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German Pages [357] Year 2022
Kathrin Dorothea Paszek
IN DEN AUGEN DER ANDEREN Die Wahrnehmung von Jan III. Sobieski in den Korrespondenzen von Habsburg und Hohenzollern
BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein
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Gewidmet meinen geliebten Eltern
Inhaltsverzeichnis Prolog: Die Schlacht am Kahlenberg 1683 . . . . . . . . . . . . . . 9
1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2. Die Entwicklung der Rzeczpospolita im europäischen Machtgefüge . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Der Werdegang Jan Sobieskis in den Wirren seiner Zeit . . . .
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3.1 Gefürchtet und verehrt: Der Krongroßmarschall und -hetman . . 49
3.2 Das Jahr 1673 vor dem Interregnum . . . . . . . . . . . . . . . . 60
4. Die Wahl zum König unter dem Ruhmesmantel von Chocim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
4.1 Der erste Schritt zur Königskrone: Der Konvokationssejm . . . . 94
4.2 Die Tendenzen vor dem Wahlsejm . . . . . . . . . . . . . . . . 118
4.3 Der neue Rex Poloniae und die Reaktion des Imperator Romanorum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
5. Der diplomatische Weg zum Bündnis gegen den „Erbfeind“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
5.1 Die Krönung in Krakau und der Frieden von Żurawno . . . . . . 205
5.2 Die befürchtete Beteiligung am Nordischen Krieg . . . . . . . .222
5.3 Die ersten Bestrebungen um ein christliches Bündnis . . . . . . . 238
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Inhalt
6. Das Türkenjahr 1683 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .267
6.1 Der umstrittene Oberbefehl über das christliche Heer . . . . . . 279
6.2 Von Angesicht zu Angesicht: Die Ereignisse nach dem Entsatz . . 292
7. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 8. Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 9. Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 10. Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . 329
10.1 Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
10.2 Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330
10.3 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333
10.4 Elektronische Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347
11. Abbildungsnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349
Prolog: Die Schlacht am Kahlenberg 1683
Die Türken belagerten bereits sechzig Tage die kaiserliche Residenzstadt Wien und versuchten seit Anbeginn – jedoch erfolglos – die Stadtmauern zu bezwingen. Am 12. September 1683 war aber der Tag gekommen, an dem der christliche Entsatz der belagerten Stadt zur Rettung kam. Jener Entsatz, bestehend aus der kaiserlichen Armee des Hauses Habsburg, den Hilfstruppen unter anderen aus Polen-Litauen, Kurbayern und Kursachsen, wurde unter dem Oberbefehl des polnischen Königs Jan III. Sobieski (1629–1696) angeführt. Zu Beginn der Schlacht am Kahlenberg – die nur wenige Kilometer von Wien entfernt ausgetragen wurde –, beschrieb der Zeremonienmeister der Hohen Pforte seine Wahrnehmung aus dem gewaltigen Zeltlager der Türken in etwa diesen Worten:Wie eine Flut aus schwarzem Pech bedeckte der Entsatz Berg und Feld, die alles, was sich ihr entgegenstellte, erdrückte und verbrannte. Ein Flügel des christlichen Heeres reichte bis zu den Moldauern am Donauufer, während sich der andere Flügel bis zu den Verteidigungslinien der Tataren erstreckte. In sichelförmiger Ordnung stiegen die Feinde der Osmanen die Hänge hinab.Vergleichbar mit Gewitterwolken kämpfte das christliche Heer gegen die Streiter des Islams.1 Daraus schließend, wirkte der Angriff der Christen auf die Muslime geradezu unaufhaltsam und zerstörerisch. An jenem Tag sah sich Karl V. von Lothringen, Befehlshaber der kaiserlichen Truppen, bereits gegen 7 Uhr in der Früh gezwungen, die angreifenden Türken und Tataren abzuwehren. Der Herzog spielte eine äußerst wichtige Rolle auf dem linken Flügel. Allerdings ist zu bedenken, dass sein Handeln und seine Entscheidungen aus der gegebenen Situation entstanden sind.2 Da es keine Zeit mehr gab, wie die 1
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Paraphrasiert nach der Übers. in: Kreutel, Richard (Hg.): Kara Mustafa vor Wien. Das türkische Tagebuch der Belagerung Wiens 1683, verfaßt vom Zeremonienmeister der Hohen Pforte. (Osmanische Geschichtsschreiber. Hg. v. Ders. Bd. 1). Graz [u.a.] 1966. S. 107. Düriegl impliziert in seiner Darstellung, der Zeremonienmeister habe die Flügelhusaren gemeint, die während der Schlacht erschienen waren. In Anbetracht der Quelle beginnt das Gefecht mit dieser Wahrnehmung der Christen und nicht explizit mit dem Vormarsch der polnischen Kavallerie.Vgl. Düriegl, Günter: Wien 1683. Die zweite Türkenbelagerung. Wien [u.a.] 1981. S. 130. Le Bègue, François: Le Journal de le première campagne de hongrie en 1683. In: Neue Quellen zur Geschichte des Türkenjahres 1683 aus dem Lothringischen Hausarchiv. Hg. v. Ferdinand Stöller. (Mitteilungen des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung. Erg. Bd. 13. H. 1). Innsbruck 1933. S. 55–127. S. 101. Siehe dazu Düriegl, Wien 1683. S. 128. Wimmer beschreibt zudem, dass es während der Schlacht zu mehreren Absprachen zwischen Jan
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Prolog: Die Schlacht am Kahlenberg 1683
Tage davor sich mit dem Oberbefehlshaber Jan III. Sobieski zu besprechen, war der frühe Beginn der Kämpfe alles andere als beabsichtigt. In den Aufzeichnungen des lothringischen Sekretärs, François Le Bègue, wird das Bild eines nachdenklichen polnischen Königs in den Morgenstunden des 12. Septembers 1683 gezeigt. Noch vor dem von Pater Marco d’Aviano gehaltenen Gottesdienst soll er die bereits begonnene Schlacht beobachtet und seinen Truppen die ersten Befehle übermittelt haben. Nach der Messe brach Jan Sobieski schließlich mit seinen Streitkräften auf, um Karl von Lothringen auf dem rechten Flügel zu unterstützen.3 Der polnische König war offenbar über den unerwarteten Beginn der Gefechte keineswegs beunruhigt, sondern erteilte entschlossen seine Befehle. Der polnische Prinz, Jakub Sobieski, hielt in dem ihm zugeschriebenen Tagebuch fest, dass man erst spät über die bereits am frühen Morgen begonnenen Kämpfe zwischen den Kaiserlichen und den Türken am Kahlenberg informiert wurde. Der König soll demnach massives Geschützfeuer auf den Gegner angeordnet haben, das sichtbare Erfolge erzielte. Er berichtet in gleicher Weise, wie sein Vater sich daraufhin zur Heiligen Messe aufmachte, um Gottes Beistand zu erbitten, und sich nach dem Gottesdienstbesuch mit einer Mahlzeit stärkte, da er vor der Schlacht gefastet hatte.4 Mit diesem Tagebucheintrag wird einerseits gezeigt, dass Jan Sobieski sich mit seinem Verhalten die Gunst Gottes für den Sieg versprochen hatte, und andererseits durch das Fasten des Königs Religiosität betont. Der polnische Artilleriekommandant Marcin Kątski schildert wiederum, wie schwierig der Vormarsch der Truppen auf der Anhöhe des mit Soldaten überfüll-
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Sobieski und Karl von Lothringen kam, was eher zweifelhaft klingt. Wimmer, Jan: Wiedeń 1683. Dzieje kompanii i bitwy [Wien 1683. Geschichte der Kompanie und der Schlacht]. Warschau 1983. S. 320; Ders., Der Entsatz von Wien. In: Broucek (Hg.), Der Sieg bei Wien. S. 123, 126. Le Bègue, François: Récit du Secours de Vienne en l´année 1683. In: Neue Quellen zur Geschichte des Türkenjahres 1683 aus dem Lothringischen Hausarchiv. Hg. v. Ferdinand Stöller. (Mitteilungen des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung. Erg. Bd. 13. H. 1). Innsbruck 1933. S. 38. Mehr zum Gottesdienst siehe in: Hamminger, Josef: Dokumentation zur historischen Messe vor der Entscheidungsschlacht um Wien. 12. September 1683. Wien 1983. Siehe Wierzbowski, Teodor (Hg.): Królewicza Jakóba Sobieskiego dyaryusz Wyprawy Wiedeńskiej w 1683 r. w dwóchsetną jej rocznicę wydat w przekadzie i objanit. [Das Tagebuch des Prinzen Jakob Sobieski zum Entsatz von Wien im Jahr 1683 zu seinem zweihundertsten Jahrestag]. Warschau 1883. S. 16 f., weiter abgekürzt mit „Królewicza dyaryusz”. Das Ministrieren des Königs während der Messe und der Ritterschlag seines Sohnes nach dem Gottesdienst werden einheitlich als Legenden bezeichnet. Siehe Wimmer, Jan: Der Entsatz von Wien 1683. Warschau 1983. S. 185; Ackerl, Isabella: Von Türken belagert – von Christen entsetzt. Das belagerte Wien 1683. Wien 1983. S. 140; Düriegl, Wien 1683. S. 127; Barker, Thomas: Doppeladler und Halbmond. Entscheidungsjahr 1683. Übers. v. Peter und Gertraud Broucek. Graz [u.a.] 21982. S. 310.
Prolog: Die Schlacht am Kahlenberg 1683
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ten Berges war. Allein deswegen kam es zum Verzug bis in die Mittagsstunden. Erst danach konnten weitere Befehle seitens Jan Sobieskis gegeben werden, die darin bestanden, über einen kahlen, ohne Wald und Gebüsch bewachsenen Berg zu reiten und somit den beschwerlichen Weg durch den Wiener Wald zu umgehen.5 Besonders für seine Flügelhusaren, die am Rücken ihrer Panzer aus zwei Bügeln und Adlerfedern gefertigte Flügel trugen, war der Ritt durch das offene Feld weitaus vorteilhafter als durch die eng aneinander gewachsenen Bäume.6 Ununterbrochen beobachtete der polnische König die Geschehnisse, um auf die verschiedenen Situationen entsprechend reagieren zu können. Beim Anblick des Vorstoßes der polnischen Truppen auf dem rechten und dem Vormarsch der Kaiserlichen auf dem linken Flügel zum Lager der Osmanen hin revidierte er sogar seine Absicht, bis zum nächsten Tag zu warten, sondern gab direkt weitere Befehle zum Angriff.7 Erneut wird von den polnischen Zeitzeugen betont, dass ihr König seine Stärken ausspielte und die Gunst der Stunde nutzte. In dem späteren Bericht von François Dalérac heißt es, dass Jan Sobieski nach dem Gottesdienst zunächst etwas wartete, ehe er sich rüstete und sein Pferd bestieg. Nach 11 Uhr morgens gingen zunächst die Flügelhusaren unter Andrzej Modrzewski in Stellung.8 Da der polnische König aufgrund seiner Erfahrung wusste, von welch zentraler Bedeutung das Zelt des Großwesirs für die osmanischen Truppen war, sollten seine Husaren zunächst Ausschau halten, wo es stand. Abgesehen von den Reichtümern, die man dort erbeuten könnte, würde dessen Inbesitznahme die türkischen Truppen demoralisieren. Sobald man das rote Zelt ausfindig gemacht hätte, wollte der König angreifen, doch musste er auf seine erst anmarschierende Infanterie warten.9 Jan III. Sobieski erscheint in den späteren Darstellungen insgesamt als sehr
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Die Stärke der polnischen Truppen lag vor allem auf dem offenen Feld. Siehe auch Ackerl, Von Türken belagert. S. 143; Wheatcroft, Andrew: The Enemy at the Gate. Habsburgs, Ottomans and the Battle of Europe. New York 2008. S. 185. Mehr zu den Flügelhusaren in: Brzezinski, Richard: Polish Winged Hussar, 1576–1775. Oxford 2006; Hundert, Zbigniew: Husaria Koronna w wojnie Polsko-Tureckie 1672–1676 [Die Kronhusaren im Polnisch-Türkischen Krieg 1672–1676]. Auschwitz 2014. Jan Sobieski und der Herzog von Lothringen rechneten zuvor mit einem zweitägigen Entsatz. Siehe Kluczycki, Franciszek (Hg.): Akta do dziejów króla Jana III sprawy roku 1683, a osobliwie wyprawy wiedeńskiej wyjaśniące. [Akten zur Geschichte König Jans III. anlässlich des Jahres 1683 und besonders zur Erläuterung des Entsatzes von Wien]. Krakau 1883. (Acta Historica Res Gestas Poloniae Illustrantia. Bd. VI). S. 592–594. Weiter abgekürzt als „Acta, VI.“. Ackerl,Von Türken belagert. S. 143; Barker, Doppeladler und Halbmond. S. 310; Wimmer, Der Entsatz von Wien 1683. S. 193. Der polnische Schatzmeister Andrzej Modrzewski starb während der Schlacht. Wimmer, Wiedeń. S. 219, 329. Dalérac, François Paulin: Les Anecdotes de Pologne ou Memoirs Secrets du Règne de Jean Sobieski III du Nom. Amsterdam 1699. Bd. 1. S. 145 ff.
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z ielorientierter Feldherr, der wegen seiner Erfahrung jede bekannte Schwäche des Gegners sofort ausnutzte. Ein genauso positives Bild liefert auch Le Bègue, der berichtet, wie der polnische König den in seiner Geschlossenheit beeindruckenden Vormarsch der deutschen Truppen beobachtete sowie den durch die Schnelligkeit seiner Armee bedingten Rückzug der Osmanen.10 Damit entwirft der lothringische Staatsrat das Bild eines Kapitäns, der auf der Anhöhe des Kahlenbergs das zufriedenstellende und geordnete Vorrücken seiner Armee verfolgt. Die Wirkung des Angriffs der Verbündeten auf die Osmanen wird in den späteren Berichten unterschiedlich wiedergegeben. Zum einen heißt es in einer Relation eines unbekannten Autors von 1683: [wie] inzwischen die anderen kayserliche samt den Pohlen und übrigen Auxiliar=Völkern an allen Ecken von berühmtem Berg wie die Bienen sich haufenweise herunter zogen. Es war fast Mittag/ da alles in Form eines halben Monds unter faveur der Canonen und beständigem Feuer der Infanterie und Cavallerie/ wobey die Polnische Säbel nicht feyerten/ mit voller Linie die Türcken von einer Höhe zur anderen zurück trieben.11
Sie ähnelt dem Bericht des Zeremonienmeisters, der den Vormarsch nach unten ins Tal als eine sichelförmige Formation wahrgenommen hatte.12 Gleichzeitig macht der Bericht indirekt auf ein interessantes Detail aufmerksam, das darin besteht, dass im Zusammenhang mit den Polen keine Schusswaffen erwähnt werden, sondern dass sie beherzt vom Säbel Gebrauch machten. In den Aufzeichnungen des Wiener Augenzeugen Johann Peter von Välckern steht, wie die verbündeten fürstlichen Heerführer koordiniert vorgingen und ein jeder von ihnen seinen Truppen Mut zusprach, damit sie dann mit Gottes Hilfe alle gemeinsam auf die Osmanen einschlügen: Biß endlich Ihre Maj. Johannes der Dritte dieses Nahmens König von Pohlen aufm rechten/ Ihre Durchl. der Herzog von Lotringen mit den Kays. aufm lincken Flügl/ und die beyde Durchleuchtigste Chur=Fürsten in Bayern und Saxen […] in der Mitte deß Christlichen Kriegs Heers herzu ruckten/ ein jeder den seinigen zusprache/ 10 So heißt es wortwörtlich: „Le Roy de Pologne qui voyait de la hauteur du Calenberg l’ordre de la marche des trouppes allemandes, leur fermeté et la retraitte des Turcs, alla vite à son armée, si bien que vers les onze heures toutte l’armée était déscendue et en battaille dans la même paralelle de Nusdorff.“ In: Le Bègue, Le Journal. S. 102. 11 Kurtze jedoch umbständliche und warhaffte RELATION […]. Wien 1683. S. 2, weiter abgekürzt als „Kurtze RELATION“. 12 Die Übersetzung in: Kreutel, Richard (Hg.): Kara Mustafa vor Wien 1683 aus der Sicht türkischer Quellen. Graz [u.a.] 1982. S. 107.
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und sie umb gesamter Hand und Macht auf die GOTTES unwürdige Bößwichter loß zu gehen animirten.13
Mit dieser Darstellung wird ersichtlich, wie sehr man auch von außen den Eindruck hatte, dass sich ein Gemeinschaftsgefühl unter den verschiedenen Hilfstruppen entwickelt hatte. Eine entscheidende Rolle für den Sieg der Verbündeten schreibt Jan Wimmer den polnischen Flügelhusaren zu. Er führt aus, dass die Polen, die als letzte den Kahlenberg herunterritten, von den deutschen Soldaten mit kräftigem Jubelgeschrei begrüßt wurden, während die Türken von Angst erfasst worden seien.14 Er betont damit den psychologischen Effekt der polnischen Ausrüstung. In der Tat waren diese am Brustpanzer befestigten Flügel sowie die Löwen- und Leopardenfelle als Abschreckungsmittel sehr effektiv. Allerdings wurden in der Forschung auch schon Stimmen laut, die den Wert der schweren polnischen Kavallerie im Kampf bezweifeln. Gertrud Gerhartl behauptet beispielsweise, dass zum Nachteil für die Husaren deren glänzende Brustpanzer ein ideales Ziel für die Osmanen dargestellt hätten.15 Zudem waren die Flügelhusaren durch frühere Schlachten mit den Türken bereits bekannt und die Panzerung bedeutete im Gegensatz zu den leicht ausgerüsteten Türken eine starke Einschränkung der Wendigkeit. Auf osmanischer Seite hat der Zeremonienmeister die taktische Vorgehensweise der Türken im direkten Gefecht beschrieben, die besonders auf die Enthauptung der Gegner ausgerichtet war. Damit brachten die Muslime den Christen – besonders den Polen – hohe Verluste bei. Mehrfach wird in der Forschung behauptet, dass 13 Välckern, Johann Peter von: WIENN von Türcken belagert […]. Lintz (sic) 1684. S. 89. Auch Georg Friedrich von Waldeck berichtet darüber, dass man gemeinsam und „einmüthig“ gekämpft und damit die Stadt Wien entsetzt hatte. Siehe in: Rauchbar, Johann Georg von: Leben und Thaten des Fürsten Georg Friedrich von Waldeck (1620–1692). Bd. 2. Arolsen 1872. S. 270 f. Im Gegensatz zu L’ordre de la bataille kämpfte der sächsische Kurfürst mit Karl von Lothringen auf der linken Seite, während die Mitte aus den Bayern und Franken unter Georg Friedrich von Waldeck und Julius Franz von Sachsen-Lauenburg befehligt wurden. Siehe Düriegl, Wien 1683. S. 116. 14 Wimmer, Der Entsatz von Wien 1683. S. 193; Ders., Wiedeń. S. 323–233; Eickhoff, Ekkehard: Venedig, Wien und die Osmanen. Umbruch in Südosteuropa. Stuttgart 42008. S. 363 f. Die Problematik, die sich bei dieser heroischen Darstellung stellt, ist die, dass keine Quelle, welche Eickhoff in seinem Buch aufgelistet hat, eine solche Beschreibung der Ereignisse wiedergibt. 15 Siehe Gerhartl, Gertrud: Belagerung und Entsatz von Wien 1683. (Militärhistorische Schriftenreihe. Bd. 46).Wien 1982. S. 24. Es besteht sogar eine gewisse Ähnlichkeit zwischen einem Flügelhusaren und einem türkischen Deli, der von der Hohen Pforte zur leichten Reiterei in den Grenzgebieten eingesetzt wurde. Beide hatten Flügel am Rücken und waren mit Fellen ausgestattet. Die Abbildung in: Broucek, Peter [u.a.] (Hg.): Der Sieg bei Wien 1683. Wien [u.a.] 1983. S. 25; Wheatcroft, The Enemy at the Gate. S. 167.
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unter anderem dem jungen polnischen Panzerreiter Stanisław Potocki durch einen Säbelhieb ein Teil seines Kopfes abgeschlagen wurde.16 Demzufolge geht man zumindest davon aus, dass sich die Osmanen effektiverer Methoden bedienten. Mehrere Jahre später beschreibt Hüseyin Hezarfen, wie die Christen in Eisen gekleidet waren und dadurch die türkischen Säbel wirkungslos blieben. Die Osmanen trugen dem Rechnung und bedienten sich der Methode, mit Hammer, Keulen und Beilen auf die Hände, Gesichter und Köpfe ihrer Gegner einzuschlagen oder mit den Säbeln die Pferde aufzuschlitzen.17 Gegen die Flügelhusaren wusste man sich folglich effektiv zu helfen. In der Forschung bezieht man sich auch gerne auf ein Gefecht, bei dem Herzog Julius Franz von Sachsen-Lauenburg mit seinen Dragonern die polnischen Reiter decken musste, um ihnen den Rückzug für eine neuerliche Attacke zu ermöglichen. Diese vorübergehende Strategie schmälerte indes in keiner Weise die Verdienste der polnischen Truppen und wurde auch nie in den zeitnahen Berichten kritisiert: Der Augenzeuge Francis Taaffe meinte, dass die Polen den Angriff der Türken mit einem überragenden Mut überstanden hatten.18 Zudem bestätigt er, dass der Kampf am längsten andauerte und am heftigsten war, wo sich Jan Sobieski aufhielt. Dies aber habe nur seinen Ruhm gefördert, zumal er den Osmanen hohe Verluste beibrachte und ihre Kanonen erbeutete.19 Dieser zeitnahe und auf eigenen Erlebnissen basierende Bericht zeigt, dass man selbst als Soldat unter Karl von Lothringen den Polen und ihrem König höchste Anerkennung zollte. Johann Georg von Anhalt berichtet in seinem Brief vom 13. September 1683 an den Großen Kurfürsten, wie der König als „cheff“ kommandierte und überall war, wo die größte Gefahr bestand. Jan Sobieski soll Karl von Lothringen sechs Kompa-
16 Die Übers. in: Kreutel (Hg.), Kara Mustafa vor Wien 1683. S. 108–110. Sachslehner, Johannes: Wien anno 1683. Ein europäisches Schicksalsjahr. Wien [u.a.] 2015. S. 307. Diese Behauptung über den Sohn des polnischen Feldhetmans, Andrzej Potocki, stammt von Barker, Doppeladler und Halbmond. S. 312. Seine angeführte Literatur dazu gibt jedoch eine solche Beschreibung der Ereignisse nicht wieder.Vgl. seine FN 122 auf S. 408. Die Kopfspaltung wird später auch bei Wimmer, Der Entsatz. S. 126, 131 adaptiert. 17 Hüseyin Hezarfen, Taᵓrīḫ-i Sefer-i Beç. [Geschichte des Wiener Feldzugs]. Übers. in: Abrahamowicz, Zygmunt: Kara Mustafa pod Wiedniem [Kara Mustafa vor Wien]. Krakau 1973. S. 226 f. Siehe auch Wimmer, Der Entsatz. S. 130 f. 18 In: Acta, VI. S. 419: „There were no officers killed on our side but the brother of the Prince de Crouy, the Count de Trautmanstorf Major, the Count de Batzi Captain of dragoons, and some people of quality among the Poles, who stood the shock of a very rude encounter with a transcendent bravery.“ 19 So heißt es im Original: „The combat held longest where the King of Poland was, but that only added to his glory, he having beaten them with the loss of their cannon and a great number of their men.“ Siehe den Brief von Taaffe vom 12. September 1683 in: Acta, VI. S. 369.
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nien Husaren zur Unterstützung des linken Flügels geschickt haben. Nach dem Vordringen in das türkische Lager wurde der Vorhut der Husaren durch die türkischen Säbel schwer zugesetzt. Die darauffolgenden polnischen Reiter lösten aber zuletzt eine Konfusion bei den Osmanen aus, die letztendlich zu deren Flucht führte.20 Ungeachtet dessen, dass die Kaiserlichen den Polen zu Hilfe gekommen waren, lobte der Fürst von Anhalt Letztere für ihr tapferes Verhalten. In der zeitnahen Relation von Le Bègue wird beschrieben, wie die Polen den Wald verließen und mit den aus dem Lager kommenden Türken zusammentrafen. An der Spitze seiner Truppen griff Jan Sobieski mit einigen Schwadronen seiner Husaren die Türken an und brach dabei tief in deren Linien ein. Dies aber führte dazu, dass immer mehr Osmanen die Polen und ihren König angriffen und diese schließlich zum Rückzug zwangen. Die polnischen Truppen wurden daraufhin von ihren Gegnern verfolgt, bis Fürst Georg Friedrich von Waldeck mit einigen bayerischen Bataillonen die Husaren unterstützen konnte. Jan Sobieski blieb Le Bègue zufolge nach den ersten Kämpfen auf dem Schafberg stehen, um sich dort einen Überblick zu verschaffen.Von da aus habe er die Ereignisse mitangesehen und direkt versucht, die Ordnung wiederherzustellen. Er trieb zudem erneut die erste Reihe seiner Husaren gegen den Feind an und gab weitere Befehle, um die kaiserlichen Dragoner zu unterstützen. Ein Teil der türkischen Truppen soll sich daraufhin zurückgezogen haben, die christliche Armee rückte indes weiter vor und gewann kontinuierlich an Terrain. Nach den Erfolgen Karls von Lothringen begann dieser, vom linken zum rechten Flügel vorzudringen. Die bereits in den Kampf mit den Polen verwickelten Osmanen befürchteten, auf den Flanken umgangen zu werden, und begannen daraufhin zu fliehen. Jan Sobieski erreichte kurz darauf die Schützengräben und verfolgte trotz des Feuers der Janitscharen den Feind, bis er im Lager der Türken ankam.21 Erneut loben damit lothringische Autoren die Polen, welche die Osmanen von deren bisherigen Angriffen auf den linken Flügel der Verbündeten abhielten. Auch der polnische König wird in den Berichten wieder als ein die Situation beherrschender und umsichtiger Feldherr dargestellt. Nicht zuletzt habe man die Flucht der Türken und damit den Sieg seiner Taktik zu verdanken, den Gegner sichelförmig anzugreifen. Abermals sprechen sich die späteren Quellen lobend über den geordneten Vormarsch der Polen aus sowie darüber, dass sie mit ihrem Angriff die Osmanen auf dem rechten Flügel hielten und somit vom linken ablenkten. Übereinstimmend werden Jan Sobieski, der mithilfe deutscher Soldaten erfolgreich agierte, und seine 20 Ebd. S. 383. 21 Le Bègue, Récit. S. 38 f. So ähnlich heißt es in einer Relation: „Gegen Abend begunte sich die volle Macht gegen Ihro Königl. Majest. von Pohlen zu wenden/ die aber der lincke Flügel den Rücken allgemach gegen die Stadt kehrend/ so bald möglich secundirte. Die Türken vermerckende das man ihnen in die Flancken gehen wollte.“ In: Kurtze RELATION. S. 2.
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Husaren gelobt, die tapfer gegen die Türken kämpften.22 Die Aktionen der Polen ermutigten nicht zuletzt die Verbündeten auf dem linken Flügel, den Kampf mit den Osmanen fortzusetzen. Auch der Pfortendolmetscher Aléxandros Mavrokordátos äußert sich anerkennend über die Husaren. Außerdem ist interessant, dass man auf osmanischer Seite offenbar genau über die Größe des polnischen Heeres informiert war, das ausschließlich aus 20.000 Mann Kavallerie bestanden haben soll und von den Türken als „Elitetruppe“ bezeichnet wurde.23 Dies ist ein Hinweis darauf, dass man die polnischen Truppen nicht unterschätzte. Obendrein wird Jan Sobieski in dem späteren Bericht des Augenzeugen Ḥasan ibn Ḥüseyn Esīrī Anerkennung gezollt, da er laut diesem an der Spitze seiner Armee gekämpft habe. Des Weiteren beschreibt er, wie der König persönlich mit erhobenem Säbel zum Angriff gegen die Türken ritt.24 In der Forschung heißt es bisweilen, dass die militärische Auseinandersetzung zwischen Karl von Lothringen und Ibrahim Pascha bei Oberdöbling zum entscheidenden Sieg der Verbündeten geführt habe. Der Vorstoß der Kaiserlichen an der Donau bis tief ins türkische Lager und ihren Angriff auf den rechten Flügel der Türken machte nämlich allen Beteiligten bewusst, dass ein Sieg am selben Tag möglich sei.25 Im Tagebuch des kaiserlichen Gesandten Georg Christoph von Kunitz, der den Entsatz als Gefangener im türkischen Lager miterlebt hatte, steht jedoch: Inzwischen sind Ihr Königl. Maj. aus Polen durch den Wald bey Dornbach mit dero Armee herausgangen/ den Feind zu umringen; als derselbe solches vermerckt/ und gesehen/ daß Unsere vom Kahlenberg schon herunter/ und ihme nachgesetzt/ haben diese/ so auf dem Wienerberg hielten/ angefangen das Reis auszuspielen/ welchen die Polacken gleich nachsetzten/ und gegen 5. Uhr schon in ihr Lager kommen.26
22 Suttinger, Daniel: Entsatz der Kayserlichen Haubt= und Residentz= Stadt WIEN in Oesterreich. Dresden 1688. S. 8; Rueß, Johann Georg Wilhelm:Wahrhaffte und Gründliche RELATION […]. Wien 1683. S. 72. Siehe auch Francis Taaffe in: Acta, VI. S. 419. Dazu: Düriegl, Wien 1683. S. 129. 23 Siehe die Übersetzung in: Kreutel (Hg.), Kara Mustafa vor Wien 1683. S. 87 f. 24 Ḥasan ibn Ḥüseyn Esīrī: Mi´yārü´d-Düvel ve Misbārü´l-Milel. [Staaten-Prüfstein und VölkerSonde]. Übersetzt in: Abrahamowicz, Kara Mustafa. S. 231. Laut Jan Wimmer soll Jan Sobieski kurz nach dem vordersten Angriff stehen geblieben sein und die Ereignisse vor dem Lager der Osmanen beobachtet haben. Für seine weiteren Ausführungen über die verängstigten Türken gegen die angsteinflößenden Polen lässt sich kein Nachweis finden. Ders., Der Entsatz. S. 201 f. 25 Wimmer, Der Entsatz von Wien 1683. S. 200; Gerhartl, Belagerung. S. 25. 26 Kunitz, Georg Christoph: DIARIUM [...]. Wien 1684. S. 31 f.
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Ausschlaggebend für die Flucht der Türken war demzufolge, dass diese, infolge des polnischen Angriffs von Dornbach aus, von zwei Seiten angegriffen wurden.27 Folglich war der Einsatz des ganzen Entsatzheeres der Schlüssel zum Erfolg. In einer späteren Relation eines Augenzeugen in Wien wurde festgehalten: Es war „fast unglaublich/ daß man einen so mächtigen Feind gantzer zwo Stunden Wegs/ durch sein eigen Lager/ biß in die finstere Nacht gepeitschet hat.“28 Das schnelle Vordringen des Entsatzes machte selbst auf die Wiener Stadtbevölkerung einen großen Eindruck. Dabei betont der lothringische Staatsrat François Le Bègue die Stärke der polnischen Flügelhusaren, die „éxtrément bien“ die gefährliche Situation trotz des Feuers der Janitscharen gemeistert hätten.29 Laut dem Bericht des Zeremonienmeisters soll den Polen der Befehlshaber des osmanischen Heeres, Großwesir Kara Mustafa, mit seiner Leibwache persönlich gegenübergestanden haben. Doch die Türken konnten dem Ansturm des christlichen Heeres von den Anhöhen aus nicht standhalten. Sowohl der linke als auch der rechte Flügel des Entsatzheeres konnten dem Bericht zufolge in das türkische Lager vorstoßen und die muslimische Armee zur Flucht zwingen. Der Zeremonienmeister nennt auch explizit den polnischen König und dessen Attacke mit seinen Truppen hin zur heiligen Fahne. Kara Mustafa hielt sich bereit und griff selbst in den Kampf ein, bis er letztendlich mit der heiligen Fahne die Flucht ergreifen musste.30 Die Osmanen erkannten die Absicht Jan Sobieskis und reagierten entsprechend, um sich zu retten. Beim Dolmetscher Aléxandros Mavrokordátos heißt es, dass der Großwesir wie ein Löwe gekämpft habe und seine Krieger viele Husaren niederstreckten, doch die von allen Seiten in das Zeltlager kommenden Polen und Deutschen hätten ihn letztlich zur Flucht gezwungen.31 Auch in der späteren Erzählung von Hüseyin Hezarfen steht, wie der Großwesir sich in sein Zelt zurückzog, die Polen ihn verfolgten und sein Zelt umzingelten. Kara Mustafa habe dennoch mit der heiligen Fahne flüchten können.32 Somit geben die Gegner des christlichen Entsatzes wieder, dass ihrer Auffassung nach besonders der Sturm der Polen auf der rechten Seite und deren Vorstoß in das türkische Lager zur Flucht der Osmanen geführt hatte. In Anbetracht dieser Geschehnisse hatte Jan Sobieski zwar den Oberbefehl, konnte diesen allerdings wegen der unabsehbaren Ereignisse und des direkten Handelns des Herzogs von Lothringen nicht sofort ausüben. Er konnte nur Befehle an 27 Wheatcroft, The Enemy at the Gate. S. 185 f.; Barker, Doppeladler und Halbmond. S. 314; Cardini, Franco: Il Turco a Vienna. Storia del Grande Assedio del 1683. Roma [u.a.] 2011. S. 336. 28 Kurtze RELATION. S. 2. 29 Le Bègue, Le Journal. S. 102. Siehe auch Rauchbar, Leben und Thaten. Bd. 2. S. 269. 30 Übers. in: Kreutel (Hg.), Kara Mustafa. S. 108–110. 31 Siehe die Übersetzung in: Kreutel (Hg.), Kara Mustafa vor Wien 1683. S. 87 f. 32 Übers. in: Abrahamowicz, Kara Mustafa. S. 256.
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Prolog: Die Schlacht am Kahlenberg 1683
Polen und Kaiserliche geben, die unmittelbar bei ihm waren, da die Kommunikation zu weiter entfernten Truppen während der Schlacht schwierig war.33 Daraus lässt sich schließen, dass der König nur eine eingeschränkte Befehlsmacht hatte. Die Bedeutung von Jan Sobieski in der Schlacht sollte dennoch nicht unterschätzt werden, denn allein seine Präsenz spornte alle Truppen an und führte zu einer Demoralisierung des Gegners. Die Wirkung wird in der Relation sichtbar, wo es heißt, „daß die Gegenwart eines heldenmüthigen Königs/ zweyer tapfren Chur=Fürsten/ so vieler berühmten Fürsten und Generals eine Armee sehr encouragire.“ Auch der Fürst von Anhalt sprach seine Anerkennung für die Leistung des Königs, seiner Generäle, aber auch der anderen wie Karl von Lothringen, der Kurfürsten von Bayern und Sachsen,Waldeck und weiterer aus. Er schreibt ebenfalls, dass die Soldaten trotz der Strapazen des Vormarsches und der mangelnden Nahrung sehr motiviert gewesen seien und eine löbliche Ordnung im Kampf gehalten hätten.34 Hinzu kommt die gute Zusammenarbeit unter den verschiedenen Truppenkontingenten, die ohne jegliches Prestigedenken einander unterstützten und gehorsam den Befehlen des Königs folgten. In verschiedenen Berichten wird auch keine Differenzierung zwischen den Truppen gemacht, sondern einheitlich von den Christen erzählt, so wie Johann Rueß, der von „unserer Armee“ schreibt.35 Es steht außer Frage, dass sowohl die deutschen als auch die polnischen Truppen den Sieg gemeinsam errangen.
33 Ackerl, Von Türken belagert. S. 140; Düriegl, Wien 1683. S. 128. Zbigniew Wójcik merkte zudem an, dass der Oberbefehlshaber bei einer Niederlage zur Verantwortung gezogen wird. Ders.: Jan III. Sobieski. Politiker und Feldherr. In: Broucek (Hg.), Der Sieg bei Wien. S. 169. 34 Kurtze RELATION. S. 3; Acta, VI. S. 383. 35 Rueß, Wahrhaffte und Gründliche RELATION. S. 71; Aksan, Virginia: War and Peace. In: The Cambridge History of Turkey. Hg. v. Suraiya Faroqhi. (The Later Ottoman Empire, 1603–1839. Bd. 3). Cambridge 2006. S. 97.
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In der langen Ära der sogenannten Türkenkriege,1 die seit dem Vordringen der Osmanen auf dem Balkan zwischen Christen und Muslimen geführt wurden, galten die Türken in offener Feldschlacht als nahezu unbesiegbar. Alle Kriege und alle Schlachten gegen das Osmanische Reich wurden zu dieser Zeit lediglich zur Verteidigung unternommen und die europäischen Staaten zu Opfern osmanischer Expansionsbestrebungen. Die Folge war die unaufhaltsame Verlagerung der türkischen Grenzen in die Walachei, Moldau, die Krim, Siebenbürgen und Teile Ungarns. Der „Schrecken Europas“ kam mit Sultan Süleymān I. dem Prächtigen sogar bis vor die Tore der Stadt Wien. Diese Erste Türkenbelagerung von 1529 nahm mit den Vorboten eines kalten Winters ein Ende.2 Eine dauerhafte Bannung der osmanischen Bedrohung war allerdings nicht die Folge. Die Wende kam für Europa erst mit einem Mann, der durch die erneute Belagerung Wiens durch die Türken im Jahr 1683 aus seinem Königreich zur Befreiung der kaiserlichen Hauptstadt aufgebrochen war. Nach langen Verhandlungen mit dem Haus Habsburg und durch den Beistand des Heiligen Stuhls zogen dank ihm Truppen aus Polen-Litauen in den Krieg gegen die Hohe Pforte. Wie bereits im Prolog beschrieben, führte er, der polnische König Jan III. Sobieski, daraufhin den aus internationalen Truppen bestehenden Entsatz.Vor den Stadtmauern Wiens entbrannte eine Schlacht, die zusammenfassend so schnell und erfolgreich verlief, dass die einstmals so gefürchteten Türken schmählich in die Flucht geschlagen wurden – damit war der Bann der Unbesiegbarkeit endgültig gebrochen. Seitdem hatte der lang gefürchtete Schrecken ein Ende, mit der Folge, dass die Osmanen in den nächsten Jahrzehnten kontinuierlich aus Europa zurückgedrängt wurden.3 1
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Höfert, Almut: Den Feind beschreiben. „Türkengefahr“ und europäisches Wissen über das Osmanische Reich 1450–1600. Frankfurt a. M. [u.a.] 2003. S. 51. Siehe auch Jagodzinski, Sabine: Die Türkenkriege im Spiegel der polnisch-litauischen Adelskultur. Kommemoration und Repräsentation bei den Zółkiewski, Sobieski und Radziwiłł. Ostfildern 2013. S. 7 samt weiterführender Literatur. Darstellungen zu den Türkenkriegen und zur Ersten Wiener Türkenbelagerung sind zahlreich vorhanden. Exemplarisch sei hier verwiesen auf: Matschke, Klaus-Peter: Das Kreuz und der Halbmond. Die Geschichte der Türkenkriege. Düsseldorf [u.a.] 2004; Csenders, Peter [u.a.] (Hg.): Wien.Von den Anfängen bis zur ersten Wiener Türkenbelagerung (1529). Bd. 1. Wien [u.a.] 2001. S. 187–190. Hierzu mehr in: Hummelberger, Walter: Wiens erste Belagerung durch die Türken 1529. (Militärhistorische Schriftenreihe Bd. 3). Wien 1976. Über die Bedeutung des Entsatzes von Wien siehe exemplarisch:Trénard, Louis: Jean Sobieski.
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Mit der vorherigen Beschreibung der Kampfeshandlungen und des darauffolgenden Sieges der christlichen Truppen über die Streiter des Islams wurde gezeigt, dass die Quellen es zulassen, das Ereignis aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten.4 Die Rolle der Polen während der Schlacht wurde bewusst hervorgehoben, um einen Vorgeschmack zu geben, wie die unterschiedlichsten Akteure – ob aus deutschsprachiger, polnischer, lothringischer, italienischer oder sogar osmanischer Sicht – den polnischen König dabei wahrgenommen haben. Interessant wäre jedoch zu erfahren, wie in den Jahren davor die gegenseitige Wahrnehmung und das Verhältnis der europäischen Höfe zu Polen-Litauen war.5 Hinzu kommt noch ein weiterer wichtiger Punkt:Wie bereits angedeutet, war die Schlacht am Kahlenberg und die dadurch errungene Rettung der kaiserlichen Residenzstadt das Resultat längerer diplomatischer Verhandlungen zwischen dem römisch-deutschen Kaiser Leopold I. mit dem polnischen König Jan III. Sobieski. Wenige Monate zuvor hatten sie sich auf ein Offensiv- und Defensivbündnis – mit Papst Innozenz XI. als Garanten – geeinigt und damit ihre gegenseitige Unterstützung besiegelt. In der Forschung wurde lange diskutiert, wem der Erfolg dieses Vertrages am meisten zuzuschreiben war.6 Wesentlich interessanter als diese Forschungskontroverse über die Taten und Ver-
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Roi de Pologne et libérateur de Vienne. Toulouse 2002; Rożek, Michał: Zwycięstwo Jana III Sobieskiego pod Wiedniem. Echa wiktorii. [Der Sieg Jan III. Sobieskis vor Wien. Ein Echo des Sieges]. Krakau 2008; Schmidt, Hans: Das Türkenjahr 1683 und seine historische Bedeutung. In: Saeculum. Bd. 28 (1977). H. 1. S. 87–100. Die Mehrperspektivität wurde bereits beeindruckend von Iris Gareis angewandt, jedoch unterscheidet sich der hier vorliegende Prolog insofern, als sich die Wahrnehmung bei allen an der Schlacht beteiligten Protagonisten nicht unterschiedlich, sondern einheitlich positiv bezüglich der Polen beurteilen lässt. Gareis, Iris: Die Geschichte der Anderen. Zur Ethnohistorie am Beispiel Perus (1532–1700). Berlin 2003. Weiterführend: Gallo, Maria Teresa: Effetto Rashomon. Controversi sospetti di abuso sessuale su minore. Rom 2013. S.129–146. Es ist nämlich die Wahrnehmung, die entscheidend ist, inwiefern eine Annäherung „transkultureller Begegnungen“ möglich ist. Vgl. Stollberg-Rilinger, Barbara: Rituale. Frankfurt a. M. [u.a.] 22019. S. 142. Der für seine Papsturkunden bekannte Ludwig Freiherr von Pastor hatte bereits 1886 geschrieben: „Allein wie hoch man auch die Verdienste Sobieskis anschlagen mag, nicht er allein ist es gewesen, der Wien, das Bollwerk und den östlichen Eckpfeiler der christlichen Kultur Europas, vor der Barbarei des Ostens gerettet hat. Der Ruhm des herrlichen Sieges über den Halbmond gebührt nicht bloß den Polen, sondern auch den Österreichern, Sachsen, Bayern und Schwaben und ihren Führern. Ermöglicht aber wurde das welthistorische Ereignis nur durch die hochherzige Unterstützung des Papstes.“ In: Pastor, Ludwig Freiherr von: Geschichte der Päpste im Zeitalter des fürstlichen Absolutismus von der Wahl Innozenz X. bis zum Tode Innozenz XI. (Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters. Bd. 14). Freiburg i. Br. 81960. S. 794. Im Vergleich dazu siehe abweichend Barker, Doppeladler und Halbmond. S. 304;Wójcik, Zbigniew: Jan Sobieski 1629–1996.Warschau 1994. S. 326; Düriegl, Wien 1683. S. 128; Gerhartl, Belagerung. S. 19; Chaline, Olivier: La Reconquête Catholique de L’Europe Centrale. XVIe–XVIIIe siècle. Paris 1998. S. 54; Cardini, Il Turco a Vienna. S. 309.
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dienste der genannten Machthaber scheint hingegen ein ganz anderer Aspekt zu sein:Wie ist es überhaupt zu diesem Bündnis gekommen und welche Meinung hatten Kaiser und König vorher voneinander? Bislang wurden nur wagemutige Vermutungen zum Verhältnis zwischen Habsburg und dem polnischen Königreich aufgestellt, die aber nicht wissenschaftlich fundiert sind: In seiner Biografie über Jan Sobieski machte Zbigniew Wójcik dem Kaiser vor allem den Vorwurf, in den Jahren von 1678–1682 sehr zögerlich auf ein deutsch-polnisches Bündnis eingegangen zu sein, ohne näher die vorhandenen Quellen zu berücksichtigen.7 Andererseits hat er eine hervorragende Darstellung in Bezug auf das polnisch-moskowitische Verhältnis in den 1670er-Jahren geliefert, insbesondere über die Bemühungen Jan Sobieskis um eine „Heilige Liga“ mit Moskau, und umging damit gleichzeitig eine genauere Auswertung der Quellen hinsichtlich der Beziehungen zwischen Polen-Litauen und den westeuropäischen Mächten.8 Otto Forst de Battaglia beschreibt – zwar ohne wissenschaftliche Nachweise9 – viele Quellen zum Verhältnis Jan Sobieskis mit dem Haus Habsburg, bleibt dabei aber nicht stringent, indem er ab den 1680er-Jahren besonders die Beziehungen zwischen Frankreich und Polen beleuchtet, wobei er ausführlich auf den Skandal mit dem französischen Gesandten Nicolas-Louis, Marquis de Vitry eingeht.10 Eine gründliche Darstellung liefert Tadeusz Korzon11 mit seiner dreibändigen Biografie zu Jan Sobieski, die jedoch mit dem Ereignisjahr 1674 endet. In mehreren Aufsätzen zu verschiedenen Ereignissen, wie beispielsweise der sehr detailreichen Beschreibung der Wahl Jan Sobieskis von Ferdinand Hirsch, basierend auf den Korrespondenzen des französischen sowie brandenburgischen Gesandten und des Danziger Residenten Daniel Schumann, wird der Einfluss der euro-
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Wójcik, Jan Sobieski. S. 308. Ebd. S. 271–278, 290–309. Ders.: Rzeczpospolita wobec Turcji i Rosji 1674–1679. Studium z dziejów Polskiej Polityki zagranicznej [Die Adelsrepublik angesichts der Türkei und Russland 1674–1679. Studium der Geschehnisse polnischer Außenpolitik]. Breslau [u.a.] 1976. Siehe auch Zernack, Klaus: Polen und Russland. Zwei Wege in der europäischen Geschichte. Berlin 1994. S. 209–213. 9 Der viel gerühmte Kenner Otto Forst de Battaglia, der über Jan Sobieski 1946 eine Biografie herausgab, wird den wissenschaftlichen Ansprüchen nicht gerecht, da der angekündigte Quellen- und Literaturband niemals erschienen ist. Siehe dazu die „Bibliographische Notiz“ in der Neuauflage von Ders.: Jan Sobieski. Graz [u.a.] 21982. S. 313. Zbigniew Wójcik bezeichnet Forst de Battaglia sogar als „besten Sobieski-Biographen“. Ders., Jan III. Sobieski. S. 170. Über die Bedeutung und das Wirken dieses Mannes: Dybaś, Bogusław [u.a.] (Hg.): Otto Forst de Battaglia, der unersetzliche Vermittler zwischen den Kulturen. Wien 2011. 10 Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 130–140. 11 Korzon, Tadeusz: Dola i Niedola Jana Sobieskiego [Glück und Unglück Jan Sobieskis. 1629– 1674]. Bd. 1–3. Krakau 1898.
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päischen Höfe auf Polen-Litauen aufgezeigt.12 Doch auch bei ihm sowie in vielen weiteren wissenschaftlichen Ausarbeitungen kommt die kaiserliche Position zu kurz, da darin die Briefe des Habsburger Gesandten Christoph Leopold Schaffgotsch nicht berücksichtigt wurden. Diesen Mangel versucht Janusz Woliński zu kompensieren, indem er auf eben diese Korrespondenzen des Gesandten in seiner Darstellung eingeht.13 Die von ihm verwendeten Quellen sind jedoch durch eine detailreiche Auskunft über die gegenseitige Wahrnehmung weitaus ergiebiger als von Woliński wiedergegeben. In beiden Aufsätzen wird zudem nur geringfügig auf die persönliche Meinung des Kaisers zu Jan Sobieski eingegangen. In vielen Gesamtdarstellungen zum Entsatz von Wien wurde das Verhältnis Kaiser Leopolds zum Warschauer Hof meist nur oberflächlich behandelt.14 Außerdem hat man in der bisherigen Forschung die Quellen über Jan Sobieski dazu verwendet, um hauptsächlich die politischen Gegebenheiten widerzuspiegeln.15 Lediglich Gerda Hagenau bediente sich der Methode, die Briefe Jan Sobieskis und seiner Frau, der Französin Maria Kazimiera, zusätzlich zu analysieren und damit den Kontrast des liebenden Feldherrn zu der kühlen französischen Schönheit darzustellen.16 Den Fokus auf die Wahrnehmung Jan Sobieskis in Europa legte zumindest Jerzy Śliziński durch seine Analyse der Literatur und Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts.17 In den vergangenen Jahren wurde auch ausführlich auf die Beziehung zwischen Polen-Litauen und
12 Hirsch, Ferdinand: Die Wahl Johann Sobieskis zum König von Polen 1674. In: HZ. Bd. 87 (1901). H. 2. S. 224–269. 13 Woliński, Janusz: Poselstwo Krzysztofa Schaffgotscha na elekcję polską 1674 r. [Die Gesandtschaft Christoph Schaffgotschs bei der polnischen Wahl im Jahr 1674]. In: Sobótka. Organ Wrocławskiego Towarzystwa Miłośników Historii. Bd. 7 (1952). S. 143–163; Ders.: Epilog Elekcji 1674 r. [Epilog zur Wahl im Jahr 1674]. In: Polska Akademia Umiejętności. Rozprawy Wydziału Historyczno-Filozoficznego. Bd. 46 (1952). H. 5. S. 534–585. 14 Wimmer, Wiedeń. S. 56–61, 67–78; Weathcroft, The Enemy. S. 103–109; Barker, Doppeladler und Halbmond. S. 109–167; Cardini, Il Turco a Vienna. S. 238, 249–256. 15 Gemeint sind insbesondere die politischen Gesamtdarstellungen und Zusammenfassungen der Ereignisse bis 1683 und die bisherigen Biografien zu Jan Sobieski. Unter anderen Forst de Battaglia, Jan Sobieski. Wójcik, Jan Sobieski. Sowie die aktuellsten Publikationen: Varvounis, Militiades: The King Who Saved Europe. Leipzig 2012; Podhorodecki, Leszek: Jan III Sobie ski. Warschau 2010. Siehe auch die unterschiedlichen Forschungsansätze in folgenden Sammelbänden: Milewski, Dariusz (Hg.): Marszałek i Hetman koronny Jan Sobieski. [Marschall und königlicher Hetmann Jan Sobieski]. Wilanów 2014; Ders. (Hg.): Król Jan III Sobieski i Rzeczpospolita w Latach 1674–1683 [König Jan III. Sobieski und die Adelsrepublik in den Jahren 1674–1683]. Warschau 2016. 16 Hagenau, Gerda: Jan Sobieski. Der Retter Wiens. Wien [u.a.] 1983. 17 Hier sei beispielhaft genannt: Śliziński, Jerzy: Jan III. Sobieski w Literaturze Narodów Europy [Jan III. Sobieski in der Volksliteratur Europas]. Warschau 1979; Górska, Magdalena: Zbawca Europy. O graficznych tezach gloryfikujących Jana III Sobieskiego [Der Retter Europas. Über barocke Thesenblätter zur Verherrlichung des Königs Jan III. Sobieski]. Warschau 2017.
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Kurbrandenburg eingegangen, wobei man allerdings ohne Berücksichtigung der österreichischen Quellen meist die Interessen von Habsburg und Hohenzollern gleichsetzte.18 Durch die innen- und außenpolitischen Verstrickungen bietet sich jedoch der Blick auf die diplomatischen Korrespondenzen zwischen allen drei Herrschern an. In der vorliegenden Arbeit soll daher die Perzeption der direkten Zeitgenossen auf Jan Sobieski neue Einblicke auf den langen Weg bis zum Sieg vor Wien ermöglichen und das verbunden mit den folgenden Leitfragen:Wie haben die europäischen Höfe insbesondere durch ihre Gesandten und diplomatischen Korrespondenzen den polnischen König wahrgenommen, beschrieben und eingeschätzt? Inwieweit hat sich das wechselseitige Verhalten von Jan Sobieski und Leopold I. verändert? Welche politischen Gegebenheiten in Europa gaben ihnen Anlass, ihre Entscheidungen zu revidieren? Das Ziel dieser Arbeit ist es, die zeitgenössische Wahrnehmung und das dadurch beeinflusste Verhältnis der Habsburger und Hohenzollern zu Jan III. Sobieski darzustellen. Die hierfür zahlreich vorhandenen internationalen Quellen mussten jedoch aufgrund ihrer Fülle auf die deutsch-polnischen Korrespondenzen eingeschränkt werden. Der Begriff „deutsch“ ist an dieser Stelle stark verallgemeinert – konkret wird der Fokus auf die Briefwechsel zwischen dem römisch-deutschen Kaiser Leopold I., dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. von Brandenburg und Jan III. Sobieski gelegt. Damit wird nicht nur ein sich ergänzendes Bild von dem polnischen König am Wiener und Berliner Hof geschaffen, sondern auch die daraus entstandenen Auswirkungen auf die gegenseitigen politischen Beziehungen können dadurch besser nachvollzogen werden.19 Diese Einschränkung auf Habsburg, Hohenzollern und Polen-Litauen kann und wird indes nicht stringent durchgezogen, da noch weitere Akteure, insbesondere die Kurie und der König von Frankreich, maßgeblich das Verhältnis zwischen den drei Machthabern beeinflussten. Die Briefe aus Rom und Versailles werden jedoch nur ergänzend zu bestimmten Er-
18 Kamieński, Andrzej: Polska a Brandenburgia-Prusy w drugiej połowie XVII wieku. Dzieje polityczne [Polen und Brandenburg-Preußen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Politische Gegebenheiten]. Posen 2002; Opgenoorth, Ernst: Friedrich Wilhelm. Der Große Kurfürst von Brandenburg. Bd. 2. Frankfurt a. M. [u.a.] 1978. 19 Bereits im 19. Jahrhundert sah man sich mit der Problematik konfrontiert, dass eine reine Politikgeschichte nicht so aufschlussreich sein kann, wenn man die kulturpolitischen Aspekte außen vor lässt. Dinges, Martin: Neue Kulturgeschichte. In: Kompass der Geschichtswissenschaft. Hg. v. Joachim Eibach [u.a.]. Göttingen 2002. S. 183. Über die neuen Ansätze in der Diplomatiegeschichte siehe Strohmeyer, Arno: Wahrnehmungen des Fremden. Differenzerfahrungen von Diplomaten im 16. und 17. Jahrhundert. Forschungsstand – Erträge – Perspektiven. In: Wahrnehmungen des Fremden. Differenzerfahrungen von Diplomaten im 16. und 17. Jahrhundert. Hg. v. Michael Rohrschneider [u.a.]. Münster 2007. S. 1–5. Auch die rituellen Differenzen werden dargestellt und legen Zeugnis darüber ab, inwiefern man über sie hinweggesehen hat. Über ihre Bedeutung siehe Stollberg-Rilinger, Rituale. S. 207–214.
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eignissen hinzugezogen.20 Um den Wandel der gegenseitigen Wahrnehmung stärker hervorzuheben, wird der Beginn des Untersuchungszeitraums bereits zehn Jahre vor dem Entsatz von Wien angesetzt. Damit wird das Verhältnis der Häuser Habsburg und Hohenzollern mit dem einstigen polnischen Großmarschall und -hetman Jan Sobieski dargestellt, noch bevor er zum König gekrönt wurde. Anschließend wird der Zeitraum von 1673–1683 im Fokus stehen. Um das Thema weiter einzugrenzen, werden vor allem die diplomatischen Korrespondenzen des Kaisers und des Kurfürsten von Brandenburg mit ihren jeweiligen Gesandten in Polen-Litauen untersucht. Letztgenannter war zwar an der Schlacht vor Wien nicht beteiligt, doch die vielen Schriftwechsel seiner Diplomaten und Agenten sowohl am Wiener als auch am Warschauer Hof ermöglichen, durch die historisch-kritische Auswertung ein Gesamtbild über das Verhältnis des römisch-deutschen Kaisers und des polnischen Königs zu konstruieren. In dieser Arbeit geht es nicht darum, altbekannte Fakten wiederzugeben, sondern die Quellen im Detail auszuwerten und damit die Reaktion der einzelnen Protagonisten auf unterschiedliche Entscheidungen und Verhaltensweisen zu zeigen.21 Das Hauptaugenmerk richtet sich wie schon mehrfach betont auf diplomatische Korrespondenzen, die von Gesandten nicht nur schriftlich überreicht, sondern zusätzlich mündlich überliefert und dabei von Dritten teilweise niedergeschrieben wurden. Inwiefern Aussagen oder Gerüchte der Wahrheit entsprechen, kann nicht mit eindeutiger Gewissheit beurteilt, sondern teilweise nur vermutet werden.22 Schließlich 20 Somit kann diese Arbeit einer Interkulturgeschichte zugeschrieben werden, die auf diplomatischen Korrespondenzen basiert. Laut Martin Digens beschäftigt sich die Interkulturgeschichte mit der Wahrnehmung und zeigt vor allem „Selbst-, Fremd- und Missverständnisse“ auf. Ders.: Neue Kulturgeschichte. S. 191 f. Die Schwierigkeit dieses historisch-anthropologischen Ansatzes thematisiert Burghartz, Susanna: Historische Anthropologie/Mikrogeschichte. In: Kompass der Geschichtswissenschaft. S. 206. Den Aspekt der Wahrnehmung herauszuarbeiten, vereinfacht jedoch die Auswertung diplomatischer Zeugnisse, die bekanntlich eine „unerschöpfliche Quelle“ darstellt. Bély, Lucien: Das Wissen über das diplomatische Zeremoniell in der Frühen Neuzeit. In: Alles nur symbolisch? Bilanz und Perspektiven der Erforschung symbolischer Kommunikation. Hg. v. Barbara Stollberg-Rilinger [u.a.]. Köln 2013. S. 144. Gleichzeitig ist diese Arbeit einer „Politischen Geschichte“ zuzuordnen, da sie hauptsächlich die Einflüsse im politischen Bereich aufzeigt und sich mit den Entscheidungen der Machthaber beschäftigt. Der anthropologische Ansatz birgt jedoch eine Neuerung in dem Umgang mit diplomatischen Korrespondenzen und unterscheidet sich damit von der bisherigen Diplomatiegeschichte. Borowsky, Peter [u.a.]: Politische Geschichte. In: Geschichte. Ein Grundkurs. Hg. v. Hans-Jürgen Goertz. Hamburg 1998. S. 527 f., 538 f. 21 Martin Dinges hatte bereits über die Defizite der Kulturgeschichte geschrieben, die darin bestehen, dass historische Abläufe zu allgemein betrachtet werden. Hierbei ist der Autorin bewusst, dass der Blick in die tatsächlichen Lebenswelten der Protagonisten zusätzlich die Gefahr birgt, an Objektivität zu verlieren. Ders.: Neue Kulturgeschichte. S. 179. 22 Mündliche Überlieferungen, die durch Diplomaten festgehalten wurden, ermöglichen zu-
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wurden von allen Seiten sämtliche Informationen ausgeforscht, analysiert, verfremdet oder für die eigenen Intentionen missbraucht. Briefe, die sehr persönliche Einblicke in die Gedanken der Personen widerspiegeln, sind wertvolle Zeugnisse, die in großer Anzahl vorhanden sind. Die genaue Auswertung der Quellen ermöglicht ein Nachempfinden von Jan Sobieski, Leopold I. und Friedrich Wilhelm von Brandenburg – ihre Entscheidungen, Meinungen und letztendlich auch Wahrnehmungen. Es ist in Anbetracht der Vielzahl der diplomatischen Korrespondenzen eine Herausforderung, ein breites Spektrum dieser Einschätzungen aufzuzeigen,23 womit die vorliegende Arbeit ein erster Versuch ist. Da im Gegensatz zu den brandenburgischen und französischen Korrespondenzen die österreichischen Quellen aus dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien bislang weder ediert noch veröffentlicht wurden, erhielten diese in der Forschung nicht viel Berücksichtigung.24 Die vorliegende Arbeit wird hingegen hauptsächlich aus den zahlreichen Briefen des Österreichischen Staatsarchivs schöpfen. Zur Ergänzung werden zu bestimmten Ereignissen entsprechende französische, italienische und englische Quellen und erstmalig in der bisherigen Forschungsliteratur zur Geschichte des Entsatzes von Wien auch Briefe aus dem bayerischen Staatsarchiv in München und dem sächsischen Staatsarchiv in Dresden hinzugezogen. Selbstverständlich gehören dazu auch Archivalien aus Polen, darunter aus dem Hauptarchiv vergangener Akten (Archiwum Główne Akt Dawnych) und der Nationalbibliothek in Warschau, sowie unter anderen aus der Bibliothek Czartoryski in Krakau und dem Staatsarchiv in Breslau. An dieser Stelle sei vermerkt, dass sämtliche Schriftstücke in den Kartons, in denen die Quellen in den unterschiedlichen Archiven verwahrt werden, häufig nummeriert wurden. Die Nummerierung wird als Nachweis
sätzliche Perspektiven auf historische Gegebenheiten. Siehe hierzu: Gingrich, Andre [u.a.]: Ethnohistorie und Historische Anthropologie. In: Ethnologie. Einführung und Überblick. Hg. v. Bettina Beer [u.a.]. Berlin 72012. S. 378 f. 23 Evans, Richard: In Defence of History. London 1997. S. 75 f. Über die Schwierigkeit, die Mikro- und Makrogeschichte zu verbinden und die Vielseitigkeit der verschiedenen Prozesse aufzuzeigen, siehe Burghartz, Historische Anthropologie. S. 213, 218; Lüdtke, Alf: Alltagsgesichte, Mikro-Historie, historische Anthropologie. In: Geschichte. Ein Grundkurs. Hg. v. Hans-Jürgen Goertz. Hamburg 1998. S. 630–646. Zum Begriff der Wahrheit siehe auch Gallo, Effetto Rashomon. S. 132 f. 24 Die brandenburgischen Quellen wurden ediert in: Urkunden und Actenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Hg. v. Bernhard Erdmannsdörfer [u.a.]. Bd. 1–23. Berlin [u.a.] 1864–1930. Die französischen Briefe siehe in: Archiwum spraw zagranicznych francuskie do dziejów Jana III [Archiv für französische auswärtige Angelegenheiten zu Zeiten Jans III.]. Bd. 1–3. Hg. v. Kazimierz Waliszewski. (Acta Historica Res Gestas Poloniae Illustrantia. Bd. III, V, VII). Krakau 1879–1884. Im Folgenden wird dieses Werk mit der jeweiligen Angabe des Bandes als „Acta, III, 1.; Acta, V, 2.; Acta, VII, 3.“ abgekürzt.
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auch nach Verfügbarkeit angegeben, wenn nicht, reicht in dem Fall die Angabe des Datums aus, um einen Brief finden zu können. Sehr detaillierte Beschreibungen der Geschehnisse zur Wahl 1674 liefern konkret folgende kaiserliche Diplomaten: Peter Ignaz Freiherr von Stom,Wolfgang Graf von Öttingen und später in gleicher Weise Freiherr Christoph Leopold Schaffgotsch. Die umfangreichen Relationen an den Kaiser sind im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien und im Breslauer Staatsarchiv einsehbar. Peter Ignaz von Stom wird in mehreren Schreiben als treuer kaiserlicher Berater und Oberst beschrieben, doch viel mehr ist über diesen Mann nicht bekannt. Tadeusz Korzon merkte an, dass der Gesandte sämtlichen kursierenden Gerüchten Glauben schenkte und selbst Mutmaßungen dazu erfand.25 Dies wird sich in dieser Arbeit teilweise bestätigen und ist möglicherweise auch der Grund, weshalb seine Korrespondenzen bislang so wenig Beachtung erhielten. Hier werden sie dennoch mit der nötigen kritischen Auseinandersetzung vorgestellt, denn durch seine umfangreichen Postpakete hatte Baron von Stom dem Wiener Hof die Geschehnisse in Warschau beschrieben und damit die Meinung der Habsburger über den polnisch-litauischen Adel mit beeinflusst. Leopold I. hatte ihn wegen des bevorstehenden Krieges zwischen Polen-Litauen und der Hohen Pforte als Resident 1672 ins Königreich entsandt.26 Nach dem Tod König Michaels (1669–1673) wurde er zum Berater der kaiserlichen Schwester Eleonore, der amtierenden Königin von Polen. Neben den langen, detaillierten Berichten, sowohl offiziell (in publico) als auch inoffiziell (in privatum), schickte er Leopold I. auch Kopien von sämtlichen Schreiben polnischer Würdenträger, ausländischer Ablegaten und heimlicher Kontaktmänner. Der kaiserliche Kämmerer Graf Wolfgang von Öttingen hielt sich lediglich im November 1673 in Warschau auf, um offiziell der polnischen Königswitwe E leonore die Kondolenz ihres Bruders Leopold I. zu überreichen und von einem ersten Eindruck am Warschauer Hof berichten zu können. Die Angabe von Otto Forst de Battaglia, der Graf sei entsandt worden, um für den kaiserlichen Kandidaten Karl von Lothringen zu werben, wird sich nicht bestätigen.27 Vielmehr drückte sein Kommen die kaiserliche Sorge um die Halbschwester aus, gleichzeitig wurde Öttingen dazu beauftragt, mit Kondolenzschreiben an die polnischen Senatoren und Staatsmänner die gute Gesinnung für das Haus Habsburg beizubehalten und für die Wahl eines neuen polnischen Königs für einen dem Kaiser annehmlichen Kandidaten zu werben, der seine Schwester erneut heirate und sie damit auf dem polnischen Thron erhalte. Die Wahrnehmung der Geschehnisse durch Wolfgang von Öttingen hilft zusätzlich, von den Eindrücken des Barons von Stom zu differenzieren. 25 HHStA, GSR 44, I. S. 141; Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 430. 26 Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 117. 27 Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 47.
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Um auf die polnische Königswahl weiteren Einfluss nehmen zu können, entsandte der Kaiser zusätzlich den schlesischen Oberlandeshauptmann und geheimen Rat Christoph Leopold Schaffgotsch nach Warschau. Letztgenannter war schon bei der Wahl 1669 kaiserlicher Diplomat und dadurch vielen polnischen Ministern bereits bekannt.28 Abgesehen von seiner Treue, wurde er von Leopold I. insbesondere für seine Konvertierung vom Protestantismus zum Katholizismus geschätzt, weshalb er Schaffgotsch zu seinem Vertrauten machte.29 An ihn schickte der Kaiser höchstpersönlich Briefe, die folglich nicht von der Wiener Kanzlei verfasst wurden. Christoph Leopold Schaffgotsch hatte seine Berichte als eine Abschrift bei sich behalten, dazu gehören auch einige chiffrierte Briefe, die im Haus-, Hof- und Staatsarchiv im Original schwer zu entschlüsseln wären, im Breslauer Staatsarchiv jedoch chronologisch als Reinschrift einsehbar sind. Ergänzend werden auch weitere kaiserliche Diplomaten und Vertrauenspersonen in dieser Arbeit vorkommen, die während der Wahl Einfluss auf die Geschehnisse hatten. Erwähnt sei beispielsweise Baron Johann von Goess, der seit 1668 am Berliner Hof residierte und von den Absichten des Kurfürsten Friedrich Wilhelms nach Wien berichtete.30 Seit der Wahl Jan Sobieskis zum neuen König wurde Johann Christoph Zierowski, vertraut mit Land und Leuten, als kaiserlicher Resident in Polen zum wichtigsten Ansprechpartner für Habsburg und Polen-Litauen und verfolgte die ersten Jahre primär die Interessen der Königinwitwe und Schwester des Kaisers, Eleonore, am Warschauer Hof. Erst mit dem Frieden von Nimwegen 1679 zeigen die Korrespondenzen Zierowskis, dass er einen entscheidenden Anteil zum Erfolg des österreichisch-polnischen Bündnisses beigetragen hatte.31 Am erstaunlichsten sind jedoch die offiziellen und privaten Briefe, Antwortschreiben und Instruktionen von Kaiser Leopold selbst. Sie legen Zeugnis darüber ab, welchen Einfluss er – besonders auf den Heiligen Stuhl – hatte und offenbaren seine offizielle und inoffizielle Meinung zu Jan Sobieski und Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Der Große Kurfürst hatte ebenfalls seine Informanten am Warschauer Hof: Zum einen sind die Berichte des brandenburgischen Residenten Christoph von Wichert 28 Woliński, Janusz: Relacja ambasadora K. L. Schaffgotscha o elekcji polskiej 1669 r. [Bericht des Botschafters C. L. Schaffgotsch über die polnische Wahl 1669]. In:Teki Archiwalne. Bd. 5 (1957). S. 130–172; Ziątkowski, Leszek: Poselstwo Krzysztofa Leopolda Schaffgotscha do Polski w latach 1667–1674. Przyczynek do organizacji i funkcjonowania poselstw austriackich w II połowie XVII w. [Die Gesandtschaft Christoph Leopold Schaffgotschs nach Polen in den Jahren 1669–1674. Ein Beitrag über die Organisation und das Funktionieren der österreichischen diplomatischen Vertretungen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts]. In: Śląski Kwartalnik Historyczny Sobótka. Bd. 43 (1988). H. 1. S. 31–48. Zur Wahl 1669 siehe Korzon, Dola i Niedola. Bd. 2. S. 162 f. 29 Krebs, Julius: Schaffgotsch, Christoph Leopold. In: ADB. Bd. 30 (1890). S. 541. 30 Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 99, 132. 31 Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 114.
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und die von Joachim Scultetus nennenswert, doch vor allem diejenigen vom bestinformierten Gesandten, nämlich Johann von Hoverbeck. Seit 1664 war Letztgenannter kurbrandenburgischer Diplomat in Polen-Litauen, beherrschte die polnische Sprache und hatte den größten Einfluss auf die Beziehung Brandenburgs mit dem polnischen Königreich. Sein Tod 1682 bedeutete einen herben Schlag für die weitere Diplomatie zwischen Kaiser, König und Kurfürst im Jahr 1683.32 Interessant sind auch die beiläufigen Erwähnungen des kurbrandenburgischen Gesandten Lorenz Georg von Krokow, der dem Großen Kurfürsten aus Wien von den Unruhen in Ungarn und der Rolle Polens dabei berichtete. Insgesamt wurden viele ihrer Berichte in der Reihe der „Urkunden und Actenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg“ ediert. Ein Blick in die Originale des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz ist jedoch unerlässlich, da in der Editionsreihe lediglich Zusammenfassungen vorzufinden sind. Ergänzend sollen an dieser Stelle die Korrespondenzen der französischen Gesandten genannt werden: Unter ihnen ist besonders der Titularbischof von Marseille, Toussaint de Forbin-Janson zu nennen, wie auch der königliche Schwager, der Marquis François Gaston de Béthune. Letzterer war mit Maria Kazimieras Schwester verheiratet und stark an der französischen Kooperation mit den Rebellen in Ungarn beteiligt. Wie bereits erwähnt, gehörte ab 1679 auch der Marquis de Vitry als wichtiger französischer Diplomat im polnischen Königreich dazu. Seitens Roms seien besonders zur polnischen Wahl 1674 Kardinal Paluzzo Paluzzi Altieri degli Albertoni und zum Entsatz 1683 der zwei Jahre vorher zum Kardinalprotektor des Königreichs Polen ernannte Carlo Barberini erwähnt sowie die am Warschauer Hof anwesenden Nuntien, Francesco Buonvisi, Francesco Martelli und Opizio Pallavicini. Ihre für diese Arbeit wichtigen Korrespondenzen finden sich im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien sowie in den Editionen von Augustin Sauer und Franciszek Kluczycki.33 Aus diesem Quellenkontingent wird, um letztendlich ein Gesamtbild zu schaffen, auch die Haltung Jan Sobieskis selbst wiedergegeben. All ihre Berichte stellen in dieser Arbeit die Hauptinformationsquellen dar, die darüber Auskunft geben, worüber am Warschauer Hof beraten und diskutiert wurde. Lediglich für die Ereignisse des Jahres 1683 werden zur detaillierten Rekonstruktion zusätzlich Briefwechsel, Relationen und Berichte weiterer Zeitzeugen mit einbezogen. 32 Hein, Max: Johann von Hoverbeck. Ein Diplomatenleben aus der Zeit der Großen Kurfürsten. Königsberg 1925. S. 226 f.; Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 200. 33 HHStA, GSR 55, I. Acta, VI. Kluczycki, Franciszek (Hg.): Pisma do wieku i spraw Jana Sobieskiego od roku1672 do roku 1674 [Handschriften zur Zeit und Angelegenheit Jan Sobieskis ab dem Jahr 1672 bis zum Jahr 1674]. Bd. 1,2 (Acta Historica Res Gestas Poloniae Illustrantia. Bd. II). Krakau 1881. Weiter abgekürzt als „Acta, II, 2.“; Sauer, Augustin (Hg.): Rom und Wien im Jahre 1683. Ausgewählte Actenstücke aus römischen Archiven zur II. Säcularfeier der Befreiung Wiens. Wien 1883.
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Im Prolog wurden die Kampfhandlungen auf der Grundlage dreier Quellengruppen wiedergegeben: der osmanischen Berichte, der Darstellungen der polnischen Anhänger sowie der kaiserlichen und päpstlichen Korrespondenzen. Sie werden im vorletzten Kapitel erneut von Relevanz sein, um ein Gesamtbild wiedergeben zu können. Auf osmanischer Seite sind bislang neun Berichte bekannt, die den Feldzug Kara Mustafas nach Wien schildern.34 Von besonderer Bedeutung ist hierbei das Tagebuch namens Veḳāyiʿ–Beç [Die Ereignisse um Wien] des Zeremonienmeisters der Hohen Pforte, der als Augenzeuge im Lager Kara Mustafas seine Erlebnisse niedergeschrieben hat. Ein weiterer Anwesender während der Belagerung Wiens war der Grieche Aléxandros Mavrokordátos, der nicht nur Leibarzt des Großwesirs, sondern auch Diwandolmetscher der Hohen Pforte war. Er war ein wichtiger Berater von Kara Mustafa und hinterließ der Nachwelt wenige Jahre später seine tagebuchartigen Aufzeichnungen.35 Auch Silâhdar Fındıklılı Mehmed Ağa liefert mit seiner Chronik Siliḥdār Taᵓrīḫi [Geschichte des Silâhdar] eine explizite Beurteilung der Handlungen des polnischen Königs. Er war zwar Zeitzeuge, erlebte allerdings als Page der Gardeoberkammer die Geschehnisse in Wien nicht unmittelbar mit, sondern gab die später in Belgrad eingegangenen Nachrichten wieder.36 Diese Berichte aus erster Hand geben wichtige Hinweise darauf, wie man aus osmanischer Sicht die Polen beurteilte. Noch detaillierter sind die späteren Schriften, wie die des Ḥasan ibn Ḥüseyn Esīrī, der als Augenzeuge vor Ort war und seine Erinnerungen vierzig Jahre nach den Geschehnissen in seiner Weltgeschichte niedergeschrieben hat.37 Beim Taᵓrīḫ-i Sefer-i Beç [Geschichte des Wiener Feldzugs] von Hüseyin Hezarfen handelt es sich laut Richard Kreutel ebenfalls um eine gute osmanische Darstellung der Ereignisse, die im Zeitraum von 1684 bis 1698 entstanden sein muss und mittlerweile von Zygmund Abrahamowicz übersetzt wurde.38 Besonders wegen ihrer Schilderung der Schlacht sind diese Berichte außerordentlich wichtig. Auf polnischer Seite sind die Beschreibungen des polnischen Artilleriekommandanten Marcin Kątski zu nennen. Während des Entsatzes schrieb er seine Wahrnehmungen und Erlebnisse in seinem Tagebuch nieder, die Jan Sobieskis militärische Vorgehensweise zeigen.39 In gleicher Weise hatte auch der Sohn des polnischen Kö-
34 Richard Kreutel nennt nur acht Quellen, während Abrahamowicz neun auflistet.Vgl. Kreutel, Richard: Osmanische Berichte über Kara Mustafas Feldzug gegen Wien. In: Die Welt des Islams. Bd. 12 (1969). H. 14. S. 227 mit Abrahamowicz, Kara Mustafa. S. 11–27. 35 Kreutel (Hg.), Kara Mustafa vor Wien 1683. S. 57; Ders., Osmanische Berichte. S. 203 f. 36 Silâhdar Fındıklılı Mehmed Ağa: Siliḥdār Taᵓrīḫi. [Geschichte des Silâhdar.] Übers. in: Kreutel (Hg.), Kara Mustafa vor Wien 1683. S. 135–170; Ders., Osmanische Berichte. S. 206–211. 37 Kreutel, Osmanische Berichte. S. 211. 38 Ebd. S. 215. 39 Diarium Artilleriae Praefecti. In: Acta, VI. S. 580–615; Barker, Doppeladler und Halbmond. S. 310 f.
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nigs, Jakub Sobieski, Tagebuch geführt. Er begleitete seinen Vater nach Wien und kämpfte in der Schlacht an dessen Seite. Das ihm zugeschriebene und im Original vorliegende Diarium wurde auf Latein verfasst und ist nur fragmentarisch erhalten. Auch wenn nicht sicher ist, dass der polnische Prinz sein Verfasser ist, so handelt es sich jedoch zweifelsfrei um ein authentisches Tagebuch, das interessante Details liefert und dementsprechend Beachtung finden muss.40 Ebenfalls aus erster Hand sind die Briefe Jan Sobieskis an seine Frau Maria Kazimiera, die hier ergänzend herangezogen werden. Darin schildert der König seine Sicht der Dinge. Sie sollten auch deshalb mit Vorsicht genossen werden, da sie bewusst verfasst wurden, um später der Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu werden.41 Des Weiteren schrieb Jahre später der polnische Ingenieur Philippe Dupont seine Memoiren nieder. In ihnen sind auch Abschriften und Übersetzungen von Originalkorrespondenzen enthalten. Ihr Verfasser wollte eine Antwort auf die von François Dalérac 1699 veröffentlichten Anekdoten zu Jan Sobieski geben. Der Franzose erfand zwar mehrere Ereignisse hinzu, die in einigen Details aber von Interesse sind.42 Auch der einstige polnische Fähnrich Mikołaj Dyakowski publizierte 35 Jahre nach dem Entsatz von Wien seine in einem Tagebuch festgehaltenen Erlebnisse, die er allerdings in einigen Punkten zugunsten der Polen beschönigte.43 Aus anderer Perspektive schrieb der kaiserliche Vertraute Ferdinand Bonaventura von Harrach, der ebenfalls zur Zeit der Belagerung Tagebuch führte. Das Original seiner Aufzeichnungen hat sich zwar nicht erhalten, doch wurde eine Abschrift vom Archivar und Historiografen Johann Michael Girmus um 1760 erstellt. Als Oberstallmeister Kaiser Leopolds beschreibt Harrach die Wahrnehmung aus Sicht des Habsburger Hofs. Er verschafft damit Einblicke in Bezug auf gehaltene Kriegsräte im kaiserlichen Zufluchtsort Passau und vor allem in das Verhalten des Kaisers zu dieser Zeit.44 Eine ähnliche Sichtweise zeigt auch die spätere Abfassung der Erinnerungen Georg Friedrichs von Waldeck durch Johann von Rauchbar, der die Er-
40 Siehe: Wierzbowski, Królewicza dyaryusz. S. 7. Selbst im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv ist eine Kopie des Tagebuchs erhalten. Es enthält zwar Fehler, doch auf eine korrekte Datierung und Einordnung wurde sehr geachtet. 41 Siehe Joannes III, Rex ad Reginam in: Acta, VI. S. 381; Stoye, John: Die Türken vor Wien. Schicksalsjahr 1683. Graz 2010. S. 226. 42 Siehe dazu Dupont, Philippe: Mémoires pour servir à l’histoire de la vie et des actions de Jean Sobieski III du nom, roi de Pologne. Hg. v. Ignacy Janicki. (Biblioteka Ordynacji Krasińskich, Muzeum Konstantego Świdzińskiego. Bd. 8).Warschau 1885. S. XIII; Dalérac, Les Anecdotes. 43 Dyakowski, Mikołaj: Dyaryusz Wiedeńskiej okazyi r. 1683. [Tagebuch der Wiener Angelegenheit des Jahres 1683.] Hg. v. Józef Czecha. Krakau 1861; Barker, Doppeladler und Halbmond. S. 415. 44 Harrach, Ferdinand Bonaventura: Ein Tagebuch während der Belagerung von Wien im Jahre 1683. Ed. v. Ferdinand Menčík. In: Archiv für österreichische Geschichte. Bd. 86. Wien 1899.
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eignisse von 1683 in seinem dritten Buch zu Lebzeiten des Fürsten verfasste.45 Aus der Perspektive des Entsatzheeres ist vor allem der Staatsrat François Le Bègue zu nennen, der aus dem Hauptquartier des Herzogs Karl V. von Lothringen berichtet. Im Jahr 1683 führte er ein politisches Tagebuch, in dem er die Bedeutung von Jan Sobieski während der Schlacht am Kahlenberg und vor allem dessen Verhalten beschreibt.46 Aus dem Feldlager des Herzogs ist zudem der irische Graf Francis Taaffe zu nennen, der in seinen Briefen kurz nach der Schlacht an seinen Bruder Nikolas die erlebten Ereignisse darstellt.47 Auf kaiserlicher Seite gibt es zudem mehrere Relationen, wobei besonders die des Habsburger Hofhistoriografen Johann Peter von Välckern heraussticht, dessen ausführlicher Bericht bereits nach der lateinischen Ersterscheinung 1683 im Folgejahr ins Französische, Italienische, Deutsche und Englische übersetzt publiziert wurde.48 Das 1683 veröffentlichte Diarium eines unbekannten kaiserlichen Offiziers gibt besonders über die Belagerung und Zeit in Wien Aufschluss und wie man die Polen wahrnahm. Weitere nennenswerte und zeitnahe Berichte aus der Stadt Wien liefern Nicolaus Hocke, Johann van Ghelen und Daniel Suttinger.49 Außerdem ist zu erwähnen, dass alle Relationen und Diarien Passagen beinhalten, die zur Ergänzung von anderen Autoren kopiert wurden. Damit sind die wichtigsten Zeitzeugen und ihre Darstellungen genannt, wobei noch weitere Quellen ergänzend in dieser Arbeit herangezogen werden. Insgesamt werden nach chronologischer Reihenfolge die Geschehnisse aus den Berichten der habsburgischen und brandenburgischen Gesandten wiedergegeben und die entsprechende Bewertung durch den Kaiser beziehungsweise den Großen Kurfürsten. Als Einstieg in die Thematik wird die Genese Polen-Litauens geschildert, d.h. seit Anbeginn der Königswahlen und der daraus entstandenen Rivalitäten zwischen den Häusern Bourbon und Habsburg um die polnische Krone. Eine solche Einführung ermöglicht einen kurzen Einblick in das europäische Mächteverhältnis und den bisherigen Umgang mit den Osmanen. Der Werdegang Jan Sobie skis und sein steigender Machtzuwachs werden ebenfalls beschrieben: Seit Anbeginn
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Rauchbar, Leben und Thaten. Bd. 2. S. IX. Le Bègue, Le Journal. Ders., Récit. Siehe die Briefe in: Acta, VI. passim. So bei Wheatcroft, The Enemy at the Gate. S. 137, 307; Sturminger, Walter: Die Türken vor Wien in Augenzeugenberichten. München 21983. S. 433. 49 Hocke, Nicolaus: Kurtze Beschreibung dessen was in wehrender Türkischen Belagerung der Kayserlichen Residentz Statt WIENN […] passiret. Wien 1685; Ghelen, Johann van: Kurtze doch warhaffte/ und mit denckwürdigen Umständen verfaßte Erzehlung […]. Wien 1684, weiter abgekürzt als „Kurtze Erzehlung“; Suttinger, Daniel: Entsatz der Kayserlichen Haubt= und Residentz= Stadt WIEN in Oesterreich. Dresden 1688; Sturmiger, Die Türken vor Wien. S. 425 f.
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des Osmanisch-Polnischen Krieges im Jahr 1672 wird dem damaligen Großmarschall eine größere Bedeutung beigemessen, die durch die Kontroverse zwischen ihm und dem amtierenden König von Polen, dessen Politik an Habsburg orientiert war, ebenfalls erfasst wird. Dadurch kann der Vergleich gemacht werden, wie man Jan Sobieski vor dem berühmten Sieg von Chocim 1673 über die Osmanen wahrgenommen hatte. Die Resonanz auf diesen Sieg soll seinen Einfluss auf die Königswahl veranschaulichen, die er letztendlich für sich selbst entscheiden konnte. Jan Sobieskis langer Weg bis zum polnischen Thron stellt das ausführlichste Kapitel dieser Arbeit dar, da anhand des Überflusses an Quellen detailliert seine Vorgehensweise,Vorurteile und politischen Maßnahmen rekonstruiert werden können, die sich in den Folgejahren wiederholen sollten. Die Vielzahl der zur Wahl in Warschau anwesenden Gesandten ermöglicht ebenfalls ein anschauliches Bild über die Geschehnisse am Hof, über die Wien und Berlin ausgiebig Bericht erhielten. Hierbei werden auch insbesondere die Auffassung und Reaktion des Kaisers dargestellt. Die Quellenlage zur Haltung Habsburgs ist im Zeitraum 1675–1683 nicht ansatzweise so ergiebig wie zur Wahl 1674, doch kann die gegenseitige Wahrnehmung bis zum Entsatz von Wien durchaus mittels der Berichte über den kaiserlichen Gesandten in den bereits genannten französischen und brandenburgischen Quelleneditionen rekonstruiert werden. Hierzu stehen die anfängliche Zurückhaltung des polnischen Königs und sein befürchteter Angriff auf Preußen in Kontrast zur versuchten Bündnispolitik mit dem Kaiser, die er seit dem Frieden von Nimwegen intensiv verfolgte. Daraufhin werden sämtliche konkrete Maßnahmen im Jahr 1683 aufgezeigt, die zum Offensiv- und Defensivbündnis zwischen Kaiser und König geführt haben. Unter anderem wird die Vermittlung seitens der Kurie wiedergegeben, der Streit um den Oberbefehl über die christlichen Truppen und letztendlich das persönliche Treffen der beiden Monarchen nach der Schlacht vor Wien. Vorab soll an dieser Stelle der editorische Vermerk über die Entscheidung in Bezug auf die Schreibung der Personennamen erläutert werden: Der Name „Jan Sobieski“ hat sich als polnische Originalversion in der Forschung bereits weitgehend etabliert und wird so in dieser Arbeit übernommen, auch wenn in vielen deutschsprachigen Werken bis heute der Vorname als „Johann“ übersetzt wird, wobei auch „Johannes“ richtig wäre.50 Erklären lässt sich dies durch den bereits zu Lebzeiten Jan Sobieskis in vielen deutschen Drucken verwendeten Namen „Johann“, der folglich bis heute noch präsent ist.51 Um insgesamt sämtliche Kontroversen zu 50 Forst de Battaglia, Jan Sobieski; Hagenau, Jan Sobieski; Jagodzinski, Die Türkenkriege. Vgl. dazu Bömelburg, Hans-Jürgen (Hg.): Frühe Neuzeit. (Polen in der europäischen Geschichte. Bd. 2). Stuttgart 2017. 51 Siehe exemplarisch Melesandern, Johann: Schau-Platz pohlnischer Tapfferkeit […]. Nürnberg 1684; Coyer, Gabriel-François: Geschichte des Johann Sobieski, Königes in Polen. Leipzig 1762.
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umgehen, werden alle Personennamen in dieser Arbeit nach dem Original beibehalten, um auch die Nationalität der verschiedenen Akteure leichter zuweisbar zu machen.52 Lediglich in der Forschung etablierte Namen, wie beispielsweise des Sonnenkönigs Ludwig XIV., werden in ihrer deutschen Version verwendet. Ähnlich wird es mit den Städtenamen gehandhabt: Fremdsprachige Namen werden in der Regel im Original beibehalten, lediglich polnische Städtenamen, die im Deutschen geläufig sind, werden übersetzt wiedergegeben.
52 Manche Namen lassen sich auch nicht übersetzen, wie beispielsweise der französische Name „Toussaint“, der auf Deutsch übersetzt „Allerheiligen“ bedeutet. Manche Vornamen wiederum gibt es nur im Polnischen, wie beispielsweise Zbigniew, andere würden nach ihrer Übersetzung zu sehr verfremdet werden, so bei Wojtek, übersetzt „Adalbert“.
Abb. 1: Daniel Schulz, Portret Jana III Sobieskiego, króla Polski, 1680–90.
2. Die Entwicklung der Rzeczpospolita im europäischen Machtgefüge
Durch die Lubliner Union 1569 kam es zum Zusammenschluss des Königreichs Polen mit dem Großfürstentum Litauen und dem königlichen Preußen zur sogenannten Rzeczpospolita (was auf Deutsch häufig als „Adelsrepublik“1 übersetzt wird), die ein dualistischer Unions- und feudaler Ständestaat war.2 Eine Föderation, bestehend aus Klein- und Großpolen und dem Großherzogtum Litauen, aufgeteilt in bis zu 33 Woiwodschaften, die von sogenannten Wojewoden verwaltet wurden.3 Diesen Wojewoden oblag das Wahlrecht und die Bekleidung wichtiger Ämter, in die sie innerhalb des Sejms (im Deutschen ähnlich einem Ständeparlament) gewählt wurden. Der dualen Union geschuldet, war der Senat doppelt besetzt, da die wichtigsten Amtsträger, ob beispielsweise Marschall (marszałek), Großkanzler (kanclerz), Unterkanzler (podkanclerz), Hofmarschall (marszałek nadwórnych) und Schatzmeister (podskarbi) sowohl von Polen als auch von Litauern besetzt wurden. Außerhalb des Senats spielte auch die Armee eine einflussreiche Rolle, die gemäß ihrer Nationalität ebenfalls getrennt wurde, sodass es zwei Oberbefehlshaber gab, nämlich den Krongroßhetman (hetman wielki koronne) sowie den litauischen Großhetman (hetman wielki litewski) und die ihnen untergeordneten jeweiligen Feldhetmane (hetman polny). 1
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Über den Begriff der „Adelsrepublik“, der sich laut Maria Rhode fälschlicherweise in der Forschung etabliert hat, siehe: Dies.: Die Durchsetzung der ständischen Republik (1573– 1609). In: Bömelburg (Hg.), Frühe Neuzeit. S. 205 f. Um eine Fehlinterpretation zu vermeiden, wird der polnische Begriff Rzeczpospolita fortgehend weiterverwendet. Mehr zur Lubliner Union siehe exemplarisch in: Augustyniak, Urszula: Historia Polski 1572– 1795 [Geschichte Polens 1572–1795]. Warschau 2008. S. 40 f.; Bues, Almut: Die Jagiellonen. Herrscher zwischen Ostsee und Adria. Stuttgart 2010. S. 193–197; Budelewski, Dariusz: Unia Lubelska a jej funkcjonowanie do końca XVIII wieku [Die Union von Lublin und ihr Funktionieren bis zum Ende des 18. Jahrhunderts]. Ostrołęka 2017; Lichy, Kolja:Vom dynastischen Unionsreich zur parlamentarischen Union von 1569. In: Bömelburg (Hg.), Frühe Neuzeit. S. 169–204; Dembkowski, Harry: The Union of Lublin. Polish Federalism in the Golden Age. Boulder 1982; Žmuidzinas, Jonas: Commonwealth polono-lithuanien ou l’Union de Lublin (1569). Paris 1978. Mehr zur parlamentarischen Willensbildung in der Rzeczpospolita siehe Bahlke, Joachim: Regionalismus und Staatsintegration im Widerstreit. Die Länder der böhmischen Krone im ersten Jahrhundert der Habsburgerherrschaft (1526–1619). München 1994. S. 269–274. Im Laufe der Zeit gab es immer wieder Verschiebungen, beispielsweise war Livland zeitweilig dreigeteilt in Wenden, Dorpat und Parnowa. Mehr dazu in: Augustyniak, Historia Polski. S. 38–54.
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2. Die Entwicklung der Rzeczpospolita im europäischen Machtgefüge
Ein politisches Amt schloss eine militärische Karriere nicht aus, weshalb Jan Sobieski nicht nur zum Großmarschall gewählt wurde, sondern auch Großhetman der polnischen Krone war.4 In lediglich einer Person wurde das Amt des Königs von Polen und des Großherzogs von Litauen vereint. Während des Zustandekommens der Lubliner Union herrschte König Sigismund II. August (1530–1572), der bereits Großherzog von Litauen war, bevor er seinem Vater auf den polnischen Thron folgte.Trotz seiner drei Ehen blieb er kinderlos und war somit der letzte Herrscher der litauischen Dynastie der Jagiellonen. Auch dessen jüngere Schwester Anna war bereits zu alt, um Kinder zu gebären, und bis dato unverheiratet. Aufgrund der Sorge, dass es nach Sigismunds Tod zu einer länger andauernden Vakanz auf dem polnischen Thron kommen könnte, wurde in Lublin eine Versammlung einberufen. Nach längeren Verhandlungen kamen die weltlichen und geistlichen Würdenträger Polens und Litauens zu dem Ergebnis, ein Wahlkönigtum einzuführen. Demnach wurden die darauffolgenden Könige in der Zeit des Interregnums innerhalb einer freien Wahl (wolna elekcja) vom Adel (szlachta) gewählt und im Königsschloss Wawel innerhalb des Krönungssejms (sejm koronacyjny) gekrönt.5 Das Privileg, zum König gewählt zu werden, wurde aber nicht auf polnische Aristokraten begrenzt, was dazu führte, dass sich Adlige aus ganz Europa durch ihre Gesandten vor der Wahlversammlung, beim sogenannten Konvokationssejm (sejm konwokacyjny), bewerben durften. Die beiden europäischen Großmächte zu jener Zeit, Habsburg und Bourbon, versuchten jeweils den neuen König selbst zu stellen beziehungsweise mit einer Prinzessin aus ihrem Haus zu verheiraten, um ihren Einfluss auf den polnisch-litauischen Adel im Sejm zu stärken. Die Wahl eines ausländischen Kandidaten brachte indes Schwierigkeiten mit sich. In der Zeit, in der man die Heilige Liga, bestehend aus Heiligem Stuhl, Spanien,Venedig und Genua für ihren Sieg bei der Seeschlacht von Lepanto im Jahre 1571 feierte und ganz Europa seit Beginn der Türkenkriege erstmals hoffen ließ, die Bedrohung durch die Osmanen beenden zu können, bestieg der erste Wahlkönig, der Franzose Heinrich von Valois, den polnischen Thron. Diesen interessierten jedoch weder die staatlichen Geschäfte noch das Wohl der Rzeczpospolita. Seine Regierung währte auch nicht lange, denn als 1574 sein Bruder Karl IX. starb, flüchtete Heinrich heimlich über die polnische Grenze, um sein Erbrecht auf die französische Krone geltend zu machen, und wurde mit Erfolg neuer König von 4
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Siehe dazu samt umfassender weiterführender Literatur: Rhode, Maria: Der Adel, die Kronländer und die Reichspolitik. In: Bömelburg (Hg.), Frühe Neuzeit. S. 239–249; Wiśniewski, Krzysztof: Jan Sobieski jako Marszałek wielki koronny [Jan Sobieski als Krongroßmarschall]. In: Milewski (Hg.), Marszałek i Hetman. S. 21. Bues, Die Jagiellonen. S. 213; Žmuidzinas, Commonwealth. S. 160–165. Mehr zu den Schwierigkeiten während des Interregnums siehe: Rhode, Maria: Ein Königreich ohne König. Der kleinpolnische Adel in sieben Interregna. Wiesbaden 1997.
2. Die Entwicklung der Rzeczpospolita im europäischen Machtgefüge
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Frankreich.6 Als Ersatz übernahm Anna Jagiellonica, die Schwester des verstorbenen Sigismund II. August, im Jahr 1575 als neue Königin die Staatsgeschäfte in PolenLitauen. Die über 50jährige wurde erstmalig mit dem zehn Jahre jüngeren Stephan Báthory, dem damaligen König von Ungarn und Fürst von Siebenbürgen, verheiratet.7 Diese Wahl verärgerte dessen Gegenkandidaten, den römisch-deutschen Kaiser Maximilian II., der im Bündnis mit dem Zarenreich einen Einmarsch in das polnische Königreich plante. Es sollte allerdings nicht so weit kommen, da der Habsburger plötzlich verstarb.8 Nach über zehn Jahren Regentschaft beendete 1586 ein Schlaganfall Báthorys Leben. Anna Jagiellonicas Neffe, der Sohn König Johanns III. von Schweden, bestieg auf ihren Vorschlag hin als Sigismund III. Wasa (1587–1632) den polnischen Thron. Die Krönung des schwedischen Prinzen führte dazu, dass es sprachlich und kulturell zu vielen Differenzen mit dem polnisch-litauischen Adel kam. Es gelang ihm jedoch durchzusetzen, dass nach dem Brand im Wawel-Schloss 1595 in Krakau die neue Königsresidenz Warschau wurde. Sein Onkel Karl, der nach dem Tod Johanns III. seinen Neffen in Stockholm als Regent vertrat, stellte mit dem schwedischen Senat die Regierung Sigismunds III.Wasa als Erbkönig von Schweden infrage. Der dadurch entstandene Konflikt führte Polen-Litauen zum Krieg gegen Schweden (1600–1629).9 Sigismund verlor letztendlich nach mehreren 6
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Bues, Die Jagiellonen. S. 213. Zur Wahl Heinrichs von Valois siehe auch: Dies.: Die habsburgische Kandidatur für den polnischen Thron während des Ersten Interregnums in Polen 1572/73. (Dissertationen der Universität Wien. Bd. 163). Wien 1984; Žmuidzinas, Commonwealth. S. 175. Mehr zu dem Verhältnis des Königs zur Rzeczpospolita in: Wyczański, Andrzej: Le personnel politique d’Henri de Valois en Pologne. Paris 1992; Rhode, Ein Königreich ohne König. S. 85–87. Bzgl. der Geschehen um die Schlacht von Lepanto siehe: Matschke, Das Kreuz. S. 274–279; Eickhoff,Venedig. S. 17. Die Krönung Stephan Báthorys war am gleichen Tag wie die Hochzeit mit Anna Jagiellonica. Siehe Tende, Gaspard de: Relacja Historyczna o Polsce. Übers. v.Tomasz Falkowski.Wilanow 2013. S. 189 f.; Bues, Die Jagiellonen. S. 213. Über die Doppelwahl des Ungarn und des römisch-deutschen Kaisers siehe Rhode, Ein Königreich ohne König. S. 105–107. Olejnik, Karol: Stefan Batory 1533–1586. Warschau 1988. S. 38–65; Edel, Andreas: Der Kaiser und die Kurpfalz. Eine Studie zu den Grundelementen politischen Handelns bei Maximilian II. (1564–1576). (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Bd. 58). München 1995. S. 363–367. Zur Kandidatur Maximilians bei der polnischen Königswahl samt weiterführender Literatur siehe: Bues, Die habsburgische Kandidatur; Baczkowski, Krzysztof: Der polnische Adel und das Haus Österreich. Zur zeitgenössischen Diskussion über die habsburgische Kandidatur für den polnischen Thron während des Ersten und Zweiten Interregnums. In: Kaiser Maximilian II. Kultur und Politik im 16. Jhd. Hg. v. Friedrich Edelmayer. (Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit. Bd. 19). Wien 1992. S. 76 f., 82 f. Leitsch,Walter:Wann und warum verlor Krakau die Funktion einer Residenzstadt? In: Polen und Österreich im 17. Jahrhundert. Hg. v. Ders. [u.a.]. (Wiener Archiv für Geschichte des Slawentums und Osteuropas. Bd. 18). Wien [u.a.] 1999. S. 232–260. In diesem Zeitraum von 1600–1629 wurde nicht kontinuierlich Krieg geführt, sondern in mehreren Etappen immer
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militärischen Auseinandersetzungen seine erblichen Ansprüche auf die schwedische Krone. In der Zwischenzeit brach durch den Prager Fenstersturz der Dreißigjährige Krieg (1618–1648) aus, der mit dem konfessionellen Streit zwischen Katholiken und Protestanten begann, einen Bruch in der Hegemonie des Heiligen Römischen Reiches bedeutete und schließlich zu einem gesamteuropäischen Konflikt wurde.10 Im Osmanischen Reich übernahm seit 1622 fünf Mal innerhalb von fünfundzwanzig Jahren ein neuer Sultan die Regierung. Dies hatte zur Auswirkung, dass man in Europa weder ein genaues Ziel noch eine militärische Stringenz in den türkischen Unternehmungen in den Grenzgebieten erkennen konnte, was den sogenannten Erbfeind unberechenbar machte.11 Sigismund III. Wasa heiratete inzwischen Erzherzogin Anna von Österreich. Als sie mit Mitte zwanzig verstarb, folgte ihre jüngere Schwester Constanze auf den polnischen Thron. Durch beide Ehen wuchs der habsburgische Einfluss in Warschau. Aus diesem Grund schloss sich der polnische König während des Dreißigjährigen Krieges dem neuen Kaiser Ferdinand II. an und unterstützte ihn im Kampf gegen die seine Grenzen bedrohenden Türken. Es kam dadurch zum Osmanisch-Polnischen Krieg von 1620, in dem der königliche Großhetman Stanisław Zółkiewski eine bedeutende Rolle spielte. Den nach der Schlacht von Cecor durch die aus-
wieder neu aufgenommen. Dazu Dybaś, Bogusław: Schwedischer Druck und offensive Politik im Osten. Außenpolitik 1609–1648. In: Bömelburg (Hg.), Frühe Neuzeit. S. 322–328; Wisner, Henryk: Zygmunt III Waza. Warschau 1984. Über das Verhältnis zu Schweden siehe: Roberts, Michael: The Early Vasas. A History of Sweden, 1523–1611. Cambridge 1968. 10 Die Darstellungen zum Dreißigjährigen Krieg sind zahlreich, es sei daher nur exemplarisch verwiesen auf Münkler, Herfried: Der Dreißigjährige Krieg. Europäische Katastrophe, deutsches Trauma 1618–1648. Berlin 2017;Wilson, Peter: Der Dreißigjährige Krieg. Eine europäische Tragödie. Übers. v. Peter Bertram [u.a.]. Darmstadt 2018; Schmidt, Georg: Die Reiter der Apokalypse. Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. München 2018 mit der dort genannten Literatur. 11 Zum Herrscherwechsel im Osmanischen Reich siehe Eickhoff,Venedig. S. 94–96; Howard, Douglas: Das Osmanische Reich 1300–1924. Übers. v. Jörg Fündling [u.a.]. Darmstadt 2018. S. 173, 183–191. Seit Sultan Süleymāns Tod 1566 durchlief das Osmanische Reich eine Ära, die in der Forschung als Rückgang bezeichnet wird. Mehrere Faktoren sprechen dafür; war doch das Reich durch häufige Herrscherwechsel, Rebellionen und innenpolitische Krisen geschwächt. Dazu: Werner, Ernst: Das Osmanenreich im 17. Jahrhundert. Systemverfall und Systemstabilisierungsversuche. In: Die Türken vor Wien. Europa und die Entscheidung an der Donau 1683. Hg. v. Robert Waissenberger. Salzburg [u.a.] 1982. S. 64; Shaw, Stanford: History of the Ottoman Empire and Modern Turkey. Cambridge [u.a.] 1976. Bd. 1. S. 169–175; Lewis, Bernard: Die Welt der Ungläubigen. Wie der Islam Europa entdeckte. Frankfurt a. M. [u.a.] 1987. S. 31; Neumann, Christoph: Political and diplomatic developments. In: Faroqhi, Suraiya: The Cambridge History of Turkey. (The Later Ottoman Empire, 1603–1839. Bd. 3). Cambridge 2006. S. 45–50.
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sichtslose Lage und Desertion seiner Männer bedingten Rückzug überlebte er im Kampf gegen die Türken jedoch nicht.12 Erst durch die Schlacht von Chocim 1621 wurde ein vorläufiger Waffenstillstand erreicht – der Ort, an dem Zółkiewskis Urenkel, der spätere Krongroßmarschall und -hetman Jan Sobieski über 70 Jahre später die königliche Armee siegreich gegen die Türken führte. Die Raubzüge der Tataren und Kosaken in den Grenzgebieten hörten zwar nicht auf, doch die innenpolitischen Krisen des Osmanischen Reiches verhinderten einen weiteren Krieg.13 König Sigismunds Sohn und Nachfolger auf dem polnischen Thron, Władysław IV. Wasa (1632–1648), stellte später nicht nur Ansprüche auf die schwedische, sondern auch auf die Zarenkrone, weshalb es zu mehreren Auseinandersetzungen zwischen Moskau und Polen-Litauen kam.14 In erster Ehe war er mit der Kaisertochter Cäcilia Renata von Österreich verheiratet, nach deren Tod mit der in Frankreich geborenen Luisa Maria Gonzaga, die später seinen Bruder Johann II. Kasimir (1648–1668) heiraten sollte.15 Letzterer wurde in einer Zeit der innenpolitischen Unruhen zum neuen König, nachdem sein Halbbruder Władysław IV. unerwartet während des in der Ukraine begonnenen Aufstandes durch den Kosakenhetman Bohdan Chmelnyzkyj im Jahr 1648 starb. Jener Aufstand wurde von den Saporoger Kosaken gegen die Rzeczpospolita initiiert, um unter anderem die Willkür des polnischen katholischen Adels gegen die orthodoxe Landbevölkerung zu beenden. Der Höhepunkt dieser Unruhen war die Versammlung von Perejaslaw im Jahr 1654, in der die Kosaken einen Treueeid auf den Zaren schworen und zu ihrem Schutz den Krieg mit Polen-Litauen forderten, der daraufhin tatsächlich folgte und bis zum Jahr 1667 andauerte.16 12 Kołodziejczyk, Dariusz: Polen und die Osmanen im 17. Jahrhundert. In: Polen und Österreich im 17. Jahrhundert. Hg. v. Walter Leitsch [u.a.]. Wien [u.a.] 1999. S. 264; Eickhoff, Venedig. S. 251; Weitere Beweggründe siehe Dybaś, Schwedischer Druck. S. 332 f., 342–347; Wilson, Der Dreißigjährige Krieg. S. 372–376, 519. 13 Wimmer, Der Entsatz von Wien 1683. S. 14–18; Dybaś, Schwedischer Druck. S. 334–336. Dazu mehr in: Podhorodecki, Leszek [u.a.]: Wojna chocimska 1621 roku [Der Krieg von Chocim des Jahres 1621]. Krakau 1979; Neumann, Political and diplomatic developments. S. 46 f. 14 Hildermeier, Manfred: Geschichte Russlands. Vom Mittelalter bis zur Oktoberrevolution. München 32016. S. 298 f., 306–309; Zernack, Polen und Russland. S.190–194. 15 Czapliński, Władysław: Władysław IV i jego czasy [Wladislaw IV. und seine Zeit]. Warschau 1976. S. 224–243; Dybaś, Schwedischer Druck. S. 328 f. 16 Eickhoff, Venedig. S. 254; Frost, Norbert: Kosakenaufstände und Zweiter Nordischer Krieg (1648–1667). In: Bömelburg (Hg.), Frühe Neuzeit. S. 349–368; Kaczmarczyk, Janusz: Bohdan Chmielnicki. Breslau 22007; Rhode, Ein Königreich ohne König. S. 197 f.; Zernack, Klaus: Die Expansion des Moskauer Reiches nach Westen, Süden und Osten von 1648–1689. In: Ders. (Hg.): Handbuch der Geschichte Russlands. Bd. 2,1. Stuttgart 1986. S. 124–143; Ders., Polen und Russland. S. 203–208; Davies, Brian: Warfare, State and Society on the Black Sea steppe. 1500–1700. Routledge 2007. S. 115–150. Mehr zu den Kosaken in: Kroll, Piotr [u.a.]
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Indessen kann man nach der Herrschaftsübernahme des 6-jährigen Mehmet IV. (1642–1693) im Jahr 1648 wieder von einer länger währenden Regierung im Osmanischen Reich reden. Die tatsächliche Herrschaftsgewalt lag allerdings in den Händen mehrerer militärisch erfolgreicher Heerführer. Unter ihnen sind seit 1656 besonders die Großwesire aus der Familie Köprülü zu nennen. Das hatte zur Folge, dass nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges die Osmanen wieder verstärkt in Richtung Europa expandierten.17 Die Republik Venedig wurde in der Schlacht bei den Dardanellen 1657 geschlagen – dem Todesjahr des römisch-deutschen Kaisers Ferdinand III., der nach dem frühen Verlust seines erst 20-jährigen Erstgeborenen, Ferdinand IV. (1633–1654)18 lediglich die Königskrone für Ungarn und Böhmen für seinen zweitgeborenen Sohn Leopold durchsetzen konnte. Im Rahmen der darauffolgenden Kaiserwahl wurde ein Jahr lang unter den Kandidaten verhandelt, darunter der erwähnte Erzherzog Leopold Wilhelm von Österreich, Kurfürst Ferdinand Maria von Bayern und dem profranzösischen Herzog Philipp Wilhelm von PfalzNeuburg. Wegen seines Alters und seiner geistlichen Ausbildung blieb der Zweitgeborene des verstorbenen Kaisers lange unberücksichtigt, doch gelang es ihm, sich durchzusetzen. Während Köprülü Mehmed Pascha Machtansprüche in Siebenbürgen erhob, wurde 1658 letztendlich der neue römisch-deutsche Kaiser aus dem Haus Habsburg, der 18-jährige Leopold I. (1640–1705), im Kaiserdom St. Bartholomäus zu Frankfurt gekrönt.19 Dem neuen Herrscher des Heiligen Römischen Reiches stellte sich der in Mainz geschlossene Rheinbund entgegen, der unter dem Protektorat Frankreichs stand, weshalb von einer Einheit des römisch-deutschen Kaiserreichs keine Rede sein konnte.20 Abgesehen von den innenpolitischen Schwierigkeiten im Reich wurde die neue polnische Regierung durch den Zweiten Nordischen Krieg (1655–1660) über-
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(Hg.): Hetmani zaporoscy w służbie króla i Rzeczpospolitej [Saporoger Kosaken im Dienst des Königs und der Adelsrepublik]. Zabrze 2010. Neumann, Political and diplomatic developments. S. 50 f.; Howard, Das Osmanische Reich. S. 220 ff. Er starb in Wien an den Pocken. Siehe dazu Bérenger, Jean: Léopold Ier (1640–1705). Fondateur de la puissance autrichienne. Paris 2004. S. 99–106; Spielman, John: Leopold I. Zur Macht nicht geboren. Übers. v. Gerald Szyszkowitz [u.a.]. Graz [u.a.] 21981. S. 27. Mehr Einzelheiten zur Wahl siehe in: Bérenger, Léopold Ier. S. 212–221; Spielman, Leopold I. S. 30; Eickhoff,Venedig. S. 172. Lediglich Friedrich Wilhelm von Brandenburg zierte sich, dem Rheinischen Bund 1658 beizutreten. Siehe McKay, Derek: Small-power diplomacy in the age of Louis XIV. The foreign policy of the Great Elector during the 1660s and 1670s. In: Royal and republican sovereignty in early modern Europe. Hg. v. Robert Dresko [u.a.]. Cambridge 1997. S. 192; Hatton, Ragnhild: Louis the fourteenth and Europe. London [u.a.] 1976. S. 60–77; Immich, Max: Geschichte des europäischen Staatensystems 1660–1789. Darmstadt 21967. S. 30 f.; Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 1. S. 365–369.
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schattet. Dieser hatte seinen Ursprung im Jahr 1654 durch den Rücktritt Königin Christinas von Schweden. Die daraus gestellten Erbansprüche des polnischen Königs Johann II. Kasimir aus dem Haus Wasa und dessen Nichtanerkennung seines entfernten Verwandten, des Grafen Karl Gustav von Pfalz-Zweibrücken und späteren Königs als Karl X. (1622–1660) auf dem schwedischen Thron, veranlassten beide Parteien, sich gegenseitig den Krieg zu erklären.21 Die Schweden drangen tief ins Landesinnere ein, was zur Folge hatte, dass der polnische König nach Schlesien und weiter nach Galizien ins Exil flüchten musste. Sie eroberten eine Stadt nach der anderen, darunter auch die Hauptstadt Warschau, und scheiterten erst auf ihrem Weg nach Krakau bei der Belagerung der Jasna Góra (zu Deutsch „heller Berg“, auch „Klarenberg“) im heutigen Pilgerort Tschenstochau gegen den polnisch-litauischen Adel und die mit ihm verbündeten Tataren.22 Der Konflikt nahm dadurch allerdings kein Ende, sondern weckte das Interesse der Anrainerstaaten, als der mit Schweden verbündete Georg II. Rakoczi aus dem Fürstentum Siebenbürgen seine Expansionsansprüche auf polnisches Territorium im Süden und Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620–1688) auf Preußen gewaltsam umzusetzen versuchten. Der daraus resultierte Machtzuwachs Kurbrandenburgs veranlasste Habsburg, die Niederlande und Dänemark, den Druck zu erhöhen und den Großen Kurfürsten zum Seitenwechsel gegen die Schweden aufzufordern. Friedrich Wilhelm ging nach den Verhandlungen mit dem kaiserlichen Diplomaten Franz Paul Lisola 1657 im Vertrag von Wehlau-Bromberg (Bydgoszcz) einen Separatfrieden mit Polen-Litauen ein und erreichte damit sein Ziel, die Unabhängigkeit Preußens zu erlangen.23 Nach längeren Verhandlungen zwischen Johann II. Kasimir und dem Haus Habs21 Opitz, Eckardt: Brandenburg und Österreich im Schwedisch-Polnischen Krieg 1655–1660. Vorbereitung und Durchführung der Feldzüge nach Dänemark und Pommern. Boppard am Rhein 1969. S. 2. Hierzu ausführlich: Marcinkowski, Karol: Crisis of the Polish-Swedish war 1655–1660. Wilberforce 1951. Polska w okresie drugiej wojny północnej 1655–1660 [Polen zur Zeit des Zweiten Nordischen Krieges 1655–1660]. Hg. v. Kazimierz Lepszy. Warschau 1975. Bd. 1–4. 22 Siehe dazu mehr in: Kersten, Adam: Szwedzi pod Jasną Górą 1655 [Die Schweden unter der Jasna Góra]. Warschau 1975. Bis heute wird diese erfolgreiche Schlacht als Sieg durch den Mantel Marias gefeiert und die Heilige 1656 zur Schutzpatronin des Königreichs bestimmt. Dazu: Kopeć, Jerzy: Geneza patronatu maryjego nad narodem polskim [Die Entstehung des Marienpatronats über die polnische Nation]. In: Roczniki Historyczne. Bd. 34 (1986). H. 2 [1992]. S. 275–292; Bömelburg, Hans-Jürgen: Politische Öffentlichkeit und Verfassung zwischen Königsherrschaft, Oligarchie und Adelsrepublikanismus. In: Ders., Frühe Neuzeit. S. 394. 23 Opitz, Brandenburg und Österreich. S. 20–47. Eine Übermacht der Schweden hätte auf langfristige Sicht eine Unterdrückung Brandenburgs zur Folge gehabt. Siehe McKay, Smallpower diplomacy. S. 190; Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 1. S. 306 f., 349–359. Mehr zur schwankenden Politik Friedrich Wilhelms in: Luh, Jürgen: Der Große Kurfürst. Sein Leben neu betrachtet. München 2020. S. 157–184.
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burg wurde 1657 ein Defensivbündnis geschlossen, um Polen zum Frieden zu verhelfen. Kaiser Leopold I. schickte seine Truppen unter dem Kommando der Grafen Melchior Hatzfeld und Raimondo Montecuccoli, die unter anderem ihr Quartier in Krakau aufschlugen. Ihre Anwesenheit wurde zwiespältig aufgenommen, da sich die kaiserlichen Truppen – geprägt vom Dreißigjährigen Krieg – zügellos benahmen.24 Gegen Karl X. Gustav rief auch Dänemark den Krieg aus und mit vereinter Macht wurde Schweden zurückgedrängt. Letztendlich wurde der Krieg nach dem Tod des schwedischen Königs mit dem Vertrag von Oliva am 3. Mai 1660 beendet. Das Ende dieses Konfliktes bedeutete vorerst die Bewahrung des politischen Gleichgewichts in Europa. Im Gegensatz zu Brandenburg stellte der Kaiser keine territorialen Ansprüche; durch das Verhalten seiner Hilfstruppen verlor Leopold I. jedoch an Ansehen in Polen-Litauen.25 Diese Unterstützung zeigt eindeutige Parallelen zum Jahr 1683, als in jenem Jahr Jan Sobieski den Habsburgern zu Hilfe kam und ebenfalls keine territorialen Ansprüche stellte. Allerdings erlaubte der König seinen Truppen aus Mangel an Proviant, nach der siegreichen Schlacht sich an der türkischen Beute gütlich zu tun, was wiederum von den Österreichern missbilligt wurde. Nach dem kurzweiligen Waffenstillstand von 1656 wurde der Krieg zwischen Polen-Litauen und Moskau wieder fortgesetzt, während Habsburg versuchte, die Ansprüche des Großwesirs Köprülü Mehmed Pascha auf Siebenbürgen einzudämmen. Der nach Georg II. Rakoczis Tod entfachte Nachfolgestreit der jeweils von den Österreichern und der Hohen Pforte unterstützten Anwärter führte schließlich zu einem neuen Türkenkrieg (1663–1664). Der Vormarsch der Osmanen nach Wien konnte dank des kaiserlichen Oberbefehlshabers Graf Raimondo Montecuccoli aufgehalten und Ruhm für das Haus Habsburg geerntet werden. Denn die Türken erlebten im Jahr 1664 einen Rückschlag, als sie unter dem inzwischen neuen Großwesir Köprülü Fâzil Ahmed Pascha in der Schlacht bei Mogersdorf erstmals in offener Feldschlacht durch die kaiserliche Armee besiegt wurden. Mit dem daraufhin für zwanzig Jahre geschlossenen Vertrag von Eisenburg endeten bis 1683 die seit der Ersten Türkenbelagerung kontinuierlichen Auseinandersetzungen zwischen der Hohen Pforte und den Habsburgern.26 Stattdessen wandte man sich auf osmanischer
24 Opitz, Brandenburg und Österreich. S. 8 f.; Eickhoff,Venedig. S. 175. 25 Opitz, Brandenburg und Österreich. S. 52 f., 257–276, 283–292; Eickhoff,Venedig. S. 175. 26 Für diese Schlacht erhielt die kaiserliche Armee sogar ungarische Hilfe und mit einem Korps von 6000 Mann Unterstützung von den Franzosen. Eickhoff, Venedig. S. 184–207; Shaw, History of the Ottoman Empire. S. 184 f., 187, 189, 212; Neumann, Political and diplomatic developments. S. 46 f., 50.Wobei hier erwähnt wird, dass die Auseinandersetzungen zwischen Habsburg und Hoher Pforte während des Dreißigjährigen Krieges vorläufig innehielten. Matschke, Kreuz und Halbmond. S. 353–357; Tóth, Ferenc: Journal des campagnes du duc Charles V de Lorraine. (Bibliothèque de l´Europe centrale. Bd. 20). Paris 2017. S. 30–34; Düriegl,Wien 1683. S. 11; Sperl, Karin [u.a.]: Die Schlacht von Mogersdorf/St. Gotthard und
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Seite der Kontrolle des Schwarzen Meeres und der osteuropäischen Gebiete zu, was dazu führte, dass wenige Jahre später erneut polnisches Territorium zum Kriegsschauplatz werden sollte. In Polen-Litauen versuchte währenddessen Königin Luisa Maria Gonzaga, Neuwahlen noch zu Lebzeiten ihres Mannes (vivente rege) durchzusetzen, um die wankende Regierung zu stabilisieren. Hierfür empfahl die in Paris aufgewachsene Regentin insbesondere Henri Jules d’Enghien, den Sohn des erfolgreichen französischen Feldherrn Louis II. de Bourbon, Fürst von Condé. Um die Wahl des Franzosen wiederum zu verhindern, folgte die Rebellion des polnischen Feldherrn Jerzy Sebastian Lubomirski (1665–1666), der von Kurbrandenburg unterstützt wurde.27 Ausgerechnet Jan Sobieski, der selbst den einstigen Großmarschall und -hetman als sein Vorbild nahm, entschied sich, gegen den von Jerzy Lubomirski angeführten Aufstand vorzugehen. Auch wenn dieser innere Konflikt 1666 sein Ende nahm, konnte danach die Regierung des amtierenden Königs nicht mehr gerettet werden.28 Der Tod der Königin Luisa Gonzaga am 10. Mai 1667 führte letztendlich zur Abdankung von Johann II. Kasimir im Jahr 1668 und seiner Flucht ins französische Exil. All diese Ereignisse seit der Lubliner Union hatten zur Folge, dass das Königreich Polen-Litauen verwüstet, ausgeplündert und massiv geschwächt wurde.29
der Friede von Eisenburg/Vasvár 1664. Rahmenbedingungen, Akteure, Auswirkungen und Rezeption eines europäischen Ereignisses. Eisenstadt 2016. Siehe auch Wagner, Georg: Die Schlacht von St. Gotthard-Mogersdorf und das Oberkommando Raimund Montecuccolis. In: Atti del Convegno di Studi su Raimondo Montecuccoli nel terzo centenario della battaglia sulla Raab. Hg. v. Accademia Nazionale di scienze lettere e arti. (Deputazione di storia patria per le antiche provincie Modenesi. Bd. 96). Modena 1987. S. 155–225. 27 McKay, Small-power diplomacy. S. 194–197; Wójcik, Zbigniew: Jan Kazimierz Waza. Breslau [u.a.] 22004. S. 218–226; Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 98; Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 73–82; Rhode, Ein Königreich ohne König. S. 225–231; Wasilewski, Tadeusz: Jan Kazimierz. Warschau 1985; Piwarski, Kazimierz: Rywalizacja francusko-austriacka o wpływy w Rzeczypospolitej w latach 1655–1660 [Die französisch-österreichische Rivalität um Einfluss in der Adelsrepublik in den Jahren 1655–1660]. In: Polska w okresie drugiej wojny północnej 1655–1660. Hg. v. Kazimierz Lepszy [u.a.]. Warschau 1957. Bd. 1. S. 411 f.; Wasilewski, Tadeusz: Jan Kazimierz. Warschau 1985. 28 Korzon, Dola I Niedola. Bd. 1. S. 23–191; Nagielski, Mirosław: Jan Sobieski w dobie rokoszu Jerzego Sebastiana Lubomirskiego (1665–1666) [Jan Sobieski in der Ära des Aufstandes von Georg Sebastian Lubomirski (1665–1666)]. In: Milewski (Hg.), Marszałek i Hetman. S. 57–83. 29 Siehe hierzu mehr in: Dybaś, Bogusław: Mächtepolitische Neuorientierungen: Bündnis diplomatie und Reichspolitik bis zur Begründung der sächsisch-polnischen Personalunion. In: Bömelburg (Hg.), Frühe Neuzeit. S. 397 samt der dort aufgeführten Literatur.
Abb. 2: Unbekannt (KünstlerIn), Portret Marii Kazimiery Zamoyskiej, 1660–1665.
3. Der Werdegang Jan Sobieskis in den Wirren seiner Zeit
Als zweitältester Sohn von Jakub Sobieski (1591–1646), Wojewode von Bełz und Ruthenien sowie kurz vor seinem Tod Kastellan von Krakau, und dessen Frau SofiaTeofila, gebürtige Daniłowicz (1607–1661), wurde Jan Sobieski am 17. August 1629 in Olesko geboren. Er hatte einen älteren Bruder namens Marek sowie zwei jüngere Schwestern, Katarzyna und Anna. In Żółkiew (dt. Schowkwa, heutige Ukraine) wurden die Kinder großgezogen. Die beiden Söhne wurden ab 1640 im Krakauer Kollegium Władysław-Nowodworski ausgebildet und von 1646–1648 auf die Grand Tour geschickt.1 Ihr Wegbegleiter war Sebastian Gawarecki, der durch sein Tagebuch die Erlebnisse der beiden Brüder der Nachwelt hinterließ.2 Nach längeren Aufenthalten in Frankreich und den Niederlanden wurden sie aufgrund mehrerer schwerwiegender Überfälle in den Grenzgebieten durch die ukrainischen Kosaken unter Bohdan Chmelnyzkyj und dem Khan der Krimtataren İslâm III. Giray in die Heimat zurückgerufen und widmeten sich zusammen der Verteidigung des polnisch-litauischen Königreichs.3 Jan Sobieskis Bild von den Osmanen wurde schon früh geprägt, da seine Familie bereits durch die Feldzüge gegen die Türken schwere Opfer zu beklagen hatte. Nicht nur sein Urgroßvater Stanisław Żółkiewski und sein Onkel Stanisław Daniłowicz, sondern auch sein Bruder Marek starben im Kampf während der türkischen und tatarischen Überfälle. Doch sollte nicht nur dieser Verlust auf Jan Sobieski einen prägenden Eindruck machen; er begleitete 1654 den polnischen Botschafter nach Konstantinopel, wo er die türkische Sprache und die Kultur des Orients kennenlernte.4 1 2 3 4
Zur Jugend Jan Sobieskis empfiehlt sich Wójcik, Jan Sobieski. S. 27–42; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 9–26. Hagenau, Jan Sobieski. S. 15–118; Korzon, Dola i Niedola. Bd. 1. S. 1–22. Gawarecki, Sebastian: Diariusz Drogi. Podróż Jana i Marka Sobieskich po Europie 1646–1648. Hg. v. Marek Kunicki-Goldfinger. Wilanów 2013. S. 15. Gawarecki, Diariusz Drogi. S. 255–259; Wójcik, Jan Sobieski. S. 43–47; Korzon, Dola i Niedola. Bd. 1. S. 23–28. Sein Urgroßvater ist wie bereits erwähnt im Osmanisch-Polnischen Krieg 1620 ums Leben gekommen, sein Onkel wurde 1636 von Tataren enthauptet. Aus diesen persönlichen Gründen soll laut Zbigniew Wójcik der junge Jan Sobieski eine Abneigung gegen die Osmanen gehabt haben. Auf der anderen Seite war Jan Sobieski selbst ein Militär, der die Grausamkeit und Opfer des Krieges kannte.Vgl. Podhorodecki, Jan III Sobieski. S. 59–64; Wójcik, Jan III. Sobieski. S. 153; Ders., Jan Sobieski. S. 49; Hagenau, Jan Sobieski. S. 593; Korzon, Dola i Niedola. Bd. 1. S. 23.
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3. Der Werdegang Jan Sobieskis in den Wirren seiner Zeit
Nach seiner Rückkehr beteiligte sich Jan Sobieski am bereits erwähnten Nordischen Krieg (1655–1660), zuerst auf Seiten des königlichen Onkels Karl Gustav, wechselte jedoch schnell die Fronten zur königlich-polnischen Armee, nachdem er sah, wie die Schweden sein Vaterland verwüsteten und ausplünderten. Sein militärischer Einsatz wurde mit dem Dienstgrad eines Fähnrichs belohnt. Am Hof von Johann II. Kasimir lernte er daraufhin die zwölf Jahre jüngere Französin Maria Kazimiera de la Grange d’Arquien (1641–1716)5 kennen. Sie war eine attraktive junge Dame mit langen schwarzen Haaren, schmaler Nase, dunklen Augen und vollen Lippen.Von ihrer Schönheit angetan, bemühte sich Jan Sobieski den Kontakt mit ihr aufrechtzuerhalten. Seine späteren so bezeichneten Liebesbriefe zeugen davon, wie verfallen er ihr war, doch sollte man die politischen Inhalte nicht unterschätzen, denn in den Briefen machte er auch viele detaillierte Angaben über die erlebten Geschehnisse, wodurch sie zu seiner Vertrauten und gleichgestellten Gesprächspartnerin wurde.6 Die beiden wurden jedoch kein Paar. Maria Kazimiera war als Hof dame der polnischen Königin Luisa Maria Gonzaga bereits einem anderen Mann versprochen und ab dem 3. März 1658 mit Jan Sobiepan Zamoyski (1627–1665), dem Wojewoden von Sandomir und Kiew, verheiratet. Letzterer verstarb sieben Jahre später, wodurch es Jan Sobieski erst möglich wurde, die bis dahin mit ihm befreundete Französin 1665 zu heiraten. Die darauffolgenden Jahre erwiesen sich aufgrund seiner Taten und seines Erfolges als lohnend, da sie ihn auf seiner Karriereleiter kontinuierlich bis zur Königskrone nach oben trugen: Sein Einsatz während des Russisch-Polnischen Krieges (1654– 1667) und gegen die Lubomirski-Rebellion (1665–1666) führte zu seinem Aufstieg als Krongroßmarschall (Marszałek wielki koronny) und zur ein Jahr später erfolgten Wahl zum polnischen Feldhetman (hetman polny). Aufgrund seines Sieges von Podhajce über die Krimkosaken und -tataren wurde er nach einem prunkvollen Einzug in Warschau am 5. Februar 1668 Nachfolger von Stanisław Potocki, der ein Jahr zuvor verstorben war.7 Damit wurde Jan Sobieski zum Krongroßhetman und somit zum Oberbefehlshaber der königlichen Armee ernannt. Allein seine Statur prädestinierte ihn für seine Position, da er auf der einen Seite korpulent und dadurch mächtig wirkte, er auf der anderen Seite sehr gepflegt war, der Mode seiner Zeit entsprechend einen Schnurrbart trug, auf die Kostbarkeit seiner Kleidung Wert legte und sich damit zu einem Edelmann machte, der zusätzlich eine Stärke ausstrahlte, die gemeinsam mit seiner 5 6
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Berühmt ist sie auch wegen des ihr von Jan Sobieski gegebenen Kosenamens „Marysieńka“. Im Folgenden wird sie hier als Maria Kazimiera weitergeführt. Siehe die Briefe in: Zeller, Joachim [u.a.] (Hg.): Jan Sobieski. Briefe an die Königin. 1670– 1683. Frankfurt a. M. 1986; Hagenau, Jan Sobieski. S. 136; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 15 f. Bereits Luisa Maria Gonzaga verstand es, sich bei Einzügen eindrucksvoll zu inszenieren, was Jan Sobieski gekonnt fortsetzte. Bély, Das Wissen über das diplomatische Zeremoniell. S. 157.
3. Der Werdegang Jan Sobieskis in den Wirren seiner Zeit
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Überzeugungskraft in Wort und Körpersprache sein Umfeld vom ihm überzeugen konnte.8 Während also das polnische Königreich durch die ausländischen Übergriffe zunehmend geschwächt wurde, stieg Jan Sobieski militärisch kontinuierlich auf und gewann dadurch zunehmend an Einfluss. Nach dem Ende der Regierung Johann II. Kasimirs hätte es durch dessen Flucht ins Exil nun eines mächtigen Königs bedurft, der sämtliche militärische Auseinandersetzungen beenden und den innenpolitischen Zusammenhalt hätte wiederherstellen können – doch dazu kam es nicht. Bei der Königswahl 1669 kandidierten gestandene und kriegserfahrene Männer; so der in kaiserlichen Diensten stehende Kavallerist Karl V. von Lothringen (1643– 1690), der französische Feldherr Louis II. de Bourbon, Fürst von Condé (1621– 1686), und durch die Ehe mit der polnischen Prinzessin Anna Katharina Wasa auch Herzog Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg (1615–1690). Mit Letzterem sympathisierten Habsburger, Hohenzollern und sogar das Haus Bourbon, jedoch tendierten die polnischen Magnaten mehr zum sogenannten Großen Condé. Ihn unterstützte der französische König Ludwig XIV. (1638–1715) jedoch nur heimlich und hielt offiziell zum 53-jährigen, verheirateten Pfalzgrafen. Ähnlich machte es auch Kaiser Leopold, der den 26-jährigen Prinzen von Lothringen unter der Hand finanziell unterstützen ließ, ohne sich öffentlich zu ihm zu bekennen.9 Bei der Wahl 1674 sollte sich erneut zeigen, dass sich Wien mit diesem Vorgehen alle Optionen offenhielt. Für Friedrich Wilhelm von Brandenburg spielte Leopold I. mit der Unterstützung des Neuburgers und des Lothringers zu seinem Missfallen ein doppeltes Spiel. Der Große Kurfürst selbst war wie schon Jahre zuvor an der eigenen Kandidatur für den polnischen Thron interessiert, jedoch hielt ihn die dazu nötige Konvertierung zum Katholizismus ab. Um weder Frankreich noch Habsburg zu missfallen, unterstützte auch er den Herzog von Pfalz-Neuburg.10 Es lag schließlich in seinem Interesse, dass möglichst eine neutrale Person den Thron bestieg. 8
Jan Sobieski war laut Otto Forst de Battaglia der wichtigste Mann in Polen. Ders., Jan Sobieski. S. 33 f. Hierzu ausführlich: Korzon, Dola i Niedola. Bd. 1. S. 42–544, Bd. 2. S. 1–70; Wójcik, Jan Sobieski. S. 59–150; Wiśniewski, Jan Sobieski. S. 22 f. Über die Bedeutung von Kleidung siehe auch Dinges, Neue Kulturgeschichte. S. 188 f. 9 Przyboś, Adam: Michał Korybut Wiśniowiecki 1640–1674. Krakau [u.a.] 1984. S. 33–50. Tadeusz Korzon begründet die kaiserliche Unterstützung für Karl von Lothringen damit, dass dieser unter der Protektion der Mutter des Kaisers stand und diese ihn wiederum wegen ihrer Tochter Eleonore förderte, die in ihn verliebt war. Ders., Dola i Niedola. Bd. 2. S. 163; Urbanski, Hans: Karl von Lothringen. Österreichs Türkensieger. Wien 1983. S. 68 f. 10 McKay, Small-power diplomacy. S. 195, 200 f.; Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 99– 105. Zu den Ereignissen 1667–1669 in Polen siehe: Hundert, Zbigniew: Między buławą a tronem. Wojsko koronne w walce stronnictwa Malkontentów z ugrupowaniem dworskim w latach 1669–1673 [Zwischen Streitkolben und Thron. Die königliche Armee im Kampf zwischen den Seiten der Malkontenten mit den Anhängern des Hofs in den Jahren 1669–1673]. Auschwitz 2014. S. 23–108.
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Als an Fronleichnam, dem 19. Juni 1669, unerwartet der vom polnischen Unterkanzler Andrzej Olszowski favorisierte Michał Korybut Wiśniowiecki (1640–1673) zum neuen König gewählt wurde, begannen sogleich die Gespräche, den 29-Jährigen mit der dreizehn Jahre jüngeren Halbschwester des Kaisers, Erzherzogin Eleonore von Österreich (1653–1697), zu verheiraten. Des neuen Königs Vater Jeremi war zwar ein erfolgreicher Feldherr der polnischen Armee gewesen, er selbst war hingegen eher kränklich und militärisch unerfahren.11 Bei diesem polnischen Würdenträger, einem sogenannten Piasten, handelte es sich zumindest nicht mehr um einen ausländischen Thronfolger, der durch seine Erbansprüche die Rzeczpospolita in einen erneuten Krieg führen würde; die Missgunst der polnisch-litauischen Neider war allerdings groß.12 Ein Jahr nach seinem Regierungsantritt heiratete Michael I..13 die Schwester des römisch-deutschen Kaisers, Eleonore von Österreich, und folgte dementsprechend einer prohabsburgischen Politik. Jan Sobieski gehörte der französischen Opposition an und machte wie viele Gegner des Königs, die man „Malkontente“ nannte, keinen Hehl daraus, dass er Michael I. als ungeeignet betrachtete.14 Innenpolitisch wurde die Situation immer schwieriger und ein Bürgerkrieg drohte auszubrechen. Gleichzeitig flammten an der südlichen Grenze des polnischen Königreichs die Kämpfe gegen Kosaken und Tataren wieder auf, derer sich Jan Sobieski allerdings
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Seinen unerwarteten Wahlsieg schrieb man in der Forschung lediglich der Unterstützung des Bischofs Olszowski zu. Konopczyński, Władysław: Dzieje Polski nowożytnej [Neuzeitliche Geschichte Polens]. Warschau 21986. Bd. 2. S. 71; Augustyniak, Urszula: Wazowie i „królowie rodacy“. Studium władzy królewskiej w Rzeczypospolitej XVII wieku [Die Wasas und „der Könige Landsmänner“. Studium über königliche Macht in der Adelsrepublik des 17. Jahrhunderts]. Warschau 1999. S. 223; Rhode, Ein Königreich ohne König. S. 245. 12 Urkunden und Actenstücke zur Geschichte des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Hg. v. Ferdinand Hirsch. Bd. 12. Berlin 1892. S. 419 f., weiter zitiert als „UA, 12“. Dazu: Przyboś, Michał Korybut. S. 59; Hundert, Między buławą a tronem. S. 107; Ziątkowski, Leszek: Jan Sobieski a kształtowanie się opozycji po elekcji Michała K orybuta Wiśniowieckiego w 1669 r. [Jan Sobieski und die Entwicklung der Opposition nach der Wahl von Michael Korybut Wiśniowiecki]. In: Sląski kwartalnik Historyczny Sobótka. Bd. 51 (1996). S. 127; Korzon, Dola i Niedola. Bd. 2. S. 285. 13 Laut der Anmerkung von Zbigniew Hundert wird in der polnischen Geschichtsforschung der Name „Michael I.“ abgesehen von der Arbeit von Urszula Augustyniak (Dis., Wazowie.) nicht verwendet. Stattdessen nennt man den König mit bürgerlichem Namen, also Michał Korybut Wiśniowiecki. So: Hundert, Między buławą a tronem. S. 107. Anm. 1. Die offizielle Titulatur wird dennoch im Folgenden verwendet, da Michael I. ein legitimer König gewesen ist. 14 Przyboś, Michał Korybut. S. 73–78. Zu den bekannten Anhängern der Malkontenten: Hundert, Między buławą a tronem. S. 107–152; Ziątkowski, Jan Sobieski. S. 126–137. Bischof Olszowski war auch der Initiator der Ehe zwischen Eleonore und Michael I. Siehe Woliński, Poselstwa Schaffgotscha. S. 151.
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erwehren konnte. Es hatte jedoch lediglich zur Folge, dass sich seine Gegner mit der Hohen Pforte verbündeten und Sultan Mehmet IV. den polnischen König aufforderte, seine Armee aus der Ukraine abzuziehen.15 Eine Forderung, die dazu führen sollte, dass im Jahr 1672 der Osmanisch-Polnische Krieg ausbrach.
