Impulse für die Bildungsforschung: Stand und Perspektiven / Dokumentation eines Expertengesprächs 9783050085036, 9783050041681

Empirische Bildungsforschung ist ein grundlegender Forschungsbereich, der sich mit Voraussetzungen, Bedingungen, Prozess

211 43 13MB

German Pages 184 Year 2005

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Table of contents :
Vorwort
Executive Summary
Aufbau des Tagungsbandes
Kapitel 1. Ausgangslage
Zur Situation der Empirischen Bildungsforschung
Kapitel 2. Zur Situation der Erziehungswissenschaft an deutschen Hochschulen anhand ausgewählter Beispiele
Evaluation der Forschung in den Berufswissenschaften der Lehrerbildung in Niedersachsen
An Evaluation of Education Research at Bavarian Universities
Erziehungswissenschaftliche Forschung in Baden-Württemberg
Kapitel 3. Stand der Förderinitiative
Zwischenbilanz zur Förderinitiative „Forschergruppen in der Empirischen Bildungsforschung"
Kapitel 4. Spezifische Aspekte der Empirischen Bildungsforschung
Intervention Research in Education: Some Comments
Fachdidaktische Forschung und Empirische Bildungsforschung
Zur Lage des Nachwuchses in der Empirischen Bildungsforschung und Vorschläge zur Nachwuchsförderung
Strukturelle Maßnahmen zur Förderung Empirischer Bildungsforschung an den Universitäten - Erfahrungen aus der DFG-Forschergruppe „Naturwissenschaftlicher Unterricht" an der Universität Duisburg-Essen
Kapitel 5. Empirische Bildungsforschung aus internationaler Sicht
Empirical Research in Education: Perspectives from England
Research Quality and International Focus: A Perspective from the Netherlands
Kapitel 6. Einschätzungen der Bildungsforschung mit Blick auf gesamtstaatliche Förderprogramme: BLK/KMK/Bund
Gesamtstaatliche Förderprogramme für Bildungsforschung: BLK/KMK/Bund
Statement zur Empirischen Bildungsforschung aus der Sicht der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK)
Zur aktuellen Entwicklung der Empirischen Bildungsforschung aus Sicht der Kultusministerkonferenz (KMK)
Förderung der Empirischen Bildungsforschung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
Kapitel 7. Schlussfolgerungen
Schlussfolgerungen mit Blick auf Hochschulen, Bund und Länder: Akzentsetzungen für die Empirische Bildungsforschung
Erwünschte weitere Optionen und unerwünschte Nebeneffekte der Förderinitiative: Anmerkungen aus Sicht der Forschungsförderung
Kapitel 8. Empfehlungen
Empfehlungen zur Stärkung und Förderung der Empirischen Bildungsforschung
Anhang
Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Expertengespräch vom 11./12. Juni 2004
Stellungnahme zur strukturellen Stärkung der Empirischen Bildungsforschung vom 29. Oktober 2001
Teilnehmer am Expertengespräch vom 29. Oktober 2001
Abkürzungen
Vorwort
Executive Summary
Aufbau des Tagungsbandes
Kapitel 1. Ausgangslage
Zur Situation der Empirischen Bildungsforschung
Kapitel 2. Zur Situation der Erziehungswissenschaft an deutschen Hochschulen anhand ausgewählter Beispiele
Evaluation der Forschung in den Berufswissenschaften der Lehrerbildung in Niedersachsen
An Evaluation of Education Research at Bavarian Universities
Erziehungswissenschaftliche Forschung in Baden-Württemberg
Kapitel 3. Stand der Förderinitiative
Zwischenbilanz zur Förderinitiative „Forschergruppen in der Empirischen Bildungsforschung"
Kapitel 4. Spezifische Aspekte der Empirischen Bildungsforschung
Intervention Research in Education: Some Comments
Fachdidaktische Forschung und Empirische Bildungsforschung
Zur Lage des Nachwuchses in der Empirischen Bildungsforschung und Vorschläge zur Nachwuchsförderung
Strukturelle Maßnahmen zur Förderung Empirischer Bildungsforschung an den Universitäten - Erfahrungen aus der DFG-Forschergruppe „Naturwissenschaftlicher Unterricht" an der Universität Duisburg-Essen
Kapitel 5. Empirische Bildungsforschung aus internationaler Sicht
Empirical Research in Education: Perspectives from England
Research Quality and International Focus: A Perspective from the Netherlands
Kapitel 6. Einschätzungen der Bildungsforschung mit Blick auf gesamtstaatliche Förderprogramme: BLK/KMK/Bund
Gesamtstaatliche Förderprogramme für Bildungsforschung: BLK/KMK/Bund
Statement zur Empirischen Bildungsforschung aus der Sicht der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK)
Zur aktuellen Entwicklung der Empirischen Bildungsforschung aus Sicht der Kultusministerkonferenz (KMK)
Förderung der Empirischen Bildungsforschung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
Kapitel 7. Schlussfolgerungen
Schlussfolgerungen mit Blick auf Hochschulen, Bund und Länder: Akzentsetzungen für die Empirische Bildungsforschung
Erwünschte weitere Optionen und unerwünschte Nebeneffekte der Förderinitiative: Anmerkungen aus Sicht der Forschungsförderung
Kapitel 8. Empfehlungen
Empfehlungen zur Stärkung und Förderung der Empirischen Bildungsforschung
Anhang
Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Expertengespräch vom 11./12. Juni 2004
Stellungnahme zur strukturellen Stärkung der Empirischen Bildungsforschung vom 29. Oktober 2001
Teilnehmer am Expertengespräch vom 29. Oktober 2001
Abkürzungen
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Impulse für die Bildungsforschung: Stand und Perspektiven / Dokumentation eines Expertengesprächs
 9783050085036, 9783050041681

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Deutsche Forschungsgemeinschaft Impulse für die Bildungsforschung Stand und Perspektiven Dokumentation eines Expertengesprächs Standpunkte

Akademie Verlag

Deutsche Forschungsgemeinschaft

Impulse für die Bildungsforschung Stand und Perspektiven Dokumentation eines Expertengesprächs Herausgegeben von Heinz Mandl und Birgitta Kopp

Standpunkte

Akademie Verlag

DFG

Deutsche Forschungsgemeinschaft Geschäftsstelle: Kennedyallee 40, D-53175 Bonn Postanschrift: D-53170 Bonn Telefon: ++49/2 28/8 85-1 Telefax: ++49/2 28/8 85-27 77 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.dfg.de

Das vorliegende Werk wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren, Herausgeber und Verlag für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie für eventuelle Druckfehler keine Haftung.

ISBN 3-05-004168-4

© 2005 Akademie Verlag GmbH, D-10243 Berlin Gedruckt auf säurefreiem Papier. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige gesetzlich geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche markiert sind. All rights reserved (including those of translation into other languages). No part of this book may be reproduced in any form - by photoprinting, microfilm, or any other means - nor transmitted or translated into a machine language without written permission from the publishers. Registered names, trademarks, etc. used in this book, even when not specifically marked as such, are not to be considered unprotected by law. Umschlaggestaltung und Typographie: Dieter Hüsken Datenkonvertierung/Satz: Werksatz Schmidt & Schulz GmbH, Gräfenhainichen Druck und Bindung: Druckhaus „Thomas Müntzer", Bad Langensalza Printed in the Federal Republic of Germany

Inhalt

Vorwort Ernst-Ludwig

Winnacker

Executive Summary

IX

1

Heinz Mandl und Birgitta Kopp Aufbau des Tagungsbandes

3

Kapitel 1 Ausgangslage

5

Zur Situation der Empirischen Bildungsforschung Manfred Prenzel Kapitel 2 Zur Situation der Erziehungswissenschaft an deutschen Hochschulen anhand ausgewählter Beispiele Evaluation der Forschung in den Berufswissenschaften der Lehrerbildung in Niedersachsen Heinz-Elmar Tenorth

7

23 25

An Evaluation of Education Research at Bavarian Universities Ype H. Poortinga

31

Erziehungswissenschaftliche Forschung in Baden-Württemberg Wynand H. F. W. Wijnen

36

Kapitel 3 Stand der Förderinitiative Zwischenbilanz zur Förderinitiative „ Forschergruppen in der Empirischen Bildungsforschung" Walter Müller Kapitel 4 Spezifische Aspekte der Empirischen Bildungsforschung

43 45

55

Intervention Research in Education: Some Comments Erik De Corte

57

Fachdidaktische Forschung und Empirische Bildungsforschung Kristina Reiss

62

V

Inhalt Zur Lage des Nachwuchses in der Empirischen Bildungsforschung und Vorschläge zur Nachwuchsförderung Helmut Fend Strukturelle Maßnahmen zur Förderung Empirischer Bildungsforschung an den Universitäten - Erfahrungen aus der DFG-Forschergruppe „Naturwissenschaftlicher Unterricht" an der Universität Duisburg-Essen Detlev Leutner Kapitel 5 Empirische Bildungsforschung aus internationaler Sicht

69

73

79

Empirical Research in Education: Perspectives from England David Phillips

81

Research Quality and International Focus: A Perspective from the Netherlands . Paul P. M. Leseman

86

Kapitel 6 Einschätzungen der Bildungsforschung mit Blick auf gesamtstaatliche Förderprogramme: BLK/KMK/Bund Gesamtstaatliche Förderprogramme für Bildungsforschung: BLK/KMK/Bund . . Eckhard Klieme

93 95

Statement zur Empirischen Bildungsforschung aus der Sicht der Bund-LänderKommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) Jürgen Schlegel

107

Zur aktuellen Entwicklung der Empirischen Bildungsforschung aus Sicht der Kultusministerkonferenz (KMK) Angelika Hüiner

113

Förderung der Empirischen Bildungsforschung durch das Bundesministerium für BUdung und Forschung (BMBF) Veronika Pähl

118

Kapitel 7 Schlussfolgerungen

125

Schlussfolgerungen mit Blick auf Hochschulen, Bund und Länder: Akzentsetzungen für die Empirische Bildungsforschung Jürgen Baumert

127

Erwünschte weitere Optionen und unerwünschte Nebeneffekte der Förderinitiative: Anmerkungen aus Sicht der Forschungsförderung Manired Nießen

138

VI

Inhalt Kapitel 8 Empfehlungen Empfehlungen zur Stärkung und Förderung der Empirischen Bildungsforschung Der Beirat der DFG-Förderinitiative „Empirische Biidungsforschung"

143 145

Anhang Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Expertengespräch vom 11./12. Juni 2004

161

Stellungnahme zur strukturellen Stärkung der Empirischen Bildungsforschung vom 29. Oktober 2001

163

Teilnehmer am Expertengespräch vom 29. Oktober 2001

171

Abkürzungen

173

VII

Vorwort

Wie ein Blick in die Jahresberichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft seit 1994 belegt, erfährt die Empirische Bildungsforschung im weiteren Sinne seit über einem Jahrzehnt besondere Aufmerksamkeit und Förderung durch die DFG. Lange bevor die international vergleichenden Schulleistungsstudien die öffentliche Aufmerksamkeit auf unser Bildungssystem fokussiert haben, hat die DFG Anstrengungen unternommen, die einschlägige Forschung nicht nur zu fördern, sondern in manchen Teilgebieten zuallererst die Voraussetzungen für international konkurrenzfähige Forschung mit aufzubauen. Dabei kam fast das gesamte Spektrum unserer Förderverfahren zum Einsatz - von Rundgesprächen bis zu Schwerpunktprogrammen. Die Aktivitäten kulminierten in der 2002 von Senat und Hauptausschuss beschlossenen Förderinitiative „Empirische Bildungsforschung". Insgesamt kann dies als ein Beispiel für strategisches Handeln der DFG mit den Mitteln der qualitätsorientierten und wissenschaftsgetriebenen Forschungsförderung verstanden werden. Ganz in diesem Sinne hat der Wissenschaftliche Beirat der Förderinitiative sich im Frühjahr 2004 nicht nur eine Zwischenbilanz des eigenen Handelns vorgenommen, sondern anlässlich eines Expertengespräches die Situation der Empirischen Bildungsforschung in Deutschland auch insgesamt analysiert und Empfehlungen dazu formuliert. Als Präsident der DFG habe ich mit Freude zur Kenntnis genommen, dass zu diesem Expertengespräch alle wichtigen Akteure in diesem Gebiet gewonnen werden konnten - die einschlägigen Wissenschaftler, Vertreter von Wissenschafts- und Kultusministerien der Länder, Verantwortliche des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, der Kultusministerkonferenz und der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung und nicht zuletzt Kollegen aus anderen europäischen Ländern. Die Empfehlungen, die der Wissenschaftliche Beirat auf der Grundlage des bei dieser Konferenz erörterten Materials formuliert hat, richten sich zwar auch an die DFG, vor allem aber an die Hauptverantwortlichen für die Situation der Empirischen Bildungsforschung - und für deren Veränderung: an die beteiligten wissenschaftlichen Disziplinen, die Hochschulen, die Länder und auch den Bund. Die Analyse der Situation ebenso wie die Empfehlungen führen einen grundlegenden Sachverhalt noch einmal in aller Deutlichkeit vor Augen: Auch wenn alle Optionen der DFG zur strategischen Förderung und Entwicklung eines Forschungsgebiets genutzt werden, so kann dies nur Anstoß, Herausforderung und (zum Teil auch massive) finanzielle Unterstützung sein für Veränderungen und Entwicklungen, die von den Hochschulen und Forschungseinrichtungen selbst getragen werden müssen. Die DFG ist insoweit eine „Ermöglichungsinstitution" - nicht mehr und nicht weniger.

IX

Vorwort In dem ihr möglichen Rahmen wird sie allerdings ihre Bemühung um Verstärkung dieses unverzichtbaren Arbeitsgebiets fortsetzen. Ich kann nur hoffen, dass diese Anstrengungen am Ende Früchte tragen, im Sinne einer besseren Durchdringung wissenschaftlicher Erkenntnisse in weite Bereiche von Bildung, Ausbildung und Lehre. Bonn, im Mai 2005

X

Prof. Dr. Emst-Ludwig Winnacker Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Executive Summary Heinz Mandl und Birgitta Kopp Ludwig-Maximilians-Universität, München

Vor drei Jahren hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die Förderinitiative „Foschergruppen in der Empirischen Bildungsforschung" eingerichtet. In der Begründung für diese Initiative wird auf die große Nachfrage nach empirisch gesicherten Erkenntnissen zu Bildungsfragen hingewiesen. Obwohl die Empirische Bildungsforschung in der DFG-Förderung gut sichtbar ist, reicht die Basis nicht aus, um die zunehmende Nachfrage zu decken. Ziel der Initiative ist es, die Empirische Bildungsforschung in Deutschland zu stärken und auszubauen. Für einen begrenzten Zeitraum können Forschergruppen für Empirische Bildungsforschung beantragt werden, die durch strukturbildende Maßnahmen (z.B. die befristete Vorfinanzierung einer Professur) zusätzliche Förderung seitens der DFG erhalten. Eine Zwischenbilanz über die Wirkung dieser Initiative wurde auf einem Expertengespräch zur Empirischen Büdungsforschung am 11. und 12. Juni 2004 in Niederkassel bei Bonn gezogen. Zu diesem Gespräch hatte die DFG neben dem wissenschaftlichen Beirat der Initiative Expertinnen und Experten aus den einschlägigen Disziplinen und aus den Forschungs- und Bildungsadministrationen von Bund und Ländern eingeladen. Im Rahmen dieses Gesprächs wurden die Besonderheiten der Empirischen Bildungsforschung innerhalb der deutschen Hochschullandschaft ebenso diskutiert wie Herausforderungen für die zukünftige Entwicklung. Die Empirische Bildungsforschung ist explizit keiner Fachrichtung zugeordnet. Sie zeichnet sich durch ihren methodischen Zugang aus. Die Empirische Bildungsforschung befasst sich problembezogen mit Voraussetzungen, Prozessen und Ergebnissen von Bildung - innerhalb und außerhalb von (Bildungs-)Institutionen - über die gesamte Lebensspanne. Beiträge zur Bildungsforschung sind somit nicht allein von der Erziehungswissenschaft zu erwarten, sondern auch von den Fachdidaktiken, der Psychologie (insbesondere der Pädagogischen Psychologie), der Soziologie und zum Teil auch der Ökonomie. Die aktuelle Nachfrage nach Empirischer Bildungsforschung wurde durch die PISA- und TIMS-Studien stimuliert. Diese machten durch ihre Vielzahl an damit verbundenen Fragestellungen den Bedarf an Empirischer Bildungsforschung deutlich. Zugleich wurde anhand von drei Evaluationen der Erziehungswissenschaft in den Bundesländern Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg festgestellt, dass die Empirische Bildungsforschung an deutschen Hochschulen noch zu wenig vertreten und ausgebaut ist. Die erziehungswissenschaftliche Forschung in Deutschland ist nur zu einem relativ geringen Teil empirisch und an internationalen Qualitätsstandards 1

Executive

Summary

ausgerichtet. Bisher arbeitet nur eine geringe Anzahl von Forschem gut vernetzt in Forschungsprogrammen und es fehlt eine systematische Nachwuchsförderung, um die erforderlichen methodischen Qualifikationen aufzubauen, die für die Empirische Bildungsforschung erforderlich sind. Auch die Zwischenbilanz der Förderinitiative bestätigt, dass noch mehr getan werden muss, um die Empirische Bildungsforschung in Deutschland an internationale Qualitätsstandards anzugleichen. Den anspruchsvollen Kriterien der DFG-Förderinitiative konnten bislang nur zwei Forschergruppen gerecht werden. Allerdings haben sich an zahlreichen Universitäten Arbeitsgruppen zusammengeschlossen, um zu prüfen, inwieweit gemeinsam Fragestellungen der Bildungsforschung empirisch bearbeitet werden können. Es wurden zahlreiche Projektskizzen zur Vorbegutachtung eingereicht, die in einer ganzen Reihe von Fällen noch keine hinreichende Basis für eine Förderung in dieser auf exzellente Forschung abzielenden DFG-Initiative lieferten. Aus diesen Skizzen gingen jedoch an einigen Standorten Einzel- oder Paketanträge zu Fragestellungen der Empirischen Bildungsforschung hervor, die im Normalverfahren bewilligt werden konnten. Im Expertengespräch wurden die Ansätze und bisherigen Ergebnisse der Förderinitiative vor dem Hintergrund der aktuellen Forschungslandschaft in Deutschland und im internationalen Vergleich diskutiert. Um die Empirische Bildungsforschung in Deutschland nachhaltig zu stärken, wurden folgende Maßnahmen in Betracht gezogen und vorgeschlagen: Weiterführung der Förderinitiative: Da die Förderinitiative bereits positive Effekte im Bereich der Empirischen Bildungsforschung gezeigt hat, ist eine Fortführung zur Intensivierung der Wirkung zu empfehlen. - Unterstützende Rahmenbedingungen: Um den Ausbau der Empirischen Bildungsforschung an deutschen Hochschulen nachhaltig zu unterstützen, müssen auch entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden. Das betrifft unter anderem die Berufungspolitik, die künftig einen Schwerpunkt auf Empirische Bildungsforschung legen sollte, die regelmäßige Evaluation der Forschung anhand vorher bestimmter Qualitätsstandards und eine auf interdisziplinäre Kooperation basierende Bearbeitung komplexer Themen- und Fragestellungen der Bildungsforschung. - Ausrichtung von Forschungsprogrammen: Um die Empirische Bildungsforschung zu stärken, sind weitere Forschungsprogramme zu empfehlen, die spezifische Themenschwerpunkte fokussieren. In diesem Rahmen sollen auch von Bund und Ländern Mittel zur Verfügung gestellt werden, die es ermöglichen, aktuelle praxisrelevante Problemstellungen zu beantworten. Diese können den Ausgangspunkt für weitere Forschungsfragen bilden. - Förderung des Nachwuchses für die Empirische Bildungsforschung: Auch der Nachwuchs muss über Förderprogramme (z.B. Summer School, Graduiertenkolleg) für das empirische Arbeiten geschult werden, um die notwendigen Kompetenzen für Empirische Bildungsforschung zu erlangen. -

2

Aufbau des Tagungsbandes

In einem ersten Kapitel wird ausführlich auf die Situation der Empirischen Bildungsforschung in Deutschland eingegangen. Neben einer Präzisierung des Begriffs wird der Gegenstandsbereich erläutert und das Besondere an diesem Forschungsfeld herausgestellt. Die Möglichkeiten der Empirischen Bildungsforschung, die Bildungswirklichkeit zu verstehen und zu verbessern, werden ebenso erläutert wie Herausforderungen und Perspektiven für die Zukunft. Aufbauend auf diesem grundlegenden Eingangskapitel beleuchten die nachfolgenden Kapitel spezifische Aspekte der Empirischen Bildungsforschung. Zunächst werden in Kapitel 2 die Ergebnisse von drei Evaluationen der Erziehungswissenschaft in den Ländern Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg vorgestellt. Diese zeigen, dass die Erziehungswissenschaft sich bisher noch zu wenig auf die Empirische Bildungsforschung eingelassen hat. An vielen Standorten fehlt eine theoretisch fundierte, empirisch ausgerichtete und international orientierte Forschung, die programmatisch vorangetrieben wird. Die anschließende Zwischenbilanz zur Förderinitiative in Kapitel 3 beschreibt einige positive Wirkungen, aber weist auch auf weitere Herausforderungen hin. In Kapitel 4 werden profil- und strukturbildende Maßnahmen diskutiert, die zu einer Stärkung der Empirischen Bildungsforschung beitragen können. Zu diesen zählen die Umsetzung von theoretisch wie empirisch fundierten Interventionsansätzen, in der auch die Fachdidaktiken ein stärkeres Gewicht erhalten, die systematische Nachwuchsförderung und eine konsequente Evaluation der Lehr- und Forschungsleistungen an den Universitäten. Beispiele für die erfolgreiche Umsetzung solcher Maßnahmen werden in Kapitel 5 aus internationaler Sicht anhand Großbritanniens und der Niederlande erläutert. Darin nimmt eine regelmäßige Evaluation vor dem Hintergrund wissenschaftlich und international gültiger Qualitätsstandards einen großen Stellenwert ein. Im Kontext der Verbesserung der Empirischen Bildungsforschung steht auf nationaler Ebene das Kapitel 6, in dem Förderprogramme von BLK, KMK und des Bundes dargelegt werden. Diese legen einen Schwerpunkt auf die Initiierung verschiedener, meist anwendungsorientierter Programme, deren fundierte Datenbasis als Grundlage für weitere Forschung dienen kann. Aufbauend auf die vorangegangenen Kapitel werden in Kapitel 7 Schlussfolgerungen für die Situation der Empirischen Bildungsforschung mit Blick auf Länder, Hochschulen und DFG gezogen. Von der detaillierten Darstellung der Situation der Empirischen Bildungsforschung in Deutschland ausgehend werden abschließend in Kapitel 8 vom Wissenschaftlichen Beirat Empfehlungen zur Stärkung und Förderung der Empirischen Bildungsforschung ausgesprochen. 3

Kapitel 1 Ausgangslage

Zur Situation der Empirischen Bildungsforschung Manfred Prenzel Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften, Kiel

Wenn man die Situation der Empirischen Bildungsforschung in Deutschland analysieren möchte, muss man sich zugleich mit den aktuellen Problemlagen in ihrem Gegenstandsbereich, der Bildungslandschaft, befassen. Die empirisch ausgerichtete Bildungsforschung zielt darauf ab, stattfindende Erziehungs- und Bildungsprozesse sowie deren Bedingungen und Ergebnisse zu untersuchen. Ihr Anspruch ist es, erfahrungswissenschaftlich abgesichertes Wissen bereitzustellen, mit dem die Erziehungswirklichkeit besser verstanden und gegebenenfalls zielgerichtet verändert werden kann. Die Bedeutung, die der Empirischen Bildungsforschung zugemessen wird, hängt deshalb nicht nur von ihrer wissenschaftlichen Qualität ab, sondern auch von der jeweiligen Situation im Bildungssystem bzw. von den dort wahrgenommenen Problemlagen. Aus diesem Grund beginnt der folgende Beitrag mit einem Blick auf die momentane Situation im Bildungsbereich. Es wird erörtert, inwieweit die Wahrnehmung der Bildungslandschaft und das Wissen von Problemen durch die Empirische Bildungsforschung beeinflusst und wissenschaftlich gestützt wird. Auf der Grundlage dieser ersten Näherung an das Feld möchte ich dann auf einige Besonderheiten der Empirischen Bildungsforschung hinweisen und Beiträge, Möglichkeiten und Grenzen der Empirischen Bildungsforschung in Deutschland skizzieren. Dabei sollen insbesondere die Herausforderungen für die Entwicklung dieses Forschungsfeldes in der nächsten Zukunft herausgearbeitet werden.

1

Die aktuelle Lage im Bildungsbereich

Wer sich ein Bild von der augenblicklichen Lage im deutschen Bildungssystem machen möchte, findet eine Fülle von wichtigen Informationen in den jüngst erschienenen Bildungsberichten. Die in unregelmäßigen Abständen erscheinenden Büdungsberichte des Berliner Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung (Cortina, Baumert, Leschinsky, Mayer & Trommer, 2003) wurden nun durch einen ersten im Auftrag der KMK erstellten schulbezogenen Bildungsbericht (Avenarius et al., 2003) ergänzt. Bemerkenswert ist, dass jetzt auch in Deutschland mit einer umfassenden, systematischen und auf Dauer angelegten Büdungsberichterstattung im öffentlichen Auftrag begonnen wird. 7

Manfred Prenzel Der Stellenwert einer gezielten und auf Dauer angelegten Berichterstattung zur Lage des Bildungswesens wurde durch internationale Vergleichsstudien sichtbar, die den Nutzen einer systematischen und regelmäßigen Beobachtung von Bildungsergebnissen öffentlichkeitswirksam unterstrichen. Aufmerksamkeit fanden internationale Vergleichsstudien wie TIMSS, PISA oder IGLU/PIRLS, weil sie mit hoher Übereinstimmung gravierende Probleme im deutschen Bildungssystem beschrieben. Vor allem die TIMSS- und PISA-Befunde erschütterten verbreitete optimistische Vorstellungen von der Qualität der Bildung in Deutschland. Die aktuelle Lage im deutschen Bildungssystem wird seitdem geprägt von einer durchaus selbstkritischen Wahrnehmung von Schwächen, aber auch von einer gewissen Unsicherheit über die erforderlichen Maßnahmen und Schritte zur Verbesserung der Lage bzw. zur Problemlösung. Allerdings weisen die Befunde, die sich zum Beispiel im Rahmen von PISA zeigten (Baumert et al., 2001; Baumert et al., 2003; Prenzel et al., 2004), auf Bildungsprobleme hin, die keineswegs auf den Bereich der Schule begrenzt sind; So liegen die Kompetenzen deutscher Schülerinnen und Schüler in Schlüsselbereichen unter dem OECD-Durchschnitt, dies bei einer sehr starken Leistungsstreuung, die damit für fast ein Viertel der Jugendlichen eine äußerst ungünstige Prognose für Aus- und Weiterbildung bedeutet. Stärker ausgeprägt als in fast allen Ländern sind Disparitäten nach sozialer Herkunft und Migration; bemerkenswert sind regionale Disparitäten. Die in Deutschland sehr enge Kopplung zwischen sozialer Herkunft und Kompetenz, die offensichtlich zu einem erheblichen Anteil über die Beteiligung an den unterschiedlichen Bildungsgängen vermittelt wird, kennzeichnet nicht nur ein Problem der Bildungsgerechtigkeit, sondern auch eines der Nutzung des geistigen und motivationalen Potenzials (den sog. „Humanressourcen") einer Gesellschaft. Die aktuelle Lage im Bildungssystem wird somit geprägt durch die Feststellung gravierender Probleme, die - aufgrund eines jahrzehntelangen Verzichts auf umfassende Leistungsvergleiche - mit erheblicher Verzögerung (auch im Vergleich zu anderen Ländern) erfolgt. Internationale Vergleichsstudien wie PISA liefern dabei nicht nur Befunde über Bildungsergebnisse, sondern auch systematische Informationen über Struktur-, Input- und Prozessmerkmale des Bildungssystems. Ein nennenswerter Teil dieser Informationen ist nicht unbedingt originär, weil bisher auch prinzipiell in Schulstatistiken enthalten. Allerdings gewannen viele der Informationen (z. B. Häufigkeiten von Klassenwiederholungen) erst im Kontext umfassender, theoretisch konzipierter Erhebungen von Bildungsergebnissen an Brisanz. Mit den large scale assessments wurde ein systematischer Bezugsrahmen für die Gewichtung und Bewertung von Informationen vorgelegt. Die Tatsache, dass Deutschland über lange Zeit von einer systematischen Beobachtung des Bildungssystems abgesehen hat, bedingt ein wichtiges Merkmal des aktuellen Bildungssystems, gewissermaßen einen reflexiven Befund: Mit dem Verzicht auf eine systematische empirische Beobachtung des Bildungssystems hat man in Deutschland für einige Jahrzehnte auf Erfahrungen darüber verzichtet, wie sich ein Bildungssystem verändert und wie dieses auf bestimmte Ereignisse oder Maßnahmen reagiert. Dieser Mangel an Erfahrungen über Entwicklungen und Reaktionen eines Bildungssystems auf Interventionen und Steuerungsversuche kennzeichnet selbst einen Schwachpunkt im Bildungssystem, der heute etwa in der Artikulation eines drängenden Bedarfs nach Steuerungswissen sichtbar wird.

8

Zur Situation der Empirischen

Bildungsforschung

Wenn auch die schulbezogenen internationalen Leistungsvergleiche nur bestimmte Ausschnitte des Bildungssystems betrafen, führten sie jedoch zu einer kritischen Betrachtung und Einschätzung der gesamten Bildungslandschaft. Ein Grund dafür liegt darin, dass die bei PISA erfassten Bildungsergebnisse bei Jugendlichen im Sinne notwendiger Voraussetzungen für nachfolgende Bildungsprozesse untersucht werden. Die Befunde führen so zu problematischen Prognosen, die nicht nur das Bildungswesen, sondern das gesamte wirtschaftliche, politische und soziale System betreffen. Da die Befundlage für alle anderen Bildungsbereiche (z. B. berufliche Bildung, Hochschule, Sozialpädagogik, Erwachsenen- und Weiterbildung) sehr viel schwächer ist als im Feld der Schule, besteht wenig Anlass, die Problemlage nur auf den engeren Rahmen des Schulsystems begrenzt zu sehen. Es gibt durchaus Anhaltspunkte dafür, dass internationale Vergleiche auch in anderen Teilbereichen des Bildungssystems vergleichbare Probleme identifizieren dürften.

