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German Pages 443 [431] Year 2014
IN DIE FREIHEIT GEWORFEN POSITIONEN ZUR DEUTSCH-FRANZÖSISCHEN KUNSTGESCHICHTE NACH 1945
DEUTSCH - FRANZÖSISCHE KUNSTBEZIEHUNGEN KRITIK UND VERMITTLUNG
Herausgegeben von Uwe Fleckner, Thomas W. Gaehtgens und Martin Schieder
P A S S A G E N / P A S S A G E S DEUTSCHES FORUM FÜR KUNSTGESCHICHTE CENTRE ALLEMAN D D’HI STOI RE D E L’ART
B A N D
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IN DIE FREIHEIT GEWORFEN POSITIONEN ZUR DEUTSCH-FRANZÖSISCHEN KUNSTGESCHICHTE NACH 1945
MIT EINEM VORWORT VON THOMAS W. GAEHTGENS
Herausgegeben von Martin Schieder und Isabelle Ewig
Akademie Verlag
Inhalt
Vorwort Thomas W. Gaehtgens
IX
In die Freiheit geworfen. Positionen zur deutsch-französischen Kunstgeschichte nach 1945 Martin Schieder und Isabelle Ewig
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Kunst/Geschichte Le double retour de Watteau. Les déplacements d’œuvres d’art, de la spoliation à la réconciliation, 1940–1950 Aymone Nicolas L’exposition des primitifs allemands au Musée du Jeu de Paume en 1950. Symbole de la réconciliation culturelle franco-allemande Mathilde Arnoux Das deutsch-französische Kulturabkommen von 1954. Erträge und Defizite kultureller Verständigung zwischen der Bundesrepublik und Frankreich in den fünfziger Jahren Ulrich Lappenküper
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Kunst/Vermittlung Une réception différée et relayée. L’Atelier d’art abstrait et le »modèle-Bauhaus«, 1950–1953 Guitemie Maldonado
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Museum der Gegenwart – Fortsetzung nach 1945? Lucius Grisebach
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Werner Haftmann und der »Geist der französischen Kunst« Harald Kimpel
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Wilhelm Wessel und Rodolphe Stadler. Ein deutsch-französischer Brückenschlag in den fünfziger und frühen sechziger Jahren Christoph Zuschlag
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Kunst/Diskurs L’Expressionnisme en point aveugle de l’histoire de l’art Laurence Bertrand Dorléac Der Drang zum Wesen, der Zwang zur Freiheit. Zur Kubismusrezeption in Deutschland zwischen 1945 und 1960 Nicolaj van der Meulen Abstrakt oder figurativ? Das umstrittene Menschenbild in der französischen und deutschen Kunsttheorie nach 1945 Harriet Weber-Schäfer
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Die »Geworfenheit« des Menschen. Zur Frage des Existentialismus für deutsche Künstler nach 1945 Antje von Graevenitz
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Ein großes Vorbild im Westen. Zur Rezeption französischer Kunst in der SBZ/DDR bis 1960 Ulrike Goeschen
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Kunst/Künstler Der liebe Gott der Malerei. Cézanne in Deutschland nach den Kriegen Friederike Kitschen Relectures de Klee Isabelle Ewig
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I N H A LT
»Après la pluie, l’Europe.« Le retour de Max Ernst en France et en Allemagne Sophie Collombat
325
»In Deutschland blieb Wols unbekannt.« Phasenverschiebung einer deutsch-französischen Rezeption Philipp Gutbrod
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»Es waren Offenbarungen.« Deutsche Bildhauer in Paris Christa Lichtenstern
367
Abbildungsnachweis
391
Register
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VII
Vorwort
Wo sollte die deutsche Kunst nach dem Zweiten Weltkrieg anknüpfen? Während von seiten der Geschichtswissenschaft intensiv die Geschichte der Besatzungszeit nach 1945 und die Anfänge der Bundesrepublik Deutschland aufgearbeitet worden sind, hat sich die Kunstgeschichte mit dem ersten Jahrzehnt nach dem Zusammenbruch bisher noch nicht ausreichend beschäftigt. Einige herausragende Ereignisse standen bereits im Mittelpunkt kunsthistorischer Betrachtung dieser Epoche. Die Auseinandersetzung zwischen Karl Hofer und Will Grohmann, zwischen der Forderung nach realistischer und abstrakter Malerei, ist allgemein bekannt. Die Darmstädter Gespräche, die erste documenta und der nachhaltige Eindruck, den auf den folgenden Kasselaner Ausstellungen die amerikanische Malerei des Abstrakten Expressionismus und der Pop Art in Deutschland hinterließ, waren schon oft Gegenstand kunsthistorischer Analysen. Auch der Gegensatz der künstlerischen Entwicklung im Westen gegenüber den Maltraditionen, die die DDR entwickelte, ist von der Kunstgeschichte in den letzten Jahren bearbeitet worden. Der Neubeginn in Deutschland nach dem Zusammenbruch 1945 blieb aber meist Untersuchungen vorbehalten, die sich mit den politischen und wirtschaftlichen, gelegentlich auch kulturgeschichtlichen Problemen der Jahre des Wiederaufbaus beschäftigten. Für diese Vernachlässigung eines außerordentlich wichtigen und interessanten Kapitels der kunstgeschichtlichen Entwicklung können mehrere Gründe angegeben werden. Zum einen führte die deutsche Kunst, die sich nach 1945 entfaltete, lange Jahrzehnte hindurch ein Schattendasein gegenüber dem Wunsch, die klassische Moderne nach langer Zeit der Isolierung kennenzulernen. Die documenta I
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von 1955 entsprach diesem Bedürfnis, indem sie einen Rückblick auf die Stilrichtungen der vergangenen Jahrzehnte ermöglichte. Zum anderen haben die erst um 1960 nach Deutschland eindringenden, überwältigend populären amerikanischen Kunstrichtungen die Erinnerung an die früheren Nachkriegsjahre verdrängt. Der zaghaft sich entfaltenden deutschen Kunst schien die Durchschlagskraft der amerikanischen Malerei, der sich die Händler und Sammler in besonderem Maße widmeten, zu fehlen. Aus diesen Gründen blieben einige Kapitel der Nachkriegskunstgeschichte noch ungeschrieben. Das Jahrzehnt von circa 1945 bis 1955 war wesentlich von engen Kunstbeziehungen zwischen Deutschland und Frankreich geprägt. Diese Umstände in den Blick zu nehmen und zu analysieren, widmete sich ein von der Fritz Thyssen Stiftung gefördertes Forschungsprojekt des Deutschen Forums für Kunstgeschichte in Paris. Grundlage des hier vorgelegten Bandes waren zwei Colloquien, die 2002/03 im Rahmen dieses Unternehmens stattfanden. Die Beiträge bieten in gewisser Hinsicht die Feinarbeit, den genaueren Blick auf die Umstände, die seit der sogenannten Stunde Null im Jahre 1945 die Kultur- und Kunstszene bestimmten. Hierbei nicht nur die Situation in Deutschland in den Blick zu nehmen, sondern zu erkennen, daß vor allem Frankreich am Wiederaufbau einer modernen deutschen Kunstentwicklung einen entscheidenden Anteil nahm, bedeutet zunächst, sich bisher noch wenig beachteten Quellen und ganz neuen Fragen zuzuwenden. Das Wiedererstehen einer deutschen Moderne war zunächst eine Herausforderung, der sich die deutschen Künstler zu stellen hatten. Die Isolierung durch ein Jahrzehnt der Diktatur hatte die Verbindungen in die europäischen Zentren der Moderne unterbrochen. Die Moderne war aber ein zutiefst europäisches Phänomen, das Landesgrenzen nicht kannte. Abschottung führt in der Kunst zu Konservatismus und Provinzialisierung. Wo sollte jedoch angeknüpft werden, wenn die Kontakte abgerissen, ja nicht einmal die Kenntnis über die künstlerische Entwicklung in den Nachbarländern vorhanden war? Der Blick nach Frankreich, nach Paris als dem traditionellen Zentrum der modernen Kunst erschien die naheliegende Perspektive. Allerdings waren dort durch die deutsche Besetzung die modernen Künstler ins Exil gezwungen worden. Auch Paris mußte nach 1945 seinen Ruf als Hauptstadt der Moderne erst wieder zurückgewinnen. Die deutschen Künstler, die sich nach Paris orientierten, um nach dem Krieg endlich die Isolierung von der französischen und internationalen Kunstszene zu überwinden, mußten sich zunächst aus zweiter Hand informieren. Zeitschriften wurden weitergegeben, um Informationen aus Frankreich zu erhalten. Sehr bald ge-
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lang es einigen Malern und Bildhauern, in die französische Kapitale zu reisen, ein Unternehmen, das ganz offenbar eine regelrechte Offenbarung für viele Künstler bedeutete und trotz zum Teil ärmlicher Bedingungen für ihre weitere Entwicklung entscheidende Anregungen brachte. Dieser Zug nach Westen war in gewisser Weise eine Einbahnstraße, denn französische Maler und Bildhauer begaben sich nur selten nach Deutschland. Aber die französische Moderne wurde in Deutschland bekannt, und sehr bald in den Galerien verkauft und von den Museen erworben. Kein anderes Land besitzt so umfangreiche Sammlungen der École de Paris wie Deutschland mit Werken von Soulages, Hartung, Bazaine, Poliakoff, Manessier, Fautrier, Riopelle etc. Gleichzeitig galt es die Ressentiments zu überwinden. Das fragwürdige Machtspiel zwischen Sieger und Besiegtem, das sich bereits auf Traditionen von 1871 und 1918 stützen konnte, bestimmte in den ersten Nachkriegsjahren die Beziehungen der Nachbarn. Nachdem die offizielle Richtlinie der französischen Besatzung sich in denselben Bahnen wie in der Epoche nach dem Ersten Weltkrieg bewegte, vollzog sich ein grundlegender Bewußtseinswandel, dessen positive Auswirkungen die politischen Beziehungen der Nachbarn bis heute prägen. Er kann als ein Wandel von der Expansion der französischen Kultur hin zu einer Kulturbegegnung beschrieben werden. Über ein Jahrzehnt war das deutsche Publikum von der Moderne abgeschnitten, waren die modernen Maler verfemt, ihre Werke verschleudert, ja zerstört worden. Die französische Kulturpolitik entfaltete sich sehr bald im Sinne der Aufklärung über Kunstentwicklungen, die den Deutschen vorenthalten worden waren. Ein Ausstellungsprogramm wurde entwickelt, durchaus gegen einige eher auf Distanz hin orientierte Kräfte in Paris, das ungeheuer erfolgreich in verschiedenen deutschen Städten veranstaltet wurde. Künstler und Öffentlichkeit begegneten nach vielen Jahren zum ersten Mal den Malern und Bildhauern der klassischen Moderne. Cézanne, Picasso, Braque, Matisse, etc. waren die herausragenden Meister, die in Deutschland wieder wahrgenommen werden konnten, nachdem sie von deutschen Kunstkritikern und Galeristen (Cassirer, Einstein, Westheim, Flechtheim) bereits in der Epoche der Weimarer Republik gezeigt und gedeutet worden waren. Die Aktivität war jedoch zunächst einseitig im Sinne einer nationalen Vorstellung kultureller Überlegenheit ausgerichtet. Sie beruhte auf dem Gedanken der seit der Französischen Revolution entwickelten Kulturmission, die in Louis Réaus berühmtem vierbändigen Werk aus den 1920/30er Jahren über die Kunst des französischen 18. Jahrhunderts mit dem sprechenden Titel: Histoire de l’expansion de l’art français noch einmal ideologisch deutlich sichtbar wurde. Doch bereits 1947
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gelangte die politische Führung auf französischer Seite zu der Erkenntnis, die traditionelle Überzeugung von der Überlegenheit des génie français zurückzudrängen. Die Einsicht setzte sich schon vor 1950 durch, daß eine Aktivität des rayonnement culturel als zu einseitige propagandistische Absicht verstanden werden könnte. Immer stärker betrieb Frankreich eine Politik der Kooperation. Sogar Initiativen, auch deutsche Ausstellungen in Paris zu ermöglichen, erhielten Unterstützung. Vor allem aber wurden die zeitgenössischen künstlerischen Bestrebungen der École de Paris, die im Gegensatz zu den von Kahnweiler geprägten und von ihm in gewisser Weise kontrollierten kubistischen Kunstrichtungen, gefördert. Deutsche und französische abstrakte Künstler konnten auf diese Weise kooperieren. Allerdings ist nicht zu übersehen, daß die französischen Anregungen für die Deutschen von größerer Bedeutung waren, als die umgekehrte Richtung. Ein wichtiges Kapitel der deutsch-französischen Kunstbeziehungen stellte die Berufung von Wilhelm Hausenstein als Generalkonsul, später Botschafter der Bundesrepublik in Paris dar. Die Berufung des Kunsthistorikers und Frankreichkenners durch Adenauer war ein Glücksfall. Denn Hausenstein wußte mit Geschick, vor allem durch eine kluge Kulturpolitik, die diplomatischen Beziehungen wieder aufzubauen. Mit großem persönlichem Einsatz bemühte er sich um die Organisation von Ausstellungen nicht nur französischer Kunstwerke aus deutschen Museen, sondern, um den Gedanken der Kulturbegegnung zu fördern, auch von deutschen Kunstwerken. Er traf, gerade bei letzteren durchaus auf heftige Widerstände, die er aber zu überwinden wußte. Die Ausstellungen deutscher Malerei des 15. und 16. Jahrhunderts und der französischen Impressionisten aus deutschen Museen wurden Publikumserfolge. Hausenstein scheiterte allerdings, als er versuchte, eine Ausstellung deutscher Malerei des 19. Jahrhunderts oder der Kunst Leibls und seines Kreises anzuregen. Wie er erkennen mußte, fehlte hierfür die Aufgeschlossenheit von französischer Seite. Noch 1955 beklagte der Botschafter das Niveau der Rezensionen über die Ausstellung von Meisterwerken der Kölner Museen: »Alle diese Kritik geht mit einem naiven Hochmut von der These aus: im 19. Jahrhundert zählt nur die französische Malerei – es gibt eigentlich keine andere«. Auch vermochte Hausenstein nicht, das Werk Beckmanns dem französischen Publikum zu vermitteln. Erst in jüngster Zeit gelang durch eine Ausstellung im Centre Pompidou der Kunst dieses Malers der Durchbruch. Die kunstpolitischen Aktivitäten, an denen Hausenstein federführend beteiligt war, stellten, wie die Äußerung von Carl Georg Heise deutlich zum Ausdruck bringt, eine »völkerverbindende Mission« dar. Das Kulturabkommen von 1954 zwischen
VORWORT
Deutschland und Frankreich bedeutete gleichsam die Krönung sehr schwieriger Verhandlungen, die die erste Phase der diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern nach dem Zweiten Weltkrieg auf politischer Ebene gekennzeichnet hatte. Die kulturellen Beziehungen haben jedoch zweifellos die politischen entscheidend erleichtert. Ein entscheidendes Kapitel der deutsch-französischen Kunstbeziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg wurde von den kunstbegeisterten Vermittlern geleistet. Der Stuttgarter Nervenarzt Ottomar Domnick bildet den Anfang einer Reihe herausragender Persönlichkeiten, Künstler, Sammler, Kunstkritiker und Galeristen, die die deutsch-französischen Kunstbeziehungen in der Nachkriegszeit entscheidend bestimmten. Der leidenschaftliche Sammler Domnick gehörte zu den überzeugten Verteidigern der abstrakten Kunst, die es in diesen Jahren noch gegen renommierte Gegner durchzusetzen galt. In seinen Schriften stand er mutig und überzeugt den Vorstellungen von Hans Sedlmayr gegenüber, der auf der berühmten Auseinandersetzung des Darmstädter Gesprächs und in seinem Buch Verlust der Mitte der abstrakten Malerei die Infragestellung des Menschenbildes vorgeworfen hatte. Domnick war nicht nur Sammler und leidenschaftlicher Propagator der abstrakten Kunst, wobei er seinen Freund Hans Hartung besonders protegierte und ihm den ersten Band einer von ihm initiierten Buchreihe widmete, sondern auch Organisator von Ausstellungen. Bereits im Jahre 1948 wurde er von französischer Seite gebeten, eine deutsche Sektion für den Salon des Réalités Nouvelles zusammenzustellen, eine Aufgabe, die er mit Gewissenhaftigkeit und trotz umfangreicher, auch auf noch vorhandenen Ressentiments gründenden Schwierigkeiten unerschütterlich durchzuführen wußte. Domnick, dem »Messias der Abstraktion«, wie er genannt wurde, gelang es auch, eine Gegenausstellung französischer abstrakter Malerei in mehreren deutschen Städten zustande zu bringen. Der Neurologe hat damit wesentlich zu einem neuen Brückenschlag zwischen Deutschland und Frankreich beigetragen und deutschen Künstlern den Weg in die französische Metropole wiedereröffnet. In diesem Sinne wirkte auch entscheidend Willi Baumeister, der seine Kunst durch das Malverbot der Nationalsozialisten nur im Verborgenen auszuüben vermochte. Er war geradezu eine »moralische Integrationsfigur«, wie Martin Schieder ihn in seiner jüngsten Darstellung, Im Blick des anderen, über die deutsch-französischen Kunstbeziehungen bezeichnet. Die Galerie Jeanne Bucher widmete ihm bereits 1949 eine Einzelausstellung in Paris. Trotz der relativ kühlen Aufnahme, die seine Werke nach dem Kriege in Frankreich aus ästhetischen Gründen erfuhren, zählte er zu den wenigen Malern, die durch ihre Integrität ein entscheidendes Bindeglied in den Kunstbeziehungen zwischen den beiden Ländern wurden.
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Der deutsch-französischen Dialog wurde jedoch auch wesentlich durch die Interpreten der modernen Kunst geprägt. Als Biograph von Klee und Kandinsky trat Grohmann als ein früher Verteidiger der Moderne in Deutschland auf, wußte aber auch durch enge Beziehungen, etwa zu Christian Zervos, als Vermittler der zeitgenössischen deutschen Malerei in Frankreich Anerkennung zu gewinnen. Seine Mitarbeit in den renommierten Cahiers d’arts und in der Zeitschrift Cimaise kann noch heute als Muster kenntnisreicher kunstkritischer Darstellungen gelten. Nach dem Krieg vermochte er seine Beziehungen in das Nachbarland wieder aufzunehmen und entfaltete sich dabei sowohl als Verteidiger der deutschen Nachkriegsmoderne als auch als Propagator der École de Paris in Deutschland. Natürlich darf in dem Versuch, die wichtigsten Vermittlerfiguren zwischen Deutschland und Frankreich in ihrer Rolle zu beschreiben, der Name Werner Haftmann nicht fehlen. Nicht nur an die bereits mehrfach von der Forschung behandelte Geschichte der documenta, an der er in den ersten Jahren entscheidend mitwirkte, gilt es zu erinnern, sondern auch an die grundlegende und in ihrer publizistischen Wirkung kaum zu überschätzende Darstellung Malerei im 20. Jahrhundert, die 1954 veröffentlicht wurde. Auch Haftmann ist zu verdanken, daß die deutsche zeitgenössische Kunst wieder in die internationale Geschichte der Kunst integriert wurde. Auf der documenta I von 1955 stellten Deutsche und Franzosen zwei Drittel der dargebotenen Werke, gewissermaßen das Ergebnis der Ausstellungen, die die französische Militärregierung nach 1945 in Szene gesetzt hatte. Aber auch auf französischer Seite gab es Vermittler, wie den Maler, Dichter, Schriftsteller und Ausstellungsorganisator Édouard Jaguer. Seine kleine Wohnung in Paris war ein Ort für die Begegnung zwischen deutschen und französischen Künstlern. K.O. Götz und Carl Buchheister wohnten häufig bei ihm. Jaguer wirkte an dem von Robert Lebel herausgegebenen Sammelband über die moderne Kunst von 1937 bis 1953 mit einem kenntnisreichen Beitrag über die deutsche Moderne mit. Neben Baumeister und Buchheister fanden auch Götz, Bernard Schultze und Otto Greis ihren Platz in seiner Übersicht, und damit die jüngste Generation der zeitgenössischen deutschen abstrakten Malerei. Gerade für Präsentationen der Werke dieser jungen Maler in Paris war Jaguer über Jahre hinweg ein entscheidender Vermittler. Offenbar schätzte er an ihnen nicht zuletzt ihre Herkunft aus der Kunst des Surrealismus. In der Gegenrichtung trug vor allem der Galerist René Drouin dazu bei, daß Maler wie Fautrier, Dubuffet und Mathieu in Deutschland bekannt wurden. Eine wichtige Vermittlerrolle in der Geschichte der Kunst der vierziger und fünfziger Jahre spielte auch Herta Wescher. Ihre engen Beziehungen zu Künstlern in den dreißiger Jahren hatte sie auch als Exilantin während des Dritten Reichs beibehal-
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ten, soweit dies möglich war. Nach dem Krieg schrieb sie Kunstkritiken für Art d’aujourd’hui und war Redakteurin, ab 1955 sogar Chefredakteurin von Cimaise. In diesen Zeitschriften berichtete sie insbesondere über deutsche Kunst. Zeitgenossen wie Wols, Hartung, aber auch Francis Bott, Marcel Breuer, Jean Leppien, Fred Thieler und Theodor Werner wurden von ihr in den französischen Zeitschriften vorgestellt. Ohne die Berührung mit der französischen Kultur ist die deutsche Kunstentwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg nicht denkbar. Diese Begegnung war aber weitgehend einseitig. Die Deutschen suchten die Moderne in Frankreich. Die französischen Künstler nahmen hingegen kaum an den deutschen malerischen Entdeckungen Anteil. Erst in jüngster Zeit wird die deutsche Kunstszene in Frankreich mit größerer Ernsthaftigkeit wahrgenommen. Der vorliegende Band vermittelt daher, trotz allen Bemühens auch eine französische Rezeption deutscher Kunst aufzuspüren, vorwiegend den Blick in Richtung Westen. Thomas W. Gaehtgens
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In die Freiheit geworfen Positionen zur deutsch-französischen Kunstgeschichte nach 1945
Martin Schieder und Isabelle Ewig
Symbiosen 1948 veröffentlicht der Marburger Literaturwissenschaftler Franz Walter Müller einen Essai über Rilke und die französische Dichtung. Darin formuliert er die These, daß ein Dichter in Epochen der »Krise«, in denen ein »sich selbst entfremdet[er] Zeitgeist« regiere, von einer »radikale[n] Verzweiflung an den bisher für ihn gültigen ästhetischen Normen« erfaßt werde. Nur in der »Verneinung seiner bisherigen Existenz« könne er wieder zu »ewigen Formen und Ideen« finden – es sei denn, es komme zu einer »entscheidenden Begegnung«. Als prominentes Beispiel führt Müller Rilke an, der nach Erscheinen seines Romans Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge (1910) in eine tiefe Schaffenskrise gefallen sei. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges habe er zudem Paris verlassen müssen. Erst der Begegnung mit einem französischen Dichter habe er das »eruptive Wiederströmen seiner schöpferischen Kräfte« und die Vollendung der Duineser Elegien verdankt: der Begegnung mit Paul Valéry. Aber was war es, das der deutsche »Dichter des reinen Gefühls« an dem französischen »Nihilisten« fand? Nach Ansicht des Literaturwissenschaftlers gibt es darauf nur eine Antwort: Es war »die letzte Verdichtung und reifste Ausprägung lateinischen Formensinns«, was Rilke an Valéry so faszinierte.1 Es liegt auf der Hand, den Essai auf die Zeit seiner Niederschrift zu projizieren, waren doch die ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg wiederum eine »Epoche der Krisen«. Zwischen den Zeilen wirbt Müller unüberhörbar dafür, daß die deutsche Dichtung, ja die deutsche Kultur insgesamt, der jede Ordnung verlorengegangen und deren »Tradition ins Wanken« geraten sei, nach Frankreich schaue, damit
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deutsche Innerlichkeit und französische Form erneut eine Symbiose eingehen.2 Tatsächlich treten die Literaturen beider Länder bald wieder in einen intensiven und wechselseitig fruchtbaren Dialog. Ein Beispiel mag dies belegen: 1951 erklärt Hans Werner Richter in Paris mit Nachdruck, daß der Kontakt zur französischen Literaturszene wegweisenden Charakter für die Gruppe 47 hat und die französischen Intellektuellen geistig-moralische und politische Vorbildfunktion besitzen: »Von der Außenwelt abgeschnitten, uns selbst überlassen, weggestoßen, gebrandmarkt und verzweifelt, wir waren allein. Wohin richteten wir in dieser Situation unsere Blicke? Nach Frankreich«.3 Heute, sechzig Jahre nach Kriegsende, sind die deutsch-französischen Beziehungen eine Konstante der europäischen Idee. Gleichwohl bleibt es kaum vorstellbar, wie es den Kulturschaffenden und politischen Protagonisten nach einem traumatisierenden Krieg und trotz scheinbar nicht zu überbrückender Ressentiments gelingen konnte, innerhalb nur weniger Jahre den gemeinsamen Kunstbeziehungen eine ungeheure Dynamik zu verleihen. Noch erstaunlicher ist, daß ebendieser Aspekt von der sonst so regen Forschung zur Kunst und Kunstgeschichte nach 1945 lange Zeit kaum Beachtung gefunden hat, zumal er von elementarer Bedeutung für das Comeback der Avantgarden gewesen ist. Erst in jüngster Zeit wendet man sich ihm zu.4 Neue Perspektiven möchte auch das von der Fritz Thyssen Stiftung geförderte Projekt Französische Kunst im Nachkriegsdeutschland – Deutsche Moderne in Frankreich nach 1945 eröffnen, das am Deutschen Forum für Kunstgeschichte angesiedelt ist. Es hat sich zur Aufgabe gestellt, den deutsch-französischen Kunstund Kulturtransfer zwischen Kriegsende und 1959 – dem Jahr, in dem die amerikanische Kunst auf der documenta II die lange Zeit dominante École de Paris endgültig ablöste – zu rekonstruieren, die vielfältigen künstlerischen und kulturpolitischen Kontakte in ihrem historischen Kontext zu beschreiben sowie nach den Trägern und deren unterschiedlichen Motivationen zu fragen. Da das Projekt von Beginn an in beiden Ländern große Unterstützung und starkes Interesse erfahren hat, ist der vorliegende Band eine erste Bilanz eines bilateralen kunstwissenschaftlichen Dialogs.5 Zusammengefaßt zu vier Kapiteln, stellen 17 Einzelstudien neue Positionen zur deutsch-französischen Kunstgeschichte zwischen Kriegsende und Elysée-Vertrag vor.
Kunst/Geschichte Sie beginnt am 27. August 1944, als französische Truppen auf dem Bahnhof von Aulnay-sous-Bois, nur wenige Kilometer vom gerade befreiten Paris entfernt, den Sonderzug 40044 stoppen. In den fünf Waggons finden die Soldaten 148 Kisten mit
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Hunderten Werken der französischen Moderne, alle vom Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg aus meist jüdischen Privatsammlungen erworben oder entwendet. Göring gab noch den Befehl, sie über die Grenze nach Nikolsburg zu bringen, doch ein Hinweis von Rose Valland, die als Kustodin am Jeu de Paume heimlich Listen der konfiszierten Kunstschätze angelegt hat, vereitelt die Verschleppung der französischen Kulturgüter im letzten Moment (John Frankenheimer wird 1964 die dramatische Rettung in dem Kriegsfilm The Train mit Burt Lancaster als Widerstandskämpfer Labiche verfilmen). Wenige Monate darauf, im November 1944, konstituiert sich die Commission de la Récupération Artistique. Sie hat den Auftrag, in Frankreich und Deutschland nach von den Nationalsozialisten geraubten Kunstwerken zu suchen und sie ihren rechtmäßigen Eigentümern auszuhändigen. Insgesamt gelangen über 60.000 Kunstwerke nach Frankreich zurück, davon bis 1949 mehr als zwei Drittel in die Hände ihrer ursprünglichen Besitzer. Bereits 1946 organisiert die Kommission im Musée de l’Orangerie (Abb. 14) eine Ausstellung einiger Chefs-d’œuvre des collections privées françaises retrouvés en Allemagne. Bewußt wählt man diesen Ort: Nur wenige Meter weiter, in der sogenannten »Salle des martyrs« des Musée du Jeu de Paume, lagerte zwischen 1940 und 1944 der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg die geraubte Moderne und präsentierte sie Göring zur Auswahl für dessen Privatsammlung in Carinhall (Abb. 1). Die Ausstellung richtet sich mit einer klaren Aussage an die Franzosen: »Une partie du patrimoine a rejoint sa patrie. […] Guérie de ses blessures elle aussi, l’Orangerie […] recueille [nos chefsd’œuvre] après leur long exil et les replace, à l’ombre des drapeaux alliés, dans leur atmosphère, celle de Paris et de la France«, so definiert Albert S. Henraux, der Präsident der Kommission, im Ausstellungskatalog die patriotische Aufgabe.6 Fast gleichzeitig startet das Gouvernement Militaire ein spektakuläres Ausstellungsprogramm, um den kulturell desorientierten Deutschen in der Zone française d’Occupation die Klassische Moderne vom Impressionismus bis zur École de Paris wieder nahezubringen. 1946/47 wandert die Ausstellung Moderne französische Malerei durch verschiedene deutsche Städte und zieht über 150.000 Besucher in ihren Bann, im Juli 1947 präsentieren die Franzosen La sculpture française de Rodin à nos jours im Berliner Zeughaus (Abb. 2). In dem Ausstellungskatalog läßt Jean Cassou, Generalkonservator am neugegründeten Musée d’Art moderne, keinen Zweifel an der Überlegenheit der französischen Kunst und formuliert die entsprechende Botschaft: Jeder deutsche Besucher – und Bildhauer – solle in den Exponaten von Bourdelle, Giacometti, Laurens, Richier und Rodin »le génie français« erkennen.7 Keine vier Jahre später, im Winter 1951, schicken elf deutsche Museen Hauptwerke des französischen Impressionismus nach Paris, um zu demonstrieren, daß
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Blick in die »Salle des martyrs« im Jeu de Paume, um 1942/44.
man in Deutschland seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert eine »amour passionné« für die französische Moderne hege, und zwar losgelöst von den historischen Zäsuren.8 Und wie reagieren die Franzosen, wenige Jahre nach der récupération artistique, auf die Schau französischer Malerei aus deutschem Besitz? In einem Ausstellungsbericht schlägt Germain Bazin, Chefkurator am Louvre, einen überraschend versöhnlichen Ton an. Er beginnt mit dem Hinweis auf den 1911 von dem Kritiker Carl Vinnen initiierten Protest deutscher Künstler gegen die französische Moderne anläßlich des Ankaufs von Van Goghs Mohnfeld (Taf. IV) durch den Direktor der Bremer Kunsthalle, Gustav Pauli. Vinnen hatte die Erwerbungspolitik deutscher Museen als eine der Förderung einheimischer Künstler zuwiderlaufende »Invasion französischer Kunst« kritisiert, worauf ihm von deutschen Intellektuellen und Kulturschaffenden vehement widersprochen wurde.9 Ihre Entgegnung sei, so Bazin nun, als Ausdruck einer »profession de foi européenne« anzusehen. Und da das Gemälde Van Goghs, das im Mittelpunkt des Bremer Kunststreites gestanden hatte, 1951 zu
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Blick in die Ausstellung La sculpture française de Rodin à nos jours im Berliner Zeughaus, 1947.
den Exponaten im Musée de l’Orangerie gehörte, ist es um so bemerkenswerter, wenn Bazin am Ende seiner Rezension schreibt: »D’aucuns en voyant ces œuvres magnifiques pourraient être amenés à regretter qu’elles aient quitté la France; il est bien, au contraire, que chaque pays conserve en ses musées des expressions de toutes les formes de la culture des autres pays, afin de développer l’intérêt chez ses nationaux du sens de l’Universel. Et je regrette, pour ma part, l’insuffisance des collections de peinture allemande du Louvre, qui ne permettent pas de se faire une juste idée de l’importance de cette école«.10 In gerade einmal sechs Jahren seit Kriegsende finden also drei bedeutende Ausstellungen statt, an denen sich der politische Wandel der deutsch-französischen Kunstbeziehungen von der récupération über das rayonnement culturel hin zur europäischen réconciliation exemplarisch nachvollziehen läßt. Dies sowie die Tatsache, daß die Renaissance des kulturellen Austauschs nach dem Zweiten Weltkrieg nicht ohne den historischen, in beiden Ländern höchst unterschiedlichen Kontext
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zu verstehen ist, veranschaulichen die Beiträge des Kapitels Kunst/Geschichte. Politik und Diplomatie – die Libération 1944, die Einrichtung der Zone française d’Occupation 1945–1949, die Gründung zweier deutscher Staaten 1949, das deutschfranzösische Kulturabkommen 1954, der deutsch-französische Freundschaftsvertrag 1963 – bestimmen den Rhythmus der kulturellen Beziehungen, auch wenn diese nicht unmittelbar auf jede Spannung und Entspannung reagiert haben und der Politik häufig vorausgegangen sind. Gleichwohl: die Politik setzt die Rahmenbedingungen und gibt durch ihr Engagement im Museums- und Ausstellungswesen die Eckpunkte vor.
Kunst/Vermittlung Im Juni 1949 besucht Carl Buchheister im Kestner-Museum Hannover die Ausstellung Französische abstrakte Malerei, bevor sie durch sechs weitere westdeutsche Städte wandern wird (Abb. 3). Ihn drängt es daraufhin, Kontakt mit ihrem Organisator Ottomar Domnick aufzunehmen und ihm für dessen Engagement zu danken. Das Gesehene habe ihn außerordentlich beeindruckt und ihm einen »umfassenden Einblick über das Schaffen der jungen Malergeneration in Frankreich« eröffnet, schreibt Buchheister dem Stuttgarter Nervenarzt und Sammler. Und weiter: »Vor allen Dingen ist es zu begrüssen, dass gerade die erste geistige Brücke nach den furchtbaren Kriegsjahren von Nation durch Nation durch die abstrakte Malerei hergestellt worden ist. Ich bin der festen Ueberzeugung, dass diese übernationale Mission der abstrakten Kunst sich in Zukunft immer wieder beweisen wird«.11 Auch bei K. O. Götz, Bernard Schultze, Georg Meistermann und Rolf Cavael hinterlassen die ausgestellten Werke von Hartung, Soulages, Herbin, Del Marle und anderen Vertretern der École de Paris nachhaltigen Eindruck. Außerdem legt die Ausstellung den Grundstein für Hartungs und Soulages’ erfolgreiche Karriere in Deutschland. Bald darauf wird Buchheister selbst, wie so viele deutsche Maler und Bildhauer, nach Paris reisen. Dort erfährt er durch den Kunstkritiker Édouard Jaguer, der ihn in die Kunstszene einführt und ihm mehrere Ausstellungsbeteiligungen ermöglicht, unerwartete Unterstützung. Daß sich der Dialog der Künste nicht der Politik, sondern in erster Linie privaten Initiativen verdankt, das stellen die Beiträge des zweiten Kapitels Kunst/Vermittlung heraus. In ihnen wird deutlich, daß nach 1945 Sammler, Künstler, Kritiker, Kunsthistoriker und -händler die eigentlichen Protagonisten des bilateralen Kulturtransfers sind. Private Vermittler wie Domnick und jüngst verstorbene Jaguer, wie Willi Baumeister, K. O. Götz und Wilhelm Wessel, wie Will Grohmann, Werner Haftmann und John Anthony Thwaites, wie Otto Stangl, Alfred Schmela, René Drouin,
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Blick in die Wanderausstellung Französische abstrakte Malerei in der Städtischen Galerie München, 4. bis 28. Dezember 1948 [im Hintergrund Werke von Jean Villeri].
Heinz Berggruen oder Rodolphe Stadler sind es, welche die Avantgarden beider Länder durch Ausstellungen und Publikationsprojekte zusammenführen und so der Entgrenzung insbesondere der deutschen Künstlerszene entscheidende Impulse verleihen. Dies gelingt ihnen, indem sie Foren der internationalen Begegnung zur Verfügung stellen und Ausstellungen organisieren: Rixes in der Frankfurter Zimmergalerie, Véhémences confrontées in der Galerie Nina Dausset (Abb. 83), die erste und zweite documenta im Kasselaner Fridericianum (Abb. 27, 29 und 32–33), Peintures et Sculptures non-figuratives en Allemagne d’aujourd’hui im Cercle Volney und Lebendige Farbe – Couleur vivante im Städtischen Museum Wiesbaden; auch das sogenannte Leverkusener Gespräch (siehe Christoph Zuschlag, S. 151 ff.) ist hier zu nennen. Solche Veranstaltungen lassen sich nicht zuletzt deshalb so schnell realisieren, weil oft Personen daran beteiligt sind, die schon v o r dem Krieg Schlüsselpositionen in den bilateralen Beziehungen innehatten.
Kunst/Diskurs Nur selten wird die Reflexion über die Kunst des a n d e r e n von reinem Interesse geleitet. Meist dient sie dazu, besondere Wertvorstellungen und Ansprüche an die e i g e n e , an die nationale Kunst heranzutragen. Ein Kommentar Werner Schma-
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lenbachs zur Malerei von Gustave Singier (Taf. XIII und Abb. 73) veranschaulicht das beispielhaft: »Auch dies wird oft gesagt: die abstrakte Kunst sei etwas Extremes, und man beklagt dabei den vermeintlich allenthalben in der Kunst unserer Tage sichtbar werdenden Verlust der ›Mitte‹. Wenn man versucht, einen Künstler wie Singier im heutigen Kunstgeschehen zu lokalisieren, dann wird man ihm gerade einen Platz in der Mitte anweisen«. Was der Ausstellungsmacher, der mit seinen Präsentationen in der Kestner-Gesellschaft Hannover ganz wesentlich dazu beiträgt, daß in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre die Jeunes peintres de tradition française um Singier, Bazaine (Abb. 28) und Manessier (Taf. XII) in Deutschland salonfähig werden, erklärt, folgt einem klaren Programm: Zum einen übt er unverhohlen Kritik an einer konservativen, die Abstraktion ablehnenden Kunstkritik, wie sie Hans Sedlmayr und Wilhelm Hausenstein vertreten, und möchte die Abstraktion in Deutschland als eine Kunst der Mitte etablieren. Zum anderen distanziert er sich von extremen Positionen der Abstraktion, von »leidenschaftlichen ›Aussagen‹« und von einem »formalen Radikalismus« – also von der art autre eines Wols (Taf. VIII), Fautrier oder Pollock sowie von der art géométrique.12 Wendet man sich den kunsttheoretischen Debatten in der jungen Bundesrepublik zu, so fällt auf, daß die Perspektive der kunsthistorischen Forschung eine nationale ist und nur selten nach den Einflüssen von außen gefragt wird. Auch die französische Kunstwissenschaft konzentriert sich bisher auf die eigene Kunstentwicklung und klammert – abgesehen vom Verhältnis zwischen der École de Paris und der New York School – den interkulturellen Transfer als Frage aus. Diese wissenschaftliche Einseitigkeit steht im Kontrast zur historischen Wirklichkeit: Nach dem Ende von Diktatur, Krieg und Besatzung haben beide Nationen klären müssen, was das Spezifische nicht nur der eigenen, sondern auch der fremden Kunst ist. Zunächst hat man auf kulturmorphologische Perzeptionsmuster der Zwischenkriegszeit zurückgegriffen, doch schon bald, nicht zuletzt weil die abstrakte »Weltkunst« alles Nationale negiert, findet im deutsch-französischen Kunst/Diskurs eine Entideologisierung statt. Die Beiträge im gleichnamigen dritten Kapitel zeigen, welche Unterschiede, Übereinstimmungen, ja wechselseitigen Argumentationsmuster sich in den Debatten erkennen lassen. Sie machen deutlich, daß sowohl der Streit über das Menschenbild in der modernen Kunst als auch die Kontroverse Abstraktion versus Figuration in Frankreich wie in Deutschland mit größter Heftigkeit ausgetragen
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werden, ja in beiden Ländern zum Teil parallel verlaufen, aufgrund der unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen aber kaum Berührungspunkte haben.13 Denn die anfangs stark von der Résistance und vom Kommunismus geprägte Diskussion in Frankreich ist deutlich politischer geprägt als die in Westdeutschland. In den ersten Jahren nach der deutschen Besatzung verstehen die Franzosen Kunst als Ausdruck moralischer Überzeugungen und sozialer Utopien und betrachten sie selten unter ästhetischen Gesichtspunkten. Stets ist der Streit über zeitgemäße Kunst ein Kampf von Weltanschauungen, den hier wie dort nur derjenige für sich entscheiden kann, der Schlüsselbegriffe wie Freiheit, Menschenbild und Humanismus geistig besetzt.14 So bleibt für einen Künstler auch die Entscheidung, ob er abstrakt oder figurativ arbeiten soll, stets »eine Frage seiner Weltanschauung und nicht eine Frage der künstlerischen Gestaltung«.15
Kunst/Künstler Im September 1952 bereitet Buchheister die erwähnte Reise nach Paris vor. Sein Ziel ist es, in Kontakt mit französischen Künstlern zu treten und eine Gelegenheit für eine Einzelausstellung oder Ausstellungsbeteiligung aufzutun. Aus diesem Grund wendet er sich an K. O. Götz, der zu diesem Zeitpunkt durch seinen Freund und Förderer Edouard Jaguer über beste Beziehungen zur Pariser Kunstszene verfügt: »[ich] wäre dir sehr dankbar, wenn du mir die adressen der befreundeten pariser kollegen übersenden würdest. z.b. jaguere [sic], riopelle, usw. die nina dausset, rue du dragon suche ich natürlich auf. wer ist noch wichtig? die adresse von hans arp werde ich wohl in paris erfahren«.16 Für beinahe jeden deutschen Maler und Bildhauer ist es in den fünfziger Jahren unumgänglich, regelmäßig in die französische Hauptstadt zu »pilgern« (siehe Christa Lichtenstern, S. 367 ff.), um sich dort inspirieren zu lassen, sich dem internationalen Wettbewerb mit der École de Paris zu stellen und somit den eigenen Marktwert in Deutschland zu steigern. Während ihnen kein Aufwand zu groß dafür scheint, hat umgekehrt kaum ein französischer Künstler den Weg nach Deutschland gefunden. Im vierten und letzten Kapitel, das Kunst und Künstler in den Mittelpunkt stellt, wird an ausgesuchten Beispielen ihre Rolle im deutsch-französischen Kulturtransfer untersucht, ihre Rezeption im anderen Land analysiert. Die Maler und Bildhauer sind gleichermaßen Träger und Profiteure des interkulturellen Transfers. Einige von ihnen, allen voran Klee, Kandinsky, Picasso, aber auch Hartung, Baumeister und Matisse, stehen im Fokus der gegenseitigen Wahrnehmung. An ihnen, an den Protagonisten der vergangenen und aktuellen Kunst, entladen sich die Kritiken, Besucherreaktionen, ästhetischen Ressentiments und nationalen Vorurteile. Man instrumentalisiert sie zu Projek-
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tionsfiguren weltanschaulicher Modelle, ihr Œuvre wird zutiefst bewundert oder auf das heftigste abgelehnt. Jede wissenschaftliche Systematik hat etwas Willkürliches, auch in diesem Band. Nur in der Gesamtheit aller Beiträge ergibt sich ein genaueres Bild vom deutsch-französischen Kulturtransfer nach 1945, erschließen sich die Netzwerke und inhaltlichen Querverbindungen, wird das Synchrone und Azyklische deutlich, begreift man, wie stark das Neue auf das Vergangene rekurriert, schälen sich Schlüsselbegriffe heraus, wird die magnetische Anziehungskraft von Paris spürbar, erklärt sich die singuläre Position eines Werner Haftmann (siehe Harald Kimpel, S. 129 ff.) oder Daniel-Henry Kahnweiler, wird faßbar, warum das erste Darmstädter Gespräch (1950) und die erste documenta (1955) auch für die deutsch-französische Kunstgeschichte so wichtig sind, versteht man, daß diese nicht nur eine westdeutsch-französische, sondern auch eine ostdeutsch-französische und nicht zuletzt eine deutschdeutsche gewesen ist. Darüber hinaus lassen sich fünf Aspekte benennen, die vielen Beiträgen gemein sind.
Symbolik Transnationale Kunstvermittlung findet auf den unterschiedlichsten öffentlichen und privaten Ebenen statt, Zielsetzung und Rezeption sind entsprechend vielfältig. Die Politik mißt der Kultur einen hohen Stellenwert zu, macht sie zu einem Instrument der Propaganda nach innen und außen (siehe Ulrich Lappenküper, S. 67 ff.). Der private Vermittler bewegt sich meist abseits, nicht selten im Gegensatz zu Vertretern der offiziellen Sphäre. Seine Interessen sind kommerzieller, weltanschaulicher, selten altruistischer Natur. Das Publikum begegnet der fremden Kunst in der Regel emotional, während Kritiker und Kunsthistoriker sie häufig als Ausdruck nationaler Eigenschaften interpretieren, das Fremde auf das Eigene projizieren oder umgekehrt. Der Künstler schließlich sucht in dem ihm Unbekannten Inspiration und Herausforderung. Ein Faktor spielt dabei stets eine große Rolle: die Kraft der Bilder. Tatsächlich ist die moderne Geschichte des deutsch-französischen Kulturtransfers immer auch eine der Symbole und Gesten gewesen. Man denke daran, daß die preußische Regierung 1889 Max Liebermann verbietet, anläßlich der Weltausstellung zum Centenaire der Französischen Revolution die Ernennung zum Ritter der Ehrenlegion anzunehmen, man denke an Tschudis aufsehnerregende Präsentation des Manetschen Wintergarten 1896 im Cornelius-Saal der Nationalgalerie (Abb. 4), an den erwähnten Bremer Kunststreit um das Van Goghsche Mohnfeld (Taf. IV), an die Versteigerung der von der französischen Regierung beschlagnahmten Sammlung Kahnweiler im Jahr 1921 sowie an die Exposition d’art français en
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Albert Schwartz: Blick in die Berliner Nationalgalerie, III. Geschoß, 1908.
Rhénanie im selben Jahr im besetzten Wiesbaden. Auch daß Zervos 1937 Willi Baumeister, Max Ernst, Kandinsky und andere in Deutschland als »entartet« diffamierte Künstler zur Teilnahme an der Ausstellung Origines et développement de l’art international indépendant einlädt, gehört hierhin, ebenso der Aufmarsch von Brekers blutleeren Kolossalfiguren drei Jahre später im besetzten Paris (Abb. 5). Ereignisse wie diese werden öffentlich inszeniert, und die Zeitgenossen, manchmal auch erst die Nachwelt, sprechen ihnen beträchtliche Symbolkraft zu. Die eigene Kunst soll den anderen beeindrucken, ihn übertreffen, ja demütigen. Sie wird zur Schau gestellt, ihre Verbreitung gilt als probates Mittel der Propaganda, an ihr sollen sich die Künstler des anderen Landes orientieren, sie wird politisch aufgeladen, und an ihr entladen sich nationale Ressentiments, sie wird verschenkt und geraubt. Und die Kunst des anderen? Sie ist der ständige Antipode der eigenen, eine Kunst, die man kritisiert und bewundert, die für einen Moment oder gar eine Epoche den eigenen Stil und Geschmack prägt, um dann wieder in Vergessenheit zu geraten. Sie wird gesammelt und verachtet, von Kunsthistorikern mit volkspsychologischen Klischees überfrachtet und von Ikonoklasten entehrt. Es geht um Kunst, um d i e Kunst, und doch entzünden sich Symbolik und Projektionen meist am einzelnen, am exponierten Kunstwerk.17 Daran ändert sich nach 1945 wenig. Während man auf dem Feld der Theorie darüber streitet, ob die Kunst autonom sein soll oder ob sie eine gesellschaftliche Aufgabe zu erfüllen hat, vertrauen und erliegen Politiker, Ausstellungsmacher, Kri-
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Eröffnung der Ausstellung von Arno Breker in der Orangerie des Jeu de Paume, 15. Mai 1942.
tiker, Künstler und nicht zuletzt das Publikum wieder ihrer bildhaften Kraft, weisen ihr eine zwischen den Völkern vermittelnde Funktion zu. Obwohl Louis Aragon (Abb. 12) nur wenige Monate nach der Libération Watteaus L’Enseigne de Gersaint (Taf. II) – wegen seines Sujets und seiner Provenienz stellt das Berliner Gemälde eine Ikone des deutsch-französischen Kulturtransfers schlechthin dar – von den Deutschen als »Blutgeld« zurückfordert, stellen es diese 1951 in Paris als Zeichen der Versöhnung aus, und mit einemmal glauben die Franzosen, in ihm eine galante Aufforderung zur reconstruction des eigenen Landes zu erkennen (siehe Aymone Nicolas, S. 29 ff.). Ein anderes Beispiel ist dies: Im Oktober 1948 bringen deutsche Kulturvertreter, nachdem ihnen ein Offizier des Gouvernement Militaire ein Konvolut moderner französischer Druckgraphik im Sinne der réconciliation als Geschenk für die Karlsruher Kunsthalle übergeben hat, dem Konservator am Musée d’Art moderne ein Gemälde von Willi Baumeister dar, das feierlich in Jour heureux (Abb. 6) umbenannt wird. »ich halte ebenfalls die übergabe meines bildes an den franz. staat für das musée national de l’art für einen ziemlichen erfolg. besonders auch weil die sache mit einverständnis der franzosen vor sich ging«, erläutert Baumeister seinem Freund Grohmann die historische Bedeutung des Austauschs.18 Gezielt also setzen die ehemaligen Kriegsgegner die bildende Kunst ein – nicht um das Trennende hervorzuheben, sondern um das Gemeinsame wiederzufinden. Dient die eigene und fremde Kunst in den westdeutsch-französischen Kunstbeziehungen zunächst der Wiederannäherung und Verständigung, wird sie bald auch
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Willi Baumeister: Jour heureux, 1947, Öl mit Kunstharz und Spachtelkitt auf Hartfaserplatte, 65 × 81 cm, Paris, Musée national d’Art moderne, Centre Georges Pompidou.
im Kalten Krieg instrumentalisiert. Nachdem 1952 eine Übersichtsausstellung mit Graphiken von Picasso in Nürnberg und Basel gastiert hat, ist als nächste Station West-Berlin vorgesehen. Doch als die Transportkisten eintreffen, dürfen sie auf Anordnung des christdemokratischen Kultursenators nicht ausgepackt werden. Beim Öffnen der Kisten hat sich herausgestellt, daß zu den Exponaten mehrere Fassungen der Friedenstaube (Abb. 7) zählen – das Symbol der kommunistischen Weltfriedensbewegung. Grund genug für den Berliner Politiker, die Ausstellung abzusagen.19 Seitdem wird Picasso immer wieder im Mittelpunkt des deutsch-deutschen Diskurses stehen.20 So auch 1955 im Haus der Kunst in München, also dort, wo einst Goebbels die Große Deutsche Kunstausstellung inszeniert hat. Dort drängen sich die Zuschauer vor e i n e m Gemälde: Auf der ersten großen Picasso-Ausstellung nach dem Krieg ist zum ersten und einzigen Mal in Deutschland Guernica (Abb. 8) zu sehen! Manchmal erinnert die unbekannte Kunst auch schmerzhaft an die eigene Geschichte. Auch außerhalb von Politik und Gesellschaft kennzeichnet den deutsch-französischen Dialog nach 1945 eine gesuchte Sinnbildlichkeit, existiert neben der politischen so etwas wie eine private Ikonographie. Es sind nicht zuletzt die Künstler selbst, die in und mit dem eigenen Schaffen ihr Verhältnis zum Eigenen und Anderen, zu Heimat und Fremde formulieren wollen. Zahlreiche deutsche Maler und Bildhauer haben sich nicht nur nach Frankreich hin orientiert, sondern beken-
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7 Plakat des Congrès mondial des partisans de la paix in Paris mit Picassos Friedenstaube als Motiv, 1949.
nen sich explizit zu französischen Vorbildern, manche sogar mit einem Kunstwerk – Baumeister zeigt 1948 auf dem 3e Salon des Réalités Nouvelles, der ersten Ausstellung in Paris, zu der nach Kriegsende wieder deutsche Gegenwartskünstler eingeladen werden, ein Bild mit dem Titel Souvenir à Corot, Mac Zimmermann nennt 1949 eines seiner Gemälde schlicht P.I.C.A.S.S.O., Gerhard Hoehme malt 1957 eine Hommage à Jean Fautrier (Taf. XV), der junge Penck läßt sich in seinem Dresdner Atelier vor zwei seiner Portraits fotografieren (Abb. 9): Das eine ist eine Reminiszenz an Picassos frühes Selbstbildnis mit Palette, das andere eine an dessen Bildnis der Gertrude Stein. Und Max Ernst malt nach seiner Rückkehr aus dem amerikanischen Exil und nach einem Besuch seines Geburtsorts Brühl das Bild Vater Rhein (Taf. XI). Die Hommage an die rheinische Heimat, in der sich die »bedeutendsten europäischen Kulturströmungen« kreuzen, wird zum Sinnbild einer schmerzvollen und letztlich gescheiterten Rückkehr eines Emigranten (siehe Sophie Collombat, S. 325 ff.).21
Emotionen Dem von Absichten und Weltanschauungen geleiteten Handeln der offiziellen und privaten Kunstvermittler steht das Kunsterlebnis des Betrachters gegenüber. Nach Jahren der Gleichschaltung, Diffamierung und Zerstörung treibt ihn der Wunsch,
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Picassos Guernica im Haus der Kunst in München (abgebildet in der BILD-Zeitung, Oktober 1955).
erstmals oder endlich wieder Kunstwerke der Moderne und Gegenwart zu sehen, in Ausstellungen, Museen und Galerien. Auch in Frankreich gibt es ein großes Verlangen nach dem unmittelbaren Kunsterlebnis. »Jamais«, konstatiert Charles Estienne bereits 1946, »on n’a tant exposé de peinture, bonne ou mauvaise, ancienne ou moderne, et jamais le public ne s’est autant pressé pour la voir.«22 In beiden Ländern erlebt, wer vor Originalen steht, den Moment häufig als etwas Emotionales, um nicht zu sagen Existentielles. Auf eindringliche Weise offenbaren dies die Berichte von Studenten aus Freiburg, wo 1947 die französische Militärregierung mit Unterstützung Kahnweilers eine grandiose Schau des Kubismus organisiert hat. Die jungen Besucher erkennen in den »deformierten« Exponaten der Meister französischer Malerei der Gegenwart nicht etwa Positionen einer an sich inzwischen historischen Avantgarde (Taf. VI und Abb. 41–43), sondern Zerrbilder der eigenen Existenz nach einem zerstörerischen Krieg. Statt des kunsthistorischen Blickes ist da nur der Blick ins Innere; die Sehnsucht nach Katharsis und nach einer neuen Ordnung überlagert das ästhetische Empfinden. Ganz anders ist die Reaktion in Frankreich auf deutsche Kunst. Nicht zuletzt wegen der seinen Werken innewohnenden Poesie gehört Paul Klee (Taf. V und
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Peter Makolies: Ralf Winkler [i.e. A. R. Penck] im Atelier Löbauer Straße, Dresden, 1961.
Abb. 71–72) hier zu den am meisten geschätzten Künstlern (siehe Isabelle Ewig, S. 303 ff.). Seine Bilder lösen bei den Betrachtern starke Empfindungen aus; das geht beispielsweise aus dem Ausstellungsbericht von Dora Vallier über die Biennale 1954 in Venedig hervor: »Je me souviendrai toujours d’un visiteur que j’ai vu entrer dans la salle de Klee, enlever ses chaussures, s’installer commodément sur le divan et regarder les œuvres, pendant des heures. N’est-ce pas là la plus grande récompense pour un artiste, de savoir que ce qu’il extrait de la vie retourne bientôt à la vie?«23 Im allgemeinen aber begegnen die Franzosen in den ersten Jahren nach Kriegsende deutscher Kunst mit Skepsis, Ignoranz, dem festen Glauben an die supériorité der eigenen civilisation und sogar mit unmißverständlicher Ablehnung. Der Expressionismus wird in chauvinistischer Attitüde als Inbegriff deutscher Malerei abgetan (siehe Laurence Bertrand Dorléac, S. 167 ff.), und einflußreiche Kulturpolitiker raten davon ab, Deutsches in Paris zu präsentieren, solange nicht die Rückführung der von den Deutschen geraubten Kulturgüter abgeschlossen sei; aus ähnlichen Gründen wird eine Baumeister-Ausstellung in der Galerie Jeanne Bucher
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zunächst verschoben. Als es 1948 auf dem 3e Salon des Réalités Nouvelles eine deutsche Sektion geben soll, möchten die Veranstalter um jeden Preis vermeiden, daß der nach Nationen geordnete Katalog mit »Allemagne« eröffnet wird, und setzen kurzerhand die »Zones occupées en Allemagne« an sein Ende. Nur selten bekennt man so offen wie Bazin die Lückenhaftigkeit der deutschen Kunstbestände im Musée du Louvre, nur selten kritisiert man so scharf die Ignoranz der Museen gegenüber der deutschen Avantgarde wie Waldemar George 24. Nicht die fremde, sondern die eigene Kunst im deutschen Besitz löst Emotionen aus.
Existentialismus Der emotionalen Reaktion auf die Kunst aus Frankreich entspricht eine intellektuelle. In den ersten Nachkriegsjahren besteht in deutschen Bildungskreisen großes Interesse am französischen Existentialismus, sein Gedankengut ist allgegenwärtig, scheint »osmotisch in das Bewußtsein der Kriegs- und Trümmergeneration eingeflossen«.25 Zwar wird eine Aufführung von Sartres Fliegen in den Westzonen von den Alliierten zunächst verboten – man befürchtet offenbar eine subversive Wirkung von Sartres Widerstandsbegriff auf die besiegten Deutschen –, doch inszeniert Gustav Gründgens im November 1947 am Schauspielhaus Düsseldorf die deutsche Erstaufführung (Abb. 10). Seitdem werden Stücke von Camus, Giraudoux und Sartre, denen die französischen Besatzer in ihrem Programm der rééducation nun eine wichtige erzieherische Funktion zuweisen, auf nahezu jeder deutschen Bühne gespielt. Man lädt André Gide, Sartre und andere Vertreter der französischem Philosophie und Literatur nach Deutschland ein, von vielen Werken liegen bald Übersetzungen vor; 1947 erscheint die wohl populärste Schrift, Sartres L’existentialisme est un humanisme, auf deutsch, und bis 1985 werden 185.000 Exemplare davon gedruckt. In den Feuilletons deutscher Tageszeitungen und Kulturzeitschriften mit französischer Lizenz wie Lancelot, Das Goldene Tor und Dokumente begegnen einem ständig die Wörter Sein und Nichts, hinzu kommen zahlreiche wissenschaftliche und populäre Einführungen. Schon 1946 stellt Alexandre Astruc in einem Situationsbericht über die deutschen Intellektuellen erstaunt fest, daß Sartre und andere Literaten ein »renommée extraordinaire« genießen.26 Doch wie stark ist der Einfluß tatsächlich gewesen? Nur selten werden Transfer und Rezeption von einer philosophischen Erkenntnis bestimmt, tatsächlich ist kaum einer mit dem innerfranzösischen, in zahlreiche Richtungen zwischen Résistance und Stalinismus, Katholizismus und Atheismus zersplitterten Diskurs vertraut. Für die meisten ist der Existentialismus keine philosophische Position, sondern Lebensgefühl der Zeit. In die Freiheit geworfen, der Sinnlosigkeit der Welt und
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10 Liselotte Strelow: Deutsche Erstaufführung von Sartres »Die Fliegen« November 1947 am Schauspielhaus Düsseldorf unter der Regie von Gustav Gründgens mit Marianne Hoppe als Elektra und Gründgens als Orest.
der Absurdität des Seins ausgeliefert – die eingängigen Leitsätze werden auf die eigene Situation projiziert. Die Chance zu Katharsis und geistigem Neubeginn wird in den späten vierziger, frühen fünfziger Jahren besonders von westdeutschen Intellektuellen und Kulturschaffenden erkannt, wobei schon damals manch einer von einer »Modeströmung« spricht, die »von Frankreich nach Deutschland eindringt und nicht nur auf dem Gebiet der Philosophie, sondern auch auf denen der Kunst, der Literatur und der Lebensführung sich breitmacht«.27 Auch von der Kunstkritik und -wissenschaft werden Ideen und Vokabular des Existentialismus aufgegriffen. Während etwa Werner Haftmann einen »der menschlichen Freiheit zur Selbstverwirklichung und dem existentiellen Zwang zur allgemeinen Bestimmung zeitgenössischen Wirklichkeitsverständnisses« folgenden »Grundriß des Gestaltplans der zeitgenössischen Kultur« zeichnet28, führt Hans Sedlmayr Menschenbild und antinaturalistische Bildsprache Picassos auf die nihilistischen Werte des Existentialismus zurück29.
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Ob er auch das Denken und Arbeiten deutscher Künstler beeinflußt hat, ist – obgleich dieser Zusammenhang in der Forschung immer wieder hergestellt wird und sich zahlreiche Begegnungen und Berührungspunkte nachweisen lassen – nur schwer zu beantworten (siehe Antje von Graevenitz, S. 229 ff.). Zweifellos üben die radikale Absage an jedes determinierende und deterministische System sowie das Bekenntnis zur absoluten Freiheit große Anziehungskraft aus. Zum einen bietet sich dadurch deutschen Künstlern eine Form der Vergangenheitsbewältigung an – 1945 spricht Camus in seinen Lettres à un ami allemand die Deutschen von einer Kollektivschuld frei30 –, zum anderen läßt sich so der Aufbau einer neuen Gesellschaft in einem geeinten Europa postulieren, einer Gesellschaft, in der der nur sich selbst verantwortliche Künstler eine zentrale Stellung einnimmt. Während in Paris von ehemaligen Mitgliedern der Résistance und Anhängern der kommunistischen Linken lebhaft über eine art engagé debattiert wird, lehnt man in Deutschland eine engagierte Kunst ab. Der zur Freiheit verurteilte Mensch, der sich im eigenen Entwurf selbst verwirklicht, entspricht den Vorstellungen der damals Dreißig- bis Vierzigjährigen, die gegenüber dem restaurativen Klima in Kultur und Gesellschaft der Adenauerschen Republik zunehmend skeptisch sind. Maler wie K. O. Götz, Emil Schumacher, Bernard Schultze und Fred Thieler verstehen ihr Arbeiten als »Reflexion menschlichen Daseinserlebnisses«.31 Ihr suchendes Sein, ihren Drang zu informellen Bildstrukturen und zu einer Befreiung der Farbe von der Form und nicht zuletzt ihre Absage an eine Zweckgerichtetheit ihrer Malerei begreifen sie als Versuch, Freiheit zu bewahren beziehungsweise verlorene Freiheitsräume wiederzugewinnen. In auffällig konzentrierter Form finden wir diese existentialistische Attitüde, so könnte man es wohl bezeichnen, bei Künstlern, die zum Kreis der Gruppe 53 und der von Jean-Pierre Wilhelm (Abb. 11) geführten Galerie 22 gehören. In engstem Kontakt mit der Pariser Literatur- und Kunstszene stehend, lädt der Remigrant Wilhelm deren prominente Vertreter – Celan, Fautrier (Abb. 11), Malraux, Paulhan (Abb. 75), Ponge und Julien Alvard – zu Vortrags- und Ausstellungsveranstaltungen nach Düsseldorf und führt die von ihm vertretenen deutschen Künstler in Paris ein. Für den der Deutschen Demokratischen Republik den Rücken kehrenden Gerhard Hoehme wiederum bedeutet Malen die Fähigkeit, »sich an die Existenz, an einen ganz existentiellen Punkt auszuliefern«32, denn der Künstler bleibe von der Gesellschaft ausgeschlossen (Taf. XV). »Er ist ihr g e g e n ü b e r, durch sein künstlerisches Tun«33. Während sein Kollege Winfred Gaul nach einem »Standort« sucht, von dem aus »sich das neue Leben verstehen« läßt und man »malend diese Ängste […] überwinden« kann34, vollzieht Peter Brüning den schöpferischen Akt, um sich selbst zu
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11 Manfred Leve: Am Flughafen Düsseldorf im Februar 1958 (v.l.n.r. Jean-Pierre Wilhelm, Jean Paulhan, Jean Fautrier, Lenoci, Marianne und Peter Brüning, Winfred Gaul).
befreien35. Im Osten Deutschlands, wo die kommunistische Diktatur die Verbreitung der Existenzphilosophie aufgrund ihres pessimistischen Gesellschaftsbildes untersagt, bringen ihr einige Maler nicht weniger Interesse entgegen. All das sind Indikatoren dafür, daß das, was in Frankreich und anderswo als ein »Paradigmenwechsel im Bereich des Ästhetischen befehdet oder bejubelt wurde«, in Deutschland genuin »existentielle[n] Fragen« entsprang.36 In Frankreich dagegen schreiben Dichter und Philosophen über die Werke von Malern und Bildhauern – man denke an Sartre (Abb. 52) und Giacometti, an Malraux und Fautrier (Abb. 11), an Paulhan (Abb. 75) und Braque – und bestimmen auf diese Weise maßgeblich die kunsttheoretische Debatte mit. Nach existentialistischen Künstlerbekenntnissen sucht man allerdings vergeblich. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Diskrepanz der Diskurse westlich und östlich des Rheins.
Rückversicherung in der Vergangenheit Im April 1950 veröffentlicht Adorno in den Frankfurter Heften den Essai Auferstehung der Kultur in Deutschland?. Es ist eine Bestandsaufnahme der deutschen Kul-
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tur fünf Jahre nach Kriegsende, ihr Ergebnis ernüchternd. Nach Jahren der »geistige[n] Dürre« gebe es im desorientierten Deutschland, so stellt der Philosoph fest, zwar einen »Heißhunger« auf Kunst und Kultur, im Gegensatz zur Zeit nach dem Ersten Weltkrieg könne man aber nicht von einer wirklichen »Neu-Orientierung« sprechen. Habe damals der Expressionismus »große, bleibende Kunstwerke« hervorgebracht, gebe es jetzt keine Avantgarde, vielmehr sei die zeitgenössische Kunst »epigonenhaft«, ja sie präge ein »gespenstischer Traditionalismus ohne bindende Tradition«. Die Kulturschaffenden und Intellektuellen suchten die Zukunft in der Vergangenheit, anstatt den Mut zu entwickeln, neue Wege zu gehen. »Der Nachkriegsgeist, in allem Rausch des Wiederentdeckens, sucht Schutz beim Herkömmlichen und Gewesenen«, so lautet Adornos Bilanz.37 Auch in Frankreich blickt man nach 1945 zurück, doch die Voraussetzungen sind hier andere. Während man sich in Deutschland insbesondere deshalb auf den Expressionismus beruft, um einen Orientierungspunkt zu haben und die als »entartet« diffamierte Kunst zu rehabilitieren, kann man in Frankreich voll Stolz auf die eigene, trotz Krieg und Besatzung ungebrochene Tradition der Moderne verweisen. Picasso, Matisse und Léger sind noch die unbestrittenen Vedetten, die in der Tradition des Postkubismus stehenden Jeunes peintres de tradition française gelten als Maler der Zukunft, und der Erfolg der geometrischen Abstraktion gründet auf der Wiederentdeckung von Kandinsky, der kurz nach der Libération in Paris stirbt. Ebendies ist es, worum man den französischen Nachbarn so bewundert: die »großartige Verbindung von Tradition und unablässig fortschreitender Eroberung neuer künstlerischer Möglichkeiten«, immer wieder wird das in deutschen Kritiken und Katalogen betont.38 Betrachtet man vor diesem Hintergrund die deutsch-französischen Kunstbeziehungen nach 1945, gewinnt das Bild einer Kontinuität jenseits der historischen Zäsuren an Kontur. Sei es die Debatte um Abstraktion und Figuration (siehe Harriet Weber-Schäfer, S. 205 ff.), sei es die dialektische Überwindung der französischen Moderne in der Deutschen Demokratischen Republik (siehe Ulrike Goeschen, S. 255 ff.), sei es der späte Ankauf von Werken der École de Paris durch deutsche Museen (siehe Lucius Grisebach, S. 107 ff.), oder sei es die Wiedergeburt des »esprit Bauhaus« im Atelier d’art abstrait von Jean Dewasne und Edgard Pillet (siehe Guitemie Maldonado, S. 89 ff.) – die dynamische Entwicklung der bilateralen Kunstbeziehungen findet unter ständiger Rückversicherung in der Vergangenheit statt. Eine zentrale Voraussetzung für den Austausch n a c h 1945 ist der Dialog der klassischen Avantgarden v o r dem Krieg. Dem entspricht ein ahistorisches Argumentationsmuster von Kunstkritik und -geschichte, dessen man sich auf beiden Seiten des
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Rheins bedient. Während man in Frankreich nicht wahrhaben will, daß es zwischen Fauvismus und deutschem Expressionismus, der statt als eine inzwischen historische Avantgarde weiterhin als »un art spécifiquement allemand« betrachtet wird39, enge Verbindungen gibt, steht in Deutschland die Rezeption des Kubismus noch ganz unter dem Eindruck des Krieges; erst Ende der fünfziger Jahre knüpft man an die wissenschaftlichen Ergebnisse an, die Kahnweiler, Carl Einstein und Max Raphael bereits in den zwanziger und dreißiger Jahren vorlegten (siehe Nicolaj van der Meulen, S. 183 ff.). Selbst bei einem Maler wie Paul Cézanne läßt sich die Fortschreibung von Deutungsmustern aus der Zwischenkriegszeit nachweisen (siehe Friederike Kitschen, S. 281 ff.). Insbesondere bei öffentlichen Auftritten denkt man in historischen Dimensionen, geht bis ins Mittelalter zurück, um nach den Wurzeln einer gemeinsamen Zukunft zu suchen. So auch anläßlich der Ausstellung Primitifs de l’École allemande, die im März 1950 in der Pariser Orangerie (siehe Mathilde Arnoux, S. 49 ff.) eröffnet wird. Auf französischem Boden ist es die erste große Präsentation deutscher Kunst nach dem Krieg überhaupt, was Bazin im Katalog dazu bewegt, die »influences réciproques« der deutschen und französischen Gotik in Erinnerung zu rufen, welche nun wieder als Vorbild für das neue Europa dienen sollen.40
(R)emigranten Die Kontinuität ist auch eine personelle. Figuren wie Willi Baumeister, Will Grohmann, Fernand Léger, Michel Seuphor und Christian Zervos haben bereits in den zwanziger und dreißiger Jahren den deutsch-französischen Kulturtransfer geprägt. Nach dem Krieg gehören sie zu den ersten, die die alten Kontakte wiederaufnehmen und neue knüpfen. Neben ihnen gibt es noch andere, die mit ihren privaten Initiativen daran entscheidenden Anteil haben: Es sind die Emigranten. Nachdem Kritiker, Kunsthändler und Künstler ihres jüdischen Glaubens, ihrer politischen Überzeugung, ihrer modernen Weltansichten oder künstlerischen Ausrichtung wegen Deutschland haben verlassen müssen, spielen sie eine primäre Vermittlerrolle. Sie sind es vor allem, die die Errungenschaften von Expressionismus und Bauhaus nach Frankreich bringen und damit den Triumph der Abstraktion nach 1945 vorbereiten. Da sie in Paris ihre neue künstlerische Heimat finden und oft auch die französische Staatsbürgerschaft annehmen, kehrt kaum einer von ihnen in sein Geburtsland zurück. Maler wie Hans Hartung, Wols, Hans Reichel, Francis Bott, Jean Leppien integrieren sich in der Pariser Kunstszene und beteiligen sich an der dynamischen Entwicklung der École de Paris. Der Grad der Assimilation wird von den Zeitgenossen allerdings unterschiedlich bewertet. Während es nach Ansicht
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der Kritikerin Herta Wescher häufig kaum mehr möglich ist, »de délimiter les sources allemandes et françaises de leur style«41, bedauert Roger Van Gindertaël in einer grundlegenden Studie über die Peintres d’origine allemande en France die »assimilation incomplète«, da sich französische Künstler bestimmten deutschen Einflüssen verwehren würden42. Unbestritten, aber noch kaum bekannt ist das Wirken der Emigranten für die deutsch-französischen Beziehungen n a c h dem Krieg. Denn obgleich sie nicht zurückkehren möchten, sind gerade sie es, die maßgeblich zur Renovatio des Austausches beitragen. Kahnweiler betrachtet es als seine Aufgabe, den Kubismus ein zweites Mal nach Deutschland zu bringen, François Willi Wendt ist in Kooperation mit dem Sammler Ottomar Domnick dafür verantwortlich, daß 1948 anläßlich des 3e Salon des Réalités Nouvelles erstmals wieder deutsche Maler in Paris ausstellen, Hartung öffnet deutschen Künstlern sein Pariser Atelier, Herta Wescher wirbt als Anwältin der Exilanten für die künstlerische Endosmose zwischen beiden Ländern, der jüdische Remigrant Wilhelm führt in der Galerie 22 die rheinische Kunstszene mit der Pariser zusammen. Demungeachtet ist das Engagement der Emigranten für die deutsch-französische réconciliation nicht nur eine Erfolgsgeschichte, sondern auch eine Geschichte der Ignoranz und des Scheiterns. Ausgerechnet denen, die in Paris integriert und erfolgreich sind, verweigert man in Deutschland häufig Rehabilitation und Anerkennung. Der Besuch und die erste Ausstellung von Max Ernst in seinem Geburtsland enden als tragische Begegnung, der genuine Beitrag von Wols zu einer art autre wird erst Jahre nach seinem Tod in Deutschland registriert (siehe Philipp Gutbrod, S. 345 ff.), Francis Bott bleibt aufgrund seiner kommunistischen Gesinnung der Erfolg auf dem deutschen Kunstmarkt versagt. Und als Hartung 1958 in Siegen den Rubens-Preis erhalten soll, machen zahlreiche Bürger in Leserbriefen und Eingaben an den Stadtrat offen gegen den »entsprungenen Deutschen« und »Vaterlandsverräter« Stimmung.43 Noch härter trifft es Remigranten wie Max Lingner und Horst Strempel, die nach Kriegsende aus Paris in die Sowjetische Besatzungszone/Deutsche Demokratische Republik zurückkehren. Im geistigen Gepäck haben sie die linke französische Moderne, vor allem die peinture murale. Doch ebendiese Kenntnis wird ihnen zum Verhängnis, denn trotz sozialistischen Inhalts wird ihre Kunst – wie auch die Picassos – von der stalinistischen Kulturpolitik als formalistisch verboten. Den vielfältigen Austausch und die ungezählten Kontakte zwischen den beiden Kulturnationen begleiten nach 1945 neue Debatten. Oft gründen sie noch auf Denkmustern der Vergangenheit. Doch während Kritik und Kunstwissenschaft in den ersten Nachkriegsjahren die tief im kollektiven Gedächtnis verwurzelten Kli-
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schees und Diskurse reaktivieren – etwa über den romantisme allemand und die französische Form –, suchen die Künstler bereits nach transnationalen Prinzipien, nach einer universellen Sprache. Für viele kann dies nur die der Abstraktion sein. In ihren Augen muß das Ziel der bilateralen Kulturbeziehungen daher sein, die politische und kulturelle »étanchéité«, die Undurchlässigkeit zwischen den zwei Völkern, zu überwinden und wie Franz Roh 1951 darüber nachzudenken, »si nous nous trouvons ici devant cette égalisation de toutes les régions de l’art que bien des philosophes de l’histoire jugent inévitable«.44 Die deutsch-französische Kunstgeschichte der nächsten Jahre sollte ihm recht geben.
IN DIE FREIHEIT GEWORFEN
1 Franz Walter Müller: Rilke und die französische Dichtung, in: Prisma I-22/1948, S. 3–6, S. 3 und 4. 2 Ibid. 3 Hans Werner Richter, 1951; zit. nach Edward Reichel: Humanismus à la française 1945 bis 1960: Frankreichs Kultur im Nachkriegsdeutschland – Ost und West, in: Sinn und Sinnverständnis. Festschrift für Ludwig Schrader zum 65. Geburtstag, hrsg. von Karl Hölz u. a., Berlin 1997, S. 211–224, S. 219 (ohne Quellenangabe). 4 Siehe Willi Baumeister et la France, Ausstellungskatalog, Musée d’Unterlinden, Colmar / Musée d’Art moderne, Saint-Étienne, hrsg. von Sylvie Lecoq-Ramond, Paris 1999; Marie-Amélie zu Salm-Salm: Échanges artistiques francoallemands et renaissance de la peinture abstraite dans les pays germaniques après 1945, Paris 2003; Martin Schieder: Im Blick des anderen. Die deutsch-französischen Kunstbeziehungen 1945–1959, mit einem Vorwort von Werner Spies und einem Gedicht von K. O. Götz, Berlin 2005 (Passagen/Passages, Bd. 12). 5 Im Rahmen des Forschungsprojekts fanden am Deutschen Forum für Kunstgeschichte und am Kunsthistorischen Institut der Freien Universität Berlin mehrere Kolloquien und ateliers de travail statt; die Herausgeber danken allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für Beiträge und Anregungen. 6 Albert S. Henraux: [ohne Titel], in: Les chefsd’œuvre des collections privées françaises retrouvés en Allemagne par la Commission de récupération artistique et les Services alliés, Ausstellungskatalog Orangerie des Tuileries, Paris, Paris 1946, S. III–V, S. IV–V. Siehe Présentation des œuvres récupérées après la Seconde Guerre mondiale et confiées à la garde des musées nationaux, Ausstellungskatalog, Musée national du Louvre, Paris / Musée d’Orsay, Paris / Musée national de la Céramique, Sèvres, Paris 1997; Le pillage de l’art en France pendant l’occupation et la situation des 2000 œuvres confiées aux musées nationaux, hrsg. von Isabelle le Masne de Chermont und Didier Schulmann, Paris 2000. 7 Jean Cassou: Introduction / vvedenie / Introduction / Einführung, in: La Sculpture française de Rodin à nos jours, Ausstellungskatalog, Zeughaus, Berlin, hrsg. von der Groupe Français du Conseil de Contrôle, Division Éducation et Affaires culturelles, Berlin 1947, S. 7–21, S. 7. 8 Carl Georg Heise: Introduction, in: Impressionnistes et romantiques français dans les
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musées allemands, Ausstellungskatalog, Musée de l’Orangerie, Paris, Paris 1951, o. P. Carl Vinnen: Ein Mahnwort an den Kunstverein, Teil I und II, in: Bremer Nachrichten, 3. Januar 1911, S. 1, und 4. Januar 1911, S. 1–2; zit. nach Französische Kunst – deutsche Perspektiven, 1870–1945. Quellen und Kommentare zur Kunstkritik, hrsg. von Andreas Holleczek und Andrea Meyer, Berlin 2004, S. 55–62, S. 56 (Passagen/ Passages, Bd. 7). Germain Bazin: Les chefs-d’œuvre impressionnistes des collections allemandes au Musée de l’Orangerie, in: Arts X-329/19. Oktober 1951, S. 1 und 5, S. 5. Carl Buchheister an Ottomar Domnick, 16. Juni 1949; Archiv Sammlung Domnick Nürtingen, Kasten 16. Werner Schmalenbach: Zur Ausstellung, in: Gustave Singier, Ausstellungskatalog, KestnerGesellschaft, Hannover / Kunst- und Museumsverein, Wuppertal / Overbeck-Gesellschaft, Lübeck / Städtisches Museum, Duisburg, hrsg. von der Kestner-Gesellschaft, Hannover 1957, S. 3– 11, S. 3 und 5. Siehe Harriet Weber-Schäfer: Die Kontroverse um Abstraktion und Figuration in der französischen Malerei nach 1945, Köln 2001. Siehe Martin Schieder: En toute liberté. Professions de foi d’artistes allemands après 1945, in: Les écrits d’artistes depuis 1940, hrsg. von Françoise Levaillant, Paris 2004, S. 159–171. Ernst Wilhelm Nay an einen unbekannten Adressaten, 22. Februar 1951; zit. nach E. W. Nay. Lesebuch. Selbstzeugnisse und Schriften 1931– 1968, bearbeitet von Magdalena Claesges, Köln 2002, S. 59–60, S. 59. Carl Buchheister an K. O. Götz, 12. September 1952; Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Archiv für Bildende Kunst, Nachlaß Carl Buchheister. Siehe Paris – Berlin 1900–1933. Rapports et Contrastes France – Allemagne, Ausstellungskatalog, Centre national d’Art et de Culture Georges Pompidou, Paris, Paris 1978, deutsche Ausgabe München 1979; Jenseits der Grenzen. Französische und deutsche Kunst vom Ancien Régime bis zur Gegenwart. Thomas W. Gaehtgens zum 60. Geburtstag, hrsg. von Uwe Fleckner, Martin Schieder und Michael F. Zimmermann, 3 Bde., Köln 2000; Französische Kunst – deutsche Perspektiven, 1870–1945. Quellen und Kommentare zur Kunstkritik, hrsg. von Andreas Holleczek und Andrea Meyer, Berlin 2004 (Passagen/Passages,
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Bd. 7); Distanz und Aneignung. Relations artistiques entre la France et l’Allemagne 1870– 1945. Kunstbeziehungen zwischen Deutschland und Frankreich 1870–1945, hrsg. von Alexandre Kostka und Françoise Lucbert, Berlin 2004 (Passagen/Passages, Bd. 8). Willi Baumeister an Will Grohmann, 2. Dezember 1948; Stuttgart, Archiv Will Grohmann. Siehe Dieter Ruckhaberle: 347 Picasso in der Akademie. Ein Beitrag zur Emanzipation, in: Berliner Feuilleton 13/1969, S. 8; zit. nach Spies 1992, S. 58, Anm. 195. Siehe dazu Schieder 2005, S. 333–363. Max Ernst: Beyond Painting [1948], deutsch: Einiges aus Max Ernsts Jugend von ihm selbst erzählt, in: Max Ernst. Gemälde und Graphik 1920–1950, Ausstellungskatalog, Schloß Augustusburg, Brühl, Düsseldorf 1951, S. 90–93, S. 90. Charles Estienne: De Kandinsky à la jeune peinture française, in: Combat, 27. Juli 1946. Dora Vallier: La XXVIIe Biennale de Venise, in: Cahiers d’art 29/1954, S. 109–115, S. 115. Siehe Waldemar George: Grandeur et Misère de la saison de Paris, in: Le Peintre (Paris), 15. April 1955, S. 3–4. Marieluise Christadler: Der französische Existentialismus und die deutschen Intellektuellen in der Nachkriegszeit, in: Deutsch-französisches Germanistentreffen. Berlin 30.9.– 4.10.1987, DAAD-Dokumentationen & Materialien, Bd. 12, Bonn 1988, S. 556–573, S. 556. Alexandre Astruc: L’Allemagne vue de la Zone d’Occupation française: Une façade qui s’ouvre sur le néant. Quelques intellectuels allemands en quête de nouvelles nourritures, in: Combat, 27. Juni 1946. Max Müller: Existenzphilosophie im geistigen Leben der Gegenwart, Heidelberg 1949, S. 11; zit. nach Mechtild Rahner: »Tout est neuf ici, tout est à recommencer ...« Die Rezeption des französischen Existentialismus im kulturellen Feld Westdeutschlands (1945–1949), Würzburg 1993, S. 171. Werner Haftmann: Skizzenbuch. Zur Kultur der Gegenwart. Reden und Aufsätze, München 1960, S. 295. Hans Sedlmayr: Kierkegaard über Picasso, in: Wort und Wahrheit 5/1950, S. 356–370, S. 361. Siehe Albert Camus: Lettres à un ami allemand, Paris 1945. Fred Thieler an Wolfgang Rothe, in: Wegzeichen
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im Unbekannten. 19 deutsche Maler zu Fragen der zeitgenössischen Kunst, hrsg. von Wolfgang Rothe, Heidelberg 1962, S. 40–42. Gerhard Hoehme, in: Deutsches Informel. Symposium Informel, hrsg. von Georg-W. Költzsch, Berlin 21986, S. 21. Gerhard Hoehme, 13. August 1961, in: Wegzeichen im Unbekannten 1962, S. 44. Winfred Gaul: Picasso und die Beatles. Erinnerungen, Aufsätze, Kommentare zur Kunst nach ’45, Verl 1987, S. 19. Siehe Peter Brüning, in: Wegzeichen im Unbekannten 1962, S. 92. Lothar Romain und Rolf Wedewer: Bernard Schultze, München 1991, S. 30. Theodor W. Adorno: Auferstehung der Kultur in Deutschland?, in: Frankfurter Hefte. Zeitschrift für Kultur und Politik V-4/April 1950, S. 469– 477, S. 470 und 473. Eberhard Hanfstaengl und Carl Georg Heise: Vorwort, in: Meisterwerke der französischen Malerei von Poussin bis Ingres, Ausstellungskatalog Kunsthalle Hamburg / Alte Pinakothek, Haus der Kunst, München, hrsg. von François Boucher, o. O. 1952, S. 9–10, S. 9. R.[oger] V.[an] Gindertaël: Peintres d’origine allemande en France, in: Allemagne d’aujourd’hui IV-5/Juli–Oktober 1957, S. 5–27, S. 6. Germain Bazin: Avant-propos, in: Des Maîtres de Cologne à Albert Dürer. Primitifs de l’École allemande, Ausstellungskatalog, Musée de l’Orangerie, Paris, Paris 1950, S. 7–12, S. 12. Herta Wescher: Peintres de Paris, in: L’art abstrait en Allemagne d’aujourd’hui (Art d’aujourd’hui IV-6/August 1953), S. 25–27, S. 25. Gindertaël 1957, S. 7. Karl Münnich: Die Verleihung des Rubenspreises, in: Siegener Zeitung, 25. Januar 1958; Gerhard V.: Mehr für die Einheit, in: Westfalenpost, 28. Januar 1958. Siehe Hans Hartung. Rubenspreis der Stadt Siegen, Ausstellungskatalog, Rathaus der Stadt Siegen, o. O. 1958; Rubenspreis der Stadt Siegen. Zwei Jahre danach. Idee, Fakten und Akten des Rubenspreises, hrsg. von Herbert Balogh, Siegen 1960. Franz Roh: L’art allemand au vingtième siècle, in: Documents. Revue mensuelle des questions allemandes (L’art allemand contemporain. Numéro spécial), hrsg. vom Bureau International de Liaison et de Documentation, Offenburg, Freiburg im Breisgau 1951, S. 7–11, S. 8.
Kunst/Geschichte
Le double retour de Watteau Les déplacements d’œuvres d’art, de la spoliation à la réconciliation, 1940–1950
Aymone Nicolas
Exiger réparation Le 24 février 1945, quelques jours après la clôture de la conférence de Yalta, Louis Aragon publia un article intitulé Les désastres de la Guerre, dans lequel il réclamait des réparations d’une nature particulière: le retour des œuvres d’art françaises conservées en Allemagne. Le poète de la Résistance, dont les textes avaient circulé de manière clandestine dans les maquis les plus secrets, lançait ainsi un appel vibrant aux lecteurs des Lettres Françaises,1 mais également aux Alliés réunis pour planifier les réparations: »[Ces chefs-d’œuvre] sont le seul, insuffisant remède, palliatif au mal que le peuple allemand a fait à l’esprit français. Parce que replacés dans le cadre de leur naissance, ces livres, ces statues, ces tableaux, peuvent hâter la naissance, aider à l’éclosion d’autres livres, d’autres tableaux, d’autres statues de France.« 2 Deux mois plus tard, Louis Aragon précisa sa provocante revendication dans un second article dédié à l’œuvre la plus chère à ses yeux: L’Enseigne de Gersaint d’Antoine Watteau (pl. II).3 Toutefois, l’écrivain et le public parisien ne purent revoir ce tableau qu’en 1951, lors de son retour furtif pour l’exposition du Petit-Palais, Les Chefs-d’œuvre des musées de Berlin. Sa venue contribua sans aucun doute à faire de cette exposition un événement artistique, mais également diplomatique. La ferveur des 280 000 visiteurs et des critiques vis-à-vis de L’Enseigne de Gersaint différait néanmoins de celle exprimée par Aragon six ans plus tôt. Entre temps, les relations diplomatiques et artistiques entre la France et l’Allemagne avaient rapidement évolué, de l’esprit de revanche à celui de réconciliation. Comment expliquer cette cristallisation du
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sentiment national autour d’une œuvre d’art, en général, et dans le cas particulier de cette œuvre française du XVIIIe siècle, placée au centre de l’affrontement francoallemand? Quels faits historiques ou raisonnements politiques ont permis à Aragon en 1945, de réclamer le retour du Watteau au titre des réparations et, aux autorités françaises, cinq ans plus tard, au titre de l’amitié retrouvée? Plusieurs éléments nous autorisent à considérer L’Enseigne de Gersaint comme une clef de compréhension de cette période. Le climat de l’après-guerre est marqué en France par les réjouissances de la Libération, le retour des déportés et des prisonniers de guerre, ainsi que par la découverte de l’ampleur des crimes perpétrés par les Nazis à l’encontre des populations et des biens artistiques et culturels. Par ailleurs, les déplacements d’œuvres d’art, mises à l’abri, vendues ou volées, s’opèrent entre 1940 et 1950 à une autre échelle que lors des conflits précédents (1870, 1914). Le sujet même du tableau – le commerce des œuvres d’art –, dont la pertinence est telle qu’elle échappe aux contemporains, Aragon en premier lieu, constitue un solide point de départ.
»Sous le ciel froid du Brandebourg« Dans son attachement aux deux panneaux représentant la boutique du Pont NotreDame, Louis Aragon ne fait pas œuvre pionnière. Si l’on retrace les épisodes franco-allemands de la réception de cette œuvre d’art, depuis son achat vers 1745 à son premier retour à Paris en 1937, son rôle dans les relations complexes entre les deux nations – oscillant de la fascination à la répulsion –, s’impose clairement. L’aura singulière de ce tableau d’Antoine Watteau tient certainement à sa genèse relatée en 1744 par le marchand Edmée-François Gersaint dans un texte qui a longtemps alimenté les diverses interprétations.4 La présence de cette œuvre sur le sol allemand et ses rares apparitions publiques nous importent ici davantage. En fait, il serait plus approprié de placer l’Enseigne »sous le ciel froid du Brandebourg«, selon l’expression péjorative de Raymond Bouyer, tant est récurrente cette référence au chatoiement des couleurs atmosphériques sur la toile de Watteau.5 Les historiens s’accordent à penser qu’elle fut peinte entre septembre et décembre 1720 et non pas en huit jours comme le rapporte Gersaint en 1744. Autre fait admis, ce tableau de grande taille prévu pour occuper la lunette au-dessus de l’échoppe ne fut exposée que quinze jours aux intempéries du ciel parisien. Le conseiller au Parlement, Claude Glucq l’acheta puis le céda à son cousin Jean de Jullienne, qui le vendit lui-même au Roi Frédéric II de Prusse par l’entremise de son ambassadeur, le Comte Rothenburg. À cette époque Frédéric était déjà un fervent collectionneur de Watteau; peintre qui lui permettait de s’arracher »à la sécheresse
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de la vie quotidienne et de le mener en pensée dans ce qu’il appelait ›l’île des bienheureux‹«.6 Le goût du Roi de Prusse pour la peinture française du XVIIIe siècle et en particulier ses achats successifs de douze Watteau a suscité l’intérêt des historiens.7 Hormis des œuvres de Pater et de Lancret, on trouve à Berlin La Leçon d’amour, L’Amour paisible, La Danse, Les Comédiens français et bien sûr la seconde version de L’Embarquement pour Cythère et L’Enseigne de Gersaint. Contrairement à une grande partie de la collection exposée dans la galerie du Château de Sans-Souci, l’Enseigne demeura dans la salle de concert du Château de Charlottenburg, puis fut accrochée de 1829 à 1941 au Château de Berlin.8 Il semble que l’attachement particulier des critiques français pour ce tableau débute en 1875 grâce au Catalogue raisonné de l’œuvre peint, dessiné et gravé de Watteau d’Edmont de Goncourt qui le décrit comme un morceau de bravoure ainsi qu’un chef-d’œuvre de l’art français conservé en Allemagne.9 Son absence inexpliquée aux cotés de L’Embarquement pour Cythère fut ensuite remarquée lors de l’exposition de Cinquante chefs-d’œuvre d’art français au Pavillon de l’Empereur de Prusse à l’Exposition universelle de 1900. À l’inverse, le public français qui s’était rendu à l’Académie des arts de Berlin en 1910 pour admirer l’exposition intitulée L’Art français du XVIII e siècle, eut le plaisir de contempler l’Enseigne, mais fut privé de l’Embarquement. Les commentaires acerbes et revanchards publiés dans le contexte de la Première Guerre mondiale intègrent ces deux œuvres de Watteau à la propagande anti-germanique. En 1913, André Maurel retrace ainsi dans un essai polémique la controverse lancée en 1900 autour de l’authenticité des tableaux de Berlin, après la mise à jour d’une copie détenue par le collectionneur Léon Michel-Lévy. L’auteur s’étant rendu à Berlin trois ans plus tôt développe une thèse selon laquelle l’Enseigne de Berlin ne serait qu’une copie en deux parties de l’authentique esquisse de Paris. Sous des couverts scientifiques, le ton chauviniste de Maurel transparaît à chaque ligne: »Le bain d’argent de Berlin est devenu un bain d’or. Une lueur blonde, chaleureuse et riche, environne la toile entière et la fait rayonner […]. La robe mauve que le gris de Berlin rend un peu vineuse, brille dans le fragment de Paris, d’une tendresse inexprimable, exécutée avec une virtuosité où Watteau, si l’œuvre est reconnue elle aussi de sa main, s’est surpassé encore une fois.« 10 Après l’armistice, Raymond Bouyer formule pour la première fois le vœu d’un retour des œuvres françaises conservées en Allemagne:
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»À la seule évocation de nos œuvres d’art en exil, on entrevoit des ›reprises‹, ou des compensations possibles qui feraient partie de la formidable indemnité qui nous est due et les chefs-d’œuvre de notre beau passé se trouvent englobés dans la grande formule présente des restitutions, des réparations, des sanctions et des garanties, d’où sortira bientôt une paix juste et réparatrice qui doit inaugurer le rêve enfin réalisé de la Société des Nations.« 11 Grâce à une adroite rhétorique, l’auteur s’inscrit en faux contre les précédents historiques célèbres de spoliation: les confiscations de Napoléon Bonaparte, des Prussiens de 1815 et des Allemands de 1918. C’est au nom de l’honneur de la France, de ses ruines et du danger que courent ces œuvres à l’heure de la destitution de Guillaume II par les révolutionnaires spartakistes, que le critique écrit: »En regard de tant de ruines, ce calme des demeures et des collections prussiennes doit passionner d’autant plus le cœur meurtri de tous les Français, qu’elles abritent la lointaine intégrité d’une ›petite France‹ immortelle dans son exil, sous le ciel froid du Brandebourg […]. C’est le triomphe de ce goût français que l’impudence du romantisme osait appeler ›l’ex-bon goût‹: c’est notre victoire anticipée.« 12 En février 1945, Aragon développe des arguments similaires mais dans un style plus littéraire. Son admiration se fonde sur une double contemplation de l’œuvre: »De ces Watteau en exil, il en est un, qui à mes yeux au moins, les résume, et les dépasse. Je l’avais vu dans son cadre prussien en 1922, je crois, quand les billets de mille marks faisaient une si jolie étiquette pour les bouteilles de bière. En 1937, au palais du Quai de Tokyo, je l’avais retrouvé dans la lumière française, lors de l’Exposition. Est-ce une idée? Il m’avait semblé que ses jaunes qui sont incomparables avaient une autre vie chez nous que là-bas […].« 13 C’est en effet dans le cadre de l’Exposition internationale des Arts et des Techniques que le tableau de Watteau avait effectué son premier retour en France. Il était exposé avec les Chefs-d’œuvre de l’Art français, exposition conçue par Georges Huisman dans le tout nouveau Musée d’Art moderne de la Ville de Paris.14 Les deux articles publiés par Louis Aragon (ill. 12) au printemps 1945 diffèrent pourtant des textes précédents. D’une part, la personnalité même de l’écrivain
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12 Henri Matisse: Aragon, 1942, dessin au fusain (reproduit dans Louis Aragon: Henri Matisse, roman, Paris 1971).
français, cofondateur du surréalisme, chantre de la Résistance française, et germanophile éclairé, confère à ces écrits une portée singulière. D’autre part, leur contenu et les réactions qu’ils ont suscitées, renouvellent la question du rôle des œuvres d’art dans un conflit armé. Lorsque Aragon publie une première fois ses articles en février et avril 1945, l’ampleur des spoliations n’est pas encore connue dans le détail. En revanche, quand il les réédite, accompagnés d’un appendice et de gracieuses esquisses de Watteau dans un livre de juillet 1946,15 le procès de Nuremberg, en particulier la journée du 6 février 1946 consacrée aux spoliations artistiques a déjà permis d’établir un imposant bilan des crimes nazis.16
Défenseur d’un nouvel art national Si la complexité et la longévité de l’œuvre d’Aragon résistent à la synthèse, son appel de 1945 s’inscrit de manière cohérente dans son combat politique et sa définition de la création artistique. Les deux domaines, poésie et histoire sont chez lui indissociables. La Seconde Guerre mondiale constitue à plusieurs égards une charnière dans son parcours. Reconnu comme un des fondateurs avec André Breton du mouvement surréaliste, il se rapproche très tôt de la théorie nationale du réalisme défendue par Maurice Thorez. Son activité de journaliste le mène à partir de 1933 au militantisme antifasciste et son adhésion au Parti communiste français
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est concomitante de sa rupture politique et littéraire avec André Breton. Grâce à son engagement courageux dans l’armée jusqu’en 1940, puis dans la Résistance du Sud de la France et du Vercors, il obtient une nouvelle reconnaissance publique, notamment grâce à ses poèmes de contrebande tel Crêve cœur (1941) ou Les yeux d’Elsa (1942). Aragon puise dans la poésie courtoise du XIIe siècle ses thèmes – les légendes de la Forêt de Brocéliande –, mais également les formes rimées de la poésie lyrique. Ceci lui permet, comme l’écrit Valère Staraselski, de penser à nouveau le concept de nation et de culture nationale. Son plan était d’opposer »aux mythes de la race, les images de la Nation«.17 Mais il ne se contente pas de recourir aux sources de la poésie médiévale en associant la femme et la France. Sa rencontre avec Henri Matisse à Nice dont il témoigne en 1941 et 1943 dans les textes Matisse ou la Grandeur et Matisse en France révèle le rôle qu’il entend faire jouer à l’art en vue du relèvement moral de la France occupée.18 Les dessins que le peintre lui donne pour accompagner ses articles aux titres évocateurs brillent dans leur simplicité opiniâtre comme une lumière dans la nuit de l’Occupation. Ils appartiennent pleinement à la culture et à l’héritage français qui, vivants et reconnus, ne peuvent être détruits.19 Ce retour sur les années de guerre permet de mieux comprendre les mots virulents du printemps 1945. Devant l’impossibilité de mesurer les crimes, de faire le point sur les désastres de la guerre, Aragon insiste sur la disparition d’autres poètes: Max Jacob, Saint-Pol-Roux mais également sur la mort de résistants tels Gabriel Péri, Jacques Salomon, Victor Basch. Comment demander réparation pour quelque chose d’innombrable, d’immatériel – le sang spirituel de la France –, si ce n’est en réclamant, en plus de l’or, des matières premières et des territoires, un équivalent: des œuvres d’art? Cette revendication se justifie doublement à ses yeux. Premièrement car les Allemands se sont eux-mêmes attaqués aux œuvres de l’esprit, aux livres, aux tableaux. Deuxièmement, car ce peuple est coupable de son inertie et de son silence.20 La référence à la métaphore du sang et à l’équivalence entre la nature des pertes et des réparations n’est pas nouvelle. L’accent mis sur l’œuvre de Watteau, comme »testament et manifeste d’une peinture française réaliste« nous semble plus original. Dans l’article d’avril 1945, Aragon mêle en effet ses souvenirs militaires de Valenciennes, à trois héros de l’art français: Watteau, Carpeaux et Rimbaud, dont cette ville fut le berceau: »Toujours est-il qu’à Valenciennes, en mai 1940, comme aujourd’hui à Paris, c’est à ce tableau-là, à L’Enseigne de Gersaint, que mes pensées se reportèrent.
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Probablement parce que L’Enseigne de Gersaint est la dernière toile, ou presque, d’Antoine Watteau, qu’elle en couronne l’œuvre, qu’elle en tire la leçon. Une leçon de France, comme on dit une leçon de choses. Et aujourd’hui comme alors, je songe, ainsi qu’à une grande injustice, à l’exil de ce tableau splendide, fait pour vivre en France et enchanter les yeux français.« Mais L’Enseigne de Gersaint n’est pas seulement la quintessence de la pensée française du XVIIIe siècle, le signe de l’élégance, de l’enchantement. Cette œuvre est la seule toile qui pourrait donner »une place royale à ce maître parmi les maîtres français de la réalité«. C’est le réalisme de la scène peinte par Watteau qui séduit Aragon, son contenu critique: »Comment ne comprendrait-on pas que l’Enseigne est pour Watteau l’occasion de faire le procès de la peinture, de la conception alors admise de la peinture? […] il devine, il découvre dans les profondeurs du prochain avenir, la force et la nouveauté du réalisme, toute l’équivoque de la comédie bourgeoise, avec ses portefaix en marge, et il peint ce tableau qui pressent singulièrement Denis Diderot, trente années avant l’Encyclopédie.« 21 Le retour du Watteau comblerait ainsi un désir nostalgique mais permettrait de relire la tradition de la peinture française. Son appel ne resta pas lettre morte. D’Allemagne et de France lui parvinrent des réactions. La première fut publiée par Raymond Cogniat dans la revue Arts, sous le titre: Laissons en Allemagne nos chefs-d’œuvre.22 Ne nous y trompons pas, le critique d’art ne remit pas en question le fait de réclamer des œuvres d’art, il demanda seulement qu’on laisse les rares œuvres françaises rayonner de leur feu dans les musées allemands, et qu’en échange, on complète les collections françaises avec quelques œuvres germaniques. Les lettres de lecteurs allemands ne nous sont connues qu’indirectement par la réponse qu’Aragon donna en juillet 1946:23 »Il y eut même un jeune homme allemand antifasciste, pour m’écrire, avec tous les témoignages personnels d’admiration pour mes vers, mon caractère, et cætera, que je pouvais bien arracher au peuple allemand le Poussin (ill. 16) des musées, je ne pourrais chasser de ses rêves les ciels merveilleux de Poussin. Heureux et malheureux jeune homme! Car lui non plus, ne peut rien faire pour chasser de nos rêves à nous, non point les ciels de Poussin, mais le ciel de Belsen ou de Buchenwald.« 24
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François Boucher: Diane sortant du bain, 1742, huile sur toile, 56 × 73 cm, Paris, Musée du Louvre.
L’écrivain français veut en effet bien concéder ses excès de langage, mais devant l’atrocité des crimes nazis et surtout devant la passivité avérée de tout un peuple, il persiste et signe dans sa revendication, non plus au nom d’une réparation due aux Français, mais au nom d’un joug libérateur.25 La privation d’œuvres d’art serait un sacrifice concédé par l’ensemble du peuple allemand et non pas seulement par leurs dirigeants. Si cet appel fait figure aujourd’hui de prise de position marginale, il n’en demeure pas moins que ces trois textes, de par leur virulence et leur qualité poétique, demeurent une exception. Aragon s’éloigne en particulier des simplifications racistes de l’anti-germanisme primaire, fondées sur des raccourcis entre la culture allemande, le pangermanisme et le nazisme. En 1939, il s’était fait l’ardent défenseur des écrivains et des artistes allemands pris en otage dans leur propre pays.26 À la Libération, Aragon apparaît une fois encore comme le porte parole de la France occupée. Toutefois, cette position ne correspond plus à l’avancée de l’histoire.
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À l’image du paysage politique français de la Libération, dans lequel les résistants communistes perdent peu à peu leur place, les idées de l’écrivain apparaissent excessives et même suspectes. En outre, dès 1943, le règlement de la guerre, la préparation de la capitulation de l’Allemagne et de son occupation, avaient été établis par les Alliés et le Gouvernement français réfugié à Londres sur des bases différentes. Le Général de Gaulle et ses collaborateurs mirent un point d’honneur, à la différence de l’Union soviétique, à mener une politique systématique de restitutions des biens matériels, artistiques et culturels emportés par les Allemands. Ignorance réelle ou feinte, Aragon ne mentionne en juillet 1946 aucun des efforts de la Commission française de récupération des œuvres d’art pour rapatrier les milliers d’œuvres pillées dans les collections privées israélites. Il omet également l’un des épisodes les plus retords du vaste pillage opéré par les dignitaires nazis: l’échange proposé par Hermann Göring et son collaborateur Hermann Bunjes entre le tableau du Louvre, La Diane au bain de Boucher (ill. 13) et L’Enseigne de Gersaint de Watteau! 27 Peu d’autres biens matériels suscitèrent à cette époque autant de convoitises personnelles et d’intérêts politiques. Ces dernières ne cessèrent pas avec la fin de la guerre, mais prirent d’autres formes. André Chastel ne croyait pas si bien dire, quand il écrivait à propos des chefs-d’œuvre des musées de Berlin en 1951: »Pris dans les remous de nos désordres, évacués pendant la guerre, retrouvés en Thuringe, ces cent vingt tableaux sont des otages de la politique internationale, des otages et des avocats […].« 28
»Des œuvres d’art, otages et avocats« En effet, entre la revendication d’Aragon et l’exposition du Petit-Palais de 1951, plusieurs faits permettent de préciser les enjeux dont les œuvres d’art furent l’objet, en particulier les chefs-d’œuvre de l’art européen. Peu de temps après la découverte par les armées américaines des dépôts d’œuvres d’art dans les mines allemandes et autrichiennes en mai 1945 (ill. 14), plusieurs grandes expositions de prestige circulèrent dans les capitales européennes. L’événement du Petit-Palais, qui permit le second retour de L’Enseigne de Gersaint à Paris, couronne ainsi une série d’expositions exceptionnelles, véritables initiatives diplomatiques directement liées à l’issue du conflit. Qu’il s’agisse de l’exposition des œuvres d’art récupérées en Allemagne montrée à l’Orangerie en 1946 (ill. 15), ou de celles des trésors du Musée de Vienne et de la Pinacothèque de Munich, montrées en 1947 et 1948 au Petit-Palais, ces rassemblements, malgré leurs spécificités partagent au moins deux points communs: celui de découler directement de la guerre, en ce qu’y furent exposées des collections déplacées, mises à l’abri des bombardements, et privées
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14 Découverte des œuvres d’art spoliées par les Allemands par l’Armée américaine du Général Patton.
de toit.29 Par ailleurs, elles ont toutes reçu le soutien du ministère des Affaires étrangères français. Elles appartiennent de ce fait à la politique de rayonnement culturel, de reconstruction de la fierté nationale, qui laissa place aux différentes formes de propagande. Or, le vaste pillage d’œuvres d’art soigneusement prémédité par les dirigeants nazis tenait justement une place particulière dans l’idéologie belliqueuse du national-socialisme. Selon Didier Schulmann, »La quête d’honorabilité ostentatoire et de la reconnaissance culturelle qui animait les dignitaires nazis a sans doute joué un grand rôle dans la relation de fascination et de haine (principalement à l’égard des arts primitifs et de l’art moderne) qu’ils développèrent à l’endroit des richesses artistiques que leurs conquêtes leur rendaient accessibles.« 30 La spoliation des œuvres en France et dans les autres pays occupés visait en réalité trois séries de bénéfices: les objets culturels d’origine germanique enlevés au territoire allemand aux cours des guerres précédentes; les œuvres d’art rattachées de près ou de loin
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Panneau de l’exposition L’Allemagne répare et restitue, Paris, Palais Berlitz, 1945/46.
au Reich, et ce depuis le XVe siècle, et enfin tous les biens artistiques ou mobiliers appartenants aux ennemis du régime – israélites ou francs-maçons, etc. Les deux premières, puisées dans les collections publiques, devaient revenir de droit à l’Allemagne au titre des réparations au moment des négociations d’un éventuel traité de paix. Les dernières furent emportées sous le prétexte de les mettre à l’abri, et de s’en servir »comme garantie pour les négociations de paix«.31 On connaît désormais mieux les circonstances qui permirent aux dirigeants allemands, Hitler et Göring en premier chef, de s’approprier, par le vol ou par l’achat, plusieurs milliers d’objets à leur fin personnelle ou destinées aux institutions du régime, en particulier le futur grand musée de Linz.32 Les circonstances et les fondements qui présidèrent à leur récupération et à leur restitution ont été étudiés par Claude Lorenz dans le cadre plus large de la capitulation de l’Allemagne.33 À la différence des trois grands réunis à Yalta, à San Francisco et à Potsdam, la France, qui n’avait pas été invitée à ces conférences, exigeait des »restitutions«, directement liées aux spoliations directes et indirectes dans le domaine financier (avoirs, actions), économique (outillages) et culturel (œuvres d’art et livres). Les trois Grands, eux, avaient envisagé des »réparations« en nature en vue de dédommager les pays qui avaient subi les pertes les plus lourdes. Leur répartition initiale (50 % à l’URSS, 20 % aux États-Unis, 20 % à la Grande-
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Bretagne et 10 % aux petits pays) oblitérait tous espoirs de la France ou de la Belgique. D’autre part, nulle mention n’était faite des restitutions. Les prélèvements anticipés de biens prévus par les réparations allaient-ils se faire avant ou après restitution? Enfin, précision importante ici, contrairement aux Américains et aux Britanniques qui donnaient une définition restreinte des biens à restituer (seulement les biens religieux, artistiques et culturels), les Français et les Soviétiques prônaient une définition extensive des restitutions. Tout ceci explique l’empressement des autorités françaises à rapatrier les œuvres d’art retrouvées dans les dépôts de Bavière et d’Autriche. Le 25 septembre 1945, un premier convoi américain venant de Munich rapporta 71 œuvres au Musée de l’Orangerie. Une cinquantaine d’autres convois se succédèrent jusqu’en 1949. Dans l’ensemble, 61 233 objets furent retrouvés, donc 45 441 furent restitués avant 1950. Afin de dresser un premier bilan de son travail, la Commission de récupération artistique exposa en juillet 1946 un choix d’une centaine de peintures et de sculptures provenant de collections privées.34 Deux détails démontrent dans quel esprit ont été accueillies ces œuvres. D’un côté, les organisateurs avaient pris le soin d’indiquer dans le catalogue d’exposition leur destination prévue: les collections d’Hitler, de Göring ou du Musée de Linz. Les critiques s’emparèrent de ces informations pour souligner les choix esthétiques plus ou moins rationnels des vaincus: »Parmi les tableaux français, Hitler s’était attribué, entre autres, deux Watteau, un Boucher, un Fragonard; Göring, lui, s’était adjugé la part du lion avec un éclectisme de fin connaisseur […].«35 D’un autre côté, plusieurs commentateurs, dont Bernard Dorival, établirent un parallèle entre le retour des déportés et le retour des œuvres d’art: »Le public aura à cœur d’aller voir ces déportés, de leur faire fête à leur retour d’exil: ce sera le meilleur moyen de manifester la gratitude de la France entière à ceux qui français ou alliés, ont préservé cette beauté menacée et l’ont rendue pour embellir encore, notre beau patrimoine.« 36 La commission cessa officiellement ses activités en 1949, mais le règlement des spoliations se poursuivit pendant de nombreuses années. Parallèlement à cela, les collections publiques françaises, mises à l’abri dans les dépôts de la Loire ou du Massif central regagnèrent progressivement leur lieu de conservation. Du côté allemand, nombreuses furent les œuvres privées de leur musée détruit par les bombes. Ce fut le cas des trésors du Musée de Vienne, et de ceux de la Pinacothèque de Munich et surtout des œuvres conservées à Berlin. Leurs conservateurs émirent alors l’idée, en attendant la reconstruction des édifices, de faire circuler ces œuvres. Ces initiatives furent aussitôt reprises par les chancelleries alliées à des fins diplomatiques. Comme l’a montré en détail Martin Schieder, les nombreuses expositions
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de la période, servirent à la fois des visées nationales et internationales. Celles-ci évoluèrent sensiblement entre 1945 et 1951.37 En Zone française d’Occupation par exemple, les expositions consacrées à Braque, Matisse, Léger devaient contribuer au rayonnement de la France et à la rééducation de la population allemande. En revanche, la série d’événements prestigieux qui se succédèrent à Paris, a permis de lui rendre à son rôle de capitale artistique, ainsi que d’inaugurer de nouvelles relations culturelles bilatérales entre la France et l’Allemagne. Si l’exposition des primitifs allemands connut une genèse complexe, retracée par Mathilde Arnoux dans ce même volume, Les chefs-d’œuvre des Musées de Berlin apparaît comme une initiative menée par le ministère des Affaires étrangères français en collaboration avec le premier gouvernement de la République fédérale allemande.
Symbole de la réconciliation franco-allemande Contrairement aux expositions de Vienne et de Munich dont le périple s’était terminé à Paris, après avoir enchanté le public suisse, hollandais et belge, les chefsd’œuvre berlinois ne devaient pas à l’origine atteindre les bords de la Seine. Découverts en mai 1945 par la 1ère armée américaine près de Cassel,38 ces objets furent déposés au Collecting Point de Wiesbaden, avant d’être envoyés en 1948 dans les grandes villes des États-Unis. Elles devaient ensuite être exposées à Amsterdam puis à Bruxelles avant de rentrer directement à Berlin. Dès le mois d’octobre 1950, le service des échanges artistiques du ministère des Affaires étrangères s’efforça de faire venir les 120 chefs-d’œuvre du Kaiser-Friedrich Museum à Paris. Compte tenu de l’opposition à la fois de la direction des musées de Berlin et des autorités en charge de ces collections, le Gouvernement régional de Hesse,39 le Quai d’Orsay ainsi que le Haut-commissariat de la République française en Allemagne, en appelèrent directement au Chancelier allemand. Grâce à l’action décisive de son Ambassadeur à Paris, Wilhelm Hausenstein, qui vit aussitôt l’occasion de redorer l’image de l’Allemagne en France, le Gouvernement de Hesse céda et l’exposition fut inaugurée le 2 février 1951 sous le haut patronage de Robert Schuman et de Konrad Adenauer. Deux semaines plus tard, Hausenstein envoya la missive suivante à Bonn: »Die Pariser Ausstellung von Meisterwerken der Malerei aus Berliner Museumsbesitz ist ein sensationeller Erfolg. […] Die Wirkung auf das grosse Publikum, nicht nur auf die eigentlichen Kunstliebhaber, übertrifft noch die bereits ausserordentlichen Erfolge vergleichbarer bisheriger Ausstellungen von deutscher Seite. […] Die Wirkung einer solchen Ausstellung darf auch als ein politisches Aktivum zugunsten Deutschlands bezeichnet werden.« 40
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Il est vrai que cette exposition fut couronnée de succès et à plusieurs titres. Sur le plan politique, elle permit d’asseoir la politique de réconciliation franco-allemande. Sur le plan logistique et financier, le nombre de tickets d’entrée et de catalogues vendus dépassa toutes attentes: plus de 280 000 visiteurs et 6 000 catalogues – vendus au prix élevé de 350 Francs – en deux mois. Enfin, du point de vue de la critique artistique, l’exposition non seulement égala mais surpassa les précédentes expositions du Petit-Palais. La présence de L’Enseigne de Gersaint au centre de l’exposition, sur la couverture du catalogue et sur les affiches collées dans les rues de Paris y contribua certainement.
Nous reverrons L’Enseigne de Gersaint Les circonstances exactes du second retour de l’œuvre de Watteau à Paris ne nous sont pas connues. Les responsables de l’Association française d’action artistique et le conservateur en chef André Chamson négocièrent séparément la venue de l’Enseigne, car celle-ci ne faisait pas partie des œuvres exposées à Amsterdam et à Bruxelles. Seul comptait le clou de l’exposition de Paris, même au prix de l’absence presque totale des peintres italiens et de quelques flamands ramenés en Allemagne en raison de leur fragilité, mais peut-être aussi en contrepartie du Watteau. La lecture des articles saluant cette exposition, nuance quelque peu l’enthousiasme de l’ambassadeur allemand. Dès le 1er décembre 1950, l’hebdomadaire Arts titrait Nous reverrons l’Enseigne de Gersaint.41 Les autres journaux, Les nouvelles Littéraires, Les Lettres françaises ou Le Monde, firent peu ou prou la part belle aux chefs-d’œuvre hollandais (L’Homme à l’œillet de Van Eyck, L’Homme au casque d’or alors attribué à Rembrandt, L’Enfant blond de Rubens) et aux chefs-d’œuvre français et beaucoup moins à l’art allemand pourtant représenté entre autres par Cranach et Dürer. Il faut dire qu’André Chamson avait soigné la mise en scène de l’œuvre de Watteau tant attendue. Sur une tenture de velours écaille, celle-ci occupait le centre du parcours. Elle était précédée par quatre salles consacrées aux maîtres des anciens Pays-Bas et des maîtres germaniques et suivie par les rares italiens et espagnols, puis par des Flamands, Rembrandt et Vermeer. Tout près de l’Enseigne étaient accrochés Saint Sébastien pleuré par Sainte Irène de Georges de la Tour, Saint Mathieu et l’ange de Nicolas Poussin (ill. 16) et trois autres tableaux de Watteau: Réunion galante dans un parc, L’Amour au théâtre français et L’Amour au théâtre italien. À lire les émois pathétiques des critiques français, l’exposition du Petit-Palais fait figure d’un pèlerinage, non point vers Cythère mais vers le pont Notre-Dame. Jean-Pierre dans les Lettres Françaises rapporte en effet: »devant l’Enseigne maint passant, naturellement se découvre, tant ici admiration et hommage se con-
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Nicolas Poussin: Saint Mathieu et l’ange, vers 1643, huile sur toile, 99 × 135 cm, Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie.
fondent«.42 Même l’historien d’art André Chastel, qui intitule son article En cent chefs-d’œuvre, la quintessence de l’art du Nord, ne résiste pas à souligner l’unicité de ce tableau: »Un bienheureux concours de circonstances a enfin permis d’adjoindre aux trois scènes de Watteau une pièce précieuse entre toutes: on lui a fait un tabernacle pour faciliter la dévotion. C’est que L’Enseigne de Gersaint, perle du Château de Charlottenburg, est unique: Watteau serait moins grand et moins important sans cette page où une feinte nonchalance anime le spectacle de la boutique et de la rue, avec son portefaix et ses couples sortis de Destouches et de Marivaux, sans ce ›testament‹ où la vie quotidienne est comme sublimée en un frisson de satins clairs devant une mosaïque de cadres doré.« 43 Seul bémol dans ce concert de louanges: le court article polémique de Pierre Poirier publié également dans les Lettres Françaises.44 L’auteur lance une diatribe
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contre les restaurateurs des musées de Berlin qu’il qualifie de »tueurs à gages bien intentionnés«.45 Cette critique rejoint certes le débat déjà existant sur la restauration pratiquée différemment par les Français, les Italiens ou les Allemands. On y dénote un reste de ressentiment envers les Allemands, détenteurs d’œuvres remarquables. Néanmoins l’heure n’était plus à la revanche. Le retour de L’Enseigne de Gersaint en 1951 suscita un engouement de la part du public parisien qui se pressa en foule au Petit-Palais. Au-delà du sentiment général d’admiration, les articles de l’époque témoignent, selon nous, d’une profonde nostalgie. À la différence d’Aragon, qui fit de la denière œuvre de Watteau, comme pour Matisse en 1943, un monument de l’art français, il semble que L’Enseigne représentât davantage un miroir idéal à opposer aux difficultés de la vie quotidienne ou aux incertitudes de la Reconstruction. Robert Rey ne s’écrie-t-il pas: »La voici revenue pour un temps dans ce Paris dont elle résume un des moments où la politesse fut la plus parfaite, où, pour certains, la douceur de vivre fut sans pareille. Il faut aller respirer ce parfum comme on irait à un pèlerinage.« 46 Quand Aragon se servit en 1945 de ce chef-d’œuvre comme d’un symbole au service de la cause nationale, la guerre n’était pas terminée et le sort de la France encore incertain. Quelques années plus tard, l’horreur de cette guerre était connue et avait entraîné la création de l’Organisation des Nations Unies. Les œuvres d’art qui avaient aidé à affermir la fierté nationale, étaient désormais destinées à accélérer le rapprochement entre les peuples. Dans la préface du catalogue du Petit-Palais, André Chamson reconnut ainsi dans les incessants déplacements subis par les œuvres d’art depuis la guerre, un signe marquant de son époque; Mais, ajouta-t-il, ces déplacements ont une vertu: »Ils font éclater à tous les yeux l’unité profonde d’une culture, dont chaque grande nation s’est instituée la gardienne, alors même que l’Histoire en faisait un miroir brisé. Chaque grand musée d’Europe apparaît ainsi comme le reflet d’une même civilisation […].« 47 Inscrivant ces expositions d’œuvres d’art dans la perspective de la construction européenne, André Chamson clôt ainsi la question douloureuse des dommages de guerre et de leur réparation, comme la création de la Communauté économique du Charbon de l’Acier en 1950 allait transformer durablement les relations francoallemandes et l’avenir de l’Europe. La réconciliation des deux nations fut officiellement scellée par le Traité de l’Elysée du 22 janvier 1963. Cet accord de coopération se traduisit aussitôt par l’organisation d’une exposition visible au Louvre et à Berlin-Ouest: La peinture française du XVIIIe siècle à la cour de Frédéric II. À cette occasion, L’Enseigne de Gersaint effectua son dernier voyage à Paris.
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1 Revue qu’il contribue à fonder le 20 septembre 1942 avec d’autres membres du Front national des écrivains: Jacques Decour, Danièle Casanova, Georges et Maie Politzer, Jean Paulhan, etc. Voir Valère Staraselski: Aragon. La liaison délibérée. Faits et textes, Paris 1995. 2 Voir Louis Aragon: Les désastres de la guerre, in: Les Lettres françaises V-44/24 février 1945, p. 1. 3 Voir Louis Aragon: L’Enseigne de Gersaint, in: Les Lettres françaises V-51/14 avril 1945, p. 1–4. 4 Voir Guillaume Glorieux: À l’Enseigne de Gersaint, Edmé-François Gersaint, marchand d’art sur le pont Notre-Dame (1694–1750), Paris 2002. Cet ouvrage dresse une synthèse des recherches menées sur le tableau de Watteau depuis les années 1950 et propose de nouvelles données fondées sur une étude des enseignes et de l’architecture des échoppes du Pont NotreDame en 1720. 5 Raymond Bouyer: La question des œuvres d’art et les tableaux français du Roi de Prusse, in: Le Cousin Pons 54/1919, pp. 425–431, et 55/1919, pp. 433–439, p. 426. 6 Charles Kunstler: L’Enseigne de Gersaint, Paris 1943, p. 4. 7 Voir Thomas W. Gaehtgens: La peinture de genre dans les collections du XVIIIe siècle, in: Au temps de Watteau, Chardin et Fragonard. Chefs-d’œuvre de la peinture de genre en France, cat. exp., Colin B. Bailey (éd.), Musée des BeauxArts du Canada, Ottawa / National Gallery of Art, Washington D.C. / Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie, Berlin, Ottawa 2003, p. 78–89. 8 Le tableau est à nouveau visible au Château de Charlottenburg depuis 1962. 9 Edmond de Goncourt: Catalogue raisonné de l’œuvre peint, dessiné et gravé de Watteau, Paris 1875. 10 André Maurel: L’Enseigne de Gersaint. Étude sur le tableau de Watteau. Son histoire, les controverses, solution du problème, Paris 1913, p. 16. 11 Bouyer 1919, p. 425. 12 Ibid., p. 426. 13 Aragon 1945 (Désastres), p. 1. En septembre 1922, Aragon séjourne à Berlin chez Matthew Josephson, dadaïste de la première heure ayant transféré sa revue Broom d’Italie à Berlin. Aragon publie dans la revue Littérature (6/1922) quelques textes témoignant de sa découverte de »la ville la plus moderne d’Europe«, mais rien de sa visite des Watteau. Voir Louis Aragon:
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Chronique I 1918–1932, Bernard Louilliot (dir.), Paris 1998, p. 111. Voir Paris 1937: cinquantenaire de l'Exposition internationale des Arts et Techniques dans la vie moderne, cat. exp., Bertrand Lemoine (dir.), Institut Français d’architecture, Paris, Paris 1987. Voir Louis Aragon: L’Enseigne de Gersaint, Neuchâtel et Paris 1946. Voir Le pillage de l’art en France pendant l’Occupation et la situation des 2000 œuvres confiées aux musées nationaux, Mission d’étude sur la spoliation des Juifs de France, Isabelle Le Masne de Chermont et Didier Schulmann (éds.), Paris 2000. Staraselski 1995, p. 185. Voir Louis Aragon [B. d’Ambérieux]: Matisse ou la grandeur, in: Poésie 42 1/1942; id.: Matisseen-France, in: Thèmes et Variations, Paris 1943, rassemblés dans l’ouvrage augmenté: Henri Matisse, roman, Paris 1971, pp. 5–11 et 55–144. Voir Aragon 1942 (Matisse), in: Aragon 1971, p. 11: »Matisse hors de France impensable, cependant poursuit cette grande explication française du monde, qui demeure un imprescriptible droit. Il n’y a rien là d’étrange. Il n’y a là rien que de très naturel après tout. Nous sommes, c’est entendu dans l’éternel.« Voir Aragon 1945 (Désastres), p. 1: »[…] il ne secoue pas ses maîtres, il ne les prend pas à la gorge, s’il nous montre ses mains rouges, ce n’est pas le sang des tyrans, mais encore du sang des nôtres.« Aragon 1945 (Enseigne), p. 4. Raymond Cogniat: Laissons en Allemagne nos chefs-d’œuvre, in: Arts, 25 mai 1945, p. 1. Aragon évoque en juillet 1946 deux ou trois réactions d’allemands antifascistes, sans mentionner leurs noms. La volumineuse correspondance d’Aragon et d’Elsa Triolet conservée à la Bibliothèque Nationale, ne contient apparemment pas de traces de ces lettres, envoyées probablement aux Lettres françaises. Aragon 1946, p. 25. Voir Aragon 1946, p. 26: »Je n’avais pas oublié que des Allemands admirables étaient morts pour la Liberté. Mais force m’était de constater que leur peuple avait sans broncher assister à leur martyre. Que le peuple allemand, même au jour où les Russes entraient à Berlin, n’avait donné aucun signe de solidarité avec ces Allemands admirables. Et qu’il était donc coupable de complicité non seulement du crime nazi
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envers le monde entier, mais aussi envers ces Allemands admirables. Et que si nous ne voulions pas dans l’avenir voir à nouveau des Dachau pour ceux des Allemands à venir qui seraient admirables, il nous fallait exiger sévèrement de ce peuple la reconnaissance de ses erreurs, et pas du bout des lèvres. Dans les faits. Dans les sacrifices.« Voir Louis Aragon: Reconnaissance à l’Allemagne, in: Commune 66/1939, n. p. Cet épisode, probablement révélé que bien plus tard au public français, est relaté par une actrice importante de cette histoire, la conservatrice adjointe du Musée de l’Orangerie, Rose Valland dans son témoignage: Le Front de l’art, Paris 1960, rééd. 1997, p. 132. André Chastel: En cent chefs-d’œuvre: la quintessence de l’art du Nord, in: Le Monde, 2 février 1951, p. 5. Deux autres expositions doivent être mentionnées: L’exposition des Primitifs allemands de 1950, dont Mathilde Arnoux retrace la genèse dans le présent volume, et l’exposition La Vierge dans l’art français à travers les collections du Louvre présentée au Petit-Palais en 1950. Voir Mathilde Arnoux: La réception de la peinture germanique par les musées français 1871–1981, thèse, Université Paris-Sorbonne (Paris IV) 2003. Le Masne de Chermont / Schulmann (éds.) 2000, p. 16. Valland 1997, p. 23. Voir Birgit Schwartz: Hitlers Museum. Die Fotoalben Gemäldegalerie Linz: Dokumente zum Führermuseum, Vienne et Cologne 2004. Voir Claude Lorentz: La France et les restitutions allemandes au lendemain de la Seconde Guerre mondiale, 1943–1954, Paris 1998. Les chefs-d’œuvre des collections privées retrouvés en Allemagne par la commission de récupération artistique et les services alliés, Albert S. Henraux (éd.), cat. exp., Musée de l’Orangerie, Paris, Paris 1946. René Jean: Exposition de chefs-d’œuvre appartenant à des collections françaises et récupérés en Allemagne, in: Le Monde, 13 juin 1946, p. 4. Bernard Dorival: Retour d’exil, des chefsd’œuvre sont exposés à l’Orangerie, in: Les nouvelles littéraires, 20 juin 1946, p. 1. Voir Martin Schieder: Expansion / Integration. Die Kunstausstellungen der französischen Besatzung im Nachkriegsdeutschland, Munich et Berlin 2004; id.: Im Blick des anderen. Die
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deutsch-französischen Kunstbeziehungen 1945– 1959, mit einem Vorwort von Werner Spies und einem Gedicht von K. O. Götz, Berlin 2005 (Passagen / Passages, vol. 12). Voir Valland 1997, p. 222: »Tout près de Cassel dans le Harz, la Ière armée U.S. pénétrait dans la mine de Bernterode, jusqu’à un sanctuaire creusé à plus de cinq cents mètres sous terre où avait été déposé le cercueil de bronze du RoiSergent et celui de son fils le Grand Frédéric. […] La couronne de Prusse, le globe et le sceptre avaient été enterrés auprès de ces grands morts, avec l’épée devenue symbolique, du Prince Albrecht de Prusse. La mine de Bernterode offrait aussi un asile sûr à plusieurs centaines de tableaux des musées de Potsdam. Comment pouvions-nous ne pas évoquer avec émotion tous les chefs-d’œuvre de notre XVIIIe siècle groupés autour de L’Enseigne de Gersaint?« Officiellement ces réticences étaient justifiées par l’état de conservation des œuvres. Pourtant, les conservateurs et les fonctionnaires allemands redoutaient également des réactions intempestives du public français et des confiscations injustifiées au titre des réparations de guerre. Voir les échanges épistolaires entre le Quai d’Orsay et le GMZFO aux Archives de Colmar (AOFFA, AC 56/1). Voir la lettre de Wilhelm Hausenstein à la Dienststelle für Auswärtige Angelegenheiten, Bonn, 19 février 1951, concernant: Die Pariser Ausstellung von Meisterwerken aus dem Kaiser-Friedrich-Museum, Fonds Hausenstein, vol. 36, Berlin, Politisches Archiv, Auswärtiges Amt. Voir Anonyme: Nous reverrons à Paris ›L’Enseigne de Gersaint‹, in: Arts, 12 janvier 1951, p. 4; Chastel 1951, p. 5; André Chamson et Suzanne Kahn: Au Petit-Palais, les chefsd’œuvre des Musées de Berlin, in: Arts, 2 février 1951, p. 1. Jean-Pierre: Les chefs-d’œuvre du musée de Berlin à Paris. Trois cents ans d’humanisme, in: Les Lettres françaises, 15 février 1951, p. 8. Chastel 1951, p. 5. On peut noter ici qu’Aragon, encore actif à la tête de cet hebdomadaire, ne reprit pas la plume à cette occasion. Pierre Poirier: Les dessous du Musée de Berlin, ce qu’on ne voit pas, in: Les Lettres françaises, 15 février 1951, p. 7: »Honneur à la peinture flamande et à son introducteur, le marchand aux grandes oreilles: il tend un œillet et son teint pustuleux suppure d’un vernis mal digéré. Van
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Eyck n’inventa jamais la peinture à l’huile, mais bien un vernis protecteur donnant aux panneaux du XVe siècle un ton doux et chaux. Enlevez ce mélange de résine et de gomme, vous détruisez le miroir qui couvrait la peinture à l’oeuf ou à l’eau. C’est ce que firent les restaurateurs allemands, envoyant à la chambre à gaz des chefs d’œuvre scientifiquement détruits. […] L’école française reçoit sa part d’attention, de Fouquet à Watteau – redorant, revernissant – et allez donc, pourquoi ne pas s’attaquer à l’Enseigne, qui
ne fut jamais si claire, si lisible, si loin des demi-teintes de l’Embarquement ou simplement des épreuves voisines, dont le clair-obscur que donne l’évaporation des éthers composés et le Pinceau du Temps, inimitable artiste.« 46 Robert Rey: Chefs-d’œuvre en visite, in: Les Nouvelles littéraires, 1er février 1951, p. 4. 47 Chefs-d’œuvre des Musées de Berlin, André Chamson (dir.), cat. exp., Musée du Petit-Palais, Paris, Paris 1951, p. 10.
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L’exposition des primitifs allemands au Musée du Jeu de Paume en 1950 Symbole de la réconciliation culturelle franco-allemande
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La genèse d’une réconciliation culturelle Dans l’entre-deux-guerres, les musées parisiens voient s’organiser les premières expositions de peintures étrangères, le plus souvent présentées au Jeu de Paume. Si le public avait alors pu découvrir la peinture belge, hollandaise, suisse et italienne, la peinture allemande n’avait pas été exposée.1 Bien que dans l’immédiat aprèsguerre, quelques œuvres allemandes aient été montrées au Musée du Petit-Palais, dans des expositions consacrées aux chefs-d’œuvre des musées européens, il n’était pas encore question de présenter une école de peinture ou un thème particulier. Ainsi, Les trésors des musées de Vienne en 1947, Les chefs-d’œuvre de la Pinacothèque de Munich en 1949, et Les chefs-d’œuvre du musée de Berlin en 1950, constituèrent pour André Chamson, directeur du Musée, autant d’occasions de réaliser des expositions de prestige. Ce n’est qu’en 1950 que les salles de l’Orangerie accueillirent la première exposition consacrée à la peinture allemande ancienne: Des Maîtres de Cologne à Albert Dürer (ill. 17). Son succès ne doit néanmoins pas masquer les jugements négatifs portés jusqu’alors sur l’école allemande, y compris au sein des musées français. Ce surprenant changement, cinq ans après la fin de la Seconde Guerre mondiale, ne se comprend que par l’analyse de la politique de réhabilitation de l’Allemagne menée par le Gouvernement militaire en Zone française d’Occupation, divers ministère et certains groupes d’intellectuels français.2 Ce tissu d’acteurs et d’intérêts a fait évoluer le projet de l’exposition au fil du temps et, au-delà de son caractère prestigieux, lui a conféré un intérêt scientifique et une fonction diplomatique.
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17 Couverture du catalogue d’exposition Des Maîtres de Cologne à Albert Dürer. Primitifs de l’École Allemande, Paris 1950.
