, 1911, zit. in (10), S. 27 Jahrbuch des Deutschen Werkbundes 1912, S. 17 ebd., 1913,S. 19 ebd., 1914, S. 30 P. Schmitthenner, Baukunst im neuen Reich, München 1934, S. 27 W. Gropius, Architektur, Frankfurt/Hamburg 1956 (= Fischer Taschenbuch 127) S. 60 Grundriß und Ansicht in: Gesundheits-Ingenieur, 1923, S. 469 bauhausbücher bd. 12, 1930, S. 155 Ν. Pevsner, Pioneers of Modern Design, Harmondsworth (= Penguin A 497) 1966, S. 214 H. Weber, Walter Gropius und das Faguswerk, München 1961, S. 58, 66, 64 Katalog der Wanderausstellung des Bauhaus-Archivs, 1971, S. 9
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3 Architektur im Dienste des deutschen Faschismus Die zwanziger Jahre differenzierten noch zwischen den progressiven Linken und rechten Traditionalisten. Während sich die einen um neue experimentelle Bauformen bemühten, verfolgten die anderen das Programm der Wohnungstypung im Sinne traditioneller Formgebung und bewährter Technik. Das Dritte Reich entschied sich zunächst für eine Baukultur, welche die Architektur an die regionalen Bedingungen der Landschaft und des städtischen Lebens anpassen und eine neue Kultur des Bauhandwerks entwickeln sollte. Man differenzierte zwischen öffentlichen und privaten Bauten und zielte auf Gestaltungssatzungen, die der Baugattung und einem ortsprägenden Genius Loci Rechnung trugen. Schon bald jedoch und in Widerspruch zu den Eingangsprogrammen nutzte man die Möglichkeiten des totalitären Staates, um schon damals die Normierung und die Rationalisierung der Bauwirtschaft auf das Niveau zu bringen, das für das Wachstum der Nachkriegsstädte und ihre Gesichtslosigkeit die entscheidenden Voraussetzungen schaffte. Mit nachdrücklicher Unterstützung durch Albert Speer und sein Amt wurden hier die technisch-ästhetischen Grundlagen für den modernen Wohnungsbau erarbeitet. Die wahre Geschichte der Nachkriegsarchitektur und ihrer Wurzeln in der Technokratenmentalität des deutschen Faschismus ist insofern noch nicht geschrieben worden. Anna Teut hat 1967 eine sehr breite und umsichtige Anthologie wesentlicher Zeugnisse der nationalsozialistischen Architektur veröffentlicht. In Ergänzung dieser Dokumentation wird im folgenden auf die damaligen Ansätze für ein Programm von Baugattungen aufmerksam gemacht. Die anderen Beiträge in diesem Buch zeigen deutlich, daß die neuen Programme nicht in Widerspruch zu Rittichs Entwurf von Baugattungen stehen, sie erfahren indes eine qualitative Neuorientierung, indem sie auf Vielfalt und die Selbstbestimmung abstellen.
Vom Wesen unserer Baukunst von Werner Rittich
Die Frage des „Stils" Seit nach der „Ersten Großen Deutschen Architekturausstellung" zu Anfang des Jahres 1938 außer den bereits vollendeten Bauten im Deutschland Adolf Hitlers auch ein großer Teil der künftigen Bauplanungen in der Öffentlichkeit beachtet werden, diskutiert man auch die Frage des „Stils der Gegenwart". In dem Bestreben, die Vielfältigkeit der beeindruckenden Leistungen und Pläne 42
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Eine
Einschätzung
Die Weisheit des Volkes lehrt uns: Die Nichtbeachtung der Regeln zieht Unglück nach sich. Die Postmetabolisten fördern das Gespür für die Tradition privater und kultureller Rituale. Der Architekt soll sich der Architektur nicht so zuwen95
den wie der Alkoholiker dem Alkohol, sondern Sensibilität und Einfühlungsvermögen in die Regeln menschlicher Existenz schärfen. Das Programm kristallisiert sich in der extremen Aussage Watanabes: Architektur ist ein Weg, die Leere vor sich zu verstecken. Für den Europäer wird zum Problem, daß die postmetabolistischen Projekte sich nicht in einen größeren städtischen Kontext einpassen. Dieser Vorwurf richtet sich allerdings eher gegen Japan als gegen die Postmetabolisten. Die Versatzstücke und formalen Züge des Postmetabolismus müssen im Licht des dschungelähnlichen Rahmens der Stadt Tokyo betrachtet werden: Vollständig unzusammenhängende und autonome Teile verschmelzen und lösen sich auf in einer opportunistischen Art. In Japan wird jedes Gebäude zum eigenen Kontext, zum eigenen Rahmen (vgl. Abbildung). Die Plätze und Crescents von London haben in Japan z.B. kein echtes Gegenstück. Ein Gebäude in Tokyo bezieht sich ausschließlich auf die Dynamik seines eigenen Genius Loci. Traditionelle Rituale und Tabus haben die Verbindung zwischen städtischen Häusern ebenso wie zwischen Gräbern im ländlichen Japan verhindert. Diese Welt im Übergang besteht aus dem Ausprobieren einer beliebigen Auswahl, wobei sich die Architektur nur als die eine Möglichkeit darstellt und Stil, logischerweise, als eine Alternative der Alternative. Oberarbeitete Fassung des Artikels von Chris Fawcett: "Post-Metabolism; A Forum", für Toshi Jutahu (Tokyo) 1978
Postfunktionalismus von Peter Eisenman Peter D. Eisenman studierte Architektur an der Cornell University, Ithaca, an der Columbia University, New York, und promovierte an der Universität Cambridge, England. Er lehrte in Princeton und an der Cooper Union, New York, arbeitet seit 1960 als freiberuflicher Architekt und ist seit 1967 Direktor des Instituts for Architecture and Urban Studies, New York.
Vom Establishment der Architekturkritik hören wir, daß wir in die Ära des „Postmodernismus" eingetreten seien. Der Tonfall, in dem diese Nachricht vorgetragen wird, ist stets der einer Erleichterung, ähnlich dem, der den Ausspruch begleitet, daß man nicht länger ein Jugendlicher sei. Zwei Anzeichen dieses angeblichen Wandels sind die sehr unterschiedlichen Ereignisse der "Architettura Razionale"-Ausstellung auf der Mailänder Triennale, 1973, und der "Ecole des Beaux Arts"-Ausstellung im Museum of Modern Art, 1975. Die erstere ging von der Annahme aus, daß die moderne Architektur ein veralteter Funktionalismus sei, und erklärte, daß Architektur nur durch eine Rückkehr zu sich selber als 96
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