2

Die Wahrnehmung von Problemen im Bildungsbereich

Die Resonanz, die internationale Vergleichsstudien in Deutschland gefunden haben, hängt mit der Dramatik der Ergebnisse zusammen. Eine ernüchternde bis erschütternde Wirkung konnten die Befunde über die Bildungsqualität in Deutschland jedoch nur deshalb erzielen, weil sie insgesamt als zuverlässig, aussagekräftig und empirisch solide wahrgenommen wurden. Während es noch im Umfeld von TIMSS gelegentlich Diskussionen über die verwendeten Methoden gab, fand der methodische Ansatz bei PISA breite Akzeptanz. Tatsächlich lässt sich von TIMSS nach PISA noch einmal ein deutlicher konzeptueller und methodischer Fortschritt feststellen. Die internationalen Schulleistungsvergleiche der letzten Jahre repräsentieren einen hohen methodischen Standard. Sie liefern vor allem aufgrund folgender Merkmale tragfähige und aussagekräftige Befunde: - Die Studien verwenden eine neue Generation von Schulleistungstests, die anspruchsvolle Kompetenzen zuverlässig und valide erfassen. Vor allem bei PISA werden die Aufgaben in realitätsnahen Kontexten präsentiert, um die flexible Wissensanwendung zu untersuchen. Die Tests erfassen notwendige Voraussetzungen für (mehr oder weniger fachbezogene) nachfolgende Bildungsprozesse und gewinnen damit an Aussagekraft gegenüber eng auf das Curriculum und Detaüwissen bezogene Aufgaben. - Die internationalen Studien zeichnen sich durch Zufallsstichproben aus, die repräsentative Aussagen zulassen; über die Genehmigungsverfahren und die teilweise Verpflichtung zur Teilnahme werden Beteiligungsquoten erreicht, die alle Leistungsbereiche und Sozialmilieus hervorragend abbilden. - Neue Auswertungsverfahren gestatten es (z.B. über das sog. Multi-Matrix-Design), große Aufgabenmengen in knapp begrenzter Testzeit bearbeiten zu lassen. Die Auswertungsmethoden erlauben Vergleiche der Ergebnisse unter verschiedenen Bezugsnormen. Neben Gruppen werden auch inhaltliche/fachliche Kriterien (z.B. 9

Manfred Prenzel Bildungsziele) verglichen und Dimensionen und Stufen der gemessenen Kompetenz differenziert. - Die Erhebungskonzeption orientiert sich insgesamt an Mehr-Ebenen-Modellen, die potenzielle Einflussfaktoren innerhalb und außerhalb der Schule theoretisch begründet gruppieren und bei den Vorhersagen von Kompetenzunterschieden berücksichtigen. Die Modelle gestatten es, mögliche Problembereiche genauer zu lokalisieren und geben Hinweise auf potenzielle Handlungsfelder. Die internationalen Vergleichsstudien bzw. die sog. large scale assessements nutzen das aktuell verfügbare Instrumentarium der Empirischen Bildungsforschung, um Zustände von Bildungssystemen zu beschreiben und unter bestimmten Vergleichskriterien zu beurteilen. Studien, wie zum Beispiel PISA, repräsentieren damit den einschlägigen internationalen Forschungsstand und zeichnen sich durch eine enge interdisziplinäre Kooperation aus (etwa zwischen Erziehungswissenschaft, Psychologie, Psychometrie, Fachdidaktiken, Soziologie). An der internationalen Kooperation - zum Beispiel im Rahmen von PISA - sind empirische Bildungsforscherinnen und -forscher aus Deutschland konzeptuell mit gut sichtbaren Beiträgen beteiligt. Dies gilt für die Entwicklung von Testkonzeptionen für alle Kompetenzbereiche ebenso wie für die Entwicklung von Erhebungsinstrumenten. Mehrere Arbeitsgruppen empirischer Bildungsforscher waren sehr konsequent am Werk, im Rahmen internationaler Vergleichsstudien nationale Optionen zu entwerfen und umzusetzen, die für die Akzeptanz der Befunde in Deutschland sehr wichtig waren. Die Zusatzstudien halfen nicht nur, die Befunde der Vergleichsstudien besser zu interpretieren, sondern führten zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen, die unter anderem auch zur Weiterentwicklung der internationalen Erhebungskonzeptionen beitrugen. An dieser Stelle muss auch betont werden, dass diese Forschungsinitiativen aus der Empirischen Bildungsforschung von der deutschen Bildungsadministration ermöglicht und tatkräftig unterstützt wurden. Vor diesem Hintergrund kann man auf der einen Seite zusammenfassend feststellen, dass die Lage im deutschen Bildungsbereich durch eine Reihe gravierender Probleme bestimmt ist, die durch Ansätze und Verfahren der Empirischen Bildungsforschung (z.T. im internationalen Vergleich) erfasst und beschrieben wurden. Die „schlechten" Nachrichten über den Entwicklungsstand im deutschen Bildungssystem wurden von einer Empirischen Bildungsforschung erarbeitet, die zuverlässige und gültige Aussagen über Zustände von Bildungssystemen und insbesondere über die Qualität von Bildungsergebnissen liefern kann. Die Empirische Bildungsforschung verfügt damit - auch in Deutschland - prinzipiell über ein sehr gutes Potenzial, bedeutsame Problemlagen in BUdungssystemen zu identifizieren. Die verwendeten Forschungsansätze und das methodische Inventar können über den Schiübereich hinaus gut übertragen werden auf andere Bereiche des Bildungssystems (etwa berufliche Ausbüdung, Weiterbildung, Erwachsenenbüdung). Eine Empirische Bildungsforschung, die in der Lage ist, Bildungssysteme und -ergebnisse zuverlässig zu erfassen und unter verschiedenen Kriterien zu analysieren, gewinnt eine erhebliche bildungspolitische Bedeutung.

10

Zur Situation der Empirischen

3

Bildungsforschung

Gegenstand und Besonderheiten der Empirischen Bildungsforschung

Wenn bei der Diskussion der aktuellen Situation im Bildungsbereich wiederholt auf die Empirische Bildungsforschung verwiesen wurde, mag der Eindruck entstanden sein, es handle sich bei dieser Bezeichnung um einen gut eingeführten und für jedermann nachvollziehbaren Begriff. Jedoch sind weder die Begriffe „Bildungsforschung" noch gar „Empirische Bildungsforschung" selbstverständlich. Den Begriff der Bildungsforschung hat der Deutsche Bildungsrat während der siebziger Jahre systematisch eingeführt und präzisiert (Deutscher Bildungsrat, 1975). Der Kontext der Bemühungen um die Bildungsreform prägt die Definition des Bildungsrats: „Man kann Bildungsforschung in einem weiteren und engeren Sinn auslegen. Im engeren Sinn hat es sie als Unterrichtsforschung schon immer gegeben. Im weiteren Sinne kann sie sich auf das gesamte Bildungswesen und seine Reform im Kontext von Staat und Gesellschaft beziehen, einschließlich der außerschulischen Bildungsprozesse. Wie weit oder eng aber auch die Grenzen gezogen werden, es sollte nur dann von Bildungsforschung gesprochen werden, wenn die zu lösende Aufgabe, die Gegenstand der Forschung ist, theoretisch oder empirisch auf Bildungsprozesse (Lehr-, Lern-, Sozialisations- und Erziehungsprozesse), deren organisatorische und ökonomische Voraussetzungen oder Reform bezogen ist" (Deutscher Bildungsrat, 1974, S. 16). Diese Definition grenzt implizit die Empirische Bildungsforschung ab. Nach heutigem Verständnis würde man sagen, es ist die Empirische Bildungsforschung, die theoretisch und empirisch, bzw. genauer formuliert, theoriegeleitet empirisch arbeitet. Auch wenn die Empfehlungen des Deutschen Bildungsrates zur Bildungsforschung programmatisch angelegt waren, hat sich diese Konzeption der Bildungsforschung nicht in der Breite etablieren können. Sie hat sich offensichtlich nicht durchsetzen können gegenüber pädagogischen Traditionen, die sich schon immer theoretisch mit Bildungsfragen beschäftigt hatten, und sich offensichtlich nicht aufgerufen fühlten, einer Programmatik zu folgen, die ja doch mit neuen Anforderungen und Orientierungen verbunden war. Die Bildungsforschung sollte sich sehr viel stärker aktuellen Problemen widmen und nach konkreten Lösungsmöglichkeiten suchen. Die Vorstellungen des Deutschen Bildungsrates boten sehr viel mehr Anknüpfungsmöglichkeiten für die - innerhalb der deutschen Erziehungswissenschaft - relativ kleine Gruppe empirischer Forscher. Die empirisch ausgerichtete Forschung allerdings folgte analytischen Prinzipien und spezialisierte sich unter einer pädagogischpsychologischen wie auch fachdidaktischen Orientierung auf Lehr-Lem-Prozesse, unter einer pädagogisch-soziologischen Orientierung auf Sozialisationsprozesse. In diesen Bereichen wurde zwar kontinuierlich und durchaus erfolgreich Empirische Bildungsforschung im Sinne des Deutschen Bildungsrates betrieben, aber unter anderen Etiketten. Erst relativ spät (in den neunziger Jahren) verstärkten sich Tendenzen, von einer Empirischen Büdungsforschung zu sprechen bzw. sich dieser zuzuordnen. Die Einrichtung einer Sektion „Empirische Büdungsforschung" in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft dokumentiert inzwischen eine breitere Akzeptanz und Institutionalisierung dieses Begriffs. 11

Manfred

Prenzel

Die Erziehungswissenschaft ist allerdings nur bei oberflächlicher Betrachtung der disziplinare Bezugsrahmen für die Empirische Bildungsforschung. Dennoch kann man der Erziehungswissenschaft eine Sonderrolle oder besondere Verpflichtung zur Empirischen Bildungsforschung zusprechen. Wie bereits der Deutsche Bildungsrat unterstreicht, können zahlreiche Disziplinen einen Beitrag zur Bildungsforschung leisten bzw. ist die interdisziplinäre Arbeit eine Voraussetzung (und Schwierigkeit) der Bildungsforschung. Bildungsforschung kann aus den Perspektiven erziehungswissenschaftlicher Teildisziplinen (z.B. Schulpädagogik, Erwachsenen- und Weiterbildung) betrieben werden, aber auch aus psychologischen, soziologischen, ökonomischen oder fachdidaktischen Perspektiven. Die Empirische Bildungsforschung konstituiert sich damit nicht als Teildisziplin, sondern als Forschungsfeld, das durch bildungsbezogene Problemstellungen bestimmt ist. Die Bezeichnung „empirisch" lässt unterschiedliche methodische Herangehensweisen zu, für die jedoch generell gilt, dass theoretische Aussagen systematisch und intersubjektiv nachvollziehbar mit erfahrungswissenschaftlichen Verfahren geprüft oder begründet werden. Die Besonderheiten der Empirischen Bildungsforschung ergeben sich also nicht aus der disziplinären Einordnung, sondern aus dem Gegenstandsbereich. Der Gegenstand der Empirischen Bildungsforschung umfasst Voraussetzungen, Prozesse und Ergebnisse von Bildung über die Lebensspanne, innerhalb und außerhalb von (Bildungs-)Institutionen. Diese Beschreibung ist weit gehalten: Sie gestattet es zum Beispiel, thematisch vielfältige und mehrdimensionale (also z. B. kognitive, motivationale und wertbezogene) Bildungsprozesse zu untersuchen. Bildung kann als aktiver Konstruktionsprozess unter mehr oder weniger externer, bewusster und absichtsvoller Einflussnahme betrachtet werden. Es können alle Lebensphasen untersucht bzw. Entwicklungen über Abschnitte der Lebensspanne analysiert werden. Die Analysen können aus einer individuumsbezogenen bzw. institutionsbezogenen Perspektive erfolgen. Diese Gegenstandsbeschreibung öffnet also ein sehr umfassendes und komplexes Feld für die Empirische Bildungsforschung. Der Zweck und die Aufgabe der Empirischen Bildungsforschung unterscheiden sich strukturell nicht von dem anderer Disziplinen. In wenigen Worten gefasst richtet sich das Anliegen der Empirischen Bildungsforschung darauf, die Bildungswirklichkeit zu verstehen und zu verbessern. Diese Aussage drückt aus, dass die Empirische Bildungsforschung auf grundlegendes und anwendungsbezogenes Wissen zielt. Anders ausgedrückt will oder soll die Empirische Bildungsforschung erfahrungswissenschaftlich geprüftes bzw. gestütztes Wissen über Voraussetzungen (auch Ziele), Prozesse und Ergebnisse von Bildung (bzw. über Relationen zwischen diesen Komponenten) bereitstellen. Das Wissen, das die Empirische Bildungsforschung liefert, schließt Beschreibungen, Vorhersagen und Erklärungen ein, umfasst aber auch Erkenntnisse über Veränderungs- und Eingriffsmöglichkeiten unter bestimmten Bedingungen bei gegebenen Zielen sowie empirisch gestütztes Wissen über Bildungsziele und deren Relationen. Generell will und soll die Empirische Bildungsforschung Wissen gewinnen, das sich nützlich erweist, um Probleme im Bildungsbereich zu erfassen und zu lösen.

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Zur Situation der Empirischen

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Bildungsforschung

Herausforderungen für die Bildungsforschung

Die Empirische Bildungsforschung zielt somit nicht nur darauf ab, Bildungsergebnisse zu beschreiben und auf bestimmte Beurteilungskriterien zu beziehen. Die erwähnten international vergleichenden Schulleistungsstudien liefern zum Beispiel umfangreiche deskriptive Befunde; sie werfen damit aber auch zahlreiche Fragen auf, die wiederum an die Bildungsforschung zurück gerichtet werden. Pauschal können hier zwei Typen von Fragen unterschieden werden, die an die Empirische Bildungsforschung adressiert werden: (1) „Warum?"-Fragen verlangen Erklärungen, betreffen also Bedingungen oder gar Ursachen für die Ergebnisse oder Probleme, gelegentlich suchen sie nach den Schuldigen für die Misere. (2) „Was tun?"-Fragen betreffen generelle und spezifische Handlungsmöglichkeiten, gegebenenfalls bezogen auf potenzielle Akteure, geordnet nach Priorität, unter Berücksichtigung von Rahmenbedingungen. Beide Fragetypen können zum Beispiel allein aus den Daten, die in internationalen Vergleichsstudien gewonnen werden, empirisch nicht zufrieden stellend beantwortet werden. Das internationale Design (z.B. bei PISA) gestattet es zu beschreiben, welche Ergebnisse hierzulande und in anderen Staaten erreicht werden, und zeigt damit zunächst, dass andere Ergebnisse (unter anderen Konstellationen) erzielt werden könnten. Gelegentlich ist es möglich, manche Bedingungen als relevante Faktoren für Unterschiede auszuschließen. Das Design einer Querschnittstudie lässt es aber nicht zu, tragfähige Antworten auf die Fragen nach Ursachen und Eingriffsmöglichkeiten zu geben. Freilich sind es genau die Fragen „Warum?" und „Was tun?", die von der Bildungsadministration, den Lehrkräften wie auch von der interessierten Öffentlichkeit gestellt werden. Da die Probleme (aufgrund ihrer Konsequenzen) nach baldigen Lösungen verlangen, werden schnelle und umfassende Antworten gewünscht, die rational begründet, intersubjektiv prüfbar, empirisch belegt, unvoreingenommen, kohärent mit vorhegendem Wissen und dabei möglichst klar und einfach sein sollten. Diese Erwartungen mögen als überzogen erscheinen, sie treffen jedoch prinzipiell den Anspruch, den die Empirische Bildungsforschung auch an sich stellt. Das heißt aber nicht, dass die Empirische Bildungsforschung entsprechende Fragen immer schon aus dem Stand heraus zufrieden stellend beantworten kann. Die Unterscheidung der beiden Fragetypen wird im Folgenden genutzt, um Erwartungen und Herausforderungen an die Empirische Bildungsforschung zu differenzieren. „Warum?"-Fragen und Erklärungswissen: In Anbetracht der überraschenden oder problematischen Befunde über Bildungsergebnisse zielen die Fragen nach dem Warum auf die Angabe von Ursachen: Man wül wissen, welche Bedingungen zum Zustandekommen der Ergebnisse beigetragen haben und wie stark ihr Einfluss jeweils war oder ist. Insbesondere sucht man nach Faktoren, die als kausal relevant für bestimmte Ergebnisse bzw. Wirkungen gelten können. Wenn kausal relevante Faktoren identifiziert werden können, hüft dies nicht nur, das Bildungsgeschehen besser zu verstehen. Es können auch kausal bedeutsame Bedingungsfaktoren entdeckt werden, die man beeinflussen und gestalten kann. Insofern führen Fragen nach Erklärungen weiter zu Fragen nach Veränderungsmöglichkeiten. 13

Manfred

Prenzel

Ob zufrieden stellende Antworten auf Warum-Fragen gegeben werden können, hängt freilich auch von der Art der Frage ab, also etwa ihrem Umfang und den Perspektiven der Fragesteller. Man kann hier pauschal zwischen stärker eingeengten („lokalen") und sehr umfassenden („globalen") Fragen unterscheiden. Als „lokal" könnte man die Frage (z. B. aus der Lehrerperspektive) einordnen, von welchen individuellen Merkmalen und Unterrichtsverfahren es abhängt, ob Schülerinnen und Schüler Interesse an Naturwissenschaften entwickeln oder verlieren. Wenn dagegen gefragt wird (z.B. aus bildungspolitischer Perspektive), welche Bedingungsfaktoren dazu beitragen, dass in Deutschland das durchschnittliche Kompetenzniveau niedrig, die Streuung groß und der Zusammenhang mit sozialer Herkunft stark ausgeprägt ist, dann wäre die Frage als „global" einzustufen. Die Reichweite von Fragen lässt sich mit Hilfe eines Blicks auf Bedingungsfaktoren in Bildungssystemen abschätzen. Die Abbildung 1 skizziert Bedingungsfelder für Bildungsergebnisse.

Ebenen:

Bildungsergebnisse

Individuum

Unterricht

Klasse

EinrichtungI Kontext

System

Schule und Umfeld

Curriculum/ Institution

Lehrer und Lehrerbildung

Eltern

Medien

Gleichaltrige

Kulturelle und sozioökonomische Hintergrundbedingungen

Abbildung 1: Überblick über Bedingungsfelder für Bildungsergebnisse

In der Abbildung 1 sind wichtige Bedingungsfelder, die Bildungsprozesse und -ergebnisse beeinflussen, Analyse- bzw. Aggregationsebenen zugeordnet. Die Bedingungsfelder können systematisch weiter aufgegliedert werden. Sie umfassen Hunderte von potenziell bedeutsamen Variablen, wenn man den Forschungsstand umfassend abbilden wollte. Betrachtet man einzelne Bedingungsfaktoren, dann beeinflussen bestimmte Variablen (z. B. Merkmale der Klassenlehrkraft) das Lernen im Unterricht direkt, andere wiederum (z.B. Merkmale der Lehrerbildung) indirekt. Das heißt auch, dass bestimmte Faktoren verzögert, andere unmittelbar wirken. Einige Faktoren (z. B. Merkmale des Elternhauses) beeinflussen Bildungsprozesse über lange Zeiträume, zum Teil mit kumulierenden Effekten; andere wiederum relativ kurzfristig. Der Überblick lässt auch erkennen, dass unterschiedliche Gruppen von Akteuren mitspielen, die auf Handlungsspielräume anderer Akteure einwirken können. In die Abbildung sind keine Symbole (Pfeile) für Einflussrichtungen eingetra-

Zur Situation der Empirischen

Bildungsforschung

gen. Tatsächlich müssten fast alle Felder miteinander verbunden und zugleich vielfältige Wechselwirkungen (Interaktionen unterschiedlicher Ordnung) berücksichtigt werden. Es hegt auf der Hand, dass je nach entwickelter Kompetenz (in Form von Bildungsergebnissen} Rückwirkungen auf das Elternhaus, die Medienrezeption, die Freizeitaktivitäten in der Peergruppe und die Beteiligung am Unterricht zu erwarten sind. Die Ausführungen unterstreichen, dass die Empirische Bildungsforschung ein komplexes und dynamisches System zu untersuchen hat. Die Komplexität des Gegenstands ist auch im Vergleich zu Forschungsfeldern anderer Disziplinen bemerkenswert hoch. Die Empirische Büdungsforschung nähert sich dem komplexen Bedingungsfeld mit den typischen Verfahren empirischer Wissenschaften, also etwa mit Theorien, die sich auf vorausgegangene Arbeiten stützen und die den Suchraum auf aussichtsreiche Faktoren eingrenzen. Besondere Bedeutung gewinnen Theorien, die systemische Beziehungen strukturieren und die dabei genutzt werden können, analytisch geeignete Felder für empirische Studien herauszuschneiden. Um zu Erklärungen zu gelangen, müssen einzelne Einflussfaktoren identifiziert und andere Bedingungen kontrolliert werden. Für die Einschätzung der kausalen Relevanz ist es in den meisten Fällen erforderlich, Veränderungen über die Zeit (im Bildungsbereich durchaus längere Zeiträume) zu erfassen. Diesen Verweisen kann auch entnommen werden, weshalb normalerweise die Designs internationaler Vergleichsstudien nicht ausreichen, um fundierte Erklärungen für die beschriebenen Unterschiede zwischen Bildungsergebnissen zu hefern. Der komplexe Gegenstandsbereich bietet unzählige Ansatzmöglichkeiten für Forschungsarbeiten, mit der Gefahr, vielfältige und häufig nicht ohne weiteres aufeinander beziehbare Befunde zu produzieren. Damit fällt es zum Teil schwer, auf sicheres Wissen zurückzugreifen, wenn es etwa gilt, aktuelle Ergebnisse aus internationalen Vergleichen zu erklären oder zumindest zu interpretieren. Offensichtlich besteht jedenfalls der große Bedarf an interdisziplinärer Forschung, um das komplexe Problemfeld mit unterschiedlichen Bedingungsebenen aufklären zu können. Die Empirische Büdungsforschung hat in Deutschland vor allem durch die internationalen Vergleichsstudien in den letzten Jahren starke öffentliche Aufmerksamkeit gefunden. Die vorausgehenden langjährigen Untersuchungen, die sich systematisch mit bestimmten Teübereichen des Büdungssystems befassten, waren dagegen öffentlich kaum beachtet worden. Das mag an der Reichweite der Fragestellungen liegen. Viele der empirisch forschenden Kolleginnen und Kollegen bearbeiteten vorwiegend kleinere, also eher „lokale" Warum-Fragen (z.B.: Welche Rolle spielt beim fachlichen Lernen das themenbezogene Vorwissen gegenüber kognitiven Grundfähigkeiten?). Sie haben sich (möglicherweise auch unter Berücksichtigung ihrer Arbeitsmöglichkeiten an Universitätsinstituten) kaum auf die umfassenden „globalen" Warum-Fragen (z.B.: Wie kann man die enge Kopplung zwischen sozialer Herkunft und Kompetenz erklären?) eingelassen, die nur in interdisziplinären Forschungsverbünden aussichtsreich bearbeitet werden können. Allerdings tragen die theoretischen und methodischen Erkenntnisse aus zahlreichen „lokal" ansetzenden Studien sehr wohl zur Wissensbasis bei, die für die theoretische Konzeption und methodische Umsetzung umfassender Erhebungen (z.B. internationale Vergleiche) erforderlich ist.

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Premei

So kann man eine Reihe von Gründen anführen, weshalb es der Empirischen Bildungsforschung derzeit noch schwer fällt, die erwünschten Erklärungen als Antworten auf die umfassenderen Warum-Fragen zu geben: - Viele empirische Forschungsarbeiten bewegen sich im Rahmen einer Disziplin bzw. sogar im engeren Rahmen einer Teildisziplin. Diese disziplinäre Beschränkung hat sich bisher (im pädagogischen, psychologischen und soziologischen Feld) als förderlich für die Qualifikation und Karriere erwiesen. - Der größte Teil von Projekten wird durch einzelne Forscher und Forscherinnen bzw. sehr kleine Arbeitsgruppen bearbeitet, die sich auf stark eingeengte und spezielle Ausschnitte konzentrieren. - Aufgrund einiger Hindernisse (Datenschutz), beträchtlicher Umstände (Genehmigungsverfahren) und mancher „Sperrigkeiten" (Teilnahmebereitschaft) werden Stichproben meist opportunistisch gewonnen, die Befunde sind deshalb oft nur sehr eingeschränkt interpretierbar. Es fällt leichter, Studierende aus dem eigenen Fach als Versuchspersonen zu gewinnen, als sich um Schülerinnen und Schüler oder Lehrkräfte für eine Teilnahme an Studien zu bemühen. Allerdings nimmt die Bereitschaft, pädagogische Felder außerhalb der Hochschule zu untersuchen, allmählich zu. - Die Forschungsfragen in vielen Studien orientieren sich häufiger an akademischen Trends (und damit Publikationschancen, u. a. in internationalen Zeitschriften) denn an vordringlichen pädagogischen Problemen (im nationalen Bildungssystem). Aktuelle pädagogische Probleme für Forschungszwecke bearbeitbar zu machen kostet nicht nur Zeit, sondern kann auch heißen, das eigene Forschungsprogramm umzustrukturieren und neu zu planen. - Es ist in einigen Disziplinen, die zur Empirischen Bildungsforschung beitragen, gute Gewohnheit, auf die Erkenntnisse anderer zu verweisen. Für die eigene Reputation scheint es jedoch oft besser zu sein, eine eigene Theorie und eigene Erhebungsinstrumente zu entwerfen, wie zum Beispiel die riesigen Zahlen sehr ähnlicher Motivationstheorien zeigen. Damit werden viele Befunde produziert, die in erster Linie zur Abgrenzung gegenüber alternativen Theorien dienen. Die Forschungsergebnisse können nur bedingt aufeinander bezogen und gemeinsam interpretiert werden. Kumulative Erkenntnisfortschritte verzögern sich so. - Die primären Adressaten für die Veröffentlichung empirischer Befunde sind in der Empirischen Bildungsforschung bisher vorwiegend die Kolleginnen und Kollegen aus der jeweils eigenen Bezugsdisziplin. Die Fragen und Erkenntnisinteressen von Lehrkräften, der Öffentlichkeit oder der Bildungsadministration spielen eine nachgeordnete Rolle. - Alles in allem bearbeiten - in Relation zur Gesamtzahl von potenziell in Frage kommenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern - bis jetzt noch relativ wenige Forscherinnen und Forscher bzw. Arbeitsgruppen einschlägige Fragestellungen der Empirischen Bildungsforschung. Die Zahl empirischer Bildungsforscherinnen und -forscher ist in Relation zum Aufgabenfeld in Deutschland nach wie vor deutlich zu gering. Dieser kritischen Einschätzung gegenüberzustellen ist das erkennbare Potenzial der Empirischen Bildungsforschung. Sie hat sich während der letzten Jahrzehnte (z.B. in 16

Zur Situation der Empirischen

Bildungsforschung

der Lehr-Lern-Forschung) auf überschaubare Bedingungsfelder konzentriert. Die Einengung auf spezielle Fragestellungen und Theorien kennzeichnet insbesondere experimentelle Forschungsansätze, die sich vor allem zur Prüfung von Annahmen über Kausaleffekte eignen. Breitere Merkmals- und Bedingungsbereiche werden in Untersuchungen erfasst, die mit korrelationsstatistischen Verfahren arbeiten und Vorhersagemodelle prüfen. Solche Untersuchungsansätze können leichter im pädagogischen Feld angewendet werden. Damit liegt insgesamt eine Menge an Wissen aus der Empirischen Bildungsforschung vor, mit der eingeengte Fragen beantwortet werden können (z.B. Erkenntnisse über vorherrschende Unterrichtsskripts, Orientierung an Routinen vs. am Verstehen, mehr oder weniger kumulative Lemgänge usw.). Auf dieser Wissensbasis kann aufgebaut werden, um Stück für Stück umfassendere Fragestellungen und Theorien zu prüfen. Freilich besteht die große Herausforderung in der Empirischen Bildungsforschung darin, umfassendere, theoretisch kohärente Erklärungsansätze zu entwickeln und zu prüfen. Bisher gibt es noch zu wenig Untersuchungsansätze auf der Basis von Mehr-Ebenen-Modellen und Längsschnitten bei repräsentativen Stichproben. Die kooperative und interdisziplinäre Forschung muss verstärkt werden, um die Grundlagen zu schaffen für längerfristige Forschungsprogramme. Für die Profilierung, Sichtbarkeit und Akzeptanz der Empirischen Bildungsforschung dürfte sich nicht zuletzt eine stärkere Orientierung an vordringlichen pädagogischen Problemen auszahlen. Diese Herausforderungen gelten allerdings nicht nur für die Empirische Bildungsforschung in Deutschland, sondern international in fast allen Ländern (Shavelson & Towne, 2002). „Was tun?"-Fragen und Veränderungswissen: Da Erklärungswissen als eine wichtige Voraussetzung für Veränderungswissen gelten kann, erhöhen „Was tun?"Fragen die Ansprüche an die Empirische Bildungsforschung. Empirisch fundiertes Veränderungswissen wird über so genannte präskriptive oder technologische Forschung sansätze (bzw. Interventionsstudien) gewonnen. Dabei wird geprüft, inwieweit mehr oder weniger umfassende Maßnahmen und Interventionen geeignet sind, (normativ verbindliche bzw. gemeinhin akzeptierte) Zielsetzungen bei gegebenen Ausgangsbedingungen zu erreichen. Für den Bildungsbereich gilt (wie ebenfalls für andere wichtige Handlungsfelder), dass jederzeit praktisch gehandelt und über Maßnahmen entschieden werden muss, auch wenn noch nicht hinreichend geklärt ist, wie das System insgesamt oder in Teilsystemen funktioniert. Das aktuell stattfindende Handeln im Bildungsbereich basiert zu einem erheblichen Teil keineswegs auf empirisch fundierten Wissensgrundlagen. Dennoch muss für vorgeschlagene Interventionen oder Innovationen gefordert werden, dass diese empirisch belegbar zur Lösung erkannter Probleme beitragen oder zu deutlichen Fortschritten führen. Empirisch fundiertes Veränderungswissen bezieht sich dabei auf Akteure bzw. Handlungsebenen. Wenn zum Beispiel festgestellt wird, dass hierzulande der Unterricht in einigen Fächern (z. B. Naturwissenschaften) zu wenig kumulativ angelegt ist, dann betrifft dies nicht nur die Bildungsadministration. Als Handlungsebenen in Betracht kommen hier etwa die Lehrpläne (und ihre Konstrukteure), die Lehrerbildung (aller Phasen) oder die Lehrkräfte selbst. Empirisch zu prüfen wären Maßnahmen (Interventionen, Treatments), die sich an Lehrplankonstrukteure, Lehrerbüdner oder Lehrkräfte richten und die darauf zielen, den Wissensaufbau im Unterricht stärker 17

Manfred Prenzel kumulativ anzulegen. An diesem Beispiel kann leicht nachvollzogen werden, dass die Wirkung von Interventionen auf der Ebene der Lehrplankonstruktion und der Lehrerbildung erst nach einem langen Zeitraum zuverlässig geprüft werden könnte. In sehr viel kürzerer Zeit könnten Interventionen oder Treatments zur Verstärkung des kumulativen Lernens auf der Handlungsebene der Lehrkräfte erprobt werden. Empirische Bildungsforschung, die Veränderungswissen bereitstellt, benötigt damit beträchtliche Zeit; nachhaltige Effekte von Interventionen auf bestimmten Handlungsebenen können erst nach mehreren Jahren empirisch gesichert werden. An dem Beispiel kann auch verdeutlicht werden, dass es sehr viele Möglichkeiten gibt, Treatments oder Interventionen zur Verstärkung eines kumulativen Wissensaufbaus konkret auszugestalten und umzusetzen. Damit verbindet sich die Frage, welche Merkmale für die Wirkung essentiell sind. Zu prüfen ist weiterhin, wie robust ein Treatment unter verschiedenen Rahmenbedingungen, Unterrichts- oder Schulkonstellationen ist und welche Verfahren geeignet sind, den innovativen Ansatz zu implementieren bzw. in die Fläche auszubreiten (Burkhardt & Schoenfeld, 2003). In der Empirischen Bildungsforschung in Deutschland, aber auch im englischsprachigen Raum findet eine ganze Menge an Interventionsstudien, an Erprobungen von Unterrichtskonzepten oder Trainingsmaßnahmen statt. Allerdings beruhen viele der Studien auf einfachen Evaluationsdesigns, bei denen Interventionen kaum kontrolliert und Effekte mit unzureichenden Instrumenten erfasst werden. Es gibt insgesamt wenige Studien, die systematisch generelle Wirkungsprinzipien von Interventionen studieren, dies bei variierenden Bedingungen und unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit. Für die Bereitstellung von forschungsbasiertem Veränderungswissen würden insbesondere solche Studien benötigt, die Aussagen über die Generalisierbarkeit und über Anwendungsbedingungen zulassen. Es lassen sich aber einige Gründe anführen, weshalb entsprechende Forschungsansätze in der Empirischen Bildungsforschung kaum vorzufinden sind: Sie sind mit einem sehr hohen finanziellen und organisatorischen Aufwand verbunden, sie binden die Forschungskapazität selbst größerer Arbeitsgruppen langfristig und weitgehend, der wissenschaftlich verwertbare Erkenntnisgewinn ist in Relation zum Aufwand gering und die Anerkennung für diese Art von Forschung in den Bezugsdisziplinen fraglich. Es werden so erhebliche Hindernisse und zugleich wenig Anreize erkannt, aussichtsreiche Innovationen zu entwickeln und bis zur Praxisreife im pädagogischen Feld zu beforschen. In Anbetracht der empirisch festgestellten Probleme im Bildungsbereich ist in Deutschland ein riesiger Bedarf an präskriptiver Forschung festzustellen. Dringend zu verstärken wären deshalb Projekte und Programme zur Empirischen Bildungsforschung, die konsequent auf Veränderungswissen abzielen.