Le projet d’exposition consacrée aux primitifs allemands remonte à 1946: il est mentionné pour la première fois dans une lettre du 3 août adressée par Émile Laffon, administrateur général adjoint du Gouvernement militaire, à Pierre Pène, gouverneur du pays de Bade.3 La proposition n’émane donc pas de conservateurs, mais du représentant de la Délégation supérieure pour le Gouvernement militaire du pays de Bade. Cependant, ce n’est pas la Délégation qui a eu l’initiative du sujet, mais Kurt Martin, directeur de la Kunsthalle de Karlsruhe, nommé après-guerre chef du Badisches Landesamt für Museen, Sammlungen und Ausstellungen (Service badois des musées, collections et expositions). Depuis la fin de la guerre, les expositions en provenance d’Allemagne ou d’Autriche étaient accueillies par la Suisse, la Belgique et la Hollande avant d’être présentées en France. L’exposition sur les primitifs allemands n’a pas suivi le même parcours, ses initiateurs, Pierre Pène et Kurt Martin, la considérant comme une manifestation du pays de Bade pour la Zone française d’Occupation. S’ils envisageaient de la faire circuler ensuite à Paris, Londres et New York, c’était pour
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satisfaire les puissances dont le concours leur serait nécessaire pour mener à bien un tel projet. En ayant lieu d’abord en Zone française d’Occupation, l’exposition se voulait un projet initié par les représentants français en Allemagne. Elle se caractérise donc par l’engagement spécifique d’une des puissances alliées dans son organisation. En cela, elle prend une valeur politique particulière: ce n’est pas une exposition de prestige achetée clé en main à un conservateur allemand, elle semble plutôt s’inscrire dans le cadre de la politique culturelle française en Allemagne. Son thème ne correspond cependant en rien à celui des expositions organisées par le Gouvernement militaire, qui, le plus souvent, présentaient de l’art français contemporain. Celles-ci devaient contribuer à rééduquer les Allemands et plus particulièrement les initier à un nouveau goût artistique, selon un objectif partagé avec l’ensemble de la politique culturelle française menée en Allemagne jusqu’en 1949.4 En proposant aux Allemands, auxquels on s’efforçait de faire oublier leur passé, de s’intéresser aux œuvres de leurs ancêtres des XIVe et XVe siècles, l’exposition sur les primitifs allemands s’inscrivait en porte-à-faux. L’apparente contradiction entre le choix du sujet, a priori davantage approprié à une exposition destinée à l’étranger, et le désir de la voir s’organiser en Zone française d’Occupation trouve son explication dans la personnalité de Pierre Pène, qui ne voulait pas se faire le représentant de la politique officielle, mais mener un travail de collaboration ambitieux avec Kurt Martin. C’est très probablement pour conserver son initiative que la Délégation supérieure au Gouvernement militaire du pays de Bade, plutôt que de s’adresser, comme de coutume, directement au Ministère des Affaires étrangères ou à la tête du Gouvernement militaire, propose en premier lieu son projet à l’Union nationale des intellectuels.5 Ainsi, dans une note du 29 janvier 1947, Maurice Jardot, chef du bureau des Beaux-Arts du Gouvernement militaire de Bade, informe Pierre Pène que l’Union nationale des intellectuels, sur la proposition de Jean Lurçat, a examiné le projet et souhaite »que tout [soit] mis en œuvre pour sa réalisation«.6 L’Union, rapporte-il, lui a proposé de se charger de toutes les démarches nécessaires. Elle est prête à prendre contact avec le »Ministère des Affaires étrangères pour lui demander de charger le Commandement en chef français en Allemagne d’étudier avec les Alliés l’organisation de cette exposition«.7 Elle a également suggéré de contacter les divers ministères et les personnalités concernés par le projet, comme le directeur des Musées de France Georges Salles. Le dernier paragraphe de cette note révèle une fois encore le souci de la Délégation du pays de Bade de ne pas voir son projet récupéré par d’autres: »Comment le Pays de Bade pourra-t-il conserver les avan-
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tages de l’initiative qu’il a eue?«, s’inquiète Jardot.8 Dans la marge, ce dernier a rapporté à la main la réponse de Pierre Pène: »En accélérant les travaux à Fribourg, et en faisant savoir au Cel François que vous avez travaillé de façon approfondie la question. Plus nous aurons avancé, moins nous pourrons reculer.« 9 La stratégie ici suggérée consiste donc à ignorer les instances officielles et à les mettre devant le fait accompli. Une fois le projet engagé, le colonel Michel François, sous-directeur des Beaux-Arts à la Direction de l’Éducation publique du Gouvernement militaire, serait contraint de l’accepter. De même, lorsque dans cette note, Maurice Jardot s’interroge sur la possibilité de commencer à élaborer le catalogue et de prendre contact avec les grands musées allemands avant même que Baden ne soit saisi et que l’accord de Berlin ne soit acquis, Pierre Pène lui donne une réponse positive. Cette stratégie de contournement des instances décisionnelles témoigne bien des rivalités qui existaient entre les promoteurs du projet, la tête du Gouvernement militaire et le Ministère des Affaires étrangères. Maurice Jardot commence donc à organiser l’exposition. Le 19 février 1947, Kurt Martin, en charge du projet du point de vue scientifique, élabore une proposition provisoire pour l’exposition des primitifs allemands à Paris. Cette proposition, dont le destinataire n’est pas indiqué, devait être très probablement adressée à l’Union nationale des intellectuels qui avait exprimé le souhait de voir l’exposition présentée à Paris. Kurt Martin dresse tout d’abord une liste des maîtres dont il souhaite exposer les œuvres.10 Il suggère en outre de faire appel à sept conservateurs de musées allemands pour constituer une commission d’organisation allemande: Eberhard Hanfstaengl, directeur général des musées bavarois à Munich; Carl Georg Heise, directeur de la Kunsthalle de Hambourg; Ernst Holzinger, directeur du Städelschen Kunstinstitut de Francfort; Leopold Reidemeister, directeur du Walraff-Richartz Museum de Cologne; Ernst Troche, directeur du Germanisches Museum de Nuremberg; lui-même, directeur de la Kunsthalle de Karlsruhe, et un représentant des Musées de Berlin. Grâce à ce comité, Kurt Martin avait la quasi certitude de pouvoir emprunter des œuvres à ces musées, parmi les plus importants d’Allemagne, et par là même de réaliser une exposition de qualité exceptionnelle.11 Par la suite, les »chapitres« du projet révèlent que Kurt Martin prévoit de réserver toute l’organisation de l’exposition à cette commission allemande. Finalement, Martin envisage de confier toute l’organisation à cette commission, car, à ses yeux, seuls les conservateurs allemands ont les compétences nécessaires pour traiter de la peinture allemande ancienne. Mais, au-delà de l’argument scientifique, il souhaite avant toute chose donner aux Allemands la possibilité de prendre part activement à la vie culturelle européenne et voir l’Allemagne recouvrir sa sou-
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veraineté, tout au moins dans ce domaine. L’exposition des primitifs allemands devenait alors le symbole de la reprise de la vie intellectuelle allemande. Comme en témoigne le douzième chapitre du projet, celle-ci contribuerait aussi aux réparations des dommages causés par l’Allemagne. Kurt Martin veille toutefois à ce que la manifestation incarne un échange entre la France et l’Allemagne: aussi insiste-t-il pour que son pays puisse profiter d’une part des bénéfices. Un autre de ses soucis est de rassurer et de protéger ses compatriotes. Engagée après-guerre, la récupération des œuvres spoliées par les nazis suscite en effet des craintes dans les musées allemands, qui hésitent dès lors à accorder des prêts pour l’étranger. Pour calmer le jeu, Kurt Martin propose de publier »une déclaration officielle« assurant »que les œuvres d’art retourneront en Allemagne« et »des reportages pour les journaux allemands« seront publiés.12 Kurt Martin, allemand francophile, non coupable de collaboration avec les nazis, pouvait à la fois prévenir les susceptibilités des Allemands tout en tenant compte des exigences françaises. Ces initiatives prises par les organisateurs de l’exposition, Pierre Pène et Kurt Martin, ont heurté les instances décisionnelles supérieures. Dans une lettre du 10 avril 1947, Michel François explique à Raymond Schmittlein, directeur de la Direction de l’Education publique, que la proposition d’exposition sur les primitifs allemands transmise par Jean Gilbert au général Koenig pose problème: »L’idée n’est pas neuve. Déjà au mois d’août 1946 elle m’avait été exprimée verbalement par Monsieur Jardot, chef du Service des Beaux-Arts du Pays de Bade, qui se faisait lui aussi l’interprète de l’UNI.« Michel François, qui pense que la fiche rédigée par Jean Gilbert vient par le »même canal«, s’étonne néanmoins de ne jamais avoir été sollicité par cet organisme »qui touche directement [son] activité ici«.13 Bien que cette lettre de Jean Gilbert présentant l’exposition au général Koenig ne soit pas conservée, le rapport de Michel François permet de comprendre que l’Union nationale des intellectuels et le gouverneur de Bade ont préféré recourir directement au Commandement en chef français en Allemagne plutôt que de passer par la Direction de l’Éducation publique, pensant certainement pouvoir ainsi garder la main sur leur projet et accélérer l’organisation de l’exposition. Ils n’ont manifestement pas envisagé que le Commandement en chef français en Allemagne ne traiterait pas personnellement de cette question et qu’il la renverrait aux services concernés, c’est-à-dire à ceux de la Direction de l’Éducation publique: que Michel François soit blessé de ne pas avoir été tenu au courant du projet et de l’avoir appris par des voies détournées est dès lors compréhensible. Sur ce, la stratégie de contournement de Pierre Pène engendre des rivalités et nuit à la réalisation de l’exposition, dont Michel François refuse le projet en invoquant les diffi-
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cultés de négociation avec les alliés, mais aussi le problème de la récupération des œuvres spoliées: »L’exposition que l’on veut situer au Musée de l’Orangerie succèderait donc dans cet établissement à l’exposition des chefs-d’œuvre récupérés en Allemagne qui y a connu un tel succès l’année passée. Encore que le mot ›allemand‹ ne figure pas dans le titre proposé, il ne fera de doute pour personne – et pour cause – que ces tableaux sont des biens allemands. Et je pense, comme de nombreuses personnes intéressées de Paris pensent, qu’il sera fait immédiatement un lien dans l’opinion publique entre les chefs-d’œuvre qui ont été récupérés, les objets d’art dont on sait qu’ils ne le sont pas encore et qu’ils ne le seront peut-être jamais, et cet apport en masse de biens allemands qui seraient proposés à l’admiration des initiés, à la convoitise aussi des spoliés ou de leurs ayants-droit.« 14 C’est avec moins de nuances que, le 4 février 1947, le chargé de mission du Ministère de l’Information explique à Marcel Bidoux, directeur de l’hebdomadaire Lundi-Matin et membre de l’Union nationale des intellectuels, les »motifs émotionnels et politiques« qui rendent impossible sa réalisation: car l’exposition, en dépit de son intérêt artistique, »heurterait certainement les sentiments des Français, encore hantés par le souvenir trop vif des ›primitifs‹ allemands en chair et en os«.15 La question de la récupération n’est plus seule en cause, s’ajoute le risque d’éveiller de mauvais souvenirs chez les Français et de les atteindre psychologiquement. Le jeu de mot, peu raffiné, auquel s’adonne ce chargé de mission révèle son ignorance concernant la peinture allemande ancienne. Ces refus et dénigrements montrent une fois encore combien tous les éléments constitutifs de cette exposition, l’organisation des prêts, sa circulation en Europe, son titre, ses lieux de présentation, les communiqués de presse qui l’accompagnent, sont chargés symboliquement: il s’agit constamment de ménager les susceptibilités de chacun, d’anticiper les réactions du public. Ainsi, la présence de l’adjectif »allemand« dans le titre a posé des difficultés jusqu’au mois de mars 1950. L’Association française d’action artistique s’oppose à ce qu’il figure dans le titre, tandis que les Services Français en Allemagne souhaitent qu’il soit conservé. Une bataille diplomatique s’engage entre les administrations rivales qui s’accordent finalement le 15 mars 1950, sur le titre: Des Maîtres de Cologne à Albert Dürer. Les Primitifs de l’École Allemande.16
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La reprise du projet par l’administration parisienne Il faut attendre que le travail de récupération des œuvres spoliées par les nazis soit presque achevé à l’été 1948 pour que l’exposition puisse être mise en œuvre.17 Lorsque le projet est repris, Pierre Pène et Maurice Jardot, suite aux rivalités institutionnelles, en ont perdu l’initiative et l’exposition ne semble plus destinée au Pays de Bade mais seulement à Paris. Par ailleurs, les transformations au sein de l’administration ont contribué à retirer ce projet au gouverneur du pays de Bade. La Sous-Direction des Beaux-Arts de Michel François est devenue en été 1948 la section d’expansion culturelle dirigée par Jean Mougin. À la suite de cette réorganisation, la Direction de l’Éducation publique est la seule responsable de l’organisation des expositions du Gouvernement militaire. Ainsi ni les sous-secrétaires aux Beaux-Arts au sein des gouvernements locaux comme Maurice Jardot, ni les Allemands, ne peuvent plus intervenir dans l’organisation d’expositions sur leur territoire. La mainmise de la Direction de l’Éducation publique est bien réelle et le Gouvernement militaire du pays de Bade a perdu son autorité sur un projet qu’il avait pourtant initié. Une fois décidé de la destination parisienne de l’exposition des primitifs allemands, le Ministère des Affaires étrangères ne tarde pas à s’en emparer. Il confie à l’Association française d’action artistique la charge de l’organiser.18 Le 22 novembre 1948, la Direction générale des relations culturelles du Ministère des Affaires étrangères reçoit l’accord du directeur général des Arts et des Lettres. Le comité des conservateurs des musées nationaux a été »unanime pour accepter de réserver les salles de l’Orangerie à cette manifestation à condition qu’elle soit […] placée sous le patronage de l’Armée d’Occupation«.19 Il est donc prévu que le Gouvernement militaire assume le patronage de l’exposition. En revanche, le Gouvernement militaire du Pays de Bade, en raison de ses intrigues, a été écarté. La Direction des musées nationaux ne se contente pas d’agréer la réalisation de l’exposition, elle entend aussi donner son avis sur la pertinence scientifique du projet et du choix des œuvres. Aussi charge-t-elle Bernard Dorival, conservateur du Musée national d’Art moderne, d’une expertise. Son rapport du 23 octobre 1948, adressé au directeur des Musées de France, Georges Salles, est extrêmement détaillé et permet de suivre ses diverses démarches. Le 20 octobre 1948, à Fribourg-enBrisgau, il a représenté Georges Salles lors de »la cérémonie au cours de laquelle […] M. Schmittlein, directeur de l’éducation publique du Gouvernement militaire, a remis aux autorités allemandes un lot de gravures françaises contemporaines destinées à la Kunsthalle de Karlsruhe et a reçu de leurs mains un tableau du maître allemand Willi Baumeister pour le Musée national d’Art moderne«.20 Le 21 octobre
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1948, il s’est rendu chez Maurice Jardot, où il rencontre Pierre Pène, Kurt Martin, et les conservateurs allemands du comité d’organisation de l’exposition.21 Bernard Dorival suggère d’ouvrir l’exposition au printemps 1949, car Bruxelles a un projet similaire d’art médiéval allemand pour le mois d’octobre. Il précise »[qu’]il serait souhaitable que, pour une fois, et au contraire de ce qui s’est trop produit, depuis plusieurs années, la capitale de la France fut servie, ainsi qu’il se doit, avant celle de la Belgique«.22 L’objectif est de rassembler des peintures »d’une qualité exceptionnelle« à l’exclusion des enluminures, gravures et sculptures.23 Le rapport de Dorival s’achève sur l’espoir exprimé par les conservateurs allemands »de recevoir en échange, une importante exposition d’art français ancien«,24 qui laisse transparaître le désir croissant des Allemands de nouer de réels échanges culturels et de cesser les seules manifestations unilatérales contribuant aux réparations. Malgré l’accord de la Direction des musées nationaux, Philippe Erlanger, directeur de l’Association française d’action artistique, refuse l’exposition sur les primitifs allemands. Il invoque des raisons de calendrier: sa présentation au printemps 1949 succèderait en effet immédiatement aux Chefs-d’œuvre de la Pinacothèque de Munich, dont la fermeture était prévue le 1er avril 1949.25 Il y aurait alors coup sur coup deux grandes expositions organisées avec l’Allemagne. Le refus d’Erlanger est, on le comprend, purement diplomatique. L’Association française d’action artistique, qui dépendait de la Direction générale des relations culturelles du Ministère des Affaires étrangères, avait en effet toujours veillé à maintenir un équilibre entre les manifestations. Par ailleurs, son importante aide financière était un argument de poids pour reporter l’exposition qui, finalement, est inscrite en tête des programmes d’échanges artistiques pour l’année 1950.26 En repoussant la date de l’exposition, le rôle initial joué par le Gouvernement militaire du pays de Bade est davantage encore occulté par un contexte qui n’en finit pas de changer. En mai 1949, la République fédérale d’Allemagne est fondée, le Gouvernement militaire est alors remplacé par un Haut-Commissariat. L’Allemagne ayant recouvert sa souveraineté, il convient de se garder d’y exercer une politique trop française. Devant nécessairement revoir à la baisse ses ambitions, Raymond Schmittlein démissionne en 1951.27 Il est alors remplacé par un diplomate, »Henri Spitzmuller, dont le rôle fut, d’après l’historien Jacques Bariéty, tout en sauvegardant l’œuvre de Schmittlein, de la libérer de ce qui, dans le nouveau contexte international, pouvait paraître ›trop français‹; il s’agissait aussi de s’adapter aux nouveaux moyens budgétaires, considérablement réduits«.28 La Direction de l’Éducation publique est remplacée la même année par la Direction générale des affaires culturelles. Mais dans ce domaine, les Français perdent de leur pouvoir, les
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affaires culturelles relevant désormais de la compétence des Länder.29 Ainsi l’exposition sur les primitifs allemands prévue pour 1950 tombe à point nommé pour témoigner de l’autonomie culturelle allemande. En la plaçant sous le patronage du gouvernement français et du gouvernement fédéral allemand et non plus sous celui du Gouvernement militaire, elle apparaît comme une initiative allemande accueillie par la France. Cette manifestation culturelle, à laquelle le sujet et les organisateurs allemands confèrent une forte dimension symbolique, devient l’image de la renaissance des échanges franco-allemands. Les pères du projet, comme Pierre Pène, ont chèrement payé cette évolution: bien qu’ils se soient, dès le début, distingués des ambitions de rééducation du peuple allemand prônées par Schmittlein, la nouvelle situation politique ne permet pas de reconnaître leur initiative, leur administration étant étroitement liée au Gouvernement militaire. Les ministères parisiens profitent de l’initiative française du projet pour demander que sa réalisation, malgré son report, ait lieu tout d’abord en France. Dans le contexte politique de l’époque, la présentation de l’exposition à Paris, avant Bruxelles et Amsterdam, prend une importance accrue et vise à renvoyer aux Alliés occidentaux l’image d’une politique culturelle constructive de la France à l’égard de l’Allemagne.30 Philippe Erlanger et l’Association française d’action artistique prennent alors en charge toute l’organisation matérielle de la manifestation. Germain Bazin est désigné commissaire français par Georges Salles. Du côté allemand, la préparation de l’exposition est officiellement confiée à Kurt Martin. Tout est mis en œuvre afin qu’elle voit enfin le jour. Suite à plusieurs propositions, ses dates sont fixées, d’avril à juin 1950, l’inauguration ayant lieu le 31 mars. Toutefois des difficultés sont rencontrées lors des demandes de prêt, en particulier côté français. Germain Bazin tenait en effet à regrouper les plus importantes pièces allemandes des collections françaises, afin de signifier le nouvel intérêt que la France et ses musées portaient à cette école de peinture. Mais sa récolte est mince: quatre œuvres, provenant des musées du Louvre, de Dijon et de Strasbourg, sur les 86 exposées. L’organisation tardive des prêts l’explique en partie: elle l’empêcha d’obtenir Le retable de Saint-Étienne du Maître d’Uttenheim conservé à Moulins, déjà prêté à l’exposition L’art gothique du Tyrol organisée à Innsbruck. Par ailleurs, L’Empereur Auguste et la Sibylle de Tibur de Conrad Witz conservé au musée de Dijon était à Rotterdam.31 L’église Saint-Martin de Colmar, quant à elle, refusa le prêt de La Vierge au Buisson de Roses de Martin Schongauer.32
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Réception critique et valeur symbolique Dans son avant-propos au catalogue de l’exposition, Germain Bazin fait part de son intérêt pour la peinture allemande ancienne et de celui des musées français. Mais il ne faut pas surestimer cette nouvelle appréciation de la peinture allemande par les Français, car ce texte est fortement emprunt de diplomatie. Germain Bazin commence par louer les contacts entre les peuples grâce auxquels la civilisation grandit et s’enrichit: »La prodigieuse richesse culturelle de l’Europe est due à cette grande variété de peuples en constant état d’osmose. Toute l’histoire de la culture est celle d’un chassé-croisé d’influences, influences, qui sont des confluences et qui produisent cette majesté des grands fleuves. Les pays qui se laissent les plus pénétrer ne sont pas les moins individués.«33 Ce discours sur les influences ne peut que surprendre, jusque-là le jeu des emprunts aux écoles étrangères disqualifiait les artistes allemands aux yeux des conservateurs français de la fin du XIXe siècle et de l’entre-deux-guerres. Le thème de l’influence n’apparaît plus comme un aspect négatif, au contraire, il révèle la capacité d’une culture à rester ouverte sur le monde extérieur. L’Europe médiévale et le XVIIIe siècle qui ont vu les échanges artistiques s’intensifier, ont, selon Germain Bazin, permis le développement des expressions spécifiques à chaque Nation. Et pour montrer qu’il s’agit bien là d’une qualité, la France est elle-même présentée comme le point de convergences de diverses influences: »Ne faut-il pas voir l’origine de la continuité culturelle de la France dans ce rythme harmonieux qui lui fait tour à tour ouvrir les vannes au Nord ou au Sud? […] L’Allemagne, moins que tout autre, échappe à cette règle.«34 La France et l’Allemagne sont comparées en des termes positifs, toutes deux ont une culture caractérisée par son ouverture sur l’étranger, qui lui permet d’échanger, d’apprendre, de créer. Par ce rapprochement, Germain Bazin suggère la possibilité d’une entente et d’une réconciliation. Pour la première fois, l’art allemand est admiré pour la façon dont ses artistes ont su adopter les influences étrangères. Ils ont une démarche active, ils assimilent ce qui leur est offert par l’étranger, ils ne sont plus seulement les mauvais interprètes de mouvements artistiques prestigieux. Cependant, bien que cette présentation soit en faveur de l’art allemand, elle ne s’efforce pas d’en souligner la singularité et ne renonce pas à l’idée d’un art »sous influence«. Les poncifs attachés à cette école ressurgissent ainsi dans la suite du texte, qui résume l’histoire de l’art allemand des XIVe et XVe siècles. Si son approche n’est pas sans contradictions, Germain Bazin a néanmoins le mérite d’accorder à l’art allemand une place au sein de l’histoire de l’art. Après avoir retracé chronologiquement l’évolution de l’art primitif allemand, il tente de le caractériser, non pas tant en identifiant les spécificités stylistiques des œuvres qu’en cherchant à en comprendre
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Maître du retable de Saint Barthélémy: La descente de croix, vers 1500/05, huile sur panneau de chêne, 227 × 210 cm, Paris, Musée du Louvre (au Val-de-Grâce jusqu’en 1797).
l’esprit. L’Allemagne est présentée comme un pays de penseurs et de philosophes. Mais cette âme métaphysique qui, dans les textes du XIXe siècle, ne prédisposait pas les Allemands à l’exercice de l’art, apparaît au contraire ici à l’origine d’œuvres singulières. En reprenant les stéréotypes du XIXe siècle, mais en ne les utilisant pas aux mêmes fins, Bazin facilite la compréhension de sa démonstration tout en réhabilitant l’art allemand ancien. Ainsi reprend-il le thème du sentimentalisme, auquel il substitue le terme d’ingénuité; ou encore reconnaît-il à la peinture alle-
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mande son réalisme. Mais là où les études du XIXe siècle et de la première moitié du XXe siècle s’appuient sur la traditionnelle opposition entre spiritualité et réalité, Bazin met ces deux caractéristiques en valeur et parvient à les réunir dans la figure du Maître du Retable de Saint Barthélémy (ill. 18). Le texte s’achève par le rappel du faible nombre d’œuvres de l’école allemande dans les musées français: »Qu’elle soit méconnue de beaucoup des Français est une injustice, car elle est intimement liée à nous; c’est avec celle de Sienne – et après la nôtre, hélas si mutilée – la principale école gothique. Et puisque le gothique, langage universel du Moyen Âge, est opus francigenum, comme le dit un chroniqueur allemand du XIIIe siècle, il faut qu’il y ait entre les psychologies de nos deux peuples bien des points de contact, pour que ce style, que nous avions inventé, ait pu, après une mutation, il est vrai essentielle, devenir le style national allemand.« 35 Germain Bazin ne fait pas ici référence au débat franco-allemand du XIXe siècle sur l’origine du gothique pour attiser les haines, mais au contraire pour démontrer la parenté et la proximité existant entre la France et l’Allemagne. L’Europe médiévale, caractérisée par l’intensité des échanges entre les diverses cultures et par l’affirmation des identités locales, devient un modèle à suivre pour la construction de l’Europe contemporaine. Par ces propos, Germain Bazin signe un acte de réconciliation: »Le moment où a lieu cette exposition a une signification si profonde qu’elle n’a pas besoin d’être soulignée […]. La participation des Musées autrichiens, suisses et français, met en valeur l’esprit ›européen‹ dans lequel a été organisée cette exposition […].«36 L’heure n’est plus à la rééducation du peuple allemand, aux échanges culturels unilatéraux qui avaient régné au début de l’occupation française en Allemagne, il s’agit désormais de prôner l’intégration de l’Allemagne au sein de l’Europe occidentale. Au texte de Germain Bazin succède une introduction de Kurt Martin.37 La méthode du conservateur allemand diffère fondamentalement de celle de son confrère français. S’inscrivant dans la tradition historiographique allemande de la Kulturgeschichte, son approche scientifique de l’Allemagne des XIVe et XVe siècles repose sur une étude précise du contexte historique qui lui permet, dans un second temps, d’entreprendre une analyse comparative des productions artistiques afin de révéler les particularités de l’art allemand de cette période. Ce texte est longtemps resté une synthèse de référence pour la peinture médiévale allemande: l’enjeu en
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est historique, là où celui de Germain Bazin, chargé de symboles et de bonnes intentions, est politique. Le succès médiatique se lit au regard des nombreux articles de presse parus, qui tous traduisent une profonde admiration pour cette entreprise de grande ampleur rassemblant 86 œuvres en provenance des plus importants musées allemands – qui serait aujourd’hui impensable en raison de la fragilité des pièces. On y admire quelques-uns des chefs-d’œuvre de l’école allemande, comme La Présentation au temple de Stefan Lochner conservée à Darmstadt (pl. I), le retable de Sainte Madeleine de Lucas Moser provenant de Tiefenbronn, les faces extérieures des volets du retable des Pères de l’Église montrant des scènes de la vie de Saint Wolfgang par Michael Pacher prêtés par la Pinacothèque de Munich (ill. 19), ou encore le retable de Saint Thomas du Maître Francke (ill. 20), tandis que la diversité des écoles régionales est illustrée par des œuvres d’une très haute qualité. L’importance exceptionnelle de l’exposition, du point de vue artistique comme scientifique, est reconnue de tous.38 Son thème a cependant suscité diverses réactions de la part de la presse. Certains articles s’attachent davantage à son message symbolique et politique, ainsi André Chastel dans Le Monde insiste sur la nécessité de renouer intellectuellement avec l’Allemagne.39 Mais d’autres auteurs utilisent le thème de l’exposition pour justifier leurs idées reçues concernant l’art allemand. Maximilien Gauthier dans Les nouvelles littéraires laisse transparaître à travers sa description des caractéristiques de l’art allemand, les rancœurs qu’il nourrit à l’égard de l’ancien ennemi, mais il admire cependant l’organisation de cette manifestation exceptionnelle.40 Parvenant à incarner l’acte de réconciliation qu’elle souhaitait symboliser, l’exposition est également un succès diplomatique. Ainsi le 24 mai 1950, Henri-Paul Eydoux, devenu depuis 1949 chef du service des relations artistiques du Haut-Commissariat de la République Française en Allemagne, envoie à Philippe Erlanger, une lettre dans laquelle il rapporte les remerciements que les conservateurs allemands présents à l’inauguration de l’exposition lui ont fait parvenir.41 Ces derniers font part du plaisir qu’ils ont eu à venir à Paris, et expriment aussi leur sincère gratitude pour l’esprit d’échange et de réconciliation dans lequel ils ont été accueillis. Reidemeister de Cologne écrit à Henri-Paul Eydoux, le 16 mai 1950, combien il est »heureux que ces efforts réciproques de nos deux pays contribueront [sic] à créer une unité européenne«.42 Le même jour, Noack de Fribourg lui confie combien »le bon accueil que nous avons trouvé partout, nous a impressionnés beaucoup«.43 Le 19 mai 1950, Carl Georg Heise, directeur de la Kunsthalle de Hambourg, n’hésite pas à exprimer son étonnement face à l’harmonie qui a présidé aux rencontres
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19 Michael Pacher: Saint Wolfgang et le voleur (face extérieure du volet gauche, en bas, du retable des Pères de l’Église), 1483, huile sur panneau de pin, 103 × 91 cm, Munich, Alte Pinakothek.
entre Français et Allemands: »J’ai pu apprécier particulièrement la chaude atmosphère de sympathie, exempte de préjugés qui présida aux rencontres avec nos collègues français, qui laissent augurer de bons rapports et échanges culturels normaux, malgré certains événements pénibles d’un passé encore récent [...].« 44 Ces quelques témoignages illustrent la grande réussite de cette exposition, en termes diplomatique et intellectuel. L’exposition des primitifs allemands, son histoire, ses acteurs, ses enjeux, permet d’apprécier l’évolution de la politique culturelle en Zone française d’Occupation, qui, d’une politique de rééducation, s’est progressivement faite politique d’échange et de coopération. Cette transformation a été encouragée par l’engagement de certains Allemands, comme Kurt Martin dont l’action a été fondamentale et par le discernement et l’intelligence de représentants français en Allemagne tel que Pierre Pène. Dans un contexte aussi marqué, le caractère diplomatique que peuvent revêtir les expositions est une évidence, dont témoigne de façon exemplaire celle
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Maître Francke: La mise au tombeau (face intérieure du volet droit, en bas, du retable de Saint Thomas), 1424–1436, huile sur panneau de chêne, 99 × 89 cm, Hambourg, Kunsthalle.
des primitifs allemands, porteuse d’un message de réconciliation entre l’Allemagne et la France. Mais l’histoire de l’art n’est pas en reste, car en inaugurant un nouveau type de discours plus ouvert à l’art allemand, bien qu’encore redevable aux stéréotypes, cette exposition a marqué de nombreux catalogues jusqu’au milieu des années 1960; depuis, des conservateurs comme Maurice Besset puis Françoise Cachin au Musée d’Art moderne, Bernard Ceysson au Musée d’Art et d’Industrie de Saint-Étienne ou Michel Laclotte au Musée du Louvre se sont efforcé de mettre en valeur la singularité de la peinture allemande au sein des musées français.
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1 Voir Exposition hollandaise. Tableaux, aquarelles, dessins. Anciens et modernes, cat. exp., Musée du Jeu de Paume, Paris, Paris 1921; Exposition de l’art belge ancien et moderne, cat. exp., Musée du Jeu de Paume, Paris, Paris 1923; Exposition de l’Art Suisse (de Holbein à Hodler). Catalogue des œuvres exposées, cat. exp., Musée du Jeu de Paume, Paris, Paris et Genève 1924; Exposition hollandaise. Tableaux, aquarelles, dessins, cat. exp., Musée du Jeu de Paume, Paris, Paris 1926; L’art belge depuis l’impressionnisme, cat. exp., Musée du Jeu de Paume, Paris, Paris 1928; L’art suisse contemporain depuis Hodler. Peinture et sculpture, cat. exp., Musée du Jeu de Paume, Paris, Paris 1934; Exposition d’œuvres d’artistes belges contemporains, cat. exp., Musée du Jeu de Paume, Paris, Paris 1935; L’Art italien des XIXe et XXe siècles, cat. exp., Musée du Jeu de Paume, Paris, Paris 1935. 2 Voir Mathilde Arnoux: La réception de la peinture germanique par les musées français 1871–1981, thèse, Université de la SorbonneParis IV 2003. 3 Émile Laffon à Pierre Péne, 3 août 1946; Archives du Ministère des Affaires étrangères (Archives de l’Occupation française en Allemagne et en Autriche), Colmar, Archives de la délégation provinciale pour le Bade Sud, Service des affaires culturelles, 4236, exposition des Primitifs allemands, 1950. 4 Voir Corine Defrance: La politique culturelle de la France sur la rive gauche du Rhin. 1945–1955, Paris 1994, p. 200; voir Martin Schieder: Expansion / Integration. Die Kunstausstellungen der französischen Besatzung im Nachkriegsdeutschland, Munich et Berlin 2004, p. 36; voir idem: Im Blick des anderen. Die deutsch-französischen Kunstbeziehungen 1945–1959, mit einem Vorwort von Werner Spies und einem Gedicht von K. O. Götz, Berlin 2005 (Passagen/Passages, Bd. 12). 5 L’Union nationale des intellectuels a été fondée en février 1945 par deux cents personnalités représentant les lettres, les sciences, les arts, les universités et la justice en France. Toutes avaient fait partie de la Résistance durant la guerre et se souciaient du destin de la pensée française. Rapidement diverses associations nationales s’affilièrent à l’Union, par exemple le comité national des pharmaciens, celui des écrivains, l’union nationale des arts plastiques, etc. Son objectif est d’organiser des »Mani-
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festations sur le plan national et local avec répercussion sur le plan international«; Anonyme: L’union nationale des intellectuels ouvrira le 23 février son conseil national, in: Le Monde, 21 février 1946, p. 4. L’Union nationale des intellectuels manifeste la volonté des intellectuels français de participer à la reconstruction de la France et au rayonnement de la culture et de la paix. Elle est tout d’abord présidée par Georges Duhamel, puis, à partir de février 1946 par Jacques Trefouel, auquel succède en mai 1947 Jean Cassou. L’Union nationale des intellectuels s’est rapidement dotée d’un comité directeur de vingt-cinq membres, aussi représentatifs que possible de sa diversité. Mais l’appareil est lourd et l’Union nationale des intellectuels ne dispose pas de réel pouvoir: elle ne parvient à faire respecter ses décisions qu’au début, grâce à sa communauté de pensée et à la notoriété de ses membres. À l’origine héritière de la Résistance française, il semble que l’Union ait, au fil du temps, été reprise par le parti communiste français, ce qui amène Jean Cassou à en démissionner en 1950. Maurice Jardot à Pierre Pène, 29 janvier 1947; Archives du Ministère des Affaires étrangères (Archives de l’Occupation française en Allemagne et en Autriche), Colmar, Archives de la délégation provinciale pour le Bade Sud, Service des affaires culturelles, 4236, exposition des Primitifs allemands, 1950. Ibid. Ibid. Ibid. Kurt Martin, lettre du 19 février 1947; Archives du Ministère des Affaires étrangères (Archives de l’Occupation française en Allemagne et en Autriche), Colmar, Archives de la délégation provinciale pour le Bade Sud, Service des affaires culturelles, 4236, exposition des Primitifs allemands, 1950. Ibid. Ibid. Michel François à Raymond Schmittlein, 10 avril 1947; Archives du Ministère des Affaires étrangères (Archives de l’Occupation française en Allemagne et en Autriche), Colmar, Archives de la délégation provinciale pour le Bade Sud, Service des affaires culturelles, 4236, exposition des Primitifs allemands, 1950. Ibid. Michel François à Marcel Bidoux, 4 février 1947; Archives du Ministère des Affaires étrangères
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(Archives de l’Occupation française en Allemagne et en Autriche), Colmar, Archives de la délégation provinciale pour le Bade Sud, Service des affaires culturelles, 4236, exposition des Primitifs allemands, 1950. Archives du Ministère des Affaires étrangères, Nantes, Service des échanges artistiques, 1405, 15 mars 1950. Voir Claude Lorentz: La France et les restitutions allemandes: au lendemain de la Seconde Guerre mondiale, 1943–1954, Paris 1998, p. 233. Lettre du 13 août 1948, signature non identifiée, adressée par le Commissariat général aux affaires allemandes et autrichiennes du Ministère des Affaires étrangères à Mlle Litou de la Direction générale des arts et des lettres du Ministère de l’Éducation nationale; Archives du Ministère des Affaires étrangères, Nantes, Service des échanges artistiques, 1405, Exposition des Primitifs allemands, 1950. Lettre du 22 novembre 1948, adressée par le directeur général des arts et des lettres au directeur général des relations culturelles; Archives du Ministère des Affaires étrangères, Nantes, Service des échanges artistiques, 1405, Exposition des Primitifs allemands, 1950. Copie du rapport de Bernard Dorival daté du 23 octobre 1948; Archives du Ministère des Affaires étrangères, Nantes, Service des échanges artistiques, 1405, Exposition des Primitifs allemands, 1950. Au sujet du caractère symbolique de l’échange d’œuvres: voir Schieder 2004. Ibid. Ibid. Ibid. Ibid. Philippe Erlanger, lettre du 27 décembre 1948; Archives du Ministère des Affaires étrangères, Nantes, Service des échanges artistiques, 1405, exposition des Primitifs allemands, 1950. Voir note du 5 décembre 1948 du Ministère des affaires étrangères, Direction d’Europe, SousDirection d’Europe centrale pour la direction générale des relations culturelles; Archives du Ministère des Affaires étrangères, Nantes, Service des échanges artistiques, 1405, exposition des Primitifs allemands, 1950; lettre du 4 février 1949; Archives du Ministère des Affaires étrangères, Nantes, Service des échanges artistiques, 1405, Exposition des Primitifs allemands, 1950. Voir Jacques Bariéty: L’action culturelle française en République Fédérale d’Allemagne de
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1949 à 1955, in: Revue d’Allemagne 3/1988, pp. 246–260. Ibid., p. 257. Voir Defrance 1994, pp. 215–217. Lettre du 23 février 1949 adressée par le commissaire général aux affaires allemandes et autrichiennes au général Koenig; Archives du Ministère des Affaires étrangères, Nantes, Service des échanges artistiques, 1405, exposition des Primitifs allemands, 1950. Lettre du 3 février 1950, de Pierre Quarré, conservateur au Musée de Dijon, à l’Association française d’action artistique; Archives du Ministère des Affaires étrangères, Nantes, Service des échanges artistiques, 1405, exposition des Primitifs allemands, 1950. Voir notes pour M. Seydoux du 2 mars 1950, du 6 mars 1950 et du 14 mars 1950; Archives du Ministère des Affaires étrangères, Nantes, Service des échanges artistiques, 1405, exposition des Primitifs allemands, 1950. Germain Bazin: Avant-propos, in: Des Maîtres de Cologne à Albert Dürer. Primitifs de l’École allemande, cat. exp., Musée de l’Orangerie, Paris, Paris 1950, pp. 7–12, p. 7. Ibid., p. 7. Ibid., p. 11. Ibid., p. 12. Voir Kurt Martin: Introduction, in: Des Maîtres de Cologne à Albert Dürer. Primitifs de l’École allemande, cat. exp., Musée de l’Orangerie, Paris, Paris 1950, pp. 13–17. Voir M.[aurice] B.[rillant]: Dürer, Holbein et les Primitifs allemands sont pour quelques semaines à l’Orangerie, in: L’Époque, 31 mars 1950, exemplaire ronéotypé, non paginé, conservé aux Archives du Ministère des Affaires étrangères (Archives de l’Occupation française en Allemagne et en Autriche), Colmar, Archives de la délégation provinciale pour le Bade Sud, Service des affaires culturelles, 4236, exposition des Primitifs allemands, 1950. Voir André Chastel: À l’Orangerie, pour la première fois à Paris, les Primitifs allemands, in: Le Monde, 1er avril 1950, exemplaire non paginé conservé aux Archives du Ministère des Affaires étrangères (Archives de l’Occupation française en Allemagne et en Autriche), Colmar, Archives de la délégation provinciale pour le Bade Sud, Service des affaires culturelles, 4236, exposition des Primitifs allemands, 1950. Voir Maximilien Gauthier: Les Primitifs allemands à l’Orangerie, in: Les nouvelles littéraires,
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8 avril 1950, exemplaire non paginé conservé aux Archives du Ministère des Affaires étrangères (Archives de l’Occupation française en Allemagne et en Autriche), Colmar, Archives de la délégation provinciale pour le Bade Sud, Service des affaires culturelles, 4236, exposition des Primitifs allemands, 1950. 41 Henri-Paul Eydoux à Philippe Erlanger, 24 mai 1950; Archives du Ministère des Affaires étrangères, Nantes, Service des échanges artistiques, 1405, exposition des Primitifs allemands, 1950.
42 Leopold Reidemeister à Henri-Paul Eydoux, 16 mai 1950; Archives du Ministère des Affaires étrangères, Nantes, Service des échanges artistiques, 1405, exposition des Primitifs allemands, 1950. 43 Ibid. 44 Carl George Heise, lettre du 19 mai 1950; Archives du Ministère des Affaires étrangères, Nantes, Service des échanges artistiques, 1405, exposition des Primitifs allemands, 1950.
Das deutsch-französische Kulturabkommen von 1954 Erträge und Defizite kultureller Verständigung zwischen der Bundesrepublik und Frankreich in den fünfziger Jahren
Ulrich Lappenküper
Rückschau »Die Zeit ist gekommen, eine neue Etappe der kulturellen Zusammenarbeit zu beginnen, eine gegenseitige Durchdringung der Kulturen anzustreben und vom Austausch zu einer vertieften Zusammenarbeit überzugehen.« 1 Was wie ein Satz aus einer Festtagsrede zum 50. Jahrestag der Unterzeichnung des deutsch-französischen Kulturabkommens vom 23. Oktober 1954 wirkt, stammt in Wirklichkeit aus der Gemeinsamen Erklärung der Bundesrepublik und Frankreich über kulturellen Zusammenarbeit vom 28. Oktober 1986. Das damals aufgestellte Programm hat an seiner Aktualität freilich nichts eingebüßt, harrt vielmehr weiter seiner Verwirklichung. Um zu verstehen, wieso beide Staaten das seinerzeit propagierte Ziel einer gegenseitigen Durchdringung der Kulturen bisher nicht erreicht haben, hilft ein Blick auf die schwierige Genese ihrer kulturellen Verständigung zu Beginn der fünfziger Jahre. Im folgenden sollen dazu pars pro toto die hürdenreichen Beratungen der Regierungen in Bonn und Paris über ein bilaterales Kulturabkommen nachgezeichnet werden. Denn die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte dieses 1949/50 gedanklich vorbereiteten, aber erst 1954 realisierten Vertrags belegt nicht nur, wie sehr Anspruch und Wirklichkeit der deutsch-französischen Kulturbeziehungen auseinanderklafften.2 Sie läßt auch aus der Vergangenheit überkommene und bis in die Gegenwart ausstrahlende strukturelle Probleme dieser Beziehungen aufscheinen. Darüber hinaus zeugt sie von höchst unterschiedlichen Interessen der beteiligten Instanzen, dies- wie jenseits der deutsch-französischen Grenze, und nicht zuletzt vom Primat der Großen Politik gegenüber der Kulturpolitik.
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»Kulturelle Beziehungen genügen nicht, um Frieden und Zusammenarbeit zwischen Völkern zu gewährleisten; wo sie aber fehlen, ist eine Politik der Verständigung vergeblich«, formulierte Robert Picht 1982 mit Blick auf das Nachkriegsverhältnis der beiden Nachbarn am Rhein.3 Konnte von einer solchen Politik der Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich in den ersten Jahren nach der »deutschen Katastrophe« (Friedrich Meinecke) auch nur bedingt die Rede sein, besaß der Faktor Kultur für die beiden Nachbarn gleichwohl von Anfang an nicht unerhebliche Bedeutung. Dabei ließ die feste Hierarchie zwischen Siegern und Besiegten kulturpolitische Aktionen zunächst nur von West nach Ost zu, und Frankreich nutzte die ihm gebotenen Freiräume als Besatzungsmacht in Deutschland weidlich aus. »La France«, so resümierte die in Mainz ansässige Direction Générale des Affaires Culturelles der französischen Hohen Kommission in Deutschland einige Jahre später retrospektiv, »a exercé dès 1945 une action culturelle extrêmement importante en Allemagne, avec une ampleur et des moyens qui n’ont pas leur pareil dans d’autres pays.« 4 Wenngleich sich in der Rückschau der Historiker mitunter nicht zu Unrecht der Eindruck einstellte, als ob Frankreichs Kulturpolitik östlich des Rheins in den Jahren von 1945 bis 1949 vornehmlich zur Verschleierung einer rigiden ökonomischen Ausbeutung oder zur Stärkung der eigenen Sicherheit gedient habe, ging es stets um mehr.5 Zwischen »Erziehung und Kulturmission« 6, geistiger rééducation und Verbreitung der eigenen Kultur im Sinne eines nationales Sendungsbewußtseins in jakobinischer Tradition oszillierend, strebte sie danach, die Hinwendung der Deutschen zu Demokratie und Humanismus aktiv zu begleiten und ihre Annäherung an den Westen maßgeblich mitzugestalten 7.
Auftakt Mit der Entstehung neuer deutscher Staatlichkeit im Zuge der Gründung der Bundesrepublik 1949 erfuhren die Bedingungen und Modalitäten der französischen Kulturpolitik in Deutschland eine tiefgreifende Veränderung.8 Entgegen dem Willen Frankreichs wurde der Erziehungssektor im Besatzungsstatut nicht den alliierten Reservatrechten zugerechnet, so daß die Handlungsspielräume der Westmächte schrumpften 9; die in der französischen Deutschlandpolitik bisher enge Verzahnung zwischen Kultur und Politik löste sich in der Folge weitgehend auf 10. Analog zu der nun vorgenommenen Neustrukturierung der Direction Générale des Affaires Culturelles zielte Paris fortan weniger auf die an seine Kulturpolitik in den Rheinlanden der Zwischenkriegszeit anknüpfende Kontrolle denn auf kulturellen Kontakt und Austausch.11
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Kontakt und kulturellen Transfer suchte auch die junge Bonner Republik unter Bundeskanzler Konrad Adenauer, war sie sich des Faktors Kultur für die Verständigung mit dem westlichen Nachbarn doch nur zu bewußt. »Es kann gar nicht genug deutsch-französische Begegnungen, gar nicht genug deutsch-französischen Kulturaustausch geben«, unterstrich Adenauer Anfang November 1949 in einem berühmten ZEIT-Interview, fügte dann aber einschränkend hinzu: »Ich meine damit nicht eine Kulturpropaganda, wie Frankreich sie während der ersten Jahre nach Kriegsende in der französischen Zone Deutschlands betrieben hat. Hier war der politische Einschlag zu deutlich und die Beziehung zu einseitig.« Keine unilaterale Propaganda schwebte ihm vor, sondern ein möglichst vielfältiger Austausch von Studenten und Hochschullehrern, auch von Arbeitern sowie die Organisation gegenseitiger Konzerte und Vorträge.12 Überzeugt, daß die zwingend notwendige Anbindung der Bundesrepublik an die westliche Welt ohne Beseitigung der sogenannten »Erbfeindschaft« zwischen Deutschen und Franzosen nicht möglich sein würde, forderte das dem Kanzleramt unterstellte Deutsche Büro für Friedensfragen im März 1950 neben der politischen und ökonomischen auch die kulturelle Annäherung an den westlichen Nachbarn und empfahl den baldigen Abschluß eines bilateralen Kulturabkommens.13 Adenauer machte sich das Konzept seiner Berater zu eigen und setzte im Juli 1950 mit der Ernennung des Kunstschriftstellers Wilhelm Hausenstein zum Generalkonsul in Frankreich ein deutliches Signal.14 Während Bonns erster Vertreter in Paris nach dem Krieg sich anschickte, seine Mission mit vielfältigsten kulturpolitischen Aktivitäten in den Dienst der Völkerverständigung zu stellen, begannen zwischen der Direction Générale des Affaires Culturelles und dem Kulturreferat der Dienststelle für Auswärtige Angelegenheiten, dem Vorläufer des 1951 gegründeten Auswärtigen Amts, erste Fühlungnahmen. Raymond Schmittlein, Chef des Département de l’Éducation publique der französischen Hohen Kommission, machte keinen Hehl daraus, welch hohen Stellenwert er der engen kulturellen Zusammenarbeit beider Staaten beimaß.15 Und auch das Projekt einer zwischenstaatlichen Übereinkunft fand sein Wohlgefallen. Ende Juli 1950 kam er mit dem Leiter des Kulturreferates, Rudolf Salat, überein, einen Text mit folgendem Inhalt auszuarbeiten: Förderung des Hochschullehrer-, Junglehrer- und Lektorenaustauschs; Erleichterung der Erteilung von Visa für Studentenreisen; Schutz der Kulturinstitute; Einrichtung von Volontärsstellen für junge Ärzte, Techniker etc.; Anerkennung von Schulzeugnissen; Unterstützung von Kunstausstellungen.16 Schmittlein und Salat vereinbarten schließlich die Redaktion eines Rahmenabkommens mit einer kulturellen »Meistbegünstigungsklausel«, mußten dann aber hinnehmen, daß ihre
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Arbeit von akuten politischen Meinungsverschiedenheiten ihrer Regierungen über die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik, die Saarfrage und europäische Einigung überschattet wurde.17 Erst als Mitte März 1951 ein Durchbruch in den zwischenstaatlichen Beratungen über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl gelang, erklärte sich Frankreichs Außenminister Robert Schuman bereit, die bisherigen Vorgespräche über das deutsch-französische Kulturabkommen auf die Ebene offizieller Verhandlungen zu heben. Salat empfahl Adenauer daraufhin mit Nachdruck, dieses Angebot anläßlich der bevorstehenden Unterzeichnung des EGKS-Vertrages in Paris anzunehmen und aus taktischen Erwägungen in den Wunsch zu kleiden, mit Frankreich unbedingt das e r s t e Kulturabkommen nach der Gründung der Bundesrepublik abschließen zu wollen.18 Ohnehin vom Wunsch beseelt, seine Reise an die Seine als außenpolitischen Erfolg zu zelebrieren, ließ der Kanzler eine umfassende, auch ein »traité culturel« enthaltende Wunschliste für seine Konsultationen ausarbeiten, die Anfang April dem französischen Hohen Kommissar in Bonn übergeben wurde.19 Wenngleich André François-Poncet Adenauers Kalkül, aus dem Abschluß des Montanvertrages politisches Kapital zu schlagen, nicht behagte, ließ er keinen Zweifel daran aufkommen, wie sehr es im französischen Sinne war, dessen Absichten nicht zu durchkreuzen.20
Hemmnisse Die in beiden Kapitalen erhofften Fortschritte in den Beratungen über das Kulturabkommen blieben indes aus, und zwar vor allem deshalb, weil sich die politischen Rahmenbedingungen wandelten. Die Bundesrepublik verbuchte erste Teilerfolge auf dem Weg zur Souveränität und wirtschaftlichen Gesundung; die »disparité des années précédentes, entre l’occupant et l’occupé«, nahm ab.21 Noch im Februar hatte François-Poncet Schuman gegenüber die kulturpolitischen Aktivitäten seiner Behörde in rosigen Farben beschrieben.22 Wenige Monate später mußte er erkennen, daß die Hohe Kommission ihre Ambitionen zum zweiten Mal nach 1949 zurückzuschrauben hatte. Geradezu symptomatisch für den Zustand der deutschfranzösischen Kulturbeziehungen waren die Schwierigkeiten, denen sich Hausenstein in seinem unermüdlichen Bemühen um eine klimatische Verbesserung des bilateralen Verhältnisses ausgesetzt sah. Mit Rücksicht auf die historischen Belastungen hatten die kulturellen Aktivitäten zwischen der Bundesrepublik und Frankreich ganz im Zeichen von Theateraufführungen, Ausstellungen, Operninszenierungen, Vorträgen, der Förderung des Sprachunterrichts und einem deutsch-fran-
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zösischen Schüler- und Studentenaustausch begonnen. Dabei setzten schon früh ein Bedeutungsverlust der in der Zwischenkriegszeit dominierenden offiziösen und privaten Trägergruppen und ein »Etatisierungsprozeß« ein, das heißt eine Alimentierung der zivilgesellschaftlichen Verständigungsinitiativen mit öffentlichen Mitteln.23 Städtepartnerschaften und Jugendaustausch schufen zwar seit 1950 eine Basis für direkte menschliche Begegnungen.24 Doch der so erreichte Personenkreis blieb begrenzt, zumal mentale Schranken und der nach dem Krieg noch nicht aufgehobene Paß- und Sichtvermerkszwang das Reisen behinderten. Wie glatt das Parkett bei der Anbahnung kultureller Kontakte war, zeigte sich im Februar 1951 anläßlich der Eröffnung der Ausstellung Chefs d’œuvre des Musées de Berlin. Die von Hausenstein mit großem Engagement mitvorbereitete Ausstellung stieß zwar auf sensationelle Resonanz und sollte sich als »Höhepunkt« der Pariser Kunstsaison des Jahres erweisen.25 Die bei der Zeremonie im Petit Palais von der Presse gemachten Aufnahmen von einem mit Außenminister Schuman ungezwungen plaudernden deutschen Generalkonsul blieben den Pariser Zeitungslesern aber vorenthalten, weil das Ministerium glaubte, sie dem Publikum nicht zumuten zu können.26 Trotz des überwältigenden Erfolgs einer weiteren Hausensteinschen Kulturaktivität, der Ausstellung Impressionistes et romantiques français dans les musées allemands in der Pariser Orangerie 27, waren die Kulturbeziehungen offenbar so stark von den Zeitläufen der Großen Politik – von der Saarfrage, der fortgesetzten Debatte über die Wiederbewaffnung und den Verhandlungen über die Revision des Besatzungsstatuts – belastet, daß Schmittlein entnervt die Konsequenzen zog und nach den französischen Parlamentswahlen im Juni in die Assemblée Nationale wechselte. Da der Quai d’Orsay die Entscheidung über seine Nachfolge monatelang aufschob, kamen die Beratungen über das Kulturabkommen trotz eindringlicher Bitten des Auswärtigen Amts um Forcierung zum Erliegen. Der die Gespräche interimistisch fortführende Alain Peyrefitte aus dem Stab Schmittleins verlangte nun von der Bundesregierung eine Mitzeichnung der Bundesländer beim Abschluß des Kulturabkommens, was in Bonn staatsrechtlich als untragbar galt, weil man das Gebiet der auswärtigen Kulturbeziehungen für sich reklamierte und den Ländern nur ein Konsultationsrecht zugestehen mochte.28
Neue Belastungen Personell gesehen einen »entscheidenden Schritt vorwärts« bewegten sich die Vorbesprechungen über das Kulturabkommen im Spätherbst 1951, als der Quai d’Orsay Henry Spitzmuller zum neuen Leiter des Département de l’Éducation publique im französischen Hochkommissariat ernannte.29 In der Sache jedoch
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änderte sich nicht viel, denn die ungeklärte Frage der kulturpolitischen Richtlinienkompetenz in der Bundesrepublik lastete vor dem Hintergrund einer nun dem Ende entgegen gehenden »transition period« der französischen auswärtigen Kulturpolitik auch weiterhin als Hypothek.30 Schon die erste Begegnung zwischen dem neuen französischen Verhandlungsführer und seinem deutschen Counterpart am 28. November war ernüchternd. Spitzmuller unterstrich sein persönliches Interesse an einem erfolgreichen Abschluß der Beratungen, kam aber nicht umhin, die grundsätzlich »geringe Begeisterung« des Quai d’Orsay herauszustellen. Nähere Aufschlüsse gab er keine, doch Salat wußte auch so, warum es hakte. Es sei doch nur ein Rahmenabkommen geplant, versuchte er Spitzmuller zu beruhigen. Doch die Wirkung seiner Worte hielt sich in Grenzen.31 Immerhin zeigte sich das Pariser Außenministerium nach der Prüfung eines von ihm am folgenden Tag überreichten Vierzehn-Punkte-Programms zur Skizzierung der deutschen Ansichten generell zur Fortsetzung der Gespräche bereit. Indem der Quai d’Orsay seinen Diplomaten aber Mitte Dezember anwies, die Einbeziehung der Bundesländer sowohl in die Vorverhandlungen als auch in den offiziellen Vertragsabschluß einzufordern, erschwerte er die Konsultationen ganz erheblich. Aus Spitzmullers hartnäckig verfochtenen Thesen ließ sich neben der Absicht zur Stärkung des deutschen Föderalismus unschwer die Sorge heraushören, daß die Bundesregierung in der für Frankreich so eminent wichtigen Frage des Fremdsprachenunterrichts keine bindende Zusage würde machen können.32 Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatte die IV. Republik in Deutschland größte Anstrengungen zur Vermittlung der französischen Sprache als dem zentralen Medium zur Erfüllung seiner kulturellen Mission unternommen, dabei aber nur bescheidene Erfolge erzielt.33 Während die französischen Schüler vom Unterrichtsministerium und der Lehrerschaft ermuntert wurden, Deutsch zu lernen, und an höheren Schulen zwischen Englisch und Deutsch frei wählen durften, mußten ihre deutschen Altersgenossen meist Englisch »büffeln«. Obwohl der Bundesregierung diese Entwicklung keineswegs behagte, erlaubte ihr die Kulturhoheit der Länder nicht gegenzulenken. Spitzmüller pochte daher darauf, in direkten Kontakten mit Bund und Ländern das Französische dem Englischen im deutschen Fremdsprachenkanon gleichberechtigt zur Seite zu stellen, was Salat pflichtschuldigst zurückwies. Seine etwas blauäugige Argumentation, auch eine allgemein gehaltene Zusage der Bundesregierung könne die unbefriedigende Situation des Französischunterrichts in der Bundesrepublik verbessern, konnte Spitzmuller nicht überzeugen. Da er aber keinen Abbruch der Beratungen riskieren wollte, schlug er als Kompromiß die Aufnahme eines Passus in den Vertragstext vor, der es Frank-
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reich erlaubte, gegebenenfalls zur Durchführung gewisser Artikel Abmachungen mit den Ländern im Sinne von Ausführungsbestimmungen treffen zu dürfen.34
Stagnation Zu seinem Verdruß fiel dieses Lösungsmodell nicht bei Salat, wohl aber im Pariser Außenministerium sang- und klanglos durch. Ein vom Quai d’Orsay formulierter Vorentwurf zum Kulturabkommen, der am 9. Februar 1952 in Bonn eintraf, sah nicht nur die für das Auswärtige Amt »vollkommen undiskutierbar[e]« Mitzeichnung der Bundesländer 35, sondern auch deren Einbeziehung in die Vertragsverhandlungen vor. Salat ließ sechs Wochen verstreichen und forderte Spitzmuller dann dazu auf, sämtliche Passagen im Vertragstext zu tilgen, in denen von einer Mitwirkung der Länder die Rede war 36. Trotz des an der Seine bereits laut werdenden Rufs nach einem Abbruch der Gespräche gab Paris dann Anfang Mai überraschend nach – kaum zufällig zu jenem Zeitpunkt, als in den internationalen Verhandlungen über die Ablösung des Besatzungsstatuts und die Schaffung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft die heiße Phase begann. Nachdem Bonn garantiert hatte, daß die deutschen Kultusminister vor Abschluß des Abkommens eingehend ihren Standpunkt darlegen dürften, legte Peyrefitte dem Auswärtigen Amt am 13. Mai einen zweiten Vorentwurf vor, der auch den übrigen interessierten deutschen und französischen Ministerien zur Stellungnahme zugestellt wurde. Sollte er auf einen baldigen Abschluß der Konsultationen gehofft haben, mußte er sich eines Besseren belehren lassen. Denn die Bundesregierung legte sich abermals quer. Auf ihren Widerspruch stieß diesmal der Artikel 7, der dazu verpflichtete, in Schulen und Universitäten den Unterricht der Sprache des Vertragspartners, »die den Schülern auf gleicher Stufe mit der meistbegünstigten Fremdsprache als Wahlfach vorzuschlagen ist, so weit wie möglich zu fördern.« 37 Deutsche Lehrpläne sahen derartige Pflichtwahlfächer nicht vor; eine Änderung der Curricula schien für Bonn aussichtslos. Um eine abermalige Blockade der Beratungen zu vereiteln, verständigte sich das Auswärtige Amt mit der französischen Hohen Kommission darauf, die Kultusminister mit der Neuformulierung des fraglichen Absatzes zu beauftragen.38 Im Überschwang der vom ansonsten herrschenden Konsens ausgehenden Gefühle hofften einige französische Diplomaten, den Abschluß des Kulturabkommens mit der Unterzeichnung des Deutschlandvertrags am 25. Mai verbinden zu können – vergeblich. Nachdem der Termin verstrichen war, sprach sich Schuman dafür aus, das Abkommen zumindest vor der parlamentarischen Behandlung des General- und EVG-Vertrags unter Dach und Fach zu bringen.39 Doch auch diese Zeitplanung war ob der von den zuständigen Behörden nun vorgebrachten Sonder-
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wünsche rasch Makulatur. Das französische Erziehungsministerium wollte die Gründung kultureller Einrichtungen von der Billigung der örtlichen Stellen abhängig machen, was nur heißen konnte, daß deutsche Kulturinstitute nicht in allen französischen Städten willkommen waren.40 Die deutsche Diplomatische Vertretung in Paris wünschte das kulturelle und geistige Leben der dauerhaft im jeweils anderen Land lebenden Deutschen und Franzosen vertraglich abzusichern. Die deutschen Kultusminister begehrten die Streichung des Artikels 14, der ihnen das Recht einräumte, mit Zustimmung des Bundes Sondervereinbarungen mit Frankreich über sie betreffende Anwendungsfälle des Kulturabkommens zu schließen.41 Nach Prüfung aller Eingaben arbeitete das Auswärtige Amt Anfang Dezember einen neuen Entwurf mit bemerkenswerten Änderungen aus. Er beschränkte die Förderung von Lehrveranstaltungen an Universitäten auf Vorlesungen und unterwarf die Gründung kultureller Einrichtungen der »Beachtung der im Lande selbst für die Errichtung solcher Institute maßgeblichen Vorschriften«. Der umstrittene Artikel 7 besagte nun, daß die Sprache des Vertragspartners an höheren Schulen bei angemessener Berücksichtigung der Leistungen der Schüler obligatorisch oder bei Bedarf fakultativ gelehrt werde. Ein neuer Paragraph nahm die Anregung der deutschen Vertretung in Paris auf, der von den Kultusministern kritisierte Artikel 14 entfiel.42 Diese noch durch den Wunsch der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amts nach einer Berlinklausel ergänzten Vorstellungen stießen in Frankreich indes auf wenig Gegenliebe. Ohnehin wehte in den deutsch-französischen Beziehungen seit dem Sturz der Regierung Pinay/Schuman Anfang Januar 1953 ein scharfer Wind, der auch die Kulturverhandlungen in Turbulenzen versetzte. Wenngleich dem Auswärtigen Amt nicht an einer Verhärtung der Beratungen gelegen war, bekam der von Spitzmuller eine Woche später übersandte Gegenentwurf keinen Beifall.43 Nach viermonatigen schwierigen Verhandlungen mit dem Pariser Außen- und dem Erziehungsministerium kamen die französische Hohe Kommission und das Auswärtige Amt überein, einen weiteren Vertragsentwurf zu erstellen. Abgefaßt in der Überzeugung, »daß eine fruchtbare Zusammenarbeit und ein gesteigerter Austausch zwischen dem deutschen und dem französischen Volk auf kulturellem Gebiet die Sache des Friedens und der europäischen Integration nur fördern können«, bekannten sich beide Seiten zu der Notwendigkeit, die »Kenntnis und das umfassendste Verständnis des Geisteslebens und der Kultur des Nachbarlandes« vermitteln zu müssen. Konkret strebten sie dazu in Hochschulen die Einrichtung regelmäßiger Lehrgänge für den Unterricht über Sprache und Kultur des anderen Landes sowie die Gründung kultureller Einrichtungen wie deutsch-französischer Hochschulinstitute und Studienzentren an. Sie erklärten sich bereit, den Austausch
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von Professoren, Lektoren, Assistenten und Leitern kultureller Zusammenschlüsse zu organisieren, Ferienkurse zu unterstützen, die Zusammenarbeit zwischen den Jugendorganisationen zu begünstigen, Beihilfen und Stipendien für dessen Staatsangehörige bereitzustellen. Nach Artikel 7 hatten die Regierungen »soweit irgend möglich« Sorge dafür zu tragen, daß an Universitäten und höheren Schulen Unterricht in der Sprache und zur Literatur des Partners gegeben und den Schülern Deutsch beziehungsweise Französisch als erste oder zweite obligatorische moderne Sprache zur Wahl gestellt würde. Beide Parteien verpflichteten sich außerdem dazu, auf eine Anerkennung der Diplome und Zeugnisse hinzuarbeiten und kulturelle Veranstaltungen zu begünstigen. Die bisher in Artikel 9 erwähnte freie Einfuhr von Werken und Dokumenten kulturellen Charakters wurde separat aufgeführt und in der Aussage bekräftigt. In einem zusätzlichen Paragraphen bestätigten die Vertragspartner ferner, zur Lösung finanzieller Probleme beizutragen, die sich aus dem kulturellen Wirken des Partners auf ihrem Gebiet ergäben. Sie versicherten des weiteren, die Beschaffung von Visa für die relevanten Personenkreise zu erleichtern, erklärten die Absicht, sich im Hinblick auf die Wahrnehmung der gemeinsamen Kulturinteressen im Ausland zu konsultieren, und unterstrichen das Objektivitätsgebot in Lehrbüchern. Zur Lösung aller Fragen, die sich aus der Durchführung des Vertrags ergaben, wurde die Bildung eines ständigen Kulturausschusses vorgesehen. Ein neuer Passus dehnte den Geltungsbereich des Abkommens für den Fall einer entsprechenden Erklärung der Bundesregierung gegenüber Frankreich auf Berlin aus. Die Vertragsdauer wurde bemerkenswerterweise nicht mehr präzisiert, statt dessen der Wunsch nach einer möglichst baldigen Ratifizierung geäußert.44 Auswärtiges Amt und Kultusministerkonferenz zeigten sich mit dem Text im großen und ganzen zufrieden. Nur die Frage des Sprachunterrichtes und die Forderung nach separaten Abmachungen zwischen Frankreich und den Bundesländern bereitete in beiden Behörden weiterhin Kopfzerbrechen. Und dieses Problem sollte auch nach einem weiteren Jahr nicht beseitigt sein. Adenauer hatte sich zwar nach seinem grandiosen Wahlsieg vom September 1953 Gedanken über eine »Vertiefung des deutsch-französischen Verhältnisses« auch auf kulturellem Gebiet gemacht.45 Doch das fehlende Einvernehmen zwischen Bund und Ländern ließ ihm ungeachtet der gestärkten innenpolitischen Position und des echten Wunsches nach einer intensiveren Zusammenarbeit hinsichtlich des Kulturabkommens keinen Handlungsspielraum. Spitzmullers Klagen über den ihn kompromittierenden Stillstand der Beratungen und seine Warnungen vor einer abermaligen Verhärtung der französischen Position verhallten am Rhein ungehört.46
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Durchbruch Zu einer Auflösung der gegenseitigen Blockade kam es erst, als Adenauer sich im Vorfeld der für die Bundesrepublik so schicksalsträchtigen Pariser Konferenzen im Oktober 1954 veranlaßt sah, die Angelegenheit zur Chefsache zu erklären. Die Vertiefung des nachbarlichen Verhältnisses, die er mit dem französischen Regierungschef Pierre Mendès France einzuleiten beabsichtigte, war für ihn ohne die Einbeziehung der Kultur nicht denkbar. Denn an seiner 1949 im ZEIT-Interview geäußerten Überzeugung von der Bedeutung des deutsch-französischen Kulturaustauschs hatte sich nichts geändert. Am 19. Oktober trug der Kanzler dem Président du Conseil am Rande der internationalen Beratungen über die Aufhebung des Besatzungsstatuts und die Aufnahme der Bundesrepublik in die NATO auf Schloß La Celle-St.-Cloud einen umfangreichen kulturpolitischen Wunschzettel vor, dem Mendès France kommentarlos zustimmte.47 Damit war das Eis gebrochen. Noch am selben Abend klärten Beamte des Auswärtiges Amts und des Quai d’Orsay das Problem des Schriftwechsels zum Artikel 7. In einem Entwurf unterstrich Mendès France die Erwartung, daß die französische Sprache und Literatur in höheren Schulen der Bundesrepublik analog zu den Bedingungen des Deutschunterrichts in Frankreich gelehrt würden. Um diese Frage einer dem Geist des Kulturabkommens entsprechenden Lösung zuzuführen, sollte der gemeinsame Kulturausschuß Vorschläge ausarbeiten, die die Bundesregierung der Kultusministerkonferenz und den Länderregierungen zur wohlwollenden Prüfung zu empfehlen hatte. Den Bonner Vorstellungen entsprechend, sah das Schreiben darüber hinaus die Beteiligung der Länder an der Arbeit des Kulturgremiums vor.48 Nachdem Salat die Vorlage als »Einlenken der Franzosen« ausgegeben hatte 49, schickte der Chef der Politischen Abteilung im Auswärtigen Amt, Herbert Blankenhorn, den Vortragenden Legationsrat Frahne nach Paris, um die letzten offenen Textstellen klären zu lassen50. Am 22. Oktober war das Werk vollbracht. Tags darauf unterzeichneten Adenauer und Mendès France sowie der französische Erziehungsminister Jean Berthoin das Kulturabkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Französischen Republik. In seiner definitiven Form stimmte das für die Bonner Republik tatsächlich erste zwischenstaatliche Kulturabkommen, von wenigen redaktionellen Federstrichen abgesehen, mit der Fassung vom Juli 1953 überein. Nur zwei Punkte hatten sich erheblich geändert. Die Vertragsdauer war nun auf »mindestens« fünf Jahre festgelegt, die im Artikel 7 ehedem erwähnte Sondervereinbarung mit den Bundesländern gestrichen.51 Als Ersatz richtete Mendès France das vereinbarte Schreiben
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an Adenauer, der ihm umgehend schriftlich mitteilte, daß die dargestellte Disposition seine »volle Unterstützung« fände.52 Das Echo auf das erfolgreiche Ende der vierjährigen Beratungen fiel beiderseits des Rheins auffallend schwach aus.53 In der Sicht der meisten Beteiligten rangierte das Kulturabkommen weit hinter jenen Pariser Vereinbarungen, die die politischen, militärischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Frankreich und der Bundesrepublik betrafen. Mendès France verlor in einer Rundfunkansprache zum Abschluß der Pariser Konferenzen nicht ein Wort über das Dokument.54 Den Abgeordneten der Assemblée Nationale schien es offenbar so unwichtig, daß sie im Ausschuß für Erziehung und Unterricht einen kommunistischen Kollegen zum Berichterstatter erkoren. Weder Blankenhorn noch François-Poncet oder Hausenstein gingen in ihren veröffentlichten Tagebüchern beziehungsweise Memoiren auf den Kontrakt ein und relativierten damit erheblich die in Sonntagsreden so gern herausgekehrte Bedeutung der Kultur für die Verständigung zwischen den Völkern. Allein Adenauer erachtete den Vertrag der Erwähnung in seinen Erinnerungen für wert.55
Neue Belastungen Dem Willen der deutschen Diplomatie nach sollte der Abschluß des deutsch-französischen Kulturabkommens den Beginn einer von Gleichberechtigung geprägten neuen Phase bilateraler Kulturbeziehungen markieren. Denn Frankreich stimmte implizit dem Petitum zu, sich dem »deutschen Einfluß ebenso offen dar[zu]biete[n], wie das Deutschland in bezug auf Frankreich tut«.56 Dieser »Akt des Willens, die beiden größten Kulturträger Europas wieder miteinander zu verbinden«, setzte zunächst die Umsetzung der Vereinbarungen voraus.57 Sollten die Staatsmänner in Bonn und Paris glauben, in La Celle-St.-Cloud die jahrelang traktierten Schwierigkeiten beseitigt zu haben, so wurden sie bald vom Gegenteil überzeugt. Der Kunstgriff des Briefwechsels hatte die Crux des Abkommens, Materien regeln zu wollen, die in der Bundesrepublik zum großen Teil in die Zuständigkeit der Länder fielen, eben nicht bereinigt. Wenige Wochen nach den geschichtsmächtigen Verhandlungen von Paris wurden die Kabinette am Rhein und an der Seine von dem Gerücht aufgeschreckt, die Bundesländer planten im Rahmen ihrer Bemühungen um eine Harmonisierung des Unterrichtswesens Beschlüsse zu Gunsten des Englischen als vermeintlicher oder tatsächlicher Weltsprache. In gewisser Weise rächte sich nun, daß Frankreich im Zuge der Beratungen über das Bonner Grundgesetz 1948/49 durch Betonung des föderativen Prinzips die Stellung des Bundes geschwächt hatte. Der Quai d’Orsay
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war aber nicht bereit, diesen Affront hinzunehmen. Bonn machte sich aus »kulturund außenpolitischen Erwägungen« umgehend zum Sprachrohr der Pariser Warnungen 58, doch hielt das die Regierungschefs der Länder nicht davon ab, ohne Rücksprache mit dem Auswärtigen Amt Mitte Februar 1955 eine Vereinbarung abzusegnen, die Englisch zur ersten Fremdsprache erhob. Französisch setzten sie gleichberechtigt neben Latein auf den zweiten Platz; eine Umkehrung der Prioritäten sollte nur in Ausnahmefällen möglich sein.59 Dieses Düsseldorfer Schulabkommen schlug in Politik und Presse hohe Wellen. Welchen Wert, so lautete die Kardinalfrage der Kommentatoren, besaß eigentlich das deutsch-französische Kulturabkommen, wenn ein Vertragspartner nicht zur Umsetzung fähig war? 60 Man mußte nicht der Meinung beipflichten, daß sich allein auf kulturellem Gebiet entscheiden sollte, ob die Politik der Einigung Europas zum Stillstand kommen würde, um den Vorstoß der Bundesländer als »regrettable« zu bezeichnen.61 Gewiß, der von François-Poncet erhobene Vorwurf, die Bundesregierung trage wegen ihres Desinteresses eine Mitschuld an der Malaise, war unberechtigt. Des Kanzlers Poltern gegen die Macht der Länderchefs und das Abwiegeln seines Staatssekretärs Walter Hallstein wirkten allerdings wenig überzeugend.62 Da die Kultusministerkonferenz der Länder die Schelte nicht auf sich sitzen lassen wollte, führte sie einen statistischen Vergleich der Quantitäten des Fremdsprachenunterrichts dies- und jenseits des Rheins durch, der ein erstaunliches Ergebnis zutage förderte: Abgesehen von Elsaß und Lothringen erlernten die französischen Kinder auf den höheren Schulen Deutsch meist als zweite Sprache, und zwar höchstens vier Jahre. Nur die erste Fremdsprache wurde sieben Jahre gelehrt. In der Bundesrepublik hingegen dauerte der Französischunterricht zwischen vier und neun Jahren. Aufgrund dieser Zeiträume und der unterschiedlichen Stundendeputate erschien der Kultusministerkonferenz das aus dem Kulturabkommen abgeleitete Verlangen der Franzosen »in keiner Weise gerechtfertigt«.63 Als die Minister im April per Grundsatzbeschluß bestimmten, den Schülern in einer Durchführungsverordnung die Wahl zwischen Französisch und Latein als zweiter Fremdsprache freizulassen, glaubte die Bundesregierung, den rettenden Anker in Händen zu halten. Vollmundig versicherte Hallstein François-Poncet, es werde auch nach Inkrafttreten des Düsseldorfer Schulabkommens keine Verschlechterung des Französischunterrichts geben.64 Zur Genugtuung der Bundesregierung stellte sich mit der von den Kultusministern in Aussicht gestellten Regelung in Paris eine gewisse Beruhigung ein. Um so wichtiger war es nun, die von den Ländern bereiteten Schwierigkeiten bei der
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Ratifizierung des Kulturabkommens zu überwinden. Adenauer schlug sich eindeutig auf die französische Seite und sagte Außenminister Pinay Zeitungsberichten zufolge gar eine Revision zu.65 Kurz darauf entschied der Kanzler, den Vertrag nicht – wie von Hallstein vorgesehen – dem Bundesrat zur Zustimmung zuzuleiten.66 Trotz erheblicher Bedenken stimmten die Rechtsexperten im Auswärtigen Amt dieser Order zu, rieten aber dringend, das Dokument zumindest durch den Bundespräsidenten gegenzeichnen zu lassen.67 Mit der Unterzeichnung durch Bundespräsident Heuss und dem Austausch der Ratifikationsurkunden am 26./28. Juli konnte das Kulturabkommen endlich in Kraft treten.68
Dissonanzen Bereits gut zwei Monate zuvor, am 5. Mai, hatten die übrigen Pariser Verträge Rechtskraft gewonnen. Nach dem Selbstverständnis der politisch Verantwortlichen in Bonn und Paris läuteten sie in den bilateralen Beziehungen eine Ära der »bonne entente« ein, in der die Animositäten und Differenzen der vergangenen Jahre zugunsten des entschiedenen Willens zur vertrauensvollen Zusammenarbeit zurücktreten sollten.69 Der Beitrag des deutsch-französischen Kulturabkommens zu diesem Abbau der »Hypothek des Mißtrauens« blieb vorerst beschränkt.70 Die französische Presse wetterte erneut gegen das Düsseldorfer Schulabkommen und fand im Deutschen Romanistenverband kämpferische Mitstreiter.71 FrançoisPoncet verstieg sich gegenüber dem neuen Bundesaußenminister Heinrich von Brentano gar zu dem Vergleich, daß Deutschland schon einmal die englische Sprache bevorzugt habe – im »Dritten Reich«.72 Zu den alten Querelen gesellten sich bald neue. Geradezu kleinkariert wirkte der langjährige Streit über die Gründung eines deutschen Studentenwohnheimes in der Cité Universitaire de Paris.73 Kaum weniger Verdruß bereitete den um kulturellen Austausch Bemühten der Zwist unter Bonner Behörden über die Bestallung der deutschen Mitglieder des Ständigen Kulturkomitees. Erst als François-Poncet im November 1956 damit drohte, den Vorsitz der schon im Oktober 1955 ernannten französischen Abteilung niederzulegen, endete das Kompetenzgerangel am Rhein. Zweieinhalb Jahre nach dem Abschluß des Kulturabkommens konnte die Gemischte Kommission endlich ihre Arbeit aufnehmen; übrigens ohne den als Leiter der deutschen Sektion ursprünglich vorgesehenen Hausenstein, der seine Zusage zurückgezogen hatte, um nicht als »Feigenblatt für gewisse Unergiebigkeiten« des Auswärtigen Amts zu dienen.74 Während in der politischen Sphäre der deutsch-französischen Beziehungen bald jener Prozeß einsetzte, den Charles de Gaulle als »Wunder unserer Zeit« be-
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zeichnen sollte, blieb dieses Mirakel im Bereich der Kultur aus.75 Wenngleich die Ursachen dafür von der historischen Forschung noch nicht vollständig erfaßt worden sind, kann doch als gesichert gelten, daß sie auch mit dem Glauben Frankreichs an seine kulturelle Sendung und den Diskrepanzen zwischen den kulturpolitischen Wünschen und dem finanziell Machbaren zusammenhingen. Deutsche Kommentatoren warfen den westlichen Nachbarn vor, sich gegenüber dem deutschen Kultureinfluß abzuschirmen, selbst aber massives Missionsgebaren an den Tag zu legen. Von dem 1954 beschlossenen kulturp o l i t i s c h e n Gleichgewicht konnte keine Rede sein, wie etwa die Tatsache zeigt, daß den 21 französischen Kulturinstituten in der Bundesrepublik 1962 lediglich drei deutsche Zentren in Frankreich gegenüberstanden.76 Der Etatisierungsprozeß setzte sich ungeachtet zahlreicher privater Initiativen fort, doch die Erträge fielen nicht gerade üppig aus. Und auch im nichtstaatlichen Kulturaustausch gab es Defizite, wie ein Blick ins Theaterwesen belegt, der Erhellendes zu den Mentalitäten beider Völker und ihrem Verhältnis zwischen dem »Eigenen« und dem »Fremden« verrät: Während deutsche Bühnen seit Mitte der fünfziger Jahre in großer Fülle französische Autoren von Anouilh bis Sartre in ihr Repertoire aufgenommen hatten, beschränkte sich das Interesse in der Gegenrichtung weitgehend auf Brecht.77 Auf der Habenseite der Bilanz durfte die Eröffnung der Deutschen Historischen Forschungsstelle Paris im November 1958 verbucht werden, avancierte sie doch rasch zu einem »Bindeglied zwischen deutscher und französischer Geschichtswissenschaft«.78 Notabene stand auch hier am Anfang des Erfolgs die Bereitschaft der Politik, Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Und die Geschichtswissenschaft markierte keinen Spezialfall, vielmehr die Regel in der bilateralen Wissenschaftskooperation, in der der Wille der Regierungen zur Anregung und Finanzierung neuer Projekte oder Institutionen stets »crucial« bleiben sollte.79
Defizite Bonn und Paris waren sich der Mißstände sehr wohl bewußt. Im Zuge der 1962 aufgenommenen Konsultationen über ein deutsch-französisches Freundschaftsabkommen herrschte zwischen Adenauer und de Gaulle Einvernehmen darüber, die auswärtige Kulturpolitik neben den Bereichen Politik und Verteidigung als gleichberechtigte dritte Säule einzubeziehen – für Frankreich eine willkommene Gelegenheit, seine Bemühungen um eine Vertiefung des kulturellen Austausches und des Fremdsprachenunterrichts zu forcieren.80 Trotz der im Freundschaftsvertrag vom 22. Januar 1963 fixierten unverbindlichen Formulierung hegte die französische Regierung abermals die Hoffnung, eine
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Ausweitung des Französischunterrichts in der Bundesrepublik erreichen zu können.81 Doch anstatt ihre Beschlüsse von 1955 zu korrigieren, schrieben die Bundesländer im Hamburger Schulabkommen vom 28. Oktober 1964 Englisch entgegen den Empfehlungen der Gemischten Kulturkommission als erste lebende Fremdsprache für die deutschen Curricula fest.82 Sieben Jahre später erfolgte zwar nach massivem Einspruch Frankreichs im Änderungsabkommen vom 14. Oktober 1971 eine Revision, derzufolge den deutschen Schülern andere moderne Sprachen, aber auch Latein als erste Wahl offenstehen sollte, sofern die Erfordernisse der Einheitlichkeit des bundesdeutschen Schulwesens gewahrt würden.83 De facto blieb das Erlernen des Französischen als erste Fremdsprache an deutschen Schulen aber die große Ausnahme. Mag es auch keinen Anlaß geben, weder von einer »sprachlosen« noch von einer kulturlosen Freundschaft zwischen der Bundesrepublik und Frankreich zu reden, so hinkt die Wirklichkeit den im Kulturabkommen von 1954 fixierten Ambitionen doch immer noch hinterher.84 Vielleicht verleiht das Jubiläum der Unterzeichnung des Vertrags vor gut fünfzig Jahren einer gegenseitigen Durchdringung der Kulturen neuen Schub.
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1 Gemeinsame Erklärung der deutschen und der französischen Regierung über kulturelle Zusammenarbeit, 28. Oktober 1986; zit. nach Die deutsch-französischen Beziehungen seit 1963. Eine Dokumentation, hrsg. von Adolf Kimmel und Pierre Jardin, Opladen 2002 (Frankreich Studien, Bd. 6), S. 268–272, S. 269. 2 Siehe Ulrich Lappenküper: »Sprachlose Freundschaft«? Zur Genese des deutsch-französischen Kulturabkommens vom 23. Oktober 1954, in: Lendemains XXI-84/1996, S. 67–82. 3 Robert Picht: Die Fremdheit des Partners: genügen die kulturellen Beziehungen?, in: Das Bündnis im Bündnis. Deutsch-französische Beziehungen im internationalen Spannungsfeld, hrsg. von dems., Berlin 1982, S. 193–219, S. 193. 4 Zit. nach Jérôme Vaillant: Frankreichs Kulturpolitik in Deutschland 1945–1949, in: Franzosen und Deutsche am Rhein 1789–1918–1945, hrsg. von Peter Hüttenberger und Hansgeorg Molitor, Essen 1989, S. 203–217, S. 203. 5 Siehe Angelika Ruge-Schatz: Umerziehung und Schulpolitik in der französischen Zone 1945– 1949, Frankfurt am Main / Bern / Las Vegas 1977; Bernard Trouillet: Das deutsch-französische Verhältnis im Spiegel von Kultur und Sprache, Weinheim und Basel 1981; Französische Kulturpolitik in Deutschland 1945–1949. Berichte und Dokumente, hrsg. von Jérôme Vaillant, Konstanz 1984; Georges Cuer: L’action culturelle de la France en Allemagne occupée 1945–1949, in: Revue d’Histoire Diplomatique CI-1–2/1987, S. 7–60; Frankreichs Kulturpolitik in Deutschland, 1945–1949, hrsg. von Franz Knipping und Jacques Le Rider, Tübingen 1987; Monique Mombert: Sous le signe de la rééducation. Jeunesse et Livre en Zone française d’Occupation (1945– 1949), Straßburg 1995; Martin Schieder: Expansion/Integration. Die Kunstausstellungen der französischen Besatzung im Nachkriegsdeutschland, München und Berlin 2004. 6 Stefan Zauner: Erziehung und Kulturmission. Frankreichs Bildungspolitik in Deutschland 1945–1949, München 1994. 7 Siehe den Bericht des Leiters der Abteilung für Öffentliche Bildung bei der französischen Militärregierung Raymond Schmittlein, Nr. 10711 DGAA/EDU, 27. Januar 1948, in: Französische Kulturpolitik in Deutschland 1984, S. 161–184. 8 Siehe Richard Gilmore: France’s Postwar Cultural Policies and Activities in Germany: 1945–1956, Diss. Genf 1971, Washington 1973;
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Jacques Bariéty: L’action culturelle française en République fédérale d’Allemagne de 1949 à 1955, in: Revue d’Allemagne XX/1988, S. 246– 260; Corine Defrance: La politique culturelle de la France sur la rive gauche du rhin 1945–1955, Straßburg 1994. Zum historischen Kontext grundlegend: Ulrich Lappenküper: Die deutschfranzösischen Beziehungen 1949–1963. Von der »Erbfeindschaft« zur »Entente élémentaire«, 2 Bde., München 2001. Siehe den Text des Besatzungsstatuts vom 10. April 1949, in: Europa-Archiv, 1949, S. 207 f. »Le plan de la culture et celui de la politique sont parallèles et […] il n’y a, pour ainsi dire, aucune incidence de l’un sur l’autre«; Hochkommissar François-Poncet an Außenminister Bidault, 31. März 1953, in: Les Rapports mensuels d’André François-Poncet, Haut-Commissaire français en Allemagne 1949–1955. Les débuts de la République Fédérale d’Allemagne, hrsg. von der Commission de Publication des Documents Diplomatiques Français und dem Institut Historique Allemand, bearb. von Hans Manfred Bock, 2 Bde., Paris 1996, Bd. 2, S. 910–927, S. 927. Siehe Franziska Wein: Deutschlands Strom – Frankreichs Grenze. Geschichte und Propaganda am Rhein 1919–1930, Essen 1992; Wilhelm Kreutz: Französische Rheintheorie und französische Kulturpolitik im besetzten Rheinland nach dem Ersten Weltkrieg, in: Das Rheinland in zwei Nachkriegszeiten 1919–1930 und 1945–1949, hrsg. von Tilman Koops und Martin Vogt, Koblenz 1995, S. 19–37. Interview mit Konrad Adenauer in Die ZEIT, 3. November 1949, wiederabgedruckt in: Die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich: Dokumente (BDFD), hrsg. von Horst Möller und Klaus Hildebrand, Bd. 1, bearb. von Ulrich Lappenküper, München 1997, S. 59–63, S. 63. Siehe Politisches Archiv des Auswärtigen Amts Berlin (PA), Abt. 2, Bd. 248, Bl. 62–70, Entwurf. Zur Tätigkeit Hausensteins in Paris siehe Ulrich Lappenküper: Wilhelm Hausenstein, Adenauers erster Missionschef in Paris, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 43/1995, S. 635–678; Peter Matthias Reuss: Die Mission Hausenstein (1950– 1955). Ein Beitrag zur Geschichte der deutschfranzösischen Beziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg, Sinzheim 1995; Laurence Blanc: Wilhelm Hausenstein. Un médiateur culturel et politique entre l’Allemagne et la France, Paris 1997.
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15 Siehe Fondation nationale des sciences politiques, Service de documentation, Assises Nationales RPF, Studie Raymond Schmittleins für die Assises Nationales des »Rassemblement du peuple français« vom 23.–25. Juni 1950, im Auszug abgedruckt in: BDFD, Bd. 3, bearbeitet von Herbert Elzer, München 1997, S. 875–878. Zu Schmittlein siehe Bariéty 1988, S. 251–258; Zauner 1994, S. 20–39; zur Struktur seiner Dienststelle, siehe Schieder 2003, S. 24–35. 16 Siehe PA, Abt. 6, Bd. 35, AZ 400-03/22, Kurzbericht Salat, 1. August 1950. 17 Ibid., BStS, Bd. 124, Aufzeichnung an Adenauer zu 401-01-22 II Kult/2364/51 Ang. 2, 9. April 1951. 18 Siehe ibid., Nachlaß (NL) Hausenstein, Bd. 9, Bl. 309, Notiz betr. deutsch-französisches Kulturabkommen, o. D. 19 Archives du Ministère des Affaires Etrangères Paris (AMAE), Europe 1944–1960, Allemagne, Bd. 376, Bl. 189 f., Aufzeichnung über eine Unterredung mit Blankenhorn vom 6. April 1951. 20 Siehe ibid., Généralités, Bd. 113, Bl. 9–11, François-Poncet an MAE, Tel. 2153/57, 6. April 1951. 21 Bariéty 1988, S. 257. 22 Siehe AMAE, Europe 1944–1960, Allemagne, Bd. 569, Bl. 17, François-Poncet an Schuman, Nr. 957 HC/CAB/INF, 6. Februar 1951. 23 Hans Manfred Bock: Wiederbeginn und Neuanfang – zu den deutsch-französischen Kulturbeziehungen 1945 bis 1955, in: Lendemains XXI84/1996, S. 58–66, S. 63. 24 Hans Manfred Bock: Europa von unten. Zu den Ursprüngen und Anfängen der deutsch-französischen Gemeindepartnerschaften, in: Gemeindepartnerschaften im Umbruch Europas, hrsg. von Annette Jünemann u.a., Frankfurt am Main u. a. 1994, S. 13–35; Corine Defrance: Les premiers jumelages franco-allemands 1950 –1963, in: Lendemains XXI-84/1996, S. 83–95; Kirsten Hoyer: Deutsche Jugendorganisationen und deutsch-französische Jugendkontakte in der Nachkriegszeit 1945–1955, in: ibid., S. 110–125. 25 PA, NL Hausenstein, Bd. 22, Bl. 1–4, Salat an Nostitz, Aufzeichnung 400-03-22 II Kult/2509/ 51, 6. April 1951. 26 Siehe Lappenküper 1995, S. 654. 27 Siehe ibid., S. 654 f.; Reuss 1995, S. 160–162. 28 Siehe ibid., Bd. 145, AZ 401-01/22, Vermerk an Schlegelberger 401-01-22 VI/8561/51, 15. November 1951.
29 PA, NL Hausenstein, Bd. 24, Bl. 1 f., Salat an Generalkonsulat (GK) Paris, 401-01-22 VI/08796/ 52, 16. Juni 1952. 30 Gilmore 1973, S. 221. 31 PA, Abt. 6, Bd. 36, AZ 400-03/22, Salat an Schlegelberger, Aufzeichnung 400-03-22 VI/9081/51, 29. November 1951; ibid., Bd. 145, AZ 40101/22, Salat an Peyrefitte, 401-01-22 VI/9082/51, 29. November 1951. 32 Siehe ibid., Salat an Schlegelberger, Aufzeichnung 401-01-22 VI/10039/51, 20. Dezember 1951. 33 Siehe Ansbert Baumann: Der sprachlose Partner. Das Memorandum vom 19. September 1962 und das Scheitern der französischen Sprachenpolitik in der Bundesrepublik Deutschland, in: Revue d’Allemagne XXXIV-1/2002, S. 55–75, S. 58–60. 34 Siehe PA, Abt. 6, Bd. 145, AZ 401-01/22, Salat an Schlegelberger, Aufzeichnung 401-01-22 VI/10039/51, 20. Dezember 1951. 35 Ibid., Salat an Schlegelberger, Aufzeichnung, 401-01-22 VI/3454/52, 10. März 1952; siehe ibid., Peyrefitte an Salat, 9. Februar 1952, nebst Entwurf eines deutsch-französischen Kulturabkommens. 36 Siehe ibid., Salat an Spitzmuller, 401-01-22 VI/2153/52II, 20. März 1952. 37 Ibid., Abt. 2, Bd. 249, Bl. 103–108, Entwurf eines deutsch-französischen Kulturabkommens, deutsche Übersetzung, o. D.; siehe Baumann 2002, S. 61. 38 Siehe PA, Abt. 6, Bd. 145, AZ 401-01/22, Aufzeichnung Salat, 401-01-22 VI/6828/52, 13. Mai 1952; ibid., Abt. 2, Bd. 249, Bl. 98, Aufzeichnung Salat 401-01-22 VI/7864/52, 14. Juni 1952; ibid., NL Hausenstein, Bd. 24, Bl. 1 f., Salat an GK Paris, 401-01-22 VI/08796/52, 16. Juni 1952. 39 Siehe Neue Zeitung, 23. Mai 1952; PA, Abt. 6, Bd. 146, AZ 401-01/22, Salat an Hallstein, Aufzeichnung 401-01-22 VI/7693/52, 27. Mai 1952; ibid., NL Hausenstein, Bd. 24, Bl. 1 f., Salat an Paris, 401-01-22 VI/8796/52, 16. Juni 1952. 40 Siehe ibid., Abt. 6, Bd. 146, AZ 401-01/22, Aufzeichnung Salat, 401-01-22 VI/7864/52, 29. Mai 1952. 41 Siehe ibid., von Walther an AA, 401-Tgb.Nr. 2181/52, 2. Juli 1952; ibid., Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder an Kulturabteilung des AA, Nr. IV 4160/52I, 8. November 1952. 42 Siehe ibid., Abt. 2, Bd. 249, Bl. 148, Bl. 25, Schlegelberger an diplomatische Vertretungen, 40101-22 VI/18729/52, 6. Dezember 1952; ibid., Bl.
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149–154, Entwurf eines deutsch-französischen Kulturabkommens, deutsche Übersetzung, o. D.; ibid., NL Hausenstein, Bd. 24, Bl. 25, Schlegelberger an diplomatische Vertretungen, 401-01-22 VI/18729/52 II, 6. Dezember 1952; Baumann 2002, S. 61. Siehe PA, Abt. 6, Spitzmuller an Salat, 10. Februar 1953, nebst Entwurf eines Kulturabkommens; ibid., Direction Générale des Affaires Culturelle du Haut Commissariat de la République Française, Modifications proposées à certaines articles du projet d’Accord culturel franco-allemand, 4. März 1953. Siehe ibid., NL Hausenstein, Bd. 24, Bl. 33–36, Entwurf eines deutsch-französischen Kulturabkommens, Übersetzung 104-01 1232/53, o. D. Herbert Blankenhorn: Verständnis und Verständigung. Blätter eines politischen Tagebuchs 1949 bis 1979, Frankfurt am Main / Berlin / Wien 1980, S. 173 (22. September 1953). Siehe PA, Abt. 6, Bd. 147, AZ 401-01-22, Hilgard an Salat, Aufzeichnung, 17. Oktober 1953; ibid., Salat an Spitzmuller, 401-01-22 VI/27209/53, 23. Oktober 1953. Siehe Aufzeichnung des AA, 18. Oktober 1954, in: BDFD, Bd. 2, bearb. von Andreas Wilkens, München 1997, S. 365–367, S. 367; PA, Abt. 3, AZ 210-01/22, Bd. 4, Blankenhorn und Hausenstein an von Welck, Tel. 634, 20. Oktober 1954; Kurzprotokoll des AA über die Pariser Konferenz, o. D., in: BDFD, Bd. 1, S. 464–469. Siehe PA, NL Hausenstein, Bd. 24, Bl. 44 f., Frahne an AA, Tel. 555, 19. Oktober 1954. Der Entwurf des Schreibens von Mendès France mitgeteilt in: ibid., Bl. 66. Ibid., Bl. 44 f., Frahne an AA, Tel. 555, 19. Oktober 1954. Siehe ibid., Bl. 46–48, Frahne an Hallstein, Aufzeichnung, 22. Oktober 1954; ibid., Bl. 67 f. und 73, Entwurf des Kommuniqués zur deutsch-französischen kulturellen Zusammenarbeit und Bemerkung zur Neufassung des letzten Absatzes, o. D. Siehe den Text in: BDFD, Bd. 1, S. 184–188; Aufzeichnung des MAE, [23.] Oktober 1954, in: Documents diplomatiques français (DDF) 1954, hrsg. vom Ministère des Affaires étrangères, Commission de Publication des Documents Diplomatiques Français, Paris 1987, S. 603–605. Adenauer an Mendès France, 23. Oktober 1954, in: Bundesgesetzblatt 1955, Teil II, S. 889; Mendès France an Adenauer, 23. Oktober 1954, in: ibid.
53 Siehe Margarete Sturm: Un texte tombé dans l’oubli: l’accord culturel franco-allemand du 23 octobre 1954, in: Allemagnes d’aujourd’hui 84/1983, S. 9–22, S. 17. 54 Siehe Rundfunkansprache Mendès France, 24. Oktober 1954, in: Pierre Mendès France: Œuvres complètes, Bd. 3 (Gouverner c’est choisir, 1954–1955), Paris 1986, S. 412–414. 55 Siehe Blankenhorn 1980; André FrançoisPoncet: Auf dem Weg nach Europa. Politisches Tagebuch 1942 bis 1962, aus dem Französischen von Inge Vielhauer, Berlin und Mainz 1964; Wilhelm Hausenstein: Pariser Erinnerungen. Aus fünf Jahren diplomatischen Dienstes 1950 –1955, München 1961; Konrad Adenauer: Erinnerungen 1953–1955, Stuttgart 1966, S. 370 f. und 382. 56 PA, Abt. 6, Ref. 600, Bd. 37, von Graevenitz an Blankenhorn, Aufzeichnung 600/400-03-22/ 32095, 18. Oktober 1954. 57 Mannheimer Morgen, 12. Mai 1955. 58 PA, NL Hausenstein, Bd. 24, Bl. 102 f., Frahne an Seitzer, 600/401-01-22/36106/54, 25. November 1954. 59 Siehe PA, NL Hausenstein, Bd. 24, Bl. 109–112, von Graevenitz an Hallstein, 604/431-09/4929/ 55, 24. Februar 1955; Düsseldorfer Schulabkommen, 16./17. Februar 1955, in: Fremdsprachenunterricht in amtlichen Verlautbarungen, hrsg. von Herbert Christ und Elisabeth Liebe, Augsburg 1981, S. 166 f.; siehe Baumann 2002, S. 62; Lappenküper 1996, S. 74 f. 60 Siehe Arno Euler: Zur Entwicklung des Französischunterrichts seit 1945, in: Kritik der Frankreichforschung 1871–1975, hrsg. von Michael Nerlich, Karlsruhe 1977, S. 216–233, S. 222 f.; Sturm 1983, S. 17–19. 61 Le Monde, 23. März 1955, im Auszug wiederabgedruckt in: BDFD, Bd. 3, S. 889–891, S. 889. 62 Siehe François-Poncet an Pinay, Tel. 727/49, 23. Februar 1955, in: DDF 1955, Bd. 1, S. 200; Cuer 1987, S. 80. 63 PA, Abt. 6, Ref. 600, Bd. 202, AZ 600/400-01/22, Aufzeichnung des Vorsitzenden des Schulausschusses der Ständigen Kultusministerkonferenz, Löffler, Schn.Nr. 452, 31. März 1955; siehe ibid., Löffler an Hallstein, E Nr. 40, 16. April 1955. 64 Siehe ibid., Präsident der Ständigen Kultusministerkonferenz, Dehnkamp, an Hallstein, AZ 200-09-04, 12. April 1955; ibid., Dehnkamp an Hallstein, AZ 200-09-04, 9. Mai 1955; ibid., Hallstein an François-Poncet, 600/401-01-22/ 07246/55II, 15. April 1955.
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65 Siehe Die Nation, 14. Mai 1955. 66 Siehe PA, Abt. 5, Ref. 500, Bd. 646, AZ V I 83 SV 88, von Trützschler an Ref. 500, 600/401-0122/16378/55, 23. Mai 1955. 67 Siehe ibid., Mühlenhöver an Abt. 6, 500-512-0222-S-2445/55, 6. Juni 1955. 68 Siehe ibid., Mühlenhöver an von Brentano, Aufzeichnung, 600/401-01-22/24963/55, 27. Juli 1955; Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung 1955, S. 1174; Bariéty 1988, S. 260. 69 AMAE, Europe 1944–1960, Allemagne, Bd. 389, Bl. 14 f., Pinay an Adenauer, 7. April 1955. 70 PA, B 24, Ref. 204, Bd. 6, von Maltzan an AA, 205-00 I 3669/55, 4. August 1955. 71 Siehe ibid., NL Hausenstein, Bd. 24, Bl. 122 f., von Maltzan an AA, 401-00 I 3631/55, 2. August 1955; ibid., Abt. 6, Ref. 600, Bd. 201, AZ 40101/22, Vorsitzender des Deutschen Romanistenverbandes, Rheinfelder, an Hallstein, 10. Juni 1955. 72 Siehe ibid., Abgabeliste Ministerbüro, Bd. 155, Vermerk von Brentano, 30. Juli 1955. 73 Siehe Ulrich Lappenküper: Stätte der Begegnung, Heimstatt der Versöhnung und der Eintracht zwischen den Völkern: Die Gründung des Deutschen Hauses in der Cité Universitaire de Paris (1950–1956), in: 1956–1996. 40 Jahre Maison Heinrich Heine, hrsg. von Martin Raether, Bonn und Paris 1998, S. 131–157. 74 Hausenstein an Lenz-Medoc, 6. Juli 1956, in: Dieter Sulzer: Der Nachlaß Wilhelm Hausenstein. Ein Bericht. Mit einem unveröffentlichten Essay, Briefen und einer Erinnerung von Paul Frank, Marbach/Neckar 1982, S. 149; siehe Wilhelm Hausenstein: Impressionen und Analysen. Letzte Aufzeichnungen, hrsg. von W. E. Süskind, München 1969, S. 106–110 und 114 f.; Lappenküper 1995, S. 671–673; Reuss 1995, S. 226–233. 75 Tischrede von de Gaulle, 3. Juli 1962, in: Charles de Gaulle: Memoiren der Hoffnung. Die Wiedergeburt 1958–1962, München und Zürich 1971, S. 449–451, S. 450.; siehe Ulrich Lappenküper: »Wunder unserer Zeit«: Konrad Ade-
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nauer und die Versöhnung mit Frankreich (1949–1963), in: Geschichtsbilder: Weichenstellungen deutscher Geschichte nach 1945, hrsg. von Jürgen Aretz u. a., Freiburg u. a 2003, S. 71–85. Siehe Lappenküper 2001, S. 1719; Victoria Znined-Brand: Deutsche und französische auswärtige Kulturpolitik. Eine vergleichende Analyse. Das Beispiel der Goethe-Institute in Frankreich sowie der Instituts und Centres Culturels Français in Deutschland seit 1945, Frankfurt am Main u. a. 1999. Siehe BDFD, Bd. 3, Nr. 336, 345 und 347. PA, NL Hausenstein, Bd. 22, Bl. 116–120, Blankenhorn an AA, Ku 604-80 SE/30 8260/61, 19. Juni 1961; siehe Aufzeichnung Ewig, 20. Oktober 1962, in: BDFD, Bd. 3, S. 991–993. Hartmut Kaelble: Science and Franco-German reconciliation since 1945, in: Technology and Science 23/2001, S. 407– 426, S. 423. Siehe Lappenküper 2001, S. 1707–1781, passim; Ansbert Baumann, Begegnung der Völker? Der Elysée-Vertrag und die Bundesrepublik Deutschland. Deutsch-französische Kulturpolitik von 1963 bis 1969, Frankfurt am Main u. a. 2003, S. 188–192. Siehe den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die deutschfranzösischen Zusammenarbeit, 22. Januar 1963, in: BDFD, Bd. 1, S. 951–955, S. 954. Siehe Fremdsprachenunterricht 1981, S. 170 f.; Baumann 2003, S. 195–200. Siehe Fremdsprachenunterricht 1981, S. 171 f.; Baumann 2003, S. 201–211. Jean Pierre Rollin: Deutschland und Frankreich: Zum Stand der Partnersprache, in: Dokumente 51-1/1995, S. 19–24, S. 22; siehe Paul Dehem: Les accords de 1963 et l’enseignement de l’allemand, in: Allemagnes d’aujourd’hui 84/1983, S. 163–168; Jürgen Olbert: Statistischer Vergleich der Schülerzahlen der Fächer Englisch und Französisch im allgemeinbildenden und beruflichen Schulwesen Deutschlands, in: französisch heute 26-3/1993, S. 249–259.
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Kunst/Vermittlung
Une réception différée et relayée L’Atelier d’art abstrait et le »modèle-Bauhaus«, 1950–1953
Guitemie Maldonado
»Où en est l’art abstrait?« Tous les ouvrages généraux sur l’art français des années 1950 en font état, éveillant ainsi la curiosité du lecteur: en 1950, très précisément le 16 octobre, un »atelier d’art abstrait« s’est ouvert au numéro 14 de la rue de la Grande Chaumière, au sein de l’Académie de la Grande Chaumière – Colarossi. Dirigé par deux peintres abstraits associés à la galerie Denise René et à la revue Art d’aujourd’hui, Jean Dewasne et Edgard Pillet (pl. X et ill. 21),1 on le connaît essentiellement parce que c’est par lui que le scandale est arrivé; l’ouverture de cet atelier a en effet motivé la publication du célèbre pamphlet de Charles Estienne, L’Art abstrait est-il un académisme?, provoqué la rupture de ce critique avec les tenants de l’abstraction géométrique et en conséquence participé au déclenchement de ce qui est passé à la postérité sous le nom de »querelle du chaud et du froid«.2 Mais l’on n’en sait guère davantage sur cet atelier dont la durée d’existence fut brève – de la fin 1950 à 1953 – et les circonstances de l’ouverture relativement imprécies: on peut néanmoins les mettre en rapport avec l’affluence à Paris des bénéficiaires des GI Bills.3 Quant au nombre et à l’identité des élèves, les informations sont lacunaires, dont émergent toutefois les noms de Horst Egon Kalinowski, Wifredo Arcay, Omar Carreño, Natalia Dumitresco, Francine Holley et Yaacov Gipstein, depuis lors devenu Agam.4 Si l’Atelier accueille des artistes d’origines diverses, peu de figures de premier ordre semblent l’avoir fréquenté. À ce stade, on ne peut manquer d’interroger les raisons de la permanence, dans les annales de l’histoire de l’art, de cet atelier, en dépit d’un manque flagrant d’in-
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Jean Dewasne: Tisville, 1950, huile sur toile, 92 × 65 cm, Galerie Denise René, Paris.
formations et de visibilité. L’explication la plus aisée consiste à en faire un simple épiphénomène amplifié par des effets quasi-mécaniques de reprise d’une même information d’un ouvrage à un autre. Mais pour peu que l’on ne s’en satisfasse pas, on peut avancer une autre hypothèse pour justifier cette présence obstinée dans les chronologies. En effet, les objectifs poursuivis par les fondateurs de l’Atelier sont à la fois originaux et emblématiques des questionnements propres à l’époque. Leur programme, publié dans Art d’aujourd’hui en octobre 1950, répond à l’exigence d’amener les jeunes artistes à la pratique d’un art – abstrait – conscient de son histoire et de ses moyens spécifiques. Tels en sont les présupposés: »Quelles ont été les prémisses de l’art abstrait? Quels domaines a-t-il déjà explorés? Dans quel sens s’est-il dégagé de l’art figuratif et de ses dégénérescences? Dans quelle mesure et par quel côté lui est-il encore parfois attaché? En bref, où en est l’art abstrait, comment le faire évoluer, se purifier et s’enrichir? Répondre à ces questions et y répondre par une œuvre concrète, tel est le but qu’un Atelier d’Art Abstrait doit s’efforcer d’atteindre. […] Il ne s’agira
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Willy Maywald: L’Atelier d’art abstrait, 1950.
pas dans cet atelier, de recevoir l’enseignement d’un maître; mais plutôt de recueillir tous les renseignements utiles pour tirer en commun les leçons qui s’imposeront.« 5 Pour ce faire, l’atelier présente différents types d’activités: outre les séances de travail et de discussion autour des œuvres, caractéristiques des académies privées (ill. 22), les responsables proposent des visites d’ateliers – ceux de Deyrolle, Domela, Vasarely et Magnelli – pour mettre les élèves en contact avec leurs aînés, mais surtout »avec la peinture à l’endroit où elle naît«;6 confiées à des artistes (Del Marle, Pillet, Herbin, Dewasne), des critiques (Seuphor, Estienne, Degand, Alvard), voire des scientifiques (Le Lionnais, Fasani, Segal), des conférences historiques ou pratiques sont régulièrement organisées.7 Enfin, entre 1951 et 1953, Dewasne assure un »Cours de technologie de la peinture« où sont étudiés les théories de la couleur et les questions de sa perception, les différents matériaux utilisables par les artistes et leurs propriétés – jusqu’aux plus récents, résines et autres plastiques – ainsi que les théories de la forme (ill. 23). L’accent ainsi mis sur la technique et l’expéri-
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Jean Dewasne et Wifredo Arcay dans l’Atelier d’art abstrait, 1949/50.
mentation des matériaux est relayé, de façon plus anecdotique mais aussi plus visible dans Art d’aujourd’hui, par l’enquête menée par Roger Bordier à partir du numéro de décembre 1953. Sous le titre général L’art et la manière. Une enquête sur la technique, les articles présentent, photographies à l’appui, des artistes abstraits au travail (parmi lesquels Herbin, Poliakoff, Pevsner, Magnelli, Deyrolle, Vasarely, Jacobsen, Arp, Mortensen, André Bloc), le matériel qu’ils emploient ainsi que les différentes étapes de la réalisation d’une œuvre. Ainsi esquissée, l’expérience de l’Atelier d’art abstrait apparaît au confluent d’un certain nombre de questionnements contemporains; il en incarne la complexité et constitue pour leur étude un observatoire précieux: ses fondateurs tentent en effet de concilier un regard rétrospectif sur l’histoire déjà longue de l’art abstrait avec des recherches innovantes en la matière, quadrature du cercle étroitement liée à la situation d’après-guerre et en partie responsable, avec la polarisation des débats, de la relative stagnation de la production plastique européenne d’alors. Le programme conçu pour l’Atelier propose en outre, dans une période de crise profonde et généralisée en ce domaine, une tentative de renouvellement de l’enseignement
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artistique. Il faut en préciser la nature et les enjeux, à la lumière en particulier d’un rapprochement, au premier abord sans doute incongru: si cette expérience pédagogique demeure dans le cadre traditionnel des académies privées et à une échelle modeste, ne pourrait-on y déceler la diffusion d’une image, certes dégradée mais vivace, de l’expérience pédagogique révolutionnaire que fut le Bauhaus? 8
Faire école: art moderne, enseignement et influence Le problème de l’enseignement artistique tel qu’il se pose en France au lendemain de la Seconde Guerre mondiale apparaît éminemment complexe; les données en sont multiples, à la fois intriquées et contradictoires. La réaction anti-académique qui n’a cessé de s’amplifier depuis le Romantisme a trouvé, dans les idéologies révolutionnaires, la guerre et ses conséquences, de puissants catalyseurs; le système de l’École des Beaux-arts se trouve ainsi toujours plus violemment contesté pour son anachronisme autant que pour son caractère élitiste. Jeanne Laurent, dans l’étude approfondie qu’elle a consacrée aux rapports entre l’Académie des BeauxArts et les pouvoirs successifs, note ainsi le net décalage entre les exercices proposés aux élèves et la réalité sociale de l’entre-deux-guerres: »Pendant que les élèves de l’École parisienne des beaux-arts faisaient de beaux dessins pour une résidence d’été destinée à une haute personnalité ecclésiastique, les élèves du Bauhaus étudiaient l’établissement d’une cité fictive d’ouvriers de l’usine d’avions de Dessau.« 9 Nikolaus Pevsner relevait quant à lui en 1940 que les plus récentes éditions du dictionnaire Larousse présentaient encore l’École comme ayant pour unique fonction de préparer les artistes au Grand Prix de Rome.10 Or il ressort de son historique des académies artistiques que la révolution industrielle et la situation totalement inédite qu’elle a créée ont constitué, pour l’enseignement de l’art, le moteur principal de la réforme engagée à partir du XIXe siècle en Angleterre et qui a abouti, en Allemagne, à la mise au point d’un »nouveau type d’école d’art véritablement unifiée pour les beaux-arts, l’artisanat et l’art industriel«.11 L’exemple type en est le Bauhaus dont Pevsner détaille les innovations, en particulier le cours préparatoire destiné à »mesurer le talent de l’élève«, à »libérer son esprit des conventions« et à »l’aider dans l’expérience directe des faits élémentaires concernant les matériaux et les outils«.12 Mais ce type de réalisation reste circonscrit à l’Allemagne tandis qu’en France, la séparation entre l’École des Beaux-arts et celle des Arts décoratifs perdure, entérinant le »maintien de l’emprise académique sur l’enseignement artistique« et ce malgré les besoins concrets engendrés par la reconstruction du pays après 1945.13
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Dans ce climat de réorganisation nationale, la question de l’enseignement artistique fait l’objet d’un certain nombre d’articles insistant tous sur l’urgence d’une réforme. Ainsi dans Arts de France, Joseph Billiet juge-t-il l’éducation lourdement grevée par une conception dépassée de l’art, »agrément futile et passe-temps secondaire«, prolongeant ensuite sa réflexion: »Ces lacunes résultent de la survivance, dans les esprits des éducateurs et dans les programmes qu’ils tracent, de la conception bourgeoise de l’art, apanage d’une classe privilégiée, instrument docile de ses plaisirs ou artifice pour tromper son ennui.«14 Si le constat se vérifie à tous les niveaux du système éducatif, il est sans appel pour ce qui concerne les écoles d’art: »La seule cohésion de cet enseignement, c’est l’esprit académique, sans contact avec la vie et avec l’évolution sociale, condamné par la vie et par l’évolution de l’art qui, depuis 1860, s’est réalisé en dehors de l’École, malgré l’École et souvent contre elle.« 15 La remise en cause n’est certes pas nouvelle, mais les arguments avancés – implication dans la société et travail collectif – sont caractéristiques de l’esprit d’alors. C’est en ce sens que Billiet esquisse une proposition de réforme dont on retiendra particulièrement un aspect: »Le développement, dans le sens de la pratique d’atelier, de l’enseignement des diverses techniques artistiques, de manière à constituer, entre maîtres et élèves, de véritables équipes de travail, où le tempérament et l’initiative des élèves seraient recherchés et aidés.« 16 Or le projet porte sa critique dans son énoncé même lequel révèle un écueil majeur: la conciliation des deux pôles de la création dont la conception moderne de l’artiste n’a fait qu’accuser l’antagonisme – l’inspiration et la technique, l’individu et le groupe. La même revue, dans son numéro suivant, publie le point de vue d’un jeune étudiant en art qui, outre la critique de la formation proposée par l’École des Beaux-arts, soulève le problème des académies libres, institutions privées qui constituent la seule alternative à l’enseignement officiel: »Un enseignement payant, réservé à une certaine catégorie de jeunes gens entretient chez les jeunes artistes la mystique de la liberté en Art; il est en effet entendu que l’artiste est un personnage exceptionnel, un surhomme, raffinant ses sensations pour la plus grande délectation d’un petit groupe d’initiés. Or il s’agit de faire entrer l’artiste dans une communauté d’hommes et de lui rendre une conception saine de son travail.« 17 Il semble difficile, voire impossible de concilier de telles conceptions qui engagent, au-delà de l’enseignement, la nature et le statut mêmes de l’acte artistique, avec l’idée de la création héritée de l’expérience des avant-gardes et de l’abstraction en
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particulier. Ce paradoxe était certes déjà à l’œuvre au sein du Bauhaus – Marcelin Pleynet l’a montré dans son étude sur Le Bauhaus et son enseignement – mais la situation de l’après-guerre ne fait que l’accuser, hypothéquant ainsi lourdement toute réforme de l’éducation artistique.18 Le constat est en effet très largement partagé à l’époque, chez les partisans de l’abstraction autant que chez ses détracteurs: l’art ne s’enseigne pas et les peintres abstraits, par essence, ne sauraient faire école. C’est dans cette optique que Julien Alvard aborde l’œuvre de Kandinsky, dont la »leçon« est selon lui »peut-être avant tout une leçon d’élargissement de la conscience humaine« ce qui, assurément, ne saurait s’apprendre: »L’art abstrait offre à chaque artiste la possibilité d’échapper à l'emprise des modes et à la tutelle des écoles. Il permet, il exige, d’être unique, irremplaçable. Ce n’est un secret pour personne que les grands peintres de cette époque ont rarement ouvert leur atelier à des élèves et que lorsqu’ils s’y sont décidés, ils se sont efforcés de limiter leur influence à la pratique matérielle du métier.« 19 Au nom de l’originalité certes, mais surtout de l’authenticité de l’expression plastique, la possibilité d’apprendre d’un maître abstrait se trouve récusée car inévitablement vouée à l’imitation mécanique et par conséquent au décoratif. Sur un mode moins catégorique, Léon Degand évoque, à l’occasion de la publication de l’ouvrage Art non-figuratif non-objectif d’Auguste Herbin, une même difficulté à constituer une référence, un modèle: »Le livre d’Herbin ne renseigne pas sur la manière dont il faut comprendre sa peinture […] mais sur les principes personnels selon lesquels il l’élabore. Je ne sais si d’autres peintres pourront se servir de ces principes, malgré leur apparence de valeurs universelles, pour créer leur œuvre à eux.« 20 Pourtant, ils sont nombreux – et ce sont parfois les mêmes – à déplorer l’ignorance qui entoure, en France, l’histoire de l’abstraction et à affirmer la nécessité de rassembler des témoignages pour informer et former une nouvelle génération de peintres qui devrait, en toute logique, par l’exemple et par la connaissance de cette même histoire, être dispensée de la phase de simplification préliminaire à l’élaboration d’un vocabulaire abstrait. René Massat affirme ainsi les vertus de l’exemple dans la formation du »peintre non-objectif«: »Un jeune qui veut s’exprimer, s’il sait observer l’œuvre de ses aînés, travaillera sur de nouvelles bases pour développer les qualités propres à l’art abstrait, sans passer par des études objectives qu’il devrait oublier par la suite, et pourra ainsi accéder, grâce à son art, à un nouvel état de conscience et à une nouvelle manière d’être.« 21 Cette réflexion trahit à la fois sa logique pragmatique et ses contradictions internes dans la conciliation qu’elle tente entre l’abstraction, le caractère personnel de la création et le recours possible à un modèle – certes formel. Il peut dès lors sembler plus aisé de conclure à
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l’impossibilité d’apprendre l’art, ce que fait Philippe Rebeyrol dans une recension de l’ouvrage de Jean Cassou Situation de l’art moderne paru en 1950: »La peinture a cessé d’être un objet d’enseignement, elle ne relève plus que de l’instinct et du génie.«22 Sans pour autant contredire absolument la pensée de Cassou, c’est là l’amputer d’un pan qui intéresse particulièrement notre étude; certes, Cassou définit l’art moderne comme une suite de libérations, en particulier du joug des conventions, certes il dépeint la solitude fondamentale de l’artiste moderne en affirmant: »Il était artisan, ouvrier, architecte, ingénieur, fabricateur. Cette qualité a disparu du jour où, comme dans la bagarre de l’art moderne, il n’a plus été qu’une conscience individuelle […]. Personne ne lui a rien appris, il n’apprendra rien à personne. Il ignore ces procédés, ces conseils qui se transmettent de maître à disciple, d’atelier à atelier comme une chose et une chose précieuse.«23 Mais c’est pour mieux souligner l’inquiétude qui en résulte pour l’artiste et la nécessité de réformer en profondeur l’enseignement de l’art: »Ce sont des écoles d’arts et métiers qui devraient exclusivement fleurir sur notre sol, dispensant un enseignement non plus dogmatique, mais essentiellement technique. Le génie inventif ne s’enseigne pas, mais la science, celle de la perspective et de l’optique, celle des matériaux, celle de la préparation des toiles, de la chimie des couleurs, de la diversité des pierres, celle enfin des différents arts qu’il est bon qu’un peintre, un sculpteur ou un graveur connaisse à l’égal des siens propres.« 24 Par cette ligne de partage nettement tracée entre génie et technique et par l’assignation à l’enseignement d’un champ précis et restreint, Cassou définit l’une des voies réformatrices explorées à l’époque, en particulier au sein de l’Atelier d’art abstrait dont le programme pose d’emblée et clairement les ambitions: »Si un tel atelier ne peut prétendre révéler des génies, il peut du moins écouter les premiers temps de tâtonnement et d’exploration, faciliter et élargir l’activité si profondément sérieuse des jeunes peintres.« 25
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»L’appel de Kandinsky« 26 Dans cette tentative de diffusion des principes et techniques de l’abstraction, la leçon de Kandinsky joue un rôle particulièrement important et riche par son ambivalence. Probablement en partie parce que, membre de la triade des fondateurs de l’art abstrait et ayant enseigné au Bauhaus entre 1921 et 1933, il est décédé à Paris en 1944 et que sa veuve y est remarquablement active pour faire reconnaître son œuvre, son nom et son art jouissent, après 1945, d’une forte médiatisation. Quelques faits soulignent l’»actualité de Kandinsky« 27 sur la scène artistique parisienne de l’immédiat après-guerre: la fondation en 1946, à l’initiative de Nina Kandinsky, Charles Estienne et Léon Degand, d’un prix Kandinsky destiné à encourager la jeune création; l’organisation à la galerie René Drouin d’une rétrospective en 1946 et en 1949 de l’exposition Kandinsky – Époque parisienne 1934–1944; la publication en 1950 d’une monographie par Charles Estienne et en 1951, d’un ouvrage collectif.28 Dans son numéro de mai–juin 1950, la revue Art d’aujourd’hui publie une Enquête auprès des jeunes artistes; Julien Alvard qui l’a menée relève dans les réponses la forte présence de Kandinsky et Klee et commente ainsi ce résultat: »Il semble donc que l’école allemande dans son ensemble soit assez en faveur auprès des jeunes peintres; l’expressionnisme allemand, le seul, l’authentique, celui de Klee et de Kandinsky non pas évidemment celui de Kokoschka, reste un pôle d’attraction.« 29 Parallèlement, une partie des idées développées par l’artiste sont mises à la disposition d’un plus large public par les premières traductions françaises de Regards sur le passé en 1946 puis de Du Spirituel dans l’art – en 1949 pour l’édition de luxe et en 1951 pour l’édition courante.30 C’est donc tout naturellement semble-t-il que la référence à Kandinsky intervient dans les réflexions contemporaines sur l’art abstrait. Tout d’abord, à l’appui de sa charge contre l’académisme dont il sentait l’abstraction menacée, Charles Estienne ne le mentionne pas, il l’invoque indirectement en définissant l’œuvre d’art comme un »poème« et en la souhaitant »accordée rigoureusement, économiquement même à son irremplaçable son intérieur«; puis il en appelle à la »nécessité intérieure«, seule garante de la qualité d’une œuvre.31 À ces allusions limpides, s’ajoute la citation directe d’un passage de Du Spirituel dans l’art, pour mieux invalider toute tentative d’enseigner l’abstraction: »L’appartenance à une école, la chasse à la tendance, la prétention de vouloir à tout prix trouver dans une œuvre des règles et certains moyens d’expressions particuliers à une époque, ne peuvent que nous égarer, aboutir à l’incompréhension, à l’obscurantisme, et enfin, nous réduire au silence.« 32 Les commentateurs sont nombreux à prendre acte d’une telle mise en garde, à l’instar de Will
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Grohmann qui, à propos du Prix Kandinsky, souligne la leçon de liberté qu’il offre aux jeunes artistes: »Le nom de Kandinsky ne contient pour eux aucun programme artistique, il n’a point le sens d’une école. […] Chacun fait son chemin à lui et n’emprunte à Kandinsky que la liberté de créer et la responsabilité concernant l’art.« 33 Kandinsky s’impose dès lors, au fil des évocations, comme une figure d’autorité morale que Cassou n’hésite pas à présenter comme le meilleur »guide« qui s’offre aux »esprits avides de toucher le point le plus intime et subtil de l’opération créatrice«, précisant immédiatement: »non pas que celui-ci engendre une école, une discipline, des règles et des procédés, mais parce que son exemple même est d’éveiller les vocations personnelles et la recherche de chacun vers ses profondeurs propres et sa plus particulière résonance.« 34 Les précautions oratoires multipliées par les commentateurs de l’époque – on peut ajouter à la liste Roger van Gindertaël qui pourtant évoque la »leçon de peinture de Kandinsky« à propos de Du Spirituel dans l’art – 35 suffisent à pointer la conscience extrême, partagée par les acteurs du monde de l’art à l’époque, d’une double incapacité: ignorer les recherches précédentes est aussi inconcevable que les imiter. Car l’ancrage dans l’histoire et la reconnaissance de filiations ou d’influences – à quelque niveau qu’elles opèrent – contredisent foncièrement les principes de rupture et de table rase retenus des avant-gardes. Pourtant Vasarely, dans une controverse l’opposant à Estienne à propos de l’attribution du prix Kandinsky 1952, n’hésite pas à affirmer l’importance de ce peintre dans son parcours, à la fois aiguillon et repoussoir: »Je ne peux pas penser sans émotion à Kandinsky, à ce qu’il a été pour nous, jeunes élèves du »Mühely« à Budapest en 1929–30. Aujourd’hui je lui témoigne plus que jamais ce sentiment, mêlé de révolte et d’admiration, qu’on n’a que pour les plus grands.« 36 Ce rapport ambivalent est partagé par Dewasne: en 1947, il remercie Nina Kandinsky de lui avoir prêté un ouvrage, probablement Regards sur le passé, qu’il évoque comme »un témoignage psychologique important et un document inestimable sur la naissance de l’art abstrait«; il situe précisément le plan historique sur lequel intervient l’exemple de Kandinsky, tout en reconnaissant des similitudes avec sa propre expérience picturale: »J’ai été souvent ému car j’ai retrouvé, décrit par lui, des sentiments que j’ai moi-même éprouvés.«37 La position révèle toute son ambiguïté dans une autre lettre où Dewasne embrasse simultanément l’actualité du message pictural, l’impossibilité de le reprendre et la nécessité de faire évoluer la pratique artistique, trois données difficilement conciliables: »Sa conception est encore celle de nos jours, tant il était avancé et universel, malgré l’évolution légitime et souhaitable que subit l’art abstrait aujourd’hui.«38 C’est sans doute dans ce double esprit que
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Dewasne a conçu l’une de ses conférences consacrée, le 23 janvier 1951, dans le cadre de l’Atelier, aux Écrits théoriques de Kandinsky. Cette dualité est au demeurant portée par Kandinsky lui-même, père de l’abstraction lyrique et pédagogue, qui dans sa poursuite de la »nécessité intérieure« a été amené à enseigner et à théoriser; elle suffit à expliquer sa présence récurrente dans les débats contemporains et à le poser en emblème des contradictions de l’époque.
De retards en relais La reconnaissance du rôle de Kandinsky à Paris après 1945 participe d’un mouvement plus général de diffusion de l’héritage des avant-gardes au cours duquel se constitue, brouillée par la distance et les trop nombreux intermédiaires, une sorte d’image mythique de l’école du Bauhaus et de l’enseignement qui s’y élabora. Le premier temps dans ce processus de réévaluation consiste à remédier à la confusion ambiante; tels sont les présupposés du projet éditorial soumis par Aimé Maeght à Michel Seuphor en 1948: »Nous sommes dans le désordre le plus complet, c’est vous qui devez nous sortir de là en écrivant une histoire de l’art abstrait.« 39 De cette injonction naquit bientôt L'Art abstrait. Ses origines. Ses premiers maîtres, première synthèse publiée en France sur le sujet et placée dès le préambule par son auteur sous le signe du décalage temporel: »Ce n’est donc pas une vieille histoire? […] Pourtant, je ne me trompe pas: les premières toiles abstraites, dûment homologuées, datent de 1910. J’écris ceci en 1949, et la question de l’art abstrait semble être aussi neuve, aussi aiguë qu’il y a 39 ans.« 40 Combler les déficits d’information, faire œuvre pédagogique en vue d’imposer l’abstraction et de lui permettre de se développer dans de nouvelles directions, l’Atelier d’art abstrait ne se propose pas d’autre but, ce qui permet à Degand un joli retournement en réponse à Estienne: »que l’on ne vienne plus nous soutenir que la peinture – l’abstraite en tous cas – ne s’enseigne pas. Et que tout enseignement mène tout droit à l’académisme. Car […] que fait Charles Estienne à longueur de conversations ou d’articles sinon de l’enseignement?« 41 L’appellation même d’atelier n’est, dans cette logique, nullement anodine: Fernand Léger, quelques années auparavant (en 1946), après n’avoir enseigné que dans des académies, ouvrit l’Atelier Fernand Léger où il s’identifiait volontiers au patron d’un atelier du Moyen Âge; il faut surtout rappeler l’importance fondamentale de l’idée d’atelier dans la conception de l’enseignement développée au Bauhaus et la redéfinition qui en a découlé, soulignée par Pevsner: »l’expérimentation doit se faire par la pratique artisanale dans un atelier (studio) qui est moitié atelier (workshop), moitié laboratoire.« 42 L’idée, reprise par Dewasne et Pillet, correspond
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à l’accent qu’ils mettent sur la pratique, la technique et le caractère matériel de la peinture; le programme qu’ils proposent tente en effet d’articuler formation pratique et enseignement théorique. Elle reflète aussi parfaitement leur ambition de faire œuvre concrète et surtout collective, ambition largement partagée à l’époque et qui se manifeste dans la réflexion contemporaine autour de l’art mural, un art à la fois adapté aux besoins de la reconstruction et intégré à la vie quotidienne, en accord donc avec la volonté réaffirmée d’intégration sociale de l’art. En 1951, les élèves de l’Atelier se virent ainsi proposer un concours par les architectes Persitz et Heaume pour un projet de panneau mural en carreaux de céramique destiné à un bâtiment alors en construction au Havre.43 Le nom et les orientations pratique et collective de l’Atelier entrent donc en résonance à la fois avec les débats contemporains et avec les principes élaborés au Bauhaus. Il aura fallu l’accusation d’académisme brandie par Estienne et relayée par la presse jusqu’à la confusion – certains articles évoquent ainsi l’»académie d’art abstrait« – pour occulter le caractère à la fois référentiel et novateur de cette dénomination et pour ainsi couper le lien avec son possible modèle. Pourtant la création de l’Atelier et le choix de son nom apparaissent bien comme le dernier maillon d’une longue chaîne amorcée avec le Bauhaus. Il serait donc ici question d’une réception différée et surtout relayée via différentes filières. On peut d’une part remonter à Alexander Bortnyik, artiste hongrois qui, ayant séjourné à Weimar entre 1923 et 1925 et rencontré un certain nombre de professeurs du Bauhaus par l’intermédiaire de Gropius, décida à son retour de fonder à Budapest une école de peinture et d’arts appliqués sur le modèle du Bauhaus. D’après Werner Spies, il était plus proche de Schlemmer que de Klee et Kandinsky et appréciait les méthodes du Bauhaus tout en reconnaissant une contradiction entre le système de Gropius et les travaux »entachés de subjectivisme artistique de Kandinsky et Klee«.44 Des problèmes financiers le contraignirent à limiter l’étendue de l’enseignement proposé aux arts graphiques, mais l’école fut néanmoins ouverte en 1928; elle s’appelait le »Mühely«, l’atelier, et est plus connue sous le nom de »Bauhaus hongrois«.45 Victor Vasarely s’y est inscrit en 1929, année où László MoholyNagy vint y donner des cours. C’est donc là qu’eurent lieu ses premiers contacts avec l’art abstrait dont l’influence ne se concrétisa que plus tard dans son œuvre. Il a raconté cette période à Jean Dewasne: »L’abstraction faisait rage dans le Mühely. […] Nous devions exprimer en forme, couleur et matière l’équivalent plastique de notions telles que aigu, sourd, tendu, mou, calme … Dans nos discussions, Kandinsky, Le Corbusier,
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Malévitch, Lissitzky et, curieusement, Chagall, étaient analysés, encensés, adorés. Quand je quittais la Hongrie en 1930, j’avais déjà absorbé tout ce que la culture abstraite avait créé à ce moment-là.« 46 C’est à ces contacts plus anciens et plus directs que tient en partie le prestige de Vasarely parmi les jeunes artistes abstraits, prestige qui ressort nettement de l’ouvrage que lui consacre Dewasne en 1952. Selon le témoignage répété de Denise René, Vasarely avait souvent affirmé, et ce dès son arrivée à Paris, sa volonté de fonder une école; d’autres ont évoqué un recueil qu’il aurait eu l’intention de publier – quoi qu’il en soit, il manifeste alors une nette volonté pédagogique sur laquelle plane le souvenir du Bauhaus. Les commentateurs malicieux soulignent que dans le cas de Bortnyik comme dans celui de Vasarely une confusion est savamment entretenue autour de prétendues études au Bauhaus, comprendre l’original. On ne peut imaginer signe plus clair du prestige qui y était alors attaché. Une autre voie de diffusion de ces idées passe par César Domela qui vécut à Berlin entre 1927 et 1933, époque à laquelle il fit quelques visites au Bauhaus, rencontrant ainsi Kandinsky et Moholy-Nagy. Domela est actif sur la scène artistique parisienne de l’après-guerre et bien qu’il ait par la suite affirmé sa différence avec certains principes du Bauhaus, il a probablement contribué à sa connaissance: il organise en effet en 1946 au Centre des Recherches de la rue Cujas une série d’expositions et de conférences autour de l’art abstrait. Les cinq expositions voient se succéder les jeunes artistes abstraits résidant à Paris, tandis que les conférences traitent de sujets plus historiques ou généraux: ainsi le 4 mai, Misztrick de Monda évoque l’histoire du Bauhaus de Dessau, puis Jean Dewasne propose une approche de la pédagogie de Klee et de Kandinsky.47 Au fil de ces enchaînements, la présence, diffuse mais récurrente, du Bauhaus et de son enseignement dans les esprits de l’époque se fait indéniablement sentir. On peut ajouter un dernier maillon à cette chaîne déjà longue en la personne d’Agam qui, avant de s’installer à Paris, étudia à l’Académie d’art Bezalel de Jérusalem, école dirigée par un ancien Bauhäusler, Mordecai Ardon.48 Sur ses conseils, Agam poursuivit ses études à Zurich, s’inscrivant à partir de 1949 aux cours de Itten et Giedion et fréquentant Max Bill, qui lui-même avait étudié au Bauhaus.