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Anfang des Jahres 1672 berichtete Jan Sobieski in mehreren Schreiben über die Situation in den Grenzgebieten: Die verfügbaren Truppenkontingente, das Fehlen von Lebensmitteln, Trinkwasser und die Einfälle der Kosaken mithilfe der Tataren unter dem abtrünnigen Hetman Petro Doroschenko, der unter der Protektion der Osmanen die Aufteilung der Ukraine unter Polen-Litauen und Moskau zu verhindern versuchte.16 Die Situation sei kritisch und die polnische Regierung müsse handeln, doch dies erwies sich als schwieriger als zunächst angenommen. Am 26. Januar 1672 wurde der Sejm in Warschau einberufen, um über einen möglichen Krieg gegen das Osmanische Reich zu tagen. Zur Verteidigung des Königreichs vereinbarte man, den römisch-deutschen Kaiser, die Könige von Frankreich und Schweden, den Kurfürsten von Brandenburg und andere Reichsfürsten im Interesse der Christenheit um Geld und Truppen für den Kampf gegen die Türken zu bitten. Die Schwierigkeit, die eigene Armee und hierzu noch ausländische Hilfskorps zu versorgen, wurde ebenfalls angesprochen, doch noch weniger wäre man in der Lage gewesen, es Habsburg gleichzutun und den Frieden bei den Osmanen durch Tributzahlungen zu erkaufen. Die Hoffnung des Sejms, von Papst Clemens X. (1590–1676) oder von Kaiser Leopold I.Verstärkung zu erhalten, war gering, obwohl Letzterer mit dem polnischen König verschwägert war. Im Verlauf der knapp zweimonatigen Tagung zeigte sich häufig großer Unmut über die Abhängigkeit Michaels I. von der Hof15
Die polnische Übersetzung des Schreibens Mehmeds IV. in: Przeździecki, Aleksander: Podole, Wołyń, Ukraina [Podolien, Wolhynien, die Ukraine]. Bd. 1. Wilno 1841. S. 203; Woliński, Janusz: Z dziejów wojen polsko-tureckich [Von der Geschichte polnisch-türkischer Kriege]. Warschau 1983. S. 22 f.; Przyboś, Michał Korybut. S. 149–166; Wójcik, Jan Sobieski. S. 199. 16 Acta, II, 2. S. 751–755; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 39–42. Über die Situation der Armee in den Jahren davor: Wagner, Marek: Pisma wojskowe hetmana wielkiego koronnego Jana Sobieskiego z lat 1670–1671. Zarys problematyki [Die militärischen Schriften vom Krongroßhetman Jan Sobieski in den Jahren 1670–1671. Ein Umriss der Problematik]. In: Milewski (Hg.), Marszałek i Hetman. S. 235–245. Mehr zum Verhältnis des Kosakenhetmans zu Polen-Litauen in: Perdenia, Jan: Hetman Piotr Doroszenko a Polska [Hetman Petro Doroschenko und Polen]. Krakau 2000; Wagner, Marek [u.a.]: Piotr Doroszenko. Hetman na Prawobrzeżu (1627–1698) [Petro Doroschenko. Der Hetman am rechten Ufer (1627–1698)]. In: Kroll, Hetmani zaporoscy. S. 330–352; Dybaś, Mächtepolitische Neuorientierungen. S. 404.
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burg und sogar die Befürchtung wurde laut, ob der König nicht bei zunehmender Gefahr mit seiner Frau Eleonore nach Wien flüchten würde. Abgesehen davon wurde überlegt, ein Einvernehmen mit Friedrich Wilhelm herzustellen und von diesem Hilfstruppen zu erbitten, auch wenn man der Ansicht war, dass man dem Großen Kurfürsten sowie Schweden oder Moskau nicht trauen könne.17 In diesem Rahmen sollte Michael I. den am 6. November 1657 geschlossenen Vertrag von Bromberg ratifizieren, um eine Verstärkung von 1500 Mann aus Brandenburg fordern zu können.18 Jan Sobieski unterstützte dieses Vorhaben, auch wenn er selbst nicht anwesend war, sondern aus Lemberg schrieb und vom Hofmarschall Jan Klemens Branicki vertreten wurde. Letzterer verlas seinen Brief mit dem Inhalt, dass er gegen jegliche Bedenken zu Brandenburg stehe, da dieses mit Polen-Litauen benachbart und verbündet sei. Im gleichen Schreiben rief Jan Sobieski zu patriotischem Handeln auf, und zur Rettung der königlichen Armee. Gleichzeitig erinnerte er daran, dass dieser Krieg gegen die Türken eine Angelegenheit der ganzen Christenheit sei. Aus diesem Grund sollte das Königreich keine Skrupel haben, seine starken Nachbarn um Hilfe zu bitten. Laut Otto Forst de Battaglia handelt es sich hierbei um Jan Sobieskis erste Erwähnung vom „Frieden mit allen christlichen Großmächten“.19 Es folgten weitere Berichte aus den Grenzgebieten, teilweise zusammen mit dem litauischen Großhetman Mykolas Kazimieras Pacas (poln. Michał Kazimierz Pac) verfasst, welche zwiespältig aufgenommen wurden.20 Zwar schätzte man die militärische Kompetenz des Großmarschalls, doch gab sein Einfluss auf die königliche Armee Anlass zur Besorgnis, weshalb von Michael I. verlangt wurde, nicht untätig in Warschau zu bleiben, sondern in den Grenzen präsent zu sein, um seinen königlichen Pflichten gerecht zu werden und sich vor dem einflussreichen Großmarschall zu beweisen.21 Trotz der klugen Ratschläge Jan Sobieskis war das Verhältnis zu seinem König mehr als angespannt, denn wie im Folgenden gezeigt wird, wurden die ersten Mittel und Wege gesucht, um den Krongroßmarschall loszuwerden. Der Sejm wurde zu guter Letzt am 14. März 1672 abgebrochen und vertagt. Wenige Tage später erhielt der polnische Großhetman einen Brief, in dem man ihn des Hochverrats bezichtigte. Jan Sobieski stritt ab, ein Malkontent und damit als Anhänger des französischen Hofs ein Gegner des polnischen Königs zu sein. Sein Tun 17 Acta, II, 2. S. 783, 792, 795 f., 800, 835 f., 841. 18 Ebd. S. 838, 855. Zum Vertragstext und der darin festgelegten Unterstützung des polnischen Königreichs durch brandenburgische Truppen siehe: Kurbrandenburgs Staatsverträge von 1601–1700. Nach den Originalen des Königlichen Geheimen Staatsarchivs. Hg. v. Theodor Mörner. Berlin 1965. S. 224 f.; Luh, Der Große Kurfürst. S. 183 f. 19 Acta, II, 2. S. 854–863; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 43. 20 Ebd. S. 863–870. 21 Ebd. S. 824, 827 f.
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und Handeln seien einzig dem Wohl des Königreichs gewidmet. Er mahnte, dass die Rettung des Glaubens und der Kirche zu diesem Zeitpunkt oberste Priorität habe. Unzufrieden seien nicht nur die Malkontenten, sondern die ganze Rzeczpospolita, wenn man nicht in ihrem Sinne handele.22 Es sind Worte, die seinen Gegnern zunächst den Wind aus den Segeln nahmen. Während Michael I. in den folgenden Tagen durch seine Korrespondenz nach Konstantinopel die Hohe Pforte von der Unterstützung des abtrünnigen Kosakenhetmans Petro Doroschenkos abzuhalten versuchte,23 schaute ganz Europa gebannt auf die französischen Übergriffe in den Vereinigten Niederlanden, nachdem die verbündeten Mächte Frankreich und England ihnen im März 1672 den Krieg erklärt hatten.24 Ein geschickter Schachzug von Ludwig XIV., nachdem er bereits während des Devolutionskrieges (1667–1668) gegen Spanien versucht hatte, durch die Eroberung gewisser Teile der spanischen Niederlande seine Vormachtstellung in Europa auszubauen. Als nächsten Schritt hatte er durch die Isolation der Niederlande und die erfolgreiche französische Bündnispolitik einen erneuten Eroberungszug eingeleitet.25 Für Habsburg galt es, den Einmarsch der französischen Truppen im Reich aufzuhalten, um das Gleichgewicht der Mächte in Europa zu wahren. Involviert waren Brandenburg, mehrere deutsche Reichsfürsten und auch Schweden. Der Kaiser zeigte sich zunächst unentschlossen, inwieweit er handeln sollte, während der Große Kurfürst ihn zu einer öffentlichen Kriegserklärung gegen Frankreich drängte. Kaiser Leopold I. verpflichtete hingegen Friedrich Wilhelm zur militärischen Unterstützung Polen-Litauens, welcher sich daraufhin im Mai 1672 bereit erklärte, ein Hilfskorps zu schicken. Während der Brandenburger den Kaiser um Instruktionen bezüglich des Türkenkrieges mit Polen bat, ließ Leopold I. gegen die Osmanen aufrüsten, da diese in gleicher Weise seine Erblande bedrohten.26 Zu diesem Zweck wurde der kaiserliche Gesandte Johann von Goess Ende April nach Berlin geschickt, um von allen Vorgehensweisen und Entscheidungen des Kurfürsten zu berichten. Durch ihn erfuhr der Kaiser, dass die Türkengefahr am brandenburgischen Hof als gering eingeschätzt wurde. Der polnische Gesandte Wojtek Opacki war ebenfalls
22 Ebd. S. 879–886. 23 Załuski, Andrzej Chryzostom: Epistolae historico-familiares. Bd. I, 1. Brandenburg 1709. S. 372– 376; Woliński, Z dziejów. S. 26. 24 Wrede, Martin: Ludwig XIV. Der Kriegsherr aus Versailles. Darmstadt 2015. S. 60–70. Dazu mehr in: Sonnino, Paul: Louis XIV and the Origins of the Dutch War. Cambridge 1988. 25 Ausführlich in: Lynn, John A.:The Wars of Louis XIV 1667–1714. London [u.a.] 1999. S. 105– 159. 26 UA, 12. S. 504. Dazu: Urkunden und Actenstücke zur Geschichte des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Hg. v. Alfred Francis Pribram. Berlin 1890. Bd. 14, 1. S. 522, weiter zitiert als „UA, 14, 1.“ Acta, II, 2. S. 1057; Droysen, Johann Gustav (Hg.): Geschichte der Preußischen Politik. Bd. 3, 3. Leipzig 1865. S. 398 f.
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vor Ort und erreichte, dass nach seiner Abreise 1500 Soldaten mit Sold für zwei Monate nach Polen geschickt wurden.27 Die Überlegung des Kaisers, das Königreich Schweden als Bündnispartner zu gewinnen, um angesichts der Polen-Litauen bedrohenden Osmanen zusätzliche Unterstützung gegen diese zu erhalten, schlossen die kurfürstlichen Räte aus. Sie glaubten nicht, dass eine solche Bedrohung durch die Türken bestünde und machten darauf aufmerksam, dass Schweden einem solchen osmanischen Einfall in die Rzecz pospolita nutzen würde, um in das königliche Preußen einfallen zu können.28 Selbst Johann von Goess schien sich mit der Überlegung zu beschäftigen, ob ein Angriff der Hohen Pforte auf Polen-Litauen nicht doch weitaus vorteilhafter für Habsburg wäre, anstatt mit der Unterstützung der polnischen Aufrüstung eine Bedrohung der kaiserlichen Erblande zu riskieren.29 Eine ambivalente Wahrnehmung der Situation ist deutlich erkennbar, da wiederum Michael I. von einem italienischen Gesandten die Nachricht erhielt, dass die Türkengefahr nicht so groß sei und man seitens der Hohen Pforte eher Interesse an Ungarn als an der Ukraine habe.30 Offenkundig wurde der polnische König dazu verleitet, die Bedrohung in den Grenzgebieten zu unterschätzen. Allerdings berief er am 18. Mai 1672 einen erneuten Sejm in Warschau ein. Zwar einigte man sich, Brandenburg und das Kurland zur Hilfe zu verpflichten, handelte dafür auch verschiedene Konditionen aus, doch mehrmals wurde diskutiert, ob ein Angriff tatsächlich zu befürchten sei.31 Indes schürten die Malkontenten eine Verschwörung gegen Michael I., da diesmal auch Jan Sobieski als wichtigster Vertreter der profranzösischen Partei zum Sejm nach Warschau reiste. Es kam jedoch anders, als man es offenbar von ihm erwartet hatte, denn sein größtes Anliegen war es, vor einem Angriff des Osmanischen Reiches zu warnen. Er sprach sich sogar dafür aus, im Sinne des Königs und des Königreiches handeln zu wollen – doch die prohabsburgische Partei traute seinen Worten nicht.32 Jan Sobieskis Schwager, dem litauischen Unterkanzler Mykolas Kazimieras Radvila33 (poln. Michał Kazimierz Radziwiłł), verweigerten die Anhänger des Königs sogar, seine Meinung vor Michael I. zu äußern. Es folgte erneut der Vorwurf, der Krongroßhetman und auch der Erzbischof von Gnesen, Mikołaj Prażmowski, – der höchste geistliche Würdenträger im Königreich – seien Malkontente, wobei 27 28 29 30 31 32
UA, 14, 1. S. 525, 534 und 554. Ebd. S. 529, 572. Ebd. S. 542. Acta, II, 2. S. 891. Ebd. S. 896–898, 926 und 984. Acta, II, 2. S. 930 ff. Siehe zum versuchten Sturz Michaels I. auch: Korzon, Dola i niedola. Bd. 3. S. 125, 130–142; Hundert, Między buławą a tronem. S. 322 ff. 33 Mykolas Kazimieras Radvila hatte Jan Sobieskis Schwester Katarzyna am 13. Juni 1658 geheiratet.
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dem Primas zusätzlich nachgesagt wurde, den Antichristen zu verkörpern.34 Das Ausmaß dieses inneren Konflikts hatte zur Folge, dass man sich erneut nicht über die Bereitstellung konkreter Truppenkontingente zur Verteidigung der Grenzen einigte und der Sejm am 30. Juni 1672 ergebnislos abgebrochen wurde. Die beiden Angeklagten dementierten jegliche Anschuldigungen, zumal diese Unterstellungen zu innenpolitischen Unruhen führen könnten und im Angesicht des Krieges eine Gefahr darstellten. Ungeachtet dessen wurde einen Tag später eine Liste erstellt, in der jeder polnische Adlige, dem man nachsagte sowohl gegen die Protektion des römisch-deutschen Kaisers als auch die Regierung des polnischen Königs zu intrigieren, als Malkontent aufgeführt wurde.35 Diese intensive Auseinandersetzung mit den innenpolitischen Gegnern im Königreich sollte noch weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen. Von Seiten der Habsburger benutzte man zur gleichen Zeit die Kriegserklärung Sultan Mehmets IV. an König Michael I. als politisches Druckmittel gegen den Großen Kurfürsten: So zeigt der Vertrag zwischen ihren beiden Vertretern, dem kaiserlichen Feldherrn Raimondo Montecuccoli und dem brandenburgischen Gesandten Johann Georg II. von Anhalt-Dessau, dass weitere kaiserliche Truppenkontingente für Holland erst dann ins Auge gefasst werden sollten, wenn die Unruhen in PolenLitauen nachließen. Das Ziel Habsburgs war es offenbar, die eigenen Truppen aus dem Konflikt zwischen Frankreich und den Niederlanden herauszuhalten. Um sich trotzdem nicht gekränkt zu zeigen, versprach Brandenburg, im Gegenzug gegen die Malkontenten vorzugehen und bei jeglicher Bedrohung Schlesiens – durch die polnische Opposition oder die vermehrt aufständischen Ungarn – zu helfen.36 Aus Warschau berichtet Johann von Hoverbeck dem Großen Kurfürsten, dass der Adel über die lange Verzögerung des Anmarschs der brandenburgischen Truppen bestürzt sei und dass selbst der kaiserliche Resident Peter Ignaz von Stom am Warschauer Hof versuchte, die Sorge der polnisch-litauischen Würdenträger zu beschwichtigen. Er erreichte dies vor allem durch das Versprechen, Leopold I. werde 20.000 Mann an die schlesische Grenze schicken, die unter dem Befehl Karls von Lothringen dem Ruf des polnischen Königs folgen würden.37 Schon im Januar 1672 wurde der kaiserliche Diplomat nach Warschau geschickt, um den Gerüchten, M ichael I. drohe
34 Acta, II, 2. S. 930 ff., 977. Gnesen war zu jener Zeit das älteste, wichtigste und einzige Erzbistum im Königreich Polen. 35 Ebd. S. 997–1004; Woliński, Z dziejów. S. 27. 36 Siehe das Protokoll der Verhandlungen vom 11. Juli 1672 in: UA, 14, 1. S. 567 und 581. Die größte Sorge seitens Habsburg galt im osmanisch-polnischen Konflikt primär Schlesien. Ebd. S. 589. Mehr über das Verhältnis zwischen Habsburg und Hohenzollern in: Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 130–133. 37 UA, 12. S. 539; Acta, II, 2. S. 942, 986.
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die Entthronung, nachzugehen und von der Situation am Hof zu berichten.38 Der König reiste währenddessen nach Lublin und schlug dort sein Lager auf, während Jan Sobieski zunächst krank in Warschau blieb, ihm aber Ende Juli nachreiste. Die Anschuldigungen gegen den Großmarschall in Bezug auf seine Unzufriedenheit mit der Regierung Michaels I. waren nicht unberechtigt, da dieser tatsächlich im Einvernehmen mit dem Primas Mikołaj Prażmowski mit Frankreich korrespondierte. In den Briefen wird die Sehnsucht nach einem erfahrenen und erfolgreichen Feldherrn deutlich, wie es der Große Condé sei, der nach der souveränen Regierung der ehemaligen Königin Luisa Maria Gonzaga 1669 anstelle Michaels den polnischen Thron übernehmen sollte.39 Jan Sobieski war verärgert darüber, dass der Sejm unter solchen Umständen abgebrochen wurde, der König nicht kooperativ war und keine Vorkehrungen zur Verteidigung der polnischen Grenzfestung Kamieniec Podolski40 unternommen wurden. Durch die Berichterstattung seiner Männer wusste der Großhetman über die Situation der Truppen an der Front Bescheid, die geradezu verzweifelt in Anbetracht der osmanischen Heermassen um weitere Befehle und tatkräftige Unterstützung baten, doch zeigte sich Michael I. ungeachtet der drohenden Gefahr auch weiterhin nicht kooperativ.41 Seine Enttäuschung und Verärgerung darüber teilte Jan Sobieski auch schriftlich dem Krakauer Bischof Andrzej Trzebicki mit, der sich bei der vergangenen Sejmversammlung besonders für die Verteidigung der Grenzen eingesetzt und vehement für den Krieg geworben hatte. In ihm fand der Großhetman einen Fürsprecher und Berater, der ihn über die Situation im Landesinneren informierte. So berichtete der Krakauer Bischof über die Truppen des Kurfürsten, die längst in Posen standen und schnellstmöglich nach Lemberg verlegt und später in Kamieniec Podolski stationiert werden sollten. Allerdings ging diese Rechnung nicht auf, da Michael I. die Hilfstruppen zurück nach Zamość beorderte.42 Verbittert schilderte Jan Sobieski dem Bischof aus der polnischen Stadt Hrebenne, wie er auf die Befehle des Königs wartete, ihm kaum Truppen zur Verfügung standen und er selbst nicht wisse, wie er unter solchen Umständen handeln sollte. Aus diesem Grund veranlasste der Großmarschall den Erzbischof von Gnesen, schriftlich Druck auf Frankreich auszuüben. Adressiert wurde dieser Brief an den französischen Außenminister Simon Arnauld de Pomponne. In dem Schriftstück wurde mahnend auf die wachsende Macht Michaels dank der militärischen Hilfe seitens Brandenburgs und der erhofften habsburgischen Subsidien hingewiesen. Der mit Frankreich verfeindete Karl von Lothringen sei 38 Siehe die Berichte vom 24. Februar, 2. und 16. März 1672 in: HHStA, Polen I, 77; Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 117. 39 Acta, II, 2. S. 1008 f. 40 Kamjanez-Podilskyj liegt in der heutigen Ukraine. 41 Acta, II, 2. S. 1028 f., 1034 f., 1038 f. 42 Ebd. S. 1043.
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ebenfalls eine Bedrohung, da dieser durch einen militärischen Erfolg in Schlesien von Volk und Senat zum neuen polnischen König gewählt werden könnte.43 Damit wollte man in Frankreich Ängste schüren und ein Handeln Ludwigs XIV. provozieren, um Maßnahmen gegen den Lothringer und Michael I. einzuleiten. Die Mühen des Großmarschalls waren allerdings vergebens, da seine Korrespondenzen keine Veränderung der Situation hervorriefen. Auch seine Bitte, die brandenburgischen Truppen in Kamieniec Podolski zu stationieren, wurde ignoriert.44 Bischof Andrzej Trzebicki berichtete ihm hingegen, dass sich die zu erwartenden Brandenburger und Litauer um den König versammeln sollten, jedoch die Zusammenlegung sämtlicher Truppen der Rzeczpospolita nur schleppend vorankomme, sodass er dem Großmarschall „irgendwen“ zur Hilfe wünsche, um die Grenzen des Königreichs verteidigen zu können.45 Kurz darauf wurde am 26. August 1672 die Festungsstadt Kamieniec Podolski von den Osmanen gestürmt und erobert. Selbst für Leopold I. verstärkte dieser Verlust die Angst um die kaiserlichen Erblande,46 während die Brandenburger letztendlich erst losmarschierten. Das Kommando über das Hilfskorps für den polnischen König übernahm des Kurfürsten Obrist Graf Friedrich von Dönhoff mit 1000 Fußsoldaten und 500 Dragonern.47 Seit Anfang September befanden sich diese Truppen auf polnischem Boden, auf dem Weg zum königlichen Lager in Lublin. Graf Dönhoff berichtete Friedrich Wilhelm ausführlich über sämtliche Geschehnisse vor Ort und seine Wahrnehmung der Situation im Königreich Polen-Litauen. Die Türkengefahr sollte seinen Angaben nach wesentlich geringer sein als von König Michael behauptet und werde von diesem ausgenutzt, um die zerrüttete Rzeczpospolita durch einen gemeinsamen Feind, den Osmanen, wieder zu einen.48 Nach dem Verlust von Kamieniec Podolski war diese Einschätzung dem Großen Kurfürsten nicht genug, weshalb er sich auch von anderen Gesandten über die Lage in Polen-Litauen informieren ließ. 43 Ebd. S. 1047–1050. 44 Woliński, Z dziejów. S. 32. 45 Acta, II, 2. S. 1057; Droysen, Geschichte. S. 398 f. 46 Acta, II, 2. S. 1060–63. Siehe dazu auch das Votum vom 22. Oktober 1672 in: UA, 14, 1. S. 608, sowie den Brief vom 27. August 1672 in: UA, 12. S. 539. Die zeitgenössische Wahrnehmung über den Fall von Kamieniec Podolski in der deutschsprachigen Presse wird deutlich in: Theatri Europaei […]. Hg. v. Matthaeus Merian [u.a.]. Bd. 11. Frankfurt am Main 1682. S. 77 f. Einzelheiten zur Schlacht um Kamieniec Podolski siehe in:Woliński, Z dziejów. S. 21–50; Wagner, Marek: Wojna polsko-turecka w latach 1672–1676 [Der polnisch-türkische Krieg in den Jahren 1672–1676]. Bd. 1. Zabrze 2009. S. 250–278. Siehe auch das weitere Schicksal der Stadt in: Kołodziejczyk, Dariusz: Podole pod panowaniem tureckim Ejalet Kamieniecki 1672–1699 [Podolien unter der türkischen Herrschaft des Ejalet Kamieniec 1672–1699]. Warschau 1994. 47 Laut dem Brief des Kurfürsten an Herzog Ernst Bogislaw von Croy, in: UA, 12. S. 536 f. 48 Ebd. S. 540.
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Zu diesen gehörte Joachim Scultetus, der als Resident in Warschau bereits längere Zeit im polnischen Königreich verweilte und das Vertrauen des polnischen Großkanzlers Jan Leszczyński gewonnen hatte. Durch Letztgenannten erfuhr er, dass man auf polnischer Seite die Wahl des neuen Königs als eine unglückliche wahrnahm und es große Differenzen zwischen Michael I., dem Erzbischof, dem Großhetman und anderen polnischen Senatoren gebe. Die Türken seien schon in Reußen und Podolien, gegen die Jan Sobieski mit der königlichen Armee ankämpfe. Die Truppenkontingente seien nicht groß, weshalb der Eindruck entstehe, dass der Großmarschall diese als seine Leibgarde benutze. Die Schuld an dieser Unzufriedenheit und der Grund des Misstrauens gegenüber Michael I. wurden laut Jan Leszczyński vor allem dem österreichischen Hof zugeschrieben, da dieser eine Übereinkunft mit dem Großwesir verhindert habe.49 Es hatte zur Folge, dass ein Teil der Armee unter Jan Sobieski in den Grenzgebieten gegen die Tataren ankämpfte, während der König mit seinen Anhängern im über 200 km entfernt gelegenen Lublin sein Lager bezog. Zur selben Zeit informierte Jan Sobieski den Unterkanzler über die in Lemberg drohende Gefahr und erwartete weitere Befehle Michaels I. Des Großhetmans Einschätzung der Lage sollte sich als richtig erweisen, da ihm sowohl die Krimtataren als auch die Krimkosaken schriftlich ihr Kommen mit den Osmanen im Voraus ankündigten. Bemerkenswert sind hierbei die Worte, die Jan Sobieski ihnen zur Antwort niederschrieb: „Es sei daran erinnert, dass der kriegerisch Stärkste und Glücklichste den Schwächsten und Unglücklichsten nicht immer zur Verzweiflung bringt.“50 Die beabsichtigte Einschüchterung durch seine Gegner wehrte der Krongroßmarschall somit gekonnt ab und arbeitete mit den Kontingenten zusammen, die ihm zur Verfügung standen, während er mehrfach mit dem König korrespondierte. In seinen Briefen bezeichnet er sich selbst als königstreu und beschreibt detailliert die Stärken und Schwächen seiner Gegner, deren Kenntnis er sich durch seine jahrelange Erfahrung erworben habe. Seine anschließenden Erfolge gegen den Kosakenhetman Petro Doroschenko zur Abwehr von Lemberg werden ebenfalls genannt und wurden durch die mitgeschickten Gefangenen bekräftigt.51 Der polnische Großmarschall zeigte sich so als eigenständiger und erfolgreicher Feldherr im Kampf gegen die feindlichen Truppen; die Wahrnehmung dessen war allerdings auf deutscher Seite eine völlig andere. Als Jan Sobieski über seine Erfolge gegen die Tataren berichtete, schrieb Friedrich von Dönhoff, der am 7. Oktober 1672 im königlichen Feldlager nördlich von Lublin angekommen war, dass man den Wahrheitsgehalt dieses Rapports anzweifelte 49 Ebd. S. 541 f. 50 Frei übersetzt aus dem Original: „Pamiętając na to, ze najpotężniejsi i najszczęśliwsi wojownicy najsłabszych i najnieszczęśliwszych nie zwykli przywodzić [do] desperacji.“ In: Acta, II, 2. S. 1078. 51 Ebd. S. 1078 f.,1087.
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und den polnischen Krongroßhetman als einen Verräter seines Vaterlandes brandmarkte, auch wenn man sein Engagement zur Verfolgung der „räuberischen“ Tataren zur Kenntnis genommen habe. Er schreibt weiter, dass man ein „Gemetzel“ unter den Polen aufgrund der Zwiespältigkeit zwischen Königstreuen und Malkontenten befürchtete. In einer Generalversammlung forderte man einen Prozess, der auch zur Verurteilung Jan Sobieskis führen sollte – doch war man sich ebenfalls bewusst, welchen wichtigen Bestandteil die Malkontenten in der polnischen Armee und Regierung darstellten, sodass ihre Verurteilung einen Ruin für die königlichen Truppen bedeuten würde.52 Auch eine gewisse Ehrfurcht nimmt Dönhoff einige Tage später wahr, da man sich zierte, auf Geheiß Michaels I. dem Krongroßmarschall zu befehlen, sich mit den königlichen Truppen in Lublin zu vereinigen, um eine Generalversammlung der Armee ermöglichen zu können. Er berichtet auch von kursierenden Gerüchten, denen zufolge die Truppen Jan Sobieskis sich mit den Malkontenten zu einer Gegenföderation zusammenschließen und sich die Rzeczpospolita gänzlich auflösen könnte.53 Friedrich von Dönhoffs Korrespondenz mit dem Großen Kurfürsten zeigt deutlich die Ängste des Adels vor Jan Sobieski und über eine mögliche Spaltung Polen-Litauens. Gänzlich andere Bedenken hatte Kaiser Leopold, der in seinem Votum über den Brief Friedrich Wilhelms vom 23. September folgende Meinung vertrat: Zu wünschen wäre es wohl, dass ein aufrichtiger Friede [mit Frankreich], je eher, je lieber erlanget und dadurch die christliche Potentaten mit einmüthiger Zusammensetzung und nachdrücklichen Ernst sich dem Erbfeind, welcher abermal die Vormauer der Christenheit angegriffen und sich einiger führnehmen Festungen und Lande in Polen bemächtigt, desto mehr widersetzen möchten.54
Noch zwei Monate nach dem Verlust von Kamieniec Podolski beschäftigte den Habsburger die Bedrohung Polens, Schlesiens und Ungarns durch die Osmanen, was für einen Frieden mit Frankreich spreche. Unter den Bedingungen, die er Ludwig XIV. stellen würde, gehöre für die Dauer des Krieges gegen die Türken auch eine jährliche Zahlung von 1.200.000 Livres an Polen.55 Eine Forderung, die völlig unrealistisch war. Die Bedrohung der Königreiche Polen und Ungarn schien in den Augen der Habsburger groß, doch die entsandten brandenburgischen Truppen kamen im Feld gar nicht zum Einsatz. Stattdessen machten Krankheiten, die schlechte Lebensmittelver-
52 53 54 55
Ebd. S. 1082 ff. UA, 12. S. 544 ff. Siehe den Brief vom 25. Oktober 1672 in: UA, 12. S. 546 f. Dazu Acta, II, 2. S. 1122 ff. UA, 14, 1. S. 608. Ebd. S. 609 und siehe dazu die FN ebd. von S. 615.
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sorgung und der Mangel an Geld dem Hilfskorps zu schaffen. Außerdem seien die Zustände im königlichen Lager katastrophal. Doch das sollte nicht die einzige Beobachtung des Obristen Dönhoff bleiben.56 Als im Oktober der Vertrag für einen vorläufigen Waffenstillstand mit den Osmanen in Buczacz unterzeichnet wurde, bereitete man sich auf die Rückkehr von Jan Sobieski mit seinen Truppen vor, was im königlichen Lager für Beunruhigung sorgte. Der brandenburgische Obrist berichtet, wie man dem Großmarschall wohlwollende Versprechungen bezüglich der Winterquartiere und einer großzügigen Bezahlung machte – Zugeständnisse, die Michael I. jedoch nicht genehmigen wollte.57 Ein Grund zur Einschüchterung war mit einem Brief des Krongroßhetmans gegeben, der nach den Anschuldigungen und der geforderten Verurteilung der Malkontenten sich darüber empörte und als Konsequenz verlangte, dass man nun die ganze unzufriedene Rzeczpospolita verurteilen müsse. Zu viel adliges und christliches Blut sei in den königlichen Provinzen geflossen und zu viel polnischer Boden verloren gegangen.58 Diesen Worten konnte Michael I. nichts entgegenhalten und er gestattete letztendlich die oben genannten Maßnahmen zur Versorgung der königlichen Armee. Jan Sobieski klagte erneut vor Bischof Andrzej Trzebicki über die Undankbarkeit, die man ihm und seinen Truppen entgegenbrachte, und dass ihm der König trotz der Not in den Grenzgebieten keine Verstärkung geschickt habe. Zur gleichen Zeit wurde von den Königstreuen in Lublin die Bitte an die Armee verfasst, dass der Großmarschall mit der gesamten Ritterschaft für die ganze Rzeczpospolita aus Liebe zum Vaterland gegen den Erbfeind kämpfen solle.59 Die Anklage gegen die Malkontenten wurde somit zunächst fallen gelassen. Aus Krakau erhielt Jan Sobieski Mitte November dennoch die Mahnung Andrzej Trzebickis, sich gemeinsam mit Primas Mikołaj Prażmowski mit dem König auszusöhnen, um einen inneren Zusammenhalt zu schaffen. Zudem kündigte er einen neuen Sejm für das Folgejahr an, dem der Krongroßhetman beiwohnen sollte. Besonders die Zusammenarbeit mit dem Kaiser empfiehlt der Krakauer Bischof in Hinblick auf die Bedrohung in Ungarn und macht Jan Sobieski darauf aufmerksam, dass Leopold I. mit dem Zaren, den Schweden und Brandenburg zur Bildung einer Liga verhandle, um dem polnischen Königreich zu helfen.60
56 UA, 12. S. 546; Eickhoff,Venedig. S. 278 f. 57 Siehe die Abfassungen des Vertrags in der Übersetzung von Kołodziejczyk, Dariusz: Ottoman-Polish Diplomatic Relations (15th–18th Century). An Annotated Edition of ‘Ahdnames and Other Documents. (The Ottoman Empire and its Heritage. Bd. 18). Leiden [u.a.] 2000. S. 494–514. Die Reaktion über den Vertrag des Königreichs mit der Hohen Pforte in: UA, 12. S. 547. Goess an den Kaiser, in: UA, 14, 1. S. 616 f. sowie im Theatrum Europaeum. Bd. 11. Frankfurt a. M. 1682. S. 80 f. 58 Acta, II, 2. S. 1098. 59 Ebd. S. 1119–1125; Wójcik, Jan Sobieski. S. 188. 60 Acta, II, 2. S. 1131–1136; Korzon, Dola i niedola. S. 299 f.
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Eine solche geplante Unterstützung seitens Habsburgs wollte Jan Sobieski nicht ablehnen, doch war er hinsichtlich der kaiserlichen Hilfe skeptisch. Er versicherte dem Bischof, dass er die Abdankung Michaels I. nicht zulassen würde, doch befürchte er, dass sowohl die Subventionen des Kaisers als auch die des Papstes lediglich dem König und seinen Anhängern zugutekämen.61 Trotz seiner Bedenken lenkte der Krongroßhetman offiziell zur Versöhnung mit Michael I. ein und bat schriftlich diesen sowie den Sejm in Lublin lediglich um Respekt für sich und seine Männer, die sich für die Rzeczpospolita opferten. Er befürwortete für das Wohl Polen-Litauens zudem die ausländische Verstärkung und schickte deshalb eine Instruktion für die Armee mit. Bei Michael I. kam dieses Schreiben alles andere als gut an. In seinem Antwortschreiben an Jan Sobieski betonte er, dass sämtliche Truppen lediglich ihm unterstünden und wertete demzufolge die Instruktion Jan Sobieskis als Bevormundung.62 Der Großmarschall war diese „fâcheuses affaires avec le Roy Michel“ und seinen Anhängern leid und wandte sich deshalb wieder an Frankreich, in der Hoffnung, etwas bewirken zu können. In seinem geheimen Brief an den französischen Außenminister Simon Arnauld de Pomponne bedauerte er die unerfüllten Bitten, die er zuvor Ludwig XIV. unterbreitet hatte. Er betonte, dass er nicht länger auf die Resolutionen Versailles warten könne, und hoffte, die Franzosen würden durch ihre Entsendung von Truppen Michael I. stürzen. Nach Jan Sobieskis Vorstellung sollten durch diese erhoffte Verstärkung nicht nur mehrere gegen den Kaiser gerichtete Ablenkungsmanöver in Ungarn und Schlesien möglich sein, sondern auch ein gegen den Großen Kurfürsten gerichteter Einmarsch in das Herzogtum Preußen und das brandenburgische Pommern. Um Pomponne von seiner Treue zu Frankreich und seinem Einfluss zu überzeugen, versicherte Jan Sobieski, dass seine Soldaten bereits für diese gegen das Heilige Römische Reich gerichteten Maßnahmen brennen würden.63 Bemerkenswert ist, dass sich diese genannten Versprechungen in seiner späteren Regierung wiederholen und noch eine wichtige Rolle für die außenpolitischen Beziehungen mit Frankreich spielen sollten. Weiter heißt es in Jan Sobieskis Schreiben, dass er sich bei einem darauffolgenden Interregnum die Frage stelle, welcher Kandidat nach Ludwigs XIV.Vorstellungen den polnischen Thron als Nächstes besteigen solle, und er diesbezüglich dringlich eine Antwort erwarte. Er setzte den Franzosen auch insofern unter Druck, als er die Möglichkeit andeutete, die Hilfe des Kaisers zu erbitten, um den polnischen König stürzen zu können. Hierbei schloss er nicht aus, dass dadurch der von Frankreich angefeindete Karl V. von Lothringen als Nächster die polnische Krone ergreife. Dazu 61 Acta, II, 2. S. 1131–1136. 62 Ebd. S. 1143–1153. 63 Ebd. S. 1161–1163.
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müsse Habsburg lediglich der Scheidung Eleonores von Michael I. zustimmen, die aufgrund der Sorge um die Sicherheit der Königin und deren eigener Verhandlungen mit den Malkontenten nicht abwegig sei.64 Auf der einen Seite bat er somit notgedrungen Frankreich um Hilfe, auf der anderen Seite schloss Jan Sobieski eine Kooperation mit Habsburg nicht aus – doch ging es ihm primär um das Wohl seines Vaterlandes. Gleichzeitig bezeugt dieser Brief auch die gefährliche Situation, in der sich die Rzeczpospolita befand – derer sich selbst der Kaiser bewusst war –, und die allgemeine Unzufriedenheit über die Regierung Michaels. Das Jahr 1672 endete somit in Zwietracht, die zunächst auch nicht beigelegt werden sollte.
3.2 Das Jahr 1673 vor dem Interregnum
Erleichtert, wenn auch geschwächt kehrten die brandenburgischen Truppen zurück in die Heimat und kamen am 29. November in Preußen an.65 Dazu steht im Schreiben von Joachim Scultetus, dass ihre Anwesenheit im Lager von Michael I. mehr zu dessen Schutz als für den Kampf gegen den „Erbfeind“ wahrgenommen worden war.66 Der Gesandte berichtet dem Großen Kurfürsten weiter, wie Primas Kazimierz Florian Czartoryski zu Jan Sobieski stehe und diesem zu einem Schulterschuss mit der polnischen und litauischen Armee rate. Zudem vermittelt er Friedrich Wilhelm den Eindruck, dass Michael I. die Eintracht in der Rzeczpospolita verhindere, obwohl selbst Kaiser Leopold ihn zur Mäßigung auffordere. Einen Bürgerkrieg wolle man allerdings nicht zulassen, zumal sich Jan Sobieski gegen jegliches Blutvergießen ausgesprochen haben soll. Auffällig für den brandenburgischen Berichterstatter sei auch, dass der Krongroßhetman in seinen Entscheidungen nicht unbefangen, sondern abhängig vom französischen Hof sei. Das sollte den Großkanzler Jan Lesczyński in seinen Überlegungen nicht davon abhalten, den amtierenden König absetzen zu wollen, „statum pristinum Reipublicae zu restituieren“ und Jan Sobieski „als Diktator“ die Alleinherrschaft zu überlassen.67 So erhoffe man sich, das lang ersehnte Ende des Konflikts mit den Türken, Tataren und Kosaken erreichen zu können. Es wäre hierbei die Aufgabe der Malkontenten, den Adel davon zu überzeugen.68 Von alldem nichts wissend, kümmerte sich stattdessen der Krongroßhetman Anfang des Jahres um neue Patente und um die Rekrutierung neuer Soldaten. Sein Ziel war 64 Ebd. Siehe auch HHStA, GSR 55, I. S. 21. Dazu Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 117–125; Hundert, Między buławą a tronem. S. 324; Przyboś, Michał Korybut. S. 173–176. 65 UA, 12. S. 549. 66 Ebd. S. 550. 67 Załuski, Epistolae, I, 1. S. 387 ff.; UA, 12. S. 548. Die Abhängigkeit Jan Sobieskis vom französischen Hof siehe in: Ebd. S. 551; Acta, II, 2. S. 1161 f. 68 UA, 12. S. 550 f.
3.2 Das Jahr 1673 vor dem Interregnum
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es, 12.000 Mann anzuwerben.69 Während folglich Jan Sobieski noch auf die Ordre des französischen Königs wartete, sahen andere in ihm den potenziellen polnischen Regenten. Insgesamt verschärften sich die Fronten zwischen Königstreuen und Malkontenten, zumal Jan Sobieski der Bitte des Krakauer Bischofs nicht folgte und der am 4. Januar 1673 eröffnete Sejm ohne den Krongroßmarschall stattfand. Letztgenannter ließ stattdessen eine Gegenversammlung mit dem wichtigsten Geistlichen der Rzeczpospolita, dem Erzbischof von Gnesen sowie sämtlichen ihm treuen Würdenträgern im 80 km westlich von Warschau gelegenen Łowicz einberufen. Es zeigte die Machtlosigkeit des Königs, der allein mit den übrigen Senatoren und Bischöfen über keine Kriegsmaßnahmen entscheiden konnte, weshalb man ihm dazu geraten hatte, auf die Ankunft der beiden Hetmane zu warten.70 Der litauische Großhetman Mykolas Pacas hatte bereits im November 1672 mit seinen Anhängern – darunter auch Jan Sobieskis Schwager Mykolas Radvila – einen offiziellen Treueschwur für Michael I. abgelegt und verstärkte so die Rivalität zwischen litauischer und polnischer Armee.71 Eindeutig wird hier der Zwiespalt und die sich anbahnende Konkurrenz der beiden wichtigsten militärischen Funktionäre des Königreichs Polens und des Großfürstentums Litauen erkennbar, die sich im weiteren Verlauf zuspitzen sollte. Die Abgrenzung von den Polen war auch in Warschau auffällig, da die anwesenden Litauer sich das Recht vorbehielten, jedem während einer Versammlung das Wort zu verbieten, solange er nicht den König persönlich begrüßt hatte – selbst dem Bischof von Krakau.72 Während man vor Ort über die Gegenversammlung der profranzösischen Partei unter Jan Sobieski diskutierte und über einen Prozess gegen die Malkotenten beriet, bat Andrzej Trzebicki in Anbetracht eines bevorstehenden Angriffs der Türken um Gnade für die Angeklagten; doch seinen Worten schenkte man keine Beachtung. Selbst Gesandte aus dem bedrohten Lemberg, die den König um Hilfe baten, wurden nach Łowicz verwiesen. Stattdessen verhandelte man darüber, inwieweit sich die Preußen am Krieg beteiligen könnten. Letztendlich konnte der Krakauer Bischof dem Ganzen nicht länger zusehen und reiste zur Gegenversammlung nach Łowicz, um beide Parteien zu beschwichtigen und auf eine Einigung hinzuwirken.73 Laut 69 Acta, II, 2. S. 1162, 1241. 70 Siehe den Brief von Andzej Kotowicz an Aleksander Lubomirski, in: Acta, II, 2. S. 1206; Hundert, Między buławą a tronem. S. 342. 71 Acta, II, 2. S. 1140 f.; Bobiatyński, Konrad: Michał Kazimierz Pac. Wojewoda wileński, hetman wielki litewski. Działalność polityczno-wojskowa [Michael Kasimir Pac. Wojewode von Wilno, litauischer Großhetman. Sein politisch-militärisches Wirken]. Warschau 2008. S. 277; Rhode, Ein Königreich ohne König. S. 259. 72 Acta, II, 2. S. 1166. 73 Ebd. S. 1164–1171.
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der Notizen des zusätzlich vom Warschauer Sejm geschickten Kastellan von Wilno, Andrzej Kotowicz, lag es weder im Interesse des Erzbischofs noch des Krongroßmarschalls, die Rzeczpospolita zu spalten – Jan Sobieski forderte vielmehr die Unterstützung des Königs, um seine Soldaten besolden zu können, und in gleicher Weise ein rechtschaffenes Verhalten aller Seiten. Trotz der bereits erwähnten Korrespondenz mit dem französischen Außenminister Simon Arnauld de Pomponne dementiert der Krongroßmarschall zugleich alle Vorwürfe, den amtierenden König stürzen zu wollen.74 Zur gleichen Zeit erhielt Friedrich Wilhelm von Brandenburg einen Bericht aus Königsberg vom königlich preußischen Residenten Ernst Bogislaw von Croy. Darin berichtet dieser dem Großen Kurfürsten von einer weitaus schlimmeren Haltung Jan Sobieskis zum amtierenden König. Der polnische Großmarschall solle nämlich geäußert haben, dass er eher sterben würde als Michael I. weiter als König zu tolerieren. Mit gewisser Sorge vernahm man wohl auch, dass der polnische Oberbefehlshaber eine Abneigung gegen die Interessen Friedrich Wilhelms hegte und Gerüchte in Polen-Litauen kursierten, denen zufolge der Zustand der brandenburgischen Armee kritisch sei.75 Wie Jan Sobieski zum Kurfürsten stand, sollte für Letztgenannten trotz der erhaltenen Briefe zu diesem Zeitpunkt unsicher bleiben. Die Ungewissheit über die Pläne der profranzösischen Partei hielt über einen Monat an. Erst Mitte Februar 1673 erreichte den Warschauer Hof die Nachricht, dass der Großmarschall in Begleitung des Erzbischofs zur polnischen Hauptstadt aufgebrochen war, um zu versuchen, die innenpolitischen Unruhen beizulegen und sich für die Verteidigung des Landes einzusetzen. So heißt es in einer von Jan Sobieski unterzeichneten Ankündigung aus Łowicz vom 12. Februar 1673, man wolle keinen anderen König, denn man habe bereits einen neuen, den man kenne und noch besser kennenlernen wolle.Vielmehr bestürzten ihn die in Wien und an anderen europäischen Höfen publizierten Nachrichten über die Ereignisse in Kamieniec Podolski, die den Ruf des polnischen Königreichs im Kampf gegen die Osmanen beschädigten; es müsse daher zum Ziel werden, den in Misskredit geratenen Ruf wiederherzustellen. Auffallend ist die letztgenannte Bitte an den Sejm, das Herzogtum Preußen, das nicht zum Königreich gehört, von den weiteren Kriegsvorbereitungen auszunehmen.76 Ein wichtiger Aspekt, der dafür spricht, dass Jan Sobieski im Sinne des Kurfürsten von Brandenburg gegen eine Rekrutierung aus Preußen war, und der im weiteren Verlauf eine Rolle spielen wird. Als der Krongroßmarschall samt Erzbischof Mikołaj Prażmowski und Gefolge aus Łowicz am 28. Februar 1673 in Warschau ankamen, war der Primas be74 Acta, II, 2. S. 1209 und 1222. 75 Ernst Bogislaw von Croy an Friedrich Wilhelm am 24. Januar 1673 in: UA, 12. S. 552. 76 Acta, II, 2. S. 1227 ff.; Hundert, Między buławą a tronem. S. 343 f.
3.2 Das Jahr 1673 vor dem Interregnum
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reits schwer an Tuberkulose erkrankt. Das löste nicht nur Bedauern, sondern auch Genugtuung bei den Königstreuen aus, die bereits ihren Anhänger, den Bischof von Kujawien, Kazimierz Florian Czartoryski, als potenziellen Nachfolger für das höchste Amt der polnischen Kirche betrachteten.77 Als Mikołaj Prażmowski kurz darauf starb, wurde Czartoryski auch tatsächlich zu seinem Nachfolger gewählt. Die profranzösische Partei hatte somit einen wichtigen Fürsprecher weniger und Jan Sobieski war in seinen Verhandlungen nunmehr auf sich allein gestellt. Während sich Mykolas Pacas darüber empörte, dass der Krongroßmarschall während der erhaltenen Audienz beim König nicht gebührend seine Ehrerbietung ausgedrückt habe, berichten andere Zeitzeugen, wie dem Krongroßhetman jedes Wort nach seinem Eintritt ins Zimmer von Michael I. verwehrt und eine persönliche Unterredung durch die Anwesenheit des litauischen Großkanzlers, Kristupas Zigmantas Pacas (poln. Krzysztof Zygmunt Pac), gänzlich verhindert wurde.78 In den darauffolgenden Kriegsberatungen entschuldigte Jan Sobieski seine Zurückhaltung während des Sejms vom vorherigen Jahr und bedauerte, dass sein aus Lemberg verschicktes Votum „in casum belli Turcici“ unberücksichtigt geblieben sei. Seine darauffolgenden Worte verleiteten Zbigniew Wójcik und Otto Forst de Battaglia dazu, den Großhetman als „Europäer“ zu bezeichnen.79 Der Grund dafür war Jan Sobieskis Aufforderung, alle christlichen Staaten für den Kampf gegen die Osmanen um Hilfe zu bitten, wobei besonders der moskowitische Zar und der römisch-deutsche Kaiser aufgrund ihrer eigenen Betroffenheit geeignete Ansprechpartner wären. Dass er auch Persien in das Bündnis miteinbeziehen wollte, zeugt von den geostrategischen Kenntnissen Jan Sobieskis, der dadurch den Feind weit im Osten binden und in einen Zweifrontenkrieg verwickeln wollte. Gleichzeitig erwog er, den vom Königreich abgefallenen Hetman Petro Doroschenko und die Krimtataren wieder auf die polnische Seite zu ziehen, um im beiderseitigen Interesse die ukrainischen Grenzgebiete vor der osmanischen Zerstörungswut gemeinsam schützen zu können. Bei der Aufzählung der verfügbaren Truppenkontingente nennt er auch das Kurland und Preußen, behält es sich jedoch vor, eine genauere Anzahl zu nennen.80 Sichtbar vorsichtig stellt der Krongroßhetman seine Überlegungen zur Aufstellung der polnisch-litauischen Armee vor und setzt in seiner Argumentation in erster Linie auf die konföderierende Eigenschaft des gemeinsamen christlichen Glaubens, um im gemeinsamen Interesse die Osmanen zu bekämpfen. 77 Acta, II, 2. S. 1184, 1190–1192. 78 Ebd. S. 1190, 1243 f. 79 Ebd. S. 1236–1241. Dazu Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 43.Wójcik bezeichnet diese nieder geschriebene Rede als „europäisches Memorial“ in: Ders., Jan Sobieski. S. 200–203. Zu der Nichtberücksichtigung des erwähnten Votums von Jan Sobieski siehe: Woliński, Z dziejów. S. 32. 80 Acta, II, 2. S. 1236–1240.
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3. Der Werdegang Jan Sobieskis in den Wirren seiner Zeit
Die Befürchtung, Jan Sobieski würde aus Eigeninteresse handeln, bestand zwar weiterhin, doch insgesamt sah man auf königlicher Seite über die formellen Zwistigkeiten hinweg, um ein gemeinsames militärisches Vorgehen gegen die Hohe Pforte in die Wege leiten zu können, da man den Vertrag von Buczacz nicht zu ratifizieren gedachte.81 Die Notwendigkeit, entsprechende Vorbereitungen zu treffen, war insoweit gegeben, als bereits im Februar der an der ukrainischen Grenze sitzende Kastellan von Czerniachowsk eine Nachricht der Osmanen erhalten hatte, dass man sich im Mai auf neue Gefechte gegen das Königreich Polen vorbereite und im Anschluss das Moskowitische Zarenreich und Habsburg zu schlagen beabsichtige.82 Somit schien eindeutig zu sein, dass Polen-Litauen nicht das einzige Ziel der türkischen Expansionsbestrebungen war. Das beabsichtigte Miteinander wirkte sich auch auf die Einstellung des Krongroßmarschalls zum Kurfürsten von Brandenburg aus. Joachim Scultetus berichtet im März, dass Jan Sobieski aus Respekt vor Friedrich Wilhelm die Zahlungsanweisung von Draheim zwar nicht zulassen wolle, sich allerdings durch die Armee und den Willen der Malkontenten dazu genötigt sehe.83 Die Starostei Draheim war seit 1668 im Pfandbesitz Brandenburgs und sollte von allen Kriegszahlungen ausgenommen sein. Das Ziel dieser erzwungenen Abgaben durch die Malkontenten war offensichtlich, einen Keil zwischen König Michael und Friedrich Wilhelm zu treiben. In der Korrespondenz der beiden wird sichtbar, dass sich der Kurfürst über die Assignation beklagte. Allerdings ging diese Beschwerde unter, denn von polnischer Seite erwartete man weiterhin eine erneute Unterstützung von Brandenburg.84 Eine Bitte, der sich selbst der königliche Großmarschall anschließen sollte. Erst Mitte April wurde das offizielle Einvernehmen in Polen-Litauen durch die von Michael I. unterzeichnete Verkündigung besiegelt. Darin wurde mit der sichtbaren Berücksichtigung der zuvor von Jan Sobieski angesprochenen Punkte die Aufforderung an den Krongroßmarschall formuliert,Verhandlungen mit den Kosaken und Tataren aufzunehmen, um möglichst einen Krieg zu vermeiden, beziehungsweise einen Frieden mit besseren Konditionen auszuhandeln. Darüber hinaus erhielt Jan Sobieski sämtliche Zugeständnisse für die militärische Aufrüstung in Lemberg, während die finanzielle Unterstützung durch externe Subsidien in die Wege geleitet
81 Ebd. S. 1243, 1254–1258;Woliński, Z dziejów. S. 56; Hundert, Między buławą a tronem. S. 334; Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 371. Hierzu ausführlich: Wierzbicki, Leszek Andrzej: O zgodę w Rzeczypospolitej. Zjazd warszawski i sejm pacyfikacyjny 1673 roku [Für das Einvernehmen in der Adelsrepublik. Die Warschauer Versammlung und der Pazifikationsreichstag im Jahr 1673]. Lublin 2005. 82 Acta, II, 2. S. 1235. 83 UA, 12. S. 552. 84 Ebd. S. 553; Acta, II, 2. S. 1214.
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wurde.85 Der Wiener Hof hielt sich zu dieser Zeit zurück; den Grund dazu gab der Tod der ersten Ehefrau Leopolds I., der 21-jährigen Kaiserin Margarita Theresa im Kindsbett.86 Sie gebar zwar zwei Söhne, allerdings überlebten diese nicht lange, weshalb bei den Habsburgern auch die Sorge um die Nachfolge auf den kaiserlichen Thron bestand. Den Habsburgern und den Hohenzollern galt ihr primäres Interesse dem Konflikt in den Niederlanden, wobei auch die türkische Bedrohung nicht außer Acht gelassen wurde: Im Mai unterhielt sich der brandenburgische Gesandte Lorenz Georg von Krockow am Wiener Hof mit dem Kaiser. Dieser versprach, eine Truppenverstärkung von 30.000 Mann für den Holländischen Krieg bereitzustellen. Gleichzeitig beschwerte sich der Habsburger über die langsamen Fortschritte aller Verbündeten hinsichtlich der künftigen Schritte in diesem Konflikt. Da von den Osmanen dieses Jahr allerdings keine Gefahr mehr auszugehen schien, müsse man sich auf den europäischen Kriegsschauplatz konzentrieren. Als ob Leopold I. schon Übles geahnt hätte, ermahnte er den Kurfürsten, ihm trotz der bisherigen Verzögerungen in Bezug auf den Niederländisch-Französischen Krieg treu zu bleiben.87 Doch genau dieser Loyalität hatte sich der Große Kurfürst eigenwillig entzogen. Friedrich Wilhelm entgegnete durch seinen Gesandten Krockow, dass er seine Truppen im Feld nicht länger hätte halten können und er deshalb am 8. Mai 1673 den Vertrag von Vossem mit Frankreich ratifiziert habe. Er betonte, dass er trotz des Separatfriedens mit den Bourbonen seine Truppen mit Rücksicht auf eine mögliche türkische Gefahr und der folglich nötigen Unterstützung Polen-Litauens nicht den Holländern schicken werde.88 Eindeutig dient die osmanische Bedrohung dem Großen Kurfürsten als Vorwand, um seine Soldaten zu behalten. Der in Berlin anwesende Baron Johann von Goess teilte dem Kaiser seine Hoffnung mit, dass eventuell auch Truppen aus diesem Grund Frankreich vorenthalten würden.89 Friedrich Wilhelm schickte währenddessen am 11. Mai 1673 erneut seinen Obristen als Gesandten ins polnische Königreich – zu Jan Sobieski. Friedrich von Dönhoff wurde instruiert, im Namen des Großen Kurfürsten dessen Freundschaft mit dem polnischen Großhetman zu beteuern und diesem zu sei-
85 Acta, II, 2. S. 1259 ff. und 1273. 86 Kaiserin Margarita starb am 12. März 1673 in Wien. Becker, Felix: Margarita Maria Teresa. In: Hamann, Brigitte (Hg.): Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon. Wien 32016. S. 450–452. 87 UA, 14, 1. S. 682. 88 Ebd. S. 683 f., 688. Urkunden und Actenstücke zur Geschichte des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Hg. v. Heinrich Peter. Bd. 3. Berlin 1866. S. 157. Über die Beweggründe Friedrich Wilhelms zum Vertrag von Vossen siehe Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 141–145. 89 UA, 14, 1. S. 701.
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nen bisherigen Erfolgen gegen die Türken zu gratulieren. Er bat um Jan Sobieskis Einschätzung, was Polen-Litauen vor der Hohen Pforte zu erhoffen oder zu befürchten habe und welche Defensivmaßnahmen vorgesehen seien. Dönhoff wurde außerdem aufgetragen, sich gegenüber dem Krongroßmarschall wegen der im Vorjahr erfolgten schlechten Behandlung der brandenburgischen Hilfstruppen durch den polnischen König zu beklagen, was Friedrich Wilhelm aber nicht davon abhalten werde, trotzdem wohlwollend erneut Verstärkung zur Verfügung stellen zu wollen. Als Gegenleistung solle der Krongroßhetman behilflich sein, das preußische Bürgerrecht, ius indigenatus, für die Söhne des Kurfürsten zu erwirken.90 Einen Monat später fand das Treffen zwischen Obrist Friedrich von Dönhoff und Jan Sobieski in Gniew statt. Laut der Relation des brandenburgischen Gesandten soll der Krongroßmarschall – nachdem er sich für die Glückwünsche bedankt hatte – gesagt haben, dass nach seiner Einschätzung die Türken in diesem Jahr nicht mehr angreifen würden. Auch wies Jan Sobieski darauf hin, dass seiner Meinung nach die Defensive in einem schrecklichen Zustand sei, woran er aber keine Schuld trage.91 Der polnische Großhetman soll sein Bemühen geschildert haben, dem König zu zeigen, dass er die Rzeczpospolita zu verteidigen versuche, doch Michael I. habe darauf nicht reagiert. Er beteuerte zudem, wie wichtig die brandenburgische Unterstützung sei, und betonte, dass es keine inneren Gegner des Königs gebe.Von der schlechten Behandlung des brandenburgischen Hilfskorps im Vorjahr wisse er nichts, hoffe aber, dass der Kurfürst „in seiner angeborenen Generosität“ dies verzeihen und der polnischen Krone helfen möge. Wegen des ius indigenatus werde er alles in die Wege leiten, Friedrich Wilhelm müsse nur jemanden nach Warschau schicken. Laut dem Bericht bedankte er sich beiläufig für die 100.000 Reichstaler und stellte Friedrich von Dönhoff ein Rekreditiv aus. Durch solch ein Verhalten vermittelte Jan Sobieski seinen weiter bestehenden Argwohn gegenüber dem polnischen König und erreichte damit, für sich jegliche Verantwortung für die Missstände zurückzuweisen. Es ist bemerkenswert, wie der Großmarschall laut dem Bericht des Obristen diplomatisch vorging, um die Truppenverstärkungen für Polen-Litauen zu erhalten. Offensichtlich ließ er sich für seine Dienste bezüglich des ius indigenatus auch gerne bezahlen. Sein Brief an den Kurfürsten ist hierbei deutlich nüchterner und beinhaltet lediglich, die genannten Wünsche zu respektieren und auch in Zukunft seine Dienstbereitschaft in der Erwartung gegenseitiger Treue zu versichern.92 Trotz der genannten
90 UA, 12. S. 554. 91 Siehe die Rechtfertigung vom 5. Juli 1673, in: Acta, II, 2. S. 1272. 92 Das Treffen fand am 10. Juni 1673 statt. UA, 12. S. 554 f. Friedrich Dönhoffs Bericht in: Acta, II, 2. S. 1268. Tadeusz Korzon sieht dieses Zusammentreffen weitaus kritischer und behauptet, dass Jan Sobieski gegen den Großen Kurfürsten sei, da er vorher bereits Pläne für einen Angriff auf Preußen geschmiedet hatte. Ders., Dola i Niedola. Bd. 3. S. 357.
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Zugeständnisse musste Jan Sobieski entgegen seinen Erwartungen93 lange auf die brandenburgische Zusage für weitere Hilfstruppen warten. Auf der anderen Seite wollte sich Friedrich Wilhelm im Juli vom Habsburger Gesandten Baron von Goess versichern lassen, dass der Kaiser sich bereit erkläre – in Anbetracht der vermeintlich wachsenden Türkengefahr –, das polnische Königreich zu unterstützen.94 Otto von Schwerin übergab hierzu ein Protokoll über das weitere geplante Vorgehen, erneut Truppenkontingente, wie bereits zuvor im Bromberger Vertrag 1657 vereinbart, mit einem zusätzlichen Monatssold für den Kampf gegen die Osmanen zu entsenden.95 Johann von Goess hatte die Aufgabe, den Großen Kurfürsten auf der kaiserlichen Seite zu halten, um einen möglichen Seitenwechsel in Richtung Frankreich zu verhindern.96 Er berichtet, wie zu alldem der französische Gesandte Louis Verjus in Berlin vorsprach und zugleich der polnische Gesandte Felicjan Morsztyn um weitere Unterstützung von Brandenburg bat. Daraufhin willigte Friedrich Wilhelm am 2. August 1673 ein, weitere Soldaten nach Polen zu schicken, wenn eine entsprechende finanzielle Unterstützung durch den Kaiser, den König von Schweden oder den moskowitischen Zaren folgen sollte.97 Laut den Angaben von Felicjan Morsztyn habe der Kaiser eine finanzielle Unterstützung von 100.000 Gulden versprochen.98 In Anbetracht der kaiserlichen Kriegsbeteiligung gegen die Franzosen in der Stärke von 30.000 Mann unter Graf Raimondo Montecuccoli im Frankenland erscheint diese Summe jedoch unrealistisch99 – aber gerade dieses vermeintliche kaiserliche Versprechen sollte im weiteren diplomatischen Verlauf noch an Bedeutung gewinnen. Festgehalten sei hier, dass eine Kriegsbeteiligung des Großen Kurfürsten in den Niederlanden vorerst ausgeschlossen wurde, nachdem der Separatfrieden durch den Vertrag von Vossem am 6. Juni 1673 zwischen Frankreich und Brandenburg ge93 94 95 96 97
Jan Sobieski an Andrzej Trzebicki, in: Acta, II, 2. S. 1272. UA, 14, 1. S. 709 f. Siehe dazu Anm. 7 in: Ebd. S. 710; Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 59. UA, 14, 1. S. 725. UA, 12. S. 557; Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 155. Seit dem 1667 geschlossenen Frieden von Andrusovo zwischen Polen-Litauen und den Moskowitern waren beide Mächte um eine Zusammenarbeit gegen die Osmanen und Tataren bemüht, die sich jedoch schwierig umsetzen ließ. Dazu mehr in: Wójcik, Zbigniew: Traktat Andruszowski 1667 roku i jego geneza [Der Vertrag von Andrussowo im Jahr 1667 und seine Genese]. Warschau 1959. 98 UA, 14, 1. S. 710. In der Forschung wird bei diesem kaiserlichen Versprechen einer solch hohen Geldsumme lediglich auf „Puffendorf, XI. § 107. S. 867“ verwiesen, dabei konnte jedoch keine passende Quelle gefunden werden. UA, 12. S. 558. Auch Tadeusz Korzon erwähnt diese 100.000 Gulden, ohne näher darauf einzugehen. Ders., Dola i Niedola. Bd. 3. S. 366. So auch Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 155; Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 90–93. 99 Zum Feldzug 1673: Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 145 ff.; Lynn,The Wars. S. 118– 122.
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3. Der Werdegang Jan Sobieskis in den Wirren seiner Zeit
schlossen worden war. In den darauffolgenden Verhandlungen ging Ludwig XIV. allerdings einen Schritt weiter und ließ durch seinen Gesandten Louis Verjus dem Großen Kurfürsten mitteilen, dass er den Frieden mit den Niederlanden wünsche. Sollte sich Leopold I. aus dem Reich zurückziehen, werde Frankreich sogar Unterstützung gegen die Türken nach Polen schicken. Ein taktisches Spiel, das le Roi-Soleil spielte, um durch die Vermittlung des Brandenburgers indirekt die Einmischung des Kaisers in den Krieg der Vereinigten Niederlanden zu verhindern.100 Auch wenn sich Friedrich Wilhelm nicht darauf einließ, zeigt es, wie man von französischer Seite die Situation Polen-Litauens ausnutzte, um dem Kurfürsten in Aussicht zu stellen, ihn von seiner Verpflichtung zur Türkenhilfe zu entlasten. Johann von Goess äußerte gegenüber Leopold I. seine Bedenken hinsichtlich Friedrich Wilhelm in Bezug auf eine realistische Hilfe für die Rzeczpospolita, auch wenn er „gute Sentimente“ bei diesem zu verspüren meinte.101 Noch im September handelte Felicjan Morsztyn mit dem Großen Kurfürsten die Punkte der weiteren Unterstützung aus, die mit den Subsidien des Kaisers102 gedeckt werden sollten – doch die 100.000 Gulden wurden nie ausgezahlt. Angesichts der Kriegsgeschehnisse zwischen Habsburg und Frankreich war man sich in Polen-Litauen bewusst, dass eine militärische Verstärkung von Leopold I. nicht zu erwarten sei.103 Der erst neu im polnischen Königreich eingeführte Nuntius Francesco Buonvisi berichtete Papst Clemens X., wie man von polnischer Seite in Wien um die Unterstützung der Habsburger warb und der Kaiser es in den Händen habe, über den Frieden zu entscheiden, aber sie letztlich doch von ihm im Stich gelassen würden. Abgesehen von dieser negativen Auffassung beobachtete der päpstliche Legat am Warschauer Hof den allmählichen Ausgleich zwischen Königstreuen und Malkontenten sowie die allgemeinen Bemühungen, einen Bürgerkrieg zu vermeiden. Nur so war es auch möglich, dass sich die polnische und die litauische Armee im Vertrauen auf Jan Sobieski und mithilfe weiterer kleiner Hilfstruppen – wie den übergelaufenen Walachen und Moldauern – gemeinsam den türkischen Truppen entgegenstellen könnten.104 Entgegen der bisherigen Einschätzung wurden 100 101 102 103 104
UA, 14, 1. S. 714; Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 145–153. Über die Neigung Frankreichs siehe Anm. 1 in: UA, 14, 1. S. 714. UA, 12. S. 559 f. Acta, II, 2. S. 1288. Ebd. S. 1290–1292; Wójcik, Jan Sobieski. S. 210. Trotz der Zweifel an der Loyalität der Moldauer, die um den Schutz der Polen gebeten hatten, vertraute man der Einschätzung Jan Sobieskis und ließ diese in ihren Reihen gegen die Türken kämpfen. Siehe Woliński, Z dziejów. S. 52 f.; Milewski, Dariusz: Hospodarowie, żołnierze i dyplomaci. Związki mołdawsko-polskie u progu wojny z Turcją (1671–1672) [Hospodare, Soldaten und die Diplomatie. Die moldauisch-polnischen Beziehungen an der Schwelle des Krieges mit den Türken (1671–1672)]. In: Ders. (Hg.), Marszałek i Hetman. S. 217–232. Bzgl. der Rolle Francesco Buonvisis siehe auch Wagner, Wojna polsko-turecka. Bd. 1. S. 323 f.; Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 364, 368.
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ab dem Spätsommer wegen der herannahenden Osmanen intensive Kriegsvorbereitungen an den südöstlichen Grenzen des polnischen Königreichs unternommen.105 Jedoch setzte der Wiener Hof zu dieser Zeit andere Prioritäten und erwartete stattdessen die Ankunft der neuen Kaiserin: Am 15. Oktober 1673 heiratete Leopold I. in Graz seine Cousine zweiten Grades, Claudia Felizitas von Österreich-Tirol.106 Die Bereitschaft des Großen Kurfürsten, trotz der fehlenden Gelder des Kaisers seine eigenen Truppenkontingente zu schicken, blieb bestehen. Die ganzen Vorkehrungen der Brandenburger in Preußen wurden erst in dem Moment gegenstandslos, als Polen-Litauen aufgrund der späten Jahreszeit und der vorgeschobenen „Unpässlichkeit“ des Königs auf das Hilfskorps verzichtete und stattdessen Subsidien forderte.107 Bereits zu Beginn seiner Abreise aus Warschau war Michael I. erkrankt. Während alle Vorkehrungen für einen militärischen Schlag in Chocim (Chotyn) vorbereitet wurden und selbst Jan Sobieski noch wenige Tage vor der Schlacht den Sejm um eine militärische Zusammenarbeit mit Leopold I. und anderen christlichen Fürsten gebeten hatte, hielt sich der polnische König auf Anraten des Krongroßmarschalls im knapp 300 km entfernten Lemberg auf, unfähig, selbst noch Entscheidungen zu treffen.108 Die an ihn gerichtete Bitte um weitere Subsidien lehnte Friedrich Wilhelm mit der Begründung ab, diese seien nicht Bestandteil der zuvor getroffenen Abmachungen gewesen; außerdem könne er sie in Anbetracht seiner leeren Kassen auch nicht aufbringen.109 Zwei Tage später erhielt der Große Kurfürst Nachricht über den Tod des polnischen Monarchen. Michael I. verstarb am 10. November 1673 bei Lemberg gegen 9 Uhr vormittags. Seine Frau, Königin Eleonore, war bereits aus Warschau abgereist, um während seines letzten Atemzugs an seiner Seite zu sein, doch schon bei Rawa-Ruska erhielt sie von einem Boten die Todesurkunde und sein Testament, womit sie „in lauter Thränen“ in die Hauptstadt zurückkehrte.110 Von Seiten des polnisch-litauischen Adels war die Anteilnahme für die junge Witwe groß. So rief Kazimierz Florian Czartoryski in seinem Dekret dazu auf, der verwaisten Königin nach den ersten Trost spendenden Worten Respekt zu zollen, und mahnte, im Wohlwollen für das 105 Über die militärischen Vorbereitungen: Wagner, Wojna polsko-turecka. Bd. 1. S. 339–362. Laut Tadeusz Korzon war Jan Sobieski erst ab dem 1. September 1673 zurück aus Warschau in Jaworiw. Ders., Dola i Niedola. Bd. 3. S. 375. 106 In der Forschung erklärte man die Zurückhaltung Leopolds durch die Situation in Ungarn. Wójcik, Jan Sobieski. S. 204; Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 364. Zur Eheschließung: Spielman, Leopold I. S. 71; Hye, Franz Heinz: Claudia Felicitas. In: Hamann (Hg.), Die Habsburger. S. 122 f. 107 UA, 12. S. 562. Dazu Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 59. 108 Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 383–388. 109 Acta, II, 2. S. 1311, 1319; UA, 12. S. 561 f. 110 Laut dem Bericht von Peter Ignaz von Stom vom 12. November 1672 in: HHStA, Polonica, I. 77. Siehe auch Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 420 f.
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3. Der Werdegang Jan Sobieskis in den Wirren seiner Zeit
eigene Vaterland zu handeln.111 Eleonore beschrieb in ihren Briefen, wie beispielsweise an ihren Bruder Leopold I. oder ihren Onkel, den Kurfürsten Johann Georg II. von Sachsen, den frühzeitigen Tod des polnischen Königs als höchstbetrüblich und bedauerte diesen „mit großer Wehmut und Herzensleid“. In den Schreiben bittet sie um Anteilnahme für den Verlust ihres Gemahls, denn „das Band unserer Liebe [wurde] höchstschmerzlich getrennt und damit zugleich ein großer Teil unseres Lebens“ genommen.112 Es sind Worte, die nicht die Annahme stützen, sie wäre in der Ehe unglücklich gewesen, noch dass sie laut den im Vorjahr niedergeschriebenen Worten Jan Sobieskis an Arnauld Simon de Pomponne aufgrund der gefährlichen Situation in der Rzeczpospolita eine Scheidung in Betracht gezogen hätte.113 Der kaiserliche Resident Peter Ignaz von Stom, der sich in der Umgebung der Königin befand, reagierte unverzüglich und schickte einen Eilboten nach Wien, der dem Kaiser zwei Tage später über den Vorfall und insbesondere von seiner Sorge wegen des Krongroßmarschalls berichtete, der gute Chancen auf den polnischen Thron habe.114 Der kaiserliche Resident beabsichtige, diesen auf „Schritt und Tritt“ zu verfolgen und sich mit dessen Anhängern zu unterhalten.115 Somit hatte Baron von Stom bereits am Totenbett Michaels I. geahnt, dass Jan Sobieski eine Schlüsselrolle für die kommende Wahl spielen würde.
111 BCzart. TN 171 (Mf. 7598). S. 520 f. 112 Eleonore schreibt, der König habe zwischen 9 und 10 Uhr im Totenbett liegend Abschied von dieser Welt genommen. Siehe dazu ihre Benachrichtigung vom 4. Dezember 1673 an den Kurfürsten von Sachsen in: SHStA, GR (10024), Loc. 09982/23. S. 3. Im Universal des polnischen Primas ist der Todeszeitpunkt zwischen 8 und 9 Uhr. BCzart. TN 171 (Mf. 7598). S. 514. 113 Siehe den bereits auf S. 59 f. erwähnten Brief in: Acta, II, 2. S. 1161–1163. 114 So im Bericht Peter Ignaz von Stoms vom 12. November 1672 in: HHStA, Polonica, I. 77. Dazu Korzon, Dola i niedola. Bd. 3. S. 430. Siehe auch HHStA, GSR 44. S. 129. 115 Bericht vom 12. November 1673 in: HHStA, Polonica, I. 77; Korzon, Dola i niedola. Bd. 3. S. 429 f., 460 f.; Załuski, Epistolae, I, 1. S. 554.
3.2 Das Jahr 1673 vor dem Interregnum
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Abb. 3: Frans Luycx, Friedrich Wilhelm (1620–1688) Kurfürst von Brandenburg, Kniestück, um 1650/51.
4. Die Wahl zum König unter dem Ruhmesmantel von Chocim
Im Bericht eines unbekannten Autors heißt es, dass in den frühen Morgenstunden des 11. November 1673 der königliche Großmarschall und -hetman bei Chocim1 von seinem Pferd absaß und Folgendes geschah: Allein mit seinem bloßen Schwert trat er vor seine Truppen und rief: Für die Liebe Gottes, für Glaube und Kirche, für das liebe Vaterland haben wir in Gott die Hoffnung, ihm tapfer nachzufolgen. Erst nach einem Pistolenschuss aus den Schützengräben stieg er aufs Pferd, und in diesem noch nie gehörten Mut und Streben sprangen die Regimenter auf, das halbe Lager des Feindes niederschießend und eroberten die Gräben.2
Jan Sobieski zeigte durch diesen persönlichen Einsatz, wie er nicht vom Pferd herab zu seinen Männern, sondern auf Augenhöhe – wie jeder andere Soldat – vor ihnen sprach. Er offenbarte vor ihnen seine eigene Vaterlandsliebe, die jeden Einzelnen zum Kampf anspornte, und teilte ihnen seine Überzeugung mit, durch Gottes Hilfe diese Schlacht gewinnen zu können, sodass seine Männer furchtlos ihren Gegnern entgegenritten. Die Verbindung dieser Gesten und Worte erfüllte ihren gewollten Zweck, da Jan Sobieskis Truppen als Einheit unerschrocken und tapfer die Schützengräben der Türken stürmten. Bereits am Todestag Michaels I. gelang es, durch einen Überraschungsangriff die osmanische Armee von 30.000 Mann unter Hüseyin Pascha unter Druck zu setzen und am darauffolgenden, dem St. Martinstag, während der Schlacht bei Chocim innerhalb weniger Stunden in die Flucht zu schlagen. Einen wichtigen Anteil an dem Erfolg sprach man hierbei der Schlagkraft der Husaren unter Dymitr Jerzy Wiśniowiecki und Andrzej Potocki zu. Ihr Einsatz hatte für den Gegner die fatale Folge, dass der Großteil der Osmanen bei dem Versuch, auf das andere Dnister ufer zu gelangen, um somit nach Kamieniec Podolski flüchten zu können, durch den 1 2
Zu Deutsch Chotyn, eine ukrainische Stadt am Dnister, in der Nähe der heutigen Grenze zu Moldawien und Rumänien. So heißt es im Original: „Sam z gołą szablą pieszo przed swoią partią idąc krzyczał: Aby dla miłości Bożey, dla wiary y kościołów, dla Oyczyzny miłey, w Bogu maiąc nadzieię, odważnie następowali. Dopiero na strzelenie z pistoletu od wałów wsiadł na konia; a w tym niesłychanie ochotnie y odważnie skoczyły Regimenty; w pół kwatery, wystrzelawszy nieprzyjaciela, wały opanowali.“ In: Acta, II, 2. S. 1323.
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Einsturz der Brücke in den Tod gerissen wurde. Nach dem Sieg wurde die Heilige Messe gefeiert und mit dem Te Deum abgeschlossen.3 Im verlassenen Zelt des besiegten Paschas schrieb Jan Sobieski, beginnend mit den Worten Dextra Domini fecit virtutem! – ähnlich wie es sich zehn Jahre später vor Wien in seinem Brief an die Kurie wiederholen sollte –, eine Zusammenfassung der Ereignisse an den Kronunterkanzler und Bischof von Kulm, Andrzej Olszowski, nieder. Seine Zeilen, die auch erstmalig in der europäischen Presse Nachhall finden sollten, sind geprägt vom Lobpreis an Gott.4 Weitere Parallelen zur Schlacht am Kahlenberg 1683 finden sich auch in Bezug auf die hinterlassene Habe der Türken und die darauffolgende Selbstbereicherung der polnisch-litauischen Truppen, nachdem zuvor Hunger und Not den Marsch nach Chocim beherrscht hatten. Der polnische Unterkanzler nahm mit größter Zufriedenheit den Bericht zur Kenntnis und kündigte dem Krongroßhetman an, dessen Dienste zum Wohl der Christenheit gebührend zu ehren.5 Eine deutsche Übersetzung des Briefes ließ am 13. Dezember 1673 Leopold I. seinem Vertrauten Graf Ferdinand Bonaventura von Harrach zukommen, der sich zu dieser Zeit als kaiserlicher Diplomat am spanischen Hof in Madrid befand. Bemerkenswert ist bei der deutschen Übersetzung, dass das hinterlassene Gut der Türken dem „Kriegsheer sub felicibus auspici[is] Ihrer Königlichen Majestät zuteil“ wurde und damit die Ergebenheit Jan Sobieskis gegenüber dem polnischen König bewusst hervorgehoben wird. Der Übersetzung beigefügt war ebenfalls ein Bericht, der, dem Titel zufolge aus mehreren Erzählungen zusammengefasst, viele Einzelheiten über die Schlacht beinhaltet. Beginnend am 9. November 1673 mit der Vereinigung der polnischen und litauischen Truppen, dem Anschluss der Moldauer am darauffolgenden Tag, die unter dem Schutz des Großmarschalls gegen die Türken mitkämpften, und dem Entschluss Jan Sobieskis, in Anbetracht des Mangels an Mann und Pferd den Sturm auf die Osmanen zu wagen. So endete die Schlacht an der Brücke über den Dnister durch den erfolgreichen Einsatz der Husaren unter dem litauischen Feldhetman Mykolas Radvila.6 Letztendlich lässt sich mit diesem beigelegten Bericht schließen, dass der Kaiser und der Wiener Hof bestens über die Geschehnisse vor Chocim informiert waren. 3 4
5 6
Ebd. Mehr Einzelheiten zur Schlacht in: Wagner, Wojna polsko-turecka. Bd. 1. S. 379–394; Eickhoff,Venedig. S. 269. Acta, II, 2. S. 1321–1324; Wójcik, Jan Sobieski. S. 210–212; Korzon, Dola i niedola. Bd. 3. S. 428. Der Brief findet sich auch in der europäischen Presse wieder. Theatrum Europaeum. Bd. 11. S. 378 f.; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 54. Acta, II, 2. S. 1357. HHStA, StAbt Spanien Diplom. Korrespondenz 54/2. S. 59 ff. Die Erzählung ist identisch vom Aufbau und Inhalt mit kleinen Abweichungen von der Version des unbekannten Autors in Acta, II, 2. S. 1322 ff.
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Welche Bedeutung man der Schlacht auch zweihundert Jahre danach noch beimaß, zeigt das Urteil des bedeutenden Militärwissenschaftlers Carl von Clausewitz, der den Sieg von Chocim als „unstreitig de[n] grösste[n] und schönste[n] der Edelsteine in der Siegeskrone Sobiesky’s“ beurteilte.7 Trotz dieses Erfolgs lag es nicht in der Absicht des königlichen Hetmans, in die Heimat zurückzukehren.Vielmehr wollte er die Gelegenheit nutzen, weiter den Osmanen nachzusetzen. Im Gegensatz dazu war das litauische Lager über das weitere Vorgehen in den Grenzgebieten zwiegespalten: Mykolas Kazimieras Radvila hielt seinem Schwager Jan Sobieski die Treue und blieb weiterhin samt seinem Regiment an dessen Seite, während Mykolas Pacas mit dem Großteil der litauischen Armee abzog. Janusz Woliński glaubt den Grund für dessen Abmarsch in der sofort auflebenden, von Neid geprägten Unlust im Herzen des Hetmans zu sehen.8 Wie weit der Neid tatsächlich reichte, wird noch zu zeigen sein. Zunächst ist festzustellen, dass die Begeisterung für den Krieg bei ihm erloschen war. Auch wenn die Türken vorerst besiegt wurden, so waren nach wie vor die allgemeinen militärischen Missstände nicht behoben; außerdem hatte der Winter bereits eingesetzt und viele Soldaten desertierten. Als einige Tage später die Nachricht vom Tod König Michaels I. eintraf, musste sich Jan Sobieski nach dem Abzug mehrerer Kontingente eingestehen, dass weitere militärische Operationen unmöglich seien.9 In seinem Schreiben an Primas Kazimierz Florian Czartoryski bat er, die Wahl eines neuen Königs zu beschleunigen, um im April mit der Armee wieder ins Feld ziehen zu können. Seine Einschätzung, es sei im Frühling 1674 ein erneuter Gegenschlag der Osmanen zu befürchten, wurde in der Forschung mehrfach von Militärhistorikern für richtig erachtet, da schließlich der Vertrag von Buczacz nicht ratifiziert und der Waffenstillstand nach den Gefechten vor Chocim bereits gebrochen wurde.10 Dem Glauben schenkend und gemäß seinen neuen Verpflichtungen als oberste Instanz zur Zeit des Interregnums11 verkündete der Erzbischof in seinem darauffolgenden Universal an die Magnaten und Senatoren die Einschätzung des Krongroßmarschalls und mahnte 7
Clausewitz, Carl von: Hinterlassene Werke über Krieg und Kriegführung des Generals Carl von Clausewitz. Bd. 10. Berlin 1837. S. 11; Wójcik, Jan Sobieski. S. 212. 8 Acta, II, 2. S. 1343–1346. Dazu Woliński, Z dziejów. S. 62, 101; Korzon, Dola i niedola. Bd. 3. S. 425. Konrad Bobiatyński beurteilt wiederum das Verhalten der Litauer als den Umständen gerechtfertigt. Ders., Michał Kazimierz Pac. S. 296. 9 Wagner, Wojna polsko-turecka. Bd. 2. S. 26 f. 10 Acta, II, 2. S. 1343; Woliński, Z dziejów. S. 65, 83; Wójcik, Jan Sobieski. S. 214. Das hatte zur Folge, dass die Zugehörigkeit der rechtsufrigen Ukraine weiter infrage gestellt wurde. Siehe auch Korzon, Dola i niedola. Bd. 3. S. 425–428; Wagner, Wojna polsko-turecka. Bd. 1. S. 397; Hundert, Husaria Koronna. S. 371. 11 Als Interrex übernahm der Erzbischof die Regierung bis zur Neuwahl des nächsten Königs. Zu den Institutionen und Verfahren während des Interregnums siehe: Augustyniak, Historia Polski. S. 69–73; Hirsch, Die Wahl. S. 235.
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aufgrund dessen zur zügigen Wahl, um im Frühling wieder kriegsbereit zu sein. In diesem offiziellen Schreiben brachte der Erzbischof zusätzlich sein Missfallen über den frühzeitigen Abmarsch der Litauer zum Ausdruck, auch wenn er es für sinnvoll hielt, dass der Krongroßmarschall mit seiner Armee ebenfalls nach Polen zurückkehre. Außerdem beschloss Kazimierz Florian Czartoryski, polnische Gesandte ins Ausland zu schicken, um für Unterstützung im Kampf gegen den „Feind der Christenheit“ zu werben. Wenige Zeilen später kündigte der Erzbischof auch an, dass nicht autorisierte Personen aus den Nachbarländern nicht über die Grenze gelassen würden und alle auswärtigen Gesandten zuerst bei ihm vorsprechen mussten.12 Eine solche Maßnahme während eines Interregnums in Polen-Litauen war üblich und nötig,13 um frei von jeglichem Einfluss entscheiden zu können, wer sich als neuer Thronfolger eignete – doch es gab mehrere Wege, dies zu umgehen: Leopold I. hatte bereits zuvor dem Erzbischof von Gnesen die geplante Gesandtschaft des Grafen Wolfgang von Öttingen angekündigt, der in seinem Namen seiner Halbschwester Eleonore und sämtlichen polnischen Magnaten und Senatoren sein Beileid ausrichten sollte. Gleichzeitig stellte der Kaiser der polnischen Königinwitwe zur Unterstützung bei den laufenden Staatsgeschäften seinen Diplomaten, Peter Ignaz von Stom, an die Seite. Damit hatte Leopold zwei autorisierte Berichterstatter am Warschauer Hof.14 Am 24. November 1673 wurden noch eine ganze Reihe weiterer diplomatischer Schreiben des römisch-deutschen Kaisers abgefasst, die Zeugnis darüber ablegen, welche Maßnahmen dieser für notwendig erachtete und welche Meinung er hinsichtlich Polen-Litauens vertrat. Einer dieser Briefe ging an Friedrich von Hessen-Darmstadt, der als Kardinal und Fürstbischof von Breslau in Rom die Interessen des Wiener Hofes vertrat. Darin instruiert Leopold I. ihn, die Kurie über den Tod seines Schwagers zu informieren, und betont zugleich, dass die Rzeczpospolita bislang eine bedeutende Rolle gespielt habe und berühmt für ihre Siege gegen die Türken sei. Der Kaiser selbst sei immer um Hilfe bemüht gewesen und kündigte auch für die Zukunft seine Bereitschaft zur weiteren Unterstützung an. Seiner Einschätzung nach schwebe durch den Tod seines Schwagers Polen- 12 So steht im Universal: „jakoby żołnierz WXLitt. niemiał okazji odrywać się ab operibus bellicis, y żeby na przyszłą wiosnę jako najporządniej wygotować się mógł.“ in: BCzart. TN 171 (Mf. 7598). S. 519 f. In Warschau wurde der frühe Abzug der Litauer scharf kritisiert. Ebd. S. 518–522. Das Universal wird auf den 5. November datiert. Hierbei muss es sich um einen Fehler handeln, da inhaltlich auf den Tod des Königs eingegangen wird, der erst am 10. November erfolgte. Höchstwahrscheinlich ist das richtige Datum der 5. Dezember 1673. Zu den polnischen Gesandten im Ausland:Woliński, Z dziejów. S. 73. Basierend auf der Relation von Stom an den Kaiser vom 1. Dezember 1673 in: HHStA, Polonica I, 77. Dazu: Hirsch, Die Wahl. S. 236 f., 247. Über die erzbischöflichen Verpflichtungen während des Interregnums: Augustyniak, Historia Polski. S. 69. 13 Zum Ämterkauf siehe auch Rhode, Ein Königreich ohne König. S. 233, 239. 14 HHStA, GSR 44, Fasz. 36, Pars. II. S. 141; Korzon, Dola i niedola. Bd. 3. S. 430.
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Litauen in großer Gefahr,15 weshalb der Papst seine Autorität durch ein Schreiben an den Sejm und durch dessen dortigen Nuntius Francesco Buonvisi am polnischen Hof nutzen solle, um eine zügige Königswahl durchzusetzen und so eine Invasion der Türken zu verhindern. Nur durch die innere Eintracht der Rzeczpospolita könne sich diese erfolgreich gegen die osmanischen Angriffe verteidigen. Im Gegensatz zu seiner eigenen Politik gab er indirekt – da er seine Ansichten durch Rom und den Nuntius am Warschauer Hof vermitteln ließ – den Polen den Rat, keinen Tribut an die Osmanen zu zahlen, da dadurch die Wahl verhindert werden und dem Königreich das gleiche Schicksal wie Transsilvanien drohen könnte.16 Leopold I. betont ebenfalls die Bedingungen, die ein neuer, der polnischen Krone würdiger König erfüllen müsse. Diese sollten als päpstliche Empfehlung weitergegeben werden: Der Kandidat müsse religiös, tugendhaft und der Rzeczpospolita ergeben und zudem Junggeselle sein, um des Kaisers Halbschwester Eleonore heiraten zu können.17 Nur mit einem solchen Mann könne erreicht werden, dass die Verteidigung gegen die Türken ermöglicht und die Einheit im Königreich wiederhergestellt werde, um es im ehemaligen Glanz wieder erstrahlen zu lassen. Nach erfolgter Darlegung seiner Meinung durch den Kardinal an die Kurie erwartete er eine schnelle Antwort, um daraufhin weitere Beschlüsse treffen zu können, bevor er selbst einen zu empfehlenden Kandidaten nennen würde.18 Leopold I. war sich offenbar bewusst, dass das Wort des Papstes für die katholischen Polen große Bedeutung hatte und selbst die Kritiker Habsburgs am Warschauer Hof, wie beispielsweise die Malkontenten, durch den päpstlichen Nuntius überzeugt werden könnten. Dem Ganzen verlieh der Kaiser noch Nachdruck, indem er seinem Gesandten, Wolfgang von Öttingen, 30 Kondolenzschreiben an 12 geistliche und 18 weltliche Senatoren und Magnaten auf den Weg nach Warschau mitgab. Darin drückt er den 15 Am 4. Dezember 1673 schreibt Baron von Goess an den Kaiser, dass eine eindringliche Gefahr aus Schweden, Polen und anderswoher zu erwarten sei. Der Wortlaut ist insinuando pericula a Suecia, Polonia et aliunde. In: UA, 14, 1. S. 734. 16 Über die tributären Staaten des Osmanischen Reiches, zu denen Transsilvanien im 17. Jahrhundert gehörte: Kármán, Gábor: Sovereignty and Representation. Tributary States in the Seventeenth-Century Diplomatic System of the Ottoman Empire. In: The European Tributary States of the Ottoman Emire in the Sixteenth and Seventeenth Centuries. Hg. v. Ders. [u.a.]. Leiden [u.a.] 2013. S. 155–185. 17 In der Forschung ging man bislang nur davon aus, dass die 20–jährige Königinwitwe lediglich deshalb mit dem neuen Thronfolger wiederverheiratet werden sollte, um nicht zwei Regentinnen versorgen zu müssen. Siehe Hirsch, Die Wahl. S. 228. 18 HHStA, GSR 44, I. S. 147 f. Mehr über Kardinal Friedrich von Hessen Darmstadt in: K öchli, Ulrich: Friedrich von Hessen-Darmstadt. In: BBKL. Bd. 23. (2004). Sp. 424–433; Ders.: Trophäe im Glaubenskampf? Der Konvertit und Kardinal Friedrich Landgraf von HessenDarmstadt (1616–1682). In: Die Jagd nach dem roten Hut. Kardinalskarrieren im barocken Rom. Hg. v. Arne Karsten. Göttingen 2004. S. 186 ff.
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hohen Würdenträgern sein Mitgefühl mit der darin enthaltenen Bitte aus, sich treu Eleonores anzunehmen und diese zu unterstützen.19 In gleicher Weise wurde der Graf von Öttingen instruiert, die für den Kaiser als relevant erachteten Kompetenzen eines potenziellen Nachfolgers auf den Thron dem polnisch-litauischen Adel nahezubringen.20 In den im Dezember schriftlich festgehaltenen päpstlichen Erwägungen zur Wahl des neuen Königs heißt es dann auch, dass man einen erwachsenen Fürsten empfehle, der umsichtig, kriegserfahren sowie wohlhabend sei und wenn möglich die Königinwitwe heirate.21 Aus vielen potenziellen Kandidaten aus Europa wurden der Franzose Louis II. de Bourbon, Fürst von Condé, der in Wien geborene kaiserliche Feldherr Karl V. von Lothringen und der Sohn des Großen Kurfürsten, Karl Emil von Brandenburg, vom polnisch-litauischen Adel favorisiert. Einige von ihnen erwogen auch den König von Schweden, die Herzöge von York, Lüneburg, d’Este von Modena und den Fürsten von Oranien als geeignete Thronfolger. Andere Stimmen unter ihnen nennen den Sohn des Moskauer Zaren, während man auch einen Piasten, insbesondere Krongroßmarschall Jan Sobieski, in Betracht zog. Im späteren Verlauf sollte auch über den Kurfürsten von Bayern und den Herzog von Neuburg diskutiert werden.22 Eine entscheidende Rolle bei der Auswahl spielte hierbei, welche europäischen Mächte die jeweiligen Kandidaten zusätzlich unterstützen würden. Der oben erläuterte Brief des Haburgers an den Kardinal von Hessen-Darmstadt legt Zeugnis darüber ab, dass die Wahl des eigens empfohlenen Kandidaten von Leopold I. wohlüberlegt und der Name Karls V. von Lothringen als kaiserlicher Günstling absichtlich nicht genannt wurde. Im November verfasste der lothringische Prinz schließlich selber einen Brief an den polnischen Primas, da dieser den größten Einfluss auf den Verlauf der Wahl hatte. Der kaiserliche General, dessen Onkel von Ludwig XIV. seines Herzogtums beraubt worden war, hatte in der Hoffnung auf Rang und Namen bereits 1669 für die polnische Krone kandidiert. In seinem Schreiben weist er darauf hin, dass „al gioco“ – also das Spiel um die Gunst des polnisch-litauischen Adels – seit der vergangenen
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HHStA, GSR 44, 36, Pars II. S. 143 ff. Ebd. S. 129–133. Acta, II, 2. S. 1348 ff. Ebd. Gemeint sind: Louis II. de Bourbon, Fürst von Condé (1621–1686), Karl V. Leopold von Lothringen (1643–1690), Karl Emil, Kurprinz von Brandenburg (1655–1674), Karl XI. von Schweden (1655–1697), James Stuart von York (1633–1701), Georg Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg (1624–1705), Wilhelm III. von Oranien-Nassau (1650–1702), Rinaldo d’Este (1655–1727) und der Moskauer Zarensohn Fjodor III. Alexejewitsch (1661–1682), Ferdinand Maria von Bayern (1636–1679) und Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg (1615– 1690). Die Namen der potenziellen Kandidaten variieren je nach Quelle.Vgl. Korzon, Dola i niedola. Bd. 3. S. 429; Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 89; Hirsch, Die Wahl. S. 229.
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Wahl von 1669 fortgesetzt werde. Sein Vorteil war die Liebe Eleonores, die sie seit ihrer Jugend am Wiener Hof für Karl von Lothringen hegte. Ihrer Neigung entsprechend, lag für den Prinzen die Vermutung nahe, dass ihre Hofdamen, die Ehefrauen der Magnaten, der Königinwitwe zuliebe, ihre Männer zu seinen Gunsten beeinflussen würden – was sich allerdings einige Wochen später als Irrtum herausstellen sollte.23 Hierbei konnte Karl von Lothringen der Versuchung nicht widerstehen und spielte sogar auf die Schwester des Erzbischofs an, die der polnischen Königin ebenfalls gut gesinnt sei. Er wisse zudem auch, dass Jan Sobieski lediglich einen Franzosen für die Thronfolge als geeignet betrachte, doch er könne wohl durch seine Frau Maria Kazimiera umgestimmt werden. Grund dazu hätte sie durch die Ablehnung der von ihr an Versailles gestellten exorbitanten Ansprüche,24 von denen sie auch in den Folgejahren nicht abrücken sollte. Mit dieser Argumentation versuchte der Herzog, in Hinblick auf seine einflussreiche weibliche Anhängerschaft, Kazimierz Florian Czartoryski als seinen Fürsprecher zu gewinnen. Zudem ließ der Lothringer eine Liste seiner Förderer am Wiener wie auch am Warschauer Hof erstellen, die dem kaiserlichen Residenten zugeschrieben wurde, als wäre diese im Auftrag von Leopold I. geschickt worden, um damit die Unterstützung des Wiener Hofs vorzutäuschen.25 Doch Karl V. erhielt keinen offiziellen Zuspruch, wie in den kaiserlichen Schreiben an den Lothringer deutlich wird. Darin wird der Herzog lediglich zur Einhaltung der vertraglich vereinbarten militärischen Präsenz aufgefordert und ein erfolgreicher Krieg gegen Frankreich nahegelegt, ohne auf die Wahl in Polen-Litauen einzugehen oder eine direkte Unterstützung anzubieten, um die polnische Krone zu erlangen. Noch war sich Leopold I. unsicher, ob sich sein Cousin tatsächlich eigne.26 Er wollte offensichtlich vermeiden, aufs falsche Pferd zu setzen und sich dadurch womöglich den neuen polnischen König zum Feind zu machen. Inoffiziell war jedoch der kaiserliche Diplomat von Stom beauftragt, den Prinzen heimlich
23 Siehe dazu Kap. 4.2. S. 127 f. Karl V. von Lothringen übernahm nach dem Tod seines Onkels im Jahr 1675 den Herzogtitel. Sein Onkel Karl IV. (1604–1675) hatte sich durch seine Kooperation mit dem Kaiser Frankreich abtrünnig gemacht und trat als Herzog zurück. Sein Bruder Nikolaus II. von Vaudémont (1609–1670) übernahm zeitweise den lothringischen Titel, gab deswegen seinen geistlichen Stand auf und heiratete seine Cousine. Sie mussten nach Wien fliehen, wo Karl V. geboren wurde. Hierzu mehr in: Schmidt, Hans: Karl IV. In: NDB. Bd. 11 (1977). S. 231–234. 24 Acta, II, 2. S. 1346 f. 25 HHStA, GSR 55, Pars I. S. 32. 26 Siehe den Brief vom 14. Januar 1674 in: HHStA, LHA, 96. Leopold I und Karl V. waren entfernte Vettern mütterlicherseits, da Leopolds Stiefmutter Eleonore die jüngere Schwester von Margarita Gonzaga, die wiederum Mutter von Claudia von Lothringen war. Wegen seiner Zweifel beriet sich der Kaiser am 25. November 1673 mit seinem Feldherren Raimondo Montecuccoli, unter dessen Befehl der lothringische Prinz stand. In: HHStA, GSR 36. S. 112.
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und in aller Behutsamkeit zu fördern.27 Der Kaiser versuchte anscheinend erneut, ein doppeltes Spiel in die Wege zu leiten, wie es bereits 1669 geschehen war. In Berlin erhielt Friedrich Wilhelm durch den kaiserlichen Diplomaten Johann von Goess die indirekte Nachricht aus Wien, dass Wolfgang von Öttingen unter dem Vorwand, der Königin zu kondolieren, nach Warschau geschickt wurde. Zunächst solle der Graf in der polnischen Hauptstadt herausfinden, wie man zu den anderen europäischen Adelshäusern stehe und welche Tendenzen man am dortigen Hof in Bezug auf die Thronfolge beobachten könne. Außerdem habe er nach Möglichkeit durchzusetzen, dass Eleonore mit dem neuen König verheiratet werde.28 Es lässt sich vermuten, dass diese Nachricht vom 29. November 1673 über den Grafen von Öttingen in Berlin den Zweck hatte, es Wien gleichzutun und ebenfalls eine Gesandtschaft aus Brandenburg zu schicken – und so geschah es. Da Friedrich Wilhelm von Königin Eleonore ebenfalls schriftlich über den Tod ihres Mannes unterrichtet worden war, schickte der Große Kurfürst nur wenige Tage später seinen erfahrensten Diplomaten, Johann von Hoverbeck, mit einem Kondolenzschreiben an den Warschauer Hof. Am 4. Dezember 1673 instruierte ihn Friedrich Wilhelm, er solle in Erfahrung bringen, wen Jan Sobieski als geeigneten Kandidaten für die Thronnachfolge erachte. Sollte Letztgenannter nicht persönlich in Warschau erscheinen, sollte er mit diesem vertraulich korrespondieren.29 Die Meinung des Krongroßhetmans war deshalb von Bedeutung, da – wie bereits erwähnt – des Kurfürsten 18jähriger Sohn, Karl Emil von Brandenburg, am polnischen Hof als Nachfolger in Betracht gezogen wurde. Friedrich Wilhelm war sich ganz offensichtlich klar darüber, dass die offizielle Unterstützung des erfolgreichen Militärs die Wahl entscheiden konnte. Seine Anerkennung für die militärische Kompetenz Jan Sobieskis vermittelte der Große Kurfürst durch ein Johann von Hoverbeck mitgegebenes Schreiben an den polnischen Großkanzler Jan Leszczyński. Darin heißt es, dass der Krongroßhetman einen glorreichen Sieg errungen habe und sich die Rzeczpospolita in einer ambivalenten Lage befinde, da man auf der einen Seite sich des Sieges über den „Feind der Christenheit“ erfreuen könne, auf der anderen den Tod des Königs betrauern müsse. Er kündigte außerdem an, dass er seine Truppen weiterhin bereithalte, um auch in Zukunft bei Bedarf militärisch gegen die Türken Unterstützung zu leisten – so wie er es bereits in der Vergangenheit getan habe.30 Diese Worte trafen während der heimlichen Unterredung des Krongroßkanzlers mit Johann von Hoverbeck sicherlich auf Zustimmung. Jan Leszczyński hatte – wie bereits gezeigt – schon zuvor über 27 HHStA, GSR 55, II. S. 3. 28 HHStA, GSR 44, II. S. 149. 29 Urkunden und Actenstücke zur Geschichte des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Hg. v. Ferdinand Hirsch. Bd. 19. Berlin 1906. S. 22, siehe hierzu auch Anm. 2. Weiter zitiert als „UA, 19.“ 30 BCzart. TN 171 (Mf. 7598). S. 529 f.; Hirsch, Die Wahl. S. 230–232.
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die dominante Rolle Jan Sobieskis berichtet, doch war es ihm nun in der Zeit des Interregnums, um jeglichen fremden Einfluss oder Korruption zu vermeiden, nicht gestattet, dem Kurfürsten zu antworten. Im Gegensatz zu der kaiserlichen Vorgehensweise, die Ablegaten vorher beim Primas anzukündigen, erfuhr der polnisch-litauische Adel von dem geheimen Zusammentreffen und bestrafte den Großkanzler vorerst mit übler Nachrede und der Beschlagnahmung der brandenburgischen Briefe.31 Baron von Goess hatte offensichtlich nicht erwähnt, dass eine solche Vorankündigung seitens Habsburg gemacht wurde. In Anbetracht des weiteren Verlaufs geschah dies wohl mit der Absicht des Kaisers, Brandenburg in ein schlechtes Licht zu rücken. In der Berichterstattung für Leopold I. war primär von Interesse, ob Jan Sobieski die Absicht verfolgte, sich selbst die polnische Krone aufs Haupt setzen zu lassen. Um dies herauszufinden, hatte Baron von Stom eine geheime Kontaktperson unter den Vertrauten des Großmarschalls, möglicherweise dessen Sekretär, der wiederum im November 1673 einen kurzen Bericht über die Lage in Lemberg verfasste.32 Darin erzählt dieser, wie man aus angeblichem Respekt scheinheilig Anteilnahme über den Tod König Michaels heuchele, sich aber in Wahrheit darüber freue. Der Herzog von Lothringen habe zwar viele Neider, doch beim Klang lothringischen Geldes lasse sich dies voraussichtlich ändern. Über eigene Ambitionen von Jan Sobieski auf den polnischen Thron wisse man vor Ort bisher nichts. Stattdessen würden noch am selben Tag die Instruktionen Frankreichs erwartet, nachdem man Ludwig XIV. über den neuen Stand der Dinge unterrichtet hatte. Dass es sich hierbei um Spionage im Auftrag des Kaisers handelt, ist naheliegend, empfiehlt sich doch der Verfasser, unter einem Decknamen über weitere Ereignisse in Zukunft zu berichten.33 Der Krongroßmarschall hatte in der Zwischenzeit mehrere Verteidigungsmaßnahmen in den Grenzgebieten und die Positionierung der verbleibenden Befehlshaber auf unterschiedliche strategische Stützpunkte im heutigen ukrainischen Stryj vorgenommen, bevor er selbst im Sinne des Erzbischofs nach Lemberg zurückkehrte.34 31 HHStA, GSR 55/42, I. S. 18. Weiterhin wurde Johann von Hoverbeck mit der Unterstützung des Kurprinzen beauftragt. Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 100. 32 So schreibt der Baron selbst in einem privaten Brief an den Kaiser vom 3. Januar 1674 über Nachrichten aus Lemberg von Jan Sobieskis Sekretär, in: HHStA, GSR 55/42, II. S. 18. Ob es sich hierbei um Geronimo Pinocci handelt, scheint wegen dessen vorheriger Kontakte mit Habsburg naheliegend. Zumindest gehörte der Italiener zu Jan Sobieskis nächsten Vertrauensmännern. Dazu Wagner, Pisma wojskowe. S. 236; Ders., Wojna polsko-turecka. S. 12; Targosz, Karolina: Jan III Sobieski mecenasem nauk i uczonych [Jan III. Sobieski als Mäzen der Wissenschaften und der Gelehrten]. Warschau 2012. S. 98–100. 33 HHStA, GSR 55/42, I. S. 31.; Korzon, Dola i niedola. Bd. 3. S. 430. 34 Korzon, Dola i niedola. Bd. 3. S. 437, 464–467. Siehe auch die Briefe an Mykolas Radvila und Aleksander Lubomirski in: Acta, II, 2. S. 1401–1412. Woliński, Z dziejów. S. 67–70. Der Primas will laut seinem Universal vom 5. November 1673, dass Jan Sobieski und seine Truppen aus den Grenzgebieten zurückkehren. In: BCzart. TN 171 (Mf. 7598). S. 522.
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Abgesehen von seiner Spionage wandte sich Leopold I. auch offiziell in Form eines Kondolenzschreibens an Jan Sobieski. Wie bereits erwähnt, wurden Wolfgang von Öttingen mehrere solcher Briefe an die polnischen Senatoren und Magnaten mitgegeben. Bei den recht ähnlich gehaltenen Trauerbekundungen an Klerus und Adel weicht die Ausfertigung für die militärischen Machthaber jedoch inhaltlich ab. Der kaiserliche Gesandte wurde eindringlich instruiert, die zweifache Ausfertigung jeweils an den königlichen und litauischen Großhetman weiterzugeben sowie sämtliche mündliche Anliegen stets identisch zu halten, um beide gleichwertig zu behandeln und jeglichen Neid zu verhindern.35 Neben der darin enthaltenen Trauerbekundung über den Tod des Königs und der dadurch labilen Lage der Rzeczpospolita beteuert Leopold I. in der Hoffnung, der Großhetman werde sich gut um die Königinwitwe kümmern, diesem sein Vertrauen. Gleichzeitig bat er ihn, möglichst schnell nach Warschau zurückzukehren, um Eleonore mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und so die Ordnung im Land sicherzustellen.36 Tadeusz Korzon zufolge antworteten sämtliche polnische und litauische Würdenträger auf das kaiserliche Kondolenzschreiben. Lediglich Jan Sobieski soll empört über den imperialen Brief gewesen sein und nicht darauf reagiert haben. Er lässt jedoch den Abschlussbericht des Grafen von Öttingen außer Acht; darin heißt es, dass nicht alle auf das kaiserliche Schreiben geantwortet hätten.37 Den Grund für Jan Sobieskis Empörung begründet Tadeusz Korzon mit den Worten Barons von Stom, der nach Wien berichtete, dass sich der Großmarschall wegen der im Kondolenzschreiben verwendeten Ausdrücke hortari (= ermahnen) und requirere (= verlangen) in Bezug auf seine geforderte Rückkehr beschwerte. Nicht einmal Königin Eleonore habe sich jemals in ihren Briefen an ihn solch scharfer Worte bedient.38 35 HHStA, GSR 44, II. S. 131. Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 47. Über die Anfänge und Fortdauer der Rivalität zwischen dem polnischen und dem litauischen Großhetman siehe: Bobiatyński, Michał Kazimierz Pac. S. 26. 36 So heißt es im Original: Unde ad contestandam, qua in vos ferimur, singularem fiduciam vobis praelibatuam Serenissimam Reginam Poloniae Dominam Sororem nostram Charissimam, omni meliori modo commendare, simulque vos benigne ac impense requirere (!) et hortari (!) voluimus, ne in hoc rerum curriculo Eidem, vel Regno deesse, sed potius impedire velitis, ne Regnum quid detrimenti capere possit. In: HHStA, GSR 55, I. S. 30. 37 HHStA, GSR 44, II. S. 169. 38 Der von Tadeusz Korzon erwähnte Brief vom 3. Januar konnte nicht gefunden werden, lediglich jener vom 6. Januar 1674 in: HHStA, GSR 55, I. S. 18. Er verweist auf die im Brief vom 3. Januar vorkommenden Begriffe hortari und machinationibus die Jan Sobieski zu der Annahme verleitet haben sollen, Leopold I. sehe ihn als Unruhestifter. Im Brief vom 6. Januar worden jedoch die Begriffe hortari und requirere vom Baron aufgeführt. Außerdem vermerkt Tadeusz Korzon, dass der Krongroßmarschall in einem Brief aus Lemberg vom 9. Februar 1674 an Friedrich von Dönhoff verspricht, auf das kaiserliche Schreiben und das des Großen Kurfürsten noch antworten zu wollen. Diese Quelle aus dem HHStA war leider nicht auffindbar. Ders., Dola i niedola. Bd. 3. S. 430 f.
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Der Großmarschall hielt dem kaiserlichen Residenten die ungleiche Behandlung am Beispiel des höflicheren Wortlauts im Brief des Wojewoden von Reußen vor. Diese scheinbare Ungerechtigkeit soll Jan Sobieski sogar im Königreich publik gemacht haben; sie ist in Anbetracht der weiteren Anschuldigungen von politischer Relevanz. In einem öffentlichen Beschwerdebrief heißt es, dass der Kaiser wegen der verhinderten Verhandlungen mit der Hohen Pforte für den Türkenkrieg verantwortlich gewesen sei. Außerdem habe Leopold I. nie die Absicht besessen, die in Aussicht gestellten 100.000 Reichstaler zur Finanzierung der brandenburgischen Hilfstruppen zu zahlen. Durch die zusätzlich erwähnten Verhandlungen der Königin im Jahr 1672 mit den Malkontenten spielte der Krongroßmarschall die Schwächen aus, die laut Stom als Bedrohung für die innenpolitische Eintracht wahrgenommen wurden.39 All dies, um den kaiserlichen Einfluss auf die polnisch-litauische Politik in ein schlechtes Licht zu rücken. Nach der bislang mäßigen Unterstützung des Kaisers bei den militärischen Operationen gegen die Türken war Jan Sobieski laut einem Brief an Aleksander Michał Lubomirski der Überzeugung, dass lediglich Frankreich in der Lage sei, das Königreich mit Waffen, Geld und Leuten hinreichend zu unterstützen. Aus eigener Kraft habe man weder genug finanzielle Mittel noch zum Kampf gewillte Soldaten, um einen langwierigen Krieg führen zu können. Weiter heißt es, dass Lubomirski in seinem Namen am Konvokationssejm in Warschau teilnehmen solle, um die Wahl zu beschleunigen. Der Großmarschall war nach seinen eigenen Worten der Auffassung, dass die Osmanen an der Donau überwintern würden. Er selbst plane bei Lublin die verfügbaren Kontingente für den kommenden Januar zusammenzuführen, weil er keine Notwendigkeit sehe, der Konvokation persönlich beizuwohnen.40 Die Meinung Jan Sobieskis über Frankreich sollte sich jedoch in der noch folgenden Berichterstattung als nicht stringent erweisen. Über den brandenburgischen Residenten in Warschau, Christoph Wichert, erhielt Friedrich Wilhelm die Nachricht, dass man auf den Rat von Jan Sobieski höre, die Wahl zu beschleunigen, und folglich dessen militärische Einschätzung wichtig nehme.41 Sein Einfluss war groß und ließ auch bei Johann von Hoverbeck die leise Vorahnung wachsen, dass die beiden Großhetmane mit dem Gedanken spielen würden, selbst zu kandidieren.42 Seine Befürchtung bestätigte sich teilweise im Gespräch vom 18. Dezember 1673 mit Jan Gurszynski, dem Starost von Stargard aus Podlachien. Offiziell wurde Hoverbeck versichert, dass Jan Sobieski nicht die Absicht habe, den 39 HHStA, GSR 55, I. S. 19 ff. Vgl. die oben genannten Verhandlungen in Kap. 3.2. S. 70. Anm. 114. 40 Acta, II, 2. S. 1353 f.; Rhode, Ein Königreich ohne König. S. 264. 41 UA, 19. S. 24. 42 Ebd. S. 21. Jan Sobieski hatte zu dieser Zeit noch keine Ambitionen auf den polnischen Thron. Hirsch, Die Wahl. S. 234.
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Königsthron zu besteigen. Die Ritterschaft von Podlachien werde aber wohl für den Krongroßhetman stimmen, auf den Bischof von Krakau und die Armee könne dieser ebenfalls zählen. Im weiteren Gespräch verriet der Starost auch, dass sich Jan Sobieski siegessicher in Bezug auf den aktuellen Gegner zeige und durch einen Frieden mit den Osmanen die ganze polnisch-litauische Ritterschaft von sich überzeugen wolle. Der Grund für sein Drängen auf eine möglichst zügige Wahl solle darin liegen, seinen durch den Sieg von Chocim erlangten Ruhm für sich zu nutzen, bevor dieser durch eine Niederlage schwinden könnte. Die einzigen Hürden würden die Königin und die litauischen Pacas darstellten, ansonsten sei es durchaus möglich, dass man dem Großmarschall die Krone antrage. Jan Sobieski solle sich zudem zieren, die jungen französischen Kandidaten als geeignet anzuerkennen, da der Große Condé sehr hitzig und eigensinnig, dessen Sohn Henri d’Enghien unfähig sei, und folglich gedachte, den 20-jährigen Prinzen von Vendôme vorzuschlagen, den man noch beeinflussen könne.43 Den als Habsburger Kandidaten wahrgenommenen Karl V. von Lothringen würde Jan Sobieski auf keinen Fall unterstützen, da der Kaiser den Großmarschall geringschätzig behandelt habe. Darüber hinaus unterrichtete Jan Gurszynski den brandenburgischen Gesandten darüber, dass zum Schaden des Großen Kurfürsten seine nach Elbling entsandte preußische Schwadron Dragoner vom dortigen Stadtverwalter als Vorwand benutzt wurde, um polnische Unterstützung einfordern und das Gerücht verbreiten zu können, dass Brandenburg feindliche Absichten gegen PolenLitauen hege. Johann von Hoverbeck berichtete, dass dies zugunsten von Jan Sobieski sei, der schon lange nach dem königlichen Preußen trachte.44 Zeilen, die den Großen Kurfürsten wohl nicht erfreut haben, schmälerten diese kursierenden Gerüchte doch die Chancen für seinen Sohn auf den polnischen Thron. Geradezu lästig muss Friedrich Wilhelm wiederum die zwei Wochen vorher eingetroffene Post des Prinzen von Lothringen gewesen sein. Um möglichst viele Fürsprecher am polnischen Hof zu haben, bat Karl V. den Kurfürsten von Brandenburg um dessen Unterstützung während der Wahl und schloss damit indirekt eine Kandidatur des Kurprinzen aus.45 Pfalzgraf Philipp Wilhelm von Neuburg machte es dem Lothringer mit gleicher Erfahrung bei den vorherigen Wahlen nach und verfasste am 30. Dezember 1673 ebenfalls einen Brief an den Großen Kurfürsten. Darin erwägt er lediglich Jan Sobieski als möglichen Konkurrenten und erwähnt hierbei den verdienten Ruhm des Krongroßmarschalls, den dieser sich durch die 43 Louis II. Joseph de Bourbon, Herzog von Vendôme (1654–1712). Andererseits heißt es, dass der Große Condé zu alt sei und als verheirateter Mann nicht infrage komme. Außerdem sei dieser wegen der letzten Wahl beleidigt und zeige kein Interesse. Hirsch, Die Wahl. S. 230. 44 UA, 19. S. 24 f.;Vgl. Acta, III, 1. S. 3.; Hirsch, Die Wahl. S. 230, 234. Über die Angst einer Gefährdung Elblings durch den Großen Kurfürsten siehe: Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 90 f. 45 UA, 19. S. 20; Hirsch, Die Wahl. S. 233.
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Schlacht bei Chocim erworben hatte. Der Neuburger ging davon aus, dass Jan Sobieski „nicht gern wieder einen Nationalen über [sich] würde wohl herrschen sehen“ wollen, dieser jedoch durch seine Ehe mit Maria Kazimiera als Kandidat außer Frage stehe. Da der Pfalzgraf auf französischer Seite keinen geeigneten Thronanwärter sehe, empfiehlt er seinen ältesten Sohn, den knapp 16-jährigen Johann Wilhelm, und bittet um brandenburgische Fürsprache in Warschau.46 Durch die Bedingung, die königliche Witwe zur Frau nehmen zu müssen, schien vorerst der Großmarschall außen vor zu stehen, jedoch geben nur wenige Quellen darüber Auskunft, welche Erwartungen Jan Sobieski zu dem Zeitpunkt an seinen zukünftigen König hatte – mit folgender Ausnahme: Im Rahmen eines Schreibens an den Erzbischof schilderte der polnische Großmarschall seine Einschätzung zur Situation im Königreich, das am 29. Dezember 1673 im Lubliner Sejm verlesen wurde. Darin rühmte er den seit langer Zeit ersehnten Sieg der Armee beider Nationen und wies daraufhin, dass die Osmanen in Anbetracht des kürzlich erhaltenen Schreibens Mehmets IV. an König Michael keinen Frieden suchten, sollten die vereinbarten Zahlungen an die Hohe Pforte nicht eingehalten werden. Sobald die Nachricht über den Tod des polnischen Königs auch Konstantinopel erreichen würde, bestünde umso mehr die Bedrohung, dass des Sultans Armee im Frühjahr 1674 nach Polen-Litauen einmarschiere.47 Jan Sobieski empfahl deshalb, einen kriegserfahrenen Nachfolger zu wählen, der im Sinne der Rzeczpospolita entscheiden, den Wohlstand zurückbringen und den Feind einschüchtern könne.48 Eigenschaften, die er selber besaß – lediglich das nötige Geld fehlte ihm hierzu. Laut Baron von Stom betrachtete man seine Worte als Zuspruch für den militärisch erfahrenen Feldherrn Condé, der mit französischen Geldern das Königreich retten könne.49 Der Großmarschall mahnte, wie bereits erwähnt, keine Zeit zu verlieren und die Wahl zu beschleunigen. Auch Bischof Andrzej Trzebicki unterstützte eine zügige Prozedur, damit der neue König bereits im April 1674 die Armee anführen könne.50 So viel auch weiterhin über die Absichten des Großmarschalls spekuliert wurde, geben doch seine privaten Briefe Anlass zu der Annahme, dass er in aufrichtiger Sorge um das Wohl des Königreichs war. Bereits an Heiligabend 1673 hatte er seine Befürchtungen seiner Schwester Katarzyna mitgeteilt, dass man aus privaten Un46 UA, 19. S. 29; Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 101. 47 Orig. in:AGAD,AKW Tureckie. Nr. 34100. Siehe auch die übersetzten Briefe von Mehmed IV. in: BCzart. TN 171 (Mf. 7598). S. 511, 571. Als Enkel des Kastellans und Wojewoden von Lublin, Marek Sobieski, soll jener Landtag für Jan Sobieski von besonderer Bedeutung sein. Rhode, Ein Königreich ohne König. S. 263. 48 Acta, II, 2. S. 1354–1356; Hirsch, Die Wahl. S. 235. 49 HHStA, GSR 55, I. S. 17 f. 50 Acta, II, 2. S. 1356; Woliński, Z dziejów. S. 87.
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stimmigkeiten während der Wahl dem Allgemeinwohl und dem Vaterland schaden könnte.51 Aus dem bereits geschilderten Treffen mit Obrist Friedrich von Dönhoff geht eindeutig hervor, dass er ebenfalls brandenburgische Gelder entgegennahm52 und gleichzeitig finanzielle Unterstützung von Frankreich forderte. Er aber handele seines Erachtens zugunsten der Rzeczpospolita, was er anderen Würdenträgern nicht zutraue. Diese negative Einschätzung der Magnaten und Senatoren in Warschau teilte auch Wolfgang von Öttingen in seinem Abschlussbericht an Leopold I. Entgegen der bisherigen Meinung, die dem Kronunterkanzler Andrzej Olszowski und dem polnischen Schatzmeister Jan Andrzej Morsztyn eine profranzösische Haltung unterstellte, zeigten sich beide den kaiserlichen Diplomaten gegenüber überraschend wohlwollend. Die Vermutung ist naheliegend, dass sich beide für ihre Fürsprache zugunsten Habsburgs kaiserliche Subsidien erhofften. Wobei anzumerken ist, dass der Unterkanzler in Bezug auf den „unnötigen Krieg“ zwischen Frankreich und dem Römischen Reich auch Kritik übte, da man Christenblut gegen Christenblut vergießen würde, anstatt gemeinsam die Osmanen zu bekämpfen.53 Zudem war es für Peter Ignaz von Stom auffällig, dass man durch Korruption das Wohlwollen des Adels erkaufen könne, der „teils aus Not, teils für sich selbst sehr begierig“ nach Geld frage.54 Um an dieser Stelle einen Gesamteindruck über die Meinung am Warschauer Hof zur Wahl und Jan Sobieski vor dem Konvokationssejm zu erhalten, lohnt sich der folgende Blick auf die Briefe Barons von Stom an den Kaiser. Nach dem Landtag55 (sejmik) in Lublin berichtete der kaiserliche Gesandte über 51 52 53
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Acta, II, 2. S. 1358. Zur Position Jan Sobieskis gegenüber dem Ämterkauf: Rhode, Ein Königreich ohne König. S. 239. Siehe rückblickend Kap. 3.2. S. 66. HHStA, GSR 44, II. S. 167. Auf der anderen Seite heißt es bei Kamieński, dass der Schatzmeister ein Befürworter der Hohenzollern war. Siehe Ders., Polska a Brandenburgia. S. 91. Es ist davon auszugehen, dass die gute Gesinnung Morsztyns gegenüber Stom wegen der Intentionen Brandenburgs seinen Anfang nahm. Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 48 f. Nach der Aussage von Krystyn Matwijowski sei Morsztyn auf die Gelder der Nachbarländer aus, wobei hier einzuwenden ist, dass explizit weder Brandenburg, Danzig noch Habsburg im Diarium genannt wurden.Vgl. Ders.: Pierwsze sejmy z czasów Jana III Sobieskiego [Die ersten Sejmversammlungen zur Zeit von Jan III. Sobieski]. (Prace Wrocławskiego towarzystwa naukowego. Bd. 187). Breslau 1976. S. 21 mit Kluczycki, Franciszek (Hg.): Dwa Diariusze seymów Warszawskich w r. 1674 odprawionych [Zwei Diarien zum Warschauer Sejm im Jahr 1674]. Krakau 1881. S. 10; Vgl. Woliński, Z dziejów. S. 120–125. Über die schwierige wirtschaftliche Lage Polen-Litauens siehe auch: Rhode, Ein Königreich ohne König. S. 270 f. HHStA, GSR 55, I. S. 4 f. Die Woiwodschaften Polens wurden in sogenannten Landtagen vom Adel selbst verwaltet. Hierbei konnten in einer Woiwodschaft in verschiedenen Städten mehrere Landtage einberufen werden. Nach dem Beispiel von Maria Rhode wurden 1569 bei den 19 polnischen Woiwodschaften 44 organisierte Landtage gezählt. Dies., Der Adel. S. 242. Weiterführend: Kriegseisen, Wojciech: Sejmiki Rzeczypospolitej szlacheckiej w XVII i XVIII wieku [Land-
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die Absicht des polnischen Adels, die Wahl nur in Anwesenheit von Jan Sobieski, dessen Anhängern und der Armee in Warschau zu vollziehen.Wie im Jahr 1669 sollten durch den Krongroßmarschall und die Gegenwart von dessen Truppen Druck auf die Wahl des neuen Königs ausgeübt werden. Peter Ignaz von Stom berichtet weiter, dass Jan Sobieskis erlangter Ruhm durch den Erfolg von Chocim entgegen seiner Erwartung keine Euphorie ausgelöst habe, denn auf dem Landtag in Lublin sei darüber „nichts Positives geredet worden.“ In der Forschung wurde diese fehlende Wertschätzung der Landtagabgeordneten beispielsweise von Zbigniew Wójcik bemängelt. Besonders deshalb, weil die hohen Würdenträger nicht den Großhetman als Sieger anerkannten, sondern meinten, der Sieg sei allein durch Gottes Hilfe erreicht worden.56 Jan Sobieski soll hingegen einen von ihm und seinen Anhängern unterschriebenen Brief an Ludwig XIV. vorbereitet haben, in dem er offiziell um Protektion für die Rzeczpospolita und um die Stellung eines Kandidaten bittet. Dieser Brief sollte auch dem Primas vorgelegt und von diesem unterschrieben werden. Königin Eleonore hatte jedoch genügend Einfluss, um solches zu verhindern. In Bezug auf Karl von Lothringen wird in dem Bericht betont, dass dank der Spionagetätigkeit in Lemberg „die Hoffnung nicht ganz zu verlieren sei“. Der Baron befürchtete jedoch, dass Jan Sobieski den Fürsten von Condé dem Herzog nur zum Vorwand als Gegenkandidat präsentierte. Damit würden nach Meinung des kaiserlichen Gesandten sich wie bei der letzten Wahl die beiden Parteien gegenseitig ausspielen und Jan Sobieski in die Hände arbeiten, der dadurch zum Zuge kommen würde.57 Eine geradezu prophetische Vermutung, die der Baron bereits Anfang Januar 1674 niederschrieb und die sich letztendlich auch bewahrheitete. Doch damit endet Peter Ignaz Stom nicht. Leopold I. erfuhr ebenfalls von der Absicht des Adels am Warschauer Hof, einen Kandidaten zu wählen, der als Vermittler zwischen ihm und Frankreich fungieren könne, nämlich den brandenburgischen Kurprinzen, Karl Emil.58 Dem schloss sich der Baron an und schlug dem Kaiser vor, entweder den Prinzen von Brandenburg oder den von Dänemark offiziell als Kandidaten dem Franzosen Condé entgegenzustellen, während Karl von Lothringen ohne fremde Unterstützung als Dritter lediglich durch sein Geld und seine Soldaten der „betrübten Republik“ imponieren und dadurch auf den Thron gelangen könne. Sollte wider Erwarten einer der in seinen Augen chancenlosen Prinzen gekrönt werden, wäre die profranzösische Partei ohnehin ausgespielt und die Königin, die persönlich Karl V. von Lothringen favorisiere, bliebe durch diese Verbindung Polen-Litauen erhalten sowie das Mächteverhältnis in Europa gewahrt.
tage Polen-Litauens des 17. und 18. Jahrhunderts]. Warschau 1991. 56 Korzon, Dola i niedola. Bd. 3. S. 422; Wójcik, Jan Sobieski. S. 213. 57 HHStA, GSR 55, I. S. 18–22. 58 Hirsch, Die Wahl. S. 238.
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Den Erhalt der Krone solle der Wiener Hof auch durch den Heiligen Stuhl absichern lassen, während Eleonore um die Unterstützung der polnischen Bischöfe werbe. Jan Sobieski würde weiter beschattet und dessen Absichten durch mehrere Funktionäre erforscht werden.59 Nach der ernüchternden Reaktion auf das kaiserliche Kondolenzschreiben, den als gefährlich erachteten Vorwürfen von Jan Sobieski und den mäßig erfolgreichen Beschwichtigungen des Barons bei dessen Anhängerschaft empfahl Peter Ignaz von Stom, den in Breslau wohnhaften Grafen, Christoph Leopold Schaffgotsch, als weiteren Vermittler zu schicken.60 Während Letztgenannter sich bereits auf die Reise nach Warschau vorbereitete, verinnerlichte man in Wien sowohl den Bericht des Barons als auch das in Lublin vorgelesene, für den Kaiser übersetzte Schreiben von Jan Sobieski.61 Darüber hinaus wurden zwei Berichte vom 22. und 25. Dezember 1673 aus Lemberg dem Schreiben Peter Ignaz von Stoms beigefügt, aus denen eindeutig die Erwartung des Kosakenhetmans, Petro Doroszenko, einer baldigen türkischen Unterstützung hervorgeht. Stutzig macht hierbei der Vermerk, dass nach der Untersuchung einer Kommission die königlichen Güter auf eine Millionenhöhe geschätzt werde und die Geistlichen davon einen Großteil der Armee anbiete. Diese wolle jedoch jegliches Geld nur für die Rationen annehmen und fordere stattdessen bei der Konvokation dreimal mehr Stimmrecht.62 Damit aber erhielte die Armee einen größeren Machteinfluss auf die Wahl, was insbesondere dem Oberbefehlshaber der königlichen Truppen zugutekäme. In einem weiteren Schreiben drängt der Baron darauf, erneut Briefe an die polnischen Magnaten und Bischöfe zu schicken und dabei den in den Kondolenzschreiben verwendeten Terminus fidelitus (= Treue) auszulassen, um dem Adel keinen weiteren Grund zur Empörung zu liefern und damit er rechtens und anerkanntermaßen im Königreich verbleiben dürfe. Er äußerte schließlich, dass die profranzösische Partei gemäß der erzbischöflichen Anordnung darauf plädieren könne, dass sich keine ausländischen Minister während des Konvokationssejms im Königreich aufhalten dürfen. Mit den neu verfassten Schreiben aber habe er einen Vorwand, länger bleiben zu können.63 Positiv verzeichnete er hingegen den Ausgang des litauischen Landtags in Grodno, der Zeugnis über die Loyalität der Litauer für 59 60 61 62
HHStA, GSR 55, I. S. 22–24. Das private Schreiben von Stom in: HHStA, GSR 55, II. S. 18. HHStA, GSR 55, I. S. 17. Ebd. S. 27 f. So heißt es wortwörtlich im Bericht von Lemberg vom Dezember 1673: „Die Comission hat sich auch geendiget, und sind die Königl. Gütter auf eine million und hundert tausend geschätzet worden. Die herren Geistlichen haben sich erbotten fünfmahl hundert und vierzig tausend zugeben; aber die armee nimmt dieses alles nur ad rationem an, und will auf der Convocation eine instanz auf dreymahl mehr, allß vorm Jahr thun lassen.“ In: HHStA, GSR 55, I. S. 35. 63 Ebd. S. 4–6.
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das Haus Habsburg ablege. Baron von Stom hegte die Hoffnung, dass sie contraria officia zu Jan Sobieski und dessen Anhang stehen würden. Er rate deshalb dem Kaiser zu notwendigen Schenkungen (donationes), um deren Gunst aufrechtzuerhalten. Es sei schließlich üblich, dass man für das Engagement der Litauer und deren Stimme eine gewisse summa zahlen müsse. Der Bericht des Barons endet mit den in Warschau eingetroffenen Nachrichten über die Geschehnisse in den Grenzgebieten, in denen es heißt, die Tataren seien mithilfe der Kosaken am Dnister beim Dorf Theina geschlagen worden. Aus diesem Grund lasse sich Jan Sobieski für seine Abwesenheit beim Konvokationssejm entschuldigen.64 Diese Briefe sind insofern bemerkenswert, als sie zeigen, wie Peter Ignaz von Stom die Lage einschätzte. Leopold I. veranlasste daraufhin 31 neue Schreiben an weltliche und geistliche Magnaten, darunter – trotz der ausstehenden Antwort Jan Sobieskis – jeweils ein Schreiben an die beiden Großhetmane. Der Kaiser erwiderte dem Baron in seinem Brief, wie erleichtert er sei, dass der Krongroßmarschall nicht an der Konvokation teilnehmen solle, und sah es als ersten diplomatischen Erfolg, dass sämtliche Landtage in Polen-Litauen der polnischen Königin wohlgesonnen seien. Seinen Residenten, der die Befürchtung äußerte, durch die profranzösische Partei ausgewiesen zu werden, beschwichtigte der Habsburger mit dem Hinweis, dass ihm dies als Assistent der Königinwitwe bei den laufenden Staatsgeschäften kaum widerfahren werde.65 Der dem kaiserlichen Antwortschreiben beigefügte Brief an Jan Sobieski war sichtlich inspiriert von dessen Kundgebung in Lublin, wo er zum Schutz Polen-Litauens vor dem Osmanischen Reich aufgerufen hatte. So beginnt das Schreiben Leopolds I. in der sicheren Annahme, dass die Kondolenz bereits zur Kenntnis genommen wurde. Der Kaiser äußert in ihm jedoch keine weitere Kritik, auch nicht darüber, dass Jan Sobieski nicht nach Warschau gereist war, um seiner Schwester zur Seite zu stehen. Er betont stattdessen erstmalig, dass die bisher geleisteten Verdienste des Großhetmans „hochberühmt“ seien und von ihm, der Königinwitwe und der ganzen Rzeczpospolita hochgeschätzt würden. Er setzt den Krongroßmarschall auch darüber in Kenntnis, dass Baron von Stom ihm durch seine regelmäßige Korrespondenz ein sehr positives Bild über ihn verschafft habe, und lobt daher seinen Eifer zum Wohl des Königreichs. Die Bemühungen um die innere Eintracht solle Jan Sobieski fortführen, da er dadurch bereits das Vertrauen des Kaisers gewonnen habe. Aus diesem Grund bitte er ihn nachdrücklich, die Königin von Polen mit dem gleichen Eifer und seiner starken Autorität zu unterstützen, um standhaft allen auswärtigen Bedrängnissen entgegentreten zu können. Leopold I. versichert dem Krongroßhetman, dass Eleonore ihm für seinen Beistand ein unvergänglich positives Gedenken und dankbares Herz entgegenbringen wer64 HHStA, GSR 55, I. S. 4–6. 65 Ebd. S. 14 und 45.
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de. Seine Dienste für die Königinwitwe würden Jan Sobieski mit Gunst bewiesen und kaiserlichem Wohlwollen vergolten.66 Dies zeigt einerseits deutlich den Versuch, die von Peter Ignaz von Stom angesprochene Kränkung wiedergutzumachen; andererseits, dass der Habsburger trotz seiner Kenntnis von des Krongroßmarschalls profranzösischer Einstellung gute Miene zum bösen Spiel machte, um Jan Sobieski mit allen Mitteln Ludwig XIV. abspenstig zu machen und ihn letztendlich auf seine Seite zu ziehen. Wie der Kaiser zum Vorschlag Barons von Stom zur Unterstützung des Prinzen von Brandenburg stand, geht aus einem weiteren Brief nach Rom an Kardinal Friedrich von Hessen-Darmstadt hervor. Letztgenannten setzte Leopold I. darüber in Kenntnis, dass man auf polnischer Seite die Wahl des Fürsten von Condé in Erwägung ziehe. Dem Ganzen wird hinzugefügt, dass das Gerücht umgehe, man versuche, vom Heiligen Stuhl die Scheidung des Franzosen von seiner Frau durchzusetzen, damit dieser die Königin von Polen heiraten könne. Ein solches Unterfangen heiße er selbstverständlich nicht gut, quod summum scandalum Religioni Catholicae imo ipsi Christianitati causaret.67 Mit allen Mitteln wird der französische Feldherr schlechtgemacht. So heißt es, er sei ein Greis, von Krankheiten geplagt und fast am Lebensende. Aus diesen und anderen Gründen sollten der Kurienkardinal Paluzzo Paluzzi Altieri degli Albertoni und sonstige einflussreiche Würdenträger den Papst dazu veranlassen, die Polen von solch einer Wahl abzubringen.68 Ohne Namen zu nennen, habe er ebenfalls erfahren, dass ein polnischer Bischof dem Gesandten des Großen Kurfürsten die Wahl seines Sohnes in Aussicht stelle. Hierbei spiele die Religion keine Rolle und der Kurprinz wäre nach seiner Konvertierung als neu erwählter König lediglich zum Besuch der Heiligen Messe verpflichtet, ohne aufrichtig den katholischen Glauben verinnerlichen zu müssen. Solche ihm zu Ohren gekommenen Aussagen beurteile der Kaiser als skandalös. Entgegen jeglicher Empfehlung Barons von Stom heißt es in dem Schreiben eindringlich, dass nach Ansicht des Kaisers die Wahl eines solchen Häretikers vom Papst durch den instruierten Nuntius Francesco Buonvisi verhindert werden müsse.69
66 BUW, Rkps. Nr. 1957. S. 130 f. Im HHStA wird ebenfalls vermerkt, dass der Brief vom 14. Januar 1674 an Jan Sobieski und Mykolas Pacas adressiert wurde. HHStA, GSR 44, 36, III. Nr. 5. S. 8. 67 HHStA, GSR 44, II. S. 1. 68 Ebd. 69 Ebd. S. 1 f. So auch bei Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 48 f. Über die damit befürchtete Verschiebung des Machtgefüges in Europa durch die Wahl des Kurprinzen: Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 92 f. Weiter heißt es bei Kamieński, dass der Kaiser sich Ende 1673/ Anfang 1674 zwischen der Kandidatur Brandenburgs oder Lothringens entscheiden musste, um die Wahl eines Franzosen zu verhindern. Jedoch ist diese Auffassung in Anbetracht der kaiserlichen Briefe hinfällig. Ebd. S. 96. So auch Woliński, Poselstwo. S. 144, 146.