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Perspektiven für die weitere Entwicklung

Die Empirische Bildungsforschung sieht sich in Deutschland mit hohen Erwartungen und der Herausforderung konfrontiert, wissenschaftlich abgesichertes Wissen bereitzustellen, das dazu hilft, Bildungsprozesse und Bedingungen besser zu verstehen und 18

Zur Situation der Empirischen Bildungsforschung Probleme im Bildungsbereich zu lösen. In Deutschland sichtbar geworden ist die Empirische Bildungsforschung während der letzten Jahre insbesondere durch die internationalen Leistungsvergleiche. Diese Studien führten Forschungsrichtungen aus der Pädagogik, Psychologie, Soziologie und den Fachdidaktiken zusammen, die sich über Jahrzehnte ihren speziellen Aibeitsrichtungen gewidmet hatten. Die theoretischen und methodischen Fortschritte, die in den verschiedenen Teilgebieten erzielt wurden, gestatten nun Analysen des Bildungsgeschehens, von einer individuumbezogenen bis zu einer systembezogenen Betrachtung. Damit verfügt die Empirische Bildungsforschung prinzipiell auch über das notwendige Instrumentarium für tiefer- und weitergehende deskriptiv-explanative und präskriptive Untersuchungen. Dennoch fällt es der Empirischen Bildungsforschung im Augenblick noch schwer, die Herausforderungen aufzugreifen und über ihre Forschung das nachgefragte Erklärungs- und Veränderungswissen beizusteuern. Die Möglichkeiten der Empirischen Bildungsforschung, die erwünschten Beiträge zu leisten, hängen zunächst von Ressourcen ab. Die Zahl der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Fragestellungen der Empirischen Bildungsforschung bearbeitet haben und von denen weitere Forschungsbeiträge erwartet werden können, ist in Deutschland relativ klein. Disziplinar rekrutieren sie sich vor allem aus der Erziehungswissenschaft, der Pädagogischen Psychologie und Soziologie sowie aus den Fachdidaktiken. Die Hauptgruppe sind empirische Erziehungswissenschaftler, die häufig zugleich in der Pädagogischen Psychologie oder Soziologie verankert sind. Betrachtet man zum Beispiel die Situation in der Erziehungswissenschaft, einem relativ großen Fach mit bundesweit ca. 850 Professuren und einem Mittelbau von ca. 2200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (Tippelt, Rauschenbach & Weishaupt, 2004), dann ist dort die Gruppe der empirischen Bildungsforscher nach wie vor deutlich in der Minderzahl. Dabei zeichnen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die der Empirischen Bildungsforschung zugeordnet werden können, innerhalb der Erziehungswissenschaft als forschungsaktive und verhältnismäßig drittmittelstarke Gruppe aus. Betrachtet man den erheblichen Ersatzbedarf für erziehungswissenschaftliche Professuren, der für die nächsten Jahre prognostiziert wird, dann zeichnet sich die Chance ab, die empirische Forschungsorientierung in der Erziehungswissenschaft zu verstärken, um das Potenzial für Beiträge zur theoretisch wie praktisch bedeutsamen Bildungsforschung deutlich auszubauen. Vor diesem Hintergrund werden abschließend Perspektiven für die weitere Entwicklung der Empirischen Bildungsforschung durch zehn Thesen skizziert: (1) Wenn Bildung (als Humanressource) international und national hohe und zunehmende Bedeutung zugesprochen wird, steigt der Bedarf an Wissen über Bildungsprozesse. Bereits jetzt kann in Deutschland der aktuelle Bedarf an Erklärungs- und Veränderungswissen durch die verhältnismäßig kleine Zahl von Personen und Gruppen nicht gedeckt werden, die sich der Empirischen Bildungsforschung verschrieben haben. Deshalb sollte die Empirische Bildungsforschung in Deutschland an Universitäten und Forschungseinrichtungen weiter ausgebaut werden. Es ist daran zu denken, einen Teil der Professuren, die bisher der Erziehungswissenschaft zugeordnet sind, für die Empirische Bildungsforschung umzuwidmen oder für diese zu spezifizieren.

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(2) Ein Ausbau der Empirischen Bildungsforschung setzt eine konsequente Nachwuchsförderung voraus, mit der unmittelbar begonnen werden muss, um den zukünftigen Bedarf decken zu können. Es müssen mehr Absolventinnen und Absolventen gewonnen werden, sich mit empirischen Fragestellungen zu befassen. Insbesondere sollten Programme für Graduierte und Postgraduierte aufgelegt werden, die sie mit den Forschungsmethoden vertraut machen (Summer Schools). Ebenso wichtig ist die Einrichtung, Betreuung und Förderung von Netzwerken für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich im Bereich der Empirischen Bildungsforschung qualifizieren wollen. (3) Empirische Bildungsforschung verlangt interdisziplinäre Kooperation. Es sollten deshalb die Rahmenbedingungen für eine problembezogene Zusammenarbeit zwischen einschlägigen Disziplinen verbessert (z. B. durch Zentren für Empirische Bildungsforschung) und Anreize für fächerübergreifende Projekte wie auch Qualifikationsarbeiten zur Empirischen BUdungsforschung angeboten werden. (4) Auch wenn die Bedeutung der Empirischen Bildungsforschung wächst, ist sie dennoch auf Wissen und Kompetenzen (z. B. zur Zielreflexion) angewiesen, die in der Bildungsforschung generell (also auch vor allem in der nicht empirisch arbeitenden Erziehungswissenschaft) entwickelt wurden. Die Empirische Bildungsforschung muss sich auch in Zukunft mit der nicht empirisch orientierten Bildungsforschung austauschen bzw. projektbezogene Kooperationen ausbauen. (5) Komplexere Fragestellungen der Empirischen Bildungsforschung konnten während der letzten Jahre nur bearbeitet werden, wenn außeruniversitäre Institute ihre Ressourcen einsetzten. Die erfolgreiche Arbeit während der letzten Jahre beruhte auf Kooperationen, konsortialen Projektträgerschaften und der Etablierung von Netzwerken. Die außeruniversitären Bildungsforschungsinstitute erhalten weiter eine wichtige Rolle im Ausbau der Empirischen Bildungsforschung, wenn sie ihre besonderen Arbeitsmöglichkeiten in Kooperationsprojekte einbringen, die umfassendere Problemstellungen wissenschaftlich untersuchen. (6) Die Empirische Bildungsforschung gewinnt an Wirksamkeit, wenn sie stärker als bisher kumulativ angelegt und im Sinne von längerfristigen Forschungsprogrammen konzipiert wird. Eine systematische Forschungsplanung sollte auf den Ebenen von Arbeitsgruppen, Instituten und Verbünden erwartet werden. (7) Besondere Anstrengungen sind erforderlich, um über präskriptive Forschungsansätze empirisch fundiertes Wissen über Möglichkeiten der Lösung von Problemen im Bildungsbereich bereitstellen zu können. Forschungsansätze, die auf Veränderungswissen abzielen, müssen anspruchsvollen methodischen Standards genügen. Es bedarf aber auch besonderer Anreize und Programme, um eine präskriptive Forschung anzuregen, die Maßnahmen bis zur Praxisreife entwickelt und die Implementation und Dissemination der Ergebnisse wissenschaftlich systematisch begleitet. (8) Die Empirische Bildungsforschung kann auf längere Sicht nur ertragreich arbeiten, wenn in allen Bereichen des Bildungssystems Erhebungen und Evaluationen als nützlich wahrgenommen und akzeptiert werden. Dabei ist nicht nur die Empirische Bildungsforschung selbst aufgerufen, für Akzeptanz zu werben. Die Beteiligung an Forschungsprojekten im Bildungsbereich kann auch als professionelle Aufgabe gesehen und definiert werden.

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Zur Situation der Empirischen

Bildungsforschung

(9) Die Erkenntnisse aus Projekten der Empirischen Bildungsforschung sollten zielgruppenspezifisch aufbereitet und über ein systematisches Wissensmanagement zugänglich gemacht werden. Mehr Aufmerksamkeit sollten dabei die professionellen Akteure im Bildungsbereich erhalten. (10) Die Empirische Bildungsforschung in Deutschland kann wichtige Entwicklungsimpulse durch eine internationale Ausrichtung gewinnen, durch einen verstärkten wissenschaftlichen Austausch und Kooperationsprojekte. Die internationale Orientierung ist konsequent zu fordern und zu verstärken.

Literatur Avenarius, H., Ditton, H., Döbert, H., Klemm, K., Klieme, E., Rürüp, M., Tenorth, H.-E., Weishaupt, H. & Weiß, M., Kultusministerkonferenz (KMK) (2003). Bildungsbericht für Deutschland - Erste Befunde. Opladen: Leske + Büdlich. Baumert, J., Artelt, C.r Klieme, E., Neubrand, M., Prenzel, M., Schiefele, U., Schneider, W,, Tillmann, K.-J. & Weiß, M. (Hrsg.). (2003). PISA 2000 - Ein differenzierter Blick auf die Länder der Bundesrepublik Deutschland. Opladen: Leske + Büdlich. Baumert, J„ Klieme, E., Neubrand, M„ Prenzel, M., Schiefele, U., Schneider, W., Stanat, P., Tillmann, J. & Weiß, M. (2001). PISA 2000. Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich. Opladen: Leske + Budrich. Burkhardt, H., & Schoenfeld, A. H. (2003). Improving educational research: Toward a more useful, more influential, and better-funded enterprise. Educational Researcher, 32 (9), 3-14. Cortina, K. S., Baumert, J., Leschinsky, A., Mayer, K. U. & Trommer, L. (2003). Das Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland. Reinbek: Rowohlt. Deutscher Bildungsrat (1974). Aspekte für die Planung der Bildungsforschung. Empfehlungen der Bildungskommission. Bonn: Bundesdruckerei. Deutscher Bildungsrat (1975). Bildungsforschung. Probleme - Perspektiven - Prioritäten (2 Bände). Stuttgart: Klett. Prenzel, M., Baumert, J., Blum, W., Lehmann, R., Leutner, D., Neubrand, M., Pekrun, R., Rolff, H.-G., Rost, J. & Schiefele, U. (2004). PISA 2003. Der Bildungsstand der Jugendlichen in Deutschland - Ergebnisse des zweiten internationalen Vergleichs. Münster: Waxmann. Shavelson, R. J., & Towne, L. (Eds.). (2002). Scientific research in education. Washington, DC: The National Academic Press. Tippelt, R., Rauschenbach, T. & Weishaupt, H. (2004). Datenreport Erziehungswissenschaft 2004. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.

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Kapitel 2 Zur Situation der Erziehungswissenschaft an deutschen Hochschulen anhand ausgewählter Beispiele Die Situation der Erziehungswissenschaft in Deutschland wurde anhand der Evaluation von drei Ländern - Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg - erfasst. Während die Evaluation in Niedersachsen die Berufswissenschaften der Lehrerbildung umfasst, wurden in Bayern die Universitäten, in Baden-Württemberg Universitäten und Pädagogische Hochschulen evaluiert. Folgende Ergebnisse wurden gefunden: - Ein Großteil der Forschung ist in der Theoriebildung und Methodenwahl eher traditionell orientiert. Deskriptive und historische Analysen überwiegen im Vergleich zu theoretisch fundierten empirischen Arbeiten. Demgemäß ist die Anzahl an Publikationen in internationalen Journals sehr gering. - Viele Forscher arbeiten häufig allein und sind nicht in Forschergruppen integriert. - Wenig Bedeutung wird dem Nachwuchs beigemessen. Nachwuchswissenschaftler haben zu wenig Möglichkeit, sich mit anderen Wissenschaftlern auszutauschen und von ihrem Wissen zu profitieren. Insgesamt wird daher empfohlen, tional gültiger Qualitätsstandards Forschung zu legen.

die Ausrichtung der Forschung hinsichtlich internazu verändern und den Schwerpunkt auf empirische

Evaluation der Forschung in den Berufswissenschaften der Lehrerbildung in Niedersachsen Heinz-Elmar Tenorth Humboldt-Universität zu Berlin

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Verfahren: Thema, Gegenstand, Evaluationsablauf

Die Evaluation der Forschung in den Berufswissenschaften der Lehrerbildung in Niedersachsen wagte sich einerseits in ein bisher unbearbeitetes Feld, sie stützte sich andererseits mit dem konkreten Verfahren der Evaluation auf ein bewährtes Modell. Die Evaluation von Disziplinen an den Universitäten und Hochschulen wird in Niedersachsen nämlich seit einigen Jahren durch die „Wissenschaftliche Kommission Niedersachsen" (WKN) betreut. Sie ist zwar dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur zugeordnet und wird von diesem finanziert, im Alltag ihrer Arbeit und dann auch in der Auswahl der Disziplinen und in der Durchführung der Evaluationsverfahren aber unabhängig und allein den Maßstäben eines systematisch entwickelten und in seinen Elementen und Kriterien transparenten und prüfbaren Evaluationsmodells verpflichtet. Das von der Kommission entwickelte Verfahren folgt disziplinunabhängig zunächst den folgenden Prinzipien: Die Evaluation geschieht fachbezogen, landesweit institutionenübergreifend zwar koordiniert durch eine in der WKN gebildete Lenkungsgruppe, aber das konkrete Verfahren, ein „Informed-Peer-Review"-Modell, wird im konkreten Ablauf durch die Gutachter bestimmt und durch die Geschäftsstelle der WKN nur unterstützt. Die Auswahl der Gutachter vollzieht sich zweistufig: Der Vorsitzende wird auf Vorschlag der WKN und in Abstimmimg mit den Hochschulen ausgewählt, schon um die Akzeptanz für das Verfahren zu sichern. Die Auswahl der Gutachter und die Zusammenstellung der Gutachterkommission hegen dann aber in den Händen des Vorsitzenden.1 Die Kommission stützt ihre Arbeit einerseits auf Selbst-

1 Der Gutachter-Kommission gehörten die folgenden Professorinnen und Professoren an: H. E. Fischer (Dortmund), M. Götz (Würzburg), K. Harney (Bochum), F. Heyting (Amsterdam), G.-O. Kanter (Köln), H.-P. Langfeldt (Frankfurt a.M.), F. Osterwalder (Bern), B. Switalla (Bielefeld), B. Schönemann (Dortmund), H.-E. Tenorth (Berlin, Vorsitz). Das Verfahren wurde im Dezember 2000 mit der Bestellung des Vorsitzenden eröffnet, die beteiligten Hochschulen legten ihre Selbstberichte bis zum Frühjahr 2001 vor, die Begehung der einzelnen Standorte fand im Juni 2001 statt, der Evaluationsbericht ging im Winter 2001 an die Hochschulen und wurde zusammen mit den Stellungnahmen der Hochschulen im März 2002 im Plenum der Wissenschaftlichen Kommission erörtert und gebilligt.

Heinz-Elmar Tenorth berichte der Hochschulen, die durch eine Vorgabe der WKN strukturiert werden. Diese Vorgabe wird jeweils fachbezogen durch die Gutachter geprüft und ggf. erweitert und modifiziert. Andererseits umfasst sie Begehungen an den einzelnen Standorten in Niedersachsen, bei denen Gespräche mit den Vertretern der jeweiligen Hochschulen und den einzelnen Wissenschaftlern bzw. Arbeitsgruppen geführt werden. Die Gutachter legen einen Abschlussbericht vor, der gemeinsam mit den Stellungnahmen der Hochschulen dann im Plenum der Wissenschaftlichen Kommission erörtert wird und durch Beschluss der WKN den Weg in Politik und Wissenschaftsverwaltung findet sowie zur Umsetzung der Empfehlungen den Weg zurück in die Hochschulen. Zu den Besonderheiten des hier zu berichtenden Evaluationsverfahrens zählt nicht nur die Konzentration auf die Berufswissenschaften, die Arbeit war auch begleitet von einer durch die ZevA (Zentrale Evaluations- und Akkreditierungsagentur) betreute Evaluation der Lehrerbildung in Niedersachsen. Zwei Gutachter der Forschungsevaluation wirkten auch an der Evaluation der Lehrerbildung mit, sodass der Austausch von Informationen und Befunden gesichert war. Der innovative Aspekt der Evaluation lag aber in der Konzentration auf die Berufswissenschaften der Lehrerbildung; denn damit verband sich eine mehrfache Herausforderung: Die Gutachtergruppe sah sich in ihrer Arbeit nicht einem Fach, sondern einem offenen Gefüge von Disziplinen gegenüber, deren Zusammenhang nicht gegeben war, sondern selbst bestimmt werden musste. Für diese Konstruktionsleistung konnten die Gutachter weder auf ein wissenschaftstheoretisch bewährtes Modell von „Berufswissenschaften" zurückgreifen noch, quasi hilfsweise, institutionell oder rechtlich vorgegebene Definitionen nutzen. Denn auch die gesetzlichen Vorgaben zur Lehrerbildung in Niedersachsen lieferten keine eindeutige Orientierung. Hier werden neben den Grundwissenschaften der Lehrerbildung - Erziehungswissenschaft, Fachdidaktik, Pädagogische Psychologie - auch Philosophie, Soziologie und Politikwissenschaft zu den Disziplinen der Lehrerbildung gerechnet, letztere indes ohne präzise berufsbezogene Eingrenzung. Weder ein Begriff der Berufswissenschaften noch die besonderen Kriterien ihrer Evaluation lagen deshalb zu Beginn der Arbeit vor. Die Gutachter haben deshalb ein eigenes Konstrukt „ Berufswissenschaften" gebildet und ihrer Arbeit das folgende theoretische Konzept zugrunde gelegt: In Abgrenzung zu den sog. „Fachwissenschaften", die zwar zum Kern des Lehrerstudiums gehören, aber in ihrer Logik nicht primär oder gar allein durch den Beruf bestimmt werden, zählen dabei zu den Berufswissenschaften diejenigen Disziplinen, die für die operative Dimension des Berufs und für die Funktionsprobleme des Bildungssystems notwendig sind. Im Einzelnen reflektieren und erforschen sie die Gestaltung der pädagogischen Interaktion und Kommunikation, sie bestimmen die didaktische Konstruktion und Rekonstruktion curricularer Themen und Inhalte, sie ermöglichen die Diagnose von Lernmöglichkeiten und -Schwierigkeiten, aber sie geben auch das Fundament für die Orientierung in der Organisation und für die Analyse und Gestaltung des professionellen, sozialen und institutionellen Kontextes von Bildungsarbeit. Mit einem Begriff der Systemtheorie könnte man sie als „Systembetreuungswissenschaften" bezeichnen (Luhmann & Schorr, 1979) und damit festhalten, dass ihre Referenz nicht allein lehrende Personen und Interaktionsverhältnisse sind, sondern auch die Organisation und die Funktionsprobleme des Bildungswesens - „Bildungsarbeit als Beruf" in einem umfassenden Sinne. Den Kern büden deshalb die Erziehungswissen-

26

Evaluation der Forschung in den

Berufswissenschaften

schaft mit ihren Subdisziplinen, hier z.B. Schul- und Grundschulpädagogik, Berufsund Sonderpädagogik, die Fachdidaktiken und die Pädagogische Psychologie, also die Fächer, auf die sich die Evaluation konzentrierte; in den weiteren Kontext gehören Bildungssoziologie, -politik oder Bildungsverfassungsrecht, die an den niedersächsischen Hochschulen nicht eigens eingerichtet sind. Vor diesem Hintergrund bestimmte sich auch der Forschungsbegriff im Evaluationsverfahren, und zwar in zweifacher Weise. Die Gutachter betrachten auch die Berufswissenschaften zunächst als Wissenschaften, also als Wissensstrukturen, die in ihrem Geltungsanspruch theoretischen und methodischen Standards folgen und deshalb, wie alle Wissenschaften, in ihren Leistungen prüfbar und diskutierbar sind, auch wenn es keine einheitswissenschaftliche Normierung der Theorien und Methoden gibt. Diese Disziplinen sind andererseits nach ihren Themen und Referenzen auf den umfassenden Kontext der institutionalisierten Bildungsarbeit konzentriert und von daher in ihrer Aufmerksamkeit notwendig selektiv, immer mit der Erwartung konfrontiert, an berufliches Handeln und die Reflexion von Profession und System anschlussfähig zu sein. Auch in dieser Referenz muss das Wissen in Berufswissenschaften theorie- und methodengeleitet sein, nachprüfbar und in seinen Reflexionsund Konstruktionsleistungen diskutierbar präsentiert werden. Die Gutachter sahen jedenfalls keinen Grund, jenseits dieser zweifachen Referenz einen Sonderstatus für die Berufswissenschaften der Lehrerbildung zu unterstellen, etwa derart, wie er in älteren wissenschaftstheoretischen Debatten der Erziehungswissenschaft unter dem Anspruch „kritischer" oder „praktischer" Wissenschaft vertreten wurde.

2

Ergebnisse und Befunde

Die Ergebnisse des Evaluationsverfahrens beziehen sich auf diesen Begriff der Berufswissenschaft und die dort zugerechneten Disziplinen: Erziehungswissenschaft, Schul- und Grundschulpädagogik, Berufs- und Sonderpädagogik, Fachdidaktiken sowie Pädagogische Psychologie - insgesamt 179 Arbeits- und Forschungseinheiten an den acht niedersächsischen Hochschulstandorten. Die Ergebnisse können hier selbstverständlich nicht im Detail rekapituliert werden (vgl. Wissenschaftliche Kommission, 2002), dafür sind sie im Detail zu heterogen und sowohl nach Standorten wie nach Disziplinen und Subdisziplinen zu vielgestaltig. Aber sie lassen sich in Trenddiagnosen zusammenfassen. Darin ergibt sich ein insgesamt nicht zufrieden stellender Befund über die Forschungsleistungen der Berufswissenschaften der Lehrerbildung in Niedersachsen, d. h. im Einzelnen: - Sowohl nach Standorten als auch nach Disziplinen gibt es eine große Varianz in den Forschungsleistungen und insgesamt mehr Mittelmaß als Spitzenleistungen.2

2

Die Kommission hat bei der Einstufung der Qualität der Forschung eine in der WKN entwickelte 10-stufige Skala verwendet; dabei konnte nur ein knappes Drittel der Forschungseinheiten mit ihrer Arbeit nach Theorie und Methode auf Stufe 5 und höher (nationale Sichtbarkeit und besser) eingeordnet werden.

27

Heinz-Elmar

Tenorth

- Selbst im Kernbereich der Berufswissenschaften, in der Erziehungswissenschaft und in den Fachdidaktiken, ist die Normalerwartung an eine forschungsfähige und theorie- und methodenbewusste Arbeit nicht immer zufrieden stellend erfüllt. - Es gibt gleichzeitig an den meisten Standorten nicht tolerierbare Schwächen, aber es gibt auch, gemessen an internationalen Standards, sogar Spitzenleistungen in allen Teilbereichen bzw. -disziplinen, wenn auch meist nur an einzelnen Standorten. - Die Referenz auf die Themen und Probleme von Berufswissenschaften der Lehrerbildung ist weder durchgängig zu beobachten noch durchgängig als notwendig anerkannt. - In der Selbstwahrnehmung der Fächer findet sich neben selbstkritischer Beurteilung auch ein Traditionalismus konservativer oder scheinbar progressiver Natur, für den Forschung entweder entbehrlich oder nur nach nicht universalisierbaren Kriterien vorstellbar ist. - Gemessen an Standardindikatoren sind die Drittmitteleinwerbungen im Durchschnitt ebenso unzureichend wie die Nachwuchsförderung oder die Publikation an Orten strikter Qualitätskontrolle. Im Verständnis der Kommission sind für diesen insgesamt problematischen Befund mehrere Faktoren verantwortlich: (1) In den Berufswissenschaften der Lehrerbildung gibt es weder ein einheitliches Konzept der Forschung noch ein allgemein anerkanntes Bewusstsein von der Dringlichkeit einer theorie- und methodengestützten Arbeit an den Problemen von Profession und Bildungssystem; das Forschungs- und Qualitätsbewusstsein bei Disziplinen und Fachvertretern ist nicht eindeutig an universalisierbaren Standards ausgeprägt. (2) Offenbar korreliert die Qualität der Forschungsarbeit auch mit dem Stellenwert und der Anerkennung der Lehrerbüdung und ihrer Berufswissenschaften in den einzelnen Hochschulen. (3) Die Strukturen, unter denen Lehrerbildung an den Hochschulen betrieben wird, sind nicht in jeder Hinsicht institutionell, personell und finanziell forschungsfreundlich; die Ausstattung der berufswissenschaftlichen Fächer ist verbesserungsfähig.

3

Empfehlungen und Konsequenzen des Evaluationsverfahrens

Die Empfehlungen des abschließenden Gutachtens und die sich daran weitgehend anschließenden Empfehlungen der Wissenschaftlichen Kommission bezogen sich sowohl auf die einzelnen Standorte als auch auf spezifische Disziplinen, schließlich und übergreifend auf den Anspruch, ein Bewusstsein von der Notwendigkeit guter Forschung durchzusetzen und - gestützt auf den absehbaren Generationenwechsel in den einschlägigen Disziplinen - einen Prozess struktureller Qualitätssteigerung in 28

Evaluation der Forschung in den

Berufswissenschaften

Gang zu setzen. Auch für die Empfehlungen können hier weder die Details der standortbezogenen Empfehlungen 3 noch die Maßnahmen im Einzelnen vorgestellt werden. Ein Hinweis auf die Systematik der Empfehlungen muss ausreichen. Die Gutachter und die WKN haben vier zentrale Aufgabenbereiche identifiziert, um die gemeinsamen Konsequenzen aus der Lehr- und Forschungsevaluation zu ziehen: (1) das Forschungs- und Qualitätsbewusstsein in den Berufswissenschaften, (2) den Stellenwert und die Strukturen, unter denen Lehrerbildung an den Hochschulen betrieben wird, (3) die Ausstattung der berufswissenschaftlichen Fächer und ihre Stellenstruktur sowie (4) die weitere Planung und Umsetzung der Empfehlungen. Als konkrete Strategien len:

der Qualitätssicherung

haben Gutachter und WKN empfoh-

- Lehrerbildung auf allen Ebenen der Hochschulen anzuerkennen und sie sowohl in Lehre und Studium als auch in der Forschung in ausreichendem Maße zu unterstützen, - Leistungsorientierung und Wettbewerb in den Fächern durch geeignete Instrumente anzuregen, - Lehrerbildung nicht allein unter dem Primat der Praxis zu betrachten, sondern Forschungsorientierung und Forschungsbewusstsein zu fördern, - dafür Sorge zu tragen, dass die berufwissenschaftlichen Fächer sich an den Standards ihrer „Mutterdisziplinen" orientieren und diese professionsbezogen um- und durchsetzen, - in der berufswissenschaftlichen Forschung verstärkt Kooperationen zu ermutigen, - die Methodenlehre und -ausbildung auch in den Lehramtsstudiengängen zu verankern. Um die strukturellen Defizite schnellstmöglich Forschungsfähigkeit - das Land u. a.

abzubauen,

sollte - bezogen auf die

- den anstehenden Generationenwechsel zur Qualitätssteigerung intensiv nutzen und das Instrument der vorgezogenen Berufung gezielt einsetzen; - die Fachdidaktik für jede Bezugswissenschaft an den einzelnen Standorten als forschungsfähige Einheit installieren; - die Qualitätsstandards in der Nachwuchs ausbildung verbindlich definieren und festschreiben (etwa über Ziel- und Leistungsvereinbarungen) mit dem Ziel der Berufbarkeit des Nachwuchses; - weitere Promotionsstudiengänge (nach Qualitätsbegutachtung) einrichten; - Promotionen bei kleineren Fächern, die nicht voll ausgebaut sind, nur unter externer Gutachterbeteiligung durchführen;

3

2002/2003 wurden z. B. im Nachgang der Kommissionsarbeit konkrete Vorschläge u. a. für die Standortfragen Hildesheim und Hannover erörtert und beschlossen.

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Heinz-Elmar Tenorth -

-

-

Habilitationen sowie Berufungen auf Juniorprofessuren grundsätzlich und ausschließlich mit externer Beteiligung durchführen; Zentren auf Dauer einrichten, die für die Organisation und Koordination der Lehreraus-, -fort- und -Weiterbildung verantwortlich sind - es erscheint hingegen nicht zwingend, die lehrerbildungsrelevante Forschung ebenfalls dauerhaft in Zentren zu organisieren - vielmehr könnten hier eher themenbezogene, anschubfinanzierte Zusammenschlüsse mit unterschiedlichen, auch zeitlich befristeten Institutionalisierungsformen realisiert werden; einen Stellenpool des Landes schaffen, der u. a. zur dringend erforderlichen Stärkung im Bereich der Didaktik, aber auch der Bildungs- und Organisationssoziologie (mit einem Schwerpunkt im Bereich der institutionenzentrierten Analyse), der Bildungspolitik und Erziehungsphilosophie eingesetzt werden kann; auf Hochschulseite Fonds für Lehr-Lern-Forschung, Bildungsforschung (o. ä.) einrichten, die Anschubfinanzierungen ermöglichen, sowie bei Bedarf externe Strukturkommissionen einsetzen, um die Umsetzung der Empfehlungen an den Hochschulen zu unterstützen.

Die Empfehlungen sind bisher in unterschiedlichem Umfang umgesetzt worden. Eine Überprüfung der Umsetzung durch die Evaluationskommission ist vorgesehen.

Literatur Luhmann, N. & Schorr, K.-E. (1979). Reflexionsprobleme im Erziehungssystem. Stuttgart: Klett. Wissenschaftliche Kommission Niedersachsen (Hrsg.). (2002). Forschungsevaluation an niedersächsischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen: Berufswissenschaften der Lehrerbildung. Ergebnisse und Empfehlungen. Hannover: WKN.

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An Evaluation of Education Research at Bavarian Universities Ype H. Poortinga Tilburg University, Netherlands & University of Leuven, Belgium

A comprehensive evaluation of education science (teaching and research) in Bavaria was reported a few years ago (Bericht über die Evaluation der Erziehungswissenschaft an den bayerischen Landesuniversitäten, Dezember 2001). It was generally agreed that this evaluation had been thorough and was informative. However, in a position statement the Science Council of Bavaria took exception to some of the recommendations and asked for an international committee to advise on possible reforms in education science, particularly in respect of research. The present contribution reports on the work and findings of the committee that was formed to prepare such an advice.1 Large parts of the present text have been taken from its report (Research in education science in the state of Bavaria, 2003). More specifically the mandate of the committee was to appraise the state of education science research in Bavaria, to reflect on the role of such research from an international perspective in the light of contemporary concerns about education, and to make suggestions about future developments. The recommendations were to address (1) organizational issues, such as the structure of departments and relationships of education with other sciences, (2) fields and topics of new research, and (3) the position of doctoral and habilitation students. The committee did not see it as its task to pass judgment on separate research programs and units, or even separate departments; rather its aim was to arrive at conclusions and recommendations about education science research in the state of Bavaria as a whole. The starting point and main document for the analysis was the report of the earlier evaluation (Bericht über die Evaluation der Erziehungswissenschaft an den bayerischen Landesuniversitäten, Dezember 2001). The committee also took into account the position statement of the Science Council and the reactions to this statement of various universities and individual persons. In order to gain an overview of

1 The resulting committee consisted of: Profs. J. Baumert (Berlin), M. Depaepe (Leuven), L.-H. Eckensberger (Frankfurt am Main), H. Fend (Zürich), I. Gogolin (Hamburg), H. Macha (nonvoting member representing the Konferenz der bayerischen Universitätspädagoginnen und -Pädagogen), Y. Poortinga, (Netherlands, chair), and M. Prenzel (Kiel). Mr. H.-J. Foesch and Mr. M. Gebhard of the Ministry of Science, Research and Arts of Bavaria provided secretarial support.

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Ype H. Poortinga quality and productivity in education science research the committee asked the various university departments for information about the organization of their research, lists of publications, numbers of PhDs and habilitation degrees awarded, and copies of key publications. To gather further information about the present state of affairs as well as future developments, the committee held interviews with representatives of the various universities, with delegations of young scientists, and with other shareholders of education science research.