L’atelier et le »modèle-Bauhaus« De nombreuses pistes ainsi se croisent autour de l’Atelier d’art abstrait qui toutes mènent au Bauhaus; il apparaît dès lors – sans que l’on puisse mesurer précisément l’influence effective de cette conception de l’art et de son apprentissage sur la
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création de l’atelier 49 – qu’une référence d’ordre quasi légendaire, diffusée par ceux qui ont gravité autour du Bauhaus et par la diaspora qu’ils constituent, est à l’époque en passe de se constituer, avec tous les risques d’anachronisme, d’altération voire de mythification que comporte un tel retard. Estienne ne pouvait manquer de relever ce fait; il participe ainsi, sur le mode de la réfutation et de la critique, d’un esprit du temps clairement marqué. Quand il évoque le Bauhaus, c’est à l’appui de son idée selon laquelle »les meilleurs, les seuls maîtres sont des maîtres spirituels«, tirant de l’expérience allemande un bilan positif pour l’architecture et les arts appliqués, mais négatif pour le reste, l’influence spirituelle de Klee et Kandinsky, ces »deux incomparables ›médiums‹ «, ayant selon lui totalement échappé aux élèves. Et Estienne de conclure: »J’en suis à me demander si ce n’est pas aujourd’hui que nous atteint – nous qui ne les avons pas connus – l’enseignement ou plutôt la présence de Kandinsky au Bauhaus.« 50 Même s’il s’agit pour le critique de dénigrer les suiveurs tout en annonçant l’avènement d’une abstraction lyrique héritière de l’esprit de Kandinsky, son constat n’en éclaire pas moins sur la présence dans les esprits, diffuse et persistante, de l’idée du Bauhaus. Cette idée, ou plutôt un certain »esprit-Bauhaus«, semble informer plus ou moins consciemment deux photographies prises en 1951 dans l’atelier de Vasarely: l’une en particulier met en scène, devant une toile de Vasarely, ce dernier accompagné de Dewasne et Jacobsen et construisant de leurs corps des figures dans l’espace; comment ne pas la rapprocher de ces nombreuses images recensant les exercices ou les jeux pratiqués au Bauhaus? (ill. 24) Certes la référence directe ne saurait être prouvée – comme pour le programme de l’Atelier – mais les signes d’une infusion de l’idée sont trop nombreux pour être ignorés. Et l’évocation rétrospective du Bauhaus par Mies van der Rohe rend parfaitement compte d’un tel phénomène: »Le Bauhaus fut une idée et je crois que les raisons de son immense influence dans le monde doivent être cherchées dans le fait que c’était une idée. Une telle résonance ne peut être le résultat ni de l’organisation ni de la propagande. Seule une idée a la force de se répandre aussi largement.« 51 En ce qui concerne l’enseignement dans les écoles d’art, elle semble en effet avoir pénétré fort loin et en profondeur, si l’on en croit les analyses de Thierry de Duve; revenant sur ses études à la Hochschule für Gestaltung à Ulm entre 1963 et 1965, il en évoque la philosophie explicite, à savoir »l’aggiornamento du Bauhaus« au moment où ce modèle »est entré en crise ouverte«.52 Car si le »modèle-Bauhaus« ne fut jamais appliqué dans sa pureté radicale, il a néanmoins présidé, »plus ou moins amendé et plus ou moins dégénéré«, à la création de nombreuses écoles d’art et d’architecture et représenté le seul modèle opposable à l’enseignement académique: »Deux
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Robert Jacobsen, Victor Vasarely et Jean Dewasne dans l’atelier de Vasarely, Paris 1951.
modèles qui, dans les faits, se contaminent l’un l’autre, se partagent conceptuellement l’enseignement artistique: il y a le modèle académique et le modèle-Bauhaus; le premier croit au talent, le second à la créativité; le premier classe les arts par métiers, le second par médiums; le premier prône l’imitation, le second l’invention.« 53 Repartant de la situation décrite par de Duve, on est alors tenté de lire les objectifs de l’Atelier d’art abstrait à la lumière de la constitution – au moment où elle devient visible – d’un »modèle-Bauhaus«, dans un contexte dont la spécificité ne fait qu’accroître les altérations de l’original. L’articulation entre réflexion théorique et formation pratique, la technicité de certains cours constituent sans doute la principale convergence avec l’esprit du Bauhaus, tel qu’on pouvait l’appréhender, à travers les témoignages et les écrits, dans les milieux parisiens de l’époque. La déclaration d’intention publiée à l’ouverture de l’Atelier achève d’insister sur ce qui peut le relier à son hypothétique modèle, à savoir le développement de la personnalité de l’artiste par l’expérimentation: »Ceux qui viendront ici ne se contenteront pas de recevoir, ils doivent savoir qu’ils auront aussi à chercher et à découvrir, à s’enfoncer dans l’inexploré, source constante de fécondité.« 54 Au bout de ces chaînes, au cœur de ce faisceau de convergences, l’Atelier d’art abstrait fait ainsi figure d’emblème tant il cristallise les problématiques d’alors; et
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l’on ne s’étonne plus par conséquent qu’il ait déclenché la polémique et soit à ce titre resté dans les mémoires. Travaillé par les errements et les contradictions d’une époque où l'éducation apparaît à la fois comme la seule chance d’imposer l’abstraction et le plus sûr moyen de la scléroser, l’Atelier affiche un pragmatisme et une modestie alors de bon aloi mais fort éloignés de l’ambition des entreprises du début du siècle. Pierre Guéguen en caractérise assez précisément l’état d’esprit dans un article de 1953: »tout atelier s’ouvre pour échapper à la routine des ateliers précédents. Il s’ouvre pour servir une cause actuelle, une cause révolutionnaire. S’il s’en est toujours ouvert, s’il s’en ouvrira toujours, c’est que leur création correspond à un apport vital nouveau dans le domaine de l’esthétique. Ils sont utiles à la jeunesse pour l’informer, même s’ils ne réussissent pas à la former.« 55 Dès lors, introduire la référence au Bauhaus dans cette histoire française et d’aprèsguerre est plus qu’un artifice: elle fonctionne en effet comme un puissant révélateur du besoin de trouver, dans le passé, des fondements aux recherches contemporaines. Anachronisme pour anachronisme, ainsi se révèle l’impasse dans laquelle est engagée cette génération: donner une suite, à l’âge de la désillusion et dans un cadre traditionnel, aux utopies du début du siècle.
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1 Jean Dewasne est né en 1921 dans le Nord de la France. Après des études de musique et d’architecture, il a suivi les cours de l’École des Beaux-Arts de Paris et réalisé sa première toile abstraite en 1943. Edgard Pillet est né en 1912 en Gironde, a étudié la sculpture à l’École des Beaux-Arts de Bordeaux puis de Paris; il a découvert l’art abstrait à Paris, en 1946. Il fut membre du Comité Directeur de la revue Art d’aujourd’hui. Celle-ci tenait une chronique régulière des activités de l’atelier qui permet en particulier de suivre le programme des conférences. 2 Voir Charles Estienne: L’Art abstrait est-il un académisme?, Paris 1950. 3 À l’origine de la création de l’atelier, il y aurait eu, d’après Dewasne interrogé peu avant sa disparition par Marc Ducourant, une démarche de l’ambassadeur américain qui organisait à l’époque l’arrivée des artistes américains. L’auteur remercie M. Ducourant pour cette information confirmée par Mythia Dewasne, la veuve de l’artiste. 4 Impossible en outre de déterminer avec précision leurs motivations et leur assiduité. Ainsi Agam se serait-il inscrit à l’atelier, sans assister aux séances, par »simple commodité pour obtenir le renouvellement tous les trois mois de sa carte de séjour« et parce que »les séances y [étaient] moins chères qu’à la Grande Chaumière où l’on étudie d’après le nu«; d’après Serge Lemoine: La baguette magique, in: Agam, cat. exp., Musée national d’Art moderne, Paris, Paris 1972, pp. 20–25, p. 23, note 16. 5 Jean Dewasne et Edgard Pillet: Un atelier d’art abstrait, in: Art d’aujourd’hui 1/1950, p. 32. 6 Annonce du programme de l’atelier dans Art d’aujourd’hui 3/1951, p. 30. 7 Ce programme est à mettre en rapport – pour en montrer, par des exemples similaires, l’ancrage dans l’époque – avec l’expérience mise en place avec l’École supérieure d’art de Domodossola. Un entrefilet publié dans Art d’aujourd’hui 3/1951 salue l’»heureuse initiative d’un peintre italien«, ayant créé »cette école d’art d’un enseignement vivant, basé sur les données scientifiques de la plastique, [qui] va de la peinture d’après nature aux formes abstraites. L’école organise également des conférences et des expositions d’élèves ainsi que des voyages collectifs dans des villes d’art italien«. 8 Pour la réception du Bauhaus en France, voir Le Bauhaus et la France. Das Bauhaus und Frank-
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reich, Isabelle Ewig, Matthias Noell et Thomas W. Gaehtgens (éds.), Berlin 2002 (Passagen / Passages, vol. 4). Jeanne Laurent: Arts et pouvoirs en France de 1793 à 1981. Histoire d’une démission artistique, Saint-Etienne 1981, p. 128. Nikolaus Pevsner: Academies of Art. Past and Present, Cambridge 1940, rééd. 1973. Pour une étude détaillée de l’enseignement au Bauhaus, on se reportera à l’ouvrage de Rainer T. Wick: Bauhaus: Kunstschule der Moderne, OstfildernRuit 2000. Pevsner 1973, p. 286. Ibid., p. 278. Laurent 1981, p. 146. Joseph Billiet: Pour une renaissance de l’enseignement artistique, in: Arts de France 6/1946, pp. 84–89, p. 84. Ibid., p. 87. Ibid., p. 88. Jean Guignebert: L’enseignement des beaux-arts et la condition de l’artiste, in: Arts de France 7/1946, pp. 81–86, pp. 82–83. Marcelin Pleynet note ainsi dans L’Enseignement de la peinture, Paris 1971, p. 128: »Reste que cette avant-garde, par ce fait même qu’on la réunisse au staatlich [sic] Bauhaus, se trouve dans l’obligation de faire école, de prendre en considération le corps social qui l’accueille et de définir son enseignement par rapport justement à son insertion sociale.« Julien Alvard: Exposition Kandinski [sic], in: Art d’aujourd’hui 1/1949, p. 5. Léon Degand: Témoignages sur la peinture, in: Art d’aujourd’hui 6/1950, pp. 20–21, p. 21. René Massat: Le IVe Salon des Réalités Nouvelles, in: Art d’aujourd’hui 3/1949, p. 4. Philippe Rebeyrol: Pièces au procès de l’art, in: Esprit 180/1951, pp. 959–965, p. 962. Jean Cassou: Situation de l’art moderne, Paris 1950, p. 117. Ibid., p. 134. Dewasne/Pillet 1950, p. 32. Jean Cassou: Invitation au Prix Kandinsky 1950, Galerie Denise René, Paris 1950. Charles Estienne: Actualité de Kandinsky, in: Kandinsky – Époque parisienne 1934–1944, cat. exp., Galerie René Drouin, Paris, Paris 1949, n. p. Il y affirme la »situation toujours vivace d’une œuvre au cœur des problèmes les plus urgents de l’époque«. Voir Charles Estienne: Kandinsky, Paris 1950; id.: Kandinsky, Paris 1951.
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29 Julien Alvard: Enquête auprès des jeunes artistes, in: Art d’aujourd’hui 10–11/1950, p. 21. 30 Vassily Kandinsky: Regards sur le passé, traduction française de Gabrielle Buffet-Picabia, Paris 1946; Du Spirituel dans l’art, traduction française de M. et Mme de Man, Paris 1949 et 1951. Voir à ce sujet l’article de Nadia Podzemskaia: Note sur la genèse et l’histoire de l’édition de Du Spirituel dans l’art de V. Kandinsky, in: Histoire de l’art 39/1997, pp. 107–116. 31 Estienne 1950 (Académisme), pp. 7 et 10. 32 Ibid., p. 20. 33 Will Grohmann: Le Prix Kandinsky 1950, in: Art d’aujourd’hui 3/1951, p. 29. 34 Cassou 1950 (Invitation). 35 Roger van Gindertaël: La leçon de peinture de Kandinsky, in: Art d’aujourd’hui 6/1950, p. 10: »Il ne faut pas y chercher les règles précises d’un traité théorique de l’art abstrait – car il est avant tout une éthique – mais il est possible de tirer des observations et des expériences de Kandinsky une leçon de peinture. […] Méprisant les »règles« transmissibles, Kandinsky – on ne s’en étonnera point – n’a formulé aucun précepte pratique, aucune méthode scolaire.« 36 Victor Vasarely: lettre publiée dans L’Observateur 91/1952, citée d’après Charles Estienne & l’art à Paris 1945–1966, cat. exp., Centre national des arts plastiques, Paris, Paris 1984, pp. 84–85. 37 Jean Dewasne à Nina Kandinsky, 13 mai 1947, Fonds Kandinsky, Documentation du MNAMCCI, Paris. 38 Jean Dewasne à Nina Kandinsky, 1er août 1947, Fonds Kandinsky, Documentation du MNAMCCI, Paris. 39 Propos d’Aimé Maeght rapportés par Michel Seuphor dans L’Art abstrait, vol. 3 (1939–1970, Europe), Paris 1973, p. 19. 40 Michel Seuphor: L’Art abstrait, ses origines, ses premiers maîtres, Paris 1950, p. 11.
41 Léon Degand: L’épouvantail de l’académisme abstrait, in Art d’aujourd’hui 3/1951, pp. 32–33, p. 33. 42 Pevsner 1973, p. 280. 43 Voir la présentation des lauréats dans Art d’aujourd’hui 1/1951, p. 28. 44 Werner Spies: Victor Vasarely, Paris 1971, p. 20. 45 Voir Eva Körner: Sandor Bortnyik, Hongrie 1975. 46 Propos de Victor Vasarely rapportés par Jean Dewasne dans Vasarely, Paris 1952, n. p. 47 Voir les cartons d’invitation aux conférences reproduits dans Domela 65 ans d’abstraction, cat. exp., Musée d’Art moderne de la Ville, Paris, Paris 1987, p. 293. 48 De 1920 à 1925, Ardon a suivi le Vorkurs de Itten puis les cours de Kandinsky et Klee, avant de devenir professeur de 1929 à 1933 à la Kunstschule Itten à Berlin. 49 Nous n’avons, à ce jour, pas eu accès aux textes des conférences que Dewasne a consacrées à Klee et Kandinsky qui permettraient assurément de préciser son degré de connaissance et la spécificité de son approche de cette expérience pédagogique et théorique. 50 Estienne 1950 (Académisme), pp. 8–9. 51 Ludwig Mies van der Rohe, cité par Hans M. Wingler: La conception pédagogique du Bauhaus, in: Paris – Berlin. Rapports et contrastes France – Allemagne 1900–1933, cat. exp., Centre National d’Art et de Culture Georges Pompidou, Paris, Paris 1978, rééd. 1998, pp. 426–442, p. 426. 52 Thierry de Duve: Faire école, Paris 1992, p. 16. 53 De Duve 1992, p. 28. 54 Annonce du programme de l’atelier dans Art d’aujourd’hui 1/1950, p. 32. 55 Pierre Guéguen: Le bonimenteur de l’Académisme tachiste, in: Art d’aujourd’hui 7/1953, pp. 29–30, p. 29.
Museum der Gegenwart – Fortsetzung nach 1945? Lucius Grisebach
Vor dem Krieg Museum der Gegenwart war der Titel jener Zeitschrift, die wir – auch wenn sie nur in wenigen Ausgaben zwischen 1930 und 1933 erschienen ist – im Rückblick heute als die Programmschrift des modernen Kunstmuseums in Deutschland ansehen dürfen.1 Sie nannte sich im Untertitel Zeitschrift der deutschen Museen für neuere Kunst. Ihr Herausgeber war Ludwig Justi, Direktor der Nationalgalerie Berlin, unterstützt durch Alexander Dorner (Provinzialmuseum Hannover), Ernst Gosebruch (Museum Folkwang in Essen), Gustav Hartlaub (Städtische Kunsthalle in Mannheim), Max Sauerlandt (Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg), Alois Schardt (Städtisches Museum in Halle und dort Nachfolger von Sauerlandt) sowie Wilhelm Wartmann (Kunsthaus Zürich) als Mitherausgeber. Als Schriftleiter fungierte Alfred Hentzen, seit 1927 »wissenschaftlicher Hilfsarbeiter«, später Kustos an der Berliner Nationalgalerie.2 Die Liste der ständigen Mitarbeiter auf der Innenseite des Umschlages umfaßt 43 Namen und stellt die Gesamtheit aller Museumsdirektoren und Kustoden dar, die sich damals in Deutschland, Österreich und der Schweiz für die Kunst der Gegenwart ins Zeug legten – von Saarbrücken bis Königsberg, von Basel bis Kiel, von Oldenburg bis Wien, aber auch in Elberfeld und Barmen, in Zwickau und Chemnitz, Stettin oder Breslau. Justis Vorwort zum ersten Heft des ersten Jahrgangs 1930 beginnt mit dem selbstbewußten Satz: »Die öffentlichen Sammlungen für die Kunst unserer Zeit werden im deutschen Sprachgebiet mit einer vielfältigen Lebendigkeit geführt wie in keinem anderen Lande Europas.« Dieser »vielfältigen Lebendigkeit« der deut-
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schen Museumsszene stellt es die ganz anderen französischen Verhältnisse gegenüber: »Reist man durch Frankreich, so findet man in den Museen der ›Provinz‹ wohl viel Einzelnes von Wert, aber als verlorene Einschlüsse innerhalb versteinerter Ablagerungen aus der chaotischen Masse des Staatsbesitzes. Keine Beziehung zu unserer Zeit, noch nicht einmal die großen französischen Impressionisten findet man, wie in den deutschen Museen von Mannheim bis Dresden, von Hamburg bis Wien; keine Beziehung zu örtlichen Belangen, in Arles nichts von van Gogh, in Aix von Cézanne nur eine Schulzeichnung«. Besuche man hingegen die Städte entlang des Rheins, ergebe sich ein ganz anderes Bild. Dort reihe sich ein Museum an das andere, das seiner Verantwortung gegenüber Geschichte und Gegenwart nachkomme: »Zürich, Winterthur, Basel, Freiburg, Karlsruhe, Mannheim, Heidelberg, Darmstadt, Frankfurt, Wiesbaden, Mainz, Köln und dann weiter ins Industriegebiet hinein, Stadt an Stadt – welche Lebendigkeit der öffentlichen Sammlungen, immer verschieden nach den geschichtlichen Bedingungen, mannigfaltig in Voraussetzungen und Möglichkeiten, Aufgaben und Zielen.« Vor diesem Hintergrund formuliert Justi als Ziel der neuen Zeitschrift: »Die Tätigkeit der Museen im Auslande soll berücksichtigt werden, besonders der amerikanischen, die sich lebendig und vielseitig um die Kunst unserer Zeit bemühen. Unsere erste Aufgabe aber scheint uns zunächst der geistige Zusammenschluß der Museen im deutschen Sprachgebiet, welche sich ernsthaft für das Schaffen der Gegenwart einsetzen, die Darstellung und damit die Förderung ihrer schwierigen und wichtigen Arbeit.« 3 Als erster Aufsatz des ersten Heftes erschien programmatisch ein Grundsatzreferat, das Max Sauerlandt unter dem Titel Die deutschen Museen und die Gegenwartskunst 1929 auf der Tagung des Deutschen Museums-Bundes in Danzig gehalten und in dem er weitreichende berufsethische Forderungen für diese Institution des modernen Kunstmuseums formuliert hatte.4 Hinter der Zeitschrift Museum der Gegenwart steht das Konzept des modernen Kunstmuseums, wie es sich um die Jahrhundertwende in Deutschland in ver-
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Blick in den Beckmann-Raum im Berliner Kronprinzenpalais, 1933.
schiedenen Auseinandersetzungen herausgebildet und durchgesetzt hatte – beispielhaft in Institutionen wie der Berliner Nationalgalerie unter Hugo von Tschudi, der Hamburger Kunsthalle unter Alfred Lichtwark, der Bremer Kunsthalle unter Gustav Pauli und der Mannheimer Kunsthalle unter Fritz Wichert – und wie es für die ganze Welt vorbildlich wurde. Man darf in diesem Zusammenhang sehr wohl darauf verweisen, daß sich Alfred Barr, geistiger Vater und erster Direktor des 1929 gegründeten Museum of Modern Art in New York, ausdrücklich auf das deutsche Vorbild berief. In den zwanziger Jahren war er mehrmals in Europa unterwegs – 1927 in Dessau und Berlin, 1928 in München, Stuttgart, Frankfurt, Darmstadt und Mannheim, 1931 abermals in Berlin – und kannte alle wichtigen Museen der Gegenwartskunst in Deutschland.5 Anfang der dreißiger Jahre, als die Zeitschrift erschien, stand sie für einen bestimmten deutschen Entwicklungsstand des modernen Kunstmuseums, der sich beispielhaft in der modernen Abteilung der Berliner Nationalgalerie im Kronprinzenpalais manifestierte, wo Werke lebender Künstler zu sehen waren, die man entweder direkt aus dem Atelier der Künstler erworben oder als Leihgaben erhalten hatte. Im Kronprinzenpalais gab es damals ganze Räume mit Werken der BrückeMaler und Emil Noldes, Max Beckmanns (Abb. 25) oder Lyonel Feiningers, und man darf daran erinnern, daß diese Künstler damals gerade einmal fünfzig Jahre alt waren! 6 Dominant und bestimmend in diesem Museum der Gegenwart der zwan-
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ziger und dreißiger Jahre war die Kunst der deutschen Expressionisten. Sie wurde als die unbestritten größte Leistung deutscher Kunst angesehen. Man sah sie aber keineswegs isoliert, sondern im europäischen Zusammenhang, und entsprechend erwarb man in den verschiedenen Museen, soweit es die beschränkten Möglichkeiten der Zeit zuließen, auch einzelne Werke aus anderen europäischen Ländern, zum Beispiel Bilder von Edvard Munch aus Norwegen (der infolge seiner vielfältigen Verbindungen zur deutschen Kunstszene fast schon als deutscher Künstler angesehen wurde) oder einzelne Bilder aus Frankreich oder Italien. Diese blieben allerdings immer in der Minderzahl. Werke von Picasso, wie man sie damals in Elberfeld oder Berlin antreffen konnte, waren äußerst selten in den Museen vertreten.7 Dennoch: Die Moderne wurde immer als europäisch international angesehen, was man in den Museumssammlungen sichtbar zu machen versuchte. Die nationalsozialistische Aktion gegen die als »entartet« diskriminierte Moderne zerstörte dieses Museum der Gegenwart im Jahre 1937 radikal. Seine Hauptwerke wurden dem Spott der Massen ausgesetzt, seine Sammlungen versprengt. Einiges wurde 1939 auf der bekannten Luzerner Auktion versteigert, bei der zumindest zwei Museen aus Nachbarländern – das Kunstmuseum Basel und das Musée d’Art moderne in Lüttich – ihre Chance nutzten.8 In gewisser Weise wurde die Idee des Museums der Gegenwart durch diese Erwerbungen über die Grenze getragen!
Nach dem Krieg Wie reagierten die deutschen Museen für moderne und zeitgenössische Kunst, als mit dem Ende des Kriegs alles vorbei und ein Neuanfang möglich war? Beriefen sie sich wieder auf jene Tradition des Museums der Gegenwart oder gingen sie andere Wege? Gab es eine »Fortsetzung«? Und welche Rolle spielte in diesem Zusammenhang die französische Gegenwartskunst? Wie stark in Deutschland die Sehnsucht nach einem neuen Museum der Gegenwart war, geht aus einem Beitrag hervor, den ein Künstler, der Berliner Maler Theodor Werner, im Katalog der Ausstellung 120 Meisterwerke des Musée d’Art moderne Paris verfaßte, die im Sommer 1956 in der Berliner Akademie der Künste zu sehen war. Werner spricht von der Dringlichkeit eines vergleichbaren modernen Museums in Deutschland, »ein Wunschtraum, eine noch nicht endgültig verwirklichte Aufgabe des 20. Jahrhunderts«. »Die schöpferische Tat, die Auslese sammeln, bewahren, aufstellen, repräsentieren, interpretieren und bei der rastlosen Vehemenz des Ablaufes das wahre Gesicht des Heute als Status eines lebendig fließenden Prozesses darstellen« – dafür brauche man in Deutschland nach dem Verlust des Kronprinzenpalais wie-
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der einen Ort. Werner erinnert in diesem Zusammenhang daran, daß einst Braque 1936 auf einer Reise durch Deutschland den Reichtum an moderner französischer Kunst in den deutschen Museen bewundert habe. Nach Jahren der »Entartung« durch die Nationalsozialisten und angesichts der aktuellen Diskussionen um Figuration/Abstraktion käme dem Museum eine aufklärende, eine didaktische Funktion zu: »Dokumente sammeln als Argumente gegen das Nihil. Das Museum als Gewissen der Zeit gibt uns Bericht über unsere Seinssituation. Meisterwerke der letzten 50 Jahre bestehen neben dem Besten. […] Es wird zuviel in abstracto diskutiert über das Kunstwerk, wir brauchen das Museum, um zu zeigen, was wir meinen, wenn von Kunst die Rede ist«.9 Werners Text vermittelt einen Eindruck, wie sehr nach dem Zweiten Weltkrieg die Vielfalt und Fortschrittlichkeit der deutschen Museumslandschaft vor 1933 im Bewußtsein präsent geblieben war, wie sehr man sich an ihr orientieren wollte. Dabei war um die Mitte der fünfziger Jahre die Lage der deutschen Museen um einiges besser, als von Werner beklagt. Dies geht aus einer Bestandsaufnahme hervor, die Kurt Martin, damals Direktor der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, im Jahre 1954 unter dem Titel Sammlungen und Ausstellungen zeitgenössischer Kunst vorlegte. Er verweist darauf, daß man an deutschen Museen, genannt werden Hamburg, Köln, Mannheim und München, wieder damit begonnen habe, deutsche und französische Kunst vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart zu sammeln. Insbesondere die Mannheimer Kunsthalle, die bereits vor 1933 »besonders avantgardistisch« ausgerichtet gewesen sei, käme wieder ihrer »ursprünglichen Aufgabe« nach, »nur solche Werke zu zeigen, die die Gegenwart unmittelbar aktiv und nicht nur historisch angehen«. Köln hingegen habe das »Glück, von einem seiner Bürger, Rechtsanwalt Dr. Haubrich, eine wesentliche Sammlung moderner Kunst als Geschenk« erhalten zu haben, mit der Auflage, daß die Stadt jedes Jahr »eine bestimmte Summe zur Ergänzung und zum weiteren Ausbau« zur Verfügung stelle. Aber auch in anderen deutschen Museen, Martin zählt hier Bremen, Darmstadt, Düsseldorf, Essen, Frankfurt, Stuttgart, Hannover, Karlsruhe, Nürnberg und Wuppertal auf, entstünden wieder »ansehnliche moderne Sammlungen«, ja, die Anzahl der Häuser, »die die Vertretung gegenwartsnaher Kunst als Aufgabe anerkennen und durchführen, ist sogar größer als je zuvor«. Dazu trügen auch aus privater Initiative, »gewissermaßen auf den Trümmern entstandene« Sammlungen bei, wie die Museen in Dortmund und Düren. Sie alle folgten dem »einzigen Ziel, dem Gegen-
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wärtigen zur Geltung und zu sozialer Funktion zu verhelfen«. Besonders zu erwähnen sei, daß es auch in Berlin wieder ein Museum moderner Kunst gebe, dieses habe nicht zuletzt wegen der »kulturpolitischen Wirkung auf die Ostzone« größte Bedeutung.10 In Deutschland sei also, so lautet das Fazit Martins, die deutsche Moderne wieder in zahlreichen öffentlichen Sammlungen vertreten. Demgegenüber sei allerdings zu beklagen, daß »entsprechende ausländische Werke nahezu völlig« fehlten. Aber gerade sie müßten, »wenigstens in den großen deutschen Museen, neben den deutschen Bildern hängen, um das Gemeinsame deutlich und das Trennende besser verständlich zu machen, um den Wert des Eigenen an nationalen Vergleichen erkennen zu lassen«. Doch Devisenbestimmungen und beschränkte Ankaufsetats hätten bisher »keine Ankäufe im Ausland« erlaubt. Es sei daher »zu hoffen, dass die führenden Institute die Ergänzung ihrer Sammlungen im europäischen Sinne nicht nur erstreben, sondern auch erreichen werden.« 11 Grundsätzlich fällt Martins Analyse positiver aus, als wir die Situation von heute aus beurteilen würden. Nicht hinter allen Städtenamen, die er im zweiten Teil seiner Bestandsaufnahme aufführt und denen er bereits wieder »ansehnliche« Sammlungen attestiert, standen damals wirklich Sammlungen, wie wir sie heute definieren würden, eher wohl gute Vorsätze und Ansätze. Aber dennoch ist der Lagebericht aussagekräftig und in seinem optimistischen, Mut machenden Grundton wohl auch zeittypisch. Er macht deutlich, daß viele Museen sofort begannen, die unterbrochene Tradition wieder aufzunehmen. Tatsächlich erinnert uns seine Art, die deutsche Museumsszene als Ganzes zu betrachten, sehr an Justis oben zitiertes Vorwort von 1930.
Köln und Karlsruhe Trotz zeitgenössischer Erfahrungsberichte, wie denen von Werner und Martin, muß man festhalten, daß sich die Kunstgeschichte mit der deutschen Museumsentwicklung in den unmittelbaren Nachkriegsjahren bisher kaum beschäftigt hat. Die wenigsten Museen haben selbst diese Phase ihrer Entwicklung dokumentiert, kaum ein Archiv ist aufgearbeitet.12 Für meine Recherchen habe ich daher fünf Museen ausgewählt, die nach meiner eigenen Erfahrung und rückblickenden Einschätzung in den Nachkriegsjahren führend und maßstabsetzend waren im Umgang mit Gegenwartskunst und deren Ankaufspolitik sich für die fragliche Zeit heute aus Bestandskatalogen gut erschließen läßt: Das Wallraf-Richartz-Museum in Köln, das Museum Folkwang in Essen, das Von der Heydt-Museum in Wuppertal und – zur Kontrolle gewissermaßen – die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe und die Hambur-
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ger Kunsthalle.13 Die Berliner Entwicklung, die zeitlich etwas anders verlief, bleibt ausgeklammert. Und natürlich beziehen sich alle diese Recherchen – wie Martins Bericht von 1954 – allein auf die westdeutsche Entwicklung.14 Beginnen wir mit dem Wallraf-Richartz-Museum in Köln, dessen moderne Sammlung heute den Namen Museum Ludwig trägt. Kurt Martin weist darauf hin, daß dieses Museum 1946 die Stiftung des Rechtsanwalts Josef Haubrich erhielt, welche mit der Auflage an die Stadt verbunden war, in Zukunft jährlich einen bestimmten Betrag für den Ankauf zeitgenössischer Kunst aufzuwenden.15 Im Sammlungskatalog des Museums von 1974 sind unter dem Jahr 1946 insgesamt 55 Gemälde als Schenkung Haubrich inventarisiert (Tab. 1, 1. Spalte).16 Die Struktur der Sammlung ist deutlich zu erkennen: Ihr Schwerpunkt liegt bei den Malern der Brücke, um die sich einige andere Expressionisten im weitesten Sinne gruppieren: Paula Modersohn-Becker, Franz Marc, Alexej von Jawlensky, Karl Hofer, Max Beckmann, Oskar Kokoschka, Otto Dix. Zu ihnen kommen die etwas jüngeren Deutschen mit einer gewissen Tendenz zur Neuen Sachlichkeit, wie Georg Schrimpf, Werner Scholz, Carlo Mense, und mit einem Schwerpunkt auf rheinische Künstler. Das Ganze ist international eingebettet mit einigen französischen Malern wie Maurice de Vlaminck, Maurice Utrillo, Moise Kisling, bei denen auch eher die expressionistische oder neusachliche Tendenz überwiegt. Kubisten kommen noch nicht vor, und nicht zufällig ist Marc Chagall mit seiner erzählerischen und dem expressionistisch geschulten Auge besonders sympathischen Malerei der am stärksten vertretene nichtdeutsche Künstler. Verfolgt man nun, wie sich diese Sammlung durch weitere Erwerbungen des Museums in den nächsten zehn Jahren entwickelt, dann ergibt sich für das Jahr 1955 folgendes Bild (Tab. 1, 2. Spalte): Bei den Älteren – den deutschen ebenso wie den internationalen Künstlern – zeigt sich eine Fortsetzung und Verdichtung des 1946 Begonnenen. Bei den Brücke-Künstlern vergrößern sich die Werkgruppen, so kommt Max Pechstein hinzu, der Blaue Reiter vervollständigt sich von Franz Marc und Alexej von Jawlensky auf August Macke, Wassily Kandinsky und andere. Aber auch bei den Jüngeren liegt der Schwerpunkt eindeutig auf der deutschen Malerei und zwar so, wie sie als Fortentwicklung dessen gesehen wurde, was das Museum der Gegenwart vor der Nazizeit charakterisiert hatte. Es dominieren die Maler, die als Nachfolger der Expressionisten schon in den dreißiger Jahren eine eigenständige Position gefunden hatten und mit dieser zunächst unter das Verdikt der »Entartung« gefallen und dann in ihrer Entwicklung durch den Zweiten Weltkrieg zusätzlich behindert worden waren, zum Beispiel Willi Baumeister, Xaver Fuhr, Werner Gilles, Ernst Wilhelm Nay oder der emigrierte Hans Hartung.
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Sieht man sich nun in einem dritten Schritt die Kölner Gemäldeerwerbungen der Jahre 1956 bis 1960 an (Tab. 1, 3. Spalte), so kann man feststellen, daß sich erstens die Vervollkommnung und Verdichtung der Klassischen Moderne fortgesetzt hat – mit deutschen Namen wie Rudolf Levy, Hans Purrmann, Franz Wilhelm Seiwert, Oskar Schlemmer, Paul Klee, mit einer Sammlung aus nunmehr vierzehn Bildern von Max Beckmann und mit internationalen Künstlern wie Giorgio de Chirico, Georges Braque, Henri Matisse, Raoul Dufy, Suzanne Valadon, Albert Marquet, Auguste Herbin, Marie Blanchard – und daß es zweitens weitergegangen ist mit den jüngeren Deutschen wie Werner Heldt, Theo Kerg, Hubert Berke, Hann Trier, Hans Werdehausen. Drittens aber tauchen nun auch in der jüngeren Generation internationale Namen auf wie die Italiener Marino Marini (hier nur als Maler), Renato Birolli und Guido La Regina, die Franzosen Raoul Ubac, Alfred Manessier und Jean Atlan, der in Paris lebende Schweizer Gérard Schneider, der Niederländer Corneille und in deren Kreis der Deutsche Francis Bott. In unserer Kölner Bestandsaufnahme von 1955 war Hans Hartung der einzige jüngere »Ausländer«, alle anderen internationalen Künstler seiner Generation oder jünger tauchten erst zwischen 1955 und 1960 auf. Ein gleiches Bild vermittelt ein Erwerbungsbericht Kurt Martins zur Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe von 1955, in dessen Einführung es unter anderem heißt: »Um die Entwicklung folgerichtig aufzuzeigen und an den deutschen Impressionismus von Liebermann, Corinth und Slevogt anzuschließen, wurde es als erste und besondere Verpflichtung empfunden, die Meister des deutschen Expressionismus, soweit dies noch möglich ist, mit Hauptwerken zu repräsentieren.« 17 Gleichwohl waren in der Karlsruher Sammlung auch schon der Fauvismus und Kubismus vertreten.18 Ich führe dies nur an, weil Martin sich als wichtiger Kunstvermittler in der französischen Besatzungszone Deutschlands mehr als alle anderen für die Darstellung französischer Kunst eingesetzt hat.19 Dennoch stellt sich auch seine Erwerbungsbilanz nicht anders dar als diejenige seiner Kollegen in Köln: Am Anfang steht die Rekonstruktion dessen, was man vor der Nazizeit als Sammlungskonzept formuliert und unterschiedlich weit realisiert hatte, nämlich die Rehabilitation des deutschen Expressionismus. Dieses wird in zwei Richtungen ausgebaut, einerseits durch eine zunehmende Ausdehnung auf die gesamte europäische Moderne, andererseits durch die Einbeziehung der »postexpressionistischen« jüngeren Deutschen. Erst in einem dritten Schritt werden neue Tendenzen ins Visier genommen.
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Essen und Wuppertal Nun zu zwei weiteren Fallbeispielen, dem Essener Museum Folkwang und dem Von der Heydt-Museum in Wuppertal, beides Institutionen, die zu den ältesten Repräsentanten jenes Museums der Gegenwart in Deutschland gehörten. Für das Museum Folkwang (Tab. 2) habe ich eine Tabelle mit drei Zeitschritten zusammengestellt – 1955, 1965 und 1970 – und mich nur noch auf die Jüngeren konzentriert, weil sich in Bezug auf die ältere Generation der gleiche Trend abzeichnet wie in Köln. In der linken Hälfte der Tabelle erscheinen die Deutschen (einschließlich Hans Hartung), in der rechten Hälfte die internationalen Künstler. Das Bild entspricht im Grundsatz demjenigen aus Köln: Den ausländischen Künstlern begegnet man erst nach 1955; viele der Erwerbungsdaten, die in der Tabelle nicht ausgewiesen sind, liegen dabei in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre. So erwarb das Museum 1956/57 unter anderem zwei Werke von Manessier, Hartungs T 55-18 (Abb. 26), eine Komposition (1953) von Poliakoff sowie ein Bild von Singier. Der dritte Zeitschritt 1970 ist für unser Thema eigentlich unergiebig. Er kann aber als Andeutung darauf verstanden werden, daß die Entwicklung seit Mitte der sechziger Jahre – was die Internationalität anging – eine ganz andere Richtung einschlug. Sodann Wuppertal. Auch hier wieder eine Staffelung in den drei Zeitschritten 1955–1965–1970 (Tab. 3). Blicken wir jetzt nur auf die beiden Spalten für 1955 und 1965, im linken Feld die deutschen, im rechten Feld die internationalen Künstler: Die einzigen jüngeren Künstler, die vor 1955 angekauft wurden, sind Ernst Wilhelm Nay und Fritz Winter, alle internationalen Künstler wie Singier (Taf. XIII) kommen erst danach in die Sammlung; eine zentrale Rolle spielten hier die Stiftungen von Eduard von der Heydt, der dem Museum unter anderem Bilder von van Gogh, Braque, Picasso und Beckmann schenkte. Weil man das Ergebnis aus Karlsruhe und drei Museen der gleichen rheinisch-westfälischen Region vielleicht für wenig repräsentativ halten könnte, habe ich – gewissermaßen zur Kontrolle – den Sammlungskatalog der Hamburger Kunsthalle ausgewertet (Tab. 5).20 Und auch hier stößt man auf eine sehr ähnliche Entwicklung.
École de Paris Wer sind nun die internationalen Künstler, und welche Rolle spielen dabei Franzosen? Eine Antwort läßt sich aus einem Vergleich zwischen Köln, Essen und Wuppertal deutlich ablesen (Tab. 4). Hier zeigt sich nämlich, daß wir den meisten der französischen Künstler mehrfach begegnen. Es zeichnet sich eine Kerngruppe ab, bestehend aus Alfred Manessier (Taf. XII), Jean Bazaine (Abb. 25), Gustave Singier (Taf. XIII und Abb. 73), Pierre Soulages und Serge Poliakoff. Man kann von einer
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26 Hans Hartung: T 55-18, Öl auf Leinwand, 162 × 110 cm, Essen, Museum Folkwang.
einheitlichen Tendenz in der Wertschätzung französischer ungegenständlicher Malerei sprechen, die sich während der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre in den Ankäufen deutscher Museen niederschlug. Sie konzentrierte sich letztendlich auf eine kleine Gruppe von Malern: Zu der genannten Kerngruppe um die Jeunes peintres de tradition française sowie Poliakoff und Soulages kam in einzelnen Museen der eine oder andere Künstler wie Maria Elena Vieira da Silva, Roger Bissière oder der Kanadier Jean Paul Riopelle hinzu.21 Wie ist diese deutliche Hinwendung zur École de Paris nach 1955 zu erklären? Kurt Martin hatte in seinem eingangs zitierten Situationsbericht von 1954 auf die Einschränkungen verwiesen, denen die deutschen Museen wegen der Devisenbewirtschaftung unterlagen, die es ihnen schwer machten, Kunstwerke im Ausland zu erwerben. Wann sich das änderte und ob dabei das Jahr 1955 eine Rolle gespielt hat, kann hier nicht untersucht werden. Eins aber ist sicher: Dieses Jahr war in der Geschichte der deutschen Kunstrezeption in anderer Hinsicht ein besonders wichtiges, denn damals fand in Kassel die erste documenta statt (Abb. 27 und 32–33). Sobald man in den Katalog dieser Ausstellung schaut, erkennt man, daß es eben jene nun schon mehrmals genannten Maler waren, denen man dort als der neuen École de Paris begegnete.22 Die documenta trat auf mit dem Anspruch, das verbindliche Bild der Moderne zu zeichnen, sowohl bezogen auf die Vergangenheit wie auf die Gegenwart, und die Gegenwart stellte im wesentlichen die École de Paris dar.
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Großer Malereisaal im Museum Fridericianum während der ersten documenta 1955 in Kassel (im Hintergrund Picassos Mädchen vor einem Spiegel (1932) und an den Seitenwänden Werke der École de Paris).
Die documenta stand aber mit ihrem Verbindlichkeitsanspruch und ihrer Wirkung auf die Kunstrezeption nicht allein. Mindestens so bedeutend war das ein Jahr zuvor erschienene Buch von Werner Haftmann Malerei im 20. Jahrhundert, dessen Tafelband mit eigenen Begleittexten ein Jahr später – rechtzeitig zur documenta – auf den Markt kam 23. Die Verbindung zwischen der ersten documenta und Haftmanns Buch, das für das deutsche Kunstpublikum zweifellos Maßstäbe gesetzt hat, die bis heute weiterwirken, liegt auf der Hand. Haftmann, der damals als Kunstschriftsteller in München lebte, war mit Sicherheit das einflußreichste Mitglied des Arbeitsausschusses der documenta – gemeinsam mit Arnold Bode von der Staatlichen Werkakademie Kassel (dem geistigen Vater und Spiritus Rector der documenta), Alfred Hentzen, dem Direktor der Hamburger Kunsthalle, Kurt Martin, dem Direktor der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe und dem Bildhauer Hans Mettel als Direktor der Staedel-Schule in Frankfurt am Main (Abb. 29).24 Er war es auch, der die kunsthistorische Einführung in den Katalog verfaßte. Ganz offensichtlich haben documenta und Haftmanns Malerei im 20. Jahrhundert gemeinsam die Bewertungsmaßstäbe und Interpretationsstichworte geliefert, mit denen die Malerei der École de Paris (und ihrer Generationsgenossen aus Italien, zu denen Haftmann eine enge Beziehung hatte) gemeinsam mit deutschen Künstlern den
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verbindlichen Status als Kunst der Gegenwart in den deutschen Museen einnehmen konnte. Nimmt man nun den Tafelband zu Haftmanns Malerei im 20. Jahrhundert, den man als das Résumée des Textbandes verstehen darf, in die Hand, so begegnet man im Abbildungsteil des letzten Kapitels Malerei der Gegenwart einer Auswahl von rund zwanzig Künstlern, darunter fünf Franzosen – Jean Bazaine, Vieira da Silva, Alfred Manessier, Gustave Singier, Pierre Soulages –, sieben Italiener – Renato Birolli, Giuseppe Santomaso, Afro, Emilio Vedova, Mattia Moreni, Roberto Crippa, Antonio Corpora – und sieben Deutsche – Georg Meistermann, Hans Hartung, Wols, Ernst Wilhelm Nay, Fritz Winter, Theodor Werner, K. R. H. Sonderborg, wobei man die zwei Deutschen aus Paris, Wols und Hartung, im Sinne Haftmanns wohl auch zu den Franzosen zählen kann, denn bei der documenta, deren Katalog die Künstler nach Herkunftsländern aufführt, laufen die beiden unter Frankreich. In dem begleitenden Text, der einer existenzphilosophischen Argumentation folgt, hebt Haftmann die »abstrakte Malerei« mit ihren »spontanen Sprachmöglichkeiten« und mit ihrem Vermögen, »Vorgänge innerhalb der existentiellen Schichten bildnerisch konkret zu machen« vor allen anderen künstlerischen Positionen, die es auch gab, ausdrücklich hervor. Zugleich betont er die »Kontinuität der Anschauungen« der zeitgenössischen Malerei zur Moderne vor dem Krieg. Diese Beständigkeit verdanke sich der Tatsache, daß sich die Moderne nie von außen habe vereinnahmen lassen, »je absoluter der kollektive Anspruch des Politischen und Sozialen auftrat, desto unbeirrter bestand der schöpferische Mensch auf dem unveräußerlichen Wert des einzelnen isolierten Geistes«. Ausführlich kommt Haftmann auch auf die prominenten Vertreter der École de Paris zu sprechen. Gerade in ihren Bildern glaubt er den »evokativen« Charakter der Abstraktion sowie die Neigung zum Poetischen und Meditativen verwirklicht. So bewundert er das von einer »tiefen Empfindungsfähigkeit durchwärmte Werk« Bazaines, in dem sich das »Schauen« des Malers in »Bildklänge« verwandle (Abb. 28). Ähnlich spiegele sich in den Arbeiten Bissières, von Klee ausgehend, eine »lyrische Empfindung« wider, die in Manessiers »Formarchitektur« (Taf. XII) sogar einen religiösen Charakter annehme: »Dies aus einem bestimmten Meditationsraum evozierte Bild benötigt vorgeformter Zeichen nicht mehr, es schafft um sich ein Empfindungsfeld, das den sinnend schauenden Betrachter einstimmt und ihm den Gehalt der abstrakten Figuration transparent macht«. Und die Bilder Singiers evozierten »ein Drittes, sei es nun Natur oder dichterisches Gebilde« (Taf. XIII und Abb. 73). Selbst ein energiegeladenes Gemälde Hartungs begriff Haftmann als ein »ausgeformtes Kraftfeld einer menschlichen Seinsbehauptung«, als ein »Moment menschlicher Existenz« (Abb. 26).25
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28 Jean Bazaine: Die Lichtung, 1951, Öl auf Leinwand, 129 × 96 cm, Privatsammlung (abgebildet in: Werner Haftmann: Malerei im 20. Jahrhundert. Tafelband, München 1955).
Das Museum der Gegenwart, wie es sich in den deutschen Museen vor 1933 entwickelt hatte, zeichnete das Bild der europäischen Moderne aus deutscher Sicht. In diesem Sinne war auch die Kasseler documenta von 1955 eine Fortschreibung des Museums der Gegenwart, inhaltlich geprägt von mindestens drei klassischen Vertretern dieser Idee, dem Justi-Zögling und -Verehrer Werner Haftmann, der nach eigener Aussage seine künstlerische Prägung in den dreißiger Jahren dem Kronprinzenpalais verdankte, dem langjährigen Justi-Mitarbeiter und -Schüler Alfred Hentzen und dem gleichgesinnten Kurt Martin. Und aus der ersten documenta heraus wirkte die Idee in die Museen zurück. Durch sie erhielt deren Erwerbungsund Ausstellungspolitik den entscheidenden Impuls, sich verstärkt der europäischen Gegenwartskunst, insbesondere der École de Paris zuzuwenden. So sei nur daran erinnert, daß Werner Schmalenbach, seit 1955 als Hentzens Nachfolger der neue Leiter der Kestner-Gesellschaft in Hannover, einen beeindruckenden Ausstellungszyklus mit Malern der École de Paris initiierte – nacheinander zeigte er
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GRISEBACH
Junge Graphik aus Paris (1956/57), Bissière (1957), Hartung (1957), Singier (1957), Vieira da Silva (1958), Riopelle (1958), Manessier (1958/59), Nicolas de Staël (1959), Soulages (1960), Bazaine (1962) und sogar Jean Dubuffet (1960).26 Einige wenige wagemutige Museumsleute wie Paul Wember in Krefeld, Curt Schweicher in Leverkusen oder Clemens Weiler in Wiesbaden gingen einen Schritt weiter und begannen in den späten fünfziger Jahren schon damit, die Art autre und den Nouveau réalisme zu fördern, also zu einem Zeitpunkt, als diese avantgardistischen Kunstrichtungen von den französische Museen noch ignoriert wurden.27
Tab. 1 Gemäldeerwerbungen des Kölner Wallraf-Richartz-Museum zwischen 1946 und 1960 Deutsche Künstler
1946 1955 1960
Deutsche Künstler
Paula Modersohn-Becker
1
4
4
Franz Radziwill
1
1
Emil Nolde
6
8
8
Rolf Nesch
1
1
Erich Heckel
3
6
6
Richard Seewald
1
1
Ernst Ludwig Kirchner
2
6
6
Oskar Moll
Karl Schmidt-Rottluff
2
6
7
Oskar Schlemmer
3
3
F. Vordemberge-Gildewart
1
1
2
3
3
Max Ernst
1
3
3
1
Xaver Fuhr
3
5
5
1
3
3
Franz Wilhelm Seiwert
3
3
Heinrich Hoerle
2
2
2
6
9
Jankel Adler
1
2
3
1
1
Adolf Seehaus
2
2
2
1
Peter Herkenrath
1
4
4
Max Pechstein Otto Mueller Max Kaus Franz Marc August Macke Alexej von Jawlensky
1
Wassily Kandinsky Paul Klee
1946 1955 1960
1
1
1 1
2
Karl Hofer
2
3
4
Werner Heldt
Max Beckmann
1
4
14
Werner Gilles
2
2
Oskar Kokoschka
2
5
7
Ernst Wilhelm Nay
4
4
Otto Dix
3
4
4
Fritz Winter
2
2
1
1
Willi Baumeister
3
3
Rudolf Levy
1
Hubert Berke
Hans Purrmann
1
Georg Meistermann
3
3
Jan Thorn Prikker
1
Theodor Werner
1
1
George Grosz
1
2
Georg Schrimpf
3
4
4
Hilla von Rebay
1
1
Werner Scholz
1
1
3
Hans Hartung
1
1
1
1
Hans Jaenisch
1
1
Franz Lenk Carlo Mense
1
1
1
Josef Fassbender
2
2
Anton Kerschbaumer
1
1
1
1
1
1
1
Wilhelm Imkamp
Heinrich Nauen
1
1
Hann Trier
Heinrich Campendonk
1
1
Werner Graeff
Anton Räderscheidt
1
1
Hans Werdehausen
3 2
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Ausländische Künstler
1946 1955 1960
Ausländische Künstler
Marc Chagall
3
3
Henri Matisse Maurice de Vlaminck
1
1
Albert Marquet André Derain
Auguste Herbin Pierre Eugène Clairin
1
Giorgio de Chirico
1
Ismael de la Serna
1 1
1
1
3
3
3
1
2
Alfred Manessier
1
Raoul Dufy
1
Raoul Ubac
1
Maria Blanchard
1
Gérard Schneider
1
Suzanne Valadon
1
Francis Bott
2
1
3
Marino Marini
1
Amadeo Modigliani
1
2
Renato Birolli
1
Pablo Picasso
1
3
Guido La Regina
1
2
Ferenc Varga
1
2
2
Corneille
1
1
1
Maurice Utrillo
1
3 1
1946 1955 1960
1
Georges Braque Moise Kisling
2
Louis Marcoussis
Quelle: Die Gemälde des 20. Jahrhunderts. Die älteren Generationen bis 1915, Sammlungskatalog des Museums Ludwig, hrsg. von Evelyn Weiss u. a., Köln 1974.
Tab. 2 Gemäldeerwerbungen des Museum Folkwang Essen zwischen 1948 und 1970 Deutsche Künstler
1955 1965 1970
Joseph Albers Ernst Wilhelm Nay
1 3
5
Ausländische Künstler
1955 1965 1970
Alfred Manessier
1
Jean René Bazaine
1
Georg Meistermann
3
Gustave Singier
1
Theodor Werner
1
Maria Elena Vieira da Silva
1
Fritz Winter
1
Hans Hartung
1
2
Pierre Soulages
2
Serge Poliakoff
1
Hans Werdehausen
3
Lucio Fontana
Karl Otto Götz
2
Alberto Magnelli
1
Hann Trier
1
Emilio Vedova
1
Max Ernst
1
Zoran Musicˇ
1
Wilhelm Imkamp
1
Ferenc Varga
1
Kurt Lewy
1
Karel Appel
1
Rupprecht Geiger
1
Corneille
1
1
Zao Wou-Ki
1
Günther Uecker
1
Antoni Tapies
1
Gerhard Richter
1
Sam Francis
1
Palermo
1
Morris Louis
1
Frank Stella
1
Otto Piene
1
Quelle: Museum Folkwang Essen. Katalog der Gemälde des 20. Jahrhunderts, bearbeitet von Uta LaxnerGerlach, Essen 1971.
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GRISEBACH
Tab. 3 Gemäldeerwerbungen des Wuppertaler Von der Heydt-Museum zwischen 1948 und 1970 Deutsche Künstler
1955 1965 1970
Joseph Albers
1
Ernst Wilhelm Nay
1
Fritz Winter
1
Hann Trier
3 2
Hans Werdehausen
1
Ausländische Künstler
1955 1965 1970
Gustave Singier
1
Jean Piaubert
1
Serge Poliakoff
2
Jean Paul Riopelle
1
Jean Dubuffet
1
Rupprecht Geiger
1
Victor Vasarely
Karl Otto Götz
1
Felice Canonico
1
Bernard Schulze
1
Antonio Corpora
1
Gerhard Hoehme
2
Giuseppe Capogrossi
1
Peter Brüning
2
Mario Prassinos
1
Emil Schumacher
1
Asger Jorn
2
Otto Piene
2
Karel Appel
1
Horst Antes
2
Lucebert
1
Shusaku Arakawa
1
Lucio Fontana
1
Gerhard Richter
1
1
Antoni Tàpies
1
Robert Indiana
1
Leon Polk Smith
1
Quelle: Von der Heydt-Museum Wuppertal. Katalog der Gemälde des 20. Jahrhunderts, bearbeitet von Uta Laxner-Gerlach, Wuppertal 21981.
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Tab. 4 Junge internationale Künstler im Vergleich Köln – Essen – Wuppertal Köln
1955 1960
Essen
1955 1965
Wuppertal
1955 1965
Alfred Manessier
1
Alfred Manessier
1
Gustave Singier
1
Raoul Ubac
1
Jean René Bazaine
1
Jean Piaubert
1
Gérard Schneider
1
Gustave Singier
1
Serge Poliakoff
2
Jean Paul Riopelle
1
M. E. Vieira da Silva
1
Pierre Soulages
2
Serge Poliakoff
1
Zao Wou-Ki
1
Marino Marini
1
Alberto Magnelli
1
Lucio Fontana
1
Renato Birolli
1
Emilio Vedova
1
Felice Canonico
1
Guido La Regina
1
Antonio Corpora
1
Giuseppe Capogrossi
Ferenc Varga
Corneille
Francis Bott
1
1
Zoran Musicˇ
1
Ferenc Varga
1
1
Mario Prassinos
1
1
Karel Appel
1
Karel Appel
Corneille
1
Asger Jorn
2
Lucebert
1
Shusaku Arakawa
1
2
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Tab. 5 Gemäldeerwerbungen der Hamburger Kunsthalle zwischen 1946 und 1962 (ohne die Abteilung Hamburger Malerei) Gruppe I
1955
Lovis Corinth
3
Max Slevogt
2
Paula Modersohn-Becker
1962
1 3
Robert Delaunay
2
André Masson
1
James Ensor
1
Giorgio di Chirico
1
Giorgio Morandi
1
Emil Nolde
2
Erich Heckel
4
Ernst Ludwig Kirchner
5
6
Karl Schmidt-Rottluff
5
6
Otto Mueller
2
Wols
1
Franz Marc
1
Werner Gilles
3
August Macke
2
Werner Heldt
Gabriele Münter
1
Eduard Bargheer 4
Gruppe III
1955
Willi Baumeister
1
1962 3
1 3
4
Ernst Wilhelm Nay
4
6 2
Alexej von Jawlensky
3
Wassily Kandinsky
1
Rolf Nesch
Paul Klee
2
3
Theodor Werner
1
Lyonel Feininger
1
2
Georg Meistermann
1
Fritz Winter
1
Carl Hofer
1
Max Beckmann
4
6
Hans Hartung
Oskar Kokoschka
2
3
Rolf Cavael
2
1 1
Otto Dix
1
Richard Oelze
1
Rudolf Levy
1
Joseph Fassbender
1
Hans Purrmann
2
Hann Trier
Oskar Schlemmer
2
Alexander Camaro
Alexander Kanoldt
1
Heinz Trökes
1
F. Ahlers-Hestermann
4
Emil Schumacher
1
Konrad von Kardorff
2
Jochen Hiltmann
1
Ida Kerkovius
1
Friedrich Karl Gotsch Helmut Kolle
1 2
2 1
Gruppe IV
1955
1962
Alfred Manessier
1
Jean Bazaine
1
Gustave Singier
1
Gruppe II
1955
1962
Edvard Munch
3
6
Roger Bissière
1
1
Séraphine Louis
1
Pierre Soulages
1
Marc Chagall Maurice de Vlaminck
1
André Derain
1
Serge Poliakoff
1
Pablo Picasso
2
Marino Marini
1
Juan Gris
1
Ben Nicholson
1
Fernand Léger
1
Antoni Tapies
1
Quelle: Katalog der Meister des 20. Jahrhunderts in der Hamburger Kunsthalle, bearbeitet von Helga Hofmann und Janni Müller-Hauck, Vorwort von Alfred Hentzen, Hamburg 1969.
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1 Dieser Beitrag ist sehr kurzfristig entstanden. Er beschränkt sich weitgehend auf die Feststellung eines Ergebnisses und bietet eine auf der Hand liegende These dazu an. Wünschenswert wäre eine detaillierte Studie über die Anfänge der Museen moderner und zeitgenössischer Kunst in Deutschland unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. 2 Museum der Gegenwart. Zeitschrift der deutschen Museen für neuere Kunst, Jg. I–III, 1930– 1933 (insgesamt 12 Hefte und ein Sonderheft). Siehe dazu umfassend Kurt Winkler: Museum und Avantgarde. Ludwig Justis Zeitschrift »Museum der Gegenwart« und die Musealisierung des Expressionismus, Opladen 2002 (Berliner Schriften zur Museumskunde, Bd. 17). 2 Alfred Hentzen (1903–1984) begleitete die Museumsentwicklung in den Jahren, um die es hier geht, in beispielhafter Weise: Nach dem Kriege leitete er von 1947 bis 1955 die KestnerGesellschaft in Hannover, von 1955 bis zu seiner Pensionierung 1969 war er Direktor der Hamburger Kunsthalle. 3 Ludwig Justi: [ohne Titel], in: Museum der Gegenwart. Zeitschrift der deutschen Museen für neuere Kunst I-1/1930, S. 1–3. 4 Max Sauerlandt: Die deutschen Museen und die deutsche Gegenwartskunst, ibid., S. 4–16. 5 Auch Sauerlandt 1930 verweist in seinem Aufsatz ausdrücklich darauf. 6 Im Jahre 1919, als das Kronprinzenpalais eröffnet wurde, waren Kirchner und die Maler der Brücke zwischen 35 und 40 Jahre alt. 7 Picassos Akrobat und Harlekin (1905, Von der Heydt-Museum, Wuppertal) wurde 1911 vom Museumsverein dem Städtischen Museum Elberfeld geschenkt. 1937 wurde es beschlagnahmt und 1939 in Luzern versteigert. Picassos Tisch mit Laute und Fruchtschale (1924) wurde in den zwanziger Jahren vom Verein der Freunde der Nationalgalerie erworben, 1938 wurde es verkauft und gelangte über die Sammlung von Theodor und Woty Werner in die Staatsgalerie für moderne Kunst in München. 8 Siehe hierzu Stephanie Barron: Entartete Kunst. Das Schicksal der Avantgarde in Nazi-Deutschland, München 1992, und Museum der Gegenwart – Kunst in öffentlichen Sammlungen bis 1937, Ausstellungskatalog, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, Düsseldorf 1987. 9 Theodor Werner: Paris gesegnet vor anderen …, in: 120 Meisterwerke des Musée d’Art moderne
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Paris, Ausstellungskatalog, Akademie der Künste, Berlin, Berlin 1956, o. P. Die Berlin betreffenden Sätze in diesem Text beziehen sich noch nicht auf die in West-Berlin erst wieder 1957 installierte Nationalgalerie, sondern auf die schon sehr bald nach Kriegsende unter der Leitung von Adolf Jannasch begründete städtische Galerie des zwanzigsten Jahrhunderts, die im Jahre 1954 – eben dem Jahr, aus dem Martins Bericht stammt – ihren ersten festen Sitz im ehemaligen Preußischen Landwehrkasino an der Jebensstraße erhielt. Kurt Martin: Sammlungen und Ausstellungen zeitgenössischer Kunst, in: Die Situation der Bildenden Kunst in Deutschland, herausgegeben vom »Deutschen Kunstrat«, bearbeitet von Ernst Thiele, Stuttgart und Köln 1954, S. 39–53, besonders S. 40–41. Kurt Martin (1899–1975) war bei Kriegsende Direktor der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe und zentrale Figur der Kunstpolitik in der französischen Besatzungszone. Von 1957 bis 1964 war er Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München. Er war ein Vetter zweiten Grades (»second cousin«) von Hilla von Rebay, der Beraterin von Solomon Guggenheim jr. in New York; siehe Cora Goldstein: Purges, Exclusions, and Limits: Art Policies in Germany 1933–1949 (1999), in: http://culturalpolicy.uchicago.edu/ workshop/goldstein.html. Diese kommt in Karlsruhe auch mit einer Erwerbung vor. Siehe dazu die Anmerkungen 13 und 14. Die Kunsthalle Mannheim, die Kurt Martin hervorhebt, hat zwar in jüngster Zeit eine eigene Untersuchung ihrer Sammlungs- und Ausstellungsgeschichte in den Nachkriegsjahren veröffentlicht, doch ergibt diese nichts für unsere Fragestellung. Siehe Jochen Kronjäger: Die Ausstellungs- und Sammlungsaktivitäten der Kunsthalle Mannheim von 1945 bis 1955. Versuch einer Bilanz, in: Menschenbilder. Figur in Zeiten der Abstraktion (1945–1955), Ausstellungskatalog, Städtische Kunsthalle Mannheim, hrsg. von Manfred Fath, Inge Herold und Thomas Köllhofer, Stuttgart 1998, S. 286–300. Von der Sammlung der Münchner Staatsgalerie für moderne Kunst sind bisher keine gedruckten Kataloge mit den entsprechenden Informationen erschienen; sie muß daher unberücksichtigt bleiben. An dieser Stelle eine kurze Bemerkung zu anderen Untersuchungen, die es zu diesem Thema gibt: Jutta Held: Kunst und Kunstpolitik 1945–49. Kulturaufbau in Deutschland nach
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dem 2. Weltkrieg, Berlin (West) 1981. Darin wird auch ein Blick auf die Erwerbungspolitik deutscher Museen geworfen. Es gibt eine Fülle von Listen aus den unterschiedlichsten Kunstmuseen West- und Ostdeutschlands. In dem kurzen Untersuchungszeitraum zwischen 1945 und 1949 gibt es aber noch zu wenig klare Profilierungen. Außerdem werden alle Museen gleich behandelt. Daher zeichnet sich in diesen Listen nichts wirklich klar ab, so interessant sie für manchen Einzelfall auch sein mögen (z. B. Halle und Fritz Winter). Schließlich geht es Held in ihrer Grundargumentation vor allem darum, nachzuweisen, daß man die unmittelbare Nachkriegszeit zuvor nur mit tendenziösem Blick betrachtet habe. Man muß deshalb heute beim Begriff »Sammlung Haubrich« in Köln (inzwischen Museum Ludwig) unterscheiden zwischen denjenigen Werken, die Haubrich aus seiner Sammlung geschenkt hat (Stiftung Haubrich), und denjenigen, die später unter diesem Etikett hinzu erworben wurden (Sammlung Haubrich). Es entstand ein städtischer Fond, über den Haubrich allein entschied. Den Umfang der Stiftung Haubrich dokumentiert der erste Katalog aus dem Stiftungsjahr: Sammlung Haubrich. Ausstellung Köln 1946 in der Alten Universität, Köln 1946. Über Haubrich und seine Sammlung in größerem Zusammenhang siehe Joseph Haubrich. Sammler und Stifter. Kunst des XX. Jahrhunderts in Köln, hrsg. von Peter Fuchs, Köln 1959. Evelyn Weiss und Ingrid Jenderko mit Vorarbeiten von Othmar Metzger: Katalog der Gemälde des 20. Jahrhunderts, die älteren Generationen bis 1915 im Wallraf-Richartz-Museum – mit Teilen der Sammlung Ludwig – und im Kunstgewerbemuseum (Kataloge des Wallraf-RichartzMuseums, Bd. VII), Köln 1974. Es handelt sich nicht um den Bestand der gesamten Stiftung Haubrich; die Werke älterer Künstler wie zum Beispiel Liebermann kommen in einem anderen Katalogband vor; siehe Anm. 15. Kunst unserer Zeit, Neuerwerbungen 1948– Frühjahr 1955, Ausstellungskatalog, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Baden-Baden 1955. Die vollständige Künstlerliste umfaßt: August Babberger, Wilhelm Friedrich Baier-Burcardo, Heinz Battke, Willi Baumeister, Walter Becker, Max Beckmann, Lyonel Feininger, Karl von Freyhold, Werner Gilles, H. A. P. Grieshaber, Erich Heckel, Carl Hofer, Alexander Kanoldt, Willy Kiwitz, Paul Klee, Oskar Kokoschka, Hans
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Kuhn, Otto Laible, Wilhelm Lehmbruck, August Macke, Franz Marc, Otto Meyer-Amden, Otto Mueller, Willi Müller-Hufschmid, Rolf MüllerLandau, Ernst Wilhelm Nay, Emil Nolde, Max Pechstein, Hilla von Rebay, Christian Rohlfs, Oskar Schlemmer, Karl Schmidt-Rottluff, Kurt Schwitters, Adolf Strübe, Christoph Vohdin – als ältere und jüngere Deutsche, André Beaudin, Georges Braque, Marc Chagall, Raoul Dufy, Aristide Maillol, André Masson, Henri Matisse, Fernand Léger, Joan Miró, Pablo Picasso, Georges Rouault – als ältere Internationale – und Jean Lurçat als einziger jüngerer internationaler Künstler. Siehe Martin Schieder: Expansion / Integration. Die Kunstausstellungen der französischen Besatzung im Nachkriegsdeutschland (Passerelles 3), München und Berlin 2004. Katalog der Meister des 20. Jahrhunderts in der Hamburger Kunsthalle, bearbeitet von Helga Hofmann und Janni Müller-Hauck, Hamburg 1969. In Gruppe IV von Tab. 5 findet man als vierte Gruppe die jüngeren internationalen Künstler (gegenüber der Generation der Expressionisten und ihrer französischen Generationsgenossen) und stößt dabei wieder auf dieselben Namen, angekauft zwischen 1956 und 1962. Neben den hier ausgewerteten Institutionen habe ich mir auch die anderen wichtigen Museen moderner Kunst in Deutschland angesehen. In den meisten Fällen gab es keine ausreichende Dokumentation durch gedruckte Kataloge. In anderen Fällen begann die Ankaufstätigkeit erst sehr viel später als bei den hier angeführten Beispielen. Aber immer wieder hat sich der hier festgestellte Trend bestätigt. Nirgendwo bin ich auf ein explizites Gegenbeispiel gestoßen. Insofern darf man meine Tabellen und deren Auswertung als einigermaßen aussagekräftig ansehen, auch wenn sie unter statistischen Gesichtspunkten sicherlich laienhaft durchgeführt wurden. documenta. Kunst des XX. Jahrhunderts, Ausstellungskatalog, Museum Fridericianum, Kassel, München 1955. Zur Rolle der französischen Kunst auf der documenta siehe auch Martin Schieder: Die documenta I (1955), in: Deutsche Erinnerungsorte, hrsg. von Étienne François und Hagen Schulze, 3 Bde., München 2001, Bd. II, S. 637–651 und 728–730, S. 641–643. Werner Haftmann: Malerei im 20. Jahrhundert, 2 Bde., München 1954 (Textband) und 1955 (Tafelband) mit mehreren späteren Auflagen.
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24 Zur documenta allgemein siehe Harald Kimpel: documenta. Mythos und Wirklichkeit, Köln 1997. 25 Siehe Haftmann 1955, S. 444–445. 26 Siehe Wegbereiter zur modernen Kunst – 50 Jahre Kestner-Gesellschaft, hrsg. von Wieland Schmied, Hannover 1966, S. 267–269. 27 Die eigentlichen Pioniere der westeuropäischen Kunstszene saßen anderswo: Arnold Rüdlinger als Direktor der Kunsthalle Bern, der die École de Paris bereits seit 1952 in seinen Ausstellun-
gen Tendances actuelles 1–3 zeigte (siehe Bettina von Meyenburg-Campell: Arnold Rüdlinger. Vision und Leidenschaft eines Kunstvermittlers, Zürich 1999, S. 197–199), und Willem Sandberg als Direktor des Stedelijk Museum in Amsterdam, bei dem Bazaine schon 1946 und die anderen fast vollzählig 1953 in einer Gruppenausstellung Elf tijdgenoten uit Parijs zu sehen waren (siehe Ad Petersen und Pieter Brattinga: Sandberg. Een documentaire / a documentary, Amsterdam 1975, S. 153–185).
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Werner Haftmann und der »Geist der französischen Kunst« Harald Kimpel
Autorität Wer nach 1945 Informationen zur internationalen Kunstentwicklung im 20. Jahrhundert und zu den aktuellen Tendenzen nach dem Zweiten Weltkrieg suchte, bekam es unweigerlich mit dem zu tun, was die Kunstkritik jener Tage kalauernd als »die obligatorische Haftmann-Ladung« kommentierte1, nämlich die Verordnung eines künstlerischen Weltbildes, das die Evolution der bildnerischen Mittel und Inhalte auf eine »ungemein folgerichtige« Ablösung des »reproduktiven« durch einen »evokativen« Wirklichkeitsbezugs festgelegt sehen wollte 2. Denn unter denjenigen Theoretikern, die seit den fünfziger Jahren das Bild von der ästhetischen Verfassung der zweiten Jahrhunderthälfte entwerfen, gilt Werner Haftmann als bis heute wirksame Autorität. Seine Relevanz für die kulturelle Situation der Zeit beruht auf der nachhaltigen Kanonisierung künstlerischer Positionen, Produzenten und Werke in einer sich weitgehend orientierungslos gebenden deutschen Nachkriegsgesellschaft. Diese bindet er auf ideologische und topographische Weise in die behauptete Logik eines Kontinuitätsgeschehens ein: in die von ihm festgeschriebene, »zweifellos sehr bruchlose Entwicklung« der Moderne und gleichzeitig in ein geographisches Netz, das die europäischen Staaten zueinander in kulturell definierte Beziehungen setzt.3 In diesem (noch gern als »abendländisch« apostrophierten) Kontext definiert Haftmann die Anteile der einzelnen Nationen, wobei er neben Italien, dem Land seiner wohl stärksten Zuneigung, insbesondere Frankreich bei der Entstehung des »modernen Bildes« die wichtigste Funktion zuspricht.
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In der Absicht, am Beispiel der bildenden Kunst »das Selbstverständnis und das Weltverständnis der Epoche zu anschaulichem Ausdruck zu bringen« 4, entfaltet Haftmann einen Stilentwurf, »der als Ausdruck die Gegenwart trägt«. Doch mit dem Anspruch auf objektive Analyse einer Epoche entwirft er nicht nur ein sieben Jahrzehnte umfassendes Geschichtsbild, sondern er kann auch erleben, wie dieses Bild in Realität umschlägt, das heißt wie es auf breiter Basis als Wirklichkeit akzeptiert und als verbindliche Sicht der Kunstentwicklung eines langen Jahrhundertabschnitts tradiert wird. Es verwundert nicht, daß von der dogmatischen Durchsetzung dieser ästhetischen Evolutionstheorie – selbst wenn sie mit unbestrittener Sachkenntnis vorgetragen wird – eine polarisierende Wirkung ausgeht. So wird Haftmann zum Beispiel von Jost Hermand der Verengung des Kunstbegriffs und damit der Verhinderung von Stilpluralismus durch eine Planierung des Kunstbetriebs und eine weitgehende Justierung der Kunstkritik auf das Konzept der umfassenden Gegenstandslosigkeit bezichtigt 5, Hermann Raum erklärt ihn aus DDR-Perspektive als Hauptrepräsentanten des »modernistischen Antikommunismus« zum Staatsfeind 6, während ein Radikalkonservativer wie Richard W. Eichler ihn in die »Berufsgruppe der modernistischen Heilsverkünder« abschiebt 7. Von seinen Fürsprechern wird der Theoretiker hingegen als »Apostel des schöpferischen Tuns« 8, »wortmächtiger Meister der Intuition« 9, »Herold der Moderne« 10 und als »letzter Romantiker seines Fachs« 11 gewürdigt. Doch gerade dieses Fach ist den Zeitgenossen immer einigermaßen unklar geblieben, repräsentiert Haftmann doch den mittlerweile ausgestorbenen Typus des Kunst-Schriftstellers, der sich weder als Wissenschaftler noch als Kritiker begreift und der (obwohl eines der ersten Mitglieder der AICA) eine journalistische Berufsfixierung von sich weist – wenn auch weitgehend erfolglos, wie noch in DuMonts neuem Begriffslexikon zur zeitgenössischen Kunst nachzulesen, das ihn unter dem Stichwort »Kunstkritik« in Augenhöhe mit Diderot, Goethe, Baudelaire und anderen verhandelt und so den »schweifenden Geist«, als der er selbst sich versteht, auf eine eindeutige Profession innerhalb des gesellschaftlich sanktionierten Aufgabenspektrums der Gegenwart festgelegt sehen möchte.12 Nun gehört es zu den Besonderheit dieser Autorität, daß ihr eine dezidierte Kritik jenseits der Verdikte und Apotheosen weitgehend erspart geblieben ist. Bis heute ist Haftmann weniger Gegenstand von Debatten als von Verschlagwortung. Die wissenschaftliche wie die feuilletonistische Beschäftigung mit seinem Geschichtsbild hat sich überwiegend mit kursorischer Etikettierung zufrieden gegeben. So kommt es, daß weder die Rolle Frankreichs noch dessen Verhältnis zu
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Westdeutschland innerhalb dieser Komposition nationaler Eigenheiten und Wechselwirkungen bislang detailliert betrachtet wurde. Dabei ist es der Beitrag des Nachbarn im Westen, dem in Haftmanns Konzept der Wiederverortung Westdeutschlands im Kreis der Kulturnationen größte Bedeutung zukommt.
»Gestaltplan« Geboren 1912, studierte Werner Haftmann Kunstgeschichte und Archäologie, promovierte 1935 über Das italienische Säulenmonument. Versuch zur Geschichte einer antiken Form des Denkmals und ihrer Wirksamkeit für die Antikenvorstellung des Mittelalters und für die Ausbildung des öffentlichen Denkmals in der Frührenaissance und arbeitete anschließend als erster Assistent am Kunsthistorischen Institut in Florenz. Alles in allem keineswegs eine aus dem Rahmen fallende Karriere eines Kunsthistorikers mit ausgeprägten Interessen auch für die zeitgenössische Kunst, sondern eine Biographie, die wohl geradewegs in eine universitäre Laufbahn hätte münden können, wäre nicht die Geradlinigkeit solchen Lebenswegs durch die Zeitumstände ins Schlingern geraten. Für die Jahre des Weltkriegs entwirft Haftmann rückblickend das Selbstporträt des jungen Wissenschaftlers als Antifaschist. Folgt man den wenigen autobiographischen Bemerkungen, etwa dem Nachwort zu seiner Aufsatzsammlung Skizzenbuch von 1960, so unterhielt er auch in Kriegszeiten Kontakte zur »jungen deutschen Kunst«, erwarb genaue Kenntnisse der Literatur und Kunst, »die da im antifaschistischen Untergrund heraufwuchs«, und erhielt »auf jenen versteckten Wegen, auf denen man damals mit Freunden in der Welt verkehrte, auch manche Kunde von dem, was sich in Frankreich begab«. Dieses Grenzüberschreiten wertet er für sich als »ungemein wichtig«, da es ihn davor bewahrte, »in Haß und Erbitterung zu verfallen«.13 Eine aktive Parteinahme hingegen schien ihm entbehrlich, sah er solch gefährliches Exponieren bereits von anderen geleistet: »Angesichts dessen, was da allenthalben so beharrlich an die Oberfläche drängte, schien es mir immer überflüssiger, sich an den Dummheiten und Gemeinheiten der damaligen politischen Welt aufzureiben, da doch schon genügend Faktisches und Geleistetes festzustellen war, das durch seine positive und produktive Existenz jene Gemeinheiten verdammte.« 14 1946 aus Kriegsgefangenschaft zurück im »Deutschland des Jahres 1«, dessen »innere Gestaltlosigkeit apokalyptisches Ausmaß hatte«15, entscheidet er sich – vor die Alternative von Kunstgeschichte oder Gegenwartskunst gestellt – für die »Tat-
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sachen des zeitgenössischen Lebens« und »eine produktive Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Wirklichkeit«16. 1947 definierte er selbstbewußt und provokant seine Interessen: »Würde man mich in meiner Liebe zur bildenden Kunst ansprechen und mir die Wahl stellen zwischen einer Madonna des florentinischen 15. Jahrhunderts oder einem Picasso, ich würde ohne allen Zweifel zum Picasso greifen«.17 In einer gesellschaftlichen Situation, die ihre politischen wie kulturellen Prioritäten einer radikalen Neuordnung unterziehen muß, kristallisiert sich für ihn eine Lebensaufgabe heraus: Er macht sich »ganz selbstverständlich und ohne irgendwelche pädagogischen Absichten daran, die Erscheinungsformen der zeitgenössischen Kultur, ihr Gefüge und ihr Erbgut zu untersuchen und zu beschreiben und vom Erkannten Zeugnis zu geben«. Ziel seiner Sondierungen ist es, »im damaligen geistigen Niemandsland« eine »begründete Ordnung vorschlagen zu können.«18 Motiviert vom Drang nach systematischer Analyse, folgt Haftmann einem »existentiellen Zwang zur Bestimmung des allgemeinen zeitgenössischen Wirklichkeitsverhältnisses, in welchem Spannungsfeld sich der Grundriß des Gestaltplans der zeitgenössischen Kultur ausformt.« 19 Dies also ist die Schlüsselvokabel seiner transnationalen Strukturierungsarbeit. »Gestaltplan« lautet der Topos für die Bemühung, ein »Ordnungsgefüge« oder »Grundmuster« in der kulturellen Situation des sogenannten »Nachkriegs« zu erkennen: »Triebkräfte und Konstellationen in der modernen Kultur« 20, eben die »Erkenntnis des der zeitgenössischen Kultur unterliegenden Gestaltplans« 21. Alles, was er seitdem artikuliert, soll unter dieser Aufgabe gesehen werden; die Fülle von Einzelkünstleranalysen und kulturkritischen Essays ebenso wie sein 1954 erscheinendes Hauptwerk Malerei im 20. Jahrhundert, mit dem er eine umfassende »Entwicklungsgeschichte« der Kunst vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart anvisiert. Mit diesem Hang zum Bilanzieren sieht sich Haftmann als Repräsentant einer typisch deutschen Intellektualität. »Immer wo das Problem des Zeitgenössischen sehr brennend wurde und ins Übernationale wies, gehörte es zu den Anliegen des deutschen Geistes, sich jeweils Rechenschaft in breiter Front abzulegen«, schreibt er zum Beispiel 1955 anläßlich der ersten documenta.22 Im Zuge seiner Neuformulierung des Kunstbegriffs im 20. Jahrhundert übernimmt der »Geschichtsschreiber« die Aufgabe eines maßgeblichen Weichenstellers für die Rezeption der zeitgenössischen Kunst in Europa, eine Definitionsarbeit, die in dem Maße, wie sie alle Erscheinungsformen des Bildnerischen erfaßt, auch das Verhältnis von französischer und deutscher Kunst in ein gesamteuropäisches Muster einwebt. In den bilatera-
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len Kulturbeziehungen nach 1945 agiert Haftmann als Grundlagenforscher, der deutschen Tiefsinn und französische Intellektualität als die komplementären Spezifika herausarbeitet.
»Fingerübung« Das folgenreichste Medium der Blickjustierung ist eben jene Entwicklungsgeschichte der Malerei im 20. Jahrhundert. Mit ihr führt der »gute Geist der modernen Kunst« auf über 600 Seiten durch das Labyrinth der Moderne.23 Seine Konstruktion exemplifiziert er an der Malerei, in der er nicht nur eine von mehreren parallelen Methoden künstlerischer Praxis erblickt, sondern die er zu einer méthode de la recherche aufwertet, da sie sich in besonderem Maße dazu eignet, in subjektiver Form objektive Aufschlüsse über den aktuellen Weltzustand zu er- und vermitteln. In diesem Leistungsnachweis soll »das organische Wachstumsgesetz, dem bei aller chaotischen Überfülle, die nun einmal ›Gegenwart‹ kennzeichnet, auch die moderne Kunst unterliegt, klar und deutlich profiliert werden«. Stichdatum ist das Jahr 1890: Van Goghs Ende wertet Haftmann als den Beginn des »Untergang[s] eines alten und der Heraufkunft eines neuen Wirklichkeitsbildes«.24 Und der Publikumserfolg der verlegerisch gewagten Publikation ohne Illustrationen, die nur auf den Text setzt und von ihren Lesern verlangt, beim Wort genommen zu werden, gibt ihm Recht. In kurzer Zeit gewinnt die Schrift den Status eines bis heute konsultierten Ratgebers, von dem laut Verlag eine Gesamtauflage von circa 55.000 Exemplaren vorliegt. Das mag sich für die »Bibel der modernistischen Kunst« bescheiden ausmachen 25, doch ist hier möglicherweise weder dem Verlag zu trauen, noch dem Autor selbst, der geneigt war, seine »außerordentliche historiographische Leistung« 26 in selbstbewußter Bescheidenheit zu einer »Fingerübung« zu nivellieren 27. Zwar zielt die internationale Standortbestimmung primär auf deutsche Adressaten, doch findet sie Akzeptanz auch bei den Nachbarn, so daß noch in den fünfziger Jahren eine englische und eine italienische Ausgabe erscheinen, während hingegen in Frankreich wenig Neigung besteht, sich die eigene Rolle von Deutschland aus vorschreiben zu lassen. Bereits mit Erscheinen wird Haftmanns Buch in vergleichsweise wenigen, wenngleich prominenten Rezensionen die Solidität eines Standardwerks zugesprochen, das sich über Kritik erhaben zeigt. Nun liegt es, wenn etwas zum Standardwerk wird, nicht allein am Text, sondern im selben Maß an dessen Rezipienten. So hat auch Haftmanns ästhetische Evolutionstheorie ein Publikum als Gegenüber, das auf deren komplexe Entlastungsfunktion geradezu gewartet zu haben scheint: auf die Entlastung
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von den Mühen einer eigenen Positionsbestimmung in der »komplizierten Vielschichtigkeit des zeitgenössischen Kulturgefüges« und nicht zuletzt von einer schmachvollen Vergangenheit in Hinblick auf den Umgang mit der Moderne. Somit ist für den Bestseller-Charakter von Haftmanns Gegenwartsanalyse und für die nachhaltige Wirkung ihrer Behauptungen eine ganze Reihe von Faktoren verantwortlich. Einer der offensichtlichten ist die Glaubwürdigkeit desjenigen, der sich zum Sachwalter einer kulturellen Angelegenheit von europäischen Ausmaßen macht. Haftmann kann um so überzeugender wirken und als Autorität akzeptiert werden, je weniger er als Repräsentant einer Institution argumentiert, sondern als »freier Geist«, ausschließlich seiner eigenen Einsicht verpflichtet. Und diese Glaubwürdigkeit entsteht wesentlich auch durch das Medium der Sprache, mit der sich Haftmann als der tonangebende Theoretiker seiner Zeit positioniert: durch das Pathos der Erkenntnis, durch die Tatsache also, daß seine Befunde in einer verbalen Form abgefaßt sind, die keinen Zweifel läßt an der persönlichen Betroffenheit des Sprechers und an der Wahrhaftigkeit des Ausgesprochenen. Haftmanns Formulierungsweise – »feierliche, hingebungsvoll erregte, betroffen-pathetische Inszenierungen« nennt sie Eduard Beaucamp – vermittelt das Gefühl, daß hier endlich einer auf überzeugende Weise die Wahrheit sagt.28 Die »mit solcher Überzeugungskraft, mit solch souveräner Sachkenntnis und mit solch bestechender Meisterschaft der Sprachführung« vorgebrachte, hymnische Relation zum Objekt der Erkenntnis ist freilich inzwischen dermaßen zu einer Fremdsprache geworden, daß es sich bereits aus philologischen Gründen lohnt, sich an die Quellen zu halten.29
»Weltsprache« Was Haftmanns Entwicklungsgeschichte anbietet, ist der detaillierte Nachvollzug derjenigen Evolutionsschritte, in denen sich die Künstler von ihrer Verpflichtung zur Reproduktion des visuellen Erscheinungsbilds der Welt emanzipiert haben. Er analysiert diesen Prozeß im »Bewußtsein, daß die großen Veränderungen in der modernen Kunst aus einer aus der Geschichte heraufgewachsenen, unabdingbaren inneren Notwendigkeit erfolgten«.30 Indem der Text den Weg der Abstraktion zum »vorherrschenden Stilausdruck der Nachkriegszeit« in großen Verlaufsbögen trassiert und kleinteilig mit Exempeln pflastert, dient er der Erfüllung seiner eigenen Prophezeiungen. Er trägt dazu bei, den Zustand, den er belegen will, weitgehend selbst herbeizuführen. Haftmann steht beim sogenannten »Streit um die moderne Kunst« in einer Phalanx mit Will Grohmann, Franz Roh und anderen, denen gleichfalls nach 1945 »das Herrschaftsreich des abendländischen Realismus […] untergegangen«
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scheint 31, und die ebenso davon ausgehen, »daß die ganze europäische Malerei in breitester Front in das abstrakte Lager eingeschwenkt ist« 32. Zunächst, also Mitte der fünfziger Jahre, als der Katechismus der neuen Kunst auf den Markt kommt, scheinen die Mittel, die dem neuen Weltbild zur Sichtbarkeit verhelfen, noch vielfältig. Nach Meinung des Berichterstatters ist »die Berichtbreite der modernen Malerei ungemein groß. Sie reicht von der reinen Setzung harmonikaler Verhältnisse über das Erlebnis menschlicher Innenwelt bis zur Deutung der gegenständlich erscheinenden Welt«.33 Doch bereits wenige Jahre später ist die Sache eindeutig entschieden: »Die Kunst ist abstrakt geworden«, lautet 1959 die lapidare Vollzugsmeldung der II. documenta (Abb. 29–30). Wenngleich Ursprung und Impuls des letzten Stadiums eines »allgemeinen Ablösungsprozesses von einer langgültigen kulturgeschichtlichen Epoche« im »europäischen Lebensentwurf« und dessen abendländischen Weiterungen zu suchen sind, so dehnt sich für Haftmann der geographische Geltungsradius doch rasch zur weltumspannenden Vision von der »großen Gemeinschaft aller Menschen«. Der Ausschließlichkeitsanspruch des gegenstandsbefreiten Kunstschaffens kulminiert in der Weltkunst-Ideologie, in der Utopie einer allgemeinverbindlichen Weltsprache, die in dem Maße universelle Gültigkeit beanspruchen kann, wie »der europäische Lebensentwurf, den wir im letzten halben Jahrhundert entwickelt haben und dessen ästhetischer Ausdruck die moderne Kunst und Architektur ist, heute Geltung um den Erdkreis herum erlangt hat.« 34 Und dem von Haftmann gemalten Bild der Moderne wird vollständige Kongruenz mit der gesellschaftlichen und physikalischen Wirklichkeit zugeschrieben, mit jenen réalités nouvelles, die das Weltbild im 20. Jahrhundert bestimmen: revolutionäre naturwissenschaftliche Erkenntnisse, radikale Ereignisse im Politischen und Sozialen sowie erweiterte, von der Psychoanalyse induzierte Vorstellungen vom »Wesen« des Menschen. Nun kann der Systematiker darauf bauen, zehn Jahre nach Kriegsende mit seinem Willen zum System nicht allein zu stehen. Er ist sich sicher, mit seinem Ordnungsgefüge einem gesamtgesellschaftlichen Bedürfnis nach intellektueller Standortbestimmung nachzukommen. »Bildungsstarke, sprachgewaltige Kennerschaft« sagt ihm Manfred Schneckenburger nach und führt seine Wirkung auf ein »schlüssiges, ungemein verführerisches Geschichtsbild« zurück.35 Dessen Verführungsmacht liegt wesentlich in seiner Absolutionsfunktion, das heißt in seinem Angebot, als Instrument zur moralischen Rehabilitation Westdeutschlands dienen zu können. Die von der Verpflichtung zum Naturalismus erlöste künstlerische Gegenwartsdeutung öffnet den Zugang zu einer gemeinsamen europäischen Zu-
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29 Günther Becker: Der Rat der documenta II in der Orangerie-Ruine, 1959 (v.l.n.r.: Ernst Goldschmidt, Werner Haftmann, Will Grohmann, Herbert v. Buttlar, Arnold Bode, Ernst Holzinger, Eduard Trier und Werner Schmalenbach).
kunft, denn in ihr »erwies sich mit zwingender Kraft jener geheimnisvolle unterirdische Zusammenhang in den Denk- und Ausdrucksformen der europäischen Völker«.36 Die Popularität von Haftmanns Glaubensbekenntnis der Moderne beruht also insbesondere auf dessen Eignung als Beweis für die vollzogene Überwindung des Faschismus in Deutschland: auf der Möglichkeit seiner Instrumentalisierung zum Medium einer mit Verdrängung operierenden Vergangenheitsbewältigung. Von Haftmanns Position aus kann man mit Staunen und Abscheu zurückblicken auf die »jüngst vergangene Zeit, in der Deutschland aus der vereinten Anstrengung
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Werner Lengemann: Werner Haftmann bei der Eröffnung der documenta II, 1959 (im Hintergrund Gemälde von Jean-Paul Riopelle).
des modernen europäischen Geistes heraustrat […] und in einem sehr seltsam anmutenden Fall von Bilderstürmerei die bereits erreichten Ergebnisse dieser Anstrengung […] verwarf«.37 Was die Westdeutschen glücklich hinter sich gelassen haben, schmilzt in der Rückschau zusammen zu einer »wüste[n], zudem in ihren Zielen ergebnislose[n] Episode politischen Terrors«, die für die »fortschreitende Entwicklung der bildenden Kunst […] nicht den geringsten Stellenwert« besaß.38 Die politisch umerzogene Republik darf über die Jahre des Faschismus so den Kopf schütteln wie über dessen ideologische Indienstnahmen der Kunst; die neuen Demokraten dürfen die überwundene Diktatur so von sich weisen wie die neuen Picasso-Connoisseure Entartungstheorie und Diffamierungspraktiken. Nicht zuletzt wird Haftmanns zeitdiagnostisches Angebot seinem Autor auch deshalb aus den Händen gerissen, weil er – trotz seiner vehementen Weigerung, seine intellektuelle Standortbestimmung aus einer gesellschaftspolitischen Analyse abzuleiten – sie parallel zu einer solchen entwickelt und er im »geistigen Raum« letztlich zu denselben Resultaten gelangt wie die politischen Bemühungen der
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jungen bundesdeutschen Demokratie. Er operiert zwar gern mit Klees AußenseiterParole »Noch trägt uns kein Volk«, befindet sich aber in vollständiger Kongruenz mit den politischen, ökonomischen und kulturellen Intentionen des Staates, der ihn trägt und den er mitträgt. So wird der von ihm vertretene künstlerische Freiheitsbegriff funktionalisierbar gegen das »Reich der Unfreiheit«, als visueller Nachweis der Überlegenheit des »freien Westens« über die politisch reglementierten Bildpraktiken des Sozialistischen Realismus.
»Clarté« Die radikalen Veränderungen auf dem Gebiet der Kunst, beschrieben in der Terminologie des physischen Abenteuers, des geistigen Wagnisses und der existentiellen sozialen Gefährdung, können nur dann verständlich werden, wenn sie als »europäischer Vorgang« begriffen werden, heißt es im Vorwort zu Haftmanns Buch. Denn die Kunst des 20. Jahrhunderts »ist ein sehr dichtes und fruchtbares Gespräch über alle Landesgrenzen hinweg. Die Verflechtung der Argumente und Gegenargumente ist so eng, daß jede nationale Isolierung nur ein zerrissenes Gewebe übrig behielte.«39 Als die »hauptsächlichen Gesprächspartner« sieht er »drei Völker, die das Kernstück Europas bildeten«, die gegenwärtig aber nur noch als »ausgebrannte Organismen« existieren, »deren einziger Lebensimpuls der Haß war«.40 Gemeint sind Deutschland, Italien und Frankreich, Kernstaaten eines Europas, das sich angesichts der neuen weltpolitischen Strukturbildungen insbesondere durch seine historische Dimension empfiehlt. Und weil sich seine intellektuelle Tätigkeit »über Monate hin in dem geographischen Dreieck Berlin – Rom – Paris« bewegt hat, fühlt sich der junge Kunsthistoriker im »Nachkrieg« für die Systematisierungsaufgabe prädestiniert.41 Diese geistige Topographie zwischen den Metropolen ist zugleich ein Denkweg, auf dem die Philosophie Haftmanns zirkuliert: Gedanken-Gänge zwischen Antike und Avantgarde, auf denen er die Konturen des »abendländischen« (gemeint ist europäischen) Kulturbewußtseins umreißt und von dem aus seine Triangulation der Position der Moderne erfolgt. Dem dritten Punkt des Dreiecks soll im weiteren besondere Aufmerksamkeit gelten. Fragen wir also nach dem spezifisch französischen Beitrag im Rahmen jenes, wie Haftmann sagt, »größten Experiments, das je in der Geschichte des menschlichen Geschlechts unternommen wurde«, und von dem er glaubt, das es »durchaus über die Grenzen der menschlichen Kraft hinausgehen könnte«.42 Das klingt zunächst wie ein Widerspruch, haben wir es doch hier angeblich mit einem »ersten Modellfall von Weltkultur« zu tun, der die nationalen ästhetischen Ambitionen in einem europäischen, wenige Jahre später bereits globalen Gesamtkonzept
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aufgehoben sehen möchte. Doch läßt es die filigrane Geometrie seiner Argumentation durchaus zu, das Nationale mit dem Transnationalen in Einklang zu bringen. Bezeichnenderweise ist es ein Franzose, der Haftmann mit der entsprechend blumigen Metaphorik versorgt: Er sieht den Traum des Sozialisten und Pazifisten Jean Jaurès in der Kunst verwirklicht, der sich bereits vor dem Ersten Weltkrieg vorstellte, »daß die europäischen Völker sein möchten wie ein Strauß von Blumen, in dem jede Blume eigenen Duft und Farbe bewahrt und doch in einem größeren Ganzen zusammenklingt«.43 Und das Florale findet seine Entsprechung im Musikalischen: Der »europäische Kulturzustand« funktioniert ihm wie ein »Chor«, in dem »das einzelne Stimmaterial die Klangnuance gibt und dort aufgerufen wird, wo die Nuance den Zusammenklang fördert«. Denn es »zeigt sich auch in der modernen europäischen Kultur diese schöne Polyphonie und dieser eigentümlich sicher geführte Einsatz der nationalen Stimmen in ihren Besonderheiten«. Welches sind nun die Töne, die Frankreich zu diesem Konzert beizusteuern hat? Werner Haftmann und der »Geist der französischen Kunst«. Die Formulierung findet sich im erwähnten Skizzenbuch, das zwar im Ruhmschatten der »Entwicklungsgeschichte« steht, doch um so aufschlußreicher ist für die Position des Autors im Jahrzehnt vor dem Erscheinen seines Hauptwerks. Im Skizzenbuch überschreibt der Topos vom »Geist der französischen Kunst« ein Kapitel, in dem Beiträge versammelt sind, mit denen der Verfasser den »Genius Frankreichs« über Jahrhunderte hinweg in kulturellen Äußerungen dingfest zu machen sucht und seine Bewunderung für die Kultur einer der ältesten europäischen Nationen zum Ausdruck bringt. Indem er die politische durch eine ästhetische Nachkriegsordnung in Europa ergänzt, werden »nach dem Ende aller Sicherheiten« auch für die Nationalstaaten die kulturellen Rollen neu verteilt, wenngleich unter Hinzuziehung früherer Meriten. Denn was Haftmann als die spezifisch französischen Zutaten zur gesamteuropäischen Ensemble-Leistung erachtet, ist von weit hergeholt: von den »planen Prospekten weiter Ebenen«, gemeint ist die Kathedrale, die er als »steile Figur vor dem hohlen Fond des Himmels« aus der Horizontalen der nordfranzösischen Landschaft aufsteigen sieht und als den »Vollzug des geistigen Auftrags der französischen Nation in der Form« wertet.44 Bei seiner Suche nach der »großen Metapher« zur »allumfassenden« Beschreibung des jeweiligen »Geists« dieser kulturellen Identitäten macht er für Italien die »Sprache Dantes« und für Deutschland die »Musik Beethovens« aus. Frankreich aber »findet sein Bild in der Architektur der Kathedrale« 45, sie ist »Emanation der reinen Schönheit des reinen Geistes«46, Summe und Materialisierung des »historischen Auftrags« des Nachbarn im Westen. »Der fran-
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zösische Geist«, so lautet Haftmanns Bekenntnis, »hat im Schöpfer der Kathedrale seine ihn ganz vollziehende menschliche Figur gefunden«.47 Was Frankreichs Beitrag zur Gegenwartskunst ausmacht, ist also in Wahrheit etwas Altbekanntes, nämlich das »auf das Klare und Wirkliche bedachte Genie«. Haftmanns Neuformulierung nationaler Selbstverständnisse verpflichtet Frankreich auf den traditionellen Topos der clarté, mit dem auch im Nachkriegseuropa noch Kulturstaat zu machen ist. Diese vernunftgesteuerte Geisteshaltung sieht er prototypisch im Konzept der gotischen »Ingenieur-Architekten« verwirklicht, später auch in der Malerei des 17. Jahrhunderts, vornehmlich im Werk von Poussin, der nachvollziehbar macht, »was der französische Geist unter Malerei verstand: die Definition des Erscheinenden durch die Meß- und Wertungsverfahren des bildenden Geistes, eines kühlen Geistes voll Wachsamkeit und Spannung […]: unsäglich geistvoll und unsäglich bestimmt.« 48 Und im 20. Jahrhundert ist es Henri Matisse, der »jene oft gerühmte französische ›clarté‹« ideal zum Ausdruck bringt, er ist »unter allen modernen Malern der Franzose par excellence, das heißt: Vernunft, Einfachheit und Klarheit gelten ihm als die höchsten Tugenden.« 49 Im internationalen Konzert spricht der deutsche Impressario Frankreich die führende Stimme dort zu, »wo die strenge Fugierung und die formale Klarheit ins Spiel kommen«.50 Das Frankreich-Kapitel in Haftmanns großer Erzählung von der Bildungsreise der Kunst durch mehrere europäische Länder zur Formvollendung in der Abstraktion mobilisiert noch einmal die traditionelle Schema der Diskrepanz zwischen teutonischer Metaphysik und französischem Esprit. Jede Gelegenheit nimmt der Erzähler wahr, um die entscheidende Differenz zwischen dem apollinischen Anteil am »europäischen Kulturzustand« und dem deutschen Kulturbewußtsein herauszuarbeiten, also das zu betonen, »was dem Übertreibenden, Romantischen und Genialischen in unserem eigenen Geist so durchaus entgegensteht«, nämlich »das Bestehen auf Klarheit und das Beharren bei einem deutlichen und einfachen Begriff von Wirklichkeit« und »Form und Maß und Zahl und alles das entwickelt aus einer wachsamen Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit« als der charakteristische »Ausdruck einer großen Rasse konstruktiver Geister«.51 Seine Affinität zum ästhetischen Geschehen in der »Weltkulturmetropole« verleitet Haftmann sogar dazu, die subtile Balance im Zusammenwirken der »europäischen Künste« dadurch aufzuheben, daß er den bewunderten Geisteszustand zum Vor- und Leitbild auch der deutschen Kunst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts deklariert. Um Europäer zu werden, müssen die Deutschen den französischen Geist adaptieren. Erst wenn in Deutschland sich der französische
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Rationalismus durchgesetzt hat, kann man dort am »allgemeinen europäischen Kunstwollen« partizipieren: »Wenn Deutschland die Solidarität mit Frankreich neu entdeckt, dann wird es allen Enttäuschungen zum Trotz den Stern der Hoffnung neu aufgehen sehen«, zitiert er 1948 André François-Poncet.52 Die Wiederaufnahme Westdeutschlands in die Reihe der maßgeblichen Kulturnationen hat also die Preisgabe gerade derjenigen Kriterien zur Bedingung, die Haftmann für das »Gesamtbild der europäischen Kunst« seit Anbruch der Moderne als Ausgleich für französische Ratio gewürdigt hatte, als deutscher Tiefsinn für das Gleichgewicht im ästhetischen Kräfteverhältnis zu sorgen hatte: »Hatten die Franzosen […] in der bewundernswerten Klarheit ihres Genies die Architektur des neuen Bildes, das die völlig umgestaltete Empfindungsweise und Wirklichkeitserfahrung unseres Jahrhunderts als Ausdruck tragen konnte, logisch erarbeitet, so fügten diese Maler aus dem romantischen Herzen Europas in eigentümlicher Vertiefung der inhaltlichen Reichweite der neuen Mittel ihre dichterischen Gleichnisse einer tieferen Welterfahrung hinzu. Gaben die Franzosen dem neuen Stilentwurf formales Maß und konstruktive Sicherheit, so fügten die Deutschen die Tiefe hinzu […].« 53 Dieser Tiefgang weist allerdings pathologische Züge auf, denn in der »Neigung zum Tode« entdeckt Haftmann einen »typischen Zug im Charakter der Deutschen«, eine Beobachtung, bei der er sich von Clemenceau bestätigt fühlt, der dem verachteten Nachbarland ebenfalls eine »krankhafte, satanische Neigung zum Tode« attestiert hatte.54 Doch durch den Geist des Nachbarlandes erwächst ihm ein Heilmittel. Jenes Land, das seit langem als das vernünftigste der Welt gilt, soll seinem Ruf gerecht werden, indem es die Gegenwartskunst zur Vernunft bringt. Nach den mentalen Weltkriegsverwüstungen soll die europäische Kunstwelt am französischen Wesen genesen. Wenn Haftmann über Frankreich spricht, meint er also auch immer Deutschland, mit der Leistung des Nachbarstaates kommentiert er zugleich die seines eigenen. Was Uwe Fleckner über die Kommentatoren der Nachbarschaftsbeziehungen konstatiert, trifft in vollem Umfang auf Haftmann zu, der zu den Lieferanten jener »zahllosen historischen Zeugnissen« gehört, die verdeutlichen, »daß das Profil der eigenen kulturellen Identität immer dann an Schärfe zu gewinnen scheint, wenn es sich neben der Selbstvergewisserung auch einer Abgrenzung verdankt, die sich oft genug auf die stereotype Beurteilung der Kunst und der Kultur des anderen Landes stützt«.55
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Weit davon entfernt, sich für eine staatlich verordnete Liaison einspannen zu lassen, kann Haftmann dennoch als deren Repräsentant gesehen werden. Die deutsch-französische Freundschaft besitzt in ihren frühen Tagen keinen überzeugteren, überzeugenderen Anwalt als ihn, der jeder politisch angewiesenen Kollaboration allerdings voll Skepsis gegenübersteht. Denn so wenig ihm das zwischen einem französischen General und einem deutschen Bundeskanzler ausgemachte bilaterale Verständigungskonzept imponiert, so sehr tut es die jenseits politischer Beschlußlagen sich ereignende Konvergenz ästhetischer Anschauungen. Seine Utopie vom visuellen Esperanto der Nachkriegsjahre basiert auf einer Gemeinsamkeit von subtilerer Wirkung als es staatsoffizielle Sprachregelungen zulassen. Diese kulturell, nicht politisch motivierte Freundschaft leitet sich aus dem integratorischen Konzept einer Geistesverwandtschaft zeitgenössischer Künstler ab, die erkannt haben, daß nach »nationaler Selbstvergötzung« die Zukunft nicht in nationalen Alleingängen und Konkurrenzen liegt. Deutschland und Frankreich, zusammen mit allen anderen westlichen Nationen, die gewillt sind, sich dem »europäischen Lebensentwurf« anzuschließen, sehen sich in einem gemeinsamen »Stilwollen« miteinander verschränkt.
»Erbgut« Von der Behauptung ausgehend, daß »das Schicksal des französischen Geistes das Schicksal der europäischen Intelligenz ist« 56, sucht Haftmann Ende der vierziger Jahre für seine Zeitdiagnose Argumentationshilfe bei französischen Intellektuellen, denen gemeinsam ist, daß der Mensch als eigener Erfahrungsgegenstand im Zentrum steht, wie zum Beispiel bei Paul Hazard, Clemenceau, François Mauriac und André Gide, insbesondere aber bei Paul Valéry, den Haftmann für einen der »klarsten Künstler-Denker der Gegenwart« hält.57 Seine Affinität zum französischen »Erbgut« kultiviert der deutsche Nachkriegsdenker auch deshalb, weil »die Deutschen das methodische Denken zwar wundervoll beherrschen, aber nicht das psychologische Denken«. Somit, sagt er 1948, »beschloß ich die Franzosen zu befragen, die nie so sehr Philosophen, als ›penseurs‹ mit betont psychologischem Interesse sind. Ich las also französische Tagebücher.« 58 Sein Lektürekanon umfaßt Sucher der Selbsterfahrung wie Montaigne, Rousseau, Chateaubriand und Delacroix. Hingegen liegt ihm die existentialistische Position Sartres und Camus offensichtlich so nahe, daß sich eine dezidiert kritische Auseinandersetzung mit diesem »wesentlichen denkerischen Hintergrund in den Äußerungsformen der zeitgenössischen Kultur« weitgehend zu erübrigen scheint.59 Haftmann akzeptiert das »Grundgefühl des modernen Menschen« als das existentialisti-
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sche »Geworfensein in eine absurde Welt«, das seine ästhetische Ausformulierung im Surrealismus und seine verbale in der sogenannten Littérature noire findet. Lieber als an solche Selbstverständlichkeiten hält er sich an eine heute fast vergessene Gewährsperson, den frankophonen Schweizer Henri-Frédéric Amiel. In ihm erkennt Haftmann eine Schlüsselfigur für die Problematik des Individuums im 19. Jahrhundert. Ihn sieht er als Vorbild für die eigene Zeit, als Urheber der Erkenntnis, »daß offenbar erst aus der Tiefe der modernen Zerrissenheit des Menschen sich die großen sittlichen Maximen, unsere neuen Pflichten, überhaupt erst formulieren lassen«.60 Die Beschäftigung mit französischer Literatur gilt Haftmann auch deshalb für geboten, weil die deutsche Nachkriegsliteratur »im Sinne der Kunst keine bedeutenden Leistungen hervorgebracht« habe. Konzentriert auf vergangenheitsbewältigende »Bußübungen«, habe bei ihr das »Räsonnement« die Kunst verstellt, der »Mann des Wortes« sich »zur Analytik und Kritik des modernen Daseins und seiner Kultur abkommandiert« gefühlt, statt »Gedankenlyrik« sei das primäre literarische Mittel – so beklagt sich der Essayist – der Essay.61 Für die ästhetische Zukunft im Rahmen des »Großen Abstrakten« erweisen sich die teilnehmenden Nationen als unterschiedlich gerüstet. Zu Frankreich äußert sich Haftmann durchaus widersprüchlich. Einerseits scheint ihm das Land, wie Italien, »durch die Infiltration des Totalitären […] von äußerst labiler Konstitution«. Andererseits hätten Krieg und Besatzung die »geistige Struktur des Landes nicht berühren können«. Nach Kriegsende habe es genügt, mit Ausstellungen »führender Meister« wie Picasso, Braque und Léger »die erreichten Positionen wieder sinnfällig zu markieren.« Im Übrigen vereinen sich die unterschiedlichen Ausgangspositionen der jüngeren Generation (Bazaine, Manessier, Soulages, Vasarely und andere) auf dem gemeinsamen Weg von einer »naturinterpretierenden« zu einer »ungegenständlichen Ausdrucksform«: Als »diese verschiedenen Strömungen in ihrem Einklang in aller Breite sichtbar wurden, zeigte sich die tiefgreifende Umgestaltung, die sich – seit 1945 ein immer schnelleres Tempo annehmend – in der französischen Kunst vollzogen hatte. Die abstrakte Malerei, die bisher in Frankreich recht im Halbdunkel gestanden hatte, war der beherrschende Stilausdruck des jungen Frankreich geworden und hat dieses Übergewicht bis heute bewahrt«.62 Es bedarf allerdings einer schlüssigen Argumentation, um Frankreichs essentiellen Beitrag zum modernen Verständnis vom Bild als einem »in sich selbständigen Gegenstand, in dem der menschliche Geist in Rhythmus und Proportion sich selbst
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verwirklicht«, glaubhaft zu machen und den Status von Paris als kulturellem »Herzen der Weltökumene« zu legitimieren. Eine von zwei sehr unterschiedlichen Quellen, aus denen sich die künstlerische Weltdeutung speist, liegt auf französischem Hoheitsgebiet. Es ist »der Weg der Objektivierung hinüber in Maß, Zahl und Form«, also eine rationale Variante, von Cézanne und Seurat kommend und sich im Kubismus fortsetzend. An einem anderen Zufluß hat Frankreich durch Gauguin wesentlichen Anteil, nämlich durch »Subjektivierung« und »ein leidenschaftliches Heranwerfen an die Dinge im Zustand des hohen dichterischen Pathos«.63 Beide Wege setzen sich mit Matisse und dem Fauvismus fort, bis schließlich nach 1945 der Vorgang der Ablösung des »reproduktiven« durch das »evokative« Bild abgeschlossen ist. Für dieses Stadium entfaltet der Entwicklungstheoretiker ein Begriffsnetz, mit dem er die französische Kunstlandschaft in ihren Departements zu fassen und in einem Rastersystem zu verorten sucht. Es ist ein Gewebe aus Neologismen, das im Jargon des Evokativen die Dialekte der abstrakten Weltsprache in die subtilen Verästelungen ihrer bildnerischen Mittel verfolgt, sie terminologisch strukturiert und in ihren Nuancen charakterisiert: von den letzten Regungen des »orphischen Kubismus« in Form der »hermetischen Verschlüsselungen der evokativen Gegenstandszeichen« – etwa bei Jacques Villon oder der Gruppe um Bazaine, Manessier und Singier, der daran gelegen ist, die »strenge Konstruktionsweise des Kubismus durch eine blühende Farbe und die Verstärkung der expressiven Qualität der abstrakten Form zu poetisieren« –, über die abstraction lyrique unter der Wort- und Pinselführung von Georges Mathieu, die »psychischen Improvisationen« bei Pierre Soulages, die »geometrische Konkretion« beziehungsweise »Meditations- und Kontemplations-Produkte« von Vasarely, die Verstärkung der »Subjektivität für die evozierenden Fähigkeiten des Materials außerhalb seiner Bindung an die Form« in den Spachtelarbeiten Fautriers, fortgesetzt von den Manifestationen eines »zwanghaften, spontanen Äußerungswillens« in den pseudo-naiven Kritzeleien der art brut Dubuffets, bis hin zum gescheiterten Versuch Nicolas de Staëls, »die Bindung an die sichtbare Wirklichkeit über die Evokationskraft der abstrakten Mittel wiederherzustellen«.64 So komplex sich das Haftmannsche Begriffssystem präsentiert, so kompakt ist es für den Beobachter in »dem für die Schwankungen des modernen ästhetischen Bewußtseins so empfindlichen Pariser Milieu« präsent.65 Hier vermag er die »Zusammenschweißung der abstrakten Richtungen« besonders deutlich zu erkennen 66, denn hier rückte nach 1945 die »ungemeine Aufnahmefähigkeit der europäischen Kunstmetropole« die abstrakte Kunst ins Zentrum des öffentlichen Interesses 67.
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31 Wolfgang Haut: Werner Haftmann und Arnold Bode bei der Eröffnung der documenta III vor der Orangerie, 1964.
Somit erfüllt Haftmanns Strukturierungsleistung zugleich ein aktuelles Desiderat des Nachbarlandes, denn nicht einmal »Frankreich, wo der Sammelplatz Paris die Übersicht erleichtert, präsentiert seine Künstler […] in französischen Publikationen so folgerichtig und wohlgegliedert«, urteilt einer der ersten Rezensenten der »Entwicklungsgeschichte«.68
»Argumente« Eine Ausstellung ist es schließlich, die Haftmanns kunsttheoretischem Denkprozeß zur Anschaulichkeit verhilft. Hatte er 1954 seine Thesen unter ostentativem Verzicht auf Reproduktionen publiziert, bietet sich ihm kurze Zeit später die unerwartete Gelegenheit, das Gemeinte anhand realer Kunstwerke zu exemplifizieren. Zum Haupttheoretiker von Arnold Bodes (Abb. 29 und 31) erster documenta bestellt, fällt ihm 1955 die Chance zu, die »geheime Folgerichtigkeit« der von ihm erkannten »feste[n] Lebensgesetzlichkeit im Wachstum der Geschichte des menschlichen Geschlechts« in Bildern zu manifestieren.69 Wie diese universelle Solidargemeinschaft der l’art pour l’homme aussieht, dokumentiert programmatisch die Inszenierung des Hauptsaals im Obergeschoß des Museum Fridericianum (Abb. 27 und 32). Eingespannt zwischen die Heroen Pablo Picasso und Fritz Winter – also zwischen eine etablierte und eine für die neuen deutschen Verhältnisse noch zu etablie-
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32 Günther Becker: Großer Malereisaal im Museum Fridericianum während der documenta I 1955 in Kassel (im Hintergrund Fritz Winters Durchbrechendes Rot (1954) und an den Seitenwänden Werke der École de Paris).
rende Autorität –, bedeckt die Interessengemeinschaft des internationalen künstlerischen Idioms die Wände. Zur französischen Delegation, die mit 42 Beteiligten nach der Bundesrepublik die stärkste Riege stellt, gehören unter anderen Vasarely, Schneider, Bazaine, Soulages und Manessier. Und auch die Schwachstelle des Entwicklungsmodells – das in ihm unausweichlich angelegte Endstadium, welches eintritt, wenn die Dynamik des Evolutionsprozesses nach vollzogener Etablierung einer »Weltkultur« zur Stagnation gekommen ist – sucht Haftmann mit Hilfe der Kasseler Ausstellung und unter Heranziehung eines französisch-stämmigen Konzepts ins Positive zu wenden. Bestätigung für die finale Dimension findet er bei André Malraux. Dessen Musée imaginaire (konzipiert 1947) mit seinem Gleichheitspostulat für die künstlerischen Äußerungen aller Epochen und Räume im Zeichen der fotografischen Reproduktion liefert die Argumentation für das Aufgehobensein einer Entwicklungsdynamik in einem Modell ortloser Zeitlosigkeit.70 Zwar ist nicht belegt, ob das didaktische Konzept für die Eingangshalle der documenta 1955 im Fridericianum Bode oder
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Günther Becker: Eingangshalle des Museum Fridericianum zur documenta I, 1955.
Haftmann zu verdanken ist. Einerseits entspricht dieser »historisch« intendierte, enthistorisierend wirkende Vorspann zur großangelegten Synopse »abendländischer« Kunst der ahistorischen Denkweise des documenta-Vaters, andererseits scheint es legitim, ihn dem theoretischen Kopf des Kasseler Kunstvermittlungsunternehmens zuzuschreiben. Zu perfekt passen die beiden Fotowände mit ihren Collagen aus 5 000 Jahren Kunstgeschichte in seine Theorie von der simultanen Präsenz alles Vergangenen, zu perfekt illustrieren sie seine welthistorische Perspektive (Abb. 33). Denn durch die manipulativen Bedingungen der Reproduktion und unter dem selektiven Blick der Abstraktion werden all die zitierten Kulturspuren untereinander vergleichbar. Durch Anonymisierung und Fragmentierung sowie durch die Nivellierung ihrer Maßverhältnisse verlieren sie – wie Malraux formulierte – »alles Spezifische zugunsten einer Stilgemeinsamkeit«.71
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So modelliert Haftmann bis ins Detail sein Weltbild der europäischen Nachkriegsmoderne aus einem Material, das er zu großen Teilen aus Frankreich bezieht. Als Institution, als Ein-Mann-Instanz hat er sich über Mangel an Feinden nie beklagen können. Selbst dort aber, wo eine gesellschaftspolitisch argumentierende oder das Volksempfinden mobilisierende Kritik gegen ihn vorgeht, kommt sie nicht umhin, seine Führungsrolle bei der Etablierung des »Mythos der Moderne« zu bestätigen. Noch diejenigen, die ihn als großbürgerlichen Elitedenker – wenn nicht Schlimmeres – einstufen, profitieren von dieser Gegnerschaft. Und wenn Theoretiker Gründe haben, sich über die normative Kraft eines ihrer Vordenker zu beschweren, um wie viel mehr dann künstlerische Praktiker, denen Haftmann schon 1948 die französische »Denksubstanz« im »großen Weltverstand« ans Herz gelegt und mit seinem Eintrag ins Skizzenbuch das kreative Handwerk schwer gemacht hatte: »Wenn wir Deutsche in der Malerei der Welt etwas zu sagen haben wollen, müssen wir unsere Schwarmgeisterei verlieren und zu klaren Denkformen kommen.« 72
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1 Armin Eichhorn: Wieder entartet? in: Epoca, 2. Oktober 1964. 2 Werner Haftmann: Von den Inhalten der modernen Kunst. Rede anläßlich der Eröffnung der »II. documenta« am 11. 7. 1959 in Kassel, in: ders.: Skizzenbuch. Zur Kultur der Gegenwart. Reden und Aufsätze, München 1960, S. 123– 134, S. 134. 3 Werner Haftmann: Einleitung, in: documenta. Kunst des XX. Jahrhunderts, Ausstellungskatalog, Museum Fridericianum, Kassel, München 1955, S. 15–25, S. 22. 4 Haftmann 1960, S. 130–131. 5 Siehe Jost Hermand: Freiheit im Kalten Krieg. Zum Siegeszug der abstrakten Malerei in Westdeutschland, in: ’45 und die Folgen. Kunstgeschichte eines Wiederbeginns, hrsg. von Hugo Borger, Köln / Weimar / Wien 1991, S. 135– 162. 6 Hermann Raum: Die bildende Kunst der BRD und Westberlins, Leipzig 1977, S. 52. 7 Richard W. Eichler: Könner, Künstler, Scharlatane, Wien und München 71978, S. 233. 8 Kurt Leonhard: Malerei im 20. Jahrhundert. Zu dem Buch von Werner Haftmann, in: Das Kunstwerk IX/1955/56, Heft 1, S. 59–61, S. 59. 9 Eduard Beaucamp: Wortmächtiger Meister der Intuition. Zeuge und Bewunderer der Moderne. Zum achtzigsten Geburtstag von Werner Haftmann, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. April 1992. 10 Nicola Kuhn: Herold der Moderne. Zum Tod des Kunsthistorikers Werner Haftmann, in: Der Tagesspiegel, 31. Juli 1999. 11 Doris Schmidt: Kunst und Freiheit. Werner Haftmann zum 80. Geburtstag, in: Süddeutsche Zeitung, 28. April 1992. 12 DuMonts Begriffslexikon zur zeitgenössischen Kunst, hrsg. von Hubertus Butin, Köln 2002, S. 190–193, s. v. »Kunstkritik« (Tom Holert). 13 Werner Haftmann, Nachwort, in: ders. 1960, S. 289–296, S. 294. 14 Ibid., S. 294–295. 15 Ibid., S. 293. 16 Ibid., S. 294. 17 Werner Haftmann: Der Glaube an die Krise, in: Geistige Welt II-3/Oktober 1947; zit. nach Haftmann 1960, S. 8–14, S. 11. 18 Haftmann 1960, S. 295. 19 Ibid., S. 295. 20 Ibid., S. 296. 21 Ibid., S. 294. 22 Haftmann 1955 (Einleitung), S. 15.
23 Horst Hartmann: Der gute Geist der modernen Kunst, in: Mannheimer Morgen, 28. April 1987. 24 Werner Haftmann: Malerei im 20. Jahrhundert. Eine Entwicklungsgeschichte, München 1954, S. 9–10. 25 Jost Hermand: Kultur im Wiederaufbau. Die Bundesrepublik Deutschland 1945–1965, Berlin 1989, S. 403. 26 Eduard Trier: Werner Haftmann, Malerei im 20. Jahrhundert, in: Kunstchronik 5/1955, S. 240–242, S. 240. 27 Werner Haftmann im Gespräch mit dem Autor 1985 in Gmund. 28 Beaucamp 1992. 29 Paul Heinrich Diehl: Grenzen der Malerei. Betrachtungen über die Kunst des 20. Jahrhunderts, Wien und Köln 1961, S. 163. 30 Haftmann 1955 (Einleitung), S. 17. 31 Haftmann 1954, S. 479. 32 Werner Haftmann: Glanz und Gefährdung der abstrakten Malerei, in: Die ZEIT, 17. Januar 1952; zit. nach Haftmann 1960, S. 108–112, S. 108– 109. 33 Werner Haftmann: Über das moderne Bild. Rede, gehalten zur Eröffnung der Ausstellung »Documenta, Kunst des XX. Jahrhunderts«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30. Juli 1955. 34 Haftmann 1954, S. 479. 35 Manfred Schneckenburger: documenta. Idee und Institution, München 1983, S. 30 und 14. 36 Werner Haftmann: Die Angst verlieren. Kunst in der neuen Wirklichkeit, in: Die ZEIT, 24. Oktober 1957. 37 Haftmann 1955 (Einleitung), S. 16. 38 Werner Haftmann: Verfemte Kunst. Bildende Künstler der inneren und äußeren Emigration in der Zeit des Nationalsozialismus, Köln 1996, S. 9. 39 Haftmann 1954, S. 12. 40 Ibid., S. 432. 41 Haftmann 1952, S. 108. 42 Haftmann 1955 (Über das moderne Bild). 43 Haftmann 1955 (Einleitung), S. 25. 44 Werner Haftmann: Die Kathedrale. Frankreichs Geist im Bilde der Architektur, in: Allgemeine Zeitung, 22. Juni 1947; zit. nach Haftmann 1960, S. 136–140, S. 136. 45 Ibid., S. 136. 46 Ibid., S. 139. 47 Ibid., S. 139. 48 Werner Haftmann: Der Genius Frankreichs. Französische Malerei von Poussin bis Ingres in der Hamburger Kunsthalle, in: Die ZEIT, 30. Ok-
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tober 1952; zit. nach Haftmann 1960, S. 140–143, S. 141. Werner Haftmann: Matisse und der wahre Luxus. Zum 80. Geburtstag des Malers, in: Die ZEIT, 5. Januar 1950; zit. nach Haftmann 1960, 152– 154, S. 153. Werner Haftmann: Einheit und Vielfalt der europäischen Künste (Vortrag anläßlich der Tagung der Europäischen Kulturstiftung in Amsterdam 22.–24. November 1957); zit. nach Haftmann 1960, S. 76–87, S. 85. Haftmann 1960 (Der Genius Frankreichs), S. 140–141. Werner Haftmann: Wiedersehen mit Braque. Eine Ausstellung in Freiburg, in: Die ZEIT, 4. November 1948; zit. nach Haftmann 1960, S. 149–151, S. 151. Werner Haftmann: Franz Marc (1880–1916), in: Die großen Deutschen, Bd. IV, Berlin 1957; zit. nach Haftmann 1960, S. 166–174, S. 174. Haftmann 1947 (Der Glaube an die Krise), S. 12. Uwe Fleckner: Au rendez-vous des amis. Deutsch-französische Kunstbeziehungen im 20. Jahrhundert. Fragmente einer Einführung, in: Jenseits der Grenzen. Französische und deutsche Kunst vom Ancien Régime bis zur Gegenwart, hrsg. von Uwe Fleckner, Martin Schieder und Michael F. Zimmermann, 3 Bde., Köln 2000, Bd. III (Dialog der Avantgarden), S. 9–28, S. 12. Werner Haftmann: Kommentar zu einem FaustFragment Paul Valérys, in: Die ZEIT, 22. April 1948; zit. nach Haftmann 1960, S. 36–40, S. 36. Ibid., S. 39.
58 Werner Haftmann: Hinweis auf Henri-Frédéric Amiel (Manuskript 1948); zit. nach Haftmann 1960, S. 32–35, S. 32. 59 Haftmann 1948 (Kommentar zu einem FaustFragment Paul Valérys), S. 36. 60 Haftmann 1948 (Hinweis auf Henri-Frédéric Amiel), S. 35. 61 Werner Haftmann: Gottfried Benn und das Problem des Ästhetischen, in: Bayerischer Rundfunk, 30. März 1950; zit. nach Haftmann 1960, S. 40–52, S. 40. 62 Haftmann 1954, S. 435. 63 Haftmann 1955 (Einleitung), S. 19. 64 Werner Haftmann: Malerei im 20. Jahrhundert. Eine Entwicklungsgeschichte, München 61979 [1954], S. 457. 65 Werner Haftmann: Neues von Fernand Léger. Zur Ausstellung der Galerie Louis Carré, in: Tagebuch für Theater, Literatur und bildende Kunst, Heft 3–4/1948; zit. nach Haftmann 1960, S. 146–148, S. 147. 66 Haftmann 1954, S. 419. 67 Ibid., S. 456. 68 Leonhard 1955, S. 60. 69 Haftmann 1954, S. 12 und 480. 70 Siehe André Malraux: Psychologie der Kunst. Das imaginäre Museum, Baden-Baden 1949. 71 Ibid., S. 16. 72 Werner Haftmann: Juan Gris. Anläßlich des Erscheinens von Kahnweilers Buch über Juan Gris, in: Die ZEIT, 3. Juni 1948; zit. nach Haftmann 1960, S. 143–146, S. 145–146.
Wilhelm Wessel und Rodolphe Stadler Ein deutsch-französischer Brückenschlag in den fünfziger und frühen sechziger Jahren
Christoph Zuschlag
Das Leverkusener Gespräch Vom 28. November 1956 bis 2. Januar 1957 fand im Museum Morsbroich der Stadt Leverkusen die Ausstellung Malerei und Plastik in Westdeutschland – 1956 statt (Abb. 34). Mit dieser ambitionierten Ausstellung, die eine Bestandsaufnahme der aktuellen Kunst in der Bundesrepublik bieten wollte, beging der Veranstalter, der 1946 im westfälischen Hagen gegründete Westdeutsche Künstlerbund, sein zehnjähriges Bestehen. Der Katalog verzeichnet 105 Exponate von 51 Künstlerinnen und Künstlern.1 Werke jüngerer, ungegenständlich arbeitender Künstler dominierten, wenngleich mit Erich Heckel auch ein Repräsentant des Expressionismus vertreten war. Zu den figurativen Künstlern zählten die Bildhauer Emmy Roeder, Gerhard Marcks und Fritz König sowie HAP Grieshaber. Die Ausstellung stieß in Presse und Öffentlichkeit auf teilweise heftige Kritik: Dem hohen Anspruch, einen Überblick über die Kunstszene zu bieten, widersprach der Umstand, daß bedeutende Künstler fehlten; zum einen arrivierte wie Georg Meistermann, Fritz Winter, Ernst Wilhelm Nay, Theodor Werner, Georg Mataré, Bernhard Heiliger und Karl Hartung, zum anderen Vertreter der jungen informellen Kunst wie Otto Greis, Heinz Kreutz, Peter Brüning, Winfred Gaul und Gerhard Hoehme. Diese Künstler hatten die Ausstellung entweder boykottiert, oder sie waren von der – namentlich nicht genannten – Jury ausjuriert worden. Der Vorsitzende des Westdeutschen Künstlerbundes, der Maler Wilhelm Wessel, macht Katalogvorwort deutlich, daß die »jüngere Schicht« von Künstlern im Vordergrund stehe. Darüber hinaus kündigt er den Besuch in- und ausländischer Experten an, welche die Ausstellung beurteilen sollten:
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34 Plakat der Ausstellung Malerei und Plastik in Westdeutschland – 1956, 1956, Stadtarchiv Leverkusen, Plakatsammlung.
»Heute besteht für uns nicht mehr die Isolierung wie seit 1933 oder auch kurz nach 1945. Ob wir gegenständlichen und ungegenständlichen Maler und Bildhauer im Gesamtbild der internationalen Kunstentwicklung noch eigene, nationale Züge aufweisen, mögen erfahrene, in- und ausländische Kenner besser beurteilen als wir. Wir werden den Kennern der internationalen aktuellen Kunst, die unsere Ausstellung besuchen, für ein unabhängiges, offenes Urteil gerade über diese Frage dankbar sein.« Bereits drei Tage nach Eröffnung der Ausstellung, am Samstag, den 1. Dezember 1956, trafen auf Einladung Wilhelm Wessels im Museum Schloß Morsbroich renommierte Kunstexperten aus der Bundesrepublik, England, Frankreich, Italien, Holland und der Schweiz zusammen: die Kunsthistoriker und -kritiker Ernest Goldschmidt (Brüssel), Will Grohmann (Berlin), Giuseppe Marchiori (Venedig), Herbert Read (London), Michel Tapié (Paris) (Abb. 37) und Herta Wescher (Paris), die Museumsleiter Pierre Janlet (Brüssel), Willem J. H. B. Sandberg (Amsterdam) und Georg Schmidt (Basel) sowie der Galerist Rodolphe Stadler (Paris) (Abb. 35–36). An
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35 Umschlag der Dokumentation Westdeutscher Künstlerbund von 1957 mit einer Umschlagszeichnung von Emil Schumacher.
dem Treffen nahmen auch Vertreter des Kultusministeriums des Landes NordrheinWestfalen und des Westdeutschen Rundfunks teil. Nach einem gemeinsamen Rundgang durch die Ausstellung diskutierten die Experten unter der Gesprächsleitung Wilhelm Wessels die Frage, ob der Durchbruch der ungegenständlichen Kunst nach 1945 in den verschiedenen Ländern als Ausdruck der Befreiung zu verstehen sei, ob innerhalb der internationalen Bewegung der ungegenständlichen Kunst in den verschiedenen Ländern nationale Wesenszüge zu erkennen seien und ob die deutsche Kunst die durch die NS-Zeit bedingte Phase der Isolierung überwunden habe.2 Am Nachmittag fuhren die Teilnehmer nach Köln, wo Rolf Wiesselmann für den Westdeutschen Rundfunk ein Gespräch über diese Fragen moderierte.3 Die Experten waren überwiegend der Meinung, daß die (ungegenständliche) Kunst der Gegenwart insgesamt eher international denn national sei – was das Vorhandensein nationaler Eigenheiten keineswegs ausschließe – und daß Deutschland elf Jahre nach Kriegsende wieder den Anschluß an die internationale Avantgarde gefunden habe. Die Frage, ob der Durchbruch der Abstraktion nach 1945 Ausdruck der »libération« sei, beantwortete zum Beispiel Georg Schmidt »für Deutschland und
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36 Rodolphe Stadler und Herbert Read auf dem Leverkusener Gespräch am 1. Dezember 1956.
Italien mit einem klaren Ja«. Zugleich warnte er davor, »den Geist der ›libération‹ mit dem Geist der ungegenständlichen Kunst zu identifizieren und die ›libération‹ gar als Vater der ungegenständlichen Kunst zu bezeichnen. Die ›libération‹ war vielmehr ein Sammelbecken sämtlicher von den Diktaturen verfolgten geistigen Bewegungen.«4 Herta Wescher bemerkte zur Bedeutung der zeitgeschichtlichen Ereignisse, »daß die universale Bildsprache unserer Tage, die den Künstlern aller Länder gemeinsam ist, ihre Quellen in den Erschütterungen der Kriegsjahre hat, die viel zu tief, viel zu umwälzend waren, als daß sie der Kunst nicht einen grundsätzlich neuen Stempel aufprägen mußten.« 5 Wie läßt sich das sogenannte Leverkusener Gespräch bewerten? In Anbetracht des Medienechos – etwa der Sendung des Westdeutschen Rundfunks –, der Prominenz der teilnehmenden Kritiker und der Bedeutung der behandelten Fragen im damaligen Kunstdiskurs ist es erstaunlich, daß die kunsthistorische Forschung das Leverkusener Gespräch von 1956 bislang nicht aufgearbeitet hat – ganz im Gegensatz etwa zum ersten Darmstädter Gespräch sechs Jahre zuvor.6 Und dies, obwohl es eine vergleichbare Debatte einflußreicher Museumsleiter und Kunstkritiker aus mehreren europäischen Ländern über die Situation der Kunst in Westdeutschland in den fünfziger Jahren nicht gegeben hat. Das Leverkusener Gespräch ist im Kontext der kunstpolitischen Aktivitäten Wilhelm Wessels zu sehen, der sich in seiner Funktion als Vorsitzender des Westdeutschen Künstlerbundes seit Jahren für die Anerkennung der deutschen Kunst im Ausland und umgekehrt für die Präsentation
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Michel Tapié und Rodolphe Stadler in der Galerie Stadler, vermutlich 1963.
ausländischer Künstler im Inland einsetzte. Wessel zeichnete sowohl für die Ausstellung als auch für die Zusammensetzung der Expertenrunde verantwortlich. Vermutlich erhoffte er sich von dem Kritikertreffen positive Signale aus In- und Ausland, möglicherweise auch eine Stärkung seiner eigenen Rolle als Künstler und Verbandsfunktionär. Doch es sollte anders kommen. Nach Querelen um die Besetzung der Ausstellung Malerei und Plastik in Westdeutschland – 1956 trat Wilhelm Wessel 1957 vom Vorsitz des Westdeutschen Künstlerbundes zurück.7
Signifiants de l’Informel Unter den Teilnehmern des Leverkusener Gesprächs befand sich ein junger, noch relativ wenig bekannter Galerist aus Paris: der 29jährige Rodolphe Stadler. Im folgenden soll der Kontakt zwischen Wilhelm Wessel und Rodolphe Stadler beleuchtet und in seinen historischen und kulturpolitischen Kontext eingeordnet werden. Auch wenn es sich dabei nur um einen kleinen Stein im großen Mosaik des deutschfranzösischen Kulturaustauschs in der zweiten Hälfte der fünfziger und zu Beginn der sechziger Jahre handelt, so läßt sich doch an diesem Fall exemplarisch zeigen, unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen grenzüberschreitende Kunstprojekte zustandekamen. Quellengrundlage des Beitrags sind die Akten im Stadtarchiv Leverkusen, die Tagebücher Wilhelm Wessels sowie die Erinnerungen und die Galeriechronik Rodolphe Stadlers. Ab 1950 hielten sich Wilhelm Wessel und seine Ehefrau, die Malerin Irmgart Wessel-Zumloh 8, alljährlich zu längeren Reisen und Arbeitsaufenthalten im Aus-
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land auf, vorwiegend im Mittelmeerraum und in Paris. Dort knüpfte Wessel, der mehrere Sprachen beherrschte, zahlreiche Kontakte zu Künstlerkollegen, Kunsthistorikern, Kritikern und Galeristen. Dieses internationale Netzwerk sollte die Grundlage für Wessels kunstpolitisches Engagement werden. 1950 reiste er zur Wiedergründung des Deutschen Künstlerbundes unter dem Vorsitz von Karl Hofer nach Berlin, im selben Jahr lehnte er einen Ruf an die dortige Hochschule der Bildenden Künste ab.9 Als Eberhard Viegener im Dezember 1951 vom Amt des Präsidenten des Westdeutschen Künstlerbundes zurücktrat, übernahm Wilhelm Wessel 1952 das neugeschaffene Amt des Vorsitzenden dieses Künstlerbundes. In dieser Funktion organisierte Wessel im In- und Ausland eine Reihe vielbeachteter, repräsentativer Ausstellungen, darunter 1954 die Ausstellung Duitse kunst na 1945 im Stedelijk Museum Amsterdam und 1955, in Zusammenarbeit mit dem Galeristen René Drouin, die Ausstellung Peintures et sculptures non figuratives en Allemagne d’aujourd’hui im Cercle Volney in Paris – die erste Übersichtsausstellung deutscher abstrakter Kunst im Ausland nach dem Krieg.10 In der Pariser Galerienszene traf Wessel auf den umtriebigen Kunstkritiker (und Neffen von Henri Toulouse-Lautrec) Michel Tapié (Abb. 37), einen wichtigen Förderer und Protagonisten der damals ganz jungen Kunst des Informel.11 Tapié war es auch, der diesen Begriff geprägt und im November 1951 im Pariser Studio Paul Facchetti die Ausstellung Signifiants de l’Informel mit Werken von Jean Fautrier, Jean Dubuffet, Georges Mathieu, Henri Michaux, Jean-Paul Riopelle und Jaroslav Serpan organisiert hatte. 1952 veröffentlichte Tapié die Programmschrift des Informel mit dem Titel Un art autre, où il s’agit de nouveaux dévidages du réel. Neben vielen anderen Tätigkeiten war Tapié der künstlerische Berater des Galeristen Rodolphe Stadler. 1927 in Lausanne als Sproß einer Industriellenfamilie geboren, hatte Stadler in der Schweiz Jura studiert. Angeregt durch zahlreiche Galeriebesuche in Paris zwischen 1945 und 1955 entschloß sich Stadler zur Gründung einer eigenen Galerie, die er am 7. Oktober 1955 in der Rue de Seine 51 im 6e Arrondissement eröffnete.12 In seinen 2001 niedergeschriebenen Erinnerungen an Wilhelm Wessel berichtet Rodolphe Stadler, daß ihn Michel Tapié 1956 Wilhelm Wessel vorgestellt habe.13 Zu diesem Zeitpunkt war Wessel die Galerie Stadler bereits von mehreren Besuchen vertraut. Dies geht aus Wessels Notiz- und Tagebüchern hervor, die er seit den zwanziger Jahren führte und die sowohl zeit- und kunstgeschichtliche Quelle als auch künstlerische Dokumente hohen Ranges sind.14 Denn schon »in den fünfziger Jahren vereinten sie Kritzeleien, die sich zu Zeichnungen ausweiteten, mit praktischen Aufzeichnungen, Kurzberichten vom Tagesablauf und assoziativen
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Wilhelm Wessel: Tagebucheintrag vom 3. November 1955.