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Eindeutig zeigt Leopold I. damit dem Heiligen Stuhl seine Abneigung gegenüber dem protestantischen Kurfürsten und schließt vor der Kurie jegliche Unterstützung für dessen Sohn aus. Offiziell bleibt der Kaiser jedoch den Hohenzollern wohlgesinnt und lässt wenige Tage später, nämlich am 10. Januar 1674, eine Instruktion nach Berlin zu Baron von Goess schicken, um den Kurfürsten hinsichtlich der polnischen Krone für Karl Emil zu vertrösten.70 Friedrich Wilhelm war sich bewusst, dass es seit der Lubliner Union 1569 die essentielle Voraussetzung gab, einen Katholiken zum polnischen Regenten zu wählen. Aus diesem Grund würde der protestantische Karl Emil nur nach seiner Konvertierung infrage kommen.71 Ein Konfessionswechsel war jedoch für den Großen Kurfürsten ausgeschlossen, weshalb er sich nach dem kaiserlichen Schreiben veranlasst sah, seine Unterstützung für Karl von Lothringen anzukündigen. Am gleichen Tag instruierte er seinen Gesandten Lorenz Georg von Krockow für dessen Entsendung an den Wiener Hof. Ihm wurde aufgetragen, Leopold I. mitzuteilen, dass Friedrich Wilhelm von nun an den kaiserlichen Favoriten unterstütze; allerdings sei hinlänglich bekannt, dass der Herzog von Lothringen bereits bei der Wahl 1669 eine starke polnische Opposition gegen sich hatte. Er wolle nun erfahren, wie der Kaiser für Karl V. zu werben gedenke und auf welche Weise Brandenburg handeln könne. Habsburg solle von ihm auch erfahren, dass des Pfalzgrafen ältester Sohn ebenfalls infrage komme und man ihn deshalb bereits von unterschiedlichen Höfen um seine Unterstützung gebeten habe. Daraus stelle sich ihm die Frage, welchen Nutzen die Förderung der Wahl des kaiserlichen Kandidaten für ihn mit sich bringe. Auch in den weiteren Verhandlungen in Bezug auf den Holländischen Krieg zeigte sich der Große Kurfürst um die Gunst des Kaisers bemüht; er verlangte allerdings klare Perspektiven für eine gute Zusammenarbeit.72 Friedrich Wilhelm begann somit, sämtliche Möglichkeiten abzuwägen, um möglichst viel Nutzen aus der Wahl zu ziehen. Die Kandidatur Karl Emils von Brandenburg war jedoch noch längst nicht ausgeschlossen, denn die Gunst Jan Sobieskis sollte im kommenden Verlauf sowohl für Hohenzollern als auch für Habsburg von Bedeutung sein. Ergänzend seien an dieser Stelle zwei Briefe von Clemens X. an die beiden Hetmane erwähnt, jeweils auf den 10. Januar 1674 datiert. Der Papst schrieb an den Litauer Mykolas Pacas recht förmlich, er solle die Wahl mithilfe seines Nuntius, Francesco Buonvisi, möglichst schnell befördern. Er teile ihm seine väterliche Sorge mit und äußere sein Vertrauen in den litauischen Hetman, den er mit seinem apos70 Siehe Anm. 3. In: UA, 14, 1. S. 738. 71 UA, 19. S. 20. 72 UA, 19. S. 32. Urkunden und Actenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Bd. 13. Politische Verhandlungen. Hg. v. Reinhold Brode. Berlin 1890. S. 616 ff. Weiter abgekürzt als „UA, 13.“
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tolischen Segen belohne. Der zweite Brief war weniger förmlich gehalten; in ihm lobte der Pontifex Jan Sobieski für seinen Sieg über die Türken. Auch bat er den Krongroßmarschall um dessen Unterstützung für eine rasche Wahl, betont dessen Autorität als strenuus Dux, derer er sich zum Wohl von Vaterland und Glauben bedienen solle. Unter einem neuen König solle er erneute Ruhmestitel für die Rzeczpospolita erhalten, wie den bereits jüngst erworbenen, und für seine weitbekannten Mühen und seine Tapferkeit gegen die Feinde des Königreichs mit der Siegespalme belohnt werden. Er empfahl ihm ebenfalls seinen entsandten Nuntius, dem er Glauben schenken dürfe, und nennt ihn dilecte Fili, dem er von ganzem Herzen seinen apostolischen Segen schenke.73 Darin wird verdeutlicht, dass die Kurie sich auch der Autorität und des Einflusses des Großmarschalls auf die gesamte Politik und vor allem auf die Wahlentscheidung bewusst war. Doch anders als der Kaiser versuchte der Papst, sich die Gunst des Großmarschalls durch den Hinweis auf dessen Taten zu erwerben. Diese ungleiche Behandlung der beiden Großhetmane sollte nicht ohne Folgen bleiben. Seitens des polnischen Adels versuchte man zwar, einen würdigen Kandidaten für die Königinwitwe zu wählen, doch laut einem erneuten Bericht sah sich Baron von Stom allmählich dazu veranlasst, die von ihm gewonnenen Anhänger des Großmarschalls zu beauftragen, Jan Sobieski für Königin Eleonore zu gewinnen, da beide eine große Popularität genossen.74 Durch einen Vertrauensmann fand er heraus, dass der vom Krongroßmarschall instruierte Generalmajor, Ernest Denhoff,75 in Warschau eingetroffenen war, und traf sich mit diesem, um mehr über die Einschätzung des polnischen Großhetmans bezüglich der kommenden Wahl zu erfahren. In diesem Gespräch stellte sich heraus, dass Jan Sobieski keine Nachricht aus Frankreich in Lemberg erhalten haben solle, und dass der Fürst von Condé die Krone ablehne. Dem polnischen Feldherrn sei wohl bewusst, wie schwierig es für einen Franzosen werden würde, diese zu erlangen. Die Prinzen Conti und Soissons seien ebenfalls nicht durchzubringen,76 deswegen sollte Ernest Denhoff seinen Anhängern am Hof mitteilen, dass der Krongroßmarschall dem Kurprinzen nicht abgeneigt sei. Baron von Stom wusste bereits durch den Schatzmeister Jan Andrzej Morsztyn und dessen Nachrichten aus Paris, dass die französischen Kandidaten entweder zu alt oder zu 73 BCzart. TN 172 (Mf. 7627), Nr. 18 und 20. S. 53, 59. Ediert in: Acta, II, 2. Nr. 514. S. 1359. Dazu Korzon, Dola i niedola. Bd. 3. S. 454. 74 Brief vom 10. Januar 1674 in: HHStA, GSR 55, I. S. 45;Vgl. Woliński, Poselstwo. S. 144. 75 Zur Person Ernest Denhoff siehe Nagielski, Mirosław: Liczebność i organizacja gwardii przybocznej i komputowej za ostatniego Wazy. 1648–1668 [Anzahl und Organisation der Leib- und Komputgarde des letzten Wasas. 1648–1668]. Warschau 1989. S. 105–114; Hundert, Między buławą a tronem. S. 125 f. 76 Hierbei handelt es sich um den 16–jährigen Louis Thomas von Savoyen, Graf von Soissons (1657–1702) und den 9–jährigen François Louis von Bourbon, Prinz von Conti (1664–1709).
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jung für die Krone waren. Ein junger Prinz hatte den Nachteil, zu wenig Kriegserfahrung zu haben und noch nicht die „Regierungskunst“ zu beherrschen. Durch den polnischen Generalmajor erfuhr der Wiener Hof auch, dass der Krongroßmarschall beabsichtige, sich in Begleitung eines Truppenkontingents zum Ende der Konvokation in Warschau einzufinden, um vor Ort über den neuen Thronfolger zu diskutieren. Der kaiserliche Ablegat betonte dabei, dass Jan Sobieski und seine Frau, „die Sobieskin“, einen bedeutenden Einfluss hätten, durch den sie Karl von Lothringen zum Thron verhelfen könnten.77 Es entging Baron von Stom auch nicht, dass der in Warschau anwesende brandenburgische Resident Christoph Wichert weitere geheime Gespräche im Sinne des Großen Kurfürsten führte. Sollte Karl Emil gewählt werden, habe Friedrich Wilhelm in Aussicht gestellt, dem Königreich die Zahlungen für das verpfändete Elbing zu erlassen, und für die seit dem Vertrag von Bromberg in preußischen Lehensbesitz stehenden Städte Lauenburg und Bütow Kompensation angeboten. Außerdem offerierte er 15.000 Mann zur Unterstützung gegen die Hohe Pforte.78 Dem polnischen Adel sollte dies allerdings nicht reichen. Der kaiserliche Resident berichtet ferner, wie in Warschau kontroverse Meinungen über einen geeigneten Kandidaten kursierten. Nach dem Landtag der Litauer solle für viele ein Piast gänzlich ausgeschlossen sein. Die Anhänger Jan Sobieskis hätten jedoch darauf hingewiesen, dass eine solche Entscheidung nicht rechtskräftig sei. Der Baron machte Leopold I. auch darauf aufmerksam, dass, obwohl er dies in keiner Weise kommuniziert hatte, die prokaiserlichen Litauer der Überzeugung seien, dass Habsburg den Herzog von Lothringen unterstütze.Weiter heißt es, dass laut Jan Sobieski der Kosakenanführer Petro Doroszenko sich unter bestimmten Konditionen wieder mit der Rzeczpospolita verbünden würde, doch halte man diese Gerüchte am Warschauer Hof nicht für bare Münze. Stattdessen unterstelle man dem königlichen Großhetman, sich mit den Kosaken zusammenschließen zu wollen, um sich mit diesem Machtzuwachs die Krone zu sichern.79 Diese Nachrichten – die für Habsburg alles andere als positiv klangen – wurden zu allem Überfluss mit einer öffentlichen Blamage übertroffen. Baron von Stom hatte am Warschauer Hof mitbekommen, wie Aleksander Lubomirski im Auftrag des Krongroßmarschalls vor einer Ansammlung von hohen Würdenträgern behauptete, Jan Sobieski habe von Kaiser Leopold I. die Nachricht erhalten, die Polen sollten ohne Wissen und Willen des Wiener Hofs keinen neuen König wählen. Eine solche Anmaßung seitens der 77 HHStA GSR 55, I. S. 45 ff.; Korzon, Dola i niedola. Bd. 3. S. 437. 78 HHStA, GSR 55, I. S. 48. Dazu: Opgenoorth, Ernst: Die Lande Preußen in der internationalen Politik 1660–1807. In: Handbuch der Geschichte Ost- und Westpreußens. Bd. II, 2. (Einzelschriften der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung. Bd. 10). Lüneburg 1996. S. 7; Hirsch, Die Wahl. S. 232. 79 HHStA, GSR 55, I. S. 48; Korzon, Dola i niedola. Bd. 3. S. 437.
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Österreicher gegenüber den Rechten und Freiheiten der Rzeczpospolita habe „bey vielen ein gelächter verursachet.“80 – Diese Worte machen deutlich, dass es eine Herausforderung für Baron von Stom bedeutete, Jan Sobieski auf die Seite der Habsburger zu ziehen.
4.1 Der erste Schritt zur Königskrone: Der Konvokationssejm
Der brandenburgische Gesandte Johann von Hoverbeck kam zwei Tage vor Beginn des Konvokationssejms am Warschauer Hof an, um der Königinwitwe im Namen des Großen Kurfürsten zu kondolieren. Baron von Stom hegte gegenüber ihm und dem Residenten Wichert Misstrauen und versprach dem Kaiser, mit einem wachsamen Auge alles zu beobachten und von allen Vorkommnissen zu berichten.81 Am Montag, dem 15. Januar 1674, trat der Konvokationsreichstag in Warschau zusammen, dessen Eröffnung sich trotz des Drängens des Großhetmans durch die allmähliche Anreise der polnischen Würdenträger sehr verzögert hatte.82 Selbst der Primas ließ sich krankheitsbedingt entschuldigen. Im Folgenden wird zunächst nicht auf die Inhalte des Konvokationssejms83 eingegangen, sondern auf den zu dieser Zeit kursierenden Schriftverkehr, der über die Wahrnehmung Jan Sobieskis seitens der Habsburger und Hohenzollern und die Königswahl Auskunft gibt. Johann von Hoverbeck berichtete dem Kurfürsten, wie er von Eleonore freundlich zur Audienz empfangen wurde. Nebenbei erfuhr er von polnischer Seite erste Kritik dafür, dass der Kurfürst Truppen nach Preußen geschickt hatte. Außerdem drangen zu ihm die bereits angesprochenen Gerüchte vor, unter welchen Umständen die Wahl des Kurprinzen ermöglicht werden könnte: zum einen angesichts der möglichen Bedrohung der Walachei durch die Türken und Tataren, die den Religionseifer der Polen in den Hintergrund treten lassen könnte. Gleichzeitig versprachen sie sich dafür im Gegenzug Verstärkung durch die brandenburgische Armee. Zum anderen, um als alternativer Kandidat zu verhindern, dass die Konkurrenz der Häuser Habsburg und Bourbon Polen-Litauen in einen Bürgerkrieg verstricken. Außerdem würden Gerüchte kursieren, denen zufolge der Fürst von Condé und der junge Herzog von Vendôme als französische Kandidaten geringe Chancen auf
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HHStA, GSR 55, I. S. 49. Ebd. S. 75. UA, 19. S. 35. Siehe das Diarium zum Konvokationssejm in: Acta, II, 2. S. 1361–1401;Woliński, Janusz: Konwokacja 1674 r. a wojna polsko-turecka [Die Konvokation von 1674 und der polnisch-türkische Krieg]. In: Księga Pamiątkowa 150–lecia AGAD. Warschau 1958. S. 559–581; Hirsch, Die Wahl. S. 236–242; Wójcik, Jan Sobieski. S. 216; Rhode, Ein Königreich ohne König. S. 238 f.
4.1 Der erste Schritt zur Königskrone: Der Konvokationssejm
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den Thron hätten und Louis Thomas von Savoyen als neuer Favorit gelte.84 Im Gegensatz dazu zeigt die Berichterstattung des kaiserlichen Gesandten ein ganz anderes Bild in Bezug auf Frankreichs Kandidaten und welche Mühen es kostete, die Wahl des Kurprinzen zu verhindern: Baron von Stom wandte sich zunächst an den einflussreichsten aller Magnaten, nämlich an Jan Sobieski.Von ihm erhielt er laut den jüngst eingetroffenen Gerüchten aus Lemberg die positive Nachricht, dass er und seine Anhänger nach den vergangenen Landtagen „beste Gedanken für Ihre Majestät die Königin“ hegten. Diese Aussage zweifelte der Baron jedoch an, da weitere Nachrichten aus Versailles noch ausstünden. Peter Ignaz von Stom berichtete fälschlicher Weise dem Kaiser, dass Frankreich als Gegenmaßnahme den Großmarschall ermuntert haben soll, seinen Anspruch auf die Krone geltend zu machen. Andernfalls habe Jan Sobieski laut dem kaiserlichen Residenten den noch unwahrscheinlicheren Auftrag erhalten, den Kurprinzen oder den „Herzog von Hannover“ zu unterstützen.85 Um dem verstärkt französischen Einfluss entgegenzuwirken, hatte der Habsburger Diplomat laut seinen eigenen Angaben die Initiative ergriffen und abgesehen von seinen Berichterstattern persönlich Verhandlungen mit Jan Sobieski und Maria Kazimiera geführt. Dabei sollen sie sich schriftlich darauf geeinigt haben, den Kurprinzen nicht weiter zu unterstützen, wofür der Großmarschall und seine Frau kaiserliche Gelder forderten. Peter Ignaz von Stom empfahl daraufhin dem Kaiser, den beiden eine geringere als die bereits in Aussicht gestellte Summe anzubieten.86 Auch wenn sich Jan Sobieski zuvor über den Ämterkauf beschwerte, bedeutet dieser Bericht des kaiserlichen Residenten, dass seine Unterstützung von Habsburg ebenfalls käuflich erworben werden konnte. Außerdem zeigt dieses Schreiben, wie wichtig der Einfluss Maria Kazimieras wurde, der im weiteren Verlauf zusätzlich an Bedeutung gewinnen sollte. Weiter heißt es im Bericht Stoms, er plane, mit dem Nuntius darüber zu reden, das Votum für einen Protestanten auf den polnischen Thron zu verhindern. Es bestand jedoch kein Bedarf mehr, denn laut Francesco Buonvisi war dieser bereits von Rom instruiert worden, alles wachsam zu beobachten und jegliche Förderung des Kurprinzen zu verhindern. Dies bestätigt, dass gemäß dem kaiserlichen Schreiben an Friedrich von Hessen-Darmstadt die päpstlichen Instruktionen zugunsten der 84 UA, 19. S. 34 f.; Hirsch, Die Wahl. S. 238; Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 101. 85 Erstmalig im Mai wird Jan Sobieski dem französischen König als potenzieller Kandidat vorgeschlagen: Acta, III, 1. S. 29, 33. Bei der allgemeinen Nennung des „Herzogs von Hannover“ ist nicht eindeutig, wer gemeint ist. Es ist davon auszugehen, dass die Rede von dem zu dieser Zeit in Hannover regierenden Johann Friedrich von Braunschweig-Lüneburg war. Es kämen auch dessen Brüder infrage, die jeweils die Regierung vor und nach Johann Friedrich innehatten. 86 HHStA, GSR 55, I. S. 73.
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Habsburger erfolgten. Außerdem gelang es dem Baron angeblich, den polnischen Prälaten ausfindig zu machen, der Friedrich Wilhelm die Wahl seines Sohnes in Aussicht gestellt haben soll. Diesem Prälaten will er daraufhin den Vorwurf gemacht haben, welch eine Bedrohung die Wahl eines Protestanten bedeute. So heißt es: wie hoch der Catholischen Religion diese fiction praeiudicierlich fallen; und was gefährliche effectus hier aus zu erwarten; und zu besorgen wäre, dass in wenig Jahren der Senatus und alle andere officia mit lauter uncatholischen zu Nachteil der Kirchen und underdrückung der Catholischen würden besitzet werden. Wie er nun dieses hieraus besorgendes Unheil gar wohl capieret.87
Inwiefern eine solche Unterredung stattgefunden hat, sei dahingestellt. Naheliegend ist, dass Baron von Stom diese Ansicht am Warschauer Hof vertrat und derartig argumentierte, damit man dort jegliche brandenburgische Unterstützung unterließe. Der kaiserliche Resident rühmte sich auch damit, dass er sparsam mit den Bewilligungen von Geldern für die brandenburgischen Truppen umging. Damit sanktionierte der Baron Brandenburg zu Unrecht, da am Warschauer Hof offiziell keine Kandidatur des Sohnes Friedrich Wilhelms bekannt gegeben wurde. Allgemein war dies der ausschlaggebende Punkt, der vor Ort für Verwunderung gesorgt haben soll, denn bislang hatte kein ausländischer Fürst öffentlich um die polnische Krone geworben. Auf diesen Umstand hatte Baron von Stom vor dem Adel Polen-Litauens hingewiesen und verlangt, dass vorrangig die Wahl eines Piasten ausgeschlossen werden müsse, damit nicht wie im Jahr 1669 erneut ein „Einheimiger“ zum König gekürt würde.88 Demzufolge bestand sein diplomatisches Ziel eindeutig in der Exklusion Brandenburgs und der eines Piasten, was sich während des Konvokationssejms im politischen Programm der Litauer wiederfinden wird. Bemerkenswert ist, dass der kaiserliche Resident am Warschauer Hof ebenfalls darauf hinwies, dass Leopold I. keinerlei Kenntnis über die bereits angesprochene Türkenhilfe in Form einer Zahlung von 100.000 Reichstalern habe und es deshalb erst recht keine Verhandlungen darüber mit Michael I. gegeben hätte. Das bedeutet aber nichts anderes, als dass die Zahlung solcher Gelder nie versprochen worden war; dennoch gaben die ausgebliebenen kaiserlichen Subsidien Jan Sobieski Anlass, Habsburg zu kritisieren. Nachdem Baron von Stom dies verschiedenen Würdenträgern mitgeteilt hatte, empfahl der Bischof von Posen, Stefan Wierzbowski, solche „Unwahrheiten“ der Rzeczpospolita vorzutragen.89 In Anbetracht der fehlenden Quellen zu jeglichen Verhandlungen in Bezug auf eine Türkenhilfe im Jahr 1673 87 Ebd. 88 HHStA, GSR 55, I. S. 74. 89 Ebd.
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würde dies rückblickend bedeuten, dass ein solches Versprechen, das erstmals vom polnischen Gesandten Felicjan Morsztyn erwähnt wurde, von demselben erfunden worden war, um Brandenburg davon zu überzeugen, Hilfstruppen zu schicken.90 Eindeutig revidierte es den Unmut gegenüber dem Kaiser und warf ein besseres Licht auf Habsburg, um am Warschauer Hof neue Anhänger zu gewinnen. Der Bericht von Peter Ignaz von Stom gibt zudem Aufschluss darüber, dass der Bischof von Posen Habsburg gutgesinnt war, was auch erklären würde, weshalb er sich im Folgenden gegen die Wahl eines Piasten aussprach. Wegen der Abwesenheit des Primas war Stefan Wierzbowski am 17. Januar 1674 der erste Sprecher beim Konvokationssejm. Er dankte zunächst den Großhetmanen und der Armee für den zuletzt errungenen Sieg über die Türken. Die Wahl in den April zu legen, würde jedoch seines Erachtens nur dazu verleiten, einen Adligen aus den Reihen der Armee zu wählen. Das aber könnte aufgrund privater, piastischer Eigeninteressen Neid und Missgunst wecken und zum Nachteil des Königreichs zur Instabilität führen.91 Auf der anderen Seite stand das Wort des Wojewoden von Sandomir, Jan Aleksander Tarło, der einwandte, man könne sich nicht auf die Subsidien des neuen ausländischen Königs verlassen, denn weder der Kaiser noch Brandenburg würden bessere als die eigenen Münzen prägen.92 Die zwiespältige Meinung über die Großhetmane, die Königsnachfolge und der ausländische Einfluss sorgte selbst in der Forschung für kritische Kontroversen, besonders in Hinblick auf die Danksagung an den Sieger von Chocim: Zbigniew Wójcik bemängelte, dass laut der Relation von Jan Antoni Chrapowicki während des Konvokationssejms zuallererst dem litauischen Feldherrn Mykolas Pacas der Sieg zugesprochen wurde. Demonstrativ wurde damit der Verdienst Jan Sobieskis heruntergespielt. Das gilt in gleicher Weise auch für die Hofschreiber Jan Chryzostom Pasek und Jan Florian Drobysz Tuszynski, die lediglich in Gott den Sieger von Chocim sahen.93 Pasek und Tuszynski waren Chronisten zur Regierungszeit Michaels I. und nach den Unruhen durch die Malkontenten, zu denen Jan Sobieski auch gehörte, kann ihre Zurückhaltung gegenüber dem Krongroßmarschall nicht verwundern. In Anbetracht dessen, dass selbst Jan Sobieski vor Andrzej Olszowski seinen Sieg der Hand Gottes zugeschrieben hatte, diente eine solche Siegesbekundung dazu, keine Hervorhebungen einzelner Personen zuzulassen. In der Rzeczpospolita strebte man bekannterweise eine möglichst ausgeglichene Balance unter den 90 91 92 93
UA, 14. S. 558.Vgl. rückblickend Kap. 3.2. S. 67. Acta, II, 2. S. 1362 f. Ebd. S. 1363. Wójcik, Jan Sobieski. S. 213; Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 453; Wagner, Marek: Pamiętnikarstwo wojskowe czasów Jana III Sobieskiego (1674–1696). Próba bilansu [Kriegsmemoiren zur Zeit Jans III. Sobieski (1674–1696). Versuch einer Bilanz]. In: Napis Seria. Bd. 7 (2001). S. 298.
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Würdenträgern an und nannte hier offensichtlich Mykolas Pacas, um den Ruhm von Jan Sobieski zu relativieren.94 Trotz dieser prolitauischen Meinung der Geschichtsschreiber bedeutete dies während des Konvokationssejms nicht, dass man dem königlichen Großhetman weniger Bedeutung beimaß, eher im Gegenteil: Mehrfach wird während der Sitzungen (Sessia) den beiden Hetmanen und der ganzen Ritterschaft für ihren siegreichen Einsatz gedankt. Selbst das Misstrauen zu dem bekanntermaßen profranzösischen Jan Sobieski wurde von Bischof Andrzej Trzebicki entschuldigt, unter anderem mit der aus dem Polnischen wörtlich übersetzten Argumentation, man schwanke schon immer durch die Versprechungen Frankreichs, die vor Warschau goldene Brücken versprachen und nicht einmal welche aus Holz aufstellten. Diese Schwankungen sollten allerdings dem Bischof zufolge nicht dazu verleiten, den königlichen Großmarschall weniger einzubeziehen, weil er zum einen am besten die Lage von Krieg und Frieden für die Rzeczpospolita einschätzen könne. Zum anderen würde ihm für den wichtigen Sieg für das Vaterland Ehre aus der ganzen Welt zuteil.95 Andrzej Trzebicki impliziert damit indirekt, dass Jan Sobieski sich von Frankreich blenden lasse und bittet vor dem Sejm um Nachsicht – doch ungewiss bleibt, wie der Krongroßmarschall selber auf diese Rede reagierte. In einem am gleichen Tag verfassten Schreiben an den Krakauer Wojewoden, Aleksander Michał Lubomirski, beschwerte sich nämlich Jan Sobieski über ihm unterstellte Falschaussagen und kündigte an, dass jeder, der sich als sein Freund bezeichne, aber irgendwelche Gerüchte verbreite oder gar schlechtes Zeugnis über ihn ablege, sein größter Feind werde.96 Aufgrund mutmaßlicher Perjurationen wird im weiteren Verlauf sichtbar werden, weshalb es besonders von kaiserlicher Seite schwierig wurde, die wahre Intention des Großmarschalls herauszufinden. Nur wenige Tage später berichtete Johann Hoverbeck dem Großen Kurfürsten von den neuen Bedingungen zum Gewinnen der Königswahl. Auf polnischer Seite wünsche man zwar die Thronfolge des Kurprinzen;Voraussetzung dafür aber sei dessen Konvertierung sowie die Annektierung des Herzogtums Preußen durch die Rzeczpospolita. Des Weiteren werde die Erbschaft des Großherzogtums Litauen in Aussicht gestellt sowie die Krönung des Kurfürsten und seiner Frau, wenn der Kurprinz im Gegenzug die königliche Witwe heiraten würde. Bedingungen, gegen die besonders der päpstliche Nuntius Francesco Buonvisi sein Veto einlegte und statt94 Siehe die Terminologie im Brief von Lubomirski an den Kaiser in: HHStA, GSR 44, II. S. 112. Über das Bestreben des ausgeglichenen Kräfteverhältnisses: Augustyniak, Historia Polski. S. 86. In Bezug auf die Kritik während des Konvokationssejms: Acta, II, 2. S. 1362 f. 95 Im Original: […] żeśmy zawsze na rzęsistych szwankowali obietnicach, y że Francuzowie (!) złote mosty budować pod Warszawą obiecowali (!), a y drewnianych nie postawili.“ In: Acta, II, 2. S. 1365, 1362, 1370. 96 Acta, II, 2. S. 1402 f.
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dessen für die Wahl eines Kandidaten der römisch-katholischen Konfession plädierte.97 Gänzlich im Sinne des Kaisers müssen die neuen Konditionen ernüchternd auf den Großen Kurfürsten gewirkt haben. Wie vorsichtig Friedrich Wilhelm daraufhin in seiner Unterstützung der Habsburger war, zeigt sich in seinem Antwortschreiben an Philipp Wilhelm von PfalzNeuburg. Dort heißt es, dass ihn der Kaiser gebeten habe, Karl von Lothringen zu unterstützen, der Wankelmut in Polen-Litauen gebe jedoch dem Großen Kurfürsten Anlass, mit dem Pfalzgrafen im Gespräch bleiben zu wollen.98 In Berlin musste wiederum Baron von Goess zu seinem Bedauern hinnehmen, dass Leopold I. Madrid empfahl, den spanischen Gesandten Pedro Ronquillo nicht nach Brandenburg, sondern zur Königswahl nach Warschau zu schicken. Goess hielt es für wichtiger, durch die Anwesenheit des spanischen Ministers die Zweifel an Habsburg wettzumachen und mit dessen Hilfe die französischen Bestechungsgelder für den Kurfürsten zu verhindern.99 In Hinblick auf den Krieg mit Frankreich und das Ringen um Verbündete wäre dies durchaus ratsam gewesen. Nach all den bisherigen Gerüchten und Meinungen, insbesondere in Hinblick auf die Absichten Jan Sobieskis, eröffnet die folgende Korrespondenz Barons von Stom eine neue Perspektive: Am 20. Januar 1674 verfasste der kaiserliche Resident zwei Briefe. Im ersten berichtete er von seinem Besuch bei Kazimierz Florian Czartoryski, dessen Einschätzungen man seitens Habsburgs besonderes Vertrauen schenkte.100 Gemäß seinen Anweisungen erkundigte sich der Baron beim Erzbischof, wen denn dieser als geeigneten Kandidaten für die Krone vorschlagen würde. Diese Frage begründete er mit der kaiserlichen Absicht, den bereits am Warschauer Hof bekannten Gesandten Christoph Leopold Schaffgotsch zum Konvokationssejm zu schicken und dafür entsprechend zu instruieren. Kazimierz Florian Czartoryski habe jedoch erklärt, solange sich noch niemand um die polnische Krone bewerbe, könne er auch keine Empfehlungen aussprechen. Der Primas sagte lediglich seine Unterstützung zum Wohl des von der Mehrheit gewollten Kandidaten und der Königinwitwe zu. Zunächst müssten erst einmal die Standpunkte erkundet und die zukünftige Situation abgeschätzt werden. Zurzeit ließe sich nur empfehlen, Christoph Leopold Schaffgotsch nicht sofort zum Konvokationssejm zu schicken, sondern erst kurz vor der Wahl. „In ahnsehung der Pollnischen argwohnischen gemüthern“ wäre dessen Präsenz eher schädlich als dem Kaiser nützlich. Baron von Stom überreichte dem Erzbischof das kaiserliche Schreiben, um den Aufenthalt als Berater der Königin zu legitimieren, und erhielt das Versprechen, alles Mögliche in die Wege leiten zu
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UA, 14, 1. S. 35 f. Ebd. S. 36 f.; Hirsch, Die Wahl. S. 233. UA, 14, 1. S. 744 und 753. HHStA, GSR 55, I. S. 96–100; Woliński, Poselstwo. S. 146.
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wollen. Die auf Bitten Barons von Stom neu verfassten Briefe sollten jedoch nicht zugestellt werden, um die gute Nachbarschaft nicht zu gefährden. Laut dem Bericht erschien am selben Tag auch der Bischof von Krakau, Andrzej Trzebicki, und versicherte dem kaiserlichen Residenten seine Unterstützung während des Konvokationssejms. Darüber hinaus hieß es am Warschauer Hof, dass Jan Sobieski, den man auf den Weg zum Konvokationssejm erwartete, in der Zwischenzeit zwölf Meilen hinter Lemberg auf Pedro Doroszenko getroffen sein soll, um mit der Hilfe von dessen Kosaken seinen Einfluss zu verstärken und dadurch, wie bereits erwähnt, sich selbst oder seinem favorisierten Kandidaten zum Thron zu verhelfen.101 Die bizarren Gerüchte um den Krongroßmarschall hatten die Königinwitwe bereits zuvor veranlasst, Jan Małachowski, den späteren Bischof von Krakau,102 nach Lemberg zu schicken, um die wahren Absichten Jan Sobieskis herauszufinden. Bislang wusste sie nur, was der brandenburgische Gesandte Johann von Hoverbeck bereits im Dezember 1673 auch dem Großen Kurfürsten berichtet hatte, dass sich nämlich der Krongroßmarschall zu ihrem Verdruss gegen Karl von Lothringen ausgesprochen hatte. Letztendlich berichtete Peter Ignaz von Stom dem Wiener Hof von dem Erhalt der neuen Briefe des Kaisers an die beiden Großhetmane, die er diesen wegen ihrer Abwesenheit zuschicken wollte. Sollte der Baron nicht in Warschau bleiben dürfen, kündigte er bereits vorsorglich seinen „geplanten“ Aufenthalt in Breslau an.103 Als dieses Schreiben mit einem Kurier an Leopold I. entsandt worden war, hatte Peter Ignaz von Stom allerdings noch nicht damit gerechnet, einen weiteren Brief in der Nacht verfassen zu müssen. Der zweite Brief revidierte alle bisherigen Annahmen, denn am Abend hatte der Baron Besuch vom eben erwähnten Berichterstatter Jan Małachowski erhalten, der Nachrichten von Jan Sobieski brachte. Ihnen zufolge habe der Krongroßmarschall auf das bereits mehrfach angesprochene Kondolenzschreiben des Kaisers nicht anders reagieren können, da er der Einzige gewesen sein soll, der solche strengen Anweisungen von Leopold I. mit dem Wort hortari (= ermahnen) erhielt und sich wegen des Begriffs machinationibus (= Machenschaften) angegriffen fühlte, als wäre er selbst deren Initiator.104 Über die identische Kopie an Mykolas Pacas will er angeblich weiterhin nichts gewusst haben. Hinzu kommt das Versprechen des königlichen Großhetmans, dass dieser bei einer künftig gnädigeren Korrespondenz seitens des Kaisers demselben in Zukunft mit gebührendem Respekt antworten wolle. Außerdem rechtfertigte sich Jan Sobieski für seine Unterstützung der profranzösischen Interessen, weil er aus Dankbarkeit gegenüber der verstorbenen Königin Luisa Maria 101 102 103 104
Zu den eigentlichen militärischen Vorgängen: Wagner, Wojna polsko-turecka. Bd. 2. S. 18 f. In den Aufzeichnungen von Peter Ignaz Stom wird jener nur als „Malakowski“ erwähnt. HHStA, GSR 55, I. S. 96–100. Damit wird erstmalig am 20. Januar 1674 auf die beiden Termini hortari und machinationibus eingegangen.Vgl. Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 430 und Kap. 4. S. 82 mit Anm. 38.
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Gonzaga dazu verpflichtet sei. Da er mit einer Frau französischen Geblüts verheiratet sei, halte er zunächst auch konsequent an dieser Parteinahme fest. Er stellte jedoch in Aussicht, dass er, wenn man ihn gut behandle und entlohne, sich dem Haus Habsburg dankbar erweisen werde. Der dritte Punkt betrifft des Kaisers Schwester Eleonore, der er seine Dienste zur Unterstützung ihrer Interessen anbot. In gleicher Weise werde er sich schließlich darum bemühen, einen würdigen König zu wählen, der den Einfluss und die Mittel hätte, um die verwundete Rzeczpospolita wieder heilen zu können, und der ein würdiger Ehemann für die Königinwitwe darstelle. Die Herkunft sei für Jan Sobieski belanglos, ob deutsch, italienisch, französisch oder aus einer anderen Nation.105 Weiter heißt es, dem Krongroßmarschall sei auch das Gerücht zu Ohren gekommen, er habe etwas gegen Karl von Lothringen oder einen Piasten – doch versicherte er Baron von Stom durch Jan Małachowski, dass dies nicht der Wahrheit entspreche. Anscheinend wusste der polnische Großhetman ganz genau, welche Gerüchte um ihn kursierten, und korrigierte diese im Sinne des Kaisers, um dessen Gunst zu gewinnen. Selbst Baron von Stom wird von Małachowski als „aufrichtigster guter Freund“ bezeichnet, für den sich Jan Sobieski eingesetzt habe, damit dieser als weiser Berater die Interessen der Königinwitwe im Auge behalte.106 Der kaiserliche Diplomat war jedoch skeptisch und vermerkte in seinem Bericht über dieses Zusammentreffen, dass die Zeit die Wahrheit ans Licht bringen werde. Dem Berichterstatter antwortete der Baron, dass Jan Sobieski allezeit das Wohlwollen des Kaisers besessen habe und dies auch in seinem Kondolenzschreiben zum Ausdruck habe bringen wollen, worüber Małachowski erfreut gewesen sei und geraten haben soll, dies dem Großhetman schriftlich mitzuteilen. Um die Sicherheit Eleonores zu gewährleisten und einen für Habsburg günstigen Wahlausgang zu erreichen, hatte Peter Ignaz von Stom trotz seiner Zweifel dem Kaiser in seinem nächtlich neu verfassten Brief empfohlen, zu versuchen, Jan Sobieski durch Schenkungen in Höhe von mehreren tausend Talern für sich zu gewinnen. Denn selbst wenn es Frankeich gelänge, andere polnisch-litauische Minister zu kaufen, wären diese im Vergleich zu der gewonnenen Gunst Jan Sobieskis bedeutungslos.107 Der bisherige schroffe Ton gegenüber dem Krongroßmarschall erhält schon hier einen milderen Klang, so wie es höchstwahrscheinlich von Jan Sobieski beabsichtigt war, um die Gunst und das Geld des Kaisers zu erhalten. Auffällig ist hierbei, dass zum zweiten Mal, so wie zuvor im Gespräch des Großmarschalls mit dem Obristen Friedrich von Dönhoff im Auftrag des brandenburgischen Kurfürsten, sämtliche Zugeständnisse mündlich gemacht, aber nicht schriftlich festgehalten wurden. Dies 105 HHStA, GSR 55, I. S. 100 ff.Vgl. Woliński, Poselstwo. S. 148. 106 HHStA, GSR 55, I. S. 102. 107 Ebd. S. 100–105.
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bestätigt auch die später folgende Beschwerde des kaiserlichen Residenten, da Jan Sobieski auf das angekündigte Schreiben offenbar nicht geantwortet hatte.108 In einem privaten Brief an den Baron lobte der Kaiser diesen diplomatischen Fortschritt in Bezug auf Jan Sobieskis Einstellung zu Karl von Lothringen und hatte „gern verstanden das bei dem Adel die aversion wider den Sobieski täglich wachsen thuet.“109 Eindeutig war dem Kaiser der Einfluss des Großmarschalls ein Dorn im Auge, auch wenn ihm bewusst war, dass dessen Gunst von Vorteil war. Die Haltung Barons von Stom änderte sich schlagartig, als nur wenige Tage später neue Gerüchte über Jan Sobieski eintrafen. Auch wenn Jan Małachowski aus Respekt vor der kaiserlichen Schwester Eleonore es ihr nicht persönlich sagen konnte, hatte er sich vor Vertrauten des Barons dazu verleiten lassen, die vermeintlich wahre Meinung des Krongroßmarschalls preiszugeben, der zufolge er primär zum Wohl „seines Vaterlands“ agiere, und es die Königinwitwe ihm daher nicht verdenken möge, wenn er nur sekundär ihr Interesse berücksichtigen könne.110 Den Angaben des kaiserlichen Residenten nach soll Maria Kazimiera der festen Überzeugung gewesen sein, dass diesmal ein Franzose, oder zumindest ein Günstling Frankreichs, den polnischen Thron besteigen würde. Hierbei wurde dem Baron bewusst, dass mit den „jüngst durch den [Małachowski] gegebenen und allerunderthänigst überschriebenen gute Vertröstungen und disposition des Sobieski ganz kein Kapital zu machen“ wäre.111 Er vermerkte auch, dass der Krongroßmarschall seinen Anhänger zum litauischen Kanzler, Kristupas Zigmantas Pacas, und zu Mykolas Pacas geschickt hatte, um diese für die französische Partei zu gewinnen – jedoch ohne Erfolg. In Bezug auf Karl von Lothringen soll es Jan Sobieski initiiert haben, diesen durch allerlei üble Nachrede bei den Anwesenden der Konvokation schlechtzumachen. Seine Anhänger verkündeten ebenfalls, sie wollten eher sterben, als den lothringischen Herzog zum König zu haben.112 Die übersandten Gerüchte während des Konvokationssejms gingen jedoch viel weiter und wirken fast schon erfunden: Ludwig XIV. solle Jan Sobieski für einen Wahlausgang in seinem Sinne unter anderem ein französisches Herzogtum und den Titel Maréchal de France versprochen haben. Auffällig sei zudem des Krongroßmarschalls Anzahl an potenziellen Kandidaten, indem er den Großen Condé, die Prinzen von York, der Dauphiné und Kurbrandenburgs nannte. Es wurde deshalb spekuliert, ob Frankreich aufgrund der militärischen Auseinandersetzungen im Holländischen Krieg bislang keinen Anwärter nennen könne oder Jan Sobieski die Königskrone für sich selbst anstrebe. Baron von Stom vertrat Letzteres und betonte die 108 HHStA, GSR 55, II. S. 43. 109 Ebd. S. 19 f. 110 HHStA, GSR 55, I. S. 109. 111 Ebd. 112 Ebd.
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mutmaßliche Zusammenarbeit des polnischen Großhetmans mit Pedro D oroszenko. Auch die heimlichen Korrespondenzen Jan Sobieskis mit der Hohen Pforte würden darauf hinzielen, zumal Moskau nicht zu konkurrieren gedenke und einem Piasten „mit großen Summen beistehen wolle“.113 Mit dem dadurch errungenen Einfluss könne sich dem Großmarschall keine andere Partei widersetzen. Einzig der Ausschluss eines Piasten vom Wahlverfahren könne dem kaiserlichen Residenten zufolge die Erhebung Jan Sobieskis zum König verhindern. Die angeblichen Ambitionen des Krongroßhetmans waren jedoch nicht die einzige Sorge des Barons, denn seitens des polnischen Adels versuchte man, den Druck auf den Kaiser zu steigern, um herauszufinden, wen er offiziell als nächsten potenziellen Kandidaten für die polnische Krone unterstütze. So handelte Eleonore in Leopolds Sinne und erklärte, das bonum publicum möge den nächsten Thronanwärter wählen. Sie selbst präferiere persönlich den Herzog von Lothringen oder den Prinzen von Dänemark, jedoch halte sie dies geheim. Am Warschauer Hof gab man sich während des Konvokationssejms mit dieser allgemeinen Aussage der Königinwitwe nicht zufrieden und verlangte konkret zu wissen, wen Habsburg favorisiere.114 Trotz der bisherigen Unterstützung der Litauer für den Herzog war sich der Kaiser noch nicht im Klaren, wen er als Kandidaten unterstützen sollte, auch wenn er großes Potenzial in Karl von Lothringen sah. Am 22. Januar 1674 berichtete Johann von Goess aus Berlin, dass man mit ihm „bezüglich des Kurprinzens Erhebung auf den polnischen Thron“ noch keine offiziellen Verhandlungen führe, Karl Emil jedoch sein Kompliment Karl V. aussprach; „dass wenn die polnische Krone ihm [selbst] nicht zufalle, er sie dem Lothringer von Herzen gönne.“115 Durch Friedrich Wilhelms schriftliche Zusage für den Herzog wird zwar offiziell kein eigener Thronanspruch formuliert, doch ließ sich der Baron von diesem Versprechen nicht blenden und berichtete wenig später, dass man nur, um die Gunst des Hauses Habsburg zu erhalten, die Wahl Karls V. von Lothringen unterstütze. Gemäß der Instruktion des Kaisers hatte Johann von Goess vor Friedrich Wilhelm angemerkt, dass Leopold I. zwar von der Tauglichkeit des
113 HHStA, GSR 55, I. S. 110. Zum Verhältnis Jan Sobieskis zu Pedro Doroszenko siehe mehr in: Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 467–469. Es ist anzunehmen, dass Baron von Stom lediglich Gerüchte in Bezug auf das Verhältnis zwischen Jan Sobieski und Moskau wiedergebeben hat, die sich nicht bestätigen lassen. Dass Moskau für die Wahl eines Piasten Gelder auszahlen würde, scheint aber eher unwahrscheinlich. In Bezug auf die polnische Königswahl heißt es bei Zbigniew Wójcik, dass nebst Karl von Lothringen der 12–jährige Sohn des Zaren, Fjodor Alexejewitsch, von den Litauern als möglicher Kandidat vorgeschlagen, doch von den Polen abgelehnt wurde. Ders., Jan Sobieski. S. 212; Hirsch, Die Wahl. S. 229. 114 HHStA, GSR 55, I. S. 108. Siehe auch den privaten Brief an den Kaiser vom 31. Januar 1674 in: HHStA, GSR 55, II. S. 43;Vgl. Korzon, Dola i niedola. Bd. 3. S. 432. 115 UA, 14, 1. S. 740.
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erzogs von Lothringen überzeugt sei, dessen Wahl jedoch niemals verlangt habe. H Dem Ganzen traute wiederum der Große Kurfürst nicht und hielt vor dem kaiserlichen Diplomaten an der Unterstützung des Lothringers fest – auch wenn Baron von Goess ihm keinen Glauben schenkte.116 In Warschau versuchte gleichzeitig der brandenburgische Resident Christoph von Wichert herauszufinden, wen der Kaiser nun tatsächlich favorisiere. Er versicherte Baron von Stom im Gespräch neben der brandenburgischen Unterstützung für den Herzog von Lothringen obendrein die von Schweden, doch innerhalb von drei Tagen gab der kaiserliche Resident ihm stets die gleiche Antwort: Leopold I. schließe sich, wie es seine Schwester bereits mitgeteilt habe, dem bonum publicum an und empfehle lediglich dieses.117 Selbst am Warschauer Hof musste der Baron nach überwundenem Fieber den Willen des Kaisers rechtfertigen. Er gab als Begründung an, dass der geeignetste Thronanwärter unabhängig sein und von sich aus, ohne fremde Hilfe, die polnische Krone erlangen sollte. Gleichzeitig erreichte Warschau die Nachricht, dass Ludwig XIV. sich hinsichtlich eines Kandidaten gegen den Wunsch von Jan Sobieski und dessen Anhängern entschieden hatte. Letztere sprachen sich für den Großen Condé als Thronfolger aus, doch der französische König war der festen Überzeugung, dass die Rzeczpospolita wie im Jahr 1669 einem Franzosen die Krone nicht überlassen würde. Erschwerend kam hinzu, dass der Feldherr nicht zu konkurrieren gedachte. Ein anderer Prinz von Geblüt komme nicht infrage, da beispielsweise Conti und Soissons wegen ihres Alters untauglich seien. Aus diesen Gründen soll Ludwig XIV. den Krongroßmarschall instruiert haben, den jungen Prinzen Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg zu unterstützen.118 Hinsichtlich der Diskussion um alle möglichen Kandidaten will Baron von Stom erfahren haben, dass viele der Wahlberechtigten Karl V. von Lothringen als den Geeignetsten halten würden. Jedoch verträten viele am Warschauer Hof die Meinung, der Herzog sei vom Kaiser zu abhängig, und sähen es daher als unratsam, „zwei Österreicher“ zugleich auf dem Thron zu haben. Mit dem Verweis auf den Wiener Hof wandte Peter Ignaz von Stom laut seinen eigenen Worten ein, dass bis dato der Kaiser den Herzog nicht vorgeschlagen habe. Aber wegen der am Hof kursierenden Gerüchte und Zeitungen schenkte man ihm keinen Glauben.119 Vergeblich versuchte also der Freiherr, die unparteiische Haltung Leopolds I. glaubhaft zu vertreten. In Rom bemühte sich wiederum Friedrich von Hessen-Darmstadt um die Gunst der Kurie und der Kardinäle, die er durch seine eigenen Vertrauten errungen hatte. Kardinal Altieri erhielt so die Nachricht über eine mögliche Kandidatur 116 Siehe die beiden Briefe, datiert vom 5. und 12. Januar 1674: „[E]s scheint, als ob Brandenburg dem Kaiser im polnischen Wahlwerke nicht traue“. In: UA, 14, 1. S. 742 f. 117 HHStA, GSR 55, I. S. 136. 118 Ebd. S. 131. 119 Ebd. S. 132.
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des Großen Condé, worüber er zuvor noch nicht von Francesco Buonvisi unterrichtet worden war. Er schien darüber sichtlich erstaunt und hielt es auf Anhieb für lächerlich, eine mögliche Scheidung des Feldherrn von seiner Frau auch nur in Betracht zu ziehen. Weitaus besorgniserregender sei die mögliche Wahl von Karl Emil, die durch die Konversion des Glaubens durchaus denkbar wäre, weil sie die Furcht vor einer Übermacht des Großen Kurfürsten wachsen lasse. Der Nuntius in Polen-Litauen erhielt deswegen den Auftrag, die Wahl eines katholischen Kandidaten, der den Glauben im Sinne der Kurie bewahren und verbreiten möge, weiterhin zu unterstützen. Buonvisi sollte im Namen des Heiligen Stuhls jedoch keine Person ins Spiel bringen, um zukünftig keinen Nachteil für diesen heraufzubeschwören. Der Kardinal von Hessen-Darmstadt versicherte seinem Kaiser, gegen Brandenburg Stimmung zu machen und gleichzeitig dem Papst die Gunst des Habsburger Kandidaten in Aussicht zu stellen.120 Leopold I. muss jedoch wegen der langen Verzögerung der schriftlichen Antwort seinen Vertrauensmann in Rom als unzuverlässig erachtet haben. Im Februar zog er nämlich alle Register: Er instruierte weitere Kardinäle wie Paluzzo Paluzzi Altieri und Johann Eberhardt Neidhardt121 persönlich, um die Wahl eines alten verheirateten Franzosen auf der einen und auf der anderen Seite die eines sogenannten Häretikers zu verhindern.122 Der Konvokationssejm verlief in Anbetracht der verschiedenen Diskussionen über die Habsburger Interessen alles andere als harmonisch.Von Seiten der Litauer wurde vorgeschlagen, französische Kandidaten und Piasten auszuschließen. Daraufhin soll der Starost von Krakau geschrien haben, dass ein Österreicher ebenfalls ausgeschlossen werden müsse. Die profranzösische Partei warf dem Kaiser vor, dass er die Türken auf das Königreich gehetzt habe, in der Absicht, sich der Stadt Krakau und anderer Woiwodschaften zu bemächtigen. Als dem allgemein widersprochen wurde, erfolgte eine Ermahnung, solche Art von Anschuldigungen zu unterbinden. Laut Baron von Stom kam es fast zu Handgreiflichkeiten zwischen der profranzösischen und der österreichischen Seite. Persönlich überzeugt von dem Wunsch des Kaisers zu einer guten Nachbarschaft, zeigte er sich empört über diese Anschuldigungen. Er wünschte sich sogar für alle Kritiker, dass diesen „das maul gestopfet und aller Ursach fernerer exclamation würden benohmen werden.“123 Im polnischen Diarius zum Konvokationssejm findet sich ebenfalls die Erwähnung von Streitge120 HHStA, GSR 44. S. 47. 121 Der gebürtige Österreicher Johann Eberhard Neidhardt (1607–1681) war ein Jesuit und Hofprediger in Wien, wurde Berater der späteren spanischen Königin Maria Anna, dann Titularbischof von Edessa und seit 1672 Kardinalpriester in Rom. Siehe dazu Strnad, Alfred: Nidhard, Johann Eberhard. In: NDB. Bd. 19 (1999). S. 212 f. 122 Die adressierten Briefe an und von Neidhardt, Altieri und Hessen-Darmstadt siehe in: HHStA, GSR 44, III.; Korzon, Dola i niedola. Bd. 3. S. 443. 123 HHStA, GSR 55, I. S. 135.
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sprächen zwischen den beiden Parteien. Hierbei dominiert insbesondere der Vorwurf des Starosten von Krakau, der ein österreichisches Schreiben abgefangen haben soll, in dem steht, dass man in Wien verlange, dass lediglich ein Habsburger als Kandidat gewählt werden dürfe. Die antikaiserlichen Unterstellungen wurden bald fallengelassen und das vermeintliche Schreiben nicht mehr erwähnt.124 Währenddessen erwartete man die Ankunft von Mykolas Pacas, der am 30. Januar 1674 in Warschau eingetroffen war. Vor Ort erhielt der litauische Großhetman die Gelegenheit, seinen frühzeitigen Abzug von der Front zu rechtfertigen und die Zustände in den Grenzgebieten zu schildern. In den darauffolgenden Diskussionen wurde in dieser Sessia zugegeben, dass der Sieg über die Türken der Umsicht Jan Sobieskis zu verdanken sei.125 Mit Mykolas Pacas konnte sich Baron von Stom eines treuen Anhängers der kaiserlichen Seite sicher sein, erklärte jener doch, eher sterben zu wollen, als einen Gegner Habsburgs auf dem Thron zuzulassen.126 Die französische Partei war allerdings sehr stark und versuchte zu jeder Zeit und mit allen Mitteln, weitere Unterstützung für ihre Sache zu gewinnen. Mit Erfolg hatte sie bereits unterschiedliche Personen auf ihre Seite gezogen. Die kaiserliche Partei beschwerte sich deshalb, dass ihre eigene Anhängerschaft abnahm, weil keine Gegenmaßnahmen getroffen wurden und keine Subsidien vorhanden seien.Von der profranzösischen Partei versprachen sich viele offenbar mehr Nutzen, weswegen der Gesandte Stom erneut den Kaiser um Gelder bat.127 Er berichtete diesem auch von dem Eintreffen einer Nachricht von Jan Sobieskis Frau, Maria Kazimiera. In einem Brief vom 6. Januar 1674 versprach die gebürtige Französin, die Königinwitwe unterstützen zu wollen, was letztlich ihrer Meinung nach eine Pflicht für alle sei. Sie selbst würde Eleonore stets dienen und sei sich sicher, dass es der Krongroßmarschall ebenso halte. Beide seien sie schließlich darum bemüht, deutlich zu machen, dass sie im Interesse der Königinwitwe handelten. Sie selbst bezeichnete sich vor Baron von Stom als deren ergebene Dienerin.128 Nach den bereits gezeigten Neuigkeiten von Jan Małachowski, die kurz darauf für die kaiserliche Seite an Bedeutung verloren hatten, kann es nicht verwundern, dass diese Beteuerungen ange-
124 Acta, II, 2. S. 1377. 125 „Ten też modeste o naszey z Turków victoriey disseruit, gloriam oney prudentiae Pana Hetmana Kor przyznając.“ In: Acta, II, 2. S. 1378 f. 126 HHStA, GSR 55, II. S. 50. 127 HHStA, GSR 55, I. S. 136. 128 So steht im Original: „Cest avec instue que nous faite fonde surle zele que iaque pour le service de la Reyne de qui ie suis fort servante ie naurei pas de peyne a inspirer les mesme santimans a Monsieur le marechal. y estant tout porté de luy mesme, nous donerons tous deux dei preuves de cette verité toutes lesfois quil s’agira des interests de sa Mayestè et de celle que ie suis Vostre treshumble servante MDelagrange Sobieska.“ In: Ebd. S. 137 f.
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zweifelt wurden. Die Skepsis des Barons galt schließlich sämtlichen Nachrichten aus den Grenzgebieten. So wurde während des Sejms abermals ein Brief vom 24. Januar 1674 aus Lemberg verlesen, der als Kopie auch in den Unterlagen Stoms zu finden ist und vor dem Angriff Hüseyin Paschas mit 20.000 Türken und 40.000 Kurden in der Walachei warnte. Die Polen seien wegen Hungers und Mangels an Mitteln in größter Not.129 Wie sich herausstellen sollte, beruhten diese Nachrichten auf Wahrheit. Gänzlich unbeeindruckt zeigt sich hierbei der Kaiser, der die Briefe aus Lemberg und die Machenschaften der französischen Partei zur Kenntnis nahm, sich aber davon unbeirrt eines glücklichen Wahlausgangs im April sicher war. Stattdessen mahnt er Baron von Stom, sich nicht dazu verleiten zu lassen, sich zu liberal zu äußern.130 Unterdessen wurden am 1. Februar 1674 mehrere von Jan Sobieski verfasste Punkte verlesen, mit der Aufforderung, die Hungernden an der Front zu sättigen und die Wahl zu beschleunigen. Er bat um weitere Befehle, inwieweit den sich nähernden Feinden Widerstand geleistet werden sollte.131 Entgegen der Erwartung seines baldigen Eintreffens in Warschau kam der Krongroßmarschall nicht. Der Konvokationssejm diskutierte aufgrund dieser offensichtlichen Bedrohung durch die Türken, ob ein Großteil der Adligen anstatt zur Wahl sich an die Grenzposten begeben sollte, um einen möglichen Einfall zu verhindern. Lediglich die Großhetmane beider Nationen sollten davon ausgenommen werden. Mykolas Pacas soll sich diesem Vorschlag jedoch widersetzt haben, mit dem Einwand, dass beide Befehlshaber an der Front bei ihren Truppen sein sollten, um so auch die Wahl Jan Sobieskis auszuschließen. Letztendlich wurden die beiden Feldherren vom Sejm aufgefordert zu verhindern, dass der Krieg ins Herz des Königreichs getragen wird.132 Über das im Protokoll zum Konvokationssejm Festgehaltene hinaus berichtete Baron von Stom, dass Jan Sobieski den Erzbischof um einen Gesandten gebeten habe, der einen vorläufigen Frieden mit der Hohen Pforte aushandeln sollte, da die Rzeczpospolita laut der profranzösischen Stimmen nicht in der Lage sei, diesen Krieg längerfristig zu bestehen.133 Es sei vielmehr davon auszugehen, dass die Wahl und die damit verbundene Anreise der hohen Würdenträger nach Warschau auch den
129 HHStA, GSR 55, I. S. 137, 140. Siehe auch Acta, II, 2. S. 1379. In der Quelle ist die Rede von „Hussein Czerkies“, es ist davon auszugehen, dass damit Hüseyin Pascha gemeint ist, da dieser 1673 die Truppen in Chocim anführte. Dazu Wagner, Wojna polsko-turecka. Bd. 1. S. 341–401, bes. S. 374; Woliński, Z dziejów. S. 56 f., 111, 117; Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 367; Kołodziejczyk, Podole. S. 73, 76 ff. 130 HHStA, GSR 55, I. S. 152. 131 Acta, II, 2. S. 1380. 132 Ebd. S. 1382–84; Korzon, Dola i niedola. Bd. 3. S. 450; Wagner, Wojna polsko-turecka. Bd. 2. S. 32 f. 133 HHStA, GSR 55, I. S. 156.
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niederen Adel veranlassen könnte, die Front zu verlassen. Um dies zu verhindern, hegte der kaiserliche Resident den Verdacht, dass Jan Sobieski den Krieg nach Ungarn lenken wolle, damit fortan Habsburg gegen die Türken kämpfen müsse. Dies hätte seiner Ansicht nach Frankreich in Bezug auf die kriegerischen Auseinandersetzungen am Rhein in die Hand gespielt. Der Baron beriet sich deswegen mit dem päpstlichen Nuntius, der eine Verlagerung des Türkenkrieges nach Ungarn nicht nur für die Erblande, sondern sogar für Italien als wesentlich gefährlicher einschätzte als einen Krieg auf polnischem Boden. Francesco Buonvisi vertröstete den Freiherrn von Stom mit guten Worten und wollte von Rom Unterstützung für das polnische Königreich anfordern. Demzufolge versprach er während des Konvokationssejms päpstliche Gelder, um für Proviant und Verstärkung der Artillerie zu sorgen, damit die polnisch-litauische Armee nicht wie im Vorjahr hilflos gegenüber den Türken dastünde.134 Der Frieden mit der Hohen Pforte schien während der Konvokation dagegen immer realistischer, zumal viele am Warschauer Hof von der erfolgreichen Wahl eines französischen Kandidaten sprachen und dieser den Frieden mit den Osmanen einläuten könne. Die Angst, Jan Sobieskis Anhängerschaft würde ihn als Kandidaten aufstellen, wuchs, weshalb sich der kaiserliche Resident gezwungen sah, die Zweifler aus dessen Umfeld, unter anderen finanziell von ihm abhängige Offiziere, für die Habsburger Seite zu gewinnen und ihm abspenstig zu machen.135 Als er sich daraufhin über die Friedensabsichten von Jan Sobieski mit den anwesenden Litauern beriet, unterrichtete Mykolas Pacas den Baron von Stom insgeheim darüber, dass der Großmarschall mit seinen Anhängern schon im vergangenen Jahr den Türkenkrieg auf die kaiserlichen Erblande habe lenken wollen. Es wäre ihm auch gelungen, wenn der litauische Großhetman sich bei dem im vergangenen Oktober gehaltenen Kriegsrat nicht so nachdrücklich widersetzt hätte. Er zweifele auch nicht daran, dass Jan Sobieski mit diesen Gedanken noch immer spiele, um die kaiserliche Position in der Auseinandersetzung mit Frankreich zu schwächen.136 Mykolas Pacas machte dadurch auf die gegensätzlichen Ansichten zwischen ihm und dem königlichen Großmarschall aufmerksam, wobei die Konkurrenz der beiden Feldherrn durch die Einmischung des Heiligen Stuhls an Intensität gewann. Die bereits erläuterten Briefe des Papstes vom 10. Januar 1674, die jeweils an beide Großhetmane mit unterschiedlichem Inhalt verschickt worden sind, wurden laut den Informationen Barons von Stom durch französische Kardinäle initiiert. Der kaiserliche Resident erfuhr ebenfalls von der Absicht der Kurie, Jan Sobieski für die Verteidigung der Christenheit durch seinen Sieg bei Chocim die päpstlichen 134 HHStA, GSR 55, I. S. 157. Acta, II, 2. S. 1381. 135 HHStA, GSR 55, I. S. 201. 136 Ebd. S. 162.
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Auszeichnungen in Form von Schwert und Hut schicken zu wollen. Eine solche Ehrung war bisher lediglich hohen Potentaten zuteil geworden, weshalb der Baron in seinem Bericht an den Kaiser darauf abhob, dass, wenn der Heilige Vater den Krongroßmarschall derart honoriere, der Adel dazu verleitet würde, Jan Sobieksi noch mehr zu schätzen, was wiederum der Beliebtheit der Königin schaden könnte. Die päpstliche Sympathie für den Krongroßmarschall sollte jedoch mit den kaiserlichen Einwänden eingedämmt werden. Dem Nuntius Francesco Buonvisi wurde durch Peter Ignaz von Stom angeraten, Kardinal Altieri zu kontaktieren, um durch ihn dem Papst mitzuteilen, dass mit der Honorierung Jan Sobieskis ein Missstand für die Königinwitwe entstehen und hierdurch für beide Nationen, Polen und Litauer, „großer hass, Uneinigkeit und mit hin hoc rerum statu gefährliche confusiones“ verursacht würden.137 Außerdem betonte Baron von Stom die Verdienste des litauischen Großhetmans, der einen ebenso großen Anteil an den Sieg bei Chocim habe wie der Krongroßmarschall und somit Anspruch auf gleiche Ehrungen hätte. Mykolas Pacas, der von Rom keinerlei Anerkennung erhielt, versprach dem kaiserlichen Residenten, dem entgegenzuwirken und sich beim Nuntius wegen dieser Ungerechtigkeit gegenüber der litauischen Nation zu beschweren. Peter Ignaz von Stom riet wiederum dem Kaiser, dass diese Verhandlungen mit dem Vatikan streng geheim verlaufen müssten, damit Jan Sobieski davon nichts mitbekomme und er deswegen der Königinwitwe nicht schaden könne.138 Leopold I. lobte seinerseits das Vorgehen des Barons und teilte dessen Meinung, dass die Übergabe von „stocio“ und „bireto“ verhindert werden müsse.139 Im Gegensatz zum bisherigen Forschungsstand zeigen diese Zeilen eindeutig, dass die Ehrung Jan Sobieskis mit den päpstlichen Insignien durch Habsburg verhindert wurde.140 Zu groß war die Befürchtung, die Macht des Krongroßhetmans könne weiter wachsen. Allerdings plädierten schon beim Konvokationssejm die ersten Stimmen dafür, Jan Sobieski zum König zu wählen. Die anwesenden Senatoren und Landboten, die als Sympathisanten von Jan 137 HHStA, GSR 55, I. S. 158. 138 Ebd. 139 HHStA, GSR 55, II. S. 233. 140 Bei Tadeusz Korzon heißt es, dass es vor allem Mykolas Pacas war, der, von Neid und Missgunst getrieben, die päpstliche Ehrung verhinderte, mit der Begründung, dass Jan Sobieski nur in der Zusammenwirkung mit ihm und weiteren wichtigen Befehlshabern, wie dem königlichen Feldhetman Dymitr Jerzy Wiśniowiecki und dem litauischen Feldhetman Mykolas Radvila, einen solchen Sieg erringen konnte. Ders., Dola i Niedola, Bd. 3. S. 454. In anderen Darstellungen wurde es lediglich dem anhaltenden Krieg mit den Osmanen und dem Tod von Papst Clemens X. am 22. Juli 1676 zugeschrieben, dass jene Verleihung der beiden Attribute erst zehn Jahre später erfolgte. Jagodzinski, Die Türkenkriege. S. 100 f.; Żygulski, Zdzisław: Miecz i kapelusz poświęcany króla Jana Sobieskiego [Das geweihte Schwert und der geweihte Hut von König Jan III. Sobieski]. In: Studia do dziejów Wawelu. Bd. 4 (1978). S. 333–360.
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S obieski davon ausgingen, dass dieser weder den Feldherren Condé noch den Prinzen von Neuburg unterstützen könne und auf seine eigene Kandidatur abzielen müsse, widersetzten sich vehement der litauischen Forderung eines Ausschlusses des Piasten. So heißt es wortwörtlich im Bericht des kaiserlichen Residenten: Die Deputirten sagen rundt heraus, daß bey dieser instehenden wahl der König auß ihrem gremio miße erwehlet werdten. Indeme die militia dieses Königreich von den türkischen Joch erlediget hette, und man Ihnen dieses zur erkandtniß zu deferiren schuldig wäre. Die Castellani von Culma und Lemberg haben dieser tags in der Session offentlich zu sagen sich nit gescheuet, daß dieses Königreich anders nit als durch die wahl des Sobieski könte errettet und conserviert werden.141
Der Erzbischof hoffte wiederum, dass der königliche Großmarschall in sich gehen werde und nach wohlüberlegter Abwägung solchen Gedanken eine Absage erteile. Außerdem solle er sich auch nicht unterstehen, seine Wahl unter Anwendung von Gewalt, sprich mithilfe der Kosaken, durchzusetzen. Hinsichtlich eines potenziellen Kandidaten räumte Kazimierz Czartoryski gegenüber dem kaiserlichen Residenten ein, Karl V. von Lothringen zu favorisieren. Darüber hinaus empfahl er dem Kaiser, Christoph Leopold Schaffgotsch vierzehn Tage vor der Wahl nach Warschau zu schicken.142 Während der Primas Habsburg wohlgesinnt war, erfolgte gleichzeitig von der französischen Partei ein erneuter Versuch, den Wiener Hof in ein schlechtes Licht zu stellen. Peter Ignaz von Stom berichtet, dass in der Sessia Leopold I. bezichtigt wurde, mit der Hohen Pforte zu korrespondieren, um nicht die kaiserlichen Erblande zum Kriegsschauplatz werden zu lassen, sondern Polen-Litauen. Den Anschuldigungen stellten sich die Litauer entgegen. Ihr Großhetman, Mykolas Pacas, trat auf den Plan und nahm laut den Ausführungen des Barons einem anwesenden französischen Minister den Geldsack ab. Indem er daraufhin die Frage in den Raum geworfen haben soll, für wen denn das Geld wäre, das der Franzose mit sich führe, stellte sich heraus, dass es sich um die gleichen französischen Münzen handelte, die man zuvor auch im türkischen Lager gefunden hatte. Damit verkehrte der litauische Großhetman eindrucksvoll die Anschuldigungen gegen Habsburg auf Frankreich und machte deutlich, dass mit französischem Geld die Türken im Krieg gegen Polen-Litauen unterstützt wurden.143 Dem nicht genug, entflammte erneut die Diskussion über die ausländischen Residenten in Polen-Litauen und ob diese nicht gezwungen werden müssten, das Königreich zu verlassen. Entgegen den von Jan Małachowski ausgesprochenen Ver141 HHStA, GSR 55, I. S. 156. 142 Ebd. S. 161. 143 Ebd. S. 163.
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sprechungen, des königlichen Großmarschalls Peter Ignaz von Stoms Aufenthalt zu garantieren, sprach sich der Starost von Krakau, Aleksander Lubomirski, für eine Ausweisung des Diplomaten aus. Die Verbitterung darüber wird in dem Bericht an den Kaiser deutlich, in dem der Baron schreibt, sich von den „Sobieskichen auch Lubomirskichen Creaturen“ distanzieren zu wollen.144 Ein Anhänger der profranzösischen Partei soll laut der Beschreibung des Residenten ebenfalls behauptet haben, dass Karl von Lothringen bereits ganz Litauen sowie die Masuren samt den anliegenden Woiwodschaften durch Korruption gewonnen habe und man wortwörtlich über die Unterstützung Habsburgs sage, man müsse „diesem schlafenden gift, damit das ganze corpus Reipublica nit infiziert würde zeitlich vorkommen […] damit die Polen in das Haus Österreichs Dienstbarkeit nit gerathen, welches anders nichts als seinen eigenen Nutzen mit dieses Königreichs Untergang suchen thäte.“145 Die Gegenpartei versicherte daraufhin Baron von Stom, dass man diese Anschuldigungen mit Nachdruck zurückweise. Dieser Bericht zeigt im Gegensatz zum Konvokationsprotokoll, mit welchen Worten gegen den Kaiser argumentiert wurde und wie stark die Fronten zwischen den jeweiligen Anhängern von Habsburg und Bourbon festgefahren waren. Die Diskrepanz zwischen den kursierenden Gerüchten, dem Handeln der Anhänger Sobieskis vor Ort und den Gesandtschaften aus Lemberg an den kaiserlichen Diplomaten nahm sichtlich immer stärker zu, was es schwierig machte abzuwägen, wem noch Glauben zu schenken war. Auf den jeweiligen Seiten versuchte man jedoch, weiterhin zu verhandeln. So war im Auftrag von Jan Sobieski der Wojewode von Kulm (Chełm), Jan Krzysztof Gniński, darum bemüht, den litauischen Großhetman auf die profranzösische Seite zu ziehen. Mykolas Pacas lehnte mit der Begründung ab, dass noch nicht alle Kandidaten bekannt seien und er abwägen wolle, welcher sich am ehesten für den Thron eigne. Peter Ignaz von Stom schrieb, dass er sich gezwungen sehe, erneut an den Verhandlungstisch zu treten, um den Krongroßmarschall mit allen Mitteln für Habsburg zu gewinnen, da dieser über seine Vertrauten immer mehr kaiserliche Anhänger abwerbe. Erfolg versprach sich der Baron durch lukrative Offerten – wie beispielsweise Besitztümer –, die er im Namen der Königinwitwe machte und die Jan Sobieski dazu verleiten sollten, in Eleonores Sinne zu handeln.146 Unter Vermittlung des Bischofs von Wilna, Steponas Mikalojus Pacas (poln. Stefan Mikołaj Pac), ließ Baron von Stom dem polnischen Feldherrn ausrichten, dass der Kaiser sich keineswegs auf den Herzog von Lothringen festgelegt habe. Da für Leopold I. nur das bonum publicum zähle, komme nur ein gottgefälliger 144 Ebd. S. 164. Acta, II, 2. S. 1385; Hirsch, Die Wahl. S. 236. Über die vorsichtige Vorgehensweise der Habsburger Diplomatie gegenüber Jan Sobieski und seinem Anhang: Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 52; Matwijowski, Pierwsze sejmy. S. 22; Woliński, Poselstwo. S. 148. 145 HHStA, GSR 55, I. S. 164. 146 HHStA, GSR 55, I. S. 163; Woliński, Poselstwo. S. 149.
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Kandidat infrage. Der kaiserliche Resident versprach daraufhin das Wohlwollen der Königin, dessen sich der Krongroßhetman sicher sein dürfe, „wann er etwas gutes operierte.“147 Die Reaktion darauf ließ nicht lange auf sich warten. Während der Audienz Jan Gnińskis bei der Königinwitwe berichtete dieser beiläufig dem Baron, dass man nicht allen Gerüchten der Anhängerschaft Jan Sobieskis Glauben schenken dürfe. Der Wojewode von Kulm versicherte, dass dem Krongroßmarschall Unwahrheiten insbesondere in Bezug auf dessen angeblich ablehnende Einstellung zu einem kaiserlichen Kandidaten in den Mund gelegt würden.148 Wie es bereits in der Unterhaltung mit Jan Małachowski der Fall war, wurde damit erneut der Versuch unternommen, dem Residenten zu versichern, dass trotz der antihabsburgischen Handlungen der in Warschau anwesenden Anhänger Jan Sobieskis der polnische Krongroßhetman persönlich nicht gegen Wien intrigiere. Ferner will Peter Ignaz von Stom durch Vertrauensmänner in Erfahrung gebracht haben, der Krongroßmarschall werde sich auf einen Kandidaten festlegen und äußere sich in seinen Gesprächen allerorts löblicher als zuvor über den Herzog von Lothringen. Auf der anderen Seite änderte sich der Ton von Peter Ignaz von Stom in Bezug auf Jan Sobieskis Gemahlin. Hatte er Maria Kazimiera zuvor noch in seinen Berichten als „Sobieskin“ bezeichnet, tituliert er sie nach Bekanntgabe ihrer vermeintlichen Intrigen in den folgenden Korrespondenzen an den Kaiser als „Weib“, deren Ambitionen die eigene Anhängerschaft abschrecken würden, ihren Mann zum König zu wählen.149 Wem aber zu glauben sei, könne, solange der königliche Großmarschall nicht persönlich in Warschau dazu befragt würde, nicht geklärt werden. Sein dortiges Erscheinen zog sich allerdings noch lange hinaus. Jan Sobieski wies Anfang Februar in seinen privaten Korrespondenzen darauf hin, dass er in Anbetracht der Lage nicht zum Konvokationssejm kommen könne. Was zurzeit in den Grenzgebieten geschehe, sei unbegreiflich und er verbleibe inter spem et metum. Doch blieb es nicht dabei. Eine Woche später heißt es wiederum, dass die neuen Umstände es ihm nun doch erlauben würden, nach Warschau zu reisen.150 Bis dahin sollte vom kaiserlichen Residenten alles unternommen werden, um die Gunst des polnisch-litauischen Adels für Eleonore zu gewinnen, während beim Konvokationssejm über ihre Rolle als Königin diskutiert wurde. Unter anderem heißt es im Diarium zum Sejm, dass sich mehrere Städte gegen die Schwester des Kaisers verschworen hätten und diese nicht von Habsburger Truppen unterdrückt werden dürften.151 Im Vertrauen warnte Bischof Andrzej Trzebicki die Königinwitwe, dass Vertreter der Krakauer Woiwodschaft die Abtretung schlesischer Gebiete ver147 148 149 150 151
HHStA, GSR 55, I. S. 166. Ebd. S. 154. Ebd. S. 190 f. Acta, II, 2. S. 1407–1410. Ebd. S. 1385; Matwijowski, Pierwsze sejmy. S. 19.
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langen. Baron von Stom willigte der Abtretung in ihrem Namen ein, wenn man Eleonore dafür ein Äquivalent gebe. Jedes Mittel sei nämlich recht, um die Popularität der Königinwitwe zu steigern. Selbst als Frankreich verlauten ließ, dass man den Prinzen von Neuburg empfehle, erwiderte die polnische Königin, unparteiisch zu bleiben, und ließ mitteilen, sich bei der Wahl nicht einzumischen. Sie verlange nichts anderes als die Glückseligkeit der Rzeczpospolita, was, wie erwartet, positiv aufgenommen wurde.152 Eindringlicher stellte sich jedoch die Frage, mit welchem Thronanwärter Eleonore verheiratet werden sollte. Als der Krakauer Bischof sich beim kaiserlichen Residenten erkundigte, ob der Pfalzgraf wie bei der letzten Wahl mit der Gunst Leopolds I. rechnen könne, erwiderte der Baron mit einer Gegenfrage, was den Kaiser dazu veranlassen solle. Die Polen und Litauer würden wegen der schwierigen Lage des Königreichs selbst einen militärisch erfahrenen und einflussreichen Herrscher fordern und der Prinz von Neuburg hätte noch nicht einmal das sechzehnte Lebensjahr erreicht, weshalb Letzterer auch nicht geeignet sei.153 In den folgenden Tagen erfuhr Baron von Stom, dass selbst Kurbrandenburg, trotz der versprochenen Förderung des Lothringers, durch Johann von Hoverbeck den jungen Pfalzgrafen empfehlen ließ.154 Jedoch blieb es dabei nicht, da es nur wenige Tage später hieß, dass der Kurprinz unter bestimmten Bedingungen die Konversion zum katholischen Glauben in Erwägung zöge. Anlass dazu gebe Friedrich Wilhelm die wachsende profranzösische Fraktion, von der er befürchte, sie würde die lothringische Partei bald in den Schatten stellen.155 Auch ohne die Kandidatur Karl Emils hielt man es jedoch während des Konvokationssejms für ratsam, Brandenburg sowie das Kurland und Schweden um militärische Hilfe im Kampf gegen die Türken zu bitten.156 Neben den Beratungen über die weiteren Maßnahmen für den Krieg gegen die Osmanen offenbarten sich die Divergenzen zwischen der polnischen und der litauischen Armee, die in der Rechtfertigung von Mykolas Pacas deutlich werden: Nach dem jüngsten Triumph von Chocim habe sich die litauische Armee, weil sie des Kampfes müde war und kein Proviant mehr hatte, von der königlichen abgesetzt und sich damit nach Angaben von Mykolas Pacas den Befehlen beider Groß-
152 HHStA, GSR 55, II. S. 50. Über die Beliebtheit der Königinwitwe siehe: Hirsch, Die Wahl. S. 228. Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 97; Matwijowski, Pierwsze sejmy. S. 22. 153 HHStA, GSR 55, I. S. 162. 154 Ebd. S. 191, 200. Für Friedrich Wilhelm wären die Wahl von Karl von Lothringen und der daraus resultierende Machtzuwachs des Hauses Habsburg nicht von Vorteil. Kamieński, Andrzej: Działania dyplomacji brandenburskiej w Polsce podczas elekcji 1674 roku [Diplomatische Maßnahmen Brandenburgs in Polen zur Zeit der Wahl im Jahr 1674]. In: Wieki Stare i Nowe, Bd. 8 (2015). H. 13. S. 30. 155 HHStA, GSR 55, I. S. 200. 156 Acta, II, 2. S. 1389; Korzon, Dola i niedola. Bd. 3. S. 445.
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hetmane widersetzt. Der Litauer habe sich gezwungen gesehen, da seine Truppen eigenständig den Rückmarsch angetreten hätten, sie zu verfolgen und einzuholen. Nachdem ihm dies gelungen war, soll er von mehreren Standorten aus Briefe an Jan Sobieski geschickt haben, um von diesem zu erfahren, ob sie zur Front zurückkehren sollten. Er erhielt allerdings keine Antwort. Er habe deshalb den Eindruck gehabt, die litauischen Truppen würde man nicht mehr benötigen, weshalb sich Mykolas Pacas dem Willen seiner vom Krieg gezeichneten Männer beugte und die Rückkehr in die Heimat anordnete.157 Nach dieser Erklärung folgten während des Konvokationssejms von der Gegenpartei Proteste. Der Krakauer Bischof wusste jedoch die Situation zu entschärfen, indem er die Versorgung der Armee erneut zur Debatte stellte und Maßnahmen zur Behebung der Knappheit an Lebensmitteln in die Wege leitete. Ging es jedoch um die Wahl eines Piasten, heißt es im Diarium, wurde auf litauischer Seite argumentiert, dass man das verhindern müsse, um den Schutz des Vaterlandes garantieren zu können.158 Baron von Stom zufolge drohten die Litauer sogar, sich nach der Wahl eines Piasten gänzlich vom Königreich trennen zu wollen. Außerdem werde man die Königinwitwe mitnehmen und verheiraten, einen Großfürsten wählen und sodann gegen die polnische Nation in den Krieg ziehen. Angesichts der drohenden Abspaltung hoffte die kaiserliche Seite, dass Jan Sobieski eine Revolte der polnischlitauischen Armee anzetteln und dadurch weiter an Popularität verlieren würde, die bereits durch seine wankelmütigen Empfehlungen eines geeigneten Kandidaten gelitten hatte. Um der schwindenden Beliebtheit des Krongroßhetmans entgegenzuwirken, lasse Maria Kazimiera durch Vertraute mündlich verlauten, dass die Äußerungen Jan Sobieskis von vielen seiner Freunde falsch wiedergegeben worden wären.159 Zu seiner Beunruhigung stellte der kaiserliche Resident fest, dass der Krongroßhetman zudem drei Regimenter in die Krönungsstadt Krakau verlegt hatte. Dieses Vorgehen wurde jedoch nicht als eine Schutzmaßnahme zur Wahrung der inneren Sicherheit angesichts der türkischen Bedrohung wahrgenommen, sondern vielmehr als Versuch, sich der Krone zu bemächtigen. Am Warschauer Hof wurde diese Aufrüstung in Krakau laut dem Baron als negativ bewertet; es fördere lediglich die Abneigung gegen den Krongroßmarschall, dessen „violenta Gedanken“ durch die Zusammenarbeit mit den Moskowitern an der ukrainischen Grenze verhindert werden könnte, um seine Macht zu schwächen.160 Die Annahme ist naheliegend, 157 Acta, II, 2. S. 1391. 158 Ebd. S. 1397; Bobiatyński, Michał Kazimierz Pac. S. 300. 159 HHStA, GSR 55, I. S. 200. Hier wird erstmalig ersichtlich, dass Karl von Lothringen nicht explizit als kaiserlicher Kandidat von den Litauern genannt wurde. Über die Neigung zur Kandidatur von Fjodor Alexejewitsch: Bobiatyński, Michał Kazimierz Pac. S. 302 f. 160 HHStA, GSR 55, I. S. 193, 233. Über die Rolle des Zaren, die Ukraine und die Position Jan Sobieskis siehe:Woliński, Janusz: Król Jan III a sprawa Ukrainy 1674–1675 [König Jan III. und die ukrainische Angelegenheit 1674–1675]. Warschau 1934. S. 4–7.
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dass Baron von Stom diese Sympathie für Moskau von dem anwesenden litauischen Adel in seinem Bericht übernommen hat. Denn wie sich noch zeigen sollte, neigten die Litauer zu einem Bündnis mit den Zaren und schlugen Habsburg vor, es ihnen gleich zu tun. Der Kaiser zeigte sich von dem Vorschlag, mit Moskau zu kooperieren, wenig beeindruckt und merkte lediglich an, man müsse versuchen, die Truppen in Krakau stehen zu lassen.161 Laut einem Anhänger des Lothringers sei in der französischen Partei die angeblich aus Wien stammende Nachricht im Umlauf gewesen, dass, wenn Karl V. die Krone Polens erlange, er nicht die Königin, sondern die verwitwete Kaiserin, also die Mutter Leopolds I., zur Ehefrau nehmen müsse. Offenkundig wurde damit versucht, den zukünftigen Herzog von Lothringen mit solchen Gerüchten in ein schlechtes Licht zu rücken. Daraufhin riet Unterkanzler Andrzej Olszowski den anwesenden lothringischen Ministern, den einflussreichsten Anhänger Frankreichs, nämlich Jan Sobieski, von Karl V. zu überzeugen, um so die profranzösische Seite für die Wahl des Prinzen zu gewinnen. Auch andere Anhänger des Krongroßmarschalls vertraten die Meinung, dass Jan Sobieski noch für die kaiserliche Seite zu gewinnen sei. Dadurch hätte man Gewissheit, dass die Interessen Habsburgs durchgesetzt und die Sicherheit Eleonores garantiert würde. Selbst der Primas empfahl nach langen Überlegungen, sich trotz aller Provokationen nicht mit der französischen Partei zu überwerfen, sondern wie die lothringischen Minister zu kooperieren.162 Der Kaiser verlangte daraufhin erneut von Kazimierz Florian Czartoryski zu erfahren, wie Jan Sobieski für seine Seite gewonnen werden könne. Außerdem wünschte er zu wissen, wie die Diskussion über die Wahl des Großmarschalls einzuschätzen sei und wie man Jan Sobieski genügend Aufmerksamkeit schenken könne, um dem Eindruck einer Vernachlässigung oder Geringschätzung durch Habsburg zuvorzukommen.163 Unter anderem ist damit auch eine Vergütung Jan Sobieskis gemeint. Baron von Stom wandte jedoch ein, nicht zu viel Geld für dessen gänzliche Gewinnung aufwenden zu wollen, da dies auf Karl von Lothringen einen negativen Eindruck machen könne, der ohnehin wegen der Zurückhaltung Wiens um eine Erklärung gebeten habe.164 Sichtlich hin- und hergerissen ließ sich die kaiserliche Seite zu sehr von den unterschiedlichen Würdenträgern am Warschauer Hof beeinflussen, sodass man keine Stringenz im Umgang mit dem Krongroßmarschall erkennen kann.
161 162 163 164
HHStA GSR 55, II. S. 67. HHStA, GSR 55, II. S. 59 f. HHStA, GSR 55, I. S. 234 f. HHStA, GSR 55, II. S. 66.
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4. Die Wahl zum König unter dem Ruhmesmantel von Chocim
Die Diskussion über einen Ausschluss des Piasten von der Wahl hatte letztendlich auch keine Früchte getragen. Während des Konvokationssejms wurde argumentiert, dass das Recht der freien Wahl jeden wählbar mache und jeder Wahlberechtigte ohne Einschränkung frei entscheiden könne.165 Der Sejm endete am 22. Februar 1674 nach mehreren Beratungen, besonders über den Einsatz kurländischer Truppen,166 die Finanzierung des Krieges, Beschaffung von Waffen und die Festlegung des Wahlsejms auf den 22. April 1674. Auf kaiserlicher Seite sah man den Verlauf der Konvokation insgesamt als Erfolg. Die Situation war nach Angaben des Barons günstig, selbst in Bezug auf Jan Sobieski, der vor Ort noch immer erwartet wurde.Während mehrere Mittelsmänner auf Geheiß des kaiserlichen Residenten versuchen sollten, den Großmarschall für die Unterstützung der Königinwitwe zu gewinnen, begannen Anhänger Jan Sobieskis, wie beispielsweise Jan Małachowski, zugunsten des Lothringers zu sprechen.167 Leopold I. persönlich ließ Christoph Leopold Schaffgotsch instruieren, niemanden in specie zu empfehlen, sondern „nur in terminis generalibus bei dem bonum publicum der Königin“ zu bleiben, sodass eine gute Nachbarschaft mit dem neu erwählten König entstehen könne. Primär empfahl der Kaiser, Karl von Lothringen indirekt und geheim zu unterstützen. Sollte dieser jedoch nicht durchzusetzen sein, sollte sekundär Prinz Georg von Dänemark gefördert werden, um auf jeden Fall die Wahl des brandenburgischen Kurprinzen zu verhindern. Hierbei wurde jedoch darauf geachtet, dass man Friedrich Wilhelm offiziell versicherte, man sei der Wahl seines Sohnes prinzipiell nicht abgeneigt, lediglich die Konfession würde nicht passen.168 Es war eine recht schwache Argumentation, da die Dänen ebenfalls Protestanten waren. Offensichtlich versuchte der Kaiser lediglich, die Macht von Kurbrandenburg einzudämmen. Im weiteren Verlauf der Ereignisse sollte sich noch zeigen, welche versteckte Absicht Leopold I. in Bezug auf Dänemark hegte. In Lemberg vertraten die dort versammelten Würdenträger die Meinung, dass allein die Vorstellung, nach Warschau zu reisen, um am Wahlakt teilzunehmen, während an der Grenze der Feind lauere, ein geradezu abwegiger Gedanke sei.169 Selbst Nuntius Francesco Buonvisi fand in seinem Abschlussbericht zur Konvokation an Kardinal Altieri für diese Männer Worte der Anerkennung. Unter anderem schreibt er, es sei unglaublich, wie arm Polen-Litauen sei und trotz der finanziellen Missstände eine große Bevölkerungsanzahl alles tue, um die Türken abzuwehren – unter 165 Acta, II, 2. S. 1398. Hirsch, Die Wahl. S. 237; Korzon, Dola i niedola. Bd. 3. S. 448 f. Über die verheerenden Konsequenzen eines solchen Ausschlusses: Rhode, Ein Königreich ohne König. S. 269. 166 Acta, II, 2. S. 1396–1399. 167 HHStA, GSR 55, I. S. 207; HHStA, GSR 55, II. S. 66; Matwijowski, Pierwsze sejmy. S. 25. 168 HHStA, GSR 55, I. S. 234. Über die darauffolgenden Bemühungen des dänischen Königs Christian V. siehe: Hirsch, Die Wahl. S. 239. 169 Acta, II, 2. S. 1409.
4.1 Der erste Schritt zur Königskrone: Der Konvokationssejm
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ihnen auch Jan Sobieski.170 Umso schwieriger war es, am Warschauer Hof einschätzen zu können, wann der polnische Großmarschall im Königreich eintreffen würde. Er rechtfertigte seine Abwesenheit nach dem Konvokationssejm in einem offiziellen Brief an die regionalen Ständeversammlungen (sejmiki) damit, dass ihn seine Gesundheit und die plötzliche Verdrängung der eigenen Armee aus Teilen der Walachei durch die Tataren davon abgehalten hätten. Aufgrund des stetig stärker werdenden Gegners bat er, sich mit allen Beratungen zu beeilen, da er bald mit einem türkischen Angriff rechne. Offen beschwerte er sich über die Gerüchte zu seiner Person und sah darin eine Gefahr für die Rzeczpospolita. Er erklärte, mit keinem Wort für sein Eigeninteresse gesprochen zu haben. Er wünsche sich lediglich einen würdigen König, der entweder den Frieden ohne jeglichen Gebietsverlust einkehren lasse oder zum Ruhm der Nation die Osmanen bis zur anderen Seite des Meeres zurückdrängen könne. Der infrage kommende Kandidat dürfe den Krieg nicht aus eigenem oder fremdem Interesse verlängern beziehungsweise das Geld des Königreichs zur Expansion missbrauchen oder damit den Frieden durch Tributzahlungen an die Hohe Pforte erkaufen. Den Adel, den Jan Sobieski als seine großen, wohlwollenden Herren und Brüder bezeichnet, mahnte er, einen würdigen König zu wählen, der das Königreich im Ganzen sehe und in seinem Sinne regiere.171 Er äußerte damit keine Präferenzen oder Abneigungen zu bestimmten Personen, doch im Folgenden wird ersichtlich, dass dieser Brief in den kommenden Wochen eine Spaltung der Gemüter in Bezug auf die Wahrnehmung Jan Sobieskis verursachte. In der Zwischenzeit bemühte sich Erzbischof Kazimierz Florian Czartoryski durch die Gesandtschaft von Wojtek Opacki um die militärische Unterstützung Brandenburgs. Friedrich Wilhelm teilte dem Primas schriftlich seine Einwilligung mit, Hilfstruppen zu entsenden, und gab ihm Empfehlungsschreiben für weitere europäische Höfe mit.172 Eine scheinbare Entwarnung in Berlin bezüglich der Ambitionen des Krongroßhetmans erfolgte durch seinen gut informierten Gesandten Johann von Hoverbeck Ende Februar 1674, indem dieser berichtete, dass sich Jan Sobieski offiziell für den Großen Condé ausgesprochen hatte. Der Krongroßmarschall selbst komme nicht als Kandidat infrage, da er eine Scheidung von Maria Kazimiera ablehne. Der brandenburgische Gesandte hatte außerdem in Erfahrung gebracht, dass Jan Sobieski durch den bald zu erwartenden Christoph Leopold Schaffgotsch auf die Seite des Kaisers gezogen werden solle. Dadurch hätte der Herzog von Lothringen eine größere Aussicht auf Erfolg, zumal dieser mit Mykolas
170 Ebd. S. 1413 f.; Korzon, Dola i niedola. Bd. 3. S. 451. 171 Dieser Brief vom 6. März 1674 ist in der Edition sowohl auf Polnisch als auch auf Italienisch gedruckt worden. Acta, II, 2. S. 1414–1417; Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 466. 172 Bezüglich weiterer Hilfeleistungen siehe UA, 19. S. 37. Anm. 1; Matwijowski, Pierwsze sejmy. S. 22; Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 103.
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4. Die Wahl zum König unter dem Ruhmesmantel von Chocim
Pacas eine große Anzahl an Befürwortern beim litauischen Adel hätte.173 Johann von Hoverbeck berichtete ebenfalls über die drei Regimenter des polnischen Großhetmans in Krakau und dass er mit Baron von Stom die Auffassung teile, dass sich Jan Sobieski anscheinend der Krone zu bemächtigen versuche. Er empfahl dem Großen Kurfürsten, vorsichtiger gegenüber dem Krongroßmarschall zu sein. Würde er mit diesem keine weiteren Verhandlungen führen wollen, sollte derselbe auch nicht mehr zur Wahl befragt werden. Es stünde nämlich durch die kursierenden Gerüchte sehr schlecht um des Brandenburgers Ansehen.174 Pfalzgraf Philipp Wilhelm von Neuburg meldete sich nach dem Konvokationssejm erneut beim brandenburgischen Kurfürsten und berichtete diesem über die Chancen des Lothringers, der sich in der gleichen Lage wie sechs Jahre zuvor befinde und nur durch ein „Blutbad“ den polnischen Thron besteigen könne. Er teilte Friedrich Wilhelm ebenfalls mit, dass er in gleicher Weise wie Jan Sobieski und der königliche Schatzmeister, Jan Andrzej Morsztyn, die Nachricht von Frankreich erhalten habe, dass Ludwig XIV. nicht beabsichtige, einen französischen Kandidaten oder irgendeinen Gesandten zur Wahl nach Polen-Litauen zu schicken. Aus diesem Grund bat der Pfalzgraf nach der bereits erklärten Unterstützung von Frankreich und Schweden für seinen Sohn um den zusätzlichen Beistand des Großen Kurfürsten, sollte dieser selbst oder der Kurprinz nicht kandidieren wollen.175 Einige Tage später übersandte Johann von Hoverbeck nach Berlin die Nachricht, der königliche Großhetman solle erneut seine Meinung geändert haben, und lasse – vermeintlich zum Wohlwollen Ludwigs XIV. – ankündigen, den Pfalzgrafen von Neuburg in gleicher Weise wie zuvor den Fürsten von Condé zu fördern. Durch den brandenburgischen Gesandten soll Jan Sobieski seine Ergebenheit für den Großen Kurfürsten in Aussicht gestellt haben. Außerdem verlangte der Krongroßmarschall zu wissen, ob der Brandenburger gedenke, Prinz Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg zu unterstützen, denn primär müsse für ihn die Wahl Karls von Lothringen verhindert werden.176 Der Druck auf Friedrich Wilhelm stieg, doch ließ er sich ebenso wenig wie der Kaiser zu einer offiziellen Fürsprache eines bestimmten Kandidaten verleiten.
4.2 Die Tendenzen vor dem Wahlsejm
Nach dem Konvokationssejm tagte seit Ende Februar 1674 in Lublin eine Kommission aus den militärisch einflussreichsten Männern Polen-Litauens, um die
173 174 175 176
UA, 19. S. 39; Hirsch, Die Wahl. S. 238; Korzon, Dola i niedola. Bd. 3. S. 436. UA, 19. S. 39 f. UA, 19. S. 40; Hirsch, Die Wahl. S. 240. UA, 19. S. 41; Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 103 f.
4.2 Die Tendenzen vor dem Wahlsejm
119
Deserteure von Chocim zu verurteilen. Diese Kommission hatte bislang in Warschau getagt, war aber wegen der Konvokation verlegt worden. Folglich trafen die Würdenträger erst nach und nach in Lublin ein. Den Hof erreichte die Nachricht aus Lemberg, dass auch Jan Sobieski nach Jaworiw abgereist sei, um sich nach Lublin zu begeben. Etliche Kritiker des Krongroßmarschalls diskutierten noch in Warschau über die von ihm veranlasste Stationierung von Soldaten in Krakau zum Schutz der Rzeczpospolita. Seine Anhänger wandten ein, dass diese Truppenkontingente bald abberufen würden und wiesen darauf hin, dass Jan Sobieski kraft seines Amtes als Vorsitzender des sąd kapturowy177 zu solchen Maßnahmen befugt sei. Die Stimmen verebbten jedoch und so wurde es von Tag zu Tag ruhiger in Warschau, zumal sämtliche Würdenträger abreisen mussten, um auch an den parallel stattfindenden regionalen Landtagen teilzunehmen.178 Hinsichtlich der weiteren, in den Quellen oft als „Wahlwerk“ bezeichneten Verhandlungen, sollte sich Peter Ignaz von Stom erneut mit Kazimierz Florian Czartoryski darüber beraten, wie ein günstiger Wahlausgang erreicht werden könne.179 Hierfür instruierte Leopold I. seinen Residenten, dem Erzbischof ins Gewissen zu sprechen; in Anbetracht des Krieges zwischen Spanien und Frankreich erfordere es einen starken polnischen König, weshalb er vom Primas erfahren wolle, welchen Kandidaten er für geeignet halte. Der Kaiser hatte sogar angeboten, Geld und Mittel zur Verfügung zu stellen, und schlug mehrere potenzielle Kandidaten vor. Der Herzog von Lothringen sei mit allen königlichen Würden und erforderlichen Qualitäten ausgestattet, habe bereits Erfahrung sowohl im militärischen als auch politischen Bereich, sei tapfer, mutig und erfahren im Kampf gegen die Türken. Selbst die Unstimmigkeiten mit Frankreich lassen sich, seines Erachtens nach, leicht beheben. Außerdem würde Herzog Karl V. auch gleich nach der Wahl persönlich ins Feld ziehen und gegen „den Erbfeind“ kämpfen sowie die Armee für ein oder zwei Monate finanzieren können. Leopold I. erwähnt auch den jüngeren Bruder des dänischen Königs, Prinz Georg, der im richtigen Alter sei und sich durch seine auffallende Tapferkeit auszeichne, weshalb man auf längere Sicht mit dänischem Beistand gegen die 177 Übersetzt bedeutet der Begriff „Kapuzengericht.“ Bei dem sąd kapturowy handelt es sich um ein Strafgericht (Judikative), das auch für die öffentliche Sicherheit Sorge trug (Exekutive). Hierzu mehr in: Augustyniak, Historia Polski. S. 69. Abramski, Andrzej: Sąd kapturowy generalny. Z dziejów wymiaru sprawiedliwości podczas bezkrólewi w Rzeczypospolitej w XVII i XVIII wieku [Das generelle Kapuzengericht. Geschichte der Justiz zu Zeiten des Interregnums in der Adelsrepublik des 17. und 18. Jahrhundert]. In: Przegląd Prawa i Administracji. Bd. 23 (1987). S. 201–224. 178 HHStA, GSR 55, I. S. 212; Hirsch, Die Wahl. S. 240; Rhode, Ein Königreich ohne König. S. 273 f. Krakau soll laut Andrzej Trzebicki eine unsichere Stadt geworden sein, was die militärische Präsenz erklären soll. Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 470, 475 f. 179 Kazimierz Florian Czartoryski war ein langjähriger Anhänger der prokaiserlichen Seite. Woliński, Poselstwo. S. 146; Augustyniak, Historia Polski, S. 689.
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4. Die Wahl zum König unter dem Ruhmesmantel von Chocim
Osmanen rechnen könne. Er betont sogar die Qualitäten des Kurprinzen von Brandenburg und die mögliche militärische Unterstützung durch Friedrich Wilhelm. Gleich darauf macht er jedoch auf die nicht vorhersehbaren Auswirkungen für die katholische Kirche aufmerksam, würde man sich für einen protestantischen Kandidaten entscheiden. Er habe zudem erfahren, dass auch Schweden und Moskau mit der Wahl des Kurprinzen nicht einverstanden wären und ließ nachfragen, ob sich als Alternative der älteste Sohn des Herzogs von Braunschweig-Lüneburg eignen würde. Der Kaiser wollte auch erfahren, ob die Herzöge von Parma und Modena in gleicher Weise wählbar seien.180 Außerdem erwartete Leopold I. vom Primas einen Vorschlag, wie man sowohl die französischen Kandidaten als auch einen Piasten effizient ausschließen könne. Der Wiener Hof stellte sich darüber hinaus die Frage, ob und wie man Jan Sobieski von der habsburgischen Sache überzeugen oder ihn – wenn man ihn schon nicht mit Schenkungen zu gewinnen vermöge – seiner Macht entkleiden könne. Die zu erwartenden Antworten sollten zügig folgen, damit man sich am Wiener Hof darüber beraten könne. In Bezug auf die von Stom geforderten Gelder verspricht der Kaiser, „zu gewinnung einiger factionen und gemüther sonderlich des Sobieski“ das Mögliche in die Wege zu leiten, jedoch seien diese seines Erachtens weder nützlich noch nötig in Anbetracht der momentanen Situation und anderweitigen Ausgaben, zumal solche Schenkungen wie bei der Wahl zuvor keine Garantie dafür darstellten, dem eigenen Kandidaten erfolgreich zum Thron zu verhelfen.181 Überlegungen, die zeigen, dass man in Wien noch immer uneins war, ob und welchen Kandidaten Habsburg offiziell unterstützen sollte, und dass man für die nächsten Schritte besonders die Meinung des Erzbischofs berücksichtigen wollte. Es wurden lediglich Überlegungen angestellt und vorsichtig formulierte Vorschläge gemacht, um eine künftige Antipathie oder Kränkung des neu gewählten Königs zu verhindern. Am Warschauer Hof unterhielt sich der Habsburger Resident Peter Ignaz von Stom erneut mit Kazimierz Florian Czartoryski. Während dieses Gesprächs riet der Erzbischof, dass Leopold I. bei seinem bisherigen Kurs, sich in generalibus zu halten, bleiben sollte, das heißt, niemanden konkret zu benennen, sondern nur ganz allgemein einen guten Nachbarn zu empfehlen, um im Sinne des bonum publicum der königlichen Schwester den Thron zu erhalten. Dem Baron versicherte der Primas weiter, der Kurprinz werde wegen unterschiedlicher politischer Bedenken bei allen polnischen Bischöfen auf Widerstand treffen, da man seiner Konversion trotz der Versicherungen Johann von Hoverbecks wenig Glauben beimesse und er bei sei180 Hierbei geht es um folgende Personen: Georg, Prinz von Dänemark (1653–1708), Georg Ludwig von Braunschweig-Lüneburg (1660–1727), Francesco II. d’Este, Fürst von Modena und Reggio (1660–1694), und den jüngeren Bruder des Herzogs von Parma, Alessandro Farnese (1635–1689), der später Gouverneur der habsburgischen Niederlande wurde. 181 HHStA, GSR 55, I. S. 115–119.
4.2 Die Tendenzen vor dem Wahlsejm
121
ner Wahl als gleichsam „öffentlicher Ketzer“ der katholischen Kirche schaden würde.182 Hinsichtlich der kaiserlichen Überlegungen zur Unterstützung des dänischen Prinzen Georg habe er zunächst erwogen, ob dessen Bruder, König Christian V. von Dänemark, profitabel für die Rzeczpospolita sein könne, den Gedanken jedoch schließlich verworfen, da der Prinz schlichtweg zu jung sei. Über Alessandro Farnese di Parma wisse man wenig, da er im weit entfernten Spanien lebe. Bei dem Prinzen von Braunschweig-Lüneburg habe man ähnliche Bedenken wie bei Kurbrandenburg, also sei beider Wahl kaum wahrscheinlich.183 Der geeignetste Kandidat für den Primas blieb Karl V. von Lothringen, den der Kaiser laut erzbischöflicher Empfehlung heimlich und indirekt fördern solle. Mit der Wahl des lothringischen Prinzen auf den polnischen Königsthron versprach sich der Erzbischof vor allem einen finanziellen Zuschuss von 600.000 Reichstalern für Polen-Litauen. Genauso vertrat er weiterhin die Meinung, Jan Sobieski könne mit Versprechungen kaiserlicher Gnaden und einiger Schenkungen gewonnen werden. Der polnische Großmarschall würde zwar noch den Frieden mit der Hohen Pforte in Erwägung ziehen, müsse sich jedoch selbst eingestehen, dass ohne Berücksichtigung von Leopold I. der Friede restitutione ablatorum geschlossen würde, was aber während des Interregnums ohne die Ratifikation des Erzbischofs und des Rats nicht geschehen könne. Jan Sobieski würde eher die 100.000 Reichstaler für den Türkenkrieg mit schuldigem Dank akzeptieren und die Wahl eines für den Kaiser annehmbaren Königs zulassen. Wie Jan Sobieski räumten auch die beiden Bischöfe, Andrzej Trzebicki und Andrzej Olszowski, Karl von Lothringen geringe Chancen ein, gewählt zu werden. Den beiden Prälaten gegenüber hatte jedoch der Erzbischof bereits ein gutes Wort für den Herzog eingelegt und versprach, dies auch bei Jan Sobieski zu tun und diesem persönlich darzulegen, weshalb der Lothringer allen bisherigen Kandidaten vorzuziehen sei. Im Vertrauen erklärte der Primas dem kaiserlichen Residenten, dass der Krongroßmarschall weder auf den Feldherren Condé noch den Prinzen von Neuburg bestehen würde, weil diese bei der Wahl keine Aussicht auf Erfolg hätten.184 Nach der Unterhaltung zwischen Czartoryski und Stom wurde ein Vertrauensmann des Barons zu Jan Sobieski geschickt, in dem Bewusstsein, dass die Wahl eines von allen akzeptierten Königs „von der gewinnung dieses mannes“ abhing.185 Wenn man bedenkt, dass Jan Sobieski Einfluss auf alle drei Gewalten hatte, war dies eine durchaus begründete Auffassung: Als Krongroßmarschall bekleidete er nämlich un182 Ebd. S. 213. 183 HHStA, GSR 55, I. S. 213 f. Alessandro Farnese di Parma erhielt während des Konvokationssejms nach seiner schriftlichen Ankündigung durch den Kronunterkanzler keinen Zuspruch von den hohen Würdenträgern. Ebd. S. 200. 184 Ebd. S. 215; Woliński, Poselstwo. S. 151. 185 HHStA, GSR 55, I. S. 215.
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ter den Ministern ein wichtiges Amt und hatte damit Einfluss auf die Legislative. Als Großhetman der Krone führte er die Exekutive, wobei er für die öffentliche Sicherheit in doppelter Hinsicht Sorge trug. Denn als gewählter Präsident des sąd kapturowy, einem Gericht, das zum Schutz des Königreichs nur für die Zeit des Interregnums bestand, hatte er auch Einfluss auf die Judikative.186 Peter Ignaz von Stom berichtete Leopold I. auch, dass Jan Sobieski nicht nur über Waffen, einen großen Anhang und Einfluss verfüge, sondern auch viele von ihm finanziell abhängig seien. Es läge in Jan Sobieskis Macht, die Königinwitwe auf dem polnischen Thron zu halten und einen dem Kaiser gefälligen König wählen zu lassen. Der Baron schlug deshalb vor, Jan Sobieski und dessen Frau eine ansehnliche Summe zu offerieren, diese aber erst nach der Wahl des gewünschten Kandidaten auszuzahlen. Hierfür bat er um 150.000 Reichstaler; außerdem wolle er mit dem Geld die notwendige Formierung einer Partei in die Wege leiten, damit Karl V. von Lothringen die Wahl sicher gewinne und die Krone erlange. Er bat zudem um eine möglichst schnelle Antwort des Kaisers, welche Summe er Jan Sobieski offerieren dürfe, bevor jener sich mit anderen ausländischen Gesandten gegen Habsburg verschwören könne. Seinen Informationen zufolge soll Johann von Hoverbeck bereits 100.000 Taler dem Krongroßmarschall angeboten haben.187 Bewusst und mit allen Mitteln versuchte man, die Gunst des polnischen Feldherrn zu gewinnen, und kam während den darauffolgenden Beratungen der Litauer über den Ausschluss eines Piasten und der Wahl eines geeigneten Nachfolgers und Gatten für die Königinwitwe mit Jan Sobieskis Schwager Mykolas Radvila ins Gespräch. Dieser soll aufgeregt und mit errötetem Gesicht erklärt haben, im Sinne des Vaterlandes handeln zu wollen, und versprach, den Krongroßmarschall dahingehend bearbeiten zu wollen, die gleichen Interessen zu verfolgen. Doch kommentierte Baron von Stom dazu kritisch: „[O]b nun das innerliche mit dem äußeren übereinstimmt, steht zu erwarten.“188 Wenige Tage später trafen in Warschau Neuigkeiten aus Berlin ein. Johann von Hoverbeck soll laut den Angaben Barons von Stom am 3. März 1674 die Anweisung vom Großen Kurfürsten erhalten haben, mehreren Senatoren insgeheim das Angebot zu unterbreiten, dass, sollte Karl Emil zum König gewählt werden, er auf Preußen verzichten und das Lehen der Rzeczpospolita überlassen würde. Darüber hinaus wolle er laut dem kaiserlichen Residenten eine Armee von 20.000 Mann im Kampf gegen die Türken anbieten und diese bis zum Ende des Krieges unterhalten. Er habe ebenfalls versprochen, als Vater des zukünftigen polnischen Königs 186 In den deutschen Quellen wird nur der lateinische Begriff Iudicium Kaptur benutzt: APW, AS 1414. S. 98. Hartknoch, Christoph: De Republica Polonica […]. Jena 1687. S. 283. Selbst in der Forschungsliteratur wird der Begriff nicht übersetzt, sondern nur umschrieben. Rhode, Die Durchsetzung. S. 208; Augustyniak, Historia Polski. S. 69. 187 HHStA, GSR 55, I. S. 215. 188 Ebd. S. 217.
4.2 Die Tendenzen vor dem Wahlsejm
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keine Ansprüche auf die Einnahmen Polen-Litauens zu stellen, stattdessen wolle er den königlichen Hofstaat für mehrere Jahre unterhalten. Zwar hinterließen diese Offerten großen Eindruck, doch dürfte Brandenburg wegen der Konfessionsfrage nicht allzu sehr auf Erfolg beim polnisch-litauischen Adel gehofft haben.189 Die Informationen des kaiserlichen Gesandten wurden durch Dritte am Warschauer Hof aufgegriffen, wobei hier die Reaktion darauf von Interesse ist:Während der erkrankte Erzbischof verlauten ließ, er würde eher das Königreich verlassen, als den Kurprinzen zum König zu krönen, soll ein Vertrauter Jan Sobieskis dem kaiserlichen Diplomaten berichtet haben, dass der Krongroßmarschall bei solchen Offerten zur Wahl des Kurprinzen tendiere und sich darüber in Jaworiw mit den Wojewoden von Krakau und Kijew beraten würde.190 Die Tendenz Jan Sobieskis, Karl Emil unterstützen zu wollen, geriet jedoch angesichts eines neuen Briefes aus Frankreich ins Wanken. Der intrigante Kronschatzmeister, der allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz in seinem Innersten nie von der profranzösischen Haltung abgerückt war, zeigte sich über diese Post aus Paris in höchstem Maße erfreut. Auch wenn Jan Andrzej Morsztyn dem gutgläubigen Baron von Stom noch das zweifelhafte Versprechen gab, im Interesse der Königinwitwe zu handeln, reiste er eiligst nach Lublin zu Jan Sobieski, ohne dem kaiserlichen Residenten den Inhalt der französischen Nachricht zu verraten. Dieser Brief aus Versailles ist bislang nicht aufgefunden worden, jedoch liegt die Vermutung nahe, dass entgegen der Versicherung, sich aus der Wahl herauszuhalten, darin mitgeteilt wurde, einen französischen Gesandten nach Polen-Litauen zu schicken.191 Auch aus Dänemark soll sich ein geheimer Gesandter nach Polen begeben haben, mit dem der Kaiser, laut seinem Antwortschreiben an Baron von Stom, in einem guten Verhältnis zu stehen wünsche, sofern dies dem Herzog von Lothringern nicht schade. Als unerwartet gute Nachricht nahm Leopold I. die Mitteilungen Johanns von Hoverbeck hinsichtlich der Absichten des Kurfürsten auf den polnischen Thron, Jan Sobieskis Beratungen mit zahlreichen Magnaten und dessen an den Tag gelegte Sympathie für den brandenburgischen Kurprinzen auf.192 Diese positive Einstellung bedeutete schließlich eine Abwendung von den französischen Kandidaten Condé und Neuburg. In einem ebenfalls auf den 3. März 1674 datierten Brief berichtete Baron von Stom dem Kaiser, dass man Jan Sobieski zunächst ein189 HHStA, GSR 55, I. S. 229. 190 Ebd. S. 238. 191 Ebd. S. 239. Jan Andrzej Morsztyn hatte Simon Arnaud de Pomponne berichtet, dass seitens Habsburgs und Lothringens die Entsendung jeweiliger Gesandter zu Jan Sobieski anstehe und die kaiserliche Fraktion stetig wachse. Acta, III, 1. S. 4. Schließlich sollte doch ein Diplomat ins polnische Königreich entsandt werden, nämlich Toussaint de Forbin-Janson, Bischof von Marseille. 192 HHStA, GSR 55, I. S. 243.
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mal 25.000 Dukaten anbieten könne, insgesamt aber 15.000 Reichstaler ausreichen sollten, um ihn für die kaiserlichen Interessen zu gewinnen.193 – Geldsummen, die Leopold I. jedoch nicht bewilligte. Währenddessen fanden am 11. März 1674 auf einer Konferenz in Wien die ersten Verhandlungen zwischen dem kaiserlichen Feldherrn Raimondo Montecuccoli und dem Obersten Hofkanzler Johann Paul Hocher mit dem brandenburgischen Gesandten Lorenz Georg von Krockow statt. Im Auftrag des Kurfürsten berichtete dieser von der Freude seines Herrn über die kaiserlichen Rüstungen im Krieg gegen Frankreich; gleichzeitig erinnerte er jedoch daran, dass Friedrich Wilhelm ebenso wie der Kaiser den Frieden wünsche, und bot sich nun als Vermittler zwischen den verfeindeten Monarchen, Leopold I. und Ludwig XIV., an. Der Stimmungswechsel des bisher auf eine kaiserliche Kriegsbeteiligung drängenden Kurfürsten wirkte auf die kaiserlichen Vertreter verdächtig und wurde mit der Begründung, Frankreich verhielte sich dafür zu aggressiv, abgewiesen.194 Der Große Kurfürst ließ außerdem wissen, dass ihm die Mittel fehlten, sich erneut am Krieg zu beteiligen, auch wenn er erst kürzlich – dank des spanischen Botschafters – erfahren habe, dass Schweden vorerst keine Bedrohung für ihn darstelle. In Hinblick auf die anstehende polnische Königswahl legte der brandenburgische Gesandte dar, dass die an Friedrich Wilhelm gestellten Bedingungen, vor allem der Konfessionswechsel, niemals von diesem akzeptiert würden.195 Letztendlich wurden während der Verhandlungen die Voraussetzungen für die Teilnahme brandenburgischer Truppen und die dafür benötigten Subsidien gegen Frankreich ausgehandelt.196 Doch von einer Unterstützung der Kandidatur des Herzogs von Lothringen bei der polnischen Wahl war vorerst nicht mehr die Rede. Noch hatte man allerdings seitens Brandenburgs die Hoffnung nicht aufgegeben, in Karl Emil den polnischen Thronfolger zu sehen, da sich vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen Habsburg und Frankreich in Polen-Litauen die toleranten Stimmen in Bezug auf die Religion mehrten. Friedrich Wilhelm beauftragte Johann von Hoverbeck, mit dem königlichen Großhetman vertraulich zu sprechen und dessen Ziele in Erfahrung zu bringen. Der Große Kurfürst ließ über seinen Gesandten Jan Sobieski wissen, dass ihm der Prinz von Neuburg angenehmer als der Herzog von Lothringen sei.197 Der Geheime Rat des brandenburgischen Kurfürstens war in der Kandidatenfrage allerdings gespalten; einige seiner Mitglieder sprachen sich für die Unterstützung des pfalzgräflichen Sohnes aus, andere wollten ihren Kurprinzen als polnischen König und damit als Schutzpatron der Protestanten sehen, wieder andere lehnten generell die Erfüllung der daran geknüpften Bedin193 194 195 196 197
HHStA, GSR 55, II. S. 73. UA, 14, 1. S. 747. UA, 13. S. 622. UA, 14, 1. S. 749 ff. UA, 19. S. 42 f.
4.2 Die Tendenzen vor dem Wahlsejm
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gungen ab. Ein Teil der Räte empfahl abzuwarten und lediglich den Kandidaten zu unterstützen, der die größeren Chancen auf den Thron hätte. Einig war man sich allerdings darin, dass eine Anlehnung an das Haus Österreich bedenklich sei, zumal der Große Kurfürst 1668 gegen den Lothringer gestimmt hatte. Sollte dieser aber die Wahl gewinnen, sei es nicht ratsam, zuvor in den Reihen seiner Gegner gestanden zu haben. Dem Geheimen Rat zufolge würden Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg viele wichtige Voraussetzungen wie militärische und finanzielle Mittel fehlen, was seine Wahl unsicher mache. Für Brandenburg brächte er jedoch die meisten Vorteile mit sich, weshalb heimliche Subsidien für den Pfalzgrafen sinnvoll seien. Da gegenwärtig mehrere ausländische Minister bei Jan Sobieski vorstellig würden, sollte vorerst mit niemandem eine feste Vereinbarung eingegangen werden.198 Diese Unterredung mit seinem Geheimen Rat veranlasste Friedrich Wilhelm abzuwarten und weiterhin am polnischen Hof für niemanden offiziell zu werben. Im Namen Leopold I. wurde parallel zur Lubliner Konferenz im März 1674 ein offizielles Schreiben verfasst, das sich an die hohen Würdenträger Polen-Litauens richtete, die sich im April zur Wahl ihres neuen Königs zusammenfinden sollten. Erneut wurden darin die glänzenden Siege über die Türken erwähnt, die insbesondere Jan Sobieski berühmt gemacht hätten und zu denen Leopold I. gratulierte; außerdem wurde gleichzeitig der Tod König Michaels beklagt.199 Abermals wurde angemahnt, diesen Verlust durch eine wohlüberlegte Wahl zu kompensieren. Gleichzeitig versprach man kaiserliches Wohlwollen und eine gute Nachbarschaft. Zu diesem Zweck wurde offiziell der Gesandte Christoph Leopold Schaffgotsch angekündigt. Bei ihm handele es sich um den kaiserlichen Geheimen Rat, Kammerherrn und Oberlandeshauptmann von Schlesien, der durch frühere Gesandtschaften dem polnischen Adel bereits bekannt war. In dem Schreiben wurde betont, dass die Wahl von der Ergebenheit zur Schwester des Kaisers, der Königinwitwe, zeuge und das Wohl des befreundeten Nachbarn Polen-Litauen einzig durch den Eifer der Senatoren und guten Bürger bewahrt bleibe. Der Kaiser versprach, als Ausdruck seines Wohlwollens auch künftig alles zu tun, was zur Stabilisierung und zum Schutz der Rzeczpospolita beitragen könne.200 Mit diesem Brief reiste der darin genannte Botschafter nach Warschau. Mitte März erreichten auch der spanische Gesandte Pedro Ronquillo und der von Karl von Lothringen geschickte Jean II. de Belchamps sowie der dänische 198 Ebd. S. 43 ff. Für den Geheimen Rat des Brandenburgers blieb die Kandidatur des Kurfürsten beziehungsweise des Kurprinzen zwar wünschenswert, jedoch aussichtlos. Dazu: Kamieński, Działania dyplomacji. S. 34 f. Ders.: Polska a Brandenburgia. S. 104 f. 199 Im Original vom 12. März 1674 heißt es: „[…] et toto illi inclito Regno, de prosperis rerum Successibus partisque contra hostes victoriis gratulari […].“ In: BCzart, TN 172 (Mf. 7627), Nr. 28. S. 101. 200 Ebd. Dazu: Woliński, Poselstwo. S. 147.
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Abgesandte Christoffer Sehested die polnische Hauptstadt. Der Däne beabsichtigte, nach Lublin weiterzureisen, um dort vor dem bislang profranzösischen Jan Sobieski die Interessen des Prinzen Georg zu vertreten.201 Primas Kazimierz Florian Czartoryski hatte jedoch inzwischen laut Peter Ignaz von Stom seine Meinung bezüglich des dänischen Prinzen revidiert und teilte fortan mit dem Rest des polnischen Klerus die Befürchtung, durch die Wahl des protestantischen Georg mit den gleichen Schwierigkeiten konfrontiert zu werden wie mit dem Kurprinzen.202 Der kaiserliche Resident erfuhr ebenfalls, dass Jan Sobieski der Kandidatur Brandenburgs weiterhin positiv gegenüberstehe und beabsichtige, für weitere Verhandlungen seinen Generaladjutanten nach Berlin zu schicken. Allerdings habe er die Bedingung gemacht, dass Karl Emil zum Katholizismus übertrete.203 Vieler Meinung nach soll dies jedoch nur ein Vorwand gewesen sein, weil der königliche Großmarschall die Krone für sich selbst begehre und auf „anherung seines weibs“, sich das auf diese Weise besser verbergen ließ. Grund zu dieser Auffassung war, dass einerseits die der kaiserlichen Seite zugehörige Partei alles tat, um die von ihrer Opposition im Sejm präferierten Kandidaten, nämlich den Großen Condé und Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, auszuschließen. Während Jan Sobieski seinerseits den Lothringer ausspielte, sodass bei Ermangelung anderer katholischer Kandidaten lediglich ein Piast infrage komme.204 All diese Behauptungen hielt Baron von Stom für durchaus glaubhaft, zumal man insgeheim munkelte, dass der Krongroßhetman plane, die Armee für seine Zwecke zu instrumentalisieren. Um allerorts Karl von Lothringen zu desavouieren und aller Sympathien zu berauben, wurden hierfür Pakete mit jeweils 160 Schmähbriefen innerhalb Klein- und Großpolens von profranzösischen Anhängern verschickt. Laut Baron von Stom seien Gerüchte im Umlauf, dass Jan Sobieski und seine Frau sämtliche Senatoren für ihre Zwecke kaufen wollten, um eine Wahl in ihrem Sinne zu erreichen, allerdings fügt der Resident hinzu, dass er dies nicht so recht glaube. Seinen Vertrauensmännern ließ er stattdessen 500 Dukaten überreichen, um hohe Würdenträger auf die kaiserliche Seite zu ziehen. Der vom Herzog von Lothringen geschickte Belchamps wurde von Baron von Stom instruiert und war inzwischen von Warschau nach Lublin abgereist. Der kaiserliche Resident hatte ihm Briefe an seine Hintermänner mitgegeben, denen aufgetragen wurde, dem lothringischen Gesandten zur Hand zu gehen, 201 In französischen Briefen wird jener Gesandte „M. Steslet“ genannt: Acta, III, 1. S. 4. Mehr zum dänischen Gesandten in: Kruszewski, Eugeniusz: The Danish Candidacy for the Polish Throne in 1674. Kopenhagen 1995. S. 32. 202 HHStA, GSR 55, I. S. 249 f.; HHStA, GSR 55, II. S. 73. In einem privaten Schreiben von Baron von Stom an den Kaiser heißt es, dass der Gesandte „Serstätt“ (Christoffer Sehested) vom Primas schlecht empfangen wurde und er sich keiner Beliebtheit rühmen dürfe. In: Ebd. S. 94. 203 Acta, III, 1. S. 16; Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 474. 204 HHStA, GSR 55, I. S. 251.
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um den Krongroßhetman und seine Frau für den Herzog gewinnen zu können.205 Auch in den privaten Briefen an den Kaiser betonte Baron von Stom die Erfordernis von Schenkungen, von denen Maria Kazimiera nicht ausgenommen werden dürfe. Diese Bitte untermauerte er mit den Worten des Erzbischofs, dass dieses Mal die Wahl gänzlich von Jan Sobieski abhänge.206 Als die Nachricht eintraf, Letztgenannter sei in Lublin, wollten die ausländischen Gesandten diese Gelegenheit unbedingt nutzen, um mit ihm persönlich zu reden und zu versuchen, ihn auf die eigene Seite zu ziehen. Dem dänischen Gesandten, Christoffer Sehested, blieb allerdings ein Treffen verwehrt, da er wegen eines Unfalls nicht rechtzeitig ankam.207 Mittlerweile erhielt auch Francesco Buonvisi die Anweisung, während der Wahl keinen bestimmten Kandidaten zu nennen; er solle lediglich die eines Katholiken fördern. Seine Erwartungen in Bezug auf den neuen König von Polen teilte der Nuntius schriftlich Kardinal Altieri mit. Ein zu unterstützender Kandidat müsse Qualitäten vorweisen, die ihn befähigten, alles zurückzuerobern, was bisher an die Türken verloren gegangen war. Kritisch merkte er hierbei an, dass trotz der siegreichen Schlacht von Chocim die Stadt Kamieniec Podolski nicht in christliche Hand zurückgefallen sei.208 Der Papst rühmte stattdessen in seinem neuen Brief an Jan Sobieski des polnischen Großhetmans Eifer und sagte ihm geradezu prophetisch voraus, dass er noch Größeres zum Wachstum des Königreichs vollbringen werde.209 Ein solcher Zuspruch muss für den Großmarschall willkommen gewesen sein, der sich in den letzten Monaten ständig an der Front aufgehalten hatte. Bereits in seinem Schreiben an die Landtage rechtfertigte Jan Sobieski seine Abwesenheit am Konvokationssejm mit den tatarischen Angriffen in der Walachei.210 Dass sich der Krongroßmarschall jetzt, im März 1674 zu dem in Lublin tagenden Kriegstribunal begab, bedeutete nicht, dass die Kampfhandlungen mit den Tataren ein Ende genommen hätten. Die Weiterreise Jan Sobieskis von Lemberg zu dem nahe gelegenen Jaworiw verzögerte sich indes, wobei Baron von Stom in Erfahrung gebracht haben will, dass sich der Krongroßhetman dort mit seinen Anhängern beratschlage. Diese erhielten dem habsburgischen Residenten zufolge den Auftrag, den Feldherren Condé zu unterstützen, um so von den ihm unterstellten Ambitionen abzulenken. Überraschend wirkt jedoch Baron von Stoms Schilderung von den dort gehaltenen Gesprächen mit Aleksander Michał Lubomirski und Andrzej Potocki, den Woiwoden von Krakau und Kijow. Ihnen gegenüber soll sich Jan Sobieski zugunsten des Herzogs von Lothringen eingesetzt haben. Die beiden 205 206 207 208 209 210
Ebd. S. 252; Acta, II, 2. S. 1415; Acta, III, 1. S. 4; Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 473. HHStA, GSR 55, II. S. 77. HHStA, GSR 55, I. S. 314, 332. Acta, II, 2. S. 1421. BCzart. TN 172 (Mf. 7627), Nr. 29. S. 103; HHStA, GSR 55, I. S. 250. Acta, II, 2. S. 1417 f.
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ojewoden widersetzten sich aber mitsamt ihren Frauen, auf deren Fürsprache Karl W von Lothringen irrigerweise gebaut hatte, Jan Sobieskis Vorschlag. Sie begründeten ihre Ablehnung damit, dass die Wahl Karls von Lothringen impraktikabel sei, da es nicht ratsam und sogar gefährlich wäre, nicht nur des Kaisers Schwester, sondern auch noch einen von Habsburg abhängigen König auf dem Thron zu haben.211 Letztendlich wurden die Beratungen vertagt und auf das Tribunal in Lublin verschoben, wo Jan Sobieski am 18. März 1674 eintraf. Einen Tag später verfasste der in Lublin anwesende Kronschatzmeister einen Brief an den Außenminister Pomponne. Jan Andrzej Morsztyn klagte, „la France ne fasse rien dans cette élection“, und erhöhte den Druck durch die Forderung von Gegenmaßnahmen auf die bereits erfolgten Vorkehrungen der anderen ausländischen Kandidaten, da aus seiner Sicht die Habsburger Partei sehr stark sei. Außerdem berichtete er warnend davon, dass sich Karl von Lothringen an den Krongroßhetman gewandt habe, um diesen für seine Wahl zu gewinnen. Dänemark und Neuburg hätten nach Einschätzung des Kronschatzmeisters zu wenig Unterstützung, um eine Bedrohung für den Herzog darzustellen. Lediglich Brandenburg sei in der Lage, einer solchen Opposition die Stirn zu bieten, wenn sich denn die Konfessionsfrage lösen lasse.212 Johann von Hoverbeck wusste allerdings nichts über diese in Bezug auf Brandenburg positive Einschätzung. Der sonst so gut informierte Gesandte versuchte verbissen, jedoch erfolglos, die Tendenzen der Anwesenden auszuforschen. Generell weigerte sich der Krongroßmarschall, eine eindeutige Präferenz zu äußern, doch kam das Gerücht auf, dass er lediglich den Großen Condé oder dessen Verwandten Louis Armand I. de Bourbon, Prinz von Conti, als geeignete Kandidaten betrachte.213 Dessen ungeachtet schrieb Jan Sobieski insgeheim zur selben Zeit dem Kurfürsten, dass ihm Karl Emil genehm sei und er deshalb einen Gesandten nach Berlin schicken wolle. Um das Verwirrspiel vollkommen zu machen, erfuhr Johann von Hoverbeck, dass der Krongroßhetman und der litauische Großkanzler, Kristupas Pacas, trotz ihrer bekannten Rivalität häufig miteinander korrespondierten.214 An dieser Stelle muss erneut betont werden, dass nicht der Wahrheitsgehalt sämtlicher Aussagen von Relevanz ist, sondern die dadurch erreichte Wirkung auf die zeitgenössischen Rezipienten. Wenige Tage nach der Ankunft des Krongroßmarschalls in Lublin berichtete auch der kaiserliche Resident über eingetroffene Neuigkeiten. So sollen die Gegner 211 HHStA, GSR 55, I. S. 266.Vgl. Kap. 4. S. 79. 212 Acta, III, 1. S.4 ff.; Acta, II, 2. S. 1419; Hirsch, Die Wahl. S. 240–242; Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 470. 213 Der Prinz von Conti, Louis Armand, ist zu diesem Zeitpunkt noch keine dreizehn Jahre alt (*4. April 1661). Trotzdem folgerte Tadeusz Korzon, dass Jan Sobieski nicht die Ambition hatte, selbst König werden zu wollen. Ders., Dola i Niedola. Bd. 3. S. 474. 214 UA, 19. S. 48; Hirsch, Die Wahl. S. 242.
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des Lothringers eine neue Taktik verfolgt haben, indem sie behaupteten, dass die Königinwitwe die Wahl des Prinzen von Dänemark verlange.215 Es ist naheliegend, dass Jan Andrzej Morsztyn die kaiserliche Präferenz für den Prinzen Georg vor der profranzösischen Partei ausplauderte. Zu allem Übel für die kaiserliche Seite tauchte laut Baron von Stom eine anonyme Hetzschrift gegen Habsburg auf. Zunächst wird darin beschrieben, wie die Niederlage von Chocim den Sultan erzürnt und er zum Zeichen des Krieges eine schwarze Fahne an seine Landesgrenzen geschickt habe. Die Hohe Pforte würde zum erneuten Schlag aufrüsten und den Streit um die Wahl ausnutzen, um das Königreich zu unterjochen. Dem Kaiser warf man in dem Pamphlet vor, verantwortlich für den Krieg gegen die Türken zu sein. Außerdem unterstellte man ihm, die inneren Unruhen im Königreich angezettelt zu haben, indem er den verstorbenen König Michael finanziell unterstützt habe. Der lothringische Herzog wurde in der Schmähschrift kritisiert, dass er als „Collonel des Kaysers“ ein Favorit des Wiener Hofes sei, ohne den er mittellos wäre. Die polnische Armee würde Karl von Lothringen niemals als Herrscher akzeptieren und dessen Wahl könne den Untergang der Rzeczpospolita bedeuten. Bezüglich der Königinwitwe wurde mit den Ehen ehemaliger polnischer Könige argumentiert, um zu zeigen, dass keine Konsequenzen zu erwarten seien, sollte man Eleonore zurück in ihre Heimat schicken. Ein Beispiel dafür sei Sigismund II. August, der sich 1562 wegen Kinderlosigkeit von seiner dritten Frau Katharina aus dem Haus Habsburg trennte.216All diese negativen Nachrichten gaben Anlass zur Annahme, den polnischen Großmarschall für Karl von Lothringen nicht mehr gewinnen zu können. Um den Krongroßmarschall auszubremsen, schlug der habsburgische Resident dem Wiener Hof vor, Teile der polnischen Armee schleunigst auf die prokaiserliche Seite zu ziehen. Dies müsse möglich sein, da Jan „Sobieski schwerlich [die] armee aus seinen eigenen Säckchen wegen seiner sonst gewöhnlichen Sparsamkeit“ besolden könne.217 Laut Baron von Stom sei es dem Lothringer zuzutrauen, mit den abgeworbenen Truppen dem Krongroßhetman überlegen zu sein und die gesamte Armee auf sich zu vereinen, um dadurch das Königreich von den Osmanen zu befreien. Andererseits rate der Baron, nichts zu unterlassen, um den Krongroßmarschall weiterhin durch Dritte für die kaiserliche Seite zu gewinnen.218 Sehr nahe stehen den Ausführungen Barons von Stom zufolge Verschwörung und Kooperation nebeneinander. Allerdings ist fraglich, ob der kaiserliche Resident der Initiator dieser 215 HHStA, GSR 55, I. S. 266. 216 Ebd. S. 271. Katharina von Österreich (1533–1572). Zu ihr: Wurzbach, C onstantin von: Katharina, Erzherzogin von Oesterreich, Königin von Polen. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. Bd. 6 (1860). S. 402 f.; Pieper, Renate: Katharina, Herzogin von Mantua, Königin von Polen. In: Hamann (Hg.), Die Habsburger. S. 236 f. 217 HHStA, GSR 55, I. S. 268. 218 Ebd. S. 269.
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neuen Idee war, ein solches militärisches Bündnis zu suchen. Ebenso möglich wäre, dass dahinter der litauische Großhetman Mykolas Pacas stand. Nachdem die Pläne gescheitert waren, Jan Sobieski durch eine finanzielle Unterstützung für Habsburg zu gewinnen, versuchte offenbar die prokaiserliche Partei, auf andere Art und Weise an Gelder aus den österreichischen Kassen zu gelangen. In Wien sorgte man sich hingegen darum, dass die Versammlung in Lublin abrupt beendet werden könnte und damit die Armee die Hoffnung auf Bezahlung verlöre. Dadurch könnte es tatsächlich zu einem Bündnis gegen Jan Sobieski kommen, das die Gefahr eines Bürgerkrieges in Polen-Litauen in sich berge, an dem aber die Hofburg kein Interesse hatte.Wieder andere Kreise befürchteten eine Vertagung des Kriegstribunals in Lublin während des Wahlsejms in Warschau, da dies Jan Sobieski die Möglichkeit geboten hätte, in unwillkommener Weise Truppen in die Hauptstadt zu verlegen. Das aber wäre für eine freie Wahl im Sinne des bonum publicum schädlich, weshalb von prokaiserlicher Seite verlangt wurde, das Kriegsgerichtsverfahren nicht zu unterbrechen, sondern bis zur Aburteilung aller Deserteure fortzuführen.219 Eine Forderung, die sich auch durchsetzte. Während des verlängerten Aufenthalts in Lublin erfuhr Peter Ignaz von Stom durch seine heimlichen Mittelsmänner, dass Maria Kazimiera nach dem jüngst eingetroffenen Brief aus Frankreich Tag und Nacht ihrem Mann in den Ohren liege, er solle die Krone für sich selbst fordern. Der Krongroßmarschall habe daraufhin seine Anhänger zurate gezogen, die sich aber laut den Informanten des Barons nicht einig waren. Jan Sobieski habe schließlich geantwortet, dass er sich über solch eine Möglichkeit nicht den Kopf zerbreche und seine Frau ihn aus Liebe nicht in diese Wahl verwickeln solle, was für ihn gefährlich sei; er erklärte, vielmehr dafür sorgen zu wollen, der Königinwitwe den Thron zu erhalten. Einer solchen Stellungnahme Jan Sobieskis rühmten sich die Vertrauensmänner Barons von Stom, da sie diese als Ergebnis ihrer Gespräche mit dem polnischen Großmarschall betrachteten.220 Im Folgenden wird sich noch zusätzlich bestätigen, dass es lange nicht in der Absicht von Jan Sobieski lag, selbst Anspruch auf die Krone zu erheben. So hatte er bei den kleinen Landtagen am 6. März 1674 verlauten lassen, dass er lediglich einen guten König verlange, der über genügend Geld und militärische Mittel verfügte.221 Aber 219 Acta, II, 2. S. 1419;Wagner,Wojna polsko-turecka. Bd. 2. S. 32. Laut einem geheimen Schreiben soll Jan Sobieski der Initiator der Idee für die Verlegung der militärischen Kommission von Lublin nach Warschau gewesen sein: HHStA, GSR 55, II. S. 82. 220 HHStA, GSR 55, I. S. 289; Hirsch, Die Wahl. S. 252. 221 Acta, II, 2. S. 1415. Siehe dazu den Brief von Maria Kazimiera vom 31. Januar 1674 in: Acta, III, 1. S. 2 ff. Darin bittet sie Arnould de Pomponne um französische Unterstützung für ihren Mann im Kampf gegen die Türken. Ihr zufolge würden sowohl ehemalige Vertraute des verstorbenen König Michael als auch die Ungarn jeweils Jan Sobieski die Krone anbieten. Daraufhin beteuert sie die Treue ihres Mannes zu Frankreich, vermeidet es jedoch
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auch wenn alles für seine Aufrichtigkeit sprach, blieben die Zweifel beim kaiserlichen Residenten bestehen. Der in Lublin anwesende lothringische Botschafter Belchamps zierte sich zunächst, die mitgegebenen Briefe Barons von Stom weiterzuleiten, und erhielt erst recht spät die Möglichkeit, mit Jan Sobieski persönlich zu reden – worauf später noch einzugehen sein wird. Zunächst geriet ein öffentliches Schreiben in Umlauf, in dem die Gründe für die Wahl von Karl von Lothringen dargelegt werden. Zuallererst wurde darin der Krongroßhetman schmeichelhaft als prudentissimus Supremus Mareschalus Dominus Sobieski bezeichnet. In dieser Verlautbarung nahm man Bezug auf den besagten Brief des Großmarschalls an die Landtage vom 6. März 1674, in dem es heißt, es gelte einen starken Fürsten zu wählen – eine Einschätzung, die laut dem lothringischen Schreiben bei einem so großen Senator und Anführer besonders glaubwürdig sei. Es wird weiter auf den Favoriten des Großmarschalls eingegangen, Louis II. de Bourbon, Fürst von Condé, dessen militärische Fähigkeiten durchaus beachtlich seien, jedoch werden in diesem Schreiben auch die Gründe aufgeführt, diesen nicht zu wählen. Mögliche Spannungen mit dem Kaiser seien nach der Wahl des Franzosen zu erwarten, weil der hochgepriesene Heros die Königinwitwe nicht ehelichen könne und davon auszugehen sei, dass Eleonore nicht entsprechend gut behandelt würde. Aus militärischer Sicht wird eingewandt, wie sehr man die Fähigkeiten des Feldherren Condé zwar schätze, jedoch sein Alter ein Hindernis bei längeren Kriegsmanövern bedeuten und er, bedingt durch das unterschiedliche Klima, krankheitsanfälliger sein könne. Defizite, die der 31-jährige, katholische Junggeselle aus Lothringen nicht habe. Wenn auch nicht so erfahren wie der Große Condé, sei er doch seit dem Kindesalter mit der Kriegskunst vertraut und könne sich wohl besser den Polen anpassen. Das fehlende Herzogtum und die mögliche Abhängigkeit vom Kaiser werden zu Tugenden umgewandelt, indem Karl V. von Lothringen umso mehr das Wohl des Königreiches anstreben würde, das ihn zum Monarchen erhebe. Die Gunst des Kaisers sei ebenfalls ein Grund mehr, ihn zu wählen; man könne sich eines guten Nachbarn sicher sein, ohne die Unantastbarkeit der Rechte der Rzeczpospolita infrage gestellt zu sehen. Außerdem könne der zukünftige Herzog zum Initiator werden, die Christenheit gegen den türkischen Erbfeind zu einen, und sich als König durchaus um ein gutes Verhältnis mit Ludwig XIV. bemühen. Als neuer polnischer Monarch würde Karl von Lothringen diejenigen belohnen, die sich in der Armee wegen ihrer Verdienste um die Rzeczpospolita auszeichneten, sodass keine Korruption, sondern nur der Drang, für das Königreich zu kämpfen, zu schreiben, dass Jan Sobieski selber die Krone begehrt. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass sie darauf hofft, Frankreich würde in gleicher Weise an ihren Mann herantreten und ihn zur Kandidatur für die Königswahl ermuntern. Johann von Hoverbeck versucht ebenfalls vergeblich herauszufinden, ob Jan Sobieski nach der Thronfolge trachtet: UA, 19. S. 24 f.; Korzon, Dola i Niedola, Bd. S. 472; Hirsch, Die Wahl. S. 234 f.