1

Considerations

The committee observed, in line with findings mentioned in the Evaluation Report (2001), that apart from a few notable exceptions education science in Bavaria tends to have an interpretative-conceptual and normative-ethical orientation, characterized by a certain diffuseness in research themes and topics. Much research did not have an empirical perspective. Also, historical and hermeneutical orientations are prevalent. A second, and related, characteristic was the strong focus on the interests of individual chair holders with absence of recognizable research programming for larger units. Some university departments had already taken important steps to overcome these traditions, which the committee saw as a welcome development. The committee was of the opinion that centers of excellence should be formed that conduct research in specific areas, using specific methods. A strong education science does not require that all its major areas are present at each university. Senior staff should be able to teach subjects beyond their area of expertise, in order to meet curriculum requirements, including those for teacher training. In order to clarify its own position the committee provided a brief view of the field of education science. Internationally education science was taken as a field of applied research rather than as a discipline with theoretical and problem focused reflection. This implies that education science should not be limited to a single theoretical or methodological paradigm, but that depending on the formulation of research questions "geisteswissenschaftliche", social-science or cultural-science methods can be selected. Qualitative and quantitative research are not seen as competitive, but as complementary, as are, ultimately, the historical, hermeneutical and empirical approaches. From such a perspective education science is closely linked to "neighboring" sciences. In many instances research has to be interdisciplinary, and one can well imagine that on occasion a scientist from a neighboring discipline is appointed as an education science professor. The committee noted a tendency, both internationally and in Germany, towards more education research based in the social sciences, a tendency that might be strengthened in Bavaria. The committee found that some individual persons and research groups have an outstanding performance record and are highly competitive, nationally as well as internationally. Moreover, in general the numbers of publications reflected a high level of activity and output. This is the more striking if the high teaching and examination load is taken into account (see below). Still, questions were raised with respect to the kinds of publications produced by many researchers and the publication policy that 32

An Evaluation of Education Research at Bavarian

Universities

they follow. Some of the key publications submitted for consideration by the committee were not conceptualized as research, but were statements of opinions, considerations, etc. Publication lists tended to show a high rate of chapters in authored and edited books, while the committee attached more importance to publishing in peer reviewed national and international journals. Also the international orientation in several reference lists could be strengthened by a shift in the literature cited from predominantly German to more English-language sources. The committee acknowledged that some educationists are inclined to defend the national or even regional flavor of education research. However, the validity of this argument can only be tested in international exposure and exchange. If Bavarian education science has unique merits one can argue that there is an obligation to share these with the international community. With respect to the training of "Nachwuchs" the committee shared the opinion expressed by the Evaluation Report (2001) as well as the Science Council that the conditions for scientific training and development of young scientists could be strengthened. The committee registered some points where changes in practices can improve the current state of affairs. PhD and habilitation students can be embedded more often in research teams, rather than work independently on a self-selected topic. In that way they would profit from the interaction with colleagues and the expertise contained in such teams about how to conduct research. Young scientists can take part in international communication more frequently and can be encouraged to attend international congresses. Although some PhD and habilitation theses are published as books with local publishers, this extensive research effort could be geared more to national and international journals; young scientists should be guided to seek such publications. The committee saw a need to further promote knowledge of methodology; an increase in the number of advanced courses, workshops and summer schools should be considered. These could be organized jointly by neighboring departments or even at state level. The committee shared the opinion expressed at several places in the Evaluation Report (2001) that the teaching load, and particularly the examination load, is considerable, because most staff is involved in teacher training as well as in the teaching of education science students. By international standards the numbers of students per staff member tend to be very high indeed, reflecting a general poor level of financing of higher education in Bavaria. However, the actual volume of publications and the percentage of time that many staff members indicated they spend on research showed that by and large the scope for such research was certainly not desperate. Of particular concern to the committee were criteria that are imposed on recruitment of staff in some of the key areas of education science, such as school education. The requirement by the state of Bavaria of three years teaching experience for senior staff lowers the probability that highly qualified and research oriented education scientists are appointed. These requirements also limit the circle of potential applicants. At the same time, departments and universities could make more use of available means to manage developments through strategic plans for research and staff positions, appointment of international experts in selection committees for senior staff, and international recruitment. Demonstrated expertise in research at an international level should form the primary criterion in staff selection. 33

Ype H. Poortinga Within the limited time available and the terms of its mandate the committee did not feel competent to answer the question which new fields and topics for research might be developed, as had been asked by the Science Council.

2

Recommendations

The recommendations of the committee followed fairly directly from the considerations mentioned in the previous section. They addressed the following: (1) The main criterion in the selection of all senior university staff should be demonstrated excellence in scientific research. Positions could be advertised internationally and selection committees could include foreign members. (2) A few research programs are internationally highly visible. In the case of other programs publications in national and international peer reviewed journals, as well as participation in international congresses and research projects, should be increased. (3) PhD students and young staff members should participate more in research programs. They should be schooled in methodology, encouraged to publish internationally, and take part in international congresses and networks. (4) Research projects could be more organized in coherent programs. The loss of correspondence between the research focus and field of teaching of individual staff members does not outweigh the advantages of research programs. It is understood that senior staff can teach in areas beyond their specific research competence and that each university cannot have a chair in each area of education science. (5) Departments should be encouraged to formulate a medium term research policy, including plans for external grant application, a publication policy, and career development for young staff members. Within such a context the thematical focus of research programs should also be addressed. (6) An increase in the proportion of empirical research projects is needed to gain a better balance between empirical and other forms of research. (It may be noted that the committee mentioned explicitly that this recommendation did not indicate a preference for some specific methodological approach or theoretical paradigm.) (7) Finally, the committee recommended an inclusive evaluation of education science in Bavaria after a period of approximately five years. It was emphasized that the criteria which will guide such an evaluation have to be made explicit by the Science Council at short notice, so that researchers know well in advance what standards they will be expected to meet.

3

Implications

In so far as educational research in other states of Germany is in a similar situation as in Bavaria, one can imagine that the recommendations of the committee have relevance beyond this state. It may be noted that the recommendations were mainly 34

An Evaluation of Education Research at Bavarian

Universities

structural (asking for international recruitment, organization of research in programs, etc.). It can be argued that such measures are fairly practical and down to earth. Also the measures proposed to advance the expertise and international exposure of young scientists lend themselves quite readily to implementation if they are accepted by a scientific community. Perhaps more difficult to implement is a policy for scientific publications directed at an international audience of peers. It takes time before research programs result in publications. However, international publications can also be based on ongoing research much more often than currently realized. More than anything else a shift in orientation towards international peers appears to be needed. The committee was of the opinion that its recommendations would hardly be controversial. Most of them open up opportunities for change at a fairly short notice but they do not prescribe directions of future research in any narrow sense. One can imagine that the sixth recommendation, asking for more empirical research could be seen as affecting the personal responsibility and freedom of choice of approach of the individual staff member. However, the finding by the committee that the proportion of empirical research was low did not seem at all controversial and the committee made quite explicit that this recommendation should not be interpreted as an expression of preference for a particular theoretical or methodological paradigm. In summary, key points that lend themselves to fairly rapid implementation include (1) the organization of research in programs and project groups, (2) creating opportunities for staff, and in particular PhD students, to look beyond the boundaries of their own department through attending summer schools and international congresses, and (3) promotion of scientific publications directed at an international audience of peers.

References Bericht über die Evaluation der Erziehungswissenschaft an den bayerischen Landesuniversitäten (2001). München. Research in education science in the state oi Bavaria: An evaluation report (2003). Report submitted to the Science Council of the Minister of Science, Research and Arts of the State of Bavaria, München.

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Erziehungswissenschaftliche Forschung in Baden-Württemberg1 Wynand H. F. W. Wijnen Universiteit Maastricht

1

Auftrag der Kommission

Im Frühjahr des Jahres 2003 berief der Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg eine Kommission zur Strukturevaluation der Erziehungswissenschaft an den Pädagogischen Hochschulen und Universitäten des Landes. Der Minister bat insgesamt 19 Gutachterinnen und Gutachter, an der Arbeit der Kommission mitzuwirken.2 Mit der operativen Durchführung des Verfahrens beauftragte das Ministerium die Evaluationsagentur Baden-Württemberg (evalag). Nach Abstimmung mit dem Kommissionsvorsitzenden gab der Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst der Gutachtergruppe einen schriftlich formulierten Auftrag. Danach war das Ziel der Evaluation eine Bestandsaufnahme, Überprüfung und Bewertung der wissenschaftlichen Qualität und der Strukturen der Erziehungswissenschaft an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg im Hinblick darauf, ob das Fach auf die aktuellen und künftigen Anforderungen in Forschung, Lehre und Lehrerbildung ausgerichtet ist und diese angemessen bearbeiten kann. Die Kommission wurde insbesondere gebeten, - eine Analyse der Stärken und Schwächen der Erziehungswissenschaft in BadenWürttemberg vorzunehmen, - ihre Leistungsfähigkeit unter Berücksichtigung der internationalen Entwicklung zu bewerten und - Empfehlungen zur Struktur, fachüchen Entwicklung und Schwerpunktbildung in Forschung, Lehre und Weiterbildung mit besonderer Berücksichtigung der Lehrerbildung und der Empirischen Bildungsforschung vorzulegen.

1 Für ihre Unterstützung bei der Erstellung dieses Textes danke ich Frau Dr. Martina Röbbecke. 2 Folgende Professorinnen und Professoren gehörten der Gutachterkommission an: F. Achtenhagen (Göttingen), J. Baumert (Berlin), E. Beck (Rorschach), E. De Corte (Leuven), H.-U. Erichsen (Münster), M. Fölling-Albers (Regensburg), B. Fomefeld (Köln), I. Gogolin (Hamburg), M. Horstkemper (Potsdam), H. Mandl (München), D. Phillips (Oxford), M. Prenzel (Kiel), A. Schelten (München), M. Simmel-Joachim (Wiesbaden), H.-E. Tenorth (Berlin), E. Terhart (Münster), R.Walthes (Dortmund) und W. H. F. W. Wijnen (Maastricht, Sprecher) sowie LMR U. Lübke, Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, Baden-Württemberg.

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Erziehungswissenschaftliche

Forschung in

Baden-Württemberg

Im Folgenden soll eine kurze Zusammenfassung der Verfahren, Ergebnisse und Empfehlungen der Evaluation präsentiert werden, dabei konzentriert sich der Beitrag auf die erziehungswissenschaftliche Forschung in Baden-Württemberg (für eine ausführliche Darstellung siehe Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, 2004).

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Bewertungskriterien für die Forschung

Von Anfang an hat die Gutachterkommission großen Wert darauf gelegt, die leitenden Gesichtspunkte ihrer Tätigkeit, die normativen Erwartungen, vor allem aber die Kriterien ihrer Bewertungen expüzit zu formulieren und auszuweisen. Sie entwickelte einen Referenzrahmen für die Evaluation von Forschung und Lehre, der sowohl den besonderen Arbeits- und Kommunikationsformen der Erziehungswissenschaft, dem Entwicklungsstand der Disziplin und der doppelten institutionellen Verankerung des Faches in Pädagogischen Hochschulen und Universitäten gerecht werden sollte. Die Gutachterkommission ging davon aus, dass Strukturbildung in der Forschung notwendig ist, wenn die Erziehungswissenschaft zentrale Forschungsthemen qualitätsvoll und mit Kontinuität bearbeiten will. Auch in der Erziehungswissenschaft bilden die Hochschulen und insbesondere die Universitäten das institutionelle Rückgrat der Forschung. Hochschulen sind Stätten der Forschung und der Lehre. Dem hegt ein Modell der Einheit von Forschung und Lehre zugrunde, die jedoch nicht mehr allein auf individueller, sondern auch auf institutioneller Ebene zu suchen ist. Die Idee der Einheit von Forschung und Lehre auf institutioneller Ebene räumt dem Forschungsprogramm Vorrang vor einem Bündel einzelner, individualisierter Forschungsvorhaben ein und verlangt eine abgestimmte Entwicklungsperspektive der Institution für Forschung und Lehre. Kennzeichnend für ein Forschungsprogramm ist primär eine über einen gewissen Zeitraum tragende Fragestellung und eine korrespondierende - auch über Drittmitteleinwerbung erweiterte - Personalausstattung, die eine Bearbeitung des Programms erlaubt. Ohne eine forschungsbezogene Strukturbildung wird das Fach nicht in der Lage sein, sich mit eigenem qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchs, der im Wettbewerb mit den Referenzdisziplinen bestehen kann, zu reproduzieren. Mit diesem Leitgedanken orientiert sich die Kommission an Vorstellungen, die auch den koordinierten Verfahren und strukturbildenden Maßnahmen der DFG zugrunde liegen und die eine systematische Stärkung der universitären Forschung zum Ziel haben. Viele zentrale Fragestellungen auch der erziehungswissenschaftlichen Forschung können nicht mehr angemessen von einzelnen Personen bearbeitet werden. Dies güt insbesondere dann, wenn die Arbeiten international sichtbar und anschlussfähig sein sollen. Bei der Beurteilung der Qualität der Forschung hat sich die Kommission auf das innovative Potenzial der Arbeiten, auf die Originalität der Fragestellungen und Herangehensweisen, den Beitrag zur Weiterentwicklung eines Forschungsfeldes, die Einhaltung hoher methodischer und technischer Standards sowie die internationale und nationale Wahrnehmung und Anerkennung bezogen. Der zugrunde gelegte For37

Wynand H. F. W. Wijnen schungsbegriff war weit; er schloss alle üblichen methodischen Vorgehensweisen ein und reichte von experimenteller Forschung über Feldstudien, Einzelfallanalysen und hermeneutischer Rekonstruktion bis hin zur Evaluation und Entwicklungsforschung. Die Kommission hat bei ihrer Bewertung berücksichtigt, dass Umfang und Qualität der Forschung nicht zuletzt von den personellen und finanziellen Rahmenbedingungen einer Institution abhängen. Jedoch gilt das Argument der finanziellen und personellen Unterausstattung für fast alle Hochschulen und Disziplinen. Somit wurden jeweils nur die Einrichtungen mit ähnlichen Bedingungen miteinander verglichen.

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Forschung an den Universitäten

Die an den Universitäten behandelten Forschungsfragen streuen über die gesamte Breite der Erziehungswissenschaft und Pädagogischen Psychologie. Explizite Forschungsprogramme existieren praktisch an keinem Standort. Wenn Ansätze zu Forschungsprogrammen zu finden sind, sind diese ausschließlich lehrstuhlbezogen. Die Wahl der Forschungsthemen ergibt sich aus der Widmung und Tradition des jeweiligen Lehrstuhls sowie den individuellen Interessen und Forschungskontakten der einzelnen Lehrstuhlinhaber. In den meisten Einrichtungen mit mehr als einer Professur finden zwar Kommunikations- und Austauschprozesse auf der Ebene der Professoren statt, aber keine kontinuierlich angelegten Planungen. Die Breite der jeweils bearbeiteten Forschungsthemen hängt auch mit dem Ausbaustand des Faches zusammen. An den größeren Standorten gibt es Forschungsschwerpunkte in den Gebieten der Allgemeinen Pädagogik, Schulpädagogik, Erwachsenenbildung/Weiterbildung, Sozialpädagogik, Vergleichenden Erziehungswissenschaft und der Pädagogischen Psychologie. An den mittleren Standorten findet man Grundlagenforschung im Bereich Lernforschung und Instructional Design sowie Unterrichtsforschung und Weiterbildung. Zu den Forschungsthemen gehören ebenfalls Neue Medien, Unterrichtsqualität, Lernmotivation, regionale Schulentwicklung und Internationalisierung pädagogischen Wissens. An den kleinen Standorten werden Fragestellungen der historischen Pädagogik, zur Hochbegabtenförderung und zu selbstreguliertem Lernen verfolgt, außerdem spezifische Fragen zu qualitativen Forschungsmethoden. Bei der Einwerbung von Drittmitteln waren die erziehungswissenschaftlichen Einrichtungen unterschiedlich aktiv und erfolgreich. An fünf Standorten sind in nennenswertem Umfang Mittel bei der DFG akquiriert worden. An den meisten Standorten wird viel publiziert. Die Zahl der Monographien ist niedrig, überwiegend werden Beiträge in Sammelbänden bevorzugt, gefolgt von Zeitschriftenaufsätzen. In international referierten Zeitschriften wird eher wenig publiziert. Die innerinstitutionelle Kommunikation und Kooperation über den erziehungswissenschaftlichen Bereich hinaus ist an den Standorten höchst unterschiedlich. Gemeinsame Forschungsvorhaben zwischen Erziehungswissenschaft, Fachwissenschaft

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Erziehungswissenschaftliche

Forschung in

Baden-Württemberg

und Fachdidaktik kommen kaum vor. Hier unterscheidet sich Baden-Württemberg nicht von anderen Bundesländern. Forschungskooperationen mit den Pädagogischen Hochschulen sind ebenfalls äußerst selten, selbst wenn beide Institutionen am gleichen Ort vorhanden sind. Während sich die Fachvertreter an einigen Standorten über fehlende Unterstützung durch die Hochschulleitungen beklagen und sich als reine Serviceleistung für die Lehrerausbildung klassifiziert sehen, fühlen sich andere durch die Hochschulverwaltung gut unterstützt. Einzelne Hochschulen haben darüber hinaus Instrumente zur Anschubfinanzierung von Forschungsprojekten entwickelt.

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Forschung an den Pädagogischen Hochschulen

Im PH-Gesetz ist festgehalten, dass zur Aufgabe der Pädagogischen Hochschulen auch die Forschung gehört: „Im Rahmen ihrer Aufgabenstellung betreiben sie Forschung und sorgen für die Heranbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses" (§ 3 PHG). An anderer Stelle wird präzisiert, die Forschung in den Pädagogischen Hochschulen diene „der Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse und der Anwendung dieser Erkenntnisse in der Praxis einschließlich der Folgen, die sich daraus für die Praxis ergeben können" (§ 42 PHG). Nur an wenigen Pädagogischen Hochschulen lassen sich abgrenzbare Forschungsschwerpunkte erkennen. Die Forschungsaktivitäten werden wesentlich bestimmt durch die je einzelnen Professuren und deren Aufgaben. Überall werden medienpädagogische Fragestellungen bearbeitet, was auch das Ergebnis einer landesweiten Förderstrategie darstellt. Darüber hinaus lässt sich ein weites Spektrum von Forschungsthemen nachzeichnen, in dem die empirische Lern- und Unterrichtsforschung einen vergleichsweise schmalen Bereich darstellt. Spezifische Probleme im Bereich der Pädagogischen Hochschulen sind: (1) Forschungsgelder: Die Pädagogischen Hochschulen unterscheiden sich in der Summe der in den Jahren 1998 bis 2002 eingeworbenen Drittmittel, die Pro-KopfMittel schwanken etwa um den Faktor 20. DFG-Mittel konnten lediglich von drei Hochschulen akquiriert werden. An einigen Pädagogischen Hochschulen wird ein verstärktes Engagement in der Forschung von Seiten der Hochschulleitung durch die wettbewerbsorientierte Vergabe von finanziellen Mitteln und von zusätzlichen Stellen aktiv unterstützt. (2) Rekrutierung von Nachwuchswissenschaftlern: Als Hemmnisse einer leistungsfähigen Forschung weisen die Pädagogischen Hochschulen vielfach neben ungenügenden Ressourcen auf große Schwierigkeiten hin, forschungserfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für eine Professur zu rekrutieren. Es ist problematisch, habilitierte Pädagogen mit der geforderten dreijährigen Schulpraxis zu finden, die das Ministerium zur Berufungsvoraussetzung gemacht hat. Dieses Erfordernis güt im Übrigen auch bei der Berufung von Schulpädagogen auf universitäre Professuren. Als weitere Hemmnisse werden die hohe Lehrbelastung des Mittelbaus und fehlende Qualifikationsstellen genannt.

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Wynand H. F. W. Wijnen (3) Kooperation zwischen Fachgebieten: In nahezu allen Hochschulen existieren interne Kooperationen, und zwar vorzugsweise innerhalb der erziehungswissenschaftlichen Abteilungen und mit der Pädagogischen Psychologie. Dagegen ist die Kooperation mit den Fachdidaktiken deutlich schwächer ausgeprägt. Die Zusammenarbeit ist zeitlich begrenzt und oft auf projektförmige Kooperation beschränkt. (4) Publikationen: Die Zahl der Veröffentlichungen liegt im nationalen Vergleich auf einem sehr geringen Niveau.

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Analysen und Stellungnahme der Gutachterkommission

Die erziehungswissenschaftliche Forschung an den Universitäten ist durch eine große thematische Vielfalt gekennzeichnet. Medienpädagogische und -didaktische Fragen werden an vielen Universitäten untersucht, Lehr-Lern-Forschung und Unterrichtsforschung werden genannt, bilden aber keinen hervorgehobenen Schwerpunkt. Auch auf anderen, gesellschaftlich wichtigen und hoch aktuellen Forschungsfeldern wie der Schulforschung und der Empirischen Bildungsforschung ist die universitäre Erziehungswissenschaft nur an wenigen Standorten aktiv. Eine thematische Abstimmung der Forschungsthemen ist nur selten zu erkennen und selbst in den größeren Einheiten existieren keine mittel- oder langfristigen Forschungspläne. Nur in wenigen Fällen kooperieren Lehrstühle miteinander und stimmen die Aktivitäten aufeinander ab. Hochschulübergreifende Kooperationen werden eher personenbezogen angestrebt. Damit vergeben die einzelnen Standorte die Chance, ein unverwechselbares Profil zu entwickeln, das eine langfristige Arbeit auch bei Personalwechsel sichert. Auch Synergieeffekte können auf diese Weise nicht genutzt werden. Eine Ursache für den geringen Erfolg bei der Einwerbung von hoch kompetitiven Drittmitteln stellt die Zersplitterung der Forschungslandschaft in sehr kleine Einheiten dar, die ein fachlich ausdifferenziertes Profil am jeweiligen Standort nur begrenzt erlaubt. Damit verbunden ist eine fehlende systematische und kontinuierliche Forschungsplanung. Ein weiteres Problem hegt darin, dass an einigen Standorten kein eigener Hauptfachstudiengang vorhanden ist, was sich auf die Nachwuchsrekrutierung und Forschungsintensität nachteilig auswirkt. Die Forschungsthemen der Pädagogischen Hochschulen haben in der Regel einen hohen Praxisbezug. Insgesamt gesehen zeigen die Vielfalt anwendungsbezogener Forschung und die dabei entstandene Kooperation mit Praxisinstitutionen, dass hier eine bedeutsame Verankerung in regionalen Kooperationen entstanden ist. Die Trennung von Forschungs- und Entwicklungsaufgaben ist gelegentlich nicht leicht zu erkennen. Empirische Forschung - konzentriert auf den zentralen Gegenstand Schule - steht dabei nicht im Zentrum. An den Pädagogischen Hochschulen ist die quantitative Ausstattung mit Professorenstellen an fast allen Standorten ausreichend, um Forschungsprogramme entwickeln zu können, die mit dem spezifischen Auftrag der Einrichtungen korrespondieren. Es lassen sich jedoch nur an wenigen Pädagogischen Hochschulen For40

Erziehung wissenschaftliche

Forschung in

Baden-Württemberg

schungsschwerpunkte erkennen, längerfristige Forschungsprogramme sind an keiner Pädagogischen Hochschule konzipiert worden. Als Konsequenz mangelnder Planung und Koordination zeigen sich Forschungslücken in den Kernbereichen der Bildungsforschung, etwa in der Schul- und Unterrichtsforschung, der Lehrerbildung, der Erforschung des Umgangs mit Heterogenität und der Forschung zur sozialen Ungleichheit. Anschluss an internationale Forschung - auch im Bereich der Empirischen Bildungsforschung - ist nur in seltenen Fällen vorhanden.

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Empfehlungen der Gutachterkommission

Zu den wichtigen Befunden der Evaluation der Erziehungswissenschaft in BadenWürttemberg gehört die Feststellung, dass die mittlere wissenschaftliche Produktivität - soweit sie aus den Publikationsdaten ablesbar ist - beachtlich ist. Dennoch sind generelle strukturelle Probleme festzustellen, welche die Wettbewerbsfähigkeit der Erziehungswissenschaft systematisch und schwerwiegend beeinträchtigen. Drei Problembereiche sind hier zu nennen: - Die Publikationstätigkeit ist häufig adressatenunspezifisch und hinsichtlich der Publikationssorte unselektiv. Die große Mehrheit aller Publikationen durchläuft keinen Begutachtungsprozess. In der Folge bleibt ein erheblicher Teil der wissenschaftlichen Produktion ohne wissenschaftlichen und praktischen Einfluss. - Die Wahl der Forschungsthemen ist kontingent und instabil. Sie hängt in hohem Maße von temporären Interessen einzelner Personen und den Gelegenheitsstrukturen regionaler Wissenschaftsförderung ab. - Systematische Forschungslücken klaffen insbesondere bei Themen, die nur längerfristig in Kooperation mehrerer Personen und Standorte und mit empirischem Zugriff bearbeitet werden können. - Die Empirische Bildungsforschung innerhalb der Erziehungswissenschaft in Baden-Württemberg ist unbefriedigend entwickelt. Um in diesen Punkten Verbesserungen zu erreichen, ist ein längerfristiger Mentalitätswandel erforderlich. Es ist aber auch unübersehbar, dass es von Standort zu Standort große Unterschiede gibt. Die Kommission empfiehlt deshalb dem Land, ein Forschungsförderungsprogramm aufzulegen, das dazu beitragen soll, thematische Lücken zu schließen und die Wettbewerbsfähigkeit sowie die Qualität der erziehungswissenschaftlichen Forschung durch strukturbildende Maßnahmen zu erhöhen. Im Einzelnen sollte dieses Programm folgende Merkmale aufweisen: - Vordringliche Konzentration auf die Bereiche Lehrerbildung und Qualitätsentwicklung von Lehrkräften, Schul- und Unterrichtsforschung, Fragen des Umgangs mit Heterogenität, sowie domänenspezifische Wissenserwerbsprozesse: - Bevorzugung kooperativer, auch standortübergreifender Forschungsvorhaben; - Bindung der Vergabe von Forschungsmitteln an koordinierte Nachwuchsförderung möglichst unter Nutzung bereits vorhandener Programme; 41

Wynand H. F. W. Wijnen - Begutachtung von Forschungsanträgen durch unabhängige Wissenschaftler; - sequenzielle Bewilligung in Abhängigkeit von Publikationsleistungen. Bei der Vergabe von Mitteln sollten Forschungsvorhaben bevorzugt werden, mit denen strukturbildende Maßnahmen zur Stärkung der Empirischen Bildungsforschung und der Nachwuchsförderung innerhalb der Hochschulen verbunden sind. Um den Wandlungsprozess zu befördern, bedarf es einer unterstützenden Anreiz* und Sanktionsstruktur - innerhalb der Hochschulen und Standort übergreifend. Die Kommission ist der Überzeugung, dass die periodische Evaluation nach Maßgabe transparenter Gütekriterien, eine Mittelzuweisung innerhalb der Standorte, die sich ebenfalls an diesen Gütekriterien orientiert, und die kontinuierliche Beobachtung und Dokumentation der Forschungsleistungen an einem Standort den Kern institutioneller Qualitätsentwicklung darstellt. Daher empfiehlt die Kommission mit Nachdruck die Einführung eines Systems der Qualitätsentwicklung, das auf regelmäßiger interner und externer Evaluation von Forschung und Lehre beruht.

Literatur Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (Hrsg.) (2004). Evaluation der Erziehungswissenschaft an den Universitäten und Pädagogischen Hochschulen des Landes Baden-Württemberg. Abschlussbericht der Gutachterkommission. Bonn: Lemmens Verlags- und Mediengesellschaft mbH.

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Kapitel 3 Stand der Förderinitiative

Zwischenbilanz zur Förderinitiative „Forschergruppen in der Empirischen Bildungsforschung" Walter Müller Universität Mannheim

Anlass für die Förderinitiative „Forschergruppen in der Empirischen Bildungsforschung" waren die vor allem in den Erziehungswissenschaften wahrgenommenen Defizite der empirisch orientierten Bildungsforschung, die großen und neuen Aufgaben zu bewältigen, vor denen in der sog. Wissensgesellschaft gerade die Bildungsforschung steht. Der Zuwachs an neuem Wissen hat sich beschleunigt. Seine Schaffung und Vermittlung an die Bevölkerung spielen eine eminente Rolle für die Wettbewerbsfähigkeit fortgeschrittener Gesellschaften. Damit sind auch die Herausforderungen an die Bildungssysteme gewachsen, die Fähigkeiten der Bevölkerung zu stärken, sich Wissen anzueignen und mit dem schnellen Wandel Schritt zu halten. Deutschland hat hier großen Nachholbedarf. Am eindrücklichsten wurde dies der öffentlichen Wahrnehmung durch die PISA-Befunde vor Augen geführt. Sie haben die Schwächen des deutschen Bildungssystems bei der Fähigkeits- und Kompetenzentwicklung in der Kindheit und frühen Jugend ebenso offen gelegt wie die im Vergleich zu anderen Ländern hohe soziale Ungleichheit in der Kompetenzentwicklung von Kindern aus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. Für die soziologische Ungleichheitsforschung sind diese letzteren Befunde sehr aufhellend, aber sie kamen nicht überraschend. Denn seit langem ist bekannt, dass im internationalen Vergleich Deutschland in der sozialen Ungleichheit der Bildungschancen - gegenwärtig vielleicht mit Ausnahme der osteuropäischen Länder - eine Spitzenstellung einnimmt. Nach einer neuen internationalen Vergleichsuntersuchung (Breen, 2004) trifft dies für Deutschland auch in der Undurchlässigkeit des sozialen Schichtungsgefüges zu. Die spezifische Funktionsweise des deutschen Bildungssystems ist in hohem Grad daran beteiligt (Müller & Pollak, 2004). Andere beunruhigende Befunde sind die seit Jahren bekannten niedrigen deutschen Hochschulabsolventenquoten (OECD, 2004). Im Zusammenhang mit dem Bologna-Prozess steht die Hochschulbildung in Deutschland vor einem massiven Umbruch. Die Chancen und Folgen dieses Umbruchs sind wissenschaftlich nicht untersucht. Das berufliche Bildungswesen bedarf - damit es den Anforderungen der Zukunft gewachsen ist - ebenfalls massiver Reformanstrengungen. Das jährliche Pokern um ausreichende Lehrstellen allein löst die Probleme nicht. Auch über den großen Bereich der Weiterbildung und des lebenslangen Lernens, der die flexible Anpassung an die sich wandelnden Wissens- und Fähigkeitsstrukturen sichern soll, weiß man in Deutschland nicht viel. Belegt ist aber, dass die Beteiligung 45

Walter Müller der Bevölkerung daran deutlich niedriger ist als in manchen anderen fortgeschrittenen Gesellschaften (Nester & Kailis, 2002; Kuwan et al., 2003; Wolbers, 2003). Als letzte große Problemzone sei an die Integration von Kindern aus Migrationsverhältnissen erinnert. Wir kennen die Schwierigkeiten der damit verbundenen Aufgaben und wir wissen, dass diese mit der zunehmenden Heterogenität der Zuwanderung in Zukunft nicht geringer werden. Wie man sie am besten bewältigt, bedarf dringender Forschung. Es besteht also zweifelsohne ein massiver Bedarf an solidem und gesichertem Wissen über Bildungsprozesse, über erforderliche Veränderungen in den Bildungsinhalten und in den Strukturen des Bildungssystems, über den Umgang mit neuen Medien und deren systematische Nutzung in Bildungsprozessen. Vor diesem Hintergrund erinnert das Memorandum zur „Strukturellen Stärkung der Empirischen Bildungsforschung", mit dem die Förderinitiative begründet wurde, daran, dass die DFG in den 1990er Jahren zwar eine ganze Reihe von Schwerpunktprogrammen gefördert habe, von Programmen zu den Fachdidaktiken der Naturwissenschaft und der Mathematik bis zur Lesesozialisation in der Mediengesellschaft. Dennoch hätten diese Förderaktivitäten nicht richtig gegriffen, weil sich die Basis als zu schmal erwiesen habe. Es gäbe zwar einzelne Forscher, Projekte und Forschungsverbünde, die international konkurrenzfähig und attraktiv seien, es gäbe aber in Deutschland zu wenig institutionelles und personelles Potenzial, mit dem auf einem international konkurrenzfähigen Niveau insgesamt die großen Herausforderungen an systematische Forschung über Bildungsprozesse und über Lehren und Lernen in seinen unterschiedlichsten Formen und in den unterschiedlichsten Kontexten bewältigt werden könnten. Es habe in der Vergangenheit nicht an Ressourcen für einzelne Projekte gefehlt, vielmehr wären verfügbare Mittel teilweise nicht ausgeschöpft worden. Der Grund dafür liege im Mangel an entsprechender inhaltlicher Profil- und Schwerpunktbildung an den Hochschulen. Es gäbe auch nicht generell zu wenig Professuren, die sich mit Bildung und Erziehung beschäftigen, aber sie tun es eben nicht so, wie es nötig wäre, um zu theoretisch und empirisch abgesichertem Wissen in den heute erforderlichen Bereichen zu gelangen. Es fehle an universitären Zentren, die auch Anziehungskraft auf Wissenschaftler von außen haben, und die Empirische Bildungsforschung sei insgesamt zu wenig in den Hochschulen verankert, dass es für viel versprechende Forscher attraktiv und aussichtsreich wäre, eine wissenschaftliche Karriere in diesem Bereich zu planen und zu beginnen. Zudem fehle es auch an disziplinübergreifender Zusammenarbeit, die gerade für die angewandten Aspekte in der Bildungsforschung wichtig seien. Dass diese Diagnosen über den Zustand der Bildungsforschung und das Missverhältnis des Zustandes zu den Erwartungen richtig sind, hat auch das in Gang gesetzte Förderprogramm mit Einschränkung vollauf bestätigt. Welches waren die Folgerungen aus der Diagnose und das Profil des Förderprogramms, das aus der Diagnose abgeleitet wurde? Zunächst einmal war die entscheidende Folgerung, dass Maßnahmen getroffen werden müssen, von denen man auch nachhaltige Wirkungen erwarten kann und die verhindern, dass die Förderung „versickert". Es sollten strukturbildende und strukturverbessernde Maßnahmen sein, Maßnahmen, die Anstöße zu Profilbildungen an den Hochschulen geben und die insbesondere auch dazu beitragen, die Entfaltungsmöglichkeiten des wissenschaftlichen Nachwuchses zu stärken. 46