Reflexionen. Ihre Form gewordene Vorläufigkeit und Zeitgebundenheit verblieb bei Wessel damals noch im privaten Bereich, verselbständigte sich nicht, wie zuvor schon bei den Surrealisten und ihrer ›écriture automatique‹, zum Werk. Gerade in diesem privaten Entstehungsprozess liegen ihre Qualität und ihr Reiz.« 15 Unter dem Datum des 3. November 1955 notierte Wessel in seinem Tagebuch: »In der neuen Galerie Stadler, 51 Rue de Seine. (Michel Tapié?) Schöne Bilder von Guiette u. Tapiés, in der Folge Dubuffet’s. Auffallend auch DOVA, lackglänzende Bildoberfläche. Kostbarer als der gröbere stumpfere Hosisson [Hosiasson]. Claire Falkenstein, amerikanische Neu-Makart-Zeit. Zweige + Federn in Gips getaucht« (Abb. 38).16 Demnach sahen Wessels bereits die Eröffnungsausstellung von Rodolphe Stadler, und fortan gehörte die Galerie zu ihrem festen Besuchsprogramm. Persönlich begegneten sich das Ehepaar Wessel und Stadler erstmals am 30. Juni 1956. An diesem Tag findet sich in Wessels Tagebuch der Eintrag: »In Galerie Stadler lernten wir Stadler kennen.« 17 Es sollte der Beginn einer lebenslangen fruchtbaren Zusammenarbeit und Freundschaft sein. Stadler erinnert sich: »Im Laufe dieser ersten Kontakte planten wir meinen Besuch in Deutschland und fassten die Möglichkeit einer Ausstellung in Paris ins Auge.« 18
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Diese Reise fand bereits im Winter 1956 statt und führte Stadler, seine Frau und Michel Tapié auf Einladung Wessels nach Leverkusen zur oben erwähnten Ausstellung Malerei und Plastik in Westdeutschland – 1956 und zum Leverkusener Gespräch. Bei diesem erhielt Stadler für seine Galeriearbeit wichtige Impulse: »Diese Zusammenkunft [das Leverkusener Gespräch] trug zweifellos viel zur Entwicklung im internationalen und europäischen Kunstgeschehen bei. Der Geist der Diskussionen am runden Tisch entsprach genau der Richtung, die ich meiner Galerie geben wollte: eine Öffnung gegenüber europäischen wie auch japanischen und amerikanischen Strömungen.« 19 In der Tat war Stadlers Galerieprogramm auf die internationale Avantgarde ausgerichtet und umfaßte gleichermaßen europäische, japanische und amerikanische Künstlerinnen und Künstler. Schwerpunkt war die – auch von seinem Berater Michel Tapié favorisierte – Kunst des Informel und dabei vor allem solche Positionen, bei denen Materie und Struktur, Stofflichkeit und Textur der Oberfläche eine wichtige Rolle spielen, wie etwa bei Emil Schumacher und Wilhelm Wessel, Antoni Tàpies und Antonio Saura. Ende der sechziger Jahre erweiterte Stadler allmählich sein Spektrum und bezog auch Aktionskunst und Photographie ein. Im Frühjahr 1957 kamen Rodolphe Stadler und seine Frau erneut nach Deutschland, um Wilhelm Wessel und Irmgart Wessel-Zumloh in Iserlohn zu besuchen, eine Reihe von Projekten des deutsch-französischen Kulturaustauschs zu besprechen und gemeinsam Museen und Ausstellungen im Ruhrgebiet und im Rheinland zu besichtigen.20 Außerdem traf Stadler eine Auswahl für die geplante Wessel-Ausstellung in seiner Galerie. Stadler erinnert sich: »Vom Rücksitz meines alten Renault dirigierte Wessel meine Frau und mich über die deutschen Straßen, von einem Museum zum anderen. Nach mehr als vierzig Jahren verbinden sich die Erinnerungen an diese Reise eher mit Empfindungen als mit Fakten. Ich war verblüfft über die Lebendigkeit, den Willen und die Zähigkeit eines ganzen Volkes, mit der es sein durch den Krieg noch furchtbar zerstörtes Land wieder aufbaute. Die Besichtigung der Museen ermöglichte mir, meine Kenntnisse des Expressionismus zu erweitern und die Maler schätzen zu lernen, die zu jener Zeit in aller Munde waren, Baumeister und Nay.« 21
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Wessels Tagebuch zufolge besuchten Stadlers und er am 5. Mai 1957 Emil Schumacher, der im benachbarten Hagen lebte. Am 6. Mai fuhren sie nach Wiesbaden, um im Städtischen Museum die Ausstellung Lebendige Farbe – Couleur vivante zu besichtigen. Diese bedeutende, von Museumsleiter Clemens Weiler zusammengestellte Ausstellung versammelte Werke von acht französischen und acht deutschen Malern, darunter Wilhelm Wessel. Weiter ging die Reise nach Frankfurt zu Hanna Bekker vom Rath und ins Amerika-Haus, wo eine Ausstellung Mark Tobeys auf dem Programm stand. Wessel und Stadlers nahmen Quartier in Darmstadt und besuchten am nächsten Tag den Sammler Karl Ströher, bevor sie rheinaufwärts nach Köln zum dortigen Kunstverein und nach Düsseldorf reisten. Von hier aus fuhren Stadlers nach Krefeld weiter, während Wessel die Heimreise nach Iserlohn antrat.22 Wessel und Stadler nutzten dessen Aufenthalt in Deutschland aber vor allem auch, um deutsch-französische Ausstellungen zu planen: »Dank der Hilfe Wilhelm Wessels und sich daraus ergebender Kontakte zur Stadt Soest, der Galerie Parnass in Wuppertal, dem Kunstverein in Köln, dem Kunstkritiker Bayertal, dem Maler Hans Platschek und der Galerie van de Loo in München ließen sich zahlreiche Ausstellungen verwirklichen: ›Neue Malerei in Frankreich‹ wurde 1958 in Soest, Dortmund, Siegen, Solingen und Hagen gezeigt, ›15 Maler in Paris‹ 1959 im Kunstverein Köln und 1960 die große Ausstellung ›Neue Malerei: Form, Struktur, Bedeutung‹ im Münchner Lenbachhaus, die mit der Unterstützung des Direktors Dr. Röthel von Bayertal und Tapié organisiert und inhaltlich betreut wurde.« 23
Schwarzer Kardinal Doch Rodolphe Stadler brachte mit Unterstützung Wilhelm Wessels und anderer nicht nur französische Künstler nach Deutschland, sondern er stellte auch umgekehrt deutsche Künstler in seiner Galerie aus. Im März und April 1958 zeigte er in einer Doppelausstellung Emil Schumacher und Wilhelm Wessel. Von diesem wurde unter anderem das Bild Schwarzer Kardinal von 1957 (Abb. 39) gezeigt und auf der Einladung reproduziert. Wessel war zudem 1959 in der Gruppenausstellung Métamorphismes und 1960 und 1963 jeweils in Einzelausstellungen zu sehen (Abb. 40). Verkäufe an französische Museen kamen Stadler zufolge nicht zustande, wohl aber an das Museum in seiner Heimatstadt Lausanne.24 Neben der Pariser Galerie vermittelten Stadler und sein Berater Tapié Wessel auch ein Forum in mehreren von ihnen initiierten, organisierten oder zumindest durch Leihgaben unter-
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39 Wilhelm Wessel: Schwarzer Kardinal, 1957, Kunstharz, Glas, Sand und Collage auf Leinwand, 130 × 80 cm, Privatbesitz.
stützten Ausstellungen in Museen und anderen Institutionen in aller Welt, darunter Barcelona, Madrid, Osaka, Turin, Buenos Aires und Charleroi. Dadurch verhalfen Tapié und Stadler Wilhelm Wessel zu internationaler Anerkennung, die in seiner Teilnahme an der XXIX. Biennale in Venedig 1958 gipfelte. Dort vertrat Wessel zusammen mit Rolf Cavael, Werner Gilles, K. O. Götz, Hans Platschek, Johanna Schütz-Wolff, Emil Schumacher, K. R. H. Sonderborg, Fred Thieler und Heinz Trökes die zeitgenössische Malerei der Bundesrepublik. Bis zu seinem Tod 1971 pflegte Wilhelm Wessel den Kontakt zu Stadler, wie sich anhand der Tagebücher rekonstruieren läßt.25 Rodolphe Stadler schloß seine Galerie nach 44 Jahren im Jahre 1999 und lebt heute in Paris. Bei der Beschäftigung mit der Zusammenarbeit zwischen Wessel und Stadler stößt man auch auf manch kritische Stimme. Als ehemaliges Parteimitglied der NSDAP und Kriegsmaler sowie wegen seiner Tätigkeit als Vorsitzender des Westdeutschen Künstlerbundes wurde Wessel in einigen Künstler- und Kritikerkreisen abgelehnt. So bittet Karl Otto Götz den Schriftsteller und Galeristen Edouard Jaguer in einem Brief vom 10. Februar 1957, »de faire savoir Stadler: de se méfier de Wessel! Wessel a fait tort à nous tous, à notre peinture et à l’estime allemand à Paris«.26 Auf der anderen Seite gibt Götz in seinen Lebenserinnerungen einige Sätze des Kritikers John Anthony Thwaites wieder, in denen dieser die »kämpferischen Fähigkeiten« Wessels im Hinblick auf die Durchsetzung der Ausstellung Peintures et sculptures non figuratives en Allemagne d’aujourd’hui im Cercle Volney lobt.27 Bei der Vernissage der Schumacher-Wessel-Ausstellung in der Galerie Stadler am 11. März 1958 er-
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Wilhelm Wessel und Rodolphe Stadler in der Galerie Stadler, Paris 1963.
schien der Kritiker Heinz-Klaus Metzger, der Wessel ein Jahr zuvor in der Presse scharf angegriffen hatte, mit dem von Wessel verfaßten und illustrierten Buch Mit Rommel in der Wüste aus dem Jahr 1943 unter dem Arm, offenbar, um Wessel öffentlich zu brüskieren.28 Ungeachtet dieser Anfeindungen bereicherte die Kooperation zwischen Wilhelm Wessel und Rodolphe Stadler ohne Zweifel die deutsch-französische Kulturszene in den fünfziger und frühen sechziger Jahren. Welche Erkenntnisse lassen sich aus dem Fallbeispiel Wessel – Stadler für die deutsch-französischen Kunstbeziehungen nach 1945 gewinnen, und in welchem historischen und kulturpolitischen Kontext stand die Zusammenarbeit? Als Wessel und Stadler einander 1956 kennenlernten, begegneten sich ein erfahrener, weitgereister und weltgewandter Künstler und Kunstmanager und ein junger, ebenso zielstrebiger wie idealistischer Kunsthändler. Der eine verfügte aufgrund seiner Tätigkeit als Vorsitzender des Westdeutschen Künstlerbundes über reiche Erfahrungen in der Durchführung von Ausstellungen im In- und Ausland und in der Vermittlung zwischen Politik, Kunst und Wirtschaft sowie über ein gut funktionierendes persönliches und institutionelles Netzwerk, der andere war dabei, sich einen guten Namen als Galerist in d e r Stadt zu machen, die damals der Nabel der Kunstwelt war. Die Konstellation hätte kaum günstiger sein können. Bei der Durchsetzung ihrer jeweiligen Ziele konnten beide voneinander profitieren: Stadler konnte Wessel bei dessen Anliegen, die junge deutsche Kunst im Ausland, namentlich in Frankreich, durchzusetzen, be-
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hilflich sein, und dies zu einer Zeit, in der die offiziellen französischen Kunstinstitutionen der deutschen Kunst noch reserviert gegenüberstanden. Umgekehrt war Wessel Stadler bei dessen Bestreben, s e i n e internationalen Künstler außerhalb Frankreichs, namentlich in der Bundesrepublik, zu präsentieren, eine Hilfe. Zudem ist der historische und kunstmarktpolitische Kontext der Kooperation zwischen Stadler und Wessel zu berücksichtigen. Mit seinem Programm befand sich Stadler in einer Konkurrenzsituation zu den Pariser Galeristen René Drouin und Daniel Cordier, die beide ebenfalls auf den deutschen Markt drängten. So gründete Cordier, der unter anderem Bernard Schultze und Karl Otto Götz vertrat (letzteren von 1957 bis 1961 im Rahmen eines Exklusivvertrags), 1958 eine Dependance in Frankfurt am Main. Ebenso mußte sich Wessel innerhalb der deutschen Künstler des Informel positionieren, wobei er offensichtlich die Nähe zu Emil Schumacher suchte, während er zu den Künstlern der Frankfurter Quadriga 29 und der Düsseldorfer Gruppe 53 30 eher auf Distanz ging. In einer solchen Situation galt es für Stadler und Wessel gleichermaßen, Verbündete zu finden. Daß beide somit auch ganz persönlich einen Nutzen hatten – der eine, was seinen eigenen internationalen Durchbruch als Künstler, der andere, was den Erfolg und die Anerkennung seiner Galerie betrifft –, ist dabei durchaus legitim und ändert nichts an den Verdiensten um die binationalen kulturellen Beziehungen.
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1 Siehe Malerei und Plastik in Westdeutschland – 1956, Ausstellung des Westdeutschen Künstlerbundes im Museum Schloß Morsbroich der Stadt Leverkusen, Bonn [1956]. Ein Exemplar des nicht paginierten Katalogs befindet sich im Stadtarchiv Leverkusen (StadtALev) unter Nr. LM 62. Darüber hinaus sind in Leverkusen zur Ausstellung folgende Akten vorhanden: StadtALev 410.311 (Bd. 1), StadtALev 410.312 (Bd. 2); StadtALev 5143.41-62 enthält ferner 17 Zeitungsartikel zu Ausstellung und Kritikertreffen. 2 Siehe den Beitrag von Georg Schmidt, in: Dokumentation Westdeutscher Künstlerbund. Die Meinungen ausländischer Experten und die Meinungen deutscher Kunstkritiker zur Ausstellung Malerei und Plastik in Westdeutschland 1956, Leverkusen, hrsg. vom Westdeutschen Künstlerbund, o. O. 1957, S. 4–5, S. 4. Die Dokumentation (siehe Abb. 35) enthält Stellungnahmen der Experten, Pressestimmen aus dem In- und Ausland sowie sechs Photographien von der Ausstellungseröffnung und dem Kritikertreffen (siehe Abb. 36). Ein Exemplar befindet sich im Archiv Wilhelm Wessel im Westfälischen Landesmuseum Münster. 3 Der Westdeutsche Rundfunk sendete dieses Gespräch mit einer Einführung und einem Schlußwort von Carl Linfert am Abend des 1. März 1957. Ein Tonband der Radiosendung ist im Archiv des WDR in Köln vorhanden. 4 Schmidt 1957, S. 4. 5 Herta Wescher, in: Dokumentation Westdeutscher Künstlerbund 1957, S. 8. 6 Siehe zu diesem: Das Menschenbild in unserer Zeit. Darmstädter Gespräch, hrsg. von Hans Gerhard Evers, Darmstadt o. D. [1951]. Die Literatur zur Kontroverse um die Abstraktion in den fünfziger Jahren ist mittlerweile sehr umfangreich; siehe etwa Karl-Ludwig Hofmann: »Als ob es so etwas wie eine Kunst gäbe!« Anmerkungen zur Kontroverse um die abstrakte Kunst in den 50er Jahren, in: Brennpunkt Informel. Quellen – Strömungen – Reaktionen, Ausstellungskatalog, Kurpfälzisches Museum der Stadt Heidelberg, Heidelberger Kunstverein, hrsg. von Christoph Zuschlag u. a., Köln 1998, S. 158–165. 7 Siehe Annette Müller-Held: Wilhelm Wessel 1904–1971, in: Wilhelm Wessel 1904–1971. Malerei – Materie, hrsg. von Erich Franz, Köln 2002, S. 18–41, S. 38. 8 Siehe Christoph Zuschlag: Irmgart WesselZumloh (1907–1980). Malerin jenseits der Stile. Monographie und Werkübersicht, Köln 1999.
9 Siehe hierzu und zum folgenden Müller-Held 2002, S. 34–37. 10 Siehe Martin Schieder: René Drouin und seine Ausstellung »Peintures et sculptures non figuratives en Allemagne d’aujourd’hui« 1955 in Paris, in: Jenseits der Grenzen. Französische und deutsche Kunst vom Ancien Régime bis zur Gegenwart. Thomas W. Gaehtgens zum 60. Geburtstag, hrsg. von Uwe Fleckner, Martin Schieder und Michael F. Zimmermann, 3 Bde., Köln 2000, Bd. 3 (Dialog der Avantgarden), S. 180–200. 11 Siehe zum Informel jüngst Tendenzen der abstrakten Kunst nach 1945. Die Sammlung Kraft Bretschneider in der Stiftung Kunst und Recht, Tübingen, hrsg. von Donata Bretschneider, bearbeitet von Christoph Zuschlag, Heidelberg 2003. 12 Die Galerietätigkeit ist in der Publikation Galerie Stadler: 30 ans de rencontres, de recherches, de partis pris 1955–1985, die anläßlich des dreißigjährigen Galeriejubiläums 1985 in Paris erschien, dokumentiert. 13 Siehe Rodolphe Stadler: Erinnerungen an Wilhelm Wessel, in: Franz 2002, S. 42–45, S. 42. 14 Die Tagebücher Wilhelm Wessels befinden sich im Archiv von Margarete Niebel, der Nichte Wilhelm Wessels, in Heidelberg, Mikrofilme im Stadtarchiv Iserlohn. Ich danke Margarete Niebel für freundliche Unterstützung und die Möglichkeit zur Durchsicht der Tagebücher. 15 Erich Franz: Wilhelm Wessel: Malerei – Materie, in: ders. 2002, S. 8–17, S. 15 f. 16 Wilhelm Wessel: Tagebuch, 23. Oktober bis 19. Dezember 1955, S. 11. 17 Wilhelm Wessel: Tagebuch, 24. Dezember 1955 bis 10. März 1957, S. 19. 18 Stadler 2002, S. 42. 19 Ibid. 20 Das Ehepaar Wessel hatte 1951 ein Haus in der Gartenstraße 31 in Iserlohn erworben. 1990 ging das Haus in städtischen Besitz über. Seit 1991 ist es Sitz des Kunstvereins Wilhelm Wessel/Irmgart Wessel-Zumloh e. V., dessen Zweck die Pflege des künstlerischen Nachlasses des Malerehepaares und die Präsentation moderner Kunst ist. 21 Stadler 2002, S. 43. 22 Wilhelm Wessel: Tagebuch, 11. März 1957 bis 15. Dezember 1957, S. 43. 23 Stadler 2002, S. 42 f. 24 Freundliche Auskunft von Rodolphe Stadler am 21. Januar 2004. 25 Siehe etwa den Eintrag unter dem 4. Juni 1969, in dem Wessel berichtet, daß er drei Werke bei
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Stadler deponiert habe, in: Wilhelm Wessel: Tagebuch, 3. April 1968 bis 4. Oktober 1969, S. 69. 26 Eine Kopie des Briefes, der sich im Archiv Édouard Jaguer (Paris) befindet, verdanke ich Martin Schieder. 27 K. O. Götz: Erinnerungen und Werk, Düsseldorf 1983, 2 Bde., Bd. 1 b, S. 692. Thwaites’ Artikel ist in der Dokumentation des Westdeutschen Künstlerbundes 1957, S. 18 f., wiederabgedruckt. 28 Siehe den Tagebucheintrag vom 11. März 1958, in: Wilhelm Wessel: Tagebuch, 16. Dezember 1957 bis 18. August 1959, S. 47. Metzgers Artikel Wilhelm Wessels Wurfleine – Monopol-
kampf in der deutschen Kunst? erschien in Die Kultur, 15. März 1957; wiederabgedruckt in der Dokumentation des Westdeutschen Künstlerbundes 1957, S. 19 f.; siehe die Entgegnung Wessels, ibid., S. 20. 29 Siehe Entfesselte Form. Fünfzig Jahre Frankfurter Quadriga, Ausstellungskatalog, Städelsches Kunstinstitut und Städtische Galerie, Frankfurt am Main, hrsg. von Sigrid Hofer, Frankfurt am Main und Basel 2002. 30 Siehe Auf dem Weg zur Avantgarde. Künstler der Gruppe 53, Ausstellungskatalog, Museum der Stadt Ratingen, hrsg. von Marie-Luise Otten, Heidelberg 2003.
Kunst/Diskurs
L’Expressionnisme en point aveugle de l’histoire de l’art Laurence Bertrand Dorléac
L’écriture de l’histoire La question de l’identité renvoie forcément à la façon dont s’écrit l’histoire. Elle nous renseigne sur l’aveuglement de l’historien d’art ou du critique dont les instruments de travail et la pratique sont indissociables au fond de l’imaginaire collectif. Or, dans la grande majorité des cas, cet imaginaire n’entre pas dans leurs catégories de réflexion. Nous savons que l’histoire de l’art comme l’histoire se fondent, au XIXe siècle, en France mais plus largement en Europe, sur une conception raciale, essentialiste et nationaliste, qui n’appartient pas seulement aux camps du conservatisme mais aussi à ceux du progrès. En France, le discours moyen sur la spécificité de l’art français qui vise à établir sa suprématie a la vie longue. Après la Seconde Guerre mondiale encore, malgré l’expérience qui a dénoncé cruellement les présupposés sur lesquels reposait l’imaginaire de l’art français, des critiques d’art, des historiens de l’art et non des moindres, se resservent de concepts approximatifs et largement hérités d’une autre époque et d’un autre monde. S’agissant de l’art allemand, le spectre du nazisme ne saurait éclairer à lui seul les préjugés qui perdurent sur une scène artistique où seuls les artistes échappent davantage aux a - p r i o r i , connaissant mieux l’art de l’étranger, ce dont témoigne, en 1950, les résultats de l’enquête de Julien Alvard. Menée auprès de dix jeunes peintres français, le critique en déduit que les noms qui reviennent le plus fréquemment, en dehors de Picasso, sont ceux de Klee et de Kandinsky, »avec une préférence très marquée pour Klee à qui tous semblent reconnaître une puissance
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poétique supérieure. Le nom d’Hartung a été prononcé presque chaque fois et toujours avec une grande sympathie pour son œuvre«. En conclusion, Julien Alvard note que »L’École allemande« dans son ensemble a l’air assez en faveur auprès des jeunes peintres: l’expressionnisme allemand, »le seul, l’authentique, celui de Klee et de Kandinsky et pas celui de Kokoschka«, restant »un pôle d’attraction.« 1 Le bémol est de taille et chasse aveuglément au passage une forme d’excès encore intolérable: disons la part maudite de l’expressionnisme en France. À la même époque, ceux dont le métier est d’écrire sur l’art ne s’illustrent guère par leur subtilité ni par leur connaissance de ses aspects majeurs en Allemagne. À leur décharge, en 1946 encore, Jacques Lassaigne qui rend compte d’une exposition de l’œuvre de Paul Klee à Londres, peut à juste titre regretter qu’elle soit encore largement inconnue en France.2 Il suffira de parcourir un an plus tard les salles du Musée d’Art moderne qui rouvre ses portes, en ne comptant pour représenter l’Allemagne, que Max Ernst et Paul Klee dans ses collections.3 De fait, à l’exception de la revue les Cahiers d’art surtout, qui défendait dans les années 1930, les œuvres de Kandinsky et de Klee, la scène artistique allemande n’avait pas encore fait l’objet d’une vraie attention débarrassée de préjugés quand survient la Libération de la France. Si tout un réseau de relations franco-allemandes s’était développé, à partir de 1911 surtout, autour de Robert Delaunay, avec Guillaume Apollinaire, Albert Gleizes, Paul Klee, August Macke, Franz Marc ou Herwarth Walden, la méconnaissance dominait.4 Il suffit de reprendre l’un des ouvrages les plus diffusés en France après la guerre sur l’Art allemand, de Pierre du Colombier: l’expressionnisme y est présenté de façon indigente.5 Dans ce contexte, on ne s’étonnera pas de voir très longtemps la plupart des observateurs user de préjugés plus que d’outils d’analyse, défendant autant que possible la présumée suprématie retrouvée de la culture française. Piètre défense au fond à laquelle n’échappent que de rares esprits, parmi lesquels les situationnistes qui s’illustrent, en juin 1960, en accusant de ridicule et de supercherie la défense chauvine d’une École de Paris en forme de »baudruche«.6 À l’occasion de l’exposition Antagonismes au Musée des Arts décoratifs, qui se voulait pourtant audessus de tout chauvinisme (la préface de Herbert Read en témoignait), ils attaquent violemment le texte de Julien Alvard dans le catalogue, pour »la curieuse manière dont l’expressionnisme est à la fois mentionné et escamoté, transplanté tout entier dans Paris et en même temps accidentellement égaré«,7 pour »cette résolution de faire disparaître le caractère allemand et nord-européen de l’expressionnisme, et la gêne qui en découle«,8 pour sa confusion entre Nolde et Kirchner, et pour l’absence enfin de deux penseurs fondamentaux: Hegel et Kierkegaard.9
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Cinq ans plus tôt, en 1955, un critique comme Michel Ragon pouvait déjà saisir lui aussi le ridicule d’une définition par trop chauvine et raisonnable de l’École de Paris, il n’en faisait pas moins l’apologie, dès lors qu’on la débarrasserait de ses ingrédients historiquement faux, comme la mesure ou le cartésianisme qui ne s’appliquaient évidemment pas à Pascal, ni à Sade, ni à Gérard de Nerval, ni à Rimbaud, ni à Berlioz, ni à Antonin Artaud, ni aux révolutions hexagonales.10 Pour que cette position déjà critique ait quelque poids, il faudrait patienter encore pour voir enfin l’histoire de l’art reposer pleinement sur des idées moins bornées, moins chauvines, plus conscientes de ce qui s’était joué durant ce siècle hanté par les guerres nationalistes. Jean Laude, qui a fait partie de ces esprits éclairés, le formule à sa façon quand il revient sur le climat d’avant-guerre, au début des années 1980, rappelant à quel point les catégories mises en place relevaient de défenses désormais avouables. Paris, dit-il, »n’accueillit qu’avec réticence, et même hostilité, les artistes et écrivains exilés politiques qui auraient pu renouveler les problématiques et fomenter d’autres synthèses: il s’enfermera dans le splendide isolement de son image mythique – composite de bon goût et d’élégance, de rationalisme inexportable et de modération désabusée«.11 Son jugement cinglant arrivait après l’exposé de ce qui s’était passé à l’étranger et en Allemagne en matière d’art moderne et auquel »les Français ne prêtaient qu’une fort distante et distraite attention«.12 Et pour cause. Ce qui s’y passait, en grande partie au moins, ne pouvait être saisi par crainte de donner à l’Allemagne une place forte, dans un contexte encore dominé par une tension rivale entre les deux pays; par refus aussi de prendre en compte des éléments qui sortaient du cadre établi de la tradition moderne telle que l’on voulait bien se la représenter. Dans ce registre, tout ce qui relevait de la catégorie de »l’expressionnisme« prêtait presque toujours à la mauvaise foi et même les plus fins esprits s’y abîmaient en l’assimilant aux ingrédients d’une identité allemande largement fantasmée. Avant la guerre, même Henri Focillon s’était aveuglé par crainte d’une Allemagne nationaliste et reconquérante qui abusait des concepts douteux de Race et de Nord. Après la Seconde Guerre mondiale, dans un contexte largement débarrassé du spectre de l’imperium germanique, des arguments de même nature demeuraient d’actualité.
Les instruments de l’identité Nous avons tous été confrontés un jour ou l’autre aux manifestations de l’essentialisme et du nationalisme en art qui dominent les fondements mêmes de la discipline historique et jusque dans sa pratique. Il faut renvoyer à cet égard aux travaux
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pionniers de Ernst Gombrich, Henri Zerner, Éric Michaud, Jean-Claude Lebensztejn ou bien encore à ceux de Meyer Shapiro, qui, dès 1953, dans La notion de style, prévenait les historiens d’art de l’écueil qui les attendait sur la voie d’une pensée raciale ou même nationale. La critique concernait d’ailleurs autant l’histoire de l’art française qu’allemande depuis Wölfflin et Riegl, en passant par Condillac, Winckelmann, Karl Schnaase, Gobineau, Viollet-le-Duc, Guizot, Augustin Thierry, Taine ou Courajod. Comme l’écrivait Meyer Shapiro, le fait, par exemple »d’entendre répéter que l’art allemand est, par nature, tendu et irrationnel, que sa grandeur dépend de sa fidélité au caractère national, a contribué à faire accepter l’idée que ces traits étaient inscrits dans la destinée de ce peuple«.13 Jean-Claude Lebensztejn a fait le point sur la façon dont, en Allemagne même, les années de la Grande Guerre et les suivantes surtout, »marquées en art par un esprit de réaction classicisante et nationaliste«, ont »assuré l’équation expressionniste = allemand« permettant au passage de bâtir une identité qui ne devait rien à la France.14 Le premier critique à utiliser le mot »expressionnisme« en Allemagne, Paul Fechter, dans un livre publié à Munich en 1914, même s’il était conscient de son caractère conjoncturel et dans l’esprit du temps, semblait donner au courant ses fondements germaniques. Pour lui, l’expressionnisme n’avait ainsi »im Grunde genommen gar nichts Neues, sondern derselbe Trieb wie der, der in der germanischen Welt vor je wirksam gewesen ist. Es ist die alte gotische Seele, die trotz Renaissance und Naturalismus noch immer fortlebt […]. Dem uralten metaphysischen Bedürfnis der Deutschen […]«.15 En fait, un fort mouvement d’hostilité à l’art qui venait de l’étranger avait prospéré en Allemagne, bien au-delà des milieux conservateurs, ce qui montrait une fois de plus qu’aucun pays qui écrit son histoire édifiante à la même époque n’échappe au désir de fabriquer une identité imaginaire, pure et forte, sur des bases théoriques douteuses et fragiles.16 Ces combats ont partout pour corollaires ou pour cause à peine différée les mouvements d’émancipation nationale, fondés sur la lutte d’un bon peuple contre des élites internationales (italianisantes et romanistes). La spécialité de l’histoire de l’art en a gardé durablement les penchants, considérant son objet plus ou moins consciemment selon les cas, comme un instrument anthropologique pour identifier un peuple. Après la guerre, en témoigne encore dans ses écrits Bernard Dorival, conservateur du Musée d’Art moderne et Professeur à la Sorbonne, bien connu pour avoir échafaudé un vaste panorama de l’art contemporain publié en 1946, sous le titre: Les étapes de la peinture française contemporaine. Fondés sur des catégories discutables, ses textes révèlent les vieux démons et les peurs inavouables dans la
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pensée sur l’art, illustrant la tendance lourde des historiens de l’art à imaginer des catégories floues et finalement relevant de l’idéologie pure. Ils témoignent au mieux de la tentation essentialiste, particulièrement forte en histoire de l’art, qu’il faudra forcément mettre en relation avec la manie de la classification, particulièrement prisée par la spécialité et remise en cause, déjà par Ernst Gombrich dans les années 1960. Quand il publie ses Étapes de la peinture française contemporaine,17 Bernard Dorival est dans l’ensemble très respecté: Jean Cassou, conservateur progressiste du Musée d’Art moderne, en fait, en 1947, un »lucide historien d’art moderne, qui a l’esprit de classification et d’ordonnance«.18 Il est vrai que cette même année, la réouverture du Musée, sous sa direction, témoigne à sa façon de l’occultation de pans entiers de l’art moderne étranger. Et quand l’on doit rendre compte de »l’expressionnisme«, il n’est question pour Cassou que de Le Fauconnier et de La Patellière, de Gromaire et de Goerg et de quelques maîtres de l’École de Paris, comme Pascin ou Modigliani – puisque même de Soutine, le Musée n’a rien encore.19 C’est le moment où l’on évoque tout juste la possibilité d’une exposition temporaire de Paul Klee (qui aura lieu en 1948), et Bernard Dorival ajoutera qu’il est »le seul apport de peintre étranger – avec celui d’Ensor –, qui se puisse comparer à celui de nos peintres en France […]«.20 Pour Bernard Dorival, il s’agit d’opposer le plus radicalement possible le bon grain de l’ivraie. Consacrant un long développement à ce qu’il nomme »la protestation de la subjectivité«, il compare, soupèse, classifie et finalement oppose les Français aux autres. Car »L’Expressionnisme français«, dit-il, »tout en se rattachant par de nombreux côtés à l’Expressionnisme international, possède donc une figure essentiellement originale«.21 Choisissant un échantillon mièvre et dont on a souvent aujourd’hui oublié jusqu’aux noms (Gromaire mais aussi Le Fauconnier, La Patellière, Yves Alix ou Goerg), il instrumentalise le concept pour rappeler tout ce qui ferait la spécificité et finalement la supériorité de l’art français plus que de »l’art en France«. Essayant à tout prix d’écarter l’hypothèse d’une influence allemande sur l’art français, il réinvente l’idée d’une France qui contient déjà tout (y compris le Nord et y compris le Gothique), et qui n’a donc besoin de rien d’autre que d’elle-même. Il défend alors l’idée d’un art national moins anecdotique que les autres, plus ancré dans »le réel«, dans le concret, dans le »sensuel«, plus coloré aussi. Fondé sur le »primat de la plastique, le rationalisme et le volontarisme« surtout »voilà ce qui confère à l’expressionnisme français ›son accent spécifique‹«, dit-il. Car »une âme habite la terre, cette terre à laquelle les expressionnistes (français) adhèrent étroitement. Comme Le paysan Péguy ne faisait qu’un avec sa
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Beauce. Le gentilhomme La Patellière participe à l’existence de la campagne qu’il peint, celle de son pays natal […]«.22 C’est en outre, que l’art français serait, selon lui, plus transmissible à »l’âme« que celui des artistes du Nord, le seul à être vraiment »international«, universel, classique. Fruit du génie qui se méfie du lyrisme, »avant tout un génie intellectuel«, en tension permanente, enfin, de celle que l’on retrouve en littérature chez Racine. C’est de tout cela, et c’est pour tout cela que l’art français devait être distingué des autres, mais, en France même, de l’ivraie et d’une École de Paris qui n’était autre que le résultat fâcheux de l’ »afflux qui se changea en vraie cohue dans les premières années de notre siècle«.23 C’est tout cela qui fondait »la raison« de la supériorité de ses productions sur celles des peintures »étrangères ou semi-étrangères, comme celle des peintres de l’École de Paris«. Qu’on mette côte à côte un Rouault et un Soutine, propose Bernard Dorival, et l’on »s’apercevra sans peine que, si celui-là l’emporte sur celui-ci, c’est qu’à des dons analogues ou équivalents, le Français ajoute en plus, non pas la science, mais le don de s’en servir – le génie de maîtriser, de diriger, de faire fructifier ses moyens, à force de réflexion et de tension volontaire. Seule notre peinture, en conclut-il, est une peinture complète«.24 Pierre Francastel, en rivalité ouverte avec Bernard Dorival, aurait dû prendre le contre-pied de ce point de vue tant son histoire semblait l’y engager: ses positions politiques, sa rigueur et ses talents critiques lorsqu’il s’agissait de périodes plus anciennes. Lui aussi aboutit pourtant à une forme de dérive subjective et chauvine dans l’esprit du temps. En 1945, son texte L’histoire de l’art – Instrument de propagande germanique,25 rédigé il est vrai avant la fin de l’Occupation, contre l’Allemagne, donne le ton du malentendu ainsi que le suivant, Nouveau Dessin, nouvelle Peinture. L’École de Paris (publié en 1946). Même plus libéral que Bernard Dorival, même reprochant à son rival son absurde mépris pour »le cubisme hispanoslave«, il n’en use pas moins d’arguments fallacieux pour démontrer la supériorité française. S’attaquant violemment au romantisme allemand et au wagnérisme, il soutient que »notre pays a été le seul au monde à définir de son côté les formes d’un nouvel art international«, opposant systématiquement l’art français à l’art germanique, et réutilisant la vieille baudruche de l’École de Paris, qui »ne doit rien à la culture allemande« et à son »emprise morbide«.26 Comme si l’histoire n’avait servi à rien et comme si l’on rendait plus juste que jamais le concept vieillot d’une autonomie de l’art, de sa permanence, et finalement de son essence et de sa soi-disant mission d’incarnation d’un idéal social et national. Il n’est sans doute pas besoin d’énumérer tous les textes ainsi fondés sur de très douteuses certitudes, côté français comme côté allemand. À cet égard, il
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faudra se demander pourquoi les critiques et historiens allemands ont joué un rôle important en véhiculant les clichés identitaires jusque dans les revues françaises. Un simple échantillon donnera pour la France une idée des approximations de l’après-guerre, où l’expressionnisme, en bon indicateur des mentalités, n’est généralement pas considéré dans sa dimension historique (de révolte sociale et artistique) mais en vertu d’invariants identitaires.
L’expression dans l’air du temps Dès 1945, Pierre Guéguen dans Art présent se demande comme Germain Bazin, comme Bernard Dorival et comme bien d’autres, s’il existe un expressionnisme français, songeant à une sorte de »garde descendante« assurant une expression de la déformation commune à tout ou presque tout l’art moderne.27 Ce faisant, il renvoie »l’Expressionnisme« à son »sens germanique d’explosion éloquente, voire caricaturale, une réincarnation du baroque, l’exutoire d’un certain génie barbare«,28 laissant aux artistes de l’École de Paris l’occasion d’être au mieux surpris »en délit d’Expressionnisme malgré eux«.29 L’expression ne recouvre pas seulement pour lui une forme de repoussoir pour la scène française supposée résister à ses excès. Si l’on doit trouver de l’expressionnisme en cette terre de modération, il devra trouver des assistants à sa mesure. Ainsi, quand le critique Marcel Zahar relie l’expressionnisme au grotesque (au bon sens du terme), après avoir cité de grandes figures comme Kokoschka, Klee, Beckmann ou Grosz, c’est pour en conclure que Rouault, »de notre temps«, est »le plus grand peintre des stylisations pathétiques, et aussi Gromaire, qui introduit dans ce genre des vertus de noblesse, de gravité et de sombre lyrisme«.30 Qu’est-ce qui les sépare des Allemands? Tout ce qui séparait au fond le fauvisme, forcément français et mesuré, de l’expressionnisme allemand. Dès lors, se souvient-on même que le terme d’expressionniste a pu, sinon naître en France, du moins la concerner au premier chef. Donald E. Gordon s’est attaché, en 1966, à rappeler la complexité de son usage.31 Dès 1901, le peintre amateur Julien-Auguste Hervé expose neuf tableaux qu’il considère comme »expressionnistes«. Au-delà de ce qui peut être pris comme une plaisanterie sans lendemain, selon le poète et critique Theodor Däubler,32 le terme aurait sans doute été employé dans un premier temps à Paris par Matisse, puis popularisé par le critique Louis Vauxcelles, avant de passer à Berlin dans les milieux de Der Sturm, à propos des peintres français de la Sécession de Berlin en 1911. Plus sûrement, le mot est employé en 1910 à Prague, où le jeune historien d’art Antonin Matejcek, publie un livre sur les »Indépendants français« (Cézanne, Gauguin, Van Gogh, Bon-
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nard, Redon, Girieud, Matisse, Braque et quelques autres fauves), qu’il oppose aux Impressionnistes, tandis que la même année, un article anonyme dans le journal anglais Times, imagine le terme pour désigner des peintres français exposés à Brighton: Cézanne, Gauguin, Friesz, Denis, Cross, Signac, Derain et Matisse. L’année suivante, en 1911, la Sécession de Berlin expose à part des jeunes Français, »les expressionnistes«, en fait des fauves et des cubistes dont Picasso, Derain, Braque, Marquet, Vlaminck, Friesz, Van Dongen, Puy et Manguin. Wilhelm Worringer la même année, réunit les artistes allemands aux »jungpariser Synthetisten und Expressionisten«,33 alors que Walter Heymann et Paul Ferdinand associent dans le même ordre d’idées aux »expressionnistes« français des peintres allemands comme Pechstein, Melzer, Nolde ou Rohlfs.34 Rien de tout cela n’est vraiment reconnu après la Seconde Guerre mondiale en France où l’on préférait demeurer sur des positions a-historiques. Dans ce contexte, certes, une forme de soulagement accompagne sans doute les premiers échanges »libres« entre les deux pays, la critique se félicitant régulièrement de la présentation de l’art français en Allemagne et de l’art allemand en France. Sans aucun doute, surtout à partir des années 1950, s’efface peu à peu le ressentiment, tandis que la rentrée de l’art allemand dans le circuit de l’art européen est plus d’une fois saluée comme un bien. Les outils de compréhension n’en demeurent pas moins approximatifs, même si l’on commence à rappeler les aventures communes du fauvisme et de l’expressionnisme dans les années du début du siècle et même si la presse française insiste plus d’une fois sur l’influence des Français en Allemagne, en particulier autour de Munich.35 En 1948, quand Raymond Cogniat et Pierre Descargues signent un texte sur la Biennale de Venise, c’est pour se féliciter que l’on ait bien étudié en France »l’âme allemande pendant ses dernières années«.36 Sans négliger les courants de l’expressionnisme, ils n’en commencent pas moins leur texte par des généralités d’un autre temps: »On voyait l’art tellement réduit dans ses moyens qu’on le croyait bon pour tous les peuples. Mais la race demeure […]. Ce domaine secret, ce temenos sacré qui est en l’homme et qui ne se défait pas sous l’effet des gestes répétés toujours les mêmes, à travers les frontières.« 37 C’est aussi le sens de ce que l’on peut voir en 1949, dans un numéro consacré à l’Allemagne, de L’Âge nouveau, où Leopold Zahn, rédacteur en chef de la revue Das Kunstwerk, différencie le fauvisme qui ne renonce pas à l’alliage entre les »barbarismes« et le »standard traditionnel de la peinture française« ou bien encore l’expressionnisme qui opère un renversement radical,38 tandis que »le sens de la tradition et de la continuité est faiblement développé chez les Allemands: ils sont
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le peuple des commencements, des volte-faces et des effondrements. Ils prennent volontiers la route qui mène chez ›les pères‹, constamment le désir de ›l’originel‹ les subjugue, la ›ratio‹ est pour eux une entrave. Le grand tournant menant au prérationnel et à l’irrationnel, à l’élémentaire et au barbare répondait à leurs instincts les plus profonds«.39 Un an plus tard, Roger Van Gindertaël, dans Art d’aujourd’hui, essayant d’expliquer pourquoi l’expressionnisme était le mouvement d’avant-garde le moins connu, s’en prend à sa nature même, à la fois imprécise et liée à sa terre d’élection romantique allemande, fondée sur le moi créateur libéré. Sa version française, dans le »climat régulateur de Paris«, universel par nature, ne peut être retenue selon lui qu’en vertu de »valeurs d’expression très générales dont on constate la manifestation permanente dans les origines de l’art occidental, depuis les taureaux de Lascault jusqu’au cheval de Guernica«.40 »Les traces d’une ›mentalité expressionniste‹ dans l’art français sont exceptionnelles et très individuelles«, ajoute Roger Van Gindertaël, renvoyant »la déformation délirante« d’un Soutine à »l’apport étranger à l’école de Paris«.41 Ces différences sont déjà annoncées par Franz Roh, en 1951, quand il donne Paris vainqueur, au nom d’un bel équilibre de formes et de proportions, fondé sur une maturité dont l’Allemagne aurait été privée, prisant dès le gothique un »›infini‹ qui jaillit intensément hors de son cadre«.42 Que l’on observe sa langue et les conditions de l’unification tardive du pays ajoutée à toutes sortes de tensions intérieures entre les contraires: propriétaire et paysans, capitalisme et socialisme, Église et libre-pensée ou amour du travail et »sentimentalité musicale«.43 Cette relation avec l’histoire générale de l’Allemagne se retrouve autrement formulée en 1952, quand la Biennale de Venise se consacre à »l’expressionnisme«. Robert Vrinat qui bute alors sur une définition, veut bien voir de l’expression partout et de la déformation ou de l’exagération mais il faudrait les examiner à l’aune de la situation de l’art moderne, tant matérielle que spirituelle, »dans la situation de l’homme moderne tout entier plongé dans l’inquiétude et le déséquilibre?« 44 Il n’empêche, avance-t-il comme bien d’autres, bien que chacun à sa façon: »mais cette ›manière de dire‹ n’est-elle pas plus ancienne? Ne correspond-elle pas à certaines races, à certains milieux géographiques et sociaux, à certaines conceptions de la culture? L’expressionnisme au sens strict est né de l’esprit germanique, s’est localisé en Europe centrale, et s’il a gagné les pays nordiques c’est déjà avec quelque adultération, pour devenir tout autre dans la Flandre et les PaysBas, en Grande-Bretagne.«45 En d’autres termes, il y aurait bien »deux atmosphères différentes: les pays où l’art est très volontiers expressionniste, et les autres.
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Et ces autres seraient les méditerranéens, et plus précisément ceux de culture latine«.46 Bernard Dorival aurait pu signer ce constat, affairé la même année à préfacer une petite exposition au Musée de Rennes sur le fauvisme, non seulement présenté comme »une nécessité«, mais comme le »double pilier du grandiose arc de triomphe où s’engouffreront la plupart des artistes qui compteront depuis dans l’art français«.47 S’il n’est pas une seule fois question du fauvisme en Allemagne ni d’un expressionnisme, largement partagé en Europe, c’est sans doute que Bernard Dorival répond encore à l’ouvrage érudit de Doris Wild: Moderne Malerei: ihre Entwicklung seit dem Impressionismus (1950), à qui il avait reproché d’avoir donné une part égale à la peinture française et à celle des »pays germaniques«.48 C’est une fois encore faire reculer l’histoire au profit de l’intérêt national. C’est renoncer à l’histoire des mots eux-mêmes dont le cours s’était comme effacé. Plus lucide (bien qu’au même moment), le critique d’art d’origine belge, Léon Degand, rappelle que l’art de Die Brücke est l’équivalent du fauvisme en France: »une révolution de la couleur, sous l’effet des mêmes causes qu’en France, mais se doublant d’un ›dramatisme‹ singulier qui donna naissance à un Expressionnisme«,49 ce qu’il appelle aussi un »fauvisme allemand«.50 Il s’oppose donc au chauvinisme de Bernard Dorival qui instrumentalise les artistes étrangers au profit cependant d’une supposée suprématie de l’École de Paris, contestant ses catégories et rappelant à bon escient combien Paris n’avait pas été la seule capitale à voir naître des œuvres importantes, en particulier en matière d’abstraction.51 Dans le même ordre d’idées, Ludwig Grote, en 1953, vise l’idée selon laquelle seul l’excès avait pu intéresser les artistes allemands, ce qui interdirait même de voir que, côté français, le fauvisme les avait moins retenu que le cubisme, en particulier le cubisme orphique de Delaunay –, ainsi pour Franz Marc, August Macke ou Paul Klee.52 Comme le montrera Jean-Claude Lebensztejn, un peu moins d’une vingtaine d’années plus tard, il suffit de bien regarder la production des fauves et celle de Die Brücke en Allemagne, dans les années 1905–1911, pour voir avant tout qu’ils ne sont pas si distincts que l’on a bien voulu le dire et qu’ils ont bien en commun la couleur, les déformations, l’expression (et peu importe qu’elle soit gaie ou triste), une forme de violence et le goût de l’instinct et des origines.53 Dans les années 1950, l’impératif national est trop pesant pour le reconnaître et en 1954 encore, Jean Leymarie, conservateur au Musée d’Art moderne, oppose, dans un dictionnaire, le fauvisme français à l’expressionnisme du Nord. Selon lui, »l’Expressionnisme désigne au contraire une tendance permanente de l’art, carac-
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téristique des pays nordiques, qui s’accentue aux périodes de crise sociale et de désarroi spirituel. […] L’Expressionnisme constitue la phase actuelle du romantisme, sur un mode tragique lié à l’angoisse de notre temps, à la résurgence de l’esprit slave et nordique«.54
La guillotine du passé À bien des égards, le passé pèse sur le présent et les préjugés rebondissent sur la scène contemporaine.55 Si l’on est prêt à considérer Hartung ou Wols, les artistes allemands moins connus sont volontiers affublés des traits identitaires généralement admis. Ainsi, quand Frank Elgar présente la situation en 1955, c’est dans un premier temps pour affirmer que »le nouvel art allemand n’est pas, en vérité, allemand. […] Néanmoins, dans les lignes (quand il y en a), dans les couleurs (quand il y en a), on voit s’attarder un vieil expressionnisme, un romantisme incurable, une tristesse sans remède. La joie de vivre, la saveur de matière, le sensuel émoi semblent à peu près inconnus des artistes qui sont maintenant nos hôtes, ainsi que le goût de la construction, les qualités classiques de mesure, de sérénité, de logique«.56 Le critique allemand Will Grohmann est plus fin. Grand défenseur de Hans Hartung, il s’attache aux identités nationales, aux »traits ethniques ou nationaux«,57 condamnant à son tour en 1956 la France à son orgueil et rappelant l’importance de Delaunay (que Klee et les autres tenaient en grande estime). Il assure la nation amie de sa suprématie et de son empire sur l’art allemand, à l’exception des peintres de Die Brücke. Depuis quelques années déjà, Will Grohmann avait retracé à sa façon, l’histoire de l’expressionnisme allemand (qui avait évolué avec le temps), sa filiation avec Van Gogh, Hodler et Munch, relevant le passage en commun avec les »Fauves« par »le désir de l’expression« du sentiment et de l’idée,58 voyant côté allemand une rapidité qui voulait rompre avec toute »entrave à l’instinct« en refusant tout rationalisme.59 Il mettait du côté de la différence encore »la part faite au drame humain«, plus noire côté allemand, plus primitive, plus révoltée socialement, l’expressionnisme ayant témoigné »spirituellement du désarroi allemand«.60 Restent les affinités moins entre Matisse et les peintres de Dresde qu’entre ces derniers et Vlaminck ou Derain, ou entre Picasso et Kirchner.61 Selon lui, »au contraire du Fauvisme et du Cubisme, le Cavalier Bleu proclame un Évangile selon lequel l’art est porteur d’un message sur les fins dernières de l’homme. Ce nouveau langage est l’œuvre d’un Kandinsky. Marc, Macke et Jawlensky demeureraient des figures isolées, de haute valeur certes, mais qui n’avaient pas la puissance nécessaire pour créer le style de l’avenir«.62
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Armée d’observateurs avec le temps de plus en plus attentifs, l’époque devait commencer à pouvoir digérer l’expressionnisme et, de fait, la revue Preuves en octobre 1956, publie une enquête assez large sur les »tendances de la jeune peinture« qui montre combien l’excès était aussi à l’ordre du jour, »les théories de Jung, et toute la pensée mythique moderne, l’interprétation sociologique des arts primitifs comme la fascination exercée sur les artistes contemporains par la sculpture nègre, les fresques de la préhistoire, la calligraphie chinoise et tous les arts magiques ont pris totalement possession de la conscience artistique des jeunes peintres«.63 Il n’empêche, la tolérance est relative, ce qui inquiète sans doute le critique Michel Tapié qui, pour défendre sa nouvelle catégorie de »l’art informel«, évite le spectre de l’expressionnisme en notant que »l’immédiat après guerre de 44 a révélé avec la plus déconcertante violence, en tout cas au début, quelques authentiques individus au message desquels aucun public n’était apparemment préparé et sur lesquels, heureusement pour eux d’ailleurs, aucune étiquette commune n’était possible: Dubuffet, Fautrier, Wols, Hartung, Tobey, Pollock, Mathieu, Soulages, De Kooning, Ubac, Henri Michaux […]«.64 L’incompréhension des courants »expressionnistes« de l’art européen ouvre en fait sur d’autres aveuglements après la guerre, au sujet d’ artistes qui ne répondront pas ou mal aux critères engagés par la fantasmatique identitaire, bâtie autour de l’idée de raison, de pondération, de courage maîtrisé, de beau métier, de rassemblement unique au monde de qualités – au besoin contradictoires –, d’où la fameuse existence d’une »tension« française, doublée d’un complexe de supériorité qui redevient flagrant dans les bagarres d’antériorité. Ainsi, en 1957, quand le critique Waldemar George plaide pour la primeur française, à partir de la première version de la Fenêtre de Robert Delaunay (1910), contre l’impulsion supposée du Blaue Reiter.65 Vieille idée développée plus sobrement par Henri Focillon, pour montrer que »les influences françaises furent une force libérale« en Allemagne, en agissant contre l’art officiel.66 Au moins voyait-il apparaître des maladies d’imaginaires chez les historiens d’art, même s’il les repérait plus volontiers chez les autres, les Allemands en fait, quand il parlait de »la névrose de la grandeur« qui était »moins un trait de l’histoire de la peinture qu’un aspect de l’histoire de la civilisation«.67 Deux ans plus tard, Bernard Dorival emboîte le pas à Waldemar George et, finalement obligé d’accepter l’expressionnisme allemand, essaie d’en faire un suiveur de l’art français – stratégie qu’il avait déjà mise en œuvre par le passé. En 1959, quand il essaye de faire de Picabia, le premier artiste abstrait, avec son
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aquarelle Caoutchouc (1909), précédant la première aquarelle non-figurative de Kandinsky (alors encore datée de 1910), à Munich, il est pour lui »indispensable que la présence de cette aquarelle sur les cimaises du Musée national d’Art moderne constituât la preuve péremptoire de la priorité de la France dans ce domaine, comme dans tous les autres mouvements de la peinture contemporaine«.68 Après avoir présenté la même année les dernières acquisitions du Musée national d’Art moderne, Bernard Dorival désigne encore »›l’expressionnisme viennois‹ – cette forme d’expressionnisme issus de Kokoschka et d’Egon Schiele, fait de nervosité, de morbidesse et d’une distinction pour ainsi dire faisandée, plus raffiné que l’expressionnisme allemand et demandant bien davantage ses effets à un graphisme tout à la fois mordant et léger, caricatural et élégant, d’un frémissement continu et d’une vibration douloureuse«.69 Plus de trente ans après la guerre, il insiste sur l’importance du climat parisien (la lumière parisienne, l’atmosphère de liberté), sur l’art d’un Kandinsky,70 qui passe ainsi grâce à lui »de l’art étranger à celui de l’École de Paris«.71 André Chastel enfin a rendu compte dans ces années 1950 dans Le Monde, des avancées de l’histoire de l’art européenne, prenant en compte la dimension internationale du fauvisme et de l’expressionnisme,72 dont il lui arrivait de parler dans sa rubrique.73 Plus de trente ans après la guerre, au cours d’un Congrès international d’histoire de l’art, il n’en véhicule pas moins lui aussi un concept que l’on croyait éculé et qui vise à opposer nettement le Nord au Sud,74 selon une polarité unique et explicative. Il justifiait tout simplement l’opposition entre un Nord réputé industrieux et un Midi ingénieux, inventif, opposant un Nord de l’anonymat à un Sud de l’originalité.75 C’est dire que l’imaginaire de l’art français était durablement ancré dans les vieux poncifs, l’œuvre réactivant le conflit intérieur entre le Nord et le Sud, le gaulois et le latin, entre l’identité voire l’essentialisme national et la revendication d’un fondement universaliste par nature au-delà des nations. Cette double tension, cette schizophrénie, disons-le, donnera en France les résultats les plus inégaux et à bien des égards l’impasse dans laquelle se retrouvent la plupart des historiens de l’art et des critiques, après la Seconde Guerre mondiale. L’occultation des nouvelles règles du jeu internationales en découle. De même, l’art qu’ils auraient pu défendre alors ne relève plus de leurs vieilles catégories mais d’une humanité bouleversée, fruit des déplacements, des exils géographiques et intérieurs auxquels aucune grille ancienne de lecture ne donne plus sens. La France a changé, une fois encore, réclamant des remises en cause auxquelles les bouleversements de la fin des années 1960 et l’internationalisation ne seront évidemment pas étrangères.
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Je remercie Isabelle Ewig et Aymone Nicolas pour leur aide, précieuse. Julien Alvard: Enquête auprès des jeunes artistes, in: Art d’aujourd’hui 10–11/1950, pp. 19–22, p. 22. Voir Jacques Lassaigne: Paul Klee à Londres, in: Panorama des Arts 1946, Jacques Lassaigne, Raymond Cogniat et Marcel Zahar (éds.), Paris 1947, pp. 24–26. Voir Jean Cassou: L’ouverture du Musée d’Art moderne, in: Bulletin des Musées de France 6/1947, pp. 10–13. Sur ce sujet, on se référera, entre autres, aux travaux récents du Centre allemand d’Histoire de l’Art: Prenez garde à la peinture! Kunstkritik in Frankreich 1900–1945, Uwe Fleckner et Thomas G. Gaehtgens (éds.), Berlin 1999 (Passagen / Passages, vol. 1); Distanz und Aneignung. Relations artistiques entre la France et l’Allemagne 1870–1945. Kunstbeziehungen zwischen Deutschland und Frankreich 1870–1945, Alexandre Kostka et Françoise Lucbert (éds), Berlin 2004 (Passagen / Passages, vol. 8). Voir Pierre du Colombier: L’Art allemand, Paris 1946. Voir Anonyme: [L’exposition Antagonisme], in: Internationale Situationniste 4/1960, p. 14– 15. Ibid., p. 15. Ibid. Dix ans avant, Julien Alvard défendait, à travers l’œuvre de Feininger présentée à la galerie Jeanne Bucher, une version de l’expressionnisme peu orthodoxe, qui tendait vers la sobriété, la froideur et le dépouillement. Voir Julien Alvard: Feininger (Galerie Jeanne Bucher), in: Art d’aujourd’hui 10–11/1950, p. 44. Voir Michel Ragon: L’école de Paris se porte bien, in: Cimaise 2/1955, p. 17. Jean Laude: Introduction au climat d’avantgarde, in: Cahiers du Musée national d’Art moderne 9/1982, pp. 8–29, p. 17. Ibid. Meyer Shapiro: Style, in: Anthropology Today, Alfred Kroeber (éd.), Chicago 1953, cité d’après la traduction de Daniel Arasse: La notion de style, in: Style, artiste et société, Paris 1982, pp. 35–85, p. 73. Jean-Claude Lebensztejn: Douane-Zoll, in: Figures du moderne. L’Expressionnisme en Allemagne. Dresde, Munich, Berlin. 1905–1914, cat. exp., Musée d’Art moderne de la Ville de Paris, Paris 1992, pp. 50–56, p. 51.
15 Paul Fechter: Der Expressionismus, Munich 1914, rééd. 1919, p. 33. 16 Voir sur ce point Lionel Richard: Anatomie d’une époque, in: Figures du moderne 1992, pp. 17–28, p. 21. 17 Voir Bernard Dorival: Les Étapes de la peinture française contemporaine, 1883–1944. Tome troisième. Depuis le cubisme. 1911–1944, Paris 1946. 18 Jean Cassou: L’ouverture du Musée d’Art Moderne, in: Bulletin des Musées de France 6/1947, pp. 10–13, p. 10. 19 Ibid. 20 Bernard Dorival: L’exposition Paul Klee, in: Musées de France, mars 1948, pp. 38–41, p. 41. 21 Dorival 1946, p. 175. 22 Ibid., p. 150. 23 Ibid., p. 187. 24 Ibid., p. 325. 25 Voir Pierre Francastel: L’histoire de l’art – Instrument de propagande germanique, Paris 1946. 26 Pierre Francastel: Nouveau Dessin, nouvelle Peinture. L’École de Paris, Paris 1946, p. 12. 27 Pierre Guéguen: Existe-t-il un expressionnisme dans la sculpture contemporaine?, in: Art présent 1/1945, pp. 55–59, p. 55. 28 Ibid. 29 Ibid. 30 Marcel Zahar: Qu’est-ce que l’expressionnisme?, in: Panorama des Arts 1946, pp. 21–23, p. 23. 31 Voir Donald E. Gordon: On the Origin of the Word »Expressionism«, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 29/1966, p. 368– 385; id.: Expressionism: Art and Idea, New Haven 1987. Pour une version plus critique du mot, voir aussi: Lebensztejn 1992. 32 Voir Theodor Däubler: Im Kampf um die moderne Kunst, Berlin 1919. 33 Wilhelm Worringer: Zur Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst, in: Im Kampf um die Kunst: Die Antwort auf den »Protest deutscher Künstler«, Munich 1911, cité d’après Der Sturm 75/1911, pp. 597–598, p. 597. 34 Voir Walter Heymann: Berliner Sezession 1911, in: Der Sturm 68/1911, p. 543. 35 Voir pour exemple le texte de Ludwig Grote: Du Blaue Reiter au Bauhaus, in: Documents, n° spécial L’art contemporain en Allemagne, 1951, pp. 27–37. 36 Raymond Cogniat et Pierre Descargues: La Biennale de Venise (III). Les participations étrangères, in: Arts, 6 août 1948, p. 8.
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37 Ibid. 38 Leopold Zahn: Analyse spectrale de l’art moderne en Allemagne, in: L’Âge nouveau 38/1949, pp. 34–61, p. 40. 39 Ibid. 40 Roger Van Gindertaël: L’Expressionnisme, in: Art d’aujourd’hui 7–8/1950, pp. 5–7, p. 7. 41 Ibid. 42 Franz Roh: L’art allemand au vingtième siècle, in: Documents, n° spécial L’art contemporain en Allemagne, 1951, pp. 7–11, p. 8. 43 Ibid. 44 Robert Vrinat: La XXVIe Biennale d’Art. L’aventure plastique dans l’expressionnisme, in: L’Âge Nouveau 78/1952, pp. 52–58, p. 53. 45 Ibid. 46 Ibid. 47 Bernard Dorival: Éminence du fauvisme, in: Le Fauvisme, cat. exp., Musée de Rennes, Rennes 1952, pp. 9–13, p. 13. 48 Bernard Dorival: Chronique de l’art ancien et moderne. Le XXe siècle, in: La Revue des arts 4/1952, pp. 252–255, p. 255. 49 Léon Degand: La XXVIe Biennale de Venise, in: Art d’aujourd’hui 6/1952, pp. 15–17, p. 15. 50 Ibid. 51 Voir Léon Degand: Pour une révision des valeurs. Histoire, géographie et fantaisie, in: Aujourd’hui 6/1956, p. 23. 52 Voir à cet égard Ludwig Grote: Quelques points d’histoire: Le Blaue Reiter et le Bauhaus, in: Art d’aujourd’hui 6/1953, pp. 1–7. 53 Voir Jean-Claude Lebensztejn, Sol (I), in: Scolies. Cahiers de recherche de l’École normale supérieure 1/1971, pp. 95–122; Sol (II), in: Scolies 2/1972, pp. 89–104. 54 Jean Leymarie: Expressionnisme, in: Le Dictionnaire de la peinture moderne, Paris 1954, pp. 118–120, p. 118. 55 Roland Recht a tenté l’expérience à partir des cas des quatre historiens de l’art: Alois Riegl, Wölfflin, Aby Warburg et Erwin Panofsky, in: L’écriture de l’histoire de l’art devant les modernes (remarque à partir de Riegl, Wölfflin, Warburg et Panofsky), in: Les Cahiers du Musée national d’Art moderne 48/1994, pp. 5–23. 56 Frank Elgar: Tel est l’art moderne allemand, in: Carrefour des arts, 13 avril 1955, p. 8. 57 Will Grohmann: Le critique d’art Will Grohmann nous dit ce qu’il pense de l’exposition du Musée
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d’Art Moderne de Paris à Berlin, in: Prisme des arts 6/1956, p. 40. Will Grohmann: Évolution et rayonnement de l’Expressionnisme, in: XXe siècle 4/1954, pp. 19–24, p. 21. Ibid. Will Grohmann: Du non-figuratif au figuratif. Willy Baumeister, Jean Bazaine, Paul Braig, in: L’Âge nouveau 44/1949, n. p. Voir Grohmann 1954. Will Grohmann: Le Cavalier Bleu, in: L’Œil 9/1955, pp. 4–13, p. 13. K. A. J. et A. J.: Une grande enquête: tendances de la jeune peinture. Cinquante réponses – cinquante reproductions, in: Preuves 68/1956, pp. 30–69, p. 32. Michel Tapié: Messages sans étiquette, in: XXe siècle 5/1955, pp. 17–24, pp. 17–18. Voir Waldemar George s’en prenant à un article de Match, parlant de la naissance de l’abstraction à Munich avec le Blaue Reiter, dans Au Musée National d’Art Moderne Robert Delaunay ou le nouvel Orphée, in: Prisme des arts 13/1957, p. 28. Voir Henri Focillon: La peinture aux XIXe et XXe siècles. Du Réalisme à nos jours, Paris 1928. Ibid., p. 380. Ibid., p. 227. Bernard Dorival: La vie des Musées. Nouvelles acquisitions. Musée National d’Art Moderne, in: La Revue des arts 3/1959, pp. 217–229, p. 218. Ibid., p. 219. Ibid., p. 220. Voir André Chastel: L’histoire de l’art contemporain, in: Le Monde, 6 juillet 1950, p. 7. Voir en particulier son compte-rendu d’un ouvrage sur l’Autrichien Kokoschka qui »demeure peu connu et mal apprécié en France«, dans Lectures artistiques. Aspects du romantisme moderne, in: Le Monde, 23 août 1950, p. 7. André Chastel: L’art du monde. Le problème des universaux, in: World Art. Themes of Unity in Diversity, Irving Lavin (éd.), Universiy Park et Londre 1989, vol. 1, pp. 15–18 (Les relations asymétriques: Nord/Sud). Voir Éric Michaud: Nord-Sud (Du nationalisme et du racisme en histoire de l’art. Une anthologie), in: Critique 586/1996, pp. 163–187.
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Der Drang zum Wesen, der Zwang zur Freiheit Zur Kubismusrezeption in Deutschland zwischen 1945 und 1960
Nicolaj van der Meulen
Formzertrümmerung »Der gewaltigste Ausdruck der Formzertrümmerung ist der Weltkrieg«. Mit diesem Satz faßte 1919 der Kunstschriftsteller Otto Grautoff einen Prozeß der Formauflösung zusammen, deren kunstgeschichtlichen Höhepunkt er im Expressionismus und Futurismus erreicht sah. Während er den Expressionismus als einen »Zerstörungsprozess« charakterisierte und die Werke der Futuristen ihm als ein »großes Trümmerfeld« erschienen, gestand Grautoff dem Kubismus eine Sonderrolle zu. Diese bestünde in einem – wenn auch gänzlich mißlungenen – »Versuch zum Aufbau einer neuen Kunst«, in einer Synthese aus »Formzertrümmerung« und »Formaufbau«. Grautoff schloss damit den Kubismus von einer Generalkritik aus, die er an den übrigen Avantgardebewegungen übte, nämlich künstlerische »Bruchstücke« der Trümmerfelder des vergangenen Krieges zu sein.1 Nach 1945 sollte sich die Sonderrolle, die Grautoff dem Kubismus zugestanden hatte, für viele deutsche Kritiker ins Gegenteil verkehren. Die Erschütterungen des Krieges und das Ende, das die nationalsozialistische Kunstideologie der Diskussion um die Moderne gesetzt hatte, waren Ursachen einer weltanschaulichen und ästhetischen Orientierungssuche. Die Gegner, aber auch einige Verfechter der Moderne, sahen nun im Kubismus ein nihilistisches Zeitalter angekündigt. Wie bei keiner anderen Richtung unter den Vorkriegsavantgarden glaubte man, in kubistischen Bildern die unmittelbaren Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs wiederzuerkennen. Zugleich rückte der Kubismus ins Zentrum einer heftigen Debatte um die Bedeutung der Avantgarden des frühen 20. Jahrhunderts für die Gegenwart, da er
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als Inbegriff der Moderne verstanden wurde. Entlang der Diskussion um seinen Einfluß stellte sich die Frage nach den ästhetischen Maßstäben einer zukünftigen Malerei. Sie entzündete sich an Hans Sedlmayrs Buch Verlust der Mitte (1948) und gipfelte im ersten Darmstädter Gespräch von 1950. Bezüglich der ersten Nachkriegsjahre scheint es kaum übertrieben, von einer Renaissance des Kubismus zu sprechen, die für einige Jahre fast vergessen ließ, daß seine eigentliche Geburt bereits vierzig Jahre zurücklag. Das Spannungsfeld, in das der Kubismus geriet – vergangen und doch nicht historisch zu sein –, veranschaulichte Ernst Petrasch, als er sich in einem 1949 erschienenen Artikel über Picasso fragte, weshalb »der Kubismus – obschon längst ›historisch‹ – immer noch auf Unverständnis« stoße.2 Die Entwicklung und Themen der ebenso leidenschaftlich wie kontrovers geführten Debatte, zu deren Wortführern unter anderen Wilhelm Hausenstein, Daniel-Henry Kahnweiler, Werner Haftmann, Leopold Zahn und Willi Baumeister gehörten, verdeutlichen, daß es sich nicht um ein intellektuelles Unverständnis handelte, das man dem Kubismus entgegenbrachte. Zu den Merkmalen der Debatte gehörte, daß sie den Kubismus zunächst keineswegs als wissenschaftlichen oder historischen Gegenstand verhandelte. Schlagworte wie »Chaos«, »Deformation«, »Verlust« und »Nihilismus« deuten an, daß sich Tenor und Prämissen der Kubismusdiskussion nach 1945 entscheidend verlagert hatten: An die Stelle einer kunstwissenschaftlichen Forschung, wie sie in den zwanziger Jahren von Kahnweiler, Carl Einstein und Max Raphael betrieben worden war, trat eine vehemente Auseinandersetzung um die Weltanschauung und das Menschenbild im Kubismus. Erst Mitte der fünfziger Jahre, nachdem Kunsthistoriker wie Haftmann, aber auch Will Grohmann den Faden einer wissenschaftlichen Erforschung des Kubismus wiederaufnahmen, rückte die Frage nach dem Menschenbild wieder in den Hintergrund. Der vorliegende Beitrag möchte einem bisher unerledigtem Thema der Kubismusforschung nachgehen: Der Rezeption des Kubismus nach 1945 durch die deutsche Kunstgeschichte und -kritik. Unsere Disziplin hat wiederholt, meist im Zusammenhang mit Picasso und Kahnweiler, nach den Gründen für das spezielle deutsche Interesse am Kubismus vor und nach dem Ersten Weltkrieg gefragt.3 So hat unlängst Pierre Daix darauf hingewiesen, daß der Kubismus nach 1912, aufgrund der wachsenden Bedeutung Kahnweilers und dessen Beziehungen zu Kunsthändlern wie Heinrich Thannhauser und Alfred Flechtheim, in Deutschland weitaus intensiver rezipiert wurde als in seiner Heimat, der französischen Hauptstadt, wo er zunächst kaum wahrgenommen worden sei.4 Dies und der Umstand, daß deutschsprachige Kunsthistoriker und Kritiker sich schon früh mit dem Kubismus ausein-
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andersetzten, brachte ihm in Frankreich den Ruf einer ungeliebten, weil mit Deutschland verbundenen Kunstrichtung ein. Obgleich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland erneut eine rege Diskussion um den Kubismus einsetzte, ist diese bisher kaum untersucht. Es soll daher im folgenden darum gehen, die historischen Voraussetzungen und Ursachen für den skizzierten doppelten Beurteilungswandel zu benennen, den der Kubismus nach 1945 in Deutschland erfuhr. Weshalb hatte er nach 1945 nichts von seiner Aktualität eingebüßt? Stand seine Wahrnehmung in Kontinuität zu dem, wie er nach 1918 und in den zwanziger Jahren beurteilt worden war, oder führte das Ende, welches die nationalsozialistische Kunstpolitik den europäischen Avantgarden und ihren Kritikern gesetzt hatte, nach 1945 zu einer theoretischen und historischen Neuorientierung? Bei der Beantwortung dieser Fragen wird die Diskussion um das »Menschenbild«, das man mit dem Kubismus verband, im Mittelpunkt stehen.
Kubismus und Krieg Anders als Fernand Léger, der den Ersten Weltkrieg geradezu euphorisch als eine »Abstraktion in Reinform, reiner sogar als die kubistische Malerei« begrüßt hatte, anders auch als Filippo Tommaso Marinetti, der 1909 in seinem Manifeste del futurismo den Krieg als »einzige Hygiene der Welt« verherrlichte, hielten sich Picasso und Braque mit emphatischen Äußerungen dieser Art zurück.5 Im Unterschied zu Léger war ihr kubistisches Bildkonzept bereits vor Kriegsausbruch formuliert.6 Daß nach 1945 aber gerade ihre Werke mit den Zerstörungen der beiden Weltkriege in Verbindung gebracht wurden, wirft die Frage nach den Gründen dieser veränderten Wahrnehmung auf. Handelte sich um eine ästhetisch-formale oder um eine existentialistisch-mentalitätsgeschichtliche Deutung des Kubismus? In einem 1946 für die Zeitschrift Das Kunstwerk verfaßten Artikel über Picasso erinnerten den Lyriker und Essayisten Kurt Leonhard die kubistischen Gegenstandsfragmente – »übereinandergeschichtet, sich kreuzend, sich überschneidend« – an ein »Schlachtfeld«. Er rechtfertigte den besonderen Wert jener »ästhetischen Schlachtfelder« mit dem Argument, daß in ihnen die »Trümmerfelder der Weltkriege prophetisch geweissagt« seien und in den Werken des analytischen Kubismus der »Zusammenbruch der Welt« seinen »symbolischen Ausdruck« gefunden habe.7 Einem ähnlichen Verständnis folgte später Theodor W. Adorno, der in seiner Ästhetischen Theorie konstatierte: »Geschichtlich antizipiert der Kubismus ein Reales, die Flugzeugaufnahmen zerbombter Städte aus dem Zweiten Weltkrieg.«8 Offenbar forderte die zwischen Abstraktion und Figuration schwankende kubistische Bildauffassung eine Deutung des Kubismus vor dem Hintergrund des Krieges
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geradezu heraus. Der Kubismus erschien als Inbegriff einer die Wirklichkeit verneinenden Bildauffassung. Weniger auf das Wa s , als auf das W i e der Darstellung richtete sich die Aufmerksamkeit. Von ihr wurde auf ein künstlerisches Verfahren geschlossen, das Leonhard als »Durchschneidung«, »Zerstückung«, ja als einen »Vernichtungsrausch« des Künstlers Picasso bezeichnete. Doch nicht nur er stellte den Kubismus in den Kontext des Nihilismus Friedrich Nietzsches9, auch andere sahen, etwa in der Arbeitsweise von Braque, einen »fast mystischen Vorgang der Zernichtung« 10. Die hier zitierten Stimmen zeichnet alle eine durchaus bejahende Grundhaltung zum Kubismus aus. Der Umstand, daß auch Wilhelm Hausenstein den Kubismus nach dem Zweiten Weltkrieg mit der »Epoche der Atombombe« in Verbindung brachte, zeigt indes, daß die Kriegsassoziationen vor kubistischen Bildern nicht von einer negativen oder positiven Einstellung gegenüber den Avantgarden abhingen.11 Ungeachtet aller Differenzen der Kritiker wurde »Destruktion« als ein künstlerisches Verfahren der »Abstraktion« begriffen. Ein kubistisches Gemälde interessierte weniger in seinem Verhältnis zur Bildtradition, nicht als eine kunstgeschichtliche Errungenschaft auf dem Wege zur Abstraktion, sondern in seiner Affinität zur Gegenwart. Dies erklärt, weshalb bereits vorhandene Ansätze, die Bedeutung des Kubismus innerhalb der Kunstgeschichte zu würdigen, etwa durch Max Raphael (1913) oder Carl Einstein (1926), weitgehend ignoriert wurden.12 So lag der gemeinsame Nenner der frühen Apologeten in einer konzeptionalistischen beziehungsweise philosophischen Perspektive, die den Kubismus unter das Verdikt einer »wissenschaftlichen Malerei« stellte.13 Unmittelbar nach 1945 verschob sich diese Perspektive von einer formal-ästhetischen zu einer Sichtweise, die mit Worten wie »Krieg«, »Zerstörung« und »Chaos« die existentielle und unmittelbare Begegnung mit dem kubistischen Bild betonte. Die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges hatten den Kubismus gleichsam neu geboren, ohne daß jene mit ihm in Verbindung standen.
Meister französischer Malerei der Gegenwart In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in der Zone française d’Occupation vom Gouvernement Militaire Ausstellungen zur jüngeren französischen Malerei organisiert.14 Mit Blick auf die Kubismusrezeption kommt der 1947 in Freiburg gezeigten Ausstellung Die Meister französischer Malerei der Gegenwart die wohl größte Bedeutung zu.15 Ort der vier Wochen dauernden Bilderschau war der zweite Stock des 1906 errichteten Friedrichsbaus. Den Wänden des Saales war eine durchlaufende, geschwungene Stellwand aus gelben Latten vorgeblendet,
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Blick in die Ausstellung Die Meister französischer Malerei der Gegenwart, Freiburg im Breisgau 1947.
zwischen denen das unverputzte Mauerwerk durchschimmerte (Abb. 41).16 Die Ausstellung zeigte (neben einem Werk von Pierre Bonnard) je sechs Gemälde von Braque, Picasso, Gris, Léger, Henri Matisse, Marc Chagall und Georges Rouault, die sich dem Betrachter in einer kontinuierlichen Bilderreihe der Moderne präsentierten.17 Im Zentrum der Ausstellung standen kubistische und postkubistische Gemälde, die mehr als die Hälfte der gezeigten Werke ausmachten. Mit einer qualitätvollen Auswahl wollten die französischen Besatzer dem deutschen Publikum erstmals wieder den Kubismus zugänglich machen. Die klassische Phase des Kubismus war durch Braques Weibliche Figur (1910), Gris’ Hommage an Pablo Picasso (1912) (Abb. 42), Légers Dächer (1911) sowie Picassos Brote (1909) vertreten.18 Was sich dem Titel nach als Malerei der Gegenwart auswies, lag in vielen Fällen also über dreißig Jahre zurück. Die ästhetische Zukunft Deutschlands – dies schien die Absicht der eng mit Kahnweiler zusammenarbeitenden Kuratoren Maurice Jardot und Kurt Martin – sollte in der französischen Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts gesucht werden. Anders als sie betonten, in der Ausstellung keine »besondere Richtung innerhalb der modernen Kunst« hervorheben zu wollen, erhielt der Kubismus das Hauptgewicht und trat dem Publikum als Inbegriff der Moderne entgegen.19 Wie schwer insbesondere den jungen deutschen Besuchern die Betrachtung kubistischer und nachkubistischer Malerei fiel, dokumentieren die Reaktionen auf die Freiburger Ausstellung. In Zusammenarbeit mit den Kuratoren hatte der Allgemeine Studentenausschuß der Universität Freiburg einen Wettbewerb um die beste Kritik ausgeschrieben. Daß die 48 von Studenten eingereichten Arbeiten, wie Martin hervorhob, »zu der aufschlußreichsten Lektüre gehören, die ich seit 1945 gelesen habe«, mag nicht zuletzt daran liegen, daß sie seismographisch die Wirkung des Kubismus auf die deutsche Jugend anzeigten.20 Weil die Exponate von den
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42 Juan Gris: Hommage à Pablo Picasso [Bildnis Picassos], 1912, Öl auf Leinwand, 93 × 74,1 cm, The Art Institute of Chicago.
meisten Studenten als Spiegel der eigenen Wirklichkeit angesehen wurden, könnte man die Rezensionen als selbstbezügliche Bildbetrachtungen charakterisieren. So fragte sich ein Studierender vor Picassos Werken: »Es graut uns! Das sind wir, diese verzerrten, zerrissenen Gesichter, diese verformten Leiber?« 21 Die vornehmlich negativ ausfallenden Urteile über den Kubismus wurden vor den Hintergrund der Erschütterungen des Krieges gestellt. In den Kritiken überwogen Eindrücke des Zertrümmerten, Zerstörten und Deformierten. Eine Beurteilung der ausgestellten Bilder kam beispielsweise zu dem Schluß: »Ich bedauere diese Menschen, die die Dinge so sehen müssen, und sie auch nur so sehen können: so völlig in sich zerstört, ins Furchtbare und oft Schreckliche verzerrt, deformiert.« Ein anderer Student schrieb über Picassos Gemälde: »Haben sie das, was die heutige Zeit mit Leid, Trümmern und Zerstörung, Atombomben, Entmenschlichung und Verzerrung, Verkrampfung uns gebracht hat, vorweggenommen […]?« Den jungen Freiburger Besuchern begegneten die Werke wie ein »wirklichkeitsgetreues Bilderbuch
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Pablo Picasso: Stilleben mit Stierschädel, 5. April 1942, Öl auf Leinwand, 130 × 97 cm, Düsseldorf, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen.
unseres Lebens«.22 Den Rezensionen fehlte es zwar nicht auch an positiver Kritik, doch orientierten sie sich durchweg an einer Begrifflichkeit, die den existentiellen Charakter der mitunter als feindlich empfundenen Begegnung mit den Bildern betonte. »Mich trieb das erste Umschauen mit instinktiver Vehemenz in Stellung: Hier war Feind«, lautete etwa ein in Kriegsmetaphorik gekleidetes Fazit. Da aus der Sicht der Studenten den kubistischen Objekt- und Figurendarstellungen, zum Beispiel Gris’ Bildnis Picassos von 1912 (Abb. 42), das fehlte, was vielfach als das »Wesen«
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bezeichnet wurde, sprach man von einem »entgöttlichtem Zeitalter«, vom Auflösen der Natur »in ein Nichts«, von »Ekel und Abscheu« und der Visualisierung eines »philosophischen Nihilismus«.23 Lassen sich die Bewertungen der Studenten als eine grundsätzliche Absage an die kubistische und moderne französische Malerei interpretieren? Nein, die Kritiken spiegeln vielmehr die allgemeine existentielle Verunsicherung ihrer Autoren wider und müssen als Orientierungsversuche innerhalb eines politischen und ästhetischen Wertewandels gelesen werden. Die in Trümmern liegenden Städte und die Orientierung an einer noch naturalistischen oder idealisierenden Kunstauffassung, führten zu Urteilen, die den Kubismus nach seiner mimetischen Abbildungsleistung befragten. Das kubistische Bild wurde nicht als Position innerhalb der Avantgarde, das heißt, als eine neue formale Ausdrucksform anerkannt, die auch ästhetischen Genuß bereiten konnte, sondern als Spiegel und Symbol eines menschenverachtenden Kriegs erlebt (Taf. VI und Abb. 43). Martin brachte dies zum Ausdruck, wenn er im Ausstellungskatalog notierte: »Nur wenige dieser jungen Menschen sind fähig, sich einem modernen Bild harmlos hinzugeben, ohne Voraussetzungen und Vorurteile, ohne Probleme. Kaum einer kommt daher zum Genuß einer bisher nicht erlebten Schönheit und Freiheit.« 24 Die von den Studenten formulierten Seherfahrungen richteten sich gegen ein dem Kubismus unterstelltes Menschenbild, das mit Etiketten wie »Entmenschlichung« und »Nihilismus« belegt war. Diese Perspektive sollte kurz darauf ihre akademische Rechtfertigung erhalten.
Die konservative Kritik Wohl keiner anderen Kritik an der Avantgarde wurde in der Nachkriegszeit größere Aufmerksamkeit geschenkt als dem von Hans Sedlmayr 1948 veröffentlichen Buch Verlust der Mitte.25 Sein Erfolg gründete sich zum einen darauf, daß sich Sedlmayrs Kulturkritik an eine Leserschaft richtete, die über ein kunstwissenschaftliches Fachpublikum hinausging. Zum anderen blieb eine einflußreiche Replik, die aus einer ähnlich breit angelegten Kulturkritik zu einer positiven Beurteilung der Avantgarde gelangt wäre, aus; der von Sedlmayr konstatierte »Verlust« weltanschaulicher Werte, wurde zum Teil selbst von jenen geteilt, die sich nicht an seiner Verunglimpfung der Avantgarde beteiligten.26 Obgleich in der Schrift Sedlmayrs nur selten explizit vom Kubismus die Rede ist, lenkte seine an der Kunst entwickelte »Diagnose des Leidens der Zeit« auch die Kubismusdebatte in eine Richtung, die bis in die siebziger Jahre hinein fortlebte.27 In der Beurteilung des Kubismus konzentrierte sich Sedlmayr auf Picasso, wobei
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ihm eine Einschätzung Nikolaj Berdjajews als Folie diente. So heißt es im Kapitel Fort vom Menschen: »Bei Picasso sehen wir den Prozeß der Zerteilung, der Zerbröckelung, der kubistischen Zerschichtung der heilen Menschenformen.« 28 Als die »exemplarische Verkörperung und exemplarische Darstellung des Verlusts der Mitte«, galt Picasso, der Hauptrepräsentant der Avantgarde.29 Sedlmayrs »Diagnose« kam zu dem Ergebnis, daß die kubistische Bildsprache »antihumanistisch« sei, weil die ihr unterstellte »Deformation« des Menschenbildes auf eine künstlerische Selbstüberschätzung hindeute, die »dämonische« Züge trüge.30 Der inhaltliche Bezugsrahmen der Ausführungen zu Picasso – sie finden sich zwischen den Abschnitten Fort vom Humanismus und Verlust des Menschenbildes – zeigt, daß Sedlmayr den Kubismus Picassos als Inbegriff einer »entmenschlichten« Kunst verstand. Diese im 19. Jahrhundert einsetzende Entwicklung bildete sich für Sedlmayr formal in einer Bildauffassung ab, in der mehr und mehr anorganische Formen dominierten und die sich wesentlich den Entwicklungen der modernen Naturwissenschaft verdanke.31 1949, also ein Jahr später, erhielt die konservative Kubismuskritik mit Wilhelm Hausenstein einen zweiten prominenten Fürsprecher. Im Vorwort zu seiner Schrift Was bedeutet die moderne Kunst? räumte er Sedlmayrs Buch »eine entscheidende Bedeutung für die Kunstgeschichte ein«.32 Obgleich Hausenstein zu verstehen gab, den Verlust der Mitte erst eine Woche nach der letzten Korrektur seiner eigenen Studie zur Gesicht bekommen zu haben, sprechen einige von Hausenstein gebrauchte Topoi wie »Verzicht auf die Ebenbildlichkeit«, »Chaos« und »Nichts« für eine letzte, an Sedlmayr orientierte Überarbeitung.33 Hausensteins Kritik an der Kunst des frühen 20. Jahrhunderts richtete sich gegen den Expressionismus, Kubismus, Surrealismus und gegen die abstrakte Malerei.34 Sein Einwand gegen den Kubismus bezog sich auf eine Bildsprache, die nicht nur die Dinge, sondern auch die menschliche Figur zunächst so behandelt habe, »als wenn sie mineralische, einem Gesetz der Kristallisation unterworfene Gebilde wären«, doch dann in »Dekonstruktion« und »subjektiver Willkür« geendet seien.35 In einigen Formulierungen Hausensteins klang die Kunstideologie der Nationalsozialisten nach, etwa, wenn er in Bezug auf den Kubismus von »bildlichen Darlegungen der Zersetzung« sprach und behauptete, das kubistische Bild interessiere sich, »grau in grau, mit Farbtönen der Fäulnis und des sensitivsten Geschmacks zugleich, nur noch für den Zerfall der Gestalt«.36 Mit solchen Äußerungen hatte sich Hausensteins eigenes Urteil über den Kubismus radikal gewandelt. Denn in seiner 1914 publizierten Abhandlung Die bildende Kunst der Gegenwart lesen sich einige Passagen noch als emphatischer
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Versuch, den Kubismus als eine »Angelegenheit des Zeitalters« und »organische[s] Produkt einer konsequenten Entwicklung« innerhalb der Geschichte der Kunst verständlich zu machen.37 Wie keine andere Richtung der Avantgarde sah Hausenstein im Kubismus die letzte Etappe einer Entwicklung der »Vernichtung des Gegenständlichen« erreicht. 1914 begriff der Autor diese Vernichtung jedoch keineswegs negativ, sondern als ein ästhetisches Streben nach dem »Metaphysischen« und »Spirituellen« in einer Zeit »neu beginnender Religiosität«.38 Der Kubismus male keine materiellen Wirklichkeiten mehr, sondern, »es gibt kein besseres Wort – metaphysische Ambiente«.39 In die Kubisten also, »Agenten metaphysischer Zusammenhänge, die das Materielle ans Psychologische, das Psychologische aber ans Religiöse hindrängen«, setzte Hausenstein große Hoffnung auf eine gleichermaßen religiöse wie ästhetische Erneuerung der Kunst.40 Doch 1949 sah Hausenstein seine Erwartungen in den Kubismus enttäuscht, den er nun als Inbild einer gescheiterten Avantgarde wertete. In Was bedeutet die moderne Kunst? gehen den Überlegungen zum Kubismus einige weltanschauliche Bemerkungen voraus, die den Gedanken vom »Verlust der Ebenbildlichkeit« in den Werken der Avantgarde entfalten und den Kern von Hausensteins Kritik am Kubismus bilden. Das, was er als »Dekomposition« der Dinge und der Figur definierte, resultiere aus einer »Verzerrung« und aus einem »Verlust« des Menschenbildes. Wie andere Vertreter der Avantgarde stellten sich auch die Kubisten, so Hausenstein weiter, in Opposition zu Gott und seiner Schöpfung: »Wie sollte ein moderner Maler aber ein Bildnis malen können, wenn die ›Ebenbildlichkeit‹ – das ist: Ebenbildlichkeit von Gott her, zu Gott hin – aus dem Menschengesicht immer fürchterlicher entschwindet?« 41 An eben dieser Stelle laufen Hausensteins und Sedlmayrs Argumentation zusammen. Letzterer beklagte im Verlust der Mitte, daß die »Vermittlung zwischen Gott und den Menschen« fehle, »die es in irgendeiner Form immer gegeben hat […], der Glaube an den Menschen als Ebenbild Gottes, ohne welchen die Idee der Menschheit nicht festgehalten werden kann.« 42 Beide Autoren entwickelten ihre gegen den Kubismus gerichtete Kritik entlang der Argumentationskette »anorganische Form« – »Zerstörung des Menschenbildes« – »Verlust der Ebenbildlichkeit«. Die Voraussetzung ihrer konservativen Kritik lag in einer prätendierten Deformation der göttlichen Schöpfung und war geleitet von der Forderung nach einer religiösen Erneuerung des Lebens. Anders als Sedlmayr, glaubte Hausenstein vor dem Ersten Weltkrieg im Kubismus noch Ansätze zu einer metaphysischen, religiösen Kunst zu erkennen. Die Tendenz zur Abstraktion schien ihm damals mit einer Tendenz zum Religiös-Spirituellen einherzugehen. Was Hausenstein 1949 am Kubis-
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mus kritisierte – vor allem seine »anorganischen Formen« –, hatte er 1914 noch als eine Abkehr vom »Zeitalter Darwins« und Ausdruck einer neuen Religiosität der Kunst gewertet.43 Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte er wie Sedlmayr die »anorganische Form« jedoch mit dem Verlust des Menschenbildes gleich. Die Konsequenz dieses Ansatzes wird noch klarer, wenn man den Blick auf die kunsthistorischen Antipode lenkt, die beide Autoren der Moderne gegenüberstellten. In seiner 1956 erschienenen Arbeit über das Genie des Barock hob Hausenstein das organische Formempfinden als ein konstitutives Element des Barock hervor: »Es ist notwendig mit dem Begriff des Organischen zu drängen. Der Begriff entscheidet. Das Barock ist das Gegenteil jedes Stils der Konstruktion.« 44 Die Nebeneinanderstellung von Barock und Moderne stellte für Hausenstein eine normative Voraussetzung für seine Kritik an der Avantgarde dar. In der Avantgarde glaubte er einen Verlust weltgeschichtlicher Ereignisse zur Heilsgeschichte zu erkennen, die ihrerseits »wahrscheinlich überhaupt das einzige Wichtige an der gesamten ›Weltgeschichte‹« sei.45 Sein Hinweis auf den »katholischen Künstler« Rubens, als Gegenpol zur modernen Kunst, verhält sich äquivalent zu Sedlmayrs Wertschätzung des Spätbarock im »katholischen Süden« Deutschlands.46 Weit mehr als die gotische Kathedrale, deren konstruktive Fortschritte innerhalb der Architekturgeschichte er verschwieg, dürfte Sedlmayr das Gesamtkunstwerk »Barockkirche« als ästhetisch-weltanschauliches Gegenmodell vor Augen gestanden haben.47
Menschenbild Auf dem 1950 unter Leitung von Hans Gerhard Evers veranstalteten Darmstädter Gespräch zum Thema Das Menschenbild in unserer Zeit erlebte die Kubismusdebatte ihren Höhepunkt (Abb. 44). Dabei sollte sich erweisen, welch maßgebende Stellung Sedlmayr bei der Standortbestimmung der Moderne nach dem Zweiten Weltkrieg einnahm.48 Evers spielte wohl auf den zwangsemeritierten Kunsthistoriker an, wenn er mit Blick auf den Anlaß des Gesprächs darauf verwies, daß »seit zwei Jahren […] mit erneuter Schwere die Bedenken gegen diese ›moderne‹ Kunst geäußert werden, von Männern deren Stimme schwer ignoriert werden kann.« 49 Die Dominanz Sedlmayrs sollte sich während der ganzen Tagung manifestieren. Nach seinem Vortrag Über die Gefahren der Modernen Kunst sahen sich die meisten Gesprächsteilnehmer veranlaßt, hierzu Stellung zu nehmen. Zu ihnen gehörten Künstler und Intellektuelle wie Johannes Itten, Alexander Mitscherlich, Willi Baumeister und der Soziologe Alfred Weber; die Äußerungen Adornos flossen nur am Rande des Gesprächs ein. Wie stark Sedlmayrs Einfluß war, läßt sich auch daran ableiten, daß er mit Worten wie »Verlust«, »Chaos« und »Enthumanisierung« so-
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44 Peter Ludwig und Helmut Lortz: Photomontage in Das Menschenbild in unserer Zeit. Darmstädter Gespräch, hrsg. von Hans Gerhard Evers, Darmstadt o. D. [1951].
gar den Anhängern der Moderne und Gegenwartskunst zentrale Begriffe zur Diskussion an die Hand gab. Im Darmstädter Gespräch wurde der Kubismus im Kontext eines verlorengegangenen, der Natur einst verpflichteten und nun »fragmentarisch« gewordenen Menschenbildes diskutiert. Im Ausstellungskatalog erkannte Adolf Schmoll gen. Eisenwerth eine aktuelle »Bildsprache« in der synthetischen »Gestaltung aus der Erschütterung der anthropomorphen Auffassung« und aus der »neuen Sicht ele-
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mentarer inner- und außermenschlicher Kräfte« durch Futurismus, Surrealismus und Kubismus.50 An Vokabeln wie »Diagnose« und »Verlust« läßt sich, ungeachtet der Differenzierungsbemühungen Eisenwerths, eine Orientierung an Sedlmayrs Terminologie nachweisen.51 Auch Weber verstand den Kubismus als den ästhetischen Beginn einer »Auflösung jeglicher geschlossenen Individualität«, in dem ein »Zeichen der Enthumanisierung der Kunst« zu erkennen sei.52 Durch die simultane Darstellung verschiedener Ansichten sei im kubistischen Porträt die Repräsentation von Individualität generell in Frage gestellt. Anstatt einer Darstellungsweise, die den Menschen als ein unversehrtes und geschlossenes organisches Ganzes erfasse, richte der Kubismus den Blick auf das Individuum als ein heterogenes Gefüge einander ausschließender Perspektiven. Daß Weber seine Charakterisierung des kubistischen »Menschenschicksal«, das sich »in der heutigen Malerei« widerspiegele, nicht nur auf das Porträt, sondern auch auf Stilleben und Landschaft bezog, belegt, wie sich die Darmstädter Kritik am Menschenbild des Kubismus generell auf das »anorganische« und deshalb »entseelte« Formverständnis bezog.53 Der Umstand, daß sich der Kubismus auf dem Darmstädter Gespräch erst am Beginn seiner kunstgeschichtlichen Verortung befand – Hinweise auf theoretische Beiträge zum Kubismus vor dem Zweiten Weltkrieg, etwa von Kahnweiler, Einstein oder Raphael wurden vermieden – hatte eine von wissenschaftlichen und historischen Fragestellungen weitgehend befreite Diskussion zur Konsequenz. Obgleich die Debatte um das Menschenbild vor dem Hintergrund einer nahezu von allen Teilnehmern gleich beurteilten epochalen »innerlichen und äußerlichen Umwälzung« geführt wurde, ignorierten sie nicht nur die Anwälte der Moderne.54 Sie unterließen es ebenso, auf die erst wenige Jahre zurückliegende Verfemung der Avantgarde durch den Nationalsozialismus hinzuweisen. Fast vierzig Jahre Kubismusrezeption wurden damit links liegengelassen. Die Renaissance, die der Kubismus innerhalb der Diskussion um das Menschenbild der Moderne erlebte, verdrängte sozusagen die Geschichte seiner Rezeption.55 An ihre Stelle trat eine aus der unmittelbaren Gegenüberstellung des Kubismus mit der Gegenwart resultierende »existentialische« Wahrnehmung, in der der Kubismus als Inbegriff einer beklagten Zerstörung des ganzheitlichen Menschenbildes in der Kunst verstanden wurde.
Der Weg zur Verwissenschaftlichung Die Beobachtung, daß man auf dem Darmstädter Gespräch nicht daran interessiert war, an die Kubismusdiskussion vor dem Zweiten Weltkrieg anzuknüpfen, wird durch die Abwesenheit von Daniel-Henry Kahnweiler bestätigt. Nach 1945 verfolgte
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45 Einladungskarte zum Vortrag Ursprung und Entwicklung des Kubismus von Daniel-Henry Kahnweiler am 23. Oktober 1947 in Freiburg im Breisgau.
der Kunsthändler primär zwei Ziele: Einerseits ging es ihm darum, dem Kubismus die Vorreiterrolle unter den Avantgarden und einen Platz in der Kunstgeschichte zu sichern, andererseits die Relevanz des Kubismus für die Kunst der Gegenwart herauszustellen. Er ließ kein Zweifel daran, daß der Kubismus d a s zentrale »geschichtliche Geschehen« der Kunst des 20. Jahrhunderts sei, an dem er selbst als Hauptfigur mitgewirkt habe. So beendete Kahnweiler 1947 seinen begleitend zur Freiburger Ausstellung gehaltenen Vortrag über Ursprung und Entwicklung des Kubismus (Abb. 45) mit den Worten: »Die Kunstgeschichte wird im Kubismus eine Umwälzung erkennen, so wesentlich, so tiefgreifend wie die Renaissance«.56 Kahnweilers Bemühung um eine Historisierung belegt, daß es ihm nicht darum ging, den Kubismus als ein Phänomen der Gegenwart auszuweisen; 1949, zwei Jahre nach dem Freiburger Vortrag, betonte er nochmals: »Der Kubismus ist in die Geschichte eingegangen.« 57 Vielmehr forderte er die Orientierung der zeitgenössischen Kunst an einem historisch legitimierten Kubismus. Noch deutlicher als im Vorwort seiner deutschsprachigen Neuauflage des Weg zum Kubismus (1958) kommt dies im Vorwort der 1968 erschienen deutschen Übersetzung seiner Gris-Monographie
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zum Ausdruck. Dort heißt es: »Der Kubismus wird heute weniger verstanden denn je. Die unheilvollen Folgen sind, glaube ich, nicht zu übersehen.« 58 Kahnweilers Interessen überschnitten sich hier mit den Bemühungen deutscher Kritiker und Kunsthistoriker, die von den Nationalsozialisten diffamierte Moderne zu rehabilitieren.59 Dem Kunsthändler kommt nicht nur für die deutsch-französischen Kunstbeziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg, sondern auch für den Beginn einer Verwissenschaftlichung und Historisierung des Kubismus eine zentrale Rolle zu. Im folgenden seien einige Aspekte dieser von Kahnweiler ausgehenden Verwissenschaftlichung zusammengefaßt, um anschließend exemplarisch deren Einfluß auf Grohmanns, vor allem aber Haftmanns Überblickswerk zur Malerei im 20. Jahrhundert nachzuzeichnen. Neben Versuchen einer historischen Bestimmung des Kubismus innerhalb der Geschichte der Kunst, zu der auch eine Epochendifferenzierung des Kubismus selbst zu rechnen ist, ging es Kahnweiler vor allem um dessen ästhetische Begründung. In seinem Freiburger Vortrag unterschied er, nach den kubistischen Anfängen (1907–1910), zwischen einer »analytischen« (1910–1914) und einer »synthetischen« Periode (ab 1914) des Kubismus. 60 Diese Epocheneinteilung des Kubismus hatte Kahnweiler bereits in der während des Zweiten Weltkriegs geschriebenen Monographie über Gris entwickelt.61 Dort datierte er, der im Œuvre von Gris den Kubismus als vollendet ansah, den synthetischen Kubismus und damit die Geburt einer »echten begrifflichen Malerei« in das Jahr 1914.62 Auf diese Weise korrigierte Kahnweiler seine eigene, 1920 im Weg zum Kubismus vertretene Position, wo er sich noch, ohne genaue Zeitangaben, auf eine vergleichsweise vage Definition der Begriffe »analytisch – synthetisch« beschränkt hatte.63 Die der Lektüre Kants verdankte Differenzierung zwischen »analytisch« und »synthetisch« bildete den philosophischen Ausgangspunkt von Kahnweilers Kubismustheorie. Im Gris-Buch führte ihn jene Unterscheidung zu der These, daß im synthetischen Kubismus das Wesen der Malerei als Schrift erkannt worden sei. Kahnweiler folgte hier der Vorstellung, daß der analytische Kubismus seinen Ausgang vom empirischen Gegenstand genommen und diesen in seine abstrakten Grundformen zerlegt habe, während der synthetische Kubismus, umgekehrt, aus abstrakten Zeichen ein Bild synthetisch aufbaue.64 Wichtig war Kahnweiler an dieser Definition, daß sich die kubistischen Zeichen auf die außerbildliche Wirklichkeit bezogen und deshalb lesbar seien. Von hier aus entwickelte er seine Kritik an der abstrakten Kunst als reine Dekoration.65 So heißt es zum Verhältnis von Kunst und Wirklichkeit: »Diese ständige Wechselbeziehung zwischen Malerei und Außen-
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welt haben die ›Abstrakten‹ nicht verstanden. […] Diese Pseudo-Maler«, zu ihnen rechnete Kahnweiler Mondrian und van Doesburg, hätten nichts zu sagen, »sie haben keine Botschaft zu übermitteln«.66 Kahnweilers begriffliche Epochendifferenzierung des Kubismus hatte mit Kants Unterscheidung zwischen synthetischen und analytischen Urteilen und der daraus resultierenden Leitfrage nach der transzendentalen Möglichkeit synthetischer Urteile a priori innerhalb der Kritik der reinen Vernunft kaum etwas zu tun. Dennoch konnte diese als ein Modell für die Theoriebildung des Kubismus dienen. Der Kubismus wurde durch Kahnweiler nicht nur mit einer auf den ersten Blick anspruchsvollen Theorie unterlegt, sondern auch in eine Kontinuität mit der deutschen Philosophie der Aufklärung gestellt. Frühe entwicklungsgeschichtliche Arbeiten über die Avantgarde und den Kubismus wie die von Grohmann (1953), Haftmann (1954), Alfred Schmeller (1956) und Leopold Zahn (1956) illustrieren, wie maßgeblich Kahnweilers Begrifflichkeit auf das Nachdenken über den Kubismus wirkte: Die Unterscheidung »analytisch – synthetisch« wurde ausnahmslos übernommen.67 Die Interessen der Kunsthistoriker, ihren Lesern eine Orientierungshilfe zum Verständnis der Avantgardekunst an die Hand zu geben – »nach dem Wirklichkeitsgrund« der modernen Kunst zu fragen, wie es Haftmann formulierte – deckten sich mit Kahnweilers Intention, die Schlüsselrolle des Kubismus durch ein theoretisches Fundament sicherzustellen.68 Trotz seines unbestreitbaren Einflusses zeigt sich vor allem an Grohmanns Bildende Kunst und Architektur und Haftmanns Malerei im 20. Jahrhundert, daß Kahnweilers Autorität lediglich in Hinblick auf den Kubismus anerkannt wurde. Zwar orientierte sich Grohmann, deutlicher noch als Haftmann, an Kahnweilers Epocheneinteilung des Kubismus. Und auch Grohmanns Rede von der Erfindung »gleichnishafter Zeichen« durch den Kubismus beziehungsweise Haftmanns Betonung der »Zeichenschrift« und des »Schriftcharakters« kubistischer Bilder, war Kahnweilers semiotischer Kubismustheorie entlehnt.69 Doch bereits Grohmanns Bezeichnung des Kubismus als »intuitive Malerei«, die aus den »Erfahrungen der Tiefenpsychologie« hervorgegangen sei, setzt sich von der Kahnweilerschen Theorie ab.70 Auch Haftmann ging in einem wesentlichen Punkt über Kahnweilers am Kubismus entwickelter semiotischer Ästhetik hinaus. Bereits in seiner 1948 geschriebenen Rezension der Gris-Monographie wird deutlich, daß ihn die Positionen Kahnweilers nur sekundär interessierten. Die Euphorie, mit der er dessen Monographie las, hing vielmehr mit der Würdigung eines auch von Haftmann hochgeschätzten Künstlers der Avantgarde zusammen. Wie Kahnweiler glaubte auch er, daß eine ästhetische Orientierung der Gegenwartskunst nur durch die Rückbesin-
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nung auf die wichtigsten Künstler der Avantgarde gelingen könne. In einer zu erneuernden Gesellschaft sollte der Geist des Kubismus die Gegenwart erwecken: »Alles ist zu alt geworden, ohne Leidenschaften, unsere ganze deutsche Kultur ist zu alt geworden. Wir müssen wieder jung werden, die Glorie des Lebens begreifen, auch in unserer Skepsis […]! Deshalb muß man von Juan Gris reden, wenn einem die zeitgenössische Malerei, der Geist der Moderne, die Glorie der Moderne am Herzen liegt«.71 In der zitierten Passage kündigt sich Haftmanns Versuch an, eine entwicklungsgeschichtliche Kontinuität zwischen Vergangenheit und Gegenwart herzustellen. Denn zu den zentralen Gedanken der Malerei im 20. Jahrhundert gehört der Gedanke der Kontinuität zwischen klassischer Avantgarde (vor allem dem Kubismus) und zeitgenössischer Kunst. Die Gegenwartskunst, so glaubte Haftmann, stehe in einer bruchlosen Reihe mit Cézanne und mit dem Kubismus: »Bei Kriegsende genügten die Ausstellungen der führenden Meister – Picasso, Braque, Léger usw. –, um die erreichten Positionen wieder sinnfällig zu markieren.« 72 Anders als Kahnweiler, der die Bilder von Mondrian als Pseudo-Malerei charakterisierte, erkannte jedoch Haftmann, daß Mondrians künstlerische Ziele über reine Dekorationen weit hinausgingen.73 An der kunsthistorischen Linie, die Haftmann schließlich zwischen Gris und Ernst Wilhelm Nay zog, wird deutlich, wie der Autor der Malerei im 20. Jahrhundert Kahnweilers Monographie über Gris zur Legitimation der Gegenwartskunst heranzog: »Juan Gris’ formale Einsichten finden jetzt ihre Anwendung im farbigen Gebiet. Heraus bildet sich das aperspektivische, vierdimensionale Bild, das sich allein aus der Farbe aufbaut. Es hat eine außerordentlich evokatorische Kraft und Nay nimmt sie in den kommenden Jahren voll an.« 74 Anhand von Haftmanns Auseinandersetzung mit dem Kubismus läßt sich exemplarisch nachweisen, wie die Verwissenschaftlichung des Kubismus an den Arbeiten Kahnweilers ansetzte, aber dort über Kahnweiler hinausging, wo dieser endete, nämlich bei der künstlerischen Weiterführung der Kubismus durch die Gegenwartskunst. Mit den kunsthistorischen Überblickswerken der fünfziger Jahre kehrte sich die Kubismusdiskussion von der Debatte um das Menschenbild ab. An ihre Stelle trat die Behandlung des Kubismus als ein historischer, als ein wissenschaftlicher Gegenstand. Haftmanns Äußerung, der analytische Kubismus sei ein »ausgeformter Stil«, signalisiert, daß der Kubismus für ihn bereits zu einem historischen Gegenstand geworden war.75 Der Kubismus trat aus dem Kontext der Gegenwart heraus und wurde Teil der Vergangenheit.
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Zusammenfassung Welches vorläufige Fazit kann man ziehen? Es lassen sich zwischen 1945 und Mitte der fünfziger Jahre verschiedene Felder der Kubismusrezeption benennen. Doch bei aller Unterschiedlichkeit der hier diskutierten Ebenen gilt: Die journalistische Kubismusrezeption, die konservative Kritik, die Publikumsreaktionen und die intellektuelle Diskussion liefen darin zusammen, daß sie den Kubismus in den ersten Nachkriegsjahren zunächst nicht als historisches oder wissenschaftliches Phänomen behandelten, sondern ihn mit den unmittelbaren Ereignissen des Krieges überblendeten. Auf der Grundlage dieser Überblendung und einer Suche nach anthropologischen Leitbildern wurde der Kubismus wie keine andere Bewegung der Avantgarde zur Zielscheibe der Kritik. Dabei ging es weniger um den Kubismus selbst, als um ein ihm unterstelltes nihilistisches Menschenbild. Die fragmentierende, kristalline Ausdrucksform des Kubismus verkörperte ein Menschenbild, das der Forderung nach einem homogenen, organischen Auffassung vom Menschen diametral entgegenstand. Die Diskussion um das Menschenbild erlebte deshalb im Kubismus, vor allem demjenigen Picassos, eine radikale Zuspitzung. Charakteristisch für die Debatte nach 1945 ist zudem, daß sie von den wissenschaftlichen wie nationalistischen Kubismusdeutungen der zwanziger Jahre weitgehend unberührt blieb. Es ging nicht mehr um die Frage, ob es sich beim Kubismus um eine »ungeliebte, mit Deutschland verbundene« oder um eine typisch französische Kunstrichtung handelte. Auch methodische Optionen, wie etwa die formalen Bildanalysen Raphaels oder die philosophisch-theoretische Perspektive Kahnweilers, wurden in der unmittelbaren Nachkriegszeit ignoriert. Die um ein Menschenbild ringende Kubismusdebatte entwickelte sich jenseits nationaler und wissenschaftlicher Differenzen, ja die Zuspitzung der Diskussion und ihre Loslösung von den historischen und wissenschaftlichen Deutungsmustern der vorangegangenen vierzig Jahren waren wechselweise voneinander abhängig. Dies erlaubte eine Übertragung des kubistischen Menschenbildes auf das existentiell erschütterte Menschenbild der Gegenwart. Mit der von Kahnweiler ausgehenden und sich um 1955 in den Überblickswerken Grohmanns, Haftmanns und anderer Autoren etablierenden Verwissenschaftlichung des Kubismus, geriet dieser in Distanz zur Gegenwart. Entwicklungsgeschichtliche Arbeiten der ersten Jahrhunderthälfte hatten den Blick dafür frei gemacht, daß die Kunst der Nachkriegszeit Schlußfolgerungen aus dem Kubismus gezogen hatte, die von Kahnweilers Forderungen an die Gegenwartskunst abwichen. So glaubte Haftmann zeigen zu können, daß der durch den Kubismus gewonnene »autonome Bildleib« von Nay vor allem koloristisch interpretiert
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wurde.76 Der Kubismus, dieser Aspekt mußte hier weitgehend unberücksichtigt bleiben, wurde nun zur Durchgangsstation zahlreicher Künstler der Nachkriegszeit wie Nay, Günter Fruhtrunk oder Georg Meistermann und hatte nur noch mittelbare Bedeutung.
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1 Otto Grautoff: Formzertrümmerung und Formaufbau in der bildenden Kunst. Ein Versuch zur Deutung der Kunst unserer Zeit, Berlin 1919, S. 71, 55, 45 und 56. Siehe zu Grautoff, dem Jugendfreund Thomas Manns und Gründer der deutsch-französischen Gesellschaft, Ina Belitz: Befreundung mit dem Fremden: Die Deutschfranzösische Gesellschaft in den deutsch-französischen Kultur- und Gesellschaftsbeziehungen der Locarno-Ära. Programm und Protagonisten der transnationalen Verständigung zwischen Pragmatismus und Idealismus (Diss. Münster 1997), Berlin u. a. 1997, S. 18–60. 2 Ernst Petrasch: Picasso – »Entlarvt«, in: Das Kunstwerk III/1949, Heft 2, S. 50–52, S. 50. In ähnlichem Sinne äußerte sich Ludwig Grote: [ohne Titel], in: Picasso. Radierungen und Lithographien, 1905 bis 1951, Ausstellungskatalog, Nürnberg u. a., München 1952, S. 5–6. 3 Siehe Manfred Brunner: Daniel-Henry Kahnweilers »Weg zum Kubismus« als Quelle kubistischer Werkabsicht, in: Kubismus: Künstler, Themen, Werke, 1907–1920, Ausstellungskatalog, Josef-Haubrich-Halle, Köln, hrsg. von Siegfried Gohr, Köln 1982, S. 131–145; Die Sammlung Kahnweiler: Von Gris, Braque, Léger und Klee bis Picasso, Ausstellungskatalog, Kunstmuseum Düsseldorf, hrsg. von Hans Albert Peters, München 1994. Für die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland siehe Eunice Lipton: Picasso Criticism 1901–1939: The Making of an Artist-Hero, New York 1976, S. 43–57; Christian Geelhaar: Picasso. Wegbereiter und Förderer seines Aufstiegs 1899–1939, Zürich 1993, S. 10 und 208–218, sowie jüngst Andreas Holleczek: Picassos Kubismus: Deutsch-französische Deutungsdifferenzen, in: Distanz und Aneignung. Kunstbeziehungen zwischen Deutschland und Frankreich 1870–1940, hrsg. von Alexandre Kostka und Françoise Lucbert, Berlin 2004, S. 365–386, (Passagen/Passages, Bd. 8). 4 Siehe Pierre Daix: Die Sammlung Kahnweiler – als »Feindesgut« versteigert, in: Ein Haus für den Kubismus. Die Sammlung Raoul La Roche, Ausstellungskatalog, Kunstmuseum Basel, Stuttgart 1998, S. 25–32, S. 26. 5 Siehe Christopher Green: Krieg und Frieden in Légers Malerei, in: Fernand Léger. Der Rhythmus des modernen Lebens, Ausstellungskatalog, Kunstmuseum Wolfsburg / Kunstmuseum Basel, hrsg. von Katharina Kosinski, München und New York 1994, S. 44–55, S. 50; Eric Michaud: Légers Kampfplätze: Kunst, Krieg und
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Konkurrenz, ibid., S 57–63; Umbro Apollonio: Der Futurismus. Manifeste und Dokumente einer künstlerischen Revolution, Köln 1966, S. 34; Stephen Kern: The Culture of Time and Space. 1889–1918, Cambridge (Mass.) 1983; Ludwig Ullmann: Picasso und der Krieg, Bielefeld 1993, S. 19 und 27–29. Über die historischen Voraussetzungen des Kubismus ist viel geschrieben worden, verwiesen sei hier lediglich auf William Rubin: Cézannisme and the Beginning of Cubism, in: Cézanne: The Late Work, Ausstellungskatalog, The Museum of Modern Art, New York, hrsg. von dems., London 1978, S. 151–202. Kurt Leonhard: Picasso, in: Das Kunstwerk I/1946–47, Heft 7, S. 18–29. S. 24. Theodor W. Adorno: Ästhetische Theorie, Frankfurt am Main 1970, S. 447. Leonhard 1946/47, S. 19. Ibid., S. 24; anonym [Leopold Zahn?]: Der Kubismus. Braque und Picasso, in: Das Kunstwerk IV/1950, Heft 3, S. 37–44, S. 44. Wilhelm Hausenstein: Was bedeutet die moderne Kunst? Ein Word der Besinnung, Leutstetten 1949, S. 28. Max Raphael: Von Monet zu Picasso [1913], Frankfurt am Main 1985; Carl Einstein: Die Kunst des 20. Jahrhunderts [1926], in: id.: Werke, Bd. 5 (hrsg. und kommentiert von Uwe Fleckner und Thomas W. Gaehtgens), Berlin 1996. Siehe zu Einstein: Die visuelle Wende der Moderne. Carl Einsteins Kunst des 20. Jahrhunderts, hrsg. von Klaus H. Kiefer, München 2003, siehe zur Rezeption Einsteins nach dem Zweiten Weltkrieg ansatzweise Klaus H. Kiefer: Diskurswandel im Werk Carl Einsteins. Ein Beitrag zur Theorie und Geschichte der europäischen Avantgarde, Tübingen 1994, S. 539–560. Zur Rezeption Einsteins während des Nationalsozialismus siehe Uwe Fleckner: Carl Einstein und einige seiner Leser. Zur Rezeption der »Kunst des 20. Jahrhunderts« im Nationalsozialismus, in: Überbrückt. Ästhetische Moderne und Nationalsozialismus, hrsg. von Eugen Blume und Dieter Scholz, Köln 1999, S. 124–144. Siehe zur Theoretisierung des Kubismus Nicolaj van der Meulen: Transparente Zeit. Zur Temporalität kubistischer Bilder (Diss. Basel), München 2002, S. 49–55, 62 f. und 125–128. Siehe Martin Schieder: Expansion/Integration. Die Ausstellungen der französischen Besatzung im Nachkriegsdeutschland, München und Berlin 2004 (Passerelles 3).
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15 Die Meister Französischer Malerei der Gegenwart, hrsg. von Maurice Jardot und Kurt Martin, Baden-Baden 1948. Siehe Kurt Martin: Erinnerungen an die französische Kulturpolitik in Freiburg i. Br. nach dem Krieg, Sigmaringen 1974. 16 Siehe Johann-Jakob Hässlin: Föhniger Tag in Freiburg, in: Das Kunstwerk II/1948, Heft 2, S. 66–72, S. 66. Siehe zur Ausstellung auch Werner Haftmann: Wiedersehen mit Braque, in: Die ZEIT, 4. November 1948, wiederabgedruckt in: id.: Skizzenbuch. Zur Kultur der Gegenwart. Reden und Aufsätze, München 1960, S. 149– 151. 17 Da Kahnweiler an der Organisation der Ausstellung maßgeblich beteiligt war, wurden nicht die von ihm nicht vertretenen Jean Metzinger und Albert Gleizes gezeigt; beide rechnete er nicht zu den großen Kubisten; siehe Daniel Henry Kahnweiler: Meine Maler – Meine Galerien, Köln 1961, S. 48. 18 Georges Braque: Weibliche Figur, 1910, Öl auf Leinwand, 91 × 61 cm, Standort unbekannt, ehemals Carey Walker Foundation, New York; Fernand Léger: Dächer, 1911, Öl auf Leinwand, 60 × 93 cm, Minneapolis Institute of Arts; Pablo Picasso: Brote, 1909, Öl auf Leinwand, 60 × 73 cm, Sammlung Leiris. 19 Die Meister Französischer Malerei der Gegenwart 1948, S. 5. 20 Ibid., S. 40. 21 Ibid., S. 45. 22 Ibid., S. 45, 47 und 43. 23 Ibid., S. 44 und 47. 24 Ibid., S. 40. 25 Hans Sedlmayr: Verlust der Mitte. Die bildende Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts als Symptom und Symbol unserer Zeit, Salzburg 1948, Berlin 7 1955, S. 122 f. Als Versuch einer allerdings nicht ganz unproblematischen Neubewertung Sedlmayrs siehe Hans Körner: »Gefahren der modernen Kunst«? Hans Sedlmayr als Kritiker der Moderne, in: 200 Jahre Kunstgeschichte in München. Positionen, Perspektiven, Polemik. 1780–1980, hrsg. von Christian Drude und Hubertus Kohle, München und Berlin 2003, S. 209– 222. 26 Leopold Zahn verstand seine wenig beachtete Kleine Geschichte der modernen Kunst, Berlin 1956, als »Gegenpart« zu Sedlmayrs Verlust der Mitte; siehe Das Kunstwerk X/1955, Heft 2, S. 47. Ein Jahr vor dem Verlust der Mitte erschien Willi Baumeisters Buch Das Unbekannte in der
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Kunst, Stuttgart 1947, das von vielen als Antipode zu Sedlmayrs Schrift angesehen wurde. Siehe zu Baumeisters gescheiterter Verteidigung der Avantgarde beim ersten Darmstädter Gespräch René Hirmer: Das Darmstädter Gespräch. Anmerkungen zu Willi Baumeisters Kritik an Hans Sedlmayrs Verurteilung moderner Kunst, in: Willi Baumeister, Ausstellungskatalog, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Nationalgalerie, Berlin, Stuttgart-Bad Cannstatt 1989, S. 102–110. Lohnenswert wäre es, einmal Adornos Ästhetische Theorie als Erwiderung auf Sedlmayrs Kulturkritik zu lesen. Sedlmayr 1955, S. 7. Ibid., S. 121 f. Siehe Hans Sedlmayr: Kierkegaard über Picasso, in: Wort und Wahrheit 5/1950, S. 356–370, wiederabgedruckt in: id.: Der Tod des Lichtes. Übergangene Perspektiven zur modernen Kunst, Salzburg 1964, S. 63–85. Siehe Sedlmayr 1955, S. 122; siehe id.: Die Revolution der modernen Kunst, Hamburg 1955, S. 127. Autoren wie Walter Biemel: Versuch einer Deutung der Polyperspektivität Picassos, in: id.: Philosophische Analysen zur Kunst der Gegenwart, Den Haag 1968, S. 236–263, S. 262, und Lorenz Dittmann: Die Willensform des Kubismus, in: Argo. Festschrift für Kurt Badt, hrsg. von id. und Martin Gosebruch, Köln 1970, S. 401–417, S. 412, knüpften später an Sedlmayrs Äußerungen zum »dämonischen« Menschenbild im Kubismus an. Ibid., S. 117. Ibid., S. 8 f. Siehe Hausenstein 1949, S. 26, 39, 66 und 74. Wie Hausenstein 1949 in Briefen an Annette Kolb und Emil Bizer betonte, betrachtete er sein Buch als eine Schrift g e g e n die moderne Kunst; siehe ders.: Ausgewählte Briefe 1904– 1957, eingeleitet und kommentiert von Helmut H. Rennert, Oldenburg 1999, S. 238 und 242; Hausenstein 1949, S. 47 f. und 57 f. Ibid., S. 29. Ibid., S. 30. Wilhelm Hausenstein: Die bildende Kunst der Gegenwart. Malerei, Plastik, Zeichnung, Stuttgart und Berlin 1914, S. 317 und 321. Ibid., S. 317 und 312. Ibid., S. 320. Ibid., S. 321. Hausenstein 1949, S. 26. Sedlmayr 1955, S. 135. Hausenstein 1914, S. 312.
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44 Wilhelm Hausenstein: Vom Genie des Barock, München 1956, S. 9; siehe Hausenstein 1949, S. 79. 45 Ibid., S. 72. 46 Hausenstein 1949, S. 81; Sedlmayr 1955, S. 52. 47 Siehe Werner Hofmann: Im Bannes des Abgrunds. Der »Verlust der Mitte« und der Exorzismus der Moderne: Über den Kunsthistoriker Hans Sedlmayr, in: Die Zähmung der Avantgarde. Zur Rezeption der Moderne in den fünfziger Jahren, hrsg. von Gerda Breuer, Basel und Frankfurt am Main 1997, S. 43–54, S. 46 f. 48 Das Menschenbild in unserer Zeit. Darmstädter Gespräch, hrsg. von Hans Gerhard Evers, Darmstadt o. D. [1951]. 49 Ibid., S. 29 f. 50 Ibid., S. 11–15, S. 12. 51 Ibid., S. 13 f. 52 Ibid., S. 64–70, S. 67 f. 53 Ibid., S. 55. 54 Ibid., S. 65. 55 Siehe hierzu Horst Walter Blanke: Neubesinnung und Rückbesinnung. Geschichtskonzeption in Westdeutschland 1945–1950, in: Kunst und Politik. Jahrbuch der Guernica-Gesellschaft 2/2000 (Schwerpunkt: Mitte des Jahrhunderts. 1950 – Geschichte und Mythos), hrsg. von Jutta Held, Osnabrück 2000, S. 15–41. Der Gedanke eines Neuanfangs, der Mythos einer »Stunde Null«, wurde nicht zuletzt dadurch geschaffen, daß man die Rezeptionsgeschichte der Moderne bis 1945 ignorierte. 56 Daniel-Henry Kahnweiler: Ursprung und Entwicklung des Kubismus, in: Die Meister Französischer Malerei der Gegenwart 1948, S. 7–18, S. 18. Auch mit der Betonung seiner Schrift Der Weg zum Kubismus als »Quellenschrift« verwies Kahnweiler auf seine maßgebliche Beteiligung an der Entwicklung des Kubismus; siehe
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id.: Der Weg zum Kubismus [1920], Stuttgart 1958, S. 9. Daniel-Henry Kahnweiler: Rhetorik und das Problem des Stiles als Ausdruck einer geistigen Einheit [1949], in: id.: Ästhetische Betrachtungen. Beiträge zur Kunst des 20. Jahrhunderts, Köln 1968, S. 80–89, S. 88. Daniel-Henry Kahnweiler: Juan Gris. Leben und Werk [1946], Stuttgart 1968, S. 7. Siehe Schieder 2004, S. 57. Kahnweiler 1948, S. 15. Kahnweiler 1968, S. 120–129. Ibid., S. 127. Kahnweiler 1958, S. 61. Kahnweiler 1968, S. 85. Siehe auch Nicolaj van der Meulen: Transparente Zeit. Zur Temporalität kubistischer Bilder, München 2002, S. 54 f. und 138. Kahnweiler 1968, S. 64 f. und 104. Ibid., S. 171. Will Grohmann: Bildende Kunst und Architektur, Berlin 1953, S. 112; Werner Haftmann: Malerei im 20. Jahrhundert, München 1954, S. 108–113, Alfred Schmeller: Kubismus, Wien 1956, S. 7 und 12 f.; Zahn 1956, S. 52–56. Haftmann 1954, S. 10. Siehe zu diesem Aspekt auch Schieder 2004, S. 57. Grohmann 1953, S. 98 f.; Werner Haftmann: Malerei im 20. Jahrhundert, München 1955 (Tafelband), S. 111. Siehe Grohmann 1953, S. 14. Werner Haftmann: Juan Gris, in: Die ZEIT, 3. Juni 1948, wiederabgedruckt in: id. 1960, S. 143–145. Haftmann 1954, S. 435. Ibid., S. 281. Ibid., S. 466. Ibid., S. 151. Ibid., S. 464.
Abstrakt oder figurativ? Das umstrittene Menschenbild in der französischen und deutschen Kunsttheorie nach 1945
Harriet Weber-Schäfer
Unterschiedliche Ausgangssituation, gleicher Konflikt »Der Kampf um die neue Kunst erscheint besonders heftig, wenn wir Deutschland mit Frankreich vergleichen«, behauptet 1962 Franz Roh in seinem Buch Streit um die moderne Kunst.1 Er hat sich geirrt. Denn die Debatte um die Abstraktion, die Roh hier »neue Kunst« nennt, ist kein typisch deutsches Phänomen gewesen. In Frankreich wird nach dem Zweiten Weltkrieg mit dergleichen Intensität über die »neue Kunst« gestritten wie in Deutschland. Une nouvelle Querelle des Images nennt der Kunstkritiker Pierre-Georges Bruguière 1951 die nationale Kontroverse zwischen Abstraktion und Figuration.2 In beiden Ländern wird die Diskussion von der Frage beherrscht, welche künstlerische Ausdrucksform ihrer Zeit adäquat sei.3 Und auch inhaltlich gibt es zahlreiche Übereinstimmungen, die sich in einem Punkt verdichten: Wie manifestiert sich das Bild des Menschen in der zeitgenössischen Kunst? So diskutieren 1950 auf dem ersten Darmstädter Gespräch Gegner und Befürworter der Moderne drei Tage lang über das Thema Das Menschenbild in unserer Zeit (Abb. 44).4 Zur selben Zeit eskaliert in der französischen Kunstszene der Streit um ebendieses Problem. »Ce que va devenir l’homme: s’il est perdu ou s’il a des chances d’être sauvé?«, fragt Pierre Loeb in seinen Regards sur la Peinture.5 Die Tatsache, daß nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland wie in Frankreich diese Frage im Mittelpunkt der Kunstdebatten steht, ist nicht nur ein Indiz dafür, daß es kein einheitliches Menschenbild gibt, es verweist vor allem darauf, wie ausgeprägt das Bedürfnis nach einem solchen ist. Daß verschiedene Auffassungen parallel existieren, kann man offensichtlich nicht akzeptieren. Es geht
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darum, in welcher Bildsprache – abstrakt oder figurativ? – sich das »jetzige Menschenbild« und »Lebensgefühl der Zeit« authentischer verwirklichen läßt.6 Der Begriff »Menschenbild« ist also nicht nur Ausdruck der Suche der Menschen nach sich selbst und der Sehnsucht nach einer homogenen Gesellschaft, sondern fungiert als zentraler Kampfterminus im Streit um die Moderne. Möchte man den deutschen Diskurs mit dem französischen vergleichen, stellt man zunächst fest, daß beide bisher noch nicht in einem Zusammenhang gesehen worden sind. Das ist nicht erstaunlich, denn zum einen stehen die Forschungen zu den deutsch-französischen Kunstbeziehungen zwischen 1945 und 1959 erst an ihrem Beginn.7 Zum anderen gibt es bisher keine Hinweise auf eine direkte Verbindung zwischen den beiden Debatten. Das Darmstädter Gespräch etwa, an dem nur deutschsprachige Redner teilnehmen, dient eher der nationalen Selbstbesinnung als daß es den internationalen Austausch sucht. Auf dem ersten Weltkongreß der AICA wiederum, der 1948 in Paris stattfindet, diskutieren Delegierte aus 37 Ländern um abstrakte und realistische Kunst.8 Nur die Deutschen streiten hier nicht mit, da sie nicht eingeladen sind; vor diesem Hintergrund erklärt sich die Fehldiagnose Rohs, die deutsche Kontroverse um die abstrakte Kunst sei heftiger gewesen als die französische. Wer den französischen Streit um das Menschbild im Spiegel der deutschen Debatte sehen will, muß folglich die Schlüsselbegriffe analysieren, deren Konnotationen national decodieren und nicht zuletzt die nach Kriegsende höchst unterschiedlichen politischen, gesellschaftlichen und ästhetischen Rahmenbedingungen berücksichtigen. Die Rekonstruktion dieses imaginären bilateralen Gesprächs ermöglicht neue Einblicke in die deutsch-französische Kunstgeschichte nach 1945, vermittelt den schwierigen, von den Erschütterungen des Krieges, aber auch noch von den ästhetischen Diskursen der Zwischenkriegszeit geprägten Neubeginn und verdeutlicht mit welcher existentiellen Konsequenz um die »richtige« Kunst gerungen wird.
Freiheit / Libération »Ist der Durchbruch der ›non-figurativen Kunst‹ nach 1945 in den verschiedenen Ländern als Ausdruck der ›libération‹ zu verstehen?« So lautet die erste Frage, die den internationalen Teilnehmern auf dem sogenannten Leverkusener Gespräch gestellt wird, das am 1. Dezember 1956 anläßlich der Ausstellung Malerei und Plastik in Westdeutschland – 1956 im Museum Morsbroich der Stadt Leverkusen stattfindet (Abb. 35–36).9 Für beide Nationen markiert das Jahr 1944 beziehungsweise 1945 eine tiefgreifende Zäsur. Die Künstler können wieder frei und ohne politische Reglementierungen arbeiten, über ihre Werke wird wieder ohne Zensur
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und kontrovers geurteilt. Liberté, Freiheit heißt das Schlüsselwort. Soweit die Gemeinsamkeiten, deren Voraussetzungen aber grundlegend differieren. Für die Deutschen endet der Krieg 1945 mit der bedingungslosen Kapitulation und Besetzung ihres Landes. Die nationalsozialistische Repression hat zu einem kulturellen Bruch und zur Orientierungslosigkeit hinsichtlich der ästhetischen Werte geführt. Museen und private Sammlungen sind ihrer modernen Kunstschätze beraubt, Künstler und Kunstvermittler hatten Arbeitsverbot, haben das Land verlassen oder in die innere Emigration gehen müssen. Nach zwölf Jahren Gleichschaltung ist es erstmals wieder möglich, moderne Kunst in verschiedenen Ausformungen zu gestalten, auszustellen und öffentlich zu kritisieren. Wichtigstes Anliegen der ersten Ausstellungen, wie der Deutschen Kunstausstellung in Berlin und der Allgemeinen Deutschen Kunstausstellung in Dresden, ist es, die von den Nationalsozialisten als »entartet« diffamierte Kunst zu rehabilitieren. Frankreich gehört zwar zu den Sieger- und Besatzungsmächten Deutschlands, ist aber selbst erst im August 1944 von der Okkupation der Deutschen befreit worden. Trotzdem haben während der vierjährigen Besatzung in einigen Galerien Ausstellungen stattfinden können, obwohl sie nicht dem Programm der Nationalsozialisten und Kollaborateuren entsprachen, war das von Emigranten gefüllte Paris ein Sammelbecken der internationalen Moderne.10 Vor diesem Hintergrund erlebt die Stadt im Oktober 1944 den ersten freien Salon d’Automne nach Kriegsende, den sogenannten Salon de la Libération.11 »La liberté! Mot magique, accompagnement indispensable du mot Art«, schreibt André Lhote enthusiastisch und sieht die ausgestellte Malerei als Beweis dafür, daß »malgré l’oppression la grande peinture française est restée vivante et fervente.« 12 Für die Franzosen steht fest: die Kulturpolitik der deutschen Besatzer hat die französischen Künstler nicht daran gehindert, nach ihrer eigenen traditionsbewußten wie modernen Auffassung zu arbeiten. Der Star heißt Picasso. Ihm, der zwei Tage vor der Eröffnung des Salon der Parti Communiste beigetreten ist, wird eine große Retrospektive gewidmet. Seine Kunst gilt als das Symbol der künstlerischen Résistance, hat er doch Paris während der Okkupation trotz Ausstellungsverbots nicht verlassen. Überhaupt sieht man die moderne Kunst noch ganz im Zeichen der Résistance. So unterzeichnet Picasso 1946 anläßlich der Ausstellung Art et Résistance gemeinsam mit Matisse, Marquet und Bonnard eine Erklärung, in der sie unterstreichen, »que leur travail et leur art témoignassent de ce qui les lie à l’héroïsme français«. Sie verstehen ihre Ausstellung als »un geste d’admiration, de reconnaissance et de justice envers tous ceux qui sont tombés pour que vive la France, et particulièrement les Francs-Tireurs et Partisans«(Abb. 46).13 Dieses Bekenntnis zeigt exemplarisch, wie stark der Begriff
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46 Erklärung von Pablo Picasso, Henri Matisse, Albert Marquet und Pierre Bonnard im Katalog Art et Résistance. Exposition organisée par les Amis des Francs-Tireurs et Partisans français au Profit de leurs Œuvres im Musée des Arts modernes, Paris 1946.