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vorherrschen würde. Des Weiteren habe er versprochen, noch vor den Formalitäten der Krönung persönlich und sofort in den Krieg gegen die Osmanen zu ziehen, um so seine Liebe zu Adel und Volk Polen-Litauens unter Beweis zu stellen. Er begründet seine Absicht, nach seiner Wahl zügig ins Königreich zu kommen, mit der bereits erwähnten schriftlichen Aufforderung Jan Sobieskis an die Landtage, die Königswahl zu beschleunigen, um möglichst schnell in den Grenzgebieten wider die Feinde kämpfen zu können.222 Imponierende Worte, die möglicherweise auch die später hinausgezögerte Königskrönung von Jan Sobieski erklären. Es kursierten daraufhin neue Gerüchte, dass Maria Kazimiera immer positiver über den Lothringer spreche und ihr Mann vertraulich geäußert habe, unter allen Kandidaten eigne sich Karl V. am ehesten für den Thron. Er würde ihm auch gerne dienen, stünde nur nicht der Streit mit Frankreich dem im Wege. Andere Stimmen vermeinten, dass sich der Krongroßmarschall nicht zum zukünftigen lothringischen Herzog bekennen dürfe, da ihm ansonsten Unbeständigkeit, Schwäche und Eigennutz vorgeworfen werden könne.223 Schenkt man diesen Gerüchten Glauben, so suchte Jan Sobieski zumindest nach einer Lösung. Er ließ schließlich zum Ende der Kommission in Lublin verlauten, den Großen Condé weiterhin fördern und dafür den jungen Prinzen von Conti mit der Königinwitwe vermählen zu wollen, damit nach dem Ableben des Franzosen dieser und Eleonore auf den Thron nachfolgen könnten. Seine Anhängerschaft habe ihm zwar in diesem Vorhaben nicht widersprochen, doch einig sei sie sich diesbezüglich auch nicht.224 Baron von Stom reagierte auf diesen Vorschlag bestürzt, bedeutete er doch, Königin Eleonore auf die Rolle einer Privatperson (statum privatum) zu reduzieren und das Prinzip der freien Wahl durch die automatische Nachfolge Contis gänzlich infrage zu stellen. Die Finanzierung zweier Könige und Königinnen klang für den kaiserlichen Residenten völlig absurd. Die Meinung des Barons wurde daraufhin vom litauischen Kanzler an Jan Sobieski weitergeleitet.225 Der kaiserliche Gesandte bemühte sich seitdem, wichtige Akteure in der königlichen Armee, wie den Cousin des verstorbenen Königs Dymitr Jerzy Wiśniowiecki und den Wojewoden von Kijow, Andrzej Potocki als Anführer zu einem Bündnis gegen Jan Sobieski zu gewinnen. Sämtliche Woiwoden sollten auf die kaiserliche Seite gezogen werden, wofür der Baron erneut um Gelder beim Kaiser bat.226 Der Erzbischof versicherte wiederum Baron von Stom, dass das Adelsaufgebot (Pospolita Ruszenie) die Möglichkeit biete, mit Jan Sobieski zu konkurrieren und wenn nötig 222 Das Schreiben wurde dem Bericht Barons von Stom beigefügt. In: HHStA, GSR 55, II. S. 85–87. 223 HHStA, GSR 55, I. S. 290 f. 224 Ebd. S. 298. 225 Ebd. S. 299. 226 Ebd. S. 299 f.; Woliński, Poselstwo. S. 150.
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„gewalt mit gewalt“ zu erwidern – Worte, die besonders beim Kaiser Resonanz finden sollten. Die größte Sorge auf habsburgischer Seite galt den französischen Bestechungsversuchen und der Stationierung königlicher Truppen in Krakau.Wie bereits erwähnt, hatte Jan Sobieski Soldaten in die Krönungsstadt verlegt, um sie vor Angriffen von außen zu schützen. Das sah man in Wien jedoch als eine Besetzung der Stadt an und betrachtete diese Sicherheitsmaßnahme als Versuch, sich den Thron zu sichern. Denn laut dem Bericht Barons von Stom sei den Polen der Streit 1587 zwischen dem Habsburger Erzherzog Maximilian III. und dem Schweden S igismund Wasa in unguter Erinnerung geblieben. 227 Damals hatten schon Soldaten im Auftrag des Letztgenannten die Stadt vorsorglich besetzt und sich so der dort verwahrten Krone bemächtigt. Damit hatte der schwedische Kronprätendent vollendete Tatsachen geschaffen. In der Hoffnung, dass der Krongroßmarschall, „der sonsten gute Vernunft hat“, davon absieht, Militär nach Krakau zu schicken, um den Großen Condé die Krone zu sichern, beabsichtigte der Primas, zusammen mit dem litauischen Kanzler auf Jan Sobieski einzuwirken und diesem klarzumachen, dass der Franzose keine Chance habe, gewählt zu werden. Während man auf der einen Seite versuchte, Jan Sobieski zu überzeugen, tat dieser es jenen gleich, indem er laut dem kaiserlichen Residenten durch den Kronschwertträger (miecznik wielki koronny), Franciszek Jan Bieliński, den litauischen Großkanzler zu gewinnen hoffte. Kristupas Zigmantas Pacas wolle sich dem Baron zufolge der Wahl eines Franzosen bei entsprechenden Leistungen nicht widersetzen. Nach Kenntnis des habsburgischen Diplomaten habe der Fürst von Condé dem Königreich neben etlichen Millionen baren Geldes 40.000 Mann für den Kampf gegen die Türken in Aussicht gestellt. Ob dies allerdings angesichts des Holländischen Krieges, in den Frankreich verwickelt war, realisierbar sei, wagte Peter Ignaz von Stom zu bezweifeln.228 Durch einen ungenannten Vertrauten wusste der kaiserliche Resident ebenfalls zu berichten, dass Kristupas Zigmantas Pacas, der, wie man in Wien wusste, der Königinwitwe wohlgesonnen war, seine Frau veranlasst habe, mit der „Sobieskin“ zu korrespondieren, damit er im Fall der Fälle zur profranzösischen Partei überlaufen könne.Vom Erzbischof berichtete Baron von Stom erneut seinem Kaiser, dass dieser lieber den Hals verlieren wolle, als den Condé oder gar einen Nichtkatholiken auf den Thron zu haben. Ehe es in einer Wahl dazu komme, wolle er lieber zum Wohl der Rzeczpospolita den Schutz des Kaisers (ad exteram protectionem) suchen und diesen 227 Hierbei handelt es sich um Erzherzog Maximilian III. (1558–1618) und den kurz danach zum König von Polen gekrönten Sigismund III.Wasa (1566–1632). Siehe zur Doppelwahl ausführlich: Bues, Die habsburgische Kandidatur. Zu den beiden Monarchen: Press,Volker: Maximilian II., Kaiser. In: NDB. Bd. 16 (1990). S. 471–474; Rosik, Stanisław [u.a.]: Poczet polskich królów i książąt [Sammlung von Königs- und Fürstenportäts]. Breslau 2006. S. 923–927. 228 HHStA, GSR 55, I. S. 297.
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unterstützen.229 Im selben Schreiben nach Wien heißt es weiter, dass angesichts der zunehmenden Relevanz, einen neuen König zu wählen, vom polnischen Großmarschall die Verteidigung der Grenzen und die Rückeroberung von Kamieniec Podolski vernachlässigt würde, was zur Gefangennahme seiner polnischen Reiterei durch die Tataren geführt habe.230 Um Schweden und Brandenburg auf seine Seite zu ziehen, trat Jan Sobieski parallel mit beiden Mächten in Verhandlungen, die nach Meinung Barons von Stom Teil eines Plans von diesem waren. Hierzu stellt der kaiserliche Diplomat die Überlegung an, wie die Reise des Feldherren Condé nach Polen durch die beiden letztgenannten Staaten und den Kurfürsten von Sachsen verhindert werden könnte.231 Johann von Hoverbeck berichtete Friedrich Wilhelm gleichzeitig, dass sich für den Prinzen von Neuburg bislang weder der König von Frankreich noch der Krongroßhetman einsetze, weshalb Karl von Lothringen noch Hoffnung habe, als Alternative zu diesem unterstützt zu werden.232 Der Lothringer wandte sich auch mit einer erneuten Bitte um Unterstützung an den Kurfürsten. Friedrich Wilhelm garantierte daraufhin jeweils ihm und dem Pfalzgrafen seinen Beistand, sobald absehbar sei, zu wem die Rzeczpospolita tendiere. Er rechtfertigte seine Zurückhaltung mit der Reaktion der Polen und Litauer nach der vorherigen Wahl, die den starken ausländischen Einfluss negativ aufgefasst hätten.233 Welchen Einfluss die Bilanz aus den Geschehnissen vom Wahljahr 1669 hatte, sollte sich auch im weiteren Vorgehen Frankreichs zeigen. Während des Kriegsgerichts in Lublin wurden nicht nur Deserteure der Kampagne von 1673 verurteilt. Die anwesenden Senatoren und der Ausschuss für Kriegszahlungen (Komisja Skarbowa Koronna) diskutierten auch über den Sold für die Armee. Letztendlich wurde das Kriegsgericht am 1. April 1674 geschlossen und die hohen Würdenträger reisten ab. Unter ihnen Jan Sobieski, der sich mit einigen Anhängern nach Zamość begab.234 Der Bischof von Marseille, Toussaint de ForbinJanson, war Ende März im Auftrag von Ludwig XIV. nach Polen-Litauen entsandt worden. Entgegen der Hoffnungen der profranzösischen Partei war der Gesandte
229 HHStA, GSR 55, II. S. 99. 230 Jene Schuldzuweisung Barons von Stom an Jan Sobieski wegen der in Gefangenschaft geratenen Reiterei siehe in HHStA, GSR 55, I. S. 300 f. Hierzu findet sich in der bisherigen Literatur nichts.Vgl. beispielsweise Woliński, Z dziejów. S. 95–98, 128–130; Hundert, Husaria koronna. S. 375 f.; Wagner, Wojna polsko-turecka. Bd. 2. S. 32 f.; Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 474. 231 HHStA, GSR 55, I. S. 300 ff. 232 UA, 19. S. 48. 233 Ebd. S. 46 f. 234 Acta, II, 2. S. 1419; Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 476; Wagner, Wojna polsko-turecka. Bd. 2. S. 32 f.; Woliński, Konwokacja. S. 125 ff.
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instruiert worden, für kein Mitglied des Hauses Bourbon zu werben, sondern lediglich den Pfalzgrafen beziehungsweise den Kandidaten finanziell zu unterstützen, der in der Lage sei, die Wahl des Prinzen von Lothringen zu verhindern.235 Auch ihm war ein Schreiben mitgegeben worden, in dem der französische König Toussaint de Forbin-Janson als seinen Gesandten beglaubigte. Im Gegensatz zu dem oben erwähnten kaiserlichen Brief werden die bisherigen militärischen Erfolge der königlichen und litauischen Armee im Schreiben des Roi-Soleil nicht erwähnt. Es wurde lediglich der Tod des bisherigen Königs, Michael I., beklagt. Dies sei ein Verlust, der durch die Wahl eines geeigneten Nachfolgers ersetzt werden müsse, der im gemeinsamen Interesse der Christenheit die Bande mit Frankreich vertiefen und festigen solle.236 Auch hier wird kein Kandidat spezifisch genannt, sondern nur auf die Worte des französischen Gesandten verwiesen, denen Glauben zu schenken sei. Der kaiserliche Resident brachte demgegenüber in Erfahrung, dass Jan Sobieski in der Armee um Anhänger für seine Partei warb. Hierbei erscheint es wie ein Spiel, das man versuchte, mit den ausländischen Gesandten zu spielen. Von kaiserlicher Seite heißt es, dass der Krongroßmarschall offiziell Generalmajor Krzysztof Korycki zu Friedrich Wilhelm schicken wolle, um die unumgängliche Konversion des Kurprinzen zu fordern. Gleichzeitig wurde dem Generalmajor aufgetragen, am brandenburgischen Hof für den Fürsten von Condé zu werben. Um die Verwirrtaktik zu vervollständigen, beauftragte man einen anderen Offizier gesondert – damit die Magnaten der Rzeczpospolita von den Verhandlungen Krzysztof Koryckis nichts erfahren – mit Berlin zu korrespondieren.237 Johann von Hoverbeck berichtete kurze Zeit später lediglich darüber, dass sowohl der polnische Schatzmeister als auch der Krongroßhetman verreist seien und erst acht Tage vor der Wahl in Warschau erscheinen würden.238 Eine solche Verzögerung hielt die ausländische Gesandtschaft am Warschauer Hof im Ungewissen darüber, welche weiteren Vorkehrungen heimlich getroffen wurden. Diese Verwirrtaktik schürte das Misstrauen Barons von Stom. Auch wenn offiziell Jan Sobieski auf seinen Kandidaten Condé beharrte, war der habsburgische Resident der festen Überzeugung, dass jener es nicht unterlasse, für sich selbst zu operieren. Für ihn bleibe es weiterhin nur ein Vorwand, um „die Ohren der Polen zu der proposition eines verheirateten Kandidaten algemach zu gewinnen“ und dadurch die Reaktion der Rzeczpospolita zu erfahren. Peter Ignaz von Stom versuchte weiterhin, den Druck auf den Wiener Hof zu verstärken, und legte diesem dar, dass 235 Acta, III, 1. S. 7–18; Hirsch, Die Wahl. S. 244 f.; Rhode, Ein Königreich ohne König. S. 275. 236 Im Original des königlichen Schreibens heißt es: „Ex quo accepimus, et quidem cum maximo doloris sensu, carissimum et amicissimum fratrem nostrum Regem Michaelem vita functum esse […].“ In: BCzart. TN 172 (Mf. 7627), Nr. 32. S. 111. 237 HHStA, GSR 55, I. S. 310 f. 238 UA, 19. S. 49.
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der von Jan Sobieski geforderte Frieden mit der Hohen Pforte zu einem Krieg Habsburgs mit den Osmanen führen würde. Er erörterte dabei, welche Kosten und Schwierigkeiten Leopold I. dadurch entstehen könnten, und dass dieser erkennen müsse, dass eine militärische Auseinandersetzung im Osten in Zeiten des Krieges mit Frankreich eine gefährliche Ablenkung bedeuten würde. Baron von Stom wies ferner darauf hin, dass Brandenburg und Schweden wie bei der Wahl 1669 dazu gebracht werden müssten, den Fürsten von Condé auszuschließen. In Bezug auf die Besetzung der Stadt Krakau müsse mit den Verbündeten, wie dem Bischof von Posen, beraten werden, wie sie aufgehoben werden könne. Der Prälat hatte bereits vorgeschlagen, dass der Nuntius und der Adel direkt zu Beginn des Wahlsejms gegen die Anwesenheit polnischer Truppen protestieren sollten und sich dahingehend erklären, nicht an der Wahl teilzunehmen, solange Krakau und damit die Krone sich noch in der Hand dieser Soldaten befänden.239 Je näher der Termin zur Wahl rückte, desto konkreter wurden die Vorschläge für potenzielle Gegenmaßnahmen. In der Zwischenzeit war der lothringische Gesandte, Jean II. de Belchamps, Anfang April aus Lublin zurückgekehrt und erzählte Baron von Stom von seinem Treffen mit dem Krongroßmarschall. Entgegen der Gerüchte einer positiven Reaktion auf das bereits erörtere lothringische Schreiben, habe Jan Sobieski sich zwar höflich240, aber in völlig allgemein gehaltenen Worten geäußert. Damit verlief diese Unterhaltung, in der sich Jean Belchamps zugunsten des Lothringers einsetzte, ergebnislos. Maria Kazimiera gab dem Gesandten während seines Besuchs lediglich zur Antwort, dass sie ihr Frankreich gegebenes Wort nicht zurücknehmen könne. Wie der kaiserliche Resident weiter zu berichten wusste, seien dafür Dymitr Wiśniowiecki und der Wojewode von Kijow, Andrzej Potocki, für den Prinzen von Lothringen zu gewinnen. Man müsse ihnen daher mit finanziellen Mitteln zur Hand gehen, um eine Gegenpartei zu Jan Sobieski aufbauen zu können. Des Weiteren kursierten Baron von Stom zufolge Gerüchte, dass der königliche Hetman „etliche compagnien husaren derweil nähern lasse“ und mit einem großen Aufgebot in Warschau einziehen wolle, dies jedoch vor dem 1. Mai nicht realisierbar sei. Es heißt sogar, dass der Krongroßmarschall angefangen habe, über den Herzog von Neuburg und dessen Sohn spöttisch und respektlos zu reden. Allerdings war Peter Ignaz von Stom der Meinung, dass nicht allem Glauben zu schenken sei und die Wahrheit mit der Zeit zutage treten würde.241 239 HHStA, GSR 55, I. S. 312 f. 240 Über den Nutzen von Höflichkeit zu diplomatischen Zwecken siehe weiterführend Windler, Christian: Symbolische Kommunikation und diplomatische Praxis in der frühen Neuzeit. Erträge neuer Forschungen. In: Alles nur symbolisch? Bilanz und Perspektiven der Erforschung symbolischer Kommunikation. Hg. v. Barbara Stollberg-Rilinger [u.a.]. Köln 2013. S. 178 f. 241 HHStA, GSR 55, I. S. 314 f.; Kamieński, Działania dyplomacji. S. 36.
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Am Warschauer Hof wurde auch spekuliert, dass Jan Sobieski der Griff nach der Krone – falls er diese denn anstrebe – schwerfallen könnte. Es bestünde nämlich durchaus die Möglichkeit, dass seine treusten Anhänger sich seiner dahingehenden Förderung widersetzten, weil sie ihn zwar als Marschall und Feldherrn verehrten, in ihm aber nicht den zukünftigen König sahen.Von diesem Gedanken geleitet, versuchte Peter Ignaz von Stom, mit allen Mitteln französische Befürworter abzuwerben. Hierbei war der Resident weitaus naiver als der Kaiser, der ihn mahnte, sich zu zügeln und nicht jedem Vertrauen zu schenken.242 Leopold I. war nach all den Informationen sehr zurückhaltend und ließ durch seine Kanzlei sehr förmliche Antwortschreiben verfassen, in denen lediglich für die vom Baron erhaltenen Berichte gedankt wurde. Zwei Wochen vor dem Wahlsejm erreichten Warschau neue offizielle Nachrichten aus Versailles. In ihnen hieß es, dass der Fürst von Condé die polnische Krone nicht beanspruche und Frankreich ausschließlich den Prinzen von Neuburg unterstütze. Es trug dem Umstand Rechnung, dass der Sonnenkönig auf seinen erfolgreichen Feldherrn Condé nicht verzichten konnte, spielte dieser doch neben dem Vicomte de Turenne243 eine tragende Rolle im Holländischen Krieg. Das Gleiche galt auch für alle anderen französischen Prinzen von Geblüt, die ihre ersten militärischen Erfahrungen in diesem Konflikt sammelten. Das aber heißt, dass Ludwig XIV. letzten Endes jeden Kandidat akzeptiert hätte, solange es nicht der zukünftige Herzog von Lothringen war.244 Je näher jedoch der Beginn des Wahlsejms rückte, desto aussichtsloser beschrieb Baron von Stom die Chance, Jan Sobieski für die kaiserliche Seite gewinnen zu können; man solle sich daher auf ihn als Opponenten vorbereiten. Hierzu äußerten sich die Mittelsmänner des Residenten ebenfalls kritisch über die Glaubwürdigkeit derjenigen, die sich zu einem Bündnis mit Leopold I. gegen den Krongroßmarschall bereit erklären würden, während man abermals eine prokaiserliche Neigung bei den kleinen Landtagen verzeichnete.245 Den brandenburgischen Gesandten konfrontierte Baron von Stom mit dem neuen Gerücht, dass Friedrich Wilhelm einen Piasten auf den Thron sehen wolle. Darauf reagierte Johann von Hoverbeck bestürzt, räumte allerdings ein, dass diese Behauptung der Wahrheit entsprechen könne. Er wisse, dass im Namen des Kurfürsten dem Großmarschall dahingehend mehrere Angebote gemacht worden seien. Johann von Hoverbeck belehrte Peter Ignaz von Stom auch, dass man sich in Berlin nicht nur auf einen Gesandten verlasse, denn der brandenburgische Resident Christoph Wichert solle sich bereits öffentlich für die Wahl eines Piasten ausgesprochen ha-
242 243 244 245
HHStA, GSR 55, II. S. 114,123. Henri de La Tour d’Auvergne (1611–1675). Über ihn: Bérenger, Jean: Turenne. Paris 1987. HHStA, GSR 55, I. S. 330. Ebd. S. 331.
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ben.246 Abgesehen davon bereitete ein weiterer Gesandter dem kaiserlichen Residenten Kummer. Pfalzgraf Philipp Wilhelm von Neuburg schickte nämlich abgesehen von seinem offiziellen Gesandten,Theodor Heinrich von Strattmann, noch einen weiteren Emissär namens Franz von Gise247 nach Warschau. Als einen „Mann ohne Charactere“ hatte ihn Baron von Stom nach einer erfolgten Unterhaltung beschrieben. Gise gab dabei vor, im Interesse Karls V. von Lothringen zu handeln, und versicherte, dass Philipp Wilhelm „wegen der promotion seines Sohnes zu dieser Cron weiter nit gehen wollte, als EKM [der Kaiser] approbieren“ würde. Stom gab Franz von Gise zur Antwort, dass im Namen des Kaisers Graf Christoph Leopold Schaffgotsch erwartet werde, der ihm zur Wahl Auskunft geben könne. Allerdings äußerte er sich nicht zum lothringischen Prinzen, da er vorgab, selber nicht instruiert zu sein. Der Gesandte Gise berichtete dem kaiserlichen Residenten, dass Frankreich, Schweden und Brandenburg – worüber Johann von Hoverbeck nach seinen eigenen Worten nicht informiert sei und erst mit einem mitgegebenen Brief248 instruiert werden sollte – den Prinzen von Neuburg unterstützen würden. Aus Versailles, so gab er vor, führe er Briefe sowohl an Jan Sobieski, Jan Andrzej Morsztyn als auch an andere Würdenträger mit sich. Es folgte der Einwand Barons von Stom, dass der Großmarschall und die profranzösische Partei sich für den Fürsten von Condé ausgesprochen hätten und die Franzosen wie bei der letzten so auch bei der jetzigen Wahl betrügen würden. Darauf habe Gise mit Argwohn geantwortet, dass er sich deswegen bedenken würde. Der Gesandte von Pfalz-Neuburg führte auch ein Kondolenzschreiben Ludwigs XIV. an Königin Eleonore mit sich, durch das Versailles zu verstehen gab, dass man bei der anstehenden Wahl seitens Frankreichs niemanden zu empfehlen gedenke und durch die Entsendung von Toussaint de Forbin-Janson im gegenwärtigen Interregnum keinen Ärger verursachen wolle.249 Entgegen dieser französischen Vorsicht kursierte jedoch ein Gerücht, demzufolge im Auftrag Jan Sobieskis in allen Woiwodschaften verbreitet würde, man habe bei Kamieniec Podolski einen Türken gefangen genommen, der versichere, die
246 Ebd. S. 329. 247 Der Quellenedition „Urkunden und Actenstücke“ wurde der Name „Giese“ entnommen; in den bislang nur handschriftlich vorliegenden Schriftstücken des HHStA steht „Giessen“. Hierbei handelte es sich höchstwahrscheinlich um den damals 71-jährigen Franz von Gise, den Freiherrn von Sinningen und Geheimen Rat Philipp Wilhelms, der bereits 1669 für den Pfalzgrafen um die polnische Krone geworben hatte. Hierzu mehr in: Schmidt, Hans: Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg (1615–1690) als Gestalt der deutschen und europäischen Politik des 17. Jahrhunderts. Bd. 1. Düsseldorf 1978. S. 40, 170–186. 248 UA, 19. S. 47. Über einen tatsächlichen Vertrag zwischen Neuburg und Brandenburg zur Unterstützung der Wahl Johann Wilhems: Hirsch, Die Wahl. S. 244. 249 HHStA, GSR 55, I. S. 329.
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Hohe Pforte würde einen Frieden mit der Rzeczpospolita schließen, falls man einen Franzosen zum König wähle. Laut Baron von Stom soll der Großmarschall damit versucht haben, „die friedliebenden Polen Gemüter“ für die Wahl des Fürsten von Condé zu gewinnen. Andererseits soll Jan Sobieski aus Frankreich die Nachricht erhalten haben, dass eine Scheidung des Großen Condé von seiner Frau für den französischen Hof auf keinen Fall infrage komme. Ungeachtet dessen wurde der französische General weiterhin empfohlen – für Baron von Stom ein Indiz, dass Jan Sobieski insgeheim sich selbst aufstellte, denn alle Vorschläge bezüglich Condés waren seines Erachtens nach absurd.250 Angesichts dieses Verwirrspiels wuchs das Misstrauen bei allen Beteiligten so sehr, dass schließlich niemand mehr wusste, ob der Große Condé aufrichtig von der profranzösischen Partei unterstützt werde. Die bisherigen Berichte reichten jedoch Leopold I. aus, um sich selbst eine Meinung zu bilden. Nach den bislang eher zurückhaltenden Antwortschreiben erhielt Peter Ignaz von Stom Mitte April eine detaillierte Instruktion zum bald anstehenden Wahlsejm. Der Kaiser teilte nach all den bisherigen Warnungen nicht nur die Meinung seines Residenten in Polen, den Bemühungen zugunsten des Feldherren Condé seitens der profranzösischen Partei keinen Glauben zu schenken, sondern auch dessen Auffassung, dass es sich dabei um eine Finte Jan Sobieskis handele, um sich oder dem Prinzen von Neuburg die Krone zu sichern.251 Die vom Baron von Stom geforderten Bestechungsgelder genehmigte der Kaiser auch in seinem Antwortschreiben vom April 1674 nicht. Erneut betonte Leopold I., dass die bereits verschickten 15.000 Taler ausreichend seien und man sich dieses Geld gut einteilen müsse, zumal Karl von Lothringen seinen eigenen finanziellen Anteil beisteuere. Er begründete seine Entscheidung damit, dass er nicht einsehe, wie die Wahl in seinem Interesse mit weiteren Subsidien gewonnen werden könne, „aber gott vielleicht ein mehreres weiß“.252 Dem kaiserlichen Residenten wurde aufgetragen, insgeheim und vorsichtig gegen Jan Sobieski zu operieren, sodass Letzterer sich nicht verbittert gegen Habsburg zeige und die kaiserlichen Intentionen noch schwieriger durchsetzbar machen würde. Leopold I. befürchtete sogar einen Bürgerkrieg, sollte der Krongroßmarschall seine bisherigen Absichten weiter verfolgen. Hierfür sollten der Erzbischof und andere Vertraute zurate gezogen werden. Die Wahl von zwei oder drei Kandidaten gleichzeitig – wie es bereits in der Vergangenheit der Fall war – sei nämlich nicht auszuschließen, von denen sich lediglich derjenige auf dem Thron halten würde, der über die nötige Waffengewalt verfüge.253 Weiterhin heißt es: 250 Ebd. und S. 333. 251 HHStA, GSR 55, I. S. 324. 252 Ebd. 253 So heißt es im Original, wenn „der Sobiesky auf diesen seinen gedanken beständig verharren solte, menschlich unmöglich fahlen wirdt, dass die bevorstehende Wahl friedlich und
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Ferners bist du auch gar recht deren und wirdet gar gut und dem wahlwerkh höchst verträglich sein, dass der Prinz Demetrius, der Palatinus von Kijow, die bischöffen, die litauische armée item etliche obriste und ein theill von des Sobiesky armée, dan die Palatini Culmensis, Pomerelliae und Marienburg und in Großpohlen der Großcanzler und Castellanus Posnaniae, so viele immer möglich gewonnen und auf unserer und der Königin Eleonore seithen herüber gebracht werden, so du dir eifrigst angelegen sein lassen wollest, und khönne denselben pro re nata wohl einige promessen in Namen des Canditaten [Karl V. von Lothringen] gethan werden.254
Obwohl der Kaiser seine Anhängerschaft unter den polnischen Magnaten der königlichen Armee wertschätzte, ging er jedoch nicht auf das von diesen vorgeschlagene Bündnis ein, gemeinsam gegen Jan Sobieski vorzugehen.255 Besonders die letzte Zeile des Zitats zeigt, dass für ihn von Bedeutung war, dass sämtliche Versprechen im Namen Karls von Lothringen gegeben wurden und damit demonstriert werden solle, der Prinz sei unabhängig vom Wiener Hof. Gleichzeitig mahnte Leopold I. seinen Residenten, möglichst schnell zu handeln, zumal die hohen Würdenträger bereits für den Wahlsejm in Warschau einträfen. Die vom Baron weitergeleiteten Worte des Erzbischofs – „gewalt mit gewalt“256 bekämpfen zu wollen – stießen beim Kaiser zunehmend auf Interesse. Er beauftragte daher Peter Ignaz von Stom, die diesbezüglichen Aktivitäten des Primas’ im Auge zu behalten und herauszufinden, […] ob nicht vielleicht bei gegenwertigen harten und gefährlichen umbständen gut währe, das wir und Churbrandenburg etliche Reyter gegen den polnischen granizen auf allen fahl zusambenziehen und in Bereitschafft halten lassen, damit selbige auf sein Erzbischoffens oder der Republicae anrufen alsogleich dahin neher Pohlen commandiert werden können, oder wohin sonsten seine gedanken etwa anzihlen; und den erfolg mit negstem gehorsamst zu berichten.257
Dieses Zitat ist insofern bemerkenswert, da aus ihm hervorgeht, dass man auf Habsburgischer Seite daran dachte, die brandenburgische Armee in casum necessarium als
per unanimia vota ablauffe, sondern bei so gestalten Zertrennungen wohl zwey oder gar drey werden erwehlet, und der jenige von selbigen auf den Thron erhalten werden wirdt, welcher die waffen und die gewalt für sich hat, und sich darbei beschüzet.“ In: Ebd. S. 325. Über jene Befürchtung und die bisherigen Doppelwahlen in Polen-Litauen siehe: Rhode, Ein Königreich ohne König. S. 107–111, 147 ff., 274. 254 HHStA, GSR 55, I. S. 325. 255 Vgl. Kap. 4.3. S. 171 f. 256 HHStA, GSR 55, I. S. 297. Vgl. die Unterredung in Kap. 4.2. S. 132 f. 257 HHStA, GSR 55, I. S. 326.
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Hilfstruppen einzusetzen.258 Wie sich jedoch im Folgenden zeigen wird, wurde das kaiserliche Angebot, Kazimierz Florian Czartoryski militärische Unterstützung zu schicken, von diesem nicht angenommen und später auch von kaiserlicher Seite widerrufen. Leopold I. instruierte seinen Residenten, alles in die Wege zu leiten, um den Fürsten Condé und Jan Sobieski von der Krone auszuschließen und einen ihm genehmen Kandidaten durchzusetzen, der nach seiner Wahl die verwitwete Königin Eleonore heirate. Sollte es wider Erwarten dazu kommen, dass der Große Condé gewählt werde, zöge man als Gegenmaßnahme in Erwägung, diesem mit genügsamen Mitteln und Wegen die Durchreise nach Polen-Litauen zu verwehren.Wegen der polnischen Truppen in Krakau war der Kaiser damit einverstanden, den Nuntius, den Bischof von Posen sowie weitere polnische Adlige dazu anzustiften, gegen deren Anwesenheit so lange zu protestieren, bis sie schließlich aus der Stadt abziehen würden. Die Besetzung der polnischen Krönungsstadt dürfe nach Ansicht des Kaisers für den Krongroßmarschall nur von Nachteil sein. Allerdings ermahnte Leopold I. Baron von Stom, nur mit Genehmigung und Rückendeckung von Kazimierz Florian Czartoryski Schritte dagegen in die Wege zu leiten. Bezüglich des von Jan Sobieski angestrebten Friedens mit der Hohen Pforte wird zuletzt darauf hingewiesen, diesen nur dann einzugehen, wenn Habsburg miteingeschlossen würde.259 Detailliert wurde in diesem kaiserlichen Schreiben auf sämtliche aufgeführte Punkte aus den bisherigen Berichten des Barons von Stom eingegangen. Lediglich die kursierenden Gerüchte ließ der Wiener Hof außen vor und machte sämtliche Entscheidungen vom Erzbischof abhängig. Noch bevor der Wahlsejm eröffnet wurde, berichtete der kaiserliche Resident nach Wien, dass der Krongroßmarschall einen Boten nach Wilna geschickt hatte, um erneut den litauischen Feldherrn, Mykolas Pacas, auf seine Seite zu ziehen. Wie Baron von Stom dem Kaiser schrieb, hoffte er, der Gesandte möge in Wilna wenig ausrichten. Jan Sobieski hatte inzwischen mehrere Infanterie- und Kavallerieregimenter in Marsch gesetzt und unweit von Warschau in Stellung gehen lassen. Gleichzeitig begann die umtriebige Maria Kazimiera, Geld unter den Offizieren zu verteilen, um diese an ihren Gemahl zu binden.Trotzdem, so erklärte Baron von Stom aufgrund eines vertraulichen Berichts dem lothringischen Gesandten, Jean de Belchamps, seien viele Angehörige der Armee dem Prinzen von Lothringen nicht abgeneigt; mit etwas Geld lasse sich bei diesen Sympathisanten viel bewegen.260 Allerdings mache man dem Lothringer seine Abhängigkeit vom Wiener Hof 258 So heißt es bislang, dass es sich um einen Tatbestand handelte, dass sich die kaiserliche Armee unter dem Befehl Karls von Lothringen in Schlesien aufhalte und im Fall einer militärischen Auseinandersetzung angreifen würde. Hirsch, Die Wahl. S. 255. 259 HHStA, GSR 55, I. S. 327. 260 Ebd. S. 348.
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zum Vorwurf, was den Kaiser letztlich veranlasse, Karl V. nicht mehr öffentlich zu unterstützen. Etwa zeitgleich ließ der Große Condé nochmals eindringlich verlauten, dass er wegen seines hohen Alters auf die polnische Krone verzichte – aber auch kein anderer französischer Prinz von Geblüt werde wegen der gefährlichen Lage in Polen-Litauen zur Verfügung stehen.261 Angesichts der unterschiedlichen Gerüchte, Verlautbarungen und Versprechen war kaum noch auszumachen, wem man am Warschauer Hof noch Glauben schenken konnte. Selbst die beiden brandenburgischen Diplomaten vertraten weiterhin widersprüchliche Standpunkte. So versicherte einerseits Johann von Hoverbeck dem Habsburger Residenten, gegen den Fürsten von Condé zu agieren. Er verlangte allerdings, Baron von Stom möge Wien darum bitten, mit dem kaiserlichen Residenten in Berlin, Johann von Goess, Kontakt aufzunehmen, um dadurch zu erreichen, dass Friedrich Wilhelm Johann von Hoverbeck offiziell befehle, nicht mehr die Wahl des Großen Condés zu unterstützen.262 Dieser Bitte kam der Kaiser nur zu gerne nach und sie führte dazu, dass der Große Kurfürst sich zumindest vordergründig gegen Louis II. de Bourbon, Fürst von Condé und Jan Sobieski aussprach. Dem widersprach andererseits das Verhalten des brandenburgischen Residenten, C hristoph Wichert, der insgeheim dem polnisch-litauischen Adel die Wahl eines Piasten nahelegte. Darin wurde er von dem schwedischen Sekretär unterstützt, da sowohl Brandenburg als auch Schweden der Meinung waren, dass sie bei einem Polen eher ihre Interessen durchsetzen könnten als bei einem ausländischen König. Aber auch in dieser Hinsicht gab es keine Einigkeit unter den Diplomaten, da der Gesandte von Neuburg anlässlich einer Audienz bei Königin Eleonore behauptete, dass Brandenburg und Frankreich wiederum den Sohn des Pfalzgrafen fördern würden.263 Vollends für Verwirrung sorgte in Krakau die Behauptung von Jan Andrzej Morsztyn, Leopold I. und dessen Schwester hätten in Rom um Dispens gebeten, um einen „unkatholischen“ König zur Wahl zuzulassen, nämlich den dänischen Prinzen Georg. Dieser könne dann die Königinwitwe heiraten und ihr so den Thron erhalten. Durch die Unterstellungen des Kronschatzmeisters seien nach Meinung vieler Magnaten am Warschauer Hof die wahren Absichten des Kaisers ans Tageslicht gekommen. Sie teilten daraufhin die Überzeugung, dass sie lieber einen verheirateten katholischen Kandidaten zum König wählen wollen als einen unverheirateten Protestanten, der erst noch konvertieren müsse – was wiederum Jan Sobieski in die Hände spiele. Baron von Stom kündigte seinerseits an, dieses „schädliche und unwahrhaftige“ Gerücht Morsztyns sowohl schriftlich als auch mündlich zu demen-
261 Ebd. S. 349. 262 HHStA, GSR 55, I. S. 333. 263 Ebd. S. 350.
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tieren.264 Sichtlich wurde mit diesem Bericht des kaiserlichen Residenten Leopold I. angeraten, das Dänische Haus nicht weiter zu empfehlen. Die heimliche Förderung des Prinzen wurde deshalb fallengelassen, bis Jan Sobieski den Blick erneut auf ihn lenken sollte. Über all diese Machenschaften und wie man ihnen begegnen könne, instruierte der kaiserliche Resident den neu in Warschau angekommenen lothringischen Gesandten Francis Taaffe.265 Dieser war beauftragt worden, während des Wahlsejms für seinen Herrn um die polnische Krone zu werben und mit seinem Auftreten die Unabhängigkeit vom Kaiser zu bekräftigen. Er nahm jedoch durchaus den Rat und die Hilfe des kaiserlichen Residenten in Anspruch. Durch den in brandenburgischen Dienst stehenden Obristen, Friedrich von Dönhoff, erhielt Baron von Stom auch positive Nachrichten. Ihnen zufolge war beispielsweise ein Gesandter von Jan Sobieski zur Hohen Pforte geschickt worden, um nicht wie befürchtet, einen Frieden auszuhandeln, sondern allein mit der Absicht, durch diese Inszenierung die türkischen Vorbereitungen zu einem Feldzug gegen Polen zu hemmen, damit man die Wahl ungestört durchführen könne. Allerdings fiel es Baron von Stom schwer, dem Obristen Glauben zu schenken. Er selbst beharrte vielmehr auf seiner Ansicht, der Krongroßmarschall plane, die türkischen Waffen gegen Ungarn zu richten, um Leopold I. zu zwingen, einen Teil der am Rhein gegen Frankreich stationierten kaiserlichen Truppen abzuziehen und dorthin zu verlegen.266 Als Christoph Leopold Schaffgotsch in Warschau eintraf, schickte ihm der Kaiser die Nachricht, dass er seinen Residenten bei der Hohen Pforte über die Gesandtschaft des polnischen Großmarschalls informiert hätte. Leopold I. beauftragte den schlesischen Oberlandeshauptmann deshalb, am Warschauer Hof herauszufinden, inwieweit diese Verhandlungen zwischen Jan Sobieski mit dem Großwesir der Wahrheit entsprächen.267 Trotz aller vermeintlichen Verschwörungen hoffte der Kaiser nach wie vor, den königlichen Feldherrn für Karl von Lothringen gewinnen zu können. Obwohl Jan Sobieski sich nach wie vor gegen die Wahl des Lothringers äußerte, ging man in Wien nämlich davon aus, dies geschehe, um zu erreichen, dass sich der neue König für das Engagement des Krongroßhetmans später umso mehr bei ihm erkenntlich zeigen würde. Einzig die Bemühungen Maria Kazimieras, ihrem Gemahl 264 Ebd. Diese Unterstellungen sind in Krakauer Archiven nicht nachweisbar, sondern beruhen allein auf dem Bericht Barons von Stom. Später sollte Jan Andrzej Morsztyn es abstreiten, der Autor dieser antikaiserlichen Propaganda gewesen zu sein, und verwies auf die in Krakau eingegangene Post aus Rom. Selbst Stom schrieb, er wisse nicht, ob jenem Glauben zu schenken sei, da seinen Worten zufolge das Äußerliche mit dem Innerlichen des Schatzmeisters nicht übereinstimme: Ebd. S. 374 f. 265 Ebd. S. 350. 266 Ebd. S. 351. 267 APW, AS 1411. S. 197–199; Woliński, Poselstwo. S. 149.
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die Krone zu verschaffen, stellten für den Kaiser bislang ein Hindernis dar.268 Am Warschauer Hof munkelte man jedoch, dass Jan Sobieski die kaiserliche Schwester und Karl von Lothringen nicht fördern könne, weil er nach der Regierung Michaels I. befürchte, dass erneut die litauische Seite bevorzugt würde. Über Mykolas Pacas kursierte das Gerücht, dass, würden die Umstände es verlangen, er sich der Gegenpartei anschließen würde. Der litauische Großhetman berichtete dem kaiserlichen Residenten persönlich, dass Jan Sobieski weiterhin versuche, ihn für seine Sache zu gewinnen, er aber Habsburg die Treue halte.Vor allem aber trachtete Mykolas Pacas danach, wie er einen Teil der polnischen Armee abwerben könne.269 Zur gleichen Zeit schrieb Johann von Hoverbeck nach Berlin, um über sein Gespräch mit dem litauischen Großkanzler Kristupas Pacas zu berichten. Letzterer vermied es, irgendwelche Präferenzen bezüglich eines Kandidaten abzugeben. Stattdessen kündigte er an, sich erst persönlich mit Jan Sobieski und sämtlichen hohen Würdenträgern beraten zu wollen. Die Empfehlung des Pfalzgrafen durch den französischen Gesandten Forbin-Janson wolle er, Johann von Hoverbeck, nicht ernsthaft glauben. Er rate deshalb dem Großen Kurfürsten zur Zurückhaltung, wenn dieser weiterhin die Wahl seines Sohnes erhoffe.270 Die größte Sorge für Friedrich Wilhelm war jedoch, nach dessen eigenen Worten, ein Kandidat aus Frankreich, der einen beständigen Frieden zwischen Brandenburg und dem polnischen Königreich verhindern würde. Selbst ein Piast wäre für ihn unter der Bedingung akzeptabel, nicht vom Ausland abhängig zu sein oder fremdgeleitet zu werden. Diese Bedingungen schien auch Karl von Lothringen zunehmend zu erfüllen, denn Friedrich Wilhelm hielt die vom Wiener Hof unabhängigen Werbungen des Lothringers um die polnische Krone für wahr, da der Kaiser sich offenkundig für dessen Angelegenheit nicht besonders interessiere.271 Zeitnah übte der brandenburgische Gesandte, Lorenz Georg von Krockow, bei einer erneuten Konferenz mit Raimondo Montecuccoli in Wien Druck aus, indem er im Namen des Großen Kurfürsten eine Entscheidung des Kaisers forderte. Friedrich Wilhelm wolle nach dem Beispiel Leopolds I. keinen bestimmten Kandidaten fördern, verlange aber eine Eingrenzung derjenigen, die den polnischen Thron nicht besteigen sollten. Zur Antwort nannte Montecuccoli die französischen Kandidaten Condé, Conti, Soissons beziehungsweise jeglichen Franzosen oder Anhänger derselben.272 Die kaiserliche Zurückhaltung gab in Berlin Anlass zur Vermutung, dass 268 269 270 271 272
HHStA, GSR 55, I. S. 354. HHStA, GSR 55, II. S. 125. UA, 19. S. 51. Ebd. S. 52; Hirsch, Die Wahl. S. 243. UA, 14, 1. S. 759. Zur Verhandlung Lorenz Georg Krockows in Wien in der polnischen Wahlfrage: Puffendorf, Samuel: Zu der Historie der vornehmsten Reiche und Staaten so jetziger Zeit in Europa sich befinden. Bd. 1. Frankfurt a. M. 1733. S. 77.
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sich die Aussichten schon vor Wahlbeginn Ende April für Karl V. von Lothringen deutlich verschlechterten. Brandenburg erhielt auch durch den Gesandten Theodor Heinrich von Strattmann die Nachricht, dass sich Pfalz-Neuburg ebenfalls am Wiener Hof zu profilieren versuche.273 Das führte andererseits zu dem Eindruck, dass sich die Chancen für den Sohn des Pfalzgrafen besserten. Die Meinung der wahlberechtigten Polen und Litauer war in Bezug auf einen geeigneten Kandidaten weder einhellig noch konstant – sie war in erster Linie käuflich. Diese eigennützige Haltung der polnischen Magnaten erzürnte Friedrich Wilhelm, der sich schon aus eigenem Interesse einen König wünschte, der innenwie außenpolitischen Frieden garantiere. Der Große Kurfürst beauftragte deshalb Johann von Hoverbeck, sich mit den kaiserlichen und schwedischen Gesandten weiterhin zu beraten, um einen profranzösischen Kandidaten zu verhindern. Letztendlich sei sowohl die Wahl des Prinzen von Neuburg als auch die des Lothringers für Brandenburg vorteilhafter. Aus diesen Gründen kam aus Berlin der eindringliche Befehl, es solle kein bestimmter Kandidat genannt, sondern lediglich die Wahl eines verdienten Mannes gewünscht und die beständige Freundschaft des Kurfürsten gegenüber der Rzeczpospolita zugesichert werden. Der Verdacht eines brandenburgischen Angriffs oder Vorwurfs, die Wahl eines bestimmten Kandidaten verhindern zu wollen, solle dadurch ausgeräumt werden.274 Zu seinem Missfallen erfuhr Friedrich Wilhelm wenige Tage später, dass Toussaint de Forbin-Janson nicht aufrichtig den Sohn des Pfalzgrafen unterstützte, sondern inoffiziell für die französischen Prinzen warb und sogar Jan Sobieski als Thronfolger in Betracht zöge. Entgegen der bisherigen Berichte Barons von Stom über die brandenburgischen Diplomaten und ihre unterschiedliche Werbung für einen geeigneten Kandidaten, sei dem Großen Kurfürsten mittlerweile bewusst, dass der Krongroßmarschall nur eine Marionette Frankreichs darstelle und der Rzeczpospolita ausschließlich schaden würde. Da er gleichzeitig Karl V. von Lothringen auf verlorenem Posten sehe, sicherte er dem Pfalzgrafen seine Unterstützung zu. Wenn auch nicht offiziell, so hatte sich der Große Kurfürst für einen Kandidaten entschieden. Er instruierte seine Gesandten, sowohl die kaiserliche als auch die französische Partei und vor allem Jan Sobieski vom Neuburger Johann Wilhelm zu überzeugen.275 Doch besonders der Großmarschall wird sich als größter Gegner des jungen Pfalzgrafen erweisen.
273 UA, 13. S. 623. 274 UA, 19. S. 51 ff.; Hirsch, Die Wahl. S. 241. 275 UA, 19. S. 53. Kamieński, Działania dyplomacji. S. 36.
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4.3 Der neue Rex Poloniae und die Reaktion des Imperator Romanorum
Der Wahlsejm begann am 20. April 1674 unter ungünstigen Umständen: Der Erzbischof von Gnesen, Kazimierz Florian Czartoryski, war so schwer erkrankt, dass er nur bettlägerig Audienzen geben und auch nicht bei den Beratungen im Kolo276 teilnehmen konnte. Jedoch verzeichnete Baron von Stom gleich zu Beginn der Wahlversammlung einen ersten Erfolg für die prokaiserliche Partei mit der Ernennung des litauischen Hofschatzmeisters Benediktas Povilas Sapiega (poln. Benedykt Paweł Sapieha) zum neuen Wahlmarschall (marszałek poselski). Dessen Aufgabe war es, im Rahmen seines Amtes die Verhandlungen im Kolo zu leiten.277 Die Freude des Barons wurde jedoch wegen der von Jan Sobieski in die Nähe von Warschau verlegten königlichen Truppen getrübt. Die Befürchtung einer gewaltsamen Machtübernahme nahm zu. Peter Ignaz von Stom schrieb deshalb dem Kaiser, man könne nur hoffen, dass die Wahl friedlich verlaufen werde.278 Seine Befürchtung war nicht unbegründet, da der polnische Adel und die Litauer am Warschauer Hof ihn wissen lassen, militärisch gegen Jan Sobieski vorzugehen, um die Freiheit und den Frieden im Königreich zu bewahren. Damit wäre aber nach Meinung des Residenten die Wahlversammlung hinfällig und eine Spaltung der Rzeczpospolita bis hin zum Bürgerkrieg vorprogrammiert. Die Zeitzeugen in Warschau beurteilten die Situation kurz vor Beginn des Wahlsejms als im höchsten Maß gefährlich, da sie das Königreich schwächte und es zu einem leichten Angriffsziel der Hohen Pforte machen würde. Ebenfalls stand die Befürchtung im Raum, dass die Osmanen entgegen bisheriger Annahmen, früher zu Felde ziehen und das Land dadurch verheeren könnten. Um dem zuvorzukommen, schickte Jan Sobieski – wie bereits erwähnt – einen Botschafter für Verhandlungen zum Großwesir, doch zweifelte man am Warschauer Hof daran, ob diese Gesandtschaft tatsächlich den Frieden bringen würde.279 Hierbei ließen sie offenbar außer Acht, dass es dem Krongroßhetman gar nicht darum ging, sondern darum, durch die diplomatischen Gespräche kostbare Zeit zu gewinnen und zu verhindern, dass
276 Acta, II, 2. S. 1426. Mit dem Kolo (poln. Koło, nach dem Koło Rycerskie, übers. „ritterlicher Kreis“) war der innere Kreis des Versammlungsorts der polnisch-litauischen Würdenträger auf dem Wahlfeld (pole elekcyjne) im Warschauer Vorort Wola gemeint. 277 Wörtlich übersetzt hieße es „Marschall der Abgeordneten,“ doch in den deutschen Quellen wird er als „Wahlmarschall“ tituliert. Als marszałek poselski hatte er den Vorsitz der Abgeordnetenkammer (izba poselska). Dazu: Augustyniak, Historia Polski. S. 99 f.; Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 481; Hirsch, Die Wahl. S. 246. 278 HHStA, GSR 55, I. S. 351, 371. Bezüglich der Angst vor einem Militärputsch durch Jan Sobieski im Namen des Fürsten von Condé: Acta, III, 1. S. 19; Woliński, Poselstwo. S. 150. 279 HHStA, GSR 55, I. S. 372; Woliński, Poselstwo. S. 150.
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die Osmanen womöglich während des Wahlsejms angriffen. Bislang war der Krongroßmarschall nicht eingetroffen. Es sprach sich herum, dass mit ihm auch nicht vor dem 28. April zu rechnen sei. Seine Anhängerschaft am Hof hörte man darüber klagen, dass Jan Sobieski die Wahl mit nicht genug Eifer betreibe, um selbst die Krone zu erlangen. So hieß es einerseits, er zögere seine Anwesenheit so lange wie möglich hinaus, um seine heimliche Absicht einer Eigenkandidatur umso leichter durchsetzen zu können. Treffe er zu früh in Warschau ein, bestünde nämlich die Gefahr, die prokaiserliche Partei könne durch frühzeitige Gegenmaßnahmen seine Chancen mindern. Andererseits ging man nicht davon aus, dass sich der Krongroßmarschall in die Hauptstadt begebe, ehe nicht der französische Gesandte oder sein eigener Kurier mit eindeutigen Instruktionen aus Versailles einträfen.280 Seine Anhänger hofften nämlich immer noch darauf, dass Ludwig XIV. entgegen allen bisherigen Verlautbarungen sich besinnen und einen Bourbonen als Kandidaten stellen würde. Sollte Jan Sobieski wider Erwarten zum König gewählt werden, wolle laut dem Residenten der prokaiserliche Adel, besonders der aus Großpolen,281 sich mit militärischen Maßnahmen (pospolite ruszenie282) ihm entgegenstellen. In seinem Bericht an Leopold I. heißt es sogar, dass Dymitr Wiśniowiecki, der Cousin des verstorbenen König Michaels I., dem Großmarschall bereits ins Gesicht gesagt habe, die Interessen der verwitweten Königin bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen, und er lediglich zum Lothringer halte.283 Auch wenn man den Angaben Barons von Stom nicht immer Glauben schenken darf, legen sie doch zumindest davon Zeugnis ab, wie sehr dieser den Kaiser von der Verlässlichkeit seiner Vertrauensleute und von seinem vielversprechenden Plan, eine gegen Jan Sobieski gerichtete Adelsfraktion aufzubauen, zu überzeugen versuchte. Laut Peter Ignaz von Stom soll der Krongroßmarschall außerdem mit der Argumentation, man verfolge das Interesse der Rzeczpospolita – nicht das Eleonores –, versucht haben, den litauischen Feldherren für seine Sache zu gewinnen. Die Schwester des Kaisers könne man getrost wieder nach Wien schicken, da sie nicht mit dem Königreich, sondern lediglich mit dem verstorbenen Michael I. vermählt gewesen sei. Einzig dem Großen Condé sei zuzutrauen, den ersehnten Frieden zu bringen. Laut Baron von Stom solle Jan Sobieski durch seinen Gesandten Mykolas 280 HHStA, GSR 55, I. S. 372. 281 Zu Großpolen gehören die Woiwodschaften Posen, Kalisz, Sieradz, Łęczyca, Brześć Kujawski, Pommern (Gniewkowo). In der Quelle wird nicht eindeutig, ob Baron von Stom hierbei das Herzogtum Großpolen meint oder die gleichnamige Provinz Großpolen, wodurch Masowien und das Königliche Preußen ebenfalls inbegriffen wären, wobei Letzteres naheliegender wäre. 282 Hierbei handelt es sich um die Aufrüstung des Adels zur Abwehr bei militärischen Angriffen. 283 HHStA, GSR 55, I. S. 372 f.
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Pacas gegenüber die Meinung vertreten haben, dass Ludwig XIV. persönlich seinen favorisierten Feldherren vorschlagen würde, wenn dieser nicht bereits bei der vorherigen Wahl 1669 gescheitert wäre, und deshalb die Sorge bestünde, dies könnte ihm erneut widerfahren. Der Bote Jan Sobieskis soll Mykolas Pacas ebenfalls berichtet haben, der Krongroßmarschall sei dennoch der Auffassung, Ludwig XIV. könne auf die Wahl des Großen Condé bestehen und würde nach dessen Königserhebung die Rzeczpospolita mit großen Summen unterstützen. Die Bedenken Jan Sobieskis sollen bei Mykolas Pacas jedoch nicht gefruchtet haben. Der Litauer machte sich für den kaiserlichen Residenten allerdings des Wankelmuts verdächtig, als er danach eine persönliche Unterredung mit ihm vorerst aufschob.284 Im selben Bericht nach Wien kolportierte Baron von Stom auch das Gerücht, demzufolge die Scheidung des 52-jährigen Louis II. de Condé von seiner Gemahlin Claire-Clémence de Maillé-Brézé (1628–1694) bereits in die Wege geleitet worden sei. Ungeachtet des Altersunterschieds stünde nach erfolgter Trennung einer Vermählung mit der 20-jährigen Königinwitwe nichts mehr im Wege. Damit sei auch der diskutierte Übertritt Karl Emils oder Georgs von Dänemark zum Katholizismus gegenstandslos.285 Selbst den Zeitgenossen war bewusst, dass diese Ehe nur kurzlebig sein würde. Aus Versailles berichtete zeitgleich ein Vertrauensmann, der Sonnenkönig habe unter der Bedingung, dass der Adel einen für ihn annehmbaren König wähle, PolenLitauen seinen Beistand zugesagt. Sollte jedoch Karl von Lothringen den polnischen Thron besteigen, würde „Ludwig XIV. die Türken, Schweden und alle Teufel selbst gegen sie [die Polen und Litauer] aufwiegeln“.286 Als diese Worte am Warschauer Hof publik wurden, gab Baron von Stom zu bedenken, dass der Kaiser als Mittler zwischen Konstantinopel und Warschau besser helfen könne. Es folgte jedoch seitens der hohen Würdenträger sofort der Vorwurf, dass Habsburg der Pforte durch den dortigen Residenten versichern lasse, dem Königreich keine Hilfe zu leisten. Zu der bisher am Warschauer Hof kursierenden Meinung, der Kaiser unterstütze die Osmanen mit seinen Waffen, kam erschwerend hinzu, dass türkische Abgesandte den polnischen Deputierten während der Friedensverhandlungen angeblich bestätigt hatten, dass laut kaiserlichem Willen die Türken sogar Lemberg und auch Warschau besetzen dürften und Leopold I. lediglich Krakau für sich beanspruche. Die antihabsburgischen Ressentiments schürte zusätzlich Andrzej Olszowski als er ein weiteres aktuelles, in Europa diskutiertes Thema ansprach. Dabei ging es dem Kronunterkanzler um den Umgang Leopolds I. mit Wilhelm Egon, Graf von Fürstenberg-Heiligenberg, der drei Monate vorher, wegen seiner profranzösischen Umtriebe in Köln auf kaiserlichen Befehl inhaftiert worden war. Der Fall von Wilhelm 284 HHStA, GSR 55, I. S. 373 f. 285 Ebd. S. 376. 286 HHStA, GSR 55, I. S. 376 und das Zitat ebd. auf S. 393.
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von Fürstenberg ließ die frankreichfreundliche Partei in Warschau befürchten, dass der von Habsburg beeinflusste Lothringer in gleicher Weise mit profranzösischen Agitatoren in Polen-Litauen umgehe.287 Während der am 27. April 1674 stattgefundenen Beratungen zwischen Peter Ignaz von Stom, Christoph Leopold Schaffgotsch und Kazimierz Florian Czartoryski gemahnte Letzterer endgültig, dass der dänische Prinz als Zweitoption nicht durchsetzbar sei, falls Karl von Lothringen die Wahl verliere. Bestärkt wurde der Primas durch einen Kurier aus Kopenhagen, der mitteilte, Prinz Georg werde seine Konfession nicht ändern. Aus diesem Grund kam die Frage auf, ob man nicht Herzog Rinaldo d’Este aus Modena wählen könne. Der Druck seitens des polnischen Adels auf den Kaiser stieg weiterhin, sich für einen Kandidaten zu entscheiden und diesen öffentlich zu unterstützen.288 – Allerdings wies Leopold I. diese Bitte, sich offiziell auf eine bestimmte Person festzulegen, erneut ab. Wenige Tage später ergab sich für Baron von Stom die Gelegenheit, den Primas unter vier Augen zu fragen, ob er unter den gegenwärtigen, gefährlichen Umständen es nicht befürworten würde, wenn sich kaiserliche Regimenter an den polnischen Grenzen in Bereitschaft hielten, damit diese bei gewaltsamen Konflikten oder auf Wunsch der Rzeczpospolita unverzüglich nach Warschau abkommandiert werden könnten. Eine solche Entscheidung wagte Kazimierz Florian Czartoryski nicht allein zu fällen und verwies auf zusätzliche Berater. Da Peter Ignaz von Stom vom Kaiser nicht autorisiert worden war, sich mit Dritten zu beraten, blieb dieser Punkt offen. In seinem Bericht nach Wien schlug der kaiserliche Resident jedoch selbst vor, Regimenter an den böhmischen und schlesischen Grenzen sowie an denjenigen von Mähren nach Ungarn aufzustellen, damit sie im Notfall schnell einrücken könnten.289 Karl V. von Lothringen solle sich in der Nähe aufhalten, was dieser als Vorteil nutzen könne, wenn ihm kaiserliche Truppen beistünden.290 Allerdings beharrte der Kaiser darauf, nichts zu unternehmen, was vom Erzbischof nicht befürwortet werde. Der Primas konnte allerdings nur versprechen, keinen Friedensvertrag mit der Hohen Pforte zu unterschreiben, der nicht das Haus Habsburg miteinbeziehe.291 Diese Versicherung hatte die Gemüter in Wien zunächst beruhigt, allerdings blieben auf polnischer Seite viele Fragen offen. Insbesondere die von Leopold I. in 287 Ebd. S. 375. Fürstenberg wurde noch bis zum Frieden von Nimwegen (1679) in Wien gefangen gehalten. Siehe dazu mehr in: Ennen, Leonhard: Franz Egon und Wilhelm Egon von Fürstenberg. In: ADB. Bd. 7 (1878). S. 297–306; Braubach, Max: Wilhelm von Fürstenberg (1629–1704) und die französische Politik im Zeitalter Ludwigs XIV. Bonn 1972. S. 283–291. 288 HHStA, GSR 55, I. S. 392. 289 Ebd. S. 417. 290 HHStA, GSR 55, II. S. 166. Wo sich Karl von Lothringen zu dem Zeitpunkt genau aufhielt, konnte anhand der Quellen nicht genau bestimmt werden. 291 HHStA, GSR 55, I. S. 418; Woliński, Poselstwo. S. 154.
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die Wege geleitete Ankunft des spanischen Diplomaten Pedro Ronquillo in Warschau ließ laut Peter Ignaz von Stom selbst Jan Sobieski rätseln, welche Ziele der Kaiser verfolgte.292 Umso mehr wuchs die Sorge beim Baron, Karl von Lothringen könnte scheitern – denn die Konkurrenz schlief nicht. Franz von Gise teilte Baron von Stom mit, dass nach der Wahl des Prinzen von Neuburg der französische König eine Million Taler und vier Millionen polnischen Geldes für die nachfolgenden zwei Jahre versprochen haben solle. Außerdem stelle Brandenburg dem Pfalzgrafen angeblich 10.000 Mann.293 Baron von Goess versicherte zwar in einem Schreiben an Christoph Leopold Schaffgotsch, dass Friedrich Wilhelm seinen Gesandten instruiert hatte, den zukünftigen Herzog von Lothringen vorzuschlagen, Johann von Hoverbeck wandte jedoch vor Baron von Stom ein, dass er hierzu keinen Befehl erhalten hatte.Verdächtig war für den kaiserlichen Residenten jedoch, dass der brandenburgische Gesandte fortan bei einem Anhänger Jan Sobieskis wohnte. Es sei deshalb zu vermuten, dass dieser verdeckt für die Wahl eines Piasten werbe.294 Der Druck auf Karl von Lothringen stieg, weshalb dieser Überlegungen anstellte, wie er den polnisch-litauischen Adel noch mehr von sich überzeugen könne. Für den Fall seiner Wahl hatte er Leopold I. um Unterstützung für die Finanzierung der polnischen Armee gebeten, die ihm am 21. Mai 1674 in einem Brief des Kaisers letztendlich zugesagt wurde295 – jedoch zu spät. Abermals mahnte Baron von Stom den Kaiser, dass, wenn der Lothringer wegen fehlender Mittel nicht die Krone erlange, dies auch die Position der Königinwitwe erschüttere.296 Im Rahmen seiner Möglichkeiten und auf Anraten seiner polnischen Vertrauten empfahl er sowohl Karl V. als auch Leopold I., den lothringischen Oberstleutnant Francis Taaffe zu Jan
292 HHStA, GSR 55, II. S. 131. Offiziell hieß es, Don Ronquillo sei lediglich entsandt worden, um der Königinwitwe die Kondolenz des spanischen Königs zu überreichen. Theatrum Europaeum. Bd. 11. S. 645. Dabei heißt es schon beim zeitgenössischen Freiherrn Otto von Schwerin, dass dieser Mann mehr als nur ein Botschafter, sondern ein „Plenipotentiars“ war. Er verfügte über sämtliche Freiheiten und finanzielle Mittel, um insbesondere Stimmen zu kaufen. In: Briefe aus England über die Zeit von 1674 bis 1678; in Gesandtschaftsberichten des Ministers Otto von Schwerin des Jüngeren an den Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm. Hg. v. Leopold von Orlich. Berlin 1837. S. 84. Mehr in: Rodríguez Villa, Antonio (Hg.): Misión secreta del Embajador Don Pedro Ronquillo en Polonia (1674). Madrid [1874]. Die Entsendung des Spaniers könnte vielleicht auch den Zweck verfolgt haben, auf die Größe des Hauses Habsburg hinzuweisen. 293 HHStA, GSR 55, I. S. 374. 294 Ebd. S. 394. 295 Der Kaiser selbst informierte Christoph Leopold Schaffgotsch in seinem Schreiben lediglich über den Erhalt jener Bitte, ohne weiter darauf einzugehen. In: APW, AS 1411. S. 219 f. Der Brief des lothringischen Herzogs vom 10. Mai 1674 ist als Kopie erhalten in: Ebd. S. 221. 296 HHStA, GSR 55, I. S. 374.
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Sobieski zu schicken und ihn von der Kandidatur des kaiserlichen Befehlshabers zu überzeugen.297 Peter Ignaz von Stom hegte nämlich zunehmend die Befürchtung, dass der französische Gesandte mit vielen Subsidien nach Warschau komme und mit diesen sämtliche prokaiserliche Anhänger kaufe, um auf diese Weise die Wahl des königlichen Großmarschalls zu erreichen.298 Stimmen zu kaufen, war ein gängiges Mittel, das jedoch geschickt umgesetzt werden musste. So sollen lothringische Gesandte dem bereits erwähnten litauischen Hofschatzmeister Benediktas Sapiega 1000 Dukaten ganz offen ins Haus gebracht haben, worüber sich dieser beklagte. Als neu gewählter Wahlmarschall299 befürchtete er nämlich, durch mögliche Korruptionsanschuldigungen sein Vermögen zu verlieren.300 In gleicher Weise hatte Bischof Andrzej Trzebicki die 100.000 Taler Bestechungsgelder eines Kardinals für die Wahl des Prinzen Rinaldo d’Este schlecht aufgenommen und daraufhin wutentbrannt Briefe nach Modena und Rom geschickt.301 Zur gleichen Zeit versuchte der kaiserliche Gesandte, dem Nuntius den Argwohn mit der Beschwichtigung zu nehmen, dass der Kaiser die Heirat seiner Schwester mit einem nichtkatholischen Kandidaten wie dem Prinzen von Dänemark nicht zulassen werde.302 Nach all diesen Gerüchten, der Ungewissheit und den verschiedenen Mitteln und Wegen, die eigenen Interessen durchzusetzen, folgt nun die Betrachtung des Wahlsejms selbst: Auf der Wahlversammlung im Kolo wurde in den ersten Tagen Ende April 1674 hauptsächlich der Ausschluss eines Piasten diskutiert, wobei die Litauer eindringlich darauf hinwiesen, einen solchen unter keinen Umständen akzeptieren zu wollen. In einer gesonderten Versammlung hatten sie hierfür ein Schreiben verfasst, das sie vor Gericht abzugeben beabsichtigten. Ein Großteil der Polen soll bei einem Bankett des Feldherrn Mykolas Pacas versprochen haben, ebenfalls zu unterschreiben. Doch selbst beim kaiserlichen Residenten regte sich Unmut darüber, dass ein solcher Ausschluss nicht realisierbar war.303 Die aufgeheizten Stimmen im Kolo verstummten jedoch am 2. Mai 1674. An diesem Tag traf nämlich der königliche Großmarschall mit einer großen Anhängerschaft in Warschau ein. Die Sessia hatte bereits begon-
297 Ebd. S. 394. Francis Taaffe war selbst aus Irland, diente im Heer von Karl von Lothringen und war sein enger Vertrauter. Mehr in: Sommeregger, Karl: Taaffe, Franz Graf. In: ADB. Bd. 54 (1908). S. 668 f. 298 HHStA, GSR 55, I. S. 416. 299 Zur Funktion des Wahlmarschalls siehe: Kap. 4.3. S. 146. Anm. 277. 300 HHStA, GSR 55, II. S. 165. 301 Ebd. 302 Ebd. S. 166. 303 Acta, II, 2. S. 1427 ff.; HHStA, GSR 55, I. S. 392, 416; Hirsch, Die Wahl. S. 247 f.; Rhode, Ein Königreich ohne König. S. 276. Über das Vorgehen der Litauer gegen die Wahl eines Piasten während des Wahlsejms siehe: Bobiatyński, Michał Kazimierz Pac. S. 304 f.
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nen, doch alle Anwesenden stürmten hinaus, um Jan Sobieski angesichts des bereits versammelten Volks zu seinem Sieg von Chocim über die Türken zu gratulieren. Bereits in diesem Augenblick stand fest, dass der Nuntius und am Folgetag auch der litauische Großhetman Mykolas Pacas beim Krongroßmarschall vorsprechen würden. Doch zunächst suchte Jan Sobieski seinen Schwager, Mykolas Radvila, zum Mittagessen auf.304 Dem Mann also, der laut Baron von Stom dem Gesandten Gise versichert hatte, er wolle eher den Hals verlieren, als den Krongroßmarschall auf dem Thron sehen.305 In Erfahrung brachte der Baron auch, dass Jan Sobieski Truppen in der Stärke von 7000 Mann um Warschau positionierte. Das Regiment von Ernest Denhoff solle bereits die Brücken der Stadt besetzt haben. Die schlechten Nachrichten für die kaiserliche Anhängerschaft nahmen jedoch kein Ende: Als der königliche Großmarschall gefragt wurde, ob er in dem Fall, dass der Große Condé nicht kandidiere, eher Karl von Lothringen vorschlagen würde, Jan Sobieski zu Antwort gab, über diesen Kandidaten künftig nicht mehr reden zu wollen, da er lieber den Hals und alles verlieren, ja das Königreich eher verlasse, als zuzulassen, dass der Lothringer die Krone erlange.306 Der Wahrheitsgehalt solcher Aussagen ist fraglich, besonders da sich die Redewendungen in anderen Briefen wiederholen. Doch zumindest zeigen sie die Gemütslage und gegenwärtige Auffassung seitens Barons von Stom, die dieser nach Wien weiterleitete. Seine Berichte machen zunehmend den Eindruck, nicht die eigene Überzeugung wiederzugeben, sondern von seinen Mittelsmännern und vor allem durch die litauische Seite beeinflusst zu sein.307 Umso unbefangener werden sich die in der Forschung bislang wenig berücksichtigten Berichte des zur Unterstützung Barons von Stom entsandten, neu eingetroffenen Diplomaten aus Breslau, nämlich Christoph Leopold Schaffgotsch, erweisen, die eine ganz andere Wahrnehmung zeigen. Bereits am 4. Mai 1674 berichtete dieser dem Kaiser, dass er dem gerade in Warschau angekommenen Jan Sobieski einen Boten geschickt habe, um mit ihm ein gemeinsames und vor allem geheimes Treffen auszuhandeln. Der polnische Groß304 „[…] hora solita zaczęła się sessia, ale na niey nihil stetit notabile, bośmy y godziny nie siedzieli, y w małey nader frequentiey gdzyż tego dnia przyieżdżał JMcPan Jan Sobieski Marszałek y Hetman Wielki Koronny, któremu frequens occurrebat nobilitas gratulabunda victoriey Chocimskiey z Turków; iakoż wielce ludno y ozdobnie wieżdżał.“ In: Acta, II, 2. S. 1432. In der Forschung spricht man von einem prächtigen Einzug Jan Sobieskis in Warschau und einer großen militärischen Präsenz. Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 484 f.; Hagenau, Jan Sobieski, S. 360; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 53. 305 HHStA, GSR 55, I. S. 393. Mykolas Radvila spielte ein Spiel mit den ausländischen Gesandten, denn er hatte gleichzeitig versucht, mehrere Litauer für die französische Seite zu gewinnen. Bobiatyński, Michał Kazimierz Pac. S. 305. 306 HHStA, GSR 55, I. S. 421; Wójcik, Jan Sobieski. S. 217. 307 Bobiatyński, Michał Kazimierz Pac. S. 305.
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marschall kam höflich – mit der Bekräftigung alter Freundschaft – diesem Vorschlag nach. Bereits während der Wahl 1669 hatten sich die beiden kennengelernt und eine Sympathie füreinander entwickelt.308 Angesetzt wurde dieses Wiedersehen am Folgetag für 18 Uhr, doch die Audienzen bei der Königinwitwe, dem Erzbischof und die vierstündige Sitzung beim Bischof von Krakau verhinderten die geplante Zusammenkunft. Am gleichen Tag meldete der Gesandte aus Breslau, wie der Krongroßmarschall mit acht Karossen zum Kolo vorfuhr, in denen überwiegend Kleriker mitfuhren. Es steht außer Frage, dass sich Jan Sobieski gekonnt inszenierte.309 Das Interesse an seiner Person war groß, was Anlass dazu gab, an dem Zustandekommen einer geheimen Verabredung zu zweifeln. Christoph Leopold Schaffgotsch wartete dennoch zur neu verabredeten Zeit in einem Garten auf dessen Ankunft, wo Jan Sobieski nach einer verlängerten Sitzung des sąd kapturowy310 verspätet eintraf. Nachdem sie in einem kleinen Haus innerhalb des Gartens Platz genommen hatten, fragte der polnische Großhetman – ganz in der Rolle eines gehorsamen Militärs –, was der Kaiser ihm befehlen ließ, wobei sein Gegenüber geschickt antwortete, dass Leopold I. ihn für den Sieg von Chocim beglückwünsche und ihm seiner kaiserlichen Gnade und Freundschaft versichere. Der schlesische Oberlandeshauptmann erklärte Jan Sobieski, dass jedem bewusst sei, wie sehr die Wahl eines guten Königs von ihm abhinge, worauf der Krongroßmarschall versicherte, einem Kandidaten zur Krone verhelfen zu wollen, der ihr auch gerecht werde. Das in ihn gesetzte Vertrauen werde er nicht missbrauchen, sondern lediglich einen König fordern, der dem Kaiser auch freundlich gesonnen sei. Er versprach gleichzeitig, das Interesse der Königinwitwe zu vertreten. Der kaiserliche Gesandte sprach daraufhin seinen Dank aus und fügte hinzu, „das weilen die herren Pohlen daß glück hetten, die schönste Königin von der Welt zu haben, [Jan Sobieski] als dem bravesten und valorosesten Cavalier in Pohlen.“311 Mit diesen Worten war das Eis zwischen den beiden gebrochen und auch andere Themen wurden angesprochen. Zuerst sprach Jan Sobieski den Holländischen Krieg an. Christoph Schaffgotsch antwortete, dass der Kaiser einen beständigen Frieden für die Christenheit verlange und einen solchen auch mit Frankreich begehre. Daraufhin wurde der schlesische Oberlandeshauptmann um eine Stellungnahme über die in Köln erfolgte Inhaftierung des bereits erwähnten Wilhelm von Fürstenberg gebeten. Der Gesandte wies darauf hin, dass der Kaiser nicht verpflichtet sei, für sein Handeln Rechenschaft abzulegen. Doch wisse man selbst in Wien, dass dieser Vorfall großes Aufsehen in
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Korzon, Dola i Niedola. Bd. 2. S. 205;Vgl. Woliński, Poselstwo. S. 153. Hagenau, Jan Sobieski. S. 360. Siehe dazu die Erläuterung in Kap. 4.2. S. 119. Anm. 177. APW, AS 1414. S. 98;Vgl. Woliński, Poselstwo. S. 154.
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Europa erregt habe. Klargestellt wurde, dass Fürstenberg wegen seiner Missetaten „und als einen Österreichisches ungehorsamen vasall gefangen“ genommen wurde, jedoch in einem Schloss in Neustadt gut aufgehoben sei.312 Das Gespräch über Fürstenberg wurde laut Janusz Woliński als Ablenkungsmanöver Jan Sobieskis benutzt, um sich nicht vor dem kaiserlichen Gesandten über seine Ergebenheit zu Eleonore äußern zu müssen. Jedoch lässt sich dies anhand der Quellen nicht eindeutig bestätigen.Vielmehr scheinen mit der Unterhaltung alle bis dahin bestandenen Unklarheiten fürs Erste behoben worden zu sein. Die Zusammenkunft wurde im guten Einvernehmen beendet und der kaiserliche Gesandte von Jan Sobieski aus den Gärten schulterklopfend hinausgeleitet.313 Sie zeugt davon, dass sich der Großmarschall im persönlichen Gespräch gegenüber der kaiserlichen Partei zwar zurückhaltend, aber nicht ablehnend verhielt. In der Zukunft sollte sich herausstellen, dass offenbar jede Bemerkung des Gesandten von Jan Sobieski verinnerlicht und wohlüberdacht wurde. Ein paar Tage später beobachtete selbst Johann von Hoverbeck eine Übereinstimmung zwischen den Interessen des Krongroßmarschalls und denen des Kaisers, da plötzlich beide nach außen hin als Alternative für ihre eigentlichen Kandidaten eine gewisse Sympathie für den dänischen Prinzen gezeigt haben sollen. Auch die Absicht Jan Sobieskis, sich mit Litauen friedlich einigen zu wollen, stand ganz im Sinne der ausländischen Gesandten. Lediglich in Bezug auf Karl von Lothringen blieben die Fronten auf den ersten Blick unbeweglich.314 Generell veränderte der persönliche Kontakt mit dem polnischen Feldherrn und sein Auftreten die Tendenzen am Warschauer Hof. Die Karten schienen neu gemischt, denn der bislang prokaiserliche Kanzler aus Litauen, Kristupas Pacas, zeigte immer offensichtlicher seine Sympathien für die Seite des Großmarschalls und gefährdete damit die kaiserlichen Interessen. Baron von Stom war darüber so erbost, dass er Leopold I. in einem geheimen Schreiben mitteilte, bei einer Bedrohung für Kaiser und Königinwitwe „den Litauischen Kanzler mit gifft oder sonsten aus dem weg zu räumen.“315 Zusätzlich ließ sich Mykolas Pacas zum Missfallen des kaiserlichen Residenten dazu verleiten, überstürzt zu handeln und als erste Gegenmaßnahme zur Abwehr der königlichen Truppen vor Warschau 5000 Mann seiner litauischen Armee dorthin zu beordern. Baron von Stom wurde hierbei übergangen, denn der litauische Kanzler 312 313 314 315
APW, AS 1414. S. 98 f. Ebd. S. 99; Woliński, Poselstwo. S. 154. UA, 19. S. 56 f. HHStA, GSR 55, II. S. 164.Tadeusz Korzon behauptete stattdessen, dass der litauische Kanzler aus Neid alles tat, um Jan Sobieski zu beseitigen (usunięcie). Ders., Dola i Niedola. Bd. 3. S. 483. Ferdinand Hirsch ging ebenfalls fälschlicherweise davon aus, dass die Verhandlungen zwischen Jan Sobieski und Kristupas Pacas die Hoffnung einer Einigung auf einen neutralen Kandidaten bei der kaiserlichen Seite wachsen ließ. Ders., Die Wahl. S. 248 f.
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wandte sich direkt an die Königinwitwe, damit sie ihren Bruder um Subsidien für den Unterhalt dieser Truppen bitte.316 Um an kaiserliche Gelder zu kommen, wurde der Druck seitens der Litauer weiter aufrechterhalten. Gleichzeitig hielt man sich vereinzelt für die Wahl alle Möglichkeiten offen, solange der französische Gesandte, Toussaint de Forbin-Janson, noch nicht am Warschauer Hof angekommen war. In der Zwischenzeit wurde als erster ausländischer Sprecher im Kolo der Nuntius empfangen, der vor den polnischen und litauischen Würdenträgern im Namen des Papstes dazu aufforderte, einen katholischen Kandidaten zum neuen König zu wählen. Bereits bei dieser Anhörung vertrat der Bischof von Krakau, Andrzej Trzebicki, den bettlägerigen Erzbischof. Zwei Tage später, am 7. Mai 1674, holte eine Delegation den kaiserlichen Gesandten Christoph Schaffgotsch als Interessenvertreter des Wiener Hofs ab und platzierte ihn im Kolo neben Jan Sobieski. Im Namen des Kaisers betonte Schaffgotsch in seiner Rede die gute Freundschaft und Nachbarschaft mit Polen-Litauen und ersuchte darum, dass die versammelten Würdenträger einen König wählen sollten, der dieses gute Verhältnis weiter aufrechterhalte. Außerdem bat er, das Interesse der Königinwitwe, der Schwester des Kaisers, zu berücksichtigen.317 Verlesen wurde dabei der bereits erörterte Brief des Kaisers vom 12. März 1674, der inhaltlich nicht abgeändert worden war,318 womit selbst kurz vor der entscheidenden Wahl deutlich wurde, dass Leopold I. auf das bonum publicum vertraute. Durch die damit betonte Akzeptanz ihrer Rechte und Freiheiten sollte den polnisch-litauischen Würdenträgern die gewünschte Sympathie für die kaiserliche Seite abgewonnen werden. Laut Janusz Woliński zeige dies, dass Habsburg nichts an Karl von Lothringen gelegen habe und durch das Verhalten von Christoph Leopold Schaffgotsch die Wahl eines Piasten als logischer Schluss folgen musste.319 Hierzu sei jedoch eingewendet, dass anhand der bereits ausgewerteten Briefe diese Vorgehensweise Teil der Wiener Taktik gewesen ist, um den gesamten Adel durch die demonstrativ zur Schau gestellte Unabhängigkeit des Lothringers von Habsburg für dessen Wahl gewinnen zu können. Nachdem die beiden ranghöchsten ausländischen Vertreter vorgesprochen hatten, wartete man auf die Ankunft des Gesandten aus Frankreich. Bis dahin wollte man von Jan Sobieski wissen, wie es um das Königreich und die drohende Gefahr an der Grenze stand.320 Der Krongroßmarschall selbst beriet sich wiederum im Beisein von Jan Andrzej Morsztyn und Jan Krzysztof Gniński mit dem Erzbischof. Ihren Vorschlag, dem Feldherrn Condé zur Krone zu verhelfen, lehnte der Primas nachdrücklich ab. Unbeirrt davon, beharrte die französische Partei auf ihrem bisherigen 316 HHStA, GSR 55, II. S. 166. 317 Acta, II, 2. S. 1434 f. 318 Vgl. den Brief in Kap. 4.2. S. 125. 319 Woliński, Poselstwo. S. 154 f. 320 Acta, II, 2. S. 1437.
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Kurs. Die lothringische Seite brachte jedoch in Erfahrung, dass erste Zweifel in der frankreichfreundlichen Partei laut wurden. Das Argument, Karl V. sei von Habsburg beeinflusst, verlor an Resonanz. Allerdings befürchtete man nach den Erfahrungen mit der vorherigen Regierung, dass sich nach der Wahl des Lothringers, die zu jener Zeit herrschenden Zustände wiederholen könnten. Wie schon dargestellt, war es nämlich bereits unter Michael I. wegen der starken Stellung der litauischen Seite zu einer rigiden Herrschaftsausübung gekommen.321 Um den ersten Zweiflern entgegenzutreten, beriet sich Jan Sobieski mit der profranzösischen Partei, wobei man sich wiederum auf den Großen Condé verständigte. Als man ihn fragte, wen er ansonsten zu unterstützen gedenke, wenn der Favorit nicht durchsetzbar sei, antwortete der Großmarschall, dass sein Wohlwollen alternativ dem Herzog von Neuburg und dessen ältestem Sohn gelte. Die dagegen vorgebrachten Einwände bestürzten Jan Sobieski, der mit der Unterstützung der profranzösischen Partei gerechnet hatte, und veranlassten letztlich Jan Andrzej Morsztyn einzugreifen. Dieser erklärte, dass der Großmarschall den Herzog von Neuburg lediglich bevorzuge, solange es dessen Sohn noch an Erfahrung mangele, und der Vater die Regierung nur kurzzeitig übernehmen solle.322 Solche Tendenzen hin zu einer Erbmonarchie wurden jedoch strikt abgelehnt. An demselben Abend ließ die Königinwitwe Jan Sobieski zu sich rufen, um seine Absichten in Erfahrung zu bringen. Er versprach während der Audienz, Eleonore zu unterstützen und räumte ein, über die Intentionen Frankreichs bislang nichts Genaueres zu wissen. Er versprach aber, ihr nach der Ankunft von Toussaint de Forbin-Janson über die französischen Tendenzen Näheres mitzuteilen. Bis dahin schlage er zuerst Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, als Zweitoption die Prinzen Conti und Soissons vor. Zur Verwunderung Barons von Stom habe Jan Sobieski mit keinem Wort den Großen Condé erwähnt.323 Für die kaiserliche Seite wurde es immer schwieriger, den polnischen Großmarschall zu durchschauen, doch sollten die folgenden Ereignisse zeigen, dass dieser sich selbst in seinen Entscheidungen nicht sicher war. Toussaint de Forbin-Janson erreichte Warschau am Dienstag, den 8. Mai 1674, um 5 Uhr morgens, trat jedoch erst am Freitag vor die Versammlung im Kolo.324 Be321 HHStA, GSR 55, I. S. 426. Siehe rückblickend den Konflikt zwischen Königstreuen und Malkotente 1672/1673 ab Kap. 3. S. 48–68. 322 HHStA, GSR 55, I. S. 426. 323 Ebd. 324 In den Aufzeichnungen zum Wahlsejm steht, dass Toussaint de Forbin-Janson am 10. Mai 1674 angekommen sei. Acta, II, 2. S. 1437 ff. Dem Bericht von Baron von Stom und dem persönlichen Schreiben des französischen Gesandten an Ludwig XIV. nach traf jener bereits am 8. Mai ein: „J’arrivay donc Mardy 8 à cinq heures du matin. Je vis M. le grand-Mareschal et Madame sa femme, qui me tesmoignèrent l’impatience où ilz estoient de scavoir les inten-
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vor Jan Sobieski sich mit dem französischen Gesandten unterhalten konnte, sprach er drei Stunden unter vier Augen mit Kristupas Pacas. Obwohl er Karl von Lothringen für den geeignetsten hielt, beharrte er vor dem litauischen Großkanzler auf einen französischen Kandidaten. Er sei nämlich an die Bourbonen gebunden und könne den Lothringer deshalb nicht fördern. Dass sich daraufhin der königliche Großmarschall und Toussaint de Forbin-Janson bis um 1 Uhr in der Nacht berieten, wurde vom kaiserlichen Residenten mit großer Sorge aufgenommen. Zumal ihn die Frau von Franciszek Jan Bieliński darüber informierte, wie sich die Hofdamen erzählten, dass Maria Kazimiera weiterhin ihrem Mann tagtäglich zuredete, die Krone selber zu beanspruchen. Baron von Stom sah sich sogar dazu gezwungen, jemanden auf die Französin anzusetzen, um den vermeintlichen Korrespondenzen mit den Rebellen in Ungarn zuvorzukommen. Der Einfluss „der Sobieskin“ wurde sehr ernst genommen, denn der lothringische Gesandte Francis Taaffe versuchte vehement, jedoch vergeblich, sie für Karl V. zu gewinnen.325 Ähnlich probierte es der Bischof von Posen bei Jan Sobieski, doch seine Offerten waren von den Versprechungen Jean de Belchamps in Lublin bereits übertroffen worden. Der lothringische Gesandte hatte Baron von Stom nämlich vorgeschlagen, die zur Gewinnung des Großmarschalls vorgesehenen Beträge einfach zu verdoppeln. Der kaiserliche Resident hatte allerdings diesbezüglich seine Zweifel. Um sich ein eigenes Bild zu machen, bat Baron von Stom um ein persönliches Gespräch mit Jan Sobieski, der sich jedoch entschuldigen ließ, da er nicht all den vielen Einladungen nachkommen könne.326 Johann von Hoverbeck ließ hierzu seine guten Beziehungen spielen und erfuhr durch Mykolas Radvila und Aleksander Lubomirski von dem neuerlichen Misstrauen gegenüber dem Großen Kurfürsten. Jan Sobieski sei nämlich zu Ohren gekommen, jener habe dem Kaiser einen neuen, gegen Frankreich gerichteten Vertrag und 10.000 Mann zur Unterstützung der Holländer versprochen. Auf diese Anschuldigungen reagierte der brandenburgische Gesandte mit der Erklärung, dass er davon nichts wisse. Außerdem erfuhr Johann von Hoverbeck im Gespräch mit den beiden Woiwoden, dass sich der polnische Großmarschall im Sinne Frankreichs für die Kandidatur des Pfalzgrafen ausgesprochen haben soll, auch wenn er weiterhin den Fürsten von Condé präferiere.327 Die Zeit wurde knapp, die einzuhaltenden Termine häuften sich, sodass es zum Privileg wurde, mit dem Krongroßmarschall persönlich zu sprechen, das lediglich Christoph Leopold Schaffgotsch erhielt. tions du Roy afin d’y régler leur conduite, autant que l’état des affaires présentes le pourroit permettre.“ In: Acta, III, 1. S. 26; Hirsch, Die Wahl. S. 249. 325 HHStA, GSR 55, I. S. 427, 432; UA, 19. S. 58. 326 HHStA, GSR 55, I. S. 427 f. Bezüglich des vergeblichen Versuchs, Jan Sobieski für den Herzog von Lothringen zu gewinnen, siehe: UA, 19. S. 55; Hirsch, Die Wahl. S. 248. 327 UA, 19. S. 55.
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4. Die Wahl zum König unter dem Ruhmesmantel von Chocim
Nach seiner Audienz im Kolo wurde der kaiserliche Gesandte zwei Tage später zu Jan Sobieski zum Abendessen eingeladen, bei dem sich erneut die Möglichkeit ergab, vertraulich miteinander zu sprechen. Um Jan Sobieski die Wahl eines der Hofburg genehmen Kandidaten schmackhaft zu machen, übermittelte er ihm den kaiserlichen Wunsch, im neuen König nicht nur einen guten Freund, sondern den Krongroßhetman sogar als dessen Mentor zu sehen. Als Antwort empfahl Jan Sobieski die jungen Prinzen von Neuburg und Soissons, verwarf jedoch kurz darauf seinen Vorschlag mit dem Kommentar, dass es „mit solchen Buben nit gedienet“ sei „und gemeint, wann die Religion nit thete, Sie mehr Kandidaten haben würden, alß Brandenburg und Dänemark.“328 Bei diesem Stichwort räumte Christoph Schaffgotsch ein, dass Prinz Georg dem Kaiser auch nicht missfalle, und bestätigte damit die in Warschau kursierenden und von Baron von Stom dementierten Gerüchte über die kaiserliche Sympathie für den Dänen. Der Großmarschall wechselte das Thema auf Frankreich, das eine große Armee zu bieten habe. Hierzu bekam er zur Antwort, dass die des Kaisers doppelt so groß sei und sie „eine schöne und brave armee beysammen hetten.“ Besonders in Schlesien habe der kaiserliche Gesandte als Oberlandeshauptmann die Rekrutierung der Truppen von Karl von Lothringen miterlebt, „so schön, alß ich innes mein lebelang gesehen“, und sprach daraufhin aus eigener Erfahrung und Einschätzung von den vielen Vorzügen und guten Eigenschaften des Prinzen. Offiziell räumte der Gesandte ein, dass er vom Kaiser nicht den Auftrag habe, für Karl von Lothringen zu werben. Er versicherte Jan Sobieski aus persönlicher Überzeugung, dass er sich mit jenem sehr gut verstehe.329 Der Krongroßmarschall gestand ihm, dass er von seinen Anhängern bereits gute Worte über den Lothringer gehört habe. Doch bevor das Gespräch weiter vertieft werden konnte, wurde die Unterhaltung der beiden zwei Mal unterbrochen, mit dem Hinweis, der Kastellan von Krakau, Stanisław Warszycki, lasse in sein Kabinett rufen. Christoph Schaffgotsch war sich sicher, dass diese Störung auf Betreiben Maria Kazimieras erfolgte. Jan Sobieski verabschiedete sich daraufhin, worauf ihn der Gesandte bat: bey diesen der ganzen Christenheit importierendes coniunctum zu bedenken, das bey ihm stünde, Pohlen aufzubringen, bey der ganzen welt sich einen unsterblichen nahmen, und Eur. May. mit dero ganzen haus obligat zu machen; er nahm nach vielen conterrasen ehrlaub, mit versprechen, das er noch mehr von dieser Sache mit mir reden, und selbst zu mihr kommen wollte, dahero heut abermahl eine stund begehen lassen.330 328 APW, AS 1414. S. 100. Für den Fall, dass Karl von Lothringen nicht gewählt würde, hatte Pedro Ronquillo bislang öffentlich für den Prinzen von Dänemark geworben. Siehe Acta, III, 1. S. 34; Hirsch, Die Wahl. S. 249. 329 APW, AS 1414. S. 100; Woliński, Poselstwo. S. 155 f. 330 APW, AS 1414. S. 101.
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Die Worte des kaiserlichen Gesandten bezüglich des unsterblichen Namens haben einen prophetischen Charakter, doch vor allem machten sie auf Jan Sobieski Eindruck. Es wird sich jedoch zeigen, dass die Unterhaltung in Bezug auf Karl von Lothringen keine Früchte trug und es wegen der folgenden Geschehnisse am gleichen Tag zu keiner weiteren Gesprächsstunde kommen sollte. Toussaint de Forbin-Janson wurde nämlich in der Zwischenzeit jeweils vom Primas und von der Königinwitwe empfangen, denen er beteuerte, einzig und allein den Prinzen von Neuburg zu empfehlen. In dieser Nacht vom 9. Mai 1674 fand mit ihm und der französischen Partei ein Zusammentreffen im „Lubomirskischen Palatio“ statt, das über Mitternacht bis in die Morgenstunden des Folgetags andauerte. Die dort besprochenen Inhalte konnte Baron von Stom jedoch laut seinem Bericht nicht aus sicherer Quelle in Erfahrung bringen. Es folgte darauf eine inoffizielle Sessia im Haus des Krakauer Bischofs, der 33 Senatoren und etliche mehr beiwohnten.331 Diese Zusammenkunft machte den Eindruck, die profranzösische Partei sei um ein gesondertes Einvernehmen mit dem Klerus bemüht. Gerüchten zufolge soll Jan Sobieski vor diesem Auditorium – mit dem Verweis auf seinen während der kleinen Landtage bereits verlesenen Brief – wiederholt haben, welche Qualitäten der neue König besitzen müsse. In Anbetracht der gefährlichen Situation in den Grenzgebieten und der Befürchtung, man entscheide sich für einen Anhänger Habsburgs, soll er dazu geraten haben, einen solchen abzulehnen, da es seines Erachtens ja genau dieses Haus gewesen sei, das dem Königreich den Türkenkrieg eingebracht habe. Baron von Stom beklagt in seinem Bericht, wie der Großmarschall auf diese Weise Karl V. von Lothringen anprangerte. Auf die Rede Jan Sobieskis soll bei der Versammlung ein 15-minütiges Schweigen erfolgt sein. Letztendlich habe Andrzej Trzebicki das Wort ergriffen und eingewandt, dass der Fürst von Condé als Kandidat möglich sei – Hauptsache, das Interesse der Königin werde gewahrt. Laut dem Bericht Barons von Stom schlug daraufhin der Wojewode von Kulm den französischen Feldherren oder den Neuburger vor, worauf der Kastellan von Krakau Stanisław Warszycki vor die Gesellschaft trat und Jan Sobieski als „ein Erlößer des Vatterlandts“ bezeichnete und ihm seine Stimme zur Königswahl versprach. Er hatte bereits während des Konvokationssejms mit seinen Anhängern den Ausschluss eines Piasten verhindert. Der Kastellan begründete seinen Einsatz damit, dass „sintermahln die schrift sagete va[e] illi Regno cuius Rex puer et Alienigena est.“332 Erneut wird Jan Sobieski als Kandidat öffentlich vorgeschlagen, jedoch geht aus der Quelle nicht hervor, welche Reaktion mit diesen biblischen Anspielungen ausgelöst wurde.
331 HHStA, GSR 55, I. S. 434; Woliński, Poselstwo. S. 156 f. 332 HHStA, GSR 55, I. S. 434. Die Anspielung bezieht sich auf das Buch Kohelet 10;16: vae tibi terra cuius rex est puer et cuius principes mane comedunt, wobei im Bibeltext die Anspielung auf einen „Fremden“ nicht gemacht wird.
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4. Die Wahl zum König unter dem Ruhmesmantel von Chocim
Als der Adel im Kolo von dieser Sessia im Haus des Krakauer Bischofs erfuhr, ließ er deren Teilnehmern durch Deputierte mitteilen, dass eine solche die Wahl betreffende Versammlung gegen die herrschenden Gebräuche und Gesetze verstoße. Daraufhin begaben sich die so angegriffenen, viele von ihnen Anhänger der profranzösischen Partei, zum Kolo. Dort sprach sich Jan Sobieski erneut für den Großen Condé aus.333 Deswegen ist man in der bisherigen Forschung davon ausgegangen, dass sich die französische Partei auf diesen geeinigt habe.334 Laut Baron von Stom hatte die kaiserliche Opposition den Vorwurf gemacht, dass jegliches Übel von Frankreich ausginge und lediglich das Haus Habsburg die Rzeczpospolita bislang unterstützt habe – ein Einwand, der bei den profranzösischen Anhängern wenig Beachtung fand.335 Der kaiserliche Resident stützte sich bei dieser Beschreibung hauptsächlich auf seine Berichterstatter, doch es ist erstaunlich, dass er noch am gleichen Abend in Erfahrung brachte, wie Jan Sobieski auf das 15-minütige Schweigen während der Versammlung im Bischofshaus reagierte. So heißt es, dass, nachdem der Großmarschall vom Wahlfeld nach Hause kam, er sich über die geringe Treue derjenigen beklagte, welche ihm vorher so viel Unterstützung für seine Absichten versprochen hatten, und er über die Realisierung seiner Ziele zu zweifeln begann. Seine Frau sei rasend geworden, während ein Vertrauter sie beschwichtigte und zu bedenken gab, dass auf diese Leute kein sicheres Kapital zu setzen wäre. Aleksander Lubomirski, der Krontruchsess Jan Wielopolski und die Potockis hatten nach dem Vorschlag der Wahl Jan Sobieskis die profranzösische Partei sogar verlassen. Baron von Stom versprach daraufhin dem Kaiser, die lothringischen Minister und Christoph Schaffgotsch darüber in Kenntnis zu setzen.336 Letztgenannter traf an diesem Abend jedoch persönlich auf Jan Sobieski, der in Begleitung seiner Anhänger nicht gewillt war, mit ihm zu reden. Der kaiserliche Gesandte beschrieb den Großmarschall als sichtbar verstört darüber, dass er von seiner Partei keinen Rückhalt erhalten hatte. Christoph Schaffgotsch bemerkte auch, dass Maria Kazimiera wegen seines jüngst vergangenen Gesprächs mit ihrem Mann nicht gut auf ihn zu sprechen war.337 Offensichtlich begann Jan Sobieski inzwischen, die Kandidatur von Condé und seine bisher ablehnende Haltung gegenüber Karl von Lothringen infrage zu stellen, was ihm den Zorn seiner Frau eintrug. Jedoch geht 333 Hirsch, Zur Geschichte der polnischen Königswahl von 1674. Danziger Gesandtschaftsberichte aus den Jahren 1673 und 1674. In: ZWPG, Bd. 43 (1901). S. 136 ff.; Ders., Die Wahl. S. 250. 334 Woliński, Poselstwo. S. 157;Vgl. hingegen Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 490–492. 335 HHStA, GSR 55, I. S. 434. 336 Ebd. S. 424; Acta, III, 1. S. 30; Stodert an den Danziger Rat vom 11. und 15. Mai 1674 in: Hirsch, Zur Geschichte der polnischen Königswahl. S. 142 f.; Ders., Die Wahl. S. 254; Rhode, Ein Königreich ohne König. S. 276. 337 APW, AS 1414. S. 101.
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aus diesen Quellen noch nicht eindeutig hervor, inwieweit Jan Sobieski seine eigene Kandidatur in Betracht zog. Am 11. Mai 1674 betrat der französische Gesandte, Toussaint de Forbin-Janson, Bischof von Marseille, den Kolo. Nach allen Beratungen wurde auch von diesem der bereits erläuterte Brief Ludwigs XIV. verlesen, in dem öffentlich für den Sohn des Herzogs von Neuburg als neuer König geworben wurde und sich der französische Monarch als Vermittler eines Friedens mit der Hohen Pforte anbot.338 Johann von Hoverbeck berichtete dem Großen Kurfürsten, dass trotz der trefflichen Worte und lukrativen Versprechungen Forbin-Jansons weder die französische noch die lothringische Partei geneigt sei, den Pfalzgrafen zu unterstützen. Die Gerüchte verschärften sich, dass der Großmarschall immer mehr dahin tendiere, die Krone für sich selbst zu beanspruchen.339 Mit dem Ergebnis dieses Tages war Jan Sobieski unzufrieden, doch dürfte ihn zumindest das päpstliche Schreiben getröstet haben, in dem Clemens X. ihn nach Erhalt einer in Chocim erbeuteten osmanischen Fahne rühmte und ihm auch in Zukunft weitere Erfolge wünschte.340 Der von allen Seiten wachsende Zuspruch für eine Kandidatur des Krongroßmarschalls veranlasste Maria Kazimiera, in einer Unterhaltung mit dem Bischof von Marseille ihren Ehemann mit allen Vorzügen als neuen König von Polen vorzuschlagen. Überzeugend machte sie wieder den Prinzen von Neuburg schlecht, der militärisch unerfahren sei und weder finanzielle Mittel noch eine Armee vorweisen könne. Mit ihren Argumenten verunsicherte sie Toussaint de Forbin-Janson, ob der Neuburger überhaupt eine Chance auf den polnischen Thron habe, und veranlasste ihn dazu, von dem offiziellen Kandidaten Frankreichs abzurücken. Der französische Gesandte wurde sogar von Maria Kazimiera geschickt dazu überredet, dass er die aus Paris mitgebrachten Gelder stattdessen für die Unterstützung ihres Mannes einsetzte. Dabei bemerkt Tadeusz Korzon, dass die Französin so gut auf den Bischof von Marseille einredete, wie es Jan Sobieski nie gekonnt hätte.341 Es sollte sich darüber hinaus noch zeigen, dass Toussaint de Forbin-Janson stets an der Seite des Krongroßhetmans war, um sich selbst ein Bild über dessen Einfluss und die Situation am Warschauer Hof zu machen. Anhand dessen vermag er ebenfalls zu dem Entschluss gekommen sein, das Ehepaar mit französischen Geldern zu unterstützen. 338 Acta, II, 2. S. 1439. Ferdinand Hirsch meint, dass man von polnischer Seite unsicher gewesen sei, ob der Prinz von Neuburg tatsächlich ein französischer Kandidat war. Ders., Die Wahl. S. 252. 339 UA, 19. S. 59. 340 Der Papst an Jan Sobieski im Brief vom 29. April 1674 in: BCzart.TN 172 (Mf. 7627), Nr. 53. S. 219; Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 459. 341 Laut dem Bericht vom 11. Mai 1674 überließ Toussaint de Forbin-Janson die französischen Gelder Jan Sobieski und seiner Frau: Acta, III, 1. S. 25 ff.; Hirsch, Die Wahl. S. 249 f., 256; Korzon, Dola i Niedola. S. 491, 517.
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Am nächsten Tag kam es zu einer Unterredung zwischen Jan Sobieski, Toussaint de Forbin-Janson und Johann von Hoverbeck, bei der sich der Großmarschall laut Letzterem noch unentschlossen zeigte, wer sich seiner Meinung nach zum polnischen König eignete, und lediglich das Versprechen gab, dass der diesbezügliche Kandidat ein gutes Verhältnis zum Kurfürsten haben müsse. Als der brandenburgische Gesandte ihn auf die eigene Kandidatur ansprach, die Friedrich Wilhelm – entgegen dessen zuvor gezeigten Bedenken über die Abhängigkeit zu Frankreich342 – angeblich unterstütze und Jan Sobieski von Herzen gönne, nahm er dieses Kompliment zwar dankend an, lehnte diese Option jedoch zu seinem eigenen Wohl und dem der Rzeczpospolita ab. Dem Großen Kurfürsten riet er wiederum, in generali bus zu bleiben und noch keinen Kandidaten öffentlich namhaft zu machen, da es um die Chancen des Pfalzgrafen schlecht stünde.343 Alle Karten blieben damit offen, zeigten jedoch dem französischen Gesandten, dass die Gunst Brandenburgs Jan Sobieski galt. Zwei Tage später, den 13. Mai, ließ der Krongroßmarschall der Königinwitwe durch Franciszek Jan Bieliński melden, dass er den Großen Condé und, um ihre Interessen zu wahren, auch den jungen Pfalzgrafen empfehle. Er sei sich jedoch bei solch einer Doppelwahl bewusst, dass ihr eigentlich der Prinz von Neuburg nicht gefalle, und gab vor, nicht zu wissen, was er dagegen tun solle. Er ließ bei ihr anfragen, wem sie zuneige. Sie antwortete, dass sie nur des Königreichs Beste verlange, und verweigerte eine konkrete Nennung ihres Favoriten.344 Es wird sich noch zeigen, dass man erwartete, Eleonore werde sich für Karl von Lothringen aussprechen, doch mit dieser Antwort eröffnete sich Jan Sobieski der Weg, sämtliche Konkurrenten auszuspielen. Mit diesem Verhalten zeigt sich langsam, aber sicher, dass der Krongroßhetman die ausländischen Gesandten mit vagen Äußerungen hinhielt, während er sich immer mehr mit dem Gedanken anfreundete, König zu werden. Ein weiterer für die Wahl Jan Sobieskis günstiger Umstand war der Tod von Erzbischof Kazimierz Florian Czartoryski. Für die kaiserlichen Interessen ging mit diesem Verlust eine wichtige Stütze verloren. Am Morgen des 15. Mai 1674 wurde sein Ableben bekannt gegeben, was für Unruhe im Kolo sorgte, denn von den hohen Würdenträgern wurde er als frommer Mensch von großer Autorität geschätzt, dem die Rzeczpospolita vieles verdankte.345 Für Baron von Stom bedeutete dies primär einen Nachteil für die Interessenvertretung der amtierenden Königin und se342 343 344 345
Siehe rückblickend Kap. 4.2. S. 145. UA, 19. S. 57 f. HHStA, GSR 55, II. S. 175. So heißt es im Original: „[on] był człowiekiem nietylko pobożny, ale też magnae authoritatis, na którey-to powadze należało wiele saluti Reipbcae.“ In: Acta, II, 2. S. 1440;Vgl. Kamieński, Działania dyplomacji. S. 38; Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 495.
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kundär das Fehlen wichtiger Geldmittel. Damit sollte auch der Plan einer von ihm als „Conföderation“ bezeichneten Gegenarmee zu Jan Sobieski unter der Protektion des Kaisers scheitern, ohne die der Erfolg der Habsburger Partei ungewiss wurde. Der Tod des Erzbischofs verleitete auch dazu, kein Blatt mehr vor den Mund zu nehmen und wie es Unterkanzler Andrzej Olszowski tat, schärfere Kritik gegenüber dem Wiener Hof zu üben. Er stellte die Klausel auf, dass vom Wohl der Königinwitwe auch die Rzeczpospolita profitieren müsse.346 Die Aufhebung des Monopols für die Salzgruben zu Wieliczka wurde deshalb ebenso gefordert, wie das liberum comercium in Schlesien. Darüber hinaus wurde von Habsburg verlangt, jährlich Hilfstruppen und Subsidien für den Kampf gegen die Türken zu schicken – Forderungen, die bei der prokaiserlichen Partei allerdings auf Ablehnung stießen.347 An den Kaiser erging hierzu die Bitte von Christoph Schaffgotsch, Instruktionen mit einem Expresskurier zu schicken, wie man auf die genannten Forderungen reagieren solle.348 Peter Ignaz von Stom erläuterte weiter, wie die profranzösische Seite über den Tod des Erzbischofs erfreut gewesen sei und Jan Sobieski gleich darauf einen Boten zum litauischen Marschall Aleksandras Hilaris Palubinskis (poln. Aleksander Hilary Połubiński) schickte, um diesem für einen Parteiübertritt 10.000 Dukaten zu offerieren. Für den Baron war diese Geste ein Indiz dafür, dass in diesem Moment der Großmarschall lediglich die Gunst der Stunde ausnutzte, denn das Kräfteverhältnis der beiden Parteien war bislang vom Erzbischof von Gnesen und dessen Anhängern abhängig. Aus diesem Grund wurde lange dessen Nachfolge bei der laufenden Königswahl diskutiert. Bislang hatte der Krakauer Bischof den verstorbenen Kirchenfürsten im Kolo vertreten.Von kaiserlicher Seite befürchtete man nun, dass er die Wahl des Prinzen von Neuburg oder eines Piasten, sprich eines polnischen Adligen, fördere, weshalb man den Bischof von Posen als Alternative vorschlug.349 Jedoch schätzte man die bisherige Leistung von Andrzej Trzebicki und entschied sich folglich einstimmig für die Fortführung seines Amtes als Vertreter des Erzbischofs. Nach der Ansprache des Bischofs von Marseille folgte am nächsten Tag die Rede des lothringischen Gesandten vor dem Kolo. Die Ausführungen von Francis Taaffe sollen laut Baron von Stom die Abgeordneten zufriedengestellt und Kronschatzmeister Jan Andrzej Morsztyn erbleichen lassen haben. Es folgten tags darauf die Vertreter der Prinzen Neuburg und Modena. Für den Prinzen von Lothringen spra-
346 HHStA, GSR 55, II. S. 175 f. Aus der Quelle geht nicht eindeutig hervor, ob es sich hierbei um den polnischen oder den litauischen Unterkanzler handelte, wobei im Vergleich zu allen anderen Briefen Barons von Stom der Litauer Mykolas Radvila überwiegend namentlich genannt wird, sodass hier höchstwahrscheinlich Andrzej Olszowski gemeint ist. 347 HHStA, GSR 55, II. S. 176. 348 APW, AS 1414. S. 102. 349 HHStA, GSR 55, I. S. 443; APW, AS 1414. S. 102; UA, 19. S. 59.
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chen sich auch die Litauer in den Folgetagen aus.350 Das bedeutete jedoch nicht, dass die Chancen Karls V. gut standen. Der Meinung des Wojewoden von Lublin, Władysław Rey, zufolge führte die Haltung des Kaisers durch die Exklusion eines französischen Kandidaten und des Prinzen von Neuburg vielmehr zu einer indirekten Förderung eines Piasten auf den polnischen Thron – allerdings fiel es dem Residenten schwer, dem Glauben zu schenken. Genauso wenig nahm er die Worte von Jan Andrzej Morztyn ernst, der ihm versprach, sich weiterhin für die Königin einzusetzen. Peter Ignaz von Stom antwortete ihm, dass Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg kein geeigneter Gemahl für Eleonore sei und als polnischer König kein guter Nachbar für den Kaiser darstelle. Darauf wurde diesem erwidert, dass man in Wien bereits zufrieden sein könne, wenn der kaiserlichen Schwester der Thron erhalten bliebe. Als der darüber empörte Baron nochmals darauf antworten wollte, wurde der polnische Schatzmeister von Jan Sobieski und dem königlichen Truchsess (stolnik) zum Bischof von Krakau mitgenommen. Der Ton der unterschiedlichen Akteure wurde schärfer und obwohl der Prinz von Neuburg öffentlich unterstützt wurde, ging der kaiserliche Resident davon aus, dass man mit einem gebürtigen Franzosen und noch eher mit dem Krongroßmarschall die Wahl zu gewinnen glaubte. Er brachte sogar in Erfahrung, dass es nach einer Besprechung Maria Kazimieras mit Toussaint de Forbin-Janson hieß: „Monsieur, nos affaires vont fort bien.“351 Unter der Hand erfuhr Peter Ignaz von Stom auch, dass Johann von Hoverbeck stark auf die Wahl von Jan Sobieski hinarbeitete, da dessen Anhänger bei dem brandenburgischen Gesandten ein- und ausgingen. Hoverbeck habe sogar darüber hinaus dem Krongroßmarschall zur Kandidatur 100.000 Rheintaler und die offizielle Unterstützung des Großen Kurfürsten angeboten. Der Baron versuchte mit diesen besorgniserregenden Neuigkeiten, den Druck auf Wien zu erhöhen. Denn die Prokaiserlichen, darunter der polnische Feldhetman Dymitr Wiśniowiecki und Jan Stefan Wydżga, Bischof von Warmia, bestätigten ihm, die Interessen Eleonores zu wahren und die Förderung des Lothringers aufrechtzuerhalten; allerdings forderten sie finanzielle Zuwendungen für die Gefolgsleute der Königinwitwe, um sich deren Treue erkaufen zu können.352 Während Jan Sobieski inzwischen angeblich immer mehr Truppen in Richtung Warschau aufmarschieren ließ, rückten die Litauer ebenfalls näher, die vom Gesandten Pedro Ronquillo finanziert wurden.353 350 HHStA, GSR 55, I. S. 444. Am 11. Mai 1674 sprachen die Gesandten von Lothringen, Neuburg, Modena, Dänemark und Savoyen vor. Acta, II, 2. S. 1467–1473. Am 12. Mai 1674 folgte eine erneute Rede für Lothringen. Ebd. S. 1474–1477. Dazu: Hirsch, Die Wahl. S. 254, bei dem es irrigerweise heißt, dass am 12. Mai 1674 die lothringischen Gesandten Taaffe und Canon im Kolo vorsprachen. 351 HHStA, GSR 55, I. S. 444. 352 Ebd. S. 441. 353 Ebd. S. 443.
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Die Hoffnung, dass Karl V. von Lothringen die Wahl noch gewinnen könne, wurde von Peter Ignaz von Stom bei der Zahlung umfangreicher Subsidien für möglich gehalten, mit denen sich seines Erachtens die ganze königliche Armee abwerben lasse. Denn die Befürchtung wuchs beim Baron, dass selbst die Habsburg Wohlgesonnenen die Entmachtung der Königinwitwe in Erwägung zogen und heimlich Jan Sobieski auf den Thron haben wollten.354 Allerdings führte dieser Druck nicht rechtzeitig zum gewünschten Entgegenkommen seitens des Wiener Hofs. Offensichtlich warteten die prokaiserlichen Gesandten ungeduldig auf weitere Instruktionen und baten in Warschau, die Wahl um fünf Tage zu verschieben, was von französischer Seite so gedeutet wurde, dass die kaiserlichen Truppen noch nicht an der schlesischen Grenze eingetroffen waren.355 Auch wenn diese Behauptung nicht stimmte, wurde sie als Mittel benutzt, um im Umkehrschluss die hohen polnischen Würdenträger zu einer Beschleunigung der Wahl zu veranlassen. Der folgende Brief des Kaisers belegt, dass man hingegen in Wien noch lange keine endgültige Entscheidung in Warschau erwartete. Das Antwortschreiben auf die Berichte Barons von Stom wurde erst nach langen Beratschlagungen am 25. Mai 1674 in Wien verfasst. Darin bedauerte Leopold I. den Verlust des Erzbischofs, den er im Brief seinen „sehr treuwen diener“ nannte. Er mahnte, sich deswegen nicht entmutigen zu lassen, und instruierte seinen Residenten, den Bischof von Krakau für die habsburgischen Interessen zu gewinnen. Nach den Ausführungen von Christoph Schaffgotsch teilte der Kaiser ebenfalls dessen Überzeugung und befahl Baron von Stom, „keine mühe [zu] sparen, den Sobiesky [für die eigene Seite] zu gewinnen.“356 Darauf folgen Zusagen auf die Forderungen des Unterkanzlers,Truppen und Subsidien für den Krieg gegen die Hohe Pforte zu schicken, beziehungsweise bei einem seriösen Friedensangebot seitens der Türken das Versprechen, als Vermittler noch weitaus besser als Frankreich für die Rzeczpospolita verhandeln zu wollen. Außerdem zeigte er sich bereit, in Bezug auf die Salzgruben in Wieliczka den Polen entgegenzukommen, sollte ein Leopold I. gutgesinnter Kandidat zum König gewählt werden. Die Zusammenziehung von Regimentern erachtete der Kaiser als „weiters nicht nötig“ und verblieb in der Hoffnung, dass Karl von Lothringen gewinne, sollte dies aber nicht der Fall sein, verwies er erneut auf das bonum publicum. Im Notfall müsse die litauische Armee zum Schutz der Königinwitwe eingreifen, die jedoch unter keinen Umständen das Land verlassen dürfe.357 Eine Flucht mache nämlich jeglichen Anspruch auf den Thron zunichte. Zuletzt mahnte Leopold I. seinen Gesandten, entsprechend zu handeln, wenn die
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HHStA, GSR 55, II. S. 186. Acta, III, 1. S. 33; Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 495. HHStA, GSR 55, I. S. 449. Ebd. S. 449 f.
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Königswahl weiter aufgeschoben oder die Versammlung gar aufgelöst werden sollte.358 Hierzu kam es jedoch nicht. Die kaiserliche Instruktion an seine Schwester Eleonore, in der ihr aufgetragen wurde, die Machenschaften Jan Sobieskis zu verhindern, kam ebenfalls zu spät. Sie gibt jedoch Auskunft über den Standpunkt des Wiener Hofs. Zuerst sollte Brandenburg in die Werbung für Karl V. von Lothringen miteinbezogen werden.359 Auf eine mögliche Anfrage, ob der Kurprinz mit der Unterstützung von Habsburg rechnen könne, wurde Eleonore angewiesen zu erklären, dass Wien nur einen katholischen König auf dem polnischen Thron akzeptiere. Es ist die Rede davon, die Wahl weiter hinauszuschieben und nach der Ernennung eines neuen Erzbischofs – falls es dazu kommen sollte – zu versuchen, diesen für die eigenen Zwecke zu gewinnen. Sie wurde weiter instruiert, unter keinen Umständen eine Auseinandersetzung voranzutreiben, sondern sich um Einigkeit zwischen Litauern und Polen zu bemühen. Leopold I. war sich bewusst, dass es aufgrund der wenigen Zeit und der ständig wechselnden Umstände unmöglich war, allumfassende Instruktionen zu schicken. Sollte aber die Empfehlung für Karl von Lothringen keinen Erfolg haben, verwies er weiterhin auf Dänemark.360 Eleonore wurde angetragen, im Sinne der Vernunft zu handeln – deswegen solle sie zwar offiziell den Lothringer favorisieren, inoffiziell aber dem neuen Erzbischof den dänischen Prinzen vorschlagen. Der Kaiser war nämlich der festen, wenn auch völlig naiven Ansicht, dass man Georg und seinen älteren Bruder, König Christian V., „zu unserer wahren religion“ bringen könnte, sodass Dänemark insgesamt zum katholischen Glauben übertrete.361 Hiermit wäre der innere Frieden in Polen-Litauen bewahrt, die Sicherheit für seine Schwester auf dem Thron, die nötige Hilfe gegen die Türken garantiert und im Sinne des Heiligen Stuhls ein protestantisches Land zum katholischen Glauben „zurückgeführt“. Letzteres war Brandenburg nicht zuzutrauen, weshalb die Kandidatur Karl Emils für Leopold I. ausgeschlossen blieb. Solche Pläne bezüglich der Konfession wurden Friedrich Wilhelm vorenthalten, und da diesem vom Kaiser nicht angeraten wurde, den Dänen zu unterstützen, beharrte der Große Kurfürst auf dem Prinzen von Neuburg. Zumindest war es gleich dem Wiener Hof auch im Interesse Brandenburgs, einen Bürgerkrieg zwischen Polen und Litauern zu verhindern,362 denn die Divergenz innerhalb der Rzeczpospolita wurde kurz vor der Wahl ein essenzielles Thema in Warschau. 358 Ebd. S. 447 f. 359 Laut Johann von Goess hatte man in Berlin bereits Auftrag erteilt, gewisse „Coniuncturen“ für das „preussi- und polnische[n] Werk“ auszuhandeln. In: UA, 14, 1. S. 763. 360 APW, AS 1411. S. 238. 361 Ebd. S. 238 f. 362 UA, 19. S. 60; Hirsch, Die Wahl. S. 246.
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Am 18. Mai erfolgte eine erneute Besprechung zwischen dem königlichen Großmarschall und seinen Anhängern, bei der wiederholt diskutiert wurde, ob sich der Fürst von Condé als König eigne. Außerdem wurde die Befürchtung laut, dass es zu einer Doppelwahl kommen könnte, indem die Günstlinge der Häuser Habsburg und Bourbon sich gleichzeitig durchsetzten. Würde es aufgrund dessen zu einem Bürgerkrieg kommen, hätten sowohl der Große Condé als auch der Sohn des Pfalzgrafen eine zu lange Anreise, um rechtzeitig im Königreich zu erscheinen. Gerüchten zufolge sollte nämlich Karl V. von Lothringen bereits an der schlesischen Grenze warten, um mit litauischen und kaiserlichen Truppen im Notfall einzugreifen. Bislang wurde in der Forschung angenommen, dass es sich hierbei um einen Tatbestand handelte, jedoch ist die Annahme wahrscheinlicher, dass Jan Sobieski das Gerücht über die Rekrutierungen schlesischer Truppen durch den lothringischen Prinzen kursieren ließ und für die eigenen Ziele benutzte. Dies konnte er umso leichter glaubhaft machen, als Karl von Lothringen schon einmal Truppen in Schlesien ausgehoben hatte.363 In der kaiserlichen Instruktion an die Königinwitwe heißt es nämlich ausdrücklich, dass keine Truppen zur Unterstützung des lothringischen Prinzen zusammengezogen würden. Für den Fall einer militärischen Auseinandersetzung mit Jan Sobieski hatte Leopold I. zwar angekündigt, der polnischen Armee die „waag“ halten zu wollen, jedoch wandte er ein, sich selbst im Kriegszustand mit den Franzosen zu befinden. Er könne daher nur eine klägliche Anzahl an Truppen bereitstellen, die wenig hilfreich und angesichts der kurzen Zeit auch nicht rechtzeitig heranzuführen wären. Ein Lagebericht Karls V. an den Kaiser bestätigt ebenfalls, dass sich der Lothringer nicht an der schlesischen Grenze, sondern wegen des Krieges mit Frankreich in der Nähe von Ulm aufhielt.364 Diese Briefe widerlegen somit die bisherige Forschung und enttarnen die Behauptungen der französischen Partei als Propagandamittel, um durch die scheinbare militärische Bedrohung die Wahl zu beschleunigen. Im Bericht Toussaints de Forbin-Janson an Ludwig XIV. steht auch, der Krongroßmarschall, die französische Partei und die gesamte polnische Armee würden wegen der Okkupation Schlesiens durch den Kaiser eine Aversion gegen diesen
363 Siehe hierzu den Brief des Bischofs von Marseille an Ludwig XIV., wie auch den an Arnauld Simon de Pomponne, in: Acta, III, 1. S. 34, 44. Über die militärische Präsenz und die Bereitschaft, gegen Karl von Lothringen die Waffen zu erheben, siehe: Hirsch, Die Wahl. S. 260 f.; Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 485; Załuski, Epistolae, I, 1. S. 555. 364 So im Brief vom 23. Mai 1674 in: APW, AS 1411. S. 238 f. Siehe auch HHStA, St Abt Spanien Diplom. Korresp. 54 (1674). S. 393–399. Jenes Schreiben widerlegt die bisherige Darstellung, dass kaiserliche Truppen mit Karl von Lothringen an der schlesischen Grenze warteten. Dieses Gerücht taucht auf bei Hirsch, Die Wahl. S. 255. Dazu behauptet Tadeusz Korzon, dass die polnische Besatzung in Krakau seit März u.a. zum Schutz gegen Karl von Lothringen dienen sollte. Ders., Dola i Niedola. Bd. 3. S. 476.
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hegen.365 Insgesamt wirken die Briefe beschönigend und führten die bisherige Forschung lange zu der irrigen Annahme, kaiserliche und lothringische Gesandte hätten versucht, Jan Sobieski mit großen Geldsummen, territorialem Zuwachs und versprochenen Titeln, wie beispielsweise dem eines Reichsfürsten, für ihre Seite zu gewinnen. Selbstverständlich lehnte laut dem Schreiben Forbin-Jansons der Krongroßhetman diese Angebote ab, um die Treue zu Frankreich zu wahren.366 Selbst der brandenburgische Gesandte Johann von Hoverbeck berichtete daraufhin dem Großen Kurfürsten, dass Christoph Leopold Schaffgotsch mit „Persuasionen“ versuchte, Jan Sobieski für Karl von Lothringen zu gewinnen.367 Rückblickend auf den Konvokationssejm, über den Baron von Stom berichtete, dass der französische König dem Großmarschall ein Herzogtum und den Titel Maréchal de France versprochen habe, – ein Versprechen, dem Leopold I. durch zusätzliche Subsidien entgegenwirken müsse –, ist es offensichtlich ein wiederkehrendes Schema, das nun auf den Kaiser übertragen wurde.368 Mit diesen angeblichen kaiserlichen Versprechungen beabsichtigte man folglich eine größere Initiative von Ludwig XIV., um dadurch mehr Gelder und Unterstützung zu erhalten. Seitens Johanns von Hoverbeck und Toussaints de Forbin-Janson hegte man anfangs Zweifel an einem Wahlsieg Jan Sobieskis, wobei der französische Gesandte dann doch bei Ludwig XIV. für den polnischen Großhetman warb.369 Der Intention des Gesandten entsprechend, wurde der französische König allmählich mit dem Gedanken vertraut gemacht, vom Prinzen von Neuburg abzusehen. Auf dieselbe Weise sollten die hohen Würdenträger im Kolo einsehen, dass sich nur einer der Krone als würdig erweise. Bislang geht die Forschung davon aus, dass Jan Sobieski eine Strategie verfolgte, die ihm Maria Kazimiera „eingeflüstert“ habe und die darin bestand, am Morgen des 19. Mai 1674 zu veranlassen, dass die Bischöfe von Krakau, Kujaw und Kulm morgens Eleonore besuchten.370 Laut Christoph Leopold Schaffgotsch 365 Acta, III, 1. S. 36; Acta, II, 2. S. 1422 f. Bei Tadeusz Korzon heißt es, dass Jan Sobieski als neuer Kandidat, ohne für sich selbst werben zu müssen, 13 Woiwoden für sich überzeugen konnte. Ders., Dola i Niedola. Bd. 3. S. 501. 366 Acta, III, 1. S. 37. Siehe dazu Kamieński, Polska i Brandenburgia. S. 108–111. Korzon, Dola i Niedola. S. 498. Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 54. Seitdem soll der Entschluss von Jan Sobieski getroffen worden sein, selbst zu kandidieren, so in: Hirsch, Die Wahl. S. 263. In Bezug auf die versprochenen kaiserlichen Gelder von 200.000 Taler an Jan Sobieski siehe mit der Liste der entsprechend höheren Summe an ausgegebenen französischen Geldern In: Acta, III, 1. S. 30, 50. Siehe auch Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 494 f. 367 UA, 19. S. 55; Hirsch, Die Wahl. S. 248; Kamieński, Działania dyplomacji. S. 37. 368 Siehe oben in Kap. 4.2. S. 102. 369 UA, 19. S. 57–59; Acta, III, 1. S. 29,33, 49 f.; Korzon, Dola i Niedola, Bd. 3. S. 471, 490; Hirsch, Die Wahl. S. 252 f., 257. 370 Gemeint sind Andrzej Trzebicki, Jan Gembicki und Andrzej Olszowski. Acta, III, 1. S. 35, 44; UA 19, S. 61. Dazu Woliński, Poselstwo. S. 158; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 56; Hirsch, Die Wahl. S. 261 f.
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haben die Prälaten ihr die Nachricht überbracht, der Krongroßmarschall und andere polnische Würdenträger würden vom Großen Condé abrücken, und könnten gleichzeitig der Königinwitwe versichern, den Prinzen von Neuburg zu wählen, wenn sie wiederum gewillt sei, diesen zu heiraten. Damit wiederholte sich das Szenario vom 13. Mai 1674, denn die oben erläuterte kaiserliche Instruktion erreichte Eleonore nicht mehr rechtzeitig. Gemäß den bisherigen Befehlen des Kaisers kündigte sie folglich an, sich weder dem liberum veto des polnisch-litauischen Adels zu widersetzen noch sich in die Wahl einmischen zu wollen; sie wünsche sich lediglich einen anständigen König und guten Nachbarn für das Heilige Römische Reich. Indirekt sprach sie sich hierbei für Karl von Lothringen aus, doch hatten dies die anwesenden Bischöfe nicht verstanden.Vielmehr hatte Andrzej Olszowski – wobei der kaiserliche Gesandte beim Dolmetschen half – dazu geraten, dass die Königinwitwe den Litauern befehlen solle, den Pfalzgrafen zu wählen. Christoph Schaffgotsch übersetzte ihr diesen Ratschlag, allerdings gibt er ihre Antwort nicht wieder, doch ist es naheliegend, dass sie sich weigerte, der Ehe mit dem Prinzen von Neuburg zuzustimmen.371 Ihr Schweigen in Bezug auf Karl von Lothringen verunsicherte ebenfalls dessen Wählerschaft, die sich nun fragte, inwieweit die Rzeczpospolita von seiner Wahl profitieren könnte. Es ist also festzuhalten, dass in den bereits erläuterten Schreiben des Herzogs zwar mit der Unterstützung des Kaisers geworben, diese aber öffentlich weder von den kaiserlichen Gesandten noch von Eleonore bestätigt wurde.372 Am späten Nachmittag erreichte die königlichen Gemächer die Nachricht, dass im Kolo das Veni Sancte gesungen wurde – die Wahl nahm folglich an diesem Tag ihren Anfang. Gleichzeitig traf die Neuigkeit ein, dass ein Drittel der Litauer und die meisten Polen für Jan Sobieski stimmen würden. Baron von Stom und Eleonore waren außer sich und wandten ein, dass dies nicht zutreffen könne, schließlich hätten alle Litauer versprochen, für Karl V. von Lothringen zu stimmen. Christoph Leopold Schaffgotsch beschrieb die Situation als sehr angespannt und mahnte den Kaiser in seinem Schreiben, sich nicht zu einer gewaltsamen Konfrontation verleiten zu lassen.373 Zusätzlichen Rückhalt erfuhr Jan Sobieski durch Friedrich Wilhelm, der dem Sejm seine Zustimmung für die Wahl eines Piasten hatte übermitteln lassen.374 Die Kandidaten für die Wahl wurden um 19 Uhr verkündet, darunter Jan Sobieski, 371 APW, AS 1414. S. 102. 372 Diese Erkenntnis widerlegt somit die bisherige Forschungsmeinung, dass lediglich Neuburg mit dieser Strategie ausgeschlossen wurde. So: Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 56; Kamieński, Polska i Brandenburgia. S. 109. Ebenfalls ist unwahrscheinlich, dass man Karl von Lothringen tatsächlich wegen der Zweifel an seiner Religiosität von der Wahl ausschloss. Hirsch, Die Wahl. S. 259; Rhode, Ein Königreich ohne König. S. 267. 373 APW, AS 1414. S. 102 f. 374 UA, 19. S. 61.
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der vom Wojewoden von Reußen, Stanisław Jan Jabłonowski, vorgeschlagen wurde. Dieser räumte in seiner Rede zwar ein, dass Louis II., Fürst von Condé, ein guter Kandidat sei, aber abgesehen davon, dass dieser alt und kränklich sei, würden ihm die nötigen Kenntnisse der polnischen Sprache und die Erfahrung im Kampf gegen die Türken fehlen.375 Damit wurden alle ausländischen Kandidaten mit dem Ergebnis ausgeschlossen, dass an diesem 19. Mai 1674 die Mehrheit376 letztendlich Jan Sobieski zu ihrem neuen König wählte. Das Wahlergebnis führte zu einem Protest vieler Litauer, die entsprechend ihrer bisherigen Ankündigung, einen Piasten nicht zu akzeptieren, den Kolo daraufhin verließen. Eine Einigung kam somit vorerst nicht zustande und die Sessia musste zunächst vertagt werden. Jan Sobieski verkündete im Kolo, die Krone nicht anzunehmen, wenn ihn nicht alle einstimmig als ihren König akzeptieren würden – eine Rede, die laut Toussaint de Forbin-Janson bei den Anwesenden großen Eindruck machte.377 Es wurde eine lange Nacht für die Opposition des Neuerwählten, die sich lange bei Kerzenschein beraten haben soll.378 Am Tag darauf beglückwünschten viele polnische Würdenträger den neuen König, doch die Litauer zögerten ihre Entscheidung weiter hinaus. Die Königinwitwe bat in der Zwischenzeit Andrzej Trzebicki vergeblich, die Proklamation des neu gewählten Königs zu verhindern. Erste Selbstzweifel zeigten sich sogar bei Jan Sobieski, die dank des Krakauer Bischofs ausgeräumt wurden, der ihm Hilfe und Beistand versprach. Gleichzeitig wurden die litauischen Gemüter mit französischen Geldern gekauft, was jedoch nicht verhindern konnte, dass die offizielle Bekanntgabe des neuen Königs um einen weiteren Tag verschoben wurde.379 Erst am 21. Mai 1674 gab die Mehrheit der Litauer ihr Einverständnis zur Wahl Jan Sobieskis. Daraufhin wurde das Te Deum gesungen und drei Mal wiederholte der gesamte versammelte Adel seine Zustimmung. Nach dem Besuch der Hofkirche des Heiligen Johannes in der Warschauer Innenstadt ging der 375 Acta, III, 1. S. 38; Hirsch, Die Wahl. S. 265; Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 500. Siehe auch die Stimmen pro Jan Sobieski laut des Reichstagsrezesses von Stodert vom 19. Mai 1674 in: Hirsch, Zur Geschichte der polnischen Königswahl. S. 76 f., 146 f.; Załuski, Epistolae, I, 1. S. 556 f.; Augustyniak, Historia Polski. S. 721, die anmerkt, dass es sich hierbei um das kürzeste Interregnum handelte. 376 Selbst die hohen Würdenträger, die zuvor die profranzösische Partei verlassen hatten, stimmten letztendlich für Jan Sobieski. Hirsch, Die Wahl. S. 262; Forst de Battaglia, Jan Sobie ski. S. 56. Über die Wählerschaft des Krongroßmarschalls: Hagenau, Jan Sobieski. S. 370 f.; Rhode, Ein Königreich ohne König. S. 276 f. 377 Acta, III, 1. S. 38. Siehe auch BCzart. Rkps. 1665 (Mf. 16472). Nr. 40. 378 Siehe auch die Anm. in: Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 502. 379 Acta, III, 1. S. 38 f.; UA, 19. S. 63; Hirsch, Die Wahl. S. 268 f.; Wójcik, Jan Sobieski. S. 218; Bobiatyński, Michał Kazimierz Pac. S. 307; Woliński, Poselstwo. S. 159. Selbst die lothringischen Gelder von 50.000 Gulden wurden für die Entscheidung der Wahl belanglos. UA, 19. S. 63; Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 517; Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 110 f.
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neu erwählte König, nunmehr Jan III. Sobieski, zur bisherigen Königin von Polen.380 Mit Entsetzen berichtete noch am gleichen Tag Baron von Stom über die Ereignisse an diesem Tag: Wider aller Vermutung und mit einem stupore universali durch ein timorem panicum: den betrug undt Unbeständigkeith etlicher, welche vorhero so viel versprochen: die französische undt Sobieskische corruptiones, welche sich auff ein Million thaler erstreckhen, würdt der Sobieski heut zum König durch den bischoff von Crackau denominieret werden.381
Der vom Wahlergebnis bestürzte Peter Ignaz von Stom versuchte, es seinem Kaiser zu erklären. Dabei wurden von ihm – wie aus dem Zitat hervorgeht – seine bisherigen Anhänger, die ihm stets ihre Unterstützung unter Einsatz ihres Lebens versichert hatten, als betrügerisch und unbeständig bezeichnet. Es folgten auch Rechtfertigungen von litauischer Seite, die am 20. Mai 1674 von ihrem Widerspruch abgelassen hatte, da sich niemand fände, der Jan Sobieski gegenüber das odium auf sich nehme. Tadeusz Korzon führt auf Basis eines Schreibens vom spanischen Gesandten Pedro Ronquillo an, dass man ein Wunder im Kampf gegen die Türken lediglich Jan S obieski zutraute und deswegen niemand gewagt habe, gegen ihn zu stimmen.382 Die Anschuldigung, von der französischen Partei gekauft worden zu sein, wurde von den Litauern zurückgewiesen. Baron von Stom versicherte dem Kaiser, dass der neue König durch gewaltsamen Widerstand noch gestürzt werden könne, zu dem sich dessen Gegner trotz des zu erwartenden „Blutbads“ bereit erklärt hätten. Abgesehen von solch einem abwegigen Vorschlag, versuchte man sich auf der anderen Seite mit der Situation zu arrangieren. Mykolas Pacas, der geschworen hatte, sich für die verwitwete Königin einzusetzen, habe vorgeschlagen, Maria Kazimiera durch Gift aus dem Weg zu räumen, 380 Acta, II, 2. S. 1442–1444; Załuski, Epistolae, I, 1. S. 558 und im Reichstagsrezess vom 21. Mai 1674 in: Hirsch, Zur Geschichte der polnischen Königswahl. S. 81; Ders., Die Wahl. S. 266 f.; Korzon, Dola i Niedola. S. 501, 508; Wójcik, Jan Sobieski. S. 219 f.; Bobiatyński, Michał Kazimierz Pac. S. 308. 381 HHStA, GSR 55, I. S. 452; Hagenau, Jan Sobieski. S. 377. Der vom Pfalzgrafen geschickte Theodor Heinrich von Strattmann zeigte sich über das Wahlergebnis erbost. Daraufhin soll eine Entschuldigung seitens Jan Sobieskis erfolgt sein, „dass Gottes Willen auf ihn gerichtet sei. Welchem er nicht widerstehen könnte, und hat ihn seine Freundschaft versichert.“ In: UA, 19. S. 63; Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 507. Bei Tadeusz Korzon heißt es auch, dass es einen Brief von Baron von Stom am 19. Mai 1674 gegeben haben soll, worin es heißt, man wolle Jan Sobieski beseitigen. Ebd. S. 483. Die dort angegebene Quelle konnte jedoch im HHStA nicht gefunden werden. 382 HHStA, GSR 55, I. S. 452; Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 521;Vgl. Rhode, Ein Königreich ohne König. S. 277.
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um dadurch Eleonores Ehe mit Jan Sobieski zu ermöglichen.383 Das persönliche Treffen von Jan III. und der kaiserlichen Schwester wurde vom Baron ebenfalls beschrieben. So heißt es, dass Eleonore, die angeblich aus Angst, ihr Bruder werde jetzt sie anstelle ihrer Schwester mit dem 13–jährigen spanischen König Karl II. verheiraten, krank geworden sei und Jan Sobieski nur im Bett liegend empfangen konnte. Dessen Anhängerschaft war schon zuvor in ihr königliches Zimmer eingetreten, um dem Zusammentreffen beizuwohnen. Ohne seine Kopfbedeckung abzunehmen, womit Jan Sobieski seiner Rangerhöhung unmissverständlich Ausdruck verlieh, nahm er am Bett der Königinwitwe Platz. Nachdem er ihr unter Komplimenten seine Wahl persönlich mitgeteilt hatte, verließ er den Saal.384 Es stand fest, dass Eleonore das Königreich verlassen musste, ein Akt, der ihr nach erhaltener Salbung und Krönung als Königin von Polen schwerfiel. Sie wünschte von ihrem Bruder zu wissen, wie sie sich gegenüber dem Neuerwählten zu verhalten habe und ob sie am Begräbnis ihres Mannes teilnehmen solle, das traditionell einen Tag vor der Königskrönung stattfand. Der litauische Kanzler teilte dem kaiserlichen Residenten mit, die Königinwitwe dürfe wegen des noch in Warschau liegenden Leichnams Michaels I. die Stadt nicht verlassen, sondern müsse nach dem Beispiel aller anderen polnischen Königinnen dem sogenannten mortorio zu Krakau beiwohnen.Worauf Baron von Stom ihm antwortete, dass dieses Beispiel nicht überzeugend sei, weil die bisherigen Königinnen gleich nach dem mortorio den polnischen Thron erneut bestiegen hätten. Außerdem warf der kaiserliche Resident dem Kanzler vor, man habe Eleonore mit dieser Wahl „schimpflich“ (turpiter) und ungerecht von ihrem Thron verdrängt. Die Königinwitwe reagiere gar „empfindlich“ darauf, müsse sie doch mitansehen, wie eine andere, d.h. Maria Kazimiera, die mit ihr in „nichts zu vergleichen“ sei, ihren Platz okkupiere. Darauf reagierte der Kanzler mit nichts als einem Achselzucken. Umso mehr war der Baron bemüht, vom Kaiser den Befehl zu erhalten, die aufgrund der Ereignisse am Boden zerstörte Eleonore nach Prag reisen zu lassen.385 Der für seine Frömmigkeit bekannte Leopold I. reagierte – wenn offenbar auch entgegen den Erwartungen Barons von Stom – recht schicksalsergeben, indem er
383 HHStA, GSR 55, I. S. 452 f., 461; HHStA, GSR 55, II. S. 182. 384 HHStA, GSR 55, I. S. 458. Das Gerücht über Eleonores Angst vor einer erneuten Vermählung wurde von brandenburgischen Gesandten aufgeschnappt. UA, 19. S. 63. Zur Hochzeit zwischen Eleonores jüngerer Schwester Maria Anna Josepha mit dem spanischen König sollte es auch nicht kommen, da diese 1678 Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg heiratete. Hamann, Brigitte (Hg.): Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon. Wien 2016. S. 469. Mehr zu Karl II. von Spanien in: Ebd. S. 336–342. Die Abnahme der Kopfbedeckung wird als Akt der Höflichkeit noch 1683 von Bedeutung sein. 385 HHStA, GSR 55, I. S. 460. Jene Bitte wurde jedoch abgelehnt, da die kaiserliche Schwester vorerst im Königreich bleiben musste. APW, AS 1411. S. 256; Woliński, Poselstwo. S. 161.