Zwischenbilanz zur Förderinitiative Also eher nicht Förderung nach dem bisherigen Muster der Schwerpunktprogramme, bei dem Forscher an verschiedenen Universitäten zwar an einer inhaltlich fokussierten Thematik arbeiten, aber im Prinzip eben doch in Form von in der Regel nur gering vernetzten Einzelprojekten. Möglichst das gesamte DFG-Instrumentarium wäre zu nutzen, um Forschungszentren auch an Standorten aufbauen zu können, an denen mit den gegenwärtigen Ressourcen das Potenzial noch zu schwach erscheint. Es sollten thematisch fokussierte Forschergruppen entstehen, deren Kern aus am Standort bereits tätigen Forschern zu bestehen hätte. Die Arbeitsmöglichkeiten dieser Forschungsgruppen und deren Wirkungspotenzial müsste jedoch durch die Kombination und Zusammenführung verschiedener bereits bestehender Förderinstrumente erheblich gesteigert werden, sodass sich mit der Zeit Forschungspotenziale von der Art der Sonderforschungsbereiche auch an Standorten herausbilden können, an denen gegenwärtig die Infrastrukturen für ein derartiges Unternehmen noch nicht vorhanden sind. Solche Förderung von Strukturverbesserung soll zum einen durch thematisch konzentrierte Projektförderung, zum andern jedoch durch eine Palette weiterer Maßnahmen erreicht werden: vorübergehend DFG-finanzierte zusätzliche Professorenstellen, die Einrichtung von Nachwuchsgruppen für hoch qualifizierte Nachwuchswissenschaftler sowie weitere Mittel, die der Profilbildung und der wissenschaftlichen Kommunikation dienen, so z.B. Mittel für Gastwissenschaftler oder Kolloquien und Konferenzen. Und für die Nachwuchsförderung sollten gezielt auch Graduiertenprogramme anvisiert oder andere Maßnahmen für die Verbesserung der Doktorandenausbildung getroffen werden. Diese Überlegungen leiteten dann auch den wissenschaftlichen Beirat der Förderinitiative und die zur Begutachtung von Anträgen bestellten Gutachtergruppen. Nach dem Protokoll der Sitzung des wissenschaftlichen Beirates vom 10. September 2002 wurde beschlossen, die Beratung und Begutachtung von Anträgen an den folgenden Kriterien zu orientieren: „(1) Wissenschaftliche Qualität (Innovation, Anschlussfähigkeit, Methodische Standards). (2) Kohärenz (Ziel ist eine Profilbildung am Standort der Forschergruppe). (3) Klare Identifikation der am Ort fehlenden Kompetenzen, die durch die neue Professur ergänzt werden soll (2 Modelle). (4) Es muss ein sichtbares Zentrum entstehen, das wissenschaftlichen Nachwuchs anzieht. Deshalb ist eine Konzeption für die Nachwuchsförderung erforderlich. (5) Es müssen solche Personen beteiligt sein, die proaktiv in der Ausbildung und Betreuung von Nachwuchs wirken können. (6) Den Kern der Forschergruppe müssen erfahrene Antragsteller büden." Es war sicher nicht daran gedacht, dass nun Dutzende solcher Zentren entstehen. Realistisch war von Anfang an die Erwartung, die auch explizit so geäußert wurde, dass vielleicht ein halbes Dutzend Zentren gegründet werden. Deutschland wäre damit noch nicht auf dem Weg zum Olymp der Empirischen Bildungsforschung, hätte aber eine signifikante Verbesserung erreicht, ein Anfang gemacht, von dem ausgehend in einigen Jahren noch weitere Fortschritte erzielt werden könnten. Wie hat sich die Initiative entwickelt? 47

Walter Müller Man kann sicher sagen, dass sie schnell eine große Resonanz gefunden hat. Auf die erste Ausschreibung hin bewarben sich im Herbst 2002 insgesamt 20 Gruppen aus fast ebenso vielen Standorten mit Konzeptpapieren. In den beiden folgenden Bewerbungsrunden im Frühjahr 2003 und im Herbst 2003 meldeten sich jeweils fünf weitere Gruppen mit ausgearbeiteten Konzepten, und fünf Gruppen aus der ersten Runde reichten nach der ersten Beratung überarbeitete Voranträge ein. Insgesamt waren in diesen Voranträgen sicher über 200 Einzelprojekte angedacht und mehr oder weniger ausführlich ausgearbeitet. Man kann damit gewiss sagen, dass das Programm auf großes Interesse gestoßen ist. Es hat viele Forscher zum aktiven Nachdenken darüber gebracht, wie sie an ihrem Standort in einer Schwerpunktthematik zusammenarbeiten könnten, wie sie die Bildungsforschung gemeinsam ausbauen könnten, sodass es zu konkreten Initiativen in dieser Richtung kam. Über diese Initiativen hinaus, die tatsächlich zu Konzeptpapieren oder Anträgen führten, löste die Förderinitiative sehr wahrscheinlich an einer Reihe von weiteren Standorten ebenfalls Überlegungen zur Beteiligung und zur Konzentration der Kräfte aus, die dann aus unterschiedlichen Gründen nicht zu einer Bewerbung führten. Insofern kann man sagen, dass von den Perspektiven und Gestaltungsmöglichkeiten her die Initiative in den zentral betroffenen Disziplinen offensichtlich als sehr attraktiv aufgenommen wird und ein Angebot darstellt, das die Zielgruppen anspricht. Welches waren die Thematiken, zu denen sich Forschergruppen zusammengefunden haben? Diese waren insgesamt sehr vielfältig. Sie reichten von der historischen Bildungsforschung, bei der die langen Wellen der Bildungsentwicklung seit dem 19. Jahrhundert untersucht werden sollten, über sehr spezifische psycholinguistische Studien der Analyse kognitiver Prozesse bei der Entwicklung von Literalität bis hin zu betriebswirtschaftlich orientierten Untersuchungen zur Optimierung des Hochschulmanagements. Dennoch ist eine deutliche Konzentration auf bestimmte Bereiche festzustellen wie zugleich auch das Gegenteil. Das bedeutet, dass eine ganze Reihe von Aspekten und Thematiken, zu denen man sich dringend Forschung wünschen würde, praktisch überhaupt nicht aufgegriffen wurden. Bei den thematischen Bereichen, auf die sich mehrere Vorschläge konzentrieren, kann man durchaus eine gewisse Reaktion auf den PISA-Schock feststellen. Die niedrigen Kompetenzwerte deutscher Schüler und die sehr große sozialstrukturelle Ungleichheit dabei waren der am häufigsten verwendete Aufhänger in den Skizzen und Anträgen. Fasst man die eingereichten Konzeptpapiere und Anträge in thematische Gruppen zusammen, sieht man schnell, dass drei bis vier Bereiche klar dominieren und jeweils mehrere Vorschläge auf sich vereinen: (1) Untersuchungen zur Entwicklung von Lesekompetenz und Literalität, (2) Analysen der schulischen Selektions- und Übergangsproblematik im Zusammenhang mit den besonderen Bedingungen des sehr ausgeprägt und früh im Bildungsverlauf gegliederten deutschen BUdungssystems und seiner vermuteten Folgen für die hohe Ungleichheit der Bildungsbeteiligung, (3) eine Konzentration von Studien auf die frühe Kindheit und die Grundschule, weil man eben die spezifischen deutschen PISA-Defizite schon früh in der Bildungslaufbahn findet. 48

Zwischenbilanz zur Förderinitiative (4) Einen weiteren Schwerpunkt bilden dann didaktikorientierte Studien: eine Antragstellergruppe zu den besonderen Problemen der Didaktik des Naturwissenschaftlichen Unterrichts; eine Gruppe zur Aktivierung selbstständigen Lernens überwiegend auch im Bereich der Naturwissenschaften; eine Skizze zur Integration neuer Medien in den Schulunterricht sowie ein Vorschlag zum sprachlichen und fachlichen Lernen und Lehren. Darüber hinaus kann man noch thematische Gemeinsamkeiten bei zwei Skizzen zur beruflichen Qualifikationsbildung und zur beruflichen Kompetenzentwicklung in informatisierten Arbeitsprozessen finden, außerdem bei zwei Skizzen, die sich mit der Lehrerbildung und dem Lehrer-Selbst- und Fremdbild beschäftigen, beides wichtige Thematiken. Daneben gab es mehrere Einzelthemen, teilweise durchaus von Interesse, teilweise aber sehr allgemein und ohne klaren thematischen Fokus. Wie stellt sich nun dieses quantitativ reich erscheinende Forschungsangebot nach Qualitätskriterien dar? Wie erfüllten Skizzen und Anträge die Erwartungen an die Antragsteller? Hier wird das Bild viel bescheidener. Das qualitative Niveau in recht vielen Skizzen und in den Beratungsgesprächen zeigte, wie dünn die Decke ist und wie schwierig und mühsam es ist, selbst eine so attraktive und viel versprechende Initiative umzusetzen. Bei einer ganzen Reihe von Skizzen waren aus unterschiedlichen Gründen leider die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Forschergruppe nicht gegeben. In Einzelfällen erwiesen sich die Skizzen im Hinblick auf ihre wissenschaftliche Qualität schlicht als undiskutabel. Auf den ersten Blick war zu sehen, dass der Stand der Literatur und Forschung nicht rezipiert worden ist. Als Außenstehender hat mich die Provinzialität schon überrascht, in die sich einzelne Forscher offensichtlich eingenistet haben und überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen, was in der internationalen Forschung geschieht. Allerdings habe ich Ähnliches oft auch schon bei Forschungsanträgen oder zu begutachtenden Manuskripten im eigenen Fach gesehen. Mehr verwundert hat mich dabei aber die Vorstellung, dennoch bei einem derart anspruchsvollen Unternehmen mithalten zu können und zum zukunftsgestaltenden Kern eines Faches zu gehören. In anderen Fällen waren Anträge im Einzelnen durchaus von guter Qualität, aber zu eng und zu begrenzt angelegt, als dass aus ihnen ein im Sinne der Initiative förderungswürdiger Schwerpunkt entstehen könnte. Zum Teil traf dies auch auf verdienstvolle Initiativen aus Lehrerbildungseinrichtungen zu, in denen aber wohl zu wenig Forschungserfahrung besteht. Einzelne Initiativen entwickelten interessante Ideen, bei denen der Weg für die Umsetzung in konkrete Forschung aber noch zu weit erscheint, um darauf ein größeres Forschungsprogramm aufzusetzen. Diese Initiativen können u. U. nach weiteren Vorarbeiten noch zum Erfolg führen. In anderen Fällen blieb das, was zu einer Forschergruppe zusammengeschnürt werden sollte, thematisch zu heterogen und deshalb ohne Aussicht, durch Kooperation Synergien zu erzeugen und die Forschung an einem zentralen Punkt weiterzubringen. Bedauerlicherweise musste man dies zum Teil auch für Standorte feststellen, deren bereits bestehende Ausstattung am Ort eigentlich gute Voraussetzungen zur Zentrumsbildung bietet. Es entstand der Eindruck, dass unter einem neuen Dach weitergeführt werden sollte, was ohnehin schon geschah, ohne dass das Bemühen sichtbar wurde, die Fragstellungen hinreichend zu fokussieren. Zum Teil 49

Walter Müller waren auch zu wenig Perspektiven für den Aufbau einer wissenschaftlichen Einheit zu erkennen, die Anstrengungen und gute Grundlagen für eine mehr als beiläufige Nachwuchsförderung erwarten ließen. Aus allen diesen und teilweise weiteren Gründen ist dann die Zahl der Skizzen, denen der wissenschaftliche Beirat mit Aussicht auf Erfolg die Empfehlung geben konnte, die Skizze zu einem Antrag auszubauen, massiv zusammengeschrumpft. Bei etwa 10 der eingereichten Skizzen sah der Beirat eine mehr oder weniger gute Chance für einen aussichtsreichen Antrag; vier Anträge wurden bislang eingereicht und begutachtet. Positive Begutachtungsergebnisse und Bewilligungen erzielten: - der Antrag zur Didaktik des Naturwissenschaftlichen Unterrichts der Universität Essen, - der Antrag „Bildungsprozesse, Kompetenzentwicklung und Selektionsentscheidungen im Vor- und Grundschulalter" der Universität Bamberg. Damit sind gut zwei Jahre nach der ersten Ausschreibung zwei Zentren etabliert. Zu etwa einem halben Dutzend weiterer Themen wurden in den Skizzen und den Beratungsgesprächen so viele tragfähige Forschungsideen und Kooperationspotenziale zu mehr oder weniger fokussierten Thematiken gefunden, dass der wissenschaftliche Beirat Hoffnungen hegt und Ermunterungen ausgesprochen hat, die zu weiteren Anträgen und Bewilligungen führen können. Diese Initiativen konzentrieren sich auf die folgenden Thematiken: -

Übergangs- und Selektionsproblematik, Bildungsprozesse in der frühen Kindheit und in der Grundschule, die effiziente Nutzung neuer Medien im Schulunterricht sowie das Verhältnis von erworbenen beruflichen Kompetenzen und beruflichen Karrieren.

Ob letztendlich wie anvisiert insgesamt etwa ein halbes Dutzend Zentren entstehen werden, ist noch offen. Wenn man die bewilligten und die noch in der Vorbereitung befindlichen Schwerpunkte als eine Art Positivliste von Gebieten betrachten kann, in denen an Universitäten (auch interdisziplinär) mehr als nur vereinzeltes Forschungsinteresse und -potenzial vorhanden ist, dann kann man daraus vielleicht auch ableiten, in welchen Gebieten solches Potenzial vor allem fehlt. Unter anderem scheint dies für die folgenden Bereiche zuzutreffen: - Sieht man von fachdidaktischen Studien im engeren Sinne ab, gab es erstaunlich wenig Schwerpunkt- oder Projektvorschläge zu allgemeinen grundlagentheoretischen Problemen des Lehrens und Lernens und zu damit verbundenen Fragen der Schulorganisation, und zu den - wenn auch alten und klassischen, aber dennoch nach wie vor grundsätzlichen und kaum befriedigend geklärten - Fragen der Formen, des Ausmaßes, der Zeitpunkte und der Folgen der Leistungsgruppendifferenzierung (Ausnahme war eine Schwerpunktskizze zur Untersuchung von Problemen der Heterogenität in Schülerpopulationen}. - Wiederum von fachdidaktischen Projekten abgesehen wurde nur wenig Forschungsinteresse an der oberen Sekundarstufe signalisiert, zu der gerade in Deutschland eminent wichtigen und ausgeprägten Differenzierung von allgemei50

Zwischenbilanz zur Förderinitiative

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ner und beruflicher Bildung. Auch die Frage einer besseren Verbindung dieser Bereiche insbesondere in Hinblick auf die Reform der beruflichen Bildung und damit auf einen erweiterten Zugang zu Hochschulreife und Hochschule ist relevant. Die vielfältigen Entwicklungen, die Expansion und der massive institutionelle Wandel im postsekundären und tertiären Bildungsbereich wurden ebenfalls praktisch überhaupt nicht aufgegriffen. Diese Bereiche sind damit offensichtlich kaum Gegenstand umfassender, systematischer und mehr als nur punktueller Forschung. Das Gleiche gilt für den Bereich der Weiterbildung und des lebenslangen Lernens. Fast völlig fehlen ebenso system-, länder- und kulturvergleichende Bildungsforschung. Mit Ausnahme einer noch wenig in Projektvorstellungen konkretisierten Skizze fehlen bislang auch geeignete Vorschläge zur intensiveren Untersuchung der Verbindung von Bildung und Arbeitswelt. Schließlich haben Schule und Bildung nicht nur mit der Entwicklung der kognitiven Potenziale der Schüler und von beruflich verwertbaren Fähigkeiten zu tun, sondern mit vielem mehr, etwa sozialem Lernen oder der Entwicklung politischer Kompetenzen. Auch dazu oder zum Bereich der Sozialpädagogik wurden praktisch keine Projekte entwickelt.

Ich überblicke insgesamt die erziehungswissenschaftliche Forschung zu wenig, um beurteilen zu können, ob die Schwerpunkte und Lücken, die Ausrichtung und die Qualität der Arbeit, die in den Forschergruppen-Skizzen zum Ausdruck kommen, ein irgendwie treffendes Bild über das Feld der empirisch orientierten Erziehungswissenschaften in Deutschland und weiterer für die Büdungsforschung relevanter Disziplinen abgeben. Aber wenn es auch nur in groben Zügen zutrifft, dann liegen einige Schlussfolgerungen nahe: (1) Aus der Beteiligung an der Initiative lässt sich eine beeindruckende Ernsthaftigkeit erkennen, mit der auf die durch die Förderinitiative eröffneten Chancen in den angesprochenen Wissenschaften reagiert wird. Auch im Bereich der Bildungsforschung ist das Wissenschaftssystem mobilisierbar, und es reagiert dynamisch, wenn adäquate Entwicklungsperspektiven geschaffen werden. (2) Insgesamt liegen die bisherigen Ergebnisse voll im Erwartungsrahmen. Es werden aber auch die Grenzen eines einzelnen Instrumentes sichtbar, und sei es so mächtig wie die Einrichtung von Forschergruppen. Die Initiative allein kann insgesamt nur von begrenzter Wirksamkeit bleiben und muss durch andere Maßnahmen ergänzt werden. (3) Es gibt in zahlreichen Feldern nach wie vor dringend vieles an Forschung nachzuholen und auszubauen und dieses nicht nur durch vereinzelte Projekte, die kaum einen Struktureffekt haben können. (4) Die Förderinitiative kann, insbesondere wenn es gelingt, noch einige Zentren erfolgreich zu etablieren, durchaus eine positive Wirkung haben. Insofern muss jetzt alles getan werden, damit noch das eine oder andere Zentrum zustande kommt. Wirkung kann die Initiative vielleicht nicht zuletzt auch ex negativo dadurch haben, dass sie nicht geförderten Standorten gegenüber signalisiert, die Forschungsarbeiten neu auszurichten, zumindest den internationalen Forschungsstand stärker zu berücksichtigen. 51

Walter Müller (5) Eine weitere Beobachtung im Rahmen dieser Initiative ist, dass sich eine erfolgreiche interdisziplinäre Zusammenarbeit in Deutschland nur schwer installieren lässt. Gute Beispiele wie in Bamberg oder in Essen, in denen dieses gelungen ist, sind eher die Ausnahme. Insbesondere wurde auch die Ökonomie bislang kaum einbezogen. (6) Wenn eine Erkenntnis darin besteht, dass es zwar nicht unmöglich, aber durchaus nicht einfach ist, aus dem etablierten Bestand an personeller Kapazität neue Profilbildungen in der Empirischen Bildungsforschung zu entwickeln, dann muss der Blick für weitere Maßnahmen sich vor allem längerfristig auf die Umstrukturierung in der Generationenfolge richten. Anstrengungen müssen sich auf die Schaffung besserer Gelegenheiten für die Qualifizierung von wissenschaftlichem Nachwuchs in der analytisch und empirisch orientierten Bildungsforschung konzentrieren. Die zuständigen Instanzen haben deutlich zu machen, dass bei der Neubesetzung von Lehrstühlen ein verstärkter Umbau des Lehr- und Forschungspersonals in diese Richtung erfolgt. Und dieses muss dann auch geschehen. (7) Die Nachwuchsförderung ist ein integraler Bestandteil der Initiative. Man kann sich aber fragen, ob es neben ihr und den Graduiertenkollegs nicht noch weitere Möglichkeiten gibt. In den Sozialwissenschaften haben sich Summer Schools gerade auch im methodischen Bereich als durchaus effiziente Instrumente der Nachwuchsförderung erwiesen. Auch für inhaltliche Ausrichtungen gibt es interessante Beispiele. Ein besonders überzeugendes Beispiel ist die Sozialwissenschaftliche Fakultät in Oslo, an der jeden Sommer über mehrere Wochen von internationalen Spitzenforschern Kurse zu unterschiedlichen inhaltlichen Thematiken angeboten werden, deren Credits an den meisten skandinavischen Universitäten als Leistungsnachweise in Graduiertenprogrammen anerkannt werden. (8) Ein mit Einschränkung weiteres wichtiges Steuerungs- und Förderungsinstrument gerade für den wissenschaftlichen Nachwuchs ist die allgemeine Verfügbarkeit exzellenter Datensätze in den Bereichen, in denen man Forschung voranbringen will. Die Erfolgsstory des sozioökonomischen Panels und die enorme Bedeutung dieses Datensatzes für den Siegeszug längsschnittlich orientierter Untersuchungsansätze in Teilen der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften resultiert weitgehend daraus, dass diese Daten nach der Erhebung schnellstmöglich und praktisch ohne Kosten der Scientific Community zur Verfügung stehen. Gerade auch Nachwuchsforscher haben mit großem Interesse darauf zugegriffen, weil sie durch Nutzung dieser besten verfügbaren Daten versuchen konnten, einen Platz an der Spitze der Forschung zu gewinnen. Die Bereitstellung solcher Daten ist natürlich mit „Public Goods"-Problemen verbunden. In der Bereitschaft, Daten zu sammeln und sie öffentlich verfügbar zu machen, steht die Bildungsforschung nicht an vorderster Front. Die PISA-Studie könnte hier eine Vorbildfunktion übernehmen. Es werden aber weitere Großinitiativen in dieser Richtung benötigt, beispielsweise Längsschnittdaten von der frühen Kindheit über die verschiedensten Bildungsetappen hinweg bis mindestens in die ersten Phasen der Berufslaufbahn oder noch besser über die gesamte Lebensspanne.

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Zwischenbilanz zur Förderinitiative Literatur Breen, R. (Ed.), (2004). Social mobility in Europe. Oxford: Oxford University Press. Kuwan, H., Thebis, F., Gnahs, D„ Sandau, E. & Seidel, S. (2003). Berichtssystem Weiterbildung. Integrierter Gesamtbericht zur Weiterbildungssituation in Deutschland. Bonn: Bundesministerium für Bildung und Forschung. Nestler, K. & Kailis, E. (2002). Continuing vocational training in enterprises in the European Union and Norway. Statistics in focus 3/2002. Eurostat, Luxembourg: Office for official publications of the European Communities. Müller, W., & Pollak, R. (2004). Social mobility in West Germany. The long arms of history discovered? In R. Breen (Ed.), Social mobility in Europe (pp. 77-113). Oxford: Oxford University Press. OECD (2004). Education at a glance. Paris: OECD. Wolbers, M. (2003). Learning and working: Double statuses in youth transitions. In W. Müller, & M. Gangl (Eds.), Transitions from education to work in Europe: The integration of youth into EU labour markets (pp. 131-155). Oxford: Oxford University Press.

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Kapitel 4 Spezifische Aspekte der Empirischen Bildungsforschung Wie in den Ergebnissen und Empfehlungen der Evaluationen deutlich wurde, ist es notwendig, die Empirische Bildungsforschung zu stärken. Um dies zu erreichen, sind unter anderem vier profil- und strukturbildende Maßnahmen notwendig. Im Rahmen der Profilbildung ist es zentral, dass in der Empirischen Bildungsforschung Forschungsansätze Verwendung finden, die Theorie und Praxis miteinander verbinden. So sollen anhand des Design-Based-Research-Ansatzes Theorien zum instruktionalen Lernen entwickelt bzw. modifiziert sowie der praktische Unterricht verändert werden. In diesem Kontext stehen auch die Fachdidaktiken, die für die Empirische Bildungsforschung einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung des fachbezogenen Lehrens und Lernens liefern können. Strukturbildung zielt insbesondere darauf ab, den Nachwuchs im Bereich Empirische Bildungsforschung zu fördern und die vorhandenen Hemmnisse in den Strukturen vor Ort zu überwinden. Profil- wie Strukturbildung müssen Hand in Hand gehen, um eine nachhaltige Förderung der Empirischen Bildungsforschung zu ermöglichen.

Intervention Research in Education: Some Comments Erik De Corte University of Leuven

A major challenge for education and educational research today is to build on our present understanding of learning for the design of environments for education that are conducive to foster in all students self-regulatory and cooperative learning skills, productive and transferable knowledge, and a disposition toward competent thinking and problem solving. An important approach for addressing this challenge that has become more and more prominent over the past ten to fifteen years consists in designing intervention studies, i.e. investigations in which researchers, possibly in concert or cooperation with educational professionals, develop, implement and evaluate an instructional intervention (see e.g., McGilly, 1996; Schauble & Glaser, 1996). This intervention approach has a twofold goal: on the one hand, it intends to advance theory building about learning from instruction, but on the other hand, it aims at contributing to the fundamental innovation of classroom practices, and by so doing to bridging the lasting gap between theory and practice (De Corte, 2000). As argued by Brown (1994), theory building is crucial for conceptual understanding as well as for practical dissemination. As shown by the recent interest in and discussions about design experiments, intervention research is very topical in current debates on the relevance and credibility of educational research (see e.g., the theme issue of the Educational Researcher on "The role of design in educational research" edited by Kelly, 2003). A major question becomes then: How and under what conditions should intervention studies be carried out in view of achieving the combined effects of contributing to relevant theory building as well as to significant improvement of educational practices? According to De Corte and Weinert (1996) a promising strategy in that perspective for which there is now a substantial research base (see e.g., National Research Council, 2000), consists in the creation and evaluation in real classrooms of complex instructional interventions that reflect and embody our present understanding of effective learning processes and powerful learning environments. In order to make a reasonable chance of being successful, such attempts at fundamentally changing the classroom environment and culture should be undertaken in partnership between researchers and knowledgeable educational professionals. This partnership is an essential condition to promote mutual good understanding, but also in view of modifying and reshaping teachers' beliefs about education, learning, and teaching. Results of a substantial number of intervention studies already support the usefulness of this strategy by showing that our present understanding of productive learning as an active, constructive, collaborative, and progressively more self-regulated 57

Erik De Corte process can guide the design of novel, but also practically applicable high-powered learning communities. Major examples are the Fostering Communities of Learning project of Brown and Campione (1994, 1996), and the Jasper Project of the Cognition and Technology Group at Vanderbilt (1997) based on the notion of anchored instruction. In our own work w e have applied this strategy quite successfully in a number of small-scale intervention studies (De Corte, 2003; De Corte, Verschaffel, & Masui, in press). While the results of those investigations are certainly promising, their contribution to the twofold goal mentioned above is still rather modest. First of all, results of those studies should mostly not be overrrated in view of the fundamental innovation of classroom practices (De Corte, 2000). In this regard it is interesting to consider intervention studies from the perspective put forward by the Cognition and Technology Group at Vanderbilt (1996) concerning the interpelay between theories of learning and educational practice. Their LTC (Looking at Technology in Context) framework shown in Figure 1, consists of two dimensions: (1) Research contexts ranging from laboratory settings over individual classrooms to connected sets of classrooms and schools. (2) Theoretical contexts ranging from the transmission model of learning over constructivist models applied during a part of the school day to constructivist approaches used during all of schooling.

In Vitro

In Vivo Connected

Laboratory

Individual Classes and Schools

Classes, Schools, Communities

1

2

3

Constructivist Models: Part

4

5

6

Constructivist Models: All

7

8

9

Transmission Models

of School Day

of Schooling

Research Context

Figure 1: LTC (Looking at Technology in Context) Framework (Cognition and Technology Group at Vanderbilt, 1996)

58

Theoretical Context

Intervention

Research in Education: Some

Comments

Although this framework focuses on applications of educational technology, it provides a useful lens to looking at instructional research in general. In doing so one comes to the observation that interventions designed and implemented in many studies fit at best in cell 5 of the model which refers to innovative, constructivist learning environments relating to only a part of schooling. This is still far remote from covering the whole curriculum according to the principles underlying the novel learning environments of those investigations. The second, and in our opinion primary goal of intervention research is to contribute to the advancement of theory building about learning from instruction. An underlying idea is that an effective way at better understanding the processes of learning - and, thus, advancing theory - consists in designing innovative learning environments that are powerful for eliciting in students the intended processes of knowledge and skill acquisition. In this respect intervention research can contribute to the elaboration of theories of learning from instruction by exploring the potential of novel learning and teaching environments, and by developing contextualized theories of learning and teaching (Design-Based Research Collective, 2003; see also Cobb, Confrey, diSessa, Lehrer, & Schauble, 2003). But one should also be aware of its limitations. Therefore, some methodological considerations are in order. Due to the quasi-experimental design of our intervention studies, the complexity of the learning environments, and the rather small experimental groups, it is impossible to establish the relative importance of the different components of the interventions in producing learning gains. From an analytical perspective this is often considered as a methodological weakness of teaching experiments. Moreover, intervention studies are criticized for their lack of randomization and appropriate control (Levin & O'Donnell, 1999). Notwithstanding these criticisms, we think that the more systemic approach of our studies, characterized by a high degree of ecological validity, is perfectly suitable and defensible when the focus of interest is to evaluate the quality and the effectiveness of a multicomponential intervention as represented by our learning environments (see also Brown, Pressley, Van Meter, & Schuder, 1996). In fact, it is plausible that it is precisely the combination of different aspects of the design, the content, and the implementation of the environments that is responsible for the learning gains. But, in view of ultimately building a highly credible theory of learning from instruction, based on convincing empirical evidence, we should, of course, also be concerned about the internal validity of intervention studies. In this regard, it is useful to refer to the four-stage model of educational intervention research proposed by Levin and O'Donnell (1999). These authors argue that most educational research approaches that are in vogue today are incapable of yielding credible empirical evidence that is convincing from either a scientific or a prescriptive standpoint; according to Levin and O'Donnell this is certainly true for intervention research. They put forward the following criteria for credibility: -

Comparison: evidence based on comparison with an appropriate alternative or nonintervention condition - Again and again: the outcome of the intervention has been replicated, initially across participants in a single study and ultimately through independently conducted studies 59

Erik De Corte - Relationship: there is a direct connection between the intervention and the outcome - Elimination: all other reasonable alternative competing explanations for the outcome can be eliminated (typically, through randomization and methodological care) Levin and O'Donnell claim that many intervention studies do not satisfy those criteria; due to lack of randomization and control there are mostly numerous plausible alternative explanations for the observed outcomes. But they also admit that intervention research can play an informative role in preliminary phases of the following more comprehensive four-stage model of credible and creditable educational intervention research: - Stage 1 involves the development of preliminary ideas and hypotheses, as well as carrying out observations and pilot work. - Stage 2 consists in conducting controlled laboratory experiments, on the one hand, and classroom-based intervention and design experiments, on the other hand. - Stage 3 concerns the carrying out of so-called "randomized classroom trials studies". - Stage 4 refers to informed classroom practice. According to Levin and O'Donnell stage 3 is crucial in view of upgrading the credibility of educational intervention research, but has so far mostly been missing or neglected. They acknowledge that stage 2 studies constitute a crucial step in the model, but they argue that in view of the intended credibility controlled laboratory experiments, and classroom-based intervention and design experiments are only "preliminary": the former lack a classroom-implementation component, while the latter do not provide scientifically credible evidence because of shortcomings in randomization and control. "The accumulation of classroom-based scientifically credible evidence is precisely the function of the randomized classroom trials stage. As in medical research, this consists of an examination of the proposed treatment or intervention under realistic, yet controlled, conditions" (Levin & O'Donnell, 1999, p. 204). Realistic conditions refer to the populations and contexts about which one wishes to offer conclusions (external validity). Carefully controlled conditions refer to internally valid experiments based on the random assignment of multiple independent "units" (which ought to be classrooms) to alternative treatment/intervention conditions. One can hardly disagree in principle with this proposal, and there is no doubt that its implementation would contribute to improving the credibility of educational intervention research. For instance, one could conduct randomized experiments in which different versions of complex learning environments are systematically contrasted and compared in view of the identification of those components that contribute especially to their power and success. In addition, involving larger numbers of experimental classes in such investigations would allow to derive more reliable and generalizable conclusions about the effectiveness of the learning environments, but at the same time to study more systematically the relationship between the teachers' implementation of those interventions, on the one hand, and their pupils' learning outcomes, on the other. However, as alleged and shown by Slavin (2002), one should 60

Intervention Research in Education: Some Comments also be aware of "the fact that randomized experiments of interventions applying to entire classrooms can be extremely difficult and expensive to do and are sometimes impossible" (p. 17).