»Freiheit« in der Kunst in den ersten Jahren nach der Okkupation in Frankreich politisch konnotiert ist. Dementsprechend ist auch die Kontroverse um Abstraktion und Figuration in Frankreich ausgerichtet. Erst mit der Durchsetzung der abstrakten Kunst in der französischen Kunstszene ab 1949 wandelt sich das künstlerische Verständnis von »Freiheit«, die zunehmend als ästhetische Kategorie verstanden wird. Nun vereinnahmen die Anhänger der abstrakten Kunst den Begriff für sich. »L’art abstrait se présente, enfin, comme un moyen de libération«, meint Marcel
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Brion, und der abstrakte Maler Auguste Herbin fügt hinzu: »L’Art Non-objectif assure une plus grande liberté, tant à l’artiste qu’au spectateur«.14 Die Idee von der gegenstandslosen Kunst als Befreiung findet sich auch in vielen westdeutschen Publikationen.15 Im Unterschied zu Frankreich halten sich die Künstler aber bewußt zurück, den Begriff »Freiheit« beziehungsweise »Befreiung« mit gesellschaftspolitischer Bedeutung zu füllen. Nach der nationalsozialistischen Kulturpolitik hegt man in Westdeutschland gegenüber jeglicher Form von Ideologie tiefes Mißtrauen. »Wenn also Befreiung, dann wirkliche geistige Freiheit und innere Unabhängigkeit«, äußert 1945 Heinz Trökes und fährt fort: »Ich will kein Programm für uns Künstler entwerfen, das ist fauler Zauber«.16 Auch für Ernst Wilhelm Nay besitzt Kunst keine politische Relevanz. »Was hat Politik mit Kunst zu tun?«, fragt er 1946 provokant.17 Nicht nur Anhänger der Abstraktion bestehen auf der individuellen Freiheit und Unabhängigkeit des Künstlers. So betont Karl Hofer 1948 in seinem Artikel Kunst und Politik, daß Kunst nie politisch sein dürfe 18, ein Jahr später verurteilt er die Politik als »die erbärmlichste, schmutzigste, verbrecherischste menschliche Tätigkeit«19. Die dezidiert apolitische Position, mit der man sich in Westdeutschland von der Kunstpolitik im Osten absetzt, bestimmt auch das erste Darmstädter Gespräch. Sowohl Gegner wie Befürworter der abstrakten Kunst gehen nicht auf die Zeit des Nationalsozialismus ein, gesellschaftspolitische Aspekte der Kunst bleiben ausgeblendet20, es wird nicht reflektiert, wie sich das Menschenbild nach 1945 vom dem des Faschismus unterscheiden soll – einzig Baumeister wäre dazu in der Lage gewesen, doch vom Manuskript abweichend improvisiert auch er eine dezidiert apolitische Rede.21 Bezeichnenderweise stammt der einzige Teilnehmer, der diese Grundhaltung während der Veranstaltung konstatiert, aus der Deutschen Demokratischen Republik; vergeblich versucht der Weimarer Architekturhistoriker Hermann Weidhaas, eine Diskussion über Kunst und Volk anzuregen.22 Für beide Nationen bringt das Jahr 1944/45 Befreiung und Freiheit, doch die Beurteilung der eigenen kulturellen Situation könnte nicht unterschiedlicher ausfallen. In Frankreich ist sie geprägt vom Stolz auf das Eigene. »Seule notre peinture est une peinture complète«, verkündet Bernard Dorival 1946 in seiner dreibändigen Kunstgeschichte und beruft sich auf das »génie national«, das dem anderer Länder überlegen sei;23 für Pierre Francastel besitzt die französische Malerei schlicht die »primauté absolue« 24. Dorival hält die französische Kunst zwar als einzige für vollständig, unterschlägt aber die gesamte abstrakte Kunst – über die Künstlervereinigungen Cercle et Carré und Abstraction–Création der Zwischenkriegszeit ist bei ihm nichts zu lesen. Für ihn und andere gehört die abstrakte Kunst offensicht-
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lich nicht zur französischen Kunsttradition. So behauptet Francastel 1946, nur der Impressionismus und Kubismus seien in der modernen Kunstentwicklung wichtig gewesen. Alle anderen Tendenzen, wie Fauvismus, Symbolismus, Expressionismus und Surrealismus hätten keine Bedeutung, wobei er die abstrakte Kunst in seiner Aufzählung nicht einmal erwähnt. Unmißverständlich setzt er die französische Kunst von der deutschen ab: »L’École de Paris ne doit rien à la culture allemande et elle sera, j’en suis sûr, pour tous les arts, la source de formules neuves qui laisseront l’art de demain échapper à l’emprise morbide du germanisme.« 25 Die Malerei des Bauhauses und die abstrakte Kunst generell spielen in seinen Augen keine Rolle für die École de Paris. Während hier nationalistische Töne angeschlagen werden und man sich stolz auf die eigene Tradition beruft, versucht man dort erst einmal wieder Anschluß zur internationalen Kunstszene zu finden. So haben das erste Darmstädter Gespräch und die dazu parallel stattfindende Ausstellung zum Ziel, einen »Beitrag zur Wiederherstellung des Ansehens unseres Vaterlandes unter den Kulturvölkern dieser Erde« zu leisten.26 Man weiß nicht, wo die deutsche Kunst nach 1945 steht, man habe nicht einmal gewußt, schreibt Will Grohmann 1958 rückblickend, »ob es noch Kunst gibt und ob sich in absehbarer Zeit Voraussetzungen für eine neue künstlerische Tätigkeit ergeben würden.« 27 Im Vergleich zum selbstbewußten Frankreich ist in Deutschland die Selbsteinschätzung der kulturellen Situation von Unsicherheit geprägt. Von nationalistischer Stimmung nichts zu spüren; die kulturelle Identität ist durch Diktatur und Krieg gebrochen. »Wir versuchen unsere Position zu bestimmen«, erklärt 1947 der Kunstsammler Ottomar Domnick in dem von ihm herausgegebenen Buch Die schöpferischen Kräfte in der abstrakten Malerei.28 Für ihn und seine Mitstreiter – zu ihnen gehören Roh, Will Grohmann und Werner Haftmann – besteht gleichwohl nicht der geringste Zweifel, daß die Abstraktion die neue Sprache der Kunst sein wird.
Mensch / Figure 1945 veröffentlicht Paul Haesaert in dem von Gaston Diehl herausgegebenen Buch Les problèmes de la peinture einen Beitrag über die Déformation et Expression in der französischen Moderne. Mittels einer Illustration (Abb. 47) unterscheidet er drei Arten der Darstellung der menschlichen Figur. Die erste Figur gehört zum »bataillon des abstracteurs« mit Seurat an der Spitze, dem de la Fresnaye, Lhote, Gromaire, Léger und die Kubisten folgen. Die zweite Figur repräsentiert das »bataillon des fiévreux«, zu dem er van Gogh, Rouault und Soutine zählt. Und die dritte Figur symbolisiert das »bataillon des stylistes«, das das erfolgreichste der zeit-
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Illustrationszeichnung von Paul Haesaerts, in: Les Problèmes de la Peinture, hrsg. von Gaston Diehl, Paris 1945.
genössischen französischen Malerei sei; ihm gehören Bonnard, Picasso, Matisse, Braque, Dufy, Marchand und die Fauvisten an.29 Haesaerts Einteilung zeigt, daß man sich nach dem Zweiten Weltkrieg erst einmal zu orientieren versucht, in welchen Formen sich das Menschenbild in der Malerei äußert. Was aber, wenn die menschliche Figur gar nicht mehr im Bild erscheint? Verschwindet mit ihr auch das Menschenbild? Dies wird der Abstraktion immer wieder vorgehalten. Pierre Loeb etwa vermißt in ihr grundsätzlich »l’HUMAIN« – konsequent setzt er das Wort in Versalien. Wie in Mondrians Bild Boogie-Woogie (Abb. 48) trete an die Stelle des Menschlichen die »dépersonnalisation de l’homme« und ein die Welt beherrschender Maschinismus: »Mais il semble que c’est la machine, maintenant, qui fait le portrait de l’homme.« 30 Auch Jean Cassou beobachtet den Maschinismus in der Kunst, eine Gefahr, die in der autonomen Eigengesetzlichkeit der Bilder liege: »La création sera objet. Un objet aussi distinct et autonome que la technique qui l’a créé.« 31 Sieht man zur gleichen Zeit auch in Deutschland die Malerei durch einen Maschinismus gefährdet? Viele Gegner der abstrakten Malerei teilen die Kritik, die gegenstandslose Kunst betreibe eine Gleichsetzung von Mensch und Objekt und sei ein Symptom des herrschenden Maschinismus in der Welt. Auf diese Weise gehe, so Sedlmayr, die »große europäische Tradition des leiblichen Menschenbildes« in der Kunst verloren, da diese sich vom Menschen abwende.32 Die Folge des Strebens nach Reinheit sei die »Herabsetzung des Menschen auf das Niveau der toten Dinge«, der Mensch verschwinde aus der Kunst und werde zur »Ruine und zum
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Automaten«.33 Dementsprechend beklagt Rudolf Schlichter, daß der »Herrschaftsantritt des modernen Roboters« mit dem Verlust des Menschenbildes einhergehe.34 Seine Zeichnung Entführung (Abb. 49) thematisiert genau diese Problematik – ein Roboter hat sich einer schlafenden menschlichen Figur bemächtigt und trägt sie fort. Wilhelm Hausenstein drückt sich poetisch aus: abstrakte Bilder würden schon »in statu nascendi aufgehört haben, zu atmen«, sie würden eher der »mechanischen Welt angehören als dem organischen Dasein«.35 Sowohl von französischen als von deutschen Kritikern wird das abstrakte beziehungsweise das vom Naturvorbild abstrahierende Bild mit Maschinen gleichgesetzt. Besonders die geometrische Abstraktion steht unter dem Verdacht der Zweckgebundenheit, rückt sie doch in die Nähe der technischen Präzisionsarbeit und Produktionsweise von Maschinen. Abstrakte Malerei versteht man als Ausdruck der Entindividualisierung des Menschen. Umgekehrt wird die Tatsache, daß der Mensch in der gegenständlichen Malerei als figürliche Gestalt abgebildet ist, als Beweis dafür gewertet, daß der Mensch – im Gegensatz zum Maschinismus – die Vorrangstellung gegenüber dem Objekt innehabe. Nach Ansicht des Malers Bernard Buffet stiftet die Gegenstandslosigkeit den Betrachter zum Sichgehenlassen, zur Flucht vor der Wirklichkeit an, während die figürliche Malerei ihn mit der Wirklichkeit konfrontiert und zur Stellungnahme zwingt, das einzige Mittel ist, korrektiv auf die Welt einzuwirken.36 Die Abbildung des Menschen wird als Zeichen des Lebens und – vor dem Hintergrund des Weltkriegs – des Überlebens verstanden. Auch sein Kollege Jean Hélion fordert, wieder den Menschen zum zentralen Thema der Malerei zu machen, zumal gerade seine physische Wiedergabe einen reichhaltigen Formenschatz für den Künstler biete: »Quoi de plus clair, et pourtant de plus profond, que la figure humaine?«37 A rebours heißt sein Gemälde von 1947, auf dem er sich selbst zwischen einem seiner frühen abstrakten Bilder und der Figur einer nackten Frau darstellt (Taf. IX). Das Bild ist programmatisch für die Stellung, die Hélion der menschlichen Figur in der Malerei einräumt – es ist das Zentrum. In Deutschland scheint das Bedürfnis, nachdem das nationalsozialistische Menschenbild in theatralischer Pose und heroischer Mimik verharrte, dem Menschen wieder ein Gesicht zu verleihen und ihn als Individuum zu kennzeichnen, noch ausgeprägter. Mit Vehemenz werden daher die Vertreter der Abstraktion kritisiert, daß in ihrer Kunst das Porträt eine »ausgestorbene Kategorie« sei 38; Alois Melichar beschimpft die gegenstandslosen Künstler gar als »abstrakte Malerkrüppel« 39. Die Anhänger der abstrakten Kunst finden es dagegen konsequent, wenn die klassische Bildgattung obsolet wird.40 Doch die Tatsache, daß sie die menschliche
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Rudolf Schlichter: Entführung, um 1949, Tuschfederzeichnung, Verbleib unbekannt.
Figur nicht mehr abbilden, sei keineswegs als ein Zeichen dafür zu verstehen, daß ihre Kunst sich vom Menschen abwende. Im Gegenteil: »Das jetzige Menschenbild läßt sich für mich nur noch in der abstrakten Kunst verwirklichen«, so Ottomar Domnick zwei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs.41 Nach Baumeister muß der Künstler vom »Nullpunkt« ausgehen, sich von der »Tradition« lösen, um zu einem neuen Menschenbild zu finden.42 Und so betont er auf dem Darmstädter Gespräch, daß der Mensch sehr wohl in der abstrakten Kunst präsent sei: »Die moderne Kunst
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schafft nicht nach der Natur, sondern wie die Natur. Der Mensch ist in der abstrakten Malerei vorhanden wie in jeder anderen Malerei. Er ist doch drin. Der Mensch ist auch in Landschaften vorhanden, in denen keine Menschen sind.« 43 Die Abstrakten haben also ein integratives Verständnis vom Menschenbild, das heißt sie lehnen die Darstellung des Menschenbilds an sich nicht ab, verfolgen aber eine andere Methode als die figurative Malerei, um es sichtbar zu machen. Das abstrakte Menschenbild verweise darauf, wie Baumeister anführt, daß sich die Stellung des Menschen zur Natur geändert habe. Der Mensch stehe nicht mehr außerhalb der Natur, sondern sei eins mit ihr. Die abstrakte Kunst ist keine Nachschöpfung des Menschenbildes nach dem Naturvorbild, sondern eine zweite, eine eigene Schöpfung eines Menschenbildes. Nach Haftmann stellt die gegenstandslose Kunst den Menschen als Subjekt ins Bild, ohne einen figürlichen Protagonist auftreten zu lassen. Denn das Bild sei, so Haftmann 1952, kein »Gleichnis des Menschlichen in der Metaphorik des menschlichen Leibes«, sondern »selber Leib.« 44 Auch wenn der Mensch nicht mimetisch abgebildet werde, ergänzt der Soziologe Alfred Weber, sei das abstrakte Kunstwerk Ausdruck des »seelisch Wesenhaften des Menschen und der menschlichen Daseinssituation«.45 Ganz offensichtlich kulminiert im Streit um das Menschenbild der Kampf zwischen Abstraktion und Figuration. Ihn muß man gewinnen, wenn man sich gegenüber dem anderen behaupten will. Dies ist in Frankreich nicht anders als in Deutschland. »Il a fallu d’abord vaincre le corps humain«, gibt Michel Seuphor 1949 in seiner Programmschrift L’Art abstrait als Parole aus. »La représentation de l’homme est une fabrication de cadavre […] mais l’expression spirituelle de l’homme est d’une splendeur toujours nouvelle«.46 Nicht das Abbild der körperlichen Gestalt, sondern die Visualisierung der menschlichen Innenwelt wird zum zentralen Anliegen erklärt. Nach Charles Estienne zeigt sich nur in der gegenstandslosen Kunst die »réalité de l’homme intérieur«.47 Nicht in der äußeren Gestalt des Menschen, sondern in seinem Wesen suche die abstrakte Kunst das Menschenbild – »l’homme non pas à sa figure mais dans son essence«.48
Das Geistige / Le Spirituel In beiden Ländern erklären die Anhänger der Abstraktion, daß ihre Kunst sich nicht vom Menschen abwende, sich vielmehr auf seine seelische, wesenhafte und geistige Seite konzentriere. Je mehr Verbreitung dieser Anspruch nicht zuletzt durch die Übersetzung von Kandinskys Buch Über das Geistige in der Kunst in Frankreich findet, um so heftiger wird er von Seiten der Figuration in Frage gestellt.49 Louis Hautecœur beklagt, daß durch den Verlust des figürlichen Menschenbildes deutlich werde, daß
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der Mensch nicht mehr als Krönung der Schöpfung angesehen werde: »Il n’est plus supérieur placé par Dieu au sommet de la nature.« 50 Germain Bazin wirft den abstrakten Künstlern sogar vor, sie eigneten sich wie Gotteslästerer das Prinzip der göttlichen Schöpfung an: »Luciférien, l’homme moderne se divinise et divinise son activité. Il voudrait donner à ses œuvres cette propriété qui est l’attribut du concept philosophique de Dieu: l’aséïté, c’est-à-dire l’existence par soi-même.« 51 Doch nicht nur von der Figuration, sondern auch von der Abstraktion wird der Begriff des »Geistigen« in einen religiösen Kontext gebracht. Nach Herbin kann das Geistige und Absolute nur dargestellt werden, wenn man sich von der Abbildung der materiellen Welt trennt. »Pour retrouver Dieu, pour retrouver L’Esprit Créateur, pour retrouver les lois de l’esprit, il faut nous séparer de la matière«.52 Das Geistige befinde sich in einem Kreislauf des ewigen Lebens, wohingegen das Materielle vergänglich sei. Die Vorrangstellung des Geistigen in der abstrakten Kunst führt nach Herbin statt zur Wiedergabe der Idee Gottes zu ihrer Realisation. Er zitiert dazu in seinem Buch L’art non-figuratif, non objectif gleich mehrere Bibelstellen. Sie sollen dialektisch belegen, daß die Abstraktion am Ende einer langen Entwicklung stehe, die ohne Bezug zur Religion und in Unkenntnis der biblischen Quellen die Abbildung nach dem Naturvorbild ablehne.53 Ein solcher Exklusivitätsanspruch auf die Verkörperung des Geistigen kann nicht unwidersprochen bleiben. Bruguière weist 1951 beiden Kunstrichtungen eine gleichwertige Präsenz des Geistes zu.54 Auch im Umkreis der Jeunes peintres de tradition française betont man, daß Kunst immer etwas mit Abstrahieren zu tun habe, jedoch nicht mit purer Abstraktion: »Wenn, seitdem es Kunst gibt, die Menschen, um sich Ausdruck zu verleihen, immer von der Außenwelt ausgingen, so deshalb, […] weil sie diese äußere Welt nicht von der inneren unterschieden, weil sie in ihrem Antlitz das eigene Antlitz wiedererkannten.« 55 Die Trennung von der materiellen Welt, für die Herbin plädiert, ist für Bazaine gar nicht nötig, um das Geistige darzustellen. Die deutsche Diskussion um das Geistige in der Kunst scheint noch stärker religiös geprägt als die französische. Hier führt eine wertkonservative katholische Kunstkritik die Ebenbildlichkeit des Menschen zu Gott als zentrales Argument gegen die abstrakte Kunst an: »Es wird verkannt, daß zum Wesen des Menschen ›Persönlichkeit‹ gehört, daß aber ›Persönlichkeit‹ nur als Ebenbild Gottes definiert und festgehalten werden kann«, schreibt ihr prominentester Vertreter Sedlmayr 56, dem sich Hausenstein anschließt 57. Schlichter interpretiert die gegenstandslose Malerei sogar als Rückfall in die jüdische und protestantische Bilderfeindlichkeit.58 Die Tatsache, daß das Menschenbild in der abstrakten Kunst nicht mehr leib-
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haftig sei, interpretieren Sedlmayr, Hausenstein und Schlichter als gestörtes Verhältnis zu Gott, die einzige Chance für die Regenerierung der Kunst sehen sie in der christlichen Religion. Die Fürsprecher der Abstraktion wollen ihre Bildsprache aber gar nicht als Absage an die Religion verstanden wissen. So hält Gustav Hartlaub im Darmstädter Gespräch Sedlmayr entgegen, dieser habe den Satz »Gott schuf den Menschen nach seinem Ebenbild«, zu wörtlich genommen.59 Der Respekt vor dem Göttlichen bleibe in der abstrakten Kunst als transzendente Macht erhalten: »Gerade diejenigen von uns, die […] nicht mehr von einem persönlichen Gott zu sprechen wagen, werden in der Kunst nicht etwa einen ›Ersatz‹, sondern eine ›Nachfolge‹ der religiösen Bindung begrüßen.« 60 Baumeister widerspricht ebenfalls Sedlmayrs Auffassung, daß die Abstraktion »ohne Rückverbindung – religio« sei. Ihr läge zwar keine bildliche Gottesvorstellung zugrunde, doch sie sei geistiger als die Figuration. Denn während der gegenständliche Maler seinen Bildgegenstand erst mit geistigem Inhalt füllen müsse, seien in der abstrakten Malerei »die geistigen Werte von Anfang an nutzbarer, offenliegender.« 61 In die Debatte um den religiösen Gehalt der neuen Kunst mischt sich ein weiterer Aspekt, der sich nicht in der französischen wiederfindet. Das »Heil der bildenden Kunst« liege laut Hausenstein »in christlicher Erneuerung« der Kunst.62 Und für Hofer hat die figürliche Malerei schlicht Erlösungsfunktion: »Armut kann durch die Kunst im Bilde geadelt werden. Ein Greisin, lebensmüde und im Körper entwürdigt durch Mühsal und harte Arbeit, ist nicht häßlich. Erbarmen und ein Gefühl der Schuld […] zwingt unser Sehen bereits in die Richtung, wo die Heiligung durch Kunst erfolgt.« 63 Heil und Erlösung durch die Kunst – es liegt nahe, solche Visionen vor dem Hintergrund der von Deutschen verursachten Kriegsgreuel und vor der Frage nach der Schuld zu sehen. Auf welches Weltbild kann man sich nach dem Krieg »angesichts des unsagbaren Leiden der Menschheit« noch berufen, fragt Baumeister.64
Humanismus / Humanisme Es ist ein Begriff, der dem neuen Menschenbild in beiden Ländern sein Antlitz geben soll: der Humanismus. Von Vertretern der Figuration wird der Mensch in seiner bildhaften Gestalt als d a s Kriterium für eine humanistische Malerei verstanden. Nach Sedlmayr bewegt sich die Moderne »fort vom Humanismus«, »fort vom Menschen«.65 Bei der Moderne handelt es sich, so Hans Sahl, um eine »Flucht vor den Entscheidungen und Verantwortungen, mit denen sich der Künstler im Umgang mit der Realität auseinanderzusetzen hat.« 66 Die abstrakte Kunst führe zur Vereinsamung des Individuums und zum Verlust der Menschenliebe. Dem abstrakten Künstler fehle, kritisiert Melichar, »die metaphysische verwandelnde Kraft des
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liebenden Blicks, er ist zu stumpf und selbstsüchtig.« 67 Solche Äußerungen verdeutlichen, weshalb prominente Befürworter der figürlichen Malerei in den Vierzigern und frühen Fünfzigern den »Humanismus« als Kampfbegriff gegen die abstrakte Kunst verwenden: Die Debatte um das Menschbild kristallisiert sich zum Streit um die Moderne, den es im Namen des Humanismus zu gewinnen gilt. Gleichzeitig manifestiert sich hierin das Bedürfnis nach einem kontinuierlichen Bewertungsmaßstab für Kunst und die Sehnsucht nach einem stabilen Welt- und Menschenbild. Den französischen Anhängern der Figuration dient das humanistische Weltbild ebenfalls als Berufungsinstanz. »La vie de l’homme semble n’avoir plus le même valeur. […] Il n’est plus supérieur placé par Dieu au sommet de la nature«, beklagt Hautecœur 1957 einen dramatischen Wertewandel. Der gesellschaftliche und religiöse Umbruch, nach dem sich der Mensch nur noch als ein Staubkorn in einer physikalischen Welt fühle, spiegele sich in der abstrakten Kunst wieder: »L’art abstrait parut être l’aboutissement d’une évolution fatale, le résultat d’un déterminisme implacable. N’avons-nous pas vu se dégrader le vieil idéal humaniste, s’estomper progressivement la représentation humaine, se dissoudre la nature?« 68 Dem Vorwurf des Antihumanismus begegnet die französische Abstraktion, indem sie den Begriff »Humanismus« für sich selbst in Anspruch nimmt, ja glaubt, den »wahren« Humanismus zu verkörpern. So formuliert die Zeitschrift Prisme des Arts in ihrer ersten Nummer programmatisch den Leitgedanken: »L’humanisme, tel que nous l’entendons, n’est pas une conception de la figure humaine et du visage humain. C’est un sentiment de la présence l’homme dans toute œuvre marquée de son génie«.69 Herbin unterscheidet zwischen einem »vrai et faux humanisme«. Den der figurativen Malerei hält er für falsch, weil er den Menschen in Unkenntnis von Kunst belasse, was am Ende zu einer »exploitation, consciente ou organisée, de cette ignorance« führe. Dagegen sei der Humanismus der abstrakten Kunst wahrhaftig, weil er das Erkenntnisvermögen des Menschen fördere und so zur »exaltation de l’homme« beitrage. Aus diesem Grund sei die abstrakte Malerei »éminemment humaniste«.70 Die Unterscheidung zwischen einem »wahren« und einem »falschen« Humanismus ist Ausdruck der Suche nach einer neuen Ethik in der Kunst. »C’est un humanisme véritable, mais qui n’est plus chrétien ou méditerranéen mais mondial, sans dogmes, sans limitations doctrinales«, schreibt Seuphor 1949 in seinem Buch L’Art abstrait.71 Der Humanismus in der abstrakten Malerei liegt für Seuphor im Glauben an etwas, was alle Menschen verbindet und jede Grenze überwindet. Georges Boudaille bezeichnet die abstrakte Malerei als »humanitarisme intelli-
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Benjamin Péret: La soupe déshydratée, in: Almanach du Demi-Siècle, Paris 1950.
gent«, weil sie dem Publikum eine Sprache zur Verfügung stelle, die universal verstanden werde.72 Trotz der Autonomie der bildnerischen Mittel und gegenüber der sichtbaren Wirklichkeit bleibe die Kunst das, laut Pierre Soulages, was sie schon immer war, nämlich, eine »humanisation du monde«.73 Ebendiese universale Kommunikationsfähigkeit der Abstraktion wird durch die Figuration kategorisch in Frage gestellt. Mit einer abstrakten(!) Karikatur für den Almanach Surréaliste du Demi-Siècle des Jahres 1950 parodiert Benjamin Péret die Sprachlosigkeit der geometrischen Abstraktion (Abb. 50). In ihr sind schematisch Elemente geometrischer Bildkompositionen – Kreis, Halbkreis, Rechteck und Dreieck – in der manière eines Herbin angeordnet. Am rechten Bildrand sprengt ein plakatives Ausrufezeichen die Bildbegrenzung, ganz im Sinne des »rien à dire«, das Péret der abstrakten Kunst unterstellt.74 Denn das Malen eines abstrakten Bildes komme dem Prinzip amerikanischer Tütensuppen gleich – »à figurer plastiquement des opérations mathématiques ou à juxtaposer des plaques de couleur plus ou moins harmonieusement distribuées sur la toile« –, sein Inhalt verweigere sich aber dem Betrachter, da jeder Künstler in einer »langage de sourd« spreche. Es geht sowohl den Anhängern der abstrakten Kunst als auch denen der figurativen um die Frage, welche die »richtige« ist. Daß es mehrere richtige Möglichkeiten geben kann, schließt sich aus, vielmehr wirft man dem Gegner vor, dem Men-
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51 Willi Baumeister: Karikatur in Das Menschenbild in unserer Zeit. Darmstädter Gespräch, hrsg. von Hans Gerhard Evers, Darmstadt o. D. [1951].
schen ein »falsches« Bild von sich zu geben. Dies ist in Deutschland nicht anders als in Frankreich. So zeichnet Baumeister während des Darmstädter Gesprächs eine Karikatur über Sedlmayrs vermeintlich »falsches« Menschenbild (Abb. 51). Wie ein Erzengel schwebt in ihr Sedlmayr mit erhobenem Zeigefinger als »Obermensch« heran, unter ihm erkennt man einen »Untermensch«, dem im wahrsten Sinn des Wortes die Mitte fehlt – nämlich die ganze Bauchpartie.75 Sedlmayr richtet ein Torpedo auf ein Schriftfeld, auf dem eine Liste zentraler Vertreter und Werte der modernen Kultur stehen, darunter auch der Begriff »mod. Humanität«.
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Es ist bemerkenswert, daß die abstrakte Partei in Deutschland, anders als in Frankreich, dem klassischen Begriff »Humanismus« offensichtlich den der »Humanität« vorzieht. Diese Differenzierung findet sich pointiert bei Nay, der 1955 in seinem Buch Vom Gestaltwert der Farbe betont: »Die Malerei ist a-human. Das Humane ist nicht Anliegen des Künstlers […], selbst wenn eine humane Idee in der Absicht des Künstlers liegt, selbst dann erweist sich das Kunstwerk als solches endlich vorerst durch die Form.« 76 Aus Nays Diktum spricht eine unmißverständliche Absage an jeglichen Versuch, die Kunst ideell oder ideologisch zu mißbrauchen. Gestaltung ist für Nay wichtiger als menschliche Absichten, ja, er lehnt eine Position ab, die per se an den Künstler die Forderung des Humanismus heranträgt. Er findet hierin die Unterstützung von Haftmann, der in seiner Kritik an Sedlmayr klarstellt, daß »das Christliche, das Humanistische […] nie Ausgangspunkt seiner Tätigkeit sein, sondern nur das glückhafte Resultat«.77 Dies bedeutet aber nicht, daß der Rezipient der abstrakten Malerei nicht ein neues Menschheitsbild und Weltbild entdecken könne. Dieses Menschheitsbild wird von Domnick und anderen Verteidigern der abstrakten Kunst aber nicht mehr in Übereinstimmung mit dem humanistischen Weltbild gebracht: »Die Erkenntnis, daß der Mensch nicht mehr das Maß aller Dinge ist, die uns auch aus der abstrakten Malerei anspricht, erscheint daher so bedrohlich und unheimlich, weil sie den sicheren Boden erschüttert, den wir seit der Renaissance als Beherrscher der Welt einzunehmen glaubten.« 78 Der Epoche der Renaissance, in der die figürliche Malerei einen Höhepunkt der europäischen Malerei erlebte und zugleich den Humanismus begründete, wird für überwunden erklärt.
Krank / Malade In Frankreich wie in Deutschland wird die Darstellung der menschlichen Figur von Anhängern der Figuration als Selbstbehauptung des Menschen in der Welt verstanden. Wenn der Mensch in seiner physischen Gestalt nicht mehr im Mittelpunkt der Kunst stehe und als Maß der Dinge gelte, so fördere sie den Verfall der humanistischen Werte. In seinem Buch Verlust der Mitte interpretiert Sedlmayr deshalb die moderne Kunst als Krankengeschichte, deren Verlauf er in drei »Phasen« – Erster Teil: Symptome; Zweiter Teil: Diagnose und Verlauf; Dritter Teil: Zur Prognose und Entscheidung – analysiert.79 Die Wiederverwendung einer medizinischen Terminologie, insbesondere des Begriffs »krank«, mag vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Diffamierung der sogenannten »entarteten« Kunst schockieren.80 Sedlmayrs Aussagen müssen bei Anhängern der Gegenstandslosigkeit daher den Eindruck erwecken, daß die »Front Goebbelsscher Perfidie und Hetze wieder
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aufgerichtet werden könnte.«81 Baumeister verweist nachdrücklich auf den positiven Einfluß von Farbe. Erfahrungen in Krankenhäusern hätten gezeigt, daß Farbe eine eigene Wirkungskraft habe, ohne einem bestimmten Gegenstand anzuhaften. Blaue oder grüne Zimmer würden auf aufgeregte Patienten beruhigend wirken, rote und gelbe auf Phlegmatiker anregend. Auch der Soziologe Alfred Weber hält es im Darmstädter Gespräch für »ganz und gar verkehrt, von einer Enthumanisierung der modernen Kunst zu sprechen«. Er selbst empfinde die Malerei des Bauhauses mit ihrer »hellen Farbensymphonie« als »beglückend und befreiend«, da man in ihnen den »seelisch-menschlichen Grund«, ja »das Menschliche« an sich erkenne.82 Und Haftmann erläutert im Zusammenhang mit Mondrian, daß dieser in seinen Bildern Harmonie gestalte und die »Entsprechung zum erreichten Gleichgewicht des Menschen im Universum« visualisiere.83 Es ist auffallend, wie nachdrücklich in der deutschen Kontroverse um das Menschenbild auf die gesunden und therapeutischen Kräfte in der abstrakten Malerei verwiesen wird. Die Verwendung des Terminus »krank« für Kunst ist zum einen durch die Nähe zu kulturpolitischen Schlagworten des Dritten Reichs stark belastet, zum anderen geht es um eine Rehabilitierung der unter Hitler als krankhaft diffamierten abstrakten Kunst. In Frankreich kann man dagegen mit dem Begriff »malade« unbelasteter umgehen. Jean Dewasne setzt ihn gegen die figürliche Malerei ein. Im Gegensatz zu den Zeiten, in denen der Maler seine »complexes, ses abcès, ses maladies secrètes« auf die Leinwand brachte, zeige das abstrakte Bild eine Konstruktion, die aus all dem hervorgehe, was der Künstler in sich habe – »de sain et d’exaltant«.84 Die Eigenschaften, die Dewasne der abstrakten Kunst zuordnet, haben mit Gesundheit und Leben zu tun, die Eigenschaften der Figuration dagegen mit Krankheit und Vergänglichkeit. Vasarely verbindet mit seiner Kunst ebenfalls einen gesundheitlichen Begriff, den der Hygiene. »L’abstraction est avant tout la recherche d’une nouvelle hygiène psychique et même physique, […], une prise de conscience en la nécessité de recréer l’homme dont la condition est changée.« 85 Wenn Vasarely von Hygiene spricht, so ist das als Befragung der menschlichen Bedingungen zu verstehen, die sich gewandelt haben und folglich die Kunst zu anderen Ausdrucksformen als das bisherige figürliche Menschenbild verpflichten.
Art engagé Warum aber halten die französischen Vertreter und Verteidiger der abstrakten Kunst im Unterschied zu ihren deutschen Gesinnungsgenossen zunächst explizit am Begriff des Humanismus fest? Ein wesentlicher Grund liegt in national unterschiedlichen Voraussetzungen: Die Durchsetzung der abstrakten Kunst erfolgt in
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Frankreich nach dem Krieg durch die geometrische Abstraktion, die ihr Forum im Salon des Réalités Nouvelles, in der Galerie Denise René, in Dewasnes Atelier d’Art Abstrait (Abb. 22–23) und in der Zeitschrift Art d’aujourd’hui gefunden hat. Die geometrische Abstraktion ist es denn auch, die sich besonders heftigen Vorwürfen des Anti-Humanismus ausgesetzt sieht. Ihre Kritiker kommen häufig aus dem Lager der Kommunisten, die unter der Ägide von Louis Aragon eine Kunst einfordern, welche der Bewußtseinsbildung des Volkes und damit dem sozialen Fortschritt dienen soll. In den Augen von René Lacôte etwa widerspricht die abstrakte Malerei dem »sens de l’humanisme« und führt den Bruch zwischen Kunst und Gesellschaft herbei. Louis Degand, einem der wichtigsten Apologeten der art géométrique, konfrontiert Lacôte mit der Frage: »Si l’art persiste à se détourner des hommes croyez-vous possible que les hommes ne finissent pas à bref délai par se détourner de l’art?« 86 Den Bruch mit der Gesellschaft forciere die abstrakte Kunst durch ihre Kommunikationsunfähigkeit und subjektivistische Haltung. »Die Malerei ist eine Sprache, ein Mittel der Verständigung zwischen den Menschen. Der Künstler, der undurchschaubar sein will und seine Gefühle im inneren Monolog zum Ausdruck bringt, […], betrügt sich selbst und versucht, die anderen zu betrügen«, erklärt Georges Besson.87 Gleichwohl gibt es im linken Lager auch Stimmen, welche sich für die Trennung von Kunst und Gesellschaft aussprechen. Zu ihnen gehört Jean Cassou, der der kommunistischen Partei nahestehende Direktor des Musée national d’Art moderne, der Autonomie und Individualismus der Kunst einfordert und den »conformisme social« des Marxismus ablehnt. Der Künstler dürfe nicht die Funktion eines »serviteur de la société« oder gar eines »fonctionnaire« einzunehmen, vielmehr müsse er sich als »revolté« und »anarchiste« begreifen, male er doch nicht für das Proletariat, sondern »pour les hommes, pour l’homme. Voilà pour qu’il peint«.88 Die Beispiele zeigen, wie die französische Kunstkritik in den vierziger und frühen fünfziger Jahren um die soziale Verantwortung des Künstlers ringt, wie stark die kommunistische Kunstauffassung von einer art engagé und art dirigé die Debatte Abstraktion versus Figuration überlagert. Der Begriff des Humanismus erhält eine Konnotation, die auf eine Gestaltung des Gemeinschaftslebens ausgerichtet ist, der Streit um das Menschenbild wird primär vor dem Hintergrund der aktuellen gesellschaftlichen Debatten ausgetragen. Hierin liegt ein fundamentaler Unterschied zum deutschen, besser gesagt zum westdeutschen Diskurs. Hier ist man sich – die Erfahrungen der nationalsozialistischen Repression und die sowjetisch geprägten Kunstpolitik in der Deutschen Demokratischen Republik lassen kaum eine andere Option zu – in beiden Kunstlagern darin einig, daß die Sphären von
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Kunst und Staat keine gemeinsamen Berührungspunkte haben dürfen. »Der westdeutsche Künstler blieb«, so Haftmann 1954 in seinem Buch Malerei im 20. Jahrhundert, »auf Grund einer tieferfahrenen Skepsis gegenüber der Idee des Staatsdirigismus und seiner guten Beobachtungsstellung nach Osten hin, ziemlich immun und beteiligte sich an der Diskussion um den ›sozialistischen Realismus‹ praktisch nicht.«89 Vor ihm stellt bereits Wilhelm Worringer in seiner Studie über die Problematik der Gegenwartskunst die Frage: »Soll sie [die Kunst] das Privileg einer eigenwilligen Minorität von Künstlern und Kennern bleiben oder soll sie sozialisiert werden, also in das Eigentum des ganzen Volkes übergehen?« Seine Antwort fällt kategorisch aus – dringend warnt er vor der »Diktatur der Konsumenten« und billigt der Kunst eine »asoziale Eigenwilligkeit« zu.90 Doch nicht nur Fürsprecher der abstrakten Kunst distanzieren sich nach 1945 von einer gesellschaftspolitischen Inanspruchnahme der Kunst. Carl Hofer, einer der großen Protagonisten seitens der Figuration, läßt keinen Zweifel daran, daß es keine Kunst für das Volk gebe: »Wie gerne möchte der Künstler dem Volk die Kunst nahe bringen. Gerade aber die Kunst ist es, die das Volk unter allen Umständen und in jeder Form stört.« 91
Kontinuität Der Streit um das Menschenbild, der nach 1945 in der Westdeutschland und Frankreich ausgetragen wird, weist zwischen beiden Ländern starke Parallelen auf. Thematisch stehen dieselben Konfliktpunkten im Mittelpunkt: Man streitet darum, wie und ob der Mensch in der abstrakten und figürlichen Kunst präsent ist, welche Bildsprache humanistischer beziehungsweise humanitärer sei. Es geht um die Freiheit und das Geistige in der Kunst, um ihre Möglichkeiten der »Kommunikation« und ihre soziale Verantwortung. Diese Übereinstimmung ist um so bemerkenswerter, da es sich hier weder um eine deutsche Rezeption des französischen Streits noch umgekehrt um eine französische Antwort auf die deutsche Debatte handelt, es findet kein direkter bilateraler Diskussionsaustausch zwischen deutschen und französischen Künstlern und Kunsttheoretikern statt. Wie sind dann aber diese frappanten Übereinstimmungen zu erklären? Sie liegen in der Vergangenheit begründet, in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Damals, Ende der zwanziger, frühen dreißiger Jahre wird Paris zum Zentrum der abstrakten Kunst. Mondrian lebt dort seit 1919, Van Doesburg kommt 1929 in die Stadt. Die Schließung des Bauhauses 1933 durch die Nationalsozialisten veranlaßt Kandinsky nach Frankreich zu emigrieren, Hans Hartung und Wols kommen 1935 nach Paris. Bereits 1930 werden die internationalen abstrakten Künstlervereini-
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gungen Cercle et Carré und Art Concret gegründet, die zwischen 1931 bis 1936 in der Gruppe Abstraction-Création aufgehen. Zu ihren Mitgliedern gehören auch Deutsche wie Baumeister, Otto Freundlich, Theodor Werner, Sophie Täuber-Arp, Hans Arp und Kurt Schwitters. Doch streitet man in Paris nicht nur um die abstrakte Kunst. 1936 findet im Pariser Maison de la Culture die Querelle du Réalisme statt, eine zweitägige Debatte über unterschiedliche Realismuskonzeptionen, in der sich die fundamentalen Konfliktpunkte abzeichnen, die nach dem Zweiten Weltkrieg den Streit um figürliche und abstrakte Kunst beherrschen.92 Die Wurzeln und die Terminologie des Streites um das Menschenbild nach 1945 liegen also in der Zwischenkriegszeit. Das hier angelegte Konfliktpotential ist so stark, daß es nach dem Zweiten Weltkrieg in Frankreich und Deutschland wieder neu auflebt – es ist jedoch ein Streit, der jeweils im eigenen Land ausgefochten wird. Aus der Montage des imaginären Gesprächs zwischen deutschen und französischen Künstlern und Kunsttheoretikern nach 1945 geht allerdings hervor, daß die Konnotationen, die man hier und dort mit den Schlüsselbegriffen verbindet, sehr unterschiedlich sein können. Der Streit um das Menschenbild ist in Frankreich deutlich gesellschaftspolitischer ausgerichtet als in Deutschland. Dies liegt in den unterschiedlichen kulturpolitischen Ausgangssituationen nach dem Zweiten Weltkrieg begründet. So wird der Terminus »Freiheit« in unmittelbarem Zusammenhang mit der Libération gesetzt. Besonders in den ersten Jahren nach der Okkupation wird Kunst als Ausdruck moralisch-politischer Aktion gesehen und weniger unter dem Aspekt ästhetischer Qualitäten. In Deutschland stellt der Begriff »Freiheit« hingegen primär eine ästhetische Kategorie dar. Er bezieht sich auf die Autonomie des Künstlers und seiner gestalterischen Mittel. »Befreiung« bedeutet für deutsche Künstler und Kritiker, sich nach den Erfahrungen des nationalsozialistischen Kulturterrors wieder ohne Repressionen, frei von jeglicher politischer Ideologie ausdrücken zu können – Kunst versteht sich per se als a-politisch. Daß in der französischen Kontroverse die Frage nach der sozialen Verantwortung des Künstlers anders beantwortet wird als in Westdeutschland, geht aus dem unterschiedlichen Verständnis des Begriffs »Humanismus« hervor. Er nimmt im Streit um das Menschenbild geradezu Schlagwortcharakter an und wird strategisch eingesetzt, was dem eigentlichen Sinn des Wortes widerspricht. Sowohl für die französischen Anhänger der Figuration als auch der geometrischen Abstraktion gilt er als Berufungsinstanz, den beide Parteien exklusiv für sich beanspruchen. In Westdeutschland hinterfragen allerdings Fürsprecher der abstrakten Kunst seine Gültigkeit. Sie kommen zu dem Schluß, daß das humanistische Weltbild nicht
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mehr zeitgemäß ist, da der Mensch nach den Erfahrungen mit Hitlers Terrorregime und den Kriegsgreueln nicht mehr das Maß aller Dinge sein kann. Die Frage nach der gesellschaftlichen Verantwortung des Künstlers, die der Begriff »Humanismus« impliziert, wird in Westdeutschland angesichts der kommunistischen Kunstpolitik in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands verneint. Man weigert sich, ideologische Maßstäbe anzusetzen, die von außen an die Kunst herangetragen werden, gibt sich dezidiert a-sozial. Die französischen Abstrakten pflegen hingegen einen integrativeren Umgang mit dem Begriff »Humanismus«, was im wesentlichen darin begründet liegt, daß ihre Kunst sich den vehementen Angriffen des Sozialistischen Realismus ausgesetzt sieht, und man deshalb dialektisch zur sozialen Frage der Kunst Stellung beziehen muß. Aus heutiger Sicht sind die französischen und deutschen Diskussionen der vierziger, fünfziger Jahre so faszinierend, weil man in ihnen das Bedürfnis und den Druck spürt, sich für ein bestimmtes, das »richtige« Menschenbild entscheiden zu müssen. Abstrakt oder figürlich? Man merkt, daß dieser Streit ein authentischer Ausdruck der Sehnsucht nach einem homogenen Menschenbild ist. Heute ist klar, daß der Streit zwar weder von Abstraktion noch von Figuration zu gewinnen war, er hat jedoch wesentlich das Bewußtsein für die Vielgestaltigkeit des Begriffs »Menschenbild« sensibilisiert.
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1 Franz Roh: Streit um die moderne Kunst, München, 1962, S. 14. 2 Pierre-Georges Bruguière: Une Nouvelle Querelle des Images, in: Cahiers du Sud XXXIII305/1951, S. 119–126. 3 Zur französischen Kontroverse siehe Harriet Weber-Schäfer: Die Kontroverse um Abstraktion und Figuration in der französischen Malerei nach 1945, Köln, 2001. 4 Eine gleichnamige Ausstellung fand vom 15. Juli bis 3. September 1950 auf der Mathildenhöhe statt. 5 Pierre Loeb: Regards sur la Peinture, Paris 1950, S. 8. 6 Ottomar Domnick, in: Das Menschenbild in unserer Zeit. Darmstädter Gespräch, hrsg. von Hans Gerhard Evers, Darmstadt o. D. [1951], S. 129–134, S. 134 und 132. 7 Siehe hierzu jetzt die Untersuchung von Martin Schieder: Im Blick des anderen. Die deutschfranzösischen Kunstbeziehungen 1945–1959 (mit einem Vorwort von Werner Spies und einem Gedicht von K. O. Götz), Berlin 2005 (Passagen / Passages, Bd. 12), der allerdings nicht auf die deutsch-französische Kontroverse um das Menschenbild eingeht. 8 Siehe Aleksis Rannit: Erster Weltkongreß der Kunstkritiker, in: Das Kunstwerk II/1948, Heft 10, S. 46–47; Beate Eickhoff: Geschichte der deutschen AICA, in: Walter Vitt: Vom Kunststück über Kunst zu schreiben. 50 Jahre AICA Deutschland, Nördlingen 2001, S. 9–33. 9 Zum Leverkusener Gespräch siehe den Beitrag von Christoph Zuschlag in diesem Band. 10 Siehe Laurence Dorléac-Bertrand: L’art de la défaite 1940–1944, Paris 1993. 11 André Lhote: Un Rassemblement de la libre peinture, in: Les Lettres françaises, 23. September 1944; zit. nach André Lhote: La Peinture libérée, Paris 1956, S. 14. 12 André Lhote: Malgré l’Oppression la grande peinture française est restée vivante et fervente, in: Les Lettres françaises, 16. September 1944; zit. nach Lhote 1956, S. 10. 13 Pablo Picasso, Henri Matisse, Albert Marquet und Pierre Bonnard, in: Art et Résistance, Ausstellungskatalog, Musée des Arts modernes, Paris, Paris 1946; zit. nach Paris – Paris 1937–1957. Créations en France, Ausstellungskatalog, Centre Georges Pompidou, Paris, Paris 1981, S. 125. 14 Marcel Brion: Art Abstrait, Paris 1956, S. 202; Auguste Herbin: L’art non-figuratif, non-objectif, Paris 1949, S. 89.
15 Siehe Martin Schieder: En toute liberté. Professions de foi d’artistes allemands après 1945, in: Les écrits d’artistes depuis 1940, hrsg. von Françoise Levaillant, Paris 2004, S. 159–171. 16 Heinz Trökes: Gedanken über Kunst. Eröffnungsrede einer Ausstellung junger moderner Künstler in der Galerie »Buch und Kunst«, Berlin, 9. August 1945; zit. nach Markus Krause: Die Galerie Gerd Rosen. Die Avantgarde in Berlin 1945–1950, Berlin 1995, S. 168–171, S. 169 und 170. 17 Ernst Wilhelm Nay an Erich Meyer, 25. Februar 1946; zit. nach E. W. Nay. 1902–1968. Bilder und Dokumente, hrsg. vom Archiv für Bildende Kunst am Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, München 1980, S. 89. 18 Karl Hofer: Kunst und Politik, in: Bildende Kunst II-10/1948, S. 20–22, S. 20. 19 Karl Hofer an Hermann Hesse, 25. Mai 1949; zit. nach Karl Hofer. Malerei hat eine Zukunft. Briefe, Aufsätze, Reden, hrsg. von Andreas Hüneke, Leipzig und Weimar 1991, S. 307–308, S. 308. 20 Siehe Jochen Poetter: 1950 – Gespaltene Mitte des Jahrhunderts, in: ZEN 49. Die ersten zehn Jahre – Orientierungen, Ausstellungskatalog, Staatliche Kunsthalle Baden-Baden, hrsg. von dems., Baden-Baden 1986, S. 11–23, S. 15. 21 Baumeister bricht seine ursprünglich geplante Rede ab, weil er durch Zurufe darauf aufmerksam gemacht wird, daß Sedlmayr, gegen den sich seine Rede wendet, nicht anwesend ist. Das Manuskript der Rede wird aber in dem nach der Diskussion erscheinenden Buch publiziert; Willi Baumeister: Verteidigung der modernen Kunst gegen Sedlmayr und Hausenstein (Manuskript), in: Das Menschenbild in unserer Zeit [1951], S. 146–154. 22 Hermann Weidhaas, in: Das Menschenbild in unserer Zeit [1951], S. 113–117, S. 115. 23 Bernard Dorival: Les étapes de la peinture française contemporaine, Bd. 3 (Depuis le Cubisme. 1911–1944), Paris 1946, S. 323. 24 Pierre Francastel: Nouveau Dessin, nouvelle Peinture. L’École de Paris, Paris 1946, S. 178. 25 Ibid., S. 12. 26 Ernst Schroeder: Begrüssung, in: Das Menschenbild in unserer Zeit [1951], S. 7–9, S. 8. 27 Neue Kunst nach 1945, hrsg. von Will Grohmann, Köln 1958, S. 151. 28 Die schöpferischen Kräfte in der abstrakten Malerei, hrsg. von Ottomar Domnick, Bergen 1947, S. 17.
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29 Paul Haesaerts: Déformation et Expression, in: Gaston Diehl: Les Problèmes de la Peinture, Paris, 1945, S. 335–339, S. 337. 30 Loeb 1950, S. 32. 31 Jean Cassou: Situation de l’art moderne, Paris 1950, S. 26. 32 Hans Sedlmayr, in: Das Menschenbild in unserer Zeit [1951], S. 107. 33 Hans Sedlmayr: Verlust der Mitte. Die bildende Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts als Symptom und Symbol der Zeit [1948], Frankfurt am Main und Berlin 1988, S. 169 und 130. 34 Rudolf Schlichter: Das Abenteuer der Kunst [1949], München 1998, S. 118. 35 Wilhelm Hausenstein: Was bedeutet die moderne Kunst. Ein Wort der Besinnung, Leutstetten vor München 1949, S. 76. 36 Bernard Buffet, in: Georges Charbonnier: Le Monologue du Peintre, Neuilly-sur-Seine 1980, S. 326. 37 Jean Hélion, in: Réalisme et Réalité – Enquête sur la peinture, in: Esprit, Nr 168/Juni 1950, S. 897–960, S. 942. Der Name Hélion steht in diesem Kontext exemplarisch für die Wendung von Abstraktion zu Figuration. Er gehört in den dreißiger Jahren der Gruppe Art Concret und der Künstlervereinigung Abstraction-Création an. 1939 malt er seine letzten abstrakten Bilder und kehrt zur Figuration zurück. 38 Hausenstein 1949, S. 26. 39 Alois Melichar: Überwindung des Modernismus. Konkrete Antwort an einen abstrakten Kritiker, Frankfurt am Main 1954, 31955, S. 97. 40 Siehe Franz Roh: Das Bildnis bei Kokoschka und die heutige Problematik des Porträts, in: Die Kunst und das schöne Heim LIII/1955, S. 130–133, S. 133. 41 Domnick [1951], S. 134. 42 Willi Baumeister: Das Unbekannte in der Kunst, Stuttgart 1947, S. 164. 43 Willi Baumeister: Wie steht die »gegenstandslose« Kunst zum Menschenbild? (improvisierte Abendansprache), in: Das Menschenbild in unserer Zeit [1951], S. 134–145, S. 144. 44 Werner Haftmann: Glanz und Gefährdung der abstrakten Malerei, in: Die ZEIT, 17. Januar 1952; zit. nach Werner Haftmann: Skizzenbuch. Zur Kultur der Gegenwart, München 1960, S. 110. 45 Alfred Weber: »Das Menschenbild in unserer Zeit« in der Sicht der Soziologie, in: Das Menschenbild in unserer Zeit [1951], S. 64–70, S. 69. 46 Michel Seuphor: L’Art Abstrait. Ses origines. Ses premiers maîtres, Paris 1949, S. 93–94.
47 Charles Estienne: L’Art abstrait. Origine et evolution, in: Art d’aujourd’hui, I/ 1950, n° 7–8, S. 18–21. 48 Charles Estienne: Le point de vue … de Charles Estienne, in: Arts 141/21. November 1947. 49 Die erste französische Edition von Kandinskys Buch Über das Geistige in der Kunst (1911) wird 1949 von der Pariser Galerie René Drouin in einer Edition von 300 Exemplaren veröffentlicht; einem größeren Publikum wird Du Spirituel dans l’Art 1951 durch die Edition de Beaune zugänglich. 50 Louis Hautecœur: L’art moderne et l’homme, Paris 1957, S. 10. 51 Germain Bazin: Le crépuscule des images [1946], Paris und Genf 1979, S. 23. 52 Herbin 1949, S. 123. 53 Siehe ibid., S. 17. 54 Siehe Bruguière 1951, S. 125. 55 Bazaine [1948] 1959, S. 31. 56 Sedlmayr [1948] 1988, S. 205. 57 Siehe Hausenstein 1949, S. 26 f. 58 Siehe Schlichter [1949] 1998, S. 96. 59 Gustav Hartlaub, in: Das Menschenbild in unserer Zeit [1951], S. 106. 60 Ibid., S. 93. 61 Baumeister [1951], S. 150 (Manuskript) und 145 (Abendansprache). 62 Hausenstein 1949, S. 80. 63 Hofer 1948, S. 22. 64 Baumeister 1947, S. 9. 65 Sedlmayr [1948] 1988, S. 149. 66 Hans Sahl: Wie modern ist die moderne Kunst, in: Der Monat, Heft 76, Januar 1955, S. 353–375, S. 356. 67 Melichar 31955, S. 89. 68 Hautecoeur 1957, S. 6–10. 69 Prisme des Arts 1/1956, S. 3 70 Herbin 1949, S. 78 und 80. 71 Seuphor 1949, S. 92. 72 Georges Boudaille: Éloquence? ou Introspection? Dilemme actuel, in: Actualité Artistique, Dezember 1953, S. 1–3, S. 3. 73 Roger Van Gindertaël: Pierre Soulages [Témoignage de Soulages recueilli par R. V. Gindertaël en 1952], in: Quadrum, Nr. 8/1960, S. 95–106, S. 103. 74 Benjamin Péret: La soupe déshydratée, in: Almanach Surréaliste du Demi-Siècle, Paris 1950, S. 49–56, S. 49 und 55. 75 Baumeister [1951] (Abendansprache), S. 136. 76 Ernst Wilhelm Nay: Vom Gestaltwert der Farbe, München 1955; zit. nach E. W. Nay 1980, S. 142.
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77 Werner Haftmann: Malerei im 20. Jahrhundert, München 1954, S. 433. 78 Domnick 1947, S. 18. 79 Siehe Sedlmayr [1948] 1988, S. 148 ff. und 205. 80 Der Handzettel, mit dem 1937 die Münchner Ausstellung Entartete Kunst angekündigt wird, verwendet den medizinischen Begriff »krank« gleich in vier Varianten: »Gequälte Leinwand – Seelische Verwesung – Krankhafte Phantasien – Geisteskranke Nichtskönner.« 81 Baumeister [1951], S. 149. 82 Weber [1951], S. 69. 83 Haftmann 1954, S. 495. 84 Jean Dewasne: Options nouvelles, 1949; zit. nach Michel Seuphor und Michel Ragon: L’art abstrait. 1939–1970 en Europe, Bd. 3, Paris 1973, S. 274.
85 Victor Vasarely; zit. nach R.[oger] V.[an] Gindertaël: Le passage de la ligne, in: Art d’aujourd’hui IV-2/März 1953, S. 19–23, S. 22–23. 86 René Lacôte: Réponse interrogative à M. Degand, in: Arts de France. Revue mensuelle des arts plastiques 17–18/1947, S. 105–108. 87 Georges Besson: Aspects du réalisme 1953, in: Silhouette, März 1953; zit. nach Georges Besson: Moderne Kunst in Frankreich. Ausgewählte Schriften, Dresden 1985, S. 207. 88 Cassou 1950, S. 158. 89 Haftmann 1954, S. 443–444. 90 Wilhelm Worringer: Problematik der Gegenwartskunst, München 1948, S. 16. 91 Hofer 1948, S. 20. 92 Siehe Der Realismusstreit. Eine Debatte um Kunst und Gesellschaft – Paris 1936, hrsg. von Wolfgang Klein, Weimar 2001.
Die »Geworfenheit« des Menschen Zur Frage des Existentialismus für deutsche Künstler nach 1945
Antje von Graevenitz
L’existentialisme est un humanisme Als der Zweite Weltkrieg zu Ende war und Paris aufatmete, weil die Stadt von der deutschen Besetzung befreit worden war, vertrat ein Philosoph und Dichter einen ganz anderen Begriff von Freiheit, einen Begriff, der mit der politischen Befreiung nichts zu tun hatte. Am 29. Oktober 1945 hielt Jean-Paul Sartre (Abb. 52) vor einem dichtgedrängten Publikum im Saal Les Centraux den vom Club Maintenant veranstalteten Vortrag L’existentialisme est un humanisme.1 Es hatte sich herumgesprochen, daß es eine kleine Gruppe französischer Intellektueller gab, darunter Albert Camus, Simone de Beauvoir und Maurice Merleau-Ponty, die unter Sartres geistiger Führung die junge philosophische Richtung in Schrift und Wort formulierten.2 In seinem Vortrag benannte Sartre einige Schlüsselbegriffe wie »angoisse«, »acte individuel«, »délaissement«, »engagement« und »responsabilité«, um aus ihnen den Leitgedanken des Existentialismus abzuleiten, nämlich ein völlig neues Verständnis vom Menschen: »L’homme n’est rien d’autre que ce qu’il se fait. Tel est le premier principe de l’existentialisme«. Der Existentialismus definiere den Menschen nur in Bezug auf sein Handeln. Außer dem Handeln, erklärte Sartre seinen Zuhörern, gebe es keine Hoffnung. Die Tat sei das einzige, was den Menschen leben ließe. »Car nous voulons dire que l’homme existe d’abord, c’est-à-dire que l’homme est d’abord ce qui se jette vers un avenir, et ce qui est conscient de se projeter dans l’avenir.« »Rien«, so führte Sartre weiter aus, »n’existe préalablement à ce projet.« Mit seinem Entwurf habe der Mensch allerdings noch keinen Anspruch darauf zu existieren, er könne sich auch verlieren. Diesen Prozeß nannte Sartre »le
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dépassement« seiner selbst in die Zukunft hinein. »Nous sommes seuls, sans excuses. C’est ce que j’exprimerai en disant que l’homme est condamné à être libre«. Aber, schränkte der Philosoph ein, indem man sich selbst entwerfe, entwerfe man die Freiheit aller Menschen.3 Die Botschaft schien auf jeden einzelnen im Publikum gemünzt. Wer Sartres Romane kannte, sein Buch L’être et le néant gelesen 4 oder Theateraufführungen gesehen hatte, der wußte, daß niemandem einen Freibrief erteilt wurde, sondern jeder die Freiheit erst dem Nichts abringen müsse, da das Bewußtsein des Menschen keinerlei Kenntnis vom Sein an sich besitze und sich deshalb selbst zu »entwerfen« habe. Diese Aufforderung zum Selbstentwurf, der nicht danach fragt, ob andere die darin enthaltene Freiheit anerkennen, Hauptsache, man selbst will es und handelt danach, schlug in der Pariser Nachkriegszeit einen Funken, auf den die intellektuelle Jugend gewartet zu haben schien.
Existentialistisches Künstlertum Welche Konsequenzen hatte dieses Modell für das Selbstverständnis des Künstlers? Welche Rolle wies Sartre ihm zu? In seinem Vortrag führte er als Beispiel für den Selbstentwurf des Menschen explizit den Maler an, der sich nicht ästhetischer Werte und Regeln a priori bediene, sondern erkenne, »qu’il y a des valeurs qui se voient ensuite dans la cohérence du tableau, dans les rapports qu’il y a entre la volonté de création et le résultat«.5 Für einen Künstler, der sich in seinen Entscheidungen und Handlungen als freier Mensch verstand, konnte dies nur heißen, daß er nur auf sich selbst angewiesen sei. Ganz auf sich gestellt, arbeite er, um anderen Menschen modellhaft das Selbstvertrauen ins eigene Handeln zu vermitteln. Einer solchen Sicht auf das Künstlertum verschrieben sich in der Nachkriegszeit viele Künstler. Die Geschichte der französischen, englischen und amerikanischen Kunst nach 1945, die vom Existentialismus wesentliche Impulse empfing, ist ausführlich behandelt.6 Doch war die Relevanz des Existentialismus, wie allgemein angenommen, auch für die deutsche Kunst nach 1945 so entscheidend? Die Frage, inwieweit deutsche Künstler – in Ost wie in West – durch das Gedankengut und ästhetische Vorstellungen des Existentialismus inspiriert wurden, ist bis auf Ausnahme zweier Aufsätze über Wols und Wolfgang Mattheuer allenfalls am Rande gestellt worden.7 Dieses Desideratum ist an sich nicht verwunderlich, da die Forschungsperspektive seit den fünfziger Jahren in der Regel mehr auf bildformale, kunsttheoretische oder biographische Aspekte gerichtet ist, und so die historische Behandlung des Existentialismus als Inspirationsquelle für deutsche Künstler hingegen kaum Beachtung fand. Es ist bezeichnend, daß Werner Haftmann 1963 in dem
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Henri Cartier-Bresson: Jean-Paul Sartre und Jean Pouillon auf dem Pont des Arts in Paris, 1946.
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Begleitkatalog des 8. Darmstädter Gesprächs über die Zeugnisse der Angst in der modernen Kunst räsonierte und in dem Zusammenhang die Paten der Existenzphilosophie von Kierkegaard bis Sartre zitierte, ausführlich auf Wols, Dubuffet und Jorn einging, jedoch mit keinem Wort auf das deutsche Informel.8 Da die Mentalitätsgeschichte Umgangsformen, Haltungsmuster und Überzeugungen für ein bestimmtes Lebensgefühl nachgeht, ist auch sie für eine Kunstgeschichte geeignet, die nicht nur dem direkten Ausdruck in der Form künstlerischer Werke nachspürt. Mit Hilfe von Pierre Bourdieus Begriff des »kulturellen Feldes« lassen sich, da er eher offene Beziehungen einbezieht als der kausal angelegte Begriff des Kontexts, neue Erkenntnisse gewinnen.9 Deshalb wird hier zu sprechen sein von Reisen deutscher Künstler nach Paris, ihren Begegnungen mit Sartre, ihren Kontakten zu französischen Künstlern, die dem Existentialismus nahestanden, über Parallelen in ihren künstlerischen Auffassungen und Intentionen, über die existentialistisch geprägte Wortwahl in Aussagen und Bildtiteln deutscher Künstler, über ein existentialistisches Gesamtkunstwerk, das 1948 in einem deutschen Schloß aufgeführt wurde, sowie über einige wenige Werke, die in ihren Motiven auf den Existentialismus bezogen werden können. Schließlich wird zu fragen sein, ob der Maler und Fotograf Wols tatsächlich als deutscher Hauptvertreter des Existentialismus gelten kann. Wer sich unmittelbar nach Kriegsende über die Philosophie des Existentialismus informieren wollte, konnte dies zunächst nur in verschiedenen Zeitschriftenartikeln tun 10, bevor 1952 das Buch Geschichte der Philosophie von Johannes Hirschberger erschien 11. In dem Übersichtswerk wurde sorgfältig zwischen Existenzphilosophen wie Kierkegaard, Nietzsche und Heidegger sowie den Existentialisten in Paris unterschieden. Von Kunst war allerdings nicht die Rede. Gleichwohl haben deutsche Kunstschriftsteller schon früh ihr Augenmerk auf die französische Moderne gerichtet und diese mit dem existentialistischen Lebensgefühl in Verbindung gebracht. In den Anfängen des Fauvismus und Kubismus glaubte Maximilian Feuerring, »die große Resignation und die tragische Verneinung des Lebens« feststellen zu können.12 Picassos »Schwermut« wurde von so unterschiedlichen Autoren wie Walter Erben, Hans Sedlmayr und Werner Haftmann mit der existentialistischen Auffassung vom »Nichts« erklärt, seine Harlekine spiegelten das »seelische und geistige Lebensgefühl des modernen Menschen« wieder, eine »existentielle Heimatlosigkeit« und »melancholische Freiheit«.13 Einige erkannten sogar den Bezug zwischen der art autre und der Philosophie des Existentialismus: Paris, so urteilte Lotte Schubart schon 1947, sei als »Hegestätte des fortschrittlichen Geistes« dabei, den »vehementen Durchbruch einer des Gegenstands
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völlig entratenen, einer neuen revolutionären Malerei« zu erleben, und zwar in Auseinandersetzung mit der »Existenzialphilosophie Jean-Paul Sartres« und der »ergreifende[n] Stimme André Malraux’ in seiner Konzeption des ›Tragischen Humanismus‹«.14 Ganz offensichtlich wurde von der deutschen Kunstgeschichte schon in den ersten Nachkriegsjahren ein Zusammenhang zwischen französischer Moderne und Existentialismus hergestellt. Aber inwieweit folgten auch deutsche Künstler so etwas wie einem existenzphilosophischen oder existentialistischen Lebensgefühl? Haben die »Geworfenheit des Menschen« und die »Angst vor dem Nichts«, wie sie Heidegger in Sein und Zeit beziehungsweise Sartre in seinem Buch L’être et le néant als Grundbedingungen des menschlichen Seins definierten, das künstlerische Selbstverständnis der Zeit geprägt? 15 Spuren solcher Überzeugungen von der Rolle des Künstlers lassen sich nur schwer, allenfalls in der Wortwahl nachweisen. Zweifellos traf das Wort von der »Geworfenheit des Menschen« nach 1945 das Lebensgefühl insbesondere derjenigen, die aus der (inneren) Emigration kommend, ganz auf sich gestellt, einen Neuanfang zwischen Angst und Freiheit versuchten. So beschrieb Leopold Zahn in der Zeitschrift Das Kunstwerk 1946/47 den Künstler als einen Menschen, der »sinnlos in ein Dasein zum Tode geworfen« sei.16 Dem Begriff der Geworfenheit wurde der der Freiheit abgerungen. Für Sartre und Camus war die Freiheit mit dem Appell zum Engagement für eine bessere Gesellschaft verbunden. Nach Camus, dessen Text über Der Künstler und die Freiheit 1950 im Katalog der Berliner Neuen Gruppe übersetzt wurde, arbeitete der Künstler »allein im Namen der menschlichen Leidenschaft für alles Einzigartige und Einmalige im Menschen« und trat allen »Unterfangen, die sich unter dem allererbärmlichsten Mäntelchen der Vernunft verbergen wollen«, entgegen. Er huldigte einem neuen Begriff der Innerlichkeit, hielt jeder Form von äußerem Druck stand, blieb unbeugsam.17 Eben dieser Freiheitsbegriff bildete auch für deutsche Künstler zentrales Element ihres Selbstverständnisses, daß sie zu den letzten Menschen gehörten, die sich ihre Aufgabe selbst stellen, aber auch das Neue eigenständig suchen müssen.18 So entstand eine Matrix für ein Künstlertum der Geworfenheit, Innerlichkeit und Freiheit, dem sich viele, auch außerhalb Frankreichs für mehr oder weniger kurze Zeit anschließen konnten; nachweisbar Jeanne Mammen, Joseph Fassbender, Hubert Berke, Bernard Schultze, K. O. Götz, Hann Trier und sein Schüler Georg Baselitz, Wolfgang Mattheuer, Günther Hoehme, Günther Uecker 19 sowie Hanne Darboven.
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Anregungen Paris war vor und nach 1945 die Kunstmetropole schlechthin. Zahlreiche deutsche Künstler machten sich auf den Weg, um hier neue Impulse zu empfangen. Auch wenn nicht jeder, der Paris besuchte, deshalb als Anhänger des Existentialismus gelten muß, stellte dieser für einige Maler, insbesondere des Informels, eine wichtige Inspiration dar. »Zu unserer Zeit«, berichtete Bernard Schultze im Gespräch mit Gabriele Lueg, »wurde natürlich ununterbrochen über Heidegger, Jaspers, Sartre, Kierkegaard und so gesprochen. Das war die Literatur damals.« Als er in den fünfziger Jahren einmal Sartre begegnet sei und seine Arbeiten gezeigt habe, habe dieser ihm erklärt: »Wissen Sie, ich arbeite ja eigentlich ähnlich…« »Existentialismus«, so fuhr Schultze fort, »ist eigentlich auch ein Parallelvorgang im Philosophischen zum Informel. Der Monolog, die Persönlichkeit, der Einzelne allein, ist entscheidend. Das jeden Augenblick Sich-Entscheiden-Müssen im Malakt stellt das Gemachte ganz und gar in Frage. – Vernichtung als Stimulans.« 20 Emil Schumacher hat dies ähnlich gesehen. Sein Sohn Ulrich und sein Düsseldorfer Galerist Hans Strelow bestätigen, daß in den fünfziger Jahren im Hause des Malers ständig über den Existentialismus geredet wurde: »Das war seine Welt«, faßt Strelow zusammen.21 Schumacher habe Übersetzungen von Sartre und Camus gelesen, nicht jedoch Werke von Maurice Merleau-Ponty und Maurice Blanchot. Um in der geistigen und kulturellen Atmosphäre existentialistisch Gleichgesinnter zu arbeiten, mietete er sich ein pied-à-terre in Paris, um dort längere Perioden im Jahr zu bleiben – eine Hoffnung, die sich zerschlug. Als der Galerist René Drouin 1955 im Pariser Cercle Volney seine und Schultzes Bilder mit rund einhundert weiteren Kunstwerken von über dreißig Vertretern der deutschen Abstraktion ausstellte 22, reisten beide Maler eigens zur Eröffnung an und besuchten unabhängig voneinander Wols’ Witwe Gréty – als Zeichen innerer Verbundenheit mit dem 1951 Verstorbenen 23.
Existentialistische Wortwahl In Schumachers Texten findet sich kein direkter Verweis auf Sartre oder Camus, wohl aber deren Terminologie. 1960 bekannte der Professor an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg seine innere Unabhängigkeit im Sinne des Existentialismus: »Meine Malerei ist nichts weiter als eine Form von gesteigertem Leben. Hier bin ich ganz ich selbst und muß in jedem Augenblick bekennen, wer ich bin.« 24 In dem Zusammenhang zählte er Schlüsselbegriffe des Existentialismus auf: das gesteigerte Leben, Verlaß nur auf sich selbst, Verzweiflung, gegen die man ankämpft. Ansonsten zeugen Schumachers Aussagen von der Auseinandersetzung
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mit dem Malmaterial, in dem er nicht nur seine eigene Existenz suchte, sondern mit dem er auch die des Betrachters erreichen wollte: »Meine Objekte nenne ich Tastobjekte, da der Betrachter sie ihrer vollständigen Existenz nach abtasten kann, also psychisch und physisch«.25 Klaus Manger definierte das Wechselverhältnis zwischen Werk und Betrachter folgendermaßen: »Und je weiter die Einblicke reichen, […] desto mehr vertiefen wir uns in die menschliche Existenz«.26 Solche Sätze zeigen eine auffällige Konkordanz zu Sartres Aussage in L’être et le néant, daß »à savoir que la conscience et conscience positionnelle du monde« sei. »Toute conscience«, so Sartre, »est positionnelle en ce qu’elle se transcende pour attendre un objet, et elle s’épuise dans cette position même […]«.27 Schumacher begriff den Existentialismus als philosophische Folie für seinen Selbstentwurf in der Malerei, indem er erkannte, »daß sich der Negationsakt gleichzeitig als globaler Befund unserer Zeit (das Beschädigtsein von allem), das Subjektive als das Objektive darstellt«.28 Von anderen Künstlern wissen wir, daß sie unter dem Eindruck des Existentialismus schrieben. Wie die Verse Gähn und Zeit. Ein existentialistisches Gespräch geklungen haben, die K. O. Götz 1946 unter dem Eindruck von Sartre, Camus und vor allem Heideggers Sein und Zeit verfaßte, jedoch nie veröffentlichte, ist leider unbekannt; sie sind wohl endgültig verloren.29 Zwar widmete er später Fautrier und Wols zwei Gedichte, doch lassen die keinen existentialistischen Wortlaut erkennen, allenfalls sind sie als private Monumente für eine französisch geprägte Kunst des Existentialismus und als Erinnerung an Begegnungen mit den Künstlern zu verstehen.30 Götz selbst hatte sich in seinem Werk längst davon verabschiedet, keine seiner theoretischen Schriften schlägt einen existentialistischen Wortlaut an. Am nachdrücklichsten hat sich Gerhard Hoehme in Gedichten und auch in Bildtiteln zu französischen Inspirationsquellen bekannt. 1951 aus der DDR kommend, wo er bereits Berichte über den radikalen ästhetischen Umbruch in der Pariser Kunst- und Literaturszene vernommen hatte, wandte er sich an den Schriftsteller und Übersetzer Jean-Pierre Wilhelm, der enge Kontakte zu Intellektuellen, Dichtern und Künstlern des französischen Existentialismus unterhielt. Der Remigrant teilte sein Leben zwischen Paris und Düsseldorf, wo er vermittelnd und organisierend für die Gruppe 53 auftrat, deren Führungsgestalt schon bald Hoehme werden sollte. Von Wilhelm dazu angeregt, reiste Hoehme 1952 nach Paris und verfolgte dort Aufführungen von Theaterstücken Sartres, ohne allerdings mit dem Philosophen Bekanntschaft zu schließen, und traf sich mit Fautrier. Ihm widmete er 1957 das Bild Hommage à Jean Fautrier (Taf. XV), ein Jahr später malte er das Gemälde Hommage à Wols – ein Beleg dafür, wie wesensverwandt sich der junge
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Hoehme mit beiden Künstlern fühlte. Unausgesprochen erscheint Hoehmes Prosagedicht Der Kaiserplatzkeller – Entregele Deine Sinne vom Oktober 1976 als Adaption von dem Theaterstück Huis Clos (1944), in dem Sartre die unerbittliche Verschlossenheit des Raumes mit der Ausweglosigkeit in der Hölle gleichsetzte. Einziger Ausweg ist die innere Freiheit. Hoehme setzte diese Situation in ein geistig-sinnliches Szenarium des Malerauges um. »Ich rutsche herab wie in ein Verlies.« Als er entdeckt, daß es in dem Luftschacht keinen Ausweg gibt, fragt er: »Fliehen? Zu schmal! Wieder hinab. Wo sind die Türen und wo die Gänge? Zugemauert einer durch ein Bild – mein Bild.« Der unverhoffte Zwang läßt ihn handeln: »Entregele Deine überreizten Sinne!« Und so entdeckt er die Farbigkeit, die Textur der Wände, die sein Auge empfindsam abtastet, und stößt aus: »Vergessen die Enge, vergessen das Frösteln. Sieh! Entdecke! Ich bin kein Gefangener!« Schließlich bleibt die Erkenntnis: »Bilder, entstanden aus der Metamorphose eines Menschen, und Bilder, erlebbar als Metamorphose eines Menschen.« 31 Offensichtlich waren Künstler, die – wie Uecker, Hoehme und später Baselitz – aus der DDR flohen, oder sie – wie Altenbourg und Mattheuer – nicht verließen, auf eine andere Art für den Existentialismus empfänglich als ihre Kollegen im Westen. Mit dem Existentialismus ließ sich, so Uecker, ein Gegenbild zur verordneten Weltanschauung des historischen Materialismus und zu den sozialen Konsequenzen für ein ständig kollektiv vorzulebendes positives Weltgefühl entwerfen. Statt dessen: Arbeit am Selbstentwurf auf der Hintergrundsfolie des Nichts, ein Weltbild, das den chaotischen Umständen nach Krieg und Holocaust für die jungen Künstler angemessener schien.32 Hinzu kam, daß man im Osten des Landes stärker am Expressionismus festhielt als im Westen. Auch dieses formale Erbe eignete sich als Grundlage für eine existentialistisch geprägte Inspiration, von der sich auch Gerhard Altenbourg leiten ließ. Da er in der DDR blieb und nie nach Paris reiste, war es für ihn kaum möglich, sich über den Existentialismus, vor allem als Lebensgefühl und Deutung des Künstlertums, zu informieren. Auch ist nicht bezeugt, ob er die Werke der Philosophen und Dichter gelesen hat, doch der Wortgebrauch seiner Prosa und Lyrik läßt es vermuten. Hochgestimmt und positiv klingen seine Worte selten, konstant wendet er sich der Beschreibung innerer Befindlichkeiten zu, stets aus der Angst heraus, das Ziel nicht zu erreichen. 1955 berichtete er seinem Freund Karl-Heinz Janda von Zeichen »für die Exkrementenhaftigkeit der Existenz, das dunkle, stinkende Loch des Lebens«, und davon, wie er sich das »Tragisch-Groteske« bewußt mache, weil »die Bemühungen des Menschen ins Leere laufen«.33 Solche Formulierungen deuten darauf hin, daß Altenbourg nicht nur von einer expressionistischen Innerlichkeit im Sinne Klees, son-
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dern auch von existentialistischem Ideengut beeinflußt war. Die Negation des Nichts, durch die Sartre den Menschen dazu verdammt sah, sich im Freiraum zu entwerfen, prägte sein künstlerisches Selbstverständnis stärker als Maler im Westen. Seine Ängste ließen sich beruhigen, sobald sein Malerauge romantische Entsprechungen zwischen seinem Innern und der Natur entdeckte.
Die existentialistische Tangente Mag die Wortwahl der genannten Künstler – und es waren im Grunde genommen nicht viele – als Hinweis auf ein existentialistisches Lebensgefühl interpretiert werden, gilt dies gleichfalls für ihr Werk? Dies erscheint um so unwahrscheinlicher, als daß es Klee, Kandinsky und Picasso waren, die in den frühen Nachkriegsjahren für die meisten deutschen Maler das stilistische Vorbild lieferten. Das trifft auch auf Joseph Fassbender und Hubert Berke zu, letzterer hatte sogar bei Klee studiert. Zusammen mit Georg Meistermann, den Kunsthistorikern Toni Feldkirchen, Hermann Schnitzler und Eduard Trier, den Sammlern Wilhelm Hack und Josef Haubrich, sowie Wilhelm Weber und Fürst Josef zu Salm-Reifferscheidt hatten sie die sogenannte Donnerstags-Gesellschaft gegründet, die zwischen 1946 und 1952 in Schloß Alfter bei Bonn zahlreiche Veranstaltungen mit Theater, Musik, Literatur, Philosophie und bildender Kunst organisierte.34 Drei Jahre nach der sogenannten Stunde Null, am 15. Februar 1948, inszenierten Fassbender, Berke und Hann Trier in einer legendären Gemeinschaftsarbeit ein Schlüsselwerk des existentialischen Theaters: Sartres Les Mouches, die im Jahr zuvor unter Regie von Gustav Gründgens im Düsseldorfer Schauspielhaus aufgeführt worden waren (Abb. 10).35 Während Kölner Schauspieler und Rundfunksprecher mit verteilten Rollen den Text vortrugen, projizierten die Maler mittels Ritzzeichnungen auf rußgeschwärzten Gläsern sechzig verschiedene Darstellungen an die Wand.36 Einer Ansprache Fassbenders, die er 1965 in Bonn hielt, verdanken wir eine der wenigen Quellen zu diesem Abend. Dort heißt es: »Fürst und Fürstin öffneten die Schloßtore unsern Plänen Asyl zu geben. Sartresche Fliegen flogen das erste Mal und gesagt wurde, daß Picasso in uns selbst sei.« 37 Außer einem Portofolio mit neun Holzschnitten, das den Gästen angeboten wurde, sind nur drei Holzschnitte überliefert, welche als Eintrittskarten dienten (Abb. 53). Sie zeigen einen in der Tat an Picasso orientierten fragmentarisierten und kubistisch verschränkten Stil: In Triers Holzschnitt ist Agamemnons Goldmaske zu erkennen, dazu ein drohendes Ungeheuer mit spitzen Zähnen von Berke und eine gepeinigte weibliche Gestalt Fassbenders; möglicherweise waren die Lichtprojektionen, von denen keine Aufnahme erhalten ist, in einer ähnlichen Bildsprache gehalten.
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53 Drei Holzschnitte zu Jean-Paul Sartres Die Fliegen von Hann Trier, Hubert Berke und Joseph Fassbender, Einladungskarte zur szenischen Lesung des Stücks am 15. Februar 1948.
Versucht man Licht in diese frühe Cross Culture-Arbeit zu bringen, so fällt ein Aspekt auf: Offensichtlich sollten die Projektionen nicht nur Licht in die rußgeschwärzten Ritzzeichnungen auf Glasplatten bringen, sondern vor allem eine Erleuchtung in das verdunkelte Bewußtsein der Zuschauer. Genau dafür stand Sartres Theaterstück, das ein dunkles Kapitel der antiken Mythologie behandelt: die Rache Orests und Elektras am schnöden Tod ihres Vaters Agamemnon, der, aus dem Krieg um Troja zurückkehrend, seine Frau Klytämnestra in den Armen des Usurpators Ägisth vorfindet und den Widersacher auf seinem Thron in Mykene sitzen sieht. Der mächtige Anführer wird daraufhin vom flagranten Paar ermordet. Sartre lenkte in seiner Version des Mythos den Blick auf die Rachegöttinnen, die Erinnyen, die im Namen der Ermordeten das Volk in Gestalt von Fliegen verfolgen und peinigen, da es eine Mitschuld am Mord hat. Sartres Augenmerk galt Orest, an den sich die Fliegen heften, weil er die Mörder mit dem Tode bestraft hat. Überzeugt von der Richtigkeit seiner Tat, akzeptiert Orest die Fliegenpein als Teil seines Lebens, fühlt sich deshalb frei – »Je suis libre, Électre; la liberté a fondu sur moi comme la foudre« – und geht ins Exil.38 Orest alias Sartre widersetzte sich nach der militärischen Niederlage vehement der verbreiteten nationalen Selbstverleugnung.39 Sein Theaterstück, schon 1943 verfaßt und in Paris aufgeführt, passierte die deutsche Zensur, da man in der Fliegenmetapher nicht das Schlüsselmotiv erkannte. Im Nachkriegsdeutschland begriff man es gleichwohl. Wollten nun die drei Maler in Schloß Alfter, daß sich alle Menschen im Sinne Orests als freie Menschen verstünden, deren Aufgabe es im Sinne des Existentialismus sei, ihr freiheitliches Selbstverständnis zu erfüllen und Licht ins Dunkel (der deutschen Schuld) zu bringen? Wurde also dem Licht eine purifizierende Aufgabe zugewiesen, ähnlich wie es später die Düsseldorfer Zero-Künst-
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ler taten? Ein Kritiker schilderte seinen Eindruck: »Die Schauspieler saßen in Anzug und Kleid unserer Tage an einem Tisch, ganz hingegeben an ihre Rolle. Hoch über ihren Köpfen leuchteten die Bilder auf. Das Wort hatten die Sprecher, sie hatten das Wort in Gewalt. Es ging nichts verloren an die Geste und die Szene…« 40 Im Gemeinschaftswerk von Schloß Alfter wurden Lichtprojektionen einem existentialistischen Theaterstück zugeordnet. Eine andere Form der Zuordnung zwischen Bild und Text können Bildtitel herstellen, da sie eine größtmögliche Nähe zwischen sprachlich motivierter Weltanschauung und Bildfindung erzeugen.
Existentialistische Bildtitel Tangenten des Existentialismus’ berührten die Wortwahl einiger weniger deutscher Künstler auch in ihren Bildtiteln. Inspiriert von Sartre, nannte Jeanne Mammen 1945 ein Gemälde Die Tür zum Nichts (Abb. 54), das ein kubistisch gekipptes, sozusagen im leeren Raum schwebendes und quasi janusköpfiges Türgebilde vor einer Schattentür zeigt, in dem sich die Dreiecke eines magischen Hexagramms abzeichnen.41 Vielleicht war Mammens Vorstellung als glücksverheißender Selbstentwurf im Sinne Sartres gemeint; allerdings hat sie später einmal erklärt, daß ihr die Gesellschaftsdramen von Jean Giraudoux näherstünden als die düsteren Theaterstücke Sartres, von dem sie Les Mains salles gesehen hatte.42 In den achtziger Jahren erinnerte sich Gerhard Hoehme: »Wir haben auch so viel von dem philosophischen Begriff ›Nichts‹ gesprochen und von dem in Frage stellen aller Bindungen an irgendeine Regel oder Stilvorstellung, die abgelehnt wurden.«43 Einmal, um 1955/56, hat auch er das Wort vom »Nichts« als Bildtitel verwendet, doch in seinen informellen Bildern ist das Nichts nur als Folie zu verstehen, von dem sich Künstler und Betrachter abwenden, um in der Reliefstruktur andere materielle und immaterielle Qualitäten zu entdecken. Bei Altenbourg finden sich mehrere Titel, die sowohl auf das Gedankengut des Existentialismus als auf die politischen Mißstände in der DDR verweisen. Schon 1949 nannte er eine Lithographie Bald ist es aus. 1965 gab er einer Zeichnung den Titel Nirgends ein Ausbruch möglich. Im Labyrinth / Im Rad; L’engrenage (Im Räderwerk) heißt ein Filmdrehbuch aus dem Jahr 1948, in dem Sartre die Idee von der Freiheit, sich zu entwerfen, in der Figur eines Diktators versinnbildlicht, dessen Machtgier durch den Freiheitsbegriff anderer Menschen Grenzen gesetzt werden.44 Später, im Jahr 1979, nahm Altenbourg noch einmal den Begriff des »Nichts« im Titel einer Gouache auf: Kein hier noch da, nur die Tiefe des Nichts.45
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54 Jeanne Mammen: Die Tür zum Nichts, um 1946/47, Öl auf Karton, 100 × 70 cm, Berlinische Galerie, Dauerleihgabe der Jeanne-Mammen-Gesellschaft.
Der Fall, ein weiteres Schlüsselwort des Existentialismus, so nannte Hann Trier 1961 eines seiner Werke (Abb. 55). Da Trier sich intensiv mit dem Existentialismus auseinandersetzte – bereits 1944 hatte er auf Anregung Fassbenders an der Front Camus’ Mythe de Sisyphe gelesen – liegt die Vermutung nahe, daß er auf den Roman La Chute anspielte, den Camus 1956 veröffentlicht hatte.46 Dieser erzählt darin die Geschichte eines Mannes, für dessen Schuld es keine Nachsicht und keine Hoffnung gibt, nur die Bestimmung, auf sich selbst gestellt zu sein. Camus konstruiert hier die Parallele zum Künstlerdasein.47 Sah Trier darin einen Schlüssel für das eigene prozeßhafte Arbeiten, seine kaskadengleichen Pinselschwünge, in deren festlicher Farbigkeit er sich zu verwirklichen schien? 48 Wir wissen nicht, ob er die leiblich gefühlte Selbstverwirklichung als Erfahrung kannte, wie sie MerleauPonty in seinem Hauptwerk La phénoménologie de la perception beschrieben hatte.49 Nach Merleau-Ponty konnte der Mensch als wählendes Subjekt Entscheidungen nur von seinem Leib aus treffen, denn der »sehende Leib« befinde sich inmitten der sichtbaren Umwelt. Trier und andere informelle Maler konnten aus dieser Wahrnehmungstheorie ihr eigenes künstlerisches Denken ableiten, da auch sie sich vom sehenden und gestisch arbeitenden Körper aus im Moment des Entscheidens direkt und performativ am Malmaterial verwirklichten.
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Hann Trier: Der Fall, 1961, Eitempera auf Leinwand, 130 × 97 cm, Saarbrücken, Saarland-Museum.
Sisyphos – eine existentialistische Ikonographie Im Gegensatz zu Sartre begriff Camus das endlose Mühen des Menschen nicht als vergeblich, sondern als absurd, weil es keine Erlösung gebe. Deshalb hat er seinen Essay Le mythe de Sisyphe, der 1942 erschien, zunächst nur Essai sur l’absurde nennen wollen. Bereits 1947, und vier Jahre später noch einmal, übersetzten es deutsche Kulturzeitschriften in Auszügen ins Deutsche.50 Auf Fassbender hat das Buch, das er bereits im französischen Original gelesen hatte, großen Eindruck hinterlassen. Zwischen 1952 und 1955 malte er gleich vier Bilder zu diesem Thema; die erste Fassung (1952, Privatbesitz) wurde auf der documenta II in Kassel gezeigt.51 Die Figur des Sisyphos ist dort in mehreren umrahmten Bildzonen mit einem Stein beschäftigt, gleichsam als Gefangener in geschlossenen Räumen, Bildräumen, die sein Leben beengen und ein Fortbewegen des Steins ausschließen. Oben rechts scheint eine weitere Figur zwei Steine hochzustemmen. Ist dies als Geste des Glücks zu verstehen? Camus begriff den antiken Helden als Rebell gegen die Götter, der diesen nicht den Gefallen tut, aufgrund der auferlegten Strafe tatsächlich unglücklich zu sein. Die Passage über den antiken Anti-Helden endet mit den Worten: »Je laisse Sisyphe au bas de la montagne! […] Cet univers désormais sans maître ne lui paraît ni stérile ni futile. Chacun des grains de cette pierre,
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chaque éclat minéral de cette montagne pleine de nuit, à lui seul, forme un monde. La lutte elle-même vers les sommets suffit à remplir un cœur d’homme. Il faut imaginer Sisyphe heureux.« 52 Sollte Fassbender seine Werke zum Sisyphos-Mythos als »Bildreichtum« verstanden haben, als sei für den Betrachter wie für Sisyphos jedes »Gran«, jeder »Splitter« eine »ganze Welt«? Ein Grund, um beim Sehen glücklich zu sein? Sisyphos gilt als Sinnbild des von den Göttern für seine Aufsässigkeit bestraften Arbeiters. So ist es als eine Aufsässigkeit besonderer Art zu verstehen, daß der im »Arbeiter- und Bauernstaat« DDR lebende Wolfgang Mattheuer den antiken Anti-Helden zwischen 1972 und 1976 gleich mehrfach zum Thema seiner Bilder machte.53 Auf der ersten Version von 1972, Die Flucht des Sisyphos (Abb. 56), schreitet die mythische Figur mit großen Schritten durch ein Tal der untergehenden Sonne entgegen – also nach Westen – und wird dabei von einer Figur aus Stein beobachtet. Auf der zweiten Version mit dem Titel Sisyphos behaut den Stein (1974) beobachten diesmal vier Gestalten, wie Sisyphos als Bildhauer aus dem Stein eine Faust schlägt. Ist die Umdeutung als Versuch einer Revolte gegen die Mächtigen zu verstehen? Die Faust ist zu groß und schwer und wird schließlich ins Tal zurückrollen – was bleibt, ist eine unmögliche Geste.54 Die dritte Version von 1976 nannte Mattheuer Der übermütige Sisyphos und die Seinen. Mehrere Figuren stemmen hier den Stein, der sich als gigantischer Kopf erweist, den Berg hoch. Doch auch er wird zurückrollen. Mattheuer meinte 2002, er habe auf das »Nichtzusehene« verweisen wollen, darauf, daß jede Hochgestimmtheit über Arbeit ohne ihr Äquivalent, der sinnvollen Freizeit, nur Übermut ist. Gleich nach der Wende habe er nochmals das Thema aufgegriffen, diesmal habe er Sisyphos dargestellt, wie er unten am Berg sinnend an seinem Stein lehnt, während andere Figuren oben gleichgültig am Abgrund sitzen.55 Ähnlich nachhaltig wie Mattheuer wurde Georg Baselitz vom Thema des Sisyphos angeregt. Nachdem er 1957 aus der DDR nach Berlin gekommen war und bei Hann Trier an der Hochschule für bildende Künste zu studieren begann, machte sein frankophiler Professor ihn auf die französische Literatur und Theaterstücke aufmerksam, die in Berlin aufgeführt wurden.56 Baselitz sah Aufführungen von Sartre, Anouilh und Ionesco, die unter dem Stichwort »absurdes Theater« firmierten.57 Beckett inszenierte seine Stücke in Berlin gewöhnlich selbst. Nur in Warten auf Godot führten Studenten der Akademie Regie. Zwar spielte Baselitz nicht mit, sah aber alles mit Begeisterung. Mit der Theorie des Existentialismus hat er sich nie auseinandergesetzt, aber dessen literarische »Stimmung«, wie er es
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Wolfgang Mattheuer: Die Flucht des Sisyphos, 1972, Öl auf Hartfaser, 96 × 118 cm, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Galerie Neue Meister.
heute nennt, dessen Mentalität, haben ihn nachhaltig beeinflußt. Becketts Werke, insbesondere der Roman Murphy, der 1957 auf deutsch erschien 58, Camus’ Mythe de Sisyphe und sein Roman La Peste über einen Arzt in Algerien, der im Kampf gegen die Epidemie der Haut und Fleisch entstellenden Pest seine Aufgabe findet 59, habe er »verschlungen«. Die »Stimmung des Existentialismus«, bekennt Baselitz rückblickend, habe sein skandal-auslösendes Bild Die große Nacht im Eimer sowie seine Helden-Bilder mitbestimmt. Immer sind es einsame Bildfiguren, verwundet, bis ins Fleisch angefressen und ohne schützende Haut, hilflos ausgeliefert, zerlumpt und in ihrer Ich-Erfahrung ganz auf den eigenen Leib in Gestalt des erigierten Penis reduziert. So explizit hatten die Existentialisten die Konzentration auf den Leib niemals beschrieben. Mit Ausnahme von Wols. Aber war der überhaupt ein Existentialist?
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Der Fall Wols Ob man im Informel einen reinen Ausdruck für das existentialistische Lebensgefühl erkennen darf, ist eine offene Frage. Häufig dient in dem Zusammenhang Wols als Kronzeuge. Daß dieser sich selbst als Existentialist begriffen hat, erscheint naheliegend und wird regelmäßig wiederholt. Für viele deutsche Künstler galt er nach seinem Tode 1951 als Existentialist par excellence, nicht zuletzt, weil sein Galerist René Drouin als wichtige Anlaufstelle für deutsche Künstler und Kunstschriftsteller fungierte. Wols’ Bilder galten als Paradigma für das Menschliche, das sich nur noch in formlosen Spuren, Kratzungen, wirren Linien und Häkchen von der Bildmitte aus in den freien Raum des Bildes artikulierte, ohne Halt, ohne Ziel, aber in jedem Werk erneut vom Bildzentrum aus, das dem Maler – gleichsam aus dem Nichts heraus – die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung gab. Auf vier Kaltnadelradierungen, die Sartres Schrift Visages, précédé de Portraits officiels (Abb. 57) illustrierten, hat er die Gesichter aufgelöst und auf dem Feld der Papiergrenzen eine freie Ordnung fragmentarisierter Motive am Rande der Nicht-Erkennung gezeigt, gleichsam einer Verwesung, die er an Picasso und Masson vorbei entwickelt hatte.60 Soweit scheint das existentialistische Künstlertum im Werk glaubwürdig Ausdruck gefunden zu haben. Kunstschriftsteller wie Werner Haftmann und andere haben diese Legende geknüpft.61 Hinzu kommt, daß Wols im selben Hôtel Louisiana an der Rue de Seine lebte wie Sartre und Simone de Beauvoir 62, und Sartre ab und zu die Hotelkosten des ärmlich lebenden Künstlerpaares bezahlte oder einige von Wols’ Arbeiten kaufte. Hat sich Sartre, als er 1963, also posthum, über Wols einen Artikel mit dem Titel Doigts et non-doigts schrieb, nur für die Kaltnadelradierungen bedankt oder erblickte er in dessen Bildwelt tatsächlich eine authentische Übersetzung der existentialistischen Philosophie? 63 Aber Wols hat offensichtlich nie zum unmittelbaren Kreis der Existentialisten gehört, Sartres Biographen erwähnen ihn nicht einmal. Das stimmt nachdenklich. Wir wissen auch, daß er nicht die atheistische Haltung der Existentialisten teilte. Sein Begriff vom »Absoluten« war nicht auf die Freiheit einer »absoluten« Kunst bezogen, sondern auf das irgendwie Göttliche. Zwar hat Carla Schulz-Hoffmann seine Darstellung des Bildes Das Auge Gottes (um 1949) im Sinne des Existentialismus als ein nicht-religiöses Motiv gedeutet, dabei jedoch Wols’ Figurengedicht In Cassis übersehen, das er zusammen mit drei Aquarellen in einem Faltblatt abdruckte.64 In diesem auf Französisch formulierten Gedicht preist Wols das Göttliche, fernöstlicher Buddhismus und westliche Weltanschauung finden hier zusammen:
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Wols: Kaltnadelradierungen in Visages, précedé de Portraits officiels von Jean-Paul Sartre, Paris 1948.
»[…] Au delà des amours personnels, Il y a l’amour sans nom, Le grand mystère, L’absolu, X Tao Dieu Cosmos Saint-Esprit Un Infini […]«.65 Im Druckbild schnürt sich das Gedicht in einem römischen X wie zu einer Sanduhr zusammen, das als Zeichen für Tod und Unendlichkeit, als Zeichen für das Absolute verstanden werden kann. Zu Recht verweist Franz-Joachim Verspohl darauf, daß Wols sich für das chinesische Tao interessierte, Sartre hingegen Lao Tse’s »Nichts« als existentialistisches »Nichts« gedeutet habe.66 War Sartre in der reli-
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giösen Tradition nicht mehr zu Hause, nahm Wols auf der Suche nach spirituellen Zusammenhängen auch das Göttliche auf. War er also wirklich der zerrissene, der geworfene Künstler? Oder ist er nicht vielmehr auf Grund seiner Illustrationen für Sartres Schrift, seiner als informel gedeuteten Bilder und Fotos von verwesendem Fleisch und geborstenen Trottoirsteinen sowie wegen seines ärmlichen, dem Alkohol verfallenen Lebens dazu gemacht worden? Bis heute gilt Wols als VorzeigeExistentialist, als ein Geworfener im Selbstentwurf des Lebens, der Sartres Schriften las und illustrierte. Zwar weiß Gloser Laszlo zu berichten, Wols habe sich im Spiegel seiner fotografierten Selbstporträts gefragt: »… bin ich ein Gefäß, oder ein Trichter, oder eine Quelle? Oder bin ich ein Nichts?« 67 Doch ganz offensichtlich hat sich Wols nie Sartres’ Imagination vom Schaffen aus der Negation heraus zu Eigen gemacht, war nicht wirklich vom Existentialismus inspiriert, sondern fand im Surrealismus, im katholischen Glauben und im Tao Halt. Die ihm unterstellte Koinzidenz von Leben und Werk unter dem Banner des Existentialismus entpuppt sich als Konstruktion.
Selbstverwirklichung im Schreiben 1964 schilderte Sartre in seiner biographischen Schrift Les Mots eindringlich seine Entscheidung gegen die religiöse Erziehung und für den Selbstentwurf im Schreiben.68 Zu schreiben sei der eigentliche Sinn seiner Geworfenheit. In diesem Handeln wird Selbstverwirklichung als Entäußerung des Menschen erkennbar, vor allem in der darin sichtbar werdenden Verantwortung für sich selbst und andere. Les Mots greifen den existentialistischen Selbstentwurf als ein zu verwirklichendes Künstlertum auf, das seine eigene Freiheit manifestiert. Deshalb verschrieb sich Sartre dem Schreiben. In ihrer künstlerischen Hingabe ans Schreiben fand Hanne Darboven in Sartre einen Geistesverwandten. Indem sie Auszüge aus dem Ende von Les Mots in ihre gelebte Schreibzeit (Abb. 58) übernahm, schrieb sie sich in Sartres Schreiben ein.69 »J’écris toujours«, heißt es bei ihm. »Que faire d’autre? Nulla dies sine linea. C’est mon habitude et puis c’est mon métier. Longtemps j’ai pris ma plume pour une épée: à présent je connais notre impuissance. N’importe: je fais, je ferai des livres«.70
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58 Hanne Darboven: Die Wörter. Kein Tag ohne Linie, in: dies.: Schreibzeit. Faksimilierte Ausgabe in 12 Bänden, hrsg. von Bernhard Jussen, Köln 2000, Bd. III, S. 94.
So handelt es sich in Darbovens Schreibzeit mehr als nur um ein Zitat, nämlich um eine künstlerische Identifikation der Arbeit als Lebensentwurf.71 In der handgeschriebenen Aneignung zweier Gespräche, zum einem mit Sartre unter dem Titel Ich müßte sehr niedergeschlagen sein, zum anderen zwischen Alice Schwarzer und Simone de Beauvoir über Das Ewig Weibliche ist eine Lüge in der Wochenzeitschrift Der Spiegel, betreibt Darboven mit den Worten eines anderen Selbstreflexion, die
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sie im eigenen Selbstentwurf ausführt.72 Das von Sartre übernommene Zitat beschreibt den Prozeß des Schreibens als Initiationsritual im Hinblick auf seine Wandlung vom religiös erzogenen Kind zum a-religiösen Schriftsteller.73 Gefragt, ob sie diesen Auszug in ihre Schreibzeit übertragen habe, weil auch sie ihr Schreiben als Übergangsritus für die Selbstverwirklichung verstehe, antwortet Darboven bejahend. Die Anwesenheit von Sartres Schreiben im eigenen zu verlebendigen, gelang ihr im Akt einer Selbsterkennung der Existentialisten, hier aber als doppelter Selbstentwurf der Identifikation und des eigenen künstlerischen Handelns.
Fazit Als Existentialist pur konnte keiner der hier vorgestellten Künstler ausgemacht werden. Es gab Berührungspunkte, vergleichbare sprachliche Formulierungen in Gedichten und Prosastücken, Intentionserklärungen sowie einige wenige Bildtitel mit existentialistischen Schlüsselwörtern. Die kunsthistorische Ausbeute muß als gering bezeichnet werden, und dies, obwohl eine allgemeine, starke Inspiration des Existentialismus für Vertreter der deutschen Nachkriegskultur immer wieder von Historikern und Germanisten angenommen wird.74 Schon 1953 unterschied Will Grohmann im Hinblick auf Bildende Kunst und Architektur zwischen einem »mehr katholisierenden Existentialismus in Frankreich und einem freidenkerischen in Deutschland«.75 Breit durchgesetzt hat sich dieser aber nie, sonst gäbe es – vom Motiv des Sisyphos abgesehen – gewiß eine umfangreichere existentialistische Ikonographie und deutlichere Hinweise auf den weltanschaulichen Hintergrund. Von einer großen Inspirationsquelle des Existentialismus für die deutsche Kunst nach 1945 kann also nicht gesprochen werden.76 Vielleicht war es gerade die »freidenkerische« Variante des Existentialismus in Deutschland, die eine tiefgreifende Reflexion nicht aufkommen ließ. Man war davon inspiriert, bekannte sich dazu, fühlte sich vom Nimbus dieser Weltanschauung fasziniert, kosmopolitisch den französischen Künstlern zugehörig und geistig auf der Höhe der Zeit, und fand gleich nach dem Krieg auf diese Weise eine Alternative zu dem Künstlertum, wie es Faschismus und Kommunismus verordnet hatten. Es ist wohl nicht selten so gewesen, daß man den Existentialismus als einen Deckmantel gegen das Chaos der Nachkriegszeit, gegen die geistigen Auflösungserscheinungen und zunehmende politisch-weltanschauliche Vereinahmung der Adenauer-Zeit wie der sich konsolidierenden Macht der kommunistischen Einheitspartei nutzte, unter dem man leichter zu sich selbst zu finden hoffte. Darin gab es im Ansatz so etwas wie eine gesamtdeutsche Mentalität. Dennoch muß ihr Ausmaß angesichts des kunsthistorischen Befunds relativiert werden. Wohl erschien die informelle Arbeitsweise
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vielen der hier Besprochenen als adäquate Form des freiheitlichen Selbstentwurfs. Aber dies gilt eben nicht für alle informellen Künstler in Deutschland. Diejenigen, die sich dazu geäußert haben, verstanden – sieht man von Altenbourg einmal ab – die existentialistische Botschaft selbst als Heilsbotschaft. Ihre Kunst galt ihnen als Garant des Selbstentwurfs auf der Suche nach Selbstverwirklichung und Freiheit. Das jeweilige Werk hatte die Funktion eines Modells für die im Werk angeregte Selbstverwirklichung des Betrachters. Die Mentalitätsgeschichte der Existentialisten mündet also in eine vergleichsweise schmale Rezeptionsgeschichte in Deutschland mit ihrer hier proklamierten Hermeneutik, die als solche wiederum in andere Zweige der Kunst – wie dem Happening und der kinetischen Kunst – hineinwirkte. Aber diese Kunstrichtungen erwähnten keine existentialistischen Inspiratoren mehr.
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1 Jean-Paul Sartre: L’existentialisme est un humanisme, Paris 1946 (1970); deutsch: Ist der Existentialismus ist ein Humanismus?, Zürich 1947, Reinbek bei Hamburg 1965. 2 Annie Cohen-Solal: Sartre, 1905–1980, Paris 1985, niederländische Ausgabe Amsterdam 1988, S. 278, schreibt, daß die beiden Organisatoren des Club Maintenant – Jacques Calmy und Marc Beigbeder –im Figaro den Vortrag im Saal Les Centraux, 8 rue Jean-Goujon, angekündigt hätten. 3 Sartre 1946 (1970), S. 22, 23, 37 und 93. 4 Jean-Paul Sartre: L’être et le néant. Essai d’ontologie phénoménologique, Paris 1943; deutsch: Das Sein und das Nichts. Versuch einer phänomenologischen Ontologie, hrsg. von Traugott König, übersetzt von Hans Schöneberg und Traugott König, Reinbek bei Hamburg 1952. 5 Sartre 1946 (1970), S. 76. 6 Siehe Dore Asthon: The New York School, a Cultural Reckoning, New York 1973, London 1979, S. 174–192; Paris Post War. Art and Existentialisme 1945–1955, hrsg. von Frances Morris Ausstellungskatalog, Tate Gallery, London, London 1993; Alfons Grieder: Existentialistische Skulptur? Betrachtung zu Richiers und Giacomettis Werk, in: Raum und Körper in den Künsten der Nachkriegszeit, hrsg. von Angela Lammert, Berlin 1998, S. 147–158. 7 Franz-Joachim Verspohl: »Die konkreten Dinge stehen im zweiten Rang«. Wols und Sartre, in: Idea V/1987, S. 109–139; Philipp Gutbrod: Bergauf – Bergab. Kunstwerke im Kontext des Buches »Der Mythos des Sisyphos« von Albert Camus, in: Der Berg, hrsg. von Hans Gehrke, Heidelberg 2002, S. 213–227. 8 Werner Haftmann: Utopie und Angst, in: Zeugnisse der Angst in der modernen Kunst. Ausstellung zum 8. Darmstädter Gespräch, Ausstellungskatalog, Mathildenhöhe Darmstadt, Darmstadt 1963, S. 77–97, S. 83. 9 Siehe Pierre Bourdieu: Esquisse d’une théorie de la pratique, Genf 1972; deutsch: Frankfurt am Main 1976; ders.: Raison pratique sur la théorie de l’action, Paris 1994; ders.: Zur Soziologie der symbolischen Formen, Frankfurt am Main 1970, S. 75–127. 10 Siehe Jean Daniélow: Das geistige Leben in Frankreich, in: Dokumente I-11/1945, S. 1–7; M. Le Blond: Was ist Existentialismus?, in: Dokumente II-7/1946, S. 1–7; Viktor von Weizsäcker: Jean-Paul Sartre’s Sein und Nichts, in: Umschau II-6/1947, S. 667–675; Wilhelm
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Weischedel: Wesen und Grenze der Existenzphilosophie, in: Frankfurter Hefte, Heft 8, 1948, S. 726–735, Heft 9, 1948, S. 805–813. Johannes Hirschberger: Geschichte der Philosophie. Neuzeit und Gegenwart, Freiburg im Breisgau 1952, S. 631 ff. Maximilian Feuerring: Kunstausstellung der Displaced Persons. Berichte und Berichtigungen, in: Prisma I-6/April 1947, S. 33–34. Siehe Walter Erben: Picasso und die Schwermut. Versuch einer Deutung, Heidelberg 1947; Hans Sedlmayr: Kierkegaard über Picasso, in: Wort und Wahrheit 5/1950, S. 356–370; Werner Haftmann: Malerei im 20. Jahrhundert, München 1954, S. 142. Lotte Schubart: Die abstrakte Malerei in Paris, in: Prisma I-10/August 1947, S. 39–41, S. 39. Martin Heidegger: Sein und Zeit, Halle 1927, Tübingen 111967, S. 134 ff.; ders.: Kant und das Problem der Metaphysik, Bonn 1929, Frankfurt am Main 71955, S. 35; Sartre 1943, S. 77 (»jetés ensuite«), S. 421 und 614–643. Sartre verwendet die Ausdrücke »délaisser«, »délaissement« und »jeter« und spricht vom »Seinsentwurf« und »Selbstentwurf« (Sartre 1952, S. 652 und 659). Leopold Zahn: Abkehr von der »Natur«, in: Das Kunstwerk I/1946–47, Heft 8–9, S. 3–6, S. 5. Albert Camus: Der Künstler und die Freiheit, in: Der Monat II-17/Februar 1950, S. 522–526 (in der Reihe Die Intellektuellen in der Krise der Gegenwart), und in: Berliner Neue Gruppe 1950, Ausstellungskatalog, Maison de France, Berlin, Berlin 1950, o. P. Siehe Sartre 1943, S. 76: »Ma liberté est l’unique fondement des valeurs et que rien, absolument rien, ne me justifié d’adopter telle ou telle valeur, telle ou telle échelle de valeur«. Siehe Martin Schieder: En toute liberté. Professions de foi d’artistes allemands après 1945, in: Les écrits d’artistes depuis 1940, hrsg. von Françoise Levaillant, Paris 2004, S. 159– 171. Zu Ueckers Begeisterung für Sartres Weltanschauung, die er für sein Reisetheater aufgriff, siehe Tiziana Caianiello: Der »Lichtraum (Hommage à Fontana)« und das »Creamcheese« im museum kunst palast. Zur Musealisierung der Düsseldorfer Kunstszene der 1960er Jahre, Diss. Köln 2003, S. 102–103. Am 27. November 2003 ergänzte Uecker im Telefongespräch mit der Verfasserin, er sei, 1954 aus der DDR kommend, nach Paris gereist und habe dort die Lehre des Existentialismus für sich als Gegenmodell zum
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dialektischen Materialismus erfahren, in dem er aufgezogen worden war, und den er nun als Lüge empfand. Der Existentialismus habe ihm geholfen, Scham, Mangelhaftigkeit und innere Not (etwa nach dem Korea-Krieg) zu akzeptieren, und die eigene Ausdrucksweise ohne Rückbindung an eine Religion zu suchen. In diesem Sinn habe er sein Atelier in Oberkassel als eine Art Klosterzelle für »Gebete aus dem Stand« aufgefaßt und seine Fenster weiß gestrichen. Interview Bernard Schultze – Gabriele Lueg, Köln, 6. April 1978, in: Gabriele Lueg: Studien zur Malerei des Deutschen Informel, Aachen 1983, S. 311–335, 322–323. Hans Strelow im Telefongespräch mit der Verfasserin am 2. November 2002; Ulrich Schumacher im Telefongespräch mit der Verfasserin am 15. November 2002. Siehe Martin Schieder: René Drouin und seine Ausstellung ›Peintures et sculptures non figuratives en Allemagne d’aujourd’hui‹ 1955 in Paris, in: Jenseits der Grenzen. Französische und deutsche Kunst vom Ancien Régime bis zur Gegenwart. Thomas W. Gaehtgens zum 60. Geburtstag, hrsg. von Uwe Fleckner, Martin Schieder und Michael F. Zimmermann, 3 Bde., Köln 2000, Bd. 3, S. 180–200. Ulrich Schumacher im Telefongespräch mit der Verfasserin am 15. November 2002. Auch Schultze besuchte Gréty Wols; siehe Ursel Bluhm an Will Grohmann, 27. März 1954 (Archiv Will Grohmann); diesen Hinweis verdanke ich Martin Schieder. Emil Schumacher, 1960; zit. nach Emil Schumacher – Arbeiten auf Papier 1957–1982, Ausstellungskatalog, Kunstmuseum Hannover, Hannover 1982, S. 31. Emil Schumacher: Farben und Einfälle, 1957, in: Emil Schumacher. Bilder und Gouachen, Ausstellungskatalog, Neue Galerie der Stadt Linz, Wolfgang-Gurlitt-Museum, Linz 1976, o. P. Klaus Manger: Emil Schumachers Liebesgrüße Für Ulla, 1996, in: Emil Schumacher: Für Ulla, 1996, hrsg. von Klaus Manger u. a., Gera 1997, S. 35–38, S. 37. Sartre 1943, S. 18. Emil Schumacher: Selbstzeugnisse 1972; zit. nach Dokumente zum deutschen Informel, hrsg. von Manfred de la Motte, Bonn 1976, S. 204. Siehe K. O. Götz: Erinnerungen und Werk, 2 Bde., Düsseldorf 1983, Bd. I b, S. 406. K. O. Götz: Spuren der Maler. Lyrische Texte, Aachen 2000, S. 54 und 175.
31 Gerhard Hoehme: Der Kaiserplatzkeller – Entregele Deine Sinne, in: Gerhard Hoehme. Bilder, Ausstellungskatalog, Städtische Kunsthalle Düsseldorf und Heidelberger Kunstverein, hrsg. von Juergen Partenheimer, Düsseldorf 1979, S. 42. 32 Günther Uecker im Telefongespräch mit der Verfasserin am 27. November 2003. 33 Gerhard Altenbourg an Karl-Heinz Janda, 10. November 1955, zit. nach Gerhard Altenbourg. Arbeiten 1947–1987, Ausstellungskatalog, Kunsthalle Bremen u. a., Berlin 1988, S. 50–53, S. 50–51. 34 Siehe Christa Lichtenstern: Metamorphose. Vom Mythos zum Prozeßdenken. Ovid-Rezeption, surrealistische Ästhetik, Verwandlungsthematik der Nachkriegskunst, Weinheim 1992, S. 382, Anm. 2. 35 Siehe Mechthild Häußler: Rezeption der SartreDramen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland: Von der »Stunde Null« zur »Terrorismus-Diskussion«, Diss. Frankfurt am Main 1989. 36 Siehe Günter Aust: Joseph Fassbender, Recklinghausen 1961, S. 9. Der Andrang war so groß, daß man die Veranstaltung noch am selben Tag zweimal wiederholte. 37 Joseph Fassbender: Ansprache am 7. Dezember 1965 in Bonn, zit. nach Joseph Fassbender. Malerei zwischen Figuration und Abstraktion, hrsg. von Wulf Herzogenrath, mit einem Werkverzeichnis der farbigen Arbeiten von Uwe Haupenthal, Köln 1988, S. 18. 38 Jean-Paul Sartre: Les Mouches (1943), Paris 1947, S. 91; deutsch: Die Fliegen, in: Die Quelle I-2/1947, S. 129–198, und ders.: Dramen, Stuttgart u. a. 1949. 39 Siehe Jean-Paul Sartre: Der Dichter über sein Werk, in: Quelle I-2/1947, S. 131; zit. nach Mechthild Rahner: »Tout est neuf ici, tout est à recommencer …«. Die Rezeption des französischen Existentialismus im kulturellen Feld Westdeutschlands (1945–1949), Würzburg 1993, S. 17. 40 Werner Witthaus: »Die Fliegen« im Dorf, in: Rheinische Zeitung, Westausgabe, 21. Februar 1948, S. 5; siehe Die Donnerstagsgesellschaft: Alfter 1947–1950, hrsg. vom Kulturkreis Alfter mit einer Dokumentation von Frank-R. Hildebrandt, Düsseldorf 1997, S. 18. 41 Siehe Annelie Lütgens: »Nur ein Paar Augen sein…« Jeanne Mammen – eine Künstlerin in ihrer Zeit, Berlin 1991, Nr. 128. 42 Ibid., S. 51.
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43 Interview Gerhard Hoehme – Gabriele Lueg, Neuss-Selikum, 5. März 1978, in: Lueg 1983, S. 292–309, S. 294. 44 Gerhard Altenbourg. Werk-Verzeichnis 1947– 1969, Ausstellungskatalog, Galerie Brusberg, Hannover, hrsg. von Dieter Brusberg, Hannover 1969, Nr. 49/52 (Bald ist es aus) und Nr. 65/4 (Nirgends ein Ausbruch möglich. Im Labyrinth / Im Rad). 45 Gerhard Altenbourg 1988, Nr. 166. 46 Albert Camus: Le mythe de Sisyphe, Paris 1942; deutsch: Der Mythos von Sisyphos. Ein Versuch über das Absurde, Reinbek bei Hamburg 1959; siehe Joseph Fassbender 1988, S. 17; Gutbrod 2002, S. 219. 47 Albert Camus: La Chute, Paris 1956; deutsch: Der Fall, Hamburg 1957; Neuausgabe Reinbek bei Hamburg 1961; siehe Morvan Lebesque: Albert Camus. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek bei Hamburg 1960, S. 132–133, Anm. 50. 48 Siehe Matthias Bleyl: Essentielle Malerei in Deutschland. Wege zur Kunst nach 1945, Nürnberg 1988, S. 96, Nr. 34. 49 Maurice Merleau-Ponty: Phénoménologie de la perception, Paris 1945; deutsch: Phänomenologie der Wahrnehmung, Berlin 1966. 50 Auszüge aus Camus’ Mythos des Sisyphos erschienen in den Zeitschriften Fähre 2/1947, S. 43 ff., und Wert und Wort 6/1951, S. 121. 51 Joseph Fassbender 1988, Nr. 118. 52 Camus 1942, S. 166. Das Nächtliche im Leben von Sisyphos hat Fassbender in der zweiten Version (Joseph Fassbender 1988, Nr. 119) verstärkt. Skeletthafte Figuren halten sich in schachtelgleichen Räumen auf. 1953 wandte Fassbender das Hell-Dunkel-Verfahren so an, als habe er das Positiv mit einem Negativ kombiniert (Nr. 130). 53 Siehe Gutbrod 2002, S. 220–221. Nachdem Mattheuer 1960 Camus’ Buch gelesen hatte, betrachtete er Sisyphos als alter ego (Telefongespräch mit der Verfasserin am 19. November 2002). 54 Siehe das Umschlagbild von Beiträge zur materialkritischen Kulturtheorie, hrsg. von W. D.Hund und D. Kramer, Köln 1978. 55 Wolfgang Mattheuer im Telefongespräch mit der Verfasserin am 19. November 2002. 56 Siehe Heinz Bude: Das Bild eines Kriegskinds »Die große Nacht im Eimer« (1962/63) von Georg Baselitz, in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken XLV-510–511/September–Oktober 1991, S. 959–964, S. 962.
57 Georg Baselitz im Telefongespräch mit der Verfasserin am 19. November 2002. 58 Zu Becketts Bing schuf Baselitz 24 Kaltnadelradierungen; siehe Georg Baselitz: Künstlerbücher, hrsg. von Maria Linsmann, Köln 2001, S. 43, Abb. 18–19. 59 Albert Camus: La Peste, Paris 1947; deutsch: Die Pest, Innsbruck 1948; Boppard und Bad Salzig 1949; Hamburg 1950. 60 Wols’ Kaltnadelradierungen erschienen in JeanPaul Sartre: Visages, précedé de Portraits officiels, Paris 1948, Frontispiz, S. 20, 29 und 37; siehe Verspohl 1987, S. 130–133, Anm. 160. 61 Siehe Werner Haftmann: [ohne Titel], in: Wols (Wolfgang Schulze). Paris. Gouachen, Gemälde, Ausstellungskatalog, Badischer Kunstverein, Karlsruhe, o. O. 1961, o. P.: »Malen wird jetzt direktes Handeln aus der Existenz«; ders.: Wols, in: II. documenta ’59. Kunst nach 1945, Ausstellungskatalog, Museum Fridericianum, Kassel, München 1959, Bd. 1 (Malerei), S. 450–451; ders.: Wols. Aufzeichnungen, Aquarelle, Aphorismen, Zeichnungen mit Beiträgen von JeanPaul Sartre und Henri-Pierre Roché, hrsg. von Werner Haftmann Köln 1963; ders. 1954, 41965, S. 476: »Aufzeichnungswürdig sind allein die Spannungen der Existenz«. Das Wort »Existenz« wird immer wieder in Zusammenhang mit Wols’ Leben und Werk bemüht, wenn auch mehr als Parallele zum Existentialismus; siehe Guido Magnaguango und Ulrich Krempel: Vorwort, in: Wols. Bilder, Aquarelle, Zeichnungen, Photographien, Druckgraphik, Ausstellungskatalog, Kunsthaus Zürich / Kunstsammlung NordrheinWestfalen, Düsseldorf, Zürich 1989, S. 9–11; vorsichtiger dagegen Ewald Rathke: Zur Kunst von Wols, in: ibid., S. 13–29, 15 f. und 49, sowie Elfriede Schulze-Battmann: Lebensdaten, ibid., S. 396–405, S. 402 und 404. 62 Siehe Biemel 1964, S. 9; Werner Haftmann: [ohne Titel], Wols 1913–1951. Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Ausstellungskatalog, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz Nationalgalerie, hrsg. von Werner Haftmann, Berlin 1973, S. 5–17, S. 7. 63 Jean-Paul Sartre: Doigts et non-doigts, in: Wols en personne. Aquarelles et dessins, hrsg. von Werner Haftmann, Paris 1963, S. 10–21; deutsch: Finger und Nichtfinger, in: Haftmann 1963, S. 32–43. Sartre hat den Text auf Bitten Haftmanns verfaßt. 64 Carla Schulz-Hoffmann: Wols, in: Deutsche Kunst im 20. Jahrhundert. Malerei und Platik
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1905–1985, Ausstellungskatalog, Staatsgalerie Stuttgart, hrsg. von Christos M. Joachimides, Norman Rosenthal und Wieland Schmied, München 1986, S. 458–459, S. 459. Siehe Silvia Koch: Untersuchungen eines ästhetischen Phänomens im Spiegel taoistischer Begrifflichkeit. Wols’ Stellung in der Moderne, Staatsexamensarbeit Universität Osnabrück 1980. Wols 1913–1951 1973, S. 37. Verspohl 1987, S. 134. Gloser Laszlo: Wols. Photograph, Ausstellungskatalog, Kestner-Gesellschaft, Hannover, München 1978, S. 76 (ohne Quellenangabe). Jean-Paul Sartre: Les Mots, Paris 1964; deutsch: Die Wörter, Reinbek bei Hamburg 1965. Hanne Darboven: Schreibzeit. Faksimilierte Ausgabe in 12 Bänden, Köln 2000, Bd. III; siehe Hanne Darboven. Schreibzeit, hrsg. von Bernhard Jussen, Köln 2000; Ernst A. Busche: »Entweder muß die Wissenschaft den Existentialismus vernichten oder mit ihm eins sein. Französische Fragmente in Hanne Darbovens »Schreibzeit«, in: Jenseits der Grenzen. Französische und deutsche Kunst vom Ancien Régime bis zur Gegenwart. Thomas W. Gaehtgens zum 60. Geburtstag, hrsg. von Uwe Fleckner, Martin Schieder und Michael F. Zimmermann, 3 Bde., Köln 2000, Bd. III, S. 241–257. Sartre 1964, S. 211. Den Quersummen der Geburtsdaten Sartres und de Beauvoirs widmete Darboven eine handgeschriebene Übersetzung, also eine Handlung aus dem eigenen Leben; Darboven 2000, Bd. III, S. 141, und Bd. VI, S. 171; siehe Hanne Darboven 2000, S. 21 und 58 (mit Abb.). »Ich müßte sehr niedergeschlagen sein«. JeanPaul Sartre mit 70 Jahren. (Gespräch mit Michel
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Contat, Mitarbeiter seiner Zeitschrift Les Temps Modernes), in: Der Spiegel XXIX-27/30. Juni 1975, S. 84–87, und »Das Ewig Weibliche ist eine Lüge«. Simone Beauvoir über die Situation der Frauen nach dem »Jahr der Frau« (Alice Schwarzer im Gespräch mit Simone Beauvoir), in: ibid. XXX-15/5. April 1976, S. 190–201; siehe Elke Bippus und Ortrud Westheider: Hanne Darboven. Kommentiertes Werkverzeichnis der Bücher, Köln 2002, S. 58–59. Sartre 1964, S. 154. Siehe Rahner 1993, S. 133 ff.; Edward Reichel: Humanismus à la française 1945 bis 1960: Frankreichs Kultur im Nachkriegsdeutschland – Ost und West, in: Sinn und Sinnverständnis. Festschrift für Ludwig Schrader zum 65. Geburtstag, hrsg. von Karl Hölz u.a., Berlin 1997, S. 211–224, S. 215; Marieluise Christadler: Der französische Existentialismus und die deutschen Intellektuellen in der Nachkriegszeit, in: Deutsch-französisches Germanistentreffen. Berlin 30.9.–4.10.1987, DAAD-Dokumentationen & Materialien, Bd. 12, Bonn 1988, S. 556–573; letztere bleibt in der Bewertung vorsichtig. Will Grohmann: Bildende Kunst und Architektur, Bd. 3 (Zwischen den beiden Kriegen), Berlin 1953, S. 226. Damus’ und Thomas’ Bemerkungen über den Existentialismus und die deutsche Kunst nach 1945 soll hier widersprochen werden, wenn auch beide Autoren das Thema nicht überbetonen; siehe Martin Damus: Kunst in der BRD 1945–1990. Funktionen der Kunst in einer demokratischen Gesellschaft, Reinbek bei Hamburg 1995, S. 12, 70 und 118; Karin Thomas: Zweimal deutsche Kunst nach 1945. 40 Jahre Nähe und Ferne, Köln 1985, S. 64–65.
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Ein großes Vorbild im Westen Zur Rezeption französischer Kunst in der SBZ/DDR bis 1960
Ulrike Goeschen
Kunst in der DDR Blättert man in Ausstellungskatalogen der DDR aus der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre, so ist erstaunlich, auf wie wenig Sozialistisches man in Malerei und Graphik stößt. Kaum »neue Themen«, kein Pathos, kein Heldentum. Es überwiegen Stilleben, Landschaften und Menschendarstellungen, bescheidene und schlichte Bestandsaufnahmen des Alltags. Sie sind in einem Stil gehalten, der mit dem pompösen Naturalismus der sowjetischen Kunst der Stalinzeit nichts gemein hat. Flächig aufgetragene reine Farben, oft dunkel konturiert, vor meist leeren, als Farbfelder aufgefaßten Hintergründen. Diese Art der Malerei vermittelte offensichtlich keine Ideale, ihr scheint es nicht so sehr um konkrete Inhalte als vor allem darum gegangen zu sein, Formerfahrungen der klassischen Moderne fortzusetzen. Daß sich die Kunst in der DDR in fortwährender Auseinandersetzung, im zähen Ringen mit den Kulturinstitutionen der Staatspartei entwickelt habe, ist bislang der Tenor der Forschung gewesen. Die unlängst von den Kuratoren der Ausstellung Kunst in der DDR in der Berliner Nationalgalerie eingenommene Position, die nur gelten läßt, was systemunabhängig entstanden sein soll, also davon ausgeht, daß es auch in der DDR autonome Kunst mit einer zeitunabhängigen Aussage gegeben hat, war nach den seit 1989 primär politisch gefärbten Debatten überfällig und hat erstmals den freien Blick auf das einzelne Werk erlaubt.1 Sie geht von der Vorstellung aus, daß der Künstler in Abgeschiedenheit vom Tagesgeschehen unbeirrt seinem selbst auferlegten Auftrag gefolgt sei. Solche Künstler hat es in der DDR gegeben, zu nennen wären Hermann Glöckner, Gerhard Altenbourg und Carl-
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friedrich Claus. Ihre Lebensläufe boten wichtige moralische Orientierungspunkte und sie haben imponierende Œuvres hinterlassen. Doch sie stellten die Ausnahme dar. Spezifisch für die Kunst in der DDR blieb von Beginn an ihre enge Beziehung zu Politik und Gesellschaft. Die Utopie der Avantgarden der zwanziger Jahre von der »Gestaltung« einer neuen Gesellschaft, eines gerechteren, besseren Lebens, wurde 1945 in das »Neue Deutschland« mit hineingenommen. Dieses Ziel hat vielen linken Künstlern geholfen, nicht nur ihre Verfolgung im Dritten Reich zu überstehen, sondern auch die Repressalien zu ertragen, denen sie nach 1945 in der SBZ/DDR ausgesetzt waren. Es stellte einen Minimalkonsens zwischen Partei und Künstlern her und war zugleich der Grund für die Ausdauer und für den Mut, mit dem gerade der Partei angehörende Künstler und Kunsthistoriker sich der offiziellen Linie widersetzten und so den Boden bereiteten für eine im Laufe der Jahrzehnte sich immer stärker differenzierende Kunstlandschaft.2 Ihr Anliegen war eine sozialistische Kunst in Fortsetzung von Traditionen der zwanziger Jahre, aber auch in Auseinandersetzung mit der westlichen Gegenwartskunst. Die stalinistische Kunst hingegen war für die Generation, deren Ausbildung zum großen Teil noch in der Weimarer Republik stattgefunden hatte, wegen ihrer Affinität zur nationalsozialistischen Kunst als Leitbild gänzlich unannehmbar. Alternativ zu dem offiziell propagierten sowjetischen Modell stellten für die Künstler der SBZ/DDR während der ersten fünfzehn Jahren der deutsche Linksexpressionismus, der mexikanische Muralismus und nicht zuletzt die französische Moderne und Gegenwartskunst maßgebliche Bezugspunkte dar, denn diese Richtungen verkörperten die Kontinuität einer politisch engagierten Kunst. Insbesondere in Malerei und Graphik lassen sich immer wieder motivische Anleihen, Stiladaptionen bis hin zu direkten Nachahmungen von Werken französischer Künstler wie Picasso, Léger und Buffet finden. Solche Ausrichtungen wurden, etwa im Zuge von Disziplinierungsmaßnahmen wie den Formalismuskampagnen, zwar gelegentlich als epigonenhaft kritisiert, darüber hinaus aber im öffentlichen kunstwissenschaftlichen Diskurs jener Jahre nicht erörtert. Wie die französische Moderne und Gegenwartskunst Eingang in die SBZ/DDR fanden, warum sich die Künstler an ihnen orientierten, und welche Auswirkungen sie auf ihr Schaffen hatten – solche Fragen sind weder in der späten DDR gestellt worden, noch waren sie nach 1989 Gegenstand einer systematischen Untersuchung.3 Im Folgenden kann es deshalb nur darum gehen, für die Beantwortung dieser Fragen zunächst einmal relevante Aspekte zu benennen, die der Ergänzung und weitergehenden Forschung bedürften. Vier sollen hier vorgestellt werden: der biographisch bedingte Transfer eines im französischen Exil entwickelten Stils durch
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Remigranten in die DDR – hier konzentriert sich das Interesse auf Max Lingner und auf die Wandbilder Horst Strempels –, die intensive Vermittlung zeitgenössischer französischer Kunst in Form von Ausstellungen vor allem in Berlin, die zeitgenössische Vorstellung von Kritikern und Künstlern, mittels der französischen Moderne, allen voran des Werks von Picasso, zu einer modernen sozialistischen Kunst zu gelangen, sowie die Suche nach einer reinen, von der Parteiideologie unberührten Malerei unter dem Eindruck der französischen Moderne.