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die Wahl des Großmarschalls zum König als Resultat des unergründlichen Willens Gottes bezeichnete. Deshalb sei die „beredete wahl zu seiner mehrern Ehr und der gesambten Christenheit zum besten woll und glücklich“ ausgegangen.386 Es wird jedoch nicht Peter Ignaz von Stom aufgetragen, dem neu gewählten Königspaar – mit Betonung des Lobes für den Eifer und die Tapferkeit von Jan Sobieski – seine Gratulation zur gewonnenen Wahl und seinen Wunsch für eine weitere gute Nachbarschaft auszurichten, sondern dem Gesandten Christoph von Schaffgotsch. In gleicher Weise seien auch die Söhne zur Wahl ihres Vaters zu beglückwünschen.387 Mit seinem Antwortschreiben an Baron von Stom, das noch am gleichen Tag nach Erhalt der Nachricht über den Wahlausgang verfasst wurde, erging der Befehl an seine Schwester Eleonore, Jan Sobieski und dessen Gemahlin ihre Glückwünsche auszusprechen. Auf kaiserliches Anraten solle sie im Königreich bleiben und sich mit ihrem Hofstaat in eine abgelegene Residenz nicht allzu weit von Warschau begeben. Als Trost für dieses Wahlergebnis ließ Leopold ihr ausrichten, sie solle sich „dem willen Gottes gantz ergeben, und mit dessen unergründlichen verordnungen woll zufrieden“ sein. Wie er ihr weiter schrieb, hege er die Befürchtung, dass seine beiden Gesandten nunmehr in Warschau nicht länger willkommen seien und zumindest einer von ihnen abreisen müsse. Schließlich hätten sowohl Christoph Leopold Schaffgotsch als auch Peter Ignaz von Stom alles getan, um die Wahl von Jan Sobie ski zu verhindern.388 Der Kaiser hatte mit seiner Befürchtung insofern recht, als der Baron tatsächlich alles getan hatte, um die Wahl des polnischen Großmarschalls zu verhindern, und deshalb den Warschauer Hof verlassen musste. Sein Gesandter aus Breslau, durfte hingegen in Polen bleiben, weil er Jan Sobieski – wie im Folgenden gezeigt wird – nicht im Wege stand. Erst nach der Wahl, am 21. Mai 1674, berichtete Christoph Schaffgotsch dem Kaiser, dass er sich nach dem Tod des Erzbischofs am Folgetag, dem 16. Mai 1674, ein erneutes Mal mit Jan Sobieski heimlich im Garten getroffen habe. Dieser habe ihn warten lassen, da er zuvor noch ein langes Gespräch mit dem Unterkanzler führte, bevor sich die beiden unterhalten konnten. Über sein Treffen mit dem Krongroßhetman schrieb der kaiserliche Gesandte nach Wien: […] als ich nun allein mit Ihm gewesen, und alles so gut ich gewusst und gekönt, vorbracht, bis Ich sogar Ihm meine Person zum Geißel und mein Haab und gut zum Unterpfand gesetzet, dabey remonstriert, die Franzosen würden Ihm […] betrügen.389 386 HHStA, GSR 55, I. S. 454. Dies widerlegt auch die Behauptung Janusz Wolińskis, dass der Kaiser verwirrt auf die Krönung reagiert habe. Ders., Poselstwo. S. 159. 387 Eine irreführende Aussage, da Jan Sobieski 1674 lediglich einen Sohn hatte, nämlich den 1667 geborenen Jakub Ludwig Sobieski. 388 HHStA, GSR 55, I. S. 454–457; Woliński, Poselstwo. S. 160. 389 APW, AS 1414. S. 104.
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Der Kaiser hingegen würde keinerlei Abhängigkeiten vom Lothringer erwarten und dem Herzog sogar Jan Sobieski als militärischen Mentor voranstellen. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, sagte Schaffgotsch zusätzlich: „Ihm [Jan Sobie ski] würde von seinem weibe die ambition zur Cron eingeblasen, und von etlichen Fuchschwenzen angebotten, sie würden Ihn aber betrügen“, und nach all den Siegen und dem erhaltenen Ruhm sollte ein „so treuer Soldat sich [nicht] durch ein weib verführen laßen, und das Er sich zusagen von Ihr alla baguette tractiren laße“. Er räumte ein, „wer wollte einem solchen Ehrlichen und wohl meritierten Mann nit die Crone gönnen“? Jedoch sei die Befürchtung groß, „daß er mit solcher ungewissheit nach der Cron streben, dieselbe nit erhalten, und also der ganzen welt sich prostituieren dörffte.“390 Die ehrliche und aufrichtige Meinung des kaiserlichen Gesandten zeugt von seinem in Jan Sobieski gesetzten Vertrauen, der ihn dennoch darum bat, Karl von Lothringen in seinem Beisein nicht mehr zu erwähnen. Der Großmarschall räumte ein, dass er wegen seiner Bindung zu Frankreich den Herzog nicht wählen könne. Er solle ihm doch einen anderen Namen eines potenziellen Thronanwärters nennen. Erneut wurden alle Kandidaten durchdiskutiert, bis das Erscheinen des Gesandten Toussaint de Forbin-Janson die Unterhaltung unterbrach. Christoph von Schaffgotsch berichtete weiter: daß wan der Franzose und sein asseda nit dort gewesen, Ich mir fast schon eingebildet, das Er noch gewonnen werden könne; darauff umfassten wir einander und sagte Er mir, das ich mich versichern sollte, das Er würde vor der Königin satisfaction so viel immer möglich thun, Lothringen aber könnte er ir nit promovieren, er were schon zu weit impegniert.391
Jan Sobieski forderte daraufhin ein letztes Mal den Breslauer auf, ihm einen Namen zu nennen, worauf der kaiserliche Gesandte mehrere deutsche Kandidaten aufzählte sowie den Herzog Rinaldo d’Este von Modena nannte, worauff er [Jan Sobieski] die achseln schupffete und meinte, Er kennte keinen, Ich sagte Ihm aber, wenn er sie gleich kennete, würde es ebensowenig ausgeben, den Ich Ihm wohl ansehe, das er zu keinen Lust hette, welches er dann bekannte, und gedachte, das es schon zu weit kommen.392
390 APW, AS 1414. S. 104 f.; Woliński, Poselstwo. S. 158. 391 Ebd. 392 Ebd. S. 105. Jan Sobieski sieht sich neben Karl von Lothringen als einziger geeigneter Kandidat. Siehe Wójcik, Jan Sobieski. S. 216.
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Damit war Christoph Leopold Schaffgotsch klar geworden, dass Jan Sobieski sich selber als den einzigen infrage kommenden Thronanwärter betrachtete. Allerdings unterließ es der Gesandte, über dieses Gespräch durch einen Eilkurier sofort nach Wien zu berichten. Seine Zurückhaltung wurde vom Krongroßmarschall als stilles Einvernehmen wahrgenommen. Damit wird auch nachvollziehbar, weshalb Jan Sobieski vor dem Bischof von Marseille behauptete, dass, wenn das Interesse der Königinwitwe nicht zu wahren wäre, man ihn auch von kaiserlicher Seite dazu dränge, die Krone anzunehmen.393 Christoph Schaffgotsch hielt es zunächst für ratsam, lediglich Eleonore von dieser Unterhaltung zu berichten. Gleichzeitig beauftragte er Pedro Ronquillo, die im königlichen Schloss anwesenden „Pazen“394 sowie den polnischen Unterkanzler nach Hause zu geleiten: Der Spanier solle ihnen nämlich auf dem Heimweg zusätzliche Versprechungen machen, damit sie der Königinwitwe weiterhin die Treue hielten. Schnell wurde nach der Wahl für den schlesischen Oberlandeshauptmann offensichtlich, dass sämtliche Versprechungen der Litauer haltlos waren. Hinzu kam seine Vermutung, dass sie von der französischen Partei gekauft worden seien und den Kaiser lediglich gegen Jan Sobieski aufgehetzt hätten, um „den Krieg |: wie man denen gar klar geredet :| in Schlesien zu ziehen, die 20.000 Reichstaler die in extrema necessitate den Lothringern geben werden müßen, zwar angenommen, viel versprochen, doch wenig gehalten, und augenscheinlich, das kein tuen und glauben von diesen leuten zu hoffen“ war.395 Nach diesen Anschuldigungen gegen die bisher prokaiserlichen Litauer wartete Christoph Leopold Schaffgotsch auf weitere Befehle aus Wien, wie er sich gegenüber dem neu erwählten König zu verhalten habe. Zudem erklärte er in seinem Schreiben, sich vorerst zurückzuhalten; er werde Jan Sobieski jedoch erfahren lassen, dass er nicht daran zweifle, dass der Kaiser ihm die Krone gönne.396 Mit dieser Nachricht, bei der man davon ausgehen kann, dass sie am Wiener Hof vor der Niederschrift des Antwortschreibens an Peter Ignaz von Stom zur Kenntnis genommen wurde, werden die kaiserliche Nachsicht und Glückwünsche nachvollziehbar. Außerdem erklärt das Wissen über die Unzuverlässigkeit der Litauer, weshalb auf die vom kaiserlichen Residenten vorgeschlagene gewaltsame Gegenreaktion auf die Wahl Jan Sobieskis nicht eingegangen wurde. Es kann jedoch keinesfalls behauptet werden, dass Leopold I. über den Wahlausgang erfreut war. Inoffiziell setzte der Kaiser seinen Gesandten Christoph Leopold Schaffgotsch in Kenntnis, dass er darüber bestürzt sei. Über das Zusammentreffen zwischen dem neuen König 393 Acta, III, 1. S. 31. Siehe auch Ferdinand Hirsch, der diese Aussage als übertrieben bezeichnete. Ders., Die Wahl. S. 252. Christoph Leopold Schaffgotschs Mission war damit gescheitert. Woliński, Poselstwo. S. 160. 394 Gemeint sind wahrscheinlich Mykolas und Kristupas Zigmantas Pacas. 395 APW, AS 1414. S. 106 f. 396 Ebd. S. 107; Woliński, Poselstwo. S. 161.
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4. Die Wahl zum König unter dem Ruhmesmantel von Chocim
und seiner Schwester, von dem ihm Baron von Stom berichtet hatte, zeigte sich der Kaiser angesichts der nicht eingehaltenen Versprechungen und der „widrigen“ Wahl sehr aufgebracht.397 Die Warnungen vor dem Einfluss des Krongroßmarschalls wurden jedoch nicht ausreichend berücksichtigt, sodass sich die Befürchtung des Wojewoden von Lublin, Władysław Rey,398 bewahrheitete. Wie von diesem vorausgesagt, hatte die Zurückhaltung des Kaisers und der Königinwitwe Jan Sobieski auf den polnischen Thron befördert. Als Zwischenfazit lässt sich daraus folgern, dass Leopold I., gemäß der Empfehlung des Erzbischofs, auf das bonum publicum bestanden hatte und zu spät den Auftrag gab, offiziell für Karl von Lothringen zu werben. Aus diesem Grund wurde seitens Brandenburgs auf eine öffentliche Ansprache vor dem Wahlsejm verzichtet, was Friedrich Wilhelm zugutekam, um das Verhältnis zu Pfalz-Neuburg nicht zu belasten.399 Die Wahl von Jan Sobieski wurde auch mit der versprochenen Unterstützung des Kurfürsten durch Johann von Hoverbeck und die Zurückhaltung von Christoph von Schaffgotsch begünstigt. Laut der Einschätzung des Letztgenannten hätte die frühere Werbung für Karl von Lothringen dessen Anhängern zwar größere Hoffnung gemacht, jedoch bezweifelte er, ob der Wahlausgang dadurch ein anderer gewesen wäre. Die Unbeständigkeit der Würdenträger, der Ruhm von Chocim und die Angst vor den Osmanen waren weitaus stärker als jegliches Versprechen eines außenstehenden Kandidaten. Zumal Jan Sobieski erklärt hatte, als König sich der Gefahr zu stellen – wenn er jedoch nicht gewählt würde, könne er als Krongroßmarschall nicht für die Sicherheit der Grenzen garantieren. Aus diesem Grund empfahl Christoph Leopold Schaffgotsch dem Kaiser, „diese leuthe untereinander handeln zu lassen“.400
397 APW, AS 1411. S. 243, 256; HHStA, GSR 55, I. S. 466 f. Zbigniew Wójcik behauptete hingegen, dass die Wahl zur Freude von Kaiser, Zar, Schwedenkönig, dem Kurfürsten von Brandenburg, der Türken und Tataren war. Hauptsache, es handelte sich nicht um einen unangenehmen ausländischen König. Ders., Jan Sobieski. S. 221. Auch Ludwig XIV. war über das Wahlergebnis zufrieden: Acta, III, 1. S. 54 ff.; Hirsch, Die Wahl. S. 267. 398 Siehe Kap. 4.3. S. 164. 399 Hirsch, Die Wahl. S. 260. 400 APW, AS 1414. S. 109 f. So auch die richtige Einschätzung bei Korzon, Dola i Niedola. Bd. 3. S. 521.
4.3 Der neue Rex Poloniae und die Reaktion des Imperator Romanorum
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Abb. 4: Benjamin von Block, Kaiser Leopold I. (1640–1705) im Harnisch mit Feldherrnstab, Dreiviertelporträt, um 1672.
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Die Situation in Polen-Litauen erwies sich nach der Wahl für den neu erwählten König als schwierig. Sie veranlasste Jan Sobieski dazu, seine offizielle Krönung in Krakau vorläufig zu verschieben, ohne zu ahnen, dass sich dieser feierliche Akt bis Ende Januar 1676 hinauszögern würde. Zunächst mussten die innenpolitischen Formalitäten wie beispielsweise die zu realisierenden Punkte der neuen Regierung (pacta conventa), die Aufteilung der Ämter und die Verwaltung der finanziellen Mittel für den weiteren Fortgang des Osmanisch-Polnischen Krieges geregelt werden. Besonders um den letzten Punkt stand es schlecht, denn mit einem Piasten als Regenten war man vor allem von ausländischen Finanzierungen abhängig.Vor allem die Besoldung der Truppen für den weiteren Kriegsverlauf wurde angezweifelt und ihr Einsatz durch eine mögliche Spaltung der Armee gefährdet, bei der die Abtrünnigen unter anderen in die Dienste Frankreichs eintreten könnten. In diesem Rahmen hatte Christoph Leopold Schaffgotsch in Erfahrung gebracht, dass Kronschatzmeister Jan Andrzej Morsztyn bei Toussaint de Forbin-Janson wegen Subsidien angefragt hatte, worauf dieser antwortete, wenn Polen-Litauen sich dazu bereit erkläre, wie es Neuburg vor der Wahl versprochen haben soll, in den Krieg gegen das Reich zu ziehen, zweifle er nicht daran, dass der französische König noch weit mehr für die Rzeczpospolita tun würde.1 In gleicher Weise begehrte man Gelder vom Kaiser und hoffte auf die bereits im Jahr 1672 in Aussicht gestellte Summe von 100.000 Reichstalern. Es stellte sich jedoch die Frage, wie diese zu erlangen sei. Durch Johann von Hoverbeck erhielt der kaiserliche Gesandte Schaffgotsch die Nachricht, dass Jan III. Sobieski ausrichten ließ, eine aufrichtige und gute Freundschaft mit Leopold I. aufbauen zu wollen, und dass er Eleonore alle möglichen Annehmlichkeiten gewähre. Schaffgotsch begleitete die Königinwitwe bei ihrer offiziellen Wallfahrt nach Tschenstochau, während Nuntius Francesco Buonvisi und Don Pedro Ronquillo die kaiserlichen Interessen in Warschau vertraten. Ein Umstand, der dem polnischen König missfiel, weil er es vorgezogen hätte, den Breslauer in Audienz zu empfangen. Der Gesandte rechtfertigte sich damit, dass er die Königinwitwe nicht allein lassen könne und weitere Befehle aus Wien abwarten wolle, um nichts zu unternehmen, was gegen den Willen des Kaisers wäre.2 1 2
APW, AS 1414. S. 113. Laut seinem Bericht an den Kaiser mahnte Christoph Leopold Schaffgotsch auch, sämtlichen
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Es wurde zur Gewissheit, dass die Königinwitwe nicht mehr nach Warschau zurückkehren würde, da „kein Exempel vorhanden, das zwey Königin[nen] hier in Pohlen zusammen kommen“.3 Aufgrund der „Unmilde“ gegenüber Eleonore, deren Erhalt auf dem Thron versprochen worden war, aber letztendlich verwehrt blieb, erging der Befehl Leopolds, keinen kaiserlichen Vertreter an der Krönung teilnehmen zu lassen und auch nicht eine Rückkehr Eleonores zum Begräbnis ihres Gemahls zu gestatten. Selbst eine Zusammenkunft zwischen ihr und dem neu erwählten Königspaar wurde untersagt, was ebenfalls für eine Audienz mit dem französischen Gesandten galt.4 Auch wenn Jan III. Sobieski der Königinwitwe freistellte, wo sie zukünftig residieren wolle, teilte der Kaiser Christoph Leopold Schaffgotsch mit, dass er Krakau wohl ausschließen müsse – es gleiche eher einem Gefängnis –, und schlug stattdessen Thorn (Toruń) als geeignetste und sicherste Stadt vor. Er mahnte auch dazu, mit dem neuerwählten König vorsichtig und möglichst intensiv zu verhandeln, damit er sich nicht gegen Habsburg wenden oder einen anderen „großen unwillen faßen thete.“5 Schließlich beauftragte er ihn herauszufinden, ob es der Wahrheit entspreche, dass Neuburg Frankreich versprochen habe, bei einer erfolgreichen Wahl gegen das Reich in den Krieg zu ziehen. Misstrauisch wurde man auch gegenüber den Bayern, meldete doch Schaffgotsch, dass jene einen Gesandten nach Warschau geschickt hatten6 und er befürchtete, dass der bayrische Kurfürst Ferdinand Maria mit Frankreich etwas im Schilde führe. Abgesehen von all dem Misstrauen und der Enttäuschung über die vergangene Wahl sollten weiterhin die offiziellen Glückwünsche des Kaisers dem neu erwählte Königspaar übermittelt werden. Auch seine Schwester Eleonore sollte mit ihnen im gutem Einvernehmen stehen und selbst allen „bösen Zungen“ in ihrem eigenen Hofstaat zum Trotz akzeptieren, dass es sich bei dem neu Erwählten um eine Fü-
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Gerüchten, die vom abgereisten Baron von Stom weitergegeben würden, keine Beachtung zu schenken und in Hinblick auf Eleonore auf das gegebene Versprechen, für ihr Wohl zu sorgen, Jan III. und dem Adel der Rzeczpospolita zu vertrauen. In: APW, AS 1414. S. 109 ff. Hier gewinnt die „Kommunikation unter Anwesenden“ an Bedeutung. Siehe weiterführend: Schögl, Rudolf: Anwesende und Abwesende. Grundriss für eine Gesellschaftsgeschichte der Frühen Neuzeit. Konstanz 2014. S. 29–35. APW, AS 1414. S. 115. Ebd. S. 256, 259. Ebd. S. 256. Im Bericht des Barons von Stom heißt es einen Monat später, dass Jan Sobieski der Königinwitwe eine Rückkehr nach Warschau vorschlug und ihr nicht nur die Burg offerierte, sondern auch den Kazimierz-Palast samt den Gütern der Warschauer Vorstadt. In: HHStA, GSR 55, II. S. 201. APW, AS 1414. S. 114. Die prokaiserliche Hofdame, Małgorzata Kotowska, berichtete, dass jener Gesandte nur drei Tage in Warschau blieb und im Namen des Kurfürsten von Bayern Jan III. Geld angeboten hatte, jedoch ohne eine konkrete Summe genannt zu haben. Ebd. S. 136.
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gung Gottes handele, „der Sie schon anderwertig gebührendt zuversehen und zuerhalten sicherlich zeigen wirdet.“7 Folglich sanktionierte dadurch Leopold I. indirekt die Wahl Jan Sobieskis und die damit verbundene Erhöhung Maria Kazimieras zur neuen Königin. Der Kaiser ließ jedoch Peter Ignaz von Stom wissen, dass weitere Zahlungen unterlassen würden und sich letztendlich zeigen werde, wie wenig die Rzeczpospolita ohne die bisherigen jährlichen kaiserlichen Subsidien zurechtkomme. Wenige Tage später revidierte Leopold jedoch sein Schreiben. Sollten die Polen nämlich um Hilfeleistungen bitten, solle der Baron „sich ganz nichts gegen derselben herauslassen, noch im Geringsten einmischen, noch ad referendum annemben: wohl aber Ihrer Kayserl. May. darüber gehorsambst berichten, und dero gnädigste Resolution erwarthen.“8 Dem Residenten wurde auch angeraten, nicht nach Warschau zurückzukehren und zudem einen Vertrauten damit zu beauftragen, alle Korrespondenzen zu vernichten, die nach der Wahl dortgeblieben waren. Sollte sich solch eine Person nicht finden, bleibe Baron von Stom allerdings nichts anderes übrig, als persönlich dort hinzureisen, das neu gewählte Königspaar zu beglückwünschen und der Königinwitwe eindringlich zu empfehlen, sich in die polnischen Staatssachen nicht einzumischen.9 Das kaiserliche Schreiben erreichte Peter Ignaz von Stom noch bevor er am 27. Juni 1674 zur Königinwitwe zurückkehrte. Am 30. Mai begab sich Christoph Leopold Schaffgotsch nach Warschau, um bei Jan Sobieski um Audienz zu bitten und die Interessensvertretung Eleonores zum Abschluss zu bringen. Nach seiner Ankunft am Folgetag wurde er jedoch abgewiesen. Zunächst unter dem Vorwand der Unpässlichkeit, dann wegen des Iuramente, vor dessen Ablegung keine Audienzen zugelassen seien, und schließlich hieß es, der König habe davon nichts gewusst und sei deswegen selbst gegenüber Maria Kazimiera in Rage gewesen. Nach dem vierten Tag, an dem vormittags die Audienz für denselben Abend angekündigt worden war, erhielt der kaiserliche Gesandte nach Verstreichen der verabredeten Zeit erneut eine Absage. Christoph Leopold Schaffgotsch, der für sein Temperament bekannt war, verlor nach fünf Tagen der Abweisung die Fassung mit den Worten: „were der König unvergnügt, das Ich Ihm nicht bald gratuliert, hette Er sich deswegen bey Ihr. May. meinem allergnädigsten Herrn zu beschweren.“10 Seine Reaktion vor dem Kronsekretär führte letztendlich dazu, dass der kaiserliche Gesandte am 5. Juni 1674 vor Jan III. Sobieski treten durfte. Als Christoph Leopold Schaffgotsch, begleitet vom Kämmerer, durch die Gänge des Königspalastes ging, kamen ihm der litauische Großmarschall Aleksandras Hilaris Palubinskis
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APW, AS 1411. S. 252, 255. HHStA, GSR 55, I. S. 468. Das Zitat auf S. 476. Ebd. S. 477. APW, AS 1414. S. 115–119. Das Zitat auf S. 119.
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und der Hofmarschall Stanisław Herakliusz Lubomirski entgegen und meinten, er solle eine öffentliche und keine private Audienz erhalten, worauf der Gesandte einwandte, dass er schon länger zu einem Vorsprechen erwartet wurde. Als Schaffgotsch daraufhin in den Saal des Königs eintrat, wurde er schon von diesem empfangen. Jan Sobieski kam ihm zunächst höflich ein paar Schritte entgegen und ging dann wieder zurück zu seinem Stuhl. Nachdem der kaiserliche Gesandte seine Referenz abgegeben hatte, wurde er vom König aufgefordert, sich zu setzen, doch waren sie bei dem Gespräch unter der Beobachtung des Kämmerers und des litauischen Marschalls Palubinskis. Die Unterhaltung wirkt sehr formell und distanziert – weiter heißt es im Bericht des Breslauers: Nach abgelegter gratulation auf lattinisch, hat er sich französisch gar sehr höfflig bedanket, das Eur. May. Ihm die Ehr erzeigen und gratulieren lassen wollen. Er versicherte Eur. May. das Er Ihr so gutte Nachbar als kein anderer sein, und Eur. May. von Herzen gerne dienen würde.11
Der Gesandte Schaffgotsch merkte später an, dass der König bei dem Gespräch seine Kopfbedeckung sehr tief heruntergezogen hatte, um anscheinend vor seinen Beobachtern seine Mimik zu verbergen. Dass er allerdings auf Französisch antwortete, kann einerseits seine Treue zu Frankreich ausdrücken, andererseits, dass er von seinen unliebsamen Zuhörern nicht verstanden werden wollte, während er davon ausging, dass sein Gegenüber diese Sprache beherrschte.12 Letzterer versicherte dem König, dass der Kaiser ihm bereits kurz nach der Wahl befohlen habe, ihm in seinem Namen zu gratulieren. Wohlwollend nahm Jan III. die Worte des kaiserlichen Gesandten auf, die auch seine Bedenken wegen der langen Verzögerung jener Glückwünsche wettmachten. Er versicherte Christoph Leopold Schaffgotsch erneut seine persönliche Freundschaft und bat ihn, das gute Einvernehmen mit Habsburg zu bewahren. Thematisiert wurden auch die jüngsten Nachrichten zum Holländischen Krieg. Der in kaiserlichen Diensten stehende General, Jean-Louis Reduit de Souches, sei laut den Angaben des kaiserlichen Gesandten am Rhein mit seinen Soldaten, begierig die französische Armee anzugreifen.13 Vermutlich wollte Chris11 APW, AS 1414. S. 120;Vgl. Woliński, Poselstwo. S. 162. 12 Über die Bedeutung der Sprache im 17. Jahrhundert siehe: Kodzik, Joanna: Ceremoniał polskiego dworu królewskiego w XVII wieku [Das Zeremoniell des polnischen Königshofs im 17. Jahrhundert]. Warschau 2015. S. 183–187. 13 Am 11. August 1674 folgte auch die Schlacht bei Seneffe (Belgien) unter der Führung Wilhelms III. von Oranien für Habsburg und Louis II. de Condé für Frankreich mit großen Verlusten für beide Seiten. Ausgerechnet Jean-Louis Reduit de Souches war es jedoch, der für sein verdächtiges Verhalten abberufen wurde. Dazu mehr in: Redlich, Oswald: Weltmacht des Barock. Österreich in der Zeit Kaiser Leopolds I.Wien 1961. S. 129 f. Lynn,The Wars. S. 125 f.
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toph Leopold Schaffgotsch darauf hinweisen, dass auch andere Franzosen sich von Ludwig XIV. abgewendet hätten. Nach der Unterhaltung wurde dem Gesandten angeboten, auch der neuen Königin einen Besuch abzustatten. Maria Kazimiera fand er im Beisein mehrerer „Dames und Cavalliers“ vor und sprach seine Gratulation auf Deutsch aus. Sie bedankte sich durch Fransiczek Jan Bieliński und ließ sich entschuldigen, dass sie der deutschen Sprache nicht mächtig sei. Hierauf machte sie selbst ein Kompliment auf Französisch, dass sie des Kaisers und dessen ganzen Hauses Habsburg Dienerin sei.14 Nachdem Christoph Leopold Schaffgotsch zurück zum König gegangen war, folgte kurz darauf der offizielle Eidspruch, das Iurament in der heutigen Johannes kathedrale.15 Mit ihren Marschallstäben schritten Stanisław Herakliusz Lubomir ski und Aleksandras Palubinskis dem König auf dem Weg dorthin voraus, Nuntius Francesco Buonvisi ging zu seiner Rechten, neben diesem wiederum Toussaint de Forbin-Janson. Zur Linken von Jan III. ging der kaiserliche Gesandte und wiederum an dessen Seite Johann von Hoverbeck,16 bis sie dem vor der Kirche wartenden Klerus entgegenkamen und dieser sie in die Kirche führte. Die Präsenz der ausländischen Gesandten war eine eindeutige Demonstration dafür, dass Jan Sobieski von all deren Häusern unterstützt wurde.Weiter heißt es: der König trat unter einen von rothen und goldstuck aufgemachten Baldachin, auf die rechte die gesandten in die Stühl auf der linken hand, der bischoff von Crakau pontificierte; wie die zeit vorhanden, wurden Ihr. May. von denen Mareschallen zum altar geführt, und legten das Iurament ab, drauff wurde Ihnen das Instrumentum oder Diploma Electionis praeuiis orationibus vom Landbothen oder Elections Marschall übergeben, durch beede Marschall, das der König das Iurament abgelegt, und nunmehr legitimus Rex were.17
Nach dem gesungenem Te Deum wurde Jan Sobieski ins Warschauer Königsschloss begleitet und dort das Diploma Electionis verlesen, worauf die erneuten Gratulationen der ausländischen Gesandten folgten. Am nächsten Tag gedachte Christoph Leopold Schaffgotsch zur Königinwitwe zurückzukehren, doch wurde er noch am Vorabend von Jan Andrzej Morsztyn im Namen des Königs darum gebeten zu bleiben und 14
APW, AS 1414. S. 120 f.;Woliński, Poselstwo. S. 162. Der Besuch der Königin war Bestandteil des gängigen Zeremoniells. Bély, Das Wissen über das diplomatische Zeremoniell. S. 150. 15 Über das Zeremoniell siehe mehr in: Bues, Almut: The Elections, Coronations and Funerals of the King of Poland (1572–1764). In: Mulryne (Hg.), Europa Triumphans. S. 380 f. Die Johanneskathedrale war zu jener Zeit noch eine Kirche und wurde erst 1798 zur Kathedrale. 16 Mehr zum Zeremoniell siehe in: Bély, Das Wissen über das diplomatische Zeremoniell. S. 149. 17 APW, AS 1414. S. 121; Woliński, Poselstwo. S. 163.
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sich mit ihm über kaiserliche Subsidien zu unterhalten. Als der Schatzmeister am Morgen jedoch nicht kam, reiste der kaiserliche Gesandte mit dem Hinweis ab, sich schriftlich an ihn zu wenden. In seinem Bericht nach Wien bat der Emissär zuletzt um Stellungnahme, Leopold I. ging jedoch nicht mehr schriftlich auf die Geschehnisse ein.18 Es ist das letzte Schreiben von Christoph Leopold Schaffgotsch, das solch persönliche und detailreiche Einblicke über Jan III. Sobieski gibt, jedoch nicht das letzte Wiedersehen, denn erneut begegneten sich die beiden Männer anlässlich der Vorbereitungen zur Entscheidungsschlacht im Jahr 1683. Anfang August 1674 wurde der Wiener Hof durch Baron von Stom darüber informiert, dass das Gespräch mit Christoph Leopold Schaffgotsch absichtlich verzögert worden sei, damit dieser dem Iurament beiwohne. Es war Jan Sobieski folglich ein Anliegen, durch die Anwesenheit des kaiserlichen Gesandten bei diesem Akt auch die Gunst des Hauses Habsburg zu demonstrieren.Wäre die Audienz eher erfolgt, hätte Jan Sobieski wohl eine frühere Abreise des schlesischen Oberlandeshauptmanns befürchtet. Zu des Königs Bedauern wurde dieser feierliche Eid auf die pacta conventa hinausgezögert, weshalb dieser die Audienz so lange aufschieben musste.19 Dem Schatzmeister ging es um die bereits angesprochenen 100.000 Reichstaler, die man seitens der Polen als Subsidien für den Türkenkrieg zu verwenden gedachte. Der kaiserliche Gesandte entgegnete, dass er hierfür erst über die Verhältnisse mit den Osmanen unterrichtet werden wolle. Christoph Leopold Schaffgotsch hatte auch erfahren, dass der Herzog von Modena, solange Polen-Litauen Krieg gegen die Türken führte, eine Million polnischen Geldes jährlich offerieren wolle und auch der Papst Gelder durch den Nuntius in Aussicht stellte.20 Später warf der kaiserliche Gesandte, nach einer erneuten Bitte um Subsidien durch den Krakauer Bischof, ein, dass die diesbezüglichen Versprechen zur Bezahlung der polnisch-litauischen Armee ihre Gültigkeit verloren hätten, weil die Königinwitwe – trotz der gegenteiligen Zusagen – des Thrones verlustig gegangen sei. Aufgrund der aktuellen profranzösischen Tendenz halte sich Andrzej Trzebicki eher an Toussaint de Forbin-Janson. Da der Kaiser mit Frankreich im Krieg liege, beabsichtige er eine indirekte Förderung seines Gegners durch die Zahlung von Subsidien an Polen-Litauen zu vermeiden. Außerdem sei ihm zu Ohren gekommen, dass der Frieden mit den Türken durch die Übergabe von Kamieniec Podolski und einem Tribut eingeleitet werde. Mit der gleichzeitigen Protektion der Rebellen würde aber dadurch der Krieg dem Haus Habsburg auf den Hals gehetzt werden. Christoph Leopold Schaffgotsch räumte jedoch ein, dass nun zunächst die Stabilisierung der guten und wahrhaften Nachbarschaft und Freundschaft mit Jan 18 APW, AS 1414. S. 121; Woliński, Poselstwo. S. 163. 19 HHStA, GSR 55, I. S. 517; Rhode, Ein Königreich ohne König. S. 279. 20 APW, AS 1414. S. 122 f.
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Sobieski eingeleitet werden müsse. Bischof Trzebicki antwortete, dass diese versprochenen Gelder für die Rzeczpospolita und seine Bedürfnisse dringend notwendig seien, und versicherte, dass Aleksander Lubomirski keine Unterstützung der Rebellen in den Krakau angrenzenden Landstrich befohlen habe.21 Anscheinend wusste man ganz genau über die Sorgen des Wiener Hofs Bescheid, jedoch verwehrte man dem kaiserlichen Gesandten eine ausführliche Auskunft. So hatte er nicht nur vor der Wahl wegen des Kaisers Bitte, bei den Friedensgesprächen mit der Hohen Pforte miteinbezogen zu werden, mit Jan Sobieski, dem Erzbischof, dem Bischof von Krakau, dem litauischen Großmarschall und dem litauischen Großkanzler, dem Unterkanzler, den Wojewoden von Krakau, Kalis, Sandomir und Kulm konferiert, sondern auch nach der Wahl mit ihnen geredet, erhielt jedoch beide Male von den genannten Herren nur unzureichende Antworten.22 Weitaus lebhafter als Schaffgotsch berichtete Baron von Stom, dass sehr viele Gegner des neu Erwählten unzufrieden aus Warschau abreisten und einem separaten Bündnis mit Leopold I. nicht abgeneigt seien. Der König schade seiner Meinung nach dem Kaiser nur und suche lediglich einen Grund, die Königinwitwe loszuwerden. Der neue Hof könne Eleonore nicht leiden und das Königspaar sei besorgt, solange sich die Habsburgerin noch im Königreich aufhalte, sich ihrer Regierung nicht sicher sein zu können.23 Insgeheim wusste der Baron allerdings zu berichten, dass Jan Sobieski die Franzosen bei ihrem Vorhaben gegen die kaiserlichen Erbländer nicht unterstützen würde. Interessant ist auch, dass offenbar das Angebot von Mykolas Pacas noch immer bestand, die neue Königin beseitigen zu wollen. Tatsächlich wurde Maria K azimiera angeblich eine vergiftete Torte vorgelegt, die sie aber wegen Magenschmerzen ablehnte. Ihre Schwester Louise Marie und eine weitere Hofdame hatten jedoch nicht auf den Nachtisch verzichten wollen und waren beide nach dem Verzehr am ganzen Körper aufgequollen. Als die Königinwitwe über den Vorfall in Kenntnis gesetzt wurde, war sie darüber empört. Sollte Maria Kazimiera tatsächlich ermordet werden, wünschte Eleonore dem neuen König eher den Tod, als dessen Gemahlin zu werden.24 Als Baron von Stom am 13. Juli 1674 nachts in Warschau ankam, hielt er sich heimlich dort auf, um ein Zusammentreffen mit dem Königspaar zu vermeiden. Seine dortigen Vertrauten veranlassten ihn, dem Kaiser erneut vorzuschlagen, mit wenigen deutschen Regimentern die Gegner von Jan III. zu unterstützen, denn
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APW, AS 1414. S. 116 f. Ebd. S. 126; HHStA, GSR 55, III. S. 35. HHStA, GSR 55, I. S. 483 f. HHStA, GSR 55, II. S. 193. Es herrschte die abwegige Befürchtung, dass Toussaint de ForbinJanson eine Abwerbung polnischer Truppen durch die Bezahlung eines Monatssolds für die Dienste in der französischen Armee in die Wege leiten würde, um gegen den Kaiser ins Feld zu ziehen. Ebd. S. 198.
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es wäre schier keiner, so diesen König nit detrohenirt zu sehen verlangete, auch deßelben beste vorhero gewesener freundte welche sich nit resolvieren könnten, demselben sambt seinem weib zu lieben, noch zu erkennen […].25
Etwa gleichzeitig wurde in Warschau bekannt, dass es zu Unruhen in Litauen und Kruczyn gekommen sei. Der Krongroßkanzler Jan Leszczyński riet als Gegenmaßnahme dazu, Großpolen wohl zu beobachten und zu versuchen, es für Jan Sobieski zu gewinnen.26 Als die Tataren in den Grenzgebieten vorrückten,27 bat Schatzmeister Jan Andrzej Morsztyn im Namen des Königs erneut um kaiserliche Subsidien, jedoch beharrte Christoph Leopold Schaffgotsch auf die noch notwendigen Versicherungen, die vorerst nach Wien weitergeleitet werden müssten. Am Warschauer Hof soll daraufhin in großer Gesellschaft geäußert worden sein, dass die Hofburg zu viel für wenig Geld verlangen würde.28 Auf die Bitte des kaiserlichen Gesandten, ein Exemplar der pacta conventa zu erhalten, beschwichtigte ihn der Krakauer Bischof, dass darin die gute Nachbarschaft mit dem Kaiser betont werde. Außerdem würde darin die Fortsetzung des Krieges mit der Hohen Pforte angekündigt sowie die finanzielle und personelle Unterstützung durch Kurland, Schweden und Frankreich.29 Da sich der Wiener Hof zierte, Subsidien zu schicken, wurde offensichtlich versucht, durch die Nennung dieser drei Länder in der pacta conventa, unter anderen Ludwig XIV. als Förderer zur Hilfe gegen die Hohe Pforte zu bewegen. Andrzej Trzebicki wies Christoph Leopold Schaffgotsch darauf hin, dass der „Olivische Feind“ beobachtet und alles dergestalt eingerichtet werde, dass der Kaiser weder direkt noch indirekt durch den König noch durch jemand anderen Schaden erleiden werde.30 Erstmals wurde damit auf den sich anbahnenden Konflikt zwischen den Akteuren des Vertrages von Oliva (1660) hingewiesen und damit auf das Bündnis zwischen Schweden, Österreich, Brandenburg und Polen-Litauen. In der Geschichtsforschung ist hinlänglich bekannt, dass Pommern durch den Vertrag von Oliva fast gänzlich den Schweden durch Brandenburg entrissen worden war. Diesen Umstand nutzten nun die französischen Diplomaten und versprachen dem schwedischen König Karl XI. finanzielle Unterstützung aus Versailles, was letztendlich zum Einfall schwedischer Truppen in die Uckermark im Dezember 1674 und so zum 25 HHStA, GSR 55, I. S. 490. 26 Ebd. 27 Wagner, Wojna polsko-turecka. Bd. 2. S. 39. Zu den Tataren mehr in: Woliński, Janusz: Pośrednictwo tatarskie w wojnie polsko-tureckiej 1674–1675 [Die tatarische Vermittlung im Polnisch-Türkischen Krieg 1674–1675]. In: Polityka narodów. Bd. 4 (1934). S. 480–507. 28 APW, AS 1414. S. 127, 129. 29 Ebd. S. 124.Vgl. die Punkte in: Acta, II, 2. S. 1485 ff. Darin wird Habsburg nicht erwähnt. 30 APW, AS 1414. S. 124.
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Ausbruch des Nordischen Krieges (1674–1679) führte. Schweden betonte allerdings, keinen Krieg begonnen haben, sondern behauptete vielmehr, lediglich Brandenburg zum Abzug vom Oberrhein zwingen zu wollen, um so den französischen Verbündeten zu entlasten.31 Die Angst in Berlin wuchs, dass Frankreich auch den polnischen König überzeugen könne, gegen Brandenburg ins Feld zu ziehen. An dieser Stelle soll veranschaulicht werden, weshalb es zu ersten Spannungen zwischen Jan Sobieski und Friedrich Wilhelm von Brandenburg kam. Auf Wunsch einiger polnischer Magistrate sollte der König während der pacta conventa geloben, dass in Lauenburg und Bütow der katholische Gottesdienst erhalten bleibe, obwohl dies der Gesinnung der preußischen Stände und des Großen Kurfürsten zuwiderliefe. Jan Sobieski war sich dessen bewusst. Er hatte deswegen dem brandenburgischen Gesandten versichert, dass, obwohl er beabsichtigte, den Gottesdienst zukünftig durchzusetzen – da es seiner religiösen Überzeugung und als Zeichen seiner Autorität geschehe –, er den Großen Kurfürsten damit nicht beleidigen wolle. Nach diesem Gespräch dauerte es ein paar Tage, bis Johann von Hoverbeck die Gunst der Stunde nutzte, den polnischen König zu fragen, ob er als neuer Regent denn gewillt sei die pacta für einen fortwährenden Frieden mit Brandenburg zu erneuern – immerhin habe er doch seine Verbundenheit mit Friedrich Wilhelm betont. Ausweichend hatte Jan Sobieski darauf geantwortet, dass er keine Verträge verlängern könne, solange er nicht zum König gekrönt sei. Der Große Kurfürst ließ sich auf das diplomatische Spiel ein, indem er zur Antwort gab, dass er seinerseits die Absicht hege, Jan Sobieski brandenburgische Hilfstruppen zu senden, jedoch wäre es ihm vorläufig ebenfalls nicht möglich, dem nachzukommen. Damit versuchte er, ihn mit dessen eigener Argumentation zu beschwichtigen. Allerdings grollte Jan Sobieski vor Johann von Hoverbeck wegen der vorenthaltenen Truppen. Trotz aller Rechtfertigungen seitens Brandenburgs, das Heilige Römische Reich im Holländischen Krieg unterstützen zu müssen, sah der polnische König offenkundig das freundschaftliche Verhältnis gefährdet.32 Johann von Hoverbeck beobachtete deshalb mit großer Sorge die spätere Anwesenheit des schwedischen Gesandten Anders Lilliehöök am Warschauer Hof.33 Schließlich schickte Friedrich Wilhelm Ende des Jahres 1674 ein kleines Hilfskorps unter Caspar von Hohndorf dem polnischen König, das unter der Prämisse eines schwedischen Angriffs wieder zurückgeordert werden sollte. Durch den im Dezember ausgebrochenen Nordischen Krieg musste Jan III. Sobieski widerwillig den Abzug der brandenburgischen Truppen im April 31 McKay, Small-power diplomacy. S. 209; Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 160 f.; Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 125 f. 32 UA, 19. S. 66–72; Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 137. 33 UA, 19. S. 74 f. Weiterführend über die Gesandtschaft Schwedens im polnischen Königreich: Birnbaum, Karl Edvard: Johan Sobieskis svenska förbindelser 1674–1677 [Jan Sobieskis schwedisches Verhältnis 1674–1677]. Stockholm 1950.
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1675 hinnehmen.34 Ende Juni 1674 hatte der brandenburgische Gesandte einem kaiserlichen Vertrauten im Rausch erzählt, Maria Kazimiera habe ihren Schmuck versetzen müssen und der Geldmangel bereite dem König große Sorgen. Seiner Einschätzung nach könne man daher bei Jan Sobieski mit Geld und guten Worten viel ausrichten, wenn er sich nur nicht zu sehr an die Franzosen halten würde. Christoph Leopold Schaffgotsch riet dem Kaiser, etwas für die Polen zu tun, „welche es wohl gar nicht wert seien“, doch sei es zu vermeiden, dass die Rzeczpospolita von Frankreich Geld bekomme. Sollte Jan Sobieski daraufhin seine Freundschaft gegenüber Habsburg beteuern, könne Leopold I. dem polnischen König durchaus trauen.35 Anders verhalte es sich mit den Litauern, die weiterhin ihrem neuen Regenten skeptisch gegenüberstünden. Sowohl Mykolas als auch Kristupas Pacas ließen verlautbaren, weiterhin im Sinne der Königinwitwe zu handeln. Dafür kündigten sie dem Kaiser an, sich gegen Jan Sobieski verschwören zu wollen, indem sie den vom König geforderten Vormarsch der litauischen Truppen für den Türkenkrieg verlangsamen würden, um ihren Einsatz hinauszuzögern, während sie sich um die Protektion bei den Moskowitern bemühten. Die beiden Litauer rieten sogar dem Kaiser, es ihnen gleichzutun und sich mit dem Zaren zu verbünden.36 Die kaiserliche Reaktion auf diesen Vorschlag war eindeutig: Eine Spaltung der polnischen als auch der litauischen Armee, um die Königinwitwe wieder auf den Thron zu erheben, lehnte Leopold I. ab. Er schloss sich der Meinung seines Geheimen Rats, Christoph Leopold Schaffgotsch, an, den Litauern kein Vertrauen mehr zu schenken, weshalb er sich „dahero unter sie nit einzumischen habe.“37 Den beiden Litauern sei auszurichten, dass der Kaiser zum Wohl der Krone und der Rzeczpospolita ihnen zwar gerne beistehen wolle. Es sei jedoch primär vonnöten, dass sie die inneren Uneinigkeiten beiseitelegten und ihrem König bei der Aufrüstung gegen die Türken beistünden. Eine Spaltung der polnisch-litauischen Armee müsse hingegen unbedingt verhindert werden, da sie nicht nur der Rzeczpospolita, sondern der ganzen Christenheit schaden würde. Der kaiserliche Gesandte sollte den Litauern ebenfalls ausrichten, dass sich Habsburg weder direkt noch indirekt in ihre innenpolitischen Angelegenheiten einmischen werde. Hinzu kam die Absicht Leopolds, die Königinwitwe außer Landes zu bringen, damit keine weitere Unruhe gestiftet werde.38 Inwieweit der Kaiser Vorkehrungen wegen Polen-Litauen traf, zeigt die in Berlin gehaltene Konferenz zwischen seinem Residenten Johann von Goess und den bran34 UA, 19. S. 83 f. Siehe auch gleichenorts die historische Ausführung auf S. 8. Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 123; Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 155. 35 APW, AS 1414. S. 131. 36 Ebd. S. 128; Bobiatyński, Michał Kazimierz Pac. S. 311. 37 APW, AS 1411. S. 283. 38 Ebd.
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denburgischen Geheimen Ratsmitgliedern Lorenz Christoph von Somnitz, Otto von Schwerin, Moritz von Blaspeil und Lorenz Georg von Krockow, wobei Letzterer anmerkte, man müsse auf die Rzeczpospolita Rücksicht nehmen. Im Namen des Kaisers hatte Baron von Goess geantwortet, dass man in Wien „zur Vorkehrung von Schutzmassregeln bezüglich Polens“ stets bereit sei.39 Die Bemühungen der Habsburger um ein Defensivbündnis mit dem polnischen König wurden jedoch seitens Brandenburgs abgelehnt, da Friedrich Wilhelm nach Johann von Hoverbecks Einschätzung der Überzeugung war, dass Polen-Litauen bald Frieden mit den Osmanen schließen würde.40 Auf der anderen Seite habe Jan Sobieski schriftlich den Großen Kurfürsten zu keiner Parteinahme pro oder kontra Frankreich oder Habsburg gedrängt, wobei er seine Beweggründe nicht preisgab. Dies veranlasste wiederum den Brandenburger, den Kaiser zu bitten, die dahinterstehenden Intentionen herauszufinden.41 Christoph Leopold Schaffgotsch hatte bereits festgestellt, dass eine völlige Abhängigkeit von Frankreich auf längere Sicht Polen-Litauen nicht nutzen würde, und betonte die Freundschaft Leopolds I. mit Jan III. Sobieski.42 Nach Angaben der kaiserlichen Vertrauten, der wohlhabenden Warschauer Hofdame Małgorzata Kotowska, wollte jedoch der polnische König auf den neuen französischen Gesandten François de Béthune warten, der gleichzeitig auch sein Schwager war.Verheiratet mit Maria Kazimieras Schwester, maß man de Béthune großen Einfluss auf das polnische Königspaar bei. Jan Sobieski hegte hingegen die Hoffnung, sein Schwager könne als Vertreter Frankreichs mit den Osmanen einen günstigen Frieden aushandeln, da dem König zur Kriegsführung keine Mittel mehr zur Verfügung stünden. Wenige Tage später stellte sich jedoch heraus, dass der Franzose ohne nennenswerte Subsidien am polnischen Hof eintraf. Małgorzata Kotowska beklagte ihrerseits, große Summen an Geld dem König leihen zu müssen, und befürchtete heimliche Verhandlungen mit den Rebellen in Ungarn, hinter denen sie den Wojewoden Aleksander Michał Lubomirski vermutete.43 39 UA, 14, 1. S. 771. 40 Ebd. S. 775. 41 Ebd. S. 777. Jener Bitte kam der Kaiser auch am 3. August 1674 nach. HHStA, GSR 105. S. 198. 42 APW, AS 1414. S. 136 ff. 43 Małgorzata Kotowska (1646–1699), Frau von Adam Kotowski, war eine inoffizielle Botschafterin für den Österreichischen Hof und verhalf zu der Antitürkischen Koalition 1680. Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 108. Dazu mehr unter der Bilderläuterung auf: https://muzeumwarszawy.pl/en/obiekt/portrait-of-marie-casimire-sobieska-1641-1716-queen-of-poland/, letzter Zugriff: 20.04.2022 und Pietrzak, Jarosław:W służbie Jej Królewskiej Mości. Działalność Małgorzaty z Durantów Kotowskiej w kręgu spraw królowej Marii Kazimiery w latach 16751699 [Im Dienst Ihrer Majestät. Das Wirken Małgorzatas von Durant Kotowska bezüglich der Angelegenheiten von Königin Maria Kazimiera in den Jahren 1675-1699]. Auf: https://
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Letzteres ließ die Befürchtung wieder aufleben, die bereits die Wahl eines profranzösischen Königs mit sich trug; sollte Jan Sobieski nämlich mit Ludwig XIV. kooperieren und die Unruhen der zu Habsburg gehörenden aufständischen Ungarn unterstützen, bedeute es eine Schwächung für den Kaiser bei dessen Kriegsführung am Rhein gegen Frankreich. Seit dem Frieden von Eisenburg 1664 und den dadurch entstandenen territorialen Verlusten an die Osmanen sowie der katholischabsolutistischen Regierung Leopolds I. rebellierten ungarische Magnaten immer wieder gegen Habsburg. Diese Aufständischen, auch als protestantische Kreuzeskrieger, kurz Kuruzen bekannt, scheuten vor keiner Gewalt zurück, um ihre Wut über die kaiserliche Bevormundung und Missachtung ihrer alten Rechte zu zeigen. Ihre Verschwörungen richteten sich auch gegen den kaiserlichen Willen, die damals überwiegend protestantischen Ungaren zum katholischen Glauben zurückzuführen. Leopold I. ließ seine kaiserliche Armee deswegen mehrfach in den Osten ziehen, um die Revolten zu beenden.44 Ausgerechnet le roi très chrétien nutzte diesen Konflikt, um Habsburgs Militärmacht durch einen weiteren Kriegsschauplatz zu schwächen und damit die eigene Vormachtstellung in Europa auszubauen. Aus diesem Grund hatte Ludwig XIV. bereits kurz nach der polnischen Königswahl dem Bischof von Marseille sein Wohlgefallen über Jan Sobieskis Erhebung mitgeteilt. Gleichzeitig weihte er den Prälaten in die Pläne gegen den Kaiser und den Großen Kurfürsten ein, sobald ein günstiger Frieden mit der Hohen Pforte ausgehandelt worden sei.45 Den Vorstellungen des Roi-Soleil zufolge sollen nach Ende des Osmanisch-Polnischen Krieges polnische Truppen in Schlesien einfallen, um dadurch einen Krieg mit dem Kaiser vom Zaum zu brechen. Der König von Frankreich beauftragte persönlich seinen Gesandten in Warschau, potenzielle Gegner Habsburgs, wie Hofmarschall Stanisław Lubomirski, anzuwerben und durch diesen gedeckt, die Rebellen in Ungarn für den geplanten Schachzug vorzubereiten.46 Jan Sobieski widmete sich hingegen gänzlich seinen eigenen Kriegsvorbereitungen. Nach Angaben des kaiserlichen Residenten habe sich bereits Mitte Juli 1674 die polnische Armee, bis auf 36 Kompanien, wegen ausstehender Soldzahlungen gegen Jan Sobieski im Aufstand befunden. Zehn Tage später gelang es diesem jedoch, ohne französische Hilfe die nötigen Gelder durch Leihen und eigene finanzielle Mittel
www.wilanow-palac.pl/w_sluzbie_jej_krolewskiej_mosci_dzialalnosc_malgorzaty_z_durantow_kotowskiej_w_kregu_spraw_krolowej_marii_kazimiery_w_latach_1675_1699.html, letzter Zugriff: 20.04.2022; APW, AS 1414. S. 136 ff. Laut Baron von Stom habe die „Kotowskin“ 150.000 Reichsschillinge zur Verfügung gestellt. In: HHStA, GSR 55, I. S. 497. 44 Bérenger, Léopold I.er. S. 273–304; Spielman, Leopold I. S. 63, 81–88; Eickhoff, Venedig. S. 271, 306. 45 Acta, III, 1. S. 54 ff. 46 Ebd. S. 59 f.
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aufzubringen, um sein Heer zu besolden.47 Baron von Stom meldete, wie der polnische König seine Ankunft bei der Armee für den 22. August 1674 ankündigen ließ, um dem Unmut in den eigenen Reihen entgegenzuwirken und die Kriegsvorbereitungen persönlich in die Hand zu nehmen. Denn nach den jüngsten Nachrichten aus Reußen hieß es, dass 500 Türken aus Kamieniec Podolski bei Sambor einen Pass ausgekundschaftet hätten, der nach Krakau führte. Die Befürchtung im Königreich wuchs, dass die Osmanen es auf die Belagerung dieser polnischen Stadt abgesehen hatten.48 Jan Sobieski veranlasste deshalb in der preußischen Stadt Graudenz (Grudziądz) die von den bisherigen Königen vernachlässigten Privilegien wieder einzuführen. Aus Dankbarkeit habe er daraufhin von der Bevölkerung eine Schenkung von 100.000 Reichstalern erhalten, die zu einer Hälfte vor und zur anderen nach der Krönung ausgezahlt werden und der Kriegsführung zugutekommen sollte. Abschließend erwähnt der Gesandtschaftsbericht die fälschliche Nachricht, dass Chocim von den Türken eingenommen worden sei.49 Auch wenn Baron von Stom immer wieder dafür plädierte, den König zu stürzen, führte seine Berichterstattung dazu, dass man deutlich die Schwierigkeiten sehen konnte, denen sich der neue König stellen musste. Christoph Leopold Schaffgotsch erfuhr durch den angereisten Kanzler Pacas, dass Jan III. ein Glückwunschschreiben von Zar Alexei I. Michailowitsch (1629–1676) erhalten hatte, der angeblich den Polen seine Hilfe anbot.50 Bereits 6000 Tataren seien von den Moskowitern geschlagen worden. Laut dem kaiserlichen Gesandten standen die Türken zum Krieg bereit, dennoch sei der Großwesir zur Aufrechterhaltung des Waffenstillstands geneigt, zumal die Perser ins Osmanische Reich eingefallen waren. Ein Umstand, der wiederum Polen-Litauen auf eine Rückgewinnung von Kamieniec Podolski hoffen ließ.51 Die Situation in den Grenzgebieten, die Bemühungen um die Finanzierung der Armee und die Vorkehrungen für die Operationen gegen den „Erbfeind“ haben schließlich das Urteil des Kaisers gegenüber dem polnischen König gemildert. So ordnete er abermals an, den Gegnern Jan Sobieskis den 47 APW, AS 1414. S. 144; HHStA, GSR 55, III. S. 91. 48 HHStA, GSR 55, I. S. 497. Über die Geschehnisse an der Front siehe:Wagner,Wojna polskoturecka. Bd. 2. S. 52–67. 49 HHStA, GSR 55, I. S. 501. 50 Das Glückwunschschreiben Alexeis I. Michailowitsch (1645–1676) mag verwundern, ist in der Forschung schließlich bekannt, dass der Zar politisch sehr zurückhaltend war. Mehr in: Hildermeier, Geschichte Russlands. S. 326. Laut Zbigniew Wójcik war der Wille des Zaren zur Kooperation nur offizieller Natur, insgeheim hätten es die Moskowiter auf die Eroberung der gesamten Ukraine abgesehen. Dazu: Wójcik, Rzeczpospolita. S. 27 f. Im Interesse Moskaus sollte Polen-Litauen weiterhin Krieg gegen die Osmanen führen. Ders., Jan Sobie ski. S. 227 f.; Wagner, Wojna polsko-turecka. Bd. 2. S. 144–151. 51 APW, AS 1414. S. 145 f. Über die Mobilisierung der Osmanen und ihre Vorbehalte wegen der Perser siehe Wagner, Wojna polsko-turecka. Bd. 2. S. 51 f., 59, 62 f.
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Wind aus den Segeln zu nehmen, keine Unterstützung für eine erneute Krönung seiner Schwester auf den polnischen Thron aus finanziellen und rechtlichen Gründen zu leisten und stattdessen den amtierenden König zu bestärken52 – zum Wohle der Christenheit. Ende Juli 1674 erreichte die Schwester des Kaisers die Stadt Thorn, wo sie freundlich empfangen wurde. An ihre Seite stellte Leopold I. einen neuen Gesandten, den Landeshauptmann von Gradisca, nämlich Graf Franz von Thurn, der von den bisherigen kaiserlichen Diplomaten instruiert worden war. Gleichzeitig wurde Christoph Leopold Schaffgotsch samt Frau und Tochter Mitte August aus dem Dienst der Königinwitwe freigestellt und kehrte nach Breslau zurück.53 In seinem letzten Schreiben aus Thorn an den Kaiser merkte er erneut an, dass die Polen keine beständige Nation seien, weswegen man mit ihnen behutsam umgehen müsse und man sich auf sie wenig verlassen solle.54 Zur Bestürzung Jan III. Sobieskis hatte der kaiserliche Gesandte die Rzeczpospolita ohne offizielle Verabschiedung verlassen, während der König am 22. August 1674 zur Armee abgereist war.55 Der schwedische Gesandte Anders Lilliehöök erhielt wenige Tage später eine Audienz beim polnischen König, um 3000 Mann zur Unterstützung anzubieten, selbst Brandenburg bot 1200 Mann im Kampf gegen die Osmanen an. Jan III. S obieski verlangte jedoch, vielmehr die kurländischen Truppen aus Holland zurückzubeordern, da „so viel Volck aus seinen gebiethen nach hollandt verkaufet“ worden war. Der Abzug jener Truppen stellte wiederum einen militärischen Vorteil während des Holländischen Krieges für Frankreich dar. Nach einer Beratung des Großen Kurfürsten mit seinem Gesandten Hoverbeck sollte die Hälfte der kurländischen Truppen abberufen oder ausreichend Subsidien angeboten werden, um den König zu beschwichtigen.56 Ende August neigte Jan Sobieski jedoch wieder zum Frieden mit der Hohen Pforte, weil die Anzahl der moskowitischen Hilfstruppen gering war und zu ihrem Unterhalt zusätzliche Mittel bedacht werden mussten. Immer mehr begann er auch zu zweifeln, der Übermacht der Türken standhalten zu können.57 Ebenso wie Christoph Leopold Schaffgotsch wurde auch Baron von Stom Ende August aus den Diensten der Königinwitwe entlassen; er blieb aber noch wenige Wochen im Königreich und beobachtete misstrauisch die Unterredungen zwischen 52 53 54 55 56
Siehe auch den Brief vom 16. August 1674 in: HHStA, GSR 55, I. S. 523. Mehr zu ihm in: Krebs, Schaffgotsch. S. 541. HHStA, GSR 55, III. S. 128. Wagner, Wojna polsko-turecka. Bd. 2. S. 68. HHStA, GSR 55, I. S. 516;Vgl. Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 120 ff.; Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 155. Über die Rolle Brandenburgs im Holländischen Krieg siehe ebd. S. 156–160; Lynn, The Wars. S. 132 f. 57 So im Brief vom 28. August 1674 an den Kaiser, in: HHStA, GSR 55, I. S. 553;Vgl. Wagner, Wojna polsko-turecka. Bd. 2. S. 55.
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den Vertretern der polnischen Krone und dem schwedischen Gesandten. Laut dem Baron habe sich in Warschau Maria Kazimiera und der Krakauer Wojewode nachteilig über Eleonore ausgesprochen. Inoffiziell berichtete Peter Ignaz von Stom bis Ende Juli nach Wien, dass Verhandlungen zwischen Polen und Schweden geführt worden seien, um die Königinwitwe mit dem 18-jährigen schwedischen König zu verheiraten.58 Einer seiner Vertrauten berichtete ihm, dass, wenn nicht der breslauer Gesandte, dann der preußische zur kaiserlichen Interessensvertretung in Warschau erwartet wurde. Weiter heißt es, dass die Zufuhr nach Kamieniec Podolski abgeschnitten worden sei, Chocim sogar gänzlich ruiniert sei. An der Seite Jan Sobie skis verharrte sein Schwager Mykolas Radvila und selbst Mykolas Pacas stellte ihm seine litauische Armee mit 12.000 Mann zur Verfügung. Der polnische König sei bereits inkognito in Lemberg angereist.59 Die Unterstützung des litauischen Großhetmans legt die Vermutung nahe, dass es zu einer Annäherung zwischen ihm und Jan Sobieski kam, jedoch sollte die im Folgenden beschriebene Post aus Schlesien seinen Sinneswandel infrage stellen. Am 4. September 1674 berichtete Christoph Leopold Schaffgotsch nach Wien vom Besuch des litauischen Feldherrn in Breslau. Mykolas Pacas hatte sich über die blinde Dienstbarkeit der Polen gegenüber ihrem König beklagt. Auf die Frage nach seiner persönlichen Meinung zur Rzeczpospolita erwiderte Schaffgotsch, dass der litauische Großhetman zum Schutz der Christenheit handeln solle und es keine Ursache gebe, die gute Nachbarschaft zwischen Habsburg und Polen-Litauen anzuzweifeln. Mykolas Pacas bat hingegen, dem Kaiser erneut zu empfehlen, sich den Moskowitern anzuschließen, und legte ihm nahe, Jan Sobieski allein gegen die Tataren zu hetzen, um den König loszuwerden.60 Einen solchen Vorschlag lehnte der schlesische Oberlandeshauptmann jedoch gemäß seinen kaiserlichen Instruktionen und möglicherweise auch aus persönlicher Sympathie für den polnischen König strikt ab. Bezüglich der Erwartungshaltung über einen Interessensvertreter des Kaisers in Warschau wurde bereits ein neuer Akteur instruiert und ins Königreich entsandt.
58 HHStA, GSR 55, I. S. 556. Inoffiziell berichtete der Baron von Stom Ende Juli, dass Verhandlungen zwischen Polen und Schweden getroffen worden sind, die Königinwitwe neu zu verheiraten. Siehe HHStA, GSR 55, II. S. 212. In einem Schreiben des Kaisers an Zierowski wird darauf hingewiesen, dass hierzu die nötigen Heiratsbriefe fehlen würden. HHStA, GSR 105. S. 192. 59 Brief vom 3. Oktober 1674 in: HHStA, GSR 55, I. S. 586 f. 60 HHStA, GSR 55, III. S. 143–148. Im Endeffekt schloss sich Mykolas Pacas der königlichen Armee am 21. Oktober 1674 an, um gemeinsam gegen die Türken in den Krieg zu ziehen und diesen länger hinauszuzögern. Bobiatyński, Michał Kazimierz Pac. S. 314; Codello, Aleksander: Litwa wobec wojny z Turcją 1672–1676 [Litauen gegenüber dem Krieg mit der Türkei 1672–1676]. In: Studia i Materiały do Historii Wojskowości. Bd. 14 (1969). H. 1. S. 22.
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An die Stelle Peter Ignaz von Stoms und Christoph Leopold Schaffgotschs trat als wichtigster Korrespondent und neuer Resident in Polen-Litauen der kaiserliche Generalleutnant Johann Christoph Zierowski,61 der eine zentrale Rolle bis zum Entsatz von Wien spielen sollte. Bedauerlicherweise nimmt die Berichterstattung im Vergleich zur ausführlich dargestellten Königswahl wegen der geringen Anzahl seiner Korrespondenzen stark ab. Er erhielt bereits am 21. Juli 1674 die kaiserliche Anweisung, zuerst nach Schlesien und dann zur Königinwitwe zu reisen, um sich entsprechend bei den beiden ehemaligen Gesandten über die Lage in Polen-Litauen zu informieren. Johann Zierowski wurde auch beauftragt, den polnischen König mit der Rzeczpospolita auszusöhnen, dem neuen Königspaar den gebührenden Respekt und eine aufrichtige Ehrerbietung zu zeigen und sich auch mit allen Magnaten des Warschauer Hofs in gutes Einvernehmen zu setzen, um sie für die Interessen der Königinwitwe zu gewinnen. Leopold I. mahnte ihn jedoch, aufgrund der Geschehnisse während der Wahl, niemandem zu trauen, sämtliche ihm vorgetragene Klagen zur Kenntnis zu nehmen und darüber einzig dem Kaiser zu berichten. Nach der Erfahrung mit den bisherigen Gesandten wurde Johann Zierowski eindringlich angewiesen, seine eigene Meinung nicht vor Ort kundzutun, sich passiv zu verhalten und jedem mit einem „vernunfftigen mistrauen“ entgegenzutreten, wobei er über die bisherigen Vertrauenspersonen am Warschauer Hof durch Schaffgotsch, Stom und den Grafen von Thurn eingeweiht werden sollte.62 Anfang August kam Johann Zierowski in Breslau an und begab sich Ende des Monats nach Lublin, wo sich Jan Sobieski aufhalten sollte. Vor Ort bemerkte der neue Resident, dass lediglich die einfachen Soldaten ohne den Adel ins Feld beordert wurden, und dass erste „rebellen undt kezer“ aus den benachbarten und kaiserlichen Landen zusammengezogen wurden. Aus seinem Brief wird jedoch nicht ersichtlich, ob es tatsächlich zu einer Audienz kam, und es scheint auch nicht naheliegend, da sich der polnische König am 29. August 1674 im rund 50 km südlich gelegenen Pilaszkowice aufhielt.63 Als Vorsichtsmaßnahme für eine mögliche Verlegung des Krieges durch die Türken nach Ungarn war bereits der kaiserliche Resident in Konstantinopel, Johann Christoph von Kindsberg, beauftragt worden, allen gegen Habsburg gerichteten Tendenzen am Bosporus entgegenzuwirken.64 Im 61 Johann Zierowski unterzeichnet mit „Hans“ die an den Kaiser adressierten Briefe, weshalb er unter diesem Namen auch in der Forschung bekannt ist. 62 HHStA, GSR 105. S. 193 f. 63 Brief vom 31. August 1674 in: HHStA, GSR 105. S. 203; Wagner, Wojna polsko-turecka. Bd. 2. S. 68 f. 64 Diese Vorsichtsmaßnahme wurde bereits Christoph Leopold Schaffgotsch am 10. Juni 1674 mitgeteilt. APW, AS 1411. S. 259. Über die Geschehnisse in Konstantinopel während des Polnisch-Osmanischen Krieges siehe die Berichterstattungen der kaiserlichen Residenten. In: Woliński, Janusz: Wojna polsko-turecka 1672–1676 w świetle relacji rezydentów austriackich
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September folgte die Nachricht an den Hofkriegsrat, dass die osmanische Streitmacht durch zu verlegende Truppen nach Asien abgenommen habe und daher keine größere Armee aufgestellt werden könne. Dass der Kaiser Johann Zierowski über diese Sachverhalte informierte, lässt darauf schließen, wie Leopold I. gewillt war, durch die Weitergabe seiner Informationen PolenLitauen zu unterstützen.65 Es geht jedoch aus den vorhandenen Quellen nicht eindeutig hervor, ob dieser Hinweis auf die Osmanen durch den kaiserlichen Gesandten zu Jan Sobieski vorgedrungen war. Stattdessen schickte Johann Zierowski nach Wien die Nachricht, dass er nach Krakau reisen müsse und ihm nahegelegt werde, dort bis zur Krönung zu bleiben.66 Nach Brandenburg berichtete Johann von Hoverbeck, dass in Warschau darüber gesprochen wurde, dass es dem Neissischen Kanzler Zierowski während des Feldzugs gegen die Osmanen nicht gestattet wurde, sich in des Königs Gegenwart aufzuhalten. Begründet wurde dies zum einen damit, die Kriegsoperationen nicht stören zu wollen, zum anderen sollte verhindert werden, dass die moskowitischen und andere Gesandte auch eine Audienz erhielten. Diese Begründung ließ Brandenburg befürchten, dass eine solche Zurückweisung des Kaisers und des Zaren im Gegensatz zu den Zugeständnissen an Frankreich und Schweden die Gegner Jan Sobieskis feindselig stimmen könnte.67 Jedoch ist diese Anschuldigung in Anbetracht der Abreise des schwedischen Gesandten und des Aufenthalts der restlichen Gesandten in Warschau nicht gerechtfertigt.68 Vielmehr gaben die sich mehrfach ankündigenden Unruhen in Ungarn dem Wiener Hof Anlass zur Sorge. Bereits im Juni 1674 war Christoph Leopold Schaffgotsch als schlesischem Generalleutnant von einem gewissen Stanisław Jaroszewski angetragen worden, mit den Rebellen in Ungarn zu kooperieren. Nach einer erneuten Anfrage im Oktober berichtete der ehemalige Gesandte dem Kaiser darüber und meldete, dieses Angebot abgelehnt zu haben. Christoph Schaffgotsch schlug stattdessen vor, sich in den Dienst des litauischen Feldhetmans Mykolas Radvila zu stellen.69 Nachdem
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w Turcji [Der polnisch-türkische Krieg 1672–1676 im Licht der Erzählungen österreichischer Residenten in der Türkei]. In: SMHW. Bd. 7 (1963). H. 2. S. 324–389. Dazu zwei Briefe: Einerseits vom Hofkriegsrat an den Kaiser vom 17. September 1674 und andererseits vom Kaiser an Zierowski vom 23. September 1674. In: HHStA, GSR 105. S. 205, 212. HHStA, GSR 55, I. S. 606. Laut Johann von Hoverbeck seien viele Adlige aus den Ständen von Großpolen, Łęzyce, Sieradz, Kujawien und Litauen dazu bereit, Gegenmaßnahmen zur profranzösischen Politik des Königs einzuleiten. UA, 19. S. 76. Nach der Abreise des schwedischen Gesandten herrschte Ungewissheit, welche Ziele Jan Sobieski verfolgte, weshalb Peter Ignaz von Stom von Thorn nach Breslau reiste. Manche gingen von einem geheimen Frieden mit der Pforte aus, andere wiederum nicht. In: HHStA, GSR 55, I. S. 556. HHStA, GSR 55, III. S. 153.
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Leopold I. von seinem Geheimen Rat darüber informiert wurde, lobte der Kaiser in seinem Antwortschreiben Schaffgotschs Verhalten und bezeichnete den Vorschlag Jaroszewskis zur Unterstützung der Rebellen als gefährlich und abscheulich. Er trug ihm jedoch auf, das gute Verhältnis mit Stanisław Jaroszewski aufrechtzuerhalten und dessen Briefe im Original aufzubewahren, „dass wenn er ein doppeltes spiel spielt, und wider mich oder euch anderen orths was ungleiches ausbreiten sollte, er dann mit seinen eigenen waffen geschlagen werden könnte.“70 Leopold I. wurde somit vor den sich anbahnenden Schwierigkeiten in Ungarn gewarnt, jedoch veranlasste ihn die Situation während des Osmanisch-Polnischen Krieges, die weiteren Geschehnisse lediglich zu beobachten. Mehrfach hatte sich angedeutet, dass die französische Diplomatie darauf abzielte, Polen-Litauen in einen Krieg mit dem Kaiser zu verwickeln.Versailles erhielt auch das königliche Einverständnis dazu, jedoch unter dem Vorbehalt, dass Leopold I. diesen Krieg beginnen müsse. Damit war jedoch nicht zu rechnen, da auch Toussaint de Forbin-Janson über das Interesse des Wiener Hofs an der Gunst des polnischen Königs berichtete.71 Das wirksamste Mittel Frankreichs, einen Konflikt zwischen beiden Akteuren heraufzubeschwören, war gleichzeitig die Schwachstelle Jans III. Sobieski, nämlich seine Frau Maria Kazimiera. Die französischen Gesandten wurden instruiert, ihre Abneigung gegen das Haus Habsburg zu schüren. Außerdem sollte sie die wichtige Rolle übernehmen, für Frankreich zu berichten und vor ihrem Mann die Interessen Ludwigs XIV. zu vertreten. Entsprechend blieb der französische Gesandte während der Kriegsoperationen an der Seite Maria Kazimieras in ihrer Residenzstadt Jaworiw,72 um von ihrer Nähe zu Jan Sobieski zu profitieren. Der einfachste Weg, sie gegen Wien aufzuwiegeln, war, vor der Königin das Gerücht in die Welt zu setzten, die kaiserliche Schwester Eleonore beabsichtige, ihr ihren Platz an der Seite des Königs streitig zu machen. Dass es sich hierbei um eine Lüge handelte, wurde bereits gezeigt, als die Königinwitwe sich selbst für den Fall, Maria Kazimiera würde tatsächlich vergiftet werden, gegen eine Vermählung mit Jan Sobieski ausgesprochen hatte.73 Das einzige Interesse der Habsburger Diplomatie galt stattdessen der Zahlung einer jährlichen Pension für Eleonore, die, wie bereits im Ehevertrag mit Michael I. vereinbart, bis an ihr Lebensende ausbezahlt werden sollte. Um das gute Verhältnis mit Habsburg zu wahren, hatte sich Jan Sobieski bereits im August 1674 zu den Zahlungen bereit erklärt.Wahrscheinlich stand dahinter auch die Hoffnung, Unterstützung im Krieg gegen die Osmanen zu erhalten. Jedoch interpretiert der Bischof von Marseille jenen Schritt anders, denn er berichtet: 70 Ebd. S. 160. 71 Acta, III, 1. S. 69, 73 f. 72 Ebd. S. 56, 58, 189; UA, 19. S. 79. Über die in der heutigen Ukraine gelegenen Residenzstädte Jan Sobieskis: Jagodzinski, Die Türkenkriege. S. 53. 73 HHStA, GSR 55, II. S. 193.
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[Q]uelque événement qui pust arriver, tel que seroit la mort du Roy de Pologne que l’on menace tous les jours du poison on celle de la Reyne sa femme encore plus odieuse à la Cour de Vienne qui le fait d’autant plus désire qu’on s’y flate […] que le Roy de Pologne espouseroit alors bien volontiers la Reyne Eléonore qui pourroit luy inspirer d´autres sentiments […].74
Diese „sentiments“ sollen Jan Sobieski zur Bewilligung der Pension verleitet und seine Frau rasend vor Eifersucht gemacht haben. Als Maria Kazimiera im September erkrankte, ergriff Ludwig XIV. die Initiative und forderte, im Gegensatz zu den vorherigen Plänen, einen Krieg gegen Brandenburg, um die Kriegshandlungen in Preußen und Ungarn zu eröffnen.75 Aus diesem Grund wurden Verhandlungen zwischen Frankreich, Schweden und Jan Sobieski geführt, doch der polnische König war weiterhin an der Front und wandte ein, dass über eine Allianz nur im Einvernehmen mit dem Sejm in Warschau verhandelt werden könne,76 weshalb er sich vorerst aus diesem französischen Vorhaben heraushielt. Ende Oktober 1674 sah sich Jan III. Sobieski dazu gezwungen, in der Rzeczpospolita verlauten zu lassen, dass er „nicht eher aus dem Feld gehen, undt gecrönt werden, biß Er zuvor Ein considerabiles Vorhaben ins werk würdte gerichtet haben.“77 Die Armee sollte an den Grenzen in des Feindes Land überwintern, was nicht geschehen könnte, würde der König zurückkehren, weil dann alle im Krieg involvierten Senatoren und Offiziellen ihm ins Königreich zur Krönung nach Krakau folgen und die Armee ins Landesinnere nach sich ziehen würden – samt den Tataren. Sorge bereitete Jan III. Sobieski nicht nur die Front, sondern auch der Gesundheitszustand seiner Frau. Im Januar 1675 hatte Joachim Scultetus aus Küstrin (Kostrzyn) dem Großen Kürfürsten, der selber um seinen an einer tödlichen Krankheit früh verstorbenen Sohn Karl Emil trauerte, darüber berichtet, dass Maria Kazimiera an Tuberkulose erkrankt war. Da zu diesen Zeiten eine Heilung ungewiss war, drängten französische Minister die Königin, zu ihren Lebzeiten ihren Mann zu verpflichten, nach ihrem Tod die Prinzessin von Neuburg zu heiraten, um dem Haus Habsburg alle Hoffnungen auf die Thronfolge Eleonores zu nehmen.78 Die 74 Acta, III, 1. S. 111. 75 Ebd. S. 134; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 71. 76 Mit diesen Neuigkeiten konnte Joachim Scultetus nach seiner Unterredung mit dem Krongroßkanzler den Großen Kurfürsten wegen der Befürchtung einer Allianz mit Schweden beruhigen. Jedoch wurde ihm die Hoffnung genommen, dass Polen-Litauen Brandenburg beim Nordischen Krieg unterstützen würden. Siehe in: UA, 19. S. 80. 77 HHStA, GSR 55, I. S. 607. 78 Joachim Scultetus wurde von Friedrich Wilhelm dazu beauftragt, mit dem königlichen Großkanzler Leszczynski über das Verhältnis zwischen Polen und Schweden zu reden. Während
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Befürchtung wuchs, dass sich die kaiserliche Schwester zunehmend in Gefahr befände. Als dann Johann Zierowski nach Verhandlungen mit Jan Sobieski am 5. Februar 1675 aus Lemberg nach Wien berichtete, riet er Leopold I., Eleonore außer Landes bringen zu lassen.79 Die Reaktion darauf ließ nicht lange auf sich warten. Als Sonderbeauftragter des Kaisers wurde der Italiener Alessandro de Fin von Wien nach Polen–Litauen entsandt, wo er der Königinwitwe in Thorn einen kurzen Besuch abstattete und Jan Sobieski Ende Februar 1675 vor Pawołocz traf.80 Laut den Angaben von François de Béthune war der Baron Tag und Nacht die gefährliche Strecke von Lemberg bis an die Front zu Fuß gegangen, um beim polnischen König vorzusprechen. Seine Ausführungen während der Audienz bei Jan Sobieski sollen dem französischen Gesandten zufolge plausibel geklungen haben. So habe Alessandro de Fin vorgeschlagen, den Aufenthaltsort der Königinwitwe von Thorn nach Schlesien zu verlegen und dabei die Bitte geäußert, die jährliche Pension auch außerhalb der Rzeczpospolita zu zahlen. Sein Aufenthalt war sehr kurz, aber vor Ort ließ der Baron verlauten, dass man sich in Wien über die polnische Unterstützung der ungarischen Rebellen gegen den Kaiser empöre. Bei der Audienz des Gesandten mit dem König hieß es jedoch: „il [Jan Sobieski ] ne le fit pas.“81 In Anbetracht der Zugeständnisse des polnischen Königs an Ludwig XIV. schenkte man dem kaiserlichen Gesandten keinen reinen Wein ein, denn die Vorgänge in Ungarn waren vom Kronhofmarschall Stanisław Lubomirski genehmigt worden, damit Jan III. Sobieski die Verantwortung von sich weisen konnte.82 Die Geschichte sollte sich ähnlich wenige Jahre später wiederholen, als Frankreich eine Rechtfertigung darüber forderte, warum Truppen unter Hieronim Augustyn Lubomirski, angeblich ohne Wissen des polnischen Königs, den Kaiser unterstützten. Obgleich diverse Zugeständnisse gemacht und Vorkehrungen auf Geheiß der Franzosen getroffen wurden, bedeutete dies nicht, dass man in Versailles Jan III. Sobieski blind vertraute. Besonders die vom Residenten Johann Zierowski geführten Unterredungen über die kaiserliche Unterstützung bei den Friedensverhandlungen mit den Osmanen gaben dem französischen Gesandten Grund zur Sorge. Man befürchtete sogar ein doppeltes Spiel des polnischen Königs, da Jan Andrzej Morsztyn kontinuierlich Anfragen für kaiserliche Subsidien stellte, die er nach dem Holländischen Krieg von Habsburg zu erhalten erhoffte.83 Der im Dienst Eleono-
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dieses Gesprächs erfuhr er ebenfalls vom Zustand der Königin. In: UA, 19. S. 81; Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 160. HHStA, GSR 105. S. 222. Wagner, Wojna polsko-turecka. Bd. 2. S. 114. François de Béthune erhielt diese Nachricht bei seiner Ankunft in Bracław. In: Acta, III, 1. S. 194 f. Acta, III, 1. S. 69; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 70 f. Acta, III, 1. S. 173, 195.
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res stehende Franz von Thurn erfreute sich nach eigenen Angaben ebenfalls einer großen Popularität bei den hohen Würdenträgern am Warschauer Hof. Er erweckt durch seinen Bericht den Eindruck, dass sich die Polen um ein gutes Verhältnis mit Habsburg bemühten, dies nur ungeschickt zeigten. Zwar waren das Königspaar und die Königinwitwe jeweils eher zurückhaltend, doch scheiterte eine positive Korrespondenz zwischen beiden Parteien lediglich an der Frage, wer zuerst einen Brief aufsetzen dürfe. Als Jan Sobieski erklärte, Eleonore schreiben zu wollen, verwarf er diese Absicht kurze Zeit später. Aus diesem Grund ließ Franz von Thurn den polnischen König wissen, dass die Königinwitwe nur ehrenvoll von ihm spreche und keine Antipathie gegen dessen Frau hege.84 In der Zwischenzeit bereiste Eleonore Warschau, Danzig, Marienburg und Elbing und besuchte Kirche und Kloster von Pelplin, bevor sie nach kaiserlicher Anweisung ihren Hofstaat von Thorn in die oberschlesische Stadt Neiße (Nysa) verlegte. Im Zuge ihrer Abreise kümmerte sich Franz von Thurn um die Briefe an die polnischen und litauischen Senatoren, die Sicherung der Pension und Bewahrung des guten Rufs der Königinwitwe.85 Es wurde abermals großer Wert darauf gelegt, dass alle Gegner des neuen Königs, die sich an Eleonore wendeten, zur Ruhe ermahnt wurden. Damit sollte indirekt das kaiserliche Wohlwollen gegenüber Jan Sobieski bewiesen werden. Auffällig ist auch, dass Leopold I., trotz der Verschwiegenheit der Polen, über die Ereignisse an der Front 1675 durch die Berichterstattung von Johann Zierowski Bescheid wusste.86 Jedoch wurde im März die Stimmung des kaiserlichen Hofs erneut getrübt. Laut einem Bericht an Simon Arnauld de Pomponne soll es in Warschau eine Versammlung von Litauern gegeben haben, von denen die meisten Mykolas Pacas’ Anhänger gewesen seien. Sie forderten die Königinwitwe zurück auf den Thron; sollte dies jedoch nicht möglich sein, würden sie unter der Protektion Moskaus die kaiserliche Schwester zur Großfürstin von Litauen ernennen und mit Herzog Karl V. von Lothringen verheiraten.87 Ob sich dieser Protest, entgegen dem kaiser-
84 Relation des „Franciscus Comes à Turri“ in: HHStA, Polen I, 78. S. 198. Es kam auch zu keinem Zusammentreffen zwischen König und Königinwitwe, denn nulla fuit aparentia seu dispositio ad tales amoris et vicissitudinis demonstrationes. Ebd. S. 201. 85 Ebd. S. 196. Leider wurde dieses Antwortschreiben auf die kaiserliche Instruktion nicht datiert. Siehe den Brief vom 10. März 1675 an die polnischen Senatoren, in: HHStA, Polen III, 63 (Radziwill). S. 38. Otto Forst de Battaglia ging davon aus, dass jener zur Königin entsandt wurde, um die Königin „heimzuholen“ – dem war jedoch nicht so. Ders., Jan Sobieski. S. 71. 86 HHStA, Polen I, 86. S. 44–50. Franz von Thurn hatte sich beim Kaiser darüber beklagt, dass die Polen mehr dazu geneigt waren herauszufinden, welche Absichten das Haus Habsburg verfolgte, als die eigenen Pläne bezüglich des Türkenkrieges zu offenbaren. In: HHStA, Polen I, 78. S. 199. 87 Acta, III, 1. S. 198.
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lichen Willen, tatsächlich in Warschau zutrug, sei dahingestellt. Doch gelangte damit selbst nach Frankreich die Nachricht über die Unzufriedenheit der Litauer, durch die eine Spaltung der Rzeczpospolita befürchtet wurde. Um dies zu verhindern, musste insbesondere der Zustand der Armee verbessert werden. Der stetige Geldmangel veranlasste letztendlich Jan III. Sobieski dazu, am 13. Juni 1675 in den geheimen Vertrag von Jaworiw mit Frankreich einzuwilligen, in dem sich Ludwig XIV. zu Zahlungen an Polen-Litauen verpflichtete, sobald es zu einem Krieg mit dem Kaiser oder Brandenburg kommen würde.88 Die französische Fraktion erstarkte, während sich die kaiserliche Partei nicht durchsetzen konnte. Fast schon verzweifelt stellte Leopold I. fest, dass sein „Erbkönigreich, und landen in augenscheinlicher Gefahr“ vor dem Ruin stünden. Neben Frankreich, Schweden und den Rebellen in Ungarn – so wurde ihm berichtet – habe man noch mehr Feinde in Transsilvanien zu befürchten, weshalb Habsburger Vertreter am Warschauer Hof mittels großer Geldversprechungen für ihn zu verhandeln versuchten. In Schlesien wurden schließlich kaiserliche Truppen postiert und weitere Rekrutierungen sollten folgen. Doch für die Reichskassen wurde die Belastung durch die vielen Kriegsschauplätze zu groß, weshalb Spanien und Holland um Subsidien gebeten werden sollten. Besonders groß war die Angst des Kaisers davor, dass ein Frieden zwischen Polen-Litauen und der Hohen Pforte einen osmanischen Einfall in Ungarn zur Folge haben würde.89 Während man in Wien mit Sorge die kriegerischen Auseinandersetzungen verfolgte, widmete man sich in der Woiwodschaft Ruthenien ganz anderen Problemen: Nach längerer Krankheit beabsichtigte Maria Kazimiera, nach ihrer Genesung zu demonstrieren, dass sie Jan Sobieski eine würdige Königin sei. So veranstaltete sie etwa am 25. Juni 1675 ein großes Fest in Jaworiw zu Ehren des heiligen Johannes, dem Namenspatron ihres Mannes. „Les plus belles du Royaume et en plus grand nombre“ nahmen an den Feierlichkeiten teil, die sich laut einem offiziellen Bericht des polnischen Hofes mit gutem Essen und einer Ballettaufführung auszeichneten. Es wurde bis zum Tagesanbruch gefeiert und mit einem Feuerwerk entlang des Schlosses ein krönender Abschluss geschaffen.Wenige Tage später ritt der König zurück an die Grenzgebiete in Richtung Lemberg. In Warschau empörte man sich allerdings über jene Festlichkeiten, die Anlass dazu gaben, Jan III. Sobieski mit Nero zu vergleichen, der auf der Harfe spielte, während Rom auf seinen Befehl brannte.90 88 Der Vertrag wurde mit dem als Sonderbotschafter ernannten Toussaint de Forbin-Janson und dem Sondergesandten François de Béthune unterzeichnet. In: Acta, III, 1. S. 211. In der bisherigen Geschichtsforschung bewertete man den Vertrag von Jaworiw als Teil der Ostseepolitik Jan Sobieskis, auf die noch im Folgenden eingegangen wird. Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 125 f. 89 Laut dem Brief Leopolds I. an seinen langjährigen Vertrauten Ferdinand Bonaventura Harrach. In: HHStA, Polen I, 86. S. 43–47. 90 Acta, III, 1. S. 218 f. Über die Bedeutung von Feierlichkeiten zur Demonstration von Kontinuität siehe: Jagodzinski, Die Türkenkriege. S. 99.
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Jedoch war es wohl genau das, was die hohen Offiziere brauchten, denn wenige Wochen später, am 24. August 1675, führten sie unter dem Oberbefehl ihres Königs die polnisch-litauische Armee in Lesienice zu einem ruhmreichen Sieg gegen die Türken.91 Lediglich die unter dem Befehl von Mykolas Pacas stehenden Litauer stellten eine erneute Gefährdung der Operationen dar, weil sie ohne Bezahlung nicht weitermarschieren wollten, wodurch eine erneute Offensive nicht möglich wurde. Zwar blieb der litauische Großhetman mit seinen Männern in den Grenzgebieten, bis sie offiziell durch Jan Sobieski Ende des Jahres entlassen wurden, jedoch kam es zu Streitereien zwischen Mykolas Pacas und dem seinem Befehl unterstehenden Feldhetman Mykolas Radvila.92 Insgesamt stellte das Verhalten einiger Litauer ein Ärgernis für Jan III. Sobieski dar, doch dem nicht genug, gab auch Friedrich Wilhelm von Brandenburg dem polnischen König Grund zur Unzufriedenheit, da seitens Berlins keine erneuten Hilfstruppen geschickt werden sollten und stattdessen die Post und der Handel in Danzig behindert wurde.93 Da jedoch die Kampfhandlungen zwischen Polen-Litauen und dem Osmanischen Reich abnahmen, wurde es für Jan Sobieski Zeit, sich der eigenen Machtkonsolidierung durch die noch ausstehende Krönung zu widmen. Ähnlich wie Maria Kazimiera alles unternahm, sich ihrer hohen Position als neue Königin würdig zu erweisen, versuchte Jan Sobieski, seine Herrschaft unter den europäischen Mächten zu konsolidieren. Er forderte sogar Ludwig XIV. auf, ihn als Majestät anzuschreiben, mit der Begründung, dass dies der römisch-deutsche Kaiser und der König von Spanien ebenfalls täten.94 Zuvor war ihm lediglich der Titel „Prince“ eingeräumt worden – doch bedeutete dies nur den ersten Schritt
91 So in den Ausführungen in: Acta, III, 1. S. 220–223. Mehr zur Schlacht bei Lesienice in: Wagner, Wojna polsko-turecka. Bd. 2. S. 176–187; Woliński, Z dziejów. S. 156–160; Hundert, Husaria koronna. S. 383–385. 92 Acta, III, 1. S. 233;Wagner,Wojna polsko-turecka. Bd. 2. S. 203; Matwijowski, Pierwsze sejmy. S. 43. Mehr zu den Streitigkeiten bei Bobiatyński, Michał Kazimierz Pac. S. 316–319, 323–332; Codello, Litwa wobec wojny z Turcją. S. 23 f. Siehe auch den Brief vom 1. August 1675 von Jan Sobieski an seine Frau über den Frust gegenüber dem Handeln der Litauer in: Zeller (Hg.), Jan Sobieski. S. 74. 93 UA, 19. S. 87 f. 94 Acta, III, 1. S. 231. Die Bedeutung der Anrede hat in der Vergangenheit schon immer eine wichtige Rolle gespielt. In der Forschung heißt es bisweilen, wenn der Kaiser einen Herrscher als König bezeichnet, so wird er dadurch in die „Familie der Könige“ aufgenommen. Dögler, Franz: Die „Familie der Könige“ im Mittelalter. In: Ders., Byzanz und die europäische Staatenwelt. Darmstadt 1964. S. 34–69. Ein weiteres Beispiel im Mittelalter siehe in: Thorau, Peter:Von Karl dem Großen zum Frieden von Zsitva Torok. Zum Weltherrschaftsanspruch Sultan Mehmeds II. und dem Wiederaufleben des Zweikaiserproblems nach der Eroberung Konstantinopels. In: HZ. Bd. 279 (2004). S. 333.
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seiner Anerkennung als polnischer König. Aus dem Feldlager benachrichtigte Jan Sobieski am 3. Oktober 1675 le Roi–Soleil über seine Entscheidung, seine Krönung auf den 2. Februar 1676 festzulegen.95 Einen Monat später ließ er schließlich an den polnisch-litauischen Adel ein Universal verfassen, mit der Aufforderung, ab dem 1. Januar 1676 mit der Armee aus den Grenzgebieten zurückzukehren, damit auch sie an dem feierlichen Krönungsakt teilnehmen könnte. Am Tag des 30. Januar sollte die Krönung in Krakau vollzogen werden und die Ankunft von Jan Sobieski wurde für den 29. Januar 1676 angekündigt. Der Krönungssejm sollte wenige Tage nach dem feierlichen Akt folgen.96 Zur Etablierung seiner Familie innerhalb der europäischen Königshäuser bat er im November 1675 den französischen König um die Patenschaft für seine älteste Tochter, Adelajda Teofila Ludwika Sobieska. Als Taufpatin wurde die bayerische Kurfürstin Henriette Adelheid von Savoyen (1636–1676) vorgesehen. Paten für die zweite Tochter, Maria Teresa, sollten die gleichnamige Königin von Frankreich (1638– 1683) und Karl II. von England (1630–1685) werden. Laut Angaben Toussaints de Forbin-Janson soll diese öffentliche Bindung an die Bourbonen den Kaiser in große Sorge versetzt haben. Der Bischof von Marseille berichtet weiter, wie er aus dem Gespräch mit dem kaiserlichen Residenten erfahren habe, dass Leopold I. über die Wahl der Taufpaten für die polnischen Prinzessinnen überrascht sei, und auch darüber, dass der Marquis de Béthune mit dem Cordon bleu für den König zur Krönung angereist war.97 Jenes blaue Band bedeutete die prestigeträchtige Zugehörigkeit zum französischen Ritterorden vom Heiligen Geist und demonstrierte die enge Verbundenheit zwischen Jan Sobieski und Ludwig XIV.98 So hatte Maria Kazimiera ihr Ziel erreicht, die für den Krönungsakt ihres Mannes bereits Anfang des Jahres 1675 ein Geschenk als Zeichen des Bündnisses mit Frankreich gefordert hatte. Sie begrün95 Ebd. S. 234. 96 Im Original vom 7. November 1675 heißt es: „dzien trzydziesty Miesiaca Stycznia obie ramy Coronatiey dzien wtorego Lutego […] do Krakowa Stolecznego Miasta naszego dnia dwudziestego dziewiątego Miesaca Stycznia Wiazd mieć chcemy.“ In: BCzart. Rkps. 430 (Mf. 11575). Nr. 15. Siehe auch: Matwijowski, Pierwsze sejmy. S. 44. 97 Acta, III, 1. S. 242. Maria Teresa Sobieska starb jedoch im selben Jahr, weshalb die Taufe von Adelajda Teofila auf den 19. Juli 1676 verschoben wurde und sie zusammen mit der neugeborenen Tochter Teresa Kunigunde (*4. März 1676) getauft wurde. Siehe dazu: Komaszyński, Michał: Teresa Kunegunda Sobieska. Warschau 1982. S. 7–10; Skrzypietz, Aleksandra: Narodziny i śmierć dzieci w rodzinie Sobieskich [Geburt und Tod der Kinder in der Familie Sobieski]. In: Między barokiem a oświeceniem. Radości i troski dnia codziennego. Hg. v. Stanisław Achremczyk. Ausschwitz 2006. S. 285–288. 98 Das Cordon bleu wurde am 30. November in Żólkiew überreicht. Siehe: Revue Historique de la Noblesse. Bd. 4. Paris 1846. S. 30. Mehr zum Orden vom Heiligen Geist in: Roumegou, Lenaïg: L’Ordre du Saint-Esprit sous Louis XIV. Un instrument au service du pouvoir. 1643–1715. Paris 2017.
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dete ihren Wunsch damit, dass König Michael I. zu seiner Regierungszeit von seinem Verbündeten, dem Kaiser, das Goldene Vlies erhalten hatte.99 Nachdem also in Gegenwart des Habsburger Residenten der französische Gesandte mit solch großzügigen Versprechungen geplänkelt hatte, blieb Ludwig XIV. nichts anderes übrig, als der Patenschaft und der Entsendung des Cordon bleu nachzukommen. Zumindest wurde Versailles im Dezember 1675 die Genugtuung zuteil, von dem getrübten Verhältnis zwischen Polen-Litauen und den Habsburgern zu erfahren. Als sich Johann Zierowski und der polnische König unterhielten, soll sich Ersterer darüber beschwert haben, dass Toussaint de Forbin-Janson eine Rebellion in Ungarn ins Werk setzen wolle. Jan Sobieski soll darauf geantwortet haben, dass er mit Frankreich ein gutes Verhältnis unterhalte und der Überzeugung sei, dass der französische Diplomat nichts Unrechtes unternommen habe. Der König bedauerte vielmehr, dass der Kaiser den Frieden mit der Pforte verhindere und die Moskowiter davon abhielt, ihnen Hilfstruppen zu schicken. Als gute Nachricht konnte der Bischof von Marseille dem Versailler Hof mitteilen, dass Jan Sobieski dafür sorge, dass sich die Rebellen mit Leopold I. nicht einigen würden.100 Inwieweit dieses stimmt, ist nicht sicher, auch während der vergangenen Wahl hatte Toussaint de Forbin-Janson sehr geschickt die Wahrheit beschönigt. Die kaiserliche Seite kann hier jedoch nicht miteinbezogen werden, da die Korrespondenz von Johann Zierowski von Anfang Januar 1675 bis März 1676 fehlt.101 Laut Zbigniew Wójcik verhandelten Alexei I. Michailowitsch und Leopold I. im Jahr 1675 über einen russisch-habsburgischen Vertrag, in dem sich beide dazu verpflichten würden, die „polnische Freiheit“ zu verteidigen, sollte diese gefährdet werden. Für Wójcik ist offensichtlich, dass lediglich Jan Sobieski als Gefährdung für den Frieden gemeint sein muss. Marek Wagner ergänzt, dass in der ersten Fassung des Vertrages Wien und Moskau einen Frieden untereinander aushandelten. Gleichzeitig hätten sie darin die Rzeczpospolita und die Hohe Pforte zu ihren Feinden erklärt, und sich darauf geeinigt, mit ihren Gegnern keine politischen Allianzen einzugehen. Nach Wagner soll dieser Vertrag dank der Außenpolitik Jan Sobieskis
99 Acta, III, 1. S. 175. Am 30. November 1676 wurde diese Aufnahme in den Orden in Żółkiew gefeiert. Siehe dazu: Jagodzinski, Die Türkenkriege. S. 99 f.; Burnatowa, Irena: Płaszcz kawaleru orderu św. Ducha ofiarowany królowi Janowi III Sobieskiemu [Der König Jan III. Sobieski dargebrachte Ordensmantel vom Heiligen Geist]. In: Studia do dziejów Wawelu. Bd. 5 (1991). S. 309–375. Barącz, Sadok: Pamiątka miasta Żółkwi [Erinnerungen an die Stadt Żółkiew]. Lemberg 21877. S. 110 f.; Niedźwiecki, Mikołaj: Z przeszłości Żółkwi [Aus Żółkiews Vergangenheit]. Lemberg 1908. S. 52 f. 100 Acta, III, 1. S. 243. 101 Im HHStA sind sämtliche Briefwechsel von 1674–1683 einsehbar. Lediglich die Korrespondenzen Johann Zierowskis im Jahr 1675 fehlen fast gänzlich und hinterlassen eine große Lücke bezüglich des Verhältnisses zwischen Polen und Österreichern.
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abgemildert worden sein. Ein solches Abkommen trat jedoch durch den Tod des Zaren nie in Kraft.102 Nach dem bisherigen Verhalten Leopolds I. besteht die Wahrscheinlichkeit, dass hier sowohl Zar als auch Kaiser dem bereits erwähnten Wunsch Mykolas’ und Kristupas Zigmantas Pacas’ nachgekommen sind, in Verhandlungen zu treten. Der erste Vertragsentwurf mag ganz im Sinne der Litauer verfasst worden sein, doch ist es nach dem Verhalten Leopolds I. während der Königswahl naheliegend, dass er diesem Abkommen den Wind aus den Segeln nahm, indem er sich mit dem Zaren lediglich zum Garanten der im Rahmen der Rzeczpospolita geltenden Rechte machte. Für diese Vermutung spricht ein kaiserlicher Brief vom 10. Januar 1676 an Friedrich Wilhelm. Darin sagte Leopold I. dem Großen Kurfürsten seine Unterstützung zu, wenn Polen-Litauen tatsächlich ein Bündnis mit Schweden schlösse. Jedoch glaube der Kaiser in Anbetracht der bisher erhaltenen Nachrichten und der gegenwärtigen Umstände nicht, dass der König von Polen ein solches eingehen würde. Zur Beschwichtigung Berlins wurde Johann Zierowski beauftragt, von möglichen antipreußischen Plänen nach Wien zu berichten.103 Zusätzlich entsandte der Kaiser anlässlich des Krönungssejms (sejm koronacyjny) seinen Hofrat, Freiherrn Johann Heinrich Herwart von Hohenburg, Allmannshausen und Biberkor, als außerordentlichen Gesandten zu Jan III. Sobieski mit einem Schreiben, in dem er ihn als serenissimum et potentissimum Poloniae regem bezeichnete. Diesen Gesandten schickte er, um den König zu seinen vielfältigen Erfolgen zu beglückwünschen, die Vorbereitungen für ein gemeinsames Bündnis in die Wege zu leiten und die Angelegenheiten der Königinwitwe, seiner Schwester Eleonore, zu klären. Mit dem Appell an die Vernunft wurde in diesem Brief der polnische König gebeten, seinen löblichen Eifer nicht nur dem Bourbonen, sondern auch dem Haus Habsburg entgegenzubringen und dem Kaiser seine Zuneigung zu bewahren.104 Umso erstaunlicher sind die wohl aus der Luft gegriffenen Berichte der französischen Minister, die noch am Tag der Krönung über Bemühungen der kaiserlichen Diplomaten schreiben, die Krönung Maria Kazimieras verhindern zu wollen, um damit die Königinwitwe auf dem Thron zu halten.105 Eleonore hatte jedoch schon längst Polen-Litauen verlassen.
102 Wójcik, Rzeczpospolita. S. 60; Wagner, Wojna polsko-turecka. Bd. 2. S. 207. 103 Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Hg. v. Alfred F. Pribram. Berlin 1891. Bd. 14, 2. S. 849.Weiter abgekürzt als „UA, 14, 2.“ 104 BCzart. Rkps. 3487 (Mf. 11031). S. 505. 105 So heißt es im Original: „Les Austrichiens font leurs derniers efforts pour empescher que cette Princesse (Maria Kazimiera) ne soit couronnée avec le Roy son mary.“ In: Acta, III, 1. S. 247; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 75. Zu der Annahme führten wohl die Aussagen der litauischen Pacas, die um Unterstützung von Habsburg und Hohenzollern für die Verhinderung der Krönung baten. Dazu: Codello, Litwa wobec polityki bałtyckiej. S. 22.
5.1 Die Krönung in Krakau und der Frieden von Żurawno
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5.1 Die Krönung in Krakau und der Frieden von Żurawno
An einem Donnerstag, dem 30. Januar 1676, erfolgte in voller Pracht der „eines großen Königs würdige“ Einzug in Krakau. Alle hohen Würdenträger der Rzeczpospolita ritten auf ihrem Weg durch die Altstadt zum Königsschloss auf dem Wawel nacheinander, entsprechend ihrem Rang und ihrem Amte, durch die vom Volk reich besuchten Straßen. Gleich nach den Bischöfen folgte der französische ambassadeur extraordinaire Toussaint de Forbin-Janson, der dem polnischen König voranschritt. Jan III. Sobieski wurde unter einem Baldachin bis zur Krakauer Vorstadt geleitet und vom Bürgermeister empfangen.106 Traditionsgemäß wurden tags darauf die einbalsamierten Leichname der beiden ehemaligen, 1672 und 1673 verstorbenen Könige, Jan II. Kazimierz Waza und Michael I. Korybut Wiśniowiecki nach der Messfeier in der Floriansbasilka im Rahmen des mortorio in den Katakomben der Kathedrale auf dem Wawel beigesetzt.107 Hierbei ist davon auszugehen, dass gemäß dem kaiserlichen Befehl – der wie bereits erläutert kurz nach der Wahl Jan Sobieskis erteilt wurde – kein Vertreter Habsburgs anwesend war. Am Krönungstag, dem 2. Februar 1676, wurde eine Messe auf dem Krakauer Wawel gefeiert, bei der, in Pontifikatsgewänder gekleidet, der neue Erzbischof von Gnesen, Andrzej Olszowski, in Anwesenheit des geistlichen und weltlichen Adels Polens und Litauens die Feierlichkeiten leitete. Nach dem vom König angestimmten und darauf von allen gesungenen Te Deum wurde auch Maria Kazimiera an seine Seite geführt. König Jan III. Sobieski erhielt vom Primas zuerst die Salbung auf der rechten Hand, dann wurde ihm das Ornat übergestreift, ein Schwert umgegürtet, die Krone aufs Haupt gesetzt und zuletzt der „goldene Apffel“ in die linke Hand sowie das Zepter in die rechte gelegt. Jene Attribute wurden ihm feierlich mit mehreren Gebeten übergeben, um symbolisch den neuen König daran zu erinnern, Königreich,Volk und Kirche zu beschützen und in Recht und Gerechtigkeit den Frieden zu wahren.108 Im Anschluss wurde Jan Sobieski für seine Krönung beglück106 Acta, III, 1. S. 251. Die polnische Beschreibung in: BJ, 5656 (Mf. 12591). S. 3–6. Über den prächtigen Einzug des Königs: Hagenau, Jan Sobieski. S. 388 f.; Forst de Battaglia, Jan Sobie ski. S. 73–75. 107 BJ, 5656 (Mf. 12591). S. 6–9; Załuski, Epistolae, I, 1. S. 594 ff., 678 ff.; Bobiatyński, Konrad: Spór o prerogatywy Buławy wielkiej Litewskiej podczas sejmu koronacyjnego Jana III. Sobieskiego w 1676 roku [Der Streit des Großherzogtums Litauen um die Privilegien des Streitkolbens zur Zeit des Krönungssejms Jans III. Sobieski im Jahr 1676]. In: Milewski (Hg.), Król Jan III Sobieski. S. 164. Mehr zum Zeremoniell beim Krönungsakt polnischer Könige in: Bues, The Elections. S. 375–385. 108 Crzart, 430. Nr. 24. (Mf. 11575). S. 318–333. Diese ins Deutsche übersetzte Beschreibung des Zeremoniells während der Krönung ist in mehreren Punkten fehlerhaft, beispielsweise heißt es darin, dass Jan Stefan Wydżga zu dieser Zeit Erzbischof gewesen sei. Er wurde jedoch erst
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wünscht, wobei ihm der französische Gesandte auch dazu gratulierte, dass er Maria Kazimiera offiziell zu seiner Königin machte.109 Bei dem anschließenden Bankett waren der neue apostolische Nuntius Francesco Martelli und der französische Gesandte Toussaint de Forbin-Janson anwesend. Der Große Kurfürst hatte Johann von Hoverbeck als seinen Sondergesandten zur Krönung geschickt und ihn instruiert, den König von seiner Absicht abzuhalten, mit den Schweden eine Allianz einzugehen und alle Vorurteile über den Kurfürsten zu dementieren, um so ein gutes Einvernehmen zu schaffen. Jan III. Sobieski soll während des Banketts über die Anwesenheit des brandenburgischen Gesandten erfreut gewesen sein, rühmte die Erfolge von Friedrich Wilhelm und versicherte, einen Krieg gegen Brandenburg niemals zu billigen, noch sich dafür benutzen zu lassen.110 Vor Ort war jedoch Johann von Hoverbeck schwer erkrankt und konnte deswegen an den Feierlichkeiten nicht länger teilnehmen. An jenem 2. Februar 1676 soll er sogar in Ohnmacht gefallen sein, weshalb dem Großen Kurfürsten angetragen wurde, zusätzlich Joachim Scultetus als Unterstützung für die Verhandlungen während des Krönungssejms zu schicken.111 Trotz seines Gesundheitszustands hatte der fleißige Johann von Hoverbeck in Erfahrung gebracht, dass die Gegner des Kurfürsten geäußert haben sollen, welch eine Leichtigkeit es sei, Preußen zu erobern. Insbesondere der jesuitische Hofprediger Adrian Pikarski soll den polnischen König ermahnt haben, zur Tat zu schreiten und das Gebiet bei Oder und Saale einzunehmen. Zu Ungunsten des Kaisers vernahm der brandenburgische Gesandte auch, dass Siebenbürgen und die Kuruzen mit dem polnischen König korrespondierten und diesen um Protektion bäten.112 Sein Bericht veranlasste die Forschung zu der Annahme, dass sich die Habsburger Diplomaten von den Feierlichkeiten gänzlich zurückgezogen hätten.113 In Anbetracht des vorausgegangenen Befehls Leopolds I., niemanden zur Krönung zu schicken, kann dies nicht verwundern, doch es bedeutete nicht, dass sich die kaiserlichen Gesandten gänzlich von Krakau fernhielten. Am Wiener Hof wusste man, dank eines auf Deutsch niedergeschriebenen Diariums eines unbekannten Autors, sehr wohl über die Geschehnisse während des im
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1679 Primas, davor war er Bischof von Warmia, 1675 Unterkanzler, 1677 Großkanzler der polnischen Krone. Eine weitere Beschreibung siehe in: BJ, 5656 (Mf. 12591). S. 10 f. Siehe auch die Edition einer deutschen Quelle zur Krönung beider königlichen Majestäten in: Mulryne, James [u.a.] (Hg.): Europa Triumphans. Court and Civic Festivals in Early Modern Europe. Bd. 1. Altershot 2004. S. 430–432. Acta, III, 1. S. 251 f. Für die Krönung der Königin gab es kein aufwendiges Zeremoniell. Siehe dazu: Augustyniak, Wazowie. S. 140 f. UA, 19. S. 91–95. Ebd. S. 95 f. Insbesondere Anm. 5 auf S. 96 f. UA, 19. S. 95 f.; Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 132; Wójcik, Jan Sobieski. S. 249. Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 75. Siehe auch die Auffassung von Kazimierz Waliszewski in: Acta, III, 1. S. 250.
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Anschluss an die mehrtägigen Feierlichkeiten stattfindenden Krönungssejms Bescheid. Zwar geht die Beschreibung nicht auf den Krönungsakt selbst ein, doch anders als im polnischen Diarium sind darin sämtliche Ansprachen der Senatoren während des Sejms, jede einzelne Rede und jegliche Prozedur im Detail enthalten.114 Sogar über die Anwesenheit des Residenten Johann Zierowski, des Interessensvertreters der Königinwitwe, Alessandro de Fin, und des am 19. Februar 1676 angereisten Sonderbeauftragten des Kaisers, Freiherr Johann Heinrich Herwart von Hohenburg, wird darin berichtet.115 Inhaltlich heißt es, dass aufgrund des anhaltenden Kriegszustands Jan Sobieski den Sejm aufforderte, lediglich vier Wochen zu tagen, um sich schnellstmöglich wieder an die Front begeben zu können.116 Die schwerwiegendsten Punkte, die diskutiert wurden, betrafen den noch immer währenden Krieg mit den Osmanen, weitere Möglichkeiten der Finanzierung der Armee, einen Rückblick auf die Geschehnisse der jüngst vergangenen militärischen Operationen und die hierzu nötige Konfliktlösung zwischen den beiden litauischen Feldherren Mykolas Pacas und Mykolas Radvila. Weitere Gesprächsthemen waren die Proteste in Danzig, der Krieg zwischen Brandenburg und Schweden und die Diskussion über die finanzielle Versorgung der Königinwitwe.117 Besonders in der Rede des Erzbischofs, Andrzej Olszowski, wird deutlich, dass man einem solch mächtigen Feind wie den Osmanen ohne vorhandene Mittel nicht weiter widerstehen konnte.118 Und „[…] wenn man einen Krieg anfing, müsste man entweder gewinnen oder verspielen, oder selbigen durch Tractaten schließen.“119 Die größte Kritik galt den benachbarten christlichen Höfen, die man vergeblich um Unterstützung im Krieg gegen den „Erbfeind“ gebeten hatte. Lediglich 114 In der Quelle wird der Begriff sejm koronacyjny als „Krönungsreichstag“ übersetzt, der am 4. Februar 1676 feierlich eröffnet wurde. Der Autor des Diariums ist zwar nicht bekannt, es muss sich jedoch um Abschriften handeln, weil mehrere Kanzleischriften für diese auf Deutsch übersetzte Relation deutlich feststellbar sind. 115 HHStA, Polen I, 78. S. 60–149. So laut der „Copia eines Schreibens“ vom 29. Februar 1676, das im Diarium ebenfalls erhalten ist. Ebd. S. 111.Vgl. dazu das polnische Diarium in: BJ, 5656 (Mf. 12591). S. 14–161. Siehe die weiteren bekannten Fassungen und Inhalte in der Darstellung von: Matwijowski, Pierwsze sejmy. S. 91 f. 116 HHStA, Polen I, 78. S. 75. 117 Ebd. S. 75 ff. Mykolas Radvila hatte bereits um die Unabhängigkeit vom litauischen Großhetman gebeten, um allein den Befehlen des Königs zu unterstehen. Codello, Litwa wobec polityki bałtyckiej. S. 23 f. Zu weiteren Streitigkeiten zwischen den beiden Litauern siehe: Bobiatyński, Michał Kazimierz Pac. S. 323; Pietrzak, Jarosław: Wobec króla i Rzeczpospolitej. Radziwiłłowie w pierwszym dziesięcioleciu rządów Jana III Sobieskiego (1674–1683) [Gegenüber dem König und der Adelsrepublik. Die Radziwills in den ersten zehn Regierungsjahren Jan III. Sobieskis (1674–1683)]. In: Milewski (Hg.), Król Jan III Sobieski. S. 93 f. 118 Andrzej Olszowskis Dankesrede vom 22. Februar 1676 zur Ernennung als Erzbischof von Gnesen, in: HHStA, Polen I, 78. S. 79. 119 Ebd. S. 29.
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die Kurie habe die Kriegsoperationen mit Subsidien unterstützt, die allerdings in Anbetracht der feindlichen Übermacht nur Tropfen auf den heißen Stein seien. Die Hoffnung auf einen Zusammenschluss der Waffen mit Moskau verschwand, weshalb der Primas in Anbetracht eines zu erwartenden Friedens in Europa, durch das für ihn absehbare Ende des Holländischen Krieges, zu einer Kooperation mit dem Kaiser riet.120 Der Osmanisch-Polnische Krieg betraf Habsburg als nächsten Nachbarn am meisten, weshalb der Vorschlag gemacht wurde, Leopold zu bitten, als Vermittler mit den Türken zu verhandeln – sowie bei Frankreich, Dänemark, Schweden, den Venezianern und Holländern wegen der Entsendung von Hilfstruppen anzufragen.121 Eine Vorgehensweise, die nach dem Friedensschluss von Nimwegen 1679 tatsächlich umgesetzt wurde.122 Bemerkenswert ist auch, dass laut der Klage des litauischen Schatzmeisters über die bisherigen kostspieligen Verhandlungen auch mit den persischen Gesandten beraten wurde. Die Dynastie der Safawiden (Ṣafawīyān) war den Polen als Erzfeind des Osmanischen Reiches auch bekannt und mit ihrer Hilfe wäre ein Zweifrontenkrieg möglich gewesen, zu dem es jedoch unter der schwachen Regierung Shah Sulaimāns I.123 nicht kommen sollte.124 Laut dem Diarium zum Krönungssejm wurde mehrfach während der Versammlung die bisherige Beschaffung finanzieller Mittel durch den polnischen König gelobt, die überhaupt erst die Kriegsoperationen im Vorjahr ermöglichten. Weiter heißt es, wie bereits erwähnt, dass sich die polnisch-litauische Armee im August 1675 beweisen konnte, jedoch habe der plötzliche Abzug von Mykolas Pacas zu einer Ge120 Zar Fjodor III. Alexejewitsch war über den Vertrag von Żurawno empört, der ohne Moskaus Wissen und Willen geschlossen worden sein soll. Wójcik, Rzeczpospolita. S. 83. Die Befürchtung habe laut Zbigniew Wójcik im Raum gestanden, dass sich Polen-Litauen und die Hohe Pforte gegen Moskau verbünden würden. Ebd. S. 84–86. 121 Ebd. S. 35, 76. Johann von Hoverbeck soll dem polnischen König den Vorschlag gemacht haben, sich als Mediator bei den europäischen Mächten für einen Friedensschluss starkzumachen. Jan Sobieski sei dem nicht abgeneigt gewesen, um so seine Position in Europa zu festigen. Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 146; Piwarski, Kazimierz: Polityka bałtycka Jana III w latach 1675–1679 [Die Ostseepolitik Jans III. in den Jahren 1676–1679]. Cieszyn 1932. S. 14; Wójcik, Rzeczpospolita. S. 81. 122 Zum sich anbahnenden Frieden von Nimwegen siehe: Lynn, The Wars. S. 156 f. 123 Shah Sulaimāns I. (1666–1694), ebenfalls als Safi II. bekannt. Als Zeichen der guten Beziehungen zwischen Polen und Persern wurde dem damaligen Schah Abbas I. bereits 1608 vom Krakauer Bischof Maciejowski die sog. Kreuzfahrerbibel geschenkt. Siehe dazu den Kommentarband zum Faksimile: Noel,William [u.a.] (Hg.):The Book of Kings. Art,War, and the Morgan Library’s Medieval Picture Bible. London 2002. Der persische Schah war jedoch dafür bekannt, sich aus den Kriegen möglichst herauszuhalten. Sykes, Percy: History of Persia. London 31969. S. 212 ff. 124 Die Rede des litauischen Schatzmeisters vom 3. März 1676 in: HHStA, Polen I, 78. Hier sei darauf aufmerksam gemacht, dass die Nummerierung des Diariums nicht stringent durchgehalten wurde und mithilfe des Datums jene Textstelle gefunden werden kann.
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fährdung der Operationen geführt, da er Mykolas Radvila mit seinen Truppen allein gelassen hatte. Als Rechtfertigung trat der litauische Großhetman nicht persönlich vor den Sejm, stattdessen wurde ein Brief verlesen, in dem er sein Handeln mit seiner körperlichen Schwäche begründete. Er hätte auch empfohlen, den Frieden mit den Osmanen zu schließen und die alten Verträge mit Habsburg zu erneuern,125 womit er allerdings nicht der Einzige war. Mehrfach wurde daraufhin der Wunsch ausgesprochen, einen Gesandten zur Hohen Pforte zu schicken, um einen Waffenstillstand auszuhandeln. Zwar rief man Klerus und Adel dazu auf, selbstlos die Kriegsoperationen finanziell und mit eigenen Truppen zu unterstützen, und erwog, hierfür auch unterschiedliche wirtschaftliche Maßnahmen zu treffen, jedoch reichte dies nicht aus. Umso mehr plädierte man dafür, den Großen Kurfürsten dahin zu drängen, erneut Truppenkontingente zu schicken, zumal sich die Brandenburger erfolgreich am 15. Januar 1676 gegen den schwedischen Einfall in Wolgast gewehrt hatten.126 Gleichzeitig hatte man sich verärgert über die Tatenlosigkeit des kurländischen Herzogs Jakob Kettler geäußert und insbesondere gegenüber der Stadt Danzig, deren Bevölkerung sich teilweise Schweden ergeben wollte. Die Diskussionen führten sogar dazu, dass man die Freiheiten der Städte Thorn, Elbing und Danzig aufheben wollte, um den Krieg finanzieren zu können.127 Wer jedoch nicht verärgert werden sollte, war Kaiser Leopold. Da sich Eleonore außer Landes befand, sah sich der polnische König von der Pflicht befreit, sie weiterhin mit Zahlungen unterhalten zu müssen. Aufgrund dessen erklärte sie sich dazu bereit, umgehend ins Königreich zurückzukehren, sollte ihr Unterhalt unter dieser Prämisse nicht anders verhandelbar sein.128 In ihrem Namen sprach vor dem versammelten Sejm Władysław Rey. Nach Angaben des Wojewoden von Lublin verließ Eleonore das Königreich, um sich mit ihrem Bruder in Wien zu beratschlagen. Leopold I. hielt sich aber nicht in seiner Residenzstadt auf, was ihren Aufenthalt verlängerte. Tatsächlich reiste die Königinwitwe nach Graz, wo sie bis zu ihrer nächsten Vermählung wohnte.129 Pflichtbewusst war ihre Abreise aus Polen 125 Mykolas Pacas Veto vom 26. Februar in: HHStA, Polen I, 78. S. 38. Über seinen Gesundheitszustand: Bobiatyński, Michał Kazimierz Pac. S. 313. 126 Mehr zum Pommernfeldzug in: Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 167–173. Ausführlich in: Müsebeck, Ernst: Die Feldzüge des Großen Kurfürsten nach Pommern 1675–77. In: Baltische Studien. (NF) Bd. 1 (1897). S. 39–60. 127 So vor allem Władysław Rey in seinen Ausführungen in: HHStA, Polen I, 78. S. 40. Siehe auch die Ausführungen vom 28. Februar 1676. 128 HHStA, Polen I, 78. S. 32. Am 21. Februar 1676 wurde dem geheimen Rat vom Kaiser angekündigt, dass die Königinwitwe ihn in seiner Residenz in Graz besuchen werde: HHStA, HA, Inneröster. Hofkammerakten, 12. 129 Die Rede des Wojewoden von Lublin vom 26. Februar 1676 in: HHStA, Polen I, 78. Bzgl. Eleonore siehe die Beschreibung namens „Hochzeit der Königin Eleonora“ in: HHStA, OMeA, ÄZA, 11.
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jedoch erst nach der offiziellen Erlaubnis des Königs und der Senatoren erfolgt. Um nun die Gunst des Wiener Hofs nicht zu verlieren, hatte selbst Kronschatzmeister Jan Andrzej Morsztyn sich dafür ausgesprochen, die Pension weiterhin auszuzahlen.130 Gleichzeitig bekräftigte Johann Zierowski den kaiserlichen Willen zu einer guten Nachbarschaft durch das Verlesen eines Memorials am 5. März 1676, in dem darum gebeten wurde, die pacta et foedera zum Erhalt des Friedens zwischen beiden Mächten zu verlängern.131 Freiherr Johann Heinrich Herwart von Hohenburg nahm wiederum an der königlichen Kommission in Krakau zur Regelung des Unterhalts der Königinwitwe teil. Die Stadt Danzig hatte sich zuvor unter dem Vorwand, erst nach der Krönung von Jan III. Sobieski dazu verpflichtet zu sein, geweigert, für ihre Pension Gelder aufzubringen. Die Kommission stellte dem kaiserlichen Sondergesandten nun im Namen des Königs ein Dekret an das Danziger Portorium aus, wodurch die Zolleinnahmen zur Bezahlung verwendet werden sollten. Dies löste Empörung beim Adel aus und Missbilligung bei der neuen Königin, Maria Kazimiera. Sie ließ die kaiserlichen Gesandten wissen, dass die Unterhaltszahlungen rechtens seien, jedoch ihrer Auffassung nach nur, solange sich Eleonore im Königreich oder Großfürstentum aufhielt. Eine Rückkehr verursache jedoch bei allen nur Missverständnisse und Unzufriedenheit. In der königlichen Audienz zeigte sich Jan III. entschlossen, die Pension unweigerlich und ordentlich zu entrichten, jedoch hatte er das dazugehörige Dekret nicht unterschrieben.132 Angesichts der weiteren Gefahr durch die Osmanen, die in der Walachei und in Ungarn bereits wüteten, bestand nämlich das Problem, aus welchem Topf diese Gelder genommen werden sollten.133 Ein weiteres Dekret zur Zahlung der Unterhaltkosten wurde ausgestellt und auch dieses nicht unterschrieben, was den Kaiser verstimmte. Nicht unberechtigt, war er doch selbst im Rahmen des Holländischen Krieges von Subsidien abhängig und keinesfalls gewillt, seine Schwester zusätzlich finanzieren zu müssen.134 Doch war die Zahlungsanweisung für den polnischen König von geringer Bedeutung. Der Krönungssejm endete am 4. April 1676, die dabei angesprochenen Punkte hatte Jan Sobieski beherzigt und wurden in Anbetracht der darauffolgenden Jahre
130 HHStA, Polen I, 78. S. 76. 131 HHStA, Polen I, 86. Im polnischen Diarium wird lediglich die Verlesung des Briefes der Königinwitwe erwähnt. BJ, 5656 (Mf. 12591). S. 92 f. 132 HHStA, GSR 105. S. 258, 260, 263. Über die Gefahr von Missverständnissen im Zuge diplomatischer Verhandlungen siehe weiterführend: Windler, Symbolische Kommunikation. S. 170 f. 133 Siehe das Schreiben Johann Zierowskis an den Kaiser nach seiner Beratschlagung mit dem Krakauer Bischof in: Ebd. S. 266. Bzgl. des Vorgehens Jan Sobieskis gegen die Osmanen und deren Verbündete: Wagner, Wojna posko-turecka. Bd. 2. S. 219–224. 134 HHStA, GSR 105. S. 274, 276; Spielman, Leopold I. S. 72.
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auch umgesetzt. Allem voran schickte er Jan Krzysztof Gniński für Verhandlungen zur Hohen Pforte, während er selbst an die Front zurückkehrte.135 Joachim Scultetus berichtete nach Brandenburg, dass man sich unsicher sei, wohin der König aufbrach, und befürchte, er werde nach Danzig reisen.136 Diese zunehmende Angst vor dem polnischen König versuchte man von litauischer Seite in Krakau auszunutzen: Da sich der kaiserliche Resident gemäß seiner Instruktion zurückhielt und zum Unmut von Mykolas Pacas keine Unterstützung für die Litauer anbot, wandte sich der litauische Großhetman an Johann von Hoverbeck. Dieser sollte den Großen Kurfürsten darüber in Kenntnis setzen, dass die Franzosen nach dem bald erwarteten Waffenstillstand zwischen Polen-Litauen und den Türken am Warschauer Hof darauf hinarbeiten würden, einen Keil zwischen Friedrich Wilhelm und Leopold I. zu treiben. Sollte es so weit kommen, bat Mykolas Pacas den brandenburgischen Gesandten am Wiener Hof zu veranlassen, dass seine litauischen Truppen Gelder erhielten, damit sie sich von der Armee Sobieskis loslösen könnten.137 Die kaiserliche Seite, sowohl in der Hofburg als auch in Warschau, beobachtete und beurteilte gleichzeitig die Entscheidungen des polnischen Königspaars. Leopold I. äußerte innerhalb eines Briefes an Johann Zierowski seinen Unmut darüber, dass die pacta et foedera nicht verlängert wurden und die Rzeczpospolita ihrem König derartig viele Freiheiten gestattete.138 Noch bevor diese Zeilen des Kaisers gelesen wurden, beschuldigte sein Resident wiederum in seinem Bericht nach Wien Maria Kazimiera, für die ausstehenden Zahlungen des Unterhalts Eleonores verantwortlich zu sein, weshalb er den Kronhofschatzmeister (podskarbi nadworny koronny), Dominik Potocki, heimlich nach Jaworiw schickte, um diesem Verdacht auf den Grund zu gehen.139 Vor seiner Abreise an die türkische Front hatte Jan III. Sobieski am 13. April 1676 an den Großen Kurfürsten geschrieben und ihn erneut um Hilfstruppen gegen die Türken oder um Subsidien gebeten. Ihm missfiel, dass christliches Blut durch den Krieg gegen Schweden fließe, und die ihm offenkundige Gefährdung der katholischen Religion in Preußen. Dem entgegnete der Kurfürst, dass vor der Einhaltung der pacta et foedera zwischen beiden Mächten diese zunächst nach der Krönung des neuen Königs erneuert werden müssten. Friedrich Wilhelm hatte ihm mehrmals zu 135 Wagner, Wojna polsko-turecka. Bd. 2. S. 213 f., 238, 306 f.; Wójcik, Jan Sobieski. S. 249 f. 136 UA, 19, S. 104. 137 Ebd. S. 108 f. und bes. Anm. 1 auf S. 109. Über die weiteren Versuche, Habsburg und Hohenzollern zur finanziellen Unterstützung zu überzeugen und ein Bündnis gegen Jan III. Sobieski in die Wege zu leiten: Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 144. Über das gespannte Verhältnis Mykolas Pacas zum Großen Kurfürsten während der Regierung Michałs I. und die Genese der diplomatischen Annäherung: Bobiatyński, Michał Kazimierz Pac. S. 353 ff. 138 Siehe das kaiserliche Schreiben vom 2. Juni 1676 in: HHStA, Polen I, 86. 139 HHStA, GSR 105. S. 279.
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verstehen gegeben, dass er durch den eigenen Konflikt mit Schweden außer Stande sei, Hilfstruppen zu entsenden.140 Die Erneuerung der pacta wurde auch zugesagt, allerdings ließ Jan Sobieski den Brandenburger bis zum Folgejahr darauf warten, um diese Vertragsverlängerung im angemessenen Rahmen zu vollziehen.141 Ehe der polnische König eine positive Antwort von Friedrich Wilhelm bezüglich der Hilfstruppen erhielt, schien jedoch die Fortsetzung des Krieges gegen die Türken aussichtslos. Bereits in seinem Schreiben vom 5. Mai 1676 an den Kaiser – obwohl die Kampfeshandlungen noch bis Oktober gegen Türken und Tataren fortgesetzt wurden – erläuterte Jan III. Sobieski die durch den Krieg mit den Osmanen entstandene Not der Armee, die wegen des Fehlens von Geld,Waffen und Lebensmitteln außerstande sei, eine weitere Kampagne durchzustehen. Mit einem Appell zur Menschlichkeit sollte der Krieg ein Ende nehmen.142 Laut Marek Wagner wurden Mitte Mai die Verhandlungen zwischen den kaiserlichen Diplomaten und Kara Mustafa Pascha in Konstantinopel abgebrochen. Ihm zufolge ist es jedoch nicht auszuschließen, dass diese Verhandlungen später fortgesetzt werden sollten, um sich dann gegen die Rzeczpospolita zu richten.143 In Anbetracht des bisherigen Wohlwollens des Kaisers gegenüber Polen-Litauen ist diese Annahme mehr als zweifelhaft, denn damit hätte sich Leopold I. unnötigerweise Jan Sobieski zum Feind gemacht. Aufgrund der Warnungen seiner Berichterstatter traute Friedrich Wilhelm dem polnischen König nicht und mahnte den Kaiser, dass gefährliche Absichten im Gange seien, bei denen sich Polen-Litauen freundlich gegenüber Wien zeige, um einen Keil zwischen Österreicher und Brandenburger zu treiben. Der Kurfürst beschuldigte Jan III. Sobieski auch, insgeheim die Türken gegen Leopold I. aufzuhetzen. Habsburg und Hohenzollern müssten jetzt kooperieren, weshalb er, im Fall eines polnischen Angriffs auf Preußen, um kaiserliche Hilfe bitte.144 Sogar Maria Kazimieras Reise nach Danzig wurde als Gefahr dargestellt, zumal man vermutete, der König würde ihr in kürzester Zeit folgen.145 Auf diese Warnungen ging man in 140 UA, 19, S. 105, 115–118. Mehr zu den Verhandlungen zur Erneuerung der Verträge von Wehlau und Bromberg in: Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 141. 141 UA, 19, S. 107. 142 Brief vom 5. Mai 1676 in: HHStA, Polen I, 86; Wójcik, Jan Sobieski. S. 250. Ein Antwortschreiben des Kaisers konnte bedauerlicherweise nicht gefunden werden. Über die Geschehnisse der letzten Kampfeshandlungen gegen die Türken:Wagner,Wojna polsko-turecka. Bd. 2. S. 230–281. 143 Wagner, Wojna polsko-turecka. Bd. 2. S. 225. In den Berichten des kaiserlichen Diplomaten von Kindsberg in Konstantinopel wird nur die nüchterne Verhandlung zwischen Polen und Osmanen wiedergegeben, ohne jeglichen Hinweis auf eine Einmischung durch Habsburg. Woliński, Wojna. S. 384–389. 144 Urkunden und Actenstücke zur Geschichte des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Hg. v. Ferdinand Hirsch. Berlin 1902. Bd. 18. S. 440, weiter zitiert als „UA, 18.“ 145 Ebd. S. 450; UA, 19. S. 125. Die Königin beabsichtigte, nach Frankreich zu reisen, und begab
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Wien jedoch nicht ein. Die zweite Ehefrau Leopolds, Claudia Felizitas von Österreich-Tirol, war mit zweiundzwanzig Jahren am 8. April 1676 verstorben, weshalb man sich vorrangig der Suche nach einer neuen Braut widmete.146 Zu dieser Zeit kam es zu Beratungen in Nimwegen, um den Holländischen Krieg zu beenden, und Leopold I. schickte kaiserliche Gesandte für erste Friedensverhandlungen dorthin.147 In der Zwischenzeit führte Jan Gniński Verhandlungen in Konstantinopel, die wie in der Forschung mehrfach bestätigt, einen „demütigenden“ Waffenstillstand zwischen der Hohen Pforte und Polen-Litauen zur Folge hatten.148 Zwar gestand man sich bereits während des Krönungssejms ein, dass die Festungsstadt Kamieniec Podolski verloren war und es keine Chance gab, sie aus der Hand der Osmanen zu befreien, doch nun musste auf ganz Podolien und Teile der Ukraine verzichtet werden. Dabei hatte insbesondere der französische Gesandte, François de Béthune die Verhandlungen geführt, in der Hoffnung, dass aufgrund der guten französisch-türkischen Beziehung ein annehmbarer Frieden für Polen-Litauen ausgehandelt würde.149 Auf päpstlichen Rat konnte Jan Sobieski nicht zurückgreifen, da Clemens X. am 22. Juli verstorben war und sein Nachfolger Innozenz XI. (1611–1689) erst am 21. September 1676 zum neuen Oberhaupt der Kirche gewählt wurde. Dieser sollte sich später für die christliche Einheit im Kampf gegen den „Erbfeind“ stark machen und ein gutes Verhältnis zu Kaiser Leopold I. unterhalten.150 Die in der Forschung geäußerte Meinung, Jan III. Sobieski hätte laut dem am 17. Oktober 1676 geschlossenen Vertrag von Żurawno theoretisch mit der militärischen Unterstützung der
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sich hierfür zunächst nach Danzig.Vor Ort wurde ihr dann mitgeteilt, dass sie Ludwig XIV. in Frankreich nicht willkommen hieß. Hagenau, Jan Sobieski. S. 376; Wagner, Wojna polskoturecka. Bd. 2. S. 238. Diese Abweisung durch Frankreich, die nichts anderes bedeutete, als dass ihr fortan die Türen zu ihrer Heimat verschlossen blieben, soll sogar zum Streit zwischen Maria Kazimiera und Jan Sobieski geführt haben, der derartig ausartete, dass der König sie dazu aufforderte, das Königreich zu verlassen und nie wieder nach Polen zurückzukehren. Acta, III, 1. S. 351. UA, 18. S. 441. Die junge Kaiserin gebar zwei Töchter, beide verstarben jedoch nach wenigen Monaten. Hye, Claudia Felicitas. S. 123. Ebd. S. 443. Unter ihnen auch Johann von Goess, der mittlerweile zum Bischof von Gurk aufgestiegen war. Siehe Anm. 1. Ebd. S. 457; Spielman, Leopold I. S. 78 f. HHStA, Polen I, 78. S. 145. Siehe dazu die Beurteilung beispielsweise von Wójcik, Jan Sobie ski. S. 252; Wagner, Wojna polsko-turecka. Bd. 2. S. 281–287, 308; Wimmer, Wiedeń. S. 71. Über die Diplomatie in Istanbul siehe weiterführend: Grygorieva, Tetiana: Zur Selbstdarstellung polnisch-litauischer Botschafter im frühneuzeitlichen Istanbul. In: Die Audienz. Ritualisierter Kulturkontakt in der Frühen Neuzeit. Hg. v. Peter Burschel [u.a.]. Köln [u.a.] 2014. S. 84. Wagner, Wojna polsko-turecka. Bd. 2. S. 287. Über das Verhältnis zwischen Innozenz und Leopold I.: Innocent XI. Sa correspondance avec ses nonces 21 Septembre 1676 – 31 Décembre 1679. Hg. v. Ferdinando de Bojani. Rom 1910. S. 38–40.
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Türken und Tataren gegen alle seine Feinde rechnen können, vor allem gegen die Moskowiter, Hohenzollern und Habsburg, scheint jedoch mehr als zweifelhalft.151 Während die Vertragsvereinbarungen in Żurawno zwischen den Vertretern der Osmanen und Polen ausgehandelt wurden, wies der Kaiser seinen Residenten in Warschau an, mehr Informationen über kursierende Gerüchte herauszufinden. In Wien und Berlin hatte man letztendlich auch von den Verhandlungen der Rebellen in Ungarn und Siebenbürgen mit Jan III. Sobieski erfahren, die den König um Unterstützung gebeten hatten.152 Die schlechten Nachrichten aus Ungarn mehrten sich, denn die Kuruzen wüteten weiter, weshalb Johann Zierowski dem Wiener Hof im November empfahl, bis zum Frühjahr größere Truppenkontingente zu schicken und diese bereits heimlich anzuwerben.153 Leopold I. hatte jedoch schon vor dieser Empfehlung im September Vorkehrungen getroffen und Truppen aus Böhmen, Mähren und Schlesien nach Ungarn abkommandiert.154 Auf das Bekanntwerden des Kriegsendes zwischen Polen und Türken reagierte man in Europa, abgesehen von Frankreich und Schweden, bestürzt. Man fürchtete nämlich als mögliche Konsequenz eine Stärkung des Osmanischen Reiches und erneute Schwankungen im europäischen Mächteverhältnis. Durch diesen Vertrag fühlte sich insbesondere Zar Fjodor III. übergangen und sollte diesem Schritt in den Folgejahren noch Rechnung tragen.155 Auch Franz Meinders, brandenburgischer Gesandter am Wiener Hof, verstärkte durch die Ankündigung drohender Gefahr die Sorge bei den Ministern, die zuvor seinen Warnungen wenig Bedeutung beigemessen hatten. Dir Befürchtung war groß, dass der französische Gesandte François de Béthune „loses Gesindel“ mit Geldern aus Versailles zusammenziehen würde, um in Ungarn die Rebellen zu unterstützen. Deswegen wurde von Franz Meinders in Wien für eine Unterstützung Friedrich Wilhelms in Preußen im Gegenzug die Hilfe Brandenburgs gegen die französischen Machenschaften in Ungarn angeboten. Wobei der Große Kurfürst zusätzlich um Milde bei der Verfolgung der protestantischen
151 Wójcik, Rzeczpospolita. S. 72–74; Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 145 samt der dort erwähnten Literatur. Im Vergleich zum osmanischen Vertragstext ist keine solche Erwähnung über eine zugesicherte Unterstützung der Türken nachweisbar: Kołodziejczyk, Ottoman-Polish Diplomatic Relations. S. 524–527. 152 HHStA, GSR 105. S. 289; UA, 19. S. 129 f. Die osmanisch-polnischen Verträge gibt es in mehreren Versionen: Kołodziejczyk, Ottoman-Polish Diplomatic Relations. S. 515–527;Wagner, Wojna polsko-turecka. Bd. 2. S. 307. 153 HHStA, GSR 105. S. 290 ff. 154 Siehe UA, 18. S. 447. Anm. 2; Spielman, Leopold I. S. 81 f.; Bérenger, Léopold Ier. S. 294 f. 155 Wójcik, Jan Sobieski. S. 253; Ders.: Rzeczpospolita. S. 85; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 82 f.; Wagner, Wojna polsko-turecka. Bd. 2. S. 231–293, 299. Mehr zu Fjodor III. siehe in: Torke, Hans-Joachim: Fedor Alekseevič. In: Die russischen Zaren 1547–1917. Hg. v. Ders. München 42012. S. 129–137; Hildermeier, Geschichte Russlands. S. 327.