References Bransford, J. D., Brown, A. L., & Cocking, R. R. (Eds). (1999). How people Iearn: Brain, mind, experience, and school. Washington, DC: National Academy Press. Brown, A. L. (1994). The advancement of learning. Educational Researcher, 28 (8), 4-12. Brown, A. L., & Campione, J. C. (1994). Guided discovery in a community of learners. In K. McGilly (Ed.), Classroom lessons: Integrating cognitive theory and classroom practice (pp. 229-270). Cambridge, MA: MIT Press. Brown, A. L., & Campione, J. C. (1996). Psychological theory and the design of innovative learning environments: On procedures, principles, and systems. In L. Schauble, & R. Glaser (Eds.), Innovations in learning: New environments tor education (pp. 289-325). Mahwah, NJ: Erlbaum. Brown, R., Pressley, M., Van Meter, P., & Schuder, T. (1996). A quasi-experimental validation of transactional strategies instruction with low-achieving second-grade readers. Journal of Educational Psychology, 88, 18-37. Cobb, P., Confrey, J., diSessa, A., Lehrer, R., & Schauble, L. (2003). Design experiments in educational research. Educational Researcher, 32 (1), 9-13. Cognition and Technology Group at Vanderbilt (1996). Looking at technology in context: A framework for understanding technology and education research. In D.C.Berliner, & R.C.Calfee (Eds.), The Handbook of Educational Psychology (pp. 807-840). New York: Macmillan. Cognition and Technology Group at Vanderbilt (1997). The Jasper Project: Lessons in curriculum, instruction, assessment, and professional development. Mahwah, NJ: Erlbaum. De Corte, E. (2000). Marrying theory building and the improvement of school practice: A permanent challenge for instructional psychology. Learning and Instruction, 10, 249-256. De Corte, E. (2003). Designing learning environments that foster the productive use of acquired knowledge and skills. In E. De Corte, L. Verschaffel, N. Entwistle, & J. van Merrienboer (Eds.), Powerful learning environments: Unraveling basic components and dimensions (pp. 21-33). (Advances in Learning and Instruction Series). Oxford, UK: Elsevier. De Corte, E., Verschaffel, L., & Masui, C. (in press). The CLIA-model: A framework for designing powerful learning environments for thinking and problem solving. European Journal of Psychology of Education. De Corte, E., & Weinert, F. (Eds.). (1996). International encyclopedia of developmental and instructional psychology. Oxford, UK: Elsevier. Design-Based Research Collective (2003). Design-based research: An emerging paradigm for educational inquiry. Educational Researcher, 32 (1), 5-8. Kelly, A. E. (2003). The role of design in educational research (Theme issue). Educational Researcher, 32 (1). Levin, J. R., & O'Donnell, A. M. (1999). What to do about educational research's credibility gap? Issues in Education: Contributions from Educational Psychology, 5, 177-229. McGilly, K. (1996). Classroom lessons: Integrating cognitive theory and classroom practice. Cambridge, MA: MIT Press. Schauble, L., & Glaser, R. (Eds.). (1996). Innovations in learning, new environments for education. Mahwah, NJ: Erlbaum. Slavin, R. E. (2002). Evidence-based education policies: Transforming educational practice and research. Educational Researcher, 31 (7), 15-21.

61

Fachdidaktische Forschung und Empirische Bildungsforschung Kristina Reiss Universität Augsburg

Die Empirische Bildungsforschung zielt darauf ab, die Bildungswirklichkeit zu verstehen und zu verbessern. Unter dieser problemorientierten Perspektive konstituiert sich die Empirische Bildungsforschung nicht als Disziplin, sondern als Forschungsfeld, zu dem unterschiedliche Disziplinen oder Teildisziplinen beitragen. Weiterführende Erkenntnisse und Problemlösungen sind vor allem dann zu erwarten, wenn die Forschungszugänge interdisziplinär abgestimmt und angelegt sind. Damit ist für die beteiligten Disziplinen wiederum die Chance verbunden, sich theoretisch wie methodisch weiterzuentwickeln und sich in einem relevanten Forschungsfeld zu profilieren und zu etabüeren. Es liegt auf der Hand, von der Erziehungswissenschaft, der (Pädagogischen) Psychologie oder Soziologie bedeutsame Beiträge zur Empirischen Bildungsforschung zu erwarten. Der Gegenstandsbereich der Empirischen Bildungsforschung - Voraussetzungen, Prozesse und Ergebnisse von Bildung über die Lebensspanne - lädt aber insbesondere die fachdidaktische Forschung ein. Sie befasst sich ja vor allem mit inhaltlichen Aspekten von Bildungsprozessen und deren Bedingungen in einem fachlichen und institutionellen Umfeld. Auch das Aufgabenspektrum fachdidaktischer Forschung - nämlich Wissen zur Verbesserung des fachbezogenen Lehrens und Lernens bereitzustellen - unterstreicht weitgehende Gemeinsamkeiten mit der Empirischen Bildungsforschung. Der folgende Beitrag ordnet deshalb Aspekte fachdidaktischer Forschung in den Rahmen der Empirischen Bildungsforschung ein. Anhand von Beispielen, die dem Bereich der Mathematikdidaktik entnommen sind, werden einige Spezifika von fachdidaktischen Beiträgen zur Bildungsforschung verdeutlicht.

1

Fachdidaktische Forschung Empirische Bildungsforschung?

Besonderheiten der fachdidaktischen Forschung im Rahmen der Empirischen Bildungsforschung werden unmittelbar ersichtlich, wenn man deren Gegenstandsbereich betrachtet. Der Gegenstandsbereich der Empirischen Bildungsforschung wurde in diesem Band von Manfred Prenzel als „Voraussetzungen, Prozesse und Ergebnisse 62

Fachdidaktische

Forschung und Empirische

Bildungsforschung

von Bildung über die Lebensspanne, innerhalb und außerhalb von (Büdungs-)Institutionen" gekennzeichnet. Die fachdidaktische Forschung konzentriert sich auf Bildungsprozesse, die inhaltlich einem Schulfach beziehungsweise einer Disziplin zugeordnet werden können. Die fachdidaktische Forschung, die zumeist eng mit der Schule verknüpft ist, rückt aber auch einen bestimmten Lebensabschnitt, nämlich die Schulzeit, in das Zentrum. Sie untersucht dementsprechend domänenbezogene Bildungsprozesse und deren Voraussetzungen wie Ergebnisse im institutionellen Rahmen von Schule. Das Lehren und Lernen in der Schule folgt einer Struktur, die maßgeblich durch die verschiedenen Unterrichtsfächer bestimmt ist. Diese Unterrichtsfächer müssen zwar von den damit verbundenen Wissenschaften unterschieden werden (Bramme, 1995), sie sind aber geprägt durch wissenschaftliche Disziplinen oder fachübergreifende Domänen mit ihren je eigenen Zielen, ihrer jeweiligen Sicht auf die Welt und ihren spezifischen Arbeitsmethoden. Zwischen den fachlichen Inhalten und den Bedürfnissen von Lernenden und Lehrenden im Umgang mit dem Fach oder der Domäne vermittelt die Fachdidaktik. Sie beschäftigt sich mit allen Facetten des Lehrens und Lernens in einem spezifischen Unterrichtsfach. Fachdidaktische Forschung lässt gut erkennen, wie umfassend das Feld der Empirischen Bildungsforschung angelegt ist, und wie sehr die Empirische Bildungsforschung auf die spezifischen Forschungsbeiträge aus den besonderen disziplinären Perspektiven, etwa den Fachdidaktiken, angewiesen ist. Auf der anderen Seite zeichnet sich ab, wie die fachdidaktische Forschung von einer Einbettung im breiteren Feld der Empirischen Bildungsforschung profitieren kann: Wenn die Fachdidaktik inhaltliche (fachbezogene) Besonderheiten von Bildung betont, dann stellt sich die Frage nach den Relationen zwischen vielfältigen domänenspezifischen Bildungsprozessen über das gesamte Spektrum von Fächern und Disziplinen hinweg. Die Empirische Bildungsforschung bietet damit den interdisziplinären Rahmen, der für eine effiziente fachdidaktische Forschung unverzichtbar ist. Für die fachdidaktische Forschung gewinnt aber auch der (konzeptuelle und empirische) Blick über den Lebensabschnitt Schule hinaus immer mehr an Gewicht. Die Frage, welche fachbezogenen Kompetenzen in welcher Qualität im Verlauf der Schulzeit entwickelt werden können und sollen, kann nur im Zusammenhang eines Blickes auf die Lebensspanne beantwortet werden. Weiterhin kann die fachdidaktische Forschung auch von der Methodologie profitieren, die im breiteren Rahmen der Empirischen Bildungsforschung entwickelt wird, und die in einem großen Umfang auf die Fragestellungen der fachdidaktischen Forschung angewendet werden kann. An dieser Stelle muss freilich darauf hingewiesen werden, dass die Fachdidaktiken - ebenso wie die Bildungsforschung generell - nicht nur empirisch zu beantwortende Forschungsfragen zu verfolgen haben. Die fachdidaktische Forschung bewegt sich in Bezug auf ihre Themen in einem breiten Feld, das von der Auswahl, Begründung und Aufbereitung von Fachinhalten über die Betrachtung fachbezogener Lehr- und Lernprozesse bis hin zur Analyse der Wirkungen von Unterricht und der Identifikation geeigneter Lernumgebungen reicht. Empirische Zugänge sind nicht für alle diese Fragestellungen hilfreich und erforderlich. Dennoch gibt es keinen Zweifel daran, dass die Anteile empirischer Forschung in den meisten Fachdidaktiken bisher noch relativ klein sind. Bis jetzt ist es nicht selbstverständlich, dass 63

Kristina Reiss sich fachdidaktische Erklärungsansätze, curriculare Entwürfe oder Unterrichtskonzeptionen einer empirischen Prüfung stellen müssen, um wissenschaftliche Anerkennung zu finden. Allerdings ist in einer Reihe von Fachdidaktiken seit etwa fünfzehn Jahren eine verstärkte Orientierung zur empirischen Forschung zu verzeichnen. Insbesondere in den Didaktiken der Mathematik und der Naturwissenschaften sind seitdem eine ganze Anzahl von empirischen Forschungsprojekten durch die DFG gefördert worden. Aber auch in diesen Disziplinen war der Weg zur empirischen Forschung hindernisreich und aufwändig. Gründe dafür können in der Geschichte der Fachdidaktiken an den deutschen Hochschulen gesehen werden. Die Einrichtung von fachdidaktischen Professuren zielte primär auf die Bereitstellung einer qualifizierten Lehrerbildung; die Berufenen selbst verfügten nur in Ausnahmefällen über empirische Forschungserfahrung. Deshalb waren die gelegentlichen Bemühungen um eine Projektförderung, etwa durch die DFG, selten erfolgreich. Erst mit den in den 90er Jahren gestarteten Bemühungen, Kolleginnen und Kollegen aus den Fachdidaktiken auf Forschungsund Förderungsmöglichkeiten aufmerksam zu machen (etwa durch DFG-Rundgespräche), gelang es, empirische Forschungsperspektiven innerhalb der Fachdidaktiken attraktiv zu machen. Eine entscheidende Rolle spielten dabei interdisziplinäre Kooperationen zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den Fachdidaktiken, der Erziehungswissenschaft und der Psychologie, sei es auf der Ebene von Einzelprojekten, Forschergruppen oder Schwerpunktprogrammen. Auf diese Weise entwickelten sich einige Arbeitszusammenhänge, die zur Empirischen Bildungsforschung beitragen und letztlich auch Ausgangpunkte für einen Ausbau dieses Forschungsfeldes in Deutschland sein können. Allerdings wird auch in Zukunft noch darauf zu achten sein, dass es Kolleginnen und Kollegen aus den Fachdidaktiken in Anbetracht dieser sehr jungen Forschungstradition und einer noch nicht gesicherten disziplinären Identität nicht leicht fallen dürfte, sich als Empirische Bildungsforscherinnen oder -forscher zu verstehen. Das könnte dann leichter fallen, wenn fachdidaktische Professuren mit einem Schwerpunkt „Empirische Bildungsforschung" ausgeschrieben werden.

2

Perspektiven Empirischer Bildungsforschung: Beispiele aus der mathematikdidaktischen Forschung

Welche Richtungen fachdidaktische Projekte im Rahmen Empirischer Bildungsforschung einschlagen könnten, soll im Folgenden anhand von einigen Beispielen aus der mathematikdidaktischen Forschung erläutert werden. Beispiel 1: Fachliche Inhalte und Ziele In den letzten Jahren sind in verschiedenen internationalen Schulleistungsstudien die Schülerkompetenzen in bestimmten Fächern bzw. Domänen getestet worden. In der Bundesrepublik besonders beachtet wurde dabei die PISA-Studie, mit deren Hilfe die Lesekompetenz sowie die mathematische und naturwissenschaftliche Grundbildung 64

Fachdidaktische

Forschung und Empirische

Bildungsforschung

15-jähriger Schülerinnen und Schüler untersucht wurden (Baumert et al., 2001; Prenzel et al., 2004). Hier beruft sich das internationale Rahmenkonzept des Mathematikteils auf die grundlegende Auffassung des Mathematikdidaktikers Hans Freudenthal zum Mathematikunterricht (Freudenthal, 1977) und die in den Niederlanden ausgearbeitete realistic mathematics education (vgl. de Lange, 1996). Auch die in der Konsequenz unbefriedigender deutscher Ergebnisse dieser Studie durch die Kultusministerkonferenz verabschiedeten Bildungsstandards sind fachdidaktisch verankert. Sie umfassen sowohl mathematische Fähigkeiten als auch die tragenden Ideen des Fachs, so wie sie aktuell diskutiert werden (National Council of Teachers of Mathematics, 2000). Die Fachdidaktik erfüllt damit eine ihrer zentralen Aufgaben, nämlich die der Auswahl, Legitimation und Aufbereitung fachlicher Inhalte unter Berücksichtigung des realen Unterrichtskontextes. Beiden Beispielen ist dabei gemeinsam, dass sie nicht auf der theoretischen Ebene stehen bleiben. Die Auswahl ist bei PISA mit einer empirischen Untersuchung verbunden, und sie muss sich bei den Bildungsstandards genauso in der empirischen Überprüfung bewähren. Beispiel 2: Kompetenzstufen

fachlichen

Wissens

Die Diskussion um die nicht befriedigenden Leistungen deutscher Schülerinnen und Schüler im internationalen Vergleich hat dazu geführt, dass über die Evaluation von Schule und Unterricht sowie über Fragen der Qualitätssicherung verstärkt nachgedacht wird. In der Folge werden derzeit bundesweite Bildungsstandards für verschiedene Unterrichtsfächer definiert. Darüber hinaus werden in einigen Bundesländern so genannte Vergleichsarbeiten oder Orientierungsarbeiten vorbereitet bzw. durchgeführt, mit denen auf Länderebene in verschiedenen Schulfächern und Klassenstufen das Leistungsniveau bestimmt werden kann. Grundlage dieser Arbeiten sind präzise Ideen, welche Inhalte für ein Schulfach zentral sind und wie diese Inhalte in Aufgaben abgebildet werden. Darüber hinaus muss aber auch bei einem eindimensional skalierten Test bestimmt werden, wie sich die Erfüllung der Basisanforderungen von einem mittleren Leistungsniveau und von einer hervorragenden Leistung abgrenzen lässt. Langfristig wird es dabei darauf ankommen, geeignete Kompetenzstufenmodelle zu entwickeln, die a priori deutüch machen, wie sich Basiskompetenzen und fachliche Kompetenzen auf einem höheren Niveau voneinander unterscheiden. Die Entwicklung solcher Modelle ist eine Aufgabe, bei der zwar fachliches, schulpraktisches und pädagogisches Wissen wichtig ist, fachdidaktischer Expertise aber eine besondere Bedeutung zukommt (vgl. Klieme et al., 2003). In Bezug auf die Beschreibung von Stufen oder Niveaus fachlicher Kompetenz besteht allerdings noch Forschungsbedarf. So wurden die Testaufgaben bei TIMSS und PISA nachträglich bestimmten Kompetenzstufen zugeordnet (Klieme, 2000; Klieme, Neubrand & Lüdtke, 2001). Kompetenzmodelle, die a priori aufgestellt und dann empirisch bestätigt wurden, gibt es nur wenige (z.B. Reiss, Hellmich & Thomas, 2002). Solche Kompetenzmodelle werden für die Überprüfung von Bildungsstandards wohl unverzichtbar sein, erfordern aber in der Regel eine enge Kooperation zwischen verschiedenen Bereichen der Empirischen Büdungsforschung.

65

Kristina Reiss Beispiel 3: Diagnose fachlicher

Lernprozesse

Die Entwicklung von Kompetenzen insbesondere über die Schulzeit hinweg ist ein wesentliches Thema der Empirischen Bildungsforschung. Dabei sind nicht nur erfolgreiche Lernprozesse von Interesse, sondern auch die Untersuchung von Fehlern, Fehlvorstellungen und unzureichenden Konzepten in dieser Forschung. Dies ist von der Fachdidaktik vielfach aufgegriffen worden. So gab es beispielsweise in den 1980er Jahren eine Reihe von Studien, in denen der Umgang mit Bruchzahlen thematisiert wurde und in denen die empirische Untersuchung von Schülervorstellungen und Fehlkonzepten eine wesentliche Rolle spielten (z.B. Hart, 1981). Der Bezug zum professionellen Wissen von Lehrerinnen und Lehrern liegt auf der Hand. Carpenter, Fennema, Peterson und Carey (1988) konnten nachweisen, dass Kenntnisse von Lehrerinnen und Lehrern über die Lösungsstrategien ihrer Schülerinnen und Schüler im Unterricht erfolgreich angewendet werden konnten. Diagnostische Fähigkeiten werden entsprechend als bedeutsame Kompetenzen angesehen, doch nicht alle Lehrer verfügen über dieses Wissen (vgl. Artelt, Stanat, Schneider & Schiefele, 2001, in Bezug auf die Lesekompetenz). Geht man nun wieder davon aus, dass Kompetenzen an ein Unterrichtsfach gebunden sind, so gilt dies auch für die diagnostischen Fähigkeiten. Sie sind im Rahmen von Lernprozessen nicht nur Teil des professionellen Wissens, sondern hängen mit dem spezifischen fachlichen und fachdidaktischen Wissen zusammen.

3

Zusammenfassung und Ausblick

Die Beispiele beschreiben exemplarisch Aufgabenfelder der Empirischen Bildungsforschung, zu denen die Fachdidaktik explizit einen substanziellen Beitrag leisten kann. Sie ist zunächst aufgrund ihrer Forschungstradition in der Lage, theoretische Konzeptionen zu den wesentlichen Inhalten und Zielen des Fachs zu liefern. Dies ist für jede Art von Schulleistungsuntersuchungen grundlegend. Die Fachdidaktik kann darüber hinaus Inhalte und Ziele in Form von Aufgabenbeispielen praktisch beschreiben. Auch diese Umsetzung ist Bedingung für die Erfassung von schulischen Kompetenzen und Prozessen der Kompetenzentwicklung. Die Evaluierung setzt schließlich neben einer theoretischen Konzeption von Leistungsunterschieden auch die Beurteilung und Abgrenzung von erfolgreichen und weniger erfolgreichen Lernprozessen sowie die Identifizierung von Ursachen voraus. Dabei sind fachüches und fachdidaktisches Wissen fraglos eine Voraussetzung für die korrekte Einordnung fachbezogenen Lernens. Es würde allerdings zu kurz greifen, in der Konsequenz nur an Forschung zu denken, die Prozesse und Ergebnisse des Lehrens und Lernens beschreibt oder erklärt. Die Fachdidaktiken sind durch ihre spezifische Ausrichtung in Forschung und Lehre insbesondere in der Lage, Interventionen im Rahmen von Schule und Unterricht zu entwickeln, zu begleiten und zu bewerten. Sie können dadurch den Prozess unterstützen, der ausgehend von Theorien des Lehrens und Lernens zu einer Verbesserung der Qualität von Schule und Unterricht führen soll (vgl. De Corte in diesem 66

Fachdidaktische

Forschung und Empirische

Bildungsforschung

Band). Bedingung ist hier sicherlich eine stärkere Beteiligung der Fachdidaktiken an einer interdisziplinären Empirischen Bildungsforschung. Hier fehlt es noch in allen Fachdidaktiken an Potenzial. Die fachdidaktische Forschung ist in weiten Bereichen ganz explizit nicht empirisch orientiert. Traditionell ist das wohl in vielen Fachdidaktiken dann der Fall, wenn es um die konkrete Auswahl und geeignete Präsentation spezifischer Fachinhalte für den Unterricht geht. Hier kann die Fachsystematik bestimmend sein (wie bei der Einführung der Mengenlehre in den Mathematikunterricht in den 70er Jahren) oder aber auch theoretisch erarbeitete und in der Community konsensuell getragene Ziele des Unterrichts (wie im Projekt MATHE 2000 an der Universität Dortmund). Diese Ausrichtung an curricular bestimmten, denkbaren oder wünschenswerten Inhalten eines Faches hat viele Jahrzehnte fachdidaktischer Arbeit geprägt und ist auch derzeit einer der Schwerpunkte. Die Ergebnisse finden sich in Schulbüchern, praxisorientierten Zeitschriften für Lehrerinnen und Lehrer oder didaktischen Lehrbüchern. Manche dieser Vorschläge oder Module zu Stoffauswahl und Materiahen sind durchaus kohärente Entwicklungen, die zu einer theoretischen Fundierung des Unterrichts im je spezifischen Fach beitragen können. Dennoch kann auch eine noch so gute theoretische Fundierung nicht den Beleg für die Wirksamkeit eines Moduls liefern. Was lernen die Schülerinnen und Schüler in einer bestimmten Unterrichtssituation tatsächlich? Wie wird das Wissen in die bestehende kognitive Struktur eingepasst? Welchen Einfluss hat der Unterrichtsinhalt auf Interesse und Motivation der Schülerinnen und Schüler? Welche Rolle kommt Lehrerinnen und Lehrern dabei zu? Das sind nur einige Fragen, die exemplarisch verdeutlichen sollen, dass auch eine noch so gute Curriculumentwicklung nur durch empirische Begleitforschung in ihren Wirkungen abgesichert werden kann. Erfolgreiches Problemlösen ist auf Domänen bezogen und erfordert spezifisches deklaratives und prozedurales Wissen, also ein Wissen um die grundlegenden Begriffe, Fakten, Arbeitsweisen, Regeln und Strategien in einem Fach. Damit gewinnt der Beitrag der Fachdidaktik zur Empirischen Bildungsforschung sicherlich an Bedeutung. Es wird in der Zukunft darauf ankommen, dass gerade im Rahmen der Empirischen Bildungsforschung die Möglichkeiten weiter verbessert werden, Lehren und Lernen im Verbund von Fachdidaktiken, Pädagogik, Psychologie und den benachbarten Disziplinen zu untersuchen und so insbesondere Möglichkeiten zu identifizieren, wie die Qualität von schulischem Lernen verbessert werden kann.

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Kristina

Reiss

Curriculum: Grundprobleme einer international vergleichenden Didaktik. 33. Beiheft der Zeitschrift für Pädagogik (S. 105-115). Weinheim: Beltz. Carpenter, T. P., Fennema, E., Peterson, P. L., & Carey, D. A. (1988). Teachers' pedagogical content knowledge of students' problem solving in elementary arithmetic. Journal of Research in Mathematics Education, 19, 385-401. De Lange, J. (1996). Real problems with real world mathematics. In C. Asina et al. (Eds.), Proceedings of the 8th International Congress on Mathematical Education, Sevilla July 1996 (pp. 83-110). Sevilla: S.A.E.M. Thales. Freudenthal, H. (1977). Mathematik als pädagogische Aufgabe (2 Bände). Stuttgart: Klett. Hart, K. (1981). Children's understanding of mathematics: 11-16. London: Murray. Kheme, E. (2000). Fachleistungen im voruniversitären Mathematik- und Physikunterricht. In J. Baumert, W. Bos & R. Lehmann (Hrsg.), TIMSS - Mathematisch-naturwissenschaftliche Bildung am Ende der Sekundarstufe II (S. 57-128). Opladen: Leske + Büdlich. Klieme, E., Avenarius, H., Blum, W., Döbrich, P., Gruber, H., Prenzel, M., Reiss, K., Riquarts, K., Rost, J., Tenorth, H.-E. & Vollmer, H. J. (2003). Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards. Eine Expertise. Berlin: BMBF und KMK. Klieme, E., Neubrand, M. & Lüdtke, O. (2001). Mathematische Grundbildung: Testkonzeption und Ergebnisse. In J. Baumert, E. Klieme, M. Neubrand, M. Prenzel, U. Schiefele, W. Schneider, P. Stanat, J. Tillmann & M. Weiß (Hrsg.), PISA 2000. Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich (S. 139-190). Opladen: Leske + Büdlich. National Council of Teachers of Mathematics (Ed.). (2000). Principles and standards for school mathematics. Reston, VA: NCTM. Prenzel, M., Baumert, J., Blum, W., Lehmann, R., Leutner, D., Neubrand, M., Pekrun, R., Rolff, H.-G., Rost, J. & Schiefele, U. (2004). PISA 2003. Der Bildungsstand der Jugendlichen in Deutschland - Ergebnisse des zweiten internationalen Vergleichs. Münster: Waxmann. Reiss, K., Hellmich, F. & Thomas, J. (2002). Individuelle und schulische Bedingungsfaktoren für Argumentationen und Beweise im Mathematikunterricht. In M. Prenzel & J. Doli (Hrsg.), Bildungsqualität von Schule: Schulische und außerschulische Bedingungen mathematischer, naturwissenschaftlicher und überfachlicher Kompetenzen. 45. Beiheft der Zeitschrift für Pädagogik (S. 51-64). Weinheim: Beltz.

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Zur Lage des Nachwuchses in der Empirischen Bildungsforschung und Vorschläge zur Nachwuchsförderung Helmut Fend Universität Zürich

1

Die Lage

Nach übereinstimmender Beobachtung vieler Experten im Bereich der Empirischen Bildungsforschung hat sich gezeigt, dass die internationalen PISA-Studien auf wenige Erziehungswissenschaftler im deutschsprachigen Raum gestoßen sind, die in der Lage gewesen wären, die Daten aktiv zu rezipieren oder sogar eigenständig zu reanalysieren. So finden sich beinahe keine Sekundäranalysen der öffentlich zugänglichen Datensätze. Die Feststellung von Lortie (1975, Seite VII) „Schooling is long on prescription, short on description" scheint auch heute noch zuzutreffen. Ein Außenstehender mag sich fragen, ob es nicht zum Kerngeschäft der Erziehungswissenschaft gehört, die bestehende Bildungswirklichkeit mit wissenschaftlichen Instrumenten zu beschreiben und mit sozialwissenschaftlichem Analysemethoden zu erklären. Obwohl dies zweifellos der Fall ist, standen in den letzten Jahrzehnten die konstruktiven Aufgaben und die historisch-systematischen Kulturanalysen des Erziehungsbereichs häufig im Vordergrund. Demgegenüber ist die quantitativ-empirische Beschreibung der Erziehungswirklichkeit in den Hintergrund getreten. Dies hat auch dazu geführt, dass nach mehreren Evaluationsberichten der Erziehungswissenschaft empirisch-methodische Qualifikationen nicht auf breiter Basis entwickelt wurden. Es stellt sich die Frage, ob diese Diagnose des empirischen Qualifikationsniveaus der deutschen erziehungswissenschaftlichen Szene nur ein Oberflächeneindruck ist, der aus der fehlenden Kompetenz zur Analyse großer Datensätze resultiert und nicht die erfahrungswissenschaftliche Kompetenz der Erziehungswissenschaften an deutschsprachigen Hochschulen spiegelt, geschweige die Nachwuchslage richtig wiedergibt. Um diese Frage zu beantworten, stehen mehrere Datenquellen zu Verfügung. Einen besonders wertvollen Einblick in die Forschungslandschaft geben die verschiedenen Evaluationen der Erziehungswissenschaften, die in den letzten Jahren durchgeführt wurden. Sie zeigen folgendes Bild: (1) Evaluationen der Erziehungswissenschaft in Bayern, in Niedersachsen und in Baden-Württemberg haben dokumentiert, dass die Nachwuchsförderung im Argen 69

Helmut

Fend

liegt. Das Personal, das in der Lage wäre, eine empirische Schulung und Nachwuchsförderung zu leisten, ist nur in unzureichendem Maße vorhanden. Es gibt deshalb kaum junge Erziehungswissenschaftler, die eine solide erfahrungswissenschaftliche Kompetenz besitzen und diese im Rahmen von Forschungsarbeiten praktizieren können. Woran liegt es, dass diese an und für sich selbstverständliche Kompetenz im Bereich der Erziehungswissenschaften so wenig ausgeprägt ist und dafür auch kein Nachwuchs zur Verfügung steht? In allen Evaluationen zeigen sich folgende Probleme: - Nachwuchswissenschaftler sind selten in größere Programme vor Ort eingebunden, die es ihnen ermöglichen würden, über einen längeren Zeitraum kooperativ in empirischen Projekten zu arbeiten. - Der erziehungswissenschaftliche Nachwuchs arbeitet in der Regel isoliert an individuell bestimmten Themen. - Nachwuchswissenschaftler sind wenig international orientiert und auch selten an internationalen Kongressen vertreten. - Sie erfahren keine systematische Förderung im Rahmen eines Doktorandenstudiums. - Sie sind viel mit Lehre, Prüfungs- und Verwaltungsaufgaben belastet. (2) Eine Analyse des Anteils der erfahrungswissenschaftlichen Erforschung des Bildungswesens am Gesamtbudget erziehungswissenschaftlicher Kompetenz an den Universitäten in den letzten dreißig Jahren zeigt, dass nach wie vor nur etwa 10 Prozent der Vertreter der Erziehungswissenschaftler empirisch arbeiten. Eine zweite Quelle, um zu identifizieren, wie der Nachwuchs der Erziehungswissenschaft aussieht, bilden die jährlichen Zusammenstellungen der Habilitationen und Promotionen in Pädagogik, die regelmäßig in der Zeitschrift für Pädagogik erscheinen. Wenngleich hier keine methodischen Standards der qualitativen Textanalyse entsprechende Auswertung dieser Themen geleistet werden kann, soll ein kursorischer Einblick gegeben werden. Dabei fällt auf, dass experimentelle, survey-orientierte und mit anderen empirischen Methoden abgesicherte Datenstrukturen relativ selten bearbeitet werden. Dagegen finden sich sehr viele philosophisch orientierte Arbeiten, historisch ausgerichtete, schulpraktisch orientierte und vor allem auch mit Geschlechterfragen beschäftigte Dissertationen und Habilitationen. Es zeigt sich unübersehbar, dass höchstens etwa 10 Prozent aller Habilitationen der letzten zehn Jahre eine konkrete erfahrungswissenschaftliche Kompetenz dokumentieren. Dieser Sachverhalt gewinnt an Bedeutung, wenn man bedenkt, dass in den nächsten zehn Jahren ein Generationenwechsel bei 60 Prozent der Erziehungswissenschaftler an Universitäten erfolgen wird. Damit ist ein hoher Ersatzbedarf gegeben. Gleichzeitig wird sichtbar, dass dieser Ersatzbedarf auf eine schmale empirisch geschulte Personaldecke trifft. Es ist nicht erkennbar, dass eine breite Generation junger Erziehungswissenschaftler, etwa von Dreißig- bis Vierzigjährigen, über eine hohe empirische Qualifikation verfügt. Die Karrierewege in hohe berufliche Positionen der Lehrerbildung scheinen dies auch nicht zu erfordern. Hier sind Arbeiten mit unterrichtspraktischer Ausrichtung, der vergleichenden Analyse pädagogischer Programme, fachdidaktischer Mo70

Zur Lage des Nachwuchses in der Empirischen

Bildungsforschung

delle und konkreter Traditionen des Unterrichtens offensichtlich hilfreicher als eine empirische wissenschaftliche Qualifikation. Dennoch erscheint es unabdingbar, dass eine Berufswissenschaft, die sich mit einem der größten gesellschaftlichen Wirklichkeitsbereiche beschäftigt, die „Nahrungszufuhr" wissenschaftlich erprobter Programme und wissenschaftlicher Erschließung der Bildungswirklichkeit erfordert. Jedes Bundesland sollte zumindest über zwei bis drei größere Kompetenzzentren verfügen, die sich mit der Erforschung der pädagogischen Wirklichkeit beschäftigen können. Pro 100.000 Schüler sollte eine wissenschaftliche Kompetenz vorgesehen werden, die vom Personaletat her dem einer mittelgroßen Grundschule entspricht. Wenn im Folgenden Instrumente vorgestellt werden, die in der derzeitigen Notsituation in Bezug auf einen empirisch geschulten Nachwuchs hilfreich sein können, dann ist damit nicht impliziert, dass der Nachwuchs ausreichend geschult wäre, wenn er über mehr Statistikkenntnisse verfügen würde. Erstens repräsentieren statistische Analysen nur eine Form der Wirklichkeitsbeschreibung und zum Zweiten bedürfen entsprechende Analyseergebnisse der Schulung in einem soziologisch inspirierten und psychologisch sowie pädagogisch begründeten Verständnis der Besonderheiten der BildungsWirklichkeiten. Ohne ein solches umfassendes Verständnis, das ebenfalls aufzubauen wäre, werden empirische Analysen unversehens zu mechanistischen und deterministischen Wirklichkeitsabbildungen, die von der Praxis wegen ihrer mangelnden Handhabbarkeit für Zwecke der Wirklichkeitsgestaltung rasch abgestoßen würden. Die vorgeschlagenen Instrumente müssen in diesem Geiste einer Schulung des größeren Verständnisses des Bildungswesens gesehen werden.