Unter Formalismusverdacht: Kunst von Remigranten aus Frankreich In der Front Populaire hatten sich, getragen vom gemeinsamen Anliegen des Antifaschismus, die unterschiedlichsten künstlerischen Richtungen, vom Surrealismus über die Abstraktion bis hin zur figurativen Parteikunst, vereinigt. Von diesem Pluralismus und von dieser Offenheit war auch die Querelle du Réalisme geprägt, die im Mai/Juni 1936, kurz nach dem Sieg der Front Populaire bei den Parlmentswahlen, in der Pariser Kunstszene ausgetragen wurde. Ungeachtet der Bestrebungen innerhalb der Parti Communiste, die stalinistische Linie durchzusetzen – für sie stand seit 1930 vor allem Louis Aragon –, wurde der Begriff des »Sozialistischen Realismus« in der Querelle du Réalisme nicht diskutiert, ja er fiel nicht einmal und blieb bis 1945 unwesentlich.4 Anders als bei der 1937/38 in der deutschen Exilzeitschrift Das Wort geführten Expressionismusdebatte ging es nicht um Form und Stil, sondern um das grundsätzliche Verhältnis zwischen Kunst und neuer Gesellschaft. In der Aufbruchsstimmung jener Tage suchte man nach Wegen, wie die Kunst der modernen Massengesellschaft am besten dienen, wie sie in ihr wirksam werden könne. Diese Solidarität hatte, ungeachtet der differenten künstlerischen Richtungen, auch nach dem Sturz der Volksfront 1938 in der Résistance noch Bestand. So verschiedene Künstler wie die alle überragenden Léger, Matisse und Picasso stellten gemeinsam mit Parteikünstlern wie Lurçat, Lhote, Taslitzky, Pignon und Fougeron aus. Im Umfeld der Parti Communiste und ihrer Organisationen hatte sich eine figürliche Malerei entwickelt, die die kubistischen und fauvistischen Formerfahrungen in die Darstellung politischer Themen überführte. Die Kenntnis dieser Kunst wurde durch nach Frankreich emigrierte linke deutsche Künstler in die SBZ/DDR vermittelt. Maler wie Max Lingner und Horst Strempel wirkten dabei weniger als Lehrer durch eine Schülerschaft, vielmehr standen ihre Werke – vor allem die im öffentlichen Raum – für zwei offiziell nicht vorgesehene Varianten des Sozialistischen Realismus: Lingners Arbeiten repräsentierten sozialistische Inhalte in einem modernen, »französischen« Duktus, die Bilder von Strempel hingegen behandelten existentielle Themen in einer neokubi-
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stischen Formensprache. Bevor Max Lingner (1888–1959) zum Ersten Weltkrieg als Soldat eingezogen worden war, hatte er an der Dresdener Kunstakademie studiert. Mitte der zwanziger Jahre wandte er sich aus Sympathie mit der Arbeiterbewegung dem Motiv des Arbeiters zu. Als sich daraufhin seine ohnehin prekäre wirtschaftliche Lage weiter verschlechterte, entschloß er sich 1928 unter dem Eindruck der in Berlin, vor allem in der Galerie Alfred Flechtheim gesehenen französischen Kunst, für einige Zeit nach Paris zu gehen, um dort selbst etwas »ganz Modernes« zu schaffen. Denn »in Berlin sah man nichts, was nicht aus Paris kam«, und nur solche Kunst schien Lingner verkäuflich zu sein.5 Nach schwierigen Anfängen wurde er 1930 mit dem Herausgeber der linken Wochenzeitung Monde, Henri Barbusse, bekannt, der ihm eine Stelle anbot und bald die gesamte graphische Gestaltung seiner Zeitung übertrug.6 1932 trat er der soeben gegründeten Association des écrivains et artistes révolutionnaires bei – die deutsche Parallelorganisation war die 1928 ins Leben gerufene Assoziation revolutionärer Bildender Künstler – und kam auf diese Weise in Kontakt zu Gleichgesinnten wie Paul Signac, Fernand Léger, Frans Maserel, André und Jean Lurçat, Marcel Gromaire, André Lhote, Édouard Goerg, Boris Taslitzky, André Fougeron sowie Édouard Pignon. Zwei Jahre später wurde Lingner Mitglied der Parti Communiste. Nach dem Tod von Barbusse wurde Monde eingestellt und Lingner arbeitete nun für die Zeitung des französischen kommunistischen Jugendverbands L’Avant-Garde (Abb. 59) und für L’Humanité, das Zentralorgan der Partei.7 Geschult an Picasso, Léger und vor allem Matisse, entwickelte er einen Typus der Pressezeichnung, der dem Kunstprogramm von Monde entsprach, wie es 1928 von Barbusse formliert worden war. Barbusse hatte eine Volkskunst als »Kunst der Heiterkeit und des Ungestüms« gefordert, die eine »aktive Rolle in den sozialen Kämpfen« spielen solle.8 Lingners Szenen aus dem Arbeiterleben, die er auch als Ölgemälde und großformatige Plakate, sogenannte Agitationspanneaux, ausführte, sind zumeist optimistisch und lebensfroh. In ihrer plakativen, stark von ihrem schwungvollen Kontur lebenden Wirkung setzen sie die Formenwelt der französischen Vorbilder vereinfacht in eine anschauliche narrative und dekorative Bildsprache um. Bei Kriegsausbruch wurde Lingner verhaftet und evakuiert. Die folgenden Jahre verbrachte er in verschiedenen Lagern und wirkte als Verbindungsmann der Résistance. Nach der Befreiung von Paris war er zunächst wieder als Pressezeichner für L’Humanité tätig, bis er, nach einer Anfrage aus Ostberlin, 1949 in seine Heimat zurückkehrte. In Berlin ernannte man ihn zum Professor und er erhielt an der Kunsthochschule in Weißensee einen Lehrstuhl für Malerei des Zeitgeschehens. Er gehörte dem Gründungsausschuß der Deutschen Akademie der Künste an,
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Titelblatt von L’Avant-Garde, Mai 1947, mit einer Illustration von Max Lingner zur Fête de la Jeunesse.
wurde als deren Mitglied 1950 Sekretär der Sektion Bildende Kunst und übernahm eine Meisterklasse. Als ausgewiesener Antifaschist und Kommunist, Mitglied in zahlreichen Gremien, und zudem mit dem Ministerpräsidenten Otto Grotewohl befreundet, stellte Lingner eigentlich einen Vorzeigekünstler des neuen Staates dar. Doch im Zuge der zweiten Formalismuskampagne wurde selbst er 1951 – stellvertretend für die erste Lehrergeneration an den Kunsthochschulen, »die die Studierenden formalistisch ausbilden« – offiziell gemaßregelt.9 Lingner war als
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»Maler der proletarischen Heiterkeit«, wie ihn Rudolf Leonhard einmal bezeichnete, willkommen, sein Stil aber wurde als Gefahr für die Durchsetzung eines sozialistischen Realismus nach sowjetischem Vorbild, das heißt eines akademischen Naturalismus in der Nachfolge des 19. Jahrhunderts, verstanden.10 Während für Lingner die Rüge keine einschneidenden Folgen hatte – bereits ein Jahr später erhielt er den Nationalpreis – ist das Schicksal des in der Entschließung des Zentralkomitee der SED zum Kampf gegen den Formalismus in Kunst und Literatur, für eine fortschrittliche Kultur (März 1951) neben ihm genannten Horst Strempel (1904–1975), eines Weggefährten in der französischen Emigration, ein Beispiel dafür, wie grausam die Zeitläufe in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts jemandem begegnen konnten, der seinen Überzeugungen treu zu bleiben versuchte. Strempel galt in der Nachkriegszeit in ganz Deutschland als herausragender Künstler 11, ein Ruf, der sich in erster Linie seinem bedeutendsten Werk Nacht über Deutschland verdankte, in dem er sich wie Picasso und Taslitzky mit dem Grauen der Konzentrationslager auseinandersetzte 12. Strempel hatte 1945 mit dem eindrucksvollen Triptychon begonnen, das in Geist und Wirkung dem deutschen Expressionismus, formal aber dem figürlichen Neokubismus eines Pignon der dreißiger Jahre verpflichtet ist. In einem Motiv auf der Mitteltafel, den in Abwehr und Protest nach oben gestreckten Armen, läßt sich zudem ein direktes Zitat aus Picassos Guernica (Abb. 8) erkennen.13 1946 nahm das Triptychon auf der großen von Ludwig Justi im Berliner Zeughaus eingerichteten Ausstellung Meisterwerke deutscher Bildhauerei und Malerei einen zentralen Platz ein und fand große Beachtung als fundamentaler Kommentar zu den gerade erst überstandenen Schrecken des Dritten Reiches. Als solchen erkannte ihn auch die Kritik, die Strempel eine allmähliche Überwindung des in Frankreich angenommenen konstruktiven Stils attestierte.14 Nach einer Ausbildung als Dekorationsmaler hatte Strempel 1927 an der Kunstakademie in Breslau bei Otto Mueller und Oskar Moll, einem Hauptvertreter der deutschen Matisse-Schule, studiert, bevor er bei Carl Hofer das Studium in Berlin fortsetzte. Während dieser Zeit reiste er das erste Mal für längere Zeit nach Paris. Seit 1927 Mitglied der KPD, trat vier Jahre später auch Strempel der Assoziation revolutionärer Bildender Künstler bei. Die scharfe Sozialkritik seiner Bilder erregte Aufsehen und so entschloß er sich im Juli 1933 zur Flucht nach Paris, wo er Anschluß an den dortigen Emigrantenkreis fand; unter anderem freundete er sich mit Max Ernst, Max Raphael und André Lhote an. Weil er aufgrund seiner kritischen Haltung zu den Moskauer Prozessen als Trotzkist und Gestapo-Agent diffamiert und aus der Partei ausgeschlossen wurde, war seine Situation aber ungleich schwieri-
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ger als die Lingners; mühsam bestritt er seinen Lebensunterhalt mit Karikaturen für antifaschistische Zeitungen sowie als Reklame-, Theater- und Dekorationsmaler.15 Seit 1939 in verschiedenen Lagern inhaftiert, von der Angst, ausgeliefert zu werden, zermürbt und ohne Rückhalt der Partei, entschloß er sich 1941, freiwillig und somit straffrei nach Deutschland zurückzukehren. Nach Arretierung und Einsatz als Bausoldat wurde er in den letzten Kriegsjahren Soldat. Aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft entlassen, kehrte er 1945 nach Berlin zurück, voller Hoffnung, wieder als kommunistischer Künstler tätig sein zu können. Er trat wieder in die KPD ein, begründete 1946 die Arbeitsgemeinschaft sozialistischer Künstler mit, war Mitglied der Kommission für bildende Kunst im Kulturbund und ab 1947 Dozent an der Kunsthochschule in Berlin Weißensee. Die ernsten Bilder jener Jahre, wie Das Lager (1946), Aufbau und Verfall (1946) oder Soldaten (1948), die in ihrer expressiven Farbigkeit und mit ihren konstruktiven Formen Synthesen von deutschen und französischen Kunsterfahrungen bildeten, wurden von der zeitgenössischen Kritik als allgemeingültige Bestandsaufnahmen des Erlittenen angesehen.16 Daß das in der Öffentlichkeit wirkende Wandbild eine genuine Gattung der sozialistischen Kunst sei, gehörte in den dreißiger Jahren zum Kanon linken Denkens; vor allem in Paris begriffen Léger, Le Corbusier, Pignon und andere die Wandmalerei als ein massenwirksames Medium zum Aufbau einer neuen Gesellschaft.17 In der SBZ hielt man deshalb die Wandmalerei für besonders geeignet, um die sozialistische Lebenswelt auszugestalten. Als Willi Kreikemeyer, Präsident der Reichsbahndirektion Berlin, SED-Mitglied und wie Strempel Frankreich-Remigrant, 1948 den Auftrag erhielt, die Berliner Bahnhöfe als Symbole des Wiederaufbaus zu konstruieren, wandte er sich an die Arbeitsgemeinschaft sozialistischer Künstler.18 Strempel wurde mit der Aufgabe betraut, ein Wandbild für die Schalterhalle des Bahnhofs Friedrichstraße zu malen. Kurz nachdem er dort das Wandbild Trümmer weg, baut auf! fertiggestellt hatte, veröffentlichte die Tägliche Rundschau den Artikel Über die formalistische Richtung in der deutschen Malerei, der den Auftakt zur Formalismuskampagne geben sollte. Bei fast allen Namen, die sein Autor, der sowjetische Kulturoffizier Alexander Dymschitz, als Formalisten aufführte, handelte es sich um französische Künstler: »Die heutigen deutschen Formalisten haben sich von den nationalen Traditionen der deutschen Malerei abgewandt und sind zu Epigonen des französischen Formalismus geworden.« Im Fokus seiner Kritik stand Picasso, der als warnendes Beispiel dafür vorgestellt wurde, wie ein Künstler mit der richtigen politischen Überzeugung auf formalistische Abwege geraten könne. Durch ein »falsch verstandenes Neuerertum« sei Picasso »auf den Weg des Formalismus gelockt [worden], in seiner Malerei zu einem augenschein-
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lichen Antihumanismus […], zur Ignorierung des Wichtigsten und Bestimmenden im Menschen: seines geistigen Gehaltes«. Noch wurde kein in der SBZ arbeitender Künstler angegriffen, »kämpferischen Demokraten« wie Strempel wurde vielmehr attestiert, auf dem rechten Weg zu sein.19 Offensichtlich war zu diesem Zeitpunkt noch das »neue Thema« – und nicht die Form – das entscheidende Kriterium der Kritik. Das sollte sich aber bald ändern. Genau in die Zeit der zweiten und letzten gesamtdeutschen Deutschen Kunstausstellung, die vom 10. September bis 30. Oktober 1949 in Dresden stattfand, fiel die Staatsgründung der DDR. Im Vorfeld waren von der vorwiegend aus Künstlern bestehenden Ausstellungsleitung Aufträge für Wandbilder an Malerkollektive ergangen. Aus den Bereichen »Industrie«, »Wirtschaft« und »Landwirtschaft« konnten Themen gewählt werden, die in Bezug zum Zweijahresplan stehen sollten. Die dreizehn Wandbilder, die im Mittelpunkt der Ausstellung standen, waren vor Ort in den Betrieben konzipiert worden – im Grunde nahm dieses Projekt den Bitterfelder Weg vorweg – und noch in jener flächigen, summarischen, an Schlemmer, Rivera, Léger und Picasso geschulten Formensprache gehalten, die es eigentlich zu überwinden galt. Und so fiel das Urteil gespalten aus. Während die Wandbilder von den einen als »ein sehr entschiedener Weg zu einer neuen demokratischen Kunst […], die ihren Platz nicht mehr in Salons und Museen, sondern an den Stätten der Arbeit und der Erholung der Werktätigen […] haben wird«, gefeiert wurden 20, waren sie für die anderen ein warnendes Indiz dafür, daß sich die Kunst in die falsche Richtung entwickele. An dem Wandbild Metallurgie Henningsdorf (Abb. 60) etwa, das Strempel mit René Graetz und Arno Mohr entworfen hatten, wurde beanstandet, es seien »keine arbeitenden Menschen dargestellt, für die Arbeit zum bewußten Schöpfungsvorgang geworden ist und die gleichzeitig die Schöpfer einer neuen Gesellschaftsordnung sind« 21. Je stärker sich die Macht der aus der sowjetischen Emigration zurückgekehrten Gruppe um Walter Ulbricht festigte, desto rigoroser wurde versucht, die stalinistische Linie durchzusetzen. Wer die Entwicklung in der Sowjetunion nicht aus eigenem Erleben kannte, und das betraf fast alle bildenden Künstler, schätzte die zunehmend bedrohlicheren Töne nicht richtig ein. Strempel, der 1949 zum Professor ernannt worden war, ließ sich trotz einer scharfen Kritik von Kurt Magritz in der Täglichen Rundschau nicht davon abhalten, Anfang 1950 nach Ostberlin umzuziehen.22 Dort erhielt er noch im Sommer des Jahres den Auftrag für ein Wandbild in der Landesparteischule der SED in Ballenstedt, während bereits eine erste Kampagne gegen die Westemigranten initiiert wurde, Funktionäre in höchsten Positionen verhaftet und der Spionage bezichtigt wurden. Unter ihnen war auch
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Horst Strempel: Plandiskussion, 1949, Studie zum Wandbild Metallurgie Henningsdorf, Öl auf Leinwand, 85 × 98 cm, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie.
Willy Kreikemeyer, der während der Haft starb. Auch Strempel geriet, nicht zuletzt aufgrund seiner »trotzkistischen« Vorgeschichte, nun ins Fadenkreuz der Parteikritik. Der sogenannte Orlow-Artikel Wege und Irrwege der modernen Kunst, der im Januar 1951 erschien und die stalinistische Programmatik festschrieb, statuierte ein Exempel an ihm. Strempel wurde darin eine »falsche Linie« in der Kunst vorgeworfen. Er leugne die individuelle Gestalt und betrachte den Menschen als »farbigen Fleck« in der Komposition.23 Damit wurde indirekt eine Auffassung attackiert, die sich am Impressionismus orientierte, hauptsächlich zielte die Formalismuskampagne in dieser Etappe aber bereits gegen das, was als »amerikanische Kulturbarbarei«, als »Kunst des Imperialismus« zum Feindbild einer neuen Menschendarstellung im Sinne des sozialistischen Realismus aufgebaut werden sollte. Eigentliche Adressaten dieser Agitation waren die Lehrer an den Kunsthochschulen, die ihren Schülern die Moderne vermittelten. Dem Enthusiasmus, mit dem sie dem neuen Staat dienen wollten, stand eine Kulturpolitik entgegen, die ihr Tun nur im Hinblick auf seine Instrumentalisierbarkeit bewertete. Als im Februar Strempels Wandbilder in der Friedrichstraße und in Ballenstedt übertüncht wurden, lautete die offizielle Entschließung des ZK dazu: »Ein Beispiel für den Formalismus in der Malerei war das Wandgemälde von Horst Strempel im Bahnhof Friedrichstraße in Berlin. Den dort gemalten Personen fehlten die charakteristischen
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Merkmale unserer besten, der Sache des Fortschritts treu ergebenen Menschen; sie waren dazu noch unförmig proportioniert und wirkten abstoßend.« 24 Da sich die Verhältnisse weiter zuspitzten, versuchte Strempel sich der Parteilinie anzupassen. Nachdem Mart Stam, Direktor der Kunsthochschule in Weißensee, entlassen worden war, initiierte man Anfang 1953 eine neuerliche Kampagne gegen die Westemigranten. Strempel wurde von der Staatlichen Kommission für Kunstangelegenheiten verhört, ihm wurden Sabotage der sozialistischen Erziehungsarbeit, Unterstützung des vermeintlichen Agenten Stam sowie seine Kontakte zu Kreikemeyer vorgeworfen. So blieb ihm nur die Flucht nach Westberlin, wo er über ein Jahr um eine Zuzugsgenehmigung kämpfen mußte – denn auch dort galt er als Anhänger des gegnerischen Systems.25
Abseits der Ideologie: Ausstellungen französischer Kunst Trotz aller Bemühungen blieb die Kulturpolitik in der DDR nur ein Regulativ der Kunst, die sich als eine besondere Variante der Moderne weiterentwickelte, wobei eine neue Generation die von der vorhergehenden erkämpften Freiräume nutzen und erweitern konnte. Wie unbefangen sich jüngere Künstler dem Formalismusproblem näherten, welch positiven Zugang gerade auch ein Kommunist zur französischen Kunst haben konnte, bezeugen die Aufzeichnungen von Erhard Frommhold. 1928 geboren, war Frommhold noch als Jugendlicher zum Krieg eingezogen worden. 1946 trat er der KPD bei und war zunächst als Referent im Ministerium für Volksbildung und in der Staatlichen Kommission für Kunstangelegenheiten des Landes Thüringen tätig. Seit 1952 arbeitete er als Lektor, später als Cheflektor des Verlags der Kunst. Gleich im ersten Jahr seiner Tätigkeit dort plante er ein Buch über den geächteten Max Lingner herauszubringen. Sich der paradoxen Folgen der sogenannten Formalismus-Entschließung für Lingner erinnernd, erklärt Frommhold sein Buchprojekt rückblickend: »Du meine Güte! Das erhöhte bloß seinen Rang. […] Sollte man den jüngst erst errungenen Glauben an die moderne Kunst den Referaten der Genossen Hans Lauter, Wilhelm Girnus oder in Dresden Ernst Lohagen opfern? Nimmermehr! Man hatte sich gerade ein politisch-ästhetisches Ideal aufgerichtet, die Franzosen standen da an erster Stelle, und Max Lingner kam ja aus Paris zu uns.« Durch die Zeitschrift Lancelot – Der Bote aus Frankreich, die man seit 1946 am Kiosk erwerben konnte, sei man bestens informiert gewesen. Dort hätte man alles gefunden, »was man damals geistig suchte, von Gabriele Marcel bis zu dem Philo-
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sophen Bernard Groethuysen und natürlich Louis Aragon, Paul Éluard, Elsa Triolet, Vercors, Jean Cassou, Claude Roy.«26 Die Inszenierung von Sartres Fliegen im Hebbeltheater sowie Ausstellungen von Matisse, Marquet, Léger, Picasso und Masson im Haus am Waldsee in Westberlin erlebte Frommhold als entscheidende Bildungserlebnisse. Diese Erfahrung teilten viele mit ihm, die, abgestoßen von den Restriktionen der offiziellen Kulturpolitik und mißtrauisch gegenüber der stalinistischen Sowjetunion, ihr »politisch-ästhetisches Ideal« in Frankreich suchten. Dies war insofern möglich, als es keine eindeutige Parteirichtlinie für das Verhältnis zu Frankreich gab. Das Land galt als potentieller Verbündeter im Westen und daher wurde ihm selbst in offiziellen Darstellungen eine Sonderrolle als Kulturnation, als Heimat revolutionärer Traditionen und des aktuellen Friedenskampfes eingeräumt.27 Zudem entsprachen anscheinend auch in Ostdeutschland das Denken Sartres und das Werk Picassos dem allgemeinen Zeitempfinden nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Haupteinfallstor für die unerwünschte Moderne war bis zum Mauerbau Berlin. Hier präsentierte sich Frankreich gleich nach dem Krieg auf drei großen Ausstellungen, die einen Überblick über die moderne französische Graphik, Malerei und Skulptur boten, als »ein Volk von Humanität und Kultur, dessen höchste Aufgabe der Dienst an der Menschheit ist«.28 Die erste Ausstellung mit Französischer Graphik der Gegenwart fand im Westteil der Stadt statt, die beiden anderen wurden im historischen Zentrum Unter den Linden im Osten gezeigt, die Moderne französische Malerei in einem Saal des teilzerstörten Berliner Schlosses, die Französische Skulptur von Rodin bis in unsere Tage (Abb. 2) im Zeughaus. In den folgenden Jahren wurden in der Maison de France am Kurfürstendamm, wo auch kunstwissenschaftliche Bücher auslagen, regelmäßig Ausstellungen zur französischen Gegenwartskunst organisiert. Die Galerie Gerd Rosen, gleich nebenan, und das Haus am Waldsee in Zehlendorf waren ebenfalls wichtige Foren und Vermittler französischer Kunst nach 1945. Im Frühsommer 1950 präsentierte die Direction Générale des Affaires Culturelles in der Maison de France in Berlin eine Ausstellung mit ungefähr einhundert, zwischen 1938 und 1948 entstandenen französischen Gemälden und Skulpturen.29 1952 gab es anläßlich der Berliner Festwochen eine umfangreiche Präsentation Werke französischer Meister der Gegenwart und 1956 zeigte die Akademie der Künste 120 Meisterwerke des Musée d’Art moderne Paris. Der Öffentlichkeit wurde so ein umfassendes Bild der französischen Moderne vermittelt und zugleich die Überlegenheit des génie français demonstriert, das vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart maßgeblich die Entwicklung der Kunst bestimmt habe. Die Ausstellungen kompensierten also nicht nur das durch
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den Nationalsozialismus entstandene kulturelle Vakuum, sondern richteten sich auch gegen die anti-modernistischen Tendenzen in der SBZ; so war es kein Zufall, daß einige Kataloge auch in russischer Sprache gedruckt wurden.30
Das große Vorbild: Picasso Obwohl die Kulturpolitik der DDR sich immer stärker von westlichen Einflüssen abgrenzte, gab es Institutionen, die sich weiterhin für die Vermittlung der französischen Moderne einsetzten. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die Galerie Eduard Henning in Halle, die in den fünfziger Jahren als eine der ganz wenigen privaten Galerien geduldet wurde 31, die graphischen Abteilungen der Museen in Berlin, Halle und Dresden sowie die Deutsche Akademie der Künste in Berlin, die in den Augen der Partei kulturpolitisch eine grundsätzlich falsche Linie verfolgte, da sie zu einer ästhetischen Kunstbetrachtung neigte. Durch deren Aktivitäten blieben dem ostdeutschen Publikum, zumindest im Bereich der Graphik, Kunstwerke aus Frankreich im Original zugänglich. Diese Bemühungen wurden durch das Engagement Herbert Sandbergs, den Chefredakteur der Zeitschrift des Künstlerverbands Bildende Kunst, unterstützt. Sandberg hatte bereits während der Formalismuskampagnen die sowjetische Kunstdoktrin öffentlich abgelehnt und gefordert, aus der deutschen Tradition engagierter Kunst – insbesondere des Expressionismus –, aus den Erfahrungen der mexikanischen Moderne, aber auch in Orientierung an der französischen Kunst seit dem 19. Jahrhundert Anregungen für eine sozialistische Kunst zu gewinnen. In erster Linie die französische Malerei verstand er als entscheidenden, auf der Grundlage der Französischen Revolution möglich gewordenen künstlerischen Entwicklungsschritt hin zur Moderne. Picasso stellte für ihn die zentrale Künstlerfigur der Gegenwart dar.32 Und so wagte er es während seiner Amtszeit als Chefredakteur von 1954 bis 1957, also der liberalen Periode nach Stalins Tod, die Bildende Kunst als Forum für eine Debatte um Picasso zu nutzen. Für die allgemeine Wertschätzung Picassos, deren Wurzeln bis in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zurückreichen33, war von wesentlicher Bedeutung, daß der Künstler Mitglied der kommunistischen Partei war und mit Werken wie Guernica und Das Massaker in Korea politisch Stellung bezogen hatte. In der Berichterstattung über französische Gegenwartskunst in der Bildenden Kunst hatte nach 1953 denn auch der politische Aspekt im Vordergrund gestanden. Die Redaktion beschränkte sich zunächst darauf, über die Kunstaktivitäten der Parti Communiste zu informieren, wobei allerdings nicht nur die französische Variante des sozialistischen Realismus vorgestellt, sondern auch betont wurde, wie viele Künstler sich in Frankreich für den Kommunismus einsetzten. Die schließlich
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Titelblatt der Bildenden Kunst (1955, Heft 5) mit Picassos Liebespaar (1923) als Motiv.
1955/56 äußerst kontrovers geführte Picasso-Debatte mit Beiträgen aus Ost und West entzündete sich an einer für die DDR spezifischen ästhetischen Problematik (Abb. 61): Sie kreiste um die Frage, ob in der sozialistischen Kunst die Verwendung moderner Formen, moderner »Gestaltungsmittel«, legitim sei. Implizit knüpfte man mit diesem Ansatz an den Diskurs der zwanziger Jahre an und postulierte eine Alternative zur stalinistischen Gegenüberstellung von »realistisch« und »dekadent«. Das siebte Heft des Jahrganges 1956 war sogar komplett der französischen Kunst vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart gewidmet. Es enthielt Artikel, die sich augenfällig um eine ausgewogene kunsthistorische Information bemühten. Französische Autoren wie Pierre Joly, Francis Jourdain, Marcel Gimond und der Künstler Boris Taslitzky äußerten sich zusammen mit Wolfgang Hütt und Heinz Mansfeld zu allgemeinen Fragen, zum »realistischen Porträtisten« Jean-Antoine Houdon, zum Impressionismus und zur französischen Kunst der Gegenwart; sogar ein Aufsatz von Julius Meier-Graefe über Daumier als Maler wurde neu abgedruckt.34
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Wie ist zu erklären, daß die stalinistische Linie in der Kulturpolitik, die die Entwicklung der französischen Kunst seit dem Impressionismus als dekadent verurteilt hatte, in der DDR auf diese Weise öffentlich in Frage gestellt wurde? Die Konzeption des Heftes muß in Zusammenhang mit den Liberalisierungen nach dem 20. Parteitag der KPdSU im Februar 1956 gesehen werden. So gelang es den liberalen Kräften in der sowjetischen Kulturpolitik, die vor allem mit den Namen Anatolij Vassilevicˇ Lunacˇarskij und Ilja Ehrenburg verbunden waren, Ende des Jahres in Moskau und Leningrad eine Picasso-Ausstellung mit Beständen aus russischen Museen zu organisieren.35 In der Moritzburg in Halle fand dann von April bis Juli 1957 unter dem Titel Von Menzel bis Picasso eine Ausstellung mit Zeichnungen und Graphik von der Klassischen Moderne bis hin zur Gegenwart statt, die Werke von französischen, ost- und westdeutschen Künstlern vereinte. Auf diese Weise wollte man aufzeigen, daß an der kontinuierlichen Entwicklung der Moderne »neben Deutschland vor allem Frankreich den entscheidenden Anteil« gehabt habe, »während die übrigen Länder nur vorübergehend in die allgemeine Auseinandersetzung eingriffen.« 36 Das Berliner Kupferstichkabinett stellte von Juni bis August 1957 Farbige Graphik aus Paris mit aktuellen Arbeiten unter anderen von Braque, Buffet, Van Dongen, Ernst, Lhote, Lurçat, Marini bis hin zu abstrakten Blättern von Miró und Poliakoff aus. Diese Ausstellung ging einer weiteren mit fast 300 Druckgraphiken sowie Keramik und Kleinbronzen von Picasso voraus, die im Herbst am selben Ort großen Zuspruch beim Publikum fand – auch in Ostdeutschland nahm man Picasso nun als überragende Künstlerpersönlichkeit der Gegenwart wahr. Aus dem Begleittext, den 1956 der marxistische Schweizer Kunsthistoriker Konrad Farner für eine Edition von Picassos Taube im Verlag der Kunst (Abb. 9) verfaßte, läßt sich ein wesentlicher Grund für die Anziehungskraft des Künstlers jenseits der kulturpolitischen Debatten erschließen. Nach Farner zeichnen sich Picassos Werke durch ihre Humanität aus, die sie dem unmittelbaren Blick auf den Menschen, auf die Dinge und die Gesellschaft verdankten. Denn die »Vermenschlichung der Kunst« werde nicht erreicht durch »eine rückwärtsgewandte ›Metaphysik‹, durch eine Flucht zu Gott oder zur ›Idee an sich‹«, ihr Gegenstand sei vielmehr die physische, aber auch die innere, psychische Welt der Gegenwart, der Picasso »wie kein anderer die Symbole unserer Zeit« entnehme.37 Tatsächlich hat Picasso selbst sein Verständnis von den großen Themen der Kunst, die sich durch ständige Bedeutungsinversion tradierten, auf ähnliche Weise erläutert. In einem Gespräch mit Daniel-Henry Kahnweiler äußerte er sich 1955 folgendermaßen: »Wenn man es richtig bedenkt, gibt es sehr wenige Themen. Sie werden ständig von allen wiederholt. Aus Venus und Amor wird die Maria mit Kind, daraus wird
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Mutter mit Kind, doch immer bleibt es das gleiche Thema. Es muß wunderbar sein, ein neues Thema zu erfinden.« 38 Menschheitsthemen von universaler Gültigkeit, von »allgemeinmenschlicher« Bedeutung zu schaffen – genau das war auch die zentrale Aufgabe des sozialistischen Realismus jenseits seiner Instrumentalisierung als Parteipropaganda, welche sich die Künstler in Ostdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg auf der Suche nach sinnstiftenden Bildern zu eigen gemacht hatten. In dem, was Werner Spies für Picasso als »Transsubstantiation […] durch eine intensive stilistische Bearbeitung« auf der Grundlage der persönlichen Lebensumstände, des affektiven Bezugs zu den Dingen und zu den Menschen, bezeichnet hat, fanden sie dieses Anliegen aber eher erfüllt als in den Versuchen des sozialistischen Realismus, durch die schlichte Übernahme christlicher Motive eine ideologische Thematik zu vermitteln.39 Die Kategorie der »Rahmenthemen«, die Jan Bialostocki 1966 definiert hat, stellte einen Versuch dar, zwischen Ost und /
West zu vermitteln. Es ist symptomatisch, daß der polnische Kunsthistoriker sich dabei auf Picasso bezog. Als »Rahmenthemen« bezeichnete Bialostocki Bilder, die /
von so »außerordentlich großer menschlicher Bedeutung« seien, daß sie einzelne Bedeutungszusammenhänge überdauern, ja sogar eine »ikonographische Schwerkraft« entfalten, durch die verschiedene, zum Beispiel christlich-religiöse mit weltlichen Inhalten verschmolzen werden können. Analog zu C. G. Jungs Annahme von mythenbildenden Strukturelementen der unbewußten Psyche, hielt Bialostocki /
es für möglich, daß solche Grundbilder als Symbolisierungen von Gedanken unabhängig voneinander, »gewissermaßen als ikonographisches Gegenstück zur Mythologie« formuliert werden könnten.40 Demnach fänden sich in allen Kulturen Rahmenthemen wie die Mythen. Und so wie später Spies Picassos Leichenhaus (1945) als »ein zeitloses Massaker« interpretierte 41, sah Bialostocki im Massaker in /
Korea (1951) den Gegensatz zwischen dem Leben und den Kräften der Zerstörung als Rahmenthema 42. In diesem ikonographischen Konzept scheint eine wesentliche Ursache für die Faszination zu liegen, die Picassos Werk in den fünfziger Jahren im Osten wie im Westen ausübte.43 Ein Künstler in der DDR, für den ein Jahrzehnt lang Picasso zum Leitbild werden sollte, war Willi Sitte. Als der aus einer kommunistischen Arbeiterfamilie stammende Sitte sich 1947 in Halle als freier Maler niederließ und der SED beitrat, wollte er von Anfang an mit seiner Kunst politisch wirken, an der »Bewußtseinsveränderung des deutschen Volkes« mitarbeiten. Noch im Dritten Reich ausgebildet, verfügte er über genau die akademische Technik, die jetzt wieder offiziell erwünscht war. Von seinen Künstlerkollegen in Halle wurde ihm aber bald nahegelegt, daß er »so nicht weiterarbeiten könne und aufpassen müsse, den Anschluß nicht
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62 Willi Sitte, Hermann Bachmann und Fritz Rübbert: Arbeit und Erholung (Detail), Wandbild in der Landesverwaltungsschule Halberstadt, 1951 entstanden, ein Jahr später übermalt.
zu verpassen«. Sitte begann daher, sich systematisch die Formensprache Picassos und Légers anzueignen und auf gesellschaftliche Zeitthemen anzuwenden. Seine Konversion zur Moderne erlebte er selbst wie eine Offenbarung: »Bei der Begegnung mit Picasso fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Die Spanne von Gestaltungsmitteln, über die er verfügte – vom klassischen Zeichenstil bis zur Entdeckung ganz neuer Formen – faszinierte mich sehr«. Ein starker Impuls sei von Picassos Auftritt 1948 auf dem Weltkongreß der Intellektuellen für den Frieden in Breslau ausgegangen, wo dieser sich »als Künstler mit seinem neuartigen Vokabular in die Politik einmischte«. Von großer Bedeutung war für Sitte auch die Tatsache, daß Picasso wie auch Léger der Parti Communiste angehörten, »daß sie Widerstand gegen den Faschismus und die deutsche Besatzung geleistet hatten.« 44 Einen frühen Versuch, sozialistischen Realismus in den Formen der französischen Moderne umzusetzen, stellten die beiden Wandbilder Arbeit und Freizeit dar (Abb. 62), die Sitte gemeinsam mit seinen Hallenser Künstlerfreunden Hermann
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Bachmann und Fritz Rübbert in der Landesverwaltungsschule in Halberstadt schuf. »Wir nahmen diese Aufgabe sehr ernst und versuchten, die Anfänge der LPG [Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft] als wichtiges Thema der Zeit mit künstlerischem Anspruch zu gestalten«, erinnert sich Sitte.45 An den Motiven mit ihrer einfachen Bildsprache – Arbeit am Bau, Beratung in der Maschinenausleihstation, Stahlschmelze, Landwirtschaft, Musizierende, Ballspiel und Badende, Freizeitmaler usw. – gab es parteiideologisch wenig zu beanstanden. Und dennoch blieb den Gemälden die Öffentlichkeit verwehrt, denn untragbar waren zum Zeitpunkt ihrer Fertigstellung, kurz nach Erscheinen des Orlow-Artikels, die vereinfachten, dunkel konturierten und flächig kolorierten Figuren, die von Légers dekorativer Bildsprache beeinflußt waren. In Darstellungen von Pferd und Stier sowie in einzelnen Gesichtstypen wurde Picasso regelrecht zitiert.46 So kam es zu einem Eklat. Und obwohl Sitte, Bachmann und Rübbert von Seiten der Akademie der Künste, unter anderem von Max Lingner, verteidigt wurden, ließ man die Wandbilder – wie so viele andere auch – Anfang 1952 übertünchen.47 Sitte aber gab nicht auf. Er empfand die erlernte akademische Malweise als Manierismus, den er durch das Nachvollziehen und die Aneignung von Picassos »Gestaltungsmitteln«, zeitweise auch der von Léger und Matisse, zu überwinden suchte. Die Loslösung von Lokalfarben und illusionistisch aufgefaßten Valeurs, Figur und Raum in ein positivnegatives Flächenverhältnis zu bringen, durch tektonische Mittel eine rhythmische Gestaltung der Fläche zu erreichen, das klassische Maß auf einen konstruktiven Grund zurückzuführen – all das lernte Sitte vor allem bei Picasso.48 Von dessen Werk ausgehend, versuchte Sitte, eine moderne sozialistische Kunst zu begründen, die über die Anforderungen der Partei hinaus, »allgemeinmenschliche«, humanistische Bedeutung haben sollte. In diesem Sinn sind seine ebenfalls Picasso folgende Versuche zu verstehen, Historie und Mythologie miteinander zu verbinden, wie im Kindermord in Bethlehem (1952), im Raub der Sabinerinnen (Abb. 63) oder in Lidice (1956–1960). Solche direkten Übernahmen von Darstellungsweisen und Motiven stellten in der DDR der fünfziger Jahre eine Provokation und gleichermaßen ein Bekenntnis dar. In diesen Jahren hatte Sitte keine Einzelausstellung, er wurde vielmehr zunehmend unter Druck gesetzt. Unterstützt wurde Sitte allerdings von seinen Mitstreitern der 1953 gegründeten Halleschen Künstlerbrigade, unter ihnen der Kunsthistoriker Peter H. Feist. Nachdem Sitte suspendiert und an die Textilabteilung als Dozent versetzt worden war, entwickelte er den Plan, die Gobelinabteilung, die es an der Hochschule in den zwanziger Jahren gegeben hatte, nach Prinzipien des Bauhauses wiederzubeleben. Schon bald wurde dieses Projekt tatsächlich mit
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63 Willi Sitte: Raub der Sabinerinnen, 1953, Öl auf Hartfaser, 126,5 × 165 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie.
großem Erfolg verwirklicht; als Vorbild fungierten die modernen französischen Bildteppiche, wie sie unter der Ägide Lurçats in der Manufaktur von Aubusson seit Ende der dreißiger Jahre im Zuge der sozialistischen Kunstbestrebungen für öffentliche Einrichtungen hergestellt wurden.49 Als Sitte in den sechziger Jahren schließlich zu einem gestischen, lockeren Malstil in der deutschen Tradition eines Corinth zurückkehrte, hatte er mit seinem Frühwerk, das zum großen Teil mythologische und lebensweltlich-sinnbildliche Themen umfaßte – Figuren, Porträts, Akte, Tierdarstellungen, Stilleben, Landschaften – zweierlei geleistet: Zum einen hatte er Stil und Motive der sogenannten »bürgerlichen Moderne« in den sozialistischen Realismus integriert, was sich in der Folge in der Parteikunst zum Beispiel eines Walter Womacka zeigen sollte, zum anderen hatte er eine nicht-ideologische Spielart des künstlerischen Arbeitens eingeführt, die kaum ein anderer so repräsentierte wie Picasso, nämlich die »Aneignung der Wirklichkeit« durch das »Experiment«.50
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Poesie des Alltags: die Berliner Schule und die französische Kunst Mit dem Rückhalt ihrer Lehrer konnte die erste in der DDR ausgebildete Künstlergeneration dann vergleichsweise frei arbeiten. Von der französischen Gegenwartskunst wurde insbesondere ein Kreis um 1930 geborener Künstler beeinflußt, die in der frühen Nachkriegszeit an die Moderne herangeführt worden waren. Mitte der fünfziger Jahre fanden sie sich als Meisterschüler an der Akademie der Künste: Harald Metzkes und Manfred Böttcher, beides Schüler von Wilhelm Lachnit, sowie der Bildhauer Werner Stötzer kamen von der Hochschule in Dresden. Sie befreundeten sich mit Robert Rehfeldt und Ernst Schroeder, die zuvor an der Hochschule der Künste in Westberlin studiert hatten und ebenfalls als Meisterschüler im Ostteil der Stadt aufgenommen worden waren. In den nur zwei Jahren, von 1956 bis 1958, die er dort arbeitete, wurde Schroeder zum Kopf und wichtigsten Vertreter dieser Gruppe und damit einer künstlerischen Richtung, die sich bis in die nächsten Jahrzehnte hinein fortsetzen sollte: der sogenannten Berliner Schule. Schroeder hatte sich bereits während seiner Charlottenburger Zeit (1949–1954) mit dem französischen Kubismus auseinandergesetzt. Der Schüler Max Pechsteins bewunderte Chagall, Picasso und Klee, befaßte sich mit der deutschen Romantik, dem Werk von Utrillo, Rousseau und Marquet, aber auch mit der italienischen Pittura Metafisica und mit Arbeiten Morandis. Das Werk Bernard Buffets, das er auf einer Studienreise nach Paris 1951 kennenlernte, hinterließ bei ihm einen solchen Eindruck, daß er für mehrere Monate aufhörte zu malen. Die Verwendung von Grau war es vor allem, was Schroeder an Buffets Malerei faszinierte. In der Folge fand er zu einer klaren, von den Bildgegenständen konstituierten Kompositionsform. Diese wurden umrissen von einem schwarzen Kontur und mit transparenten, sparsamen Farbflächen gefüllt. Stets seinen Themen – karge Stilleben (Taf. XIV), Interieurs und Landschaften – treu bleibend, verfolgte Schroeder sein künstlerisches Anliegen, nämlich zu einer Form für eine poetisch erlebte Welt zu gelangen, »die in sich das Bedeutsame und die Interpretation dieses Erlebens trägt.« 51 Unter dem Eindruck von Schroeders tiefer, leuchtender Bildwelt begannen die in der DDR ausgebildeten Maler, die Werke der großen Vorbilder wie Picasso, Braque und Beckmann analytisch zu betrachten. Sie suchten dabei nach geeigneten künstlerischen Mitteln, um eine eigenständige Bildrealität parallel zu dem von ihnen Erlebten und Gesehenen zu konstituieren. Ihr Anliegen war es, den Illusionismus und die funktionale Auffassung der Bildgegenstände zugunsten eines autonomen Kunstwerks zu überwinden, das Menschen und Dinge in ihrer Wesenhaftigkeit erscheinen lässt. Durch Schroeder vermittelt, kulminierte um 1957 der Einfluß des seit Mitte der fünfziger Jahre international und auch in der DDR be-
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64 Manfred Böttcher: Die Serviererin, 1957, Öl auf Leinwand, 120 × 80 cm, Berlin, Stiftung Archiv der Akademie der Künste.
kannten Bernard Buffets.52 Er manifestierte sich in den sogenannten »schwarzen Bildern« der »Berliner Schule«, in denen mittels des extensiven Einsatzes von Schwarz eine neue Vergegenwärtigung und Bestimmung der Bildelemente geschaffen wurde. Die schlichten, reduzierten, wenig farbigen Bilder dieser Art – Stilleben, Landschaften, Figuren in einer oft tristen Atmosphäre – verurteilte die Kritik jener Jahre als »Miserabilismus«, »Buffetismus« und »Existentialismus«, als Ausdruck von Pessimismus und Depressivität. So wurde den Künstlern aus dem Kreis um Schroeder vorgeworfen, sie seien »Repetitoren des Westens […], denn die vertoteten Landschaften von Schroeder, das verkümmerte Buffetfräulein von Böttcher (Abb. 64) und die chinesischen Trauma[ta] von Metzkes verdeutlichen die Anklänge an Buffet und Beckmann im Formalen, und im Geistigen an den Existentialismus, zu dessen Pessimismus gegenüber Fragen des Daseins man sich scheinbar hingezogen fühlt«. Nachdrücklich warnte man davor, der menschen- und weltverachtenden Malerei Buffets nachzueifern, die angesprochenen Künstler wurden dazu aufgefordert, sich von reinen »Atelierproblemen« abzuwenden und statt
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dessen mit positiven, sozialistischen Themen ihrem gesellschaftlichen Auftrag gerecht zu werden.53 Wer damals über den Rahmen des offiziell Geduldeten hinausgehen wollte, dem blieben eigentlich nur drei Wege. Sie wurden von Jürgen Böttcher [Strawalde], Ralf Winkler [Penck] und Gerhard Richter, für die alle das Werk Picassos einen wesentlichen Ausgangspunkt darstellte, beschritten. Böttcher nahm, nachdem er erkannt hatte, daß er als Maler seine politischen Anliegen nicht würde artikulieren dürfen, ein Zweitstudium an der Filmhochschule in Babelsberg auf und wurde Filmregisseur. Seine Dokumentarfilme gehören zu den eindringlichsten bildlichen Zeugnissen, die die DDR hinterlassen hat. Nebenher malte er im Privaten. Ralf Winkler, den man nicht an die Kunsthochschule aufgenommen hatte, arbeitete außerhalb der offiziellen Strukturen und Institutionen (Abb. 9). Und auch Gerhard Richter suchte in seinen frühen Dresdener Jahren »immer nach einem möglichen dritten Weg, wo der östliche Realismus und der westliche Modernismus irgendwie zu einem neuen und irgendwie erlösenden Gebilde werden«.54 Durch Studienreisen – sie kamen mit Hilfe seines Lehrers, dem Remigranten Heinz Lohmar, zustande 55 – nach Westdeutschland, 1955 nach Paris und 1958 zur Brüsseler Weltausstellung, insbesondere aber durch den Besuch der documenta II 1959 in Kassel, wurde Richter bewußt, wie eingeschränkt das eigene und offizielle Kunstverständnis war. 1961 verließ er die DDR, die ihn daran gehindert hatte, sich den Fragen, was die Realität und was ein Bild ausmacht, überhaupt erst zu stellen. Die Vermittlung persönlicher Erfahrungen und Kenntnisse der französischen Moderne durch die erste in der SBZ/DDR lehrende Künstlergeneration nahm entscheidenden Einfluß auf die Orientierung an der französischen Kunst nach 1945. Sie wurde in den ersten Nachkriegsjahren ergänzt durch das kulturpolitische Engagement, mit dem Frankreich sich in der Westzone und in Berlin als führende europäische Kulturnation präsentierte. Die linke Moderne in Frankreich hatte sich, anders als in der Sowjetunion, während der dreißiger und vierziger Jahre behaupten können. Damit wurde sie ein maßgeblicher Bezugspunkt für die Künstler in der DDR, denen sich unter den neuen Verhältnissen das Problem stellte, eine genuin künstlerische Sprache zu entwickeln, die sich vor einer rein parteiideologischen Indienstnahme verwahrte. Nach wie vor fühlte sich die Mehrzahl dabei der figürlichen Darstellung verpflichtet. Sie suchte nach einer Kunst, die Ausdruck ihres ethischen Anliegens wie ihres Zeitempfindens sein sollte. Die französische Malerei repräsentierte für sie ebenjene Freiheit und Humanität, die in der DDR ein von der Politik uneingelöstes Versprechen blieb.
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1 Kunst in der DDR. Eine Retrospektive der Nationalgalerie, Ausstellungskatalog, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Nationalgalerie, Berlin, hrsg. von Eugen Blume und Roland März, Berlin 2003. 2 Siehe Ulrike Goeschen: Vom sozialistischen Realismus zur Kunst im Sozialismus. Die Rezeption der Moderne in Kunst und Kunstwissenschaft der DDR, Berlin 2001. 3 Der Sammelband Frankreich und »Das andere Deutschland«. Analysen und Zeitzeugnisse, hrsg. von Dorothee Röseberg, Tübingen 1999, gibt Auskunft über die Beziehungen zwischen Frankreich und der DDR in verschiedenen politischen und kulturellen Bereichen, spart aber die Bildende Kunst aus. 4 Wolfgang Klein: Sozialistischer Realismus in Frankreich (1936–1986), in: Kunst- und Kunstkritik der dreißiger Jahre, hrsg. von Maria Rüger, Dresden 1990, S. 23–29, S. 25–26; siehe Der Realismusstreit. Eine Debatte um Kunst und Gesellschaft – Paris 1936, hrsg. von Wolfgang Klein, Weimar 2001. 5 Siehe Gertrud Heider: Max Lingner und die französische Assoziation revolutionärer Schriftsteller und Künstler, in: Max Lingner 1888–1959. Gemälde, Zeichnungen, Pressegraphik, Ausstellungskatalog, Nationalgalerie, Berlin (Ost), Rostock 1988, S. 42–46, S. 42; sowie Max Lingner: Auf den Spuren der Gegenwart, 1. Fassung der Autobiographie in deutscher Sprache, Typoskript, S. 15 (Stiftung Archiv der Akademie der Künste Berlin, Max-Lingner-Archiv, Inv. Nr. III D 7). 6 Zur Monde und ihrer liberalen Ausrichtung unter Barbusse siehe Danielle Bonnaud-Lamotte: »Monde« informiert über die sowjetische Kultur, in: Max Lingner 1988, S. 47–50. 7 Siehe Max Lingner in Frankreich. Gemälde, Aquarelle, Pressezeichnungen, 1929–1949, Ausstellungskatalog, Deutsche Akademie der Künste zu Berlin, hrsg. von Henryk Keisch, Dresden 1969. 8 Henri Barbusse; zit. nach Harald Olbrich: … eine der kollektiven Tat und des kollektiven Bewußtseins gemäße Kunst, in: Max Lingner 1988, S. 8–13, S. 11, und ibid.: Max Lingner. Leben und Wirken – Daten und Dokumente, S. 191. 9 Der Kampf gegen den Formalismus in Kunst und Literatur, für eine fortschrittliche deutsche Kultur (Entschließung des ZK der SED, angenommen auf der 5. Tagung vom 15.–17. März 1951); zit. nach Dokumente zur Kunst-, Literatur-
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und Kulturpolitik der SED, hrsg. von Elimar Schubbe, Stuttgart 1972, S. 178–186, S. 180– 181. Rudolf Leonhard; zit. nach Erhard Frommhold: Mein erstes Buch – Erinnerungen an Max Lingner, in: Max Lingner 1988, S. 58–64, S. 64 (ohne Quellenangabe). So wurde Strempel am 27. Oktober 1954 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung der »absoluten Elite europäischer Gegenwartsmalerei« zugerechnet; zit. nach Zone 5. Kunst in der Viersektorenstadt 1945–1951, hrsg. von Eckhart Gillen und Diether Schmidt, Berlin 1989, S. 137. Gemeint sind Picassos Leichenhaus (1944/45), das Anfang 1946 im Zentrum der Ausstellung Art et Résistance im Musée national d’Art moderne stand, sowie das großformatige Historiengemälde Das kleine Lager, Buchenwald (1945) von Boris Taslitzky, das im Résistance-Raum des Museums hing; siehe Paris Post War. Art and Existentialism 1945–1955, Ausstellungskatalog, Tate Gallery, London, London 1993, S. 28. Siehe Angela Schneider: »Picasso in uns selbst«, in: Deutschlandbilder. Kunst aus einem geteilten Land, Ausstellungskatalog, Martin-Gropius-Bau, Berlin, hrsg. von Eckhart Gillen, Berlin 1997, S. 539–544, S. 539. Siehe dazu Hermann Müller: Horst Strempel, in: Bildende Kunst I/1947, Heft 4–5, S. 30–32. Siehe Horst Strempel. Im Labyrinth des Kalten Krieges. Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafik in den Jahren 1949 bis 1953, Ausstellungskatalog, Märkisches Museum, Berlin, Berlin 1993, S. 14 und 35. Siehe Müller 1947. 1935, 1936 und 1938 fand jeweils ein Salon de l’art mural statt. Das Wandbild dominierte auch die Pariser Weltausstellung 1937, für die Strempel eines angefertigt haben soll; siehe Martin Schönfeld: »Auftraggeber Arbeiterklasse«. Das frühe Wandbild in der DDR 1945–1955, Typoskript, Magisterarbeit, Freie Universität Berlin 1992, S. 15. Zur Wandbildbewegung in der frühen DDR siehe id.: Das »Dilemma der festen Wandmalerei«. Die Folgen der FormalismusDebatte für die Wandbildbewegung in der SBZ/DDR 1945–1955, in: Kunstdokumentation SBZ/DDR 1945–1990, Aufsätze, Berichte, Materialien, hrsg. von Günter Feist, Eckhart Gillen und Beatrice Vierneisel, Köln 1996, S. 444–463; Peter Guth: Wände der Verheißung. Zur Geschichte der architekturbezogenen Kunst in der DDR, Leipzig 1995.
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18 Siehe Günter Feist: Das Wandbild im Bahnhof Friedrichstraße. Eine Horst-Strempel-Dokumentation, in: Zone 5 1989, S. 92–137. 19 Alexander Dymschitz: Über die formalistische Richtung in der deutschen Malerei, in: Tägliche Rundschau, Nr. 271 und 275, 19. und 24. November 1948; zit. nach Dokumente zur Kunst-, Literatur- und Kulturpolitik der SED 1972, S. 97–103, S. 101 und 103. 20 Gerhard Pommeranz-Liedtke: Wohin führt der Weg der deutschen Kunst?, in: Bildende Kunst III/1949, Heft 9, S. 267–268. 21 Herbert Gute: Wandbilder sind keine Gelegenheitsarbeiten, in: Neues Deutschland, 11. Oktober 1949. 22 Kurt Magritz: Trümmer weg! Baut auf! Kritik eines Bildes, in: Tägliche Rundschau, 6. April 1949; zit. nach Zone 5 1989, S. 113. 23 N. Orlow [Kurt Magritz]: Wege und Irrwege der modernen Kunst, in: Tägliche Rundschau, 20./21. Januar 1951; zit. nach Dokumente zur Kunst-, Literatur- und Kulturpolitik der SED 1972, S. 159–170, S. 162. In dem Artikel wurde der linke Flügel von Strempels Nacht über Deutschland abgebildet und kommentiert. 24 Der Kampf gegen den Formalismus in Kunst und Literatur [1951], 1972, S. 180. 25 Siehe Feist 1989, S. 133 ff. 26 Erhard Frommhold: Mein erstes Buch – Erinnerungen an Max Lingner, in: Max Lingner 1988, S. 58–64, S. 58–59. 27 Siehe Stefanie Neubert: Gerhard Leo, Frankreichberichterstatter für »Neues Deutschland«, in: Frankreich und »Das andere Deutschland« 1999, S. 43–70, S. 52; Dorothee Röseberg: Les deux France im Deutschland der 50er Jahre. Frankreichbilder in Schulbüchern der DDR und der Bundesrepublik Deutschland, ibid., S. 97–133. 28 Jean Cassou: Introduction / VVEDENIE / Introduction / Einleitung, in: La peinture française moderne / Moderne französische Malerei, Ausstellungskatalog, Stadtschloß Berlin, hrsg. von der Groupe Français du Conseil de Contrôle, Division Éducation et Affaires culturelles, o. O. 1946, S. V–XXIV, S. XXXI. Siehe auch Gravures françaises contemporaines / Französische Graphik der Gegenwart, Ausstellungskatalog, Kurhaus Baden-Baden, Baden-Baden 1946, und Sculpture française de Rodin à nos jours, Ausstellungskatalog, Zeughaus, Berlin, Berlin 1947. 29 Französische Malerei und Plastik 1938–1948, Ausstellungskatalog, Maison de France, Berlin,
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hrsg. von der Direction Générale des Affaires Culturelles, Service des Relations Artistiques, Mainz, unter Mitwirkung der Association française d’Action Artistique, Paris, Berlin 1950. Näheres zu den französischen Kunstausstellungen und der damit verbundenen Kulturpolitik siehe Martin Schieder: Expansion / Integration. Die Kunstausstellungen der französischen Besatzung im Nachkriegsdeutschland, München und Berlin 2004 (Passerelles 3). Siehe Brigitta Milde: Picasso in der DDR, in: Picasso et les femmes, Ausstellungskatalog, Kunstsammlungen Chemnitz, hrsg. von Ingrid Mössinger u. a., Köln 2002, S. 372–385, S. 373. Zu Sandbergs Position siehe Goeschen 2001, S. 128 ff., sowie Dokument 29, S. 336 ff. Peter-Klaus Schuster hat darauf hingewiesen, daß Picasso bereits vor dem Ersten Weltkrieg in Deutschland als Inbegriff des revolutionär Neuen in der Kunst galt, und daß es im Wilhelminischen Kaiserreich und in der Weimarer Republik viele Sammler seiner Werke gab; id.: Picasso und seine Zeit, in: Picasso und seine Zeit. Die Sammlung Berggruen, Ausstellungskatalog, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1996, S. 13–30, S. 21–22; siehe auch Andreas Holleczek: Picassos Kubismus: Deutsch-französische Deutungsdifferenzen, in: Distanz und Aneignung. Relations artistiques entre la France et l’Allemagne 1870–1945. Kunstbeziehungen zwischen Deutschland und Frankreich 1870–1945, hrsg. von Alexandre Kostka und Françoise Lucbert, Berlin 2004, S. 365–386 (Passagen/Passages, Bd. 8). Bildende Kunst. Zeitschrift für Malerei, Plastik, Grafik, Kunsthandwerk und Volkskunst 1956, Heft 7. Einen ersten Einblick in die russische Rezeptionsgeschichte gibt Felix Philipp Ingold: Picasso in Rußland. Materialien zur Wirkungsgeschichte 1913–1971, Zürich 1973. Von Menzel bis Picasso. Handzeichnungen und Graphik des 20. Jahrhunderts aus eigenen Beständen, Ausstellungskatalog, Staatliche Galerie Moritzburg, Halle, Halle 1957, S. 5. Konrad Farner: Picassos Taube, Textbeilage zu: Picasso – Tauben, 12 Lithographien, Dresden 1956, S. 34–35 und 11. Pablo Picasso im Gespräch mit Daniel-Henry Kahnweiler; zit. nach Werner Spies: Picasso – Die Zeit nach Guernica, in: id.: Picasso. Die Zeit nach Guernica 1937–1973, Ausstellungskatalog, Nationalgalerie, Berlin / Kunsthalle der Hypo-
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Kulturstiftung, München / Kunsthalle, Hamburg, Stuttgart 1992, S. 11–59, S. 47. Ibid. Jan Bialostocki: Die »Rahmenthemen« und die archetypischen Bilder, in: id.: Stil und Ikonographie. Studien zur Kunstwissenschaft, Dresden 1966, S. 111–125, S. 112 und 116. Spies 1992, S. 47. Bialostocki 1966, S. 115. Beispiele finden sich bei Milde 2003, S. 376 ff. Zit. nach Gisela Schirmer: Willi Sitte, Farben und Folgen. Eine Autobiographie, Leipzig 2003, S. 43. Zit. nach ibid., S. 54. Siehe dazu Guth 1995, S. 82; als Ortsangabe ist dort irrtümlich Ballenstedt aufgeführt. Siehe Schönfeld 1992, S. 92. Guth 1995, S. 83, hält es für die »wirkliche Tragik« dieses Ikonoklasmus, daß man damit auch »die imaginären Museen der Künstler« beschädigt habe. Hierin folge ich Wolfgang Hütt: Willi Sitte. Gemälde 1950–1994, Bönen o. D., S. 17. Siehe Schirmer 2003, S. 89, und Jean Lurçat: Der französische Wandteppich, in: Bildende Kunst 1954, Heft 5–6, S. 55–62. Den Terminus »Experiment« führte Peter H. Feist anhand des Beispiels Picasso in den Kunstdiskurs der DDR ein; id.: Experiment als geschichtliche Pflicht, in: Bildende Kunst 1956, Heft 6, S. 336–337. Jörg Makarinus: Ernst Schroeder 1928–1989. Leben und Werk, Berlin 1996, S. 20. /
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52 Zwischen 1956 und 1958 wurden in der Bildenden Kunst knapp ein Dutzend Werke Buffets abgebildet; 1958 fand zudem eine vielbeachtete Einzelausstellung im Institut Français in WestBerlin statt. 53 Horst Jähner (1958); zit. nach Jörg Makarinus: Die Entfaltung der ›Berliner Schule‹ in der zweiten Hälfte der fünfziger und zu Beginn der sechziger Jahre, Phil. Diss., Humboldt-Universität Berlin, 1990, S. 163–164. In Heft 6/1958, S. 406– 408, der Bildenden Kunst erschien zu Buffet der Grundsatzartikel Der Miserabilismus, der Aufschluß über die Enge und die geistige Kontrolle in der damaligen DDR gibt. Buffet, so der Verfasser Heinrich Burkhardt, verwende seine Begabung dazu, »aus der Sensationsgier, mit der eine untergehende Klasse die eigene Unsicherheit und Existenzangst« zu betäuben versuche, Kapital zu schlagen; ausdrücklich warnte er davor, die »typische Dekadenzerscheinung« und den »Bazillus dieser Krankheit« in die DDR zu tragen. 54 Dietmar Elger: Gerhard Richter, Maler, Köln 2002, S. 32. 55 Lohmar mußte wegen seiner jüdischen Abstammung Deutschland Anfang der dreißiger Jahre verlassen und verbrachte sein Exil in Frankreich. Dort schloß er sich der Widerstandsbewegung und dem Nationalkomitee Freies Deutschland an. 1946 kehrte er nach Deutschland zurück und wurde 1951 in Dresden zum Professor für Wandmalerei ernannt.
Kunst/Künstler
Der liebe Gott der Malerei Cézanne in Deutschland nach den Kriegen
Friederike Kitschen
»Er geht wie irgendeiner der Geringen Bereit zum Schauen und geübt im Schweigen Im stummen Zwiegespräch mit großen Dingen.« Walter Kern, 1947 1
Grundüberzeugungen 1921 eröffnete der Kunstsalon Paul Cassirer in Berlin eine Ausstellung von Werken Paul Cézannes mit 42 Gemälden, 21 Aquarellen und einer Reihe von Zeichnungen – eine kleine Sensation, bedenkt man, daß die französischen Galeristen den Kontakt mit ihrem deutschen Kollegen im eisigen politischen Klima nach dem Ersten Weltkrieg abgebrochen hatten und Handelsbeschränkungen den grenzüberschreitenden Austausch von Kunstwerken fast unmöglich machten.2 Doch Paul Cassirer konnte die hochkarätige Auswahl zur Gänze aus deutschem Privatbesitz zusammenstellen. Max Liebermann, Harry Graf Kessler, Margarete Oppenheim, Friedrich Gottlieb Reber und nicht zuletzt die verzweigte Familie Cassirer gehörten zu den Leihgebern (Abb. 65–67).3 Cézanne, den fortschrittliche deutsche Kunstkritiker wie Julius Meier-Graefe und Wilhelm Hausenstein schon lange vor dem Ersten Weltkrieg als einen dem deutschen Wesen verwandten Meister emphatisch aufgenommen hatten, war in Deutschland auch mit einer Fülle wichtiger Werke präsent.4 Neben den Leihgebern von 1921 besaßen zahlreiche weitere Privatsammler und mehrere deutsche Museen bedeutende Arbeiten des Malers.5
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65 Paul Cézanne: Stilleben mit Ingwertopf, 1893/94, Öl auf Leinwand, 65,5 × 81,5 cm, Malibu, J. Paul Getty Museum (1921 als Leihgabe von Hugo Cassirer ausgestellt).
1956, elf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, fand in Deutschland wiederum eine umfangreiche, aus Anlaß des fünfzigsten Todestages eingerichtete Cézanne-Retrospektive statt. Ausgehend von Den Haag, war sie über Zürich und Aix-en-Provence ins Münchener Haus der Kunst gewandert und konnte sogar, in leicht verkleinerter Form, anschließend noch im Kölner Wallraf-Richartz-Museum Station machen. Dies war ein deutlicher Vertrauensbeweis seitens der ausländischen Leihgeber, der zeigt, daß Deutschland 1956, ein Jahr nach der ersten Kasseler documenta und einer spektakulären Picasso-Retrospektive in München, wieder in den internationalen Kunstbetrieb aufgenommen worden war.6 Denn im Unterschied zu jener von 1921 bestand die Ausstellung 1956 fast ganz aus Leihgaben aus dem Ausland, aus Frankreich und vor allem aus der Schweiz und den USA (Abb. 67–68). Unter den 153 Gemälden, Aquarellen und Zeichnungen befanden sich nur sehr wenige Werke aus deutschem Besitz: die drei Bilder der Bayerischen Staatsgemälde-
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Paul Cézanne: Die Seine in Bercy, nach Guillaumin, 1876–1878, Öl auf Leinwand, 56 × 72 cm, Hamburger Kunsthalle (1921 als Leihgabe von Theodor Behrens ausgestellt).
sammlungen, darunter das Selbstporträt mit Malerturban (Taf. III), das den Umschlag des Münchener Katalogs zierte, die Landschaft Seine bei Bercy, welche die Hamburger Kunsthalle 1924 gekauft hatte (Abb. 66), je ein Gemälde aus Wuppertal und Essen sowie, als erster deutscher Museumsankauf eines »Cézanne« nach dem Zweiten Weltkrieg, ein kleines Stilleben aus der Staatsgalerie Stuttgart.7 Andere in Deutschland befindliche Werke, etwa aus den Museen der DDR, aber auch aus Karlsruhe und Mannheim, waren nicht verliehen worden und befanden sich zum Teil noch in den Depots der zerstörten Museen. Von den zahlreichen Arbeiten jedoch, die sich 1921 in deutschem Privatbesitz befunden hatten, war infolge inflationsbedingter Verkäufe in den zwanziger Jahren und durch die erzwungene Emigration der oftmals jüdischen Besitzer im Dritten Reich kaum mehr eines im Lande.8 Im Bereich originaler Werke, insbesondere der Malerei, war Cézannes Präsenz in Deutschland somit nach 1933 erheblich vermindert und der Bruch zwischen den beiden Ausstellungen von 1931 und 1956 deutlich. »Für viele Jüngere«, hieß es denn auch im Kölner Katalog 1956, ermögliche diese Schau »vielleicht die erstmalige Begegnung mit Cézanne«.9 Im Bereich der deutschen Kunstwissenschaft und Kunstkritik jedoch war Cézanne über die Jahrzehnte hinweg fast unvermindert präsent geblieben. Beide
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67 Paul Cézanne: Das Viadukt in Estaque, 1879–1882, Öl auf Leinwand, 55 × 65,5 cm, Helsinki, Ateneumin Taidemuseo (1921 als Leihgabe von Harry Graf Keßler und 1956 als Leihgabe des Ateneumin Taidemuseo ausgestellt).
Kataloge von 1956 stellen dies deutlich heraus. Explizit wiesen sie auf die frühe und intensive Rezeption Cézannes in Deutschland hin, etwa auf den ersten Museumsankauf eines seiner Werke durch die Berliner Nationalgalerie 1898, auf eine Ausstellung schon 1904 im Kunstsalon Cassirer in Berlin und auf die große Hommage an Cézanne auf der Kölner Sonderbundausstellung von 1912. Immer schon, so klingt hier durch, war die Beschäftigung mit diesem »größten Meister der Moderne« Sache auch (und gerade) der Deutschen.10 Mit dem Einführungstext des Münchener Katalogs konnte man daher auch einen prominenten, deutschsprachigen Cézanne-Forscher betrauen: den Österreicher Fritz Novotny. Als Verfasser des einflußreichen Buches Cézanne und das Ende der wissenschaftlichen Perspektive von 1938 stand er für die wissenschaftlich gewichtige Tradition deutschsprachiger Cézanne-Rezeption und zugleich, durch seine auch in englisch und französisch erschienene Cézanne-Monographie von 1937, für deren internationale Geltung.11 Mit diesem Autor wollte man die Internationalität, aber auch die Kontinuität der deutschsprachigen Cézanne-Forschung demonstrieren. Und tatsächlich spannt sich deren Bogen von den Anfängen bis ins Jahr 1956, mal stärker, mal schwächer werdend, aber auch im Dritten Reich keineswegs unterbrochen. Eine ganze Reihe von Aufsätzen in deutschen Zeitschriften widmete sich dem Franzosen sowohl in den Jahren der Weimarer Republik als auch des Dritten Reichs und feierte ihn
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68 Paul Cézanne: Die Montagne Sainte-Victoire über der Landstraße nach Tholonet, um 1904, Öl auf Leinwand, 73,2 × 92 cm, Cleveland Museum of Art, Leonard C. Hanna, Jr. Collection (1956 ausgestellt).
anläßlich der Jubiläen seiner Geburts- und Todestage 1936 und 1939 in Der Kunst für Alle ebenso wie in den Nationalsozialistischen Monatsheften.12 Eine durch die Zäsur von Verfemung und anschließende Rehabilitierung geprägte Cézanne-Rezeption »nach 1945« gibt es daher im eigentlichen Sinne nicht. Es gibt vielmehr eine kontinuierliche Fortschreibung von Deutungsmustern, die sich zum Teil, gerade in den Nachkriegsjahren, zu wahren Axiomen verhärten konnten und in einer Reihe begrifflicher Formeln Ausdruck fanden. Hier mag der Umstand, daß die deutsche Auseinandersetzung mit Cézanne nach 1933 oftmals von der unmittelbaren Betrachtung originaler Werke losgelöst geschah und auf der Basis von Erinnerungen oder schlechten Reproduktionen beziehungsweise in Reaktion auf andere Schriften stattfand, eine wichtige Rolle gespielt haben. Der in der deutschen Cézanne-Rezeption seit jeher dominierende Ansatz, Werk und Maler einer idealistischen Betrachtungsweise zu unterziehen und in deutlichem Maße eigene Erwartungshaltungen darauf zu projizieren, wurde dadurch mit Sicherheit befördert. Einige Grundüberzeugungen zu Cézanne, die sich bereits vor 1914 herausgebildet hatten, wurden in den zwanziger und dreißiger Jahren weiter ausformuliert, bis schließlich die Kritiker nach 1945, Cézanne »auf dem Banner«, in die Debatten und Streitgespräche um die Berechtigung der modernen, vor allem abstrakten Malerei ziehen konnten.
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Cézanne als Prophet der Moderne Bereits vor dem Ersten Weltkrieg hatte eine Reihe prominenter deutscher Kritiker aus dem fortschrittlichen und pro-französischen Lager Paul Cézanne zu einem herausragenden Meister, zu einer Säule der Moderne und zum Lehrmeister der jungen Generation erklärt.13 Inspiriert vom expressionistischen Geist der Zeit, wurden dem Maler Züge eines Mystikers verliehen, der tiefer blickt als seine Zeitgenossen und metaphysische Wahrheiten zu offenbaren vermag. Nach dem Ersten Weltkrieg lehnten zunächst einige neue Stimmen zu Cézanne, wie die von Max J. Friedländer und Hermann von Wedderkopp, eine solche Sicht auf den Künstler ab. Bezeichnend für den »neu-sachlichen« Zeitgeist der zwanziger Jahre, fanden sie in Cézanne einen »naiven und gesunden Naturalisten« und Bilder »voller Beziehung zum Leben, zum wirklichen Leben.« 14 Und auch Kurt Badt, der 1921 Cassirers Ausstellung rezensierte, lehnte das expressionistisch gefärbte Cézanne-Bild eines Meier-Graefe oder Wilhelm Hausenstein ab, wenn er schrieb: »Nichts von Mystik, nichts von Symbolik: kein Sichauflösen des Individuums im All […]; mit ›heilignüchternen‹ Augen hat Cézanne die Welt gesehen, um sie nach seiner Vorstellung zu gestalten.« 15 Doch bereits hier, in den »heilig-nüchternen Augen« klingt an, daß sich der prosaische Blick eines Friedländer oder Wedderkopp in der deutschen Cézanne-Rezeption nicht durchsetzen sollte. Allerdings zeigt allein der Umstand, daß ein prominenter Museumsfachmann und ausgewiesener Kenner alter Kunst wie Friedländer das Thema Cézanne aufgriff und den Maler gar mit Jan van Eyck verglich, daß jener von einer Galionsfigur der Avantgarde zu einem kunsthistorisch anerkannten Meister wurde. Gekrönt wurde dieser Prozeß der Kanonisierung 1936 durch den Œuvrekatalog Cézannes, den der Renaissanceforscher Lionello Venturi seinen Büchern über Leonardo da Vinci und Giorgione folgen ließ.16 Diese Kanonisierung war eng mit dem Motiv der epochalen Wende verknüpft, die man bei Cézanne festzustellen meinte. »Cézannes Werk ist die große Wasserscheide der neuen Kunst«, schrieb Adolf Behne 1923.17 Dieser Topos prägte in Variationen die Rezeption der folgenden Jahrzehnte. Um das in seinen Augen einzigartig Aufklärerische und Erkenntniskritische der Cézanneschen Kunst zu verdeutlichen, spricht Novotny schon 1929 von einer »geistesgeschichtlichen Wende« bei Cézanne und vergleicht ihn mit Immanuel Kant.18 Er analysierte 1938 Cézannes Abwendung von der »wissenschaftlichen« Perspektive und deutete dies als nichts Geringeres denn das Ende der seit der Renaissance verbindlichen Bildauffassung. Novotnys Verknüpfung Cézannes mit dem deutschen Philosophen der Aufklärung sollte ein Kritiker wie Egon Vietta noch 1956 in seiner Kurz-Rezension der Cézanne-Retrospektive aufgreifen, wenn er kategorisch feststellt, Cézanne
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habe die Malerei auf ähnlich neue Grundlagen gestellt wie Kant das philosophische Denken.19 Und der Maler Willi Baumeister, für den Cézanne ein wesentlicher künstlerischer Bezugspunkt war, nimmt Behnes und Novotnys Ideen einer naturwissenschaftlichen beziehungsweise kunsthistorischen Wende gleichermaßen auf. Er schreibt in seinem 1944 verfaßten und 1947 erschienenen Buch Das Unbekannte in der Kunst zunächst: »Die neuere Geschichte der Malerei hat zwei Beugungswinkel. Der erste liegt zwischen Cimabue und Giotto. Es beginnt der Weg zum Nachbild. Der zweite Beugungswinkel liegt bei Cézanne. Es beginnt der Weg zur Form«, und führt wenig später aus: »So gründen sich auf den Hertzschen Wellen und auf Planck in der Wissenschaft und auf Cézanne in der Kunst viele spätere Errungenschaften.« 20 Baumeister vergleicht Cézanne hier nicht zufällig mit Wissenschaftlern, die elementare Naturphänomene entdeckt hatten: auch er selbst wollte, unter Berufung auf Cézanne, in seiner eigenen Malerei Ur- und Naturkräfte vermitteln. Oftmals erhielt der Topos des epochalen Umbruchs sogar religiöse Züge. So sprachen schon Otto Benesch 1936 und Hans Graber 1942 emphatisch von einer »Zeitenwende« bei Cézanne.21 Diese neue Zeitrechnung – »seit Cézanne« oder »nach Cézanne« – sollte sich in den Schriften der Nachkriegsjahre fest etablieren; die religiösen Implikationen schließlich bei Werner Haftmann (Abb. 30) 1962 explizit werden: »Cézanne [ist] der Vater aller modernen Malerei, ein Prophet, der die Gesetzestafeln hielt«.22 Mit dieser Idee der Zeitenwende verband sich allerdings keine historische Einordnung Cézannes in die Kunst seiner eigenen Epoche oder, wie in seinem Mutterland, in die Traditionslinie französischer Kunst. Im Gegenteil, aus ihr resultierte vielmehr die Überzeugung von der zeitlosen Wirkung und Gültigkeit des Cézanneschen Werks. »Seine tiefere Auswirkung macht sich erst in den Trägern des malerischen Heute geltend, außerhalb Frankreichs vielleicht stärker als innerhalb der eigenen Nation«, schrieb Otto Benesch 1936, dreißig Jahre nach Cézannes Tod.23 Und Hans Graber stellte 1942 nicht nur fest: »[Cézanne] ist seiner Zeit in einem Maße vorausgeeilt wie kaum je ein Künstler der seinen. Er könnte dreißig, vierzig Jahre später geboren sein.«24 Für ihn bedeutet der Maler auch »eine Zeitenwende in der Kunst, eine Zeitenwende, in der wir noch stehen. Cézanne ist nicht historisch geworden. Er lebt und wirkt unsterblich fort.« 25 Cézannes Position als Erzvater der Moderne, dessen Wirken die Welt der Kunst in eine neue Zeitrechnung geführt hat und bis in die jeweilige Jetztzeit beherrscht, war kanonisch geworden, mit all den naturgesetzlichen, philosophischen und heilsgeschichtlichen Implikationen einer solchen Rolle. Dabei konnte Cézanne sowohl für koloristische, kubistische wie neo-klassizistische Strömungen in Anspruch genommen werden, je nachdem, auf welche Werke und welche theoretischen »Be-
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kenntnisse« des Malers man sich berief. Gerade die deutsche Kunstgeschichte bahnte jedoch in den zwanziger und dreißiger Jahren den Weg für seine Ahnherrschaft der gegenstandslosen Kunst.
Cézanne als Ahnvater der abstrakten Kunst Ein wichtiger Anknüpfungspunkt für die Verfechter der gegenstandslosen und halbabstrakten Kunst nach dem Zweiten Weltkrieg war die tradierte Überzeugung von der Gleichgültigkeit und Bedeutungslosigkeit der Bildgegenstände bei Cézanne. Sie beruht maßgeblich auf einem formalanalytischen Zugang, der für die deutsche Kunstbetrachtung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts insgesamt charakteristisch ist. Cézannes Motive wurden zwar erwähnt, ebenso wie seine konsequente Arbeit vor der Natur und sein beharrliches Ausgehen von der sichtbaren Welt. Inhaltlich analysiert oder historisch hergeleitet wurden die Bildgegenstände in aller Regel nicht. Auch die Untersuchung außerkünstlerischer, gesellschaftlicher und kulturhistorischer Rahmenbedingungen seiner Kunst und deren mögliche Auswirkung auf seine Motivwahl wurden in der Regel nicht vorgenommen. Und obwohl Fritz Novotny Cézannes Landschaftsbilder mit Fotografien der Originalschauplätze verglich, also die meist auf intuitive Einfühlung gründende Herangehensweise früherer Autoren verließ und einen neuen methodischen Schritt in der Cézanne-Forschung tat, vertraute auch er ganz der formalistischen Immanenz künstlerischer Entscheidungen und der eigenen Erkenntnis durch reines Schauen. Cézanne selbst, so lautete ein Grundmuster der Interpretation, habe von der gewußten Bedeutung der gesehenen Dinge Abstand genommen und sie als reine Farbund Formgebilde, nunmehr gemäß der Logik des Bildes, auf der Leinwand wiedererstehen lassen. So schrieb Friedländer 1922: »die leidenschaftliche Tiefe seines Augenerlebnisses […] tilgte das Wissen um die Dinge aus.« 26 Behne postulierte ein Jahr darauf die »Verneinung der gegenständlichen Selbständigkeit« in Cézannes Bildern.27 Dies führte Karl von Tolnai 1933 aus, wenn er schrieb: »…allein in den subjektiven Farbwahrnehmungen erfaßte Cézanne die Einheit des Seins. Auf diese konzentrierte er sich, sie suchte er unter möglichst vollkommener Ausschaltung aller die objektive Beschaffenheit der Dinge angehenden Bewußtseinsinhalte wiederzugeben.« 28 Und Fritz Novotny schließlich listet 1938 Cézannes Landschaftsmotive zwar auf, spricht aber schließlich gar nicht mehr von Gegenständen, sondern von dargestellten »Einzelkörpern« unter der »Übermacht der formalen, vor allem der koloristischen Bildzusammenhänge«.29 Cézanne habe zwar selber dem Abstraktionsdrang nicht nachgegeben, aber, so legt dieser Verfechter des Modernismus ganz explizit die Spur zur gegenstandlosen Kunst, er habe die »Aufbauele-
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mente einer abstrakten Malerei gegeben«.30 Ausdrücklich stellt Novotny Cézannes »sehr bedeutenden Anteil an der Entwicklung aller nichtexpressionistischen Äußerungsformen der absoluten Malerei, bis zum Konstruktivismus« heraus.31 An diese Ideen konnten Kunsthistoriker und Künstler nach 1945 unmittelbar anknüpfen. Cézannes berühmte Briefstelle, man solle die Natur gemäß Zylinder, Kugel und Kegel behandeln, wurde als Beleg für seine geistige Ahnherrschaft der abstrakten Kunst in zahlreichen Varianten zitiert.32 »Für Cézanne war ein Apfel oder ein Gesicht ›nur ein Vorwand für ein Spiel mit Linien und Farben, sonst nichts‹«, postulierte Leopold Zahn 1947.33 Auch Willi Baumeister, der seinerzeit prominenteste Vertreter der gegenstandslosen Malerei in Deutschland, teilte diese Überzeugung über sein künstlerisches Vorbild Cézanne. Er formulierte 1950 im Darmstädter Gespräch: »Cézanne war es ziemlich gleichgültig, was er malte. […] Die-ser Absturz des Motivs ist bei Cézanne außerordentlich stark bemerkbar. Die Stofflichkeit des Motivs verliert bei ihm alle Gültigkeit. Er malt als geistige Übung Menschen und Bäume gleichermaßen und entmaterialisiert sie. […] Cézanne bildet den Übergang zur abstrakten Malerei durch Entwertung des Abmalens.« 34 Und ein weiterer Teilnehmer resümierte bei der abschließenden Diskussion der Künstler knapp: »Er ist der Wegbereiter der gegenstandslosen Malerei.« 35 Die Auffassung von Cézanne als »Zeitenwende« der Kunst wurde so in die eines Wegbereiters und Übervaters der gegenstandlosen Malerei überführt. Im Münchner Ausstellungskatalog 1956 kann Novotny daher zwei Stränge der »enormen Wirkung« Cézannes zusammenfassen, seinen Kolorismus, der in alle Richtungen ausgestrahlt habe, und »der neue Sinn, das stärkere Gewicht des Bildes als Strukturgebilde. Es ist deutlich, daß von da aus der Weg zu der radikalsten Gattung innerhalb der modernen Malerei, zur ungegenständlichen, sogenannten ›abstrakten‹ Kunst nur kurz war«. Und dieser Weg, so Novotny, war »von strenger Logik«.36
Wesensschau der Dinge Die angebliche Gleichgültigkeit Cézannes gegenüber seinen Bildgegenständen und deren Bedeutungslosigkeit war jedoch in den Augen seiner deutschen Interpreten keineswegs ein Zeichen für eine Inhaltsleere seiner Kunst. Im Gegenteil, sie war geradezu Ausweis seiner Ergründung tieferer, geistiger Inhalte, die jenseits des bloß Äußerlichen und Sichtbaren der Dinge unmittelbar in den Formen und Strukturen des Bildes zum Ausdruck kommen. Schon Cézanne-Interpreten des frühen 20. Jahrhunderts hatten den formalen Eigenschaften seiner Werke, ihrer Farbsetzung und ihrem Formgefüge, eine innere Logik bescheinigt. Man sah Cézanne im Schöp-
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fungsprozeß von der äußeren Realität zwar ausgehen, von ihr jedoch abstrahieren, sie transzendieren und in die Realität eines vollkommen autonomen, eigengesetzlichen Bildes verwandeln. Dieser Schöpfungsprozeß wurde nun nach dem Ersten Weltkrieg immer häufiger mit Begriffen der Disziplin und »straffen Zucht im Aufbau« beschrieben; das Konstruktive, Tektonische und die strenge innere Gesetzmäßigkeit der Bilder wurde betont.37 Aus der Logik des Malvorgangs und der Eigengesetzlichkeit der Bildstruktur begründe sich die absolute Autonomie seiner Werke.38 Diese sei jedoch keineswegs selbstzweckhaft. Denn in der Gesetzmäßigkeit des Bildes selbst vermittele sich letztlich, so die Überzeugung vieler Interpreten, Cézannes Erkenntnis von der inneren Gesetzmäßigkeit der Dinge und der tieferen Wahrheit der Natur. Für die damalige Rezeptionshaltung charakteristisch, werden etwa bei Fritz Neugass 1930 feste äußere Form und innere Wahrheit gleichgesetzt: »Nicht das Optische wollte Cézanne erfassen, sondern die feste Form, die innere Wahrheit und den geschlossenen Aufbau.« 39 Otto Benesch schließt hier 1936 an, wenn er Cézannes Bemühungen um die »Verwirklichung dieser Welt in ihrer inneren Gesetzmäßigkeit im Bilde« feststellt und seine »Logik tief in der ewigen Gesetzmäßigkeit der Natur« begründet sieht: »Die Kunst wird ihm zum Suchen ewiger Wahrheiten.« 40 Auch der prosaischer formulierende Fritz Novotny kommt in seinen Analysen des Bildaufbaus Cézannes zu einem ähnlichen Fazit. Zwar habe Cézanne durch das Außerkraftsetzen der konventionellen Fluchtpunktperspektive den Bildraum für den einfühlenden Betrachter verschlossen und eine Welt der reinen künstlerischen Anschauung gebildet. Diese Distanz charakterisiert Novotny mit Begriffen wie »Außermenschlichkeit« und »Lebensferne«, beurteilt sie allerdings in hohem Maße positiv.41 Denn gerade aufgrund dieser Distanz deutet er Cézannes Werke als Ausdruck eines weitaus höheren geistigen Anspruchs: als Erkenntnis und Ordnung der Welt im Blick und Bild des Künstlers.42 Nach dem Zweiten Weltkrieg war eine solche Deutung der »immanenten Gesetze des bildnerischen Ausdrucks« als Ausdruck der »Wahrheit der Natur« in Cézannes Werken weitgehend durchgesetzt und findet sich selbst im kurzen anonymen Begleittext einer Reproduktionsmappe.43 Hans Hildebrandt befand 1947: »Verglichen mit der Schöpfung des Malers, erscheint das Motiv stets unbedeutend und untergeordnet […], während die Tat des Künstlers als Steigerung, Vereinfachung und Klärung, als geniale Herausschälung des Wesenhaften offenbart.« 44 Und ein anderer Kritiker stellte 1949 fest, Cézanne wolle mit den »heimlichen« Grundformen der Natur – Kugel, Zylinder, Kegel und Würfel – das Wesen der Dinge gestalten.45 Willi Baumeister führt schließlich 1950 im Darmstädter Gespräch aus: »Die späten Felslandschaften regen ihn durch ihre Natur-Strukturen an, er setzt sie
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Emile Bernard: Cézanne am Chemin des Lauves, 1904.
in Bild-Strukturen um. Das Wesen der Natur braucht nicht im Sinne des Naturalismus im äußeren Anblick allein enthalten zu sein.« 46 Ermöglicht wurde Cézannes konzentrierte Wesenschau der Dinge und der Natur, so lautete eine damit vielfach verbundene Vorstellung, nicht zuletzt durch die zurückgezogene, einsame Lebensweise des Malers. In Aix-en-Provence habe er als biederer und kirchentreuer Provinzbürger gelebt, gearbeitet aber in absoluter innerer Freiheit als künstlerisch unabhängiger Revolutionär. Seine Mitbürger hätten ihn deswegen verkannt und verhöhnt. Gerade bei jenen Kritikern der späten dreißiger Jahre, die, wie Otto Benesch, dem nationalsozialistischen Weltbild nicht folgten und ihm ein christlich-konservatives entgegensetzten, läßt sich dieses Modell des einsamen Schöpfers von Aix finden (Abb. 69).47 Aber von größter Bedeutung war es auch für einen Künstler wie Willi Baumeister, der in die »innere Emigration« gezwungen wurde und 1933 nach seinem »Aix oder Arles« suchte.48 In der Nachkriegszeit wurde das Bild des zu Lebzeiten verkannten Meisters weitergeführt und plastisch belegt. So versammelte beispielsweise die Zeitschrift Das Kunstwerk 1950 eine ganze Reihe negativer Kritiken des späten 19. Jahrhun-
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derts, in denen Cézannes Kunst von seinen Zeitgenossen attackiert und abgelehnt wurde. Nicht zuletzt sollte diese Zitatsammlung wohl ein deutlicher Fingerzeig für all jene Kritiker sein, die nun, nach 1945, die Kunst ihrer eigenen avantgardistischen Zeitgenossen verrissen und »verkannten«.49
Das absolute Idealbild Die Cézanne-Rezeption der dreißiger Jahre hatte damit das Idealbild des einsamen Provinzmalers Paul Cézanne als eines verkannten, aber freien Künstler-Schöpfers entworfen. Er schaue, darin war man sich einig, hinter die äußere Oberfläche der Dinge und der Naturerscheinungen, erkenne deren Gesetzmäßigkeit und Struktur und vermittele seine Erkenntnis in Farb-Form-Figurationen von tiefem geistigen Gehalt und absoluter Autonomie »parallel zur Natur«. Dieses Bild wurde in den späten vierziger und fünfziger Jahren gepflegt und ausgebaut, denn es entsprach in entscheidenden Punkten dem von den Erfahrungen des Dritten Reichs, der »inneren Emigration« und der unsicheren Nachkriegssituation geprägten zeitgenössischen Idealbild von Kunst als einer reinen und höheren Sphäre. Es war das Idealbild einer absolut autonomen und freien Kunst, die das politische Tagesgeschehen ausblendet und die profane Realität transzendiert, einer Kunst, die sich auf verborgene Naturkräfte beruft und auf die immanente Logik der bildnerischen Mittel, einer Kunst, in der das Geistige Vorrang vor dem Materiellen hat und die, oft auch mit religiösen Beiklängen, nach absoluter Wahrheit strebt.50 Cézanne war zwar für die aktuelle Künstlergeneration nach 1945 meist nicht mehr das unmittelbare künstlerische Vorbild – hier hatten ihn Klee, Kandinsky oder Picasso bereits abgelöst. Jedoch war er für viele Künstler und insbesondere Kunsthistoriker zu einem zeitlosen Lehrmeister und Übervater geworden. Und durch Vergleiche mit »objektiv« gültigen naturwissenschaftlichen Entdeckungen oder durch implizit messianische Beiklänge trugen er und sein Werk die Züge des Unangreifbaren und Sakrosankten.
Sedlmayrs Angriff auf die Mitte Der Kunsthistoriker Hans Sedlmayr, ein ebenso streitbarer wie strategischer Rhetoriker,wußte also, was er tat, als er in seiner viel gelesenen Schrift Verlust der Mitte von 1948 ausgerechnet Cézanne angriff, um die in seinen Augen entmenschlichte und entgöttlichte Moderne zu treffen.51 Just in der Mitte seines Buches, im Kapitel Das entfesselte Chaos, findet sich der Abschnitt Das reine Sehen (Cézanne). Hier geht Sedlmayr jedoch nicht von einer Betrachtung der Bilder Cézannes aus. Er beruft sich vielmehr auf die »jüngste Forschung«, auf Novotnys Schriften der
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dreißiger Jahre, und greift sorgfältig einige anerkannte Topoi der Cézanne-Rezeption heraus: die Überzeugung von Cézannes »Schlüsselstellung«, die Idee vom reinen Sehen, von den autonomen Bildmitteln, hier der »Farbe an sich«, und die Vorstellung von Cézannes Zurückgehen auf das Ursprüngliche, Elementare.52 Doch Sedlmayr sollte diesen klassischen Befund ins Negative wenden. Indem Cézanne das »reine Sehen« zum Prinzip erhoben und von allem Gewußten, Mitgedachten, aber auch Mitempfundenen abgesehen habe, verschlössen seine Bilder die gesehene Welt vollkommen unserer Einfühlung.53 Denn, so Sedlmayr, Cézannes künstlerische Haltung, dieses »Zurückgehen vor« die alltägliche Welt, »gewissermaßen an die Ursprünge«, wo er das Reich der Farbe an sich entdecke, diese Haltung fordere »einen Zustand äußerster Teilnahmslosigkeit des Geistes und der Seele an den Erlebnissen des Auges.« Und er fährt fort: »In diesem Sinne ist es zu verstehen, wenn Novotny die Kunst Cézannes mit Recht als außermenschlich und lebensfern bezeichnet, denn es ist allerdings gegen das Wesen des Menschen, aus dem Vorgang der Anschauung die anderen Sphären des Menschlichen zugunsten des puren Sehens so abzuziehen.« 54 Sedlmayr beruft sich also auf Novotny, doch er läßt dessen positives Fazit zur Kunst Cézannes völlig unerwähnt. Er nimmt vielmehr die aus dem Zusammenhang gerissenen Feststellungen zum Ausgangspunkt seiner eigenen, vernichtenden Interpretation einer Zeitenwende: »Cézannes Kunst ist ein ›Grenzfall‹. Sie […] bereitet den Ausbruch des Außermenschlichen vor.« 55 Bei Cézanne sieht Sedlmayr den Ausgangspunkt der modernen Malaise: der Gleichstellung des Menschen mit einer Holzpuppe bei Seurat, mit einem Tapetenmuster bei Matisse, mit einem Konstruktionsmodell bei den Kubisten. »Hier grenzt das Verhalten dieser vermeintlich ›reinen‹ Maler an das Pathologische, an jene krankhaften Erscheinungen, die in einem Versagen der Einfühlung bestehen.« 56 Doch der Autor blickt noch über jene unmittelbaren Nachfolger Cézannes hinaus: »Und zugleich beginnt die Welt labil zu werden. Denn sobald Phänomene ohne Bedeutung gesehen werden, werden sie als schwankende, flüchtige, unbestimmte, nicht solide Phänomene erlebt (Usnadze). Von hier aus ist es zu verstehen, warum die Richtungen, die ein labiles Weltbild anstreben, zur bedeutungsfreien, absoluten Malerei getrieben werden.« 57 Damit hatte er via Cézanne das eigentliche Ziel seiner Kritik erreicht: die abstrakte Gegenwartskunst. Sedlmayr definiert Cézannes Malerei als wesentlichen Auslöser und als typisches Symptom jenes pathologischen Krankheitsbildes, das er in der Gegenwartskunst ausgemacht hat: des Verlusts des religiösen und geistigen Gehalts der Kunst, des Verlusts ihrer menschlichen und göttlichen Mitte. Weniger Cézannes Werk selbst, sondern vielmehr das Idealbild, daß sich die moderne Kunst und Kunst-
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geschichte von ihm gemacht hatte, muß in Sedlmayrs konservativ-katholischer Weltsicht das falsche Idol gewesen sein, eines jener Götzenbilder, gegen die er sich am Ende seines Buches wendet: »Es zeigt sich an allem, daß bis in die neueste, scheinbar vollkommen säkularisierte Kunst hinein Gegenstand und Charakter der Kunst wesentlich bestimmt wird durch einen Glauben oder einen Glaubens-Ersatz. Sei es auch nur der Aberglaube einer modernen Sekte. ›Weil es keinen Menschen gibt und gab, der nicht entweder seinem Gott oder seinem Götzen Opfer bringt‹«.58
»Ich habe Ihnen die Antwort gegeben bei Cézanne …« Sedlmayrs gezielte Attacken auf die Moderne und sein Kunstgriff, mit Cézanne ihren kanonischen Propheten zum symptomatischen Fall des Niedergangs zu machen, lösten vor allem bei den Vertretern und Verteidigern einer gegenstandlosen Kunst heftigen Widerspruch aus. Schon 1949, auf dem Zweiten Deutschen Kunsthistorikertag, stellt Werner Haftmann in der Aussprache mit Sedlmayr konsterniert fest: »Cézanne gerät aufgrund solch veränderter Betrachtungsweise in Verbindung mit Worten wie ›chaotischer Raum‹, ›außermenschlich‹, ›pathologisch‹« – so als ob dies bereits Sedlmayrs Irrweg beweisen würde.59 Einer der Kulminationspunkte der Auseinandersetzung um Sedlmayrs Buch war schließlich das sogenannte Darmstädter Gespräch von 1950 zum Menschenbild in unserer Zeit (Abb. 44).60 In dieser weitgefaßten Debatte um die moderne Kunst und deren Werte ging es immer wieder auch um Cézanne. Der abstrakte Maler Conrad Westphal etwa widersprach zunächst Sedlmayrs – im Verlust der Mitte, aber nicht in seiner Darmstädter Rede geäußerten – Auffassung, Cézannes »reines Sehen« sei Zeichen einer Verarmung.61 Auch in einer späteren Diskussion zog er sogleich Cézanne als Beispiel und Zeugen heran, um die handwerkliche Qualität abstrakter Bilder zu verteidigen.62 Auch Willi Baumeister reagierte in seiner improvisierten Abendansprache auf Sedlmayr und hielt ihm selbstbewußt jene Überzeugungen zu Cézanne entgegen, die er schon 1947 in Das Unbekannte in der Kunst dargelegt hatte. Cézanne habe von jeder Gegenstandsimitation abgesehen und sei zur »Kreation« übergegangen. Inhaltsleere oder fehlende Geistigkeit kann Baumeister dabei allerdings nicht erkennen, denn Cézanne habe »gleichsam kosmische Fugen: die Natur als Rhythmus, die Welt als Rhythmus« gemalt. Doch von Cézanne ausgehend, kommt er schließlich zum eigentlichen Anliegen seiner Rede: »Die moderne Kunst schafft nicht nach der Natur, sondern – wie die Natur.« Und abschließend: »Zumindest möchte ich vortragen, daß das abstrahierende und das sogenannte abstrakte Gebiet in der Kunst geistig so bedeutend und so umfassend sein kann, wie es die Gegenständlichkeit in ihrem realistischen Ansatz zunächst nicht ist.« 63
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In der Diskussion der Künstler um das Menschenbild in der Kunst meldete sich auch Johannes Itten zu Wort und verteidigte Cézannes Porträtmalerei gegen den Vorwurf der Seelenlosigkeit. Als er anschließend auf die Frage nach dem Menschenbild in der aktuellen Kunst antworten sollte, reagierte er mit dem Satz, der den Stellenwert und die Funktion Cézannes in dieser Debatte symptomatisch erhellt: »Ich habe Ihnen die Antwort gegeben bei Cézanne«.64 Denn auch wenn Cézanne im Verlauf des Darmstädter Gespräch immer wieder herbeizitiert und gegen – oft gar nicht erhobene – Vorwürfe verteidigt wurde, so entsteht in der Summe der Beiträge letztlich der Eindruck, daß es dabei gar nicht um den Maler selbst und seine Werke ging. Die »Anrufung« Cézannes gleicht der einer höheren Instanz oder eines Schutzheiligen; der Maler war in den Streitigkeiten die Autorität, der es sich zu versichern galt. Wer seinen Werken eine durch reine Form und Farbe ausgedrückte metaphysische Weltsicht, seiner Haltung tiefe Menschlichkeit nachweisen konnte, der befreite zugleich auch die abstrakte Kunst vom Vorwurf der Seelen- und Geistlosigkeit, des Formalismus und der »Unmenschlichkeit«. Und wer umgekehrt bei ihm Dinglichkeit und ein »Menschenbild« bemerkte, konnte dies wiederum gegen die Abstrakten ins Feld führen.65 Hier zeigt sich eine für die fünfziger Jahre nicht ungewöhnliche, auf der früheren Kanonisierung des Künstlers, aber auch auf den Verabsolutierungstendenzen der eigenen Zeit basierende Stellvertreterfunktion Cézannes. Mit ihr operierte Hans Sedlmayr im Verlust der Mitte ebenso strategisch wie seine Kontrahenten Willi Baumeister und Conrad Westphal im ersten Darmstädter Gespräch.66
Gedenkjahr 1956 »Den grundlegenden Publikationen über Cézanne, die in den dreißiger Jahren erschienen sind […], hat die neue, im Gedenkjahr 1956 erschienene Cézanne-Literatur nichts Ebenbürtiges gegenüberzustellen, es sei denn Kurt Badts Schrift ›Die Kunst Cézannes‹«, urteilte 1957 Leopold Zahn, Kritiker der Zeitschrift Das Kunstwerk.67 Tatsächlich kamen in den Jahren vor und nach 1956 in erster Linie deutsche Übersetzungen französischer Monographien, Biographien oder Erinnerungen an Cézanne heraus.68 Kurt Badts gewichtiges Buch jedoch widmet sich – so der Titel programmatisch – der Kunst Cézannes.69 Doch auch Badt, der sich Hans Sedlmayr Jahre später mit einer Streitschrift über Jan Vermeer dezidiert entgegenstellen sollte, kommt schon hier an einer Reaktion auf dessen Cézanne-Urteil nicht vorbei.70 Badt geht, wie viele Rezipienten vor ihm, von der primär gegenstandlosen Bildung der Farbkompositionen bei Cézanne aus. Doch statt eines bedeutungsleeren reinen Sehens, wie Sedlmayr, definiert Badt Cézannes besondere Wahrneh-
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Umschlag von Kurt Badt: Die Kunst Cézannes, 1956.
mung »als Folge einer metaphysisch determinierten Einstellung, eines Verstehens der wirklichen Erscheinungen als Ausdruck eines sich ihm verhüllenden und enthüllenden Sinnes.« 71 So gewinne Cézanne Einblick in die Wahrheit vom Wesen der Welt und seine Kunst sei eine »große Konfession«.72 Damit knüpft Badt an die deutsche Tradition der Cézanne-Rezeption an, die den Werken eine metaphysische Einsicht in den Bau und Sinn der Welt zuschrieb. Und er gibt Cézanne, dessen »heilig-nüchterne Augen« er schon 1921 konstatiert hatte, die religiöse Dimension eines Schöpfer-Künstlers – nicht zuletzt, um Sedlmayrs Diagnose vom Verlust der Mitte im Kern zu widerlegen. Badt versichert, »daß der geistige Inhalt in der Kunst Cézannes etwas effektiv, wenn auch unthematisch Religiöses ist, nämlich der Glaube an die Ewigkeit des Seins, die er einmal in Gott glaubt, dann aber in der Wirklichkeit der Welt schaut und in seinen Werken als einen neuartigen Zusammenhang und ein Zusammenstehen der Dinge darstellt«.73 Zwei zentrale Punkte von Badts Cézanne-Interpretation kristallisieren sich in diesem Zitat. Es ist zum einen seine Überzeugung, Cézanne habe das »Zusammengehen und Zusammenstehen der Dinge« und die »Idee des unwandelbar sich erhaltenden Seins« 74 erkannt und in seinen Bilder realisiert.75 Badt bemerkt kein »Wachsen und Werden« wie Novotny, sondern »das Unveränderlich-sich-Erhaltende« und ein »Gleichnis des Bleibenden.« 76 Diese Überzeugungen nehmen, dem Buch einleitend vorangestellt, mehrmals wiederholt sowie als Schlußfolgerung
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jedes Kapitels gezogen, den Charakter eines weltanschaulichen Credos an, das die Rezeption des Autors a priori geprägt hat. In seiner Definition des Cézanneschen Erkenntnis- und Schaffensprozesses – Glauben, Schauen, Darstellen – spiegelt sich denn zugleich auch Badts eigene Methodik: die auf der richtigen Einstellung gründende Schau und Vermittlung des Werks. Auch Kurt Badt, dem es zwar nicht konkret um die Verteidigung einer bestimmten Kunstrichtung ging, sondern durchaus um die Rehabilitierung und Erhöhung des Künstlers selbst, verteidigt letztlich seine eigene Welt- und Kunstanschauung in jener und durch jene, die er Cézanne zuschreibt. Und damit macht er ihn, obwohl sein Buch den zum Paradigma erstarrten Maler wieder zu eigenem künstlerischen Leben erwecken wollte, ebenfalls zum Ideal- und Wunschbild, zur Verkörperung eines einsamen Seher-Schöpfers, in dessen Werk eine sinnvolle Ordnung des Weltzusammenhangs aufscheinen soll. Schon das Umschlagbild von Badts Buch sollte dem Leser dabei einen Eindruck solch eines hager-vergeistigten Sehers mit hoher Denkerstirn geben – allein, es handelt sich dabei um Cézannes Porträt seines Sammlerfreundes Victor Choquet und nicht um die für Badts Anliegen wohl zu energischen Züge des Malers selbst (Abb. 70). Badts Cézanne-Bild, das auf bewährten Topoi aufbaute und diese in komplexen und sprachlich eindringlichen Interpretationen vertiefte, stieß bei seinen Zeitgenossen auf breite Zustimmung und wurde in nachfolgenden Publikationen vielfach zitiert und paraphrasiert. Denn indem Badt betonte, Cézannes Kunst könne der »allgemeinen Tendenz zum ›entfesselten Chaos‹ ein heiles und sinnvoll geordnetes Weltbild« entgegenhalten, und indem er die Religiosität des Malers herausstellte, entsprach er einem konservativen Leitbild der Kunst seiner eigenen Zeit.77 Kunst sollte der Vorschein einer besseren Welt sein, eine natürliche oder kosmische Ordnung versinnbildlichen, sollte sogar, wie die Religion, selbst der Garant für Ordnung, Halt und Sicherheit sein. Immer wieder schrieben daher Autoren 1956 und in den folgenden Jahren, oft unter Berufung auf Badt, von der »Erhabenheit der Dauer«, dem unverrückbaren »Zusammenstehen der Dinge«, der Hervorbringung des »Weltzusammenhangs« und dem »Zustand des Unzeitlichen, Unveränderlichen« in Cézannes Werken.78 Hier spiegelt sich auch das Mißbehagen mancher Kritiker angesichts einer aktuellen Kunst, die Mitte der fünfziger Jahre begann, nach neuen ästhetischen Maßstäben zu suchen, und die, etwa im Informel oder in der Art brut, das Dynamische und Disparate, oft sogar Chaotische und Anarchische wiederentdeckte. Es spiegelt sich aber vor allem der Geist einer Gesellschaft, die ihr trotz aller wirtschaftlichen und politischen Konsolidierung immer
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noch labiles Gleichgewicht, die »Ordnung im Lande«, um jeden Preis bewahren und sich im Weltganzen, zumindest dem westlichen, sicher eingebettet sehen wollte.79 Während Paul Cassirers Cézanne-Ausstellung von 1921 eine ganze Fülle von monographischen Aufsätzen, Sonderheften, Büchern und Wiederauflagen nach sich gezogen hatte, blieb das Echo auf die beiden großen Ausstellungen von 1956 in Deutschland recht verhalten und der Anblick von über 150 Originalen löste keine neuen Impulse in der Forschung aus. Cézannes Bild stand fest. Kurt Badts Buch war zum Referenzwerk der deutschen Cézanne-Interpreten geworden und behielt, da ihm geraume Zeit kein deutschsprachiges Werk mit ähnlichem Anspruch folgen sollte, seinen Einfluß auf die Rezeption lange über die Debatten zur abstrakten Kunst und über die politischen Konsolidierungsjahre der Bundesrepublik hinaus.80
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1 Aus dem Gedicht von Walter Kern: Cézannes Tod, in: Prisma 9/1947, S. 31–32. Ich danke Eike Stratmann für den Hinweis auf diesen Text. 2 Cézanne-Ausstellung. Cézannes Werke in deutschem Privatbesitz, Ausstellungskatalog, Galerie Paul Cassirer, Berlin, Berlin 1921, mit einem Text von Julius Meier-Graefe; zum problematischen Verhältnis deutscher und französischer Galerien siehe Walter Feilchenfeldt: Zur Rezeptionsgeschichte Cézannes in Deutschland, in: Cézanne. Gemälde, Ausstellungskatalog, Kunsthalle Tübingen, hrsg. von Götz Adriani, Köln 1993, S. 293–312, S. 305. 3 Siehe Feilchenfeldt 1993, S. 305 und S. 311, Anm. 42. 4 Siehe Friederike Kitschen: Der »deutsche« Cézanne in der Kunstrezeption der Wilhelminischen Epoche, in: Distanz und Aneignung. Relations artistiques entre la France et l’Allemagne. Kunstbeziehungen zwischen Deutschland und Frankreich 1870–1945, hrsg. von Alexandre Kostka und Françoise Lucbert, Berlin 2004, (Passagen/Passages, Bd. 8), S. 317–332; einen Überblick über die Rezeption Cézannes allgemein geben Françoise Cachin und Joseph J. Rishel: Un siècle de critique cézannienne. I. De 1865 à la mort de Cézanne (F. Cachin), II. De 1907 à nos jours (J. Rishel), in: Cézanne, Ausstellungskatalog, Grand Palais, Paris / Tate Gallery, London / Philadelphia Museum of Art, hrsg. von dens., Paris 1996, S. 24–75; Judith Wechsler: The Interpretation of Cézanne, New York 1972. 5 Zur Rezeption der französischen Moderne in Deutschland vor 1945 siehe Die Moderne und ihre Sammler. Französische Kunst in deutschem Privatbesitz vom Kaiserreich zur Weimarer Republik, hrsg. von Andrea Pophanken und Felix Billeter, Berlin 2001 (Passagen/Passages, Bd. 3); Manet bis van Gogh: Hugo von Tschudi und der Kampf um die Moderne, Ausstellungskatalog, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Bayerische Staatsgemäldesammlungen München, Neue Pinakothek, hrsg. von Johann Georg Prinz von Hohenzollern und Peter Klaus Schuster, München 1996; Französische Kunst – deutsche Perspektiven 1870–1945. Quellen und Kommentare zur Kunstkritik, hrsg. von Andreas Holleczek und Andrea Meyer, Berlin 2004 (Passagen/Passages, Bd. 7); Barbara Paul: Hugo von Tschudi und die moderne französische Kunst im Deutschen Kaiserreich, Mainz 1993 (Berliner Schriften zur Kunst, Bd. 4).
6 Siehe Cézanne. Ausstellung zum Gedenken an sein 50. Todesjahr, Ausstellungskatalog, Wallraf-Richartz-Museum Köln im Kunsthaus Lempertz, Köln 1956. Hier wurde auch das Bild Dorf hinter Bäumen, um 1885, aus der Bremer Kunsthalle ausgestellt, siehe S. 49, Kat. Nr. 26. 7 Siehe Paul Cézanne 1839–1906, Ausstellungskatalog, Haus der Kunst, München, München 1956, mit einem Vorwort von W. Heß und einer Einleitung von Fritz Novotny, Kat. Nr. 4: Der Bahndurchstich, um 1870; Kat. Nr. 20: Selbstbildnis, um 1882 (hier um 1875/77); Kat. Nr. 38: Stilleben: Tisch mit Gefäßen und Früchten vor einer Kommode, 1883/87, alle Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München; Kat. Nr. 16: Die Seine bei Bercy, 1873/75, Hamburger Kunsthalle; Kat. Nr. 19: Eremitage, Pontoise, 1875/77, Städtisches Museum Wuppertal (das Bild hing schon 1921 auf der Berliner Ausstellung als Leihgabe von Theodor Behrens); Kat. Nr. 44: Haus von Bellevue und Taubenschlag, 1888/92, Museum Folkwang, Essen; Kat. Nr. 61: Stilleben mit Totenkopf und Leuchter, um 1900, Staatsgalerie Stuttgart. Zudem hatte der Maler Theodor Werner drei Zeichnungen Cézannes geliehen, siehe Kat. Nr. 117, 127 und 151. 8 Der Kampagne »Entartete Kunst« war Cézanne nicht zum Opfer gefallen, mit Ausnahme des Gemäldes Steinbruch von Bibémus, um 1895, Museum Folkwang Essen, das von Karl Ernst Osthaus 1906 angekauft, 1937 als »entartet» beschlagnahmt und in die USA verkauft, 1964 vom Museum zurückerworben wurde; siehe dazu Paul Vogt: Entartete Kunst, in: Das Museum Folkwang, Köln 1983, S. 81–163 und S. 168. 9 Leopold Reidemeister: Vorwort, in: Cézanne 1956, o. P. 10 Ibid. 11 Fritz Novotny: Paul Cézanne und das Ende der wissenschaftlichen Perspektive, Wien 1938, 2 1970; id.: Cézanne, Wien und New York 1937 (Ausgaben in Deutsch, Englisch, Französisch), London 1947 (Ausgaben in Englisch, Französisch, Holländisch, Schwedisch und Deutsch); dieser Text wird hier zitiert nach der fast unveränderten Ausgabe Köln, o. D. [1961]. 12 Siehe unter anderem: Anonym: Persönliche Erinnerungen an Paul Cézanne, in: Die Kunst für Alle 36/1935, S. 327–331; Otto Benesch: Cézanne. Zur 30. Wiederkehr seines Todestages am 22. Oktober, in: ibid. 38/1936, S. 65–74, S. 74; Curt Hohoff: Paul Cézanne zum hundertsten Geburtstag am 19. Januar 1939, in: ibid. 40/1939,
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S. 151–153; Rainer Maria Rilke über zwei Bilder von Paul Cézanne, in: ibid. 40/1939, S. 30–32. Die Zeitschrift Die Weltkunst berichtete in den dreißiger Jahren mehrfach über Cézanne-Ausstellungen in Paris, Lyon u. a. sowie über neu erschienene Cézanne-Literatur; Bruno Kroll: Gedanken zur französischen Malerei der Gegenwart, in: Nationalsozialistische Monatshefte 10/ 1939, S. 120–136. Siehe Kitschen 2004. Max J. Friedländer: Über Paul Cézanne, in: Die Kunst für Alle 27/1922, S. 137–144, S. 144; Hermann von Wedderkopp: Paul Cézanne, in: Der Cicerone 14/1922, S. 681–692, S. 688. Kurt Badt: Cézanne-Ausstellung bei Paul Cassirer, Berlin, in: Kunstchronik 11/1921, S. 179–182, S. 179. Lionello Venturi: Cézanne, son art – son œuvre. Catalogue raisonné, 2 Bde., Paris 1936. Adolf Behne: Die Bedeutung Cézannes, in: Sozialistische Monatshefte 60/1923, S. 166–171. Zu Behnes Cézanne-Rezeption siehe auch Andreas Holleczek: Kommentar, in: Französische Kunst – deutsche Perspektiven 1870–1945 2004, S. 264–271. Siehe Fritz Novotny: Paul Cézanne, in: Belvedere 8/1929, S. 440–450, S. 450; id.: Das Problem des Menschen Cézanne im Verhältnis zu seiner Kunst [1932], in: id.: Über das »Elementare« in der Kunstgeschichte und andere Aufsätze, Wien 1968, S. 62–78, S. 67; Novotny [1937] 1961, S. 7. E.[gon] Vietta: Paul Cézanne in Zürich, in: Das Kunstwerk X/1956–57, Heft 3, S. 51. Willi Baumeister: Das Unbekannte in der Kunst, Stuttgart 1947, Köln 21960, S. 108 und 136. Zu Baumeisters Cézanne-Rezeption siehe ausführlich François-René Martin: L’Arcadie, l’abstraction, l’ascèse. Baumeister et Cézanne, in: Willi Baumeister et la France, Ausstellungskatalog, Musée d’Unterlinden, Colmar, und Musée d’Art moderne, Saint-Étienne, hrsg. von Sylvie LecoqRamond, Paris 1999, S. 19–42. Benesch, 1936, S. 74. Werner Haftmann: Malerei im 20. Jahrhundert, München 1962, S. 45. Benesch 1936, S. 74. Hans Graber: Cèzanne. Nach eigenen und fremden Zeugnissen, Basel 1942, S. 5. Ibid., S. 16. Friedländer 1922, S. 144. Behne 1923; zit. nach Holleczek 2004, S. 264. Karl von Tolnai: Zu Cézannes geschichtlicher
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Stellung, in: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 11/1933, S. 78–93, S. 79. Novotny 1938, S. 9. Ibid., S. 11. Ibid., S. 141. Siehe 3 × abstrakte Kunst, in: Das Kunstwerk I/1946–47, Heft 3, S. 27, wo Cézannes Briefstelle zusammen mit zwei Zitaten Wilhelm Worringers zur Abstraktion wiedergegeben ist, sowie Anton Henze: Die Vorkämpfer, in: Das Kunstwerk IV/1949, Heft 6 (Fibel der modernen Malerei), S. 22–26, S. 22. Leopold Zahn: Abkehr von der »Natur«, in: Das Kunstwerk I/1946–47, Heft 8–9, S. 3–6, S. 4. Willi Baumeister: Improvisierte Abendansprache, in: Das Menschenbild in unserer Zeit. Darmstädter Gespräch, hrsg. von Hans Gerhard Evers, Darmstadt o. D. [1951], S. 135–145, S. 141 und S. 142. Werner Arndt, in: Das Menschenbild in unserer Zeit [1951], S. 172. Fritz Novotny: Paul Cézanne, in: Cézanne 1956, o. P. Neugass 1930, S. 108; Benesch 1936, S. 66 und 69 ff. Siehe etwa Novotny 1932, S. 73. Neugass 1930, S. 109. Benesch 1936, S. 70, 74 und 69. Siehe Novotny [1932] 1968, S. 64 f.; Novotny 1938, S. 137; Novotny [1937] 1961, S. 5, 6 und 7. Siehe Novotny 1929, S. 450. Paul Cézanne. Neun Gemäldewiedergaben, Leipzig 1947. Hans Hildebrandt: Cézanne, in: Aussaat I /1946– 1947, Heft 3, S. 32. Henze 1949, S. 22. Baumeister 1947, S. 62; Baumeister 1950, S. 61. Siehe Benesch 1936; Hohoff 1939: Der Germanist Curt Hohoff veröffentlichte im Dritten Reich unter anderem in der katholischen Zeitschrift Hochland und vertrat eine katholisch-konservative Richtung; siehe Internationales Biographisches Archiv Munzinger 4/1997, s. v. Hohoff, Curt, o. P. Siehe Benesch 1936, S. 65; Hohoff 1939, S. 151. Baumeister fragte Oskar Schlemmer in einem Brief von 1933, wo das Aix oder Arles für Leute wie sie beide sei; siehe Martin 1999, S. 33 f. Cézanne im Urteil seiner Zeitgenossen, in: Das Kunstwerk IV/1950, Heft 3, o. P.; siehe zum Topos des religiösen Einsiedlers unter anderem Hildebrandt 1946–1947, S. 30; Franz Roh, in:
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Das Menschenbild in unserer Zeit [1951], S. 29; Kurt Leonhardt, in: ibid., S. 111. Siehe dazu Peter-Klaus Schuster: Innere Emigration der deutschen Moderne, in: Deutsche Kunst im 20. Jahrhundert, Stuttgart 1986, S. 455– 458, S. 457. Hans Sedlmayr: Verlust der Mitte. Die bildende Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts als Symptom und Symbol der Zeit [Salzburg 1948], im folgenden zitiert nach der Taschenbuchauflage Berlin 1955. Ibid., S. 97–100. Ibid., S. 98. Ibid., S. 99. Ibid. Ibid., S. 99 f. Ibid., S. 100. Ibid., S. 175. Werner Haftmann: [Beitrag zur Aussprache anläßlich des Zweiten Deutschen Kunsthistorikertags in München], in: Kunstchronik 10/1949, S. 197–236, S. 227 f. Siehe die Dokumentation der Vorträge und Diskussionen in: Das Menschenbild in unserer Zeit [1951]. Das Menschenbild in unserer Zeit [1951], S. 104. Das Menschenbild in unserer Zeit [1951], S. 190 f. Das Menschenbild in unserer Zeit [1951], S. 141, 143 und 144. Zur Kontroverse zwischen Baumeister und Sedlmayr beim Darmstädter Gespräch siehe eingehend Roland Recht: Le combat pour l’art de Willi Baumeister, in: Willi Baumeister et la France 1999, S. 183–203, S. 193 f. Das Menschenbild in unserer Zeit [1951], S. 169–170 und 171. Siehe etwa Ernst Freiherr von Löw, in: Das Menschenbild in unserer Zeit [1951], S. 180. Zur strategischen Funktion Cézannes für Willi Baumeister siehe auch Martin 1999, S. 33. L.[eopold] Z.[ahn]: Neue Cézanne-Literatur, in: Das Kunstwerk XI/1957–58, Heft 5–6, S. 45. Siehe unter anderem Bernard Dorival: Cézanne, Paris 1948, deutsche Ausgabe Hamburg 1949; Francis Jourdain: Cézanne, Paris 1948, deutsche Ausgabe 1950; Elie Faure: Cézanne, Paris 1936, deutsche Ausgabe 1953; Jean de Beucken: Cézanne, eine Bildbiographie, München 1960, Henri Perruchot: Cézanne. Eine Biographie, Esslingen 1957.
69 Kurt Badt: Die Kunst Cézannes, Köln 1956; zu Badts Cézanne-Rezeption siehe auch Cézanne 1996, S. 64 f.; Wechsler 1972, S. 71–84. 70 Kurt Badt: »Maler und Modell« von Jan Vermeer: Probleme der Interpretation; eine Streitschrift gegen Hans Sedlmayr, Köln 1961. 71 Badt 1956, S. 18. 72 Ibid. 73 Ibid., S. 19. 74 Ibid., S. 136. 75 Ibid., S. 21 und 129. 76 Ibid., S. 123 und 126; Novotny 1938, S. 84. 77 Badt 1956, S. 140. 78 Siehe Zahn 1957–1958, S. 45; Paul Cézanne. 12 farbige Wiedergaben von Gemälden, hrsg. von Fritz Erpel Berlin 1958, S. 8; Gertrude Berthold: Cézanne und die alten Meister, Stuttgart 1958, S. 35; Walter Hess: Zum Bild des Menschen in der Kunst Cézannes, in: Die Kunst und das schöne Heim 55/1957, S. 335–339, S. 339; zur Betonung des Religiösen unter anderem Zahn 1957– 1958, S. 45; Haftmann 1962, S. 45. 79 Die deutsche Kunstwissenschaft und Kunstkritik der Jahre nach 1945 und ihr sozialgeschichtlicher Hintergrund sind bislang wenig erforscht. Hingewiesen sei auf Bernd Growe: Bilderstreit um die Moderne. Zur deutschen Kunstkritik der Nachkriegszeit, in: 1945–1985. Kunst in der Bundesrepublik Deutschland, Ausstellungskatalog, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Nationalgalerie, Berlin 1985, S. 673–682, sowie Willibald Sauerländer; Von den »Sonderleistungen Deutscher Kunst« zur »Ars sacra«. Kunstgeschichte in Deutschland 1945–1950, in: Walter H. Pehle und Peter Sillem (Hrsg.): Wissenschaft im geteilten Deutschland. Restauration oder Neubeginn nach 1945?, Frankfurt am Main 1992, S. 177–191 und 244–245. 80 Der amerikanische Strang der Cézanne-Rezeption, in dem sich Autoren wie Meyer Schapiro, John Rewald und Theodor Reff, zeitlich parallel zu Badt, mit der Analyse von Einzelbildern, mit der Untersuchung von Cézannes Motivsprache und der kunst- und kulturgeschichtlichen Einbettung seines Werks neu orientierten, fand hierzulande zwar Beachtung, aber nur sporadisch wissenschaftlichen Widerhall; zur Rezeption in den USA siehe zuletzt Karin Schick: The Making of Cézanne, eine Studie zur amerikanischen Cézanne-Rezeption, Tübingen 2002.
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Relectures de Klee Isabelle Ewig
Dans la tempête de l’Histoire L’un des plus fervents défenseurs, collectionneurs et marchands de Paul Klee fut Heinz Berggruen, Berlinois installé au lendemain de la guerre à Paris où il ouvrit une galerie à son nom. Il avait exploré la France au début des années 1930, alors qu’il étudiait la littérature à Grenoble et à Toulouse. Exerçant à son retour à Berlin le métier de journaliste, il décide en 1936 de quitter l’Allemagne pour la Californie. C’est là que la passion de l’art le surprend. Quelques mois après son arrivée, au musée de San Francisco, il découvre en effet l’œuvre de Paul Klee: »spontanément et puissamment attiré par elle«, il n’hésite pas à acquérir, lorsque l’occasion se présente à lui peu après, une aquarelle de l’époque du Bauhaus: Perspective fantomatique (ill. 71) constitue »la première pierre« de sa collection Klee.1 Mais en cette période traumatique de l’histoire, sa possession revêt aussi une dimension existentielle: cette œuvre l’accompagne partout, y compris quand, au service de l’armée américaine, il retourne en Allemagne; elle le protège, elle est, dit-il, son talisman. Par la relation fusionnelle qui le lie à cette œuvre et le pouvoir magique qu’il lui reconnaît, Berggruen dresse rétrospectivement un parallèle avec Walter Benjamin: »[…] lui aussi, dans tous ses déplacements, emporta, tel un talisman, la merveilleuse aquarelle de Klee, Angelus Novus, de Munich, où il l’acheta en 1921 à la galerie Goltz, en passant par Berlin puis dans son exil parisien, jusqu’à ce que cette œuvre après sa mort, se retrouve d’abord en Amérique, puis à Francfort, et enfin en Israël.« 2
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71 Paul Klee: Perspektiv-Spuk, 1920, 174, Ölpause und Aquarell auf Papier auf Karton, 24,1 × 30,5 cm, New York, Metropolitan Museum of Art.
Traversant les frontières de la haine de façon clandestine, les œuvres de Klee semblent défier les événements, refuser la fatalité de l’Histoire, voire la conjurer; 3 Angelus Novus (ill. 72) plus qu’une autre depuis que Benjamin l’a placée au centre de son essai Sur le concept d’histoire rédigé dans les premiers mois de 1940: »[Ce tableau] représente un ange qui semble sur le point de s’éloigner de quelque chose qu’il fixe du regard. Ses yeux sont écarquillés, sa bouche ouverte, ses ailes déployées. C’est à cela que doit ressembler l’Ange de l’Histoire. Son visage est tourné vers le passé. Là où nous apparaît une chaîne d’événements, il ne voit, lui, qu’une seule et unique catastrophe, qui sans cesse amoncelle ruines sur ruines et les précipite à ses pieds. Il voudrait bien s’attarder, réveiller les morts et rassembler ce qui a été démembré. Mais du paradis souffle une tempête qui s’est prise dans ses ailes, si violemment que l’ange ne peut plus les refermer. Cette tempête le pousse irrésistiblement vers l’avenir auquel il tourne le dos, tandis que le monceau de ruines devant lui s’élève jusqu’au ciel. Cette tempête est ce que nous appelons le progrès.« 4
RELECTURES DE KLEE
72 Paul Klee: Angelus Novus, 1920, 32, Ölpause und Aquarell auf Papier auf Karton, 31,8 × 24,2 cm, Jerusalem, The Israel Museum, Schenkung Fania und Gershom Scholem, John und Paul Herring, Jo Carole und Ronald Lauder.
Angelus Novus inviterait donc à se projeter dans l’avenir, non selon la conception que l’histoire est en train de forger et qui signe le déclin de l’Occident, mais en lui tournant le dos pour regarder vers le passé, et davantage même, fixer les origines. Prises dans la tempête du nazisme, les œuvres des années 1930, en mettant en place un langage des signes particulièrement simple et rudimentaire, acquièrent une puissance primitive qui résiste au sens de l’histoire plus qu’elle ne renouvelle le dessein utopique de la décennie précédente. Sous l’Occupation, les œuvres de Klee, est-ce un hasard, »circulaient sous le manteau«, et, rapporte Jean-Paul Hodin dans une monographie sur Alfred Manessier, Klee du même coup devint »le symbole de cet art qualifié de dégénéré, condamné par Hitler«.5 Ainsi, les Jeunes peintres de tradition française avaient fait de lui une figure de l’oppression et de la résistance, qui reflétait leur propre situation et position. Un esprit pragmatique expliquerait sans doute le choix de Klee de la façon la plus simple: c’est la petite dimension de ses œuvres qui permit aux Français de se les refiler »sous le manteau«; et à Berggruen comme à Benjamin de les emporter avec eux, même dans les circonstances les plus périlleuses – l’armée, la fuite. Mais le choix du petit n’est-il pas déjà conscience de l’histoire? N’est-ce pas ce qui a poussé bon nombre d’artistes à
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inventer des dispositifs de miniaturisation de leurs œuvres les plus emblématiques, afin, dans l’exil, de les emporter avec eux ou de se les remémorer a posteriori: de la Boîte en valise (1936–1941) de Duchamp, sorte de musée portatif transportant de Paris en Zone libre, puis à New York, les versions de ses œuvres les plus essentielles, au tableau Vox Angelica (1943) de Ernst, qu’il compartimente en autant de tableautins que d’années de sa vie afin d’avoir auprès de lui une sorte de compilation de sa carrière. L’aspect »pratique« lié au petit format est cependant loin d’être tout: il peut aussi recouvrir une qualité davantage d’ordre moral, qui habite tant les œuvres de Klee que celles de Benjamin – car le choix du petit, du modeste, peut aussi s’inscrire contre le monumentalisme et la domination fascistes. Selon Michel Abensour, à propos autant de Benjamin que des Minima Moralia d’Adorno, »investir, contre la domination du monumental, le petit« serait une exigence de l’époque; une autre serait de »se tourner vers ce qui a été délaissé, négligé, exclu«.6 Or, à partir de 1933, l’art de Klee se détourne d’une certaine délicatesse, voire préciosité, qui le caractérisait jusqu’alors, pour adopter des matériaux plus frustes ainsi qu’un trait plus épais et plus agressif. Comme l’a analysé Alain Bonfand, ces éléments disharmonieux induisent l’idée de l’intrusion de l’Histoire dans une œuvre qui jusque-là se construisait sur le mode intemporel; une histoire convoquée également par des sujets – Vogelscheuche (1935), Der Künftige (1933), la marche militaire de Nach rechts nach links (1938), Zerstörtes Land (1934) – qui provoquent indéniablement un sentiment de peur. Peur de l’histoire, qui, chez Klee, se double d’une peur intime: celle d’une maladie incurable, la sclérodermie, qui le ronge depuis 1934. Alors, suppose Bonfand, »[…] tout se passe comme si sa maladie et la maladie dont souffre l’Europe se confondaient«.7 Mais son obstination à peindre, malgré la paralysie, dit simultanément la résistance qu’il oppose à ces deux drames concomitants. C’est précisément selon cette vision, symbolique, voire héroïque, que Christian Zervos rendit hommage à Klee dans le premier numéro d’après-guerre de sa revue, Cahiers d’art. Il insinue même un lien entre le début de l’Occupation et la mort de l’artiste, forgeant l’image d’un peintre résistant, victime de la terreur fasciste: »Les événements du printemps 1940 avaient brisé la perspective qu’un homme de sa nature pût envisager. C’était plus qu’il n’avait sans doute craint et qu’il ne pouvait supporter. Son âme trop lumineuse pour ces temps noirs en souffrit cruellement jusqu’au moment où sa destinée fut interrompue par la maladie de cœur à laquelle il succomba le 29 juin 1940 à Muralto, près de Locarno.« 8
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L’hommage rendu en 1946 par Zervos semble annoncer un retour triomphant de Klee sur la scène artistique parisienne, mais le chemin de la reconnaissance est plus complexe. Dans l’immédiat après-guerre, les galeries ne sont pas au rendez-vous et c’est le Musée d’Art moderne qui fait redécouvrir le travail de Klee, en 1948. Dès lors, les critiques s’y intéressent à nouveau, mais le convoquent davantage pour conforter leurs idées sur la situation artistique contemporaine et pour indiquer ce que les artistes vivants lui doivent. Ces filiations sont établies de façon superficielle, et manquent considérablement de poids par rapport au travail d’analyse que mène à la même époque le critique d’art américain Clement Greenberg, qui s’attache en particulier à discerner les connivences plastiques et spirituelles entre Klee et de Dubuffet.
La reconnaissance d’un grand Ardent défenseur de Klee depuis sa rencontre au Bauhaus en janvier 1928, Christian Zervos lui ouvre dès cette époque les pages de sa revue, négocie en 1929 une importante exposition chez Bernheim-Jeune, et, à la fin de cette année, publie aux éditions des Cahiers d’Art, dans la collection Les Grands peintres d’aujourd’hui, une monographie confiée à Will Grohmann, qui connaissait Klee depuis 1921. Son essai est assorti de textes dus à Louis Aragon, René Crevel, Paul Éluard, Jean Lurçat, Tristan Tzara et Roger Vitrac. Pour le premier numéro de 1946, paru après une interruption de sept ans, Zervos décide de rendre hommage à Klee et à Kandinsky, deux figures essentielles à sa revue et disparues durant les années du conflit. La partie consacrée à Klee reprend la formule de 1929, associant Grohmann et des admirateurs français de l’artiste, pour la plupart des poètes: ainsi la conception rationnelle du critique allemand, selon laquelle son art repose sur des principes plastiques et constructifs, est contrebalancée par des approches littéraires, souvent surréalisantes – partagées par Zervos qui voyait en Klee, et Kandinsky, les précurseurs du surréalisme français.9 Parmi les textes, certains sont des reprises: c’est le cas pour Vitrac, Soupault et Crevel. Les autres sont écrits spécialement pour cette occasion et émanent de critiques d’art – Joë Bousquet, Georges Duthuit, Pierre Mabille –, de poètes et d’artistes: Tristan Tzara, René Char, Jacques Prévert, Georges Bataille, Valentine Huguet. Ces noms affichent une continuité avec l’avant-guerre: même »touchante fraternité des poètes«,10 fidélité de ceux qui connaissaient, appréciaient ou défendaient Klee depuis les années 1920 (naturellement Zervos et Grohmann, mais aussi Bousquet, Tzara, Char). D’ailleurs dans un article de 1948, Léon Degand rend hommage, sans les nommer, à ceux qui, du vivant même de l’artiste, avaient su proclamer la qualité de son œuvre: »des esprits curieux qui ne
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craignaient pas d’engager leur réputation et à qui aujourd’hui on consent à reconnaître une certaine clairvoyance«.11 Côté galeries, la reprise n’est pas aussi immédiate. Promu avec succès dans les années 1920 par la Galerie Vavin-Raspail, Klee, de passage à Paris, signe fin 1933 un contrat le liant à Daniel-Henry Kahnweiler, le défenseur et marchand du cubisme, propriétaire de la galerie Simon.12 Se retrouvant Rive Droite, entre Matisse, Picasso, Braque et Léger, Klee est subitement hissé au rang d’artiste arrivé. Dès juin 1934, il bénéficie d’une exposition qui remporte un succès public mais non commercial.13 La seconde se déroule seulement en 1938: c’est un échec, à tout point de vue. La situation devient à cette époque délicate pour Kahnweiler, qui commence à envoyer des tableaux au Repaire, dont un paquet contenant des aquarelles de Klee; il décide finalement d’abandonner la représentation de ce dernier.14 Après guerre toutefois, il lui arrive de faire la promotion de Klee, publiant en 1950 une monographie qui reprend la thèse développée dans un article paru en 1947 dans Les Temps modernes, celle d’un Klee moins surréaliste que cubiste, moins littéraire que plastique, et se prêtant parfaitement à une comparaison avec Juan Gris.15 Dans le no man’s land laissé par Kahnweiler, Jeanne Bucher s’aventure la première, organisant en 1950 une exposition certes modeste, mais fort appréciée du public et saluée par la presse.16 La transmission de flambeau est toutefois davantage assurée par Hans Berggruen, qui, dès ses débuts en 1952, fait de Klee »l’un des points forts de [ses] programmes d’expositions«.17 À ses yeux, il est l’un des deux créateurs les plus importants de la première moitié du XXe siècle. L’autre, c’est Picasso, qui le conforte dans son choix: »l’artiste vivant que j’admirais le plus partageait mon amour pour Paul Klee«.18 La première exposition de la galerie Berggruen se déroule en 1952 et présente des eaux-fortes et lithographies de Klee, documentées par un premier catalogue dont le format étroit en hauteur devient aussitôt la marque de la galerie. Par la suite, Berggruen lui consacre tous les deux ou trois ans une exposition: en 1953, 20 Aquarelles et dessins; en 1955, 19 œuvres pour témoigner de L’Univers de Klee; en 1959, Une Confrontation entre Klee et Kandinsky, etc. Le public est au rendez-vous: »À chaque exposition d’œuvres de Klee, les visiteurs faisaient la queue dès le petit matin devant la galerie«, ce qui étonne d’autant plus le galeriste que »nous ouvrions à 9 heures, très tôt pour Paris […]«.19 Cette affluence, Herta Wescher la constate aussi lors d’une exposition Klee à la galerie Simone Heller, où »une foule de curieux […] jour par jour, assiégeaient la petite galerie, attendant l’ouverture«.20 Si dans les années 1950, ce sont les galeries qui, tant bien que mal, assurent l’accès à l’œuvre de Klee, il faut toutefois reconnaître que dans l’immédiat après-
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guerre, c’est, une fois n’est pas coutume, une institution qui »révé[le] Paul Klee au public français«, pour plagier un titre de Léon Degand.21 En effet, à l’initiative de Jean Cassou, son directeur, le Musée national d’Art moderne organise en 1948 une rétrospective dont l’ampleur s’explique par le généreux concours de la société Klee de Berne, de la fondation Paul Klee et de Kahnweiler: le catalogue dénombre 365 numéros, dont 40 tableaux, 150 aquarelles, plus de 130 dessins et 40 gravures. L’exposition est relayée par la presse, mais l’enthousiasme qu’elle suscite est entaché d’un regret, la brièveté de sa présentation: prévue du 4 février au 1er mars, le vernissage est repoussé au 11 février, en raison, selon le compte-rendu de Denys Chevalier, de »diverses contingences indépendantes de la volonté des organisateurs […]. Regrettons, au passage, que l’actuelle exposition, étant attendue à Bruxelles, ne puisse être prolongée«.22 Marcel Arland, dans sa Chronique de la peinture moderne, parue en 1949, est quant à lui plus direct: »Il paraît que l’on manquait d’argent pour assurer plus longtemps les tableaux.« Mais non moins émerveillé: »Si peu de temps qu’ait duré cette rétrospective, elle nous apparaît comme l’exposition capitale des récentes années.«23 L’exposition, le catalogue, les articles parus en cette occasion assoient la connaissance que le public français pouvait avoir de Klee. Dans la suite, divers historiens de l’art français amplifient le mouvement, dans des monographies – de Pierre Courthion en 1953, de Marcel Brion en 1955 – ou dans des ouvrages généraux, des mêmes (Art abstrait de Brion en 1956, L’art indépendant de Courthion en 1958), et de nouveaux venus, comme La peinture actuelle de Michel Ragon en 1959. Tous ces ouvrages possèdent naturellement une valeur informative, mais offrent aussi des pistes de lecture, qui ont tendance à se transformer en clichés et qu’un critique, dès 1953, se plaît à énumérer: sont ainsi régulièrement convoqués la formation musicale du peintre, sa fréquentation des romantiques allemands, son attention aux phénomènes et mystères de la nature, son attirance pour les visions de rêve et le monde de la nuit, mais aussi l’invention de son dessin, la justesse de ses compositions, le raffinement de ses rythmes et couleurs. Enfin, »l’évidence poétique« et »la grâce« finissent de conférer à l’œuvre de Klee sa dimension supérieure.24 Cette synthèse reflète parfaitement les interprétations alors en vogue, qui ne diffèrent guère par rapport à celles des années 1920; si ce n’est que la formulation se fait moins littéraire, qu’on assiste à une prise de conscience des moyens formels et techniques de l’artiste, du sérieux et du rationalisme qui sous-tend son œuvre d’imagination, et que l’on se réfère davantage à ses écrits, pourtant pas encore traduits en français.25 D’une façon générale, la dette à l’égard de Grohmann est grande (il est souvent cité), dont les analyses sont diffusées en France depuis 1928
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dans des revues et des catalogues, y compris ceux de Berggruen, et dont la gigantesque monographie de 1954, qui fait aujourd’hui encore autorité, paraît simultanément en allemand, français, italien et américain; la version française est d’ailleurs introduite par un poème-hommage de Henri Michaux, »qui chante le pouvoir de résonance poétique de l’œuvre de Klee«,26 réitérant une fois encore l’indispensable rééquilibrage, dans la France des années 1950, de la science de l’art par la critique littéraire. 1954, c’est aussi l’année où le pavillon allemand présente Klee et Schlemmer à la Biennale de Venise: tel choix en dit long sur le prestige de ces deux maîtres du Bauhaus, mais sans doute aussi sur leur actualité, tout au moins dans le cas de Klee.