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Ungaren bat.156 Wie die während der Königswahl nach Rom geschickten kaiserlichen Briefen vermuten lassen, wird die letztgenannte Bitte des von Leopold I. inoffiziell als „Häretiker“ bezeichneten Brandenburgers wohl wenig Begeisterung beim Kaiser hervorgerufen haben.157 Das weiter währende gute Verhältnis Frankreichs mit der Rzeczpospolita dürfte genauso wenig Entzücken in Wien ausgelöst haben.158 Doch hatte Ludwig XIV. tatsächlich so viel Einfluss auf das polnischen Königspaar? Ende des Jahres 1676 versicherte Joachim Scultetus dem Großen Kurfürsten, dass kein Krieg in Preußen zu befürchten sei. Im Gespräch mit dem Kastellan von Posen hieß es, dass die Freundschaft zu Frankreich für den polnischen König einen niedrigeren Stellenwert habe als die Sicherheit der Rzeczpospolita. Sogar den Krieg gegen Brandenburg habe Jan III. Sobieski offen als eine Torheit Königs Karl XI. von Schweden bezeichnet, weshalb selbst François de Béthune bezüglich der Aufrichtigkeit der vom polnischen König gegebenen Versprechen an Versailles misstrauisch wurde.159 Die Ungewissheit über Gesinnung und Absichten Jan Sobieskis veranlassten Habsburg und Hohenzollern zu dem Versuch, ihn vorerst gemeinsam politisch zu schwächen. Nur wenige Tage vor der Trauung Leopolds I. mit Eleonore Magdalene von Pfalz-Neuburg am 14. Dezember 1676 in Passau erhielt deshalb der brandenburgische Gesandte Lorenz Georg von Krockow eine Audienz. Ihm zufolge gehe dem Kaiser die polnische Angelegenheit „sehr zu Herzen“, weshalb dieser ankündige, einen Minister zur Versammlung des Sejms zu schicken, der für den 14. Januar 1677 angesetzt war. Zusammen mit einem Gesandten des Großen Kurfürsten sollte als erster Schritt eine Geldsumme aufgebracht werden, um den dortigen Adel für ihre Seite zu gewinnen. Entsprechend sollte auch der kaiserliche Resident instruiert werden.160 Die demonstrative Zusammenarbeit beider Häuser während des Sejms war jedoch nicht die einzige Maßnahme Leopolds I, um Jan Sobieski von jeglichem gegen ihn gerichteten Plan abzuhalten: In einem kaiserlichen Schreiben wurde Johann Zierowski befohlen, herauszufinden, was die Generalstaaten der Vereinigten Niederlande an den König von Polen 156 UA, 18. S. 460, 463; UA, 19. S. 108, 126. Die französischen Pläne bestätigen sich auch in den Berichten von François de Béthune an Ludwig XIV. In: Acta, III, 1. S. 315 ff. 157 Vgl. Kap. 4. S. 90. 158 HHStA, GSR 105. S. 286 f. 159 UA, 19. S. 133; Acta, III, 1. S. 324, 329. Im Zuge des Nordischen Krieges verfolgte Brandenburg mit seinem Bündnispartner Dänemark Ende des Jahres 1676 die Strategie, die Schweden an mehreren Orten zugleich anzugreifen. Auch wenn diese Taktik aufging und Schweden nicht alle Angriffspunkte verteidigen konnte, war der Krieg vor der Winterpause für König Karl XI. nach der erfolgreichen, aber auch blutigen Schlacht von Lund (4. Dezember 1676) gegen Dänemark günstig verlaufen. Mehr dazu in: Opgenoorth, Friederich Wilhelm. Bd. 2. S. 171; Rystad, Göran: Kampen om Skåne [Die Schlacht um Skåne]. Lund 2006. 160 UA, 18. S. 465, 468.
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mitgeteilt hätten.161 Tatsächlich kam ein Brief der Holländer und dazu ein Gesandter Dänemarks am Warschauer Hof an, um Jan III. Sobieski zu mahnen, die Waffen nicht gegen ihre Alliierten, den Kaiser und den Kurfürsten, zu richten, da sie bei einem solchen Konflikt außerdem vertraglich verpflichtet wären, jene militärisch zu unterstützen. Ähnlich bat der Kaiser um die Unterstützung des Papstes, der wiederum durch seinen Nuntius Martelli am Warschauer Hof kundtun ließ, dass man seitens der Kurie jegliches Handeln gegen das Haus Habsburg verurteile.162 Erneut versuchte der Kaiser – wie er es bereits bei der Königswahl getan hatte – seinen Einfluss auf Rom zu nutzen, um mit päpstlicher Hilfe Polen-Litauen von einem möglichen Angriff auf Preußen abzuhalten. Stellte sich nur die Frage, ob Jan Sobieski tatsächlich gewillt war, gegen die beiden Häuser vorzugehen. Bereits im Sommer 1675 hatte der polnische König von der Front an seine Frau die Grausamkeiten beschrieben, die die Osmanen in den Grenzgebieten bei ihren Eroberungszügen verübten. Er bedauerte, dass selbst die Türken sich darüber amüsiert haben sollen, dass in Europa Verträge nicht eingehalten würden und sich die Christen untereinander bekriegten.163 Der einzige Feind für Jan III. Sobieski blieben die Osmanen164 und auch der bereits erwähnte Brief an den Kurfürsten mit seinem Bedauern wegen des vergossenen christlichen Blutes lässt darauf schließen. Ein geplanter Einfall in Preußen erscheint, in Anbetracht der erlittenen Not durch den Osmanisch-Polnischen Krieg, ebenfalls unwahrscheinlich. Jan Sobieski bestellte stattdessen beim Großen Kurfürsten exotische Bäume und Blumen für seine Gärten, wozu Friedrich Wilhelm noch im September 1676 aus dem Lager vor Stettin seine Zustimmung gab und einen seiner Gärtner mitschickte.165 Es klingt banal, doch offensichtlich überschätzte man den Einfluss der antipreußischen Redner während des Krönungssejms sowie der französischen und schwedischen Minister auf den polnischen König, was sich in den Folgejahren fortsetzen wird. 161 HHStA, GSR 105. S. 297. 162 Acta, III, 1. S. 356. Laut der Aussage Johann Zierowskis begreife der Wiener Hof, dass das Wohl der Alliierten vor allem vom positiven Ausgang des bevorstehenden Sejms abhing. Er kündigte an, vor Ort alle nötigen Vorkehrungen zu treffen: UA, 19. S. 136; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 83; Piwarski, Polityka bałtycka. S. 18. 163 Zeller (Hg.), Jan Sobieski. S. 70–76. 164 Dem König wurde der Vorschlag gemacht „Liefland bei dieser günstigen Gelegenheit wieder zu gewinnen, [darauf hatte Jan Sobieski] nur geantwortet, es sei eine Sache, die reiflich überlegt werden müsste.“ In: UA, 19. S. 135. Auch Otto Forst de Battaglia vertritt die Ansicht, dass Jan Sobieski nur zum Schein gegen den Kaiser handelte, weshalb die diplomatischen Beziehungen mit Habsburg auch nie abbrachen. Ders., Jan Sobieski. S. 63 f. 165 Siehe die Anm. in: UA, 19. S. 123. Ernst Opgenoorth deutet des Kurfürsten Verhalten als Ausdruck seiner Sympathie für Jan Sobieski, den er mit seinen Lieferungen wegen der gemeinsamen Vorliebe zum Gartenbau anders als andere Monarchen behandelte. Ders., Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 154.
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Als Jan Sobieski am 13. Januar 1677 einen großen Einzug in Warschau hielt, erfuhr Johann von Hoverbeck, dass der polnische König dem Primas versprochen habe, die pacta mit den Hohenzollern zu bestätigen, wozu er wegen seiner bisherigen Abwesenheit nicht in der Lage gewesen sei. Außerdem dementierte Jan Sobieski alle Gerüchte über jegliche Feindseligkeiten gegenüber Friedrich Wilhelm und dessen Alliierten; stattdessen betonte er sein gutes Verhältnis zu Brandenburg. Selbst der Marquis de Béthune frappierte Hoverbeck, als er ihm gegenüber auf das freundliche Verhältnis zwischen Frankreich und Brandenburg hinwies.166 Wie bereits mehrfach erläutert, schenkte man sich gegenseitig keinen reinen Wein ein, hielt sich jedoch mit guten Worten stets alle Türen offen. In Anbetracht der bereits erwähnten Korrespondenzen der französischen Gesandten mit Versailles wird aber eindeutig ersichtlich, dass Versailles nach dem erfolgten Frieden mit der Hohen Pforte vehement die Unterstützung Polen-Litauens bei seinen Vorhaben gegen Habsburg und Hohenzollern einforderte, wie es bereits zuvor im geheimen Vertrag von Jaworiw vereinbart worden war. Doch darf an dieser Stelle nicht vergessen werden, dass im Vordergrund der ausstehenden Sejmversammlung167 zunächst die Ratifizierung des Vertrages von Żurawno anstand. Unglücklicherweise bildete das Zusammentreffen in Warschau auch eine Plattform für neue Gerüchte, die für Unruhe sorgten. Am 29. Januar berichtete Johann von Hoverbeck, wie „die französischen Gesandten mit Geld, Informationen und Banketten ihr Möglichstes [taten], um Schweden [zu] eine[r] Diversion gegen de[n] Kurfürsten“ zu bewegen.168 Gegen den Kaiser unterstützte insbesondere François de Béthune, mittlerweile zusammen mit dem polnischen Ritter des Malteserordens Hieronim Augustyn Lubomirski, die ungarischen Rebellen mithilfe des Fürsten von Siebenbürgen, Michael I. Apafi.169 Neben den Vorfällen in Ungarn beschäftigten Leopold I. weiterhin die Verhandlungen in Nimwegen für einen Frieden im andauernden Krieg gegen Frankreich. Während des Sejms hatte der kaiserliche Resident durch ein mitgehörtes Gespräch zwischen Toussaint de Forbin-Janson, Johann von Hoverbeck und dem Fürsten Lubomirski in Erfahrung gebracht, unter welchen Konditionen Ludwig XIV. den Krieg beenden würde und dass Spanien außer Stande war, seine Armee in den Niederlanden weiter zu halten.170 Nach der Unterhaltung hatte der brandenburgische Gesandte wiederum den Kaiser über die von ihm in Erfahrung gebrachten Machenschaften 166 UA, 19. S. 137 f. 167 Über den Verlauf des Sejms auf Basis polnischer Quellen: Matwijowski, Pierwsze sejmy. S. 163–214. 168 UA, 19. S. 139. 169 Acta, III, 1. S. 345, 358, 368. 170 HHStA, GSR 105. S. 321. Bereits im Januar 1676 kamen Vertreter Spaniens, Hollands und Frankreichs zusammen, um in Nimwegen erste Vorgespräche einer Friedenskonferenz zu führen. Mehr in: Spielman, Leopold I. S. 78.
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Frankreichs informiert. So berichtete er, wie die ungarischen Rebellen versuchten, mithilfe der Türken und Tataren eine gegen Habsburg gerichtete Front aufzubauen. Leopold I. erwartete in Anbetracht dieser „gefahr der ganzen Christenheit“ und „der ganzen gemeinsamen Sach“ entsprechend die Unterstützung Friedrich Willhelms.171 Die negativen Nachrichten für Habsburg nahmen jedoch kein Ende. Im Juni 1676 hatte Danzig der Königinwitwe eine Summe von 50.000 Reichstalern zugesichert. Hierbei kam es Ende des Jahres jedoch zu Schwierigkeiten, denn weder in Danzig noch andernorts war man nun gewillt, ihren Unterhalt zu bestreiten. Auch Jan Sobieski wollte lediglich die Zahlungen akzeptieren, die vor Eleonores Abreise aus dem Königreich fällig waren.172 Aus Warschau berichtete Johann Zierowski, dass er nach erneuter Audienz beim polnischen König keine endgültige Entscheidung wegen der Aufwendungen für die Königinwitwe erhalten habe, stattdessen beabsichtige Jan Sobieski vielmehr, diese Unterhaltskosten für den Hofstaat seines Sohnes Jakub zu verwenden. Seit einem Vierteljahr wurden deswegen keine Zahlungen an Eleonore veranlasst, woraus der kaiserliche Resident schloss, dass man die Angelegenheit absichtlich hinauszögere, bis man seitens Habsburgs der Nachfrage müde würde. Obwohl sich Johann Zierowski als unwissend ausgab, habe der König und der ganze Warschauer Hof von der kaiserlichen Absicht, Eleonore neu zu vermählen, gewusst, und deshalb stand zu befürchten, dass man dies zusätzlich als Anlass nahm, die Pension nicht weiter zu zahlen. Stattdessen musste der kaiserliche Resident mit ansehen, wie die französische Diplomatie darauf abzielte, Versprechungen zugunsten des Prinzen Jakub zu machen, um so Jan Sobieski für ihre Absichten zu gewinnen.173 Anders heißt es bei Johann von Hoverbeck, der polnische König gönne der Königinwitwe die Pension „von Herzen, so töricht aber würde er nicht gegen sich selbst handeln, dass er dieselbe während des Reichstages [Sejm] zahlen ließe, da er merkte, dass man sie eben zur Bestechung [gegen ihn] anzuwenden gedächte.“ 174 Demzufolge hatte Jan Sobieski offenbar die Absicht der beiden Häuser durchschaut. 171 Brief des Kaisers vom 21. Juni 1677, in: GStAPK, I. HA, GR, Rep. 63. Nr. 58. 172 HHStA, GSR 105. S. 282, 285. 173 Ebd. S. 300 f.; Acta, III, 1. S. 346 f., 369; Matwijowski, Pierwsze sejmy. S. 214, 229. Bereits im Februar 1676 hatte man am Wiener Hof mit dem dortigen brandenburgischen Gesandten Lorenz Georg von Krockow gesprochen, ob der älteste Sohn des Großen Kurfürsten, der 18–jährige Kurprinz Friedrich, nicht die Königinwitwe zur Frau zu nehmen gewillt war. Friedrich Wilhelm zeigte sich geschmeichelt über dieses Anliegen, wies seinen Gesandten jedoch an, nicht weiter darüber zu reden. UA, 18. S. 424 f., 428. In erster Linie bestand hierfür kein Interesse, da der Kurprinz schon Jahre zuvor um die Hand Elisabeths Henriette von Hessen-Kassel geworben hatte. Dazu: Orlich, Leopold von: Geschichte des preußischen Staates im siebzehnten Jahrhundert. Bd. 1. Berlin 1838. S. 540 f.Tatsächlich wurde Karl V. von Lothringen als neuer Ehemann für Eleonore auserkoren. 174 UA, 19. S. 146; Acta, III, 1. S. 355.
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Auch die französischen Minister teilten die Auffassung, dass seitens Habsburgs viel Geld in die Gunst polnischer Würdenträger investiert wurde.175 Jedoch schickte der Kaiser, trotz der Brandenburg diesbezüglich gegebenen Ankündigung, keinen zusätzlichen Gesandten nach Warschau Diese Entscheidung aus Wien, lediglich dem kaiserlichen Residenten die diplomatischen Verhandlungen zu überlassen, wurde insbesondere von Lorenz Georg von Krockow beklagt. In seinem Schreiben an Friedrich Wilhelm heißt es, dass der Warschauer Hof bei den ausländischen Diplomaten auf ein gutes Aussehen und besonders auf einen starken Charakter achte, weshalb er Johann Zierowski als die falsche Wahl beurteile.176 Die Hofburg zeigte sich hingegen von ihrem Interessensvertreter überzeugt; anstatt den Beschluss zu fassen, ein Abmahnungsschreiben wegen der fehlenden Bestätigung der pacta et foedera an den König und die Rzeczpospolita zu schicken, wurde entschieden, den kaiserlichen Residenten bei einer öffentlichen Audienz vorsprechen zu lassen. Jedoch war es genau das, was Jan III. Sobieski nicht wollte, um sich nicht vor dem polnisch-litauischen Adel rechtfertigen zu müssen.177 Gleichzeitig bedeutete es, dass seitens Habsburgs an einer friedlichen Übereinkunft festgehalten wurde und man jeglichen Konflikt zu vermeiden suchte. Dabei war es für die prokaiserliche Seite besorgniserregend, wie offensichtlich die französischen Minister am Warschauer Hof darauf drangen, zugunsten Schwedens gegen Preußen eine Front aufzubauen und die Verlängerung der pacta mit Habsburg und Hohenzollern zu verhindern. In sämtlichen Gesprächen mit ihnen versicherte der polnische König die Einhaltung der in Jaworiw vertraglich festgelegten Unterstützung und gab vor, erste militärische Vorbereitungen gegen Preußen und Ungarn getroffen zu haben, wobei die Präferenz hauptsächlich in der Rückgewinnung preußischer Provinzen lag. Auffällig ist hierbei, wie häufig und dringend Toussaints de Forbin-Janson die Bitte an Ludwig XIV. stellte, Jan Sobieski finanziell entgegenzukommen. Der polnische König teilte mit dem Bischof von Marseille auch die Befürchtung, dass man mittels Intrigen einen Bürgerkrieg in Polen-Litauen anstiften werde, wenn die pacta nicht unterschrieben würden.178 Was Leopold I. und seine Berater unternahmen, lässt sich nur schwer rekonstru ieren, da lediglich die Berichte Johanns von Hoverbeck im Detail über die Begebenheiten in Warschau Auskunft geben. In ihnen ist die Rede davon, dass im Februar ein Kurier aus Wien Unterkanzler Mykolas Radvila in Breslau ein Paket für den Primas mitgegeben habe, in dem sich gegen französische Minister gerichtete Schriften befanden. Der Kurier wurde jedoch inhaftiert und sei von Jan Sobieski 175 Acta, III, 1. S. 348. 176 So im Brief Krockows vom 1. Januar 1677 in: GStAPK, I. HA, GR, Rep. 63. Nr. 49. S. 3. 177 UA, 18. S. 473. Der Kaiser ruderte mit diesem Vorhaben, Jan Sobieski zur Rede zu stellen, zurück. Ebd. S. 476. Acta, III, 1. S. 350, 362 f. 178 UA, 19. S. 141; Acta, III, 1. S. 349, 354, 359, 370.
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persönlich verhört worden. Ein Vorfall, über den der Kaiser aber nichts gewusst haben soll.179 Es ist bedauerlich, dass, anders als zur Wahl 1674, Quellen hierzu gänzlich fehlen, um nachvollziehen zu können, wie sich der polnische König im persönlichen Gespräch vor Johann Zierowski verhielt. Nachdem Ende März Toussaint de Forbin-Janson aufgetragen worden war, die weiteren Verhandlungen François de Béthune zu übertragen und aus Polen-Litauen abzureisen, gab Jan III. Sobieski bekannt, sich dem Wunsch nach Frieden unter den europäischen Christen zu fügen und die ausstehenden pacta et foedera mit dem Kaiser und dem Großen Kurfürsten zu erneuern. Hierfür verhandelten unter anderen der Erzbischof, der Kastellan von Posen, die Woiwoden von Lublin und Kulm mit dem kaiserlichen Residenten.180 Am Warschauer Hof wurde lebhaft spekuliert, welche Beweggründe den König dazu veranlassten. Zum anderen war man verwundert, dass er die Bestätigung, die er stets abgelehnt hatte, plötzlich realisierte. Die Vermutung wurde angestellt, er habe mit der Ankündigung, die pacta zu erneuern, aus Rücksicht gegenüber Toussaint de Forbin-Janson gezögert, der im Begriff war, nach Versailles zu reisen. Nach dessen Ankunft könne dieser wohl Ludwig XIV. berichten, dass alles zur Aufrechterhaltung der freundlichen Beziehungen mit dem französischen Hof unternommen werde, Jan III. Sobieski jedoch wegen seiner Stände keine andere Wahl blieb, als deren Wunsch nachzukommen.181 Während die einzelnen Artikel der pacta et foedera zwischen Polen-Litauen und Habsburg in Warschau ausgehandelt wurden, versuchte Johann Zierowski, einen zusätzlichen Punkt in den Vertrag aufzunehmen. Dieser besagte, in Ungarn die Grenzen auf beiden Seiten zu schützen. Allerdings weigerte sich Jan Sobieski nach mehreren Diskussionen, diesen Punkt mit dem Argument zu akzeptieren, dass die gemeinsame Grenzverteidigung nie Bestandteil der früheren Verträge war, und setzte sich damit durch. Die Bestätigung der pacta Austriaca für den Frieden unter den Christen erfolgte daraufhin am 24. April 1677.182 Auch mit Kurbrandenburg wurde am 17. Mai 1677 die Erneuerung des Vertrags von 1672 vollzogen, was nicht ohne finanziellen Vorteil geschehen war; vor der geplanten Abreise des Königspaars nach Danzig hatte man zur schnellen Abwicklung des Vertrags um 3000 Dukaten gebeten, woraufhin der Große Kurfürst umgehend die Zahlung in die Wege geleitet hatte. Dafür war auch eigens der Hauptmann von Lötzen angereist, um gemeinsam mit 179 Siehe Anm. 3 in: UA, 19. S. 143, 144. Über die gedruckten Schriften gegen die Politik Jan Sobieskis siehe: Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 151 f.; Wójcik, Rzeczpospolita. S. 97; Piwarski, Polityka bałtycka. S. 19 f. 180 Siehe bes. Anm. 1 in: UA, 19. S. 147–150; Acta, III, 1. S. 378. 181 UA, 19. S. 148 f. 182 Acta, III, 1. S. 378. Siehe dazu die Anm. in: UA, 19. S. 148. Eine Kopie findet sich auch im HHStA, Polen III, 63 (Radziwill) und HHStA, FA Csaky, 189; BCzart. Rkps. 421 (Mf. 11545). Nr. 13; AGAD, AKW Cesarskie. 25 c. Nr. 1 (Mf. 26353); Wójcik, Jan Sobieski. S. 268.
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dem König den Vertrag zu ratifizieren und zu beeiden.183 Der französische Gesandte Béthune bemerkte dazu, dass hierfür 7000 Dukaten Bestechungsgelder flossen, die auch dem Primas zugutegekommen seien. Um die Gunst des französischen Königs nicht zu verlieren, versprach Jan Sobieski diesem, einen geheimen Vertrag mit Schweden zu schließen. Ein Bestandteil desselben sollte die Stellung von Truppen sein und ferner der ungehinderte Durchzug der Schweden durch Livland, um einen Angriff auf das Herzogtum Preußen zu ermöglichen.184 Andererseits hielt der polnische König eine schwedische Invasion in seinem Rechtfertigungsschreiben an Mykolas Pacas für unwahrscheinlich und stritt jegliche Erlaubnis für einen schwedischen Durchmarsch ab.185 Ungeachtet dieser kontroversen Aussagen Jan Sobieskis konnte der polnische König ein solches Versprechen an Frankreich damals jedoch noch gar nicht einhalten. Der Waffenstillstand Polen-Litauens mit der Hohen Pforte im Vertrag von Żurawno wurde zuvor im Sejm nur unter der Bedingung akzeptiert, dass man danach die Armee auf ein Drittel reduziere.186 Denn mit dem zunehmenden Konflikt um die Vorherrschaft in der Ukraine zwischen Zarenreich und Osmanen, der zu einem Krieg (1676–1681) zwischen beiden Mächten führte,187 wurde es erstmals nach geraumer Zeit für PolenLitauen möglich, seine Truppen nach Hause schicken zu können. Um zusätzlich die guten Beziehungen mit Frankreich unter Beweis zu stellen, versprach Jan Sobieski, trotz der zahlenmäßigen Reduzierung der königlich-litauischen Armee, Hieronim Augustyn Lubomirski im Kampf der Franzosen gegen das Haus Habsburg in Ungarn mit 4000 Mann unterstützen zu wollen.188 Diese Versprechungen zeigen, dass der polnische König insbesondere zum Wohl seines Königreichs handelte und er erneut in seinen Verhandlungen mit Österreich, Frankreich und Brandenburg alle Vorteile zugunsten der Rzeczpospolita ausspielte, um die Kassen Polen-Litauens aufzubessern. Mit seinem Verhandlungsgeschick ermöglichte es Jan Sobieski seinem geschwächten Königreich durch den Vertrag von Żurawno und der pacta et foedera mit den angrenzenden Nachbarn, vorerst aufatmen zu können. 183 AGAD, Perg. 5435. Siehe auch Anm. 1 in: UA, 19. S. 151, 155; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 85. 184 Acta, III, 1. S. 373 f., 383 ff. 185 Siehe dazu die aufgeführten Korrespondenzen bei: Codello, Litwa wobec polityki bałtyckiej. S. 37. 186 Acta, III, 1. S. 353; Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 140. Über den Zustand der polnischen Armee: Wagner, Marek: Armia koronna w latach 1677–1678 [Die Kronarmee in den Jahren 1677-1678]. In: Milewski (Hg.), Król Jan III Sobieski. S. 177–200. 187 Eickhoff,Venedig. S. 281; Davies, Warfare. S. 159–171; Zernack, Die Expansion. S. 144–149. 188 Acta, III, 1. S. 377, 381 f. In den Darstellungen von Otto Forst de Battaglia heißt es, dass Jan Sobieski zu seinem Missfallen von dem Vertrag informiert worden war, dieser jedoch allein zwischen dem Malteserritter und dem französischen Gesandten geschlossen wurde. Ders., Jan Sobieski. S. 84.
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5. Der diplomatische Weg zum Bündnis gegen den „Erbfeind“
5.2 Die befürchtete Beteiligung am Nordischen Krieg
Mit dem Niedergang des Deutschen Ordens im Jahre 1454 und der Verkündigung des Großen Privilegs 1457189 des polnischen Königs Kasimir IV. Andreas für die Stadt Danzig und die preußischen Stände unterstanden Letztere einer polnischen Schutzherrschaft. Es bedeutete für den Danziger Rat eine weitgehende Autonomie, wenn auch den polnischen Königen im Laufe der nächsten Jahrzehnte geringe rechtliche Unklarheiten vorgelegt werden mussten – so auch im Jahr 1677.190 Es waren die Danziger Gewerke, die als Opposition im Danziger Rat Jan III. Sobieski darum baten, die Hafenstadt zu besuchen, um innere Reformen durchzusetzen, die bereits erwähnten Unruhen beizulegen, welche teilweise durch den Großen Kurfürsten geschürt worden seien, und auch, um konfessionelle Streitigkeiten zu klären. Bereits nach dem Abschluss des geheimen Vertrags von Jaworiw 1675 mit Frankreich hatte ein Vertreter der Danziger Gewerke namens Christian Meyer sich gegenüber dem Rat beklagt und den polnischen König um seine Vermittlung gebeten.191 Jedoch war es Jan Sobieski während des Osmanisch-Polnischen Krieges nicht möglich gewesen, dieser Bitte nachzukommen. 189 Durch dieses Privileg wurde das autonome Danzig zum Haupthafen Polen-Litauens und übernahm damit den Großteil des Außenhandels. Mehr in: Cieślak, Edmund: Dzieje Gdańska [Geschichte Danzigs]. Danzig 1969. S. 86–92. Der zwischen dem Deutschen Orden und dem polnischen Königreich geführte Dreizehnjährige Krieg (1454–1466) war das Resultat eines internen wirtschaftlichen Konflikts zwischen dem Deutschordensstaat und den preußischen Ständen. Er führte zur Entmachtung des Ritterordens und Neuaufteilung Preußens. Dazu mehr in: Biskup, Marian: Trzynastoletnia wojna z Zakonem Krzyżackim 1454–1466 [Der Dreizehnjährige Krieg mit dem Deutschen Orden 1454–1466]. Ausschwitz 2014; Dralle, Lothar: Der Staat des Deutschen Ordens in Preußen nach dem 2. Thorner Frieden. Untersuchungen zur ökonomischen und ständepolitischen Geschichte Altpreußens zwischen 1466 und 1497. Wiesbaden 1975. 190 Siehe dazu auch Bahr, Vera: Die Stadt Danzig und Johann III. Sobieski, König von Polen. Marburg [u.a.] 1961. S. 3. Die kritische Auseinandersetzung mit Vera Bahrs Darstellung in: Cieślak, Edmund: Jan III Sobieski a Gdańsk [Jan III. Sobieski und Danzig]. In: Zapiski Historyczne. Bd. 28 (1963). H. 4. S. 608 f.; Siehe auch: Ders., Die drei großen Städte. In: Handbuch der Geschichte Ost- und Westpreußens. Bd. II, 2. (Einzelschriften der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung. Bd. 10). Lüneburg 1996. S. 32 f. 191 Bahr, Die Stadt Danzig. S. 12. Die Konfliktfelder sind vielfältig, darunter fiel auch die durch den Großen Kurfürsten veranlasste Verhaftung des protestantischen Theologen Aegidius Strauch Anfang des Jahres 1674, dessen Freilassung unter anderen Jan Sobieski gefordert hatte und die 1678 erreicht wurde. UA, 19. S. 103, 117, 160 f., 197. Siehe dazu mehr u.a. in: Strauch, Wolfgang Armin: Dr. Aegidius Strauch. Gefangener des Kurfürsten von Brandenburg. Hamburg 2018; Hirsch, Ferdinand: Der Grosse Kurfürst und Dr. Aegidius Strauch. In: ZWGV. Bd. 47 (1904). S. 122–252; Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 171; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 87. Mehr über den Ursprung der Danziger Gewerke in: Hirsch, Theodor: Danzigs Handels- und Gewerbegeschichte unter der Herrschaft des Deutschen Ordens. Leipzig 1858.
5.2 Die befürchtete Beteiligung am Nordischen Krieg
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Auf Anraten des Wojewoden von Pommern, Jan Ignacy Bąkowski, wurden nun 1677 zwei Vertreter der Gewerke zum Sejm geschickt, um den König erneut zu ersuchen, nach Danzig zu kommen. Tatsächlich verständigte man sich während der Versammlung darauf, dass die persönliche Anwesenheit Jan Sobieskis nötig sei. Francesco Martelli sei jedoch aufgrund der häufigen Präsenz des schwedischen Gesandten und des Einflusses der französischen Minister auf Jan Sobieski misstrauisch geworden. Er zweifelte, ob der polnische König trotz des vorläufigen Waffenstillstandes nach wie vor gegen die Türken vorgehen wolle – wie er es zumindest mündlich dem päpstlichen Nuntius versichert hatte – oder er sich nicht schon anderweitig orientierte.192 In der älteren Forschung heißt es, Jan Sobieski habe es sich im Rahmen der Danziger Rechtspflege nicht nehmen lassen, seinen Einfluss in Rat und Bürgerschaft auszuspielen, um seine sogenannte Ostseepolitik realisieren zu können.193 Das Ziel dieser Politik sollte die Eroberung des Königlichen Preußen sein, um durch diesen territorialen Gewinn, den er seinem ältesten Sohn übertragen wollte, eine eigene Hausmacht gründen zu können. Damit die Rzeczpospolita diese Erwerbung jedoch nicht wieder verliere, müsse sie zwangsläufig Jakub Sobieski (1667–1737) zum Nachfolger wählen, weshalb der polnische König eine Durchsetzung der Erbmonarchie angestrebt habe. Darüber hinaus hatte man Danzig in der Forschung mit einem „Beobachtungsposten“ verglichen, von dem aus Jan Sobieski die Geschehnisse während des Nordischen Krieges und seiner Ostseepolitik verfolgen wolle, doch beginnt man in der jüngeren Zeit daran zu zweifeln.194 Andrzej Kamieński vertrat die Meinung, dass es zur brandenburgischen Politik gehörte, am Warschauer Hof den Frieden von Żurawno als Resultat der Intrigen Frankreichs darzustellen. Außerdem sei ihm zufolge beim Adel die Befürchtung geweckt worden, Jan Sobieski verfolge absolutistische Pläne.195 An dieser Stelle sei darauf aufmerksam gemacht, dass sich die bisherige Forschung überwiegend auf die Berichterstattung der brandenburgischen Gesandten stützt und dabei außer Acht 192 Ossol., 2998/I TSL (Mf. 1034). S. 46; UA, 19. S. 140; Piwarski, Polityka bałtycka. S. 27. 193 Siehe dazu Bahr, Die Stadt Danzig. S. 3; Cieślak, Edmund: Walki społeczno-polityczne w Gdańsku w drugiej połowie XVII wieku. Interwencja Jana III Sobieskiego [Gesellschaftliche und politische Kämpfe in Danzig in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die Intervention Jan III. Sobieskis]. (Gdańskie Towarzystwo Naukowe. Bd. 2). Danzig 1960. S. 169; Konopczyński,Władysław: Polska a Szwecja. Od pokoju oliwskiego do upadku Rzeczpospolitej 1660–1795 [Polen und Schweden. Ab dem Frieden von Oliva bis zum Niedergang der Adelsrepublik 1660–1795]. Warschau 1924. S. 18–22. 194 Bahr, Die Stadt Danzig. S. 3; Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 160; Piwarski, Polityka bałtycka. S. 15. Bei Otto Forst de Battaglia heißt es: „Er weilte in Danzig, um von dort aus dem pommerschen Kriegsschauplatz nahe zu sein und um im geeignetsten Augenblick mit Brandenburg zu brechen.“ Ders., Jan Sobieski. S. 87; Piwarski, Polityka bałtycka. S. 27, 30;Vgl. dazu: Bobiatyński, Michał Kazimierz Pac. S. 352. 195 Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 146.
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5. Der diplomatische Weg zum Bündnis gegen den „Erbfeind“
lässt, was Jan Sobieski persönlich in den von ihm gegebenen Audienzen sagte und was an anderen Aussagen und Forderungen durch Dritte in seinem Namen übermittelt wurde. Dies hatte bereits während der Wahl eine Rolle gespielt und sollte sich noch mehrmals wiederholen. Ein direktes Beispiel ist die ausgesprochene Empörung Jan Sobieskis darüber, dass Friedrich Wilhelm ihn angeblich bezichtigte, einen Krieg gegen Brandenburg führen zu wollen. Auf die Empörung reagierte der Große Kurfürst, indem er ausdrücklich dementierte, so etwas je geschrieben zu haben; er habe lediglich seine Sorge darüber geäußert, „dass Schweden und Frankreich sich bemühten, [den polnischen König] dazu zu bewegen.“196 Prunkvoll trafen Jan Sobieski und Maria Kazimiera am 1. August 1677 im Danziger Hafen ein. Es folgte ein feierlicher Einzug in die Stadt, der von einem buntgekleideten Afrikaner und zwei Kamelen angeführt wurde, gefolgt von weiteren exotischen Männern und Knaben, polnischen Würdenträgern, Paukern und Trompetern, alle in den prächtigsten Farben gekleidet, bis die von sechs grauen Pferden gezogene, kostbare Karosse mit dem Königspaar und seinem Sohn Jakub in die Stadt einfuhr. Nach sechs Tagen der Feierlichkeiten197 widmete sich Jan III. Sobieski der inneren Krise der Stadt, die durch den Konflikt zwischen dem Danziger Rat und den Gewerken entstanden war. Damit verbunden habe er mehrere Güterkäufe getätigt und die Forderung gestellt, die Starostei Putzig (Puck) zu erhalten, die er schon längere Zeit für seine Nachkommen begehrte.198 Der Gesandte Johann von Hoverbeck schilderte dem Kurfürsten seine Befürchtung, dass Jan Sobieski noch weitere territoriale Ansprüche erheben könnte, was eine Bedrohung für Ostpreußen darstellen würde.199 Diese Befürchtung bestätigte sich, je länger der Aufenthalt in Danzig dauerte. Der königliche Besuch in der Hafenstadt war offiziell nur für zehn Tage angesetzt, doch die Schwierigkeiten, die sich in den Verhandlungen zwischen dem Danziger Rat und den Gewerken zeigten, veranlassten den polnischen König, weitaus länger zu bleiben.200 An dieser Stelle sei jedoch erwähnt, dass sein dortiger Aufenthalt sowohl dem französischen König, dem Kaiser und dem Kurfürsten zugu196 UA, 19. S. 119; Bahr, Die Stadt Danzig. S. 71. 197 Die ausführliche edierte Beschreibung des königlichen Einzugs findet sich in: Europa Triumphans. S. 434–437. Über die Bedeutung seines Kommens: Cieślak, Jan III. Sobieski a Gdańsk. S. 616. 198 Dazu: Korzon, Dola i Niedola. Bd. 2. S. 115; Cieślak, Jan III. Sobieski a Gdańsk. S. 614 samt der dort genannten Literatur. Über die Bedeutung Danzigs für das Königspaar: Komaszyński, Michał: Jan III Sobieski a Bałtyk [Jan III. Sobieski und die Ostsee]. Danzig 1983. S. 16–20. 199 UA, 19. S. 125 f. Der König soll laut Johann von Hoverbeck Putzig ohne Entgelt von den Danziger Gewerken erhalten haben. Ebd. S. 184; Bahr, Die Stadt Danzig. S. 22; Piwarski, Polityka bałtycka. S. 15, 44. Bei Andrzej Kamieński heißt es, dass Lauenburg und Bütow in gleicher Weise für Jakub Sobieski gekauft werden sollten. Ders., Polska a Brandenburgia. S. 155. 200 Cieślak, Walki. S. 173–206.
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tekam.201 Indem Jan Sobieski im Augenblick die südlichen Grenzgebiete sich selbst überließ und stattdessen in Danzig tätig wurde, erweckte er den Eindruck, dass sich Polen-Litauen aus den Angelegenheiten in Ungarn heraushalte. In einem Extrakt Johann Zierowskis vom 30. Mai 1677 an den Kaiser wurde deswegen der Fokus auf die französischen Minister gerichtet und François de Béthune bezichtigt, selber nach der ungarischen Krone zu streben, nachdem ihm die Rebellen den Thron in Aussicht gestellt hatten.Wenige Tage später richtete der kaiserliche Resident ein Memorial an Jan Sobieski, in dem er sich über den französischen Gesandten und dessen Anwerbungen polnischer Soldaten an den kaiserlichen Grenzen beschwerte und den König darum bat, dies zu unterbinden.202 Johann Zierowski verstärkte dadurch bei Leopold I. den Eindruck, dass die Machenschaften nicht durch den polnischen König inszeniert wurden, sondern die französischen Minister dafür verantwortlich waren – wodurch das Verhältnis zwischen Habsburg und Polen-Litauen nicht gefährdet wurde. Auf der anderen Seite scheint sich Jan Sobieski in Danzig ganz zum Wohlwollen Frankreichs intensiv mit der Unterstützung Schwedens gegen Brandenburg im Nordischen Krieg beschäftigt zu haben. Allerdings beteuerte der polnische König den brandenburgischen Gesandten Johann von Hoverbeck und Joachim Scultetus kontinuierlich seine Freundschaft zu Friedrich Wilhelm. Auffällig ist das wiederkehrende Schema, dass andere polnische Würdenträger indes an die Gesandten herantraten, um angeblich im Namen ihres Königs Forderungen zu stellen, die sie an den Großen Kurfürsten weiterleiten sollten. In diesem Zusammenhang berichtet der allen Gerüchten glaubende Gesandte Joachim Scultetus, dass der polnische König – wie er erfahren haben will – mit erhobenen Händen äußerte, er hoffe, durch eine Torheit Friedrich Wilhelms einen Grund zu erhalten, um gegen ihn rechtmäßig einen Krieg beginnen zu können. Hierfür habe der polnische König sogar das Gelübde abgelegt, bis an sein Lebensende an allen Feiertagen nur Wasser und Brot zu sich zu nehmen.203 Es ist allerdings mehr als fraglich, inwieweit man solchen Schilderun201 UA, 19. S. 151. Siehe auch Kazimierz Waliszewski in: Acta, III, 1. S. 420. Auf der anderen Seite geht man in der Forschung davon aus, dass Jan Sobieski in der Zeit seines Aufenthalts in Danzig einen Angriff auf das Königliche Preußen plante. Piwarski, Polityka bałtycka. S. 22 f.; Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 163; Komaszyński, Michał: Jan III Sobieski a Bałtyk. S. 35. 202 UA, 19. S. 157. Kopien von beiden Berichten finden sich in: SHStA, GR (10024), Loc. 8284/08. S. 55–77. Mehr zu den Verhandlungen zwischen François de Béthune und Michael I. Apafi, in: Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 86. 203 Siehe beispielhaft die Berichte Johann von Hoverbecks nach dessen Audienz beim polnischen König, in: UA, 19. S. 146, 154, 158 ff. Laut Kazimierz Piwarski soll dies eine Taktik Jan Sobieskis gewesen sein, um seine wahren Absichten zu verschleiern. Ders., Polityka bałtycka. S. 22, 34. Andere Historiker halten diese Aussage des Königs gegenüber dem Großen Kurfürsten ebenfalls für die „wahre Intention“ von Jan Sobieski und glauben, Jan Sobieski habe
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gen durch Dritte Glauben schenken kann. Die dadurch verursachte Angst in Berlin hatte jedoch den Vorteil – der sich im Folgenden zeigen wird –, dass Jan Sobieski sämtliche geforderte Zugeständnisse machte und die Kassen der Hetmane aufgefüllt wurden. Somit nutzte der polnische König nach den militärischen Auseinandersetzungen mit den Türken die Reise nach Danzig, um die Unruhen in der Hafenstadt endgültig beizulegen und die nächsten außenpolitischen Schritte zu überdenken und vorzubereiten. In einem Memorial an den abgereisten Bischof Forbin-Janson gestand Jan Sobieski, dass er keinen Vertrag mit Schweden unterschreiben wolle, zumal vor Kurzem erst der Frieden mit Brandenburg rechtskräftig geworden sei. Aus militärischer Sicht wandte er zudem ein, dass die schwedischen Truppen schlecht ausgestattet seien und er ihren Marsch im Rahmen des Nordischen Krieges durch Livland wegen der Litauer, insbesondere wegen Mykolas Pacas, der die Schweden als Erzfeinde betrachtete, als unrealisierbar beurteile.204 Dem Druck Frankreichs und Schwedens musste er sich dennoch beugen, was letztendlich im August 1677 zu einem geheimen Abkommen mit Schweden führte, in dem sich die Vertragspartner gegenseitig militärische Unterstützung versprachen. Als Rechtfertigung für dieses polnischschwedische Bündnis heißt es da, dass durch die gegen das königliche Verbot verstoßende Rekrutierung von Soldaten durch den Großen Kurfürsten im Herzogtum Preußen, Lauenburg und Bütow Jan Sobieski von dem Schutz dieser Lande und der Loyalität gegenüber Brandenburg-Preußen entbunden sei. Sollten diese Ländereien im Verlauf des militärischen Konflikts von den Schweden eingenommen werden, würden sie Prinz Jakub Sobieski zufallen.205 Somit wurde dieser Vertrag nicht ohne Nutzen unterzeichnet, wenn auch unter dem Druck Frankreichs, um Polen-Litauen als aktiven Verbündeten im Nordischen Krieg zu gewinnen. Jedoch berichtet interessanterweise der französische Gesandte François de Béthune, dass der polnische König mit einigen Punkten im schwedisch-polnischen Vertrag nicht einverstanden gewesen sei und wohl auch nicht beabsichtige, sie umzusetzen. Er kritisierte zudem, dass Jan Sobieski vor den hohen Würdenträgern der Rzeczpospolita noch immer nicht gegen den Großen Kurfürsten Stellung bezogen hatte. In dieser Situation versuchte man mithilfe Maria Kazimieras, die allerdings für ihre Dienste eine beträcht„im tiefsten Inneren seines Herzens auf die Realisierung seiner Ostseepolitik gehofft“, auch wenn diese Annahme lediglich spekulativ ist. Siehe beispielhaft: Forst de Battaglia, Jan Sobie ski. S. 87 ff.; Codello, Litwa wobec polityki bałtyckiej. S. 37. Über den Nutzen von auffälligen Verhaltensweisen in der Diplomatie siehe Windler, Symbolische Kommunikation. S. 179. 204 Acta, III, 1. S. 408; Bahr, Die Stadt Danzig. S. 92; Bobiatyński, Michał Kazimierz Pac. S. 363. 205 Acta, III, 1. S. 421, 424; Woliński, Janusz: Traktat gdański 1677 r. [Der Danziger Vertrag 1677]. In:Teki Archiwalne. Bd. 5 (1957). S. 173–182; Bahr, Die Stadt Danzig. S. 98 f.; Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 161 f.; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 88; Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 185.
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liche Pension von Versailles forderte, die Entscheidungen ihres Mannes im Sinne der französischen Politik zu erkaufen.206 In der französischen Berichterstattung heißt es weiter, dass Johann Zierowski während des königlichen Aufenthalts in Danzig in Warschau geblieben sei und vehement alle Register gegen die Unterstützung der Rebellen in Ungarn durch François de Béthune und Hieronim Lubomirski ziehe.207 Der polnische König beteuerte seine Neutralität und dementierte, irgendetwas gegen Habsburg oder Hohenzollern unternehmen zu wollen. Dem Residenten des Kaisers ließ er antworten, dass es sich bei den Unruhen in Ungarn um Gerüchte handeln müsse und von dort für Österreich keine Gefahr ausgehe.208 Am Warschauer Hof erzählte man sich zudem das Gerücht, dass Jan Sobieski dem Kaiser angeboten habe, ihm für 100.000 Taler Subsidien im Gegenzug 4000 Mann für den Kampf gegen die Kuruzen zu schicken.209 Zu diesem Gerücht findet sich keinerlei Stellungnahme von Habsburger Seite. Lediglich ein Brief des kaiserlichen Residenten vom 22. August 1677 weist auf das königliche Einverständnis hin, den Unterhalt für die Königinwitwe auszuzahlen, der allerdings nach der geplanten Eheschließung Eleonores mit Karl von Lothringen eingestellt werden sollte.210 Der große Kurfürst versuchte seinerseits, die Gunst Jan Sobieskis für sich zu gewinnen, und schenkte ihm acht Stuten anlässlich der königlichen Ankunft in Preußen.211 Der polnische König zeigte sich freundlich und dankbar gegenüber dem Gesandten Scultetus, der jedoch schon drei Monate später mit Sorge berichtete, dass im Danziger Umkreis heimliche Aufrüstungen unternommen und Offiziere geschult würden, die mutmaßlich für den Einsatz in Ungarn vorgesehen waren.212 Beunruhigt nahm man hin, dass sich der Aufenthalt des Königspaars immer weiter hinauszögerte. Die Sorgen waren jedoch unberechtigt. Es waren persönliche Gründe, die das Königspaar veranlassten, länger in Danzig zu verweilen: Am 9. September 1677 wurde Aleksander Benedikt Sobieski dort geboren. Zusätzlich erkrankte kurz darauf der König an der Wassersucht und letztendlich war es der Winter, der Anlass dazu gab, in der Hafenstadt zu bleiben. Auch die Gespräche zwischen den preußi206 207 208 209
Inwieweit ihr Einfluss auf ihren Mann reichte, ist fragwürdig. Siehe dazu Acta, III, 1. S. 442. Acta, III, 1. S. 422 f. Ebd. S. 429–432. So heißt es im Original: „[…] (Jan III.) donne à l´Empereur 4 mille hommes des trouppes qu’elle casse, moyennant cent-mille escus qu’elle en a receu et que c’est pour envoyer contre les rebelles de Hongrie.“ In: Acta, III, 1. S. 422. 210 Brief an die Kaiserin Eleonore vom 22. August 1677 in: HHStA, GSR 105, S. 306 f. 211 UA, 19. S. 158. Über die früheren Bemühungen Friedrich Wilhelms um gute Beziehungen mit Polen-Litauen:Wachowiak, Bogdan: Polityka Brandenburgii-Prus wobec Polski w latach 1618–1763 [Brandenburg-Preußens Politik zu Polen in den Jahren 1618–1763]. In: Roczniki Historyczne. Bd. 49 (1983). S. 71, 73, 76. 212 UA, 19. S. 166 f.
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schen Ständen und den Danziger Gewerken zeitigten noch nicht die gewünschten Ergebnisse. Erst Mitte Februar 1678 beschloss Jan Sobieski abzureisen.213 Für Habsburg waren es nicht nur der Holländische Krieg und die Machenschaften der französischen Minister in Zusammenarbeit mit den ungarischen Rebellen, die Anlass zur Sorge gaben, sondern auch der „Schwarze Tod“, der seit 1676 über das Land zog. Der Ausbruch der Pest führte sogar dazu, dass laut dem kaiserlichen Residenten die Korrespondenz erschwert wurde.214 Im November 1677 traf auch die Nachricht ein, dass die Krankheit in Jaworiw wütete.215 In der Zwischenzeit hielten der litauische Feldherr Mykolas Pacas und weitere wichtige Würdenträger im Senat zum kaiserlichen Residenten. Laut dem Memoire Maria Kazimieras vom 4. Januar 1678 an Ludwig XIV. setzten sie sich dafür ein, sämtliche profranzösischen Operationen zu verhindern. Dem Schreiben zufolge habe das polnische Königspaar die Sorge geteilt, der Kaiser gehe mit den oppositionellen Litauern ein separates Bündnis ein.216 Maria Kazimiera und Jan Sobieski sollen auch eine Allianz zwischen den Niederlanden, Dänemark, Brandenburg und dem Kaiser gefürchtet haben. Die gebürtige Französin betonte dabei, dass Letztgenannter zusätzlich die päpstliche Unterstützung genieße und Einfluss auf die Moskowiter habe. Die mäßige Initiative für die französischen Interessen rechtfertigte sie damit, dass man das Ausmaß des Krieges zwischen Polen-Litauen und Schweden (1655–1660) nicht vergessen habe und ihr Mann primär an das Wohl der Rzeczpospolita denke. Aus militärischer Sicht war die Kommunikation mit dem schwedischen König nicht ausreichend für eine gemeinsame Operation und auch nicht genügend Geld vorhanden, um einen Angriff auf Preußen zu beginnen.217 Für den Abbruch sämtlicher Bündnispläne zwischen Frankreich, Schweden und dem polnischen König tat der Große Kurfürst den entscheidenden Schritt durch seine Eroberung von Stettin im Dezember 1677. Dieser Sieg machte schließlich die Überlegenheit Brandenburgs gegenüber den Schweden deutlich und entgegen den Erwartungen Ludwigs XIV. gewährte Jan Sobieski Ende Januar 1678 den brandenburgischen Truppen den Durchzug von Stettin zurück in die Heimat und bemühte sich um ein freundliches Verhältnis zu Friedrich Wilhelm.218
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Ebd. S. 162, 166; Cieślak, Walki. S. 206–221. HHStA, GSR 105, S. 308; Spielman, Leopold I. S. 81–83. Acta, III, 1. S. 459. Ebd. S. 451, 469–473. Siehe hierzu die Berichte Johann von Hoverbecks über seine Verhandlungen mit Mykolas Pacas in: UA, 19. S. 92–95, 98, 108. Für die Opposition Pacas̕’ soll Jan Sobieski die Reduzierung der litauischen Armee durchgesetzt haben. Codello, Litwa wobec polityki bałtyckiej. S. 26; Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 165 f.; Piwarski, Polityka bałtycka. S. 37; Bobiatyński, Michał Kazimierz Pac. S. 368 f. 217 Acta, III, 1. S. 451, 469–473; Bahr, Die Stadt Danzig. S. 91, 122–125. 218 UA, 19. S. 182, 185. Ludwig XIV. machte Jan Sobieski Druck, Brandenburg anzugreifen, da-
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In Bezug auf die antikaiserlichen Pläne Frankreichs hatte der polnische König laut François de Béthune nur widerwillig dem Vertrag vom 31. Mai 1677 zugestimmt, in dem er den Kuruzen in Ungarn Schutz versprach und hierfür in ständiger Korrespondenz mit Michael I. Apafi und den Anführern der Rebellen stand.219 Aus Wien berichtete im Juni 1677 der brandenburgische Gesandte, dass die französischen Machenschaften zu neuen, heftigen Aufständen in Ungarn führten, die es dem Kaiser unmöglich machten, Friedrich Wilhelm ein Hilfskorps zur Verstärkung gegen die Schweden zu schicken.220 Außerdem fielen im September 1677 polnische Truppen unter dem Befehl des Malteserritters Lubomirski in das Fürstentum Oppeln ein, die allerdings von badischen Kompanien in die Flucht geschlagen wurden.221 Erneut gaben die Auseinandersetzungen an der polnischen Grenze dem Kaiser die Möglichkeit, sich zu rechtfertigen, weshalb er Brandenburg während des Nordischen Krieges nicht unterstützen könne. In Bezug auf die Bitte Friedrich Wilhelms um Milde gegenüber den protestantischen Ungarn machte Leopold I. zunächst den Ungarn Zugeständnisse, die der Große Kurfürst mit Worten des Lobes guthieß.222 Ruft man sich jedoch die Briefe zur polnischen Königswahl wieder in Erinnerung, ist offensichtlich, dass es sich hierbei nicht um die wahre kaiserliche Intention handelte. Deswegen kann es nicht verwundern, dass Leopold I. im Herbst weitere Unterdrückungsmaßnahmen gegen die Protestanten anordnete.223 François de Béthune unterstützte Ende 1677 in Ungarn den 20-jährigen Rebellenanführer Graf Emmerich Thököly,224 der im weiteren Verlauf der Ereignisse an Bedeutung gewinnen sollte. Der junge Graf aus einer calvinistischen Adelsfamilie trat als erster ungarischer Ansprechpartner zwischen Habsburg und den Rebellen auf, nachdem er mehrere Raubzüge angeführt hatte und dadurch den Kaiser 1678 zu ersten Verhandlungen
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mit der Kurfürst keine weiteren Truppen zum rheinischen oder holländischen Kriegsschauplatz schicke. Siehe die Briefe vom 31. Dezember 1677 und 14. Januar 1678 in: Acta, III, 2. S. 40 f.; Bahr, Die Stadt Danzig. S. 124 f. Die gegen den Rat des polnischen Königs getroffenen Entscheidungen des schwedischen Feldherrn Christian Horn und dessen darauf erfolgte Niederlage gegen den Großen Kurfürsten sollen dazu geführt haben, dass Jan Sobieski die Zusammenarbeit mit Schweden abbrach. Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 166 f.; Opgenoorth, Die Lande Preußen. S. 7 f.; Ders., Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 180–187; Piwar ski, Polityka bałtycka. S. 23; Wachowiak, Polityka Brandenburgii. S. 76 f. Acta, III, 1. S. 394, 397 f., 470. Darüber wusste man auch in Wien Bescheid sowie folglich auch durch Lorenz Georg von Krockow in Berlin: GStAPK, I. HA, GR, Rep. 63. Nr. 50; Spielman, Leopold I. S. 81 f.; Bérenger, Léopold Ier. S. 294. UA, 18. S. 481 f. Ebd. S. 484. Anschaulicher sind jedoch das Original und der Bericht vom 16. September 1677 in: GStAPK, I. HA, GR, Rep. 63. Nr. 51. UA, 18. S. 483; Spielman, Leopold I. S. 82. UA, 18. S. 487. Die erneute Härte gegenüber den Rebellen erfolgte, nachdem die ungarischen Adligen den Abzug der kaiserlichen Armee gefordert hatten. Spielman, Leopold I. S. 82. Acta, III, 1. S. 451, 470.
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zwang.225 Doch zunächst erinnerte Leopold I. durch seine Briefe an Jan Sobieski und die polnischen Senatoren an die Geschehnisse im September 1677 und wies sie auf die Bedrohung für die Rzeczpospolita und die Christenheit durch die ungarischen Rebellen hin.226 Als weitere Maßnahme beabsichtigte der Kaiser, zusammen mit dem König von Dänemark und dem Kurfürsten von Brandenburg finanzielle Mittel aufzubringen, um die französischen Machenschaften in Polen und Ungarn zu unterbinden. Das gemeinsame Auftreten der jeweiligen Gesandten vor dem König sollte weiterhin den Zusammenhalt dieser drei Alliierten demonstrieren, da die in Polen-Litauen anwesenden Franzosen versuchten, durch separate Gespräche mit den Vertretern Dänemarks, Brandenburgs und des Kaisers einen Keil zwischen die Verbündeten zu treiben. Als weitere Maßnahme hielt es Leopold I. für sinnvoll, insbesondere die Feldherren Polen-Litauens und ihre Truppen finanziell zu unterstützen, auch wenn man sich seitens Habsburgs der Zuverlässigkeit von M ykolas Pacas unsicher war.Vor Ort sollte deswegen herausgefunden werden, über welche Mittel der Litauer verfügte, um eine Armee zu unterhalten. 227 Den Großen Kurfürsten überraschte das Vorgehen Leopolds I. nicht. Hatte er zuvor den Kaiser vergeblich um dessen Unterstützung gegen die Schweden gebeten, so bat ihn dieser nun, wo die Gefahr für ihn in Ungarn zunahm, um seine Hilfe. Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass Friedrich Wilhelm diesem Ansinnen nur mit einem bitteren Beigeschmack entsprach.228 Das erwies sich jedoch als schwieriger als erwartet. Die geforderten Unterhaltszahlungen der Truppen von Mykolas Pacas konnten vom Wiener Hof wegen des noch andauernden Krieges mit Frankreich nicht aufgebracht werden. Dennoch flossen österreichische Gelder nach Polen-Litauen, um einige Senatoren und insbesondere Krongroßhetman Dymitr Wiśniowiecki zu gewinnen, der die Umtriebe in Ungarn unterbinden solle. Mykolas Pacas, der vom Kaiser finanziell nicht bedacht worden war, forderte als 225 Spielman, Leopold I. S. 82 f.; Bérenger, Leopold Ier. S. 294; Benczédi, László: Imre Thököly und das oberungarische Fürstentum. In: AHASH. Bd. 33 (1987). H. 2/4. S. 223–227. Mehr zur Ungarnpolitik: Macek, Jaroslav: Die Länder der böhmischen Krone und die habsburgische Politik in Ungarn und auf dem Balkan. In: AHASH. Bd. 33 (1987). H. 2/4. S. 237–250. 226 Siehe die kaiserlichen Schreiben vom 31. Dezember 1677 in: GStAPK, I. HA, GR, Rep. 63. Nr. 62. 227 Im Dezember wurde Leopold I. darüber berichtet, dass Mykolas Pacas für eine Aufstockung seiner Truppen auf 10.000 Mann eine Million polnischer Gulden verlangte. Die Relation vom 12. Dezember 1677 in: GStAPK, I. HA, GR, Rep. 63. Nr. 52. Die Reaktion des Kaisers darauf schickte Krockow an Friedrich Wilhelm am 8. Januar 1678 in: UA, 18. S. 492 f., 501. Die Auszahlung der bewilligten Gelder erfolgte im Sommer 1678. Codello, Litwa wobec polityki bałtyckiej. S. 33. 228 UA, 18. S. 493. Noch am gleichen Tag beantragte der Große Kurfürst bei seinem Geheimen Rat weitere Gelder für Polen-Litauen: GStAPK, I. HA, GR, Rep. 63. Nr. 62. Mykolas Pacas wurden 5000 Taler ausgezahlt. Codello, Litwa wobec polityki bałtyckiej. S. 33.
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Gegenleistung für seine Unterstützung zumindest die Erhebung in den Reichsfürstenstand, die ihm Leopold auch zugestand, zu der es jedoch nie kommen sollte. In der bisherigen Forschung konnte man sich nicht erklären, weshalb diese Bitte des litauischen Großhetmans unerhört blieb. Interessant sind jedoch zwei Aspekte: Der Adelsfamilie der Radvila wurde bereits 1515 unter Kaiser Maximilian I. der Titel eines Reichsfürsten zuteil. Mykolas Radvila, der bekanntlich im persönlichen Streit mit Mykolas Pacas war, führte ebenfalls den Reichsfürstentitel. Höchstwahrscheinlich wurde es von der Hofburg als ratsam empfunden, um die Rivalität zwischen beiden Hetmanen nicht zusätzlich zu verstärken, die Erhebung von Mykolas Pacas hinauszuzögern.229 Mitte Februar 1678 reiste das Königspaar von Danzig in Richtung Lublin, wo Jan Sobieski für den 26. März 1678 eine Versammlung anberaumt hatte.230 Während ihres zwischenzeitlichen Aufenthalts in Marienburg (Malbork) versicherten sie dem dort anwesenden Gesandten Johann von Hoverbeck ihre Freundschaft gegenüber dem Kaiser und dem Großen Kurfürsten und äußerten den Wunsch, mit beiden in eine Allianz eingebunden zu werden.231 Damit wurde offenkundig, dass das Königspaar entgegen der französischen Erwartung eigene Pläne schmiedete, die sich nicht gegen christliche Herrscher richteten. Ein Grund dafür dürfte gewesen sein, dass die Verhandlungen des polnischen Gesandten Jan Gniński mit der Hohen Pforte nicht die Ergebnisse lieferten, die man sich erhofft hatte. Zbigniew Wójcik vertritt die Meinung, dass Jan Sobieski den Osmanen den aufrichtigen Vorschlag gemacht hatte, für die Rückgabe der eroberten polnischen Gebiete gemeinsam gegen Moskau in den Krieg zu ziehen. Ohne kritisch zu hinterfragen, ob der polnische König tatsächlich so naiv gewesen war, davon auszugehen, dass sich die Hohe Pforte auf solch ein Angebot einlassen würde, wurde diese Auffassung bis heute in der Forschung akzeptiert.232 Die Gesandtschaft Jan Gnińskis 1677/78 hatte immerhin den Effekt, dass die Osmanen weiter hingehalten wurden und sich die Verhandlungen in die Länge zogen, was sich in den Folgejahren wiederholen sollte.
229 UA, 18. S. 494. Die Diskussion erstreckt sich über mehrere Monate, siehe auch die Korrespondenz zwischen Kaiser und Kurfürsten, ebd. S. 498 ff.; Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 147. Über die hohe Forderung finanzieller Unterstützung Dymitr Wiśniowieckis siehe ebd. S. 169; Codello, Litwa wobec polityki bałtyckiej. S. 25; Bobiatyński, Michał Kazimierz Pac. S. 355. Besonders in der polnischen Historiografie ist der Vorwurf zu finden, dass der Grund für den weiteren französischen Einfluss auf Jan Sobieski die Untätigkeit des Kaisers und des Kurfürsten gewesen war. Siehe beispielsweise Piwarski, Polityka bałtycka. S. 46. 230 UA, 19. S. 185 f. 231 Ebd. S. 187 f. Auch die dortige Anm. 3. 232 Wójcik, Rzeczpospolita. S. 37–42; Dybaś, Mächtepolitische Neuorientierungen. S. 400, 407.
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Im April 1678 stellte Sultan Mehmet IV. für Jan III. Sobieski eine Eidesurkunde (ʿahdname) aus, die die Basis für künftige friedliche Beziehungen darstellte.233 Die darin angeführten Bedingungen und geforderten Tributzahlungen waren dem polnischen König jedoch ein Dorn im Auge und veranlassten ihn zu einer Annäherung an den Kaiser und den Zaren. Da die darauffolgenden Gespräche mit den Moskowitern, von denen Habsburg wusste, ergebnislos verliefen, sah sich Jan Sobieski dazu gezwungen, den Vertrag mit der Hohen Pforte zu ratifizieren.234 Nachdem Johann Zierowski über das Scheitern der moskowitischen Gesandtschaft nach Wien berichtet hatte, war es seine nächste Aufgabe, die inzwischen für Eleonore angesammelten Gelder nach Graz zu verschicken, da deren Unterhaltszahlungen – wie vereinbart – mit deren neuer Eheschließung ein Ende nahmen. Nach all dem Bangen der Königinwitwe, mit welchem entfernten Verwandten sie sich als Nächstes verheiraten müsse, zeigte sich Leopold I. der ihm bekannten Liebe zwischen Eleonore und Herzog Karl von Lothringen nachgiebig. Am 6. Februar 1678 wurde das Paar in der Hofkapelle im Beisein des ganzen Wiener Hofs zu Neustadt getraut.235 Ein weiterer Grund der Freude für Kaiser Leopold war die Geburt seines zukünftigen Thronfolgers Joseph am 26. Juli 1678, was mit einer „exorbitanten“ Taufe gefeiert wurde.236 Doch diese Ereignisse sollten vorerst die einzigen Gründe zur Freude bleiben. Im Mai 1678 schrieb Friedrich Wilhelm an Jan III. Sobieski, ihm sei zu Ohren gekommen, dass die in Preußen geworbenen Truppen mit französischen Geldern und mit feindlichen Absichten gegen Brandenburg aufgestellt worden seien. Wie um seine Unwissenheit zu demonstrieren, begab sich der König nach Jaworiw, wo er beteuerte, über die Werbungen in Preußen nichts zu wissen. Dieses Verhalten erinnert an das des Vorjahrs, als sich der polnische König in Danzig aufhielt und verlauten ließ, nichts von den Unruhen im fernen Ungarn zu wissen. Nicht ganz uninteressant ist, dass in diesem Zusammenhang der Große Kurfürst erneut von 4000 Mann spricht, wie dies der französische Gesandte ein Jahr zuvor in seinem Brief an Ludwig XIV. getan hatte, als es darum ging, Leopold I. gegen die Kuruzen zu unterstützen.237 Während offenkundig feindliche Absichten gegen Brandenburg
233 Übers. in: Kołodziejczyk, Ottoman-Polish Diplomatic Relations. S. 537–544; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 93. 234 Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 92–94; Wójcik, Rzeczpospolita. S. 127; Piwarski, Polityka bałtycka. S. 57. 235 Der Brief Zierowskis vom 18. April 1678 in: HHStA, GSR 105 und die Beschreibung der „Hochzeit der Königin Eleonora“ in: HHStA, OMeA, ÄZA, 11; Spielman, Leopold I. S. 78; Urbanski, Karl von Lothringen. S. 88 f. 236 HHStA, OMeA, ÄZA, 11; UA, 18. S. 510. 237 Vgl. UA, 19. S. 189 f.; Acta, III, 1. S. 422. Über die finanzielle Unterstützung Frankreichs für die von Jan Sobieski gestellten Truppen von 4000 Mann: Piwarski, Polityka bałtycka. S. 45; Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 168.
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verfolgt wurden, nährte das Verhalten Jan Sobieskis bei Friedrich Wilhelm die sicher nicht ganz unberechtigte Befürchtung, der polnische König werde sich weiter dem Kaiser annähern, indem er diesem versprach, die Rebellen in Ungarn nicht weiter unterstützen zu wollen und damit letzten Endes einen Keil zwischen Habsburg und Hohenzollern zu treiben.238 Um der polnischen Annäherung an den Wiener Hof möglichst einen Riegel vorzuschieben, riet Friedrich Wilhelm dem Kaiser auch dringend davon ab, auf den Plan des polnischen Königspaars, den jungen Prinzen Jakub mit einer Habsburger Prinzessin zu verheiraten, einzugehen. Um wiederum den Großen Kurfürsten zu beruhigen, dementierte die Hofburg alle diesbezüglichen Annäherungsversuche seitens des polnischen Königs.239 Friedrich Wilhelm indes traute Jan Sobieski nicht. Daran änderte auch nichts, dass der polnische König in privaten Gesprächen mit dem brandenburgischen Sondergesandten Stefan Niemirycz seine aufrichtige Freundschaft zum Großen Kurfürsten beteuerte. Laut dem Sondergesandten habe sich das polnische Königspaar wegen privater Angelegenheiten von Frankreich abgewendet und eine Abneigung gegenüber ihrem Schwager, dem Marquis de Béthune entwickelt, weshalb sie sich der prokaiserlichen Partei anschlossen.240 Friedrich Wilhelm schienen diese Beweggründe jedoch nicht triftig genug. Das Misstrauen gegenüber Jan Sobieski erhielt zusätzliche Nahrung, als der Große Kurfürst von seinen Agenten die Nachricht erhielt, dass die Schweden durch polnische Soldaten unterstützt würden, die offiziell in der livländischen Armee Dienst taten. Mehrfach erging die kurfürstliche Bitte an Jan III. Sobieski, den Einfall der Schweden in Preußen zu verhindern. Dass diese Bitte indes ungehört verhallte, begründete ausgerechnet der in brandenburgischem Sold stehende Mykolas Pacas damit, dass der polnische König momentan mit Teilen seiner Armee die Tatarenangriffe in Podolien abwehre; daher rate er ihm, in Preußen persönlich einzugreifen.241 Das Misstrauen Friedrich Wilhelms bestätigte sich erneut, als der kaiserliche 238 UA, 19. S. 194 f.; Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 164. 239 UA, 18. S. 501, 505. Forst de Battaglia behauptet sogar, dass der zweitälteste Sohn, Aleksander Sobieski, der 1677 in Danzig geboren wurde, den Kaiser als Taufpaten hatte. Ders., Jan Sobieski, S. 95. 240 UA, 19. S. 204 f. Mehr zur Gesandtschaft von Stefan Niemirycz im Namen des Großen Kurfürsten und dessen Warnung Jan Sobieskis vor einem Anschlag durch politische Gegner und einer möglichen Konföderation in: Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 171–174; Piwarski, Polityka bałtycka. S. 53 f. 241 UA, 19. S. 206–210. Aleksander Codello hatte den Brief des litauischen Großhetmans nicht berücksichtigt und deshalb angenommen, dass Friedrich Wilhelm kein Vertrauen in die Litauer hegte, wodurch sich der Große Kurfürst genötigt sah, selbst ins Feld zu ziehen. Ders., Litwa wobec polityki bałtyckiej. S. 38. Mykolas Pacas wurde für Brandenburg vielmehr eine der wichtigsten Stützen. So: Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 170. Über die Zusammenarbeit der Kosaken mit den Türken und die Geschehnisse in der Ukraine: Kroll, Piotr:
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Resident den brandenburgischen Gesandten darüber informierte, wie Jan Sobieski innerhalb einer geheimen Konferenz in die französischen Machenschaften mit den livländischen Truppen involviert war.242 Die vom polnischen König unbeantworteten Briefe führten Friedrich Wilhelm letztendlich zu dem Entschluss, tatsächlich selber nach Preußen zu ziehen. Während der Große Kurfürst über die vermeintlichen Truppen in Danzig unter François de Béthune klagte, versammelte sich am 15. Dezember 1678 der Sejm in Grodno.243 Zur Verwunderung des sonst so gut informierten Johann von Hoverbeck hatte der polnische König seinen politischen Kurs geändert und in seiner Rede die Fortsetzung des Türkenkrieges gemeinsam mit Moskau in den Fokus gestellt.244 Im Gegensatz zum Großen Kurfürsten, der mit einem polnischen Angriff auf Preußen rechnete, hegte Jan Sobieski offenbar die Hoffnung auf einen baldigen Frieden in Europa. Hier sei nochmals an seinen Brief von 1675 an seine Frau erinnert, in dem er über die europäische Zerrissenheit und den Spott der Osmanen klagte.245 Bei einem Zusammenschluss der christlichen Herrscher könnte diesen bewiesen werden, wie das vereinte Europa die Streiter des Islams zurückschlage. Für Jan Sobieski war es offenkundig nur eine Frage der Zeit, bis er seine eigentlichen Intentionen in die Tat umsetzen konnte.246 Der Frieden in Europa war jedoch noch nicht geschlossen und als der Große Kurfürst erfuhr, dass man einen schwedischen Angriff auf Preußen durch die Anstiftung Frankreichs und mit dem Wissen und Willen von Jan Sobieski erlaube, forderte er den Kaiser eindringlich zu Gegenmaßnahmen auf, die allein durch die versprochenen Geldsummen für die litauische Armee möglich waren.247 Leopold I.
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Jan III. Sobieski wobec kozaczyzny w latach 1676–1683 [Jan III. Sobieski gegenüber dem Kosakenstaat in den Jahren 1676–1683]. In: Milewski (Hg.), Król Jan III Sobieski. S. 203–226. Wójcik, Rzeczpospolita. S. 190. UA, 19. S. 212–215; Acta, V, 2. S. 158 f. Seinen Frust über die Neuigkeit durch einen abgefangenen Brief des schwedischen Feldmarschalls Henrik Henriksson Horn an Jan Sobieski, dass der polnische König über die Taten der Franzosen Bescheid wusste, hielt Friedrich Wilhelm in seinem Schreiben vom 15. Dezember 1678 fest. In: UA, 18. S. 525; Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 185. Jede dritteVersammlung fand laut der Konstitution des Sejms von 1673 in der litauischen Stadt Grodno statt. Codello, Litwa wobec polityki bałtyckiej. S. 39. Hierzu mehr in: Matwijowski, Krystyn: Sejm Grodzieński 1678–1679 [Der Sejm von Grodno 1678–1679]. Breslau 1985; Konieczna, Diana: Zmagania dworu z opozycją litewską przed sejmem grodzieńskim z lat 1678–1679 [Das Ringen des Hofes mit der litauischen Opposition vor dem Sejm von Grodno in den Jahren 1678–1679]. In: Milewski (Hg.), Król Jan III Sobieski. S. 75–87; Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 174–181. UA, 19. S. 223. Zeller (Hg.), Jan Sobieski. S. 75. Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 102. UA, 18. S. 525. Bzgl. Mykolas Pacas Schwierigkeiten, seine Armee zu finanzieren, siehe:
5.2 Die befürchtete Beteiligung am Nordischen Krieg
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lenkte insofern ein, als er laut brandenburgischen Informanten den Grafen Christoph Altheim zur Sejmversammlung nach Grodno entsandte. Dieser kaiserliche Sondergesandte wurde instruiert, den gegen die Freiheiten der Rzeczpospolita und des polnisch-litauischen Adels gerichteten Bemühungen Jan Sobieskis um eine Erbmonarchie entgegenzuwirken.248 Außerdem solle er den Durchzug der Schweden verhindern und sie mithilfe polnischer Truppen zurückdrängen, um so dem Großen Kurfürsten dessen territoriale Ansprüche in Preußen laut der pacta et foedera zu garantieren. Ohne finanzielle Zuschüsse bestand jedoch laut Lorenz Georg von Krockow keine Aussicht auf Erfolg. Der brandenburgische Gesandte in Wien beobachtete auch, dass man am kaiserlichen Hof keine Zweifel hegte, dass zwischen dem schwedischen und dem polnischen König ein – bekanntlich schon 1677 geschlossener – geheimer Vertrag existiere, der tatsächlich vorsah, die schwedischen Eroberungen in Preußen den Polen zu überlassen. Man hegte jedoch die Hoffnung, dass diese Unterstützung durch den Sejm verhindert werde.249 Selbst wenn die Verschwörungstheorien des brandenburgischen Gesandten über eine Armee unter dem Befehl des Marquis de Béthune stimmen sollten,250 war dies ein scharfsinniger Schachzug des polnischen Königs, von Frankreich bezahlte Truppen im Königreich zu unterhalten, um diese gegebenenfalls für die eigenen Pläne einsetzen zu können. Krockow ließ ebenfalls wissen, dass man sich auf die kaiserlichen Subsidien nicht verlassen könne, vielmehr sorge sich Leopold I. um die eigenen Kriegshandlungen, die durch den Separatfrieden zwischen Frankreich und den Niederlanden erschwert würden. Damit war Friedrich Wilhelm auf sich allein gestellt.251 Auch wenn Kronschatzmeister Jan Andrzej Morsztyn, nach seinem Besuch in Paris, den Großen Kurfürsten persönlich in Berlin aufsuchte und ihm versicherte, Jan Sobieski helfe den Schweden nicht, begann die brandenburgische Armee ihren Marsch nach Preußen.252 Die letzte Maßnahme, die Leopold I. aus Entgegenkommen traf, war, seinen Piwarski, Polityka bałtycka. S. 49 ff. Über die Zusammenarbeit des litauischen Großhetmans mit dem Großen Kurfürsten wusste Jan Sobieski Bescheid und nahm dies entgegen den Erwartungen seiner Anhänger stillschweigend hin. Ebd. S. 50; Codello, Litwa wobec polityki bałtyckiej. S. 27. Über die Zahlungen an Mykolas Pacas durch Habsburg und Hohenzollern, siehe: Bobiatyński, Michał Kazimierz Pac. S. 372. 248 Über die Bedeutung der Gesandtschaft: Bély, Das Wissen über das diplomatische Zeremoniell. S. 155. 249 UA, 18. S. 522 f.; Wójcik, Jan Sobieski. S. 287 ff. 250 UA, 19. S. 239 f. 251 Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 172 f. Mehr über das Verhältnis zwischen Habsburg und Hohenzollern 1676–78 bei Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 173–176, 188 f. 252 UA, 19. S. 221. Einzelheiten über den für Brandenburg siegreichen Feldzug gegen die Schweden in: Hirsch, Ferdinand: Der Winterfeldzug in Preußen 1678–1679. Berlin 1897. S. 76–111; Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 186 f. Nicht abzustreiten ist, dass Jan Sobieski über
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5. Der diplomatische Weg zum Bündnis gegen den „Erbfeind“
Gesandten nochmals aufzufordern, den polnischen König und die Rzeczpospolita zu ermahnen, die Schweden nicht weiter zu unterstützen und sich an die pacta mit Brandenburg zu halten. Es wurde zur Gewissheit, dass man seitens Habsburgs die litauische Armee durch Truppen oder Subsidien nicht unterstützen konnte, weshalb der kaiserliche Resident beauftragt wurde, im Gespräch mit Mykolas Pacas um günstigere Bedingungen zu verhandeln, die für den Kaiser auch realisierbar seien.253 Doch wie man es in Wien bereits vorgeahnt hatte, war der litauische Großhetman ohnehin verhindert. Im Winter 1678/79 war es Mykolas Pacas aufgrund des Sejms in Grodno nicht möglich, den Großen Kurfürsten im Kampf gegen Schweden zu unterstützen. Stattdessen schlug er Friedrich Wilhelm eine geradezu unrealistische territoriale Neuordnung vor: So wie Schweden nach der erfolgten Eroberung Preußens dieses ans polnische Königreich abtreten würde, solle er seinerseits Livland, das er zu erobern gedenke, dem Großherzogtum Litauen anbieten.254 Einen ähnlichen Vorschlag unterbreitete auch Maria Kazimiera Berlin. Zeitnah versprach sie dem Großen Kurfürsten, für die Rückgabe des brandenburgischen Pfandbesitzes Draheim einen Kurswechsel des polnischen Königs in die Wege zu leiten, nämlich dessen Annäherung an ihn und den Kaiser.255 Allerdings nahm Mykolas Pacas seine Aufgabe während des Sejms sehr ernst und plädierte öffentlich dafür, sich von den Machenschaften ausländischer Gesandter, wie des Marquis de Béthune, nicht blenden zu lassen, der die Rzeczpospolita in einen Krieg zu stürzen beabsichtige. Inwieweit dies Jan Sobieskis Entscheidungen beeinflusste, lässt sich nicht sagen. Jedoch wurde der vom schwedischen Gesandten Anders Lilliehöök während seines Aufenthalts in Lemberg geäußerte Vorschlag einer polnischen Teilnahme am geplanten Winterfeldzug in Preußen abgelehnt. Dem kaiserlichen Residenten wurde zudem während dessen Audienz beim polnischen König versprochen, dass dem Römischen Reich kein Unheil geschehen werde, Jan III. Sobieski allerdings außer Stande sei, die Schweden aufzuhalten.256 Die Bemühungen der kaiserlichen Minister und des päpstlichen Nuntius Ende Januar 1679, den polnischen König für ein Bündnis mit den Moskowitern gegen
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die taktischen Maßnahmen der Schweden informiert wurde. Piwarski, Polityka bałtycka. S. 59–64. UA, 18. S. 529, 531. UA, 19. S. 223; Bobiatyński, Michał Kazimierz Pac. S. 381 f. Über die Bedeutung und das Eigeninteresse der Litauer am Livland siehe: Dybaś, Mächtepolitische Neuorientierungen. S. 416 samt der dort aufgeführten Literatur. Vgl. dazu Codello, Litwa wobec polityki bałtyckiej. S. 31 f. UA, 19. S. 242; Acta, V, 2. S. 205. Acta, V, 2. S. 142. Siehe bes. Anm. 3. in: UA, 19. S. 225 f.; Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 174; Codello, Litwa wobec polityki bałtyckiej. S. 35, 40, 43.
5.2 Die befürchtete Beteiligung am Nordischen Krieg
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die Osmanen zu gewinnen, wirkten für Johann von Hoverbeck wenig konstruktiv.257 Hierbei stellten die gemachten Vorschläge des Zaren Fjodors III. ein Problem dar. Die in Aussicht gestellte materielle und finanzielle Hilfe machten ein Bündnis für die Rzeczpospolita nicht attraktiv. Umso mehr sollte als Alternative, mit Hinblick auf einen baldigen Frieden in Europa, bei sämtlichen christlichen Herrschern angefragt werden, was sie bereit wären, gegen den „Erbfeind“ zu tun. Und zu diesem Anlass erreichte Jan Sobieski während der Versammlung in Grodno genau das, was er wollte: die Einwilligung, zwei Jahre eigenständig bei den europäischen Mächten für ein Bündnis zu werben, die Erlaubnis, nach eigener Einschätzung die polnische Armee zu verstärken, und den Auftrag, alles zum Wohl der Rzeczpospolita Notwendige zu tun.258 Begünstigt wurde dieser Beschluss durch das sich abzeichnende Ende des Krieges zwischen Habsburg und Frankreich. Während die Verhandlungen im Sejm noch bis zum 4. April 1679 andauerten, wurde am 5. Februar 1679 der Friedensvertrag in Nimwegen ausgehandelt und nach Wien geschickt. Er war eine große Überraschung für den Wiener Hof und der Kaiser war außer sich vor Wut. Mit „Stillschweigen oder mit einer unfreundlichen Miene“ hatte er seinen Gratulanten geantwortet und wog ab, weshalb er diesen Frieden mit Frankreich nicht ratifizieren sollte.259 Auch der Große Kurfürst bezeichnete diesen Vertrag als Schande für das Sacrum Imperium Romanum. Doch selbst der päpstliche Nuntius sowie die anderen Gesandten der kaiserlichen Alliierten konnten es nicht verhindern, dass der Frieden am 29. März 1679 geschlossen wurde.260 Die Besonderheit daran war, dass tags darauf, auf Wunsch des Königs von Polen, der Friedensvertrag, der zwischen dem Heiligen Römischen Reich und Frankreich geschlossen worden war, auch für Polen-Litauen gültig sein sollte. In einer feierlichen Urkunde des Kaisers heißt es, dass sein geliebter Bruder und Nachbar Jan III. Sobieski mit in den Frieden von Nimwegen einbezogen und sich seiner Bedingungen und Vorzüge ebenfalls erfreuen solle.261 Die Anfrage des polnischen Königs, in den Friedensvertrag Frankreichs mit Habsburg miteingebunden zu werden, wurde Ludwig XIV. bereits am 6. Juli 1678 257 UA, 19. S. 228. Nuntius Francesco Martelli drängte vehement auf eine Liga zwischen Habsburg, Moskau und Warschau.Wójcik, Rzeczpospolita. S 151–165, 189–196; Ders., Jan Sobieski. S. 298. 258 UA, 19. S. 237, 240 f.; Acta, V, 2. S. 218 f. 259 Laut dem Bericht von Krockow in: UA, 18. S. 536; Redlich, Weltmacht des Barock. S. 155 f. 260 Als die Glocken des Stephansdoms zur Lobpreisung Gottes für das Ende des Krieges läuteten, zog sich der Kaiser vergrämt wegen „Unpässlichkeit“ zurück und ließ sein im Dom versammeltes Volk allein das Te Deum singen. Siehe das Hofprotokoll vom 14. Mai 1679 in: HHStA, OMeA, ÄZA 11.Trotz seines Grams ließ Leopold I. gegenüber dem Großen Kurfürsten seine ersten Überlegungen für einen Universalfrieden in Europa anklingen. UA, 18. S. 533–541; Spielman, Leopold I. S. 79. 261 Siehe die Urkunde vom 30. März 1679 in: HHStA, Polen I, 78.
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5. Der diplomatische Weg zum Bündnis gegen den „Erbfeind“
von François de Béthune unterbreitet und von diesem genehmigt. Grund hierfür sei laut Konrad Piwarski die Sorge vor einem separaten Bündnis der kaiserlichen Anhänger im polnisch-litauischen Adel und deren bekannte Drohung gewesen, den regierenden König stürzen zu wollen und Karl von Lothringen mit seiner Frau Eleonore auf den polnischen Thron zu erheben.262 Indirekt wurde Versailles damit auch in dem Glauben gelassen, dass Jan Sobieski die kaiserliche Opposition fürchtete und deshalb weiterhin Frankreich treu bleibe. Abgesehen davon, dass dadurch auch die Stellung des polnischen Königs im europäischen Machtgefüge konsolidiert wurde, hätte der Friedensvertrag zwischen Ludwig XIV., Leopold I. und Jan III. der erste erhoffte Schritt für eine Zusammenarbeit dieser drei Mächte gegen die Türken sein können. Ein Vorhaben, für das sich der Kaiser denn auch zugänglich zeigte. Le roi très chrétien war indes nicht gewillt, sich dem anzuschließen, wodurch es früher oder später zum Bruch mit Frankreich kommen musste.
5.3 Die ersten Bestrebungen um ein christliches Bündnis
Nachdem ebenfalls der Krieg zwischen Karl XI. und Friedrich Wilhelm mit dem Frieden von St. Germain am 29. Juni 1679 beendet worden war, hörte auch der französische Druck auf den polnischen König auf, Schweden gegen den Kurfürsten von Brandenburg zu unterstützen.263 Jan III. Sobieski widmete sich nun intensiv den Verhandlungen mit Leopold I. und Innozenz XI., was der französische Gesandte de Béthune dahingehend interpretierte, dass der polnische König die Gelegenheit nutzte, um weitere Subsidien von Kaiser und Papst erhalten zu können.264 Der Franzose Jean Baluze hielt in seinem Schreiben an Außenminister Simon Arnauld de Pomponne über die Geschehnisse am Warschauer Hof fest, dass zu seinem Verdruss der kaiserliche Resident sich wie ein Schatten unentwegt bei Maria Kazimiera aufhalte. Andererseits wurde der Große Kurfürst über die Auffassung am Warschauer Hof informiert, dass Jan Sobieski der französischen Bevormundung müde wurde und nun einen eigenen politischen Kurs einschlug.265 Die eigentliche Absicht des
262 Acta, V, 2. S. 96; Piwarski, Polityka bałtycka. S. 56. Diese Stimmen wurden insbesondere laut, da Jan Sobieski im Herbst 1678 wieder erkrankt war. Ebd. S. 62. Über diese Pläne der Opposition soll man durch den brandenburgischen Gesandten Niemicz erfahren haben. Siehe Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 171–174. Doch herrschen bereits Zweifel darüber, inwieweit der Berichterstattung Béthunes Glauben zu schenken sei. Bobiatyński, Michał Kazimierz Pac. S. 373. 263 Acta, V, 2. S. 231–263. 264 Ebd. S. 254 f., 259. 265 Acta, V, 2. S. 195 f. Otto Forst de Battaglia beurteilt in seiner Darstellung den französischen Minister Baluze als „Giftmischer“, der stets darum bemüht war, das polnische Königspaar vor
5.3 Die ersten Bestrebungen um ein christliches Bündnis
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polnischen Königs war jedoch, sowohl den 1672 von Michael I. mit den Osmanen geschlossenen Vertrag von Buczacz als auch den von 1676 in Żurawno zu revidieren und der Hohen Pforte erneut den Krieg zu erklären. Er wusste, dass dieses Ziel ebenfalls im Interesse des Abendlandes war und sich ausschließlich mithilfe weiterer christlicher Herrscher realisieren ließ. Sollte er gegen die Türken erfolgreich sein – wovon er überzeugt war –, stand es ebenfalls zu erwarten, dass Polen-Litauen an Ruhm und Jan III. Sobieski samt seiner Familie an Prestige gewinnen würde.266 Anlässlich der Verhandlungen um ein christliches Bündnis gegen die Osmanen entsandte Jan Sobieski, neben den vielen anderen Diplomaten an zahlreiche europäische Höfe, seinen Schwager Mykolas Radvila nach Wien und Rom.267 Als der polnische Unterkanzler am 11. Juli 1679 eine Meile von der kaiserlichen Residenzstadt entfernt war, schickte dieser zur Absprache des Zeremoniells einen Boten an den Wiener Hof, um seine Absicht kundzutun, im Rahmen einer militärischen Parade in die Stadt einziehen zu wollen. Dabei dürfte der litauische Feldhetman seinen Schwager als Vorbild genommen haben, der seine Einzüge in eine Stadt stets prunkvoll gestaltete. Doch dies entsprach keineswegs den Vorstellungen des Kaisers, den polnischen Botschafter mit Pauken und Trompeten und militärischen Ehren zu empfangen. Der kaiserliche Hof betrachtete diese verlangten Ehrenbezeugungen
Ludwig XIV. in ein schlechtes Licht zu rücken. Ders., Jan Sobieski. S. 110 f.; Dazu Urkunden und Actenstücke zur Geschichte des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Hg. v. Max Hein. Berlin 1926. Bd. 22. S. 3, weiter zitiert als „UA, 22.“ 266 Siehe die Instruktion vom 30. März 1679 an Mykolas Radvila für seine Gesandtschaft nach Wien in: HHStA, Polen III, 63 (Radziwill); Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 102 ff. Vgl. zudem die Überlegungen über Jan Sobieskis Handlungsspielräume in: Wójcik, Jan Sobieski. S. 269–273. 267 Über die Beweggründe Jan Sobieskis, seinen Schwager zu schicken, siehe: Jaroszuk, Jan: Poselstwo z obediencją Michała Kazimierza Radziwiłła do Rzymu w latach 1679–1680 [Die Obedienzgesellschaft Michael Kasimir Radziwills nach Rom in den Jahren 1679–1680]. In: Miscellanea Historico Archivistica. Bd. 3 (1989). S. 105 ff.; Fabijanska-Żurawska, Teresa: Ceremonialne wjazdy paradne w Polsce w XVII wieku [Zeremonielle Paradeeinzüge im Polen des 17. Jahrhunderts]. In: Królewskie karety Jana III Sobieskiego. Hg. v. Ewa Birkenmajer [u.a.]. Wilanów 2003. S. 58; Domin, Maria: Jan Kazimierz Denhoff i Józef Karol Lubomirski, Reprezentanci króla Jana III w Rzymie [Jan Kasimir Denhoff und Josef Karl Lubomirski. Die Repräsentation des Königs Jan III. in Rom]. In: Od Kijowa do Rzymu. Z dziejów stosunków Rzeczpospolitej ze Stolicą Apostolską i Ukrainą. Hg. v. Mariusz Drozdowski [u.a.]. Białystok 2012. S. 543 ff. Zu den weiteren Gesandtschaften, wie beispielsweise die von Jan Andrzej Morsztyn nach Paris oder Hieronim Augustyn Lubomirski nach Spanien siehe: Wójcik, Jan Sobieski. S. 294; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 106. Mehr zum Zeremoniell und dessen Bedeutung in: Bély, Das Wissen über das diplomatische Zeremoniell. S. 147; Baller, Susann (Hg.) [u.a.]: Die Ankunft des Anderen. Repräsentationen sozialer und politischer Ordnungen in Empfangszeremonien. Frankfurt a. M. 2008; sowie das Vorwort in: Burschel (Hg.), Die Audienz. S. 11.
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trotz der Stellung Mykolas Radvilas als viel zu hoch gegriffen und für einen Diplomaten unangemessen. Folglich wurde das Ersuchen von Leopold I. nachdrücklich abgelehnt.268 Um die ersten Verhandlungen aus zeremoniellen Gründen nicht zu gefährden, einigte man sich nach mehrtägigen Verhandlungen auf nachstehenden Kompromiss. Mykolas Radvila durfte mit seiner ganzen Gefolgschaft einziehen, jedoch lediglich schweigend mit gesenkten Waffen, ohne Marsch und Musik. Die Einholung des litauischen Unterkanzlers am 22. Juli 1679 durch kaiserliche Würdenträger und Offiziere war dennoch eindrucksvoll: Angeführt von einem Hauptmann zogen ungefähr vierzig Janitscharen269 durch die Wiener Straßen, gefolgt vom Befehlshaber der Heiducken und seiner Truppe sowie Persern und „Mohren“270 auf ihren Kamelen, einem Rittmeister, einem Obristen mit seinen Arcièren,271 die ihre Lanzen mit ihren Spitzen abwärts hielten, einem Stallmeister und dreizehn Pferden, zehn schweigenden Trompetern und einem Pauker, gefolgt von dreißig polnischen Herren zu Pferd, dem kaiserlichen Hofwagen, in dem die polnischen Sekretäre fuhren, und dem Hofaudienzwagen, in dem Mykolas Radvila mit dem kaiserlichen Obersthofmarschall saß. Der Wagen wurde wiederum von vierzig polnischen und zwanzig türkischen Pagen sowie weiterem Anhang begleitet. Mykolas Radvila begründete seinen prunkvollen Einzug damit, dass er der Schwager des polnischen Königs, ein Reichsfürst des Heiligen Römischen Reiches und ein General war.272 In der Tat war es keineswegs ein gewöhnlicher Einzug eines Gesandten, denn üblicherweise fuhren die Diplomaten der anderen europäischen Höfe lediglich in Begleitung ihrer überschaubaren Leibgarde mit dem kaiserlichen Wagen in die Innenstadt. Die gängige Meinung ist inzwischen, dass sich der litauische Unterkanzler nicht gerade durch sein diplomatisches Können auszeichnete, doch ist es sicherlich unan268 Siehe die Gesandtschaft Radvilas in Wien und die Verhandlungen vom 11.–22. Juli 1679 in: HHStA, OMeA, ÄZA 11. S. 1–31. Das Verhalten des polnischen Gesandten war jedoch keineswegs untypisch für seine Zeit.Vgl. Stollberg-Rilinger, Rituale. S. 137. 269 Dabei handelte es sich um türkische Kriegsgefangene, die man kurzerhand in ihren Uniformen in die polnische Armee integriert hatte. 270 So wortwörtlich nach dem Zeremonialprotokoll in: HHStA, OMeA, ÄZA 11. 271 Hierbei handelt es sich um eine Leibgarde, die in Österreich besonders im 18. Jahrhundert an Relevanz gewonnen hatte. Das Wort „Arciere“ stammt aus dem Italienischen und bezeichnet ursprünglich als Leibwächter eingesetzte Bogenschützen. Borgatti, Mariano: Arciere. In: Enciclopedia italiana di scienze, lettere ed arti. Bd. 4 (1929). S. 93–98; Weiterführend siehe Paskovits, Emil: Die erste Arcièrenleibgarde Seiner Majestät des Kaisers und Könige. Wien 1914. 272 HHStA, OMeA, ÄZA 11. Der feierliche Einzug mit Musik wurde in den späteren künstlerischen Darstellungen des Einzugs wiedergegeben. Siehe: Jagodzinski, Die Türkenkriege. S. 117–121. Über die Vorliebe der Inszenierung siehe: Bély, Das Wissen über das diplomatische Zeremoniell. S. 147.
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gemessen, seinen Besuch als ergebnislos zu bezeichnen.273 Vor Ort stellte der polnische Botschafter die Absicht Jan Sobieskis vor, mit dem Kaiser ein Offensivbündnis gegen die Türken abzuschließen, was er auch anschließend dem Heiligen Stuhl in Rom unterbreiten sollte. Entgegen der Ansicht von Zbigniew Wójcik, dass die bisherige profranzösische, teilweise auch die mutmaßliche protürkische Politik Jan III. Sobieskis dafür gesorgt habe, dass sowohl der Kaiser als auch die Kurie eine Zusammenarbeit ausschlossen, sprechen keine Quellen eindeutig für diese Behauptung.274 Die Initiative des polnischen Königs wurde, wie es auch andere Höfe im Folgenden verlauten ließen, eher begrüßt.275 In Anbetracht dessen, dass erst vor Kurzem der Frieden von Nimwegen geschlossen, die Armee des Kaisers geschwächt, die habsburgischen Kassen bis aufs Äußerste erschöpft waren – weshalb Leopold I. bereits während des Krieges mit Frankreich auf spanische und holländische Subsidien angewiesen war –, kann es nicht verwundern, dass die vorgeschlagene Offensive gegen die Hohe Pforte keine Begeisterung am Wiener Hof auslöste. Umso wichtiger wurde es, durch päpstliche Gelder eine Mobilisierung überhaupt möglich zu machen. Noch im Januar 1680 war es allerdings ungewiss, ob Mykolas Radvila wegen der Pest überhaupt nach Rom reisen konnte. Bei Zbigniew Wójcik klingt der Vorwurf an, dass die Italiener die Seuche lediglich als Vorwand nutzten, den litauischen Unterkanzler nicht empfangen zu müssen.276 Es dürfte sich jedoch eher nicht um einen Vorwand, sondern um eine berechtigte Vorsichtsmaßnahme gehandelt haben. Nach dem Einzug Mykolas Radvilas in Wien sah sich Kaiser Leopold nur einen Monat später genötigt, seinen Aufenthalt wegen der Pest nach Prag zu verlegen.277 273 Wójcik, Rzeczpospolita. S. 193; Ders., Jan Sobieski. S. 297; Konarski, Kazimierz: Polska przed odsieczą wiedeńską 1683 roku [Polen vor dem Entsatz von Wien 1683]. Auschwitz 22017. S. 54; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 107; Wimmer, Wiedeń. S. 75. Laut der Darstellung von Jarosław Pietrzak machte Mykolas Radvila vor dem päpstlichen Sekretär Augustino Favoriti in Rom den Eindruck, dass der polnische Unterkanzler eher dem Zustandekommen einer gemeinsamen Liga hinderlich als nützlich war. Ders., Wobec króla i Rzeczpospoliej. S. 107. 274 Wójcik, Rzeczpospolita. S. 193; Ders., Jan Sobieski. S. 297. Lediglich bei Konarski, Polska. S. 55 wird diese Behauptung gestützt auf Załuski, Epistolae, I, 2. S. 770, 772 ff. Darin wird jedoch nur die Rede Radvilas vor Leopold I. wiedergegeben. Entscheidend wäre hier aber die Reaktion des Kaisers. 275 Siehe beispielhaft die Reaktion des sächsischen Kurfürsten in: SHStA, GR (10024), Loc. 08286/12 (Mf. 34638) und Loc. 08284/08 (Mf. 34637). S. 75 ff. 276 Wójcik, Rzeczpospolita. S. 193; Ders., Jan Sobieski. S. 297; Konarski, Polska. S. 55; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 107; Wimmer, Wiedeń. S. 75 f.; Domin, Jan Kazimierz Denhoff. S. 544. 277 Am 17. August 1679 verließ der kaiserliche Hofstaat Wien. Spielman, Leopold I. S. 81–83; Laifle, Franz: Die Pest in Wien 1679. In: Archiv für Hygiene und Bakteriologie. Bd. 119 (1937). S. 42–60; Schmölzer, Hilde: Die Pest in Wien. „Deß wütenden Todts. Ein umbständig Beschreibung“. Berlin 1988. S. 99 f. Anlässlich der Überwindung dieser Epidemie veranlasste
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Wien war schon mehrere Monate zuvor verseucht, weshalb Mykolas Radvila mit seinem Anhang von den Venezianern angehalten und ihm seine Weiterreise verweigert wurde. Zu groß war die Angst vor dem „Schwarzen Tod“, zumal der polnische Gesandte bereits Leute unter seinem großen Gefolge an die Pest verloren hatte. Hinzu kam, dass der litauische Unterkanzler auf neue Vollmachten von Jan Sobieski warten musste.278 Das heißt allerdings nicht, dass die Zeitzeugen diese Vorsichtsmaßnahme guthießen. Noch unangenehmer erschien die Vorstellung, der königliche Schwager werde weder in Rom noch auf der Rückreise beim Kaiser in Prag vorgelassen, was das ganze Unternehmen laut Johann Zierowski ins Lächerliche gezogen hätte.279 Dieses diplomatische Missgeschick auf dem Weg nach Rom bedeutet jedoch nicht, dass die geplanten Gespräche über ein allgemeines christliches Bündnis gescheitert wären. Am 4. August 1680 konnte Mykolas Radvila in Rom einziehen, wo er von Innozenz XI. empfangen wurde. Im weiteren Verlauf einigte sich der polnische König mit dem Kaiser und der Kurie darauf, gemeinsam mit Moskau eine Liga zu gründen. Hierfür wurde sogar zusammen mit den päpstlichen und kaiserlichen Vertretern eine Versammlung im Frühjahr 1680 in Warschau geplant. Tatsächlich begann diese sogenannte Konvokation am 11. Januar und dauerte bis zum 3. Februar 1680, zu der Johann Zierowski zusätzlich als kaiserlicher Ablegat und Interessensvertreter bestimmt wurde, während von päpstlicher Seite der im polnischen Königreich altbekannte Nuntius, nämlich der seit 1675 in Wien neu eingesetzte Francesco Buonvisi, sich in Warschau an den Verhandlungen beteiligte.280 Involviert war auch Kardinal Pio, der aus Rom mit dem Kaiser eifrig korrespondierte.281
Kaiser Leopold den Bau der „Pestsäule“, die bis heute in der Wiener Innenstadt besichtigt werden kann. 278 Acta, V, 2. S. 345. Und das kaiserliche Antwortschreiben vom 19. Januar 1680 in: HHStA, Polen I, 78. S. 45. Weitere Instruktionen wurden am 22. Februar 1680 ausgestellt, so in: HHStA, Polen III, 63 (Radziwill). 279 HHStA, Polen I, 78. S. 17 ff.; Jaroszuk, Poselstwo. S. 118; Jagodzinski, Die Türkenkriege. S. 121–125; Walwender-Musz, Dominika: Rzecz o przesławnym wjeździe księcia Radziwiłła do Rzymu. W kręgu jednego obrazu [Die Angelegenheit über den Einzug des entsandten Fürsten Radziwill nach Rom. Im Umkreis eines Gemäldes]. In: Studia Wilanowskie. Bd. 17 (2010). S. 146–156; Osiecka-Samsonowicz, Hanna: Polskie uroczystości w barokowym Rzymie (1587–1696) [Polnische Feierlichkeiten im barocken Rom (1587–1696)]. Warschau 2012. Über das Gelingen diplomatischer Zusammenkünfte: Bély, Das Wissen über das diplomatische Zeremoniell. S. 158 f. 280 Brief und Urkunde, datiert am 30. Dezember 1679 in: StA, Polen I, 78. S. 17 ff.; Acta, V, 2. S. 349–357. Laut Otto Forst de Battaglia handelte es sich um eine geheime Konferenz. Ders., Jan Sobieski. S. 108. 281 HHStA, Polen I, 78. S. 1–26.
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Der beabsichtigte Zusammenschluss der polnischen und moskowitischen Waffen stand jedoch schon im Winter vor der Konvokation unter keinem guten Stern, denn eine Einigung zwischen dem polnischen König und dem Zaren schien nach den ersten Verhandlungen aussichtslos. Während sich Moskau weiterhin im Krieg mit den Osmanen befand, wuchs die Befürchtung eines türkischen Einfalls auf die angrenzenden polnischen und ungarischen Gebiete, weshalb vor allem ein Bündnis zwischen Jan Sobieski und Leopold als sinnvoll erachtet wurde.282 Der Kaiser wollte sich jedoch nur auf ein Defensivbündnis mit Polen einlassen, da er die Bedrohung durch Frankreich noch nicht für gebannt hielt. Zu groß war die Angst, dass bei einem militärischen Einsatz gegen die Hohe Pforte die französischen Truppen die Gunst der Stunde nutzen würden, die Gebiete am Rhein erneut zu besetzen. Zwar trat der im Namen Ludwigs XIV. in Prag eingetroffene Nicolas-Louis, Marquis de Vitry während seiner kaiserlichen Audienz äußerst höflich auf, doch blieb Leopold I. ihm gegenüber misstrauisch. Auf seine Nachfrage, ob Frankreich die Bemühungen des polnischen Königs und des Papstes bezüglich eines Türkenkrieges unterstütze, stellte sich der französische Gesandte über dieses geplante Bündnis als unwissend dar, sicherte jedoch die französische Unterstützung durch den Marquis de Béthune am Warschauer Hof zu.283 Der Kaiser hegte jedoch über die Qualität und die Quantität der französischen Hilfe große Zweifel. Ungewiss war für ihn auch, inwieweit Jan Sobieski tatsächlich schon Vorkehrungen für einen Krieg getroffen hatte, denn sogar aus Rom kamen erste Bedenken, ob der polnische König nicht mehr Interesse an den päpstlichen Subsidien hätte als an einer Offensive gegen den „Erbfeind“. Mit großen Erwartungen sah man entsprechend der Versammlung in Warschau entgegen, von der Johann Zierowski mit der kaiserlichen Instruktion, sich zu keinem Offensivbündnis drängen zu lassen, ausgiebig berichten müsse. Der Krakauer Bischof, Andrzej Trzebicki, war am 29. Dezember 1679 verstorben, daher sollte Zierowski sich an den Feldhetman Stanisław Jabłonowski halten und versuchen, weitere Senatoren, ob geistlich oder weltlich, für die kaiserliche Seite zu gewinnen. Doch vor allem müsse er die kaiserliche Auffassung vertreten, dass ein Zusammenschluss mit dem Zaren und die Zahlung von Subsidien weiterer christlicher Herrscher für jegliche Kriegsoperationen unumgänglich seien.284 Die Entscheidung über Krieg und Frieden ließ sich sichtlich nicht einfach beschließen, auch wenn die Verhandlungen schon erste Wellen schlugen, denn die Osmanen erfuhren von dem beabsichtigten christlichen Bündnis, das
282 So im Schreiben vom 26. Januar 1680 aus Mainz an den Kaiser in: Ebd. Über die polnische Gesandtschaft in Moskau 1679 siehe:Wójcik, Rzeczpospolita wobec Turji i Rosji. S. 192–229; Zernack, Die Expansion. S. 149 samt Anm. 17. 283 HHStA, Polen I, 78. S. 45. 284 Ebd. S. 45 f.
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5. Der diplomatische Weg zum Bündnis gegen den „Erbfeind“
man gegen sie im Schilde führte.285 Die vorsichtige Haltung des Kaisers gegenüber dem polnischen König hatte auch einen anderen Grund: Felicjan Morsztyn war als polnischer Gesandter nach Den Haag geschickt worden und hatte vor den Generalstaaten nach Informationen des Kaisers behauptet, dass man wegen Nichtzahlung versprochener Subsidien Habsburg für den widrigen Vertrag mit den Osmanen verantwortlich mache. Es stellte sich jedoch heraus, wie der kaiserliche Resident in Den Haag, Johann Daniel Kramprich, nach Wien berichtete, dass dieser Vorwurf mutmaßlich vom Zaren stammte und nicht von dem beschuldigten Morsztyn, der ihm versicherte, gut kaiserlich zu sein und bleiben zu wollen.286 Sichtlich wurde jede Äußerung auf die Waagschale gelegt und konnte über Gunst und Missgunst zwischen den potenziellen Vertragspartnern entscheiden. Für Habsburg bestand jedoch nicht nur die Schwierigkeit darin, Polen zusammen mit Moskau für ein Bündnis, sondern das gesamte Heilige Römische Reich für eine christliche Liga zu gewinnen. Kurfürst Ferdinand Maria von Bayern verfolgte bislang eine profranzösische Politik, doch nach seinem Tod im Mai 1679 standen die Chancen gut, seinen 17-jährigen Sohn und Nachfolger, Maximilian II. Emanuel (1662–1726), für das antitürkische Vorhaben zu gewinnen. Durch den jungen Kurfürsten, der – im Gegensatz zu seinem friedliebenden Vater – eine militärische Aufstockung für nötig hielt, wurde ein stehendes Heer aufgestellt und eine bayerische Kriegsbeteiligung erst möglich.287 Ähnlich verhielt es sich mit dem Kurfürsten von Sachsen, da 1680 Johann Georg III. (1647–1691) seinem Vater in der Regierung nachfolgte und für seine Kriegsbegeisterung bekannt war.288 Doch bereits 1678 waren in Sachsen Flugschriften im Umlauf, die zum Kampf gegen den „Erbfeind“ und zur Rettung der Christenheit aufriefen.289 Für die Werbung um christliche Herrscher 285 HHStA, Polen I, 78. S. 25. 286 Ebd. S. 46, 57. Siehe insbesondere das Antwortschreiben Kramprichs mit Felicjan Morsztyns Stellungnahme. Darin wurde geraten „in dieser Sach weiter nichts zu thun [vorgefallen] alß daß zu zeitten einem undt anderen indirecte zu verstehen geben, wie wunderlich zu zeitten die Pohlen in ihren Sachen umbgehen“. In: Ebd. S. 31 ff. Dazu Johann Zierowskis Antwort in: HHStA Polen I, 79. S. 15 f. Hierbei handelt es sich um einen zufälligen Quellenfund. Entsprechende Sekundärliteratur zu den konkreten polnisch-holländischen diplomatischen Beziehungen zum beschriebenen Sachverhalt konnte nicht gefunden werden. Siehe weiterführend: Bogucka, Maria: Z dziejów stosunków polsko-holenderskich w XVI–XVII wieku [Über die Geschichte der polnisch-holländischen Beziehungen im 16.–17. Jahrhundert]. In: Czasy Nowożytne. Bd. 24 (2011). S. 61–75. 287 Hüttl, Ludwig: Max Emanuel. Der blaue Kurfürst. Eine politische Biographie. München 1976. S. 109. 288 Döring, Detlef: Johann Georg III. 1680–1691 und Johann Georg IV. 1691–1694. In: Die Herrscher Sachsens. Markgrafen, Kurfürsten, Könige 1089–1918. Hg. v. Frank Lothar-Kroll. München 2007. S. 160. 289 SHStA, GR (10024), Loc. 08284/08 (Mf. 34637). S. 78–99; Ebd. Loc. 08265/06 (Mf. 32494). S. 42 ff.
5.3 Die ersten Bestrebungen um ein christliches Bündnis
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ist es daher nicht verwunderlich, dass 1679 sogar Jan Sobieski seinen litauischen Großmarschall, Stanislovas Kazimieras Radvila (poln. Stanisław Kazimierz Radziwiłł), zum sächsischen Kurfürsten entsandte. Damals regierte noch Johann Georg II., der auf die polnische Gesandtschaft und das vorgeschlagene christliche Bündnis positiv reagierte und seine Hilfe gegen die Türken in Aussicht stellte. Da jedoch seiner Meinung nach eine solche Zurüstung eine Reichsangelegenheit sei, über die man nicht alleine entscheiden könne, sehe er sich gezwungen, den polnischen König vorerst zu vertrösten.290 Ähnlich reagierte auch der Kurfürst von Brandenburg auf die polnische Gesandtschaft. Auch er stellte in Aussicht,Truppen zu schicken. Um der Freundschaft willen, die ihn mit dem polnischen König verbinde, versprach er sogar, mehr Männer zu schicken, als vertraglich vereinbart worden sei.291 Die angestrebte Einmütigkeit im Reich wurde jedoch gefährdet, als sich Friedrich Wilhelm als bisheriger Verbündeter von Habsburg abwandte. Nach dem Frieden von Nimwegen war der Große Kurfürst während des damals noch andauernden Krieges mit Schweden auf sich allein gestellt, da ihm Leopold keine weitere Unterstützung gewährte. Der 1679 in St. Germain unterzeichnete Frieden Brandenburgs mit Frankreich und Schweden sowie die darauffolgenden Verhandlungen mit Versailles führten dazu, dass sich der Brandenburger der profranzösischen Politik annäherte. Der Große Kurfürst verpflichtete sich nämlich, bei der nächsten Kaiserwahl die Pläne Ludwigs XIV. zu unterstützen.292 Aus diesem Grund war auch mit keinem Beistand für den Kaiser mehr von ihm zu rechnen, sollte es zu einem erneuten Einfall der Franzosen am Rhein kommen, da er vorgab, nirgends imstande zu sein, für Truppen anzuwerben.293 Um dem entgegenzuwirken, versuchte man seitens Habsburgs ein gutes Verhältnis mit Brandenburg wiederherzustellen und schickte hierzu gleich zwei Gesandte nach Berlin: Graf Johann Maximilian von Lamberg und Abt Otto von Banz, der zuvor kaiserlicher Diplomat in Sachsen war. Laut Ernst Opgenoorth wurden die beiden Gesandten lediglich nach Brandenburg geschickt, um Friedrich Wilhelm in der Auseinandersetzung mit Frankreich auf der kaiserlichen Seite beizubehalten.294 Allerdings geht aus einem Brief Leopolds I. hervor, dass die beiden die vom Kaiser in Erfahrung gebrachten Pläne Mykolas Radvilas unterstützen sollten. Um das Vermögen Liudvika Karolinas, der Tochter des bereits 1669 verstorbenen litauischen Starosten und preußischen Stadthalters 290 Siehe den Brief vom 1. Oktober 1679 an Jan Sobieski in: SHStA, GR (10024), Loc. 08286/12 (Mf. 34638). Dazu: Ebd. Loc. 08284/08 (Mf. 34637). S. 75 ff. 291 UA, 22. S. 6, 8. 292 Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 182–184. Laut Ernst Opgenoorth soll die Anlehnung an Frankreich dem Großen Kurfürsten angesichts seines Patriotismus dem Reich gegenüber nicht leichtgefallen sein. Ders., Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 230. 293 Siehe den Brief vom 29. Dezember 1679 in: HHStA, Polen I, 78. 294 Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 223.
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5. Der diplomatische Weg zum Bündnis gegen den „Erbfeind“
oguslavas Radvila (poln. Bogusław Radziwiłł), nicht an Brandenburg zu verlieren, B solle Truchsess Stanislovas Kazimieras Radvila die junge Frau heiraten. Für die kaiserliche Hilfe in dieser Ehefrage erhoffte sich der Wiener Hof, dass „das ganze Radziwillische Haus unß mehr und mehr deviniert werde.“295 Offensichtlich war es Leopold I. ein Anliegen, die Gunst Mykolas Radvilas durch seine Vermittlung in Brandenburg zu gewinnen, auch wenn dieses Vorgehen vorerst verdeckt gehandhabt wurde. Die darauffolgende Eheschließung der wohlhabenden Liudvika Karolina Radvilaitė mit Ludwig von Brandenburg (1666–1687) am 7. Januar 1681, auf die später noch weiter eingegangen wird, wurde als Ehrverletzung für Jan Sobieski gedeutet, der wiederum seinen Sohn mit dieser Prinzessin hatte verheiraten wollen.296 Doch Leopold I. verfolgte seine eigene Heiratspolitik. Ihm war bekannt, dass Jan Sobieski alles daran setzte, die Erbfolge von Jakub Sobieski durchzusetzen, weshalb er seinem Residenten in Warschau befahl, sich offiziell hierzu passiv zu verhalten, um weder die Rzeczpospolita noch den König zu verstimmen.297 Inoffiziell sollte er jedoch nach Ende der Warschauer Konvokation die von Jan III. Sobieski bereits im Frühjahr 1680 begehrte Eheschließung seines Sohnes mit einer Prinzessin aus dem Haus Habsburg und Pfalz-Neuburg in Aussicht stellen – was nach vielen Jahren auch realisiert wurde.298 Sämtliche Schritte Leopolds I. waren gut durchdacht, doch ihre Realisierung erwies sich als schwerfälliger als erhofft. Der Kaiser beabsichtigte, zur Unterstützung des polnischen Königs und der Schaffung eines Offensiv- und Defensivbündnisses der geplanten Tripelallianz mit Moskau, jemanden an den Zarenhof zu schicken, damit im Fall eines französischen Einfalls auch ohne die kaiserliche Unterstützung der Krieg gegen die Türken fortgeführt werden könnte. Sollte die Allianz mit Moskau jedoch nicht möglich sein, erklärte sich Leopold I. dazu bereit, ein Defensivbündnis mit der Rzeczpospolita einzugehen, da man sich – wie bereits erwähnt – weder auf die Fortsetzung des Krieges zwischen Moskau und den Türken noch auf die Zurückhaltung Frankreichs verlassen könne.299 295 Im Gegensatz zu Ernst Opgenoorth, der als Empfänger den kaiserlichen Diplomaten Maximilian von Lamberg als Gesandten für Berlin nennt, wurde das kaiserliche Schreiben vom 26. März 1680 an dessen Sohn, Johann Philipp von Lamberg, adressiert. In: HHStA, Polen I, 78. S. 81 ff.; Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 223, 240. Mehr zur Heiratsangelegenheit, über die in der Forschung die kaiserliche Seite bislang unberücksichtigt blieb in: Codello, Litwa wobec polityki bałtyckiej. S. 34; Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 154. 296 Über die Heiratspläne Jan Sobieskis für seinen Sohn wusste der Kurfürst bereits im Frühjahr 1680 Bescheid: UA, 22. S. 8. Dazu auch seinen Einwand gegenüber Johann Zierowski in: HHStA, Polen I, 79. S. 2. Siehe auch: Acta, V, 2. S. 294; Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 154; Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 240 f. 297 HHStA, Polen I, 78. S. 77 f. 298 Jene in Aussichtstellung einer Hochzeit mit dem Haus Habsburg wurde sehr schnell am polnischen Hof verbreitet, siehe dazu: UA, 22. S.10; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 115. 299 Siehe rückblickend Kap. 5.3. S. 243.
5.3 Die ersten Bestrebungen um ein christliches Bündnis
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Schließlich berichtete Johann Zierowski über die erneuten französischen Machenschaften am Warschauer Hof, die darin bestanden, das Königreich Polen, Schweden, Siebenbürgen und Konstantinopel gegen den Kaiser aufzuhetzen.300 Wie er zu berichten wusste, hatte zumindest das polnische Königspaar die Seiten endgültig gewechselt – schließlich habe Maria Kazimiera ihn bereits gewarnt, bei den Unterredungen mit den französischen Gesandten vorsichtig zu sein, zumal man am Warschauer Hof wohl wisse, dass sich der Marquis de Béthune gerne über den Kaiser beschwere. Johann Zierowski bedauerte, Maria Kazimieras Briefe, aus denen ihre habsburgfreundliche Haltung hervorgehe, nicht nach Wien schicken zu können. Die polnische Königin erlaube nämlich nicht, solche Frankreich kompromittierenden Schreiben weiterzuleiten.301 Unglücklicherweise erschwerten solche Geheimhaltungen das gegenseitige Vertrauen zwischen Kaiser und polnischem Königspaar, zumal es von allen Seiten unterschiedliche Meinungen gab, inwieweit ein christliches Bündnis tatsächlich gewünscht wurde. Als Graf von Lamberg in Berlin zur geheimen Audienz vorgelassen wurde und über das geplante Bündnis des Kaisers mit Polen-Litauen informierte, schürte der Große Kurfürst neues Misstrauen gegen Jan Sobieski. Unter Berücksichtigung der ihm zugegangenen Berichte riet er dem Kaiser, einem Offensiv- und Defensivbündnis aus dem Weg zu gehen und die Verhandlungen offenzulassen, zumal Frankreich weiterhin eine wichtige Rolle für das polnische Königreich spiele. Sollte man sich tatsächlich auf einen Türkenkrieg einlassen, äußerte Friedrich Wilhelm seine Befürchtung, dass Polen-Litauen danach nicht lange zögere, einen separaten Frieden einzugehen, und damit Habsburg mit der kompletten Kriegslast alleinlasse. Mit der Zeit würde sich laut dem Großen Kurfürsten zeigen, dass der polnische König gegen den Willen der Litauer viel zu früh beabsichtige, in den Krieg zu ziehen, und das Großherzogtum außer Stande sei, ihn davon abzuhalten. Es bestünde deshalb die Gefahr, dass sich Litauen von der Rzeczpospolita abspalte und in die Abhängigkeit Moskaus gerate. Deshalb empfahl der Kurfürst von Brandenburg, dass man seitens Wiens die Begebenheiten in Ungarn im Auge behalten solle. Es lägen ihm nämlich Nachrichten vor, denen zufolge französische Waren gegen den offiziell geäußerten Willen Jan Sobieskis – aus Rücksicht zum Kaiser – nach Siebenbürgen gelangten. Der Große Kurfürst schätzte jedoch die enge Bindung mit Frankreich als zu stark ein und befürchtete daher, dass man seitens Polen-Litauens insgeheim dem Willen Versailles’ nachgeben werde, die Kuruzen mit Waren zu unterstützen.302 Eine solche Warnung fasste der Kaiser als Zeichen des kurfürstlichen guten Willens auf und ließ
300 HHStA, Polen I, 78. S. 75 ff. 301 Ebd. S. 19. 302 HHStA, Polen I, 79. S. 1–3. Johann Zierowski beklagte vor dem brandenburgischen Gesandten die französische Unterstützung in Ungarn. UA, 22. S. 13.
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5. Der diplomatische Weg zum Bündnis gegen den „Erbfeind“
Friedrich Wilhelm seinen Dank dafür ausrichten.303 Doch schon vor diesem Hinweis aus Berlin hatte Leopold I. den Entschluss gefasst, am Defensivbündnis festzuhalten und sich wegen des nach wie vor gefürchteten französischen Einflusses auf Jan Sobieski von dessen bisherigen offensiven Plänen zu distanzieren. In Warschau hatte Jan III. Sobieski inzwischen erklärt, dass er zum Krieg gegen die Türken entschlossen sei. Das sei seinen Worten zufolge keine freiwillige Entscheidung, sondern eine nötige. Die Umstände dafür seien so günstig wie seit Langem nicht mehr, da sowohl der Kaiser als auch der Zar zum gemeinsamen Kampf gegen die Osmanen bereit seien, der vom Papst zusätzlich subventioniert würde.304 Dies stelle eine einmalige Gelegenheit dar, die er unbedingt nutzen wolle, auch wenn sie nicht so leicht umsetzbar sei.Vor Ort wurden auch die Rolle Frankreichs thematisiert und die von Habsburg geforderten Sicherheiten, um das Reich vor einem französischen Angriff zu schützen. Jan III. Sobieski entsandte deshalb seinen Kämmerer nach Versailles, um von Ludwig XIV. eine diesbezügliche Stellungnahme zu erbitten. Leopold I. wollte diese Antwort abwarten, allerdings wuchs bei ihm die Angst, Warschau könnte ein doppeltes Spiel spielen. Es sei nämlich nicht ausgeschlossen, dass Jan Sobieski ihm bei der Hohen Pforte mit der Ratifizierung der polnisch-türkischen Verträge zuvorkomme und dadurch die osmanische Gefahr nach Ungarn umlenke. In den Vordergrund rückte für ihn deshalb die Versöhnung mit den ungarischen Rebellen und die Verlängerung des Waffenstillstands mit dem Osmanischen Reich, der 1664 in Eisenburg auf zwanzig Jahre geschlossen worden war und 1684 auslaufen sollte. Dem Wiener Hof missfiel auch, dass sämtliche Fragen des polnischen Königs während der Verhandlungen zum geplanten Bündnis lediglich militärischer Natur waren. Für Habsburg war dies ein Hinweis darauf, dass man seitens Polen-Litauens mehr an einem Offensiv- als an dem von ihm gewünschten Defensivvertrag interessiert war. Aus diesen Gründen instruierte er seinen Residenten in Polen, sich bei den weiteren Verhandlungen zurückzuhalten und die ausstehenden Ergebnisse der Gesandtschaft aus Moskau abzuwarten.305 Die Versammlung wurde Anfang Februar 1680 mit der Absicht Jan Sobieskis geschlossen, sich bei den vorgesehenen Vertragspartnern und anderen christlichen Herrschern zu erkundigen, inwieweit mit weiterer Unterstützung für den Türkenkrieg zu rechnen sei.306 Um sich letztendlich über die nächsten Schritte zu beraten, wurde Johann Zierowski für eine Konferenz mit dem kaiserlichen Hofrat aus Polen abberufen. Die Vermutung liegt nahe, dass der polnische König aus dem Türkenkrieg einen großen Prestigegewinn erhoffte, der seinem Sohn Jakub schließlich die Thronfolge 303 304 305 306
HHStA, Polen I, 79. S. 36. Über weitere Gerüchte siehe: Wójcik, Jan Sobieski. S. 295. UA, 22. S. 9. HHStA, Polen I, 79. S. 32 f. Acta, V, 2. S. 349 ff., 372; Theatrum Europaeum. Bd. 12. Frankfurt a. M. 1691. S. 170; UA, 22. S. 10.
5.3 Die ersten Bestrebungen um ein christliches Bündnis
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ermögliche. Frankreich missfiel jedoch die geplante Allianz gegen die Osmanen und hoffte vielmehr, ungeachtet des bestehenden Friedens von Nimwegen, polnische Hilfstruppen für seine Auseinandersetzungen mit Habsburg zu erhalten.307 Ohne die französische Antwort abzuwarten, begab sich Jan Sobieski währenddessen auf seine Erbgüter nach Reussen, was ihm auch eine Einschätzung der Gefahren in den Grenzgebieten ermöglichte, fernab jeglicher äußerer Einflüsse von polnischen Senatoren und ausländischen Diplomaten. Selbst der französische Gesandte durfte Jan Sobieski lediglich fünf Meilen begleiten, bis er wieder zurück an den polnischen Hof nach Warschau geschickt wurde. Es war offenkundig, dass François de Béthune an den ungarischen Rebellenanführer Emmerich Thököly weiter Gelder und Geschenke schickte, was von Seiten des Sejms in Anbetracht der geplanten Zusammenarbeit mit dem Kaiser missbilligt wurde.308 Aus diesem Grund wurde es – im Gegensatz zu den Jahren davor – vom Königspaar vermieden, dass sich der Franzose als einziger ausländischer Diplomat bei ihnen in den Grenzgebieten aufhielt. Die prokaiserlichen Bestrebungen sollen heimlich gemacht worden sein, doch Béthune „reucht doch den Braten und ist nicht in allen Stücken mit dem Hofe content“, wie Joachim Scultetus lakonisch festhielt.309 Einen weiteren Grund, sich aus dem Trubel in Warschau zurückzuziehen, gab die bereits am 1. Mai 1680 erfolgte Geburt des polnischen Prinzen Konstanty Władysław, über die Jan Sobieski freudig auch dem Kaiser berichtete. Leopold I. gratulierte dem polnischen Königspaar und bezeichnete, als besondere Ehrung, Maria Kazimiera als seine Schwester.310 Die Rückkehr des Königs an den Warschauer Hof erwartete man nicht vor der nächsten Sejmversammlung, die für November 1680 geplant war, tatsächlich aber erst im Januar 1681 stattfand.311 In Warschau selbst verbreitete hingegen der dortige brandenburgische Resident Christoph Wichert das Gerücht, der Kaiser habe dem Großen Kurfürsten großzügige Schenkungen angeboten und Versprechungen gemacht. Hierbei habe es sich um beachtliche Geldsummen sowie um Fürstentümer in Schlesien und militärische Unterstützung gehandelt, die Friedrich Wilhelm aber angeblich ablehnte. Diese Offerten, so unrealistisch sie auch waren, hatten den Zweck, die hohen Würdenträger am polnischen Hof gegen den Kaiser aufzuwiegeln. Sie schürten nämlich den ersten Unmut darüber, dass sich Leopold I. bei der Unterstützung gegen die Türken zurückhielt, während er andererseits Brandenburg so großzügige Versprechungen 307 308 309 310
UA, 22. S. 11. HHStA, Polen I, 79. S. 9. UA, 22. S. 15; Siehe auch Acta, V, 2. S. 358 ff., 373 ff., 406 ff. Jan III. Sobieski wird von Leopold I. als Serenissime Rex, frater charissime und Maria Kazimiera als soror nostra charissima bezeichnet. Siehe die Glückwünsche des Kaisers vom 27. Mai 1680 in: HHStA, Polen I, 79. S. 67. 311 Ebd. S. 34.
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5. Der diplomatische Weg zum Bündnis gegen den „Erbfeind“
machte. Mit diesen Gerüchten sollte der Kaiser vermehrt unter Druck gesetzt werden. Wichert teilte Johann Zierowski zusätzlich mit, dass der Große Kurfürst für seine Unterstützung des Reiches das Fürstentum Jägerndorf (heutiges Krnov) einfordere, denn Frankreich habe dem Großen Kurfürsten für den Übertritt auf die französische Seite bereits Stettin versprochen. Somit kam es am Warschauer Hof zu einem Wettkampf zwischen den Häusern Bourbon und Habsburg um die Gunst Brandenburgs.312 Die darauffolgenden Verhandlungen über Jägerndorf erstreckten sich über mehrere Jahre313 und sollten noch ihren Einfluss auf die kurfürstliche Unterstützung für den Kaiser 1683 haben. In Wien wurde während der Versammlung des kaiserlichen Hofkriegsrats im Sommer 1680 von Johann Zierowski dargelegt, dass seitens Moskaus der Vorschlag gemacht worden sei, nicht nur mit Polen-Litauen aktiv gegen die Osmanen vorzugehen, sondern gleichzeitig mit dem Kaiser und dem König von Frankreich ein Defensivbündnis zu schließen. Aus diesem Grund wolle Zar Fjodor mit Jan Sobieski nicht weiter verhandeln. Er verlange stattdessen von dem kaiserlichen Residenten und dem französischen Gesandten in Gegenwart der spanischen Senatoren zu erfahren, was sie darüber dachten, oder von beiden schriftliche Instruktionen vorgelegt zu bekommen, aus denen hervorgehe, dass sie zu so einem Bündnis nicht bevollmächtigt seien. Der Franzose erklärte, dass einem solchen Zusammenschluss nichts entgegenstehe.314 Das veranlasste sowohl die Herren aus Polen und Litauen als auch die aus Moskau, erste Vorschläge für einen Defensivvertrag gegen die Türken zu machen. Die Zahlung von 200.000 Rubeln für 20.000 Mann seien Polen-Litauen vom Zaren offeriert worden. Ein Angebot, dass Jan Sobieski als unzureichend beurteilt haben soll, da man von ihm ein genauso starkes Heer erwartete. Insgesamt wäre man dann bei 40.000 Mann. Dabei wäre der Einschätzung des polnischen Königs zufolge der Zar imstande, bis zu 300.000 Mann ins Feld zu schicken.315 Nach diesem Bericht fasste man in Wien den Entschluss, einen Gesandten zum Zaren zu schicken, um sich die Einzelheiten bestätigen zu lassen – doch bezweifelte man einen Erfolg. Es wurde an der Donau für wahrscheinlicher gehalten, dass Moskau Frieden mit der Hohen Pforte schließen und Frankreich alles daran setzen würde, einen türkischen Feldzug gegen Ungarn anzustiften. Die Ungewissheit darüber führte zu der Einsicht, dass die Verhandlungen vorerst um ein weiteres Jahr verschoben werden mussten. Aus Rom ließ Papst Innozenz XI. durch Mykolas Radvila 312 HHStA, Polen I, 79. S. 15 f. Das heutige in Tschechien gelegene Jägerndorf lag an der preußischen Grenze. 313 UA, 14, 2. S. 1035, 1039. 314 François de Béthune hatte Johann Zierowski sogar angeraten, möglichst schnell nach Warschau zurückzukehren, um das Defensivbündnis zwischen Habsburg, Frankreich und Polen zu verhandeln. HHStA, Polen I, 79. S. 10. 315 Ebd. S. 10 f. Mehr zu den Verhandlungen mit Moskau in: Wójcik, Jan Sobieski. S. 298–302.
5.3 Die ersten Bestrebungen um ein christliches Bündnis
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und Kardinal Pio bedauernd nach Warschau und Wien berichten, wie die löblichen Absichten des Kaisers und des polnischen Königs allein durch Frankreich vereitelt würden. Ohne jegliche Garantie vor einem französischen Angriff aufs Heilige Römische Reich war der nach Versailles entsandte Kämmerer ins polnische Königreich zurückgekehrt. Als kleiner Trost wurde zumindest in Rom das Versprechen gegeben, einen Teil der päpstlichen Subsidien auszuzahlen, sobald der Krieg fortgeführt werden sollte.316 Insgesamt wurde während einer Sitzung des Hofkriegsrates festgestellt, dass sich Johann Zierowski zu Beginn seiner Residentschaft in Polen-Litauen zunächst mit anfänglichem Misstrauen und Unverständnis konfrontiert sah. Mit der Zeit habe jedoch die Anhängerschaft der kaiserlichen Partei im Sejm zugenommen. Ihm selbst sei es schließlich gelungen, die beiden Großfeldherren und den polnischen Unterfeldherrn Stanisław Jabłonowski auf seine Seite zu ziehen. Doch insbesondere Jan Sobieski und seine Frau seien um eine gute Freund- und Nachbarschaft mit dem Kaiser bemüht.317 Eine politische Gegebenheit, die man in Frankreich alles andere als guthieß. Da François de Béthune wegen der bisherigen Verhandlungen mit dem Königspaar sichtlich überfordert schien, wurde er aus Polen-Litauen abberufen. Ludwig XIV. entsandte stattdessen einen alten Bekannten nach Warschau: Toussaint de Forbin-Janson, der 1679 zum neuen Bischof von Beauvais gewählt worden war. Man warnte ihn jedoch, dass man die Umstände so nicht wiederfinden würde, wie sie einst waren, als er das polnische Königreich als Bischof von Marseille verlassen hatte.318 Der Wiener Hof war sich nach dieser Maßnahme bewusst, dass durch diesen französischen Gesandten insbesondere Jan Sobieski für die profranzösische Seite zurückgewonnen werden sollte, und die Befürchtung kam auf, Maria Kazimiera gebe nur vor, ausschließlich dem Kaiser zugeneigt zu sein, damit Frankreich umso mehr ihre Wünsche erfülle.319 Der Hofkriegsrat diskutierte mehrere Punkte, wie man sich des Wohlwollens des polnischen Königs weiterhin versichern könne: Erstens zog man Geldzahlungen in Betracht, jedoch befürchtete man, sie könnten von Frankreich überboten werden. Zweitens erwog man die kaiserliche Unterstützung für die von Jan Sobieski geplante Nachfolge seines ältesten Sohnes, die jedoch als zu frühzeitig erachtet wurde. Drittens wurde eine Anbindung an das kaiserliche Haus durch eine Heirat besagten Sohnes mit einer Habsburgerin in Betracht gezogen. Dieser Tagesordnungspunkt war umso wichtiger, als man aus Frankreich die Nachricht erhalten hatte, dass man zwar die Prinzessin von Orléans nicht mit Jakub Sobieski verheiraten wolle, laut den
316 317 318 319
Acta, VII, 3. S. 2; HHStA, Polen I, 79. S. 10 f. HHStA, Polen I, 79. S. 10 f. Acta, VII, 3. S. 2. HHStA, Polen I, 79. S. 11.
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5. Der diplomatische Weg zum Bündnis gegen den „Erbfeind“
Mutmaßungen in Wien aber eine engere Anbindung an Frankreich durch ein Ehebündnis generell nicht ausschließe. Letztendlich habe laut Johann Zierowski selbst der litauische Großkanzler Kristupas Zigmantas Pacas dazu geraten, zunächst einmal die Unruhen in Ungarn zu beenden und den Waffenstillstand mit der Pforte zu verlängern. Der kaiserliche Resident solle gleichzeitig mithilfe der polnischen Senatoren und des Königspaars die französischen Werbungen und jegliche Unterstützung der Rebellen verhindern.320 Die Notlage Moskaus, das sich weiterhin im Krieg mit den Osmanen befand, wurde zwar wahrgenommen, doch dadurch, dass die bisherigen mit Polen-Litauen geführten Friedensverhandlungen noch zu keinem Ergebnis geführt hatten und ein weiteres Jahr andauern sollten, verzichtete Habsburg zunächst, einen Gesandten weder zur Unterstützung bei der Vermittlung zwischen Polen und Moskowitern noch zur Ausarbeitung eines Vertrags mit allen drei Mächten an den Zarenhof zu schicken.321 Stattdessen beschloss man in Wien, sich der Gewogenheit der kaiserlichen Anhänger am Warschauer Hof mit Geld zu versichern und auch den Wünschen der polnischen Königin nachzukommen. Maria Kazimiera hatte für ihren Vater, den Marquis Henri-Albert de La Grange d’Arquien, die Erhebung in den Fürstenstand erbeten und für ihren Bruder eine fürstliche Hochzeit mit einer deutschen Prinzessin sowie die Möglichkeit des Erwerbs von Ländereien in den kaiserlichen Erblanden oder im Reich selbst. Man erklärte, dem jungen d’Arquien eine Hochzeit zwar nicht versprechen zu können, doch wolle man ihn am Wiener Hof willkommen heißen, damit er für sein Anliegen persönlich werben könne.322 Toussaint de ForbinJanson berichtete nach Versailles über diese Verhandlungen, womit ein Konkurrenzkampf zwischen der profranzösischen und der prokaiserlichen Partei um die Gunst Polen-Litauens begonnen habe. Jan Sobieski hegte andererseits – wie er dem Heiligen Stuhl mitteilte – die Hoffnung, dass er mit der Unterstützung des französischen Gesandten die Einheit Europas erreichen werde.323 Als der Kaiser die Nachricht erhielt, dass neben dem Bischof von Beauvais auch der Marquis de Vitry nach Polen geschickt worden war, um die Unterstützung der Rebellen voranzutreiben, befahl er Johann Zierowski, möglichst zügig ins polnische Königreich zurückzukehren und alles in die Wege zu leiten, um die „brüderliche Nachbarschaft“ mit Polen-Litauen zu festigen. Leopold beabsichtigte, seinen Re320 HHStA, Polen I, 79. S. 12 321 Ebd. S. 15. In der Hinsicht ist die Kritik Zbigniew Wójciks gerechtfertigt, dass der Kaiser nicht hinreichend die polnische Diplomatie unterstützte. Ders., Jan Sobieski. S. 308. Über die Notlage Moskaus siehe den Bericht über den Russisch-Türkischen Krieg vom 17. April 1681 in: HHStA Polen I, 80. S. 45 ff. Dazu mehr in Davies, Warfare. S. 168 f., 175 f.; Zernack, Die Expansion. S. 148 f. 322 HHStA, Polen I, 79. S. 17; Acta, VII, 3. S. 34. 323 Acta, VII, 3. S. 59.