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Instrumente der Nachwuchsförderung

Die obige Diagnose verleiht konzertierten Aktionen der Nachwuchsförderung eine hohe Priorität. Sie verweist aber auch darauf, dass sehr unterschiedliche Problemlagen vorliegen, die auch verschiedene Maßnahmen erforderlich machen. Von problemfeldübergreifender Dringlichkeit ist die Förderung der methodischen Kompetenzen. (1) Mehrere Strategien bieten sich dafür an: -

Förderung von methodologischen Kompetenzen in Summer Schools, niedrig schwellige Vergabe von Kleinkrediten für Sekundäranalysen, Graduiertenprogramme zur Empirischen Bildungsforschung, Entwicklung eines Förderprogramms für junge Wissenschaftler in Methoden Empirischer Bildungsforschung in Zusammenarbeit mit internationalen Forschungsorganisationen (kompaktes Programm über ein Semester, Auslandsaufenthalte, etwa bei ACER), - Förderprogramme in den Ländern zur methodischen Schulung von ausgewählten Mitgliedern von Landesinstituten. Einige dieser Programme könnten kurzfristig organisiert und im Rahmen bisheriger Förderstrategien umgesetzt werden. 71

Helmut Fend (2) Andere wären in Anlehnung an die Initiative der Stiftung Volkswagen zur Förderung von Nachwuchs im Bereich der Entwicklungspsychologie bzw. der Pädagogischen Psychologie (s. Heckhausen-Seminar am Starnberger See 1971) intensiv vorzubereiten. (3) Die Vergabe von Heisenberg-Professuren im Bereich Methodologie und die Errichtung von Methodologie-Lehrstühlen hätten eine noch längere Vorlauf- und Planungsphase und bedürften der Investitionen der Länder sowie einer entsprechenden Umschichtung von Mitteln für Empirische Bildungsforschung. Auch Umwidmungen von Lehrstühlen wären ins Auge zu fassen. (4) Neben den beschriebenen Maßnahmen sollte geprüft werden, wie junge Nachwuchswissenschaftler in größere Projektzusammenhänge unter Nutzung der modernen Vernetzungsmöglichkeiten eingebunden werden können. Die Bundesländer sind hier gefordert, praktische Arbeitsvorhaben aufzubauen, die der erfahrungsgestützten Fortentwicklung des Bildungswesens dienen. (5) Längerfristig müsste die dritte Stufe der Universitätsausbildung nach Bachelor und Master so strukturiert werden, dass methodologisch hoch qualifizierter und international ausgerichteter Nachwuchs entstehen kann. Die Voraussetzung dafür wäre eine Entflechtung von Masterstudiengängen, die zu einer Lehrbefähigung führen, von solchen, die eine wissenschaftliche Qualifikation im Auge haben. Eine solche anspruchsvolle Ausbildungsphase des Doktorats könnte nicht an allen Standorten organisiert werden. Es wären dafür jene auszuwählen und spezifisch auszustatten, die bereits eine entsprechende Grundlage bieten und die an empirische Ausbildungsanforderungen anschlussfähig wären. Zur Auswahl würden sich kompetitive Ausschreibungen anbieten. Das Doktorandenstudium sollte überlokal vernetzt sein. (6) Um die Wege von der Fachausbildung in die fachdidaktische Ausbildung mit wissenschaftlichen Qualifikationen zu verbinden, wären Programme der Nachqualifikation erforderlich. Dies gilt auch für Lehrer, die sich für eine Hochschullaufbahn nachqualifizieren wollen. (7) Bei der gezielten Nachwuchsförderung im Bereich der Empirischen Bildungsforschung sollte das Feld möglicher Kandidatinnen und Kandidaten über die Erziehungswissenschaften hinaus offen bleiben (Psychologen, Soziologen, Ökonomen, Fachwissenschaften). Das wichtigste Rekratierungsfeld repräsentieren Psychologen, insbesondere solche mit dem Schwerpunkt Pädagogische Psychologie. Dabei wäre, wie oben erwähnt, auch zu bedenken, welche fachliche Förderung über die Methodologie hinaus unabdingbar wäre. Sie hätte sich vor allem auf die Institutionsforschung zu konzentrieren. Ferner wären Konzepte und Studien zu „instructional designs" und zu Kompetenzen auf verschiedenen Ebenen der Gestaltung des Bildungswesens von zentraler Bedeutung. Auch die Auswahl von Kandidaten bei Berufungsverfahren sollte angesichts der Nachwuchslage nicht eng disziplinar auf Pädagogik konzentriert werden.

Literatur Lortie, D. (1975). Schoolteacher.

72

A sociological

study. Chicago, IL: University of Chicago Press.

Strukturelle Maßnahmen zur Förderung Empirischer Bildungsforschung an den Universitäten - Erfahrungen aus der DFG-Forschergruppe „Naturwissenschaftlicher Unterricht" an der Universität Duisburg-Essen Detlev Leutner Universität Duisburg-Essen

Bei allen Überlegungen zur Förderung der Empirischen Bildungsforschung ist davon auszugehen, dass der Erfolg von Maßnahmen in nicht geringem Maße von strukturellen Gegebenheiten der Universitäten und Hochschulen vor Ort abhängt. Dies betrifft zum einen die an den Universitäten jeweils vorhandene Struktur von Forschung und Lehre und damit in erster Linie das für eine ertragreiche Empirische Bildungsforschung erforderliche wissenschaftliche Personal, zum anderen aber auch die jeweils gegebene Infrastruktur, die es ermöglicht oder gegebenenfalls behindert, die vorhandenen Strukturen so zu nutzen oder ggf. umzubauen, dass Empirische Bildungsforschung auf hohem Niveau entstehen kann. Die Frage nach der für Empirische Bildungsforschung erforderlichen Personalstruktur lässt sich im Hinblick auf drei maßgebliche Ziele konkretisieren: - An den Universitäten und Hochschulen müssen die für Empirische Bildungsforschung erforderlichen Professuren eingerichtet und mit geeigneten Persönlichkeiten besetzt werden. Das bedeutet, dass engagierte Bildungsforscher, über verschiedene akademische Disziplinen hinweg, an den Ort gebracht werden müssen. - Die an den Ort gebrachten bzw. am Ort schon vorhandenen Bildungsforscher müssen motiviert werden, sich vor Ort für Empirische Bildungsforschung strukturbildend zu engagieren. - Es müssen Voraussetzungen für effektive und effiziente Nachwuchsförderung geschaffen werden. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen an der Universität Duisburg-Essen, an der die erste Forschergruppe im Rahmen des DFG-Förderprogramms „Empirische Bildungsforschung" eingerichtet werden konnte, lassen sich Maßnahmen aufzeigen, die geeignet erscheinen, diese Ziele zu erreichen. Die Essener Forschergruppe „Naturwissenschaftlicher Unterricht" verbindet die drei naturwissenschaftlichen Fachdidaktiken mit der Lehr-Lern-Psychologie und der erziehungswissenschaftlichen Büdungsforschung und wurde - unter konzertierter Nutzung zweier weiterer DFG-Instru73

Detlev Leutner mente zur Förderung von Nachwuchswissenschaftlern - mit einer Nachwuchsgruppe und einem thematisch gleich lautenden Graduiertenkolleg kombiniert. Zu Beginn des Jahres 2004 hat sie ihre Arbeit aufgenommen.

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Empirische Bildungsforscher an den Ort bringen

Eines der größten Probleme besteht darin, an den Universitäten und Hochschulen überhaupt Professuren für Empirische Bildungsforschung einzurichten. In aller Regel dürfte dies nur im Rahmen der Umwidmung vorhandener Stellen möglich sein, was wiederum eine eindeutige Prioritätensetzung der Universitäts- oder Hochschulleitung voraussetzt. Beispiel für solch eine klare Prioritätensetzung ist die Universität Wuppertal, an der gleich drei Professuren auf dem Gebiet der Empirischen Bildungsforschung ausgeschrieben und kürzlich besetzt wurden. In Essen gab es zum Zeitpunkt der Forschergruppen-Antragstellung einen kleinen Kern von drei Professuren (Chemiedidaktik, Bildungsforschung und Lehr-Lern-Psychologie), die in Kooperation mit einem Kollegen der Physikdidaktik einer nahe gelegenen Universität ihre Chancen im DFG-Programm „Empirische Bildungsforschung" gesehen und wahrgenommen haben. Seitens der Essener Universitätsleitung wurde die Initiative der drei Professuren von Beginn an unterstützt. Ist auf Seiten der Hochschulleitung das initiale Engagement gegeben, wird man bei der Bewältigung des nächsten Schrittes in vielen Fällen nicht umhinkommen, die zuständige(n) Berufungskommission(en) interdisziplinär zu besetzen und insbesondere auch ausgewiesene Bildungsforscher als externe Mitglieder hinzuzuziehen. Letztendlich geht es darum, die der Empirischen Bildungsforschung nahe stehenden Fachvertreter einer Hochschule, teilweise auch über Fakultäten oder Fachbereiche hinweg, in der Berufungskommission zusammenzubringen und durch externe Experten zu verstärken, was nicht notwendig und in allen Fällen auf ungeteilte Zustimmung der zuständigen Fakultät stoßen dürfte. Bei der Einrichtung der Essener Forschergruppe ging es z. B. nicht nur darum, die von der DFG anfinanzierte C4-Professur auf dem Gebiet der Physikdidaktik mit einer bestimmten Person, die schon den Antrag mit formuliert hatte, zu besetzen, sondern darüber hinaus auch in einem laufenden Berufungsverfahren eine geeignete Persönlichkeit in der Biologiedidaktik zu berufen. Diese Berufungsverfahren wurden in zwei verschiedenen Fachbereichen durchgeführt und es bedurfte wiederum des Engagements der Hochschulleitung, damit die für den erfolgreichen Start der Essener Forschergruppe erforderlichen Ergebnisse erzielt werden konnten. Ist die Berufungskommission sich unter Einhaltung international üblicher Standards bei der Beurteilung der eingegangenen Bewerbungen weitgehend einig, dürften die nachfolgenden Schritte zur Besetzung der Position wenig problematisch sein. Sollte die Bewerberlage bei der Besetzung einer Professur unzureichend sein, ist in Erwägung zu ziehen, die Position ggf. als Juniorprofessur mit tenure-track-Option zu besetzen. Um profilierte empirische Bildungsforscher überhaupt zu einer Bewerbung zu bewegen, ist im Übrigen mit Nachdruck darauf hinzuwirken, dass einem Bewerber 74

Strukturelle Maßnahmen zur Förderung Empirischer

Bildungsforschung

an seiner eigenen Hochschule aus der Bewerbung an eine andere Hochschule keine Nachteile erwachsen dürfen. Dies klingt auf den ersten Bück zwar trivial, ist es aber leider - zumindest in Einzelfällen, u. a. auch bei der Einrichtung der Essener Forschergruppe - nicht. Es sind Konzepte zu entwickeln, wie Hochschulen veranlasst werden können, diese für den Erfolg profilbildender Maßnahmen unabdingbare Regel grundsätzlich zu beachten und einzuhalten.

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Empirische Bildungsforscher vor Ort motivieren

Ist es gelungen, ausgewiesene empirische Bildungsforscher an den Ort zu holen, muss es darum gehen, sie vor Ort zu motivieren, sich in besonderer Weise zu engagieren. Diesbezüglich sind Möglichkeiten auszuloten, wie besondere Leistungen honoriert werden können. In den Fakultäten und Fachbereichen muss deutlich werden, dass Forschungsengagement kein Privatvergnügen der Professorinnen und Professoren ist. Von zentraler Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass für die empirischen Bildungsforscher die Möglichkeit besteht, eigenen wissenschaftlichen Nachwuchs in einem Studiengang an der eigenen Universität heranzubüden, um ihn anschließend dann in Projekten als wissenschaftliche Mitarbeiter einstellen zu können. Mitunter wird es vorkommen, dass ein empirischer Büdungsforscher an eine Hochschule berufen wird, an der bisher noch kein derartiger Studiengang vorhanden ist. In solch einem Fall ist darauf hinzuwirken, dass die Einrichtung eines geeigneten Studiengangs vorangetrieben wird, wobei die neuen Bachelor- und Master-Studiengangsformate diesbezüglich gute Möglichkeiten eröffnen. Während in Essen z.B. die naturwissenschaftlichen Fachdidaktiken und die Erziehungswissenschaft mit eigenen Studiengängen vertreten sind, gibt es z. Z. noch keinen Psychologie-Studiengang. Entsprechend prüft die Essener Forschergruppe zusammen mit der Hochschulleitung und dem zuständigen Fachbereich, inwieweit Ressourcen bereitgestellt werden können, um ein MA-Programm auf dem Gebiet der Psychologie einzurichten. Um schließlich die Forschung selbst zu erleichtern, sind alle Möglichkeiten auszuschöpfen, unbürokratische Zugänge zum Forschungsfeld (z. B. zu den Schulen im Umfeld der jeweiligen Hochschule) zu öffnen. Erfahrungen aus der Essener Forschergruppe zeigen, dass der Zugang zu Schulen in Nordrhein-Westfalen erfreulicherweise kein ernst zu nehmendes Problem darzustellen scheint.

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Voraussetzungen für Nachwuchsförderung schaffen

Die Einrichtung von Forschungszentren innerhalb der Hochschulen, in denen eine kritische Anzahl hoch motivierter junger Nachwuchswissenschafter sprichwörtlich „unter einem Dach" zusammenarbeitet, wie es z.B. in der Essener Forschergruppe und dem angeschlossenen Graduiertenkolleg der Fall ist, erscheint als exzellente Möglichkeit der Nachwuchsförderung. Eine solche kritische Anzahl von Nachwuchs75

Detlev

Leutner

Wissenschaftlern lässt sich u. a. durch die Bündelung von Förderinstrumenten erreichen, wie z.B. die weiter oben beschriebene Kombination einer Forschergruppe und eines Graduiertenkollegs zum selben Forschungsthema an der Universität DuisburgEssen. Eine andere Möglichkeit besteht darin, ein Zentrum für Bildungsforschung als zentrale universitäre Einrichtung zu gründen. In einem solchen Zentrum sollte es allerdings keine automatische Mitgliedschaft einzelner Fachvertreter geben, sondern Mitglied kann auf Antrag und zeitlich befristet nur werden, wer ein bewilligtes Drittmittelprojekt und das in dem Projekt beschäftigte wissenschaftliche Personal in das Zentrum einzubringen bereit ist. Eine solche Voraussetzung an die Mitgliedschaft, wie sie z. B. an der Universität Erfurt realisiert worden ist, macht es wahrscheinlich, dass in dem Zentrum nicht lange über mögliche Forschungsprojekte debattiert wird (wie es in manchen Zentren für Lehrerbildung der Fall zu sein scheint), sondern dass von Beginn an aktiv geforscht wird und die Projektmitarbeiter sofort und unmittelbar von der interdisziplinären Zusammenarbeit profitieren können. Voraussetzung für solch ein Modell ist natürlich, dass beim Start eine kritische Masse an Drittmittelprojekten vorhanden ist und in das Zentrum eingebracht werden kann. Ein weiterer Punkt der Nachwuchsförderung besteht darin, den Nachwuchswissenschaftlern Möglichkeiten zu eröffnen, an überregionalen Programmen der Graduiertenförderung (bis hin zu regelmäßig durchgeführten Summer Schools) teilzunehmen. In den Niederlanden z. B. gehört dies zum Standard, und in Deutschland sind einige erste Ansätze zu erkennen, die bisher noch weitaus überwiegend in der Verantwortung einzelner wissenschaftlicher Fachgesellschaften liegen. Hier könnte man darüber nachdenken, geeignete Programme z. B. auf der Ebene der Bundesländer einzurichten, um auf diese Weise die im Bundesland vorhandenen Ressourcen für wissenschaftliche Weiterbildung effektiv und effizient zu bündeln und die Nachwuchswissenschaftler zwar überregional, jedoch nicht notwendig bundesweit eng zu vernetzen. Ein weiteres Instrument der Nachwuchsförderung sind attraktive wissenschaftliche Qualifizierungsprogramme für interessierte Lehrkräfte an Schulen, wie sie in manchen Bundesländern schon üblich sind. Dabei kann es nicht allein darum gehen, einzelne Lehrkräfte von der Schule an eine Hochschule abzuordnen, um dort Löcher im Lehrangebot (z.B. der Fachdidaktiken) zu stopfen. Vielmehr muss dafür gesorgt werden, dass die abgeordneten Lehrkräfte - idealerweise im Umfeld einer vorhandenen Forschergruppe oder eines Graduiertenkollegs - eigene Forschungsprojekte bearbeiten können, die ihnen die Möglichkeit geben, zu promovieren oder gar zu habilitieren. Auf diese Weise bestehen gute Chancen, die Bewerberlage bei der Besetzung von Fachdidaktikprofessuren langfristig zu verbessern. In diesem Zusammenhang ist auch daran zu denken, die Absolventen von Lehramtsstudiengängen schon bevor sie in die zweite Phase der Lehrerbildung einsteigen in Forschergruppen einzubinden und ihnen dann den Übergang zur Schule zu erleichtern, indem zumindest ein Teil der Forschungszeit an der Hochschule auf die Referendariatszeit angerechnet wird. Entsprechende Regelungen wurden z. B. zwischen der Universität Duisburg-Essen und dem zuständigen Schulministerium im Hinblick auf die Essener Forschergruppe und das angeschlossene Graduiertenkolleg getroffen. Schließlich ist in den Hochschulen darauf hinzuwirken, dass die vorhandenen Promotionsordnungen von allen Regelungen befreit werden, die die Promotion in 76

Strukturelle Maßnahmen zur Förderung Empirischer

Bildungsforschung

einem Fach oder Fachgebiet der Empirischen Bildungsforschung in unnötiger Weise erschweren. Dies betrifft insbesondere die an der Lehrerbildung beteiligten Fächer und deren Didaktiken und andere interdisziplinär angelegte Promotionsabsichten.

4

Resümee

Strukturen vor Ort weisen erfahrungsgemäß ein vergleichsweise hohes Ausmaß an Änderungsresistenz auf, was nicht zuletzt auch mit tradierten Entscheidungsstrukturen im deutschen Hochschulsystem zusammenhängt. In diesem Kontext kann nicht nachdrücklich genug auf die Bedeutung von Hochschul- und Fakultäts- oder Fachbereichsleitungen hingewiesen werden: Gelingt es, diese Leitungsebenen - zum einen von innen, aber auch von außen her - von der Bedeutung Empirischer Bildungsforschung zu überzeugen, bestehen gute Chancen, die Strukturen vor Ort nachhaltig so zu verändern, dass engagierte Bildungsforscher ihre Arbeit aufnehmen können. Positives Beispiel ist die erfolgreiche Einrichtung der Essener DFG-Forschergruppe „Naturwissenschaftlicher Unterricht" und des gleichnamigen DFG-Graduiertenkollegs, was ohne eine klare Prioritätensetzung der universitären Leitungsgremien kaum möglich gewesen wäre. Bemerkenswert ist im Übrigen, dass die Duisburg-Essener Universitätsleitung zwischenzeitlich die Empirische Bildungsforschung explizit als Profilbereich der Universität ausgewiesen und in die Zielvereinbarung mit dem zuständigen Wissenschaftsministerium aufgenommen hat.

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Kapitel 5 Empirische Bildungsforschung aus internationaler Sicht Die beiden folgenden Beiträge berichten über die Lage der Empirischen Bildungsforschung in England und den Niederlanden. In beiden Ländern wurden bereits vor längerer Zeit weitreichende Reformen an Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen eingeleitet, die sich sehr positiv auf die Qualität und internationale Reputation von Forschung und Lehre in der Erziehungswissenschaft ausgewirkt haben. Auch wenn man die Erfahrungen in anderen Ländern nicht ohne weiteres auf die Situation in Deutschland übertragen kann, liefern sie doch wichtige Erkenntnisse und Anregungen für die gegenwärtige Diskussion über wirksame Maßnahmen zur Förderung der Empirischen Bildungsforschung an deutschen Universitäten. Dazu zählen u. a. regelmäßige Evaluationen der Forschungsleistungen aller Erziehungswissenschaftler, eine an Leistungskriterien orientierte Zuweisung der finanziellen und zeitlichen Ressourcen für die eigene Forschung, eine für alle Nachwuchswissenschaftler verbindliche systematische Ausbildung im Bereich empirisch-statistischer Forschungsmethoden und eine strikte Orientierung der Ausbildung und der Evaluationsmaßnahmen an international anerkannten Qualitätsstandards.

Empirical Research in Education: Perspectives from England David Phillips University of Oxford

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Institutions

Although it is the case that most empirical research in education takes place in England in universities, there are other important bodies that play a significant part in the promotion and implementation of such research. The National Foundation for Educational Research (NFER) has its own research programme; the London ministry (the Department for Education and Skills, DFES) commissions and undertakes its own investigations, as do other government departments with an interest in education; organisations outside of education, like the National Institute for Economic and Social Research (NIESR) often conduct projects with an educational theme; and the principal funding bodies, in particular the Economic and Social Research Council (ESRC), have thematic programmes which establish agendas for empirical research. There is also an important and influential society, the British Educational Research Association (BERA), which does much to encourage research in education through its annual conference and its journal, the British Educational Research Journal, which is published six times a year. BERA sees its aims as follows (http://www. bera.ac.uk/): To sustain and promote a vital research culture in education by encouraging: - an active community of educational researchers; by promoting co-operation and discussion: - with policy makers, institutional managers and funding agencies, - with other national educational research associations, international associations and the European Educational Research Association, - with other researchers in the social sciences and related areas of work, and - with teachers and lecturers and their associations; by encouraging and supporting: - debate about the quality, purpose, content and methodologies of educational research; by developing and defending: 81

David Phillips - an independent research culture committed to open inquiry and the improvement of education; by enhancing: - the professional service it provides for its members, - effective communication and discussion within BERA, and - the training and education of educational researchers, their effectiveness, conditions of work and rights. Of these organisations, the ESRC is the most important for research funding. Success in gaining research grants from the ESRC is comparable to the prestige attaching to funding through the Deutsche Forschungsgemeinschaft in Germany. Recently the research agenda of the ESRC has been driven by seven thematic priorities (http:// www.esrc.ac.uk): -

Economic Performance and Development, Environment and Human Behaviour, Governance and Citizenship, Knowledge, Communication and Learning, Lifecourse, Lifestyles and Health, Social Stability and Exclusion, Work and Organisations.

In future developments these themes will continue to inform whatever framework is developed for the ESRC's funding programme. Research students can be funded with full studentships from the ESRC's annual budget of £ 24 million, but awards are only made to students enrolled at universities whose research training courses are "recognised" by the Council, that is to say courses that satisfy its criteria for research training and are successful in its regular "recognition exercise". The ESRC expects doctoral students to complete their theses within four years. Universities are enjoined to achieve a completion rate of 60 per cent of ESRC-funded students completing within this period; otherwise sanctions are imposed in the form of reduced numbers of ESRC studentships available to the universities not meeting this target. I shall return to the kind of research training course content recognised by the ESRC in Section III below. What is important to note here is the focused effort to ensure that all students funded by the ESRC must complete a rigorous course of research training at the beginning of their doctoral work.

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Evaluation and Assessment

There is in the United Kingdom something of a culture of evaluation and assessment. University departments of education in England are subject to regular external assessment in respect of (1) their initial training of teachers, principally through their Postgraduate Certificate in Education (PGCE) courses; (2) their teaching quality; and (3) their research output. Research output is measured through the regular "Research 82

Empirical Research in Education: Perspectives

from

England

Assessment Exercise" (RAE) upon whose outcomes the level of research funding (as opposed to funding for teaching) for individual institutions through the Higher Education Funding Council (HEFC) is determined. Currently each faculty/department in every university is marked on a seven-point scale, with 5* being the highest grade, awarded to units of activity assessed as demonstrating outstanding international performance. The present criteria are as follows (they will change with the 2007 exercise): - 5* Research quality that equates to attainable levels of international excellence in a majority of sub-areas of activity and attainable levels of national excellence in all others; - 5 Research quality that equates to attainable levels of international excellence in some sub-areas of activity and to attainable levels of national excellence in virtually all others; - 4 Research quality that equates to attainable levels of national excellence in virtually all sub-areas of activity, possibly showing some evidence of international excellence, or to international level in some and at least national level in a majority; - 3 a Research quality that equates to attainable levels of national excellence in a substantial majority of the sub-areas of activity, or to international level in some and to national level in others together comprising a majority; - 3 b Research quality that equates to attainable levels of national excellence in the majority of sub-areas of activity; - 2 Research quality that equates to attainable levels of national excellence in up to half the sub-areas of activity; - 1 Research quality that equates to attainable levels of national excellence in none, or virtually none, of the sub-areas of activity. The RAE is very controversial. The Association of University Teachers (the main professional organisation for those teaching in higher education) is opposed in principle to it, and there is much criticism of its outcomes. But it has clearly resulted in a much more focused research effort - and higher standards generally - in individual faculties and departments throughout England. Faced with having to submit their four "best" publications over the period being assessed, university teachers are under great pressure to have their work published in refereed journals of international standing (including the British Journal of Educational Research). On the whole they rise to the occasion. But there is a general feeling among academics that the harm done by the exercise outweighs the good.

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Research Training

Most students undertaking research in education will veer towards empirical inquiry. Empirical investigation is particularly facilitated in university departments of education through their close contact with the world of practice. All such departments work closely with local schools; there is a genuine cooperation in the training of teachers and a regular to and fro between university and school. Access to schools for empir83

David Phillips ical investigations is relatively free from the kind of bureaucracy found in some education systems. This means that even students in initial training are able as part of their course to engage in small-scale empirical inquiries as "participant observers" in their schools; Master's students can build empirical inquiry into their one- or two-year courses; and doctoral students have relatively easy access to schools in the locality of their universities through the good relationships that exist between school and university. Doctoral students are trained in research methods through rigorous courses in their first year. To take the (ESRC-recognised) course at the University of Oxford Department of Educational Studies as an example, students will follow a course whose aims are described as follows: The course will enable students to: - examine the theoretical basis and assumptions of educational research, - appraise the controversies surrounding both qualitative and quantitative approaches, - identify major research paradigms, - consider the issues involved in designing a research project, - describe and discuss the process of generating data in the field and practise different data construction methods, - recognise and use a variety of approaches to data analysis, - use computers in the process of data analysis, - explore the various modes of presenting and disseminating research findings, - explore the issues involved in the writing of reports and theses. The main course components are: - philosophy of educational research, - strategies for educational research, - methods of data collection and analysis, - statistics. In addition, there is an "internship programme" which enables students to be attached to an existing funded research project in order to gain practical experience. All doctoral students are required to attend this course, irrespective of the focus of their research. The argument here is that anyone with a doctoral qualification in education will have been trained in research methods to the extent that they will be qualified to undertake research in a potentially very wide variety of contexts and not just as specialists in the particular topic they have researched for the doctorate.

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Empirical Research in Education: Perspectives

4

from England

Summary

This necessarily very brief discussion can only serve to highlight some of the features of approaches to educational research in English universities that can be seen to promote empirical inquiry. In summary, the advantages of the English way of doing things might be identified as follows: - There are strong imperatives outside of the universities (through the ESRC, RAE, etc.) to develop a coherent and focused approach to research in education. - There is a long tradition of close association between universities and the world of practice that facilitates empirical research. - There is now a highly developed programme of compulsory research training that is producing a well qualified body of young researchers. - There is a wealth of (ranked and refereed) educational journals in England in which results can be published and made available to a wide readership. In addition, there are strong imperatives in English universities to seek as much external funding as possible (achievement here is assessed in the RAE). This results in the employment of large numbers of research officers and assistants who are junior academics and constitute to a large extent the next generation of university teachers. Through the endeavours of these young researchers something of the future of educational research is assured.

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Research Quality and International Focus: A Perspective from the Netherlands Paul P. M. Leseman Universiteit Utrecht

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Introduction

As a member of the DFG's Beirat "Forschergruppen in der Empirischen Bildungsforschung" I have been involved in the review of a number of proposals and preproposals for establishing Forschergruppen and noticed that, given our protocol and standards, only a part of the ample financial resources for educational research could be granted to only a few research groups. There are many factors that may explain this state of affairs, but one that consistently reappeared in the peer-reviews of (pre)proposals was the overall lack of an international orientation. This concerned both the way in which research proposals were constructed (with sometimes no reference at all to the international literature) and the qualification of the research staff as indicated by their past performance (with sometimes not a single publication in an international peerreviewed journal). These two aspects, the international orientation of the research proposal as such, and the international qualification of the staff, of course, are strongly interrelated. In order to be able to participate in the international research scene, a researcher or research group must relate to the current debates, take present theorizing and empirical findings as a starting point (which requires thorough knowledge of the ever increasing literature), adopt the standards and methods of peer researchers in other countries, and attempt to "make a valuable contribution to the field". The state of educational research in Germany has been evaluated as not satisfactory. If one accepts the idea of a scientific field, like the educational sciences, as progressing through the accumulation of knowledge produced by many research groups and through collaboration in international networks, internationalisation of the field is a strong means to improve on quality. To illustrate what might be needed to strengthen the international orientation of educational research and to improve its "objective quality" (based on the scientific output and vitality of research programs), I will present here a perspective from the Netherlands. Educational research in the Netherlands, comprising pedagogiek (parenting, socialization, early childhood education and care, special education, youth care, clinical child and adolescent psychology, adolescent socialization and identity formation) and onderwijskunde (school-based education, didactics, learning and instruction, computers in education, teacher training, sociology of education, educational systems and educational policy), has under86

Research

Quality and International

Focus

gone major changes in structure and culture the past 25 years. I will briefly (and subjectively) describe three major movements, which changed the face of the discipline dramatically - mostly in a favorable way, in my view.

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Financing Research Programs under Conditions of Quality

A first significant point in time was the year 1983. Until then research at the Dutch universities - with notable exceptions in the exact sciences - was particularly scattered, incoherent, enormously varying in quality, without a clear future-oriented mission and without a proper organisational structure. Research time and subsidy for material research costs were, and still are, related to the number of students enrolled. Of the direct subsidy from the Ministry of Education to the universities roughly 40 per cent was intended for research and 60 per cent for teaching, which nowadays still is the ratio. However, the money was allocated to the universities as a lump sum. Without much of a powerful policy, the central university board loosely sent the subsidy down to the lower level of faculties and departments, which loosely allocated the money to the sub-disciplinary units ("vakgroepen"; Fachbereiche), which loosely distributed the research money among the staff of the unit. It were the high-days of democratic reform in the universities. As a consequence, it were not necessarily the best researchers or the formal chair-holders, who decided about the investment of research money. The coupling of teaching and research in a single staff position, regardless quality of performance, led to a diversity of isolated "one-man projects" with little future prospects. Many of the staff that increased enormously in size in the period 1965-1980 due to a strong rise in the number of students that were enrolled, had not even obtained doctorate degrees. Against this background, with increased spending of collective money to the universities, the Dutch government wanted to have a firmer grasp on the efficiency of the research efforts. This led to the idea to make research financing dependent upon clear, coherent and feasible plans of research to be conducted in a next (five year) period to come, involving moreover a qualified research group and a qualified academic leader as director. From 1983 onward, university research in the Netherlands became organized in "programs" within disciplines that were financed under certain quality and feasibility conditions. Within this so-called policy of Voorwaardelijke Financiering ("conditional subsidizing"), programs had to state their scientific future-oriented mission, to explicate their basic theoretical models and research methods, and to present their plans for concrete research projects. Furthermore, programs had to make plausible that the plans were feasible, given the composition of the staff, their past performance, and given the available extra resources, including external grants (mainly from the Dutch Organisation of Scientific Research and the Royal Dutch Academy of Arts and Sciences, and third parties - such as local, provincial and national government bodies, companies). For each discipline, national accreditation committees were installed under auspices of the Royal Dutch Academy of Arts and Sciences (KNAW) to review the proposals, using criteria like the ones mentioned above. Several programs were rejected 87

Paul P. M.

Leseman

in the first round, but also given the opportunity to redress the proposal, to change the structure of the program or to join with another program. In the second half of 1980s, in order to complement the Voorwaardelijke Financiering, a system of "periodic research evaluation" was created to evaluate every five years the progress made by the programs as such and by the collection of programs within a department. These recurrent evaluations are organised by discipline and conducted under supervision of the Union of Cooperating Universities (VSNU) by an international board of reviewers. The basic criteria for review were scientific and social relevance, coherence, past performance, and vitality. The scientific relevance judgement was based on the relation of the program's mission and performance to established international research, and on the potential innovative contribution of the program to the international field. Coherence referred to the content-structure of the program and the clarity of its mission. The past performance judgement was mainly based on the rate of publications in acknowledged (international) journals and volumes per unit research staff. Vitality was mainly evaluated on the basis of the available staff, in particular PhD students and postdoc researchers, the program's success with acquiring additional research funds (Drittmittel), and the position of the program director. Educational sciences in the Netherlands have been subjected to three of such national evaluations. The first national research evaluation for the educational sciences was in 1988, the last one was in 2000, covering the 1994-1999 period, and involving over 25 educational research programs from seven universities. The next one was planned for 2005, but due to new developments, to be discussed later, it is not clear whether this evaluation will actually be carried out. In retrospect, the process of formation of research programs was the most fundamental change that was induced by the Voorwaardelijke Financiering, making university research less a hobby of individuals and more a future oriented collaborative approach, that could be held accountable. The organisation of university research into social units with a shared mission and research topic, with complementary expertises and with an "organic" composition of PhD students, postdoc's, junior researchers, and senior researchers, is still the basic structure of the research organisation, although, as was intended, the whole array of programs within a particular discipline continues to change dynamically. Side-effects were also important: those among the staff who could not find themselves a place within a program or who could not set up a program that passed the accreditation were doomed to disappear as researchers. Within the system of five-year national disciplinary quality monitoring, weak programs - relative to the national average and to internationally accepted standards were easily identified and consequently an easy prey for "predators" within the own department. These predators usually were the more successful programs with high ambitions and potentials, that claimed more research input as a reward. Within the educational sciences, for instance, this led to a remarkably quick and dramatic reduction of non-empirical (philosophical, geisteswissenschaftliche, political-marxist, social action-oriented, partly also clinical) approaches, until then a predominant approach in the educational sciences, which was counter-balanced by a strong in-flow of experimental and developmental psychological approaches into the educational sciences.