Je t’aime, moi non plus C’est en effet aussi par rapport aux interrogations et débats propres à leur époque que les critiques et historiens de l’art envisagent la création de Klee. Figuratif, nonfiguratif ou abstrait, tel est souvent l’enjeu, notamment afin de pouvoir établir des filiations avec la nouvelle génération. Or à une époque où l’on joue sur les mots et où les mots ne revêtent pas le même sens d’un critique à un autre, la confusion est de mise, et se ressent en particulier dans la réception de Klee. Dès son ouvrage sur les Étapes de la peinture contemporaine paru en 1946, Bernard Dorival se détourne de l’abstraction, qu’il accuse de stérilité et d’être étrangère à la tradition française. Aussi met-il les points sur les »i« quand, à l’occasion de la rétrospective de 1948, il s’adonne à l’étude de Klee. S’il le fait, c’est bien parce qu’il ne le considère pas comme tel: »Rien que de concret […] chez lui. Un spectacle naturel ou une vision plastique sont toujours à l’origine des ouvrages.« 27 S’il n’est pas abstrait, en revanche il est non-figuratif et considéré comme »le fondateur de l’actuelle peinture ›non-figurative‹«,28 sous laquelle Dorival entend Bazaine, Manessier, Singier, Le Moal et quelques autres, qui eux aussi, comme il le développe dans son ouvrage de 1957, Les peintres du XXe siècle, partent de la nature et de la vie et interrogent longuement l’univers: dès lors, »rien n’est plus opposée à l’abstraction que leur non-représentation, encore qu’elle puisse sembler la même chose au regard non averti«.29 Ce sont eux les héritiers de Klee, par leur attitude, mais aussi par leur recours à une »géométrie sensible, cet au-delà de la géométrie que nous trouvons dans la moindre des œuvres de Klee«, selon les propos de Bazaine cités par Dorival.30 Il n’a en revanche que peu d’estime pour tous ces »suiveurs« qui n’auraient pas compris les apports de Klee, cette »floraison de peinture intellectuelle et abstraite qui est aux antipodes, précisément, de celle du maître«; et aux antipodes des choix de l’auteur …31
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Au moins sur ce point est-il d’accord avec Léon Degand, le défenseur de l’abstraction: Klee n’est pas abstrait, mais, selon ce dernier, il n’est pas davantage nonfiguratif et il pèse ses mots, lui qui s’est évertué dans ses écrits à clarifier la signification de chacun d’entre eux.32 Lorsqu’il l’aborde pour la première fois, au moment de l’exposition de 1948, il admet que parce qu’il »s’exprime par allusions«, parce »[qu’il] ne suggère pas toujours clairement de quel objet, de quel spectacle, de quel signe symbolique il a tiré son inspiration«, Klee peut, »à première vue, […] paraître non-figuratif«. Ce serait là se méprendre: »[…] l’art de Klee n’est pas non-figuratif. Klee s’en est toujours défendu, et à bon droit. L’art de Klee est toujours fondé sur une référence, un modèle emprunté au monde visible. Il est donc nettement figuratif et c’est comme tel qu’il doit être considéré si l’on désire le goûter pleinement.«33 Degand ne cessera dès lors de marteler sa vérité: en 1950, tout en lui reconnaissant une démarche mentale et une investigation des moyens plastiques, il déclare: »Abstrait ou purement plasticien, Paul Klee, certes, ne le fut jamais«;34 en 1956, dans son ouvrage de synthèse Langage et signification, il rappelle au passage que »Klee […] fut toujours figuratif, en dépit des apparences […]«;35 en 1957, dans Art d’Aujourd’hui, à ceux qui déclarent que les créateurs de l’art abstrait sont étrangers (méprisant au passage le rôle de Delaunay), il rétorque: »Il faut bien pourtant constater qu’August Macke, Franz Marc et Paul Klee sont Allemands. Allemands, certes. Audacieux dans la transposition figurative, sans doute. Mais pas abstraits.« 36 Aussi est-il particulièrement déçu de voir celui qu’il considère comme le meilleur historien de l’art abstrait se laisser gagner par »la maladie et la confusion des genres«: Michel Seuphor est l’accusé, qui a commis le crime de lèse-majesté d’inclure dans son Dictionnaire de la peinture abstraite, paru en 1957, Klee, »l’un des génies les plus remarquables de l’art moderne«, ainsi que Bazaine, de Kooning, Lapicque, Le Moal, Macke, Franz Marc, Singier, Tal-Coat, Ubac, Geer van Velde, Vieira da Silva et quelques autres, des artistes dont certains sont »d’une incontestable qualité«: »mais aucun abstrait véritable«.37 Seuphor n’a de fait pas la même acception du terme abstrait: en effet, selon lui, »même dans le cas où la représentation figurative ou sa transposition existaient encore au départ, soit dans l’esprit du peintre, soit sur la toile, l’œuvre est abstraite de fait dès lors que rien ne demeure reconnaissable, que ce point de départ et que l’œuvre ipso-facto, ne nous parle d’autre chose que des éléments purs de la composition et de la couleur.«38 En somme, tout dépendrait de ce que l’on considère, le produit final ou le point de départ du processus de création. Avec ses racines ancrées dans les profondeurs terrestres, Klee ne peut être qu’exclu de la généalogie de l’abstraction établie par Degand, quand bien même ce dernier l’admire et en dépit de l’intérêt que lui por-
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tent certains artistes abstraits »froids« dont il est le porte-parole, comme Dewasne et Pillet.39 Quant aux émules de Klee qu’il reconnaît, ceux qu’il appelle en 1951 les »Jeunes Figuratifs« – Bazaine, Estève, Le Moal, Manessier, Singier – il en laisse l’appréciation à Dorival et la défense à Charles Estienne. Ce dernier apprécie chez eux, ainsi que chez les artistes de la génération suivante, une abstraction qui a partie liée avec la nature: dans L’art abstrait est-il un académisme? de 1950, il n’est plus question de lui régler son compte mais davantage de conclure un pacte avec elle, de célébrer la »ressemblance entre l’Homme et la Nature«.40 De nombreux passages des écrits de Klee vont dans ce sens, celui-ci par exemple: »Le dialogue avec la nature reste pour l’artiste condition sine qua non. L’artiste est homme; il est lui-même nature, morceau de nature dans l’aire de la nature.«41 Si, dans son pamphlet, Estienne recourt aux écrits de Kandinsky, il reconnaît ailleurs la conception qu’a Klee de la création comme genèse, être l’incarnation même de la fusion intime entre l’art et la nature. Cette idée développée par les deux artistes aurait ses sources dans le Romantisme allemand: c’est ce qui les unit, et c’est aussi ce qui les lie aux artistes défendus par Estienne, qui se réclame de ce courant de pensée: Klee, Kandinsky et leurs émules ne sont plus alors des figuratifs, mais des abstraits en phase avec dame nature.42 Quelles que soient leurs divergences, Dorival, Degand et Estienne ont au moins en commun de reconnaître à Klee les mêmes descendants. Tel est aussi le cas des galeries et des journalistes. En 1950, la galerie Jeanne Bucher accompagne ainsi son exposition Klee d’une présentation de quelques artistes – Vieira da Silva, Manessier, Pagava, Seiler, Alexandrovitch, Reichel notamment – qui, »dans une plus ou moins grande mesure, ont été sensibles à son enseignement«,43 qui ont »compris le message de Klee et sont partis à l’aventure explorer leur domaine intérieur: leur mythologie personnelle, ce que Viera définit en un mot: Ma Chine«.44 Et si dans ce cas, la mise en perspective est à l’avantage de ces peintres, il arrive qu’elle les desserve. Georges Limbour, en 1957, lance un avertissement à Singier (pl. XIII et ill. 73) qui, en empruntant la voie du signe, »risque […] de se souvenir un peu trop de Klee […]«.45 Un certain M. T. Maugis ne fait quant à lui aucune concession dans un article de 1956: la peinture de Klee serait »la plus pillée«, aucun de ces pilleurs n’étant de surcroît parvenu à l’enrichir de découvertes propres et à la renouveler intelligemment. Le constat est atterrant: les schémas se sclérosent, le contenu s’évapore, la langue des signes de Klee se généralise tout en s’appauvrissant. Pour appuyer sa thèse, Maugis se livre à des comparaisons entre des œuvres bien précises de Klee et le travail de différents artistes: selon lui Hartung et Soulages partiraient du Cloporte de 1940 pour inventer leurs écritures; les perspectives
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73 Gustave Singier: Nocturne égyptien, 1955, 99,5 × 65 cm, Paris, Musée national d’Art moderne, Centre Georges Pompidou (reproduit dans l’article de Georges Limbour: La nouvelle École de Paris, in: L’Œil 34/1957).
de villes de Vieira da Silva descendraient de la Chambre avec habitants, vue perspective de 1921; les subtiles géographies de Michaux feraient écho au Prélude à Golgotha, etc.46 Dans l’ensemble, la faiblesse des critiques réside dans l’incapacité à dépasser le stade des emprunts superficiels et donc à approfondir les liens, tant sur le plan plastique, conceptuel ou spirituel, alors qu’ils sont pour certains artistes bel et bien réels. Ainsi Singier, qui a été montré du doigt par Charles Estienne, définit sa position non-figurative en citant Klee: être non-figuratif, »c’est être abstrait avec des souvenirs«.47 Seule l’enquête lancée en 1950 par Julien Alvard dans Art d’aujourd’hui remédie un tant soi peu à cette situation, mais elle concerne de jeunes artistes qui débutent dans le métier. Interrogés sur les peintres contemporains les plus importants, ils nomment pour la majorité Klee et, dans la foulée, s’arrêtent sur certains aspects de son art: tantôt la poésie et l’émotion contenue dans ses œuvres, tantôt sa conception de la peinture.48 Reste qu’il faut se tourner vers les États-Unis pour trouver un critique d’art capable de véritablement confronter les œuvres et les idées de Paul Klee avec un contemporain, Jean Dubuffet.
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Une relation triangulaire: Klee – Dubuffet – Greenberg À ce petit jeu des influences, Dubuffet n’a pas échappé. Charles Estienne, qui pourtant le défendait, ne peut s’empêcher de déclarer en 1948: »[…] Dubuffet… bien embêté, ces temps-ci du moins par une exposition Klee où l’on retrouve quelquesuns des secrets de son art […]«.49 Comme pour les autres artistes, les allusions sont caricaturales, voire malveillantes, et finalement stériles, contrairement aux analyses de Clement Greenberg qui, dans le corps-à-corps qu’elles offrent, ouvrent des pistes de lecture stimulantes. Tout débute en 1945 quand Dubuffet accepte la proposition de Pierre Matisse de devenir son marchand Outre-Atlantique.50 Un an plus tard, en mai, le galeriste le convie à une exposition collective intitulée School of Paris Painters, qui permet au public new-yorkais de renouer pour la première fois depuis 1940 avec l’actualité parisienne et de découvrir le travail de Dubuffet, dont trois œuvres sont présentées aux côtés de tableaux d’Henri Matisse, d’André Marchand, de Georges Rouault et de Picasso. Dans l’important compte-rendu qu’il livre au journal The Nation, Greenberg accorde une large place à Dubuffet, qui lui semble être »le peintre le plus original de l’École de Paris depuis Miró« et qu’il propose d’inscrire dans la filiation de Klee: »À ma connaissance, c’est le seul peintre français à avoir interrogé Klee.« 51 Il développe ses arguments, qu’il reprend et étaye par la suite, dans chacun de ses articles sur Dubuffet: un compte-rendu de sa première exposition personnelle organisée en janvier 1947 à la galerie Pierre Matisse (ill. 74) et deux articles, l’un sur ses liens avec l’existentialisme français (1946), l’autre avec l’art brut (1949).52 L’intérêt de relire ces textes aujourd’hui réside essentiellement dans le fait que la filiation Klee – Dubuffet n’a depuis jamais été sérieusement interrogée. Au mieux a-t-elle été évoquée, mais alors pour être balayée du revers de la main, y compris très récemment. Ainsi, dans le catalogue de la rétrospective Dubuffet au Musée national d’Art moderne à Paris en 2001, l’historien de l’art Michel Draguet intitule un paragraphe de son étude Dubuffet à la sauce Greenberg: relevant la référence à Klee, il la qualifie d’»abusive«, sans autre argument.53 Lors de la clôture d’un colloque en 1991, Hubert Damisch, l’exégète de Dubuffet, est quant à lui plus explicite: »J’observe que la question [des ›antécédents‹, qu’il s’agisse des ›influences‹ qu’a pu subir Dubuffet, ou des ›emprunts‹ auxquels il aurait procédé] n’a pas été posée ici, non plus qu’éludée, au moins dans ces termes, et je m’en félicite. […] Il nous a été épargné, dans ce colloque, d’entendre des propos du genre: ›Dubuffet? Mais il a tout pris à Miró, tout pris à Klee, tout pris à Léger, et d’abord tout pris à Chaissac!‹« 54
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74 Jean Dubuffet: Coquette, septembre 1945, haute pâte sur toile, 55 × 46 cm, New York, collection Morton et Linda Janklow (exposé à la Pierre Matisse Gallery, New York, 1947).
Faut-il préciser que l’enjeu est ici d’ordre méthodologique: car Damisch s’élève contre les »rapports strictement temporels, et comme tels externes et ponctuels, de succession ou de dérivation«, en revanche il encourage les »rapports nécessaires, internes au système«. Reste à savoir si les uns n’engagent pas les autres, ou tout au moins les confortent – Greenberg s’était attelé à cette double tâche, qui s’enrichit aujourd’hui de la meilleure connaissance que l’on a de la vie, de l’œuvre et des écrits des deux artistes. Jean Dubuffet a toujours affirmé ne pas s’intéresser à la peinture des autres et a prôné la »valeur d’oubli«: »Je m’évertue à faire de l’art comme si être humain jamais n’en avait fait. […] je ressens le besoin, moi, qu’une œuvre d’art soit neuve, exempte de tout emprunt à des œuvres antérieures.« Persuadé d’être parvenu à une peinture vidée de toute référence culturelle, Dubuffet semble en avoir aussi convaincu les critiques et historiens d’art, qui paraissent bien souvent prisonniers des propos de l’artiste. L’originalité de la position de Greenberg réside précisément dans son obstination à inscrire Dubuffet dans l’histoire de l’art, qui va de pair avec son
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refus de la position anti-culturelle affichée par le peintre, et avec elle, de l’art brut. En effet, cette position n’a, selon lui, de valeur que théorique, et s’effondre dès lors que l’on passe à la pratique – comment rejeter ce qui nous a formé, s’interroge Greenberg, qui reconnaît à Dubuffet, mais cela est propre à tout artiste, une mémoire sélective: »Despite the appearance of his pictures, Dubuffet has not thrown off the past as he seems to think; he has, on the contrary, extended it by treating it selectively. To be sure, he has saved himself from the oppressive influence of Picasso and Matisse, which in its direct paralyzes so many of the painters of his own generation in Paris. But he has not passed beyond culture and discipline and his art is not the raw, immediate expression that he himself advertises it as. What Dubuffet has actually done is to exchange one part of the modern tradition for another. Instead of Picasso and Matisse, he has chosen Klee.« 55 Sur ses faux départs dans les années 1920, et sur ce qui a pu s’imprimer dans sa mémoire, même inconsciemment, Greenberg ne revient guère. Concernant Klee, il est vrai que Dubuffet ne l’a découvert qu’en 1944, mais on reste intrigué par son réseau, celui essentiellement des surréalistes, qui recoupe à s’y méprendre celui de Klee – comme si, dès cette époque, ce dernier veillait au grain. Quelques exemples: en décembre 1921, Dubuffet publie cinq bois gravés, illustrant des vers de Roger Vitrac, dans Aventure, une revue d’obédience dadaïste créée par Georges Limbour, René Crevel et Vitrac; or ces trois-là ont un jour ou l’autre commis des textes sur Paul Klee. Au début de l’année 1922, Dubuffet est présenté à André Masson, dont l’atelier devient pour lui un point de ralliement. C’est précisément cette année-là que Masson tombe sur la monographie de Klee par Wilhelm Hausenstein (1921), dont il partage la lecture avec Miró, son voisin d’atelier. Pour tous deux, c’est une découverte qui leur a permis de s’engager dans une nouvelle voie, celle du surréalisme, et, pour citer Masson, de se libérer du »terrorisme cubiste«. C’est là aussi que Dubuffet rencontre Antonin Artaud, qui, en 1923, écrit un texte sur Klee intitulé Un peintre mental, puis soutiendra, en tant que membre du comité de rédaction de La Révolution surréaliste, la publication d’illustrations d’œuvres de Klee. En dépit de ces nombreuses connexions, Dubuffet s’est toujours défendu d’avoir eu connaissance de Klee avant 1944: »Je n’ai connu le nom de Klee et rencontré des reproductions de ses œuvres que vers 1944, alors que mes positions étaient depuis longtemps prises.« 56 Sa correspondance, récemment publiée, avec
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75 Jean Dubuffet: Portrait de Jean Paulhan, juillet 1945, encre de Chine avec grattages, 37 × 31 cm, collection Milly et Anne Glimcher.
Jean Paulhan (ill. 11 und 75), conforte cette déclaration: tous deux se rencontrent fin décembre 1943 et la première impression de Paulhan devant les toiles de Dubuffet est de songer à Klee, dont il avait fait la connaissance en mai 1926, au cours d’un séjour de quatre jours à Dessau, en compagnie de Georges Auric et de LéonPaul Fargue. Dubuffet affirme alors ne pas connaître ce peintre, mais, sa curiosité aiguisée, il ne tarde pas à s’y initier. Dans une lettre à Paulhan du 23 mai 1944, il écrit avoir vu »des monographies sur Klee avec nombreuses reproductions: tout pour me plaire! J’aime beaucoup cela; je vais me mettre à imiter un peu ce Klee; il faut bien finir par donner un peu raison et faire un peu plaisir«, lance-t-il malicieusement à Paulhan. Il précise avoir vu »un petit texte de Tzara sur Klee: excellent«.57 À cette époque, parmi ceux qui l’entourent, nombreux sont des amateurs de Klee, de longue date souvent: on retrouve ainsi Limbour, Artaud, Masson, mais aussi Joë Bousquet ou encore Paul Éluard. Et s’il n’a pas vu la rétrospective de 1948 – Dubuffet est alors au Sahara – il en entend parler par Paulhan. Sa lettre est un
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précieux document sur son attachement à l’œuvre de Klee, qui nous renseigne aussi sur la réception de l’exposition et la déception de l’écrivain: »M’a peiné aussi d’autre façon cette autre nouvelle que l’exposition Klee n’a eu aucune espèce de succès. Je ne savais pas qu’il y avait eu une exposition Klee. Voudrais-tu me préciser dans quelle galerie elle a eu lieu? Comment était-elle, comment l’as-tu trouvée? On n’a ici aucuns journaux, ils n’arrivent pas, la poste fonctionne très capricieusement.« 58 L’intérêt de Dubuffet se manifeste plus tard encore, à l’occasion de la sortie en 1954 de la monographie de Grohmann: selon le témoignage de Noël Arnaud, il »s’était même fait traduire par Alexandre Vialatte – alors qu’il connaissait peu l’allemand – le Paul Klee de Grohmann [de 1954] […]. À telle enseigne qu’il avait envisagé de faire les fascicules du Catalogue des travaux dans le format du Paul Klee de Grohmann. Il était allé jusqu’à mesurer le format de ce livre, qui l’avait beaucoup impressionné.« 59 Au passage, on notera que Dubuffet connaissait depuis 1945 Henri Michaux, qui signe le poème Aventure de lignes introduisant l’ouvrage. Passé 1944, à la lumière de ces quelques témoignages et coïncidences avérées, mais aussi des écrits de l’artiste lui-même, l’intérêt pour Klee n’est pas désavoué, l’on peut même avancer, avec Noël Arnaud, que »Klee est un des rares peintres devant lequel Dubuffet a hésité.« 60 Cette hésitation est précisément celle que Greenberg décèle. Ainsi ne fait-il pas dériver, comme il est d’usage, l’art de Dubuffet, que ce soit au niveau de la composition, de l’expression ou de la technique, exclusivement de l’art brut, de ces créations dues à personnes »indemnes de culture«, mais aussi de l’art de Klee, et à travers lui, du cubisme – ce qui permet à Greenberg d’intégrer Dubuffet à sa conception généalogique de l’art moderne. Il cherche en somme dans l’articulation entre l’art d’en haut et l’art d’en bas, pour plagier le titre de l’exposition High & Low, la spécificité de son art, mais aussi de celui de Klee. Ainsi l’hypothèse de l’art brut ne lui suffit-elle pas pour expliquer la simplicité de leurs œuvres: »Klee is not altogether the spontaneous, ›state-of-nature‹ artist he is taken for. Like Dubuffet, he was stimulated by art brut, but he assimilated cubism first and took from the ›raw‹ art of children and adults only what cubist discipline would permit.« 61 S’il est inutile de revenir sur la filiation cubiste de Klee, elle paraît moins évidente dans le cas de Dubuffet. Et quoique Greenberg admette qu’il ait pu, dans les années 1920, emmagasiner une part de son apport, il avance l’hypothèse, pour l’après-guerre, d’une influence indirecte via Klee. Dès lors, la réduction de son dessin à un
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schéma linéaire rudimentaire et la structuration géométrique de ses toiles du milieu des années 1940 dériverait du cubisme et découlerait de la même volonté d’affirmer la spécificité du tableau, c’est-à-dire sa surface rectangulaire et plane: »Like so much of modern art, it is a kind of geometry impelled by the need, conscious or unconscious, to remind ourselves of, and repeat, and acknowledge the physical limitations of the medium among which is the shape, usually rectangular, of the picture space.« 62 Une Vue de Paris de 1946 (pl. VII) se prête en particulier à cette analyse formaliste: Greenberg y salue la façon, subtile et instinctive, dont Dubuffet parvient à maintenir chaque partie dans le plan du tableau. Avançant l’idée que Dubuffet emprunterait ses moyens à la tradition moderne, Greenberg pour autant n’évacue pas la question de l’art brut. Le renversement qu’il opère à ce niveau-là est d’une distinction rare pour l’époque et engage à considérer la référence à l’art brut, chez Dubuffet et Klee, sur un plan autre que formel, »as a state of mind, not a way of art«.63 L’hypothèse d’un même état d’esprit se vérifie aisément: dans ce domaine, les deux artistes croisent les mêmes chemins dès les années 1920. Dubuffet découvre en effet à la fin de l’été 1924 l’ouvrage du Dr Hans Prinzhorn, Bildnerei der Geisteskranken, chez son ami suisse Paul Budry, à Lausanne; le choc est tel que, de retour à Paris, il remet tout en question, allant jusqu’à détruire la plupart de ses tableaux et dessins. En 1976, il revient sur l’impact énorme qu’a eu ce livre sur lui et sur d’autres artistes: »All of the Surrealists knew it well, especially Max Ernst. But, the artist who loved the art of the insane, like me, was Paul Klee. Klee understood – with Klee, there is a spiritual similarity.« 64 C’est encore avec Paul Budry, mais aussi Jean Paulhan, que durant l’été 1945, Dubuffet se rend dans plusieurs hôpitaux psychiatriques suisses pour collecter des dessins de malades mentaux. Visitant l’hôpital de la Waldau, il y découvre Wölfli et rencontre son psychiatre et exégète, Walter Morgenthaler. L’artiste et le psychiatre restent en contact épistolaire, et sans doute reçoit-il ainsi l’un de ses articles, qu’il trouve si intéressant »qu’il vaudrait d’être publié à Paris, surtout à propos de l’exposition Klee qui doit y avoir lieu bientôt«.65 C’est en tout cas ce qu’il suggère à Jean Paulhan auquel il envoie une version traduite de l’article. Quant aux dessins d’enfants, Dubuffet dit s’y intéresser à partir de 1942, mais s’en détourner rapidement, car déplore-t-il, les enfants n’ont d’autre ambition que d’assimiler la culture des adultes. Il rejoint en cela la pensée de Klee qui déclarait dès 1912: »Moins ils ont de savoir-faire et plus instructifs sont les exemples qu’ils nous offrent, et ils convient de les préserver très tôt de toute corruption«.66 Dubuffet savait partager avec Klee ces intérêts, toutefois il percevait une différence d’intention, ou, plus précisément, d’intensité dans l’intention: »Klee a sûrement très
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fort aimé les dessins des enfants et des gens frustres, mais il n’a pas voulu comme moi – du moins pas autant que moi – naufrager l’art, ériger face à l’art une opération d’un autre ordre bien résolue à ignorer l’art.«67 Le projet de Klee n’est en effet pas aussi radical, car s’il engage lui aussi à s’intéresser aux productions des enfants et des aliénés, il ne revendique ni l’oubli ni le naufrage de la tradition picturale, simplement sa »réforme«.68 Ce naufrage voulu par Dubuffet passe par une déformation outrancière de ses sujets, et en particulier par une violente attaque de la figure humaine (ill. 74) rendue possible, selon Greenberg, par l’apport conjoint de l’art de Klee et du dessin d’enfant, leur commune fantaisie, la schématisation linéaire de l’un, les griffonnages des autres. D’autre part, il est le fait d’une atteinte portée à la peinture, rendue impure par l’adjonction de matériaux aussi divers qu’inattendus, et de surcroît maltraitée: »The pigment is mixed with tarn asphalt, or gravel and laid on thickly, roughly, and, apparently, with plenty of varnish. The drawing remains more or less the same in principle, but now the lines are scored or scratched into the paint as if with a stick.«69 Très attentif aux matériaux et aux pratiques inventées par Dubuffet, Greenberg les met en relation avec l’expérimentation constante de Klee dans ces deux domaines. La pertinence du propos de Greenberg est alors non seulement de reconnaître en Dubuffet »le seul peintre français à avoir interroger Klee«, mais aussi à l’avoir dépassé en transformant son influence en »un art monumental étonnamment physique«, voire »héroïque«.70 Tels qualificatifs – monumentalité, physicalité, héroïsme – sont de fait très greenbergiens, et il convient de les considérer dans le contexte de l’émergence de l’école américaine; néanmoins ils gardent leur pertinence au regard de l’œuvre de Klee, tout au moins si l’on s’accorde à considérer les productions relativement précieuses des années 1920 plutôt que les tableaux de la décennie suivante, davantage empressés et frustes.
Au-delà des influences En raison du recours à des matériaux et à des pratiques indignes des beaux-arts, Greenberg a qualifié l’œuvre de Klee et de Dubuffet de Lumpen art (pl. V).71 Cette expression sous-entend l’acquisition par l’art d’une dimension sociale inhérente au travail de »chiffonnier«, qui récupère ce qui est rejeté et méprisé pour en faire quelque chose d’utile, destiné à l’usage d’une tierce personne. Or Klee et Dubuffet accordent une place privilégiée à cette tierce personne qu’est le regardeur, l’»homme du commun«, qui est invité à faire usage du tableau. En effet, selon eux l’œuvre d’art ne trouve son achèvement qu’une fois appropriée par le regardeur, un regardeur actif, voire créatif. Pour Klee, celle-ci possède trois temps: »Les étapes principales
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de l’ensemble du trajet créatif sont ainsi: le mouvement préalable en nous, le mouvement agissant, opérant, tourné vers l’œuvre, et enfin le passage aux autres, aux spectateurs, du mouvement consigné dans l’œuvre. Pré-création, création, et re-création.«72 Dubuffet envisage un processus similaire, et ce dès 1946: »Le tableau ne sera pas regardé passivement, embrassé simultanément d’un regard instantané par son usager, mais bien revécu dans son élaboration, refait par la pensée et, si j’ose dire, re-agi.« 73 L’œuvre d’art engage à être parcourue du regard, dans le temps et dans l’espace, à s’y promener afin de remonter le temps de sa genèse: ainsi refaite, re-créer, re-vécue, re-agie, elle trouve sa plénitude et l’homme du commun, sa place dans le processus de création. Autour de l’idée du regardeur considéré, selon l’expression de Klee, comme Nach-Schaffer se noue entre les deux artistes une relation »nécessaire«, »interne au système«, telle que Hubert Damisch l’a appelée de ses vœux. En cela, l’analyse de Greenberg reste productive, si l’on prend la peine d’en tirer les fils, et, dans ce dernier exemple, si l’on ose déborder sa pensée. Le contraste avec la critique française des années 1950 n’apparaît que plus fortement: relire celle-ci permet certes d’appréhender l’esprit du temps, de constater la place occupée par Klee sur la scène parisienne, dans les débats et auprès des artistes de l’époque, mais difficilement d’en faire usage aujourd’hui encore, et d’en prolonger les hypothèses.
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1 Heinz Berggruen: J’étais mon meilleur client. Souvenirs d’un marchand d’art, Paris 1997, p. 66. Références exactes de l’œuvre en question: Perspektiv-Spuk, 1920, aquarelle et impression sur papier, 24,1 × 30,5 cm, New York, Metropolitan Museum of Art. Voir Paul Klee. The Berggruen Collection in the Metropolitan Museum of Art, cat. exp., Metropolitan Museum of Art, New York 1988. 2 Berggruen 1997, pp. 66–67. Références de l’œuvre de Benjamin: Angelus Novus, 1920, aquarelle, 31,8 × 24,2 cm, The Israel Museum, Jerusalem. 3 Voir le texte d’Alain Bonfand, qui analyse magnifiquement le rapport de Klee à l’histoire: Paul Klee, l’œil en trop, Paris 1988, pp. 11–21. 4 Walter Benjamin: Sur le concept d’histoire [1940], in: id.: Œuvres III, Paris 2000, pp. 427– 443, p. 434. 5 Jean-Paul Hodin: Alfred Manessier, Bath 1972, rééd. Neuchâtel 1996, p. 26. 6 Michel Abensour: Postface. Le choix du petit, in: Theodor W. Adorno: Minima Moralia. Réflexions sur la vie mutilée, Paris 2003, pp. 335–354, p. 340. 7 Bonfand 1988, p. 98. 8 Christian Zervos: Paul Klee. 1879–1940, in: Cahiers d’art 20–21/1945–1946, pp. 10–19, p. 19. 9 Voir Christian Zervos: Vassily Kandinsky. Aquarelles (Galerie Zak), in: Cahiers d’art 1/1928, p. 451. Dans ce compte-rendu, il revient sur sa visite à Klee au Bauhaus de Dessau, où il découvrit par la même occasion le travail de Kandinsky. Ses premières impressions furent les suivantes: »J’avais vu chez Klee des toiles admirablement peintres, qui m’avaient révélé certaines origines du surréalisme en France. Chez Kandinsky, je retrouvais le complément de ces origines. Ainsi, ce qu’on admirait chez nous comme une création originale n’était, somme toute, que la continuation des recherches de Klee et de Kandinsky.« 10 Guy Marestier: Paul Klee à la galerie Jeanne Bucher, in: Combat, 1er juillet 1950, n. p. 11 Léon Degand: Une rétrospective au Musée d’Art moderne révélera Paul Klee au public français, in: Combat, 10 février 1948. 12 Il s’agissait en quelque sorte d’une passation de pouvoir, Alfred Flechtheim, qui exposait Klee depuis 1919 dans sa galerie de Düsseldorf et ses diverses succursales avant de devenir son dépositaire en 1925, devait en effet liquider ses affaires avant de s’exiler. Il semblerait que ce
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soit le collectionneur bernois Hermann Rupf, qui, connaissant bien les trois partis représentés, convainquit Kahnweiler, peu habitué à représenter des artistes qu’il n’avait pas lui-même découverts, à prendre Klee dans sa galerie. Kahnweiler et Klee se connaissaient depuis 1912. Voir la lettre de Daniel-Henry Kahnweiler à Elie Lascaux du 21 juin 1934; cité d’après DanielHenry Kahnweiler, cat. exp., Musée national d’Art moderne, Paris, Paris 1984, p. 150: »Pour Klee, rien encore jusqu’à présent ce qui tient en partie d’ailleurs peut-être aux prix élevés demandés pas Klee. N’importe: j’ai eu plus de monde à la Galerie que depuis des années, et c’est quelque chose aussi dans doute.« Kahnweiler se réfugia de juin 1940 à 1943 au Repaire-l’Abbaye sur le territoire de Saint-Léonard-de-Noblat (Haute-Vienne). Voir Daniel-Henry Kahnweiler: À propos d’une conférence de Paul Klee, in: Les Temps modernes 16/1947, pp. 758–764; id.: Klee, Paris 1950. Voir Pierre Descargues: Paul Klee à l’école de la poésie, in: Arts, 7 juillet 1950, p. 4: »Cette exposition de tableaux et d’aquarelles de Paul Klee remporte actuellement un vif succès«; et Guy Marestier: Paul Klee à la Galerie Jeanne Bucher, in: Combat, 1er juillet 1950. Berggruen 1997, p. 135. Ibid., p. 68. Ibid., p. 70–71. Herta Wescher: Regards en arrière, in: Cimaise III-7–8/1956, pp. 38–39, p. 38. Degand 1948. Denys Chevalier: Universalité et diversité de l’œuvre de Paul Klee, in: Arts, 13 février 1948, p. 4. Le critique décrit la présentation de l’exposition: »certains panneaux tendus de velours […] font ressortir les tableaux« et mettent en évidence »le caractère complexe de la beauté des tableaux de Klee: poésie et mystère, préciosité et plastique«. Marcel Arland: Klee, in: Chronique de la peinture moderne, Paris 1949, pp. 159–166, p. 159. Voir J. D.: Paul Klee: Aquarelles et Dessins (Gal. Berggruen), in: Cahiers d’art 31/1956, p. 153. Le Journal est traduit en 1959; Théorie de l’art moderne en 1964; La pensée créatrice en 1973; Histoire naturelle et infinie en 1977. Alain Jouffroy: L’univers de Klee, in: Arts, 2 février 1955, n. p. Bernard Dorival: Musée d’Art moderne. L’exposition Paul Klee, in: Musées de France. Bulletin, mars 1948, pp. 38–42, p. 42.
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Ibid. Id.: Les peintres du XXè siècle, Paris 1957, p. 96. Ibid., p. 95. Dorival 1948, p. 42. Degand commence à défendre l’art abstrait dès 1944, dans les pages des Lettres françaises, il continue successivement dans Combat, Art d’Aujourd’hui et Aujourd’hui. Il synthétise ses positions dans un essai: Langage et signification de la peinture en figuration et en abstraction, Paris 1956 (rééd. 1988). Degand 1948. Léon Degand: Klee, in: Art d’aujourd’hui 1/1950, n° 7–8, p. 15. Degand 1998, p. 193. Léon Degand: Pour servir à l’histoire de l’art abstrait, in: Aujourd’hui 11/1957, p. 36. Léon Degand: Défenseurs de l’art abstrait, n’aggravez pas la confusion, in: Aujourd’hui. Art et architecture 13/1957, p. 32. Michel Seuphor cité par Léon Degand dans le même article. Voir l’article de Guitemie Maldonado dans le présent ouvrage. Charles Estienne: L’art abstrait est-il un académisme?, Paris 1950, p. 19. Paul Klee: Voies diverses dans l’étude de la nature, in: id.: Théorie de l’art moderne, Paris 1964, pp. 43–46, p. 43 (éd. or.: Wege des Naturstudiums, Weimar et Munich 1923). Voir Charles Estienne: Retour au Romantisme, in: Combat, 30 mars 1949, p. 4. Marestier 1950. Descargues 1950. Georges Limbour: La nouvelle École de Paris, in: L’Œil 34/1957, pp. 58–71 p. 65. M. T. Maugis: Dans l’œuvre multiple de Paul Klee, combien de peintres ont-ils trouvé »leur« style, in: Arts 594/1956, p. 11. Les autres artistes incriminés sont: Michel Lablais, Capogrossi, Steinberg, Torres-Garcia, Dubuffet, Villon, Miró, Valentine Hugo, Michaux et Atlan. Philippe Leburgue: Gustave Singier, Neuchâtel 2002, p. 11. Voir Julien Alvard: Enquête auprès des jeunes artistes, in: Art d’aujourd’hui I/1950, n° 10–11, pp. 19–22. Charles Estienne: Objets de la peinture, in: Combat, 18 février 1948. Voir Marianne Jakobi: Un artiste et un marchand collectionneurs. Première lecture de la correspondance inédite entre Jean Dubuffet et Pierre Matisse, in: Histoire de l’art 44/1999, pp. 93–107.
51 Clement Greenberg: Review of an Exhibition of School of Paris Painter, in: The Nation, 29 juin 1946 cité d’après Clement Greenberg. The collected Essays and Criticism. Volume 2. Arrogant Purpose 1945–1949, John O’Brian (éd.), Chicago et Londres, 1986, pp. 87–90, p. 90. 52 Voir Clement Greenberg: Jean Dubuffet and French Existentialism, in: The Nation, 13 juillet 1946; Review of Exhibitions of Jean Dubuffet and Jackson Pollock, in: The Nation, 1er février 1947; Jean Dubuffet and ›Art Brut‹, in: Partisan Review, mars 1949. Dans la suite du texte, ces articles sont cités d’après la compilation de John O’Brian 1986. 53 Voir Michel Draguet: Jean Dubuffet. Relation d’un voyage à New York (1951–1952), in: Dubuffet, cat. exp., Musée national d’Art moderne, Paris, Paris 2001, pp. 134–139. 54 Hubert Damisch: Dubuffet, Paris 1992, p. 105. 55 Greenberg 1949, p. 290. 56 Jean Dubuffet: Entretien avec Françoise Choay [1961], in: Jean Dubuffet. Prospectus et tous écrits suivants, tome II, Hubert Damisch (éd.), Paris 1967, pp. 217–222, p. 218. 57 Lettre de Jean Dubuffet à Jean Paulhan, 23 mai 1944; cité d’après Dubuffet–Paulhan. Correspondance 1944–1968, Julien Dieudonné et Marianne Jakobi (éds.), Paris 2003, pp. 102–104, p. 103. 58 Lettre de Jean Dubuffet à Jean Paulhan, 2 mars 1948; cité d’après Dubuffet–Paulhan 2003, p. 490–491, p. 490. 59 Noël Arnaud: Table-ronde, in: Dubuffet, Paris 1992, pp. 71–86, p. 83–84. Concernant la connaissance qu’avait Dubuffet de l’allemand, voir Biographie au pas de course; cité d’après Jean Dubuffet. Prospectus et tous écrits suivants, tome IV, Hubert Damisch (éd.), Paris 1995, pp. 459–538, pp. 484–485: »Dubuffet n’avait aucune connaissance de l’allemand, jusqu’à ce qu’il décide d’en faire l’apprentissage. C’était au moment de l’Occupation: »Les idéologies allemandes ne m’étaient que brumeusement connues, je les parais de vertus poétiques excitantes. Je les croyais propres à revivifier la vie civique: substituer aux vieilles et consternantes ankylose du monde occidental d’inventives nouveautés. Des trésors de la vieille âme germanique, fort mal connus de moi, parés de mystère, je me faisais une idée exaltante. Je me mis à apprendre, avec grande application, la langue allemande, dont je ne savais pas un mot.« 60 Cette »hésitation« avouée est rare chez Dubuffet,
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elle concerne outre Klee également Miró. Autrement dans ses écrits, quand il mentionne d’autres artistes, c’est sous forme de refus, refus de Mondrian, refus de Kandinsky par exemple. Greenberg 1949, p. 290. Greenberg 1947, p. 123. Ibid. Jean Dubuffet: Art Brut chez Dubuffet [1976], in: Jean Dubuffet. Prospectus et tous écrits suivants 1995, tome IV, pp. 40–58, p. 42. Lettre de Jean Dubuffet à Jean Paulhan, 14 octobre 1945, in: Dubuffet–Paulhan 2003, p. 231–232. Dubuffet joint à sa lettre une traduction de l’article de Morgenthaler, conservée aux archives de
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la collection de l’Art brut à Lausanne. Je remercie Marianne Jakobi de me l’avoir communiquée. Paul Klee: Journal, Paris 1959, p. 253. Dubuffet 1961, p. 218. Klee 1959, p. 253. Greenberg 1947, p. 123. Greenberg 1946, p. 90. Greenberg 1949, p. 291. Paul Klee: Philosophie de la création, in: id. 1964, pp. 57–62, p. 59. Jean Dubuffet: Notes pour les fins-lettrés [1945], in: Jean Dubuffet. Prospectus et tous écrits suivants, tome I, Hubert Damisch (éd.), Paris 1967, pp. 54–88, p. 72.
»Après la pluie, l’Europe.« Le retour de Max Ernst en France et en Allemagne
Sophie Collombat
Dans quel pays rentrer? »Nous voilà de retour à Paris. Le voyage était long long long. Ça n’a pas pris longtemps par contre de me ›réhabituer‹. Je suis chez moi. Je redeviens moi.« 1 Après neuf ans d’exil aux États-Unis, Max Ernst se retrouve provisoirement en France en 1949. Quatre ans plus tard, il s’établit définitivement dans ce pays qu’il avait élu une première fois, au début des années 1920. C’est également en 1953 qu’il retourne dans son pays natal, l’Allemagne, après une séparation d’un peu plus de trente ans. Le cas particulier de cet artiste allemand émigré en France, étudié à travers la thématique du retour des exilés après la Seconde Guerre mondiale, permet de soulever certaines problématiques inhérentes aux transferts artistiques et culturels entre les deux pays. Le destin singulier de Max Ernst, fait de périodes de rupture, d’exil et de retrouvailles, reste encore relativement peu abordé dans ce cadre spécifique.2 Les raisons et les circonstances de son départ en Amérique et de son retour sur le vieux continent, résultent d’un contexte historique et politique particulier mais également de choix personnels. Pourquoi Max Ernst choisit-il de rentrer en Europe? Pourquoi s’installe-t-il en France et non en Allemagne? Quel rapport entretient-il avec ces deux pays? Certaines réponses se trouvent dans ses écrits autobiographiques et sa correspondance, de même que dans certaines publications de l’époque.3 Les évènements qui se sont succédés, les expositions organisées à son retour et leur réception, mettent en évidence certains éléments qui révèlent in fine des différences dans les rapports qu’il entretient avec la France et l’Allemagne. La continuité de ses relations avec son Wahlheimat tranche avec les
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difficultés qu’il rencontre à surmonter la rupture établie avec son Heimat. Ces dissemblances ne sont pourtant pas aussi marquées qu’elles n’y paraissent: un tableau aussi symbolique que Vater Rhein souligne la complexité de ces liens. Deux monographies consacrées à l’artiste, l’une française de Patrick Waldberg, parue en 1958, l’autre allemande d’Eduard Trier de 1959, présentent également certaines similitudes dans l’appréciation critique de l’artiste de part et d’autre du Rhin.4 Elles mettent à jour l’ambiguïté spécifique à une notion aussi fragile et étroite que celle d’identité nationale.
L’exil Max Ernst, immigré allemand en France, part en exil aux États-Unis après une succession d’évènements liés à l’instabilité politique de l’époque. En 1922, il quittait volontairement l’Allemagne pour la France, répondant à l’invitation des membres du groupe Dada parisien à exposer ses collages.5 Malgré les problèmes liés à sa nationalité allemande, mal considérée juste après la Grande Guerre, il parvient tant bien que mal à s’intégrer dans son nouveau pays. C’est à partir de 1939 que le vent tourne et le précipite dans une situation difficile: le gouvernement Daladier signe des décrets qui durcissent la législation contre les immigrés, et bien qu’installé en France depuis dix-sept ans et assimilé au milieu intellectuel parisien, Max Ernst demeure un »ressortissant de l’empire allemand«.6 Considéré comme un ennemi de la nation, il est enfermé dans plusieurs camps de rassemblement. Envoyé à l’Argentière en Ardèche, il rejoint le camp des Milles, près d’Aix-enProvence, où avec Hans Bellmer il partage une chambre et le sentiment d’être apatride.7 En 1935, il était déjà considéré comme un opposant au Reich dans son propre pays, et comme Bellmer et d’autres artistes allemands dans le même cas, la Gestapo lui avait confisqué son passeport et par conséquent, l’avait privé de sa nationalité.8 Jusqu’à son mariage avec Marie Berthe Aurenche en 1927, il a d’ailleurs connu de multiples déboires qui l’avaient obligé par exemple à prendre plusieurs noms d’emprunts pour échapper à la police, comme celui bien connu de Jean Paris.9 Cette situation ambiguë est d’ailleurs soulignée par Paul Éluard dans une lettre qu’il adresse en 1939 au ministre de l’Intérieur, Albert Sarraut. Le poète, qui avait déjà aidé l’artiste en 1922 en lui prêtant son passeport pour venir illégalement en France, tente de le sortir de prison. Il insiste sur l’importance de sa position d’artiste en France, malgré ses origines germaniques, en le présentant comme l’ »un des peintres les plus dignes d’admiration, en tout cas de respect, de l’École de Paris«. Il précise qu’ »[il est] le premier peintre allemand à [avoir] [exposé] dans un salon français«.10 Mais c’est son mariage, bien qu’annulé à la fin
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des années 1930, qui constitua le seul motif valable à sa libération. Une liberté qui ne dura pas longtemps: quelques jours seulement après être rentré chez lui, il est dénoncé par un »sourd-muet qui l’accuse d’avoir fait des signaux lumineux à l’ennemi [qui se trouvait à 1000 km, près de Dunkerque]«.11 Arrêté à nouveau, il retrouve le camp des Milles. Exaspéré et certainement désespéré, il s’en évade et, recherché à la fois par la gendarmerie française et la Gestapo allemande, il n’a pas d’autres choix que de quitter l’Europe. Avec l’aide du Comité de secours américain aux intellectuels dirigé par Varian Fry, il rejoint la villa Air-Bel à Marseille, seul port situé en zone libre, où d’autres artistes et poètes surréalistes attendent un visa pour l’Amérique.12 Son fils Jimmy l’y attend et avec l’aide de Peggy Guggenheim, il atteint New York le 14 juillet 1941. Cette terre d’exil lui offre la possibilité de travailler en toute liberté et de conserver d’étroites relations avec ses amis européens, Man Ray, André Breton, Marcel Duchamp, Yves Tanguy, réfugiés comme lui aux États-Unis. Son statut d’exilé allemand n’est cependant pas toujours facile et cela est perceptible dès son arrivée à New York: à peine pose-t-il le pied sur le sol américain qu’il est arrêté; Ernst passera trois jours dans la prison d’Ellis Island.13 Cet accueil singulier n’a pu qu’encourager l’artiste à ne jamais perdre le contact avec l’Europe.
»Ne perdons pas contact« Max Ernst, Allemand d’origine et Français d’adoption, ne s’est jamais considéré comme un Américain pendant les douze années qu’il a passées en exil. Contrairement à Georges Grosz, par exemple, il n’a jamais cherché à devenir un citoyen américain modèle ni à mener une nouvelle vie, loin des habitudes européennes.14 Grosz échouera d’ailleurs dans cette périlleuse entreprise, regrettant en premier lieu la nourriture allemande et c’est sur ce même registre que les deux hommes se ressemblent, Max Ernst se trouvant affamé de nourritures spirituelles.15 Il est atterré de devoir constater »la famine intellectuelle existant même dans une [sic] ›centre intellectuel‹ comme N.Y.«. Il évoque ce fait dans une lettre à Joë Bousquet, dans laquelle il lui fait également part de sa crainte de devoir »encore attendre longtemps avant de pouvoir ›rentrer‹«, et ajoute: »Ne perdons pas contact.« 16 Gardant alors d’étroites relations avec ses amis restés sur le vieux continent, il envisage, sans doute dès le début de son exil, de retourner en Europe. Même s’il n’explique pas directement ce désir de retour dans ses écrits autobiographiques et s’il ne fait jamais allusion à un quelconque sentiment de Heimweh, certains éléments laissent penser le contraire.17 Les allusions claires à ses difficultés financières, conséquence directe de ses expositions ratées, des »fours« comme il les nomme, sont omniprésen-
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tes.18 L’anecdote suivante, bien que pleine d’ironie, résume parfaitement la situation américaine du peintre en 1947. Après sa dernière exposition new-yorkaise chez Julien Lévy, contraint de fermer sa galerie faute de moyens, il note: »Matta prête cent cinquante dollars à Max, ce qui lui permet de remplir la remorque de sa vieille Ford avec ses invendables chefs-d’œuvre pour reprendre avec Dorothea la route de quatre mille kilomètres vers l’Arizona.« 19 Un autre épisode qui se déroule sur la côte Ouest corrobore l’hypothèse de la nécessité d’un retour en Europe. Au début de l’année 1949, son ami artiste William N. Copley ouvre une galerie à Beverly Hills et lui organise une rétrospective.20 Le succès escompté n’a pas lieu et l’exposition n’attire que les enfants.21 Proche des soixante ans, Max Ernst ne bénéficie ni d’une reconnaissance ni d’une côte suffisantes pour pouvoir subvenir à ses besoins. Les causes de cet échec sont naturellement liées au contexte artistique particulier de l’époque: les acheteurs américains ne s’intéressent plus aux artistes européens, et encore moins aux surréalistes. Ils ont plutôt tendance à les attaquer, les considérant comme le parfait reflet du déclin du Vieux Monde. Après le succès commercial que le mouvement, aux influences et aux sources profondément européennes, avait connu à la fin des années 1930 et au début des années 1940, les artistes et les critiques d’art américains tentent désormais de se départir de toute influence étrangère, en redéfinissant un style propre à leur nation.22 Dans le même temps, de l’autre côté de l’Atlantique, la situation changeait depuis la fin de la guerre et les proches de l’artiste lui apportent des »témoignage[s] d’indéfectible amitié«.23 En 1945, quelques mois après la Libération, Paul Éluard organise une exposition Max Ernst à la galerie Denise René.24 Bien plus qu’une célébration de la fin de la guerre et de la liberté retrouvée, cet événement apportait un message d’espoir montrant qu’il était possible de renouer avec le passé et de continuer à vivre malgré les évènements douloureux de la guerre. La rupture n’est donc pas aussi irrémédiable qu’il n’y paraît, et de nouveaux acteurs, comme Denise René qui ouvre son espace en juillet 1944, sont prêts à reconnaître et revaloriser des œuvres laissées pour compte sous l’Occupation. Max Ernst prend note de cette initiative qu’il considère comme un honneur.25 Deux ans plus tard, Éluard poursuit son hommage en publiant chez Pierre Seghers des poèmes illustrant des dessins de l’artiste, sous le titre de À l’intérieur de la vue, huit poèmes visibles.26 Ces initiatives encouragent Ernst à rétablir le contact avec l’époque précédant son exil et un certain milieu intellectuel parisien.
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Max Ernst retrouve Paris 27 En 1949, Max Ernst retrouve donc Paris et en même temps, son identité: »Je suis chez moi. Je redeviens moi.« 28 Aux »sentiments mêlés« du retour, s’ajoute la joie »de pouvoir saluer les vieux amis: Paul Éluard, Arp, Joë Bousquet, Patrick Waldberg […]« 29 Ce premier voyage confirme la continuité des rapports entretenus avec ses connaissances d’avant guerre. Les raisons du retour tardif de l’artiste, qui a lieu quatre ans après la Libération, sont sans doute autant liées aux difficultés financières susmentionnées qu’aux conditions économiques tout aussi précaires que connaît l’Europe de l’immédiat après-guerre. Bien qu’il soit difficile de trouver un atelier viable, Max Ernst bénéficie de l’aide de ses amis et s’installe, le temps de son séjour parisien, dans le quartier de Saint-Michel (ill. 76).30 C’est là qu’il peint, peu de temps après son arrivée, une toile intitulée Printemps à Paris (ill. 77) qui se trouve aujourd’hui au Museum Ludwig à Cologne.31 Cette composition harmonieuse aux couleurs claires et chaleureuses sera présentée lors d’une rétrospective organisée par Joë Bousquet chez René Drouin en 1950, avec d’autres œuvres pour la plupart réalisées aux États-Unis.32 Elle est reproduite dans le catalogue publié à cette occasion, aux côtés d’une seule autre illustration, toute aussi emblématique: L’Europe après la pluie II (ill. 78). Le sujet, sombre, et la matière, boueuse, de cette toile possèdent le même pouvoir d’évocation que Printemps à Paris. Ernst l’avait peinte en 1941, après son évasion du camp de rassemblement des Milles. Annonce visionnaire de la destruction du continent par les averses corrosives de la guerre, ce tableau dénonçait les risques et les conséquences des évènements politiques en cours et révélait, dans une atmosphère figée et immobile, l’impuissance de l’artiste. Elle précédait aussi l’ultime issue possible à ce moment précis de l’histoire: l’exil. Ces deux œuvres, l’une réalisée juste avant son départ et l’autre juste après son retour, apparaissent comme un symbole de l’expatriation, exactement comme le triptyque Le Départ de Max Beckmann.33 Le choix de les reproduire dans le catalogue de la première rétrospective française de l’artiste après la guerre le confirme. Elles attestent aussi de la diversité et d’une certaine évolution des techniques et des formes utilisées par Max Ernst: si le Printemps s’apparente davantage aux grandes toiles réalisées aux États-Unis, elle conserve toutefois des traces du style, plus familier, d’avant la guerre. En effet, si la stylisation et la simplicité des formes géométrisantes tranchent avec les figures végétales et décomposées de L’Europe après la pluie, le fond de la toile présente des rugosités et des irrégularités qui sont caractéristiques des années 1925: retrouvant la capitale française, Max Ernst renoue à la fois avec ses amis surréalistes et les techniques élaborées alors, le frottage et le grattage.34
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Max Ernst sur la terrasse, Quai St. Michel, Paris 1950, collection privée.
L’exposition à la Galerie René Drouin a sans aucun doute constitué un signal d’encouragement à revenir en Europe: alors qu’aux États-Unis, Ernst, et d’une manière générale, les artistes exilés, sont critiqués et rejetés, l’Europe d’après-guerre semble au contraire disposée à les recevoir et à réhabiliter leur esthétique d’avantgarde. L’un des objectifs principaux de l’exposition internationale Le surréalisme en 1947, conçue par André Breton et Marcel Duchamp à la Galerie Maeght était d’ailleurs de préparer la critique et le public au retour progressif des surréalistes.35 Malgré quelques dissensions et les distances qu’il avait pu prendre avec le mouvement, Max Ernst accepte d’y participer, en prêtant deux toiles. En retour, André Breton signe la préface du catalogue de la rétrospective de ses œuvres graphiques (1919–1949), organisée à la Galerie Librairie La Hune deux ans après.36 Cela lui permettra d’avoir »bonne presse« 37 à Paris et de bénéficier, presque en même temps, de deux expositions rétrospectives. Le choix de la Galerie René Drouin n’avait rien d’un hasard: Max Ernst le connaissait dès avant la guerre, il l’avait même aidé en lui offrant des peintures pour l’ouverture de son premier espace avec Leo Castelli, en 1939.38 Rouverte en 1941 dans un espace sur deux niveaux, place Vendôme, la Galerie Drouin était alors reconnue pour ces importantes rétrospectives et de fait, a contribué à relancer la notoriété de Max Ernst en France.39 L’objectif d’asseoir la réputation de l’artiste acquise avant la guerre est atteint, les réactions unanimes de la presse le montrent. Consacré »plus grand peintre surréaliste« par
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Max Ernst: Printemps à Paris, 1950, huile sur toile, 116 × 91 cm, Cologne, Museum Ludwig.
Charles Estienne,40 considéré par André Chastel comme »l’un des plus remarquables représentants« du surréalisme,41 on applaudit la reprise de »contact avec [ce] génie singulier«.42 Patrick Waldberg n’hésite pas à y voir l’un des événements artistiques les plus importants depuis la guerre; il décrit l’atmosphère particulière qui règnait le soir du vernissage et parle de »l’émerveillement et souvent [de] l’émotion qui se peignaient sur la plupart des visages«. Selon lui, ces sentiments constituent la preuve »que les vertus de cette peinture n’ont rien perdu de leurs charmes, ni le peintre de son éclatante faculté de renouvellement«.43 Toutefois, les comptes-rendus s’avèrent isolés et la plupart, écrits par les seuls amis ou critiques
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78 Max Ernst: Europa nach dem Regen II (L’Europe après la pluie II), 1940–1942, huile sur toile, 55 × 148 cm, Hartford (Connecticut), Wadsworth Atheneum, The Ella Gallup Sumner and Mary Catlin Summer Collection Fund.
d’avant-guerre. De la même façon, l’exposition, organisée, faut-il le rappeler, par un proche, n’est que très peu visitée: elle n’attire que les connaissances de l’artiste et quelques curieux.44 Max Ernst, et plus généralement le surréalisme, est dépassé par les tendances qui dominent l’École de Paris juste après la guerre. Les jeunes peintres de tradition française, défendus pendant l’Occupation allemande à Paris, ainsi que le débat entre figuration et abstraction intéressent davantage la critique. C’est dans ce contexte particulier que l’artiste songe à renouer avec l’Allemagne, qu’il n’avait pas revue depuis 1921.
Tous les chemins mènent à Brühl 45 Né en 1891 à Brühl, Max Ernst quitte son pays après la Grande Guerre, pour se rendre à Paris qu’il juge plus propice à la création. Il perd dès lors progressivement le contact avec l’Allemagne. Les circonstances de cette rupture sont à chercher dans la situation artistique et politique qui a suivi le départ d’Ernst pour la France. En 1929, à l’occasion de l’une des dernières expositions de l’artiste en Allemagne, à la Galerie Flechtheim de Berlin, Walter Cohen remarquait que »depuis qu’il [Ernst] a disparu de Cologne, on a appris très peu de chose à son sujet.« 46 La vague d’émigration de 1933 a dû encore contribuer à éloigner l’artiste de son pays natal, emportant avec elle les rares contacts qui lui restaient.47 Il faut attendre 1950 pour que sa ville natale, située entre Bonn, où il avait étudié, et Cologne, où il avait milité, présente plusieurs de ses œuvres au sein d’une importante exposition collective, consacrée à soixante-dix artistes rhénans.48 La manifestation se tient dans le château en ruine d’Augustusburg, la résidence favorite de l’évêque Clemens August au début du XVIIIe siècle (ill. 79). Les toiles anciennes de Max Ernst accrochées
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79 Le tableau Le chaste Joseph (1928) de Max Ernst dans l’escalier du château Augustusburg, à l’occasion de l’exposition Rheinische Kunst, 1950 (photo publiée dans Die ZEIT, 13 août 1950).
au milieu d’un abondant décor rococo font sensation auprès de la critique et des quelques 10 000 visiteurs. On y voit un hommage exceptionnel rendu à ce rhénan d’origine et certains notent la possibilité d’une ouverture de l’Allemagne à un art plus international.49 Max Ernst, artiste connu, ne l’était jusque-là que par réputation dans son pays natal. Sa dernière »participation« à une exposition remontait en effet à 1937, lorsque deux de ses œuvres furent qualifiées d’»art dégénéré« dans l’exposition éponyme de Munich.50 Ses frasques dada des années 1920 étaient de même plus connues que ses œuvres et les notables de la ville »ne voyaient en [lui] qu’une sorte d’hurluberlu qui s’était jadis disputé avec tout le monde à Brühl, pour fréquenter ensuite à Cologne des milieux politiquement peu recommandables avant de disparaître quelque part à l’étranger et d’y mal finir, ainsi qu’il se doit«.51 La période sombre du national-socialisme étant révolue, il était temps que l’Allemagne renoue avec ses verlorenen Söhnen. En 1951, profitant du 60e anniversaire de Max Ernst, une importante rétrospective lui est consacrée. L’initiative, à la fois privée et publique, en revient à sa sœur Loni et à son beau-frère, Lothar Pretzell. Ce dernier, historien de l’art spécialiste de l’art baroque, est alors directeur des dépôts des œuvres d’art confisquées par les nazis de Celle; à ce titre, il bénéficie d’appuis importants auprès des institutions de la région qui leur permettent d’obtenir un soutien financier.52 L’organisation logistique est laissée au soin d’un représentant de la ville, le Dr. Seibt.53 L’envergure de ce projet se mesure à la centaine de tableaux et
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d’œuvres graphiques exposées, couvrant la période 1920–1950, ainsi qu’à la publication d’un catalogue richement illustré et accompagné de textes de critiques internationaux et de l’artiste.54 Cet ouvrage constituait pour l’Allemagne une source inestimable de documents visuels et textuels sur Ernst et sur le surréalisme, qui, comme le soulignent de nombreux critiques allemands dès 1946, faisaient jusqu’alors défaut.55 Les douze années d’interdiction de l’art moderne avaient en effet ralenti les échanges entre la France et l’Allemagne, et les œuvres surréalistes restaient très peu connues.56 Quant aux écrits, Le Manifeste du Surréalisme de Breton n’est traduit et publié qu’en 1950, dans des ouvrages collectifs.57 Si le mouvement reste alors méconnu et relativement absent des préoccupations artistiques de l’époque, l’exposition constitue toutefois un événement. Et si Lothar Pretzell souligne dans la préface du catalogue que les œuvres de Max Ernst sont celles qui reflètent le mieux le surréalisme et son esthétique, c’est pour mieux démontrer que l’Allemagne compte parmi ses pairs l’un des plus importants représentants de ce mouvement reconnu dans les autres pays.58 En présentant des collages dadas conçus à Cologne, des frottages réalisés à Paris, ainsi que des grandes toiles peintes en France et aux États-Unis, cette exposition met en évidence l’étendue et la diversité de son œuvre ainsi que son caractère international. La critique considère cet événement comme l’un des »plus importants que l’Allemagne a[it] enregistré ces dernières années«;59 Gustav Hartlaub déclare que cette exposition »fait une énorme impression« et contribuera »à ce que l’art de Max Ernst soit enfin discuté et apprécié en Allemagne comme il le mérite«;60 Will Grohmann écrit que »l’inespéré est devenu réalité. L’exposition est une sensation, les amis de l’art viennent de près et de loin, bien que la situation de Brühl se révèle, en fait, très incommode«.61 L’année suivante, ce dernier écrit dans une revue française: »Les travaux [de Max Ernst] moins connus des quinze dernières années firent voir le grand vide dont l’Allemagne souffre depuis 1933. Non que Max Ernst eût fait école – il était trop tard pour cela –, mais il offrit une échelle d’évaluation. Nul Allemand de sa génération n’est si riche que lui en substance véritable.« 62 Quelques vingt ans plus tard, les deux organisateurs de l’exposition concluent au succès en ces termes: »C’était tardivement mais par une large voie que l’œuvre entrait dans la conscience des Allemands. Le temps de l’incompréhension, de l’indignation et du dénigrement était passé. Un classique de l’art moderne trouvait enfin une compréhension générale.« 63 18 000 visiteurs s’y déplacent en effet et l’exposition circule dans plusieurs autres villes allemandes, comme Berlin (1951) ou Leverkusen (1952).64 Cependant, malgré l’enthousiasme critique et public, cet événement a été un désastre financier pour la ville et une mauvaise expérience pour l’artiste, qui suit les événements de loin en raison de son retour en Arizona.66 Suren-
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dettée, la ville est en effet forcée de vendre la toile Geburt der Komödie, qui lui avait été symboliquement offerte.67 Ce geste, ressenti comme une offense, aggrave les relations déjà tendues que Max Ernst entretenait avec sa ville natale. Dans ses écrits, il considère l’exposition de Brühl comme »la plus catastrophique« de toutes; il n’oubliera pas cet épisode avant les années 1970.67 L’incompréhension flagrante des responsables municipaux et de l’administration, la déroute financière et la vente de sa donation ont sans doute été perçues comme une réminiscence de l’Histoire dans ses heures les plus noires, et à l’origine de la radicalité de la réaction de l’artiste. Cette exposition aurait pu être l’occasion d’une réconciliation non seulement avec sa ville, mais avec son pays natal: l’inverse se produisit et il faudra attendre une autre initiative pour que Max Ernst adopte une attitude plus conciliante à l’égard de l’Allemagne.
Vater Rhein Max Ernst n’a pas assisté à l’hommage qui lui avait été rendu en 1951. Cette décision était la sienne, comme l’indique une lettre à sa sœur Loni, écrite alors qu’il préparait son voyage en France, au début de l’année 1949: »Es wäre schön, wenn wir uns wieder einmal in Paris treffen könnten, da ich wahrscheinlich nicht nach Deutschland gehen kann (wozu ich auch keine große Sehnsucht habe!).« 68 Il ne reverra l’Allemagne qu’en 1953, lorsqu’il rentre définitivement d’exil et qu’il s’installe en France. Il se rend alors à Brühl (ill. 80), Bonn, Heidelberg et Cologne avec sa femme Dorothea Tanning, profitant de l’invitation d’Eva et Hein Stüncke à présenter des toiles récentes à la Galerie Der Spiegel de Cologne.69 Ces derniers jouent un rôle primordial dans l’Allemagne de l’immédiat après-guerre: ils font partie des premiers marchands d’art à contribuer au relèvement artistique du pays en invitant des artistes autrefois proscrits. Devenus l’un des principaux représentants de Max Ernst dans son pays,70 ils organisent une exposition en 1953, que l’artiste honore de sa présence. La presse y voit un symbole de la liberté retrouvée et du retour de l’un de ses fils perdus;71 ainsi que le signe d’un pays retrouvant la voie de l’art moderne et réhabilitant les artistes autrefois condamnés pour bolchevisme culturel. Pour Ernst, cette première visite après vingt-cinq ans d’expatriation est naturellement un choc, une »terrible surprise«.72 Cet évènement marque officiellement ses retrouvailles avec son pays et plus précisément avec ses origines rhénanes. On peut le supposer à la lumière de l’une de ses toiles, la plus grande, intitulée Vater Rhein (et d’ailleurs exposée chez les Stüncke), et qui s’impose à nous comme une allégorie du Rhin (Taf. XI).73 Sur fond de paysage naturaliste, se dessine un fleuve bordé par une rive jaunie par le soleil et enjambé par un petit pont en
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80 Dorothea Tanning: Loni Pretzell, Max Ernst et Dorothea Tanning devant la maison de son enfance, Brühl, octobre 1953.
pierre. À la calme horizontalité du paysage s’oppose la silhouette de deux figures verticales qui se font face, elles-mêmes encadrées par deux bandes brunes latérales qui ferment le tableau: leur aspect rocailleux suggère les rives immergées et émergées d’un fleuve. Au centre, l’étrange figure monumentale adopte le profil d’une tête très schématisée, la bouche entrouverte. Entourée par une bulle bleue, elle évoque un fœtus, dans une poche d’oxygène, que des éléments appartenant à la vie terrestre (des oiseaux) et aquatique (des poissons) viennent animer de l’intérieur. La silhouette d’oiseau qui se dresse face à cette personnification fort peu conventionnelle du Rhin illustre la relation personnelle qu’Ernst entretient avec le fleuve. En effet, son dessin, plus discret, est stylistiquement très proche de ceux qui accompagnent un poème de l’artiste, écrit la même année. Schnabelpaar exprime la douleur et le désarroi du peintre à la vue de son pays dévasté.74 Ce même sentiment transparaît dans Vater Rhein, et les bandes verticales, roches au bord de l’effondrement réalisées avec la technique de la décalcomanie, évoquent les premiers vers de sa longue complainte: »Où jadis une maison s’élevait / S’élève maintenant une montagne.« Dans le tableau se manifeste la même force inébranlable de la nature: entre les ruines, seul le fleuve demeure intact. Élément naturel et pepétuel, il a suivi son cours, sans être touché par les destructions et les évènements de l’Histoire. Il est le point vital de la région, celle de l’artiste. Le titre est en cela révélateur: la toile aurait pu s’appeler Vater Land ou Vater Köln, et être l’emblème du retour du peintre en Allemagne ou à Cologne, comme l’était Printemps à Paris. Car la ville de Cologne, comme il le soulignait en 1942 dans un texte autobiographique, par ses »conditions climatiques, géographiques et politiques« a eu une
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résonance particulière dans son œuvre. Carrefour de toutes les tendances culturelles de l’Europe, la ville voit défiler devant elle différents courants, »antiques influences méditerranéennes, rationalisme occidental, inclination orientale à l’occultisme, impératif catégorique prussien, idéaux de la Révolution française et ainsi de suite«.75 Mais ces richesses, reconnaît Ernst, ont été véhiculées grâce au fleuve: il demeure alors davantage attaché et redevable aux éléments naturels qu’à une ville ou même un pays. Et ce n’est pas par hasard si c’est une figure d’oiseau qui fait face au fleuve: elle incarne Loplop, le supérieur des oiseaux. »Fantôme particulier enchaîné à Max Ernst, parfois ailé, mais toujours de sexe masculin«, cet alter ego volatile est régulièrement introduit dans ses œuvres depuis la fin des années 1920.76 Image réflexive de l’artiste sur lui-même, il donne à ce tableau une incontestable dimension autobiographique.77 Deux allégories se font face, l’une du fleuve, l’autre de l’artiste, et se retrouvent après une longue période de séparation. Le Rhin pourrait personnifier le père spirituel et naturel de l’artiste, mais également être perçu comme un hommage posthume et douloureux d’un fils à son père qui, à la suite du bien connu scandale Dada à Cologne en 1921, l’avait renié en ces termes: »Je te maudis. Tu nous a déshonoré.« 78 La signification de Vater Rhein a été très tôt remarquée par la critique, notamment par Eduard Trier. Ce dernier y voit l’»œuvre-clé« de Max Ernst: selon lui, le Rhin est au centre de la création de l’artiste; les deux sont intimement liés.79 Cette assimilation n’est sans doute pas sans arrière-pensée idéologique, tant le souhait est grand en Allemagne d’en faire un artiste allemand. Toutefois, ce tableau paraît être avant tout emblématique des rapports d’Ernst avec l’Europe, et en particulier avec l’Allemagne et la France, que le fleuve sépare et réunit tout à la fois.
»Qui est Max Ernst aujourd’hui?« 80 Les retours successifs de Max Ernst dans ses deux pays pose précisément la question de l’identité nationale. Cette notion n’est cependant pas traitée de la même manière de part et d’autre de la frontière, ce dont attestent les monographies de Patrick Waldberg et d’Eduard Trier, publiées respectivement en 1958 et 1959. Les deux auteurs n’ont pas les mêmes intérêts ni poursuivi la même carrière, ce qui peut en partie expliquer leur démarche si différente. Patrick Waldberg est un homme de lettres, d’origine américaine mais de culture française, qui a très tôt fréquenté les cercles littéraires surréalistes parisiens.81 Bien au courant du développement du mouvement aux États-Unis, notamment grâce à la correspondance qu’il entretient avec sa femme Isabelle, il reste en contact avec le groupe exilé et Max Ernst.82 À l’inverse, Eduard Trier n’a jamais fréquenté directement le groupe surréaliste. Après
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une formation académique en histoire de l’art,83 il a entamé une carrière de critique d’art et n’a rencontré Max Ernst qu’à la fin des années 1950, lorsqu’il entreprend la rédaction de sa monographie.84 L’ouvrage de Waldberg fait un peu plus de 400 pages tandis que celui de Trier, un peu moins de 60. L’enjeu n’est donc pas le même: dans un cas, il s’agit d’une biographie commentée, retraçant de manière très littéraire les événements et les œuvres qui ont rythmé la vie de l’artiste; dans l’autre, l’analyse prime, laissant de côté la forme lyrique et les anecdotes. La question de la nationalité n’intervient que dans la monographie allemande. Eduard Trier avait en réalité soulevé le débat dès 1953 dans la préface du catalogue de la Galerie Der Spiegel. Il y posait la série de questions suivantes: »Wer ist Max Ernst heute? Ein Amerikaner in Paris? Ein Brühler in Köln? Heimkehrer zum Vater Rhein?« 85 Quoi de plus naturel en effet que de poser la question de l’appartenance nationale pour cet artiste qui, successivement, a habité dans trois pays et demandé les trois nationalités. L’ouvrage de Trier tente de répondre à ces interrogations identitaires. Nous l’avons vu, il souligne que le Rhin, et à travers lui l’Allemagne, est au cœur de l’œuvre de Max Ernst. Par conséquent, ce dernier reste avant tout un artiste allemand. Ce type de réflexion est symptomatique de l’Allemagne d’après-guerre. De nombreux artistes ne reviennent pas de leur exil et les critiques, Will Grohmann en tête, déplorent cette perte. Évoquer leur origine allemande est une façon de manifester un vague espoir de retour.86 En France, la situation n’est pas comparable et les critiques ne font jamais clairement mention de la germanité de tel ou tel artiste. Ils appartiennent tous plus ou moins à la grande »École de Paris«, à vocation universelle. Max Ernst y est assimilé, mais on retient généralement aussi sa nature profondément romantique. Dans sa monographie, Patrick Waldberg fait non pas du Rhin la source essentielle de sa création, mais la nuit – un thème cher à un poète tel que Novalis. Selon lui, »lyrique et exalté, tout en demeurant ironique et rieur, il revient [à Ernst] d’avoir, par son œuvre et par sa personne, actualisé l’attitude romantique«.87 Son approche montre qu’en France, la germanité et l’origine germanique d’Ernst ne sont pas ouvertement avouées, mais seulement suggérées à travers son inscription dans la tradition romantique. Cette position très nuancée dominera le discours français des années 1950 pour aboutir à la remarquable formulation de Jean Cassou dans le catalogue de la première grande rétrospective française de l’artiste au Musée national d’Art moderne de Paris. Dans sa préface, rédigée en 1959, soit la même année que la monographie de Trier, il dépasse toute idée de germanité en plaçant l’artiste dans une sphère supranationale: »le génie de Max Ernst ne se nourrit que de ses profondeurs […]. Aussi ne sert-il à rien d’enregistrer que cet artiste est de naissance
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rhénane: il faut voir en Max Ernst, au-delà des accidents de race et de culture, au-delà des lieux et des dates, un homme de même nature essentielle que les grandes figures du Romantisme Allemand, Novalis, Tieck, Hoffmann, un habitant de la même patrie idéale.« 88 Le retour de Max Ernst en Europe apparaît comme un retour aux sources, essentiellement françaises et germaniques. En France, son pays de prédilection, une continuité s’établit avec la période d’avant-guerre, sensible dans ses contacts, son style et sa place au sein de la vie artistique. Même si la plupart des événements qui célèbrent ces retrouvailles sont le fait de proches de l’artiste, son retour d’exil est réussi. La guerre et l’exil ne seront pas parvenus à écarter certains acteurs fondamentaux de la vie artistique française. Leur esthétique n’est toutefois pas celle qui prédomine: la tentative ratée des surréalistes pour retrouver leur place est un témoignage manifeste de l’impossibilité d’agir comme si rien n’avait bougé. Cependant, les années 1950 ont marqué le début de la reconnaissance de Max Ernst comme membre à part entière du paysage artistique français: l’obtention de la nationalité française en 1958 et la rétrospective organisée par Jean Cassou en 1959 viennent couronner les efforts de ses proches. En Allemagne, la rupture est plus nette, et plus ancienne: l’émigration volontaire de Max Ernst dans les années 1920 avait contribué à l’éloigner de la vie artistique; les douze années du national-socialisme ont achevé le processus. À son retour en France, les liens de l’artiste avec son pays étaient fort complexes et les premiers actes de commémoration prennent une tournure inattendue. Sa première rétrospective après-guerre, censée l’encourager à rentrer et à se réconcilier avec ses origines, se transforme en scandale politique. Ernst, qui vit l’événement de loin, considère la déroute financière qui frappe la ville comme un mauvais présage. Persuadé qu’il est vain de se rapprocher de son pays, il attendra de ce dernier un autre signe. La réception critique révèle pourtant le succès et la sensation provoquée par l’exposition: le pays redécouvrait alors avec enthousiasme les artistes proscrits, pour la plupart exilés. La réponse de Max Ernst tient finalement dans un tableau emblématique, Vater Rhein peint en 1953: en choisissant de figurer le Rhin, il montre que, malgré tous ces différends, il reste attaché à ses origines rhénanes. Mais le Rhin, bien plus qu’une personnification du pays rhénan et une frontière entre la France et l’Allemagne, apparaît comme un trait d’union entre les deux pays du peintre. En ces temps d’après-guerre et de réconciliation politique, Max Ernst incarne alors la possibilité d’un dépassement de l’idée de nationalité, par son statut d’artiste absolument franco-allemand. Ce dernier, transposant la pensée d’André Breton, n’avait-il pas luimême affirmé: »L’IDENTITÉ SERA CONVULSIVE OU NE SERA PAS.« 89
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1 Lettre de Max Ernst à Joë Bousquet, Paris, le 6 septembre 1949; Munich, Bayerische Staatsbibliothek. 2 Le point de vue esthétique prime en effet dans les articles qui traitent cette question. Voir John Russell: Max Ernst. Leben und Werk, Cologne 1966, pp. 140–157; Werner Spies: Rückkehr nach Europa, in: Max Ernst 1950–1970. Die Rückkehr der Schönen Gärtnerin, Cologne 1971, pp. 14–17; Sabine Eckmann: Max Ernst in New York, 1941–45, in: Exil. Flucht und Emigration europäischer Künstler 1933–1945, Munich et New York 1997, pp. 156–163; Werner Spies: Rückkehr nach Frankreich, in: Max Ernst. Skulpturen, Häuser, Landschaften, cat. exp., Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1998, p. 170. 3 L’autobiographie de Max Ernst est entièrement rédigée à la troisième personne du singulier. Voir Max Ernst: Écritures, Paris 1970, p. 77. Pour une étude de ces écrits, voir Thomas W. Gaehtgens: Das »Märchen vom Schöpfertum des Künstlers«. Anmerkungen zu den Selbstbildnissen Max Ernsts und zu Loplop, in: Max Ernst, cat. exp., Galerie im Lenbachhaus, Munich 1979, pp. 43–78. 4 Voir Patrick Waldberg: Max Ernst, Paris 1958, et Eduard Trier: Max Ernst, Recklinghausen 1959. 5 Voir Ernst 1970, p. 42: »1921 Une lettre de Paris Témoignage de sympathie du groupe parisien Dada. André Breton a rédigé la lettre. C’est une proposition d’exposer à Paris les collages de Max Ernst. […] le geste fraternel et courageux de Breton va décider peut-être de son avenir – courageux, car il fallait de l’aplomb pour présenter alors en France un peintre allemand.« 6 Voir Ernst 1970, p. 61. Hans Bellmer, Hans Hartung, Jean Leppien, Wols et d’autres sont également victimes de cette nouvelle législation. Voir Nicolas Surlapierre: Les artistes allemands en exil en France de 1933 à 1945: histoire et imaginaire, thèse, Université d’Amiens 2000, p. 128. 7 Lors de ce séjour, Max Ernst réalisera un frottage intitulé Apatrides aujourd’hui conservé à la Staatsgalerie de Stuttgart, Graphische Sammlung. 8 Voir Surlapierre 2000, pp. 171–204. 9 Il épouse Marie-Berthe Aurenche en 1927. Voir Ernst 1970, p. 46; Robert Lebel: Max Ernst ou le déracinement perpétuel, in: XXe siècle. Hommage à Max Ernst, numéro spécial, 1971, pp. 43–46. 10 Lettre de Paul Eluard au président Albert Sarraut, 1939; coll. part. Voir Max Ernst, cat. exp.,
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Galeries Nationales du Grand Palais, Paris 1975, p. 102. Voir Ernst 1970, pp. 61–62. Max Ernst quitte le groupe surréaliste en 1938. Voir à ce sujet Max Ernst: Die Nacktheit der Frau ist weiser als die Lehre des Philosophen, Cologne 1970, n. p. Sur la villa Air-Bel et le comité de secours américain aux intellectuels, voir André Breton: Entretiens avec André Parinaud, 1913–1952, Paris 1952, pp. 194–195; Laurence Bertrand-Dorléac: L’art de la défaite 1940–1944, Paris 1993, pp. 68–70; Varian Fry et les candidats à l'exil. Marseille, 1940–1941, cat. exp., Galerie d’Art du Conseil Général des Bouches-du-Rhône, Aix-en-Provence 1997; Varian Fry à Marseille, 1940–1941. Les artistes et l'exil, cat. exp., Fondation Mona Bismarck, Paris 2000. D’autres épisodes similaires ont lieu tout au long de son séjour américain: il subit notamment des interrogatoires en 1941 lors de sa visite au peintre Matta à Cap Code ou en 1948 lors de sa demande de nationalité américaine. Voir Ernst 1970, p. 66. George Grosz fuit l’Allemagne en 1933 et tente de devenir américain. Voir George Grosz: Ein kleines Ja und ein großes Nein. Sein Leben von ihm selbst erzählt, Hambourg 1955, p. 232: »Mein Bitterkeit ging so weit, dass ich beschloss, alles hinter mir zu lassen und zu vergessen, wer und was ich gewesen war – mit einem Wort, ein neues ›amerikanisches‹ Leben zu beginnen.« Voir Sabine Eckmann: George Grosz in New York, 1933–1945, in: Exil 1997, pp. 286–295, p. 290. Lettre de Max Ernst à Joë Bousquet, Sedona, Arizona, n. d. (probablement 1946); collection privée. Il semble au contraire s’être rapidement intégré: »Je n’ai pas trop eu de difficulté pour m’adapter à cette nouvelle vie, après toutes les catastrophes et misères que j’ai vécues en France« (Lettre à Roland Penrose et Lee Miller, 6 novembre 1941, archives aux National Galleries of Scotland, Édimbourg. Dans son autobiographie, Ernst utilise cette expression à plusieurs reprises pour désigner l’insuccès de ses expositions. Ernst 1970, p. 75. Voir Max Ernst. 30 Years of his work, a survey, cat. exp., The Copley Galleries, Beverly Hills 1949.
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21 William N. Copley fonde The Copley Galleries (1948–1951). Voir William N. Copley: Portrait of the artist as a young art dealer, Archives of American Art, Smithsonian Institution, Washington, p. 50, où il rapporte l’anecdote suivante: »This show was from a practicable point the greatest disaster of all because so much went into it. There was no appreciation. Except from the kids.« 22 Voir Werner Spies: Der Surrealismus in den U.S.A. Dokumente einer Faszination, in: Ernst 1979, pp. 97–120; Eckmann 1997 (Ernst), pp. 156–163. 23 Voir Ernst 1970, p. 75. 24 Voir Max Ernst, cat. exp., Galerie Denise René, Paris 1945. 25 Voir Ernst 1970, p. 75. 26 Paul Eluard et Max Ernst: À l'Intérieur de la vue. 8 poèmes visibles, Paris 1948. 27 Titre du compte-rendu de Pierre Descargues, in: Arts, 31 mars 1950, p. 4. 28 Lettre de Max Ernst à Joë Bousquet, le 6 septembre 1949. 29 Voir Ernst 1970, pp. 77–78. 30 Voir Ernst 1970, p. 78. C’est François-Victor Hugo qui lui procure un atelier. Dans une lettre à Julien Levy du 16 novembre 1949 (collection privée), Ernst précise: »That is considered as a miracle here to have found a studio available at all in P!« 31 Max Ernst: Printemps à Paris, 1950, huile sur toile, 116 × 91 cm, Cologne, Museum Ludwig. 32 Trente-cinq œuvres venant d’Amérique, jamais exposées auparavant, une quinzaine d’œuvres anciennes et une dizaine récemment peintes à Paris sont présentées chez Drouin. Voir Max Ernst, cat. exp., Galerie René Drouin, Paris 1950. 33 Max Beckmann: Le Départ, 1932–1933, Museum of Modern Art, New York. 34 Voir Spies 1998, p. 170. 35 Voir Le Surréalisme en 1947. Exposition Internationale du Surréalisme, cat. exp., Galerie Maeght, Paris 1947. La plupart des artistes surréalistes rentrent en Europe à partir de 1947; voir Sarane Alexandrian: L’art surréaliste, Paris 1969, p. 195. 36 Exposition organisée à l’occasion de la sortie du livre de Benjamin Péret: La brebis galante, Paris 1949, illustré par l’artiste; Max Ernst, avec une préface d’André Breton, cat. exp., Galerie la Hune, Paris 1950. 37 Lettre de Max Ernst à Julien Lévy, Paris, 16 novembre 1949, collection privée.
38 Voir René Drouin, Galeriste et éditeur d’art visionnaire. Le spectateur des arts 1939–1962, cat. exp., Musée de l’Abbaye Sainte-Croix, Les Sables d’Olonne 2001, p. 172. 39 René Drouin avait organisé la première rétrospective française de Kandinsky en 1946 et selon Michel Ragon, il faisait »le travail que les musées ne faisaient pas«. Voir Jean-Paul Ameline et Véronique Wiesinger: Entretien avec Michel Ragon, in: Denise René, l’intrépide. Une galerie dans l’aventure de l’art abstrait. 1944–1978, cat. exp., Centre Pompidou, Paris 2001, pp. 68–74, p. 68. 40 Charles Estienne: Max Ernst, in: Art d’aujourd’hui, mars 1950, p. 47. 41 André Chastel: Retour de Max Ernst, in: Le Monde, 14 avril 1950, p. 7. 42 Estienne 1950. 43 Patrick Waldberg: Max Ernst peintre pour jeunes, in: Combat, 1er –2 avril 1950, p. 4. 44 Waldberg 1958, p. 372. 45 Titre d’un article de Will Grohmann, in: Neue Zeitung, 1951, cité d’après Loni et Lothar Pretzell, Max Ernst vu de son pays natal, in: XXe siècle. Hommage à Max Ernst, numéro spécial, 1971, pp. 3–8, p. 6. 46 Walter Cohen, cité d’après Pretzell 1971, p. 5. 47 Son ex-femme Louise Straus-Ernst, par exemple, avec qui il avait gardé des relations amicales et qui était très active en tant qu’historienne de l’art dans la région rhénane, avait également fuit avec leur fils Jimmy à Paris. Voir Louise Straus-Ernst: Nomadengut, Hanovre 1999. 48 Voir Eduard Trier: Rheinische Kunst. Eine Ausstellung im Brühler Schloss, in: Die Neue Zeitung, n° 163, 12 juillet 1950, cité d’après Eduard Trier. Schriften zu Max Ernst, Jürgen Pech (éd.), Cologne 1993, pp. 127–128. 49 Ibid. 50 Max Ernst: La Belle jardinière, 1923, huile sur toile, anciennement conservée à Düsseldorf, détruite en 1939, et Muschelblumen, vers 1928, huile sur toile, disparue, anciennement conservée à la Nationalgalerie Berlin. Voir Entartete Kunst. Das Schicksal der Avantgarde im NaziDeutschland, Stephanie Barron (éd.), Munich 1997, p. 232. 51 Max Ernst, cité par Eduard Roditi, in: Chagall, Ernst, Miró. Propos sur l’art, Paris 1967, p. 108. 52 Né en 1909, Lothar Pretzell suit des études d’histoire de l’art dans différentes villes d’Allemagne et à Paris; il consacre sa thèse aux sculptures baroques de Salzbourg, où il se trouve
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pendant la guerre. En 1946, il est nommé directeur du Kunstgutlager de Celle, dans la zone d’occupation britannique. Voir Kürschners deutscher Gelehrtenkalender, vol. 7, 1950; Lebendiges Gestern, Erwerbungen von 1959 bis 1974, Museum für Volkskunde, Berlin 1975, p. 8. Voir Ernst 1970, pp. 78–80. Max Ernst, Gemälde und Graphik 1920–1950, cat. exp., Stadt Brühl, Brühl 1951. Franz Roh: Die andere Wirklichkeit. Was ist Surrealismus?, in: Neue Zeitung, Munich, 28 janvier 46; voir Eduard Trier: Klassiker des Surrealismus. Max Ernst-Ausstellung in Brühl, in: Neue Zeitung, 27 juillet 1951, cité d’après Pech 1993, pp. 134–135. Voir Franz Roh: Surrealismus in der bildenden Kunst, in: Prisma 7/1947, pp. 15–16, et Eduard Trier: Über die Technik des Surrealismus, in: Kölnische Rundschau, 23 juillet 1948, cité d’après Pech 1993, pp. 122–123. Voir Surrealismus 1924–1949, Texte und Kritik, Alain Bosquet (éd.), Berlin 1950, pp. 49–64; Surrealistische Publikationen, Edgar Jené et Max Hölzer (éds.), Klagenfurt 1950, pp. 5–13. Voir Lothar Pretzell: Zu Max Ernst und seinem Werk, in: Max Ernst 1951, p. 12. Pretzell 1971, pp. 3–8, p. 6. Ibid. Ibid. Will Grohmann: Les expositions en Allemagne. Aperçu sommaire, in: Cahiers d’art 27/1952, pp. 97–98, p. 97. Pretzell 1971, p. 6. Nous ne disposons que de très peu d’informations à ce sujet. La rétrospective de Berlin a lieu du 15 novembre au 26 décembre 1951 à Zehlendorf, Amt für Ausbildung, Haus am Waldsee. Voir 45 und die Folgen: Kunstgeschichte eines Wiederbeginns, Ekkehard Mai (éd.), Cologne 1991. Max Ernst rentre à Sedona en Arizona à la fin de 1950. Max Ernst: Die Geburt der Komödie, 1947, huile sur toile, 53 × 40 cm, Museum Ludwig, Cologne. Voir Eduard Trier: Surrealismus mit realistischem Defizit. Brühl schätzt zwar Max Ernsts Ruhm, doch nicht seine ›Richtung‹, in: Neue Zeitung, Ausgabe Frankfurt am Main, n° 214, 12 septembre 1951, et Max Ernst, cité in: Roditi 1967, pp. 107–113. Voir également Jürgen Pech: Die Max-Ernst-Ausstellung 1951 in Brühl, in: Max Ernst, Photographische Porträts und Dokumente, cat. exp., Kreuzgang des historischen
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Franziskanerkloster, Brühl 1991, pp. 227– 229. Lettre de Max Ernst à Loni Pretzell, 1949, Archives Max-Ernst-Kabinett Brühl. Voir Max Ernst – Bilder 1953, cat. exp., Galerie der Spiegel, Cologne 1953. Voir la riche correspondance entre Eva et Hein Stüncke et Max Ernst, conservée au Zentralarchiv des Internationalen Kunsthandels e. V., Cologne. Eduard Trier: Der Erz-Surrealist, Max Ernst in Köln, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, n° 234, 8 octobre 1953, cité d’après Pech 1993, pp. 139–140. Max Ernt, in: Max Ernst, cat. exp., Cologne et Zurich 1962, p. 34. Max Ernst: Vater Rhein, 1953, huile sur toile, 114 × 146 cm, Öffentliche Kunstsammlung, Kunstmuseum, Bâle. Max Ernst: Das Schnabelpaar: acht Farbradierungen u. ein Gedicht, Bâle 1953. Traduit par l’artiste en français par Hirondil Hirondelle. Max Ernst: Some data on the youth of M. E. as told by himself, in: Max Ernst Beyond painting, Robert Motherwell (éd.), New York 1948, pp. 26–27. Voir Max Ernst, cat. exp., Galerie Vignon, Paris 1930. Voir Gaehtgens 1979, p. 63, et l’ouvrage de référence de Werner Spies: Max Ernst-Loplop, l’artiste et son double, Paris 1991. Ernst 1970, p. 42. Voir Eduard Trier: Max Ernsts „Vater Rhein“ und seine Quellen, in: Pech 1993, pp. 91–103. Eduard Trier: Wer ist Max Ernst heute?, in: Max Ernst, Cologne 1953, p. 7. Voir également Eduard Trier: Max Ernst huldigt dem Vater Rhein. Der Maler und seine neuen Bilder in Köln, in: Die ZEIT, n° 48, 26 novembre 1953, cité d’après Pech 1993, pp. 145–146. Il est entre autres l’auteur d’un ouvrage sur le surréalisme. Voir Patrick Waldberg: Le Surréalisme, Genève 1962. Pendant la guerre, Patrick Waldberg (1913–1985) est tour à tour à Londres, Alger et Paris. Il est à New York dès 1944 et se rend chez Max Ernst à Sedona en novembre 1945. Voir Patrick Waldberg: Max Ernst en Arizona, in: XXe siècle 1971, pp. 53–57; voir Isabelle & Patrick Waldberg. Un Amour acéphale (correspondance 1940–1949), Michel Waldberg (éd.), Paris 1992. Eduard Trier est historien d’art et a enseigné comme professeur au Kunsthistorisches Institut
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de l’université de Bonn et à la Kunstakademie de Düsseldorf. Voir Eduard Trier. Jetzt ist die Katze aus dem Sack. Kritiken und Kommentare: eine Auswahl, Wilfried Dörstel (éd.), Bonn 2000. 84 Voir Pech 1993. 85 Eduard Trier, in: Max Ernst 1953, p. 7.
86 Pretzell 1971, p. 6. 87 Waldberg 1958, p. 412. 88 Jean Cassou: Max Ernst, cat. exp., Musée national d’Art moderne, Paris 1959, n. p. 89 Max Ernst: Identité instantanée, Au-delà de la peinture. Identité instantanée (1936), cité d’après Ernst 1970, pp. 237–269, p. 268.
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»In Deutschland blieb Wols unbekannt.« Phasenverschiebung einer deutsch-französischen Rezeption
Philipp Gutbrod
Ein Mythos? In seiner Rezension zur ersten deutschen Wols-Ausstellung 1955 in der Kölner Galerie Der Spiegel schrieb Eduard Trier: »Wols ist ja die letzte – und wie immer posthume – Entdeckung für die deutsche Kunst. Franzosen und Amerikaner sind uns allerdings in der Würdigung des Landsmannes, der 1951 in bitterster Armut in Paris starb, zuvorgekommen.« 1 Die Beobachtung von Trier fällt in das Jahr, in dem Wols endlich auch in Deutschland breitere Beachtung erfuhr, nachdem die internationale »Würdigung des Landsmannes« schon zu seinen Lebzeiten eingesetzt, sein Werk in mehrere Ausstellungen, private und öffentliche Sammlungen Einlaß gefunden sowie einen Widerhall in der französischen Kunstkritik erfahren hatte. Triers Aussage beinhaltet aber auch einen Mythos, nämlich den des armen, verkannten Künstlers. Wenn etwa die Rede von Ausstellungen oder Verkäufen von Wols’ Werken ist, so werden sie bis heute »mit geringer und verständnisloser Resonanz und kaum finanziellem Erfolg« beschrieben.2 Immer wieder findet sich auch in der Literatur der Satz: »Wols ist ein Mythos«.3 Dieser Mythos gründet wie so viele Künstlerlegenden auf der Vorstellung eines künstlerisch tätigen Menschen, dessen Œuvre erst nach seinem Tod Anerkennung gefunden haben soll. Zu Recht hat Eduard Beaucamp 1990 in einem Zeitungsartikel mit dem Titel Wols gereinigt und ohne Pathos betont, der Zugang zu Wols sei »durch die Klischees und Legenden, das exegetische Gefühlsklima und Schicksalsgeraune der Nachkriegszeit verstellt.« 4 So existiert nach wie vor keine Studie, die seine Rezeption in den vierziger und frühen fünfziger Jahren genauer untersucht. Im Folgenden soll deshalb gefragt
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werden, welche Stellung Wols in der Pariser Kunstszene einnahm und wie zwischen 1945, dem Jahr, als er nach Paris zurückkehrte, und der ersten documenta (1955) seine Kunst in Frankreich und Deutschland rezipiert wurde. Hierbei wird auch die Frage zu berücksichtigen sein, ob Wols’ deutsche Herkunft bei der Bewertung seiner Kunst eine Rolle gespielt hat.
Mikrokosmen Am 17. Dezember 1945 reiste Wols von Dieulefit, dem Ort, wo er die letzten drei Jahre gelebt hatte, nach Paris, um in der Galerie René Drouin erstmals Aquarelle von sich in Europa auszustellen (Abb. 81). Der renommierte Galerist an der Place Vendôme hatte in zwei Ausgaben der Wochenzeitung Arts eigens eine Anzeige für die Ausstellung geschaltet.5 Es ist, nur wenige Monate nach Kriegsende, das früheste Beispiel, daß ein Kunsthändler in der französischen Hauptstadt nach der Besatzung die Einzelausstellung eines deutschstämmigen Künstlers organisierte. Drouin hatte Wols im April 1945 in Dieulefit kennengelernt und im Laufe des Jahres für 100 000 Francs fünfzig Arbeiten auf Papier von ihm erworben, um sie nun in seiner Galerie zu zeigen.6 Zur Ausstellung erschien ein kleines Buch mit vierzehn Reproduktionen, Texten von Henri-Pierre Roché, Jean Sylveire und Camille Bryen, Aphorismen von Wols sowie mit von ihm selbst ausgewählten philosophischen und literarischen Zitaten, die unter anderem von Van Gogh, Sartre, Lautréamont, Michaux, Paulhan und Nietzsche stammten. Die Ausstellung wurde in der Presse besprochen. Ein anonymer Autor in Arts nannte Wols einen »nouveau visionnaire qui apparaît au ciel des songes«.7 Aus der Formulierung geht hervor, daß der Künstler dem Pariser Publikum offensichtlich bis dahin nicht bekannt war. Mit keinem Wort wurde darauf hingewiesen, daß es sich um die erste Aquarell-Ausstellung des Künstlers in Europa überhaupt handelte. Ebensowenig fanden Wols’ deutsche Herkunft und Werdegang Erwähnung. Anstatt biographische Informationen über den Künstler zu geben, wurden die kleinteiligen abstrakten Motive mit naturwissenschaftlichen Begriffen wie »microcospique [sic]«, »souvenirs anatomiques«, »état tourbillonnaire« oder »constatations astronomiques« umschrieben und die technische Qualität seiner Zeichnungen betont.8 Eine andere Besprechung der Ausstellung erwähnte die changierende Wirkung der gegenständlichen Motive: »une ville (fait penser) à une feuille de température, une figure à une [sic] tube digestif. […] Il y a […] des détails de ces planches de dermatologie qui dégoûtent de l’amour.« 9 Angesichts der Kunst von Wols und des Katalogtexts von Roché, den er mit »Sacré Roché!« kommentierte, zeigte sich der Verfasser Georges Besson wenig beeindruckt.10 Denn obgleich er in den dargestellten Gegenständen das surrealistische Prinzip der Metamorphose zu
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Einladungskarte zur Ausstellung Wols 1945 in der Galerie René Drouin, Paris.
erkennen glaubte, ist ein zynischer Unterton unverkennbar. Beiden Besprechungen ist gemein, daß kein Vergleich zu anderen Künstlern gezogen und keine Kunstrichtung erwähnt wird. Wols’ Arbeiten wurden nicht in ihrem kunsthistorischen Kontext betrachtet, vielmehr betonte man durch Vergleiche mit Natur und Naturwissenschaften ihre Eigentümlichkeit. Eine ähnliche Sicht auf Wols spricht aus einem Brief des Schweizer Politikers und Historikers Carl Jacob Burckhardt: »Kleine Aquarelle, 5 auf 7 cm, alle in weissen an der Wand angebrachten Kästen indirekt beleuchtet, so dass man in diese Schwelgereien hineinsieht, wie in die Welt eines Aquariums; auch Kryptogramme, Hieroglyphen oder Archetypen, Plasma und Formeln aus einer Zwischenwelt […], Mikrokosmen […], Atome und ihre Trümmer«.11 Wie die französischen Kommentatoren bemühte Burckhardt naturwissenschaftliche Begriffe, um die Bilder zu umschreiben. Besonders ist jedoch, daß er im weiteren Verlauf die Kunst von Wols erstmals in Beziehung zu anderen Künstlern stellte, und zwar nicht zu modernen Malern, sondern indem er in Wols’ wuchernden Naturformen Ähnlichkeiten zu Werken von Alten Meistern zu erkennen glaubte: »Manches, was schon bei Elsheimer, das in den Hintergründen Altdorfers, auch in gewissen Augenblicken des Isenheimer-Altars angedeutet ist, oder in dieser oder jener Muschel, die Patenier irgendwo in einem Bild als Traum […] gemalt hätte. In was für Spannungen steht ein Zeitalter, in dem Derartiges möglich ist«.12 Burckhardts Ansatz zufolge war die Verwandtschaft der Künstler also in der sorgfältigen Darstellung von Naturformen und im Interesse an den Naturkräften begründet.
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Erste Erfolge In der Literatur ist regelmäßig zu lesen, Wols’ erste Pariser Ausstellung habe keinen finanziellen Erfolg gebracht. In Wirklichkeit war die Zeit unmittelbar danach, auch wenn keine genauen Verkaufszahlen überliefert sind, für Wols äußerst erfolgreich. So ist im Archiv von Werner Haftmann vermerkt, daß Samy Chalom einige Blätter aus der Ausstellung gekauft hat.13 Neben einigen Verkäufen an Privatsammler fanden Werke von Wols sogar Eingang in öffentliche Sammlungen: 1946 wurde aus der Galerie René Drouin ein Ölbild für das Museu de Arte de São Paulo gekauft, und das französische Kulturministerium erwarb vier Aquarelle, die 1951 dem Musée national d’Art moderne übergeben wurden.14 Nur einige Monate nach seiner Ankunft in Paris und nach lediglich einer Ausstellung hatte Wols folglich schon private und öffentliche Förderer in der französischen Hauptstadt gefunden. Die frühen Erfolge sind um so erstaunlicher, wenn man sich die deutsche Herkunft des Künstlers vergegenwärtigt. Nach der Ausstellung begann Wols verstärkt in Öl zu malen. Von Drouin mit Malutensilien ausgestattet, vollendete er 1946/47 über vierzig Leinwände, die vom 22. Mai bis 17. Juni 1947 wiederum in der Galerie René Drouin gezeigt wurden. Im Katalog findet sich ein Text des Kunstkritikers René Guilly, dessen Bedeutung in der Wols-Literatur gewürdigt, von der Informel-Forschung jedoch bis dato nicht erkannt worden ist.15 Guilly hat in ihm nicht nur Maßgebliches zur Kunst von Wols geschrieben, sondern bereits wichtige Positionen der Malerei benannt, die man bald darauf als »Tachismus« oder »Informel« bezeichnete. In seinen Augen vertrat Wols eine neue Richtung, die durch die Errungenschaften des Surrealismus (»le monde intérieur«) und der abstrakten Kunst (»non-figuration«) zu deren Überwindung und damit zu einer zeitgemäßen Ausdrucksweise gefunden habe. Der »vrai peintre« könne mit einer befreiten Malweise, statt Formexperimente auszuführen, nun seine Individualität ausdrücken, ohne aber wie im Surrealismus Symbole zu verwenden, die sich im Sinne Freuds deuten ließen. Guilly kritisierte den Surrealismus, da diesem das Motiv wichtiger sei als die malerische Ausführung. In der neuen Malerei hingegen seien die »moyens« der Inhalt selbst, und je größer deren Stärke desto gehaltvoller das Werk. Der Künstler offenbare sich nur durch seine Malerei: »[Il] se trouve et se révèle à nous«. Hierbei sei der Akt des Malens von großer Bedeutung: »Un tableau c’est un événement, la révélation d’un comportement objectivé.« Guilly schrieb auch von der »véhémence de Wols«, eine Bezeichnung, die im März 1951 der historischen Ausstellung des Informel Véhémences confrontées in der Galerie Nina Dausset ihren Titel geben sollte. An dieser Stelle bleibt festzuhalten, daß der Beitrag von Guilly bereits entscheidende Merkmale und
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Quellen der informellen Malerei benannte, ihre Inhalte und neuartige Rezeption durch den Betrachter erörterte und Wols als einen ihrer Hauptvertreter vorstellte.
Taches In einem Brief an Haftmann berichtete Gréty Wols über die Reaktionen auf die zweite Ausstellung bei Drouin: »L’exposition […] a donné lieu aux critiques unanimement diffamatoires. Messieurs les critiques – devant une œuvre si révolutionnaire – n’ont vu QUE des taches.« 16 In der Tat fällt auf, wie oft die Zeitgenossen in Bezug auf Wols’ Gemälde den Begriff »taches« verwendet haben.17 Die Wortwahl lag in der unkonventionellen Malweise begründet. Die Ölbilder kennzeichnen Farbaufträge der unterschiedlichsten Art – Farbspritzer, Verwischungen, Grattage, Finger- und Tubenabdrücke 18 –, die Wols größtenteils schon in seinen Arbeiten auf Papier entwickelt hatte. Die meisten Kunstkritiker sahen darin lediglich einen chaotischen Ausdruck, eine willkürliche Ansammlung an Flecken. Bei näherer Betrachtung offenbaren die Bilder aber, wie sorgfältig Wols die verschiedenen Malschichten aufgetragen hat. Die Gemälde entspringen nicht nur aus einer spontanen, expressiven Zeichensetzung, sondern auch einer in Stufen erarbeiteten Komposition.19 Diese malerische Qualität wurde nur von wenigen erkannt. Zu ihnen zählte Denys Chevalier, der die abwechslungsreiche Linienführung und harmonische Farbgebung hervorhob.20 Für Jean-José Marchand oszillierten die Gemälde von Wols »entre le barbouillage des enfants et certaines soleries chinoises«.21 War die abstrakte Formensprache der Aquarelle in der ersten Ausstellung noch als Naturdarstellung gedeutet worden, sahen Chevallier und Marchand angesichts der Gemälde keine Beziehung mehr zur Wirklichkeit, sondern Widerspiegelungen einer »monde intérieur« 22 und reine »poésie« 23. In beiden Kritiken kommt eine psychologische Deutung der Werke zum Tragen, die in der Idee der écriture automatique wurzelt. Marchand erwähnte, daß Wols zunächst den Surrealisten zugerechnet worden sei, und – obwohl er sich gegen eine solche Zuordnung gewehrt habe –, doch stets »un poète« geblieben sei. Anders als Guilly sah Marchand in der Wols’schen Kunst daher keine Überwindung des Surrealismus, sondern die Fortführung eines lyrischen Ausdrucks, wie er auch bei Henri Michaux zu finden sei. Marchand hat im selben Jahr das Vorwort für den Katalog der von Georges Mathieu organisierten Gruppenausstellung L’Imaginaire verfaßt, an der auch Wols beteiligt war. Sie war als erste Manifestation gegen die zu dieser Zeit dominierende abstraction géométrique konzipiert, so hatte ihr Titel ursprünglich Vers l’abstraction lyrique lauten sollen. In seinem Beitrag unterschied Marchand die zeitgenössische
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abstrakte Kunst in zwei Strömungen. Die eine stellte er in die Nachfolge von Cézanne, die andere in die von Van Gogh. In der Tradition des letzteren ständen die in der Ausstellung versammelten Künstlern, da sie »un lyrisme dégagé de toutes les servitudes et des pseudo-problèmes« anstrebten. Schon hier wird deutlich, daß Wols 1947 in eine sich neu formierende Kunstbewegung integriert war, die sich aus dem Surrealismus entwickelt hatte und gegen die geometrische Abstraktion Stellung bezog. Doch diese neue Malerei wurde von verschiedenen Seiten heftig attackiert.24 Éclaboussures 1947 erschienen einige Artikel, die in Zusammenhang mit Wols’ Bildern von »éclaboussures« sprachen, was sich mit »angespritzter Straßenschmutz« übersetzen läßt: »Ce bohème, le peintre Wols, qui lança l’Ecole Eclaboussuriste«, heißt es etwa bei René Buffet.25 War die Verwendung des Wortes »taches« nicht unbedingt pejorativ, ist »éclaboussures« nichts Positives zu entnehmen. In einem undatierten Aphorismus hat Wols darauf reagiert. Es handelt sich um eines der raren Dokumente, in denen Wols Stellung zu der an ihm geübten Kritik genommen hat: »Eclaboussures wols se venge […] il sait qu’il est un emmerdeur. mais il aime sincèrement la matière qui nous entoure«.26 Der Wunsch sich zu »rächen« läßt auf persönliche Betroffenheit schließen, der Wols rhetorisch zu begegnen versuchte, indem er die im Wort »éclaboussures« suggerierte schmutzige und chaotische Wirkung seiner Gemälde aufgriff und sich selbst einen »emmerdeur« nannte, dessen »Dreck« er unter »la matière« subsumierte. »La matière« ist folgerichtig der Ursprung seiner Kunst und umfaßt die »Natur« im weitesten Sinne, also nicht nur Naturformen, sondern auch Naturprozesse, etwa die Auswirkung von Naturkräften auf Objekte (Risse, Brüche, Aufplatzungen), Wachstums- und Alterungsprozesse (keimende Pflanzen, Verwesung etc.). Wols machte hier deutlich, daß seine Kunst sich nicht mehr nach einem klassischen Schönheitsideal beurteilen ließ, sondern sich für Natur jeglicher Art interessierte. Vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, daß Gréty Wols in verschiedenen Briefen den Begriff
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Wols: [ohne Titel (La première éclaboussure)], 1946/47, Ölfarbe, Grattage, Abdrücke auf Leinwand, 92 × 73 cm, Paris, Privatsammlung.
»éclaboussures« und die Wortschöpfung »éclaboussurisme« verwendet hat. Nach dem Tod ihres Mannes betitelte sie ein Ölgemälde, das 1947 bei Drouin gezeigt und als erstes Werk im Katalog abgebildet worden war, La première éclaboussure (Abb. 82).27 Auf ihm ist in der unteren Hälfte ein Motiv aus schwarzen Farbspritzern zu erkennen, das einen starken Bezug zum Titel besitzt. Das Gemälde befand sich in Besitz von Michel Tapié (Abb. 37), der es 1952 in seinem Buch Un art autre où s’il agit de nouveaux dévidages du réel abbildete, Wols jedoch nur in einem Satz erwähnte.
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Seit 1947 erhielt Wols Aufträge für Buchillustrationen zu Kafka, Paulhan, Sartre und Artaud. Seine Werke wurden nun in Frankreich, Italien, Brasilien, Argentinien sowie abermals in den USA gezeigt und fanden Eingang in bedeutende internationale Sammlungen. 1949 unterschrieb er beim Galeristen Pierre Loeb einen Vertrag für zwei Jahre, der ihm finanzielle Sicherheit gab. Im Jahre 1950 besaß er ein eigenes Auto, ein Jahr später waren es schon zwei, auch wenn er in einer bescheidenen Unterkunft in Champigny-sur-Marne wohnte.28 Es stellt sich also die Frage, wie es möglich war, daß ein gebürtiger Deutscher in den ersten Nachkriegsjahren einen solchen Erfolg in Paris haben konnte. Wußte man dort überhaupt um seine Herkunft?
Die deutsche Herkunft Obwohl Wols seit seiner Weigerung 1935, sich zum Reichsarbeitsdienst zu melden, als Staatenloser galt, wurde er bei Kriegseintritt Frankreichs im September 1939 als Deutscher verhaftet und vierzehn Monate in verschiedenen Lagern interniert.29 Nach seiner Entlassung mußte er bis zu seinem Tod jeden Wohnortwechsel bei der französischen Polizei melden.30 Um sich von der Meldepflicht zu befreien, bemühte sich Wols 1950/1951 um die offizielle Anerkennung als émigrant, wobei ihn mehrere Pariser Intellektuelle, unter ihnen der befreundete Schriftsteller Paulhan, unterstützten.31 Dieses Bemühen, das ohne Erfolg blieb, weist darauf hin, daß Wols nicht vor hatte, nach Deutschland zurückzukehren.32 Zum einen erschien eine Rückkehr schon aus finanziellen Gründen nicht sinnvoll, konnte er in Deutschland doch nicht mit einem ähnlichen Erfolg rechnen wie in der französischen Metropole. Zum andern zeichnete sich schon in den dreißiger Jahren eine Distanzierung von seiner Heimat ab. So erfolgte die Annahme eines Pseudonyms im Jahre 1937 sicherlich nicht – wie in der Literatur häufig zu lesen – nur wegen eines zufällig fragmentierten Telegramms. Wols konnte sich auf diese Weise von der stärksten Bindung zu seiner Heimat lösen, nämlich von seinem deutschen Namen Wolfgang Schulze. Nach der Befreiung fand seine deutsche Herkunft bis zu seinem Tod in keinem Zeitungsartikel oder Ausstellungskatalog Erwähnung. Sein Pseudonym ließ sich, im Gegensatz zum Geburtsnamen, keiner Nationalität zuordnen. Dennoch kann man wie der Maler Heinz Trökes davon ausgehen, daß in der Pariser Kunstszene »alle wußten, daß er [Wols] Deutscher war«.33 Zumindest lassen Wols’ zahlreichen persönlichen Kontakte vor und nach dem Krieg eine verbreitete Kenntnis seiner Herkunft vermuten. Doch weshalb wurde diese nie thematisiert? Ein Grund lag in der internationalen Zusammensetzung der École de Paris. Roger Lesbats schrieb über den Status der in Frankreich lebenden ausländischen Künstler: »Es
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ist ziemlich gleichgültig, ob diese Maler in Frankreich geboren sind oder nicht. Leben sie doch in Frankreich und haben in Frankreich eben diejenige Atmosphäre gefunden, die für ihre Berufung ihre Ziele und ihre Arbeit günstig […] ist.« 34 Eine wichtige Ergänzung verdanken wir Hann Trier, der rückblickend konstatierte: Die »Abwehr deutscher Nachkriegskunst nach 1945 galt aber nur für in Deutschland lebende Künstler. Einmal woanders ansässig, hatte man als Deutscher im Ausland nicht mehr Reserve zu befürchten gehabt wie irgendeine andere Nationalität.« 35 Diese Aussagen geben Aufschluß darüber, daß sich Künstler aus Deutschland in der französischen Hauptstadt etablieren konnten, wenn sie sich dort niederließen. Entscheidend war ihr Eingebundensein in die dortige Kunstszene. Die Ausstellungen, Besprechungen, Verkäufe und persönlichen Kontakte belegen, daß es Wols schon früh gelungen war – wie auch anderen deutschstämmigen Künstlern, zum Beispiel Hans Hartung und Francis Bott –, Teil des Pariser Kunstlebens zu werden.36 Eva Stünke hat treffend formuliert, daß »in diesen Jahren die Ecole de Paris mehr eine Ecole d’Europe [war], eines Europa, das hier zusammenrückte.« 37 Trotzdem bleibt auffällig, daß Wols’ deutsche Herkunft bis zu seinem Tod nie genannt wurde. Ist dies auch darauf zurückzuführen, daß sein Galerist Drouin es vermied, die deutsche Herkunft von Wols publik zu machen? Die von Trier und Stünke betonte Aufgeschlossenheit gegenüber in Frankreich lebenden deutschen Künstlern galt lediglich für den kleinen Kreis der École de Paris und ihre intellektuellen Freunde, für die französische Bevölkerung kann dies nach Krieg und Okkupation nicht vorausgesetzt werden. Erst nach dem Tod von Wols im Jahr 1951 wurde seine Deutschstämmigkeit in französischen Veröffentlichungen erwähnt. Louis-Paul Favre etwa sprach 1955 in einer Ausstellungsbesprechung von »Cet Allemand […], ce peintre d’une rare puissance dont le nom et le génie semblent oubliés par ceuxlà mêmes qui suivent ses traces […]. Toute une catégorie de peintres actuels, jeunes pour la plupart […] vivent sur l’héritage du créateur que fut Wols.« 38 Was unmittelbar nach 1945 noch undenkbar gewesen war, wurde hier nun behauptet, nämlich daß die junge, aktuelle französische Malerei in der Nachfolge eines deutschen Künstlers stehe. Es mag Zufall sein, doch just in diesem Jahr wurden erstmals in seinem Geburtsland Werke von Wols gezeigt, in der Kölner Galerie Der Spiegel und auf der ersten documenta.39
Deutschland nach 1945 Angesichts des Erfolgs in Paris erscheint der späte Zeitpunkt verwunderlich, besonders dann, wenn bedacht wird, daß schon zu Lebzeiten des Künstlers wieder rege kulturelle Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich bestanden.40 Zu-
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83 Wols: [ohne Titel], 1949, Tuschfeder, 21,6 × 15,3 cm, Freiburg im Breisgau, Museum für neue Kunst, Graphische Sammlung des Augustinus.
dem hatte Wols mit zwei Personen unmittelbaren Kontakt, die für den kulturellen Austausch der Länder federführend verantwortlich waren: Kurt Martin und Maurice Jardot. Martin war nach dem Zweiten Weltkrieg Direktor der Karlsruher Kunsthalle und des Badischen Landesamts für Museen, Ausstellungen und Sammlungen, in dem Wols’ Schwester, Elfriede Schulze-Battmann, als Assistentin arbeitete. Martin war es, der 1948 vom Gouvernement Militaire neunzig französische Druckgraphiken als Geschenk empfing, die der französische Kulturoffizier Jardot zusammengetragen hatte.41 Nach Berichten von Schulze-Battmann hat Martin nach dem Krieg Wols in Paris besucht.42 Jardot hat den Künstler ebenfalls kennengelernt und eine Zeichnung von ihm erworben, die er der Graphischen Sammlung des Augustinus Museums in Freiburg schenkte (Abb. 83).43 Wols hatte folglich Zugang zu wichtigen Funktionsträgern des deutsch-französischen Kulturtransfers. Trotzdem wurden zu Lebzeiten auf keiner deutschen Ausstellung Werke von ihm gezeigt. Ein anderer deutsch-
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stämmiger Maler hingegen, die Rede ist von Hans Hartung (Abb. 26), wurde in diesem Zeitraum mehrfach in Deutschland ausgestellt, etwa auf den Ausstellungen Französische abstrakte Malerei des Stuttgarter Nervenarztes Ottomar Domnick (1948/49 in Stuttgart u. a.; Abb. 3), Französische Malerei und Plastik 1938–1948 organisiert vom Service des Relations artistiques (1950 in Düsseldorf und Berlin) sowie Junge französische Maler stellen aus (1951 im Freiburger Kunstverein u. a.). Mittels eines Vergleichs der beiden Künstler Wols und Hartung lassen sich die Faktoren benennen, die für eine Ausstellungsbeteiligung in Deutschland entscheidend waren.
Wols und Hartung Die Lebensstationen von Wols und Hartung weisen viele Gemeinsamkeiten auf. Schon in seiner Jugend nahm Wols an Abenden der Dresdner Gruppe Hirsche teil, zu der unter anderen Will Grohmann, Fritz Löffler und Fritz Bienert gehörten.44 Hartung hatte Grohmann und Bienert 1931 anläßlich seiner ersten Ausstellung in der Dresdner Galerie Kuhl kennengelernt. Letzterer erwarb damals ein Ölgemälde von ihm, das Wols, der in engem Kontakt mit der Familie Bienert stand, mit Sicherheit gekannt hat. Beide Künstler sind Anfang der dreißiger Jahre nach Paris ausgewandert, haben dort ausgestellt und wurden bei Kriegsausbruch interniert.45 Seit 1947 lebten sie in der französischen Hauptstadt, präsentierten ihre Werke in Einzelausstellungen und waren beide in den wichtigen Gruppenausstellungen H.W.P.S.M.T.B. 1948 bei Colette Allendy, L’Imaginaire und Véhémences confrontées vertreten. Trotz dieser Gemeinsamkeiten hat sich kein intensiver Kontakt zwischen ihnen entwickelt.46 Dies könnte in ihrem konträren Kunstverständnis begründet gewesen sein. Mathieu hat schon 1951 den entscheidenden Unterschied zwischen Wols und Hartung in einem Diagramm zum Ausdruck gebracht, das er im Katalog der Ausstellung Véhémences confrontées veröffentlichte (Abb. 84). Darin ordnete er den beiden hinsichtlich ihres Verhältnisses zu »A-FORMALISME« und »FORMALISME« zwei diametrale Positionen zu. Tatsächlich stand im Vordergrund von Hartungs Malerei die Formsuche, die Verwirklichung einer bestimmten Formgestalt, wohingegen Wols dem Zufall als Ausdruck von physikalischen Naturkräften eine wichtige Funktion einräumte. Der Künstler hat sich hierzu in einem Aphorismus folgendermaßen geäußert: »le Hazard [sic] est un grand maitre puis qu’il n’est pas au hazard le hazard n’existe que dans nos yeux il est un agent du maitre ›univers‹« 47
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84 Georges Mathieu: Tentative de situation par rapport aux coordonnées Formalisme / Expressivité pour l’exposition‚ Véhémences confrontées, 1951.
Und Hartung kennzeichnete 1947 die Malerei von Wols in einem Brief an Grohmann folgendermaßen: »eine Menge von Einflüssen: Feininger, Klee, Botanik, Abstraktion und technischen Zufallsprodukten.« 48 1953 äußerte Hartung sich grundsätzlich zur Abstraktion, die sich seiner Meinung nach in zwei Lager gespalten hatte. Während das eine in der Nachfolge Mondrians der »construction« folge, habe sich das andere – zu ihm zählte er Mathieu, Pollock und eben Wols – dem »automatisme« verpflichtet. Die Maler des ersten Lagers kritisierte Hartung als »trop intellectualisés«, die des letzteren als »un peu abusifs dans leur façons d’exploiter la transe et les accidents du métier.« 49 Aus dem Zitat spricht Hartungs Distanzierung gegenüber einer zu kontrollierten beziehungsweise zu unkontrollierten abstrakten Kunst, seine eigene sah er zwischen den beiden angesiedelt. Nicht nur Hartung hatte eine kritische Sicht auf die in der abstrakten Malerei zu findenden »accidents du métier«. Auch sein größter Förderer, der Sammler Ottomar Domnick, bevorzugte eine formstrengere Abstraktion, neben der die unkonventionelle und vehemente Malweise von Wols keinen Platz hatte.50 Deshalb kam es für Domnick auch nicht in Frage, Wols zu der Wanderausstellung Französische
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abstrakte Malerei einzuladen. Noch wichtiger als Domnick hätte für Wols der einflußreiche Grohmann sein können, zu dem der Künstler schon als Jugendlicher in Dresden Kontakt hatte. Doch wenn Hartung im erwähnten Brief an den Kunsthistoriker von Wols berichtete, ist nicht davon auszugehen, daß Grohmann damals schon den Namen mit dem ihm früher bekannten Wolfgang Schulze in Verbindung gebracht hat; erst 1959 veröffentlicht er einen Artikel über Wols.51 Hatte Hartung in Domnick und Grohmann wichtige Fürsprecher, die ihm Ausstellungen in Deutschland vermittelten,52 fand Wols keine vergleichbaren deutschen Förderer; auch Jardot hat ihm trotz des freundschaftlichen Kontakts nicht zu einer Ausstellung verholfen. Es ist möglich, daß Wols selbst gar nicht in Deutschland ausstellen wollte. Sein fehlendes Engagement war zweifellos ein Faktor, weshalb er bis 1955 nicht in Deutschland gezeigt wurde, entscheidend war jedoch seine Malerei. Diese unterschied sich – nicht zuletzt im Gegensatz zu der von Hartung – deutlich von der klassischen, zumeist geometrischen abstrakten Kunst der École de Paris und paßte daher nicht in das von der französischen Militärregierung konzipierte Ausstellungsprogramm in der französischen Zone d’Occupation française.
Deutsche Maler in Paris Schon in den frühen fünfziger Jahren haben deutsche Künstler in Paris die Gemälde von Wols gesehen, einige wie K. O. Götz und Trökes sind ihm noch selbst begegnet.53 Bernard Schultze berichtet, daß er nach Paris gegangen sei, um »dort Wols als unseren Papst zu besuchen« 54, doch hat er, wie auch Emil Schumacher, Wols nicht mehr persönlich kennengelernt 55. Im März 1951 sah Schultze aber dessen Werke in der Ausstellung Véhémences confrontées und erklärte rückblickend, daß auch K. O. Götz, welcher mit ihm die Ausstellung besucht hatte, danach »in diesem neuen Stil« gearbeitet habe.56 Die Begegnungen von deutschen Malern mit der Kunst von Wols sind deswegen von besonderem Interesse, weil aus ihnen eine direkte Vermittlung seiner Kunst nach Deutschland hätte hervorgehen können, zum Beispiel durch Schultze und Götz zur Zimmergalerie Franck in Frankfurt am Main oder durch Heinz Trökes nach Berlin.57 Aber die einzige deutsche »Öffentlichkeit«, die für Wols vor 1955 aus diesen Kontakten resultierte, war der Vortrag Der Maler Wols und l’art autre, den Trökes 1951 im Maison de France in Berlin hielt, sowie drei Jahre später seine Veröffentlichung Flecken, Flecken – Hommage à Wols in der Zeitschrift Schri Kunst Schri.58 In der Hommage finden sich poetische Gedanken zur ästhetischen Wirkung von Flecken sowie die Überzeugung, daß diese nicht interpretierbar seien, eine Ansicht, die der verbreiteten psychologischen Deutung des Tachismus entgegen-
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gesetzt ist. Der Text wechselt im letzten Abschnitt abrupt zu einer Auflistung der Lebensdaten von Wols, dem »Initiator der Pariser Fleckenmalerei«, und endet mit dem programmatischen Satz: »In Deutschland blieb Wols unbekannt.« 59 Dies begann sich erst im Jahr 1954 zu ändern, als die Schwester von Wols einen kurzen Artikel über das Wandbildprojekt ihres Bruders in der Zeitschrift Das Kunstwerk veröffentlichte und Haftmanns Buch Malerei im 20. Jahrhundert erschien.60 Haftmann (Abb. 30) hatte Anfang der fünfziger Jahre die Witwe von Wols in Paris aufgesucht und den Nachlaß gesichtet. In der ersten Auflage seines Buchs wird der Künstler nur in einem Satz erwähnt, da es zu einem Zeitpunkt geschrieben worden war, als Haftmann erst damit begann, sich mit Wols zu beschäftigen.61 Im darauffolgenden Jahr erschien der dazugehörige Tafelband, in dem zwei Werke des Künstlers reproduziert sind. Bei den Gemälden aus dem Jahr 1951 mit den postumen Titeln Le Moulin à vent und Das blaue Phantom (Taf. VIII), letzteres auch im Katalog der documenta abgebildet, handelt es sich um die ersten in Deutschland reproduzierten Ölgemälde von Wols.
Rezeption in Deutschland Wols’ eigentliche Entdeckung in Deutschland brachte das Jahr 1955. Von Juli bis September fand in Kassel die erste documenta statt (Abb. 27 und 32), auf der vier Gemälde von ihm zu sehen waren. Im Katalogvorwort schrieb Haftmann, dem heutigen Künstler wäre es möglich, »Momente der eigenen Existenz in einer spontanen, geballten Linienschrift sich zu definieren, wie Hartung, oder sie an sich vollziehen zu lassen, wie Wols«.62 In diesem Satz kommt abermals der Unterschied der beiden zum Ausdruck: in Hartung sah Haftmann den präzise arbeitenden Künstler, der die Spontaneität als künstlerisches Mittel bewußt einsetzte, in Wols denjenigen, der sich von ihr leiten ließ. Schon einige Monate vor der documenta, am 23. April, war in der von Heinz und Eva Stünke geleiteten Kölner Galerie Der Spiegel die erste deutsche Einzelausstellung des Künstlers eröffnet worden (Abb. 85). Ein Text auf der Rückseite der Einladungskarte formulierte die Intention der Ausstellung: Wols »teilt das Schicksal aller Erfinder: Die Ausbeuter […] seiner Entdeckungen sind schon bekannt (und verrufen) ehe er selbst in unseren Geschitskreis [sic] tritt.« Der Plagiatsvorwurf gegen die junge Generation des Tachismus erinnert an die zitierte Einschätzung von Favre aus demselben Jahr und wurde noch in späteren Jahren wiederholt.63 Ihm liegt eine schon bei Guilly zu findende psychologische Interpretation zu Grunde, wonach Wols’ Malweise sich einer durch seine Biographie bedingte seelische Not verdanke, die bei den jungen Malern hingegen nicht vorhanden sei. Zur Ausstellung
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Einladungskarte zur Ausstellung Wols. Zeichnungen, Aquarelle, Bilder, 1955 in der Galerie Der Spiegel, Köln.
erschien als Katalog die vierte Nummer der galerieeigenen Reihe Geh durch den Spiegel. Darin waren neben einem von Albrecht Fabri verfaßten Text zu Wols auch ein Auszug aus dem Buch Schwarzer Frühling von Henry Miller, Aphorismen des Künstlers sowie drei postum gedruckte Kaltnadelradierungen zu finden. Der Text von Fabri ist einerseits eine Ansammlung von Anekdoten und Zitaten des Künstlers, andererseits eine philosophische Interpretation, in der fernöstliches Gedankengut zum Tragen kommt. Ausgehend von der Beobachtung, daß die Striche und Flecken »in einer Weise natürlich [wirken], die sie geradezu naturnah erscheinen läßt«, formuliert Fabri seine Kernthese: Der Künstler suche die »Position Null«, den »Indifferenzpunkt, in dem die Gegensätze sich vergleichen […]. Malen also beinah, wie es Zen auffaßt: ein Weg, das Ich und seine Unterscheidungen verwittern lassen.« 64 Der Künstler produziere nicht das Abbild der Natur, sondern ermögliche das Wirken ihrer Kräfte durch seinen (passiven) Einklang mit ihr.65 Fabri baute seine Interpretation – wie kein anderer vor ihm – auf die von Wols notierten Aphorismen auf, in denen es zum Beispiel hieß: »Anstrengung entfernt
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von der Vollkommenheit«.66 Wie anders klingt da die Deutung von Guilly aus dem Jahr 1947: »il faut faire la part de la véhémence et de la rage à laquelle il atteint.« 67 Von beiden Kritikern wurde Wols nahezu im Sinne einer deutschen beziehungsweise einer französischen Romantik interpretiert. Schon 1951 hatte Trökes ihn als einen »romantischen« Künstler bezeichnet.68 Worauf beruht aber diese wiederholt genannte Nähe Wols’ zur Romantik?
Wols und die Romantik Albert Schulze Vellinghausen hat 1955 in seinem Text Die Tachisten und Wols die romantische Tradition des Tachismus erläutert: »Wo aber die Strömung der Kunst sich den ›romantischen‹ Bezirken des möglichst unmittelbaren ›Ausdrucks‹ zuwendet, pflegt auch die Stunde der Deutschen zu schlagen.« 69 Einen ähnlichen Standpunkt vertrat Haftmann: »Im Grunde ist ja die ganze Erfindung des Automatismus eine deutsch-romantische Erfindung«.70 Beide Autoren teilten die Ansicht, daß der Tachismus und mit ihm die Malerei von Wols sich durch eine in der deutschen Tradition verwurzelte psychische Niederschrift auszeichneten. Diese Position ist ganz offensichtlich in der während der fünfziger Jahre üblichen Unterscheidung zwischen einer h a r m o n i s c h e n f r a n z ö s i s c h e n und einer e x p r e s s i v e n d e u t s c h e n Kunst verwurzelt. Beide Autoren haben aber nicht die Tatsache berücksichtigt, daß Wols erst nach vielen Jahren in F r a n k r e i c h seine expressive Malweise entwickelt hat. Schulze Vellinghausen betrachtete den Tachismus sogar als mögliches »Gelände […], auf dem gerade unsere spezifisch deutschen Ausdrucksgelüste, -bedürfnisse, -kräfte ein legitimes Feld neuen Findens für sich entdecken könnten.« 71 Hiernach hätte Wols als Mitbegründer des Tachismus und auf Grund seiner Herkunft die deutsche Tradition in eine entscheidende Entwicklung der École de Paris eingebracht. Wie Marchand verglich Schulze Vellinghausen Wols’ Malerei mit »Gedichten« und konstatierte, daß Georg Büchner »Pate« gestanden habe.72 In einem anderen Text stellte Schulze Vellinghausen eine Beziehung von Wols zu Alten Meistern her – zu Altdorfer und Wolf Huber, zu Otto Dix und Wilhelm Busch(!).73 Läßt sich Dix’ Einfluß auf Wols in einigen Aquarellen aus den Internierungslagern durchaus herleiten, so scheint der von Busch allenfalls in einigen wenigen Blättern anzuklingen.74 Beiden Artikeln ist wie zuvor bereits bei Burckhardt das Bemühen zu entnehmen, Wols in die deutsche Kultur einzugliedern und das Interesse für den Künstler zu stärken. Jeglicher Hinweis auf französische Einflüsse wurde dabei vermieden. Es scheint, als ob Schulze Vellinghausen den geringen Bekanntheitsgrad des Künstlers darauf zurückgeführt hat, daß der Deutsche bis dato nicht als ein »Landsmann« erkannt worden war.75
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Angesichts dieser ambivalenten deutsch-französischen Rezeption von Wols ist es wenig verwunderlich, daß die späte, posthume Entdeckung des Künstlers in Deutschland der Legendenbildung Vorschub geleistet hat. Wols wurde in den fünfziger Jahren zur Projektionsfigur für die verschiedensten Klischees eines Bohemiens. Genährt wurde dieser Mythos durch Angaben, wie man sie zum Beispiel 1955 auf der Einladungskarte der Kölner Ausstellung lesen konnte: »Wols stirbt in größter Armut«. Lediglich ein Katalogtext der Schwester aus dem Jahre 1956 bildet die Ausnahme, da sie von den erfolgreichen Ausstellungen in Paris, Mailand und New York berichtet.76 Anders als der Großteil der Wols-Literatur es suggeriert, war die Kunst von Wols bereits zu Lebzeiten in mehreren internationalen Ausstellungen zu sehen, wurde sie in Artikeln und Büchern besprochen und fand Eingang in private und öffentliche Sammlungen. Entscheidend für diesen Erfolg von Wols waren seine herausragende Position im Tachismus und seine Kontakte zu Pariser Künstlern, Galeristen und Schriftstellern wie Mathieu, Giacometti, Tapié, Paulhan, Sartre, Drouin oder Loeb. In Deutschland wurde Wols, abgesehen von einigen mit ihm bekannten Künstlern, erst ab 1954/55 rezipiert und 1959 anläßlich der documenta II zusammen mit Baumeister, de Staël und Pollock als einer der »großen Toten« geehrt.77 Diese Phasenverschiebung der Rezeption von Wols in Frankreich und Deutschland hat ihre Ursache zum großen Teil in der »vehementen« Wirkung seiner Malweise gehabt, die von den Kulturschaffenden beider Länder nicht in den kulturellen Austausch zwischen Frankreich und Deutschland integriert wurde. Einmal mehr wird somit deutlich, wie sehr die Rezeption künstlerischer Standpunkte von einzelnen Vermittlern abhängig sein kann. Ebenso wichtig für dieses Ungleichgewicht war jedoch Wols’ fehlendes Bemühen, Kontakte nach Deutschland aufzubauen. Er war nach 1945 eine wichtige und bekannte Persönlichkeit der Pariser Kunstszene geworden und sah keinen Grund, nach seiner Auswanderung 1933 wieder nach Deutschland zurückzukehren.