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sidenten mit einem Geschenk an Jan Sobieski abreisen zu lassen, doch erst verspätet schickte man für den polnischen König mehrere für die Armee wichtigen Lastpferde nach.324 Erste Gerüchte erreichten kurze Zeit später den Wiener Hof, dass Ludwig XIV. lediglich ein Defensivbündnis mit der Rzeczpospolita begehre und mehr als alle anderen christlichen Herrscher durch eine eklatant hohe Summe die Neutralität des Warschauer Hofs erkaufen wolle.325 Tatsächlich instruierte der französische König seine Gesandten, ein Bündnis mit Polen-Litauen in die Wege zu leiten, um die Rzeczpospolita mit entsprechenden Zahlungen zur Unterstützung der Aufständischen in Ungarn und Transsilvanien zu bewegen und sie dazu zu verpflichten, eine wie auch immer geartete Allianz mit dem Kaiser abzulehnen.326 Jan Sobieski schrieb persönlich aus Jaworiw an Johann Zierowski, dass er sich während dessen Abwesenheit mit den moskowitischen Gesandten besprochen und jeweils einen Boten nach Moskau und Konstantinopel entsandt habe. Der König teilte ihm darüber hinaus mit, dass er in der Zwischenzeit nach Podolien gereist sei, um die dortige neue Grenzziehung mit der Hohen Pforte zu begutachten, die Bewegungen und Aktionen des Nachbarn zu beobachten und die Woiwodschaften, die durch das Gerücht herannahender osmanischer Heere verängstigt waren, durch sein Erscheinen zu beruhigen.327 Seine Sorge eines türkischen Angriffs hielt er insofern für berechtigt, als die angehäuften Getreide- und Kornspeicher in der verloren gegangenen Stadt Kamieniec Podolski ausreichend wären, um ganze Heere zu versorgen. Hinzu kam seine Befürchtung, dass der Großwesir beabsichtigen könne, an der Donau zu überwintern.328 Der durch die Gesandtschaft Georg Christophs von Kunitz in Konstantinopel überbrachten Bitte des Kaisers, den Waffenstillstand zu verlängern – von der Jan Sobieski durchaus wusste –, würde laut der königlichen Einschätzung und in Anbetracht der gegebenen Umstände nicht entsprochen werden, da die Grenzgebiete einer offensichtlichen Gefahr durch die Türken ausgesetzt seien. Negativ beurteilte er auch die bisherigen Verhandlungen mit den Moskowitern und wies darauf hin, dass sie durch ihre Verzögerungen das gemeinsame Projekt bagatellisiere. Alle Argumente der Vernunft, die vor der moskowitischen Gesandtschaft dargelegt wurden, damit man in Moskau die allgemeine Gefahr erkenne und zum Anlass nehme, gemeinsam 324 HHStA, Polen I, 79. S. 22 f., 25. Lastpferde waren weder sehr ansehnlich noch besonders wertvoll, doch für den Krieg notwendig. Über die Bedeutung der Pferde als Geschenk siehe auch Kodzik, Ceremoniał. S. 182. 325 HHStA, Polen I, 79. S. 42. 326 Acta, VII, 3. S. 81 f. 327 HHStA, Polen I, 79. S. 11. Allein die dortige Anrede Illustris sincere nobis dilecte zeigt das gute Verhältnis zwischen den beiden. Über die Grenzziehung siehe das Protokoll in: Kołodziejczyk, Ottoman-Polish Diplomatic Relations. S. 545–554. 328 HHStA, Polen I, 79. S. 11.
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5. Der diplomatische Weg zum Bündnis gegen den „Erbfeind“
die Waffen gegen den „Erbfeind“ zu richten, seien bis dato erfolglos verhallt. Auch die bisherigen Vorschläge des Zaren seien nicht angemessen, da dieser nur eine Tausendschaft an Soldaten stellen wolle und die gleiche Menge an Truppen von Polen– Litauen erwarte. Damit verkaufe der polnische König wortwörtlich die Sicherheit des Reiches für einen allzu geringen Preis. Jan Sobieski gab aber die Hoffnung nicht auf, dass die Verhandlungen doch noch den erwünschten Erfolg erzielen würden.329 Der polnische König bedauerte in seinem umfassenden Schreiben an Zierowski ebenfalls, dass er nach seinen Gesandtschaften an die christlich-europäischen Höfe von niemandem eine Zusage für eine große Ratsversammlung erreichen konnte, um sich gemeinsam über das Vorgehen gegen die Osmanen zu beratschlagen. Er erhielt von den unterschiedlichen Höfen lediglich die Rückmeldung, dass man an der Glaubwürdigkeit, der wahrhaften Intention, als Christen gegen die Streiter des Islams in den Krieg ziehen zu wollen, zweifelte. Stattdessen erhielt er lediglich den Ratschlag, die Hohe Pforte im Glauben guter Freundschaft zu lassen und, solange die Vorbereitungen für einen Feldzug noch nicht beendet waren, dadurch die nötige Zeit zu gewinnen.Von Frankreich habe Jan Sobieski immerhin das Versprechen erhalten, sowohl bei einem Offensiv- als auch bei einem Defensivbündnis nicht im Stich gelassen zu werden. Der polnische König bedauere jedoch, dass bislang unbekannt sei, wann Ludwig XIV. was und wieviel hierzu beizutragen gedenke. Realistisch gab er dem Habsburger Gesandten zu verstehen, dass in Anbetracht des Mars Gallicus auf Subsidien nicht viel zu hoffen sei. Die ersten bewilligten Gelder aus Rom geben ihm jedoch Grund zum Optimismus.330 Es blieb sowohl dem Kaiser als auch dem polnischen König offenkundig nichts anderes übrig, als die Verhandlungen mit Moskau und Frankreich abzuwarten, bevor weitere Schritte unternommen werden konnten. Der erwähnte Vorschlag, Botschafter nach Konstantinopel zu schicken, würde die bereits in der Forschung erläuterten Freundschaftsbekundungen durch den polnischen Residenten Samuel Proski erklären, die Hohe Pforte hinzuhalten.331 Der Brief Jan Sobieskis an Johann Zierowski ist ein eindeutiger Beweis dafür, dass man beabsichtigte, auf Zeit zu spielen. Im Spätsommer 1680 erhielt man am Warschauer Hof die Nachricht aus Berlin, dass sich der Große Kurfürst der Unterstützung Frankreichs bediene, um seinen Sohn mit der wohlhabenden Prinzessin Liudvika Karolina Radvilaitė verheiraten zu können. Wie oben bereits dargestellt, hatte dies zuvor auch der Kaiser beabsichtigt, doch maß Friedrich Wilhelm anscheinend den Habsburgern nicht so viel Einfluss
329 Siehe den Brief von Jan Sobieski in: HHStA, Polen I, 79. S. 11 f. 330 Ebd. S. 13 f. 331 Wójcik, Rzeczpospolita. S. 194–196; Ders., Jan Sobieski. S. 310. Jan Sobieski beklagte beim kaiserlichen Residenten auch die hohen Kosten für die bisherigen Gesandtschaften. HHStA, Polen I, 79. S. 14.
5.3 Die ersten Bestrebungen um ein christliches Bündnis
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auf den polnischen König bei wie den Franzosen.332 Als Konsequenz daraus verschlechterte sich in den Folgemonaten das Verhältnis zwischen Brandenburg und Jan Sobieski. Insbesondere die spät eingegangene Benachrichtigung Friedrich Wilhelms über die am 7. Januar 1681 erfolgte Eheschließung des Kurprinzen Ludwigs mit der Litauerin Liudvika Karolina hatte den polnischen König vor vollendete Tatsachen gestellt und ihn in Rage versetzt. Zwar war der Brief des Kurfürsten auf den 20. Oktober 1680 datiert, jedoch fasste man das in Warschau als Täuschung auf.333 Schließlich befahl Leopold I. im Frühjahr 1681 seinen Residenten, sich in die brandenburgische Heiratspolitik künftig nicht mehr einzumischen, um deren Ergebnis für oder gegen den Großen Kurfürsten ausnutzen zu können.334 Die zähe Diplomatie mit den Moskauern zeigte hingegen ihre Folgen. Bereits im September 1680 berichtete der kaiserliche Resident Georg Christoph von Kunitz aus Konstantinopel über erste Friedensverhandlungen zwischen Moskau und der Hohen Pforte und von der vermuteten Absicht der Türken, weitere Kriegsoperationen in Ungarn und Siebenbürgen vorzubereiten. Nicht weniger besorgniserregend war Kunitz’ Rat, sich auf einen osmanischen Angriff vorzubereiten.335 Doch die Verhandlungen für ein christliches Bündnis begannen zu stagnieren, zumal erschwerend der unerwartete Tod von Mykolas Kazimieras Radvila am 14. November 1680 in Bologna hinzukam. Erst für die im Januar 1681 angesetzte Sejmversammlung, zu der sich der Kaiser nicht bereit erklärte, einen weiteren Sondergesandten zu schicken, wurde Johann Zierowski instruiert, die Zusammenlegung der polnischen und moskowitischen Armeen erneut zu forcieren. Dem Königspaar solle erklärt werden, dass eine ansehnliche Gesandtschaft zwar von Leopold geplant war, sich für ihn aber der kaiserliche Resident als der einzige geeignete Vertreter herausstellte, da dieser über die ausreichende Erfahrung verfüge und das Vertrauen der Polen und Litauer genoss.336 In der Zwischenzeit ließ Jan Sobieski den Kaiser wissen, dass der gegenwärtige Zustand der Rzeczpospolita, die Schwierigkeiten mit Moskau, die geringen finanziellen Mittel, die Ungewissheit über weitere Hilfen und Subsidien sowie die zunehmende Macht der Osmanen die Abtretung einiger Grenzstädte unvermeidbar machten, um keinen Krieg zu provozieren, dem man noch nicht gewachsen sei. Laut der Einschätzung des Königs zögen die Türken nicht nach Ungarn, sondern strebten 332 Lamberg an Kaiser, 28. August 1680 in: HHStA, Polen I, 79. S. 47. 333 Acta, VII, 3. S. 86; Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 199–215; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 118 f. 334 HHStA, Polen I, 80. S. 24. 335 HHStA, Polen I, 79. S. 14. Zur darauffolgenden Fortifikation der Stadt Wien siehe: Mörz, Kurt: Befestigung und Armierung Wiens. In: Bedrohung und Befreiung Wiens 1683. Hg. v. Johann Christoph Allmayer-Beck. Wien 1983. S. 13–27. 336 HHStA, Polen I, 79. S. 4.
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5. Der diplomatische Weg zum Bündnis gegen den „Erbfeind“
die Eroberung der ganzen Ukraine an, weshalb er während der Sejmversammlung eine erneute Gesandtschaft aus Moskau erwarte. Sein Unmut nahm jedoch zu, denn die schon seit Langem geführten Gespräche scheiterten stets an den altbekannten, unerfüllten Voraussetzungen und ein Ende war für ihn noch lange nicht absehbar.337 Auch dem Habsburger wurde seinerseits immer stärker bewusst, dass sein Waffenstillstand mit den Osmanen nur noch vier Jahre lief – ebenso spielte für ihn die Einheit der Christenheit eine zunehmend wichtigere Rolle in seinen Überlegungen.338 Doch für einen Krieg fehlten Leopold I. wie immer die Mittel. Er klagte darüber, die geforderten 40.000 Mann wegen des jüngst vergangenen Krieges mit Frankreich nicht stellen zu können und dass er zurzeit gerade mal bis maximal 12.000 Mann aufbieten könne, die man noch dazu über mehrere Monate hin anwerben müsse. Aus diesem Grund beauftragte er Johann Zierowski, sich selbst bei den Gesprächen über ein Defensivbündnis passiv zu verhalten, da es laut der Ansicht des Kaisers noch lange dauern würde, die bereits bekannten Voraussetzungen für ein solches Bündnis und erst recht für einen Offensivvertrag erfüllen zu können.339 Während der Sejm ab dem 7. Januar bis zum 21. Mai 1681 tagte, sorgte man sich in Wien über die aufsehenerregende Sympathie, die Jan Sobieski für den ungarischen Rebellenanführer Emmerich Thököly an den Tag legte. Letzterer hatte den König um das polnische Indigenat gebeten, dem sich sowohl der kaiserliche Resident als auch der neue päpstliche Nuntius Opizio Pallavicini vehement entgegenstellten, um das Vertrauen des Kaisers in den König und die Rzeczpospolita nicht zu gefährden. Die Rebellen hatten bereits die türkische Protektion für ihre Devotion erhalten und die Angst in Wien war groß, dass die Aufstände durch die Annäherung der Kuruzen an Polen-Litauen wiederaufleben könnten.340 Es erwies sich jedoch nicht als leichtes Unterfangen, den polnischen König gegen den jungen Rebellenanführer einzunehmen. Letzterem gelang es geschickt, Jan III. Sobieski zu imponieren, indem er 3000 Mann für den Kampf gegen die Türken offerierte und einige Fässer Wein als Geschenk überbringen ließ. Außerdem machten die Kuruzen lukrative Versprechungen für den Sohn des Königs, mit der Aussicht auf den ungarischen Thron und die daraus zu erwartenden Sukzessionen.341 Auf habsburgischpolnischer Seite habe das Verhalten des Vertreters der Königinwitwe Eleonore, namens Manfredi, am Warschauer Hof das gute Verhältnis zwischen König und Kaiser getrübt. Auf Anraten von Johann Zierowski wurde folglich dieser Mann aus dem Königreich abgezogen, während der kaiserliche Resident Eleonores Interessensvertretung künftig zusätzlich übernehmen wollte. Beide Punkte weisen darauf hin, dass 337 338 339 340 341
Ebd. S. 24. Ebd. S. 24–29. HHStA, Polen I, 80. S. 27. Ebd. S. 51. Ebd. S. 38 f.
5.3 Die ersten Bestrebungen um ein christliches Bündnis
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die Gunst der Polen gegenüber Habsburg weiterhin auf einer sensiblen Waagschale lag, die Johann Zierowski versuchte zu tarieren. Insbesondere vor den polnischen Senatoren sprach sich der kaiserliche Resident für ein Defensivbündnis aus, die allerdings – im Gegensatz zu Jan Sobieski – dazu tendierten, jeglichen Krieg, ob defensiv oder offensiv, zu vermeiden.342 Im Februar 1681 hieß es aus Moskau, man beabsichtige, das foedus defensivum mit Polen-Litauen und dem Heiligen Römischen Reich sowie mit anderen christlichen Herrschern vorerst zu verschieben. Gleichzeitig traf aus Konstantinopel die Nachricht ein, der Zar habe den Frieden mit den Osmanen schon längst ratifiziert.343 Laut dem Bericht von Johann Zierowski habe die in Warschau angekommene moskowitische Delegation dies dementiert, obwohl tatsächlich am 13. Januar 1681 der Russisch-Türkische Krieg mit der Hohen Pforte durch den Vertrag von Bachtschyssaraj (Bağçasaray) beendet wurde.344 Gleichwohl einigte man sich in Warschau darauf, dass Moskau der polnischen Krone mit 20.000 Mann zu Hilfe komme, während die Rzeczpospolita eine Armee von 48.000 Mann aufbieten wolle und mit der Unterstützung von Savoyen, Brandenburg und den ukrainischen Kosaken ein Heer von insgesamt 79.000 Mann aufgestellt werden sollte.Wegen der erfolgten Ehe des brandenburgischen Kurprinzen und der litauischen Prinzessin nahm sogar der Wiener Hof wahr, dass sich Friedrich Wilhelm zwar zu diesem Türkenkrieg entschlossen zeigte, die militärischen Maßnahmen Polen-Litauens jedoch als eine Bedrohung Preußens beurteilte und zur Besänftigung der polnischen Gemüter 3000 Mann offerierte, die unter der Obhut des Kronunterfeldherrn Stanisław Jabłonowskis stehen sollten.345 Auch die französischen Gesandten widersetzten sich nicht dem polnisch-moskowitischen Bündnis, solange nur der Kaiser davon ausgeschlossen bliebe. Man munkelte, dass Toussaint de Forbin-Janson diese Unterstützung eines christlichen Bündnisses aus reinem Eigeninteresse förderte, um vom Heiligen Stuhl aus Dank für seine Bemühungen für den Türkenkrieg mit der Kardinalswürde belohnt zu werden.346 Dieses geplante christliche Bündnis sollte letztendlich durch eine erneute polni-
342 343 344 345
Acta, VII, 3. S. 106. Siehe die Briefe vom 5. und 27. Februar 1680 in: HHStA, Polen I, 80. S. 25, 96. HHStA, Polen I, 80. S. 38; Dazu Davies, Warfare. S. 170 f.; Zernack, Die Expansion. S. 148. In der Relation vom 2. Mai 1681 ist irrtümlich von 4000 Mann die Rede: HHStA, Polen I, 80. S. 38 f. Der polnische König soll zunehmend schlechter auf Friedrich Wilhelm zu sprechen gewesen sein, zumal er auch befürchtete, Ludwig von Brandenburg könne Ansprüche auf den polnischen Thron stellen und dadurch zum Konkurrenten seines Sohnes werden: UA, 22. S. 29 ff., 34, 42, 61. Die Angst des Kurfürsten vor einer Bedrohung Preußens ist nicht unbegründet; siehe den Brief von Hoverbeck in: Ebd. S. 48, 52, 54, 59; Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 207. 346 UA, 22. S. 53, 61; Acta, VII, 3. S. 121, 125, 130, 134, 136 f.
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5. Der diplomatische Weg zum Bündnis gegen den „Erbfeind“
sche Delegation nach Moskau bestätigt werden347 – doch alle damit verbundenen Hoffnungen verflogen im Wind, als der Zar den Vertrag von Bachtschyssaraj 1681 ratifizierte. Eine überraschende, jedoch für die kaiserliche Seite als positiv zu bewertende Wendung brachte die veränderte Einstellung des Malteserritters Hieronim Augustyn Lubomirski zum Haus Habsburg. In den Jahren 1678/79 hatte er noch die ungarischen Übergriffe zusammen mit François de Béthune in Schlesien unterstützt. Im Zuge des christlichen Bündnisses waren diese Machenschaften von Jan Sobieski unterbunden worden. Daraufhin hatte der Malteserritter zwischenzeitlich in Frankreich gelebt. Zurück am polnischen Hof, machte er vor Johann Zierowski und zum Wohlgefallen Leopolds I. das Angebot, im Fall eines Türkenkrieges mit entsprechenden Truppen die kaiserliche Armee zu unterstützen.348 Insgesamt bewertete der Habsburger Resident den Ausgang des Sejms als positiv. Seine gesetzten Ziele waren gewesen, alle innerlichen und äußerlichen Differenzen zu überwinden und sich allein auf die Verteidigung und Rettung Polen-Litauens und der ganzen Christenheit zu konzentrieren. Auf keinen Fall dürfe man aus Eigennutz oder zum Schaden der benachbarten Herrscher handeln. Erfolgreich hatte Johann Zierowski diese Ziele während des Sejms verfolgt. Gleichzeitig sollte man nach Meinung des kaiserlichen Residenten die Hohe Pforte mit freundlichen Worten hinhalten, um genügend Zeit für die Kriegsvorbereitung zu gewinnen.349 Anders fasste Jan Sobieski den Ausgang des Sejms auf, der durch das liberum veto von Władysław Przyjemski aufgelöst wurde. Die fehlende Einigkeit führte dazu, dass die wochenlange Versammlung ohne konkrete weiterführende Maßnahmen in Bezug auf den geplanten Krieg, und damit ergebnislos, endete.350 In gleicher Weise resultatlos blieben die Bestrebungen Frankreichs, den polnischen König zu einem Bündnis mit Ludwig XIV. und dem damit verbundenen Ausschluss jeglicher Verträge mit dem Kaiser zu bewegen. Stattdessen hatte das Königspaar um Bedenkzeit gebeten, bevor es den französischen Vorschlag ablehnte und Toussaint de ForbinJanson mit leeren Händen nach Frankreich zurückkehren musste. Umso mehr war Nicolas-Louis, Marquis de Vitry darauf erpicht, in Zukunft einen solchen Vertrag
347 HHStA, Polen I, 80. S. 38. 348 Siehe den Brief vom 6. Mai 1681 in: HHStA, Polen I, 80. S. 60 f.; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 117. 349 HHStA, Polen I, 80. S. 5. 350 Siehe die Rede von Hieronim Lubomirski in: BJ, 213 (Mf. 12483). S. 107 f. Auch Hoverbeck berichtet Ende Mai, dass der Sejm zur Verbitterung Jan Sobieskis zerschlagen wurde. UA, 22. S. 67–70. Mehr dazu Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 241. Die Rolle Brandenburgs zu diesem Sejm in: Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 211–213. Mehr über das liberum veto, das eine Sejmversammlung durch eine einzige Gegenstimme zu den anstehenden Beschlüssen scheitern lassen kann, in: Wójcik, Zbigniew: Liberum veto. Krakau 1992.
5.3 Die ersten Bestrebungen um ein christliches Bündnis
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zuwege zubringen.351 Er reiste hierfür mit dem Königspaar zu dessen Besitzungen nach Reussen, wo es ab Herbst residierte. Als es zur Gewissheit wurde, dass sich Fjodor III. und Mehmet IV. auf einen zwanzigjährigen Waffenstillstand geeinigt hatten, der wegen Kiew mit einer jährlichen Tributzahlung Moskaus an das Osmanische Reich verbunden war, warf der Warschauer Hof den Moskowitern Betrug vor. Auf die Nachfrage, ob die Rzeczpospolita in den Friedensvertrag miteinbezogen wurde, kam vom Zaren die Antwort, dass Moskau im Vertrag von Żurawno ebenfalls nicht einbezogen worden sei und Polen-Litauen deshalb auch keine Berücksichtigung im Vertrag von Bachtschyssaraj fand. Selbst Leopold I. beurteilte das moskowitische Abkommen als hinterhältig und begrüßte es umso mehr, als der apostolische Nuntius darauf hindeutete, Jan Sobieski setze weiterhin alle Hoffnungen in den Kaiser und schließe heimlich das foedum defensivum mit ihm, damit sie von den französischen Gesandten fortan nicht mehr gestört würden.352 In Anbetracht der zunehmenden Präsenz der Türken in den Grenzgebieten und ihrer ersten Überquerungen der Donau, die als Bedrohung für Ungarn gewertet wurden, war dieser Schritt auch nötig. Die päpstlichen Korrespondenzen an Jan Sobieski wurden laut Johann Zierowski als hinderlich für das geplante Bündnis aufgefasst und sollten seiner Meinung nach gänzlich untersagt werden.353 Für böses Blut sorgten andererseits die französischen und brandenburgischen Gesandten, indem sie das Gerücht verbreiteten, die Tochter des Kaisers, Erzherzogin Maria Antonia, solle mit Jakub Sobieski verheiratet werden.354 Allein deshalb lässt sich nachvollziehen, weshalb der polnische König im Jahr 1683 die Hoffnung hegte, die Tochter des Kaisers als Braut für seinen Sohn zu gewinnen. Auch wenn die zunehmende Eintracht zwischen Versailles und Berlin in Wien nicht gern gesehen wurde, stellten sich für Leopold I. die Heiratspläne als gute Nachricht dar, waren sie doch für ihn ein Beweis für die prokaiserliche Gesinnung des polnischen Königs.355 Während der Sejm in Warschau noch tagte, bereitete sich der Kaiser auf seine Reise nach Ödenburg (Sopron) vor, um zu versuchen, beim dortigen Reichstag die inneren Unruhen in Ungarn zu beenden. Leopold I. erreichte Ende Mai 1681 die Stadt, wo ihm durch die Bevölkerung ein freundlicher Empfang zuteilwurde, doch die Unter351 Acta, VII, 3. S. 157–164. 352 HHStA, Polen I, 80. S. 5 f., 18; Wójcik, Jan Sobieski. S. 302–305; Konarski, Polska. S. 63–82. 353 HHStA, Polen I, 80. S. 7. Auch von kaiserlicher Seite wurde folglich das Drängen der Nuntien als hinderlich angesehen. Siehe rückblickend die Einschätzung von Johann von Hoverbeck in Kap. 5.2. S. 236 f. Im September 1680 wurde zusätzlich Opizio Pallavicini als Nuntius nach Warschau geschickt. Eickhoff, Venedig. S. 323; Menniti Ippolito, Antonio: Pallavicino, Opizio. In: Dizionario Biografico degli Italiani. Bd. 80 (2014). S. 541 f. 354 HHStA, Polen I, 80. S. 7; UA, 22. S. 52. 355 HHStA, Polen I, 80. S. 18.
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redungen mit den Magnaten scheiterten an der Religionsfrage. Emmerich Thököly weigerte sich deswegen, an der Versammlung teilzunehmen. Stattdessen schloss er sich im Sommer Michael I. Apafis Überfällen auf kaiserliche Besitzungen an.356 Unglück licherweise hatten diese Vorfälle auch Einfluss auf das österreichisch-polnische Verhältnis: Im Spätsommer 1681 wurden nämlich die in Jan Sobieski gesetzten Hoffnungen durch erneute Übergriffe der Kuruzen gegen die kaiserlichen Truppen unter Graf Alberto Caprara getrübt, da die ungarischen Rebellen nach ihrem Gefecht ungestraft die Flucht auf polnisches Gebiet ergreifen konnten.Verdrießlich nahm man auf kaiserlicher Seite wahr, wie die Landschaften Mähren und Schlesien dadurch der täglichen Gefahr eines Überfalls und der Brandschatzung ausgesetzt wurden. Der Kaiser ging davon aus, dass dies ohne Jan Sobieskis Wissen geschah. Er erteilte Johann Zierowski den Befehl, den polnischen König darüber in Kenntnis zu setzen, damit dieser solche feindlichen Raubzüge unterbinde, um die nachbarliche Sicherheit wiederherzustellen.357 Die Überzeugung, dass Jan Sobieski hinter Habsburg stehe, geriet jedoch durch einen Brief des Rebellenanführers ins Schwanken. Emmerich Thököly bezeichnete sich in seiner Korrespondenz mit dem polnischen König als dessen ergebener Vasall, worüber der kaiserliche Hof durch eine von Johann Zierowski mitgeschickte Abschrift informiert wurde. Darin entschuldigte sich der Rebellenanführer bei Jan Sobieski für die aufgetretenen Unannehmlichkeiten, die er als vagabundorum excessus bezeichnete und deren Bestrafung er bereits in die Wege geleitet habe. Er bagatellisierte damit den Einfall der Ungarn in die Slowakei, der sich 1682 nach Mähren und Schlesien ausweitete.358 Der kaiserliche Resident dementierte jedoch jegliche Unterstützung des polnischen Königs für die Ungarn und wich nicht von seiner Überzeugung ab, dass Jan Sobieski mit seinen Entscheidungen und Handlungen allein gute Absichten verfolge.359 Mittlerweile nahm die Bedrohung durch die Türken in besorgniserregender Weise zu, als im Dezember 1681 bekannt wurde, dass die Hohe Pforte vermehrt Truppen mobilisierte. Jan Sobieski bemühte sich deshalb durch seinen abermals nach Moskau entsandten Ablegaten, den Zaren zur Wiederaufnahme der Allianz und zum erneuten Ergreifen der Waffen zu bewegen. Mit dem Tod des 20–jährigen Zaren schied Moskau allerdings als Bündnispartner aus.360 Weitaus erfolgreicher war der
356 Hierzu mehr in: Eickhoff,Venedig. S. 297 f.; Spielman, Leopold I. S. 84–89. 357 Kaiser an Zierowski, 18. August 1681 in: HHStA, Polen I, 80. S. 32. 358 Siehe den Brief Emmrich Thökölys an Jan Sobieski in: HHStA, Polen I, 80. S. 32. Der Bruch mit Frankreich wurde auch aus persönlichen Ressentiments zwischen Ludwig XIV. und Maria Kazimiera unumgänglich. Eickhoff,Venedig. S. 321 ff.; Wimmer, Der Entsatz von Wien 1683. S. 81 ff.; Forst de Battaglia, Otto: Jan Sobieski, 1674–1696. In:The Cambridge History of Poland. From the Origins to Sobieski. Hg. v. Oscar Halecki [u.a.]. Cambridge 1950. S. 539 f. 359 Siehe den Brief vom 18. Dezember 1681 in: HHStA, Polen I, 80. 360 Ebd. UA, 22. S. 79. Fjodor III. starb am 7. Mai 1682. Wójcik, Jan Sobieski. S. 305; Konarski, Polska. S. 63–82.
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polnische König mit seiner Diplomatie in Schweden, da Karl XI. das ihm vorgeschlagene gute Verhältnis bekräftigte.361 Andererseits bemühte sich Leopold I. im Interesse der christlichen Einheit zunächst intensiv um die Kurfürsten von Bayern und Sachsen. Sein Ziel war es, mit ihnen Schutzbündnisse zu schließen, um im Fall eines türkischen Angriffs von ihnen militärische Unterstützung zu erhalten. Gleichzeitig wurden nach seiner Rückkehr in Wien die dortigen Befestigungsbauten im italienischen Stil vorangetrieben, die bis 1683 rechtzeitig fertiggestellt wurden.362 Seine Bestrebungen, mit der Hohen Pforte den Waffenstillstand zu verlängern, wurden in Warschau mit Beunruhigung wahrgenommen, befürchtete man dort doch, die Osmanen würden deshalb ihre Winterquartiere in der Moldau und Walachei aufschlagen.363 Insgesamt nahm die Anspannung im Jahr 1682 zu, zumal sich niemand über die nächsten Schritte seiner Nachbarn sicher sein konnte. Einen Verlust für die kaiserliche und brandenburgische Sache während der innenpolitischen Verhandlungen Polen-Litauens bedeutete der Tod von Mykolas Pacas am 4. April 1682 in Wilna.364 Innerhalb von zwei Jahren verstarben somit zwei Größen in der litauischen Militärführung, deren Geschick von Kazimieras Jonas Sapiega (poln. Kazimierz Jan Sapieha) und Jonas Oginskis (poln. Jan Ogiński) als Nachfolger kompensiert werden mussten. Die Aufmerksamkeit Habsburgs richtete sich über die Jahre hinweg ohnehin mehr auf Stanisław Jabłonowski, zumal Mykolas Pacas durch seine Opposition zu Jan Sobieski in königliche Ungnade gefallen war.365 Der Kaiser setzte damit aufs richtige Pferd, denn Stanisław Jabłonowski wurde nach dem Tod Dymitries Wiśniowieckis am 28. Juli 1682 zum neuen Krongroßmarschall und Mikołaj Hieronim Sieniawski zum polnischen Feldhetman erhoben. Die militärische Führung wurde somit neu aufgestellt und während des Sejms 1683 im Amt 361 Brief vom 19. Juli 1682 in: AGAD, AKW Szwedzkie 11b. Nr. 202 (Mf. 32128). Über das Bestreben des polnischen Königs, mit Schweden und dem Kaiser 1682 ein Bündnis zu schließen: Kamieński, Polska a Brandenburgia. S. 227. 362 Siehe dazu die Reichsdefensionsverfassung vom 10. Juni 1682, die während einer Versammlung in Regensburg unterzeichnet wurde. In: HHStA, GSR 22. Fasz. 19. Dazu den Brief Leopolds an Johann Georg III. von Sachsen in: SHStA, GR (10024), Loc. 08572/01 (Mf. 34847). S. 167. Als erste Annäherung mit Bayern wird die Begegnung 1681 zwischen dem Kaiser und dem jungen Kurfürsten Max Emanuel bezeichnet. Dazu: Eickhoff,Venedig. S. 337 f.; Hüttl, Max Emanuel. S. 106 ff.; Mörz, Befestigung und Armierung Wiens. S. 26 f. Seit 1680 bemühte sich der Kaiser um ein stehendes Reichsheer, das sich jedoch schwerlich realisieren ließ. Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 225 f.; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 92. 363 UA, 22. S. 79. 364 Ebd. S. 82; Bobiatyński, Michał Kazimierz Pac. S. 411 f.; Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 241. 365 Stanisław Jabłonowski erhielt vom Kaiser eine Pension von 1000 Dukaten: HHStA, Polen I, 80. S. 24. Das gleiche Interesse an den polnischen Feldherrn teilte auch Brandenburg, siehe: UA, 22. S. 64; Codello, Litwa wobec polityki bałtyckiej. S. 42.
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5. Der diplomatische Weg zum Bündnis gegen den „Erbfeind“
bestätigt. Die bisherige litauische Armee, die in den Jahren davor durch ihre wiederholten, eigenmächtigen Rückzüge aus dem Felde schon mehrfach militärische Operationen gefährdet hatte, wurde laut einem Beschluss im April 1679 als eigenständige Einheit aufgelöst. Im April 1682 wurde dann endgültig verfügt, dass die litauische Armee keine weiteren gesonderten Mittel mehr erhalten sollte, um sie so endgültig in das königliche Heer zu integrieren.366 Damit hatte der König nicht nur seine unliebsamen Widersacher entmachtet, sondern auch loyale Gefährten in die wichtigsten Positionen gebracht, was keineswegs von allen Seiten positiv aufgenommen wurde.367 Mit der Neuordnung seiner Truppen kristallisierte sich auch heraus, mit wem Jan Sobieski in den Kampf gegen die Osmanen ziehen wollte – doch stellte sich die Politik Frankreichs dem weiterhin in den Weg. Das Verhältnis zwischen Warschau und Versailles wurde zunehmend schlechter, zumal die Bitten Maria Kazimieras um Geld und Ehrentitel für ihre Angehörigen nachlässiger aufgenommen wurden, was diese als Missachtung ihrer Person wertete. Andererseits nahmen die Drohungen Ludwigs XIV. gegenüber Habsburg zu, der eine ähnliche Belagerung Kölns ankündigte, wie sie am 30. September 1681 vor Straßburg im Zuge der französische Reunionspolitik stattgefunden hatte.368 Die Annexion Straßburgs nahm man auch als Grund, weshalb sich der Kaiser weigerte, sich auf ein von Brandenburg empfohlenes Friedenstraktat mit Frankreich zu einigen. Durch die kaiserliche Gesandtschaft Johann Maximilians von Lamberg in Berlin wusste man, dass sich der Große Kurfürst mit Ludwig XIV. verbündet hatte, und der Wiener Hof versuchte nun, dem entgegenzuwirken.369 Die allmähliche Abkehr Jan III. Sobieskis von Frankreich war ebenfalls ein Prozess, der sich über Monate hinstreckte: Zu lange hatte sich der polnische König von den Korrespondenzen Toussaints de Forbin-Janson beeinflussen lassen und zu wenig gegen die von Ludwig XIV. unterstützten Überfälle in Ungarn unternommen. Das Bewusstsein war zwar da, dass es auf längere Zeit nicht so weitergehen konnte, doch brachte das abgekühlte Verhältnis zu Versailles auch den Verzicht auf die französischen Gelder mit sich. Jahrelang war beispielsweise die Pension von Hieronim Augustyn Lubomirski von Frankreich bezahlt worden. Dies musste jedoch ein Ende nehmen. Im Spätsommer 1682 forderte der polnische König sogar die beiden Großhetmane Kazimieras
366 UA, 19. S. 229, 231; UA, 22. S. 35, 82. Bereits während des Sejms 1677 wurde über eine Auflösung der litauischen Armee verhandelt, doch hatte man sie lediglich auf 12.000 Mann reduziert. Codello, Litwa wobec polityki bałtyckiej. S. 25 f. 367 UA, 22. S. 84 f. 368 Zur Reunionspolitik siehe: Wrede, Ludwig XIV. S. 150–157, bes. S. 153. Über die Bemühungen Maria Kazimieras siehe: Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 112 f.,115–118, 124 f. 369 Laut dem Brief vom 18. Dezember 1681 in: HHStA, Polen I, 80; UA, 14, 2. S. 1032 ff., 1041. Bzgl. Straßburg: Eickhoff,Venedig. S. 324 f.; Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 226 f.
5.3 Die ersten Bestrebungen um ein christliches Bündnis
263
Jonas Sapiega und Stanisław Jabłonowski auf, die französischen Gelder abzulehnen.370 Angesichts der Unruhen in Ungarn 1682 und der Verhandlungen zwischen dem Rebellenführer und dem Kaiser verlangte Jan Sobieski eine schriftliche Bestätigung von Leopold I., um ihn verbindlich zur gegenseitigen Hilfe und zu Subventionen für die polnische Mobilisierung zu verpflichten.371 Mit einer solchen Forderung kam er den polnisch-litauischen Senatoren entgegen, die einer militärischen Konfrontation aufgrund der geringen finanziellen Mittel kritisch gegenüberstanden. Innozenz XI. unterstützte seit seiner Wahl zum Papst das Vorhaben einer christlichen Einheit und eines gemeinsamen Vorgehens gegen die Osmanen. So hatte er bereits im Jahr 1679 alle Nuntien beauftragt, Gelder zur Finanzierung für den Kampf Polen-Litauens gegen die Türken zu sammeln.372 Es änderte jedoch nichts an der französischen Militärpräsenz in den ungarischen Grenzgebieten, gegen die der kaiserliche Resident vehement protestierte. Johann Zierowski begab sich deshalb in Absprache mit Jan Sobieski von Mai bis August 1682 nach Schlesien, um genügend Beweismaterial gegen die französischen Machenschaften zu sammeln. In Jaworiw hatte der französische Minister Boucauld du Vernay mit seinen Männern sein Quartier aufgeschlagen, dafür gesorgt, dass die von Frankreich versprochenen 100.000 Gulden an die ungarischen Rebellen ausgezahlt wurden, und war Initiator mehrerer Unruhen. Johann Zierowski arbeitete vier Tage an einem Memorial im Namen des Kaisers, in dem er betonte, dass der Franzose Boucauld du Vernay einen Krieg in Ungarn provoziere. Sein Handeln stelle nicht nur eine Bedrohung für die österreichischen Erblande dar, sondern auch für das polnische Königreich, da die mit den Osmanen verbündeten Rebellen, seiner Einschätzung nach, eine Gefährdung für die christliche Religion insgesamt seien. Als Beleg für diese Anschuldigungen legte er mehrere abgefangene Briefe des französischen Ministers vor, die bewiesen, dass die bisherigen Beschwichtigungen in 370 Acta, VII, 3. S. 131 f.; UA, 22. S. 84. 371 Die Entscheidung für die Kooperation mit dem Kaiser erfolgte laut der gängigen Forschung endgültig im Sommer 1682. Es bestand die Gefahr, dass ohne eine vertragliche Verpflichtung der Kaiser bei einem Angriff der Osmanen gegen Krakau von einer Unterstützung PolenLitauens absehen würde, daher ließ sich der Sejm nur auf ein Bündnis ein, wenn man den Papst als Garant in dem Vertrag miteinbezöge. Siehe Leitsch, Walter: Die Allianz gegen die Osmanen. In: Broucek (Hg.), Der Sieg bei Wien. S. 70;Wimmer, Der Entsatz von Wien 1683. S. 84 f.; Barker, Doppeladler und Halbmond. S. 142, 156–159; Eickhoff,Venedig. S. 333. 372 Innocent XI. Sa correspondance avec ses nonces. Hg. v. Ferdinando de Bojani. Bd. 1. Rom 1910. S. 608 f.; Pastor, Geschichte der Päpste. S. 781; Sammer, Alfred: Papst Innozenz XI. und die Heilige Liga. In: Die Türken vor Wien. Europa und die Entscheidung an der Donau 1683. Hg. v. Robert Waissenberger.Wien [u.a.] 1982. S. 169. Auch der polnische Nuntius Pallavicini spielte eine wesentliche Rolle als Kontaktperson mit dem Heiligen Stuhl. Siehe Leitsch, Die Allianz. S. 39. Dazu kamen Hilfsgelder aus der Toskana, Genua, Spanien, Portugal und Savoyen. Siehe Eickhoff,Venedig. S. 326, 355; Düriegl, Wien 1683. S. 17.
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5. Der diplomatische Weg zum Bündnis gegen den „Erbfeind“
Bezug auf die Unterstützung der ungarischen Rebellen seitens Ludwigs XIV. nichtig waren. Dies war eindeutig ein Weckruf an Jan Sobieski, der ihn letztendlich in seinem Unwissen wachrütteln sollte. Mehrfach drängte der kaiserliche Resident deshalb den polnischen König dazu, Boucauld du Vernay aus Polen oder zumindest vom Hof zu verweisen.373 Johann Zierowski sprach Ende November 1682 auch vor dem Senat vor und berichtete über die Bemühungen des Kaisers und des Papstes, – im Gegensatz zu Frankreich – das Blutvergießen zwischen den Christen in Europa beenden zu wollen, um sich gemeinsam der türkischen Bedrohung entgegenzustellen. Das gleiche Schicksal wie du Vernay ereile laut Johann Zierowski auch Marquis de Vitry, denn man sprach bereits am Warschauer Hof von seiner Ausweisung, doch wollte das Königspaar Ludwig XIV. damit nicht kränken und versuchte stattdessen, eine diplomatischere Lösung zu finden.374 Inzwischen waren die Kriegsvorbereitungen der Türken nicht nur für Ungarn und Schlesien bedrohlich geworden. Jan Sobieski stufte deshalb die Situation an der Grenze auch als Gefährdung für die polnische Stadt Krakau ein.375 Aus diesem Grund zögerte man nicht länger, die nächste Sejmversammlung bereits für Januar 1683 anzusetzen. In Hinblick auf den nächstanstehenden Sejm wurde Johann Zierowski zum außerordentlichen Gesandten des Kaisers ernannt. Der Resident bat Jan Sobieski in seiner Antrittsaudienz erstmalig, zwischen den Häusern Habsburg und Bourbon zu vermitteln, denn die Befürchtung eines französischen Angriffs am Rhein hemmte weiterhin die Vorbereitungen auf den nahenden Türkenkrieg. Der König willigte nicht nur ein, sondern versprach auch, erste Truppen zur Unterstützung der kaiserlichen Armee nach Ungarn zu schicken, während Leopold I. in seinen Briefen vom Dezember 1682 an Jan III. Sobieski um die bereits versprochene Unterstützung des Malteserritters Hieronim Augustyn Lubomirski bat. Der Kaiser rühmte in seinem Schreiben zudem die polnische Reiterei, die sich besonders durch ihre Erfahrung und Schnelligkeit auszeichne. Weiter heißt es darin, dass die kaiserliche Armee bislang ihr Möglichstes getan habe, die Übergriffe der Türken und ungarischen Rebellen zurückzuschlagen und dadurch einen Krieg zu verhindern.Vehement und inständig versicherte er dem König, dass er keine Friedensverhandlungen mit den Osmanen aufzunehmen plane und es sich um böse Zungen ex vulgi trivio homines handele, die dieses Gerücht in die Welt setzten. Doch seine Frömmigkeit lasse einen solchen Zusammenschluss mit dem „Erbfeind“ nicht zu – vielmehr wurde Johann 373 Das Memorial in: BCzart. TN 179 (Mf. 7613). Nr. 43; BCzart. Rkps. 2880 (Mf. 9250). Nr. 6; Acta, VII, 3. S. 250; UA, 22. S. 86. Dazu die Rede Johann Zierowskis in: HHStA, Polen III, 63 (Radziwill). S. 35. 374 HHStA, Polen III, 63 (Radziwill). S. 35; UA, 22. S. 87 ff.Wie diese diplomatische Lösung des Königspaars genau aussah, geht aus den Quellen nicht hervor. 375 Jan Sobieskis Reskript vom 16. Oktober 1682 in: BN, akc. 7181 (Mf. 40707). Nr. 20.
5.3 Die ersten Bestrebungen um ein christliches Bündnis
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Zierowski von ihm beauftragt, Jan Sobieski mit sämtlichen Zeugnissen aufrichtigen Willens, gemeinsam gegen das Osmanische Reich vorzugehen, sein Wohlwollen für das Königreich Polen auszusprechen.Tatsächlich wurde in diesem Winter selbst von brandenburgischer und französischer Seite das Bündnis zwischen Polen-Litauen und Habsburg für den anstehenden Sejm 1683 für sicher gehalten.376 Mit Brandenburg stand Jan Sobieski bis zum Spätsommer 1682 in Verhandlungen wegen Entschädigungszahlungen, die er von Friedrich Wilhelm für die Heirat von dessen Sohn mit der litauischen Prinzessin und das ihm dadurch verloren gegangene Vermögen forderte.377 Das Verhältnis blieb auch wegen erneuter Postüberfälle angespannt, zumal im Frühjahr 1683 ein anonymer Brief an den Kurfürsten aufgefunden wurde, in dem der Rat stand, den Sejm wie schon 1681 erneut scheitern zu lassen. Der darauffolgende scharfe Ton Jan Sobieskis gegenüber den brandenburgischen Ministern, um die geforderten Zahlungen voranzutreiben, wurde dahingehend interpretiert, dass ihm die Mobilisierung für den Türkenkrieg nur dazu diene, seinen in Wirklichkeit geplanten Angriff auf Preußen zu verschleiern.378 Als Gegenreaktion und anlässlich der demnächst anstehenden Sejmversammlung wurde Lorenz Georg von Krockow als brandenburgischer Sonderbeauftragter nach Warschau geschickt. Er war instruiert worden, dem König die Bündnistreue Friedrich Wilhelms zu versichern und eindringlich zu einem guten Einvernehmen zwischen Habsburg, Bourbon und dem polnischen Königreich zu raten. Gleichzeitig wurde der Sorge Ausdruck verliehen, dass bei einem drohenden Einfall französischer Truppen ins Reich die Kur- und Reichsfürsten sich aus dem Türkenkrieg heraushalten würden, um die Sicherheit der eigenen Lande zu gewährleisten. Die beabsichtigte Vermittlung des polnischen Königs zwischen Versailles und Wien blieb jedoch im Gespräch mit dem Gesandten de Vitry ergebnislos, da ein Bündnis ausgeschlossen war und sich Frankreich stattdessen kriegsbereit hielt.379 Die bisherige profranzösische Einstellung des polnischen Königs stand dementsprechend alles andere als unter einem guten Stern. 376 Die Briefe des Kaisers an Jan Sobieski vom 19. und 26. Dezember 1682 in: AGAD, AKW Cesarskie 26. Nr. 7 (Mf. 26450) und 8 (Mf. 26451); UA, 22. S. 86 f.; Acta, VII, 3. S. 250, 257, 266 ff., 275. Siehe hierzu die dargestellte geheime Sondergesandtschaft des Grafen Alberto Caprara zur Hohen Pforte bei Thomas Barker. Letztgenannter führte auch an, dass es keine Beweise gebe, dass Österreich versucht hätte, den Frieden mit den Osmanen zu erkaufen. Ders., Doppeladler und Halbmond. S. 154 f. 377 UA, 22. S. 83–85. Diese verzögerten sich unter anderem durch den Tod von Johann von Hoverbeck. 378 Der König soll laut den Berichten der brandenburgischen Minister am polnischen Hof einen Hass auf den Großen Kurfürsten entwickeln. UA, 22. S. 92, 94, 96; Acta, VII. S. 319. Aufgrund solcher Nachrichten aus Warschau war die Angst vor einer Mobilisierung gegen Preußen nicht unbegründet. Siehe Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 239. 379 UA, 22. S. 89 f., 93 f.; UA, 14, 2. S. 1036–1038, 1040, 1049. Zur Friedenspolitik des Kurfürsten siehe: Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 244; Acta, VII, 3. S. 303–305.
Abb. 5: Unbekannt (KünstlerIn), Kara Mustafa, 1696.
6. Das Türkenjahr 1683
Jan III. Sobieski hielt seit Eröffnung des Sejms am 27. Januar 1683 unbeirrt zum Wohl der Rzeczpospolita an dem geplanten Bündnis mit dem Kaiser fest. Um sämtlichen Gegnern dieses polnisch-österreichischen Vorhabens den Wind aus den Segeln zu nehmen, wurde sogar die nach Berlin abgehende Post der französischen Minister durchsucht. Damit sollte während der Versammlung der Druck auf die profranzösische Partei erhöht werden.1 Dieses Vorgehen war insofern erfolgreich, als zwei Monate später die Korrespondenzen von Nicolas-Louis, Marquis de Vitry und Jan Andrzej Morsztyn aufgedeckt wurden. Aus diesen Briefen der Betroffenen ging hervor, dass sie den König stürzen wollten und mehrere polnische und litauische Würdenträger als potenzielle Nachfolger in Betracht zogen. Außerdem hatte der französische Gesandte von Ludwig XIV. den Auftrag erhalten, eine gegen Jan Sobieski gerichtete Adelsfraktion aufzubauen. Der kaiserliche Resident hatte die belastenden Briefe abgefangen und vor dem Sejm verlesen.2 Als damit die Verschwörung am Warschauer Hof bekannt wurde, verlor Versailles seinen Einfluss endgültig. Die darauffolgende Abreise des Marquis de Vitry sollte auch vorerst das Ende jeglicher diplomatischen Beziehungen zwischen Polen-Litauen und Frankreich für die nächsten zehn Jahre bedeuten. Am 1. März 1683 hatte inzwischen der Sondergesandte Friedrich Wilhelms, Otto von Schwerin, am Wiener Hof die bisherige brandenburgische Politik vor Leopold I. gerechtfertigt.3 Als in Berlin bekannt wurde, dass die polnischen Aufrüstungen tatsächlich nur zum Türkenkrieg verwendet werden sollten,4 zog man wenige Monate später in Betracht, ein Bündnis mit dem Kaiser zu schließen. Der Große Kurfürst schickte deshalb im Juli Fürst Johann Georg II. von Anhalt-Dessau nach Wien, um mit Leopold I. wegen der bedrohlichen Türkengefahr die Stellung von Hilfstruppen auszuhandeln, die zur Unterstützung aus Brandenburg entsandt
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UA, 22. S. 99; Acta, VII, 3. S. 319; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 133 ff. Załuski, Epistolae, I, 1. S. 821; Acta, VII, 3. S. 325–330, 338–341; UA, 22. S. 102. Siehe dazu Barker, Doppeladler und Halbmond. S. 143 f.; Leitsch, Die Allianz. S. 37; Eickhoff, Venedig. S. 331, 344; Wójcik, Jan Sobieski. S. 312–313; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 138–140. UA, 14, 2. S. 1052–1057. UA, 22. S. 103, 107; Acta, VII, 3. S. 342; Urkunden und Actenstücke zur Geschichte des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Hg. v. Ferdinand Hirsch. Berlin 1915. Bd. 21. S. 151, weiter zitiert als „UA, 21.“
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6. Das Türkenjahr 1683
werden sollten.5 Aus gesundheitlichen Gründen kündigte Friedrich Wilhelm jedoch vorweg an, nicht persönlich ins Feld ziehen zu können.6 Die Annäherung ging so weit, dass der Kaiser sogar als Vermittler zwischen Polen-Litauen und Brandenburg zurate gezogen werden sollte.7 Seitens Polens wurde Andrzej Załuski nach Berlin geschickt, um den Kurfürsten um Unterstützung zu bitten. Herzog Ernst B ogislaw von Croy wurde entsprechend von Friedrich Wilhelm instruiert, zusammen mit Gouverneur Friedrich von Dönhoff neue Truppen für ein Regiment und ein Bataillon zu werben. Insgesamt wurden 750 Mann für den Marsch nach Polen-Litauen vorgesehen, um sich dort dem polnischen König anzuschließen8 – dazu sollte es jedoch nicht rechtzeitig kommen. Auch das geplante Bündnis zwischen Habsburg und Hohenzollern wurde über Wochen von beiden Seiten in vielerlei Punkten diskutiert, weshalb die zwischen beiden vereinbarte brandenburgische Unterstützung von 12.000 Mann gegen die Türken im September 1683 hinfällig wurde und Ende des Jahres gänzlich scheiterte.9 Erschwerend kam noch hinzu, dass seitens Frankreich alles versucht wurde, um wiederum die brandenburgisch-habsburgische Allianz zu verhindern.10 Diese Verhandlungen mit Brandenburg bekräftigten zumindest den Eindruck, dass man sich intensiv um einen Zusammenschluss der Reichsfürsten mit Leopold I. bemühte. Der erste Schritt in diese Richtung stellte das am 26. Januar 1683 geschlossene kaiserlich-bayerische Defensivbündnis dar. Nur wenige Monate später wuchs aber bei Maximilian II. Emanuel von Bayern die Gewissheit, dass für die „Rettung des gemainen lieben Vaterlandts“ der Umschwung zur Offensive unumgänglich war.11 Der protestantische Wettiner, Johann Georg III. von Sachsen kündigte ebenfalls seine Unterstützung für den katholischen Kaiser an und stieß damit in den eigenen evangelischen Reihen auf Verwunderung, weil er damit indirekt die erbetene Hilfe vom Großen Kurfürsten ausschlug. Friedrich Wilhelm befürchtete nämlich einen Angriff seines Bündnispartners Dänemark auf Schweden 5
UA, 14, 2. S. 1068, 1072. Die Rede war von einem brandenburgischen Hilfscorps von 12.000 Mann, die für die Zahlung von 200.000 Reichstalern kaiserlicher Subsidien geschickt werden sollten. Ebd. S. 1082–1088, 1096; Stoye, Die Türken vor Wien. S. 189–193. 6 Der Große Kurfürst war längere Zeit schon krank: UA, 14, 2. S. 1049, 1073, 1082; UA, 22. S. 116. 7 BCzart. Rkps. 2880 (Mf. 9250). Nr. 20. 8 UA, 22. S. 113–115; UA, 20. S. 779 ff., 801; Ernst Opgenoorth führt an, dass keine Truppen aus Brandenburg beim Entsatz teilnahmen, lediglich Johann Georg von Anhalt war als Gesandter in Wien zugegen. Zumindest für die anschließende Türkenverfolgung erhielt Jan Sobieski Truppenkontingente vom Großen Kurfürsten. Ders., Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 242, 251. 9 UA, 14, 2. S. 1106–1124; Luh, Der Große Kurfürst. S. 277 f. 10 UA, 14, 2. S. 1081. 11 BHStA Kurbay. Lit. 346. S. 42; BHStA, Fürstensachen 697, 1/4. S. 140; Hüttl, Max Emanuel. S. 106–114.
6. Das Türkenjahr 1683
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und Lüneburg, womit der Brandenburger auch seine fehlende Unterstützung beim Kaiser entschuldigte. Zwar verzögerte diese Bitte Friedrich Wilhelms den Marsch der Sachsen, weil Johann Georg III. das Verhalten Dänemarks abwartete, es hielt den Wettiner letzten Endes jedoch nicht davon ab, persönlich seine Hilfstruppen für Wien anzuführen.12 Die Angst vor einem Einfall Frankreichs am Rhein bestand noch immer, doch das angestrebte Ziel einer Einigkeit im Heiligen Römischen Reich bildete eine wichtige Voraussetzung für ein christliches Bündnis. Nach dem Entgegenkommen der Kurfürsten von Sachsen und Bayern sowie dank der Unterstützung der Kurie wurde es letztendlich zur Gewissheit, dass nach den langjährigen Verhandlungen zwischen Polen-Litauen und Habsburg ein konkreter Bündnisvertrag geschlossen werden würde. Leopold I. hatte schon zu Beginn der Sejmversammlung seinen Sondergesandten Karl Ferdinand von Waldstein nach Warschau geschickt, der selbst von den französischen Diplomaten dort sehr geschätzt wurde.13 Ihm wurde aufgetragen, mit der Unterstützung Johann Zierowskis und der polnisch-litauischen Senatoren ein Konzept für einen Bündnisvertrag auszuarbeiten. Die kaiserliche Urkunde vom 31. März 1683 zeigt, dass man diesen Vertrag mit der Intention verfasste, eine gemeinsame Armee aufzustellen. Die Gefahr durch die Türken für Europa und die Christen wird hier ausführlich genannt sowie der Wille, im Sinne von Papst Innozenz XI. gemeinsam einen stabilisierenden Frieden zu schließen. Dabei sollten die Kardinäle Carlo Barberini und Carlo Pio di Savoia die Realisierung dieses Vertrages garantieren und über alle Vorgehensweisen informiert werden. Es wurde festgelegt, sich gegenseitig militärisch zu helfen, sollte es zu einem osmanischen Angriff auf Wien oder Krakau kommen. Dank der beiden kaiserlichen Vertreter wurde diese Urkunde im Namen Leopolds I. verfasst und unterzeichnet. Hierbei arbeiteten sie alle Einzelheiten im gegenseitigen Einvernehmen mit der Warschauer Regierung aus. So war der erste offizielle Schritt getan, der beide Monarchen schriftlich zur gegenseitigen Hilfe verpflichtete. Der Kaiser ließ am 2. Mai das Abkommen durch Johannes Probst ratifizieren.14 Das polnische Königspaar versuchte indes selbst, hieraus seinen persön12 UA, 21. S. 153 ff. Siehe auch das Schreiben Johann Georgs III. vom 3. August 1683 an den Kaiser, in: SHStA, GK (10026), Loc. 30108/03. Sowie die Korrespondenzen mit Brandenburg in: SHStA, GR (10024), Loc. 08265/07. Des Wettiners gute Beziehung zum kaiserlichen Hof wurde insgesamt von den deutschen Protestanten nicht gutgeheißen, obwohl dies dazu führte, dass Sachsen wirtschaftlich prosperierte. Dazu: Hecht, Christian: Johann Georg II. 1656–1680. In: Die Herrscher Sachsens. Markgrafen, Kurfürsten, Könige 1089–1918. Hg. v. Frank Lothar-Kroll. München 2007. S. 148 f.; Flathe, Heinrich: Johann Georg III. von Sachsen. In: ADB. Bd. 14 (1881). S. 383; Döring, Johann Georg III. S. 160; Blaschke, Karlheinz: Johann Georg III. In: NDB. Bd. 10 (1974). S. 527; Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 254. Bezüglich der Politik Friedrich Wilhelms: Luh, Der Große Kurfürst. S. 272–279. 13 Acta, VII, 3. S. 303; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 136. 14 Foedus offensivum et defensivum. In: Acta, VI. S. 63–70; Leitsch, Die Allianz. S. 38. Isabella
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6. Das Türkenjahr 1683
lichen Profit zu ziehen, und hatte schon im April um eine Auszeichnung bei der Kurie angefragt.15 Überaus prestigebewusst begehrte es, für seine diplomatischen Erfolge auch die entsprechende Ehrung zu erhalten. Letztendlich unterzeichnete Jan III. Sobieski die am 31. Mai ausgefertigte Urkunde mit anhängendem goldenem Siegel, die die genaue Summe der zu zahlenden Gelder und der jeweils zu stellenden Truppen festlegte. In diesem Vertrag verpflichtete sich der König von Polen zur Aufstellung von 40.000 Mann. Der Kaiser versprach 60.000 Mann sowie 1,2 Millionen Gulden Subsidien zu stemmen.16 Wie es sich zeigen sollte, konnten beide Vertragspartner den hohen Anforderungen in dem knappen zeitlichen Rahmen nicht nachkommen. Der Abschluss dieses Offensiv- und Defensivbündnisses unter dem Schutz des Papstes löste vor allem bei Innozenz XI. große Freude aus, der Jan Sobieski in seinem Schreiben dafür dankte und ihn rühmte.17 Laut der Korrespondenzen zwischen Kaiser und Kurie war Leopold I. sich jedoch unsicher, ob er sich auf den polnischen König verlassen könne. Ihm war bekannt, dass dieser primär aus Eigeninteresse und zugunsten des eigenen Landes handelte. Der Papst äußerte hingegen mehrfach gegenüber Leopold I. seine Zuversicht, dass mithilfe Jan Sobieskis und der Polonica natio der Sieg über die Türken sicher sei.18 Offenkundig war man wohl nicht ganz unberechtigt der Überzeugung, sich wegen des zu gewinnenden Ruhms darauf verlassen zu können, dass der polnische König zielstrebig und entschlossen nach Wien ziehen würde.
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Ackerl beruft sich auf die modifizierte Inhaltswiedergabe des Vertrages vom 31. März 1683 aus einem Bericht des Jahres 1691 in: Theatrum Europaeum. Bd. 12. S. 525; Ackerl, Von Türken belagert. S. 35. So auch Hagenau, Jan Sobieski. S. 430 ff.; Zbigniew Wójcik schreibt sogar, dass die kaiserlichen Vertreter mit dem polnischen König den Vertrag unterzeichnet hätten. Ders., Jan III. Sobieski. S. 169; Wimmer, Der Entsatz von Wien 1683. S. 87 f. In einem Brief von Innozenz XI. an Jan Sobieski vom 8. Mai 1683 beglückwünschte die Kurie den polnischen König zum erfolgreichen Abschluss der Heiligen Liga. Sauer (Hg.), Rom und Wien. S. 3. Siehe den Bericht des Nuntius in: Sauer (Hg.), Rom und Wien. S. 123. Offensiv- und Defensivbündnis zwischen Kaiser Leopold I. und König Johann III. Sobieski (31.03–31.05.1683) in: HHStA UR AUR 1683 III/ V 31. Darin werden detailliert alle Einzelheiten des Vertrages aufgezählt. Tatsächlich verfügte Sobieski über 23.000 Mann, die er nach den finanziellen und logistischen Möglichkeiten zusammenführen konnte. Der König war auf die Subsidien des Kaisers und des Papstes angewiesen und soll restliche Vorbereitungen aus eigenen finanziellen Mitteln bezahlt haben. Düriegl, Wien 1683. S. 110 f.; Ackerl, Von Türken belagert. S. 113. Sauer (Hg.), Rom und Wien. S. 3. Es handelt sich allerdings noch nicht um den Abschluss einer „Heiligen Liga“, wie es bei Augustin mehrfach angegeben wird. Zwar war der Papst als Garant involviert und vertraglich vereinbart worden, dass auch weitere Bündnispartner miteinbezogen werden sollten, doch die Bildung der offiziellen Heiligen Liga wurde erst 1684 mit Venedig abgeschlossen. Sauer (Hg.), Rom und Wien. S. 4, 13 f.; Wheatcroft, The Enemy at the Gate. S. 106.
6. Das Türkenjahr 1683
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Zu dieser Zeit wurde Karl V. von Lothringen als Generalissimus mit der kaiserlichen Armee nach Raab geschickt, um das Grenzgebiet gegen das bereits Ende März anmarschierende osmanische Heer zu verteidigen.19 Am 20. Mai berichtet der Pfortendolmetscher über die in Belgrad eingetroffenen Nachrichten, dass Abwehrmaßnahmen in Raab durch die kaiserliche Armee getroffen würden und mehrere polnische Truppenkontingente durch deutsche Finanzierung unter Feldherr Hieronim Augustyn Lubomirski in den Karpaten angekommen seien.20 Diese Nachricht war für die Osmanen allerdings noch kein Grund zur Beunruhigung. Bislang war es für Warschau und Wien noch immer ungewiss, gegen wen die Türken ihren Vormarsch geplant hatten. Das Ziel sollte allerdings bald zutage treten. Im Frühjahr 1683 brach der ehrgeizige Großwesir Kara Mustafa mit einer Armee von über 100.000 Mann21 von Edirne nach Westen auf. Ihr Marschweg in Richtung Wien verriet, dass sie beabsichtigten, die kaiserliche Residenzstadt zu erobern. Dahinter standen nicht nur militärpolitische und wirtschaftliche Überlegungen. Wien hatte für die muslimischen Osmanen auch eine außerordentliche symbolträchtige, ja geradezu mythische Bedeutung. Einer Sage nach sollen sich die Türken nämlich die mit goldenen Kugeln verzierten Turmspitzen einiger westlicher Städte als goldene Äpfel vorgestellt haben und bezeichneten deshalb die begehrten christlichen Städte wie Rom, Konstantinopel und eben auch Wien als Kızıl Elma, was übersetzt „roter Apfel“ bedeutet. Die Einnahme dieser Städte wurde als endgültiger Sieg des Islams über die Christen, Beendigung des Ğihāds und als höchstes Ziel muslimischer Eroberung betrachtet.22 Die kaiserliche Residenzstadt Wien wurde laut dem Reisebericht des osmanischen Gelehrten und „Weltenbummler“ Evliyâ Çelebi (1611–168423)
19 Välckern,WIENN. S. 1 f.; Barker, Doppeladler und Halbmond. S. 215–218;Wimmer,Wiedeń. S. 180 ff. 20 Das Tagebuch des Pfortendolmetschers in: Kreutel (Hg.), Kara Mustafa vor Wien 1683. S. 70; Barker, Doppeladler und Halbmond. S. 209–211, 218, 272 f. 21 Die Angaben in den Quellen schwanken zwischen 120.000–180.000 Mann, über genaue Zahlenangaben verfügen wir indes nicht. Siehe dazu Välckern, WIENN. S. 3; Kunitz, DIARIUM. S. 6; Barker, Doppeladler und Halbmond. S. 205 f. und seine Anmerkungen auf S. 387 f. 22 Siehe dazu Teply, Karl: Kızıl Elma. Die große türkische Geschichtssage im Licht der Geschichte und der Volkskunde. In: Südost-Forschungen. Internationale Zeitschrift für Geschichte, Kultur und Landeskunde Südosteuropas. Bd. 36 (1977). S. 79; Ders.: Türkische Sage und Legenden um die Kaiserstadt Wien. Wien [u.a.] 1980. S. 37;Vgl. auch Möhring, Hannes: Konstantinopel und Rom im mittelalterlichen Weltbild der Muslime. In: Das geographische Weltbild um 1300. Politik im Spannungsfeld von Wissen, Mythos und Fiktion. Hg. v. Peter Moraw. (Zeitschrift für historische Forschung. Bd. 6). Berlin 1989. S. 92; Thorau, Von Karl dem Großen. S. 332; Gerhartl, Belagerung. S. 4; Lewis, Die Welt. S. 31. 23 Wann Evliyâ Çelebi verstarb, ist nicht genau überliefert.
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nach der Ersten Türkenbelagerung 1529 zum „Goldenen Apfel“ schlechthin. Es heißt sogar, Sultan Süleymān der Prächtige habe vor den Stadtmauern Wiens beim Anblick des Stephansdoms von dessen Zerstörung absehen wollen, weil die Domspitze nach der Eroberung als Minarett von den Muslimen genutzt werden sollte. Er habe daraufhin eine goldene Kugel anfertigen lassen und die Wiener aufgefordert, diese auf der Spitze der Domkirche von St. Stephan anzubringen. Der damalige Erzherzog Ferdinand von Österreich soll der Legende nach darauf eingegangen sein, um durch die Montage der Kugel Zeit zu gewinnen und die Belagerung hinauszuzögern. Ein Plan mit Erfolg, da die kaiserliche Residenzstadt aufgrund des herannahenden Winters von den Osmanen aufgegeben werden musste. Süleymān der Prächtige habe jedoch mit der Kugel ein Symbol hinterlassen, das laut Evliyâ Çelebi 154 Jahre später für Kara Mustafa zum Objekt der Begierde geworden sei.24 Die Umstände für einen gegen den Kaiser gerichteten militärischen Schlag erwiesen sich als günstig. Kara Mustafa (1634–1683) hatte nach dem Tod des Großwesirs Fâzil Ahmed Pascha im Jahr 1676 dessen Nachfolge angetreten. Während des Russisch-Osmanischen Krieges weckten die in Ungarn gegen die Habsburger gerichteten Unruhen sein Interesse. Nach dem 1681 mit Moskau geschlossenen Waffenstillstand kam es zu intensiven Verhandlungen mit den ungarischen Rebellen, die für ihre Devotion – wie bereits erwähnt – türkische Protektion genossen.25 Durch die Zusammenarbeit mit dem ungarischen Kuruzenanführer Emmerich Thököly konnte das große Heer der Osmanen ungehindert durch Westungarn bis vor die Stadtmauern Wiens marschieren.26 Mit Fassungslosigkeit nahm man in der Habsburger Residenzstadt die Nachricht über die Machtlosigkeit der kaiserlichen Armee angesichts der türkischen Heeresmacht in Westungarn wahr. In diesem Sinne beschreibt der Wiener Hofhistoriograf Johann Peter von Välckern die Situation und schildert, wie Karl von Lothringen gezwungen war, sich mit seinen Männern aus Raab zurückzuziehen, um nicht auf24 Evliyâ Çelebi, nach der Übersetzung in: Kreutel, Richard: Im Reiche des goldenen Apfels. Des türkischen Weltenbummlers Evliyâ Çelebi denkwürdige Reise in das Giaurenland und in die Stadt und Festung Wien anno 1665. Hg. v. Erich Prokosch [u.a.]. (Osmanische Geschichtsschreiber. Bd. 2). Graz [u.a.] 1987. S. 30–32,167 f.; Teply, Kızıl Elma. S. 91, 93 f. Der Erzherzog wurde 1558 als Ferdinand I. zum Kaiser gewählt. Kunitz, DIARIUM. S. 3. Im Bericht des Zeremonienmeisters der Hohen Pforte werden schon zu Beginn die Taten und Errungenschaften von Süleymān dem Prächtigen erzählt. Kara Mustafa soll ihm zu Gedenken aus diesem Grund die jeweiligen Orte vor Wien besucht haben, an denen der Sultan zuvor gewesen sein soll. Dazu: Kreutel (Hg.), Kara Mustafa. S. 28. 25 Shaw, History of the Ottoman Empire. S. 214. Siehe rückblickend Kap. 5.3. S. 256. 26 Das lukrative Angebot der Osmanen, als König des oberen Ungarn regieren zu können, verleitete Emmrich Thököly zu einem Bündnis. Siehe Wheatcroft, The Enemy at the Gate. S. 101, 108.
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gerieben zu werden, und anschließend den Kaiser und die Bewohner Wiens persönlich warnte.27 Das geplante Verteidigungsmanöver, um den Vormarsch der türkischen Truppen in Ungarn zu verhindern, musste abgebrochen werden. Zu stark war das Heer der Osmanen, über deren Ziel nun Gewissheit herrschte. Selbst zu diesem Zeitpunkt rechnete Leopold I. noch nicht mit einer ernstlichen osmanischen Bedrohung und ging noch am 2. Juli 1683 in Perchtoldsdorf auf die Hirschjagd.28 Schon am Folgetag war er jedoch gezwungen, auf Empfehlung seines Kriegsrats Wien mit Familie und Hofstaat zu verlassen. Doch bevor er die Stadt verließ, entsandte er seinen Kämmerer, den Grafen Philipp von Thurn, an Jan Sobieski mit der Bitte um Hilfe, denn: Nachdem die Größe der Gefahr, die uns auf einzigartige Weise aus der ganzen Macht der Türken erwächst, mit höchster Dringlichkeit beschleunigte Hilfe erfordert, versprechen wir uns diese, unter dem Druck der ottomanischen Waffen, aufgrund des besiegelten Bündnisvertrags und in Freundschaft vor allem von Eurer Durchlaucht. Damit aber diese Hilfe so prompt und schnell wie irgend möglich geleistet werden kann, wäre eine größere Anzahl von Flügeltruppen der polnischen Reiterei zu unserer Unterstützung von Nutzen.29
Deutlich wird in diesem Brief der Erwartung Ausdruck gegeben, durch eine große Anzahl an polnischen Flügelhusaren vor der überwältigenden Macht der Türken gerettet zu werden. Denn bald danach kam es zu ersten Angriffen und Scharmützeln mit der tatarischen Vorhut der osmanischen Armee, bis diese schließlich am 14. Juli gänzlich vor Wien stand.30 Bis zum 12. September dauerte daraufhin die Belagerung an, eine Zeit, in der die Wiener Bevölkerung sehnlichst auf das christliche 27 Välckern, WIENN. S. 4; Düriegl, Wien 1683. S. 18. 28 Baur, Ludwig (Hg.): Berichte des hessendarmstädtischen Gesandten Justus Eberhard Passer an die Landgräfin Dorothea über die Vorgänge am kaiserlichen Hofe und in Wien von 1680 bis 1683. (Archiv für österreichische Geschichte. Bd. 37, 2). Wien 1867. S. 381 f.; Sturminger, Die Türken vor Wien. S. 35; Düriegl, Wien 1683. S. 19; Gerhartl, Belagerung. S. 6 f. Das Warten des Kaisers soll zumindest bei der Wiener Bevölkerung eine präventive Wirkung vor einer möglichen Panik bewirkt haben. Siehe hier Eickhoff,Venedig. S. 196 und Andrew Wheatcroft, der die ganze Ungarnpolitik zu Anfang der 1680er-Jahre von Leopold als falsch eingeschätzt bezeichnet. In: Ders., The Enemy at the Gate. S. 101. 29 So heißt es im Original: Postquam discriminis a tota Turcarum mole nobis unice ingruentis magnitudo, festinatus maximopere suppetias efflagitet, eas vero ex sanciti foederis lege Ottomanicis pressi armis, a serenitate vestra nobis amice polliceamur quamprimum Attamen ut eo promptius celeriusque eadem inducatur, quoad fieri unquam potest, numerosiores Polonici equitatus alas in Nostrum Subsidium expedire […]. In: AGAD, AKW Cesarskie 26. Nr. 10 (Mf. 26453). 30 Välckern,WIENN. S. 27; Barker, Doppeladler und Halbmond. S. 238–247;Wimmer,Wiedeń. S. 239–246.
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Entsatzheer wartete, das sie aus dieser Situation befreien sollte. Leopold I. befand sich währenddessen im sicheren Exil in Passau, die Befehlsgewalt über die kaiserliche Armee hatte er seinem Schwager Karl von Lothringen übertragen, der sein Lager im Wienerwald aufschlug und dort auf die Ankunft Jan Sobieskis wartete, während Stadtkommandant Ernst Rüdiger von Starhemberg die kaiserliche Residenzstadt gegen die Türken verteidigte.31 Der Vormarsch des polnischen Königs nach Wien verzögerte sich allerdings bis zum 22. August 1683. Bereits Mitte Juni lösten die langsamen Vorbereitungen der Polen nicht nur beim Kaiser große Beunruhigung aus, selbst der Papst entschied sich,Vorkehrungen zu treffen, um weitere Verbündete für Österreich zu gewinnen. Neben den päpstlichen Beschwichtigungen an Leopold I., dass auf Jan Sobieski Verlass sei, verfasste die Kurie am selben Tag, dem 19. Juni 1683, einen Brief an den persischen Schah Sulaimān I., mit der Bitte, die türkischen Operationen in Ungarn zu nutzen, um das Osmanische Reich im Osten anzugreifen.32 Doch wie es bereits im Jahr 1672 der Fall war, als Jan Sobieski mit den Persern korrespondierte, verhallte diese Bitte.33 In den Wiener Nuntiatur-Berichten von Francesco Buonvisi wurde vermerkt, dass die Polen nach Ungarn ziehen sollten, um die Ankunft türkischer Hilfstrupps zu verhindern.34 Die Hofburg hegte noch Ende Juni die Hoffnung, dass die Osmanen die Stadttore Wiens nicht erreichen würden und Jan III. Sobieski bald kommen werde. Als die Türken allerdings kurz vor Wien standen und Leopold I. zur Flucht gezwungen war, schrieb wiederum Francesco Buonvisi am 4. Juli, dass man auf eine große Armee der Polen in Ungarn hoffe, ansonsten erweise sich das getroffene Bündnis mit Jan Sobieski als nachteilig für den Kaiser, weil die der Rzeczpospolita bereits gezahlten Subsidien für die Aufstellung einer großen deutschen Armee gereicht hätten.35 Man hegte die Hoffnung, dass der polnische König nach Eintreffen der Nachrichten über die Ereignisse in Wien sofortige Hilfe leisten würde. Jan III. Sobieski hatte – wie bereits erwähnt – unter dem Befehl des Malteserritters Hieronim Augustyn Lubomirski 4500 Mann als Vorhut geschickt, die unabhängig vom polnischen Sejm vom Kaiser besoldet wurden.36 Sie hatten am 13. Juli
31 Ebd. 32 Papst Innozenz in seinem Brief an den persischen Schah vom 19. Juni 1683 in: Sauer (Hg.), Rom und Wien. S. 13 ff.; Barker, Doppeladler und Halbmond. S. 164. 33 Rückblickend Kap. 3.2. S. 63. 34 Sauer (Hg.), Rom und Wien. S. 131 f. 35 Brief vom 4. Juli 1683 in: Sauer (Hg.), Rom und Wien. S. 133 f. 36 Hieronim Augustyn Lubomirski stand seit 1681 im Sold des kaiserlichen Residenten. Barker, Doppeladler und Halbmond. S. 126. Die Beschreibung von Lubomirskis Ankunft mit seinen Truppen bei Pasek, in: Raczyński, Edward (Hg.): Pamiętniki Jana Chryzostoma Paska z czasów panowania Jana Kazimierza, Michała Korybuta i Jana III [Erinnerungen von Jan
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Wien erreicht und unterstützten seitdem Karl von Lothringen erfolgreich bei allen militärischen Handlungen gegen die Türken. Der polnische König mobilisierte unterdessen die eigenen Truppen in Warschau und in weiteren polnischen Städten, die zu Sammelpunkten wurden. Erwähnenswert ist auch Jan Sobieskis Vorgehensweise, um Soldaten anzuwerben. In seinem schriftlichen Aufruf betonte er nicht die religiöse Komponente des Kampfes gegen die Osmanen, sondern hob vielmehr auf den Schutz des Vaterlandes ab. So heißt es, dass man zwar vorerst in Krakau noch in Sicherheit lebe, der Zug der Türken durch Ungarn und deren möglicher Angriff auf Wien aber letztlich auch für das polnische Königreich eine Bedrohung darstelle. Nach dem Beschluss des Sejms müsse nun mit aller Macht in den Krieg gezogen werden.37 Es wird hier der Begriff „Christenheit“ nicht benutzt und selbst die Türken bezeichnet er lediglich als ab Oriente potentia, statt als „Ungläubige“. Deswegen kann es nicht verwundern, dass sich unter den vielen, die sich zu den Waffen meldeten, zahlreiche Männer unterschiedlichster Konfessionen befanden. Nach Thomas Barker wollte Jan Sobieski „nicht vor Ende Juli gegen Osten ziehen, sondern noch weiterhin die Rekrutierungs- und Nachschubvorsorgen überwachen“.38 Jan Sobieskis Verzögerung hatte auch einen privaten Grund, er wurde nämlich im Juli erneut Vater. Papst Innozenz hatte am 17. Juli 1683 den männlichen Familienzuwachs als gutes Zeichen für den Sieg gegen die Osmanen gewertet und zugleich auf den baldigen Aufbruch des Königs gedrängt.39 Dieses Schreiben blieb in der Forschung bislang unbeachtet und dadurch wurde die Möglichkeit außer Acht gelassen, dass Jan Sobieski bewusst mit seinem Zug aus Warschau abgewartet hatte, bis sein Kind geboren und seine Frau in der Lage war, mit ihm nach Tschenstochau zu reisen, wo sie gemeinsam den Segen Gottes für einen Sieg gegen die Tür-
Chryzostom Pasek zur Zeit der Herrschaft von Jan Kazimierz, Michał Korybut und Jan III.]. Posen 1836. S. 309; Välckern, WIENN. S. 16. Siehe dazu den Bericht vom 13. Juli von Karl von Lothringen, in: Acta, VI. S. 169. 37 Kundgebung vom 25. Mai 1683. In: ANK, Rkps. 778. 38 Barker, Doppeladler und Halbmond. S. 287. Über die verfügbaren Truppenkontingente: Hundert, Zbigniew: Wykaz Koronnych Chorągwi i Regimentów w okresie od 1 V 1679 do 30 IV 1683 [Aufstellung der königlichen Fähnriche und Regimenter im Zeitraum vom 1.5.1679 bis 30.4.1683]. In: Studia historyczno-wojskowe. Bd. 5 (2015). S. 279–287. 39 So heißt es im Original: Singularis argumentum laetitiae attulerunt Nobis literae, quibus de suscepto a Maiestate tua recens filio certiores Nos fecisti; praeter eam enim charitatem, qua te prosequimur quaeque facit, ut de omnibus laetis rebus tuis magnopere gaudeamus, merito etiam confidimus, fore ut tam praeclaro genitus Parente filius ad illustria, pro patria, ac pro religione, patranda facinora in dies adolescat, tuique similis evadat. In: Sauer (Hg.), Rom und Wien. S. 17. Der letztgeborene Sohn, gleichnamig mit seinem Vater Jan, verstarb bereits im Jahre 1685. Es ist davon auszugehen, dass das Kind im gleichen Monat geboren wurde, in dem die Glückwünsche verfasst wurden. Dazu: Wimmer, Der Entsatz von Wien 1683. S. 121.
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ken erbitten wollten.40 In seinem Brief an Innozenz XI. betonte Francesco Buonvisi die große Bedeutung von Jan Sobieskis persönlichem Erscheinen, um das Kommando über die Entsatzarmee zu übernehmen, weil Karl von Lothringen bereits viele Fehler begangen habe und man nicht das Risiko eingehen könne, die Schlacht zu verlieren.41 Der Nuntius war sich bewusst, welchen positiven emotionalen Einfluss der ehemalige Krongroßhetman mit seinem Heer bei den Verteidigern Wiens auslösen würde. Sein Kommen war sozusagen ein psychologisches Mittel und der erfahrene König ein Garant für den Sieg. Kurze Zeit später informierte Tommaso Talenti, der italienische Sekretär von Jan Sobieski, den päpstlichen Legaten Carlo Barberini über den Aufbruch des Königs mit seiner Familie und seinen Truppen aus Warschau, die Ende Juli in Krakau ankamen.42 Auch an den Kaiser wurde diese Nachricht geschickt, die den niedergeschlagenen Herrscher wieder aufgerichtet haben soll. In seinem Antwortschreiben beschwerte sich Leopold I. über die Untreue der Ungarn, die den Vormarsch der Osmanen erst möglich machten. Außerdem graue es ihm vor der immanitas der Türken. Der Kaiser kündigte Jan III. Sobieski an, dass der bisherige Resident, Johann Zierowski, von ihm beauftragt wurde, die Vorschläge, die er zur Verteidigung und Rettung seiner Residenzstadt mache, vom hohen militärischen Sachverstand des polnischen Königs beurteilen zu lassen. Er prophezeite Jan Sobieski ewigen Ruhm seines Namens für die Rettung Wiens; gleichzeitig stellte er ihm in Aussicht, den königlichen Stamm mit Habsburg zu verknüpfen43 – er nennt jedoch nicht seine Tochter Maria Antonia, die am Warschauer Hof bereits von Frankreich und Brandenburg als potenzielle Braut für Jakub Sobieski gehandelt wurde. Dieser Anreiz erzielte jedoch nicht den erwünschten Effekt, denn einen weiteren Monat blieb das Königspaar noch im Süden Polens. Um den König zum Abmarsch weiter anzuspornen, schickte Leopold I. fünf Tage später den altvertrauten Gesandten Christoph Leopold Schaffgotsch zu Jan Sobieski, der ihm den kaiserlichen Dank für die eingetroffenen polnischen Hilfstruppen ausrichtete. Darüber hinaus wurde der schlesische 40 Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 159; Barker, Doppeladler und Halbmond. S. 289–291; Wimmer, Wiedeń. S. 237 f.; Wójcik, Jan Sobieski. S. 326. 41 So heißt es im Original: „Gli Ungari ci daranno di gran travagli, e se il Rè di Polonia non viene con gran esercito, sarà impossibile di salvare Vienna. […] e che è neccessario che venga [Sobieski] in persona, per comandare anche al nostro esercito, perche il Sig. Duca di Lorena è tanto abbattuto di animo […] gl’errori che ha fatti, che se dovesse condurre tutta la machina, si correrebbe rischio di perdere la battaglia […]“. In: Sauer (Hg.), Rom und Wien. S. 138. Die Komplikationen und Fehler des Lothringers, bedingt durch Reibereien innerhalb der kaiserlichen Armee, siehe in: Barker, Doppeladler und Halbmond. S. 216–223; Wimmer, Wiedeń. S. 175–199. 42 Sauer (Hg.), Rom und Wien. S. 19, 24 f. 43 So im Brief vom 3. August 1683 in: AGAD, AKW Cesarskie 26. Nr. 10 (Mf. 26453). Siehe die erwähnten Vorschläge von Johann Zierowski, in: BCzart. TN 179 (Mf. 7613). Nr. 109.
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Oberlandeshauptmann beauftragt, den weiteren Marsch der königlichen Armee nach Wien zu begleiten und als Berater, abermals mit den Vorschlägen des Kaisers, die nächsten militärischen Schritte zu besprechen.44 Die schwerfällige Mobilisierung in Polen-Litauen war jedoch nicht der einzige Grund zur Sorge. Die Situation für Leopold I. wurde angesichts der französischen Drohung, ins Reich einzufallen, immer schwieriger und behinderte die schnelle Aufstellung deutscher Hilfstruppen. Nuntius Angelo Ranuzzi, der am Pariser Hof im Auftrag und Sinne des Papstes mit Ludwig XIV. verhandelte, berichtete Francesco Buonvisi von der Bereitschaft des französischen Königs, Hilfstruppen gegen die Türken zu schicken, sofern der Wiener Hof unter anderem die bisherigen französischen Eroberungen – darunter Straßburg – anerkenne. Forderungen, die für den Kaiser inakzeptabel waren. Noch bis Ende August beunruhigte Leopold I. die Möglichkeit eines französischen Angriffs.45 Wie bereits erwähnt, hielt Frankreich, das sich durch die Habsburger im Reich und in Spanien umklammert sah, seit der ersten Annäherung zwischen Süleymān I. und Franz I. im Jahre 1535 fest zum Osmanischen Reich und begrüßte letztlich den türkischen Vorstoß gegen den unliebsamen Kaiser.46 Trotzdem machte Innozenz XI. den Versuch und ermahnte Ludwig XIV., seine Eigeninteressen aufzugeben und im Sinne der Christenheit gegen die Osmanen zu kämpfen.47 Und tatsächlich unternahm le roi très chrétien in Bezug auf den Rhein nichts. Zur gleichen Zeit und gemäß des Offensiv- und Defensivvertrags schrieb Jan III. an Carlo Barberini, dass man bald von Krakau aus nach Wien aufbreche, und betonte, dass es für die ganze Christenheit wichtig sei, der Habsburger Residenzstadt zu Hilfe zu kommen.48 Der polnische König brachte damit zum Ausdruck, dass er sich seiner Pflicht sehr wohl bewusst sei, und ließ dies durch Barberini auch den Papst wissen. Am 18. August schickte wiederum Tommaso Talenti die Kunde vom
44 BCzart. TN 179 (Mf. 7613). Nr. 110. 45 Sauer (Hg.), Rom und Wien. S. 28 f., 143 f.; Eickhoff, Venedig. S. 325–328. Zur Gesandtschaft Ranuzzis in Paris: Neveu, Bruno (Hg.): Correspondance du Nonce en France Angelo Ranuzzi (1683–1689). Bd. 1. (Acta Nuntiaturae Gallicae. Bd. 10). Rom 1973. S. 209–258; Bérenger, Léopold Ier. S. 350; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 164. Wenige Monate später sollte mit dem Angriff Frankreichs auf die Spanischen Niederlande und dem Einfall in Luxemburg der Reunionskrieg (1683–1864) folgen. Lynn, The Wars. S. 161–171; Stoye, Die Türken vor Wien. S. 193–196. 46 Zu der Entente zwischen Frankreich und Hoher Pforte siehe: Matschke, Das Kreuz. S. 269– 272; Shaw, History of the Ottoman Empire. S. 177 f.; Malettke, Klaus: Die Vorstöße der Osmanen im 16. Jahrhundert aus französischer Sicht. In: Europa und die Türken in der Renaissance. Hg. v. Bodo Guthmüller [u.a.].Tübingen 2000. S. 373–394; Hochedlinger, Michael: Die französisch-osmanische „Freundschaft“ 1525–1792. In: MIÖG. Bd. 102 (1994). S. 125 ff. 47 Brief vom 10. August 1683 in: Sauer (Hg.), Rom und Wien. S. 32 f. 48 Ebd.
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Aufbruch der Polen nach Wien, was verschiedene Reaktionen auslöste.49 Francesco Buonvisi setzte einerseits Jan Sobieski über seinen Vorschlag in Kenntnis, von zwei Seiten aus die Türken anzugreifen und die Provinzen Schlesien und Mähren damit gegen Graf Emmerich Thököly zu sichern.50 Dieser Rat blieb unbeachtet. Stattdessen ließ der polnische König den Wiener Hof wissen, dass er als Militär in die Schlacht ziehe und nach eigenem Ermessen handeln werde. Es heißt hiernach auf kaiserlicher Seite im Tagebucheintrag des Oberstallmeisters Ferdinand Bonaventura von Harrach: Aus Pohlen hat man Nachricht, dass der König den 16., das wäre Morgen, gwiss von Crackau auffbrechen werde, heunt solle er von dem Nuntio apostolico die Benediction empfangen. Er hat sein Testament gemacht, sagend, er gehe nicht als ein König, sondern als ein Capitain in disen Krieg.51
Dass der polnische König als Feldherr kommen wolle, weckte auch in Leopold I. die recht abwegige Idee, persönlich seine Residenzstadt zu befreien. Der Gedanke, dass der militärisch unerfahrene Kaiser, auf sein eigenes Ansehen bedacht, sich nicht nur unnützer-, sondern auch gefährlicherweise einmischen könnte, beunruhigte Jan Sobieski noch kurz vor der Entscheidungsschlacht. Auf osmanischer Seite setzte man auf Abschreckung, um zu demonstrieren, dass man sich weder vor dem Kaiser noch vor dem polnischen König fürchte. Zu diesem Zweck verfassten die Türken offenbar ein Flugblatt mit der angeblichen Kriegserklärung Sultan Mehmets IV. an Leopold I. und Jan III. Sobieski. Datiert war es auf den 31. März 1683 und kursierte vor allem bei der Wiener Stadtbevölkerung, um die Christen in Angst und Schrecken zu versetzen. Wie dieses Schriftstück in Umlauf kam, lässt sich nicht rekonstruieren, möglicherweise erhielten die Osmanen hierbei von ihren Verbündeten, den Ungarn, Unterstützung. Zumindest hatte es seine Wirkung nicht verfehlt. In der Forschung wurde es lange für eine authentische Kriegserklärung gehalten.52 Auch wenn die Authentizität mittlerweile von Karl Teply widerlegt wurde, ist dieses Schriftstück inhaltlich durchaus interessant, denn hier wurde Jan Sobieski als ebenbürtiger Gegner neben dem römisch-deutschen Kaiser dargestellt und damit gezeigt, wie die Türken den polnischen König wahrnahmen. 49 50 51 52
Ebd. S. 38. Ebd. S. 39 f. Harrach, Ein Tagebuch. S. 234. Vgl. Sturminger, Die Türken vor Wien. S. 27 mit Karl Teply, der bereits angemerkt hat, dass es sich bei dieser „barbarischen ‚Kriegserklärung‘ Sultan Mehmeds IV. um ein Falsum“ handeln soll. Ders.: Das österreichische Türkenkriegszeitalter. In: Die Türkenkriege in der historischen Forschung. Hg. v. Zygmunt Abrahamowicz [u.a.]. (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte. Bd. 13). Wien 1983. S. 36.
6.1 Der umstrittene Oberbefehl über das christliche Heer
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Beiden Monarchen wurde in diesem Schreiben gedroht, alles und jeden zu verlieren und zuletzt grausam getötet zu werden. Während der Belagerung verfluchte der Silâhdar laut seines Tagebuchs Jan Sobieski, von dem es hieß, dass er persönlich mit 35.000 Mann Kavallerie und Infanterie auf dem Weg nach Wien sei. Obwohl Kara Mustafa seinen Worten zufolge bereits vom polnischen Anmarsch wusste, habe er bei der erneut eingegangenen Nachricht darüber vor Wut getobt. Trotzig habe er die Polen vor seinen Offizieren als keine ernsthafte Bedrohung bezeichnet.53 Bei dieser Unterredung in seinem Zelt verteidigte der Großwesir seine strategische Vorgehensweise während der Belagerung Wiens. Gleichzeitig rechtfertigte er seine geringen gegen das Entsatzheer getroffenen Maßnahmen, indem er ihre Streitkraft abwertete, da sich seiner Meinung nach die polnische Armee nur auf drei- bis viertausend Mann belaufe. Zudem führte er während der Besprechung die geringe Größe des deutschen Heeres an, das bei Raab gegen die Osmanen gekämpft hatte. Laut dem Silâhdar bezog sich Kara Mustafa also auf Kontingente, die bislang keine ernsthafte Bedrohung darstellt hatten. Die Nachricht, dass der kampferfahrene Jan Sobieski selbst seine Truppen anführte, hatte dennoch Beunruhigung ausgelöst. Am 27. August 1683 ließ der Großwesir einen Brief an Ernst Rüdiger von Starhemberg verfassen, in dem er ihn ultimativ aufforderte, zu kapitulieren. Der Stadtkommandant hatte jedoch wenige Tage zuvor die Nachricht erhalten, dass die Polen nahten, sodass er mit der Hoffnung auf baldige Hilfe Kara Mustafa mutig antworten konnte. Im Namen seiner tapferen Soldaten lehnte Ernst Rüdiger von Starhemberg eine Übergabe kategorisch ab,54 doch die Notwendigkeit des Entsatzes wurde immer größer.
6.1 Der umstrittene Oberbefehl über das christliche Heer
Die von Jan III. Sobieski bewusst geschaffene Selbstinszenierung als Feldherr, die dem kaiserlichen Hof vermittelt wurde, soll anhand der Korrespondenz zwischen dem polnischen König und Herzog Karl V. von Lothringen untersucht werden. Die darin erhaltenen Absprachen über den Schlachtplan gegen die Türken zeigen deutlich, wie weit Jan Sobieskis eigene Behauptung, ein Kapitän zu sein, gerechtfertigt war.55 Außerdem wird ersichtlich, wie der Herzog den König einschätzte. Da sie nämlich einst Konkurrenten um den polnischen Thron waren, befürchtete man damals nicht ganz zu Unrecht, Karls Verhalten könne von Eifersucht auf Jan Sobieski
53 Siliḥdār Taᵓrīḫi [Geschichte des Silâhdar]. S. 153. 54 Siliḥdār Taᵓrīḫi [Geschichte des Silâhdar]. S. 154; Sauer (Hg.), Rom und Wien. S. 50, 52 f.; Stoye, Die Türken vor Wien. S. 200–206; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 172. 55 Wójcik, Jan Sobieski. S. 330; Wimmer, Der Entsatz von Wien 1683. S. 157–160.
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6. Das Türkenjahr 1683
geprägt sein.56 Eine gewisse formelle Zurückhaltung und Distanz ist auch tatsächlich im ersten Brief des Herzogs erkennbar, vergleicht man hierzu seine Anrede und seine Worte des Respekts gegenüber dem König in den darauffolgenden Briefen. Sein Schreiben ist ein nüchterner und kurzer Bericht, der aber inhaltlich große Erwartungen an Jan Sobieski erkennen lässt. Darin lobt er zudem die polnischen Truppen unter dem Fürsten Lubomirski, durch die mehrere seiner Operationen gegen die Osmanen erfolgreich waren, und kündigte seine Intention an, im Sinne des Königs zu handeln, um mit dessen Hilfe die Bedrohung der Christenheit durch „die Ungläubigen“ abzuwenden.57 Schon hier wird die Rettung Wiens durch Jan Sobieski angenommen. Der polnische König antwortete Karl von Lothringen am 22. Juli 1683 und fügte seiner persönlichen Signatur in großen Lettern bonus affinis et amicus hinzu.58 In dem Brief zeigte er sein Interesse hinsichtlich der militärischen Situation an der Donau und in Ungarn. Zugleich berichtete er über die Vorbereitungen in Krakau und stellte zuletzt Fragen über die lokalen Gegebenheiten in Wien und Umgebung, wie beispielsweise über die Entfernung der Stadt zur Donau oder über die Lage der Berge. Jan Sobieski wies damit nicht nur auf seine logistischen und strategischen Vorbereitungen für den Entsatz hin, sondern zeigte auch seine freundliche Gesinnung gegenüber dem Herzog. Kurz darauf, nämlich am 25. Juli 1683, schrieb Jan Sobieski aus dem als Pilgerort bekannten Tschenstochau einen zweiten Brief an Karl von Lothringen. In diesem Schreiben unterbreitete er dem Herzog drei Forderungen: Als Erstes solle in Anbetracht der Unermüdlichkeit und Schnelligkeit des Feindes höchste Achtsamkeit im Kriegslager des Herzogs herrschen. Zweitens solle man alle Bemühungen der Verteidigung der Kremser Donau-Brücke widmen, da sie die Grundlage für die Befreiung Wiens darstelle. Drittens solle der Stadtkommandant Wiens, Ernst Rüdiger von Starhemberg darüber in Kenntnis gesetzt werden, dass der Succurs, das heißt die Hilfstruppen, bald eintreffe, um die Hoffnung vor Ort aufrechtzuerhalten. Ganz Feldherr, forderte der polnische König zuletzt den Herzog auf, ihn über jegliche Operation unverzüglich in Kenntnis zu setzen.59 Nach dem Erhalt dieser Briefe betonte Karl von Lothringen, dass Jan Sobieskis Forderungen ihm die militärische Weitsicht des Königs bewiesen habe. Er lobte hier auch mit einem deutlich anderen Wortlaut die 56 Siehe dazu den Bericht des Nuntius Buonvisi an den Kardinal-Staatssekretär Alderano Cybo vom 11. August 1683 in: Sauer (Hg.), Rom und Wien. S. 139 f. 57 Da es sich bei Franciszek Kluczycki um eine edierte Kopie handelt, ist ungewiss, ob der Originalbrief oder ein Konzept ediert wurde und ob Karl von Lothringen tatsächlich sein Schreiben an Jan Sobieski frei von jeglicher Formalie verfasst hat. Siehe die Copia literarum Serenissimi Ducis Lotharingiae in: Acta, VI. S. 181 f. 58 HHStA, LHA 101–2; Acta, VI. S. 187 ff. 59 Acta, VI. S. 198.
6.1 Der umstrittene Oberbefehl über das christliche Heer
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Truppen unter Hieronim Augustyn Lubomirski, indem er sie glorreiche Vertreter der polnischen Nation nannte. Der Herzog bezeichnte sich sogar selber als vestrae Maiestatis humillimus et obsequiosissimus servus et affinis und stellte damit seine Hochachtung gegenüber dem polnischen König unter Beweis, der ihn durch seine schriftlich demonstrierte Vorsorge und Erfahrung im Kampf gegen die Türken beeindruckt habe.60 Sechs weitere Briefe wurden im Folgemonat von Jan Sobieski verfasst, nachdem ihn Karl von Lothringen über die bisherigen Erfolge gegen Emmerich Thököly in Preßburg informiert hatte, darunter einer vom 6. August 1683, in dem der polnische König die bisherigen Operationen des Herzogs lobte.61 Er benachrichtigte den Lothringer erneut über die getroffenen Vorbereitungen zum Aufbruch nach Wien. Am Folgetag schrieb auch der Herzog einen Brief an Jan III., ohne eine Antwort auf seine vorherigen Briefe abzuwarten. Darin berichtete er ihm über die Kämpfe gegen die Kuruzen.62 In seinem Brief vom 11. August ging der polnische König darauf ein und beglückwünschte Karl von Lothringen. Gleichzeitig berichtete Jan Sobieski seinerseits darüber, die Transferwege an den Städten Krems und Tulln an der Donau gegen die ungarischen Rebellen unter Emmerich Thököly verteidigen zu wollen. Beide hatten unabhängig voneinander diese Route ausgewählt, um von dort aus durch den Wienerwald und das Gebirge am Kahlenberg zur kaiserlichen Residenzstadt vorzurücken. Wie Günter Düriegl darlegt, hatte der Herzog diese Option, der Jan Sobieski zustimmte, Anfang August mit dem Hofkriegsrat abgesprochen. Wie generalstabsmäßig akribisch Jan Sobieski seine militärischen Operationen plante, ergibt sich aus dem Hinweis von Jan Wimmer, demzufolge der polnische König in den Bibliotheken Warschaus Karten über Wien und seine Umgebung studiert habe.63 In Anbetracht ihrer Korrespondenz ist davon auszugehen, dass Jan Sobieski den Herzog mit seinen logistischen Fragen zum weiteren Vorgehen inspirierte. Was aus den Briefen hervorgeht, ist einerseits, wie sehr Karl von Lothringen sich dem bewährten polnischen Feldherrn unterordnete, andererseits die Wertschätzung, die der König dem Herzog entgegenbrachte – das jeweils gewonnene Bild eines militärisch erfahrenen Mannes weckte offenbar Sympathien füreinander auf beiden Seiten.
60 Acta, VI. S. 216 f. Zbigniew Wójcik schreibt dementsprechend auch, dass Karl von Lothringen loyal war und sich sehr positiv über den König äußerte, da er in seiner Korrespondenz mit Jan Sobieski stets seine Hochachtung für ihn zum Ausdruck brachte. Ders., Jan Sobieski. S. 324. 61 Acta, VI. S. 216 f., 229 f., 232 f.; Düriegl, Wien 1683. S. 104. 62 Acta, VI. S. 235. 63 Ebd. und S. 243 ff.; Düriegl, Wien 1683. S. 105;Vgl. Wójcik, Jan III. Sobieski. S. 182 f.; Wimmer, Der Entsatz. S. 104; Wimmer, Wiedeń. S. 211. Hierzu beruft sich Jan Wimmer auf den Katalog der privaten Bibliothek Jan Sobieskis in: Katalog książek Biblioteki króla polskiego Jana III Sobieskiego spisany w 1689 roku. Warschau 1879.
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6. Das Türkenjahr 1683
Der Brief vom 22. August 1683 wurde, vier Tage nach dem Abmarsch aus Krakau, in Tarnowitz vom König persönlich verfasst. Dort hatte Jan III. Sobieski sich auch von seiner Ehefrau verabschiedet, die bis dahin mit ihm gereist war.64 In dem Schreiben heißt es, dass er in Schlesien militärische Verstärkung erhalten habe und nun beabsichtige, so schnell wie möglich nach Wien zu ziehen.Trotz der beträchtlichen Distanzen ist ihm dies auch gelungen: Innerhalb einer Woche schaffte er es, mit seinen Truppen mehr als dreihundert Kilometer bis nach Hollabrunn zurückzulegen65 – eine für die im 17. Jahrhundert üblichen Marschgeschwindigkeiten außergewöhnliche Leistung. Währenddessen konnten Osmanische Verbände bei Krems und Tulln von der kaiserlichen Armee und dem polnischen Hilfskorps geschlagen werden. Die freudige Nachricht über das baldige Erscheinen von Jan Sobieskis Heer, das sich in Kürze mit den anderen Hilfstruppen vereinigen sollte, wurde der Wiener Bevölkerung am 24. August verlesen.66 Karl von Lothringen drängte gleichzeitig angesichts der äußerst kritischen Situation in der kaiserlichen Residenzstadt, über die ihn Ernst Rüdiger von Starhemberg ins Bild gesetzt hatte, Jan Sobieski dazu, doch möglichst schnell vorzurücken.67 Noch am gleichen Tag, dem 28. August, und am folgenden verfasste der polnische König zwei Briefe, in denen er schrieb, dass man zwar raschen Tempos marschiere, die Truppen aber ermüdet und die Rationen erschöpft seien; trotzdem sei er zuversichtlich, vor Wien zu siegen.68 Der polnische König teilte am 29. August zusätzlich Karl von Lothringen seine Sorgen bezüglich der unvollendeten Brücken zur Überquerung der Donau mit. Zudem beschwerte er sich darüber, dass der Herzog ihn darüber nicht in Kenntnis gesetzt habe, und riet, alle örtlichen Gegebenheiten vorab zu klären, um sich Vorteile durch das Gelände zu schaffen, und auf dieser Grundlage einen endgültigen Plan beschließen zu können.69 Erneut legt dieser Brief Zeugnis über Jan Sobieskis strategische Voraussicht ab. Dieser Briefwechsel macht letztend64 Acta, VI. S. 284. Ab diesem Tag beginnt die schriftliche Korrespondenz mit der Königin Maria Kazimiera während des Feldzugs. Den langen Aufenthalt in Krakau begründet Jan Sobieski in einem Brief an Carlo Barberini, mit dem Warten auf die übrigen Truppen. Sauer (Hg.), Rom und Wien. S. 24 f. 65 Nach dem Tagebuch seines Sohnes, Jakub Sobieski, kamen sie bereits am dritten Tag in Tarnowitz an, allerdings hielt man sich noch zwei weitere Tage dort auf. In: Wierzbowski, Królewicza dyaryusz. S. 12. 66 Acta, VI. S. 310 ff.; Düriegl, Wien 1683. S. 107. Bei Kunitz, DIARIUM. S. 24 wird deutlich, dass der Autor eine falsche zeitliche Einordnung in seiner Beschreibung gemacht hat, da er die Freude über den kommenden Succurs am gleichen Tag, dem 22. August, gesetzt hat. Zudem heißt es bei ihm, dass gleichzeitig Emmerich Thököly bei Preßburg von der kaiserlichen und polnischen Armee geschlagen werden konnte. Ghelen, Kurtze Erzehlung. S. 36. 67 Acta, VI. S. 310. 68 Ebd. S. 313 f. 69 Ebd. S. 317 f.
6.1 Der umstrittene Oberbefehl über das christliche Heer
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lich recht deutlich, dass die bisherigen Berichte des Herzogs über die lokalen Gegebenheiten dem König nicht ausreichten. Es ist allerdings nicht abwegig zu behaupten, dass durch Jan Sobieskis Fragen und Mahnungen Karl von Lothringen dazu veranlasst wurde, sich diese Ortskenntnisse zu verschaffen und auf ihrer Basis seinen Schlachtplan auszuarbeiten, der die Grundlage des weiteren, gemeinsamen Agierens wurde. Schon am Tag darauf, dem 30. August 1683, kam es zum Zusammentreffen zwischen den beiden Männern vor Hollabrunn, über das sowohl von kaiserlicher als auch polnischer Seite ähnlich berichtet wird. Als der Herzog den König wahrnahm, stieg er vom Pferd und ging ihm entgegen. Nachdem Jan Sobieski seinerseits abgesessen war, umarmte er Karl von Lothringen kurz und drückte diesem seine Freude über dessen gute Gesundheit aus. Gemeinsam machten sie sich daraufhin auf den Weg nach Hollabrunn, wo sie im Lager des polnischen Königs zusammen speisten und sich mit Wein betranken.70 Dieses ostentativ an den Tag gelegte freundschaftliche Verhalten der beiden Männer hatte schließlich die wohl beabsichtigte Außenwirkung. Auch zum Kaiser gelangte die Nachricht, dass sich die beiden Männer bestens verstünden, zumal Karl V. von Lothringen selber in einem Brief an den Wiener Hof nach Passau berichtete, wie sie „mit einander gessen vnd einen guten Rausch angetrunckhen“ hatten.71 Es scheint ein wichtiges Anliegen des Herzogs gewesen zu sein, zu zeigen, dass keinerlei Rivalitäten zwischen den ehemaligen Konkurrenten um den polnischen Thron bestanden, die den Entsatz hätten gefährden können. Erneut berichtete der königliche Sekretär Talenti am 1. September 1683 in seinem Brief an Kardinal Barberini, dass der polnische König „con una bella e coraggiosa armata“ in Hollabrunn angekommen sei.72 In gleicher Weise informierte Georg Friedrich von Waldeck den noch abwesenden Wittelsbacher Maximilian Emanuel von Bayern über die Weisungen des polnischen Königs, der unter anderem darauf gepocht haben soll, dass die Zusammenführung der christlichen Truppen beschleunigt werden müsse. Grund dazu gebe nicht nur die schwächelnde Besatzung in Wien, sondern auch der Mangel an Proviant für Mann und Pferd. Seinerseits unterstütze Georg Friedrich von Waldeck die Lebensmittelbeförderung und beklage sich über die Unmöglichkeit, die fränkischen und württembergischen Truppen versorgen zu können. Darüber hinaus berichtete er, dass sich Jan Sobieski und der sächsische Kurfürst Johann Georg III. am Folgetag über die Befreiung Wiens unterhalten wollten – wobei der Fürst aus Hessen 70 Ebd. S. 584; Le Bègue, François: Le Journal de la première campagne de hongrie en 1683. In: Neue Quellen zur Geschichte des Türkenjahres 1683 aus dem Lothringischen Hausarchiv. Hg. v. Ferdinand Stöller. (Mitteilungen des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung. Erg. Bd. 13. H. 1). Innsbruck 1933. S. 97. 71 Harrach, Ein Tagebuch. S. 244. 72 Sauer (Hg.), Rom und Wien. S. 53.
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6. Das Türkenjahr 1683
dringlichst dem Wittelsbacher empfahl, es dem polnischen König und dem Kurfürsten von Sachsen gleichzutun und persönlich das Kommando seiner Streitmacht zu übernehmen, „so wird dero gloire in conservation der trouppen“ dessen Ansehen vergrößern.73 In der Forschung ist bereits bekannt, dass Max Emanuel unter dem Befehl von Waldeck im Zentrum der Streitmacht vor Wien kämpfte, doch dieses Schreiben zeigt eindeutig, wie Jan Sobieskis Einsatz als Vorbild wahrgenommen wurde und zum eigenen tatkräftigen Handeln inspirierte. Selbst für den Kaiser stellte sich trotz der positiven Nachrichten über die Ankunft der polnischen Armee die Frage, ob er selbst den militärischen Oberbefehl übernehmen oder ihn an jemand anderen als Jan Sobieski delegieren solle. Laut Francesco Buonvisi hatte ein spanischer Gesandter Leopold I. vorgeschlagen, dass der Kaiser als oberster Befehlshaber am Kampf gegen die Osmanen teilnehmen solle. Der päpstliche Nuntius habe daraufhin eingewendet, dass sich als Oberbefehlshaber am besten Jan Sobieski eigne und der Vorschlag des Spaniers eine Gefährdung für die einheitliche Operation darstelle. Er äußerte zusätzlich seine Befürchtung, die Unterstützung des polnischen Königs zu verlieren, wenn dieser sich zurückgesetzt fühle. Außerdem sei Jan Sobieski Feuer und Flamme, den Entsatz zu leiten.74 Kardinal Buonvisi war der wohl richtigen Auffassung, dass der polnische König auf seinen Führungsanspruch nicht verzichten würde und der Entsatz bei einer anderweitigen Entscheidung gefährdet sei. Auch Leopold I. war sich unsicher, ob oder inwieweit er sich am Kampf gegen die Türken beteiligen solle, da er nie selbst an einem Feldzug teilgenommen hatte.75 Nachdem er allerdings von Jan Sobieskis Worten erfuhr, als Kapitän in den Krieg zu ziehen, sprach der Kaiser im Kriegsrat vom 16. August 1683 davon, sich der Armee anschließen zu wollen. Sein Ziel war es, der ganzen Welt zu zeigen, dass er nicht aus Kleinmut von Wien nach Linz geflohen war, sondern der Einfall des mächtigen Gegners dies erforderlich gemacht habe. Er wollte seinen Untertanen dadurch beweisen, dass er nicht gedenke, sie im Stich zu lassen. Seine Gegenwart sollte zudem 73 Siehe den Brief vom 5. August 1683 in: BHStA K. Schw. 8027. S. 72. 74 Im Original heißt es: „[…] faranno perdere al Rè quell’ ardore che haverebbe, se tutta la machina dovesse essere guidata dalla sua mente.“ In: Sauer (Hg.), Rom und Wien. S. 141 f. Bei Isabella Ackerl heißt es, dass Jan Sobieski bereits im Offensiv- und Defensivbündnis seinen Oberbefehl vertraglich festgelegt habe. Sie beruft sich dabei auf die verfremdete Inhaltswiedergabe des Vertrages vom 31. März 1683 im Theatrum Europaeum. Dies.,Von Türken belagert. S. 35; Theatrum Europaeum. Bd. 12. S. 525. Mit Blick in die Urkunde kann dies nicht bestätigt werden. Günter Düriegl behauptet zudem, dass Maria Kazimiera Anfang August in einem Brief an Kaiser Leopold den Oberbefehl für ihren Mann gefordert habe. Ders., Wien 1683. S. 112;Vgl. dazu: Cardini, Il Turco a Vienna. S. 317. 75 Rauchbar, Leben und Thaten. Bd. 2. S. 236; Goloubeva, Maria:The Glorification of Emperor Leopold I in Image, Spectacle and Text. (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz. Bd. 184). Mainz 2000. S. 140; Eickhoff,Venedig. S. 357 f.
6.1 Der umstrittene Oberbefehl über das christliche Heer
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alle etwaigen Kompetenzstreitereien unter den einzelnen Befehlshabern verhindern, sie ermutigen und gleichzeitig die Osmanen einschüchtern. Er ließ daraufhin alle Vorbereitungen für seine Überquerung der Donau treffen.76 Der Kaiser ging somit davon aus, dass seine Anwesenheit die Truppen motivieren könne. Hier wird auch ersichtlich, welche Bedeutung Leopold I. seinem Ansehen sowohl vor seinem Volk als auch der restlichen Welt beimaß. Ein Grund für diesen kaiserlichen Entschluss war auch die vorangegangene Diskussion über das weitere militärische Vorgehen, über das bislang ohne den polnischen König nicht hätte entschieden werden können. Die Befehlshaber der einzelnen Hilfstruppen, die sich bereits Ende August vor Wien eingefunden hatten, disputierten darüber, wem der Oberbefehl zustehe. Als Ranghöchster sollte Jan Sobieski das oberste Kommando erhalten, wobei der Kurfürst von Sachsen ebenfalls diese Position begehrte, was allerdings der Herzog von Lothringen entschieden ablehnte. Dieser Problematik wollte sich Leopold I. stellen und als höchste Instanz vor Ort den Hilfstruppen freistellen, wie sie sich nach seinem Einverständnis arrangieren wollten, da er selbst keine militärischen Entscheidungen treffen könne.77 So entschlossen, wie seine Vorkehrungen bis dahin wirken, war der Kaiser allerdings nicht. In seiner Unsicherheit beriet er sich mit Georg Friedrich von Waldeck und fragte diesen, ob er sich persönlich an die Spitze des Succurs stellen solle. Der Fürst riet Leopold I. davon ab und verwies auf den Geheimen Rat, da er sich nicht traute, seine Meinung frei zu äußern.78 Graf Ferdinand Bonaventura von Harrach, der am kaiserlichen Hof ebenfalls anwesend war, schreibt zudem, wie Jan Sobieski am 30. August 1683 auf diese Absicht reagiert haben soll: Der König von Pohlen stosset mit seiner Armée heunt zu der Vnsrigen, hat sich schon verbunden lassen, dass er den Kayser die Handt in seinen Landt nit lassen könne, er zwar hätte es kein Bedencken, wuste es aber nit bey der Republica zu verantworten, verlange aber auff alle Weiss, dass sein Princz den Kayser besuche vnd sehe. Diss ist ein genugsames Anzeigen, dass Ihro Kay. May. nit zu der Armée gehen.79
Jan Sobieski verweist hier auf den Sejm, der von ihm erwarte, dass er ohne Beteiligung des Kaisers die Stadt befreien werde. Der Graf von Harrach hatte hier offenbar recht deutlich verstanden, dass der polnische König der Anwesenheit Leopolds im Heerlager ablehnend gegenüberstand, nicht aber der Kaiser selbst. Dieser war wohl der Meinung, dass Jan Sobieski nichts gegen seine Teilnahme am Entsatz habe und 76 77 78 79
Harrach, Ein Tagebuch. S. 234 f. Rauchbar, Leben und Thaten. Bd. 2. S. 251 f. Ebd. S. 255. Harrach, Ein Tagebuch. S. 243. Mehr zu Ferdinand Bonaventura von Harrach in: Spielman, Leopold I. S. 75.
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6. Das Türkenjahr 1683
diese erst recht nicht als störend empfinden würde. Bereits am Folgetag kündigte der Kaiser dem Heiligen Stuhl an, dass er beabsichtige, sich persönlich zur Armee zu begeben.80 Dennoch blieb Leopold I. bezüglich seiner Pläne unsicher und soll jedes Mitglied seines Kriegsrates gefragt haben, was zu tun sei, bis man ihm dazu riet, auf die Antwort des Herzogs von Lothringen zu warten.81 Währenddessen trafen sich am 3. September die Befehlshaber der einzelnen Hilfstruppen und hielten einen Kriegsrat in Stetteldorf ab. Dabei beriet sich der polnische König mit dem Fürsten von Waldeck, dem Herzog von Lothringen, dem Kurfürsten von Sachsen und anderen hohen Generälen über das weitere Vorgehen.82 Laut Georg Friedrich von Waldeck einigte man sich zunächst auf den Vorschlag Jan III. Sobieskis, sich in den jeweiligen Landessprachen zu beraten. Im Anschluss daran arbeitete die deutsche Seite einen Dreizehn-Punkte-Plan aus. Er sah unter anderem vor, gemeinsam den Fluss zu überqueren, den Feind nicht einzeln anzugreifen und verschiedene Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Außerdem sollte der polnische König weiterhin den Oberbefehl haben. Man hatte offenbar die Einsicht gewonnen, dass die Anwesenheit des Kaisers die Zwietracht zwischen den Fürsten eher verschärfen würde, und beschloss deshalb zur Zufriedenheit aller Beteiligten, dass alle Generäle an der Spitze ihrer eigenen Truppen stehen und diese befehligen sollten. Damit kam man den Wünschen derjenigen entgegen, die sich nicht gänzlich dem Oberbefehl Jan Sobieskis unterordnen wollten. Es stellte sich allerdings später in der Schlacht heraus, dass dies einzig Rahmenbedingungen waren und man im Gefecht durchaus den Befehlen des polnischen Königs folgte, der mit den anderen Truppenführern je nach Situation kooperierte.83 Man einigte sich zudem auf den Vorschlag Karls von Lothringen, nacheinander anzugreifen, wobei Jan Sobieski es für sinnvoll hielt, dass dieser, aufgrund seiner Ortskenntnisse, die Schlacht eröffnen solle. Nach der ordre de la bataille befehligte der Herzog den linken Flügel, der Fürst von Waldeck sowie die Kurfürsten von Bayern und Sachsen das Zentrum, während Jan Sobieski und seine polnischen Truppen auf dem rechten Flügel standen. Der vorgeschlagene Plan Hermanns von Baden, den Wienerwald zu umgehen und von Süden aus die Türken anzugreifen, um ihnen
80 Sauer (Hg.), Rom und Wien. S. 43 f. 81 Harrach, Ein Tagebuch. S. 247. 82 Acta, VI. S. 342, 585; Wierzbowski, Królewicza dyaryusz. S. 14. Im Gegensatz zu Günter Düriegls Darstellung kam der Kurfürst von Sachsen erst später zum Kriegsrat nach. Vgl. Ders., Wien 1683. S. 113 mit Rauchbar, Leben und Thaten. Bd. 2. S. 263. 83 Rauchbar, Leben und Thaten. Bd. 2. S. 260–263; Düriegl,Wien 1683. S. 113. Man befürchtete, dass die Anwesenheit des Kaisers eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem polnischen König unmöglich mache. Stoye, Die Türken vor Wien. S. 210.
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die Flucht nach Ungarn unmöglich zu machen, wurde damit abgelehnt.84 Eine Begründung für diese Aufstellung war, laut dem Ingenieur Philippe Dupont, dass für die schwere deutsche Kavallerie der Weg zu steil und schwierig wäre und deshalb die mit der Gegend vertrauten kaiserlichen Soldaten unter Karl von Lothringen die Angriffsspitze bilden sollten.85 Die Ergebnisse des Kriegsrats resultierten aus langen Diskussionen zwischen den Anwesenden. Der polnische König hatte in einem Brief an seine Frau berichtet, dass man lange Verhandlungen führe, wer vorne, hinten, auf der rechten oder linken Seite voranrücken solle. Er beklagte, dass man keine baldigen Beschlüsse zu erwarten habe, was allerdings der Situation zuwiderliefe und nur Leid und Kummer bringe.86 Im Tagebucheintrag des Fürsten von Waldeck heißt es allerdings, dass Jan Sobieski nicht empört, sondern wider Erwarten vergnügt war, während ihm alle Punkte vorgelesen wurden. Da sie des Königs Verhaltensweisen nicht kannten, dürften deshalb Außenstehende während der Konferenz den irrigen Eindruck gehabt haben, dass Jan Sobieski den Ernst der Lage nicht recht wahrnahm. Sogar Thomas Barker kritisiert in seiner Darstellung, dass der polnische König sich in seinem Brief an Maria Kazimiera einzig über die Äußerlichkeiten der einzelnen Generäle ausgelassen habe, die bei der Konferenz in Stetteldorf präsent waren.87 Darin portraitiert Jan Sobieski beispielsweise den sächsischen Kurfürsten als einen etwas kleineren und kräftigen Mann mit einem Bart im Stil eines älteren deutschen Herren, der um die vierzig Jahre alt zu sein scheine. Er bedauerte auch, dass der Kurfürst weder Latein noch Französisch beherrsche, wenig rede und deshalb keine Komplimente mache. Obwohl der Sachse seines Erachtens leichtsinnig und ein Säufer wäre, sei er doch ein einfacher und guter Mann.88 Es sind ausschließlich diese Briefe des Königs, die ein derartig ausführliches Bild über die Personen und ihr Wirken vor der Schlacht am Kahlenberg zeichnen und zumindest von polnischer Seite das Verhältnis mit den Deutschen beschreiben. Das lebhafte Durcheinanderreden in den verschiedenen Sprachen gab ihm allerdings die Möglichkeit, mehr zu beobachten als sich aktiv an den Diskussionen zu beteiligen. 84 Acta, VI. S. 333 ff.; Rauchbar, Leben und Thaten. Bd. 2. S. 251; Stoye, Die Türken vor Wien. S. 210; Wimmer, Der Entsatz von Wien 1683. S. 166 ff. 85 Dupont, Mémoires. S. 137; Acta, VI. S. 348. Bei Jan Wimmer heißt es, dass Jan Sobieski ursprünglich den Fürsten von Waldeck für den linken Flügel vorgesehen hatte. Ders., Wien. S. 115. 86 Acta, VI. S. 343. 87 Ebd. S. 358; Rauchbar, Leben und Thaten. Bd. 2. S. 263; Barker, Doppeladler und Halbmond. S. 293. 88 So heißt es im Original: „Portrait de Mr de Saxe. – Plus petit que Jarocki, et bien plus gros; la barbe à la mode des vieux Allemands. Il pourrait avoir quarante ans; il ne sait pas parler, ni français, ni latin, et parle fort peu allemand; point de harangue, ni compliment; parait être étourdi; ivrogne, simple et bonne homme.“ In: Acta, VI. S. 343 f.
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6. Das Türkenjahr 1683
Während Karl von Lothringen dem König als Einziger sein militärisches Verständnis bereits bewiesen hatte, stufte Jan III. Sobieski alle anderen Generäle als kriegsunerfahren ein und empfand ihr Verhalten während der Konferenz anscheinend als wenig konstruktiv. Stattdessen hielt er ihr Benehmen offenbar für amüsant, was er ihnen durch sein Schmunzeln auch zeigte.89 Letztendlich demonstriert sein fehlendes Verständnis für die langen Diskussionen die pragmatische Seite des polnischen Königs und im Folgenden auch die Tendenz für sein entschlossenes Handeln als Feldherr – was letztlich auch seine Akzeptanz bei den anderen Heerführern steigerte. Nicht unparteiisch beschreibt der polnische Artilleriekommandant Marcin Kątski, wie beim Zusammentreffen der hohen Gesellschaft der König die verbündeten Truppen zu einem gemeinsamen Kampf unter einem „Mann des Krieges“, wie er es sei, ermutigte.90 Eine Vielzahl europäischer Fürsten stand hierbei vor ihm, die sich der guten Sache wegen am Entsatz von Wien beteiligten; so beispielsweise der junge Prinz Eugen von Savoyen.91 Mit seiner Ansprache motivierte Jan Sobieski die Soldaten, unter seiner Führung in die Schlacht zu ziehen. Er bewies damit die Fähigkeit, durch seine bloße Anwesenheit und seine aufmunternden Worte die Menschen für sich und für sein Vorhaben zu gewinnen. Dies nahm auch Francis Taaffe so wahr, der neun Jahre zuvor bei der polnischen Wahl für Karl von Lothringen im Sejm vorgesprochen hatte. In seinen Aufzeichnungen war er voll des Lobes über die Persönlichkeit des polnischen Königs, der alle Sympathien für sich gewonnen hatte. Taaffe kämpfte allerdings unter dem Befehl des Herzogs, sodass es nicht wundernimmt, dass er im weiteren Verlauf schreibt, wie seiner Auffassung nach Jan Sobieskis ehemaliger Konkurrent es war, der während der Schlacht sein Talent als Führer und Soldat bewiesen habe.92 Aus seinen Aufzeichnungen geht aber auch hervor, dass man weiterhin 89 Ebd. S. 358; Rauchbar, Leben und Thaten. Bd. 2. S. 263;Vgl. Barker, Doppeladler und Halbmond. S. 293. 90 Marcin Kątski schreibt wortwörtlich: „To wszystko tak wielkich ludzi zebranie, nie tylko admiratione sui napełnił Król Imć, ale Regio vultu et alacritate, do dalszey pracy zagrzał, tak że wszyscy ochotnie pod Kommendą tak woiennego Pana być winszowali sobie“ [Diese ganze Versammlung solcher Hochwürden erfüllte nicht nur die Verehrung für seine Majestät den König, sie nährte des Lagers Miene und Eifer, heizte für weitere Arbeit auf, sodass alle enthusiastisch unter dem Kommando eines solchen kriegserfahrenen Mannes zu sein sich wünschten]. In: Acta, VI. S. 586. 91 Am 14. August 1683 wurde der 20–jährige Prinz Eugen von Leopold I. empfangen und als Volontär der Armee zugeteilt. Braubach, Max: Prinz Eugen von Savoyen. Bd. 1. München 1963. S. 91; Trost, Ernst: Prinz Eugen. Wien 32013; Großegger, Elisabeth: Mythos Prinz Eugen. Inszenierung und Gedächtnis. Wien 2014; Thomsen, Martina: Jan III. Sobieski und Prinz Eugen von Savoyen. Selbstinszenierung, Glorifizierung und Kommemoration zweier Türkensieger. In: Jan III. Sobieski. Ein polnischer König in Wien. Hg. v. Paweł Jaskanis [u.a.]. München 2017. S. 45–49. 92 In seinem Brief vom 12. September steht: „The King of Poland is le plus honeste homme of his kingdom, and I must now tell you again, that there are few kings now in the world, who
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König und Herzog als Konkurrenten auffasste. Der lothringische Sekretär, François Le Bègue, berichtet, wie Jan Sobieski die Angelegenheiten regelte und man in ihm den Oberkommandierenden sah. Er fügt jedoch hinzu, dass Karl von Lothringen wie ein mächtiger Fürst auftrat, von dessen Meinung der polnische König stets abhängig sei.93 Hier wiederum wird der Herzog als unentbehrliche helfende Hand dargestellt. In den darauffolgenden Tagen lobte Jan Sobieski die sächsische Armee und berichtete Maria Kazimiera, wie Johann Georg III. von Sachsen, der in der Forschungsliteratur einheitlich als reichs- und kaisertreu beschrieben wird,94 ihn bei der Inspizierung der Truppen begleitete.95 Hier bietet es sich an, auch auf das erste Aufeinandertreffen mit Maximilian II. Emanuel von Bayern einzugehen: Der Kurfürst wurde nach seiner Ankunft am 9. September 1683 von Jan Sobieski zuerst als nieszpetny, d.h. „nicht hässlich“ beschrieben. Des Königs Lob galt aber eher dessen englischen Pferden, die dieser einst von Ludwig XIV. erhalten hatte. Immerhin erscheint der junge Mann ihm artig und menschlich. Mit seinem Sohn Jakub soll der Wittelsbacher schnell Freundschaft geschlossen haben, als ob sie sich bereits zehn Jahre kennen würden.96 Die beiden trennten lediglich fünf Jahre Altersunterschied, weshalb deren gegenseitige Sympathie füreinander unter den meist älteren Fürsten nicht verwundern kann. Der Grund für Max Emanuels spätes Erscheinen war die Taufe der Kaisertochter Maria Anna Josefa am 7. September 1683 in Linz. Die Patenschaft des bayerischen Kurfürsten für die neugeborene Prinzessin sollte das freundschaftliche Verhältnis mit Habsburg festigen. In der Forschung heißt es auch, dass dieses Zusammentreffen die Verlobung Maximilian Emanuels mit der 14–jährigen Maria Antonia von Österreich verfolgte.97 Entgegen Leopolds I.Willen schmiedete Jan III. Sobieski ähnliche Pläne für seinen Sohn, wodurch die beiden neuen Freunde für die gleiche Braut vorgesehen waren.
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deserve better to be so than he himself; and that his competitor, our Duke of Loraine, hath performed all the parts of a great captain and excellent soldier, and hath withal so managed matters, and found the way in this conjunction of our troops to accommodate so many Majesties and Electoral Highnesses and Sovereign Princes together, that there hath not been the last dispute or difference arisen amongst them.“ In: Acta, VI. S. 370. Im Original: „Chaque chef des corps ferait un conseil separé et que le resultat en serait referé au Roy qui réglerait ensuitte les choses; ce dernier party a été reglé et arrêté. […] Le 1er regardant le Roy comme chef et S.A. [Karl von Lothringen] comme un prince à qui il a toujours obey, et le second ne s’étant jusques icy declaré pretendre rien, mais seule de vouloir voir cette action et cette journée.“ In: Le Bègue, Le Journal. S. 98. Flathe, Johann Georg III. S. 383; Blaschke, Johann Georg III. S. 527; Böttcher, Jans-Joachim: Die Türken im Spiegel sächsischer Biographien. (Studien zur Geschichte Ungarns. Bd. 20). Herne 2019. S. 72. Acta, VI. S. 360. Ebd. S. 371. Harrach, Ein Tagebuch. S. 247; Hüttl, Max Emanuel. S. 122.
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6. Das Türkenjahr 1683
Der polnische Prinz schilderte in seinem ihm zugeschriebenen Tagebuch, dass der König am Folgetag die Brücke begutachtete, die man zur Überquerung der Donau nutzen wollte.98 Am selben Tag hörte man auf Seiten der Polen auch deutlichere Worte in Bezug auf eine Teilnahme des Kaisers am Entsatz – zumindest zeigt dies die Wahrnehmung des kaiserlichen Oberstallmeisters. Ferdinand von Harrach hielt in seinem Tagebuch fest, dass Kronunterkanzler Jan Gniński vor den kaiserlichen Gesandten sprach und, seiner Meinung nach, Leopold I. ausschließlich ein Hindernis für die Operation darstelle. Harrach merkt hierzu an, dass der Kaiser daraufhin in Linz geblieben wäre, hätte man nicht zuvor alle Vorbereitungen für die Überfahrt getroffen.99 Am Folgetag erhielt Leopold an Bord des Schiffes einen Brief seines Hofmeisters, worauf der polnische König diesem persönlich über die kaiserliche Absicht, sich dem Entsatz anschließen zu wollen, mit den Worten „tenes s’ambaras“100 antwortete und laut Harrach weiter sagte: Ihro Kay. May. Persohn wäre gar zu praecios, dass Sie solte einige Gefahr exponiert werden, er könne dise Feindt, er habe 2 Sultane [Großwesire] geschlagen, vnterdessen aber wären ihme die Tartarn in die Retroguardi allzeit eingefallen, das kunte anjeczo auch geschehen.“101
Hier wird direkt mit der Erfahrung Jan Sobieskis im Kampf mit den Türken argumentiert, die den König als Experten auswies und Leopold damit zeigen sollte, dass er mit seiner militärischen Unerfahrenheit lediglich eine Last darstelle. Trotzdem hatte Christoph Leopold Schaffgotsch noch am 7. September 1683 die Instruktion erhalten, dass der Kaiser sich am 8. September zur Armee begeben werde, da der Entsatz keine Stunde mehr aufgeschoben werden dürfe. Das hierfür nötige Zusammentreffen mit dem polnischen König müsse an einem tertio loco stattfinden.102 Auch Jakub Sobieski berichtete in seinem Tagebuch, dass man am 9. September eigentlich die Ankunft des Kaisers erwartet hätte, man jedoch an seinem Kommen zweifelte – und das zu Recht.103
98 Acta, VI. S. 586; Wierzbowski, Królewicza dyaryusz. S. 14. 99 Harrach, Ein Tagebuch. S. 247. 100 Für diesen Ausdruck wären zwei Bedeutungen möglich: Einerseits bedeutet „ambaras“ auf Polnisch „Ärger“, andererseits kann damit das französische Wort „embarras“ für „Verlegenheit“ gemeint sein, während „tenes“ möglicherweise eine Form von „tenir“ sein könnte, was auf den Ausdruck „se tirer d’embarras“ hindeutet. Letztendlich hatten Jan Sobieskis Worte lediglich den Eindruck erweckt, dass er über das kaiserliche Vorhaben nicht erfreut war. Harrach, Ein Tagebuch. S. 248. 101 Ebd. 102 Acta, VI. S. 352. 103 Wierzbowski, Królewicza dyaryusz. S. 15.
6.1 Der umstrittene Oberbefehl über das christliche Heer
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Nachdem Leopold I. jeden einzelnen seiner Kriegsräte nach seiner Meinung gefragt hatte, beschloss er, so lange in Dürnstein zu bleiben, bis die Verbündeten ihn bitten würden, sich zur Armee zu begeben. Jan Sobieski berichtet über sein Gespräch mit dem kaiserlichen Beichtvater, Pater Marco d’Aviano, der – während man noch in Tulln sämtliche Gasthäuser für den Kaiser vorbereitete – ihm lächelnd versichert habe, dass er Leopold dessen Vorhaben ausgeredet hätte und dieser nun darauf verzichten werde, sich zur Armee zu begeben.104 Ein letzter Schlag für den Kaiser war schließlich die Nachricht vom 10. September 1683, wonach nicht nur der König von Polen, sondern alle Generäle der Armee sich gegen eine Teilnahme des Kaisers am Entsatz ausgesprochen hatten.105 Die einzige Maßnahme, die Leopold noch treffen konnte, war, den Fürsten zu gebieten, sich den Befehlen des polnischen Königs unterzuordnen.106 In den vergangenen Tagen muss Jan Sobieski so sehr von sich überzeugt haben, dass die Anwesenheit des Kaisers beim Entsatzheer überhaupt nicht mehr in Erwägung gezogen wurde. In den Folgetagen änderte der polnische König seine negative Meinung über die Befehlshaber der Hilfstruppen: Um 3 Uhr nachts schrieb er noch vor der Entscheidungsschlacht Maria Kazimiera, dass die beiden Kurfürsten von Sachsen und Bayern zunächst zurückhaltend auf ihn reagiert hätten. Ihr Verhalten habe sich aber nach näherem Kennenlernen und mit dem stetigen Vorrücken an den Feind geändert. Beide nähmen persönlich die Befehle Jan Sobieskis entgegen, sollen sogar mehrfach nachgefragt haben, ob es nicht weitere Anordnungen gebe, und schickten ihm Truppen und Reiter zu dessen Schutz, was eine große Sympathie für sie beim König weckte.107 Seine Erfahrungen im Kampf mit den Osmanen hatten Jan III. Sobieski zum anerkannten Experten gemacht, der im Gegensatz zum Kaiser für den Entsatz von Wien unentbehrlich war. Es heißt zwar in der Forschung ganz richtig, dass der dar104 Acta, VI. S. 358. Siehe auch den Briefwechsel zwischen Marco d’Aviano und dem Kaiser in: Knopp, Onno: Corrispondenza Epistolare tra Leopoldo I. Imperatore ed il P. Marco d’Aviano Capuccino. Graz 1888. S. 27–29. 105 Harrach, Ein Tagebuch. S. 250; Barker, Doppeladler und Halbmond. S. 295; Düriegl, Wien 1683. S. 113. Bei Maria Goloubeva heißt es, der Kaiser habe auf die Teilnahme bei der Befreiung Wiens bewusst verzichtet, um Jan Sobieski nicht den Ruhm für den Entsatz zu nehmen. Diese Meinung ist allerdings in Anbetracht der Ablehnung aller beteiligten Generäle der Hilfstruppen kaum haltbar. Dies., The Glorification. S. 126. 106 Sauer (Hg.), Rom und Wien. S. 57. 107 So Jan Sobieski: „Z razu elektorowie obadwaj byli przecie z nami niby obcy. Teraz jakeśmy się to poczęli zbliżać ku nieprzyjacielowi, niepodobna wyrazić jakie z nich mam ukontentowanie. Sami zawsze parol ode mnie odbiérają, i dziesięć czasem razy pytają, jeśli jeszcze czego nie rozkażę?“ [Zunächst waren beide Kürfürsten gewissermaßen mit uns fremd. Jetzt wo wir beginnen, uns unseren Feinden zu nähern, ist nicht auszudrücken welche Zufriedenheit sie mir bereiten. Sie selbst holen sich meine Befehle und fragen manchmal zehnmal, ob ich nicht noch etwas anordne?]. In: Acta, VI. S. 372.
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6. Das Türkenjahr 1683
aufhin erfolgte Sieg auch das Resultat der langjährigen und erfolgreichen Diplomatie gewesen war, welche die wichtigen Bündnispartner geeinigt habe,108 doch hatte vor allem Jan Sobieski vor Ort dafür gesorgt, dass man, ungeachtet aller Rivalitäten und Vorbehalte unter den Heerführern, schließlich geschlossen gegen die Türken zog. Die erfolgreiche Schlacht wurde im Prolog bereits beschrieben, weshalb an nächster Stelle die vielseitige und teilweise kontroverse Wahrnehmung nach den Ereignissen am 12. September 1683 dargestellt wird.
6.2 Von Angesicht zu Angesicht: Die Ereignisse nach dem Entsatz
Als die Kämpfe ihr Ende genommen hatten, beschreibt François Dalérac, wie Georg Friedrich von Waldeck Jan III. Sobieski dankte und dies einen guten Tag für dessen Ruhm in der Geschichte nannte.109 Da diese Darstellung von dem Franzosen viele Jahre nach den Ereignissen niedergeschrieben wurde, ist es hier von besonderem Interesse, wie der polnische König die Ereignisse laut seinem am 13. September 1683 verfassten Brief an Maria Kazimiera selbst wahrnahm und wiedergab. So schrieb er, dass die Fürsten von Kurbayern und Waldeck nach dem Sieg auf ihn zu rannten und ihn vor Freude umarmten und küssten. Auch die Soldaten hätten ihn umjubelt. Wenige Zeilen später fügte er hinzu, dass die Kurfürsten von Sachsen und Bayern ihm versprachen, ihm bis ans Ende der Welt zu folgen.110 – So groß scheint zunächst die Euphorie und die gute Zusammenarbeit zwischen den Reichsfürsten und dem Polen gewesen zu sein. Nur drei Tage später schreibt Jan III. Sobieski, wie er Kurfürst Johann Georg III. von Sachsen zum Abschied zwei reich geschmückte Pferde, zwei türkische Banner, vier Gefangene, zwei hübsche Fayencegefäße und ein kostbares Tuch für dessen Frau schenkte. Der Wettiner soll diese Geschenke unaussprechlich dankbar angenommen haben und darüber verwundert gewesen sein, dass ihm derjenige Geschenke mache, den man selbst reich beschenken sollte.111 Der Kurfürst zog dann allerdings entgegen seinem Versprechen, Jan Sobieski bis ans Ende der Welt zu folgen, frühzeitig mit seinem Heer ab. Auf die Gründe dafür wird noch einzugehen sein.
108 Aksan, War and Peace. S. 97. 109 So lautet es: „Chaque Prince resta à ses troupes, & on ne vit auprés du Roy, que le Comte Valdek une fois, lorsque l’affaire étoit bien avancée, don’t il fit compliment à Sa Majesté Polonoise, en lui disant que c’étoit la une belle journée pour sa gloire et l’Histoire de sa vie.“ In: Dalérac, Les Anecdotes de Pologne. S. 152. 110 Im Original heißt es: „Przybiegały tedy do mnie Xiążęta, jako to Elektor Bawarski, Waldek, ściskając mię za szyję, a całując w gębę“ [Zu mir liefen die Fürsten, wie der Kurfürst von Bayern, Waldeck, warfen sich mir an den Hals und küssten mir das Gesicht]. In: Acta, VI. S. 379. 111 Ebd. S. 395 f.