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Mein Dank gilt Martin Schieder, Isabelle Ewig, Aymone Nicolas und Sophie Collombat für Hinweise und die Beschaffung einiger hier behandelter Quellen. Eduard Trier: Kölner Kunstbrief, in: Das Kunstwerk IX/1955–56, Heft 3, S. 66–67, S. 66. Elfriede Schulze-Battmann: Erinnerungen, in: Wols – Bilder, Aquarelle, Zeichnungen, Photographien, Druckgraphik, Ausstellungskatalog, Kunsthaus Zürich und Kunstsammlungen Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, Zürich 1989, S. 384–394, S. 392. So lautet gleichlautend der erste Satz im Ausstellungskatalog Wols 1989, und in: HansJoachim Petersen: Wols – Leben und Werk im Spiegel gewandelter Wahrnehmung, Phil. Diss., Frankfurt am Main 1994. Schon 1958 verwendete eine Autorin in Bezug auf Wols den Begriff »Mythos«; siehe Gertrude von Schwarzenfeld: Das neue Paris. Es begann mit Dada, Hamburg 1958, S. 84. Eduard Beaucamp: Wols gereinigt und ohne Pathos, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13. Januar 1990. Die Anzeige erschien in: Arts (Paris), 21. und 28. Dezember 1945. In der Januar-Ausgabe 1946 der Zeitschrift Panorama des Arts wurde mit der Reproduktion des Aquarells La ville auf die Ausstellung hingewiesen. Siehe die Ankaufsbestätigung von Drouin bei Claire van Damme: Brieven van en aan Wols, Gent 1985, Nr. 60, S. 83. Anonym: [ohne Titel], in: Arts (Paris), 28. Dezember 1945. Ibid. Georges Besson: Wols et Modigliani, in: Les Etoiles, 15. Januar 1946. Ibid. Auch Petersen 1994, S. 110, erkannte im Text von Besson einen gewissen Zynismus. Carl Jacob Burckhardt an Max Rychner, 16. Januar 1946; zit. nach Wols – Bilder, Aquarelle, Zeichnungen, Photographien, Druckgraphik 1989, S. 2; ausführlicher zitiert von Werner Haftmann: [ohne Titel], in: Wols, Ausstellungskatalog, Nationalgalerie, Berlin, Berlin 1973, S. 5–17, S. 14–15. Ibid. Werner Haftmann hat 1957 Chalom besucht und dessen Sammlung gesehen; siehe Werner Haftmann in einem Brief an Ewald Rathke vom 14. Dezember 1987, Archiv Werner Haftmann. Die Pariser Werke sind im Musée national d’Art
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moderne, Centre Georges Pompidou (Inventarnummern: AM 1788 D, AM 1789 D, AM 1790 D und AM 1791). René Guilly: Wols, in: Wols, Ausstellungskatalog, Galerie René Drouin, Paris, Paris 1947, o. P. In den wichtigsten Ausstellungskatalogen und Forschungsbänden zum Informel wird zwar die Bedeutung der ersten Gemälde-Ausstellung von Wols immer wieder erwähnt, der Katalogtext jedoch außer Acht gelassen. Undatierte Notiz von Gréty Wols (Archiv Werner Haftmann). Pierre Descargues: Réalités Nouvelles, in: Arts, 25. Juli 1947, S. 8; siehe auch Jean Riverain: [ohne Titel], in: Le Monde Français, Juli 1947, und Guy Dornan: [ohne Titel], in: Spéctateur, 29. Juli 1947. Gréty Wols hat in einigen Briefen an Haftmann behauptet, daß Michel Tapié im Umfeld der Ausstellung den Begriff tachisme geprägt habe. Eine ausführliche Besprechung des Begriffs liefert Ursula Geiger: Die Maler der Quadriga und ihre Stellung im Informel – Otto Greis, K. O. Götz, Bernard Schultze, Heinz Kreutz, Nürnberg 1987, 21990, S. 33–35, ohne jedoch die hier genannten Quellen vor 1951 zu erwähnen. Siehe zuletzt zu den Begriffen »Tachismus« und »Informel« Christoph Zuschlag: Informel – Ecole de Paris – Abstract Expressionism – Cobra. Die Sammlung Kraft Bretschneider in der Stiftung Kunst und Recht, in: Tendenzen der abstrakten Kunst nach 1945 – Die Sammlung Kraft Bretschneider in der Stiftung Kunst und Recht, Tübingen, hrsg. von Donata Bretschneider, Heidelberg 2003, S. 9–35, S. 11–12. Wols soll sich auch »mit einem alten Mantel über ein frisches Bild gewälzt« haben; siehe K. O. Götz: Erinnerungen, 1945–1959, Aachen 1994, S. 101. Schon Guilly 1947 hat dies erkannt: »Wols travaille très longtemps sur une même toile«; siehe zu Wols’ Technik Annabelle Görgen: Wols – Komposition, in: Im Blickfeld: Wols, Komposition 15, Ausstellungskatalog, Kunsthalle Hamburg, Hamburg 2002, S. 7–45. Denys Chevalier: [ohne Titel], in: Arts, 30. Mai 1947. Jean-José Marchand: Tour d’exposition, in: Combat, 25. Mai 1947, S. 2. Chevallier 1947. Marchand 1947. Siehe hierzu die umfangreiche Arbeit von Harriet Weber-Schäfer: Die Kontroverse um Ab-
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straktion und Figuration in der französischen Malerei nach 1945, Köln 2001. René Buffet: A Paris, on fuit Raymond Duncan, in: Nuit et Jour, 11. September 1947. Auch Georges Limbour hat den Begriff verwendet; Georges Limbour: Diables et angelots, in: Action, 13. Juni 1947. Zit. nach Claire van Damme: Wols – Aforismen en kanttekeningen, Gent 1985, Nr. 50, S. 129. Wols: ohne Titel (La première éclaboussure), 1946/47, Ölfarbe, Grattage, Leinwand, 92 × 73 cm; sämtliche Titel von Wols’ Werken sind postum vergeben. In Champigny-sur-Marne wohnte Wols in einem notdürftig umgebauten Bootshaus (34, Quai de Lucie) und besaß ein Chevrolet 18cv sowie ein Chrysler »toute neuve de 23cv« (Gréty in einem Brief an Manuel Gasser, um 1958/59, Kopie im Archiv Werner Haftmann). Doris Obschernitzki: Otto Alfred Wolfgang Schulze in Les Milles und Saint-Nicolas – Ein Beitrag zu Wols’ Internierung in den Jahren 1939/40, in: Wols – Aquarelle, Zeichnungen, Notizblätter aus dem Besitz von Marc Johannès, Ausstellungskatalog, Kunsthaus Hamburg / Villa Merkel, Esslingen / Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstichkabinett, hrsg. von Claus Mewes, Hamburg 2000, S. 73–91. Eine umfangreiche Sammlung an Meldebögen von Wols und seiner Frau befindet sich im Archiv Werner Haftmann. Siehe den Brief von Jean Paulhan aus dem Jahr 1950 an den Service social d’aide aux émigrants, in: Wols – sa vie, Ausstellungskatalog, Goethe Institut, Paris, hrsg. von Gerhard Götze, Paris 1986, auf der Rückseite des Katalogs. Siehe auch ein am 8. August 1951 verfaßtes Dokument von Maurice Jardot, in dem er bestätigt, die Familie von Wols zu kennen und dem Künstler einen »loyalisme républicain« attestiert; Claire van Damme: Wols – Biografische documenten, Gent 1985, Nr. 52, S. 83. In einigen Veröffentlichungen wird Wols’ Nationalität trotzdem als französisch angegeben; siehe René Drouin. Spectateur des Arts. Galeriste et éditeur d’art visionnaire, Ausstellungskatalog, Musée de l’Abbaye Sainte-Croix, Les Sables d’Olonne, hrsg. von Benoît Decron, Le Château d’Olonne 2001, (Supplément) o. P. Gespräch des Autors mit Elfriede Schulze-Battmann am 22. Februar 1997 in Freiburg. Barbara Straka und Marie-Theres Suermann: »Die Kunst muß nämlich gar nichts« – Zur Ent-
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wicklung der Kunst in den Westzonen und Berlin nach 1945. Eine kommentierte Interviewmontage, in: Grauzonen – Farbwelten. Kunst und Zeitbilder 1945–1955, Ausstellungskatalog, Neue Gesellschaft für bildende Kunst in den Räumen der Akademie der Künste, Berlin, Berlin und Wien 1983, S. 241–321, S. 310. Ähnliches berichtet Eva Stünke in ihren Erinnerungen an verschiedene Paris-Besuche: »überall in Paris stießen wir auf diesen ›Deutschen, namens Schulze‹«; Eva Stünke: »Kann man da gehen??« – Erinnerungen, in: Aus den Trümmern – Kunst und Kultur im Rheinland und Westfalen 1945–1952, Neubeginn und Kontinuität, Ausstellungskatalog, Rheinisches Landesmuseum, Bonn / Kunstmuseum Düsseldorf / Museum Bochum, hrsg. von Klaus Honnef und Hans M. Schmidt, Köln 1985, S. 317–321, S. 321. Frank Elgar [i.e. Roger Lesbats]: Junge französische Maler stellen aus, in: Junge französische Maler stellen aus, Ausstellungskatalog, Kunstverein Hannover u. a., o. O. 1951, o. P. Straka/Suermann 1983, S. 311. Wols wurde schon 1947 als eine stadtbekannte kuriose Figur karikiert; vgl. Buffet 1947. Stünke 1985, S. 321. Louis-Paul Favre: Wols, in: Combat, 28. November 1955. Schon 1953 nannte Bryen Berlin als Wols’ Geburtsort; Camille Bryen: Wols, in: Art-Documents, Nr. 35–36/August – September 1953, S. 8–9, S. 9. Wols. Zeichnungen, Aquarelle, Bilder (Galerie Der Spiegel, Köln, 23. April bis 20. Mai 1955); documenta. Kunst des XX. Jahrhunderts (Museum Fridericianum, Kassel, 15. Juli bis 18. September 1955). In der DDR wurden Werke des aus Dresden stammenden Wols erst 1965 auf der Ausstellung Französische Graphik von Géricault bis Picasso… / Französische Graphik der Moderne im Kupferstich-Kabinett Dresden gezeigt. Siehe Martin Schieder: Expansion / Integration. Die Kunstausstellungen der französischen Besatzung im Nachkriegsdeutschland, Berlin 2004. Siehe ibid., S. 9–13. Schulze-Battmann 1997. Ibid. Siehe Philipp Gutbrod: Wols (1913–1951) – Die Arbeiten auf Papier (Kommentiertes, kritisches Werkverzeichnis), 4 Bde., Diss. Heidelberg 2004, Nr. A-777. Siehe Schulze-Battmann 1989, S. 384–394, S. 387. Zur Bedeutung der Dresdner Zeit für Wols siehe Birgit Schwarz: Dix und Wols – Zur Biographie einer künstlerischen Revolution, in:
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Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen in Baden-Württemberg 30/1993, S. 104–124. Vor der Internierung hatte Wols 1937 eine Photographieausstellung in der Pariser Galerie de la Pléïade, und Hartung war 1939 in der Ausstellung Dessins et Pastels par Roberta Gonzalez et Hans Hartung in der Pariser Galerie Henriette vertreten. Siehe Hartung 1962 in einem Interview: »Einen näheren Kontakt hatte ich nie zu ihm«; Jürgen Claus: Theorien zeitgenössischer Malerei in Selbstzeugnissen, Reinbek 1963, S. 86. Auf einem Notizblatt im Nachlaß des Künstlers, deutsche Übersetzung in: Wols – Aufzeichnungen, Aquarelle, Aphorismen, Zeichnungen, hrsg. von Werner Haftmann, Köln 1963, S. 52. Hans Hartung an Will Grohmann, 20. August 1948; zit. nach »Lieber Freund …«. Künstler schreiben an Will Grohmann. Eine Sammlung von Briefen aus fünf Jahrzehnten, hrsg. von Karl Gutbrod, Köln 1968, S. 162–167, S. 165. Jean Saucet: Visite d’atelier – Hans Hartung, in: Arts, Nr. 407, 17. bis 23. Juli 1953; zit. nach Weber-Schäfer 2001, S. 234, Anm. 51. Diese Ansicht bestätigte Bernard Schultze (Straka/Suermann 1983, S. 296). Für Domnick war 1952 die Malerei von Wols und Pollock lediglich ein »Beginn«, also eine noch nicht entwickelte Kunst; siehe Ottomar Domnick an Bernard Schultze, 15. Dezember 1952 (Archiv Sammlung Domnick, Nürtingen). Will Grohmann: Das graphische Werk von Wols, in: Quadrum VI/1959, S. 95–118. 1954 erwähnte Grohmann in einer Besprechung der zeitgenössischen deutschen Kunst Wols als einen Vorläufer von Bernard Schultze; Will Grohmann: Situation actuelle de l’art allemand, La génération des »cinquante ans« en Allemagne et en France, in: Cimaise I-4/1954, S. 3–6, S. 6. Neben der Wanderausstellung von Domnick (1948/49) hat Hartung 1949 auch in der Modernen Galerie von Otto Stangl in München und in der Galerie Der Spiegel in Köln ausgestellt. Siehe Heinz Trökes: Wols betreffende Auszüge aus Pariser Briefen an meine Frau, unveröffentlichter Brief von Heinz Trökes an Werner Haftmann vom 21. Dezember 1977 (Archiv Werner Haftmann); Ende 1950 hat Götz zusammen mit Edouard Jaguer Wols aufgesucht; siehe Götz 1994, S. 81. Bernard Schultze: Rückblick (Köln, den 13. Mai 2002), in: Entfesselte Form. Fünfzig Jahre Frankfurter Quadriga, Ausstellungskatalog, Städel-
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sches Kunstinstitut und Städtische Galerie, Frankfurt am Main, hrsg. von Sigrid Hofer, Frankfurt am Main 2002, S. 92–93, S. 93. In einem Gespräch mit dem Autor am 9. Mai 1996 in Hagen unterstrich Schumacher die Bedeutung von Wols für seine eigene Kunst. Straka/Suermann 1983, S. 280. Götz hat u. a. 1952 eine Ausstellung von Camille Bryen in der Zimmergalerie Franck initiiert; siehe Götz 1994, S. 100. Heinz Trökes: Flecken, Flecken – Hommage à Wols, in: Schri Kunst Schri, Ein Almanach alter und neuer Kunst, Baden-Baden 1954, S. 41–44. Ibid., S. 44. E. S. [Elfriede Schulze-Battmann]: Ein Wandbild von Wols, in: Das Kunstwerk VIII/1954–55, Heft 5, S. 64; Werner Haftmann: Malerei im 20. Jahrhundert, München 1954. Haftmann 1954, S. 463: »Der Amerikaner Pollock, der Deutsche Wols haben in der ›école de Paris‹ eine große Wirkung.« Werner Haftmann: Einleitung, in: documenta. Kunst des XX. Jahrhunderts, Ausstellungskatalog, Museum Fridericianum, Kassel, München 1955, S. 15–25, S. 21. Siehe Haftmann 1973, S. 17: »Arrivisten und Professionalisten […] im erborgten Stilkleid«. Albrecht Fabri: [ohne Titel], in: Wols – Geh durch den Spiegel, Nr. 4, Galerie Der Spiegel, Köln, 1955, o. P. Diese Auffassung wurde in der Nachkriegszeit besonders von Willi Baumeister vertreten; siehe Willi Baumeister: Das Unbekannte in der Kunst, Stuttgart 1947, S. 168. Zit. nach Fabri 1955. Guilly 1947. Trökes 1977. Albert Schulze Vellinghausen: Die Tachisten und Wols, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9. März 1955; zit. nach ders.: Anspielungen. Ausgewählte Reden, Aufsätze, Kritiken zur bildenden Kunst, Literatur, Architektur etc., Velber bei Hannover 1962, S. 155–158, S. 157. Thomas Kempas: Interview mit Werner Haftmann, in: Thema: Informel. Teil I. Zur Struktur einer »anderen« Zeit, Ausstellungskatalog, Städtisches Museum Leverkusen, Schloß Morsbroich / Haus am Waldsee, Berlin, Berlin 1973, S. 84–103, S. 102. Schulze Vellinghausen 1962, S. 158. Ibid. Albert Schulze Vellinghausen: Wols, Die Natur und wir, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung,
»IN DEUTSCHLAND BLIEB WOLS UNBEKANNT«
1955; zit. nach Schulze Vellinghausen 1962, S. 159–160, S. 160. 74 Zum Einfluß von Dix siehe Schwarz 1993. Das Baumstumpfmotiv auf einer Arbeit von Busch mit dem Titel Zwei Kinder auf einer Wiese (abgebildet im Auktionskatalog Villa Grisebach: Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts, 31. Mai 2003, Nr. 100) besitzt Ähnlichkeiten zu den
Baum- und Wurzelmotiven einiger Werke von Wols aus seiner Zeit in Dieulefit. 75 Schulze Vellinghausen 1962, S. 160. 76 Elfriede Schulze-Battmann: [ohne Titel], in: Bott – Wols, Ausstellungskatalog, Moderne Galerie Otto Stangl, München, 1956, o. P. 77 Eduard Trier: Was will die II. documenta?, in: Magnum 24. Juni 1959, S. 52.
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»Es waren Offenbarungen.« Deutsche Bildhauer in Paris
Christa Lichtenstern
Begegnungen Spätestens seit den Tagen, als Christian Friedrich Tieck in das Atelier von JacquesLouis David eintrat, und das geschah im August 1798, war Paris für deutsche Bildhauer eine erste Adresse um zu lernen und sich zu behaupten. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts lebten und arbeiteten zahlreiche Bildhauer für ein oder mehrere Jahre in der französischen Hauptstadt, unter ihnen Ernst Barlach, Karl Albiker, Georg Kolbe, Clara Rilke-Westhoff, Bernhard Hoetger, Otto Freundlich sowie Wilhelm Lehmbruck von 1910 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs.1 Nach 1945 zog es deutsche Bildhauer wieder in die Metropole, wo die Tore zur Weltkunst offen standen. Der Hunger nach neuen Informationen war bei ihnen genauso ausgeprägt wie bei ihren Malerkollegen, nur mit dem Unterschied, daß die Plastik nicht so stark unter der zerstörerischen Kulturpolitik des Nationalsozialismus hatte leiden müssen. Wer figurativ arbeitete, konnte noch bis in die späten dreißiger Jahre hinein ausstellen. Ein Karl Hartung, Gerhard Marcks, Hans Mettel, Ludwig Kasper und Ludwig Gies waren jedoch gezwungen, sich in die innere Emigration zurückzuziehen. Barlach, den schlimmsten Diffamierungen ausgesetzt und jeder Wirkungsmöglichkeit beraubt, starb 1938. Bildhauer jüdischer Abstammung und politisch Oppositionelle wie Theo Balden, Rudolf Belling, Benno Elkan, Max Ernst, Ernesto Fiori, Leo Graetz wurden ins Exil getrieben, Freundlich wurde in einem polnischen Konzentrationslager ermordet. Für die Jungen aber zählte nach Kriegsende nur die Zukunft. Mit großem Interesse blickten sie nach Westen, wo die Wurzeln der modernen Plastik lagen. Doch was wußten sie von französischer Plastik? Wie informierten sie sich, welche
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Anschauungsmöglichkeiten gab es überhaupt für sie? Tatsächlich boten sich ihnen nach 1945 verschiedene Gelegenheiten, sich mit der Plastik des Nachbarlandes vertraut zu machen. Große Aufmerksamkeit erweckte 1949 die Ausstellung Die französische Plastik von Rodin bis in unsere Tage, welche die französischen Besatzer in München und Berlin zeigten. Leopold Zahns Rezension in der Zeitschrift Das Kunstwerk zeichnete die historischen Leitlinien nach, benannte die Verdienste von Antoine Bourdelle, Charles Despiau, Marcel Gimond, Aristide Maillol und Renoir und erkannte zu Recht im primitivistisch orientierten Bildhauer Gauguin »den Stammvater der avantgardistischen Plastik […], bei der das Bedürfnis, autonome Formen zu erkunden, vorherrscht. Die viel umstrittene, noch wenig verstandene abstrakte oder halbabstrakte Plastik war auf der Ausstellung mit Werken von Duchamp-Villon, Laurens, Lipchitz, Brancusi, Giacometti, Czaky, Zadkine reich dokumentiert.« 2 Auch die Ausstellung Französische Malerei und Plastik, die im Mai/Juni 1950 in Berlin stattfand, ging auf Initiative der französischen Kulturbehörden zurück. Sie präsentierten neben 94 Gemälden immerhin 15 figurative wie abstrakte Arbeiten der Bildhauer Emmanuel Auricoste (einem Despiau-Schüler), Louis Chauvin, Robert Couturier, Alberto Giacometti, Jacques Lipchitz, ÉtienneMartin, François Stahly und Ossip Zadkine. Eine vergleichbare Spannbreite offerierte die von Cécile Goldscheider, der Generalsekretärin des Musée Rodin, für die Hamburger Kunsthalle kuratierte und im Juli/August 1953 gezeigte Ausstellung Jeunes sculpteurs français contemporains. Viel Beachtung dürfte 1956 unter deutschen Bildhauern auch die Überblicksdarstellung erfahren haben, in der Eduard Trier mit großer Kenntnis die Französische Plastik des 20. Jahrhunderts von Maillol bis Maurice Lipsi vorstellte. Trier endete mit der Feststellung: »dass die plastische Produktion Frankreichs noch nie so lebendig und fruchtbar war wie in den letzten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts.« Sie habe »ihre neuen Aufgaben als Körper- und Raumkunst entdeckt.« 3 Neben Trier gaben im deutschsprachigen Schrifttum noch Will Grohmann, John Anthony Thwaites und Michel Seuphor Einblicke in die zeitgenössische französische Skulpturszene. Diese Publikationen zu erörtern und weitere einschlägige Ausstellungen und Künstlerreisen aufzulisten, ist hier nicht der Raum. Eine künftige, historisch und quellenkundlich auf breitem Fundament abgesicherte Untersuchung zu den deutsch-französischen Bildhauer-Begegnungen hätte überdies die Kontakte in den Blick zu nehmen, die auf dem Studium der Originale französischer Bildhauer in Pariser Galerien oder Museen basierten, als auch solche zu rekonstruieren, denen ein Ateliergespräch von Künstler zu Künstler zu Grunde lag.
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Der Umfang der vorliegenden Studie erlaubt es nur, auf sechs der solchermaßen »beerbten« Künstler – Pablo Picasso, Ossip Zadkine, Henri Laurens, Hans Arp, Germaine Richier sowie Antoine Pevsner – ausführlicher einzugehen. Ein dringliches Desiderat stellt auch eine Untersuchung dar, die dem Einfluß von Brancusi und Giacometti auf deutsche Bildhauer nachginge. Hier wäre als erster Norbert Kricke zu nennen, der schon 1955 in Paris in der von René Drouin konzipierten Ausstellung Peintures et sculptures non-figuratives en Allemagne d’aujourd’hui zusammen mit Hans Uhlmann und Brigitte Meier-Denninghoff vertreten war 4 – einem »Schlüsselereignis in der Geschichte der deutsch-französischen Kunstbeziehungen nach 1945«5. In Krickes schon 1950 einsetzenden abstrakten Raumplastiken hat man verschiedentlich über das Leitthema der Entmaterialisierung eine Nähe zu Brancusi und Giacometti erkannt.6 Ein zweiter Künstler, der früh auf Brancusi und Giacometti antwortete, war Ernst Hermanns. Zu seinen abstrakten Arbeiten ab 1950 bemerkt Dirk Steimann, daß diese aus dem Bestreben hervorgingen, »strukturelle Fragen der Plastik und die damit verbundenen Probleme des Raums zu klären, wie sie sich in der Auseinandersetzung mit den Werken von Constantin Brancusi, Alberto Giacometti und Henry Moore ergeben haben«.7
Pablo Picasso Wie viele deutsche Bildhauer inmitten des nicht abreißenden internationalen Besucherstromes Picassos Atelier betreten haben, läßt sich wohl kaum ermitteln. Sicher ist, daß dieses Glück Gustav Seitz und Karl Hartung widerfuhr. Als Seitz am 21. April 1952 in der Rue des Grands Augustins den Mann mit Lamm für seine eigenen figurativen Interessen entdeckte, hob er Picassos physische Erscheinung von der gebieterischen Ausdruckskraft der Skulptur als »klein« und »tänzerisch« ab.8 Ungleich intensiver und nachhaltiger in der Ausstrahlung auf das eigene Schaffen geriet Karl Hartungs Begegnung mit Picasso. Schon 1929 führte den 21jährigen eine erste Reise nach Paris, wo er vor dem Totenlager von Antoine Bourdelle stand, ein Eindruck, den er, laut Auskunft seiner Tochter, zeitlebens für sich bewahren sollte.9 Im Juni 1939 hielt er sich erneut für einige Wochen in der Metropole auf und traf Brancusi, Arp und Laurens. Unter ihrem Einfluß, aber auch von Moore angeregt, klärte sich seine organische Formensprache hin zur Abstraktion.10 Nachdem er 1941 zum Kriegsdienst eingezogen worden war, führten ihn im Herbst 1943 und Frühjahr 1944 fünf kurze Dienstreisen abermals nach Paris. Doch er kam nicht als Soldat, sondern als hoffnungsvolles Talent, wie aus Tagebucheintragungen zwischen dem 23. und 28. September 1943 hervorgeht:
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»Zu Picasso bin ich leider nicht gekommen. Brancusi habe ich besucht. Habe ihm einige meiner Arbeiten gezeigt. Er hielt das Meiste für Fragmente und nicht genug ausgearbeitet. Auch sagte er, ich entferne mich zu sehr von der Erde. Hat er recht? Bin immer noch weit weg von der Arbeit. Wann schaffe ich mal wieder eine schöne Sache. Die Zeit ist entsetzlich. Habe gar keinen Mittelpunkt mehr. Aber wiederkommen tut er, das weiß ich!« Man liest diese Zeilen anders, wenn man sich vergegenwärtigt, daß Hartung vier Wochen zuvor durch die Bombardierung seines Hauses einen Teilverlust seiner Werke hatte hinnehmen müssen. Am 3. November 1944 war der Bildhauer mit seiner Einheit erneut »fast 8 Tage« lang in Paris stationiert. Diesmal vermerkte er: »…bei Laurens im Atelier es war sehr menschlich.« Und dann kam es zu dem ersehnten Treffen: »Am 9. Nov. war ich bei Picasso. Es war eine wunderbare Begegnung. Waren 1 1/2 Stunden beisammen haben uns sehr gut, und herzlich verstanden. Zeigte ihm einige Fotos und Zeichnungen, die er sehr gut fand und mir sagte er hätte so etwas aus Deutschland noch nicht gesehen. Ein fabelhafter Mensch und gewiss ein Genie. Zum Abschied schenkte er mir eine kleine Zeichnung (Akt)«. Zum geflügelten Wort in Hartungs Familie wurde eine Äußerung, die der Katalone Hartung gegenüber gemacht haben soll: »Jeune homme vous avez du chance«. Der Austausch mit Picasso und dessen Anerkennung stellten für den inzwischen 36jährigen eine große Ermutigung dar. Was sie in menschlicher Hinsicht für ihn, der bald darauf in russische Kriegsgefangenschaft geriet und einen Abtransport nach Rußland fürchten mußte, bedeutete, läßt sich nur erahnen. Wir wissen nicht, welche Skulpturen Hartung in Picassos Atelier zu sehen bekam. Einen Teil seines plastischen Œuvres, das der Öffentlichkeit noch kaum bekannt war, kannte er möglicherweise schon aus der ersten Ausgabe von Minotaure.11 Die Zeitschrift hatte 1933 dank Georges Brassaï und des jungen André Breton Picassos einschneidende plastische Neuerungen der zwanziger und frühen dreißiger Jahre abgebildet: Die Plastiken in Eisendraht von 1928, bei denen man sich fragt, ob sie Hans Uhlmann zu seinen Drahtplastiken inspiriert haben, die surrealistischen Assemblagen und – am umfänglichsten reproduziert – die Serie der gewaltigen hypertrophen Porträtköpfe von Marie-Thérèse Walter. Wie stark und unmittelbar diese unerhört freien plastischen Erfindungen »biomorpher Konstruktionen« bei Jüngeren einschlugen, beispielsweise bei Miró, Giacometti, Lipchitz, aber auch
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noch 1960 bei Wilhelm Loth nachgewirkt haben, konnte andernorts gezeigt werden.12 Auch Hartung dürfte Picassos Köpfe genau studiert haben, wobei ihm auch die Fotos von Brassaï in Kahnweilers Buch über Picassos Skulpturen wichtiges Anschauungsmaterial boten.13 Untrügliche Spuren seiner Kenntnis von Picassos Handhabung sphärischer Volumen, die dieser besonders in seinem vierten und größten Marie-Thérèse-Kopf raumfüllend umeinander schwingen läßt, zeigt Hartungs Januskopf (Abb. 86) von 1949.14 Picasso läßt in der Hauptansicht seines Kopfes (Abb. 87) die ovoide Kernform des Kopfes von dem großen Nasenbügel einerseits und von einem der Haarwülste andererseits umschlossen sein, so daß sich beide Formen oberhalb des Auges treffen. Diese Grundbewegungen von zwei Seiten greift Hartung auf, um sie auf höchst intelligente Weise plastisch neu zu interpretieren. Bei ihm wird das sphärische Aufblühen der Volumen reduziert und durch das Augenloch ex negativo gesteigert. Sein Doppelprofil erreicht zur Mitte hin – vorbereitet durch den zylindrischen Hals – und auf Höhe der Wangenknochen größte plastische Dichte. An dieser Stelle verstärkt sich für das aktive Sehen, gewissermaßen im Durchgang durch das Loch, die Akzentuierung des sphärischen Volumens. Aus seiner Fülle lädt sich das leere Auge auf. Diese Spannung von Leere und Fülle beherrscht nicht nur den Formcharakter der bündigen Plastik, sie bestimmt auch den Gehalt des Januskopfes. Während Picasso mit seinem prallen Formenverband eine plastische Hommage an die strahlende Sinnlichkeit seiner Geliebten richtet, zielt Hartungs Doppelkopf auf eine tiefere Sinngebung. In der Hauptansicht erkennt man links ein nobles, stilles, beinahe griechisch anmutendes weibliches Profil. Die rechte Gesichtshälfte erscheint in ihrer diagonalen Ausrichtung und breiter ausgezogenen Flächenhaftigkeit dynamischer. Hier richtet sich der Kopf empor, so als wolle er sich zu einem anderen, höheren Sein hin öffnen. Eine solche Deutung entspricht Hartungs aus dem Geist des deutschen Idealismus und der Anthroposophie entwickeltem Menschenbild.15
Ossip Zadkine Eine wichtige Anlaufstelle für junge Bildhauer in Paris bildete seit 1945 die Klasse von Ossip Zadkine in der Académie de la Grande Chaumière. Aus dem New Yorker Exil heimgekehrt, wirkten Zadkines Kosmopolitismus, sprühende Liberalität und pädagogisches Ethos auf viele anziehend. Man wußte um seine Bedeutung für die Einführung des Kubismus in die Skulptur, um seine Vitalisierung des abstrahierten Torsos im 20. Jahrhundert wie um seine Aufgeschlossenheit für mythische und literarische Themen. Das machte ihn für die Jugend interessant. Seine Klasse war die am stärksten besuchte und international ausgerichteste. Von
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86 Karl Hartung: Januskopf, 1949, Terracotta, 34 × 28 × 13 cm, Privatbesitz.
durchschnittlich dreißig Schülern stammten mindestens zwanzig aus verschiedenen Nationen 16; das größte Kontingent bildeten die Amerikaner, aber auch einige Deutsche gehörten dazu, darunter Emil Cimiotti, Lilo Netz-Paulik, Gertrud Schön und – für kurze Zeit – Wilhelm Loth. Der Einfluß und die hohe Wertschätzung Zadkines in Deutschland lassen sich von der ersten Nachkriegszeit bis zu seinem Tod im Jahr 1967 dokumentieren. Mit seinem Denkmal für Rotterdam Die zerstörte Stadt (1946–1953) hatte er bewiesen, daß sich avantgardistische Formgebung und engagierte Mitteilung nicht ausschließen.17 Gerade seine Fähigkeit, komplexen Inhalten einen gewagten neuen Ausdruck zu geben, faszinierte die Zeitgenossen. Hubertus von Pilgrim berichtet von den offenen Gesprächsmöglichkeiten des wöchentlichen jour fixe, den Zadkine in seinem Atelier in der Rue d’Assas abhielt und der »abstach von der hermetischen Atmosphäre, wie wir sie aus deutschen Ateliers kannten«; durch Vermittlung des Engländers Stanley William Hayter hatte Zadkine den jungen Bildhauer, der 1952 erstmals in Paris weilte, als seinen Drucker eingestellt.18
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Pablo Picasso: Tête de femme, Boisgeloup, 1931, Gips, 128,5 × 54,5 × 62,5 cm, Paris, Musée Picasso (Photo von Georges Brassaï, in: Minotaure I-1/Juni 1933).
Im Gegensatz zu Lilo Netz-Paulik, deren figuratives Frühwerk ihrem Lehrer deutlich verpflichtet war 19, zeigte sich Cimiotti, als er 1951 zu Zadkine kam, nach eigenem Bekunden von dessen Werken weniger berührt 20. Doch auch bei ihm blieb »etwas hängen«, wie schon Eduard Trier und nach ihm andere nachgewiesen haben; vor allem der späte Zadkine wirkte mit seinem Menschenwald und seinen Labyrinth-Themen in die betonte Gestensprache des frühen Cimiotti hinein.21 Ebenso konnten für Wilhelm Loth, der im Frühjahr 1953 Zadkine besuchte und im September desselben Jahres zusammen mit Joseph Adolf Schmoll gen. Eisenwerth in der Neuen Darmstädter Sezession die erste Retrospektive des russisch-französischen Künstlers in Deutschland organisierte, Einflüsse des kubistischen Zadkine aufgezeigt werden.22 Mit seinen erklärten Favoriten, Brancusi, Laurens und Giacometti, stand Cimiotti nicht allein da. Sie sollten viele junge Bildhauer faszinieren, daneben beeindruckten Picasso, Arp, Richier und Pevsner sowie die um Brancusi und Arp gescharte abstrakte Fraktion der École de Paris: Etienne-Martin, Antoine Poncet, Etienne Hadju, Alicia Penalba, Martha Pan und Stahly.
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Henri Laurens Henri Laurens, der sprachmächtige Klassiker und große Promotor des Kubismus in der Plastik unterhielt aufgrund seines Kunsthändlers Daniel-Henry Kahnweiler beste Verbindungen zum Nachkriegsdeutschland. 1953 zeigten ihn verschiedene Privatgalerien in Köln, Hamburg und Berlin. 1956, zwei Jahre nach seinem Tod, zog eine Wanderausstellung durch Köln, Krefeld, Hamburg, Berlin und Basel und 1961 ehrte ihn das Kunsthaus Zürich mit einer Einzelausstellung. Nicht zuletzt diese Präsenz trug dazu bei, daß ihm deutsche Bildhauer große Beachtung entgegenbrachten. Als Nestor der deutschen Laurens-Rezeption nach 1945 wird man Toni Stadler nennen müssen. In seiner Klasse an der Münchner Akademie der Bildenden Künste brachte er oftmals die Sprache auf den von ihm hochverehrten Franzosen. An ihm bewunderte er »die Verschmelzung von französischer Kunst mit afrikanischer Plastik« und gestand weiter: »bei keinem Bildhauer sind mir die beiden Prinzipien des Rhythmus und der Vertauschbarkeit der Formen so eingegangen wie bei ihm, der sie rastlos verstand und beherrschte.« 23 An Laurens dürfte Stadler ferner die vitale Sinnlichkeit der plastischen Formen und die Bescheidenheit seiner Werkeinstellung angezogen haben. Eben diese Tugenden suchte er seinen Schülern zu vermitteln, wie aus Erinnerungen von Michael Croissant hervorgeht: »Mein Lehrer gehörte derselben Generation an wie Henri Laurens. So wie für Stadlers frühe Zeit Maillol eines seiner großen Vorbilder war, wurde für sein Alterswerk Laurens ein ganz wichtiger Maßstab. Ich erinnere mich an viele Gespräche, in denen er bewundernd vor der Austauschbarkeit der Teile in den Laurens’schen Figuren, von dem harten Rhythmus und der unerbittlichen Klarheit seiner sinnlich schwellenden Form gesprochen hat. Wir Jüngere konnten da kaum direkt anknüpfen.« 24 Eine ähnliche Verehrung brachte der junge Cimiotti Laurens entgegen.25 Schon auf der Stuttgarter Akademie hatten ihn Reproduktionen mit Arbeiten von Laurens, Brancusi, und Giacometti in Bann geschlagen. 1949 notierte er sich: »Ich spüre das ist Plastik! Ich will so bald als möglich nach Paris«.26 Tatsächlich besuchte er 1951 die Laurens-Ausstellung im Musée national d’Art moderne: »Ich gehe immer wieder hin. Ich weiß nicht, was mich mehr beeindruckt. Da sind die frühen kubistischen Arbeiten – experimentelle, farbige Konstruktio-
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nen in Holz, Gips, Eisen, Stein. Je einfacher sie sind, um so mehr überzeugen sie mich. Die blockhaften Figuren um 1930 sind ganz stark. […] Nur die fast quadratischen Querschnitte und die knappen Kanten erinnern noch an den Kubismus. Bestürzend direkt sind die kompakten Volumen in ihrer strengen Statik. ›Weibliche Kathedralen‹ – so müsste man bauen können. Trotz der Herkunft vom Kubismus keinerlei Härte oder gar Kühle, sondern eine große Gelassenheit und ruhige Wärme. Oft eine grandiose Naivität.« 27 Ein klarer Einfluß von Laurens auf Cimiottis Frühwerk scheint in der Bronze Stehende Frau (Abb. 88) von 1955 gegeben.28 Angesichts der großzügig konzipierten Plastik, bei der die röhrenförmigen Glieder der erklärten Bau-Absichten des Künstlers entsprechend den überlängten Rumpf begleiten, und der rechte Arm eine Einheit mit dem Brustbalken bildet, wäre an Laurens’ vergleichbar konstruierten Torso (Abb. 89) von 1935 zu denken.29 Wie bei Laurens zählen auch bei Cimiotti die Raumintervalle, die von der Figur umschlossen werden. In nachfolgenden Arbeiten wie Felsen und Wolken und Der Berg und seine Wolken I bezieht er diese »Zwischenräumlichkeiten« in Form von formräumlichen Verstrebungen in ganze Natur-Szenarien mit ein.30 Was sich bei Laurens aus einem mediterranen Sinn für Gleichgewicht der Volumen in klarer Distinktion mitteilt, mündet bei dem Jüngeren ungleich vielschichtiger und nervöser in den ihm eigenen Stil der Übergänglichkeit und Metamorphose. Diese Dynamik und Transitorik erreichte Cimiotti durch eine andere Arbeitsweise. Während Laurens auf traditionelle Art in Ton modellierte, arbeitete er im Zuge seines cire perdu-Verfahrens direkt und spontan mit dünn ausgewalzten Bienenwachsplatten. Indem er sie ein- und aufbog, zu Röhren oder blasig anmutenden Körpern zusammenschloß, hielt er die Oberfläche im Zugriff ständiger Bewegung. In solcher dem Wachs entsprechender, in vielfachen Wiederholungen sich ergehender schmiegsamen Formensprache spielt der Rhythmus eine große Rolle. Auch dies verband Cimiotti mit Laurens, der über sein Vorbild schon 1951 bemerkt hatte: »Die neueren, manchmal fast geschmeidigen Bronzen haben nur ein Grundthema: die rhythmische Inszenierung der Volumen.« 31 Hat man sich etwa in Cimiottis Bronze Baum mit großen Vögeln (Taf. XVI) von 1961 eingesehen und bemerkt 32, wie deren horizontale Formbewegungen in gleichsam atmender Rhythmik ineinanderschwingen, dann könnte man darin die ondulierende Figurenrhythmik von Laurens, wie sie zum Beispiel seine Allégorie von 1945 veranschaulicht, fortwirken sehen. Eduard Trier sprach bereits von einer »Handschrift« Cimiottis, die an »Detailstrukturen des späten Henri Laurens und des nachsurrea-
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88 Emil Cimiotti: Stehende Frau, 1955, Ton, circa 55 cm hoch, Privatbesitz.
listischen Giacometti« erinnere.33 Cimiottis Arbeiten der fünfziger und sechziger Jahre verhalten sich zu Laurens’ Spätwerk wie ein Chor zur Einzelstimme. Bei ihm gerät der strenge, klassisch ausponderierte Formenrhythmus des Franzosen zur strukturellen Vielstimmigkeit eines figurativ-vegetabilischen Zwitterwesens. Das antike Maßbewußtsein wird gleichsam in die Freiheit einer wachstümlichen, metamorphen Vielfalt entlassen und lebt vielteilig darin fort. Diese Weiterentwicklung beschreibt Cimiottis erstaunlich weitsichtige Beobachtung aus dem Jahr 1951: »Manchmal fangen in diesen Figuren [die Sirène ailée von 1938] Einzelformen fast an zu flattern: das interessiert mich unmittelbar. Von hier aus müsste ein ganz neuer Ansatz von Plastik möglich sein, wie man sie noch nie gesehen hat.« 34 Sechs Jahre sollte es brauchen, bis Cimiotti dieses noch nie gesehene »Flattern« tatsächlich einlösen konnte. Wollte man Cimiottis folgenreichen Dialog mit Laurens’ Werk auf seine wichtigsten Maximen zurückführen, so könnte man sie mit »Zwischenräumlichkeit«, dynamisierte Maßästhetik, Rhythmik und mit dem »Flattern« der Volumen umschreiben. Auch Wilhelm Loth gewann im Umgang mit Laurens’ Werk grundsätzlich Klarheit über die eigene Position, wie er sich rückblickend erinnerte:
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Henri Laurens: Torso, 1935, Bronze, 66,5 × 37 × 50,5 cm, Paris, Musée national d’Art moderne, Centre Georges Pompidou.
»1951 war ich zum ersten Mal in Paris. Es waren Offenbarungen. Im Musée d’Art Moderne traf ich auf Bronzen von Henri Laurens. Ich begriff, dass es sich nicht mehr um Stilisierung der menschlichen Erscheinung handelt, sondern um Figuren, die neben dem Menschen entstanden waren, die zwar menschliche Gestalt suggerieren, aber nach ihren eigenen Formgesetzen gebaut waren. Ich hatte zu lernen: eine Plastik ist kein die Figur nachahmendes Gebilde, sondern sie ist ein dinghafter, der Natur gegenüber stehender ›Gegenstand‹. Gemacht nach Gesetzen, die der Bildhauer selbst zu finden hat.« 35 Diese aus Laurens’ Kubismus historisch abgeleitete Einsicht in die Objekthaftigkeit unabhängiger Kunst sollte Loth später selbst anwenden, bis hin zur abstrakten Zeichensetzung seiner weiblichen Akt-Torsi. So gesehen stehen sein wiederholtes Bekenntnis zum »plastischen Ding« und die in seinen Idolen vollzogene »Einbindung der Körperformen in eine geometrische Form« unter den Auspizien des von ihm bewunderten frühen Laurens.36
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90 Georg von Kováts: Figur, 1954, getönter Gips, 128 × 58 × 58 cm, Nachlaß Kováts, Gauting.
Als Loth 1956 seinen Bildhauerfreund Georg von Kováts überreden konnte, aus München zu ihm nach Darmstadt zu übersiedeln, dürfte zu den gemeinsamen Grundüberzeugungen die Vorliebe für Laurens gezählt haben. Erst in unseren Tagen wird das bedeutende Werk des gebürtigen Ungarn (1912–1997) seiner Wiederentdeckung zugeführt.37 Kováts hatte zunächst in Wien und Budapest studiert, bis er 1935 zu Karl Albiker an die Akademie der Künste in Dresden wechselte, um von dort mit Unterbrechung eines inspirierenden Paris-Jahres (1937/38) zu Richard Scheibe an die Hochschule für Bildende Künste in Berlin zu gehen. Hier wurde er von 1939 bis 1945, vom Kriegsdienst unterbrochen, Scheibes Meisterschüler. Das erste Jahr in Paris führte Kováts bereits in die Ateliers von Despiau, Lipchitz, Zadkine und eben auch von Laurens.38 Diese Eindrücke werden sich 1951 während eines weiteren Stipendienaufenthalts in Paris vertieft haben 39, als er begann, die alten Kontakte zu erneuern 40. Noch kurz vor seinem Tod betonte Kováts in einem Interview, daß ihn »mit Laurens und Arp eine tiefe Freundschaft« verbunden habe. Aus der Zeit nach Laurens’ Tod im Jahr 1954 hat sich eine Serie von Kugelschreiber-Zeichnungen erhalten, die Kováts vor Werken seines Favoriten anfertigte.41 Man erkennt Studien nach Bronzen wie Karyatide (1930), Das Band (1936), Amphion (1937), Geflügelte Sirene (1938), Der Morgen (1943), Der Mond (1948), Herbst (1948), Jeunesse (1953) sowie Kleine Spanierin (1954). In diesen Kopien analysierte Kováts die von Laurens geklärten Verhältnisse monumental gesetzter Volumen. An ihrer
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Georg von Kováts: Kopie nach Der Morgen von Henri Laurens, Tintenkugelschreiber auf Papier, 19,6 × 10,5 cm, Nachlaß Kováts, Gauting.
Einfachheit, schwellenden plénitude und rhythmisch gebündelten Kraftentfaltung scheint sich Kováts geschult zu haben – nicht ohne sichtbare Ergebnisse. So zeigt sein Torso (1949), wie er sich die verflochtene Bauweise des Laurens’schen Torso von 1935 anverwandelt hat. Im getönten Gips Figur (Abb. 90) wird die Gestensprache von Laurens’ Der Morgen aufgenommen, jener Bronze, die Kováts von allen Werken des Franzosen am häufigsten kopiert hat (Abb. 91). Schließlich enthält auch eines seiner Hauptwerke, die liegende Chimäre (Abb. 92), in ihren vielfachen Raumöffnungen Anklänge an Laurens. Bei Laurens, etwa in der Femme au banjo von 1939, findet sich, wenn auch einfacher und lapidarer, eine ähnlich gleichgewichtige rhythmische Verteilung der Raumintervalle.42 Kováts und Laurens berührten sich in ihrem lebendigen, rhythmisch verflüssigten Biomorphismus. Wenn Kováts 1950 in einer programmatischen Rede von »kommunizierenden Bewegungsformen plastischer Körper« als künstlerischem Ideal sprach 43, blieb er mit Laurens’ Leitvorstellung von einer Skulptur als »Folge plastischer Ereignisse« eng verbunden 44.
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Georg von Kováts: Chimäre, 1962/65, Bronze, 75 × 120 × 65 cm, Kranichstein/Darmstadt.
Hans Arp Hans Arp nahm im deutsch-französischen Kulturtransfer eine zentrale Vermittlerrolle ein. Der gebürtige Elsässer lebte diesen Austausch mit seiner ganzen Persönlichkeit vor. Seine biomorphen Plastiken, die dem »Wie-die-Natur-Prinzip« folgten, faszinierten den bildhauerischen Nachwuchs in Deutschland.45 Hier ist an erster Stelle Hans Steinbrenner zu nennen, der 1952 mit vierundzwanzig Jahren aus dem zerbombten Frankfurt am Main zum ersten Mal nach Paris kam. Bislang an der Romanik, an seinem Lehrer Hans Mettel und vor allem an der Gliederarchitektur eines Wilhelm Lehmbruck orientiert, breiteten sich mit einem Mal in den Museen, Kirchen, Galerien und auf den Plätzen alle Stile und Formen der jüngeren und älteren Plastik, und im Musée de l’Homme sogar die gesamte Weltskulptur, vor ihm aus.46 Unter den lebenden Parisern interessierten Steinbrenner vor allem Brancusi, Etienne-Martin, Penalba, Stahly und eben Arp. 1955 bis 1960 waren die Jahre, in denen er nach Maßgabe des Pariser Biomorphismus, zeitweilig auch durch Moore angeregt, zu seinem eigenen organoiden Frühwerk fand. Seit 1955 konnte er regelmäßig nach Paris reisen und die dortige Szene verfolgen. 1959 lernte er Stahly kennen, der ihn sogar zur ständigen Mitarbeit in seinem Atelier in Meudon einlud; aus persönlichen Gründen mußte Steinbrenner das Angebot jedoch ablehnen und
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nach Frankfurt zurückkehren. Im Hinblick auf seinen intensiven Dialog mit Arp betonte Steinbrenner rückblickend: »Hans Arp war in seiner Entschiedenheit ein ganz wichtiger Anreger, vielleicht der wichtigste für mich in diesen Jahren.« Besonders hob er dessen »Reinheit der ganz gegenstandlosen Form« hervor.47 Bereits 1958 sollte sich Arps Einfluß in einem frühen Hauptwerk deutlich niederschlagen. Seine überlebensgroße Ulmenholz-Statue Komposition (aufsteigend) präsentiert sich im Vergleich mit Arps bekannter Plastik Croissance als eine an dem Elsässer gereifte und dennoch selbständige Huldigung. Arp nahm hier eigene frühere Formulierungen für Knospen und weibliche Torsi auf, um sie in eine übergreifende ›zyklische Metamorphose‹ einzuschmelzen.48 Diesem Thema sah sich auch der junge Steinbrenner verpflichtet, begriff jedoch das Aufsteigen der Formen weniger als ein fontänengleich aufschnellendes Kontinuum, denn als Stufung, die in jedem Absatz neu errungen werden muß. Anders als bei Arp setzen seine ›Schößlinge‹ tiefer am Stammvolumen an, das als solches greifbar bleibt. So behauptet sich Steinbrenners Figur in der allseitigen Richtungsdivergenz ihrer Formausstülpungen als eine in die Höhe ›gebaute‹ Komposition, die dem Außenraum zu trotzen scheint. Ihre Wehrhaftigkeit unterscheidet sie grundsätzlich von der »Panta rhei«Auffassung, die Arp als Lebensmaxime von den Vorsokratikern übernommen hatte. Während Arp ›Es‹ sich formen ließ, setzte Streinbrenner die Formen aus seiner architektonischen, früh an Lehmbruck geschulten Gesinnung in den Raum und ordnete sie einander zu. Konnte sich der Ältere dem Ingenium der surrealistischen Traumästhetik überlassen, kam der Jüngere nie umhin, seine Kompositionen zu ›erbauen‹, ob in biomorphen Abstraktionen oder später in kubischen Setzungen.
Germaine Richier Zu den Attraktionen, die Paris für deutsche Bildhauer bereithielt, zählte das Werk von Germaine Richier. Ihre phantastisch-realistischen Figuren waren seit 1947 regelmäßig auf dem Salon de Mai ausgestellt, 1948 präsentierte die Galerie Maeght ihr aufregendes Nachkriegsschaffen und bald darauf nahm die Galerie Creuzevault sie unter Vertrag. 1956 schließlich, drei Jahre vor ihrem Tod, richtete Jean Cassou der Künstlerin eine Retrospektive im Musée national d’Art moderne aus. Richier war Privatschülerin von Bourdelle und Enkelschülerin von Rodin gewesen.49 Mit ihr wurde jene latent antiklassische, romantische Strömung der französischen Skulpturgeschichte fortgesetzt, die über Rodin, Rude, Maindron, Feuchère bis letztlich in die gotische Kathedralplastik zurückreichte.50 Richiers Insektenfrauen, Waldschrate, Krallenwesen, Gottesanbeterinnen, anthropomorphe Heuschrecken, Spinnen und Ameisen – Imaginationen, die ihrer existentiellen Verbundenheit mit ihrer
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93 Herbert Peters: Stehende, 1959, englischer Zement, 157,5 × 40,8 × 32,5 cm, Privatbesitz.
provenzalischen Heimat entsprangen – verstörten und faszinierten die Zeitgenossen gleichermaßen.51 Zwei Deutsche, die sich in entscheidenden Augenblicken ihrer künstlerischen Karriere von Richiers Werk inspirieren ließen, seien hier näher betrachtet: Herbert Peters und Michael Croissant.52 Peters reiste erst 1959 und 1961/62 nach Paris, bis dahin waren ihm die Arbeiten Richiers nur durch Reproduktionen bekannt.53 Wie intensiv er sich – 1955 aus dem schützenden Biotop der Stadler-Klasse entlassen – mit dem provozierenden Schaffen der Französin auseinandersetzte, zeigt seine Stehende von 1959 (Abb. 93).54 Ähnlich unerschrocken wie Richier, griff auch Peters die plastische Form an. Dem Richierschen Phänotyp vergleichbar, finden wir bei ihm ein enges, steiles Standmotiv, eine verletzte Bauchpartie, dünne »aktionslose« Arme, die von den weit zurückgenommenen Schultern herabhängen, einen langen Hals und deformierten Kopf. 55 Am nächsten kommen ihm hierin Richiers Bronzen L’Ogre (Abb. 94) und L’Epi (1955).56 Trotz dieser Bezüge ist Peter Anselm Riedl zuzustimmen, der zu Peters Stehende bemerkt hat: »Dabei löst er sich weder völlig vom Formmuster des menschlichen Körpers, noch läßt er sich von der neuen« – in Paris erlebten – »Freiheit zur Anarchie verleiten. Unter der bewegten Oberfläche seiner Figuren empfindet man ein stabilisierendes Gerüst und die Zurücknahme der realistischen Werte trägt sogar zur Hervorhebung des latent Konstruktiven bei.« 57
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Germaine Richier: L’Ogre, 1949, Bronze, 81 × 45 × 41 cm, Privatsammlung.
Diese These wird durch weitere Vergleiche mit Richier bestätigt. Peters dürfte gewußt haben, daß deren Figuren sämtlich einer inneren konstruktiven Verankerung entwuchsen. Von ihrem Lehrer Bourdelle war der Bildhauerin vermittelt worden, daß eine Figur von der ersten Idee bis zur Realisierung im Strukturgesetz der geometrischen Analyse zu gründen sei.58 Entsprechend markierte Richier mit Fettkreide die plastischen Artikulationspunkte, die Vektoren und Koordinaten, direkt auf dem Körper des Modells. So gelangte sie zu einem System raumbezogener Dreiecksformen, der sogenannten triangulation, die sie mit Senkblei und Stechzirkel peinlich genau auf die Tonfigur übertrug. Erst auf der Basis dieser mathematischen Grundlage konnte sie ihren Erfindungen und Deformationen Raum geben. Peters scheint in seinen späteren autonomen Zeichnungen genau dieses Prinzip der unterlegten Geometrie auf erweiterte und befreitere Weise fortgeführt zu haben. Auch Michael Croissant zog es in einer entscheidenden Umbruchsphase seiner Entwicklung zu Richier. Birk Ohnesorge hat unlängst die Überlegung geäußert, der junge Bildhauer habe während seiner »informellen« Phase von Richier
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Anregungen erhalten.59 Ich bin sicher, daß er wie sein Freund Peters das Werk der Französin kannte. Spuren von Richiers Arbeiten entdeckte Ohnesorge sowohl in Croissants Pferdeköpfen ab 1960 wie in seinen frühen Köpfen ab 1962; der Bezug der ersteren in ihrer durchlöcherten und zerfransten Fragilität mit Richiers beschwörend morbider Bronze Le Cheval à six têtes ist offenkundig.60 Ein anderer Hinweis auf eine starke Orientierung an Richier bietet Croissants Bozetto zum Glockenläutner, einem Auftragswerk der Stadt Landau aus dem Jahr 1961.61 Die Art, wie hier die Männer mit ihren Glockenseilen als verknappte Zeichen in das luftige, nur linear umgrenzte Ambiente des Kirchturms eingefügt sind, zeigt, daß Croissant Richiers Methode, Figur und Raumfäden miteinander zu verspannen (wie beispielsweise in Das Diabolo-Spiel und in Das Paar 62), genau studiert und in sein Architekturthema aufgenommen hat. Außerdem dürfte er Richiers triangulation verinnerlicht haben, wenn er später aus einem geometrischen Strukturgesetz heraus seine großen Köpfe in den Raum baute.63
Antoine Pevsner Von allen deutschen Bildhauern gelang es nur einer Frau, mit Protektion und Glück in Paris bei einem Bildhauer der ersten Garde als Assistentin eingestellt zu werden. Die Rede ist von Brigitte Meier-Denninghoff (später: Matschinsky-Denninghoff), die 1949, im Alter von 26 Jahren, mit einem Guggenheim-Stipendium in der Tasche durch die Vermittlung von Thwaites bei Antoine Pevsner (1886–1962) arbeiten konnte.64 Pevsner besaß damals eine große Autorität in Paris. Seine durchschlagend neue Definition des Raumvolumens auf einer konstruktiven Basis fand weite Beachtung. Insgesamt neun Monate wird Meier-Denninghoff bei dem Russen, der 1930 die französische Staatsbürgerschaft erworben hatte, bleiben und sich in seine Methodik der Erstellung von Raum-Schalen durch zusammengelötete Messingstäbe einarbeiten. Nur allmählich taute der introvertierte und mißtrauische Künstler ihr gegenüber auf. Doch bald unterhielt er sich mit ihr über seine Arbeit, etwa über seine Bühnenausstattung von Diaghilevs Ballett La Chatte (1928) und die immanente Logik seiner raumplastischen Werke, und über seine Vorbilder, namentlich die mathematischen Modelle im Palais de la Découverte. Pevsner sorgte auch dafür, daß Meier-Denninghoff seit 1949 im Salon des Réalités Nouvelles ausstellte, ein Forum der abstrakten Kunst, an deren Gründung er maßgeblich beteiligt gewesen war. Die junge Deutsche schloß außerdem rasch Freundschaft mit anderen Künstlern, mit Berto Lardera, Etienne Hadju, Hans Hartung, Pierre Soulages und Serge Poliakoff. 1959 erhielt sie den erstmals ausgeschriebenen Prix Bourdelle, in dessen Jury auch ein Deutscher saß: Karl Hartung.
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Pevsners schwerelose, nur aus ebenen Flächen und gebogenen Linien sich aufschwingende »Konstruktionen im Raum« haben das bildnerische Denken der Künstlerin stark geprägt.65 Formelemente, die »zu einer offenen Einheit zusammengefügt [sind], zu der auch der Luftraum als ›integrierender Teil des Werkes‹ (Pevsner) gehört«, Skulpturen, die »lichte polygonometrische Figuren aus dem unendlichen Raum [schneiden], dem sie sich zugehörig erklärt« – Pevsner eröffnete MeierDenninghoff Möglichkeiten der Raum-Behandlung, an die sie Jahre später anknüpfen und in Zusammenarbeit mit ihrem Mann, Martin Matschinsky, fundamental erweitern sollte.66 Diesen Prozeß der kreativen Verständigung der Matschinsky-Denninghoffs mit Pevsners Raumkörpern hat Johannes Langner treffend analysiert: »In der Entwicklung des Werkes von Matschinsky-Denninghoff seit 1955« – dem Jahr, in dem die Künstler ihr gemeinsames Werk beginnen – »zeichnet sich die aufarbeitende Auseinandersetzung mit dem von Pevsner gegebenen Beispiel ab, und zwar mit zunehmender Direktheit. Der empfangene Grundimpuls steigt gleichsam an die Oberfläche«. In einem Vergleich zwischen MatschinskyDenninghoffs Daphne (WVZ 106) und Pevsners Entfaltung eines Siegeszeichens von 1945/46 verdeutlicht Langner, daß 1961 »der Punkt der größten Nähe erreicht« war.67 Die Übereinstimmung sei so »augenfällig, bis hin zu dem Elan, der die Form beflügelt und über sich hinausgreifen läßt. Gleichzeitig behaupten unsere Künstler auch in diesem Moment der größten Nähe ihren eigenen Stand. Die Flächenform, bei Pevsner primär mit dem Raum befaßt, neigt bei ihnen mehr zur Suggestion körperlicher Vorstellung. Statt lückenloser Systematik bleiben Spielräume intuitiver Entscheidung offen. Nicht die Mathematik, sondern Naturform ist Paradigma der Gestaltung«.68
Innerer Kompaß Jeder der hier behandelten Bildhauer hätte auf seine frühen Paris-Erfahrungen rückblickend den Enthusiasmus von Loth geteilt und sich dessen Ausruf »Es waren Offenbarungen« zueigen gemacht. Stets, so zeigt sich, gab das eigene künstlerische Anliegen den inneren Kompaß vor. Nur so konnten die deutschen Bildhauer die vielfachen Offerten, die Paris für sie bereithielt – sei es die neue vegetabilische, essentielle, phantastische Bestimmung des Körpervolumens bei Picasso, Brancusi, Arp, Giacometti oder Richier, sei es die Dinghaftigkeit oder rhythmische Äquivalenz von Form und Raum bei Laurens, sei es die konstruktive Freisetzung des Raumes bei Pevsner –, überhaupt wahrnehmen und daraus für ihre eigene Entwicklung entscheidenden Nutzen ziehen. Die Ergebnisse, die die aufgewiesenen Impulse zeitigten, gerieten in jedem Fall individuell und stark. Aus heutiger Perspektive hat
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sich alles in allem die deutsche Nachkriegsskulptur in ihrer Vielstimmigkeit und Vitalität glänzend neben der gleichzeitigen jungen Skulpturszene in Paris behauptet – ein Resultat, das durch differenziertere Forschungen noch breiter zu unterbauen, aber im Kern nicht zu widerlegen wäre. Hat es im Gegenzug zu der hier dargestellten Aufgeschlossenheit deutscher Bildhauer für die damals so inspirierende Skulpturenlandschaft in Paris auch eine Bewegung französischer Bildhauer nach Deutschland gegeben? Hat sich der Stil eines Franzosen durch den eines deutschen Kollegen verändert? Hier zögert man. Gleichwohl haben französische Bildhauer gern in Deutschland ausgestellt, mit Kunsthändlern wie Jean-Pierre Wilhelm in Düsseldorf, Dieter Brusberg in Hannover/Berlin, Appel & Fertsch in Frankfurt, Orangerie Reinz und Helmut Dreiseitel in Köln oder Günter Francke und Otto Stangl in München zusammengearbeitet und in Deutschland zahlreiche Sammler gefunden.
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1 Siehe Jürgen Fitschen: Künstlerische Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich – Eine kurze geschichtliche Übersicht, in: Für Deutsche unnachahmlich. Deutsche und französische Bildhauerkunst 1890–1940, Ausstellungskatalog, Gerhard Marcks Haus, Bremen, Bremen 2004, S. 6–11, S. 10; Susanne Kähler: Deutsche Bildhauer in Paris. Die Rezeption französischer Skulptur zwischen 1871 und 1914 unter besonderer Berücksichtigung der Berliner Künstlerschaft, Frankfurt am Main 1996. 2 Leopold Zahn: Französische Plastik, in: Das Kunstwerk I/1946–47, Heft 12, S. 46–49, S. 46. 3 Eduard Trier: Französische Plastik des 20. Jahrhunderts, in: Das Kunstwerk IX/1955–56, Heft 1, S. 35–40, S. 40. 4 1957 und 1959 hatte Kricke eine Einzelausstellung in der Pariser Galerie Iris Clert. 5 Siehe Martin Schieder: René Drouin und seine Ausstellung ‘Peintures et sculptures non figuratives en Allemagne d’aujourd’hui’ 1955 in Paris, in: Jenseits der Grenzen. Französische und deutsche Kunst vom Ancien Régime bis zur Gegenwart. Thomas W. Gaehtgens zum 60. Geburtstag, hrsg. von Uwe Fleckner, Martin Schieder und Michael F. Zimmermann, 3 Bde., Köln 2000, Bd.3 (Dialog der Avantgarden), S. 180–200, S. 182. 6 Siehe Jürgen Morschel: Norbert Kricke, Stuttgart 1976, S. 7; Norbert Kricke 1922–1984, hrsg. von Sabine Kricke und Ernst-Gerhard Güse, Stuttgart 1984, o. P.; darin folgende Aussage von Kricke: »Brancusis Plastiken sind wohl Massenformen, physikalisch betrachtet, ihr künstlerisches Leben aber und das, was sie uns suggerieren, ist die Welt des Immateriellen, des Schweigens, des Fluges. Seine Formen erscheinen uns gewichtslos, in Schwebe […]. Formalstilistisch sind ihm viele gefolgt, indem sie seine Massenformen abwandelten. Sein künstlerischer Ruf aber galt dem Allraum, dem Schwerelosen und dem Unbegrenzten. Ihn hörten nur wenige!« Zur Bedeutung des Immateriellen bei Kricke siehe Ernst-Gerhard Güse: Die Einheit von Raum und Zeit. Sechs Plastiken von Norbert Kricke aus dem Jahr 1955, in: Norbert Kricke. Plastiken und Zeichnungen 1953–1955, Ausstellungskatalog, Galerie Edith Wahlandt, Stuttgart, Stuttgart 1994, S. 42. 7 Siehe Dirk Steimann: Entwicklungslinien im plastischen Werk, in: Ernst Hermanns zum 85. Geburtstag, Ausstellungskatalog, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster / Wilhelm Lehmbruck Museum, Duis-
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burg / Städtisches Museum Leverkusen, Schloß Morsbroich, Münster 1999, S. 22–27, S. 22. Aus einem Bericht von Seitz geht hervor, daß er gern Picasso porträtiert hätte, was für den Schöpfer so treffsicherer Köpfe wie Kokoschka oder Brecht sicher lohnend gewesen wäre. Auch soll ihn Picasso zum Wiederkommen aufgefordert haben, da er dessen linke politische Ansichten teilte: »Er freute sich, dass es in Deutschland unter der Künstlerschaft eine Bewegung gibt, die gegen einen neuen Krieg kämpft, und er freute sich, dass durch unsere Begegnung der Weg zu gemeinsamer Arbeit gefunden ist«; Gustav Seitz: Begegnung mit Picasso, in: National-Zeitung, Berlin, 17. August 1952; wiederabgedruckt in: Gustav Seitz, 1906–1969. Plastik, Zeichnungen, Graphik, Ausstellungskatalog, Akademie der Künste der Deutschen Demokratischen Republik, Altes Museum, Berlin (Ost) 1986, S. 48 ff. Siehe ibid., S. 39, die Abbildung einer wohl vor Ort entstandenen Tuschzeichnung, die Picasso stehend in seinem Atelier neben dem Mann mit Lamm zeigt. Tagebuch-Eintragung vom 4. Oktober 1929. Diese und die folgenden Auszüge entstammen den im Archiv für Bildende Kunst, Nürnberg, aufbewahrten Tagebüchern des Künstlers. Für die freundliche Übermittlung dieser wertvollen Informationen ebenso wie für klärende Gespräche danke ich Frau Hanne Hartung, Bramstedt, sehr herzlich. Siehe Markus Krause: Karl Hartung 1908–1967. Metamorphosen von Mensch und Natur, München 1998, S. 76 ff., mit überzeugenden Vergleichen zu Hartungs Laurens-Rezeption. Siehe André Breton: Picasso dans son élément, in: Minotaure I-1/1933, S. 4 ff. Siehe Christa Lichtenstern: Pablo Picasso: Tête de femme. Zwischen Klassizismus und Surrealismus, Frankfurt am Main 1980; dies.: »Unsere Schönheit heute heißt Intensität«. Wilhelm Loths frühe Begegnungen mit Moore, Picasso und Ossip Zadkine, in: Wilhelm Loth zu Ehren. Retrospektive. Plastiken, Gemälde, Zeichnungen, Ausstellungskatalog, Institut Mathildenhöhe, Darmstadt, hrsg. von Klaus Wolbert, Darmstadt 1995, S. 26–31, S. 27 f. Daniel-Henry Kahnweiler: Les sculptures de Picasso, Paris 1948. Krause 1998, WVZ Nr. 422, 32,5 × 35,5 cm. Es existiert eine polierte Bronzefassung im Neuen Museum in Wiesbaden, eine Terrakotta im Privatbesitz sowie ein Gips im Nachlaß.
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15 Krause 1998, S. 72 f. 16 Freundliche Gesprächsmitteilung von Frau Netz-Paulik, 4. Februar 2005. 17 Siehe Christa Lichtenstern: Ossip Zadkine (1890–1967). Der Bildhauer und seine Ikonographie, Berlin 1980, S. 187–191. Vom Pariser Musée Zadkine sowie von belgischen und holländischen Sammlungen abgesehen, dürfte Zadkine am meisten in öffentlichen und privaten Sammlungen in Deutschland vertreten sein. 18 Freundliche Gesprächsmitteilung von Hubertus von Pilgrim an die Verfasserin, 11. Februar 2005. 19 Siehe Lilo Netz-Paulik. Skulpturen, Ausstellungskatalog, Museum Sankt Wendel, Sankt Wendel 1997, Abb. 7 (Paar, 1956, Bronze). Weitere von Zadkine geprägte Frühwerke befinden sich in der Sammlung der Künstlerin; ihr Werk bedürfte dringend einer wissenschaftlichen Aufarbeitung. 20 Siehe Christoph Zuschlag: Emil Cimiotti – Das plastische und zeichnerische Werk, in: Emil Cimiotti, Monographie, hrsg. von Theo Bergenthal und Joachim Stracke, Heidelberg 2005, S. 7–27. 21 Eduard Trier: Emil Cimiotti – Plastiken 1955–1977, hrsg. von Dieter Brusberg, Hannover 1978, S. 7; im folgenden abgekürzt: Cimiotti WVZ. 22 Uwe Haupenthal: Das plastische Menschenbild bei Wilhelm Loth, Darmstadt 1989, S. 127–135; Lichtenstern 1995. Durch Loths Vermittlung wurde Zadkine 1953 Mitglied der Neuen Darmstädter Sezession. 23 Toni Stadler: Mein Weg, in: Toni Stadler, Ausstellungskatalog, Kunstverein Hannover, Hannover 1965, S. 11; wiederabgedruckt in: Henri Laurens 1885–1954. Bronzen, Steine und Arbeiten auf Papier, Ausstellungskatalog, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Nationalgalerie, Altes Museum, Berlin 1991, S. 97. Stadler beruft sich auf eine Laurens-Ausstellung, die er in Zürich gesehen habe; 1954 war Laurens hier auf der Gruppenausstellung Begründer der modernen Plastik vertreten, 1960 fanden in der Galerie René Ziegler und 1961 im Kunsthaus Einzelausstellungen statt. Stadler muß aber schon früher, vermutlich in Paris, Laurens vor Augen gehabt haben, da er sich seinen Schülern gegenüber bereits zu Beginn der fünfziger Jahre zu ihm bekannte. 24 Zit. nach Henri Laurens 1991, S. 99. Einer, der dieses Wagnis relativ spät unternommen hat, war Herbert Peters. Seine Bewunderung für
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Laurens wird 1970/71 in der Bronze Hockende erkennbar; siehe Herbert Peters: Plastiken und Skulpturen. Werkverzeichnis, mit einer Einführung von Peter Anselm Riedl, Nürnberg 1996, WVZ Nr. 61. Just als Peters sich von Stadler löste und zu einer archaischen und durch klare Kräfteverhältnisse in sich gebundene Tektonik fand, verarbeitete er die Blockbindung und gestufte Volumengliederung von Laurens’ Karyatide (1930). Siehe Christa Lichtenstern: Die Münchner Bildhauerschule heute. Wilhelm Uhlig. Herbert Peters. Fritz Koenig, in: Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, Bd. 18, München 2004, S. 235 f. Zit. nach Henri Laurens 1991, S. 97. Zit. nach Henri Laurens 1991, S. 99. Abgebildet bei Eduard Trier: Emil Cimiotti, in: Junge Künstler 61/62, Köln 1961, Abb. 1; nicht aufgenommen in Cimiotti WVZ. Dieses Werk erwähnte Cimiotti auch in seinem Laurens-Statement; siehe Henri Laurens 1991, S. 99. Cimiotti WVZ 33 und 34 (beide 1959); siehe Hans Wille: Emil Cimiotti, Göttingen 1968, S. 14. Henri Laurens 1991, S. 99. Cimiotti WVZ 56. Eduard Trier: Einführung, in: Cimiotti WVZ, S. 7. Henri Laurens 1991, S. 99. Ibid., S. 98. Siehe Lichtenstern 1997, S. 28 und 17. Zur Zeit bereiten Nina Kováts und Larissa Ramscheid ein Werkverzeichnis vor. Letztere wird in Kürze an der Universität Saarbrücken ihre Magisterarbeit über Georg von Kováts und der Mythos als Baustein zu einer Dissertation über Kováts vorlegen. Ich danke beiden Autoren herzlich für die mir überlassenen Informationen und Dokumente. Elisabeth Krimmel: Georg von Kováts. Ein Bildhauer zwischen Mythos und Wirklichkeit, Darmstadt 1992, S. 9. Das Stipendium wurde Kováts für circa drei Wochen von der Französischen Hochkommission, Mainz, im Rahmen eines KulturaustauschProgramms zugesprochen. Der Erfolg seiner Bemühungen spiegelt sich in der Tatsache, daß 1953 die befreundete Bildhauerin Gisela Schmidt-Reuther seiner Empfehlung folgen und Laurens im Atelier besuchen konnte.
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41 Die Zeichnungen befinden sich im Kováts-Nachlaß, München-Gauting. 42 Siehe Werner Hofmann: Henri Laurens. Das plastische Werk, Stuttgart 1970, Abb. 172. 43 Georg von Kováts: Rede für Gisela SchmidtReuther vom 28. 3. 1951, Manuskript, Nachlaß Kováts, München-Gauting. 44 Henri Laurens 1991, S. 48. 45 Siehe Christa Lichtenstern: Voraussetzungen und Entwicklungen naturästhetischer Perspektiven in der Skulptur und Plastik nach 1945, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft, Bd. 23, Marburg 1993 (Sonderband Plastische Erkenntnis und Verantwortung. Studien zur Skulptur und Plastik nach 1945, hrsg. von Christa Lichtenstern), S. 19–42. 46 Siehe Claire Hellweg: Hans Steinbrenner. Die Entwicklung der Formensprache im plastischen Werk, Diss. Frankfurt am Main 1991, S. 42 ff. 47 Hans Steinbrenner im Gespräch mit Friedhelm Mennekes, in: Hans Steinbrenner, Ausstellungskatalog, Kunstverein Braunschweig, Braunschweig 1989, o. P. Die folgenden Ausführungen wurden grosso modo entnommen Christa Lichtenstern: Hans Steinbrenners Weg in die »biomorphe Abstraktion«. Ein Beitrag zur Skulpturgeschichte der 50er Jahre, in: Hans Steinbrenner. Skulpturen 1948–1960, Ausstellungskatalog, Sinclair-Haus, Bad Homburg v. d. H. 1990, S. 18 f. 48 Siehe Christa Lichtenstern: Metamorphose in der Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts, Bd. 2 (Vom Mythos zum Prozessdenken. Ovid-Rezeption, Surrealistische Ästhetik, Verwandlungsthematik in der Nachkriegskunst), Weinheim 1992, S. 169 ff. 49 Siehe Germaine Richier, hrsg. von Angela Lammert und Jörn Merkert, Köln 1997; Claudia Spieß: Germaine Richier (1902–1959). Die lebendig gewordene Skulptur, Hildesheim u. a. 1998. 50 Siehe Christa Lichtenstern: Germaine Richiers ›réalisme phantastique‹. Versuch einer Ortsbestimmung, in: Germaine Richier 1997, S. 57: »In Germaine Richiers phantastischem Realismus erhält ihr französisch-romantisches Erbe ein modernes, ihrer Epoche anverwandeltes Gesicht. In der Eindringlichkeit ihrer Menschendarstellung, in der Dämonie ihrer genialen Mischwesen und in ihrer wilden Öffnung auf die Natur hin meldet sich eine seltene bildhauerische Obsession zu Wort. In ihr versammeln sich nicht nur hundert Jahre anti-klassizistische Opposition, sondern sie lässt sie mutig
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zeitgemäße Gestaltungsmittel wie die Prozessdarstellung, die Deformation und die Metamorphose ergreifen, um durch diese einer ›neuen Wirklichkeit des Menschen‹ (Peter Selz) Ausdruck zu geben«. Siehe Lichtenstern 1992, Bd. 2, S. 317–333. Ein deutlicher Richier-Einfluß ist auch im Spätwerk von Karl Hartung auszumachen. Freundliche Gesprächsmitteilung von Herbert Peters an die Verfasserin, 22. Januar 2005. Siehe Christa Lichtenstern: Die Münchner Bildhauerschule heute. Wilhelm Uhlig. Herbert Peters. Fritz Koenig, in: Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, Bd. 18, München 2004, S. 232. Herbert Peters. Plastiken und Skulpturen. Werkverzeichnis, Ausstellungskatalog, Künstlerwerkstatt Lothringerstraße München, mit einer Einführung von Peter Anselm Riedl, Nürnberg 1996, S. 8. Abgebildet in: Germaine Richier 1904–1959, Ausstellungskatalog, Galerie Creuzevault, Paris, Paris 1966, o. P. Siehe Lichtenstern 2004, S. 233. Herbert Peters 1996, S. 8. Siehe hierzu ausführlich Spieß 1998, S. 125 ff. Birk Ohnesorge: ›Einmal eine gute Plastik machen‹. Der Bildhauer Michael Croissant, in: Der Bildhauer Michael Croissant (1928–2002) mit dem Werkverzeichnis der Skulpturen, hrsg. von Josephine Gabler und Birk Ohnesorge, Berlin 2003, S. 19. Abgebildet in: Germaine Richier 1966. Michael Croissant 2003, WVZ Nr. 52. Abgebildet in: Germaine Richier 1966. Als weitere Anregung kommen bei Croissant die gotischen Liniensysteme eines Villard d’Honnecourt in Betracht; siehe Christa Lichtenstern: ›Ich sehe mich ganz stark in der Tradition‹. Croissant und die Kunstgeschichte, in: Michael Croissant 2003, S. 55 f. Die folgenden Ausführungen basieren auf einem Gespräch, das ich dankenswerterweise am 18. Dezember 2004 mit Brigitte MatschinskyDenninghoff, Berlin, führen durfte. Zu Pevsner siehe zuletzt Antoine Pevsner dans les collections du Centre Georges Pompidou, Ausstellungskatalog, Musée national d’Art moderne, Centre Georges Pompidou, Paris, Paris 2001. Eduard Trier: Figur und Raum. Die Skulptur des 20. Jahrhunderts, Berlin 1960, S. 14. Johannes Langner: Wandel und Entfaltung. Zum plastischen Werk von Matschinsky-Denninghoff,
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LICHTENSTERN
in: Matschinsky-Denninghoff. Monographie, mit einem Werkverzeichnis von Anette Schwarz, hrsg. von Georg W. Költzsch, Köln 1992, S. 93. Weitere aufschlußreiche Vergleiche zwischen Matschinsky-Denninghoff und Pevsner bringt Jörn Merkert: Pevsner et les MatschinskyDenninghoff, in: Pevsner, 1884–1962 (Colloque international Antoine Pevsner tenu au Musée Rodin en décembre 1992), hrsg. von Jean-
Claude Marcadé, Villeurbanne 1995, S. 230– 235. 68 Ibid. Der enge Kontakt zu Paris wird für das Künstlerpaar Matschinsky-Denninghoff trotz ihres seit 1970 erfolgten Weggangs nach Berlin noch Jahrzehnte fortbestehen. Bis 1993 verfügten sie über eine kleine Wohnung in Paris, die sie erst nach ihrem Umzug in das große Atelierhaus in Schönfeld (Altmark) aufgaben.
Abbildungsnachweis
Farbtafeln I
Stefan Lochner: Darbringung Christi im Tempel, 1447, Öl auf Eichenholz, 139 × 126 cm, Darmstadt, Hessisches Landesmuseum (Photo: Wolfgang Fuhrmanneck/Hessisches Landesmuseum Darmstadt).
II
Antoine Watteau: L’Enseigne de Gersaint, 1720, huile sur toile, 169 × 308 cm, Berlin, Schloß Charlottenburg (Photo: bpk Berlin).
III
Paul Cézanne: Selbstporträt mit Malerturban, um 1882, Öl auf Leinwand, 55,5 × 46 cm, München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek (Photo: Joachim Blauel; Arthothek).
IV
Vincent Van Gogh: Mohnfeld, 1889, Öl auf Leinwand, 71 × 91 cm, Kunsthalle Bremen (Photo: Joachim Blauel; Arthothek).
V
Paul Klee: Lumpen gespenst, 1933, 465 (J 5), Kleisterfarbe, mit dem Messer bearbeitet, über Aquarellskizze auf Papier auf Karton, 48 × 33,1 cm, Bern, Zentrum Paul Klee (Photo: Zentrum Paul Klee, Bern/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
VI
Pablo Picasso: Nature morte à guitar, 1942, Öl auf Leinwand, 100,5 × 81 cm, Wien, R. & H. Batliner Art Foundation (Photo: R. & H. Batliner Art Foundation/ © VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
VII
Jean Dubuffet: Façades d’immeubles, 1946, huile sur toile, 151 × 202 cm, Washington, National Gallery of Art, The Stephen Hahn Family Collection (Partial and Promised Gift) (Photo: Bob Grove/© 2005 Board of Trustees, National Gallery of Art, Washington/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
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ABBILDUNGSNACHWEIS
VIII
Wols: Das blaue Phantom, 1951, Öl auf Leinwand, 73 × 60 cm, Köln, Museum Ludwig (Photo: Rheinisches Bildarchiv/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
IX
Jean Hélion: À rebours, 1947, Öl auf Leinwand, 113,5 × 146 cm, Paris, Musée national d’Art moderne, Centre Georges Pompidou (Photo: bpk Berlin/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
X
Edgard Pillet: Partage, 1950, huile sur toile, 65,5 × 54,5 cm, Musée de Grenoble, Don de Madame Sylvie Nordmann (Photo: Musée de Grenoble/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
XI
Max Ernst: Vater Rhein, 1953, Öl auf Leinwand, 114 × 146 cm, Öffentliche Kunstsammlung, Kunstmuseum Basel (Photo: Kunstmuseum Basel, Martin Bühler/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
XII
Alfred Manessier: Fête en Zéelande, 1955, Öl auf Leinwand, 200 × 80 cm, Hamburger Kunsthalle (Photo: bpk Berlin/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
XIII
Gustave Singier: Intérieur flamand, 1956, Öl auf Leinwand, 88,7 × 100 cm, Kunst- und Museumsverein im Von der Heydt-Museum Wuppertal (Photo: Von der Heydt-Museum Wuppertal/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
XIV
Ernst Schroeder: Interieur mit liegendem Fisch, um 1956, Öl auf Pappe, 74 × 99 cm, Privatbesitz (Photo: Bernd Kuhnert).
XV
Gerhard Hoehme: Hommage à Jean Fautrier, 1957, Öl auf Leinwand, 90 × 70 cm, Bundesregierung Deutschland (Photo: Bundespräsidialamt/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
XVI
Emil Cimiotti: Baum mit großen Vögeln, 1961, Bronze, gußrauh, 46 × 82 × 43 cm, Kunstmuseum Stuttgart (Photo: Uwe H. Seyl, Stuttgart/© VG BildKunst, Bonn 2005).
Abbildungen 1
Blick in die »Salle des martyrs« im Jeu de Paume, um 1942/44 (Photo: Deutsches Forum für Kunstgeschichte).
2
Blick in die Ausstellung La sculpture française de Rodin à nos jours im Berliner Zeughaus, 1947 (Photo: Deutsches Forum für Kunstgeschichte).
3
Blick in die Wanderausstellung Französische abstrakte Malerei in der Städtischen Galerie München, 4. bis 28. Dezember 1948 (im Hintergrund Werke von Jean Villeri) (Photo: Archiv Stiftung Domnick Nürtingen).
4
Albert Schwartz: Blick in die Berliner Nationalgalerie, III. Geschoß, 1908 (Photo: bpk/Zentralarchiv, SMB).
ABBILDUNGSNACHWEIS
5
Eröffnung der Ausstellung von Arno Breker in der Orangerie des Jeu de Paume, 15. Mai 1942 (© LAPI/Roger-Viollet).
6
Willi Baumeister: Jour heureux, 1947, Öl mit Kunstharz und Spachtelkitt auf Hartfaserplatte, 65 × 81 cm, Paris, Musée national d’Art moderne, Centre Georges Pompidou (bpk/CNAC-MNAM/Photo: Philippe Migeat/ © VG BildKunst, Bonn 2005).
7
Plakat des Congrès mondial des partisans de la paix in Paris mit Picassos Friedenstaube als Motiv, 1949 (© Succession Picasso/VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
8
Picassos Guernica im Haus der Kunst in München (abgebildet in der BILDZeitung, Oktober 1955) (Photo © Ullstein GmbH/© Succession Picasso/VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
9
Peter Makolies: Ralf Winkler [i.e. A. R. Penck] im Atelier Löbauer Straße, Dresden 1961 (abgebildet in: A. R. Penck, hrsg. von Lucius Grisebach, München 1988).
10
Liselotte Strelow: Deutsche Erstaufführung von Sartres Die Fliegen November 1947 am Schauspielhaus Düsseldorf unter der Regie von Gustav Gründgens mit Marianne Hoppe als Elektra und Gründgens als Orest (© Gesellschaft Photo-Archiv/VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
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Manfred Leve: Am Flughafen Düsseldorf im Februar 1958 (v. l. n. r. JeanPierre Wilhelm, Jean Paulhan, Jean Fautrier, Lenoci, Marianne und Peter Brüning, Winfred Gaul) (© Manfred Leve).
12
Henri Matisse: Aragon, 1942, dessin au fusain (reproduit dans Louis Aragon: Henri Matisse, roman, Paris 1971, vol. II, p. 15/ © VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
13
François Boucher: Diane sortant du bain, 1742, huile sur toile, 56 × 73 cm, Paris, Musée du Louvre (Photo: Deutsches Forum für Kunstgeschichte).
14
Découverte des œuvres d’art spoliées par les Allemands par l’Armée américaine du Général Patton (Photo: Deutsches Forum für Kunstgeschichte).
15
Panneau de l’exposition L’Allemagne répare et restitue, Paris, Palais Berlitz, 1945/46 (MAE, Colmar; Photo: Verfasserin).
16
Nicolas Poussin: Saint Mathieu et l’ange, vers 1643, huile sur toile, 99 × 135 cm, Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie.
17
Couverture du catalogue d’exposition Des Maîtres de Cologne à Albert Dürer. Primitifs de l’École Allemande, Paris 1950 (Photo: Deutsches Forum für Kunstgeschichte).
18
Maître du retable de Saint Barthélémy: La descente de croix, vers 1500/05, huile sur panneau de chêne, 227 × 210 cm, Paris, Musée du Louvre (au Val-de-Grâce jusqu’en 1797) (Photo: Deutsches Forum für Kunstgeschichte).
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Michael Pacher: Saint Wolfgang et le voleur (face extérieure du volet gauche, en bas, du retable des Pères de l’Église), 1483, huile sur panneau de pin, 103 × 91 cm, Munich, Alte Pinakothek (Photo: Deutsches Forum für Kunstgeschichte).
20
Maître Francke: La mise au tombeau (face intérieure du volet droit, en bas, du retable de Saint Thomas), 1424–1436, huile sur panneau de chêne, 99 × 89 cm, Hambourg, Kunsthalle (Photo: Deutsches Forum für Kunstgeschichte).
21
Jean Dewasne: Tisville, 1950, huile sur toile, 92 × 65 cm, Galerie Denise René, Paris (Photo: Deutsches Forum für Kunstgeschichte/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
22
Willy Maywald: L’Atelier d’art abstrait, 1950 (Photo: Archiv Verfasserin/ © VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
23
Jean Dewasne et Wifredo Arcay dans l’Atelier d’art abstrait, 1949/50, (Archives du MNAM-CCI (Boîte D1, cote DEW 1932-1; Photo: Paris, Centre Pompidou, Bibliothèque Kandinsky).
24
Robert Jacobsen, Victor Vasarely et Jean Dewasne dans l’atelier de Vasarely, Paris, 1951 (Photo: Paris, Centre Pompidou, Bibliothèque Kandinsky).
25
Blick in den Beckmann-Raum im Berliner Kronprinzenpalais, 1933 (Photo: bpk/ Zentralarchiv, SMB/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
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Hans Hartung: T 55-18, Öl auf Leinwand, 162 × 110 cm, Essen, Museum Folkwang (abgebildet in: Pierre Descargues: Hartung, Barcelona 1983/© VG BildKunst, Bonn 2005).
27
Großer Malereisaal im Museum Fridericianum während der ersten documenta 1955 in Kassel (im Hintergrund Picassos Mädchen vor einem Spiegel (1932) und an den Seitenwänden Werke der École de Paris) (Photo © Bildarchiv Foto Marburg).
28
Jean Bazaine: Die Lichtung, 1951, Öl auf Leinwand, 129 × 96 cm, Privatsammlung (abgebildet in: Werner Haftmann: Malerei im 20. Jahrhundert. Tafelband, München 1955/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
29
Günther Becker: Der Rat der documenta II in der Orangerie-Ruine, 1959 (v.l.n.r.: Ernst Goldschmidt, Werner Haftmann, Will Grohmann, Herbert v. Buttlar, Arnold Bode, Ernst Holzinger, Eduard Trier und Werner Schmalenbach) (© documenta Archiv Kassel).
30
Werner Lengemann: Werner Haftmann bei der Eröffnung der documenta II, 1959 (im Hintergrund Gemälde von Jean-Paul Riopelle) (© documenta Archiv Kassel).
31
Wolfgang Haut: Werner Haftmann und Arnold Bode bei der Eröffnung der documenta III vor der Orangerie, 1964 (© documenta Archiv Kassel).
ABBILDUNGSNACHWEIS
32
Günther Becker: Großer Malereisaal im Museum Fridericianum während der documenta I 1955 in Kassel (im Hintergrund Fritz Winters Durchbrechendes Rot (1954) und an den Seitenwänden Werke der École de Paris) (© documenta Archiv Kassel).
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Günther Becker: Eingangshalle des Museum Fridericianum zur documenta I, 1955 (© documenta Archiv Kassel).
34
Plakat der Ausstellung Malerei und Plastik in Westdeutschland – 1956, 1956, Stadtarchiv Leverkusen, Plakatsammlung (Photo: Verfasser).
35
Umschlag der Dokumentation Westdeutscher Künstlerbund von 1957 mit einer Umschlagszeichnung von Emil Schumacher (Repro: Ingeborg Klinger/ © VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
36
Rodolphe Stadler und Herbert Read auf dem Leverkusener Gespräch am 1. Dezember 1956 (aus: Dokumentation Westdeutscher Künstlerbund 1957 (Photo: Geert Moegenburg/Repro: Ingeborg Klinger).
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Michel Tapié und Rodolphe Stadler in der Galerie Stadler, vermutlich 1963 (Archiv Niebel, Heidelberg/Photo: Augustin Dumage).
38
Wilhelm Wessel: Tagebucheintrag vom 3. November 1955 (Archiv Niebel, Heidelberg/Photo: Ingeborg Klinger).
39
Wilhelm Wessel: Schwarzer Kardinal, 1957, Kunstharz, Glas, Sand und Collage auf Leinwand, 130 × 80 cm, Privatbesitz (Photo: Lutz Tölle, Repro: Ingeborg Klinger).
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Wilhelm Wessel und Rodolphe Stadler in der Galerie Stadler, 1963 (Archiv Niebel, Heidelberg/Photo: Augustin Dumage).
41
Blick in die Ausstellung Die Meister französischer Malerei der Gegenwart, Freiburg im Breisgau 1947 (abgebildet in: Die Meister französischer Malerei der Gegenwart (Ausstellungskatalog, Freiburg im Br.), Baden-Baden 1948).
42
Juan Gris: Hommage à Pablo Picasso [Bildnis Picassos], 1912, Öl auf Leinwand, 93 × 74,1 cm, The Art Institute of Chicago (Photo: Deutsches Forum für Kunstgeschichte).
43
Pablo Picasso: Stilleben mit Stierschädel, 5. April 1942, Öl auf Leinwand, 130 × 97 cm, Düsseldorf, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen (© Succession Picasso/VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
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Peter Ludwig und Helmut Lortz: Photomontage in Das Menschenbild in unserer Zeit. Darmstädter Gespräch, hrsg. von Hans Gerhard Evers, Darmstadt o. D. [1951] (Photo: Deutsches Forum für Kunstgeschichte).
45
Einladungskarte zum Vortrag Ursprung und Entwicklung des Kubismus von Daniel-Henry Kahnweiler am 23. Oktober 1947 in Freiburg im Breisgau (Photo: Deutsches Forum für Kunstgeschichte).
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46
Erklärung von Pablo Picasso, Henri Matisse, Albert Marquet und Pierre Bonnard im Katalog Art et Résistance. Exposition organisée par les Amis des Francs-Tireurs et Partisans français au Profit de leurs Œuvres im Musée des Arts modernes, Paris 1946 (Photo: Deutsches Forum für Kunstgeschichte).
47
Illustrationszeichnung von Paul Haesaerts, in: Les Problèmes de la Peinture, hrsg. von Gaston Diehl, Paris 1945 (Photo: Deutsches Forum für Kunstgeschichte).
(48)
Piet Mondrian: Broadway Boogie Woogie, 1942/43, Öl auf Leinwand, 127 × 127 cm, New York, Museum of Modern Art (Da Hilary Richardson (HCR International) nicht dazu bereit war, das Copyright für eine sw-Abbildung zu erteilen, kann das Gemälde hier nicht gezeigt werden).
49
Rudolf Schlichter: Entführung, um 1949, Tuschfederzeichnung, Verbleib unbekannt (abgebildet in: Rudolf Schlichter: Das Abenteuer der Kunst und andere Texte, hrsg. von Dirk Heißerer, München 1998).
50
Benjamin Péret: La soupe déshydratée, in: Almanach du Demi-Siècle, Paris 1950 (Photo: Deutsches Forum für Kunstgeschichte).
51
Willi Baumeister: Karikatur in Das Menschenbild in unserer Zeit. Darmstädter Gespräch, hrsg. von Hans Gerhard Evers, Darmstadt o. D. [1951] (© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
52
Henri Cartier-Bresson: Jean-Paul Sartre und Jean Pouillon auf dem Pont des Arts in Paris, 1946 (© Photo- und Presseagentur GmbH Focus).
53
Drei Holzschnitte zu Jean-Paul Sartres Die Fliegen von Hann Trier, Hubert Berke und Joseph Fassbender, Einladungskarte zur szenischen Lesung des Stücks am 15. Februar 1948 (Photo: Verfasserin/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
54
Jeanne Mammen: Die Tür zum Nichts, um 1946/47, Öl auf Karton, 100 × 70 cm, Berlinische Galerie, Dauerleihgabe der Jeanne-Mammen-Gesellschaft (abgebildet in: Jeanne Mammen 1890–1976. Monographie und Werkverzeichnis, hrsg. von Jörn Merkert, Köln 1997/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
55
Hann Trier: Der Fall, 1961, Eitempera auf Leinwand, 130 × 97 cm, Saarbrücken, Saarland-Museum (Photo: Deutsches Forum für Kunstgeschichte/ © VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
56
Wolfgang Mattheuer: Die Flucht des Sisyphos, 1972, Öl auf Hartfaser, 96 × 118 cm, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Galerie Neue Meister (Photo: Deutsche Photothek, Dresden/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
57
Wols: Kaltnadelradierungen in Visages, précedé de Portraits officiels von Jean-Paul Sartre, Paris 1948 (© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
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58
Hanne Darboven: Die Wörter. Kein Tag ohne Linie, in: dies.: Schreibzeit. Faksimilierte Ausgabe in 12 Bänden, hrsg. von Bernhard Jussen, Köln 2000, Bd. III, S. 94.
59
Titelblatt von L’Avant-Garde, Mai 1947, mit einer Illustration von Max Lingner zur Fête de la Jeunesse (Photo: Deutsches Forum für Kunstgeschichte).
60
Horst Strempel: Plandiskussion, 1949, Studie zum Wandbild Metallurgie Henningsdorf, Öl auf Leinwand, 85 × 98 cm, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie (Photo: Photo: Jörg P. Anders/bpk/Nationalgalerie, SMB/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
61
Titelblatt der Bildenden Kunst (1955, Heft 5) mit Picassos Liebespaar (1923) als Motiv (Photo: Deutsches Forum für Kunstgeschichte/© Succession Picasso/VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
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Willi Sitte, Hermann Bachmann und Fritz Rübbert: Arbeit und Erholung (Detail), Wandbild in der Landesverwaltungsschule Halberstadt, 1951 entstanden, ein Jahr später übermalt (Photo: Deutsche Fotothek, Dresden/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
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Willi Sitte: Raub der Sabinerinnen, 1953, Öl auf Hartfaser, 126,5 × 165 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie (Photo: Jörg P. Anders/bpk/ Nationalgalerie, SMB/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
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Manfred Böttcher: Die Serviererin, 1957, Öl auf Leinwand, 120 × 80 cm, Berlin, Stiftung Archiv der Akademie der Künste (Photo: Roman März, Berlin/Akademie der Künste, Berlin).
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Paul Cézanne: Stilleben mit Ingwertopf, 1893/94, Öl auf Leinwand, 65,5 × 81,5 cm, Malibu, J. Paul Getty Museum (Photo: Deutsches Forum für Kunstgeschichte).
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Paul Cézanne: Die Seine in Bercy, nach Guillaumin, 1876–1878, Öl auf Leinwand, 56 × 72 cm, Hamburger Kunsthalle (Photo: Deutsches Forum für Kunstgeschichte).
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Paul Cézanne: Das Viadukt in Estaque, 1879–1882, Öl auf Leinwand, 55 × 65,5 cm, Helsinki, Ateneumin Taidemuseo (Photo: Deutsches Forum für Kunstgeschichte).
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Paul Cézanne: Die Montagne Sainte-Victoire über der Landstraße nach Tholonet, um 1904, Öl auf Leinwand, 73,2 × 92 cm, Cleveland Museum of Art, Leonard C. Hanna, Jr. Collection (Photo: Deutsches Forum für Kunstgeschichte).
69
Emile Bernard: Cézanne am Chemin des Lauves, 1904 (© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
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Umschlag von Kurt Badt: Die Kunst Cézannes, 1956 (Photo: Deutsches Forum für Kunstgeschichte).
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71
Paul Klee: Perspektiv-Spuk, 1920, 174, Ölpause und Aquarell auf Papier auf Karton, 24,1 × 30,5 cm, New York, Metropolitan Museum of Art (Photo: Lyn Gardiner and The Photograph Studio, The Metropolitan Museum of Art / © VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
72
Paul Klee: Angelus Novus, 1920, 32, Ölpause und Aquarell auf Papier auf Karton, 31,8 × 24,2 cm, Jerusalem, The Israel Museum, Schenkung Fania und Gershom Scholem, John und Paul Herring, Jo Carole und Ronald Lauder (Photo: The Israel Museum/David Harris, Jerusalem/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
73
Gustave Singier: Nocturne égyptien, 1955, 99,5 × 65, Paris, Musée national d’Art moderne, Centre Georges Pompidou (Photo: Paris, Centre Pompidou, Bibliothèque Kandinsky/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
74
Jean Dubuffet: Coquette, septembre 1945, haute pâte sur toile, 55 × 46 cm, New York, collection Morton et Linda Janklow (exposé à la Pierre Matisse Gallery, New York, 1947) (Photo: Bill Jakobsen/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
75
Jean Dubuffet: Portrait de Jean Paulhan, juillet 1945, encre de Chine avec grattages, 37 × 31 cm, collection Milly et Anne Glimcher (Photo: Pace Wildenstein/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
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Max Ernst sur la terrasse, Quai St. Michel, Paris 1950, collection privée (photo pubiée dans Max Ernst. Fotografische Porträts und Dokumente, Ausstellungskatalog Brühl, Köln 1991/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
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Max Ernst: Printemps à Paris, 1950, huile sur toile, 116 × 91 cm, Cologne, Museum Ludwig (Photo: Deutsches Forum für Kunstgeschichte/© VG BildKunst, Bonn 2005).
78
Max Ernst: Europa nach dem Regen II (L’Europe après la pluie II), 1940 –1942, huile sur toile, 55 × 148 cm, Hartford (Connecticut), Wadsworth Atheneum, The Ella Gallup Sumner and Mary Catlin Summer Collection Fund (Photo: Deutsches Forum für Kunstgeschichte/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
79
Le tableau Le chaste Joseph (1928) de Max Ernst dans l’escalier du château Augustusburg, à l’occasion de l’exposition Rheinische Kunst, 1950 (photo publiée dans Die ZEIT, 13 août 1950/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
80
Dorothea Tanning: Lothar et Loni Pretzell et Max Ernst devant la maison de son enfance, Brühl, octobre 1953 (photo pubiée dans Max Ernst. Fotografische Porträts und Dokumente, Ausstellungskatalog Brühl, Köln 1991/ © VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
81
Einladungskarte zur Ausstellung Wols 1945 in der Galerie René Drouin, Paris (Archiv Werner Haftmann/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
82
Wols: [ohne Titel (La première éclaboussure)], 1946/47, Ölfarbe, Grattage, Abdrücke auf Leinwand, 92 × 73 cm, Paris, Privatsammlung (Photo: Deutsches Forum für Kunstgeschichte/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
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83
Wols: [ohne Titel], 1949, Tuschfeder, 21,6 × 15,3 cm, Freiburg im Breisgau, Museum für neue Kunst, Graphische Sammlung des Augustinus (Photo: Verfasser/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
84
Georges Mathieu: Tentative de situation par rapport aux coordonnées Formalisme/Expressivité pour l’exposition‚ Véhémences confrontées, 1951 (Photo: Deutsches Forum für Kunstgeschichte).
85
Einladungskarte zur Ausstellung Wols. Zeichnungen, Aquarelle, Bilder, 1955 in der Galerie Der Spiegel, Köln (Archiv Werner Haftmann/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
86
Karl Hartung: Januskopf, 1949, Terracotta, Höhe: 34 × 28 × 13 cm, Privatbesitz (Photo: Jörg Pütz, Saarbrücken/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
87
Pablo Picasso: Tête de femme, Boisgeloup, 1931, Gips, 128,5 × 54,5 × 62,5 cm, Paris, Musée Picasso (Photo von Georges Brassaï, in: Minotaure I-1/ Juni 1933) (© Succession Picasso/VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
88
Emil Cimiotti: Stehende Frau, 1955, Ton, circa 55 cm hoch, Privatbesitz (Photo: Schubert, Stuttgart/© VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
89
Henri Laurens: Torso, 1935, Bronze, 66,5 × 37 × 50,5 cm, Paris, Musée National d’Art moderne, Centre Georges Pompidou (Photo: Verfasserin/© VG BildKunst, Bonn 2005).
90
Georg von Kováts: Figur, 1954, getönter Gips, 128 × 58 × 58 cm, Nachlaß Kováts, Gauting (Photo: Verfasserin).
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Georg von Kováts: Kopie nach Der Morgen von Henri Laurens, Tintenkugelschreiber auf Papier, 19,6 × 10,5 cm, Nachlaß Kováts, Gauting (Photo: Verfasserin).
92
Georg von Kováts: Chimäre, 1962/65, Bronze, 75 × 120 × 65 cm, Kranichstein/Darmstadt (Photo: Rolf Kunitsch, Altheim/Dieburg).
93
Herbert Peters: Stehende, 1959, englischer Zement, 157,5 × 40,8 × 32,5 cm, Privatbesitz (Photo: Verfasserin).
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Germaine Richier: L’Ogre, 1949, Bronze, 81 × 45 × 41 cm, Privatsammlung (Photo: Deutsches Forum für Kunstgeschichte).
Tabellen 1–6
© Lucius Grisebach
Die Herausgeber haben sich bemüht, mit allen Rechteinhabern Kontakt aufzunehmen. Soweit dies nicht möglich gewesen ist, weil die Rechteinhaber beziehungsweise deren Rechtsnachfolger oder deren Anschriften nicht bekannt waren, können berechtigte Ansprüche im Rahmen der üblichen Vereinbarungen geltend gemacht werden. Einige Abbildungsvorlagen wurden freundlicherweise von privaten Leihgebern zur Verfügung gestellt.
399
Register
Abensour, Michel 306 Adenauer, Konrad XII, 41, 69–70, 75–77, 79–80, 248 Adorno, Theodor W. 20, 185, 306 Afro 118 Albiker, Karl 367, 378 Alexandrovitch, Nicolas 312 Alix, Yves 171 Allendy, Colette 355 Altdorfer, Albrecht 347, 360 Altenbourg, Gerhard 236, 239, 249, 255 Alvard, Julien 19, 91, 95, 97, 167–168, 313 Amiel, Henri-Frédéric 143 Anouilh, Jean 80, 242 Apollinaire, Guillaume 168 Aragon, Louis 12, 29–30, 32–37, 44, 222, 257, 265, 307; Abb. 12 Arcay, Wifredo 89; Abb. 23 Ardon, Mordecai 101 Arland, Marcel 309 Arnaud, Noël 318 Arnoux, Mathilde 41 Arp, Hans 9, 92, 224, 329, 369, 373, 378, 380–381, 385 Artaud, Antonin 169, 316–317, 352 Astruc, Alexandre 17 Atlan, Jean 114 Aurenche, Marie Berthe 326 Auric, Georges 317 Auricoste, Emmanuel 368
Bachmann, Hermann 271; Abb. 62 Badt, Kurt 286, 295–297 Balden, Theo 367 Barbusse, Henri 258 Bariéty, Jacques 56 Barlach, Ernst 367 Barr, Alfred 109 Basch, Victor 34 Baselitz, Georg 233, 236, 242–243 Bataille, Georges 307 Baudelaire, Charles 130 Baumeister, Willi XIII–XIV, 6, 9, 11–12, 14, 16, 22, 55, 113, 158, 184, 193, 209, 213–214, 216, 219, 221, 224, 287, 289–291, 294–295, 361; Abb. 6, 51 Bazaine, Jean XI, 8, 115, 118, 120, 143–144, 146, 215, 310–312; Abb. 28 Bazin, Germain 4–5, 17, 22, 57–61, 173, 215 Beaucamp, Eduard 134, 345 Beauvoir, Simone de 229, 244, 247 Becker, Günther Abb. 29, 32–33 Beckett, Samuel 242–243 Beckmann, Max XII, 109, 113–115, 173, 273–274, 329; Abb. 25 Beethoven, Ludwig van 139 Behne, Adolf 286–288 Bekker vom Rath, Hanna 159 Belling, Rudolf 367 Bellmer, Hans 326 Benesch, Otto 287, 290–291
402
REGISTER
Benjamin, Walter 303, 305 Berdjajew, Nikolaj 191 Berggruen, Heinz 7, 303, 305, 308, 310 Berke, Hubert 114, 233, 237; Abb. 53 Berlioz, Hector 169 Berthoin, Jean 76 Besset, Maurice 63 Besson, Georges 222, 346 Bialostocki, Jan 269 Bidoux, Marcel 54 Bienert, Fritz 355 Bill, Max 101 Billiet, Joseph 94 Birolli, Renato 114, 118 Bissière, Roger 116, 120 Blanchard, Marie 114 Blanchot, Maurice 234 Blankenhorn, Herbert 76–77 Bloc, André 92 Bode, Arnold 117, 145; Abb. 29, 31 Bonfand, Alain 306 Bonnard, Pierre 173, 187, 207, 211; Abb. 46 Bordier, Roger 92 Bortnyik, Alexander 100–101 Bott, Francis XV, 22–23, 114, 353 Böttcher, Jürgen 274–275 Böttcher, Manfred 273; Abb. 64 Buttlar, Herbert von Abb. 29 Boucher, François 37, 40; Abb. 13 Bourdelle, Émile Antoine 3, 368–369, 381, 383 Bourdieu, Pierre 232 Bousquet, Joë 307, 317, 327, 329 Bouyer, Raymond 30–31 Brancusi, Constantin 368–370, 373–374, 380, 385 Braque, Georges XI, 20, 41, 111, 114–115, 143, 174, 185–187, 199, 211, 268, 273, 308 Brassaï, Georges 370–371; Abb. 87 Breker, Arno 11; Abb. 5 Brentano, Heinrich von 79 Breton, André 33–34, 327, 330, 334, 339, 370 Breuer, Marcel XV Brion, Marcel 209, 309 Bruguière, Pierre-Georges 205, 215 Brüning, Marianne Abb. 11 Brüning, Peter 19, 151; Abb. 11 Brusberg, Dieter 386 Bryen, Camille 346 Bucher, Jeanne XIII, 16, 308 Buchheister, Carl XIV, 6, 9 /
Büchner, Georg 360 Budry, Paul 319 Buffet, Bernard 212, 256, 268, 273–274 Buffet, René 350 Bunjes, Hermann 37 Burckhardt, Carl Jacob 347, 360 Busch, Wilhelm 360 Cachin, Françoise 63 Camus, Albert 17, 19, 142, 229, 233–234, 235, 240, 241, 243 Carpeaux, Jean- Baptiste 34 Carreño, Omar 89 Cartier-Bresson, Henri Abb. 52 Cassirer, Paul XI, 281, 298 Cassou, Jean 3, 96, 98, 171, 211, 222, 265, 309, 338–339, 381 Castelli, Leo 330 Cavael, Rolf 6, 160 Celan, Paul 19 Ceysson, Bernard 63 Cézanne, Paul XI, 22, 108, 144, 173–174, 199, 281–298, 350; Taf. III, Abb. 65–69 Chagall, Marc 101, 113, 187, 273 Chaissac, Gaston 314 Chalom, Samy 348 Chamson, André 42, 44, 49 Char, René 307 Chastel, André 37, 43, 61, 179, 331 Chateaubriand, François-René de 142 Chauvin, Louis 368 Chevalier, Denys 309, 349 Chirico, Giorgio de 114 Choquet, Victor 297 Cimabue [Cenni di Pepo] 287 Cimiotti, Emil 372–375; Taf. XVI, Abb. 88 Claus, Carlfriedrich 256 Clemenceau, Georges 141–142 Clemens August I. von Bayern 332 Cogniat, Raymond 35, 174 Cohen, Walter 332 Colombier, Pierre du 168 Condillac, Étienne Bonnot de 170 Copley, William N. 328 Cordier, Daniel 162 Corinth, Lovis 114, 272 Corneille [Cornelis van Beverloo] 114 Corpora, Antonio 118 Courajod, Louis 170 Courthion, Pierre 309 Couturier, Robert 368 Cranach, Lucas d.Ä. 42 Crevel, René 307, 316
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Crippa, Roberto 118 Croissant, Michael 374, 382–384 Cross, Henri-Edmond 174, 238 Czaky, Joseph 368 Daix, Pierre 184 Damisch, Hubert 314–315, 321 Dante Alighieri 139 Darboven, Hanne 233, 246–248; Abb. 58 Däubler, Theodor 173 Daumier, Honoré 267 Dausset, Nina 7, 9 David, Jacques-Louis 367 Degand, Léon 91, 95, 97, 99, 176, 222, 307, 309, 311–312 Del Marle, Félix 6, 91 Delacroix, Eugène 142 Delaunay, Robert 168, 176–178, 311 Denis, Maurice 174 Derain, André 174, 177 Descargues, Pierre 174 Despiau, Charles 368, 378 Dewasne, Jean 21, 89, 91, 98–102, 221–222, 312; Abb. 21, 23–24 Deyrolle, Jean 91–92 Diaghilev, Sergej 384 Diderot, Denis 35, 130 Diehl, Gaston 210 Dix, Otto 113, 360 Domela, César 91, 101 Domnick, Ottomar XIII, 6, 23, 210, 213, 220, 355–357 Dorival, Bernard 40, 55–56, 170–173, 176, 178–179, 209, 310, 312 Dorner, Alexander 107 Dova, Gianni 157 Draguet, Michel 314 Drouin, René XIV, 6, 97, 156, 162, 234, 244, 329–330, 346, 348–349, 351, 353, 361, 369 Dubuffet, Jean XIV, 120, 144, 156–157, 178, 232, 307, 313–321; Taf. VII, Abb. 74–75 Duchamp, Marcel 306, 327, 330, 368 Dufy, Raoul 114, 211 Dumitresco, Natalia 89 Dürer, Albrecht 42 Duthuit, Georges 307 Duve, Thierry de 102–103 Dymschitz, Alexander 261 Ehrenburg, Ilja 268 Eichler, Richard W. 130 Einstein, Carl XI, 22, 184, 186, 195
Elkan, Benno 367 Elsheimer, Adam 347 Éluard, Paul 265, 307, 317, 326, 328–329 Ensor, James 171 Erben, Walter 232 Erlanger, Philippe 56–57, 61 Ernst, Jimmy 327 Ernst, Loni 333, 335 Ernst, Max 11, 14, 23, 168, 260, 306, 319, 325–339, 367; Taf. XI, Abb. 76–80 Estève, Maurice 312 Estienne, Charles 15, 89, 91, 97–100, 102, 214, 312–314, 331 Étienne-Martin, Henri 368, 373, 380 Evers, Hans Gerhard 193 Eyck, Jan van 42, 286 Eydoux, Henri-Paul 61 Fabri, Albrecht 359 Falkenstein, Claire 157 Fargue, Léon-Paul 317 Farner, Konrad 268 Fasani 91 Fassbender, Joseph 233, 237, 240–242; Abb. 53 Fautrier, Jean XI, XIV, 8, 14, 19–20, 144, 156, 178, 235; Abb. 11 Favre, Louis-Paul 353, 358 Fechter, Paul 170 Feininger, Lyonel 109, 356 Feist, Peter H. 271 Feldkirchen, Toni 237 Ferdinand, Paul 174 Feuchère, Jean-Jacques 381 Feuerring, Maximilian 232 Fiori, Ernesto 367 Flechtheim, Alfred XI, 184, 258, 332 Focillon, Henri 169, 178 Fougeron, André 257–258 Fragonard, Jean-Honoré 40 Francastel, Pierre 172, 209–210 Francke, Günther 386 François, Michel 52–53, 55 François-Poncet, André 70, 77–79, 141 Frankenheimer, John 3 Freundlich, Otto 224, 367 Friedländer, Max J. 286, 288 Friedrich II., der Große 30–31 Friesz, Othon 174 Frommhold, Erhard 264–265 Fruhtrunk, Günter 201 Fry, Varian 327
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REGISTER
Fuhr, Xaver 113 Gauguin, Paul 144, 173–174, 368 Gaul, Winfred 19, 151 Gaulle, Charles de 37, 79–80 Gauthier, Maximilien 61 George, Waldemar 17, 178 Gersaint, Edme 30 Giacometti, Alberto 3, 20, 361, 368–370, 373–374, 376, 385 Gide, André 17, 142 Giedion, Sigfried 101 Gies, Ludwig 367 Gilbert, Jean 53 Gilles, Werner 113, 160 Gimond, Marcel 267, 368 Giorgione 286 Giotto di Bondone 287 Gipstein, Yaacov 89 Giraudoux, Jean 17, 239 Girieud, Pierre Paul 174 Girnus, Wilhelm 264 Gleizes, Albert 168 Glöckner, Hermann 255 Glucq, Claude 30 Gobineau, Joseph Arthur Graf von 170 Goebbels, Joseph 13, 220 Goerg, Édouard 171, 258 Goethe, Johann Wolfgang 130 Gogh, Vincent van 4, 10, 108, 115, 133, 173, 177, 210, 346, 350; Taf. IV Goldscheider, Cécile 368 Goldschmidt, Ernst 152; Abb. 29 Gombrich, Ernst 170–171 Goncourt, Edmont de 31 Gordon, Donald E. 173 Göring, Hermann 3, 37, 39–40 Gosebruch, Ernst 107 Götz, K. O. XIV, 6, 9, 19, 160, 162, 233, 235, 357 Graber, Hans 287 Graetz, Leo 367 Graetz, René 262 Grautoff, Otto 183 Greenberg, Clement 307, 314–316, 318–321 Greis, Otto XIV, 151 Grieshaber, HAP 151 Gris, Juan 187, 189, 196–199, 308; Abb. 42 Groethuysen, Bernard 265 Grohmann, Will IX, XIV, 6, 12, 22, 98, 134, 152, 177, 184, 197–198, 200, 210, 248, 307, 309, 318, 334, 338, 355–357, 368; Abb. 29
Gromaire, Marcel 171, 173, 210, 258 Gropius, Walter 100 Grosz, George 173, 327 Grote, Ludwig 176 Gründgens, Gustav 17, 237; Abb. 10 Guéguen, Pierre 104, 173 Guggenheim, Peggy 327 Guiette, René 157 Guilly, René 348–349, 358, 360 Guizot, François Pierre Guillaume 170 Hack, Wilhelm 237 Hadju, Etienne 373, 384 Haesaerts, Paul 210–211; Abb. 47 Haftmann, Werner XIV, 6, 10, 18, 117–119, 129–148, 184, 197–200, 210, 214, 220–221, 223, 230, 232, 244, 287, 294, 348–349, 358, 360; Abb. 29–31 Hallstein, Walter 78–79 Hanfstaengl, Eberhard 52 Hartlaub, Gustav 107, 216, 334 Hartung, Hans XI, XIII, XV, 6, 9, 22–23, 113–115, 118, 120, 168, 177–178, 223, 312, 353, 355–358, 384; Abb. 26 Hartung, Karl 151, 367, 369–371, 384; Abb. 86 Haubrich, Josef 111, 113, 237 Hausenstein, Wilhelm XII, 8, 41, 69–71, 77, 79, 184, 186, 191–193, 212, 215–216, 281, 286, 316 Haut, Wolfgang Abb. 31 Hautecœur, Louis 214, 217 Hayter, Stanley William 372 Hazard, Paul 142 Heaume, Alix 100 Heckel, Erich 151 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 168 Heidegger, Martin 232–234 Heiliger, Bernhard 151 Heise, Carl Georg XII, 52, 61 Heldt, Werner 114 Hélion, Jean 212; Taf. IX Henraux, Albert S. 3 Hentzen, Alfred 107, 117, 119 Herbin, Auguste 6, 91–92, 95, 114, 209, 215, 217–218 Hermand, Jost 130 Hermanns, Ernst 369 Hervé, Julien-Auguste 173 Heuss, Theodor 79 Heymann, Walter 174 Hildebrandt, Hans 290 Hirschberger, Johannes 232
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Hitler, Adolf 39–40, 221, 225, 305 Hodin, Jean-Paul 305 Hodler, Ferdinand 177 Hoehme, Gerhard 14, 19, 151, 233, 235–236, 239; Taf. XV Hoetger, Bernhard 367 Hofer, Karl IX, 113, 156, 209, 216, 223, 260 Holley, Francine 89 Holzinger, Ernst 52; Abb. 29 Hoppe, Marianne Abb. 10 Hosisson, Philippe 157 Houdon, Jean-Antoine 267 Huber, Wolf 360 Huguet, Valentine 307 Huisman, Georges 32 Hütt, Wolfgang 267 Ionesco, Eugène 242 Itten, Johannes 101, 193, 295 Jacob, Max 34 Jacobsen, Robert 92, 102; Abb. 24 Jaguer, Édouard XIV, 6, 9, 160 Janda, Karl-Heinz 236 Janlet, Pierre 152 Jardot, Maurice 51–53, 55–56, 187, 354, 357 Jawlensky, Alexej von 113, 177 Joly, Pierre 267 Jourdain, Francis 267 Jullienne, Jean de 30 Jung, C. G. 269 Justi, Ludwig 107–108, 112, 119, 260 Kafka, Franz 352 Kahnweiler, Daniel-Henry XII, 10, 15, 22–23, 184, 187, 195–200, 268, 308–309, 371, 374; Abb. 45 Kalinowski, Horst Egon 89 Kandinsky, Nina 97–98 Kandinsky, Wassily XIV, 9, 11, 21, 95, 97–102, 113, 167–168, 177, 179, 214, 223, 237, 292, 307, 312 Kant, Immanuel 286–287 Kasper, Ludwig 367 Kerg, Theo 114 Kern, Walter 281 Kessler, Harry Graf 281 Kierkegaard, Søren 168, 232, 234 Kirchner, Ernst Ludwig 168, 177 Kisling, Moise 113 Klee, Paul XIV, 9, 15–16, 97, 100–102, 114, 118, 138, 167–168, 171, 173, 176–177,
236–237, 273, 292, 303–321, 356; Taf. V, Abb. 71–72 Koenig, Pierre 53 Kokoschka, Oskar 97, 113, 168, 173, 179 Kolbe, Georg 367 König, Fritz 151 Kooning, Willem de 178, 311 Kováts, Georg von 378–379; Abb. 90–92 Kreikemeyer, Willi 261, 263–264 Kreutz, Heinz 151 Kricke, Norbert 369 La Fresnaye, Roger de 210 La Patellière, Amédée Marie Dominique 171–172 La Regina, Guido 114 La Tour, Georges de 42 Lachnit, Wilhelm 273 Laclotte, Michel 63 Lacôte, René 222 Lancaster, Burt 3 Lancret, Nicolas 31 Langner, Johannes 385 Lapicque, Charles 311 Lardera, Berto 384 Laszlo, Gloser 246 Laude, Jean 169 Laurens, Henri 3, 368–370, 373–379, 385; Abb. 89, 91 Laurent, Jeanne 93 Lauter, Hans 264 Lautréamont, comte de 346 Le Corbusier 100, 261 Le Fauconnier, Henri 171 Le Lionnais, François 91 Le Moal, Jean 310–312 Lebel, Robert XIV Lebensztejn, Jean-Claude 170, 176 Léger, Fernand 21–22, 41, 99, 143, 185, 187, 199, 210, 256–258, 261–262, 265, 270–271, 308, 314 Lehmbruck, Wilhelm 367, 380–381 Lengemann, Werner Abb. 30 Lenoci Abb. 11 Leonardo da Vinci 286 Leonhard, Kurt 185 Leonhard, Rudolf 260 Leppien, Jean XV Lesbats, Roger 352 Leve, Manfred Abb. 11 Lévy, Julien 328 Levy, Rudolf 114 Leymarie, Jean 176
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Lhote, André 207, 210, 257–258, 260, 268 Lichtwark, Alfred 109 Liebermann, Max 10, 114, 281 Limbour, Georges 312, 316–317 Lingner, Max 23, 257–261, 264, 271; Abb. 59 Lipchitz, Jacques 368, 370, 378 Lipsi, Maurice 368 Lissitzky, El 101 Lochner, Stefan 61; Taf. I Loeb, Pierre 205, 211, 352, 361 Löffler, Fritz 355 Lohagen, Ernst 264 Lohmar, Heinz 275 Lorenz, Claude 39 Lortz, Helmut Abb. 44 Loth, Wilhelm 371–373, 376–378, 385 Ludwig, Peter Abb. 44 Lueg, Gabriele 234 Lunacˇarskij, Anatolij Vassilevicˇ 268 Lurçat, André 258 Lurçat, Jean 51, 257–258, 268, 272, 307 Mabille, Georges 307 Macke, August 113, 168, 176–177, 311 Maeght, Aimé 99 Magnelli, Alberto 91–92 Magritz, Kurt 262 Maillol, Aristide 368, 374 Maindron, Ernest 381 Makart, Hans 157 Makolies, Peter Abb. 9 Malewitsch, Kasimir 101 Malraux, André 19–20, 146–147, 233 Mammen, Jeanne 233, 239; Abb. 54 Man Ray 327 Manessier, Alfred XI, 8, 114–115, 118, 120, 143–144, 146, 305, 310, 312; Taf. XII Manet, Édouard 10 Manguin, Henri Charles 174 Mansfeld, Hans 267 Marc, Franz 113, 168, 176–177, 311 Marcel, Gabriele 264 Marchand, André 211, 314 Marchand, Jean-José 349, 360 Marchiori, Giuseppe 152 Marcks, Gerhard 151, 367 Marinetti, Filippo Tommaso 185 Marini, Marino 114, 268 Marquet, Albert 114, 174, 207, 265, 273; Abb. 46 Martin, Kurt 50–53, 56–57, 60, 62, 111–114, 116–117, 119, 187, 354
Maserel, Frans 258 Massat, René 95 Masson, André 244, 265, 316–317 Mataré, Georg 151 Matejcek, Antonin 173 Mathieu, Georges XIV, 42, 144, 156, 178, 349, 355–356, 361; Abb. 84 Matisse, Henri XI, 9, 21, 34, 41, 44, 114, 140, 144, 173–174, 177, 187, 207, 211, 257–258, 260, 265, 271, 293, 308, 314, 316; Abb. 12, 46 Matisse, Pierre 314 Matschinsky, Martin 385 Matschinsky-Denninghoff, Brigitte 369, 384–385 Matta, Roberto 328 Mattheuer, Wolfgang 230, 233, 236, 242; Abb. 56 Maugis, M. T. 312 Maurel, André 31 Mauriac, François 142 Maywald, Willy Abb. 22 Meier-Denninghoff, Brigitte siehe Brigitte Matschinsky-Denninghoff Meier-Graefe, Julius 267, 281, 286 Meinecke, Friedrich 68 Meister des Bartholomäusaltars 60; Abb. 18 Meister Francke 61; Abb. 20 Meister von Uttenheim 57 Meistermann, Georg 6, 118, 151, 201, 237 Melichar, Alois 212, 216 Melzer, Moriz 174 Mendès France, Pierre 76–77 Mense, Carlo 113 Menzel, Adolph 268 Merleau-Ponty, Maurice 229, 234, 240 Mettel, Hans 117, 367, 380 Metzger, Heinz-Klaus 161 Metzkes, Harald 273–274 Meyer, Franz 152 Michaud, Éric 170 Michaux, Henri 156, 178, 310, 313, 318, 346, 349 Michel-Lévy, Léon 31 Mies van der Rohe, Ludwig 102 Miller, Henry 359 Miró, Joan 268, 314, 316, 370 Mitscherlich, Alexander 193 Modersohn-Becker, Paula 113 Modigliani, Amedeo 171 Moholy-Nagy, László 100–101 Mohr, Arno 262
REGISTER
Moll, Oskar 260 Monda, Misztrick de 101 Mondrian, Piet 198–199, 211, 221, 223, 356; Abb. 48 Montaigne, Michel 142 Moore, Henry 369, 380 Morandi, Giorgio 273 Moreni, Mattia 118 Morgenthaler, Walter 319 Mortensen, Richard 92 Moser, Lukas 61 Mougin, Jean 55 Mueller, Otto 260 Müller, Franz Walter 1 Munch, Edvard 110, 177 Napoléon Bonaparte 32 Nay, Ernst Wilhelm 113, 115, 118, 151, 158, 199–201, 209, 220 Nerval, Gérard de 169 Netz-Paulik, Lilo 372–373 Neugass, Fritz 290 Nietzsche, Friedrich 186, 232, 346 Nolde, Emil 109, 168, 174 Novotny, Fritz 284, 286–290, 292–293, 296 Ohnesorge, Peter Birk 383–384 Oppenheim, Margarete 281 Orlow, N. [i.e. Wladimir S. Semjonow] 263 Pacher, Michael 61; Abb. 19 Pagava, Vera 312 Pan, Martha 373 Pascal, Blaise 169 Pascin, Jules 171 Patenier, Joachim 347 Pater, Jean-Baptiste 31 Patton, George S. Abb. 14 Paulhan, Jean 19–20, 317, 319, 346, 352, 361; Abb. 11 Pauli, Gustav 4, 109 Pechstein, Max 113, 174, 273 Penalba, Alicia 373, 380 Penck, A. R. 14, 275; Abb. 9 Pène, Pierre 50–53, 55–57, 62 Péret, Benjamin 218; Abb. 50 Péri, Gabriel 34 Persitz, Alexandre 100 Peters, Herbert 382–384; Abb. 93 Petrasch, Ernst 184 Pevsner, Antoine 92, 369, 373, 384–385 Pevsner, Nikolaus 93, 99 Peyrefitte, Roger 71, 73
Picabia, Francis 178 Picasso, Pablo XI, 9, 13–14, 18, 21, 23, 110, 115, 132, 137, 143, 145, 167, 174, 177, 184–191, 199–200, 207, 211, 232, 237, 244, 256–258, 260–262, 265–273, 275, 282, 292, 308, 314, 316, 369–371, 373, 385; Taf. VI, Abb. 7–8, 27, 43, 46, 61, 87 Pignon, Édouard 257–258, 260, 261 Pilgrim, Hubertus von 372 Pillet, Edgard 21, 89, 91, 99, 312; Taf. X Pinay, Antoine 74, 79 Planck, Max 287 Platschek, Hans 159–160 Pleynet, Marcelin 95 Poirier, Pierre 43 Poliakoff, Serge XI, 92, 115–116, 268, 384 Pollock, Jackson 8, 178, 356, 361 Poncet, Antoine 373 Pouillon, Jean Abb. 52 Poussin, Nicolas 35, 42, 140; Abb. 16 Pretzell, Loni Abb. 80 Pretzell, Lothar 333–334; Abb. 80 Prévert, Jacques 307 Prinzhorn, Hans 319 Purrmann, Hans 114 Puy, Luis 174 Racine, Jean 172 Ragon, Michel 169, 309 Raphael, Max 22, 184, 186, 200, 260 Réau, Louis XI Read, Herbert 152, 168; Abb. 36 Reber, Friedrich Gottlieb 281 Rebeyrol, Philippe 96 Redon, Odilon 174 Rehfeldt, Robert 273 Reichel, Hans 22, 312 Reidemeister, Leopold 52, 61 Rembrandt, Harmenszoon van Rijn 42 René, Denise 89, 101, 222, 328 Renoir, Pierre-Auguste 368 Rey, Robert 44 Richier, Germaine 3, 369, 373, 381–385; Abb. 94 Richter, Gerhard 275 Richter, Hans Werner 2 Riedl, Peter Anselm 382 Riegl, Alois 170 Rilke, Rainer Maria 1 Rilke-Westhoff, Clars 367 Rimbaud, Jean Nicolas Arthur 34, 169 Riopelle, Jean-Paul XI, 9, 116, 120, 156; Abb. 30
407
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Rivera, Diego 262 Roché, Henri-Pierre 346 Rodin, Auguste 3, 265, 368, 381 Roeder, Emmy 151 Roh, Franz 24, 134, 175, 205–206 Rohlfs, Christian 174 Rosenberg, Alfred 3 Rouault, Georges 172–173, 187, 210, 314 Rousseau, Henri 273 Rousseau, Jean-Jacques 142 Roy, Claude 265 Rübbert, Fritz 271, Abb. 62 Rubens, Peter Paul 23, 42, 193 Rude, François 381 Sade, Alphonse François, Marquis de 169 Saint-Pol-Roux 34 Salat, Rudolf 69–70, 72–73, 76 Salles, Georges 51, 55, 57 Salm-Reifferscheidt, Fürst Josef zu 237 Salomon, Jacques 34 Sandberg , Willem J. H. B. 152 Sandberg, Herbert 266 Santomaso, Giuseppe 118 Sarraut, Albert 326 Sartre, Jean-Paul 17, 20, 80, 142, 229–230, 232–239, 241–242, 244–248, 265, 346, 352, 361; Abb. 52–53 Sauerlandt, Max 107–108 Saura, Antonio 158 Schardt, Alois 107 Scheibe, Richard 378 Schieder, Martin XIII, 40 Schiele, Egon 179 Schlemmer, Oskar 100, 114, 262, 310 Schlichter, Rudolf 212, 215–216; Abb. 49 Schmalenbach, Werner 7–8, 119; Abb. 29 Schmela, Alfred 6 Schmeller, Alfred 198 Schmidt, Georg 152–153 Schmittlein, Raymond 53, 55–57, 69, 71 Schmoll gen. Eisenwerth, Joseph Adolf 194, 373 Schnaase, Karl 170 Schneckenburger, Manfred 135 Schneider, Gérard 114 Schnitzler, Hermann 237 Scholz, Werner 113 Schön, Gertrud 372 Schongauer, Martin 57 Schrimpf, Georg 113
Schroeder, Ernst 273–274; Taf. XIV Schubart, Lotte 232 Schulmann, Didier 38 Schultze, Bernard XIV, 6, 19, 162, 233–234, 357 Schulze Vellinghausen, Albert 360 Schulze-Battmann, Elfriede 354, 358, 361 Schulz-Hoffmann, Carla 244 Schumacher, Emil 19, 158–160, 162, 234–235, 357; Abb. 35 Schuman, Robert 41, 70–71, 73–74 Schütz-Wolff, Johanna 160 Schwarzer, Alice 247 Schweicher, Curt 120 Schwitters, Kurt 224 Sedlmayr, Hans XIII, 8, 18, 184, 190–193, 195, 211, 215–216, 219–220, 232, 292–296 Segal 91 Seitz, Gustav 369 Seiwert, Franz Wilhelm 114 Serpan, Jaroslav 156 Seuphor, Michel 22, 91, 99, 214, 217, 311, 368 Seurat, Georges 144, 210, 293 Shapiro, Meyer 170 Signac, Paul 174, 258 Singier, Gustave 8, 115, 118, 120, 144, 310–313; Taf. XIII, Abb. 73 Sitte, Willi 269–272, Abb. 62–63 Slevogt, Max 114 Sonderborg, K. R. H. 118, 160 Soulages, Pierre XI, 6, 115–116, 118, 120, 143–144, 146, 178, 218, 312, 384 Soupault, Philippe 307 Soutine, Chaim 171–172, 175, 210 Spies, Werner 100, 269 Spitzmuller, Henri 56, 71–75 Stadler, Rodolphe 7, 151–152, 155–162; Abb. 36–37, 40 Stadler, Toni 374, 382 Staël, Nicolas de 120, 144, 361 Stahly, François 368, 373, 380 Stalin, Jossif Wissarionowitsch 266 Stam, Mart 264 Stangl, Otto 6, 386 Staraselski, Valère 34 Steimann, Dirk 369 Steinbrenner, Hans 380–381 Stötzer, Werner 273 Strelow, Hans 234 Strelow, Liselotte Abb. 10
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Strempel, Horst 23, 257, 260–264; Abb. 60 Stünke, Eva 353, 358 Stünke, Hein 358 Sylveire, Jean 346 Taine, Hippolyte 170 Tal-Coat, Pierre 311 Tanguy, Yves 327 Tanning, Dorothea 328; Abb. 80 Tapié, Michel 152, 156–160, 178, 351, 361; Abb. 37 Tàpies, Antoni 157–158 Taslitzky, Boris 257–258, 260, 267 Täuber-Arp, Sophie 224 Thannhauser, Heinrich 184 Thieler, Fred XV, 19, 160 Thierry, Augustin 170 Thorez, Maurice 33 Thwaites, John Anthony 6, 160, 368, 384 Tieck, Christian Friedrich 339, 367 Tobey, Mark 159, 178 Tolnai, Karl von 288 Toulouse-Lautrec, Henri 156 Trier, Eduard 237, 326, 337–338, 345, 368, 373, 375; Abb. 29 Trier, Hann 114, 233, 237, 240, 242, 353; Abb. 53, 55 Triolet, Elsa 265 Troche, Ernst 52 Trökes, Heinz 160, 209, 352, 357, 360 Tschudi, Hugo von 10, 109 Tzara, Tristan 307, 317 Ubac, Raoul 114, 178, 311 Uecker, Günther 233, 236 Uhlmann, Hans 369–370 Ulbricht, Walter 262 Utrillo, Maurice 113, 273 Valadon, Suzanne 114 Valéry, Paul 1, 142 Valland, Rose 3 Vallier, Dora 16 Van Dongen, Kees 174, 268 Van Gindertaël, Roger 23, 98, 175 Vasarely, Victor 91–92, 98, 100–102, 143–144, 146, 221; Abb. 24 Vauxcelles, Louis 173 Vedova, Emilio 118 Velde, Geer van 311 Venturi, Lionello 286
Vercors [i.e. Jean Marcel Bruller] 34, 265 Vermeer, Jan 42, 295 Vialatte, Alexandre 318 Viegener, Eberhard 156 Vieira da Silva, Maria Elena 116, 118, 120, 311–313 Vietta, Egon 286 Villeri, Jean Abb. 3 Villon, Jacques 144, 368 Vinnen, Carl 4 Viollet-le-Duc, Eugène Emmanuel 170 Vitrac, Roger 307, 316 Vlaminck, Maurice de 113, 174, 177 Vrinat, Robert 175 Waldberg, Patrick 326, 329, 331, 337–338 Walden, Herwarth 168 Walter, Marie-Thérèse 370 Wartmann, Wilhelm 107 Watteau, Antoine 12, 29–35, 37, 40, 42–44; Taf. II Weber, Alfred 193, 214, 221 Weber, Wilhelm 237 Wedderkopp, Hermann von 286 Weidhaas, Hermann 209 Weiler, Clemens 120, 159 Wember, Paul 120 Wendt, François Willi 23 Werdehausen, Hans 114 Werner, Theodor XV, 110–111, 118, 151, 224 Wescher, Herta XIV, 23, 152, 154, 308 Wessel, Wilhelm 6, 151–162; Abb. 38–40 Wessel-Zumloh, Irmgart 155, 158 Westheim, Paul XI Westphal, Conrad 294–295 Wichert, Fritz 109 Wiesselmann, Rolf 153 Wild, Doris 176 Wilhelm II. 32 Wilhelm, Jean-Pierre 19, 23, 235, 386; Abb. 11 Winckelmann, Johann Joachim 170 Winkler, Ralf siehe A. R. Penck Winter, Fritz 115, 118, 145, 151; Abb. 32 Witz, Conrad 57 Wölfflin, Heinrich 170 Wölfli, Adolf 319 Wols 8, 22–23, 118, 177–178, 223, 230, 232, 234–235, 243–245, 345–361; Taf. VIII, Abb. 57, 81–83, 85 Wols, Gréty 234, 349–350, 358 Womacka, Walter 272
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Worringer, Wilhelm 174, 223 Zadkine, Ossip 368–369, 371–373, 378 Zahar, Marcel 173
Zahn, Leopold 174, 184, 198, 233, 289, 295 Zerner, Henri 170 Zervos, Christian XIV, 11, 22, 306–307 Zimmermann, Mac 14
Einband: Hans Hartung: T 1955-25, Öl auf Leinwand, 162 × 120 cm, Antibes, Fondation Hans Hartung et Anna Eva Bergman (Photo: Fondation Hans Hartung et Anna Eva Bergman / © VG Bild-Kunst, Bonn 2005).
Gedruckt mit Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung.
ISBN 10: 3-05-004182-X ISBN 13: 978-3-05-004182-7
© Akademie Verlag GmbH, Berlin 2006 Exklusivvertrieb für Frankreich durch die Maison des sciences des l’homme, Paris. Auslieferung: CID, 131 bd. Saint-Michel, F-75005 Paris, Tel. +33 1 53 10 53 95, Fax +33 1 40 51 02 80
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F A R B TA F E L I
I
Stefan Lochner: Darbringung Christi im Tempel, 1447, Öl auf Eichenholz, 139 × 126 cm, Darmstadt, Hessisches Landesmuseum.
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II
Antoine Watteau: L’Enseigne de Gersaint, 1720, huile sur toile, 169 × 308 cm, Berlin, Schloß Charlottenburg.
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III
Paul Cézanne: Selbstporträt mit Malerturban, um 1882, Öl auf Leinwand, 55,5 × 46 cm, München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek.
F A R B TA F E L I V
IV
Vincent Van Gogh: Mohnfeld, 1889, Öl auf Leinwand, 71 × 91 cm, Kunsthalle Bremen.
F A R B TA F E L V
V
Paul Klee: Lumpen gespenst, 1933, 465 (J 5), Kleisterfarbe, mit dem Messer bearbeitet, über Aquarellskizze auf Papier auf Karton, 48 × 33,1 cm, Zentrum Paul Klee, Bern.
F A R B TA F E L V I
VI Pablo Picasso: Nature morte à guitar, 1942, Öl auf Leinwand, 100,5 × 81 cm, Wien, R. & H. Batliner Art Foundation.
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VII
Jean Dubuffet: Façades d’immeubles, 1946, huile sur toile, 151 × 202 cm, Washington, National Gallery of Art, The Stephen Hahn Family Collection (Partial and Promised Gift).
F A R B TA F E L V I I I
VIII
Wols: Das blaue Phantom, 1951, Öl auf Leinwand, 73 × 60 cm, Köln, Museum Ludwig.
F A R B TA F E L I X
IX
Jean Hélion: À rebours, 1947, Öl auf Leinwand, 113,5 × 146 cm, Paris, Musée national d’Art moderne, Centre Georges Pompidou.
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X Edgard Pillet: Partage, 1950, huile sur toile, 65,5 × 54,5 cm, Musée de Grenoble, Don de Madame Sylvie Nordmann.
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XI
Max Ernst: Vater Rhein, 1953, Öl auf Leinwand, 114 × 146 cm, Öffentliche Kunstsammlung, Kunstmuseum Basel.
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XII Alfred Manessier: Fête en Zéelande, 1955, Öl auf Leinwand, 200 × 80 cm, 1957 von der Hamburger Kunsthalle erworben.
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XIII
Gustave Singier: Intérieur flamand, 1956, Öl auf Leinwand, 88,7 × 100 cm, Kunst- und Museumsverein im Von der Heydt-Museum Wuppertal (1957 erworben aus der von Werner Schmalenbach organisierten Wanderausstellung des Künstlers).
F A R B TA F E L X I V
XIV
Ernst Schroeder: Interieur mit liegendem Fisch, um 1956, Öl auf Pappe, 74 × 99 cm, Privatbesitz.
F A R B TA F E L X V
XV
Gerhard Hoehme: Hommage à Jean Fautrier, 1957, Öl auf Leinwand, 90 × 70 cm, Bundesregierung Deutschland.
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XVI
Emil Cimiotti: Baum mit großen Vögeln, 1961, Bronze, gußrauh, 46 × 82 × 43 cm, Kunstmuseum Stuttgart.