6.2 Von Angesicht zu Angesicht: Die Ereignisse nach dem Entsatz
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François Le Bègue berichtete, wie Karl von Lothringen dem polnischen König seine Glückwünsche zum Sieg überbringen ließ, als dieser sich noch auf einem anderen Teil des Schlachtfeldes befand. In seiner Relation habe Jan Sobieski dem Herzog daraufhin das Kompliment zurückgegeben und ihm ausrichten lassen, dass sie zwar alle Anteil am Sieg hätten, dieser jedoch vor allem der Führung des Herzogs von Lothringen und der Stärke der deutschen Truppen zu verdanken sei, da er mit ihnen zuerst ins Lager der Türken und in ihre Gräben eingedrungen sei. Der Herzog soll nach Erhalt dieses königlichen Kompliments geantwortet haben, am nächsten Tag mit ihm über die weiteren Vorgehensweisen sprechen zu wollen, nachdem man Gott für den Sieg gedankt habe.112 In seinem Tagebuch beschreibt François Le Bègue den polnischen König als heroischen, in seinem Wesen permanent brennenden und jeglicher Gefahr trotzenden Menschen. Jan Sobieski soll auch seine Führungskraft, Unerschrockenheit und Weisheit im Kampf demonstriert haben, die ihn als „grand capitaine“ auszeichneten. Der lothringische Stadtrat fügte dem hinzu, dass dieselben Eigenschaften in gleicher Weise für Karl V. von Lothringen zutreffen würden, dem alle zugestehen müssten, dass letztendlich ihm durch seine Standhaftigkeit und Anordnung seiner Truppen der Erfolg zuzuschreiben sei.113 Bei Le Bègue als dessen Bewunderer und Anhänger verwundert diese Aussage nicht. Bei den Geschichtsschreibern der Türken wird der Herzog nur beiläufig erwähnt und seine Teilnahme an der Schlacht ausschließlich bei Silâhdar Fındıklılı Mehmed Ağa angedeutet. Welchen Respekt die Türken Karl von Lothringen allerdings zollten, geht daraus hervor, dass sie von ihm als dem „tollen“ oder „ungestümen Kapitän“ (deli kapıdan) sprachen. Bei den Kampfbeschreibungen wird allerdings nur ganz allgemein von den Ungläubigen, den sogenannten Giauren oder den Polen und Deutschen gesprochen.114 Es wird folglich von den Osmanen keiner Einzelperson der Sieg zugeschrieben, bei vielen Christen hingegen der Hilfe einer höheren Instanz: Alle Christliche Soldaten/ und unter denselben die Polacken/ haben sich bey dieser Action recht dapffer gehalten/ und von dieser Feld=Schlacht ein unsterbliches Lob davon getragen: Der König in Pohlen/ die ChurFürsten/ der Herzog von Lothringen/ und andere Fürsten/ die Officierer und die Soldaten/ welche frisch und unverzagt sich mit dem Feind herum geschlagen/ und weder ihr Leben noch ihr Blut gesparet haben. Jedoch aber so muß man diesen wunderbaren Sieg allein der Barmherzigkeit GOTTES zuschreiben.115
112 113 114 115
Le Bègue, Récit. S. 39. Ders., Le Journal. S. 102. Übersetzt in: Kreutel, Kara Mustafa. S. 153. Ghelen, Kurtze Erzehlung. S. 58.
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Johann van Ghelen schreibt in seiner Darstellung der Geschehnisse auch, dass die gefangenen Türken ihm bestätigten, dass sie das ganze Gebirge von christlichen Truppen gleichmäßig bedeckt wahrgenommen hätten, obwohl dies nicht der Realität entsprach. Diese für die Kampfmoral der Türken abträgliche Beobachtung wird von ihm als Beweis für die Güte Gottes gewertet.116 Auch Karl von Lothringen hat am 15. September 1683 in seinem Brief an Kardinal Carlo Barberini geschrieben, wie sehr man Gott danken müsse, der die Herzen der Fürsten inspirierte und den Soldaten die nötige Kraft gegeben hatte, für den Sieg zu kämpfen. Er vermerkte aber zudem, dass Jan III. Sobieski, der eigens aus seinem Königreich herbeigeeilt sei, als großer König und Kapitän gehandelt und sich in dieser Schlacht unsterblichen Ruhm erworben habe. Karl von Lothringen fügt dem noch hinzu, dass er selbst nur den Anordnungen entsprechend agiert habe.117 Eine solche Bescheidenheit seitens des Herzogs und das überschwängliche Lob für den König bestätigten dem päpstlichen Legaten auch, dass der Bündnisvertrag seitens der Polen getreulich eingehalten worden war. Im Hinblick auf den freundlichen Briefwechsel zwischen Jan Sobieski und Karl von Lothringen sowie die Ehrungen seitens des Letzteren für den König ist wohl davon auszugehen, dass der Herzog seiner Meinung ehrlichen Ausdruck gab. Gott zum eigentlichen Sieger machte in gleicher Weise auch Jan Sobieski in seinem Brief an Innozenz XI., indem er den Sieg in den drei Worten Venimus, vidimus, et Deus vicit kurz zusammenfasste.118 Des Weiteren berichtete der König angesichts der Erwartungen, die Rom in ihn gesetzt hatte, von seinen Taten und Erfolgen. Daraufhin bezeichnete Innozenz XI. in seinem Antwortschreiben bereits Jan Sobieskis Sieg bei Chocim als den Beginn des Niedergangs der Türken:
116 Ebd. S. 59. 117 So heißt es im Original: „Le Roy de Pologne s’est acquis dans ce rancontre une gloire immortelle d’estre venu de son royaume pour une si grande entreprise, e d’y avoir agit en grand roy et en grand capitaine. Je n’y ay agit que par les dispositions qui ont esté approuvées et suivies.“ In: Sauer (Hg.), Rom und Wien. S. 63. 118 Es ist anzunehmen, dass der Pluralis Majestatis bewusst gewählt wurde, denn im restlichen Verlauf des Briefes schrieb Sobieski über seinen Sieg: „Vittoria concessa hieri dalla Mtà Divina alla Christianità tutta sotto Vienna, essendomi riuscito in pochi momenti di destrugger la maggre parte del esercito Ottomano numeroso di 180.000 combattenti, rendermi Prone di tutte le piu prinicipale Bandiere del Gran Visire, di tutto il Cannone, di suoi proprii cavalla, armi, adobbi e Padiglioni, et in somma doppo una sanguinosa e fierissma battaglia di otte hore con la fuga del medo Visire e del resto de suoi, rimase in poter mio tutto il suo campo, che si estende à più d’una legga Città.“ In: Sauer (Hg.), Rom und Wien. S. 59. Der bereits erwähnte Ludwig Freiherr von Pastor mokierte sich darüber, dass Jan Sobieski ausschließlich sich den Sieg zugeschrieben hatte. Siehe bes. Anm. 2 in: Ders., Geschichte der Päpste. Bd. 14. S. 794.
6.2 Von Angesicht zu Angesicht: Die Ereignisse nach dem Entsatz
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Was du [Jan Sobieski] aber bereits vollbracht hast, um die Sicherheit der christlichen Republik und der katholischen Religion zu gewährleisten, das verkünden gegenwärtig im Übermaß – außer den herausragenden Zeugnissen unbesiegter Tapferkeit, welche du beim kürzlich bekanntgewordenen Sieg von Chotyn gegen einen überaus schrecklichen Feind abgelegt hast – die einhellig auf dir ruhende Hoffnung der gläubigen Völker auf öffentliches Wohlergehen sowie die Segenswünsche, mit denen sie [die Völker] sich im Wettstreit auf deine Triumphe einstimmen.119
Er lobte damit den König, der durch seine Erfahrung die Christenheit beschützen konnte, und dankte ihm für seine Verdienste. Aber nicht nur geistliche und weltliche Würdenträger priesen den polnischen König als Retter, sondern auch – wie im Folgenden durch die Darstellung der unmittelbaren Geschehnisse gezeigt wird – die Stadtbevölkerung Wiens. Wäre nicht die Nacht hereingebrochen, so hätte man die Türken weiterverfolgt und schließlich vernichtet – das behauptet zumindest der Augenzeuge Francis Taaffe. Nachdem die meisten Osmanen geflohen waren und sie ihre Zelte samt Munition und allen Habseligkeiten zurückgelassen hatten, stellte man dennoch eine Nachtwache auf, um einen möglichen Hinterhalt der feindlichen Truppen auszuschließen.120 Le Bègue zufolge hätte Karl von Lothringen sich für eine unverzügliche Verfolgung ausgesprochen, doch Jan Sobieski befürchtete, dass die Türken möglicherweise zurückkehren könnten, wie es bereits in Chocim geschehen war.121 Auf polnischer Seite hieß es zudem, dass die türkische Armee sich am Tag zuvor so wenig an der Schlacht beteiligt hätte, dass sie noch stark genug wäre, um einen Angriff abzuwehren. Daher bestand noch die Sorge einer effektiven türkischen Abwehr bei einer unmittelbaren Verfolgung. Die Erschöpfung aller Beteiligten, auch die des polnischen Königs, gebot laut Marcin Kątski dringend eine Rast.122 François Le Bègue berichtet weiter, dass viele der Männer verletzt und erschöpft gewesen seien und Jan Sobieski ihnen aus diesem Grund eine Pause gönnen wollte. Karl von Lothringen schlug dem polnischen König vor, mit der kaiserlichen Armee
119 So heißt es wortwörtlich im Brief vom 18. September 1683: Quae vero sis iamiam patraturus ad Christianae reipublicae et Catholicae religionis securitatem asserendam, praeter eximia invictae fortitudinis documenta, quae in Chocimensi victoria de immanissimo hoste iampridem reportata edidisti, reposita unanimiter in te a fidelibus populis publicae salutis spes et faustae precationes, quibus certatim triumphis tuis proludunt, abunde in praesens pollicentur. In: Sauer (Hg.), Rom und Wien. S. 65 f. In gleicher Weise auch Francesco Buonvisi in: Ebd. S. 141; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 149 f. 120 Ghelen, Kurtze Erzehlung. S. 59. Das Gleiche schreibt auch der Fürst von Waldeck in: Rauchbar, Leben und Thaten. Bd. 2. S. 270 und Taaffe in: Acta, VI. S. 419. 121 Le Bègue, Le Journal. S. 103; Barker, Doppeladler und Halbmond. S. 316; Düriegl,Wien 1683. S. 141; Wimmer, Der Entsatz. S. 136. 122 Acta, VI. S. 596.
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allein die Verfolgung aufzunehmen, doch dieser habe ein solches Unterfangen abgelehnt. Damit wird deutlich, dass man nicht nachvollziehen konnte, weshalb der König von weiteren direkten Schritten gegen die Türken absah, wo er doch angeblich so sehr gewillt war, die feindliche Armee zu vernichten. Der lothringische Stadtrat stellte auch die Behauptung auf, dass Jan Sobieski sich vor allem an der immensen Beute bereichern wollte. Andere wiederum spekulierten, dass er schlichtweg kein weiteres Risiko eingehen wollte.123 Im Bericht Georg Friedrichs von Waldeck drückt dieser seine Verwunderung darüber aus, weshalb man die Türken auch nicht am Tag darauf verfolgte. Seiner Meinung nach war der Grund dafür, dass der König von Polen beim Dankgottesdienst in Wien teilnehmen wollte. In der Forschung heißt es mehrfach, dass es Jan Sobieski an Bescheidenheit mangelte und er seinen Triumph noch vor dem Eintreffen des Kaisers feiern wollte.124 Francis Taaffe zufolge wollte der polnische König auf die Genesung seines offenbar verletzten und erschöpften Pferdes warten. Die allgemeine – und wahrscheinlich nicht ganz falsche – Auffassung war jedoch, dass Jan Sobieski auch vom Willen seiner Truppen abhängig war, die mit gutem Grund einen Tag wohlverdiente Rast forderten – nicht zuletzt, um sich in Ruhe im türkischen Lager bereichern zu können.125 Diese Darstellung nimmt den polnischen König für seine Entscheidung in Schutz, im Sinne seiner Soldaten erst einmal die Verfolgung der geschlagenen Feinde etwas hinauszuzögern. Abgesehen von allen Vermutungen über Jan Sobieskis Entscheidungen äußerte sich der König selbst dahingehend, dass weitere Operationen am nächsten Tag unternommen werden sollten. So schrieb er in der Nacht vom 13. September 1683 Maria Kazimiera von seiner Absicht, weiter nach Ungarn ziehen zu wollen. Er betonte sogar, dass auch die beiden Kurfürsten beabsichtigten, ihn nach Ungarn zu begleiten.126 Diese Pläne zeigen, dass man weitere Vorkehrungen in die Wege geleitet hatte und sich der König um die Unterstützung der anderen Hilfstruppen bemühte. Ein anderer Grund, die Verfolgung der Osmanen zunächst hintanzustellen, war die allgemeine freudige Reaktion der Menschen. Auch ein ansonsten religiösen Bräuchen recht distanziert gegenüberstehender Freiherr, dessen Name nicht überliefert ist, schreibt am 12. September mehrfach Te Deum zum Ausdruck seiner Freude und vermerkt, wie die Stadttore weit offen standen und die kaiserliche Armee von den
123 Le Bègue, Récit. S. 40; Ders., Le Journal. S. 103. 124 Rauchbar, Leben und Thaten. Bd. 2. S. 270 f.; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 150; Düriegl, Wien 1683. S. 146. 125 So heißt es im Brief von Francis Taaffe an seinen Bruder: „But those who are given to detract say, that the polish troops, with whom the King is sometimes obliged to comply, had demanded one day more, to make an end of pillaging the thurkish camp.“ In: Acta, VI. S. 420. 126 Ebd. S. 380.
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Einwohnern bejubelt wurde.127 Er erwähnt die Polen zwar nicht, doch die Euphorie über den Sieg war seinen Äußerungen zufolge groß. Aus diesen möglichen Gründen blieben auch die Truppen im feindlichen Lager, das angesichts der Hinterlassenschaft einen unglaublichen Eindruck auf die Menschen vor Ort machte. Baron Georg Christoph von Kunitz beschreibt später die Reaktion der Stadtbevölkerung nach der Flucht der Osmanen und die in seinen Augen wohl eher negative Rolle, welche die Polen dabei spielten: Da nun die in der Stadt sahen/ daß der Feind durchgangen/ fiel alles hauffenweiß hinauß/ giengen des Feindes Approchen durch/ schossen nieder/ was sich noch aufgehalten/ und fasseten überall bey ihren Stucken posto; nachgehends legten sich die Regimenter in Ihre Lager/ suchten das Beste zusammen/ und machten absonderlich die Polacken/ gute Beute.128
Er berichtet auch, wie viele Tausend am 13. September aus der Stadt hinausströmten und im türkischen Lager „suchten/ was noch übrig war.“129 Dazu erzählt Johann von Välckern, dass noch am Abend „die Pohlacken einen Anfang der Plunderung [machten]/ denen die Teutsche deß folgenden Morgens hurtig nachfolgten.“130 Vielfach wird in den späteren Berichten betont, wie die Polen das Zelt von Kara Mustafa eroberten und dabei große Beute machten, während sich die deutschen Truppen an den Befehl hielten, nichts aus den Zelten zu entnehmen.131 Dieses Verhalten der polnischen Armee wurde sehr negativ aufgefasst, wobei die Beutegier allerdings auch die Stadtbevölkerung ergriff. Schon Jan Sobieski bemerkte, dass die Menschen sich nicht erklären konnten, weshalb die Osmanen all ihre Habe und Ausrüstung zurückgelassen hätten, und deshalb deren Rückkehr befürchteten.132 Er selbst scheint dieser Ansicht nicht gewesen zu sein, sondern nutzte offenbar nur die günstige Gelegenheit am Ende der Schlacht, in das prunkvolle Zelt von Kara Mustafa zu gelangen, wo er nach dem siegreichen Tag seine Nacht verbrachte. Einige, vor allem deutsche, Augenzeugen sahen ungern, dass der König in der Seide des Großwesirs schlief und sich dessen
127 Tagebuch eines Augenzeugen 1683. S. 249. 128 Acta, VI. S. 419; Kunitz, DIARIUM. S. 32; Hocke, Kurtze Beschreibung. S. 201 f. 129 Kunitz, DIARIUM. S. 32; Düriegl, Wien 1683. S. 141. 130 Välckern, WIENN. S. 92 f. 131 Suttinger, Entsatz. S. 9. Francis Taaffe: „The field was covered everywhere with all sorts of booty, our german troops marching through the middle of all this spoil, and not a soldier, either foot or horse went one step out of his rank to pillage, and we value the glory of this continence and exactness of military discipline more than all the booty of the Poles, which was incredible.“ In: Acta, VI. S. 419. 132 Ebd. S. 376.
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Reichtümer aneignete.133 Laut Jan Sobieskis Darstellung war es allerdings eher ein Zufall, dass er das Zelt des Großwesirs betreten hatte. Da er aber der Sieger und der Erste vor Ort war, nahm er sich schlichtweg das Recht, sich der Reichtümer Kara Mustafas zu bemächtigen. Jan Wimmer legitimierte die Inbesitznahme des Zeltes damit, dass es zu jener Zeit gebräuchlich war, sich als Oberbefehlshaber der wertvollsten Beutestücke zu bemächtigen. Gleichzeitig mussten die angefallenen Kosten für den eigenen Feldzug gedeckt werden.134 Ein Vorrecht, das man auf Seiten der Stadtbevölkerung und der Hilfstruppen nur widerwillig akzeptieren wollte. Die Plünderungen der türkischen Zelte sollen laut Otto Forst de Battaglia auch der Grund gewesen sein, weshalb am Folgetag die Polen ihr Lager weiter entfernt, in den Ortsteil Schwechat verlegten.135 Das Ziel soll gewesen sein, etwaigen Auseinandersetzungen zwischen Deutschen und Polen vorzubeugen. Betrachtet man hierzu die Zeitzeugenberichte, so lag die Verlegung jedoch eher am Geruch der verwesenden Leichen.136 Die unmittelbaren Ereignisse tags darauf sollen zunächst aus der Sicht der etwas später abgefassten Berichte wiedergegeben werden, da sich auf sie der überwiegende Teil der Forschungsliteratur stützt. So kann man etwa lesen, dass Jan Sobieski im Gegensatz zu den kaiserlichen und anderen deutschen Truppen und entgegen dem Wunsch Leopolds I. – der sich dieses Privileg selbst vorbehalten wissen wollte – als Erster in die befreite Stadt einzog: Als sich die Plünderungen am Morgen gelegt hatten, kamen laut Hocke „auch Ihro Königl. May. zu Pohlen sambt beeden Chur=Fürsten in Bayern und Sachsen/ wie auch der Herzog von Lothringen auß dem Lager zu der Fortification der Statt.“ Nach der Besichtigung der feindlichen Approchen, der Stadtgräben und Basteien hätten sich anschließend der Kurfürst von Sachsen und Karl von Lothringen vom König beurlauben lassen.137 Johann van Ghelen rechtfertigte des Herzogs Fehlen mit der Erteilung wichtiger Befehle zur Vorbereitung der Verfolgung der Türken.138 In der Forschung erklärte man die Zurückhaltung des Lothringers in Bezug auf den Einzug nach Wien damit, dass er Leopold I. den Vortritt lassen wollte, da er dessen Wunsch kannte, die Stadt als Erster zu betreten.139 Ein Wunsch, der wahrscheinlich unter Berücksichtigung des stren-
133 134 135 136
Ghelen, Kurtze Erzehlung. S. 58; Hocke, Kurtze Beschreibung. S. 198; Suttinger, Entsatz. S. 9. Acta, VI. S. 377; Wimmer, Der Entsatz. S. 142; Barker, Doppeladler und Halbmond. S. 318. Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 152; Stoye, Die Türken vor Wien. S. 227 f. Rauchbar, Leben und Thaten. Bd. 2. S. 271; Glaubwürdigstes DIARIUM und Beschreibung. S. 31; Wierzbowski, Królewicza dyaryusz. S. 19; Wheatcroft, The Enemy at the Gate. S. 193; Ackerl,Von Türken belagert. S. 155; Düriegel, Wien 1683. S. 146. 137 Hocke, Kurtze Beschreibung. S. 202 f.; Suttinger, Entsatz. S. 9. 138 Ghelen, Kurtze Erzehlung. S. 62; Wierzbowski, Królewicza dyaryusz. S. 19. 139 Thomas Barker spricht sich für die Unwissenheit über den kaiserlichen Wunsch bezüglich des Einzugs aus. Ders., Doppeladler und Halbmond. S. 320; Wójcik, Jan Sobieski. S. 339;
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gen Zeremoniells des Wiener Hofs als selbstverständlich angesehen werden konnte – doch in Anbetracht der jubelnden Stadtbevölkerung sowie der Abwesenheit des Kaisers und der einzigartigen Situation kann nicht ausgeschlossen werden, dass man die Retter Wiens und vor allem nicht einen König vor den Toren der Stadt warten lassen wollte. Laut Johann Peter von Välckern kam am frühen Morgen des 13. Septembers Stadtkommandant Ernst Rüdiger von Starhemberg zum Kloster Neuenburg mit der Absicht, den König zum Sieg zu beglückwünschen. Nach einer kurzen Besprechung sei der Graf in die Stadt zurückgekehrt, um „dero Triumphirlichen Eintritt die nothwendige Anstalten zu machen.“ Diese Bemerkung zeigt, dass man den Einzug des polnischen Königs abgesprochen hatte; es ist allerdings ungewiss, inwieweit man zu diesem Zeitpunkt von dem Wunsch des Kaisers, zuerst in die Stadt zu ziehen, wusste. Auch wenn Franco Cardini meint, dass Ludwig Wilhelm von Baden als Erster durch das Schottentor in Wien einzog, belegt er das ebenso wenig, wie dass man nach dieser Unterredung dem König von seinem Vorhaben abgeraten hätte.140 Die bisher in der Forschung vertretene Ansicht erscheint deshalb nicht stimmig, was auch ein kaiserlicher Brief bestätigt. Nachdem Leopold I. im Verlauf des 13. Septembers vom Sieg des Entsatzheeres erfahren hatte, schrieb er noch am gleichen Abend Marco d’Aviano von seiner Absicht, als Erster in Wien einziehen zu wollen. Die Ereignisse aber haben sich gekreuzt, während der Kaiser sich zu diesem Zeitpunkt an Bord seines Schiffes zwischen Krems und Tulln befand, war Jan Sobieski bereits in Wien eingezogen.141 Der polnische König hatte demzufolge weder wissentlich noch willentlich gegen den ausdrücklichen Wunsch des Kaisers gehandelt. Jan III. Sobieski beabsichtigte gemäß Nicolaus Hockes kurzer Beschreibung, mit seinem Sohn und dem Kurfürsten von Bayern sowie in Begleitung vieler polnischer Magnaten die Stadt zu betreten. Für den Einzug wurden die Kostbarkeiten des Großwesirs zur Demonstration des Sieges vorangetragen, während die ganze Stadtbevölkerung ihre Befreier jubelnd empfing.142 Damit war es nicht der König allein, üriegl, Wien 1683. S. 146; Vgl. Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 151; Sachslehner, Wien D anno 1683. S. 312; Stoye, Die Türken vor Wien. S. 226; Wimmer, Der Entsatz von Wien 1683. S. 213. 140 Cardini, Il Turco a Vienna. S. 337; Urbański, Tadeusz: Spotkanie Jana III. Sobieskiego z Leopoldem pod Szwechatem. Rzut oka na politykę austryacką i francuską wobec Polski w roku 1683–4 [Das Treffen von Jan III. Sobieski mit Leopold vor Schwechat. Ein Blick auf die österreichische und französische Politik gegenüber Polen im Jahr 1683/1684]. Lemberg 1908. S. 18. 141 Kretschmayr, Heinrich: Die Türken vor Wien. Stimmen und Berichte aus dem Jahre 1683. München 1938. S. 52 f.; Klopp, Corrispondenza Epistolare. S. 31; Harrach, Ein Tagebuch. S. 250. 142 Hocke, Kurtze Beschreibung. S. 203 f. Die Behauptung, dass Jan Sobieski allein in Wien eingezogen ist, stimmt demzufolge nicht, da der Kurfürst von Bayern den König begleitet hatte. Eickhoff,Venedig. S. 365; Düriegl, Wien 1683. S. 146.
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6. Das Türkenjahr 1683
der in die Stadt einzog, sondern auch der Wittelsbacher mit seinen Truppen. In den Erinnerungen des Ingenieurs Dupont ist zu lesen, dass man nach der Besichtigung der feindlichen Approchen gemeinsam mit der ganzen Armee vor der Stadt das Te Deum sang und der König mit sämtlichen Fürsten gegen 11 Uhr morgens in die Stadt einzog. Es heißt dort treffend: Si cette entrée ne fit pas pompeuse, elle fut au moins des plus touchantes par les cris et les acclamations de tous les habitants, qui étaient charmés de voir un si grand prince, accouru de si loin, pour sauver leurs biens, leur libertés et leur vies, en exposant la sienne à tant de dangers et de fatigues.143
Die Begeisterung der Stadtbevölkerung hat demzufolge einen großen Eindruck auf die Soldaten des Entsatzheeres gemacht. Auch Jan Chryzostum Pasek hielt in seinen Memoiren fest, dass die Polen in Wien mit Jubel empfangen und gefeiert wurden und dass nun, um den polnischen König zu begrüßen, sogar mehr Leute auf den Mauern standen als zuvor bei der Türkenabwehr. Die Bevölkerung habe Jan Sobie ski sehen wollen und alle hätten so laut geschrien, dass er sich die Ohren zuhalten musste. Zudem wurden die polnischen Soldaten in den Kneipen aufs Haus bewirtet.144 Es ist schwer abzuwägen, inwieweit es sich hier um eine übertriebene Darstellung handelt, da Pasek seine Informationen aus den Erzählungen der nach Polen zurückgekehrten Soldaten schöpfte. Im Diarium eines kaiserlichen Offiziers wird erwähnt, wie Jan Sobieski sich gemeinsam mit Ernst Rüdiger von Starhemberg zu den Augustinern in die Loretha Capelle begab, um dort Gott für den Sieg zu danken.145 Välckern beschreibt ausführlich, wie der König mit osmanischen Rossschweifen und einer erbeuteten Fahne zur Augustinerkirche ritt. Dort besuchte er die Heilige Messe, „nach dero Vollendung er sich vor dem Altar auff sein Angesicht warff/ und vor sich selbst das Te Deum Laudamus zu singen anfienge.“146 Dieses Verhalten soll für Empörung gesorgt haben, da man meinte, dass Jan Sobieski dadurch erneut dem Kaiser einen Schritt zuvorgekommen sei. Bei Hocke steht wiederum, dass der polnische König zuerst den Stephansdom besichtigte, wo es zu einer Oration kam. In der Augustinerkirche wurde ihm zufolge sodann die Heilige Messe gefeiert und im Anschluss daran habe der König persönlich das Te Deum angestimmt, worauf „die Pohlnische Herren und der Chorus der Patrum Augustiner/ unter Lösung alles Geschützes umb die Statt herumb/ antwortete“.147 Selbst beim Einzug in den Stephansdom kam der König 143 Dupont, Mémoires. S. 141. 144 Raczyński, Pamiętniki. S. 317 f.; Dalérac, Les Anecdotes de Pologne. S. 156. 145 Glaubwürdigstes DIARIUM und Beschreibung. S. 31. 146 Välckern, WIENN. S. 94. 147 Hocke, Kurtze Beschreibung. S. 203 f.; Ghelen, Kurtze Erzehlung. S. 62.
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dem Kaiser zuvor, wobei man dort auf einen Gottesdienst verzichtet haben soll. Hocke schreibt auch, dass man sich seitens der Bevölkerung während des Dankgottesdienstes in der Augustinerkirche beim Singen zurückhielt, als Jan Sobieski das Te Deum sang, da es ein fester Bestandteil im Kampf gegen die Türken gewesen sei und von den Polen bereits nach dem Sieg bei Chocim gesungen worden war.148 Mehrfach wird diese Lobpreisung anlässlich verschiedenster Situationen tatsächlich erwähnt. Aus den Berichten, die auf die Ereignisse in Wien Bezug nehmen, geht allerdings nicht hervor, ob man verwundert war, weil sich der König vor dem Kaiser das Recht nahm, das Te Deum zu singen, oder nicht eher Empörung darüber herrschte, dass Jan Sobieski als Laie diesen Hymnus in der Kirche anstimmte. Zur Rechtfertigung für den Ort der Messfeier berichtet Philippe Dupont, dass der Stephansdom während der Belagerung zum Krankenhaus umfunktioniert worden war und man deswegen in die Augustinerkirche ausgewichen sei, wo das Volk und die Kleriker das Te Deum nach der heiligen Messe gesungen hätten.149 Ein Großteil der Beteiligten kehrte nach dem Gottesdienst zurück ins Lager. Bei Nicolaus Hocke wurde Jakub in einen „Teutschen Habit“ gekleidet, bevor Ernst Rüdiger von Starhemberg im Anschluss in sein Haus zum Mittagessen einlud. An der Tafel saßen Jan Sobieski, der Malteserritter Hieronim Augustyn Lubomirski, Jan Gniński, der junge Kurfürst von Bayern, der kaiserliche General Alberto Caprara, der polnische Prinz, der Bruder Maria Kazimieras und als brandenburgischer Gesandter Johann Georg II. von Anhalt-Dessau.150 Letztgenannter berichtete dem Großen Kurfürsten in seinem Brief vom 13. September 1683: Der König war überaus lustig und redete kontinuirlich mit mir und sagte unter anderen, wen er eine solche armée alsz er gestern die ehre gehabt zu comandiren, zu siener disposition haben könnte, so wollte er die gantze Welt erzittern machen.151
Zudem berichtet der Fürst, wie türkische Gefangene während der Mahlzeit vorgeführt wurden und Jan Sobieski, der „perfect türckisch“ konnte, mit ihnen gesprochen habe. Er erwähnt auch die Kostbarkeiten des Wesirs, die den Polen in die Hände gefallen waren, und wie nach dem Essen der polnische König im Stephansdom betete. Im Gegensatz zu den anderen Berichten schreibt der brandenburgische Gesandte, dass der 148 Ausführliche RELATION von dem was in der Haupt=Schlacht so bey Chocim zwischen dem königlichen Polnischen und Littauischen Armeen eines Theils und dann des Erbfeindes Christlichen Nahmens anderen Theils vorgegangen […]. 1673. S. 4, 8. 149 Dupont, Mémoires. S. 141. 150 Glaubwürdigstes DIARIUM und Beschreibung. S. 31; Dyakowski, Dyaryusz. S. 62 f.; Hocke, Kurtze Beschreibung. S. 203 f.; Välckern, WIENN. S. 94. Mit den polnischen Feldherren müssten Stanisław Jabłonowski und Mikołaj Hieronim Sieniawski gemeint sein. 151 Acta, VI. S. 384.
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Besuch des Stephansdoms im Anschluss stattgefunden habe. Da dieser Brief noch am selben Tag verfasst wurde, ist davon auszugehen, dass diese Information am wahrheitsgetreusten ist.152 Diese Beschreibung zeugt nicht nur von dem tiefen Respekt vor dem König und vor dessen Vielseitigkeit, sondern zeigt auch die persönliche Sympathie, die der Fürst von Anhalt für ihn hegte. Insgesamt verbesserte diese Begegnung das Verhältnis zu Brandenburg, zumal Jan III. Sobieski am 14. September den Großen Kurfürsten über den Erfolg vor Wien unterrichtete und am Ende seines Briefes diesen erstmalig als seinen bonus frater et Cognatus bezeichnete – womit sein Gram über die Hochzeit des Kurprinzen mit der litauischen Prinzessin sichtlich verebbt zu sein scheint.153 Vielleicht weil sie nicht zugegen waren, erwähnen die beiden Zeitzeugen Le Bègue und Taaffe den Einzug in Wien und den dortigen Aufenthalt des Königs nicht. Marcin Kątski gibt die polnische Sichtweise wieder, derzufolge man auf deutscher Seite eingeräumt habe, dass fast nur Polen an der Schlacht beteiligt waren, weil durch die sich überstürzenden Ereignisse die deutschen Regimenter fast gar nicht zum Einsatz gekommen seien.154 Auch wenn dies nicht der Wahrheit entsprach, lässt sich sagen, dass sich die Wiener Stadtbevölkerung der Verdienste der Polen bewusst gewesen ist. Abgesehen von dem allgemeinen Jubel, der den Befreiern Wiens entgegenschlug, nahm jedoch der polnische König wahr, dass man sich beim Hochruf zurückhielt. Jan Sobieski schrieb, dass sich die Bevölkerung ambivalent verhalten habe: Auf der einen Seite bejubelte man ihn in der Stadt, küsste ihn und bezeichnete ihn als Retter Wiens. Einige Bewohner sollen ihm auch Vivat zugerufen haben. Auf der anderen Seite hatte er den Eindruck, dass diese Ausrufe teilweise unterdrückt wurden und man sich seltsame Blicke zuwarf, die seiner Meinung nach deutlich machten, dass eigentlich einzig dem Kaiser dieser Vivat-Ruf zustand.155 Allerdings ist der Jubel der Befreiten nachvollziehbar; die Menschen in der Stadt waren von der zweimonatigen Belagerung gezeichnet. Marcin Kątski berichtet über die katastrophalen Zustände in Wien, über Krankheiten und Hunger, und dass sich die Stadt nicht mehr länger als noch drei Tage hätte halten können.156 Zusammenfassend lässt sich aus den oben zitierten Berichten schließen, dass zumindest einige Zeitzeugen dem König mit seinem Einzug ein Fehlverhalten unterstellten.
152 Ebd. Siehe dazu Sachslehner,Wien anno 1683. S. 312. Bezüglich Sobieskis Sprachkenntnissen auch Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 61; Barker, Doppeladler und Halbmond. S. 57. 153 Acta, VI. S. 387 f. Siehe auch das Glückwunschschreiben des Großen Kurfürsten vom 24. September 1683: Ebd. S. 421. Durch diese Annäherung wird auch nachvollziehbarer, weshalb Friedrich Wilhelm dem polnischen König in den späteren Kampfeshandlungen Truppen schickte. Opgenoorth, Friedrich Wilhelm. Bd. 2. S. 242. 154 Acta, VI. S. 596. 155 Ebd. S. 379 f.; Düriegl, Wien 1683. S. 146. 156 Acta, VI. S. 596. Siehe auch den Brief vom 22. September 1683 von Francis Taaffe an seinen Bruder in: Ebd. S. 420; Dyakowski, Dyaryusz. S. 56; Ackerl,Von Türken belagert. S. 155.
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Eine völlig andere Darstellung der Ereignisse – um ein möglichst genaues Bild nach dem Entsatz zu zeichnen – bietet erstaunlicherweise der bis dato in Kon stantinopel als kaiserlicher Diplomat residierende Georg Christoph von Kunitz. Er schrieb in seinem Tagebuch, wie der polnische König mit den Kurfürsten von Bayern und Sachsen samt anderer hoher Persönlichkeiten „in Wien glücklich“ angekommen sei. Ihm zufolge war der Kaiser am Folgetag hinzugekommen, und sie alle hätten gemeinsam das Te Deum gesungen und sowohl Musketen als auch Kanonen in der Stadt abfeuern lassen. Die Kurfürsten hätten daraufhin beim Kaiser gastiert, während der polnische König „eilends zur Armee gieng/ weil sich die Türcken wieder zu wenden schienen.“157 Das entspricht einem Ablauf der Ereignisse, der so in der Realität nie stattgefunden hat, aber zugleich demonstriert, wie man sich denselben möglicherweise gewünscht hätte. Über den Sieg vor Wien wurde Leopold I. durch den Abt Michael Antonius Hacki und Jan Sobieskis Sekretär Tommaso Talenti unterrichtet. Aus Dürnstein übersandte der Kaiser am Tag nach der Schlacht dem polnischen König ein Glückwunschschreiben, in dem er ihm für seine Hilfe dankte, die zu diesem Sieg geführt habe.158 Noch am gleichen Tag bereitete sich der Hof auf die Reise zur kaiserlichen Residenzstadt vor. In den deutschen Berichten stellen sich die Ereignisse vom 14. September 1683 wie folgt dar: Der Kaiser habe Wien per Schiff gegen Mittag erreicht, wo er von den deutschen Fürsten und der Bevölkerung empfangen wurde. Im Anschluss daran habe er die türkischen Approchen besichtigt und dann einer Messe im Stephansdom beigewohnt, wo allerdings der Bischof von Neustadt an seiner Stelle das Te Deum angestimmt habe. Daraufhin habe Leopold I. die Hofburg aufgesucht, wo er bis in die Nacht Audienzen gab.159 Johann van Ghelen fügt hinzu, dass Mond und Stern auf der Spitze des Stephansdoms aus der Zeit Süleymāns I. des Prächtigen auf Bitten des Bischofs von Wien und auf Befehl Kaiser Leopolds am 13. September entfernt und durch das Kreuz ersetzt wurden. In den späteren polnischen Berichten bei Dupont und Dalérac wird das Zeichen Süleymāns ebenfalls erwähnt, allerdings im Kontext mit Jan Sobieski. Laut Philippe Dupont soll der polnische König auf einen Halbmond aufmerksam geworden sein und während des Mittagessens bei Starhemberg verlangt haben, den Umsturz von der Turmspitze zu sehen. Laut François Dalérac war Jan Sobieski bereits am Vortag ein Halbmond auf dem Stephansdom aufgefallen, der als Zeichen der Muslime gedeutet wurde und gegen „la gloire du Roy de Pologne“ sei.160 Auch wenn beide Erzählungen nicht die 157 Kunitz, DIARIUM. S. 32. 158 Acta, VI. S. 386. 159 Välckern, WIENN. S. 95; Glaubwürdigstes DIARIUM und Beschreibung. S. 32; Ghelen, Kurtze Erzehlung. S. 62; Düriegl, Wien 1683. S. 146. 160 Ghelen, Kurtze Erzehlung. S. 62; Dalérac, Les Anecdotes de Pologne. S. 157 f.; Dupont, Mémoires. S. 141.
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Wahrheit wiedergeben, zeigt es, dass jeweils von habsburgischer als auch von polnischer Seite versucht wurde, die Abnahme von Mondsichel und Stern als Verdienst des Kaisers beziehungsweise des polnischen Königs darzustellen.161 Le Bègue erwähnt, dass bei der Zeremonie im Stephansdom weder der König noch der Herzog von Lothringen zugegen waren. Stattdessen sollen sich beide bei ihren Armeen aufgehalten haben, um die Verfolgung der Türken vorzubereiten.162 Der polnische Artillerist Kątski berichtet, wie der Kaiser direkt nach der Ankunft in Wien unter anderen mit den Kurfürsten von Bayern und Sachsen in den Stephansdom gegangen sei, wo das Te Deum gesungen wurde. Währenddessen hatte der König von Polen mit seiner Armee das Lager weiter nach außen verlegt und blieb während der großen Festlichkeiten bei den Seinigen.163 Allerdings schrieb Jan S obieski seiner Frau, dass Leopold I. ihn nicht zu sehen wünsche, was ihm selbst auch gelegen käme, da ihn ein solches Zeremoniell nicht reize, über das er nicht einmal informiert worden sei.164 Der polnische König scheint vom Kaiser ein anderes Verhalten erwartet zu haben und deutet in diesem Brief an Maria Kazimiera seine Verstimmung an, dass ihn der Habsburger vom offiziellen Empfang ausgeschlossen habe. Jan III. Sobieski schickte deswegen Jan Gniński zum Kaiser. Er tat im Namen des polnischen Königs kund, wie der Sieg in Zusammenarbeit mit den durchlauchtigsten Kurfürsten, Fürsten, Heerführern, Generälen und allen Heeren, doch insbesondere durch die unbesiegte, befehlende Hand des Kaisers errungen wurde, wozu der König ihn beglückwünsche. Nachdem Jan Sobieski dem Papst eine osmanische Fahne geschickt hatte, legte er Leopold I. ein Banner des Machometici Imperii zu Füßen und kündigte seine Absicht an, noch weitere Siege in Ungarn zu erringen. Der stolze Orient solle laut dem von Jan Gniński verlesenen königlichen Schreiben den Kaiser nicht unterschätzen und das Haus Habsburg werde mit der Nachkommenschaft des ersten Leopolds bis zum Ende der Zeiten herrschen. Zuletzt bat Jan Sobieski, die siegreiche Rechte des Kaisers küssen zu dürfen.165 Nach einer derartig 161 Mondsichel und Stern, die tatsächlich den Stephansdom schmückten, standen eigentlich für die Repräsentierung der geistlichen und weltlichen Macht. Seit der Ersten Türkenbelagerung verband man dieses Symbol mit dem Islam. Abgenommen wurde es schließlich im Jahr 1686 zum Fest der Kreuzerhöhung. Ertl, Birgit [u.a.]: Sonne und Mond. Die Turmbekrönung am Stephansdom zwischen den zwei Türkenbelagerungen. In: Wiener Geschichtsblätter. Bd. 52 (1997). S. 65; Opll, Ferdinand: Die Wiener Türkenbelagerungen und das kollektive Gedächtnis der Stadt. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien. Bd. 64/66 (2008/2009). S. 171. Über die historiografische Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Symbolen siehe: Chartier, New Cultural History. S. 198. 162 Le Bègue, Récit. S. 41. 163 Acta, VI. S. 597. 164 Ebd. S. 381. 165 BCzart. Rkps. 3241 (Mf. 12630). Nr. 3. S. 61 f. Ein Kuss bedeutete die höchste Ehrerweisung, die Ergebenheit symbolisiert, für einen König jedoch nicht angemessen war. Bély, Das Wissen über das diplomatische Zeremoniell. S. 152.
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unterwürfigen Nachricht sollte es schließlich doch noch zu einem Zusammentreffen der beiden Monarchen außerhalb der Stadt im Lager der Polen kommen. Eine Begegnung, die sowohl von Zeitzeugen als auch seitens der Forschung nicht kon troverser und vielfältiger hätte dargestellt werden können. Dalérac schrieb in seinen späteren Aufzeichnungen: „Aprés que l’Empereur fut arrivé à Vienne, il fit dire au Roy de Polgne qu’il desiroit passionnément de le voir, pour le remercier lui-même du service qu’il venoit de lui rendre; ce qui n’est pas fort difficile à croire.“166 Dazu merkt er an, dass der König den Kaiser nicht hätte sehen wollen.167 Hier werden die Tatsachen vertauscht, um die Würde Jan Sobieskis zu wahren. Ein ähnlicher Versuch wird auch in späteren Berichten erkennbar. Nach Johann van Ghelen traf der Kaiser am 15. September den König in Schwechat, wo beide Herrscher auf freiem Feld eine Viertelstunde miteinander gesprochen hätten. Die Polen seien im Anschluss daran zur Verfolgung der Türken abmarschiert. Er schrieb des Weiteren: Diese [polnischen] Trouppen bestunden aus einem wackern und wohlmotivirten Volck/ so/ nach ihrer Art/ mit allerhand Waffen gerüstet/ und mit guten und köstlichen Pferden versehen war. Ein jedweder trug ein Zeichen von Stroh auf seinem Haupt/ damit sie sich einander unter den Türcken erkennen mochten.168
Insgesamt zeichnet Ghelen ein recht positives Bild der Polen und auch ein gutes beidseitiges Verhältnis zwischen Kaiser und König. Ähnlich schreibt Johann Peter von Välckern, dass ein Gesandter Jan Sobieskis den Kaiser über des Königs selbstloses Handeln zur Befreiung Wiens informierte. Die Stadt soll so sehr von Not gezeichnet gewesen sein, dass man Leopold I. davon fernhalten wollte und ihm vorschlug, stattdessen die Armee zu besichtigen. Der Kaiser habe daraufhin den König persönlich treffen wollen und sei zuerst zum deutschen Lager und dann nach Schwechat zu dem der Polen geritten. Als beide Monarchen mit ihrem jeweiligen Gefolge aufeinandertrafen, begrüßten sie sich zu Pferd. Leopold soll sich auf Latein für die Hilfe bedankt haben. Zudem habe er betont, dass auch die ganze Christenheit für den Entsatz dankbar sei, „wodurch er Ihme [Jan Sobieski] einen unsterblichen Ruhm und Glori bey der Nachwelt erworben habe.“ Der König habe daraufhin dem Kai166 Dalérac, Les Anecdotes de Pologne. S. 162. 167 Ebd. S. 163. 168 Ghelen, Kurtze Erzehlung. S. 63. Eine zeitgenössische Zeitung ließ das Bild eines Mannes auf seinem Pferd drucken, der mit Flügeln am Rücken und an seinem Schild sowie mit einem Leopardenfell dargestellt wurde. Der Flügel und das Fell sind die typischen Kennzeichen für Jan Sobieskis Flügelhusaren, allerdings hieß der Titel des Bildes „ein muslimischer Reiter.“ Es ist davon auszugehen, dass man die polnischen Reiter von den Osmanen nicht unterscheiden konnte, beziehungsweise ein türkischer Deli den Polen durch seine Ausrüstung ähnlich aussah. Die Abb. in: Broucek (Hg.), Der Sieg bei Wien. S. 25.
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ser gratuliert und seine beabsichtigte Verfolgung der Osmanen angekündigt, sobald sich die Soldaten und Pferde erholt hätten. Daraufhin soll Prinz Jakub zu Leopold geritten sein und nach dem Wink seines Vaters die kaiserliche Hand geküsst haben. Beide Herrscher seien nach diesem Akt der Freundlichkeit voneinander geschieden. Graf Franz Maximillian von Mollard sei nach der kaiserlichen Rückkehr in die Stadt ins polnische Lager geschickt worden, um erneut sein Kompliment an Jan Sobieski auszurichten und dessen Sohn einen diamantenbestückten Degen zu überreichen.169 Välckerns Darstellung zeigt hier einen dankbaren Kaiser, der voll des Lobes und großzügig gegenüber den Polen war – doch wie sich im Folgenden herausstellen wird, verlief das Zusammentreffen leider anders. In dem zeitnäheren Bericht von Le Bègue berichtet dieser ebenfalls, wie der Kaiser wünschte, die Armee und den polnischen König zu sehen. Dafür verließ er bereits um 9 Uhr morgens die Stadt und ritt zunächst zu den deutschen Regimentern und daraufhin nach Schwechat. Jan Sobieski kam im Gefolge eines Teils seiner Armee und jegliches Zeremoniell vermeidend dem Kaiser entgegen. Leopold habe zuerst mit ihm auf Latein gesprochen, ihm für seine Hilfe gedankt und den König für dessen Führung und den Wert seiner Truppen gelobt. Jan Sobieski habe ihm daraufhin wenig geantwortet und dem Kaiser lediglich berichtet, dass der Herzog von Lothringen als Erster in der Schlacht gekämpft und auch als Erster in das Lager der Türken vorgedrungen sei.170 Erneut wird bei Le Bègue damit Karl von Lothringen als entscheidende Persönlichkeit genannt. In seinem Récit vermerkt er hingegen ganz kurz, dass der König an der Spitze seiner Husaren dem Kaiser entgegengeritten sein soll und sie sich nach einigen obligatorischen Worten voneinander trennten, ohne vom Pferd gestiegen zu sein.171 Vergleicht man hierzu die polnischen Berichte, so wird eine ganz andere Darstellung der Geschehnisse geschildert. Nur in der späteren Erzählung von François Dalérac steht, wie schockiert der König über die Gleichgültigkeit des Kaisers gegenüber seinem Sohn Jakub war und wie Leopold in den Folgetagen alles versucht haben soll, um diese Kränkung wiedergutzumachen.172 Davon, dass der Kaiser sein schroffes Verhalten bedauerte, sagen allerdings die zeitnahen Berichte nichts. Marcin Kątski beschreibt, wie der Habsburger nach seiner Ankunft erst am darauffolgenden Tag den König begrüßte. Er vermerkt knapp, dass Leopold I. dabei auf seinem Pferd gesessen habe und die Begegnung auf freiem Feld vor dem polnischen Lager 169 Välckern,WIENN. S. 98–101. Auf diese Darstellung der Ereignisse beziehen sich: Sturminger, Die Türken vor Wien. S. 384 ff.; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 160; Gerhartl, Belagerung. S. 31. 170 Le Bègue, Le Journal. S. 104. 171 Ders., Récit. S. 41. 172 Leopold I. soll Geld und Jakub einen Brief geschickt haben.: Dalérac, Les Anecdotes de Pologne. S. 164 f.
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stattfand. Man habe sich gegenseitig gratuliert, woraufhin der Kaiser die polnischen Regimenter besichtigte, die sich aber vom kaiserlichen Hochmut gekränkt fühlten, denn außer vor Jan Sobieski habe der Habsburger vor niemandem den Hut gezogen und ihnen gegenüber keinerlei Dankbarkeit an den Tag gelegt.173 Die Soldaten nahmen in Hinblick auf die Begegnung ihres Königs kein ungerechtes Verhalten Leopolds I. wahr, lediglich der polnische Prinz Jakub Sobieski schrieb in seinem Diarium über die Begegnung mit dem Habsburger davon, dass er nicht recht wusste, ob die schulterlangen Hutfedern des Kaisers dessen Sicht versperrten oder die Angst, vom Pferd zu fallen, ihn abgehalten habe, ihm die Hand zu reichen.174 Hier wird seine Verbitterung darüber deutlich. Gleichzeitig wird sichtbar, welch eine Bedeutung solch kleinen Gesten für die Anwesenden beigemessen wurde.175 Jan Sobieski schrieb Maria Kazimiera, dass ihm bei der Aushandlung des Zeremoniells am Vorabend durch Christoph Leopold Schaffgotsch mitgeteilt worden sei, Leopold I. könne ihm nicht die Hand reichen. Daraufhin habe der polnische König vorgeschlagen, wie man sich begegnen könne, und zwar jeweils an der Spitze des eigenen Gefolges. Der Kaiser erschien daraufhin in Begleitung des Kurfürsten von Bayern – da der von Sachsen aus bis dato unbekannten Gründen bereits abgereist war.176 Die Begrüßung beschrieb Jan Sobieski als durchaus freundlich; auch erwähnt er, dass er dem Kaiser auf Latein Komplimente machte und dieser ihm mit gesetzten Worten geantwortet habe. Daraufhin habe er Leopold seinen Sohn vorgestellt, der auf den Habsburger zuritt und sich vor ihm verneigte. Der polnische König zeigte sich allerdings empört darüber, zu sehen, dass der Kaiser vor seinem Sohn nicht einmal mit der Hand an den Hut griff. Jan Sobieski fügt hinzu, des guten Tons wegen habe er noch ein paar Worte mit dem Habsburger ausgetauscht. Dann hätten sie sich beide voreinander verbeugt und er sich entfernt, während Leopold I. auf dessen eigenen Wunsch hin von einem Wojewoden durch das polnische Heer geführt wurde. Auch schrieb der König an seine Frau, dass während der Besichtigung die Polen sehr enttäuscht waren. Nach Jan Sobieski hätten sich die Soldaten bei ihm darüber beklagt, dass Leopold vor ihnen als Dank für all die ausgetragenen Mühen und die Verluste, die sie hatten 173 So heißt es laut Marcin Kątski: „[Cesarz] Obiechał potym w szyku wszystkie Chorągwie, których nieco pycha Austryacka uraziła, bo okrom Króla przed nikim zgoła nie zdiął kapelu sza“ [(Der Kaiser) umritt daraufhin prunkvoll alle Formationen, die etwas verletzt waren von dem österreichischen Hochmut, weil er bis auf den König vor niemandem den Hut zog]. In: Acta, VI. S. 597. 174 Wierzbowski, Królewicza dyaryusz. S. 20. 175 Dazu Dinges, Neue Kulturgeschichte. S. 189; Stollberg-Rilinger, Rituale. S. 11. 176 Es heißt, der sächsische Kurfürst sei nach einer Unterredung mit dem Kaiser abrupt aufgebrochen. Ackerl, Von Türken belagert. S. 158; Düriegl, Wien 1683. S. 147. Das von Jan Sobieski und Christoph Schaffgotsch geplante Herrschertreffen zeigt, dass sich beide Parteien um eine einvernehmliche Lösung bemühten. Mehr zu ihrer rituellen Bedeutung siehe in: Stollberg-Rilinger, Rituale. S. 133 ff.
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hinnehmen müssen, nicht einmal den Hut gelüftet habe. Außerdem habe sich nach diesem Herrschertreffen alles noch verschlechtert und der König empfand es als ungerecht, dass man die Polen nunmehr so behandele, als hätte man sie nie gekannt. Er bemerkte verärgert, dass seine Soldaten weder von kaiserlicher noch von kirchlicher Seite mit Proviant versorgt wurden, stattdessen seien sie sogar beschossen und teilweise ihrer Habseligkeiten beraubt worden. Im Gegensatz zu Johann van Ghelen, der die stattlichen polnischen Pferde lobte, konnte Jan Sobieski nur noch seine hungernden Rappen beklagen. In seinem Brief vom 12. September 1683 an Maria Kazimiera berichtete er, dass die Pferde ausschließlich die Blätter von den Bäumen fressen konnten und man ohne Proviant auskommen musste.Verbittert schrieb er auch, dass man seine Gefallenen ungeachtet ihrer Leistung in undankbarer Weise auf offenem Feld neben den Heiden begraben musste.177 Diese Darstellung zeichnet den Kaiser in äußerst negativer Weise; er sei undankbar und beleidigend gewesen. In der Forschung heißt es bisweilen, dass Leopold den Sieg Jan Sobieskis aus Angst vor der Möglichkeit, Polen-Litauen könnte territoriale Ansprüche in Ungarn stellen, herunterzuspielen versuchte.178 Zudem soll er dem Königssohn deshalb so wenig Beachtung geschenkt haben, um nicht die Hoffnung zu wecken, er beabsichtige womöglich, ihm seine Tochter Maria Antonia zur Frau zu geben. Laut einem Schreiben vom 20. März 1683 an den Habsburger Gesandten in Bayern, Dominikus Kaunitz-Rittberg, heißt es bereits, dass sich der Kaiser bezüglich der Kandidaten für die anstehende Hochzeit seiner Tochter in einem Dilemma befand. Darin steht auch, dass Leopold „des [polnischen] Königs Durchlaucht die wünschende satisfaction in diesen Werke gerne gönnten“ und er durch die Gespräche mit Kurbayern eine Lösung zu finden gedachte.179 Letztendlich verblieb der Kaiser dabei, die Ehe mit einer Dame aus seinem Haus Jan Sobieski in Aussicht zu stellen, ohne konkret einen Namen zu nennen. Dabei hatte der Warschauer Hof schon im Frühjahr 1683 über die kaiserliche Absicht, die junge Herzogin mit dem Kurfürsten von Bayern verheiraten zu wollen, gewusst.180 Außerdem scheint Leopold I. davon ausgegangen zu sein, dass Jakub Sobieski durch dessen bereits am 7. Dezember 1682 erfolgte Aufnahme in den Orden vom Goldenen Vlies genügend Ehre zuteil geworden sei.181 Weiterhin wurde spekuliert, dass man seitens Habsburgs ein Zusammentreffen in der zerstörten Stadt vermieden habe, um nicht an Ansehen zu verlieren.182 177 178 179 180 181
Acta, VI. S. 375, 397–406. So in: Wimmer, Der Entsatz von Wien 1683. S. 213; Ackerl,Von Türken belagert. S. 159 f. HHStA, GSR 105. S. 134 f. UA, 22. S. 100. Das Haus Österreich und der Orden vom Goldenen Vlies. Hg. v. d. Ordenskanzlei. Graz [u.a.] 2007. S. 178. 182 Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 192 f.; Düriegl,Wien 1683. S. 147; Ackerl,Von Türken belagert. S. 159 f.; Barker, Doppeladler und Halbmond. S. 323; Eickhoff,Venedig. S. 366;Wimmer,
6.2 Von Angesicht zu Angesicht: Die Ereignisse nach dem Entsatz
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Im Wiener Zeremonialprotokoll heißt es, dass vor dem Zusammentreffen des Kaisers mit den Polen Kurfürst Max Emanuel von Bayern vor dem Augustinerkloster zum Gruß seinen Degen entblößte und eine „tiffe Reverenz“ vor Leopold I. machte. Mit dem Wittelsbacher im Gefolge sei der Habsburger dem polnischen König in Schwechat entgegengeritten, der zum Gruß die Musketen abfeuern ließ, und beide hätten ihre „Häubter ganz freundlich in beyseyn eines unzähligen adels von vielen hofstaaten“ entblößt.Weiter heißt es, nachdem der Kaiser für die „der ganzen Christenheit geleistete Assistenz in Entsetzung dero Residenzstadt“ sich bedankt und Jan Sobieski ihm daraufhin gratuliert hatte: „[So] ritt der königliche Printz auf seines Vattern gegebnenen Winkh hinzu, und küssten Ihrer Kayserlichen Mayestät die Hand, die Ihme dagegen allen geneigten gnädigen Willen und Affection erzeigten.“183 Hans Urbanski merkte hierzu an, dass diese unerwartete und unkonventionelle Situation Leopold I. „aus dem Konzept“ brachte. Er war nicht in der Lage, sie für eine „vätterliche Geste“ auszunutzen, um die Sympathie der Polen zu gewinnen. Urbanski bezeichnet das Protokoll ebenfalls als Wiedergabe der Fakten,184 jedoch weist die Bewertung des Handkusses – mit dem die Beschreibung auch schon endet – auf eine spätere, politische Idealisierung der Geschehnisse hin, da dieser Akt bei den bereits gezeigten Zeitzeugenberichten eben nicht stattfand.185 Somit macht die Vielzahl der Beschreibungen die Schwierigkeit deutlich, abzuwägen, inwieweit diese beschönigt wurden und wie das Zusammentreffen tatsächlich stattfand. Ob sich der Kaiser bewusst unfreundlich reserviert verhielt oder sein distanziertes Verhalten lediglich negativ von Jan Sobieski wahrgenommen wurde, lässt sich anhand der Quellen nicht eindeutig bestimmen.186
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Der Entsatz. S. 170; Ders., Der Entsatz von Wien 1683. S. 213; Wheatcroft, The Enemy at the Gate. S. 193. Siehe das Zeremonialprotokoll vom 15. September 1683 in: HHStA, OMeA ÄZA 14. Urbanski, Karl von Lothringen. S. 145 f. Über die Versuche der politischen Dezimierung von Jan Sobieskis Verdienst und der Aufwertung des kaiserlichen Wirkens: Goloubeva, The Glorification. S. 126–128, 140, 208 f. Naheliegend wäre es – folgt man der Annahme von Barbara Stollberg-Rilinger, alle zeremoniellen Zusammenkünfte wurden detailliert festgehalten –, dass es ein weiteres Protokoll gegeben haben muss, das aus der Hand Schaffgotschs stammen müsste. Stollberg-Rilinger, Rituale. S. 134. Wiederum hatte Tadeusz Urbański in seiner Darstellung die kalte Art des Kaisers während des Zusammentreffens gegenüber Jakub Sobieski bemängelt, die selbst während der weiteren Feldzüge in Ungarn von den Polen beklagt wurde. Ders., Spotkanie. S. 19; Sauer (Hg.), Rom und Wien. S. 157. Über die Problematik in der Geschichtswissenschaft bezüglich der Wirklichkeit in Texten siehe: Chartier, Roger: New Cultural History. In: Kompass der Geschichtswissenschaft. Hg. v. Joachim Eibach [u.a.]. Göttingen 2002. S. 198; Dinges, Neue Kulturgeschichte. S. 190.
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6. Das Türkenjahr 1683
Betrachtet man nun das Schreiben Leopolds I. vom 15. September 1683 an seinen Beichtvater Marco d’Aviano, so erweckt es den Eindruck, dass sich der Habsburger in keinerlei Weise irgendeines Fehlverhaltens bewusst war. Darin heißt es, dass er über die Zusammenkunft mit Jan Sobieski sehr zufrieden war und er sich umgekehrt das gleiche Wohlgefallen vom König erhoffe. Er bezeichnete sein Treffen sogar als einen Grundstein für das Wohl der Christenheit.187 In Anbetracht dessen hatte der Kaiser offenbar eine ganz andere Wahrnehmung der Begegnung, die seiner Ansicht nach in keiner Weise negativ verlief, sondern von seinem Umfeld falsch verstanden wurde. Auch findet sich in dem kaiserlichen Schreiben an seinen Beichtvater kein Hinweis darauf, dass er eine schlechte Meinung über Jan Sobieski gehabt hätte. Die zuvor zitierten Berichte der kaiserfreundlichen Autoren scheinen das Fehlverhalten gegenüber den Polen mit ihren Relationen kaschieren und das Missverständnis damit aus der Welt räumen zu wollen. Ohne jegliches Feingefühl zeigt es aber auch die Fehleinschätzungen und mangelnden Menschenkenntnisse des Kaisers, die er bereits in der Diskussion um den Oberbefehl demonstriert hatte.188 Weitaus positiver war das Verhältnis des bayerischen Kurfürsten zu Jan III. Sobie ski. Als der Entsatz am 12. September 1683 geglückt war und die besiegten Türken in die Flucht geschlagen wurden, wich, im Gegensatz zu Johann Georg III. von Sachsen und Karl V. von Lothringen, der junge Maximilian Emanuel dem polnischen König nicht von der Seite und begleitete ihn bekanntlich beim Einzug in Wien.189 Inwieweit er die Geschehnisse dort selbst wahrnahm, ist hingegen nicht überliefert. Lediglich eine kurze Bemerkung in seinem Brief vom 13. September 1683 lässt darauf schließen, dass der junge Wittelsbacher durch die Anwesenheit des Königs, des Kurfürsten von Sachsen und anderer Fürsten gänzlich vereinnahmt wurde, weshalb es ihm an Zeit fehle, selber ausführlich zu berichten.190 Aus diesem Grund lieferte sein Leutnant einen ausführlichen Bericht über die Geschehnisse, der aber offenbar verloren gegangen ist. Im kurfürstlichen Schreiben berichtet Max Emanuel stolz seinem Onkel Maximilian Philipp, dass er in eigener Person am Entsatz teilgenommen habe, wie der Angriff mit dem König und allen Fürsten im Einklang beschlossen und die Hauptstadt an einem Tag vor den Türken gerettet wurde.191 Deutlich ist die
187 Knopp, Corrispondenza Epistolare. S. 31 f.; Kretschmayr, Die Türken vor Wien. S. 61 f.; Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 192. 188 Über das fehlende Feingefühl und die menschliche Inkompetenz seitens Leopolds I. siehe: Forst de Battaglia, Jan Sobieski. S. 191; Urbanski, Karl von Lothringen. S. 146 f. Andererseits wird Leopolds Verhalten damit verteidigt, dass er sich von dem Einzug Jan Sobieskis verletzt und übergangen fühlte. Goloubeva, The Glorification. S. 128; Spielman, Leopold I. S. 104 f. Mehr zu rituellen Missverständnissen siehe Stollberg-Rilinger, Rituale. S. 143. 189 Acta, VI. S. 384. 190 BHStA, K. Schw. 8027. S. 100. 191 Ebd. S. 99.
6.2 Von Angesicht zu Angesicht: Die Ereignisse nach dem Entsatz
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Euphorie des jungen Kurfürsten in diesen Zeilen zu spüren, die seine Begeisterung für den Kampf gegen den „Erbfeind“ schürte. Sie veranlasste ihn, sein Wort zu halten, dem polnischen König zu folgen192 und sich mit der kaiserlichen Armee unter Ernst Rüdiger von Starhemberg und Karl V. von Lothringen in den nächsten Wochen der Verfolgung der Osmanen nach Ungarn anzuschließen. Zuletzt soll an dieser Stelle die Wahrnehmung Johann Georgs III. von Sachsen wieder aufgegriffen werden. Wie bereits erwähnt, wurde der Kurfürst vor seiner Heimreise von Jan Sobieski reich beschenkt. Sympathie zwischen den beiden bestand schon vorher und wurde dem polnischen König auch von anderen Lutheranern zuteil: Nach dem Sieg vor Wien feierten die evangelischen Sachsen einen Gottesdienst im türkischen Lager. Obwohl Pastor Jakub Heden, der die Predigt hielt und sie 1684 veröffentlichte, den katholischen König pries und dazu aufrief, als Christen gemeinsam die Osmanen zu vernichten,193 zogen sich die Sachsen zurück. Weshalb der sächsische Kurfürst ohne Abschied in seine Heimat zurückkehrte, ist bis heute ein ungelöstes Rätsel. In der Forschung geht man zumeist davon aus, dass Johann Georg sich wegen seines Glaubens von Leopold I. schlecht behandelt fühlte und deshalb gekränkt war.194 Detlef Döring vertritt die Meinung, dass sich der Kurfürst – neben konfessionellen Differenzen – um seinen Anteil an Ruhm und Beute vom Kaiser betrogen fühlte und es außerdem Unstimmigkeiten wegen der Gewährung von Winterquartieren195 gegeben habe. Nach dem bereits erläuterten Brief Jan Sobieskis an seine Gemahlin war es allerdings zu einem persönlichen Abschied zwischen König und sächsischem Kurfürsten gekommen.Von Maximilian II. Emanuel verabschiedete sich Johann Georg III. in seinem Brief vom 15. September 1683. Darin schreibt der Sachse lediglich, dass er „wegen zugestoßener Unpäßligkeit“ seinen Rückweg von Wien genommen habe. 192 Acta, VI. S. 181. Der Vormarsch nach Ungarn wurde erst durch längere Diskussionen mit Lothringen und Starhemberg erreicht. Letztere mussten den Elan des jungen Kurfürsten beschwichtigen und konnten dessen Wunsch, eigene Feldzüge zu führen, in Anbetracht der geschwächten Truppen nicht nachkommen. Siehe dazu Junkelmann, Marcus: Kurfürst Max Emanuel von Bayern als Feldherr. München 2000. S. 51. 193 Heden, Jakub Christian: Demüthigstes Danck- und Lob-Opffer […]. 1684. S. 9 ff.; Ackerl, Von Türken belagert. S. 156 f.; Cardini, Il Turco a Vienna. S. 325; Wheatcroft, The Enemy at the Gate. S. 190. 194 Flathe, Johann Georg III. S. 384; Ackerl, Von Türken belagert. S. 158; Düriegl, Wien 1683. S. 147. Thomas Barker behauptet sogar, dass Leopold dem Kurfürsten von Sachsen zu wenig Beachtung in der Frage um die ungarischen Protestanten schenkte und dieser deshalb beleidigt abzog. Ders., Doppeladler und Halbmond. S. 322. Wahrscheinlicher scheint jedoch Hans-Joachim Böttchers Theorie, dass der Kurfürst abzog, weil ihm großartige Versprechungen für das am 10. Juli 1683 geschlossene Bündnis und seinen Einsatz in Wien gemacht worden waren, diese jedoch nicht erfüllt wurden. Ders., Die Türken. S. 73, 98, 101. 195 Döring, Johann Georg III. S. 165.
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6. Das Türkenjahr 1683
Er bedauere zudem, dass dies ihn davon abgehalten habe, sich von dem jungen Wittelsbacher in eigener Person zu verabschieden, weshalb er auf diesem Wege Gottes Segen für den weiteren Marsch nach Osten und militärischen Erfolg wünsche.196 Auch wenn diese Zeilen nicht sehr aufschlussreich zu sein scheinen, lässt sich zumindest herauslesen, dass seine Entscheidung nicht aus eigenem Willen getroffen wurde. Einen Monat später erhielt der Kurfürst von Sachsen eine Beschwerde vom Kaiser, jedoch nicht wegen seines plötzlichen Abzugs. Brandschatzung und Zerstörung auf kaiserlichem Boden durch seine Armee waren der Anlass.197 Der Rückmarsch hatte nämlich weitaus länger gedauert und war geprägt vom Raub zahlreichen Viehs und von der Verwüstung von Städten in Mähren, vor denen selbst die Kirchen nicht verschont blieben. In größter Empörung zählt Leopold I. die Taten der sächsischen Armee auf und fordert Entschädigung – eine dissordre, über die der sächsische Kurfürst vermeintlich keine Kontrolle hatte.198 Es zeigt die Wut der Sachsen über die katholische Kirche und mangelnde Lebensmittelversorgung, die mit den Übergriffen vergolten wurde. Im Gegensatz dazu versicherte der Wettiner Jan Sobieski am 23. September 1683 seine zukünftige Unterstützung im Kampf gegen die Ottomanica Porta zum Wohle der Christenheit und versprach, ihm Truppen zu schicken, die er zu seinem Bedauern noch nicht mobilisieren könne.199 Sämtliche Zeilen sind von Freundschaft und Hochachtung für den polnischen König geprägt, was in den Folgejahren auch anhielt. Nach den Differenzen mit dem Kaiser hielt sich Johann Georg III. von Sachsen aus den Gefechten gegen die Osmanen in Ungarn zunächst zurück, doch schon 1685 schickte er Leopold I. erneut 5000 Mann als Verstärkung gegen das türkische Vordringen, die er sich mit 300.000 Talern von Wien vergüten ließ.200 Der Wettiner löste sein Versprechen ein und schickte Jan Sobieski in selbem Jahr sächsische Truppenkontingente, über die der polnische König seine größte Zufriedenheit aussprach.201 Auch dies legt Zeugnis davon ab, dass das freundschaftliche Verhältnis bestehen blieb. Als kurzer Ausblick lässt sich resümieren, dass gegenseitige Akzeptanz und Respekt zu einer guten Zusammenarbeit geführt hatten und nicht nur dem christlichen Entsatzheer den Sieg über die Türken eintrugen, sondern auch das sukzessive
196 BHStA, K. Schw. 8027. S. 122 f. 197 Siehe die Beschwerde Kaiser Leopolds über die Ausschreitungen und Schäden durch die sächsische Armee, 19. Oktober 1683 in: SHStA, GKRK (11237), Loc. 10812/17. S. 1–3. 198 Siehe dazu die weiteren Korrespondenzen Johann Georgs mit dem Geheimen Rat und verschiedenen Fürsten seines Heeres in: SHStA, GKRK (11237), Loc. 10812/17. S. 4 ff. Hierzu merkt Hans-Joachim Böttcher an, dass diese Beschwerden unberechtigt waren und vor allem nicht der Wahrheit entsprachen. Ders., Die Türken. S. 104. 199 BCzart. Rkps. 2750 IV (Mf. 22244). S. 21–24. 200 Flathe, Johann Georg III. S. 384. 201 SHStA, GR (10024), Loc 08572/01. S. 127 f.
6.2 Von Angesicht zu Angesicht: Die Ereignisse nach dem Entsatz
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Zurückdrängen der Osmanen aus Europa einleiteten.202 Trotz der vermeintlich undankbaren Behandlung durch Leopold I. blieben die guten Beziehungen zwischen Polen-Litauen und dem Reich mit Höhen und Tiefen in den darauffolgenden Jahren bestehen und wurden sogar intensiviert. Im Jahr 1691 hatte der Kaiser sein Versprechen eingehalten, da Jakub Sobieski Prinzessin Hedwig Elisabeth Amalia von Pfalz-Neuburg heiratete.203 Nach dem Tod 1692 der Kaisertochter Maria Antonia wurde Max Emanuel II. von Bayern zum neuen Schwiegersohn des polnischen Königs, da er dessen Tochter Maria Teresa Sobieska zur Frau nahm. Außerdem verstärkten sich – wie bereits erwähnt – die Beziehungen mit Johann Georg III. von Sachsen, dessen Sohn Friedrich August, genannt „der Starke“ im Jahr 1697 vom Sejm zum polnischen König gewählt wurde und dadurch die Nachfolge von Jan Sobieski antrat. Besonders erwähnenswert ist jedoch, dass nach den bisherigen ergebnislosen Versuchen die „Heilige Liga“ im Jahr 1684 zwischen Polen-Litauen, dem gesamten Heiligen Römischen Reich, der Kurie und Venedig gegründet wurde, der sich 1686 auch Moskau anschloss und die es sich zur Aufgabe machte, Europa vor den Osmanen zu schützen.204
202 Bislang handelte es sich um Verteidigungskriege gegen die Osmanen, die keinen Gewinn für das jeweilige angränzende Land brachten. Sie kämpften lediglich gegen die Türken, um eigene territoriale Verluste zu verhindern. Barker, Doppeladler und Halbmond. S. 321; Leitsch, Die Allianz. S. 67, 70. 203 Die Hochzeit der beiden fand am 25. Februar 1691 in Warschau statt. Über die dynastischen Ziele Jan Sobieskis nach 1683 und die bis dahin unternommenen Versuche, seinen ältesten Sohn anderweitig zu verheiraten siehe: Czarniecka, Anna: Nikt nie słucha mnie za życia ...: Jan III Sobieski w walce z opozycyjną propagandą (1684–1696) [Niemand hört auf mich zu Lebzeiten …: Jan III. Sobieski im Kampf gegen die oppositionelle Propaganda (1684–1696)]. Warschau 2009. S. 146–275; Dybaś, Mächtepolitische Neuorientierungen. S. 417 f. 204 Mehr zur Heiligen Liga: Broucek, Peter: Österreich als Führende Macht der Heiligen Liga im Krieg gegen das Osmanische Reich. In: AHASH. Bd. 33 (1987). H. 2. S. 351–360; Cardini, Il Turco a Vienna. S. 378; Eickhoff,Venedig. S. 375 f.; Perrie, Maureen (Hg.): The Cambridge History of Russia. Bd. 1. Cambridge 2006. S. 514.
7. Schlussbetrachtung
Als der Kaiser und der polnische König, jeweils auf ihren Pferden und mit ihrem Gefolge im Rücken, sich in Schwechat von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden, konnte sich jeder selbst ein Bild vom anderen machen. Nach der persönlichen Begegnung beurteilten sie gemäß ihren Erwartungen das Verhalten ihres Gegenübers; sowohl positiv als auch negativ. Auch hier bestätigte sich, dass jegliche Wahrnehmung individuell, einzigartig, nicht konstant sowie von ihrem Handlungsspielraum und -kontext abhängig ist.1 Außenstehende können eine Meinung oder das Verhalten gegenüber einer Person beeinflussen, so wie es wohl die Berater des Kaisers taten, als sie Leopold I. dazu verleiteten, einen kostbaren Degen als nachträgliche Würdigung dem polnischen Prinzen zukommen zu lassen. Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, dass es schon vor Jan Sobieskis Wahl zum König durch bestimmte Formulierungen des Kaisers zu Kränkungen kam. Dies geschah jedoch nicht absichtlich. Stattdessen versuchte man, den polnischen Großmarschall und -hetman zu beschwichtigen. Bislang sind die Beziehungen zwischen Habsburg und Polen-Litauen in den Jahren 1673 bis 1683 viel zu oberflächlich betrachtet worden. Dies hat dazu geführt, dass man das Verhältnis zwischen Leopold I. und Jan Sobieski weitaus negativer darstellte, als es tatsächlich der Fall war. Die hier erstmals gründlich erfolgte Auswertung des kaiserlichen Briefwechsels zeigt den Habsburger weitaus zuvorkommender und um ein gutes Verhältnis mit dem polnischen König bemüht als bislang angenommen. Die bisherige Auffassung, dass beiden Monarchen, als die erneute türkische Bedrohung 1682 offensichtlich wurde, gezwungenermaßen nichts anderes übrigblieb, als zusammenzuarbeiten,2 erwies sich ebenfalls als zu verallgemeinernd, da gemeinsame Pläne bereits seit dem Frieden von Nimwegen 1679 verhandelt wurden. Im Gegensatz zu vielen Werken, die überblickshaft die Gegebenheiten wiedergeben und weitgehendst den bisherigen Forschungserkenntnissen folgen, hat die vorliegende Studie anhand der eingehenden Analyse der Quellen mit den darin beschriebenen Auffassungen, Befürchtungen sowie den nachweisbaren Verfremdungen 1
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Hiermit wird die Bedeutung der Anthropologie für die Entschlüsselung historischer Prozesse unterstrichen. Dinges, Neue Kulturgeschichte. S. 187; Burghartz, Historische Anthropologie. S. 206–208; Vgl. Gareis, Die Geschichte der Anderen. S. 101–118; Gallo, Effetto Rashomon. S. 133–146. Beispielsweise Leitsch, Die Allianz. S. 33–35; Eickhoff, Venedig. S. 329–337, 342; Stoye, Die Türken vor Wien. S. 94.
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7. Schlussbetrachtung
der Ereignisse gezeigt, dass man weitaus kritischer die vielfältig vorhandenen Quellen lesen und interpretieren muss, um nicht alte festgefahrene Meinungen und angebliche Tatsachen zu wiederholen, sondern aus ihnen neue Erkenntnisse zu gewinnen, die bis dato außer Acht gelassen wurden.3 Der Hinweis auf die Wahrnehmung verdeutlichte die Vielfalt der Meinungen über Jan Sobieski und der kursierenden Gerüchte über ihn, die es schwer machen zu differenzieren, was am ehesten der Wahrheit entspricht. Aus diesem Grund hat die vorliegende Untersuchung einen ersten Versuch unternommen, mit kritischem Blick sowohl Quellen als auch bisherige Forschungsmeinungen zu hinterfragen und anhand der in den zeitgenössischen Berichten wiedergegebenen Charakteristik der Akteure abzuwägen, inwiefern die bisherigen Erkenntnisse zutreffend sind. Als Antwort auf die eingangs gestellte Frage, wie die europäischen Höfe durch ihre Gesandten und diplomatischen Korrespondenzen den polnischen König wahrnahmen, beschrieben und einschätzten, kommt die vorliegende Studie zu folgender zusammenfassender Erkenntnis: Im Zeitraum von 1673–1683 hatten sowohl Habsburg als auch Hohenzollern Jan III. Sobieski als hervorragenden und charismatischen militärischen Feldherrn wahrgenommen, dessen Einfluss auf seine Mitmenschen schon früh erkannt wurde. Weil Jan Sobieski mit einer Französin verheiratet war und wegen seiner Frankreich gegenüber lange gehaltenen Treue, dominierte bei den Zeitgenossen die Auffassung, dass er lediglich eine profranzösische Politik verfolgen würde. Aus dieser Überzeugung heraus stand man auf kaiserlicher und brandenburgischer Seite dem polnischen König misstrauisch gegenüber. Die persönlichen und schriftlich festgehaltenen Eindrücke des kaiserlichen Gesandten Christoph Leopold Schaffgotsch stellen in Hinblick auf eine Charakterisierung des polnischen Königs Dokumente von einzigartiger Wichtigkeit dar. Sie zeigen, dass Jan Sobieski stets realistisch, durchdacht und strategisch denkend, aber auch sehr vorsorglich und weitblickend seine Entscheidungen traf und alle Erwägungen miteinbezog, ohne voreilige Schlüsse zu ziehen. Seine immer wieder zu beobachtenden moralischen Vorstellungen und sein religiös geprägtes Werteverständnis sowie seine militärischen Einschätzungen ließen ihn allerdings von seinen eigentlichen ehrgeizigen Wünschen und Zielen nicht abweichen.Verhältnismäßig lange hielt er jedoch erstaunlicherweise fast naiv an der Absicht fest, Frankreich sukzessiv von der Notwendigkeit eines allgemeinen christlichen Bündnisses gegen die Osmanen überzeugen zu können. Christoph Leopold Schaffgotschs Berichte legen zusätzlich ein wichtiges Zeugnis darüber ab, wie stark Jan Sobieski gewillt war, während des beschriebenen Zeremoniells des Iuraments 1674 zu demonstrieren, mit welchen Mächten er zu ko3
Im Sinne der New Cultural History ist die Mehrdimensionalität zum besseren Verständnis unabdingbar. Siehe u.a. Chartier, New Cultural History. S. 205.
7. Schlussbetrachtung
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operieren gedachte.Von der Anwesenheit so hochkarätiger Diplomaten, wie dem päpstlichen Nuntius und den Gesandten Frankreichs, Österreichs und Brandenburgs, versprach er sich die nötige Hilfe, um seine antiosmanische Politik fortführen zu können. Das konziliante Verhalten, das Jan III. Sobieskis bei dieser Gelegenheit an den Tag legte, ließ auch Leopold I. auf eine aufrichtige freundschaftliche Nachbarschaft mit Polen-Litauen hoffen, wenn auch mit Skepsis, wegen der immer wieder eingetroffenen Nachrichten über die französischen Machenschaften. Der Kaiser hielt sich unter anderem auch deshalb bedeckt, weil Jan Sobieski sein Wort zur Bewahrung seiner Schwester auf dem polnischen Thron nicht eingehalten hatte. Die geschilderte Unterredung Christoph Leopold Schaffgotschs mit Jan Sobieski zeigt deutlich den Weitblick des polnischen Königs und dessen Interesse für die Geschehnisse in Europa. Es kann deshalb nicht verwundern, dass Jan Sobieski sich um eine Miteinbeziehung in den zwischen Habsburg und Frankreich 1679 geschlossenen Frieden von Nimwegen bemühte, die er letztendlich auch erreichte. Mit der in dieser Arbeit erstmals erfolgten Herangehensweise, die Diplomaten als handelnde Personen darzustellen und im Detail ihre Erlebnisse, Eindrücke und Vorhaben zu zeigen, wurde versucht, die daraufhin getroffenen Entscheidungen von Leopold I. und Friedrich Wilhelm von Brandenburg nachvollziehbarer zu machen. Auch wenn von den Gesandten bis auf ihre Berichte nur wenig bekannt ist, sind sie doch die wichtigsten Männer, die entscheidenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Auftraggeber hatten. Erstmals wurde in dieser Untersuchung dadurch deutlich, wie skeptisch der Kaiser gegenüber den prohabsburgischen Litauern geworden ist. Das von den litauischen Würdenträgern während der Wahl erschaffene Bild von Jan Sobieski als Bedrohung für die schlesischen Grenzgebiete, um dadurch den kaiserlichen Reichskassen Subsidien zu entlocken, wurde von Leopold I. scharf verurteilt. Erst nach mehreren Jahren und auf Drängen der brandenburgischen Gesandten flossen erneut Gelder für den polnisch-litauischen Adel, um abermals die mutmaßliche Gefahr, diesmal für Preußen, durch Jan Sobieski abzuwenden – aber auch zu diesem Zeitpunkt zeigte der Kaiser seine Bedenken hinsichtlich der Aufrichtigkeit des litauischen Großhetmans Mykolas Pacas. Doch die wichtigste Erkenntnis daraus ist, dass Leopold I. die Wahl Jan Sobieskis akzeptierte und sogar die Litauer dazu aufrief, an der Seite ihres neuen Königs gegen die Osmanen zu kämpfen. Die erneute Analyse der brandenburgischen Korrespondenzen unter dem Aspekt, wie man den polnischen König wahrnahm, macht deutlich, dass Jan III. Sobieski sich den Gesandten Friedrich Wilhelms gegenüber bisweilen recht temperamentvoll verhielt, wodurch er auf sie bedrohlich wirkte. Doch zeigt die genauere Auswertung der Quellen ebenfalls, dass die Diplomaten des Kurfürsten durch Außenstehende manipuliert wurden. Jan Sobieski wurden feindliche Bekundungen in den Mund gelegt, die er persönlich vor den Gesandten jedoch niemals äußerte. Diese Berichte über des Königs Verhalten schürten bei Friedrich Wilhelm Ängste
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7. Schlussbetrachtung
vor einem polnischen Angriff auf Preußen. Dem tat auch keinen Abbruch, dass Jan Sobieski in seinen Audienzen die brandenburgischen Gesandten stets zu beschwichtigen versuchte und ihnen seine Freundschaft gegenüber dem Großen Kurfürsten versicherte. Diese Unsicherheit des Brandenburgers führte dazu, dass er nicht nur keine Ansprüche auf polnische Territorien stellte, sondern sogar bereitwillig zusätzliche Zahlungen für die pacta et foedera leistete. Das Gleiche wiederholte sich nach der Bekanntgabe der Hochzeit der litauischen Prinzessin mit dem brandenburgischen Kurprinzen. Die Furcht vor einem polnischen Angriff ließ Friedrich Wilhelm versprechen, auf das ansehnliche Erbe der Prinzessin zu verzichten, sodass es in PolenLitauen bleiben konnte. Bis 1683 hielt allerding die Sorge des Großen Kurfürsten vor einem Einfall in Preußen an, weshalb er es nicht wagte, dem polnischen König dessen geforderte Unterstützung gegen die Türken auszuschlagen und ihm mehrfach brandenburgische Truppen schickte. Die diplomatischen Korrespondenzen verdeutlcihten zudem, dass beide Männer dem jeweils anderen Respekt für dessen militärisches Geschick zollten, das sie beide auszeichnete. Offiziell zeigten sie sich einander sehr ehrerbietig, während sie inoffiziell zum Verdruss des jeweils anderen gezielt ihre eigenen Interessen verfolgten. Ein Beispiel hierzu wären die erwähnten Güterkäufe Jan III. Sobieskis in Preußen, die Friedrich Wilhelm widerwillig hinnehmen musste. Die Verhandlungen mit dem Kaiser im Jahr 1683 hielten den Großen Kurfürsten zusätzlich davon ab, die Situation auszunutzen, um Preußen zu annektieren, während sich die Polen und Litauer auf den Entsatz von Wien vorbereiteten. Diese Zurückhaltung des Brandenburgers war vorteilhaft für Jan Sobieski. Die Ängste des Kurfürsten wirkten sich auch auf die Diplomatie mit dem Kaiser aus, da Leopold I. mehrfach von Friedrich Wilhelm gebeten wurde, die Absichten des polnischen Königs durch kaiserliche Gesandte auszuforschen. Da sich das feindliche Bild über Jan Sobieski nicht bestätigte und zusätzlich die französische Forderung, Preußen anzugreifen, nicht erfüllt wurde, wuchs beim Kaiser die Zuversicht, den polnischen König von seiner profranzösischen Politik abbringen zu können. Die in dieser Untersuchung erstmalig Berücksichtigung findenden diplomatischen Korrespondenzen und Verhandlungen zwischen Habsburg und Kurbrandenburg veranschaulichten zusätzlich, wie stark der Wiener Hof um die Sicherheit und innere Eintracht Polen-Litauens bemüht war. Eine einschlägige Gegebenheit, die des Kaisers und des Kurfürsten Wahrnehmung von Jan Sobieski beeinflusste, war im Rahmen des untersuchten Zeitraums beispielsweise der Osmanisch-Polnische Krieg (1672–1676). Schon hier zeigte der damalige Großmarschall und -hetman, dass er den Häusern Habsburg und Hohenzollern nie gänzlich abgeneigt war, insbesondere wenn ihre Hilfe für das polnische Königreich in Aussicht stand. Aus diesem Grund weckte diese Neigung sowohl in Wien als auch in Berlin die Hoffnung, mit Jan Sobieski kooperieren zu können.
7. Schlussbetrachtung
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Die Wahl eines neuen polnischen Königs zeigte die allgemein präsente Wahrnehmung von Jan Sobieski als einflussreichster Mann der Rzeczpospolita. Sie veranschaulichte auch, wie Maria Kazimiera versuchte, ihren Mann davon zu überzeugen, die polnische Krone für sich zu beanspruchen – was wiederum dem kaiserlichen Hof ihren politischen Einfluss demonstrierte. Deswegen wurde in den Folgejahren auch zusätzlich darauf Rücksicht genommen, sie mit kaiserlichen Schenkungen für eine Annäherung an Habsburg zu gewinnen. Der Verlauf der Wahl veranschaulichte auch den Prozess, wie bei Jan Sobieski die Einsicht reifte, sich selber zur Wahl stellen zu müssen, und wie er die Anwesenden am Warschauer Hof von der Notwendigkeit seiner Kandidatur überzeugen konnte. Er legte sogar vor Christoph Leopold Schaffgotsch seine Überlegungen offen, in Anbetracht der anderen Thronanwärter selbst kandidieren zu müssen, und stieß damit auf keinen großen Widerspruch. Der Vertrag von Żurawno 1676 zwischen der Hohen Porte und Polen-Litauen verstimmte kurzzeitig den Wiener Hof. Die Rechtfertigung Jan Sobieskis gegenüber dem Kaiser machte sein Handeln jedoch nachvollziehbar. Unter Berücksichtigung dieses Briefes wäre es unzutreffend zu behaupten, dass Jan Sobieski tatsächlich die Absicht hegte, gegen einen christlichen Nachbarn einen erneuten Krieg führen zu wollen, wohl wissend, dass sämtliche Ressourcen der Rzeczpospolita aufgebraucht, seine Kassen leer waren und die Armee aufgelöst worden war. Dafür hatte er während der Wahl zu ausdrücklich gezeigt, wie wohldurchdacht er seine Entscheidungen traf. Der polnische König konnte zu gut die eigene Situation – wie es auch seine Briefe an Ludwig XIV. deutlich machen – abschätzen und wusste, dass eine militärische Intervention im Nordischen Krieg unmöglich war. Nichtsdestoweniger ließen der Waffenstillstand zwischen Polen-Litauen und der Hohen Pforte sowie die lange Hinauszögerung der pacta et foerdera die Häuser Habsburg und Hohenzollern über die friedlichen Absichten des polnischen Königs zweifeln. Die Anwesenheit des polnischen Königpaars in Danzig erfolgte nach der mehrfachen Bitte der Danziger Gewerkschaft und ließ in Berlin zusätzlich Ungewissheit darüber aufkommen, welche außenpolitischen Intentionen Jan III. Sobieski verfolgte. Der Aufenthalt in Danzig, der ursprünglich nur für einige Tage geplant war, führte auch dazu, nicht in Verbindung mit den französisch-polnischen Machenschaften in Ungarn gebracht zu werden. Gleichzeitig weckte es bei Franzosen und Schweden die Hoffnung auf einen baldigen Angriff von Jan Sobieski auf Preußen. Außer Acht sollte jedoch nicht gelassen werden, dass auch persönliche Umstände dazu führten, dass sich des Königs Aufenthalt in Danzig über mehrere Monate hinzog. Das längere Verweilen des Königspaars in der Hafenstadt war indes auch insofern sinnvoll, als es den weiteren Verlauf der Dinge abwarten konnte, solange sich Frankreich und Habsburg noch im Krieg befanden. Die eingehende Untersuchung der diplomatischen Quellen konnte auch die sogenannte Ostseepolitik Jan Sobieskis infrage stellen. Naheliegender wäre es viel-
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7. Schlussbetrachtung
mehr, diese Politik als Propagandamittel zu bezeichnen, das allen am Konflikt beteiligten Mächten zugutekam. Letztlich führte die Situation dazu, dass am Warschauer Hof die jeweiligen polnisch-litauischen Parteigänger von Habsburg, Hohenzollern und Frankreich die in den Jahren 1677/78 gegebenen Umstände ausnutzten, um durch die Behauptung, im Sinne der ausländischen Höfe den Sejm von deren Sache überzeugen zu wollen, finanzielle Unterstützung von ihnen zu erhalten. Eine Strategie, durch die Subsidien und Hilfstruppen ins Land kamen, während auf der anderen Seite Beschwichtigungen die eigene Untätigkeit rechtfertigten. Der Frieden von Nimwegen, der 1678 zwischen Frankreich und den Niederlanden geschlossen wurde, ließ bei Jan Sobieski die Hoffnung wachsen, Europa im Kampf gegen die Türken einen zu können. Als Polen-Litauen 1679 in den Friedensvertrag mit aufgenommen wurde, schien die diplomatische Annährung zwischen Kaiser und polnischem König nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Ebenso läutete dieser Richtungswechsel den Beginn dafür ein, dass sich der Große Kurfürst von Habsburg distanzierte und es zunehmend zu Spannungen zwischen Friedrich Wilhelm und Jan III. Sobieski kam. Hinsichtlich der eingangs gestellten Frage, wie es 1683 zu dem christlichen Bündnis gekommen war, konnte in der vorliegenden Untersuchung auch eine bisherige Forschungsmeinung revidiert werden. Bislang wurde nämlich die Auffassung vertreten, dass man 1679 den polnischen Sondergesandten Mykolas Radvila in Wien und Rom despektierlich behandelte. Als vorgeschobene Begründung für das angeblich unfreundliche Vorgehen musste die Angst vor der damals grassierenden Pest herhalten. In Wirklichkeit aber – so die These – habe dahinter die Befürchtung gestanden, Jan Sobieski würde an seiner profranzösischen Politik festhalten und seine Absicht, ein gemeinsames christliches Bündnis gegen die Türken zu bilden, nur vortäuschen. Diese Interpretation übersieht indes, dass Kaiser Leopold I. dem polnischen Gesandten einen das normale zeremonielle Maß weit überschreitenden Empfang in Wien bereitete, um die Verhandlungen mit dem polnischen König nicht zu gefährden und dadurch auch seine Gewogenheit zu demonstrieren. Und vor Rom wurde die polnische Gesandtschaft unter vorläufige Quarantäne gestellt, weil ein paar ihrer Mitglieder tatsächlich an der Pest erkrankt waren. Anschließend wurde ihr ein durchaus ehrenvoller Empfang zuteil. Auch wenn die allgemeinen Voraussetzungen noch nicht gegeben waren, war man sowohl in Rom als auch in Wien an einem allgemeinen christlichen Bündnis gegen die Osmanen interessiert. Leopold I. war, wie schon während des Krieges mit Frankreich, nach wie vor von Subsidien Spaniens und Roms abhängig. Zusätzlich waren nach dem Frieden von Nimwegen viele seiner Regimenter aufgelöst worden und er infolgedessen nicht in der Lage, sich auf einen neuen Krieg einzulassen. Es konnte jedoch ausführlich gezeigt werden, wie ab 1679 sich sowohl der Kaiser als auch der polnische König um Gelder und Bündnispartner bemühten, beziehungs-
7. Schlussbetrachtung
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weise versuchten, Konflikte beizulegen. So reiste Leopold I. etwa nach Ungarn, wo er im Interesse der Landesverteidigung versuchte, die Rebellen zu beschwichtigen. Seitens der Regierungen Wiens und Warschaus wurden als erste Maßnahme Emissäre an die Kurfürsten entsandt, um das Reich zu einen. Gleichzeitig wurden von beiden Höfen Botschafter nach Konstantinopel geschickt, um mit der Hohen Pforte zu verhandeln, während die eigenen Vorbereitungen für einen Türkenkrieg fortgesetzt wurden. Sowohl der Kaiser als auch der polnische König zögerten den Krieg so lange wie möglich hinaus, um die europäischen Mächte zu einem Bündnis zu bewegen, um dann mit genügend Männern, Geld und Proviant ins Feld ziehen zu können. Abgesehen von den Gesandtschaften an die verschiedenen europäischen Höfe, setzte Jan III. Sobieski vor allem in seine Delegation nach Versailles große Erwartungen. Sowohl er als auch Leopold I. hofften, Ludwig XIV. von einem erneuten Angriff auf die Reichgrenze abhalten zu können. Die Angst davor war lange der entscheidende Grund, der die Reichsfürsten hatte zögern lassen, dem Kaiser in Wien zu Hilfe zu kommen. Dass sich Kaiser Leopold I. und König Jan III. Sobieski ungeachtet aller gegensätzlichen Positionen einander annäherten und es letztlich zu einem Bündnis beider Monarchen kam, war vor allem dem diplomatischen Geschick des habsburgischen Gesandten Johann Zierowski zu verdanken. Offenbar von Jan Sobieskis ehrlichen Absichten überzeugt, gelang es ihm, sowohl das Misstrauen auszuräumen, das der Kaiser gegenüber dem König wegen der polnischen Aktivitäten in Ungarn hegte, als auch dasjenige Jan Sobieskis wegen der Verhandlungen, die der Habsburger in Konstantinopel führen ließ. Zielstrebig arbeitete Johann Zierowski darauf hin, die französischen Intrigen in Warschau offenzulegen. Es war zu einem Gutteil sein Verdienst, dass sich Jan Sobieski schließlich von Frankreich lossagte, Ludwig XIV. den Rücken kehrte und es zu einer Umkehr der Allianzen kam. So hat ein uns weitgehend unbekannter kaiserlicher Diplomat durch sein unermüdliches Wirken am Warschauer Hof die Geschichte Europas im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts maßgeblich mitbestimmt. Das wechselseitige Verhältnis zwischen Leopold I. und Jan III. Sobieski hatte sich grundlegend nicht viel verändert. Im untersuchten Zeitraum blieb bei Leopold I. die Auffassung vorherrschend, dass man Jan Sobieski nicht voreilig verurteilen sollte. Stattdessen war er kontinuierlich darum bemüht, ein gutes Verhältnis mit Polen-Litauen aufzubauen, um sich keinen zusätzlichen Gegner zu machen. Dies erreichte er unter anderem durch sein Feingefühl, indem er im Gegensatz zu Ludwig XIV. mehr Respekt vor Jan Sobieski zeigte. Letzterem war es ein Dorn im Auge, dass er in der diplomatischen Korrespondenz mit le Roi– Soleil nicht als polnischer König tituliert wurde. Der Kaiser war sich bewusst, dass Jan Sobieski alles tat, um seine Regierung zu konsolidieren und sich mitsamt seiner Familie innerhalb der europäischen Monarchien zu etablieren. Zwar war der Habsburger primär um das Wohlwollen
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7. Schlussbetrachtung
des polnisch-litauischen Adels bemüht, da sie in der Lage waren, die Handlungsspielräume ihres Königs einzudämmen, doch zeigte die vorliegende Studie, dass er auch Jan Sobieski mit Gunstbeweisen auf seine Seite ziehen wollte. Allein schon die angekündigte Absicht, eine Prinzessin aus dem Haus Habsburg mit Jakub Sobieski verheiraten zu wollen, dürfte dem polnischen König geschmeichelt haben. Für Jan III. Sobieski war es ein langsamer Prozess, sich dem Kaiser zu- und gleichzeitig von Frankreich abzuwenden. Doch seine Entscheidung hat bewiesen, dass er tatsächlich ein Mann der Vernunft war. Dem polnischen König wurde bewusst, dass ihn le Roi–Soleil nicht als eigenständigen Monarchen, sondern lediglich als Unterstützer für seine eigenen außenpolitischen Interessen sah. Jan Sobieski hatte schon vor seinem Regierungsantritt dem König von Frankreich versprochen, Habsburg und Hohenzollern schwächen zu wollen, um entsprechende Unterstützung von Ludwig XIV. zu erhalten. Die Ereignisse zeigen aber, dass er nur zu einem bestimmten Grad den Forderungen des Sonnenkönigs nachkam, sie aber nicht bis zur Gänze ausführte, vor allem dann, wenn sie dem Wohl seines Königreiches hätten schaden können. Während Jan Sobieski schon zu Beginn der Verhandlungen mit dem Kaiser ein Offensivvertrag gegen die Osmanen vorgeschlagen hatte, konnte Leopold I. ihn schließlich davon überzeugen, die nötigen Voraussetzungen zu schaffen. Die vorliegende Untersuchung konnte nachweisen, wie ausgerechnet Friedrich Wilhelm dem geplanten christlichen Bündnis Steine in den Weg legte. Der Brandenburger versuchte nämlich, den Wiener Hof davon zu überzeugen, dass der polnische König das Bündnis lediglich als Vorwand benutze, um die Türken nach Ungarn zu lenken. Eindeutig haben die Ereignisse gezeigt, wie sich die bisherigen Verbündeten nun anderweitig orientierten; während sich Wien und Warschau politisch annäherten, kooperierte Berlin mit Versailles. Die bislang außer Acht gelassenen Quellen aus dem sächsischen und bayerischen Staatsarchiv machen deutlich, wie sowohl der Kaiser als auch der polnische König zunehmend Gefallen an einem Bündnis gegen den sogenannten Erbfeind fanden. Das bis dahin gute Verhältnis zwischen den beiden Monarchen veränderte sich erst nach dem Entsatz von Wien 1683. Die Analyse der diplomatischen Korrespondenzen Leopolds I. vor der Belagerung von Wien zeigte deutlich die Wertschätzung des Kaisers für den persönlichen Einsatz von Jan III. Sobieski und dessen Armee. Dieser zunächst positive Eindruck wird jedoch durch die Hinzunahme anderer Quellen relativiert. Die unmittelbaren Zeitzeugenberichte zu den Ereignissen charakterisieren den Kaiser weder als souverän handelnd noch als entscheidungsfreudig. Als Leopold I. beispielsweise von einem spanischen Gesandten aufgefordert wurde, selbst den Oberbefehl zu übernehmen, fiel es ihm schwer, eigenständig einen Entschluss zu fassen. Abgesehen davon, gefährdete die darauffolgende Diskussion über den Oberbefehl die Beteiligung des polnischen Königs am Entsatz von Wien. Zwar versuchte Jan Sobieski anzudeuten,
7. Schlussbetrachtung
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dass er die Anwesenheit Leopolds I. nicht gutheiße, doch bedurfte es erst der Unterstützung des kaiserlichen Beichtvaters und Beraters Pater Marco d’Aviano, um den Habsburger davon abzuhalten. Auf der Grundlage der zahlreichen zeitgenössischen Quellen lässt sich die Wahrnehmung der Ereignisse sowohl durch die Protagonisten und die weniger bekannten Akteure als auch in den zeitnahen Chroniken zeigen. Sie legen allesamt Zeugnis davon ab, wie sich das Bild über den Kaiser und den polnischen König im Verlauf der Geschehnisse veränderte: Jan III. Sobieski hatte letzten Endes nach allen Zweifeln über seine Eignung zum Oberbefehlshaber mit seiner militärischen Erfahrung überzeugen können. Für ihren Einsatz und ihren Erfolg zeigte er sich den Reichsfürsten gegenüber dankbar und sehr großzügig. Dafür erhielt er Anerkennung und in den folgenden Kämpfen gegen die Türken bereitwillig deren militärische Unterstützung. Leopold I. hatte vor dem Entsatz erfolgreich durch Versprechungen die Gunst der Reichsfürsten erlangt und sie davon überzeugen können, Wien zur Rettung zu kommen. Danach nahm man ihn allerdings als undankbar wahr, was ihm anscheinend auf dem Rückweg der sächsischen Truppen mit der Verwüstung seiner Lande vergolten wurde. Die unterschiedlichen Relationen zeigen auch, wie jeder Autor parteiisch berichtete, wie Realitäten beschönigt und Situationen gänzlich unterschiedlich aufgefasst wurden. Offen bleibt es jedoch weiterhin, ob der polnische König vorsätzlich den kaiserlichen Willen, zuerst in Wien einzuziehen, missachtete. Auch wenn sein Empfang durch die Stadtbevölkerung überwiegend positiv war, so macht auch deren Befangenheit deutlich, wie zwiespältig er wahrgenommen wurde und welch eine Unsicherheit darüber herrschte, wie man sich ihm gegenüber richtig verhalten sollte. Insbesondere das Zusammentreffen zwischen Kaiser und König demonstriert, mit welchen Schwierigkeiten sich die beiden Monarchen konfrontiert sahen. Da friedliche Begegnungen von Herrschern nur selten stattfanden, hat eine solche auch keine Berücksichtigung im Hofzeremoniell gefunden. Die Hofburg und der polnische König waren auf diesen außerordentlichen Fall nach der Rettung Wiens 1683 nicht vorbereitet und mussten ad hoc entscheiden.4 So musste denn zum einen Jan III. Sobieski darüber informiert werden, dass er als lediglich gewählter König nicht die rechte Hand des Kaisers küssen dürfe, und zum anderen war Leopold I. sich sichtlich nicht bewusst, inwieweit er sich weiter erkenntlich zeigen dürfe, beziehungsweise wie er sich gegenüber dem Prinzen Jakub verhalten sollte, um den polnischen König nicht zu beleidigen. Auch wenn sich durch das persönliche Zusammentreffen das Verhältnis zwischen den beiden Monarchen verschlechterte, war 4
Siehe dazu Robert Chartier, der über Spannungsfelder zwischen Möglichkeiten und Konventionen der Akteure innerhalb der New Cultural History schreibt. Ders., New Cultural History. S. 203 f.
324
7. Schlussbetrachtung
Jan Sobieski – soweit sich das beurteilen lässt – zumindest nicht nachtragend und sich der Notwendigkeit bewusst, die Türken weiter zu verfolgen. Es bleibt festzuhalten, dass das kühle und distanzierte Verhalten des Kaisers gleichzeitig Jan III. Sobieski angesichts seines Erfolges umso ruhmvoller erscheinen ließ. Leopold I. war kein Held – er hatte zwar diplomatisch am Erfolg des Offensivund Defensivbündnisses mitgewirkt, doch wurde dies von den Zeitzeugen mit Abstand nicht in gleicher Intensität anerkennend wahrgenommen wie die persönliche Beteiligung des polnischen Königs am Entsatz von Wien und dessen dabei an den Tag gelegter Mut. Die leise Vorahnung Leopolds I., dass es so kommen würde, zeigte sich bereits anlässlich der Diskussion über den Oberbefehl. Es lag jedoch nicht in der Absicht Jan III. Sobieskis, sich über den Kaiser zu stellen. Die Idee des polnischen Königs, vor Schwechat nicht entgegenzugehen, sondern sich zu Pferd zu begegnen, rettete den schmächtigen Leopold davor, mit dem stämmigen Polen verglichen zu werden. Mit diesen exemplarisch gezeigten gut gemeinten Gesten wurde ersichtlich, dass man nicht absichtlich sein Gegenüber kränken wollte. Insgesamt wurde in dieser Untersuchung in dem hier behandelten Zeitraum von 1673–1683 deutlich, dass bestimmte Verhaltensweisen des polnischen Königs und vorschnelle Einschätzungen der Diplomaten Habsburg und Hohenzollern vorsichtig gegenüber Jan Sobieski werden ließen. Die Interessen des Kaisers und des Großen Kurfürsten kann man jedoch nicht gleichstellen. Im Gegensatz zu Berlin zeigte sich Wien der Rzeczpospolita gegenüber wesentlich zuversichtlicher, wodurch das Offensiv- und Defensivbündnis 1683 überhaupt möglich wurde. Die für diese Arbeit herangezogenen Quellen zeugen ebenfalls von den Taten und Erfolgen des polnischen Königs und machen nachvollziehbar, weshalb Jan III. Sobieski „unsterblichen Ruhm“ mit seinem Sieg gewann.
8. Danksagung
Die erste Publikation wird wohl stets einen besonderen Platz im Gedächtnis eines jeden Verfassers einnehmen. Es kann deshalb nicht verwunderlich sein, dass an dieser Stelle einem großen Kreis an wichtigen Menschen Anerkennung und tiefste Verbundenheit für großartige Ratschläge, Engelsgeduld und eine beindruckende Ausdauer ausgedrückt werden muss, die für das Gelingen dieses Werks eine entscheidende Rolle beigetragen haben. Zuallererst gilt mein größter Dank dem Mann, der mich bereits während meines Bachelorstudiums zu meinem Thema inspiriert und bis zuletzt durchgehend fantastisch gefördert und gefordert hat: meinem Doktorvater Prof. Dr. Peter Thorau. Ohne ihn und sein Vertrauen in mich hätte dieses Buch nicht entstehen können. Seine Zuwendung, seine Geduld und auch die Mitglieder seines Kolloquiums haben mich in meinem Vorhaben bestärkt. Für die großartige Unterstützung und die guten Ratschläge gilt mein Dank Prof. Dr. Michael Oberweis und Dr. Sabine Penth. Für die frühe Unterstützung während meines Studiums bedanke ich mich bei den Mitarbeitern der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und insbesondere bei Dr. Kornelia Holzner-Tobisch für ihre Instruktionen in Paläografie. Während meiner Archivrecherche in Warschau und meines Studiums an der dortigen Universität habe ich auch Prof. Dr. Mirosław Nagielski und die Teilnehmer seines Kolloquiums kennengelernt und bin ihnen zu großem Dank verpflichtet für die inspirierenden Gespräche über die Person Jan Sobieski. Hier seien noch Dr. Zbigniew Hundert, Dr. Piotr Kroll und Dr. Jan Jerzy Sowa genannt. Gute Ratschläge und einen fantastischen Austausch verdanke ich auch den Mitwirkenden am DHI Warschau, insbesondere Dr. Almut Bues, die mich auf die Archivalien des Schlossarchivs Schaffgotsch in Breslau aufmerksam gemacht hat, sowie Dr. Sabine Jagodzinski. Für den hervorragenden Abschluss in Form der Disputation dieser Dissertation bedanke ich mich ganz herzlich bei Prof. Dr. Wolfgang Behringer, Prof. Dr. Barbara Krug-Richter und Dr. Christoph Catrein. Ein besonderer Dank gilt auch Prof. Dr. Heinrich Schlange-Schöningen für die gesamte Studienzeit und seine großartige Förderung. Ein herzlicher Dank gilt dem Cusanuswerk, das mich während meiner Promotionszeit unterstützt und mit den großartigen Angeboten der Stiftung bereichert hat. In gleicher Weise bedanke ich mich bei der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung und der Stadt Wien für ihre großzügigen Druckkostenzuschüsse.
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8. Danksagung
Für das Lektorat geht mein namentlicher Dank an Teresa Stannek, Sylvia und Magdalena Schafflik, ebenso bin ich für den Zuspruch und die Geduld meines Ehemannes dankbar. Zuletzt danke ich den wichtigsten Menschen und größten Förderern meines Lebens: meinen Eltern Ilona und Peter Paszek für alles, was sie für mich getan haben. Kathrin Dorothea Paszek
9. Abkürzungsverzeichnis
ADB AGAD
Allgemeine Deutsche Biographie Archiwum Głównym Akt Dawnych [Hauptarchiv vergangener Akten],Warschau AHASH Acta Historica Academiae Scientiarum Hungaricae Acta Acta Historica Res Gestas Poloniae Illustrantia. Bd. II, 2;VI hg. v. Kluczycki; Bd. III, 1;V, 2;VII, 3 hg. v.Waliszewski AKW Archiwum Koronne Warszawskie ANK Archiwum Narodowe w Krakowie [Nationalarchiv in Krakau] APW Archiwum Państwowe we Wrocławiu [Staatsarchiv in Breslau] AS Akta mej. Schaffgotsch (Schloss Warmrünn) AUR Allgemeine Urkundenreihe ÄZA Ältere Zeremonialakten BHStA Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München BBKL Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon BCzart Biblioteka Czartorecka, Krakau BJ Biblioteka Jagiellonska, Krakau BN Biblioteka Narodowa [Nationalbibliothek],Warschau BUW Biblioteka Uniwersytecka w Warszawie [Universitätsbibliothek Warschau] FA Familienarchiv GK Geheimes Kabinett GKRK Geheimes Kriegsratkollegium GR Geheimer Rat GSR Geheime Staatsregistratur GStAPK Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin HA Hausarchiv HHStA Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Haus-, Hof- und Staatsarchiv HZ Historische Zeitschrift KA Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Kriegsarchiv LHA Lothringisches Hausarchiv NDB Neue Deutsche Biographie NF Neuauflage MIÖG Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung o.A. ohne Autor
328
9. Abkürzungsverzeichnis
OMeA Obersthofmeisteramt Ossol. Zakład Narodowy im. Ossolińskich, (Ossolineum) [Ossolinski Nationalbibliothek], Breslau RK Reichskanzlei Rkps. Rękopis [Handschrift] SHStA Sächsisches Hauptstaatsarchiv, Dresden TN Teka Naruszewicza TSL Teka Stanisław Łukasza UA Urkunden und Actenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg UR Urkundenreihe ZWPG Zeitschrift des Westpreußischen Geschichtsvereins
10. Quellen- und Literaturverzeichnis
10.1 Ungedruckte Quellen
Berlin, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz I. HA, GR, Rep. 63. Nr. 50–52, 58, 62 Breslau, Archiwum Państwowe [Staatsarchiv] AS 1411, 1414 Zakład Narodowy im. Ossolińskich, (Ossolineum) [Ossolinski-Nationalbibliothek] 2998/I TSL (Mf. 1034) Dresden, Sächsisches Hauptstaatsarchiv GR (10024), Loc. 08265/06, Loc. 08572/01, Loc. 8284/08, Loc. 08286/12, Loc. 09982/23GK (10026), Loc. 30108/03 GKRK (11237), Loc. 10812/17 Krakau, Biblioteka Czartorecka Rkps. 421 (Mf. 11545), 430 (Mf. 11575), 1665 (Mf. 16472), 2750 IV (Mf. 22244), 2880 (Mf. 9250), 3241 (Mf. 12630), 3487 (Mf. 11031) TN 171 (Mf. 7598), 172 (Mf. 7627), 179 (Mf. 7613) Biblioteka Jagiellońska Rkps. 5656 (Mf. 12591), 213 (Mf. 12483) Archiwum Narodowe [Nationalarchiv] Rkps. 778 München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv Fürstensachen 697 K. Schw. 8027 Kurbay. Lit. 346
330
10. Quellen- und Literaturverzeichnis
Warschau, Archiwum Głównym Akt Dawnych [Hauptarchiv vergangener Akten] AKW Cesarskie. 25 c. Nr. 1. AKW Cesarskie 26. Nr. 7, 8, 10 AKW Szwedzkie 11b. Nr. 202, 204 AKW Tureckie, Nr. 34100 Perg. Nr. 5435 Biblioteka Narodowa [Nationalbibliothek] akc. 7181 (Mf. 40707). Nr. 20 Biblioteka Uniwersytecka [Universitätsbibliothek] Rkps. Nr. 1957 Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv FA Csaky, 189 GSR 22, 36, 44, 55, 105 HA, Inneröst. Hofkammerakten, 12 LHA, 96, 101 OMeA, ÄZA, 11 Polen I, 77, 78, 79, 80, 86 Polen III, 63 (Radziwill) RK Friedensakten 149 StAbt Spanien, Diplom. Korresp. 54 UR AUR 1683 III/ V 31
10.2 Gedruckte Quellen Abrahamowicz, Zygmunt: Kara Mustafa pod Wiedniem [Kara Mustafa vor Wien]. Krakau 1973. Ausführliche RELATION von dem was in der Haupt=Schlacht so bey Chocim zwischen dem königlichen Polnischen und Littauischen Armeen eines Theils und dann des Erbfeindes Christlichen Nahmens anderen Theils vorgegangen […]. 1673. Baur, Ludwig (Hg.): Berichte des hessendarmstädtischen Gesandten Justus Eberhard Passer an die Landgräfin Dorothea über die Vorgänge am kaiserlichen Hofe und in Wien von 1680 bis 1683. (Archiv für österreichische Geschichte. Bd. 37,2).Wien 1867. Bojani, Ferdinando de (Hg.): Innocent XI. Sa correspondance avec ses nonces. Bd. 1. Rom 1910. Briefe aus England über die Zeit von 1674 bis 1678; in Gesandtschaftsberichten des Ministers Otto von Schwerin des Jüngeren an den Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm. Hg. v. Leopold von Orlich. Berlin 1837.
10.2 Gedruckte Quellen
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10. Quellen- und Literaturverzeichnis
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10.3 Literaturverzeichnis
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10.3 Literaturverzeichnis Abrahamowicz, Zygmunt: Kara Mustafa pod Wiedniem [Kara Mustafa vor Wien.] Krakau 1973. S. 11–27. Abramski, Andrzej: Sąd kapturowy generalny. Z dziejów wymiaru sprawiedliwości podczas bezkrólewi w Rzeczypospolitej w XVII i XVIII wieku [Das generelle Kapuzengericht. Geschichte der Justiz zu Zeiten des Interregnums in der Adelsrepublik des 17. und 18. Jahrhundert]. In: Przegląd Prawa i Administracji. Bd. 23 (1987). S. 201–224. Ackerl, Isabella:Von Türken belagert – von Christen entsetzt. Das belagerte Wien 1683. Wien 1983. Aksan, Virginia: War and Peace. In: The Cambridge History of Turkey. Hg. v. Suraiya Faroqhi. (The Later Ottoman Empire, 1603–1839. Bd. 3). Cambridge 2006. S.81–117. Augustyniak, Urszula: Historia Polski 1572–1795 [Geschichte Polens 1572–1795]. Warschau 2008. Dies.: Wazowie i „królowie rodacy“. Studium władzy królewskiej w Rzeczypospolitej XVII wieku [Die Wasas und „der Könige Landsmänner“. Studium über königliche Macht in der Adelsrepublik des 17. Jahrhunderts].Warschau 1999. Baczkowski, Krzysztof: Der polnische Adel und das Haus Österreich. Zur zeitgenössischen Diskussion über die habsburgische Kandidatur für den polnischen Thron während des Ersten und Zweiten Interregnums. In: Kaiser Maximilian II. Kultur und politik im 16. Jhd. Hg. v. Friedrich Edelmayer [u.a.]. (Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit. Bd. 19).Wien 1992. S. 70–83. Bahlke, Joachim: Regionalismus und Staatsintegration im Widerstreit. Die Länder der böhmischen Krone im ersten Jahrhundert der Habsburgerherrschaft (1526–1619). München 1994. Bahr,Vera: Die Stadt Danzig und Johann III. Sobieski, König von Polen. Marburg [u.a.] 1961.
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10.4 Elektronische Ressourcen https://muzeumwarszawy.pl/en/obiekt/portrait-of-marie-casimire-sobieska-1641-1716queen-of-poland/, letzter Zugriff: 20.04.2022. Pietrzak, Jarosław: W służbie Jej Królewskiej Mości. Działalność Małgorzaty z Durantów Kotowskiej w kręgu spraw królowej Marii Kazimiery w latach 1675-1699 [Im Dienst Ihrer Majestät. Das Wirken Małgorzatas von Durant Kotowska bezüglich der Angelegenheiten von Königin Maria Kazimiera in den Jahren 1675-1699]. Auf:
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10. Quellen- und Literaturverzeichnis
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11. Abbildungsnachweise
Abb. 1 Daniel Schulz, Portret Jana III Sobieskiego, króla Polski, 1680–90, Nationalmuseum Warschau (MNW) Inv. Nr. MP4377, Foto: Piotr Ligier, Muzeum Narodowe w Warszawie. Abb. 2 Unbekannt (KünstlerIn), Portret Marii Kazimiery Zamoyskiej, 1660–1665, Muzeum Pałacu Króla Jana III w Wilanowie, Foto: Z. Reszka. Abb. 3 Frans Luycx, Friedrich Wilhelm (1620–1688) Kurfürst von Brandenburg, Kniestück, um 1650/51, Kunsthistorisches Museum Wien Inv. Nr. PG 3163, Foto: KHM–Museumsverband. Abb. 4 Benjamin von Block, Kaiser Leopold I. (1640–1705) im Harnisch mit Feldherrnstab, Dreiviertelporträt, um 1672, Kunsthistorisches Museum Wien Inv. Nr. PG 6745, Foto: KHM–Museumsverband. Abb. 5 Unbekannt (KünstlerIn), Kara Mustafa, 1696, Wien Museum Inv. Nr. 31033/1, CC BY 4.0, Foto: Birgit und Peter Kainz, Wien Museum (https://sammlung. wienmuseum.at/objekt/58948/, letzter Zugriff 04.04.2022).
Personenregister
A Alexei I. Michailowitsch 191, 203 Altheim, Christoph 235 Altieri degli Albertoni, Paluzzo Paluzzi 28, 90, 104, 105, 109, 116, 127 Anna Jagiellonica 36, 37 Anna Katharina Wasa 47 Anna von Österreich, poln. Kgn. 38 B Bąkowski, Jan Ignacy 223 Baluze, Jean 238 Banz, Otto von 245 Barberini, Carlo 28, 269, 276, 277, 283, 294 Belchamps, Jean II. de 125, 126, 131, 136, 141, 157 Béthune, François Gaston de 28, 189, 198, 202, 213, 214, 215, 217, 220, 221, 225, 226, 227, 229, 233, 234, 235, 236, 238, 243, 247, 249, 251, 258 Bieliński, Franciszek Jan 133, 157, 162, 183 Blaspeil, Moritz von 189 Branicki, Jan Klemens 50 Buonvisi, Francesco, päpstl. Nuntius 28, 68, 77, 90, 91, 95, 98, 105, 108, 109, 116, 127, 179, 183, 242, 274, 276, 277, 278, 284 C Cäcilia Renata von Österreich 39 Caprara, Alberto 260, 301 Çelebi, Evliyâ 272 Chmelnyzkyj, Bohdan 39, 45 Chrapowicki, Jan Antoni 97 Christian V. von Dänemark 121, 166 Christina von Schweden 41 Claudia Felizitas von Österreich-Tirol 69, 213 Clemens X., Papst 49, 68, 91, 161, 213
Condé Siehe Louis II. de Bourbon, Fürst von Condé Constanze von Österreich, Kgn. von Polen 38 Conti siehe François Louis von Bourbon, Prinz von Conti Croy, Ernst Bogislaw von 62, 268 Czartoryski, Kazimierz Florian 60, 63, 69, 75, 76, 79, 99, 110, 115, 117, 119, 120, 121, 126, 141, 146, 149, 162 D Dalérac, François 11, 30, 292, 303, 305, 306 Daniłowicz, Stanisław 45 Denhoff, Ernest 92, 152 Dönhoff, Friedrich von 55, 56, 57, 58, 65, 66, 86, 101, 143, 268 Dupont, Philippe 30, 287, 300, 301, 303 Dyakowski, Mikołaj 30 E Eleonore Magdalene von Pfalz-Neuburg, röm.-dt. Kaiserin 215 Eleonore Maria Josefa von Österreich, poln. Kgn. 26, 27, 48, 50, 60, 69, 70, 76, 77, 78, 79, 80, 82, 87, 88, 89, 92, 94, 101, 102, 103, 106, 111, 112, 113, 115, 129, 131, 132, 138, 140, 141, 142, 147, 154, 156, 162, 164, 166, 168, 169, 172, 173, 175, 179, 180, 181, 185, 193, 196, 197, 198, 199, 204, 209, 210, 211, 218, 227, 232, 238, 256 F Farnese di Parma, Alessandro 120, 121 Ferdinand III. von Österreich, röm.-dt. Kaiser 40 Ferdinand II. von Österreich, röm.-dt. Kaiser 38 Ferdinand I. von Österreich, röm.-dt. Kaiser 272
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Personenregister
Ferdinand IV. von Österreich, röm.-dt. König 40 Ferdinand Maria von Bayern 40, 180, 244 Fin, Alessandro de 198, 207 Fjodor III. Alexejewitsch, mosk. Zar 214, 237, 250, 259 Forbin-Janson, Toussaint de, Bischof von Marseille, ab 1679 von Beauvais 28, 134, 135, 138, 144, 145, 155, 156, 157, 159, 161, 162, 164, 167, 168, 170, 174, 179, 183, 184, 196, 202, 203, 205, 206, 217, 219, 220, 226, 251, 252, 257, 258, 262 François Louis de Bourbon, Prinz von Conti 92, 104, 128, 132, 144, 156 Franz I. von Frankreich 277 Friedrich August I. von Sachsen, poln. Kg. 313 Friedrich von Hessen-Darmstadt 76, 78, 90, 95, 104, 105 Friedrich Wilhelm I. von Brandenburg 23, 24, 25, 27, 41, 47, 49, 50, 51, 55, 57, 60, 62, 64, 65, 66, 67, 68, 69, 80, 83, 84, 91, 93, 96, 99, 103, 113, 116, 117, 118, 120, 124, 125, 134, 135, 137, 142, 144, 145, 150, 162, 166, 169, 177, 187, 189, 201, 204, 206, 211, 212, 214, 216, 217, 218, 219, 224, 225, 228, 229, 230, 232, 233, 234, 235, 236, 238, 245, 247, 248, 249, 254, 255, 257, 266, 267, 268, 269, 317, 318, 320, 322 Fürstenberg-Heiligenberg, Wilhelm Egon von 148, 153, 154 G Gawarecki, Sebastian 45 Georg II. Rakoczi 41, 42 Georg Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg 78, 120, 121 Ghelen, Johann van 31, 294, 298, 303, 305, 308 Girmus, Johann Michael 30 Gise, Franz von 138, 150, 152 Gniński, Jan Krzysztof 111, 112, 155, 211, 213, 231, 290, 301, 304 Goess, Johann von 27, 51, 52, 65, 67, 68, 80, 81, 91, 99, 103, 104, 142, 150, 188, 189 Gurszynski, Jan 83, 84
H Hacki, Michael Antonius 303 Harrach, Ferdinand Bonaventura von 30, 74, 278, 285, 290 Ḥasan ibn Ḥüseyn Esīrī 16, 29 Hatzfeld, Melchior 42 Heden, Jakub Christian 311 Hedwig Elisabeth Amalia von Pfalz-Neuburg 313 Henri de La Tour d’Auvergne,Vicomte de Turenne 137 Henriette Adelheid von Savoyen 202 Henri Jules d´Enghien 43, 84 Hermann von Baden 286 Hocher, Johann Paul 124 Hocke, Nicolaus 31, 298, 299, 300, 301 Hohndorf, Caspar von 187 Hoverbeck, Johann von 28, 53, 80, 83, 84, 94, 98, 100, 113, 117, 118, 120, 122, 123, 124, 128, 134, 135, 137, 138, 142, 144, 145, 150, 154, 157, 161, 162, 164, 168, 177, 179, 183, 187, 189, 192, 195, 206, 211, 217, 218, 219, 224, 225, 231, 234, 237 Hüseyin Hezarfen 14, 17, 29 Hüseyin Pascha 73, 107 I Ibrahim Pascha 16 İslâm III. Giray 45 J Jabłonowski, Stanisław Jan 170, 243, 251, 257, 261, 263 Jaroszewski, Stanisław 195, 196 Johann Georg III. von Sachsen 244, 268, 269, 283, 289, 292, 310, 311, 312, 313 Johann Georg II. von Anhalt-Dessau 14, 53, 267, 301 Johann Georg II. von Sachsen 70, 245 Johann Heinrich Herwart von Hohenburg, Allmannshausen und Biberkor 204, 207, 210 Johann III. von Schweden 37 Johann II. Kasimir, poln. Kg. 39, 41, 44, 46, 47
Personenregister
Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg 85, 104, 118, 125, 126, 145, 156, 164 Joseph I. von Österreich, röm.-dt. Kaiser 232 Julius Franz von Sachsen-Lauenburg 14 K Kara Mustafa Pascha 17, 29, 212, 271, 272, 279, 297, 298 Karl Emil von Brandenburg 78, 80, 84, 87, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 98, 103, 105, 113, 116, 118, 120, 122, 123, 124, 126, 128, 135, 148, 166, 197 Karl Gustav von Pfalz-Zweibrücken siehe Karl X. Gustav von Schweden Karl II. von England 202 Karl II. von Spanien 172 Karl IX. von Frankreich 36 Karl V. von Lothringen 9, 10, 14, 15, 16, 18, 26, 31, 47, 53, 54, 55, 59, 78, 79, 84, 87, 91, 93, 99, 100, 101, 102, 103, 104, 110, 111, 113, 115, 116, 118, 119, 121, 122, 123, 125, 126, 128, 129, 131, 132, 134, 136, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 145, 147, 148, 149, 150, 152, 154, 155, 156, 157, 158, 159, 160, 162, 164, 165, 166, 167, 168, 169, 174, 177, 199, 227, 232, 238, 271, 272, 274, 275, 276, 279, 280, 281, 282, 283, 286, 287, 288, 289, 293, 294, 295, 298, 306, 310, 311 Karl X. Gustav von Schweden 41, 42, 46 Karl XI. von Schweden 186, 215, 238, 261 Kasimir IV. Andreas, poln. Kg. 222 Katharina von Österreich 129 Kątski, Marcin 10, 29, 288, 295, 302, 304, 306 Kaunitz-Rittberg, Dominikus 308 Kettler, Jakob 209 Kindsberg, Johann Christoph von 194 Köprülü Fâzil Ahmed Pascha 42 Köprülü Mehmed Pascha 40, 42 Korycki, Krzysztof 135 Kotowicz, Andrzej 62 Kotowska, Małgorzata 189 Kramprich, Johann Daniel 244 Krockow, Lorenz Georg von 65, 91, 124, 144, 189, 215, 219, 235, 266
353
Kunitz, Georg Christoph von 16, 253, 255, 297, 303 L La Grange d’Arquien, Henri-Albert de 252 La Grange d’Arquien, Louise Marie de 28, 185 Lamberg, Johann Maximilian von 245, 247, 262 Le Bègue, François 10, 12, 15, 17, 31, 289, 293, 295, 302, 304, 306 Leszczyński, Jan 56, 80, 186 Lilliehöök, Anders 187, 192, 236 Lisola, Franz Paul 41 Louis II. de Bourbon, Fürst von Condé 43, 47, 54, 78, 84, 85, 87, 90, 92, 94, 102, 104, 105, 110, 117, 118, 121, 123, 126, 127, 128, 131, 132, 133, 134, 135, 136, 137, 138, 139, 141, 142, 147, 148, 152, 155, 156, 157, 159, 160, 162, 167, 169, 170 Louis Thomas von Savoyen, Graf von Soissons 92, 95, 104, 144, 156, 158 Lubomirski, Aleksander Michał 83, 93, 98, 111, 127, 157, 160, 185, 189 Lubomirski, Hieronim Augustyn 198, 217, 221, 227, 229, 258, 262, 264, 271, 274, 280, 281, 301 Lubomirski, Jerzy Sebastian 44 Lubomirski, Stanisław Herakliusz 182, 183, 190, 198 Ludwig von Brandenburg 246, 255 Ludwig Wilhelm von Baden 299 Ludwig XIV. von Frankreich 34, 47, 51, 55, 57, 59, 68, 78, 81, 87, 90, 102, 104, 118, 124, 131, 134, 137, 138, 147, 148, 161, 167, 168, 183, 186, 190, 196, 197, 198, 200, 201, 202, 203, 215, 217, 219, 220, 228, 232, 237, 238, 243, 245, 248, 251, 253, 254, 258, 262, 264, 267, 277, 289, 319, 321, 322 Luisa Maria Gonzaga, poln. Kgn. 39, 43, 44, 46, 54, 101 M Maillé-Brézé, Claire-Clémence de 148
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Personenregister
Małachowski, Jan 100, 101, 102, 106, 110, 112, 116 Marco d’Aviano 10, 291, 299, 310, 323 Margarita Theresa, röm.-dt. Kaiserin 65 Maria Anna Josefa von Österreich 289 Maria Antonia von Österreich 259, 276, 289, 308, 313 Maria Kazimiera de la Grange d’Arquien Sobieska, poln. Kgn. 22, 30, 46, 79, 85, 95, 102, 106, 112, 114, 117, 127, 130, 132, 136, 141, 143, 157, 158, 160, 161, 164, 168, 171, 172, 181, 183, 185, 188, 193, 196, 197, 200, 201, 202, 204, 205, 206, 210, 211, 212, 224, 226, 228, 236, 238, 247, 249, 251, 252, 262, 287, 289, 291, 292, 296, 304, 307, 308, 319 Maria Teresa von Frankreich 202 Martelli, Francesco 28, 206, 216, 223 Mavrokordátos, Aléxandros 16, 17, 29 Maximilian II. Emanuel von Bayern 244, 268, 283, 289, 310, 311 Maximilian III. von Österreich 133 Maximilian II., röm.-dt. Kaiser 37 Maximilian I., röm.-dt. Kaiser 231 Maximilian Philipp Hieronymus von Bayern Leuchtenberg 310 Mehmet IV., Sultan 40, 49, 53, 85, 232, 259, 278 Meinders, Franz 214 Meyer, Christian 222 Michael I. Apafi (rum. Mihai), Fürst von Siebenbürgen 217, 229, 260 Michael I. Wiśniowiecki, poln. Kg. 26, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 66, 69, 71, 73, 75, 81, 85, 96, 97, 125, 129, 135, 144, 147, 156, 172, 196, 203, 205, 239 Modrzewski, Andrzej 11 Mollard, Franz Maximillian von 306 Montecuccoli, Raimondo 42, 53, 67, 124, 144 Morsztyn, Felicjan 67, 68, 97, 244 Morsztyn, Jan Andrzej 86, 92, 118, 123, 128, 129, 138, 142, 155, 156, 163, 179, 183, 186, 198, 210, 235, 267
N Neidhardt, Johann Eberhardt 105 Niemirycz, Stefan 233 O Oginskis, Jonas (poln. Jan Ogiński) 261 Olszowski, Andrzej 48, 74, 86, 97, 115, 121, 148, 163, 169, 205, 207 Opacki, Wojtek 51, 117 Öttingen, Wolfgang von 26, 76, 77, 78, 80, 82, 86 P Pacas, Kristupas Zigmantas (poln. Krzysztof Zygmunt Pac) 63, 102, 128, 133, 144, 154, 157, 188, 191, 204, 252 Pacas, Mykolas Kazimieras (poln. Michał Kazimierz Pac) 50, 61, 63, 75, 91, 97, 98, 100, 102, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 113, 114, 118, 130, 141, 144, 147, 148, 151, 152, 154, 171, 185, 188, 193, 199, 201, 204, 207, 208, 211, 221, 226, 228, 230, 231, 233, 236, 261, 317 Pacas, Steponas Mikalojus (poln. Stefan Mikołaj Pac), 111 Pallavicini, Opizio 28, 256 Palubinskis, Aleksandras Hilaris (poln. Aleksander Hilary Połubiński) 163, 181, 182, 183 Pasek, Jan Chryzostum 97, 300 Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg 40, 47, 84, 99, 118, 138 Pikarski, Adrian 206 Pomponne, Simon Arnauld de 54, 59, 62, 71, 128, 199, 238 Potocki, Andrzej 73, 127, 132, 136 Potocki, Dominik 211 Potocki, Stanisław 14 Potocki, Stanisław (1589–1667) 46 Prażmowski, Mikołaj 52, 54, 58, 62, 63 Proski, Samuel 254 Przyjemski, Władysław 258
Personenregister
R Radvila, Boguslavas (poln. Bogusław Radziwiłł), 246 Radvilaitė, Liudvika Karolina 245, 246, 254, 255 Radvila, Mykolas Kazimieras (poln. Michał Kazimierz Radziwiłł) 52, 61, 74, 75, 122, 152, 157, 193, 195, 201, 207, 209, 219, 231, 239, 240, 241, 242, 245, 246, 250, 255, 320 Radvila, Stanislovas Kazimieras (poln. Stanisław Kazimierz Radziwiłł) 246 Radvila, Stanislovas Kazimieras (poln. Stanisław Kazimierz Radziwiłł), (1648– 1690) 245 Ranuzzi, Angelo 277 Rauchbar, Johann von 30 Rey, Władysław 164, 177, 209 Rinaldo d’Este von Modena 149, 151, 174 Ronquillo, Pedro 99, 125, 150, 164, 171, 175, 179 Rueß, Johann 18 S Sapiega, Benediktas Povilas (poln. Benedykt Paweł Sapieha) 146, 151 Sapiega, Kazimieras Jonas (poln. Kazimierz Jan Sapieha) 261, 263 Savoia, Carlo Pio di 269 Schaffgotsch, Christoph Leopold von 22, 26, 27, 88, 99, 110, 116, 117, 125, 138, 143, 149, 150, 152, 153, 155, 157, 158, 160, 163, 165, 168, 169, 173, 174, 175, 177, 179, 180, 181, 182, 183, 184, 185, 186, 188, 189, 191, 192, 193, 194, 195, 196, 276, 290, 307, 316, 317, 319 Schwerin, Otto von 67, 189, 267 Scultetus, Joachim 28, 56, 60, 64, 197, 206, 211, 215, 225, 227, 249 Sehested, Christoffer 126, 127 Sieniawski, Mikołaj Hieronim 261 Sigismund II. August, poln. Kg. 36, 37, 129 Sigismund III. Wasa, poln. Kg. 37, 38, 39, 133 Silâhdar Fındıklılı Mehmed Ağa 29, 279, 293 Sobieska, Adelajda Teofila Ludwika 202 Sobieska, Anna 45
355
Sobieska, Katarzyna 45, 85 Sobieska, Maria Teresa 202, 313 Sobieska, Sofia-Teofila (geb. Daniłowicz) 45 Sobieski, Aleksander Benedikt 227 Sobieski, Jakub (1591–1646) 45 Sobieski, Jakub Ludwik Henryk 10, 30, 218, 223, 224, 226, 233, 246, 248, 251, 259, 276, 289, 290, 301, 306, 307, 308, 313, 322, 323 Sobieski, Konstanty Władysław 249 Sobieski, Marek 45 Soissons siehe Louis Thomas von Savoyen, Graf von Soissons Somnitz, Lorenz Christoph von 189 Souches, Jean-Louis Reduit de 182 Starhemberg, Ernst Rüdiger von 274, 279, 280, 282, 299, 300, 301, 303, 311 Stephan Báthory von Siebenbürgen, poln. Kg. 37 Stom, Peter Ignaz von 26, 53, 71, 76, 79, 81, 82, 83, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 99, 100, 101, 102, 104, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 114, 115, 118, 119, 120, 121, 122, 123, 126, 127, 129, 130, 132, 133, 134, 135, 136, 137, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 145, 146, 147, 148, 149, 150, 151, 152, 154, 156, 157, 158, 159, 160, 162, 163, 164, 165, 168, 169, 171, 172, 173, 175, 176, 181, 184, 185, 191, 192, 193, 194 Strattmann, Theodor Heinrich von 138, 145 Sulaimāns I. (Safi II.), pers. Shah 208, 274 Süleymān I., Sultan 19, 272, 277, 303 Suttinger, Daniel 31 T Taaffe, Francis 14, 31, 143, 150, 157, 163, 288, 295, 296, 302 Taaffe, Nikolas 31 Talenti, Tommaso 276, 277, 283, 303 Tarło, Jan Aleksander 97 Thököly, Emmerich 229, 249, 256, 260, 272, 278, 281 Thurn, Franz von 192, 194, 198, 199 Thurn, Philipp von 273 Trzebicki, Andrzej Zawisz 54, 55, 58, 61, 85,
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Personenregister
98, 100, 112, 121, 151, 155, 159, 163, 170, 184, 185, 186, 243 Turenne. Siehe Henri de La Tour d’Auvergne,Vicomte de Turenne Tuszynski, Jan Florian Drobysz 97 V Välckern, Johann Peter von 12, 31, 272, 297, 299, 300, 305, 306 Valois, Heinrich von 36 Verjus, Louis 67, 68 Vernay, Boucauld du 263, 264 Vitry, Nicolas-Louis de 21, 28, 243, 252, 258, 264, 266, 267 W Waldeck, Georg Friedrich von 15, 30, 283, 284, 285, 286, 287, 292, 296 Waldstein, Karl Ferdinand von 269 Warszycki, Stanisław 158, 159 Wichert, Christoph von 27, 83, 93, 94, 104, 137, 142, 249, 250 Wielopolski, Jan 160 Wierzbowski, Stefan 96, 97 Wiśniowiecki, Dymitr Jerzy 73, 132, 136, 147, 164, 230, 261 Wiśniowiecki, Jeremi Michał 48 Wiśniowiecki, Michał Korybut. Siehe Michael I. Wiśniowiecki, poln. Kg. Władysław IV. Wasa, poln. Kg. 39 Wydżga, Jan Stefan 164 Z Załuski, Andrzej 268 Zamoyski, Jan Sobiepan 46 Zierowski, Johann (Hans) Christoph 27, 194, 195, 198, 199, 203, 204, 207, 210, 211, 214, 215, 218, 219, 220, 225, 227, 232, 242, 243, 247, 248, 250, 251, 252, 253, 254, 255, 256, 257, 258, 259, 260, 263, 264, 265, 269, 276, 321 Zółkiewski, Stanisław 38, 39, 45