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Research

3

Quality and International

Focus

Interuniversity Graduate Research Schools

A second major change began in the early 1990s with the establishment of the socalled national interuniversity graduate research schools for PhD students. Since 1985 a new system of promoting scientific Nachwuchs was introduced, along with an official reduction of the basic university education program from 6 to 4 years in most areas (a development actually forerunning the present BA-MA transformation), offering a small number of talented students a four-year position as an assistant- or junior researcher to do research and to complete a PhD thesis. Because of the reduced "first phase" program, it was acknowledged that provisions for additional training should be included in the "second phase" and, given the small numbers of PhD students per program, or even per department, the idea soon was that the evaluation of research projects, the selection of candidates, the training and supervision of juniors should be organised collectively by programs of all universities working in the same or closely related disciplines, under responsibility of the most prominent, most highly qualified staff in these programs. This policy made the acquisition of PhD research students for a research program entirely dependent on being member of such a national research school. In order to become part of a research school, programs once again had to present themselves and to subject to peer review. Once again the KNAW was given the task to evaluate proposals, to accredit and re-accredit after five years national research schools. In addition, also the tenured senior staff of the research programs had to qualify for membership of the national research school and this led for the first time (at least that I know of) to an explication and operationalization of the criteria to evaluate personal scientific achievement. For tenured staff in the educational sciences with a research task (and thus with research time) it became obligatory to publish at least five times in five years in acknowledged international journals or with acknowledged internationally operating scientific publishers. Of these five publications, at least three had to be articles in peer-reviewed international journals. (Note that the personal qualification criteria differed slightly between the research schools.) For the educational sciences, there were at least two major consequences. First, research programs within one department or faculty joined with at least three different national graduate research schools. Thus in a sense, the policy caused a split within the discipline, but also created new interdisciplinary alliances with neighboring disciplines, in particular developmental psychology and psychometrics. For the educational sciences, two research schools were established half-way the nineties. One school (ISED) combined a number of programs from developmental psychology with most programs of pedagogiek-, the other school combined only programs in onderwijskunde from all universities offering onderwijskunde. The programs within the educational sciences that had research methods, statistics and psychometrics as topic sought accommodation within the psychological research school on psychometrics and statistics (IOPS). The second major consequence was a new round of selection. Many of the tenured staff participating in programs did not meet the personal qualification criteria. Some of them successfully qualified in later years, but many were ultimately forced to leave the research program and to give up their research time. Several were strongly advised to leave the university altogether. Once again programs were 89

Paul P. M. Leseman ended that were not accepted by the "peers" in the research schools' boards or that simply had hardly any staff left after making personal qualification according to the aforementioned criteria mandatory.

4

Research Masters and Decentralization Tendencies

A third major change is in progress now and is related to, first, the BA-MA transformation, which is now almost complete in the Dutch universities, and, second, the strong tendency - reinforced by the present administration - to leave the rather egalitarian system of higher education in the Netherlands, with no overall differences in quality between universities, in exchange for a more competitive (Anglo-Saxon) system with a few top-ranking universities that will attract many of the best students from all over the world. The BA-MA provides for a Master of Sciences in (educational, psychological, etc.) research, for short: research master, with a two-year program (instead of one-year as in other master programs). The research master program is in English with intensive teaching by highly qualified researchers who are members of a few collaborating research programs within a department. Admission is selective and open for talented applicants from other disciplines, other universities, and other countries. Research masters (as all master programs) have to be accredited by an accreditation committee under auspices of the KNAW (as a matter of fact, the official accreditation committee for master programs has delegated the evaluation of research master programs to the committee involved in the evaluation and (re)accreditation of the interuniversity graduate research schools). In the case of the research masters one of the most important criteria for accreditation is successful evaluations in the past of the participating research program(s). At present, departments, even whole disciplines, without research programs that were rated as "good" or "excellent" (a mean score of 4 to 5 on a five-point scale) in the past national evaluations (see above) are not permitted to offer a research master program. Once again, this development has shown to operate in a selective way. Some disciplines and departments until now have not been able to establish a research master. In due time, these departments risk to loose MA and PhD students. A new element is that the selective force is not only operating within universities and departments, but now also between universities and in particular between departments within the same discipline based at different universities. The logic of the research master is very similar to the one that was put forward with the introduction of the PhD student system half-way the 1980s. Therefore, there is little doubt in my mind that in the near future the two systems, research master and PhD training, will be merged. One model is that the second year of the two-year research master will be the first year of the four-year PhD training, but other models are being discussed. The upshot, however, is that the PhD system will be withdrawn from the national interuniversity graduate research schools and will return to the local departments. Thus, the coupling of research master and PhD training will reinforce the selective and competitive tendencies mentioned above. The consequences for the educational sciences are as yet difficult to figure out. One fact is that not all educational sciences departments in the country have suc90

Research Quality and International Focus ceeded in establishing a research master until now. Research masters in pedagogiek and onderwijskunde are now established at only two universities (starting September 2004). Some departments are currently applying for accreditation, but given the demands and criteria I expect that not all applications will be successful. As a consequence, a number of departments in the educational sciences will offer only BA- and professional M A programs and in due course risk to loose PhD training as well, particularly if the local university board, by way of competitive profiling, would decide to reinforce successful disciplines (rewarding them with extra investments in research facilities, with grants for top-talented students and with attractive working conditions for top-talented researchers from all over the world) and to withdraw from the less successful ones. It is possible, even likely, that over one decade or so, the scientific landscape (in our otherwise so flat country) will show much more relief, offering top programs in several disciplines which are tightly connected to top research programs, but not at all universities. The decentralisation tendency (or centrifugal force, as some say) in the Dutch science landscape has already had consequences for the systems of program and discipline evaluation. These periodic evaluations, as I wrote, were until recently organised nationally, conducted by an impartial international review committee according to a standard evaluation protocol, supervised by the KNAW. Given the increasing competition between the universities, university boards are now strongly inclined to organise periodic evaluations themselves and to avoid direct interuniversity comparison. Recent legislation makes this possible. Although this still does not preclude adopting national (or international) comparative standards, or making use of a KNAW-review committee as a kind of facilitative service, more diversity in local standards and policies can be expected to arise. The third major change outlined above is still in progress, but can already be regarded as a turning point. Whereas the first and second major operation I described (and all smaller operations and policy changes subsumed under these major changes) constitute a continuous and even coherent policy to enhance scientific research quality breadthways, the third seems to break away with, in particular, the egalitarian and cooperative tradition (as in interuniversity research schools) in Dutch scientific research and to aim at enhancing the scientific research quality through selectively stimulating spearheads.

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Summary and Evaluation

The educational sciences in the Netherlands, in my view, have extremely profited from the successive reforms in scientific research policy. Estimates of the increase since 1983 in the quantitative scientific output (publications in acknowledged scientific media, completed PhD dissertations) amount to 250 per cent to 300 per cent. Dutch educational research has gained a high international visibility. I also believe that the strong international orientation and the (inter)national cooperation of Dutch educational researchers not only led to a higher scientific relevance of educational research, but also to a much higher social relevance of the research for educational 91

Paul P. M. Leseman practice, which is reflected, among other things, in the now broadly shared "theorydriven" and "evidence-based" approach in educational interventions. This optimistic conclusion, however, is not easy to prove. There is another side, which can perhaps best be illustrated by the estimate that between the years 1990 to 2000 over 40 per cent of the tenured staff in the educational sciences was forced to give up research.

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Kapitel 6 Einschätzungen der Bildungsforschung mit Blick auf gesamtstaatliche Förderprogramme: BLK/KMK/Bund BMBF, BLK und KMK sind für die Bildungsforschung allein schon deshalb wichtige Anreger, weil es sich um Institutionen handelt, in denen Zielrichtungen für die Bildungspolitik entwickelt und formuliert werden. Das geschieht allerdings mit unterschiedlichen Zielrichtungen. Im BMBF zeichnet sich eine Fokussierung auf Themenfelder ab, die sich im Bereich Bildungsforschung zwischen Grundfragen und angewandter Forschung lokalisieren lassen und die auch die Entwicklung einer besseren Datenbasis für die angestrebte Bildungsberichterstattung sowie den Aufbau eines Bildungspanels mit einschließen. Die BLK gibt im Rahmen ihrer Programme vor allem Anreize für die Begleit-, Evaluations- und Implementationsforschung. Allerdings steht Bildungsforschung nicht im Zentrum des Projekts. Die KMK setzt - ähnlich wie das BMBF - einen Schwerpunkt beim Aufbau einer nationalen Bildungsberichterstattung und im Bereich Systemmonitoring durch das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen. In dem zuletzt genannten Feld geht es vor allem um die Entwicklung von Bildungsstandards für verschiedene Klassenstufen, die kompetenzbasiert neu gestaltet werden sollen.

Gesamtstaatliche Förderprogramme für Bildungsforschung: BLK/KMK/Bund Eckhard Klieme Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung, Frankfurt am Main

Die von der IEA, einem internationalen Verbund von Bildungsforschern, durchgeführte TIMS-Studie, die von der OECD in Auftrag gegebene PISA-Studie und die Hamburger Untersuchung zu Lernausgangslagen (LAU) gelten heute als Initialzündung einer neuen, äußerst produktiven Phase der Empirischen Bildungsforschung in Deutschland. Ganze sechs Jahre nach Veröffentlichung der TIMSS-Befunde zur Sekundarstufe I ist mit offensichtlich großem Erfolg ein Schwerpunktprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft etabliert worden, sind erste Forschergruppen für Empirische Bildungsforschung entstanden, wird an vielen Hochschulen empirische pädagogische Forschung wieder zu einem zentralen Arbeitsgebiet der Erziehungswissenschaften, ist der interdisziplinäre Diskurs zwischen Erziehungswissenschaften, Psychologie und Fachdidaktiken durch eine Vielzahl gemeinsamer Projekte und durch breiten Austausch auf Fachtagungen deutlich vorangebracht worden. Eine ganze Reihe von Beiträgen im vorliegenden Band belegen, dass die Empirische Bildungsforschung beginnt, sich als Forschungsgebiet mit interdisziplinärem Charakter im akademischen Umfeld zu etablieren. Immer wieder gerät aber im akademischen Diskurs die Politik- und Praxisnähe der Bildungsforschung und deren enge Kooperation mit einer Bildungsadministration, deren Strategie durch eine „empirische Wende" gekennzeichnet ist, in die Kritik. Es wird befürchtet, dass im weiteren Sinne pädagogische Forschung durch die große Bedeutung staatlicher Auftragsprojekte ihre wissenschaftliche Autonomie verliert und - anstatt Bildungsprozesse grundlagenwissenschaftlich und kritisch zu untersuchen - sich funktionalen Zielen unterordnet. Diese Kritik übersieht jedoch, dass der Aufschwung der Bildungsforschung und mit ihr die verstärkte Bedeutung der Erziehungswissenschaft und ihrer Nachbardisziplinen erst durch staatlich geförderte Projekte ermöglicht wurde. TIMSS war zwar von der IEA als unabhängiger Konföderation von Wissenschaftlern initiiert und auf internationaler Ebene durchgeführt worden, hätte aber zumal in Deutschland ohne massive Unterstützung von Bund und Ländern nicht realisiert werden können. PISA wurde und wird von internationalen und nationalen staatlichen Institutionen geplant und vollständig finanziert. LAU und ähnliche Studien wurden von Landesbehörden in Auftrag gegeben. Diese Studien haben die Büdungsforschung in Deutschland nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ vorangebracht. Sie stellen aussagefähige Datensätze bereit, veranlassen die

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Eckhard Klieme Aufarbeitung und Weiterentwicklung komplexer Forschungsinstrumente und -methoden, stärken die Kooperation zwischen Wissenschaftlern und erschließen neue Forschungsthemen, z. B. in der Kompetenzdiagnostik und der Unterrichtsqualitätsforschung. So ist es gerade die staatliche Förderung und Auftragspolitik, die der Bildungsforschung in Deutschland ganz besondere Impulse gegeben, auch qualitative Fortschritte angeregt und damit die akademische Entwicklung ermöglicht hat. Ein Blick auf staatliche Förderprogramme für Bildungsforschung zielt also nicht auf den Rand oder eine irgendwie geartete politik- und praxisnahe Anwendungszone, sondern auf den Kern der wissenschaftlichen Erforschung von institutionalisierten Lehr- und Lernprozessen. Unter dieser Perspektive versucht der folgende Beitrag, rezente und aktuell durchgeführte Projekte und Programme der Bildungsforschung, die unmittelbar durch gesamtstaatliche Institutionen gefördert oder sogar initiiert worden sind, darzustellen. Der Beitrag erhebt nicht den Anspruch, die entsprechenden Maßnahmen vollständig zu dokumentieren, ihre Themen und Ziele, ihre Finanzierungsbasis oder gar die Erträge systematisch zu erfassen 1 . Er stellt vielmehr ein notwendigerweise skizzenhaftes Porträt der Auftrags- und Förderprogramme dar, die unter der Regie der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK), der Kultusministerkonferenz (KMK) und des Bundes geführt werden. Im Sinne eines Streiflichtes soll die Bedeutung der Förderprogramme für die Bildungsforschung in Deutschland herausgearbeitet werden, und im Anschluss werden aktuelle Tendenzen, Chancen und Herausforderungen aus der Sicht des Referenten also durchaus mit der Subjektivität eines „stakeholder" - beleuchtet. Deshalb werden auch im Folgenden Inhalt und Duktus der Präsentation, die der Verfasser im Juni 2004 beim Expertengespräch „Empirische Bildungsforschung" der Deutschen Forschungsgemeinschaft vorgelegt hat, beibehalten. Die vorliegende Veröffentlichung dient der Dokumentation dieses Diskussionsbeitrags, nicht jedoch einer systematischen oder gar vollständigen Aufbereitung der Förderprogramme. 2 Betrachtet wird im Folgenden ausschließlich die Projektförderung auf gesamtstaatlicher Ebene (BLK, KMK, Bund) und deren Beitrag zur Entwicklung der Empirischen Bildungsforschung. Nicht behandelt wird die institutionelle Förderung, beispielsweise die Finanzierung außeruniversitärer Forschungseinrichtungen wie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung oder der in diesem Bereich tätigen Institute der Leibniz-Gemeinschaft. Auch Aufträge und Förderprogramme auf Länderebene können hier nicht in den Blick genommen werden. Eine Gesamtbilanzierung der Bildungsforschung und ihrer staatlichen Unterstützung wäre durchaus angezeigt, kann aber in diesem Rahmen nicht geleistet werden.

1 In dieser Hinsicht findet sich die beste aktuelle Darstellung bei Kraul, Schulzeck & Weishaupt (2004). Auch dort wird aber dargelegt, dass für eine vollständige Bestandsaufnahme der „Drittmittelforschung" derzeit viele Daten fehlen. 2 Für freundliche Unterstützung bei den Recherchen im Vorfeld danke ich der Geschäftsstelle der BLK, dem Sekretariat der KMK sowie dem Referat 212 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Ergänzt wurden diese Informationen durch die Angaben im „Datenreport Erziehungswissenschaft 2004", den vom BMBF herausgegebenen Forschungsbericht 2004 sowie durch eigene Recherchen im Internet. Verantwortlich für Auswahl und Darstellung, damit auch für allfällige Fehler und Auslassungen ist allein der Verfasser.

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Gesamtstaatliche

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Förderprogramme:

BLK/KMK/Bund

Forschung und Entwicklung im Auftrag der BLK

Die Bund-Länder-Kommission fördert Innovationen im allgemein bildenden und berufsbildenden Bereich hauptsächlich durch Modellprogramme, welche die früheren isolierten Modellvorhaben abgelöst haben. Modellprogramme verbinden Reformimpulse der jeweils beteiligten Länder durch gemeinsame Zielsetzungen, eine - zumeist in wissenschaftlichen Expertisen begründete - gemeinsame konzeptuelle Basis, durch intensiven Austausch sowie nicht zuletzt durch umfangreiche wissenschaftliche Unterstützung, Beratung, Evaluation und Begleitforschung. Insgesamt neun solcher Modellprogramme werden gegenwärtig durchgeführt, wurden erst kürzlich abgeschlossen oder stehen kurz vor ihrem Start: - Steigerung der Effizienz des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts (SINUS), - Systematische Einbeziehung von Medien, Informations- und Kommunikationstechnologien in Lehr- und Lernprozessen (SEMIK), - Qualitätsverbesserung in Schulen und Schulsystemen (QUISS), - Bildung für eine nachhaltige Entwicklung (BLK21), - Kooperation der Lernorte in der Berufsbildung (KOLIBRI), - Demokratie lernen und leben, - Neue Lernkonzepte in der dualen Berufsausbildung, - Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund, - Weiterentwicklung des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts an Grundschulen. Namhafte Vertreter der Bildungsforschung haben etliche dieser Projekte durch ihre Expertisen begründet oder als Programmkoordinatoren unmittelbare Verantwortung für die Implementation der Reformen übernommen. Damit erhalten die Bildungswissenschaften die Chance, die Praxisrelevanz ihrer Konzepte und Erkenntnisse unter Beweis zu stellen. Wichtiger noch für die Bildungsforschung ist aber die Funktion der Gesamtevaluation, die Wissenschaftler für derartige Programme übernehmen. In einigen Fällen ist die koordinierende Stelle selbst für die Evaluation der Modellprojekte verantwortlich, in anderen findet eine klare Trennung zwischen Entwicklungs- und Koordinationsaufgaben einerseits, Evaluationsaufgaben andererseits statt. Gerade hier besteht die Chance, die summativ-zielorientierte und zugleich prozessunterstützende Evaluation hinsichtlich ihrer Fragestellungen, ihres Designs, der Auswertungen und der Publikationsstrategie so zu gestalten, dass sie einen substanziellen Beitrag zur Bildungsforschung zu leisten vermag. Wichtig ist aber auch die wissenschaftliche Begleitung von Einzelvorhaben innerhalb der Modellprogramme. Beispielsweise ist das Modellprogramm SEMIK mit sechs, QUISS mit 14, KOLIBRI mit 14 und „Lernkonzepte in der dualen Berufsausbildung" mit 19 solcher Einzelstudien verknüpft. Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Modellprogramme wesentliche Anstöße für Bildungsforschung in verschiedenen Themenbereichen gegeben haben. Sie fokussieren Bildungsreformen auf zentrale, häufig auch in der wissenschaftlichen Diskussion aktuelle Themenfelder. Sie ermöglichen es, fokussierte Innovationsprozesse im Schul- und Berufsbildungsbereich systematisch, vergleichend und längs97

Eckhard Klieme schnittlich zu untersuchen. Sie erfordern und ermöglichen einen im Vergleich zur Grundlagenforschung engen Kontakt der Bildungsforscher zum Feld. Als neue Form von Aktivität startet die BLK derzeit Transferprogramme, mit denen Reforminitiativen und Know-how aus Modellprogrammen systematisch in die Fläche verbreitet werden sollen, beispielsweise durch Bildung von weiteren Schulnetzen um erfahrene Modellschulen herum. („Scaling up" wird dieser Prozess eines systematischen Transfers von Modellversuchen in die Breite bzw. in den Alltag in den USA genannt, wo er unter Bildungsforschem ausführlich untersucht und auf seine methodischen Konsequenzen hin befragt wird.) Als Erstes wurde SINUS-Transfer gerade gestartet. Abzuwarten bleibt, inwieweit auch diese Transferprogramme Bildungsforschung anregen, beispielsweise indem sie systematisch die Bedingungen einer erfolgreichen Implementation von Reformkonzepten erforschen oder den Prozess der Innovation selbst zum Thema machen. Ergänzend hat die BLK Gutachten bzw. Expertisen in Auftrag gegeben, die nicht immer in die Gründung eines Modellprogramms einfließen. So wurde 2003 in der Reihe „Materialien zur Bildungsplanung und Forschungsförderung" das Gutachten „Perspektiven für die duale Bildung im tertiären Bereich" veröffentlicht, ferner wurden Expertisen zur Förderung der Lesekompetenz und zur Leistungsmessung in der Berufsausbildung in Auftrag gegeben.

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Maßnahmen und Forschungsaufträge der Kultusministerkonferenz in Zusammenhang mit system monitoring im Schulbereich

Aufgabe der Kultusministerkonferenz ist weder die Förderung der Bildungsforschung selbst noch die Durchführung von Innovationsprogrammen, die mit Begleit- oder Evaluationsstudien verbunden wären. Zur Erfüllung ihrer Koordinations- und Steuerungsaufgaben hat die KMK aber immer wieder wissenschaftliche Unterstützung aus der Bildungsforschung eingeworben. Erinnert sei beispielsweise an die Entwicklung und Durchführung des Tests für medizinische Studiengänge (TMS), ein Projekt, das nahezu 20 Jahre lang - von Ende der 70er bis Mitte der 90er Jahre - das einzige large scale assessment im deutschen Bildungswesen darstellte und mit umfangreichen Begleitforschungen verbunden war. Dieses Projekt ist sowohl für die pädagogische Diagnostik als auch für die Hochschulforschung gerade in Zeiten, als die Empirische Bildungsforschung in Deutschland keine „Hochkonjunktur" hatte, von zentraler Bedeutung gewesen. Es wurde von den Ländern gemeinschaftlich in Auftrag gegeben, von den Gremien der KMK kontrolliert und vom KMK-Sekretariat administrativ begleitet. Mit einer ähnlichen politisch-administrativen Rahmenkonstruktion sind in jüngster Zeit sehr große Konsortialprojekte durch die KMK in Auftrag gegeben worden. Hierzu gehören das „Programme for International Student Assessment" (PISA) der OECD, dessen internationale Kosten vom BMBF getragen werden (siehe unten, Abschnitt 3), während die Länder die nationalen Kosten übernehmen und auch die allei98

Gesamtstaatliche Förderprogramme: BLK/KMK/Bund nigen Auftraggeber des nationalen PISA-Konsortiums sind. Die nationalen Erweiterungen des Designs einschließlich der so genannten „PISA-E-Studie", die den Vergleich zwischen Ländern der Bundesrepublik Deutschland erlaubt, wurden ebenfalls durch die Länder in Auftrag gegeben, von der KMK administrativ betreut und vom nationalen Projektkoordinator gemeinsam mit dem Konsortium wissenschaftlich verantwortet. Auch die Schulleistungsstudie der IEA für den Grundschulbereich (PIRLS, in Deutschland durchgeführt und in einigen Ländern erweitert als IGLU-Studie) ist in Deutschland ein Auftragsvorhaben, das in Teilen von den Ländern, in Teüen vom BMBF finanziert wird. Ein ähnliches Modell wurde schließlich realisiert für den ersten gemeinsamen, alle Bildungsstufen übergreifenden nationalen Bildungsbericht, der im Herbst 2004 von den Ländern und dem Bundesbildungsministerium gemeinsam an ein Konsortium vergeben wurde. Wichtige Auftragsprojekte wurden auch von den Ländern allein konzipiert und vergeben und über das Sekretariat der KMK abgewickelt. Hierzu gehören die Schulleistungsstudie „Deutsch-Englisch-Schülerleistungen-International" (DESI) sowie der erste „Bildungsbericht für Deutschland", der 2003 im Auftrag der KMK vorgelegt wurde. Diese Aufzählung macht deutlich, dass die Kultusministerkonferenz durch die Ausschreibung von groß angelegten Projekten im Bereich des system monitoring (nationale und internationale Schulleistungsvergleiche und Bildungsberichterstattung) der Bildungsforschung in Deutschland wesentliche Impulse gegeben hat. Die Schulleistungsstudien sind - nicht zuletzt durch ihre Ausgestaltung durch die nationalen Konsortien - nicht auf eine Erfassung von Leistungskennwerten reduziert, sondern bieten ein komplexes Untersuchungsdesign, das es ermöglicht, Voraussetzungen, Verlaufsprozesse und Ergebnisse schuhscher Bildung zu untersuchen. Fragen der Gesamtproduktivität des Bildungssystems werden ebenso untersuchbar wie die Chancen zur persönlichen Entfaltung und Bildung von Kindern und Jugendlichen, die Qualität von Schule und Unterricht, das Zusammenspiel von sozio-biografischen und schulischen Faktoren und nicht zuletzt Fragen der Chancengerechtigkeit im Bildungssystem. Auch methodisch haben diese Studien die Büdungsforschung in Deutschland vor neue Herausforderungen gestellt und zu ihrer Weiterqualifizierung wesentlich beigetragen (z.B. Testentwicklung mit komplexen mehrdimensionalen Konstrukten, psychometrische Modelle, Verfahren zur Mehr-Ebenen-Analyse, Samplingmethoden und avancierte Techniken im Umgang mit fehlenden Messwerten). Die Bildungsberichterstattung ist selbst kein empirisches Forschungsprojekt, dient aber nicht zuletzt der Integration von Forschungsbefunden und wird längerfristig dazu führen, dass sich ein stabiles System der Zusammenarbeit zwischen Kultusbehörden, amtlicher Statistik und Bildungsforschung entfaltet, das nicht nur öffentliche Interessen im Blick auf Systemevaluation bedient, sondern auch der Forschung neue Impulse gibt. Von großer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang zwei Merkmale der KMK-geförderten Projekte: Zum einen sind alle diese Projekte Gegenstand von öffentlichen Ausschreibungen gewesen. Die Auftragnehmer wurden in einem wettbewerblichen Verfahren ausgewählt, bei dem auch - dank Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft - Reviews durch anerkannte Experten der einschlägigen Disziplinen eine Rolle spielten. Diese Projekte haben daher nicht nur den 99

Eckhard Klieme Charakter von staatlich gesteuerter Auftragsforschung, sondern sind zugleich eingebunden in die wissenschaftliche „Community" mit ihren Qualitätskriterien und Bewertungsverfahren. Diese Einbindung wird auch durch das zweite Merkmal der Projekte ermöglicht, ihre Konsortialstruktur. Derartig breit angelegte Projekte können nicht mehr von einzelnen Lehrstühlen, Hochschulen oder Forschungsinstituten abgewickelt werden, sondern sie bedürfen der interdisziplinären Zusammenarbeit einer ganzen Reihe von Wissenschaftlern an unterschiedlichen Standorten. Diese Strukturen haben die Kooperation in der Empirischen Bildungsforschung in Deutschland, zumal die Zusammenarbeit über Disziplingrenzen hinweg, nachhaltig gefördert. Neben diesen großen Projekten im Bereich system monitoring vergibt die Kultusministerkonferenz Evaluationsaufträge zu einzelnen Tätigkeitsbereichen, beispielsweise zu Projekten des pädagogischen Austauschdienstes. Im Jahr 2004 sind die Länder - auch hier wieder koordiniert durch die KMK und administriert durch deren Sekretariat - in der Förderung von Bildungsforschung einen Schritt weiter gegangen. Sie haben über die Ausschreibung von zeitlich befristeten Projekten hinaus in unmittelbarer Regie durch die KMK Arbeiten zum Bereich der Qualitätssicherung an Schulen aufgenommen, in die bildungswissenschaftliches Know-how einfließt und die ihrerseits Basis für ergänzende Bildungsforschung sein können. Zu erwähnen ist insbesondere die Gründung des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) der KMK als An-Institut an der Humboldt-Universität zu Berlin. Es handelt sich um eine wissenschaftlich selbstständige Einheit, die zunächst zeitlich befristet an der Humboldt-Universität eingerichtet und von den Ländern finanziert wird. Im Vorstand des Instituts sind neben dem Generalsekretär der KMK Repräsentanten der Länder und Wissenschaftler vertreten. Das IQB wird in Kürze zu einer der großen Institutionen der BUdungsforschung in Deutschland gehören. Neben seinen Serviceaufgaben in der Entwicklung und Normierung von Bildungsstandards und damit verbundenen Testaufgaben sowie der Unterstützung der Länder im Bereich Schulevaluation wird es einschlägige Forschungen betreiben. Als Vorläuferprojekt kann die Normierung von Bildungsstandards im Fach Mathematik angesehen werden, die im Auftrag der Länder derzeit unter Federführung der Universität Kassel durchgeführt wird.

3

Förderung der Bildungsforschung durch den Bund

Der Bund unterstützt die Bildungsforschung auf mehreren unterschiedlichen Wegen, die sich bei einzelnen Vorhaben ergänzen können: - Die institutionelle Förderung etwa der Max-Planck-Gesellschaft und der LeibnizGemeinschaft wird zu wesentlichen Teilen aus Bundesmitteln getragen; im Fall der Leibniz-Gemeinschaft (früher „Blaue Liste-Institute") koordiniert sich der Bund über die BLK mit den Ländern. Zuständig ist die Forschungsabteilung des BMBF; zugleich betreut im Fall der Bildungsforschung die Bildungsabteilung des BMBF die einschlägigen Institute als zuständiges Fachressort. (Im Folgenden wird, wie oben bereits erwähnt, die institutionelle Förderung nicht weiter behandelt.) 100

Gesamtstaatliche Förderprogramme:

BLK/KMK/Bund

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Ressortforschung, die Teilbereiche der Bildungsforschung betrifft, findet auch außerhalb des BMBF statt, vor allem im Bereich des Jugend- und Familienministeriums (Kinder- und Jugendforschung, Förderung des Deutschen Jugendinstituts u. a. m.) sowie im Bereich des Wirtschafts- und Arbeitsministeriums (Forschung in der beruflichen Bildung, zum Teil institutionell an das BIBB und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung angebunden, sowie Vergabe von Aufträgen, aktuell beispielsweise eine Machbarkeitsstudie für ein „Berufsbüdungs-PISA"). Diese Ressortforschung ist zwar im Bundesforschungsbericht dokumentiert, aber es ist recht schwierig, jene Teilbereiche herauszufiltern, die der Bildungsforschimg thematisch zugeordnet werden können.

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Einen wichtigen Teil auch der Aktivitäten des Bundes bilden Modellversuche und -Programme. Hierzu gehört die Ko-Finanzierung von BLK-Programmen, die Mitfinanzierung von Modellversuchen im Bereich der dualen beruflichen Bildung (1989 bis 2007 umfasst dies allein 60 Projekte) sowie die alleinige Finanzierung von sog. Wirtschaftsmodellversuchen zur betrieblichen Ausbildung (47 Projekte im gleichen Zeitraum). Hinzu kommen Innovationsprojekte, die das BMBF in Zusammenarbeit mit einzelnen Bundesländern finanziert, beispielsweise das Projekt „Chemie im Kontext".

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Wie andere staatliche Einrichtungen - u. a. die Kultusministerkonferenz - gibt auch das BMBF Begleitforschung und Evaluation zu seinen Maßnahmen in Auftrag. Ein sehr breit angelegtes, ähnlich wie PISA durch ein Konsortium verantwortetes und mit zahlreichen Forschungsaktivitäten verknüpftes Projekt ist die Begleitforschung zu Ganztagsangeboten an Schulen, die im Kontext des „Investitionsprogramms Zukunft Bildung und Betreuung" angeregt und - teilweise unter Rückgriff auf EU-Mittel - vom Bund finanziert wird.

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In verschiedenen Bereichen des Bildungswesens hat der Bund umfangreiche Förderprogramme aufgelegt, die teilweise in ihrem Volumen deutlich über die Kapazität von BLK-Programmen hinausgehen. Zu nennen sind beispielsweise das Förderprogramm „Neue Medien in der Bildung", für das zwischen 1998 und 2004 insgesamt 345 Mio. Euro ausgegeben wurden, das Programm „Lernkultur Kompetenzentwicklung" mit einem Volumen von 17,5 Mio. Euro für die Jahre 2001 bis 2006 sowie das Programm „Schule - Wirtschaft - Arbeitsleben" mit insgesamt 36 Projekten. Die Förderprogramme selbst unterstützen im Allgemeinen Entwicklungsarbeiten und innovative Maßnahmen und richten sich daher eher an Einrichtungen der Praxis als an Forschungseinrichtungen. Auch hier wird aber immer wieder nach Evaluation gefragt, und in einigen Bereichen sind sogar explizit Forschungsvorhaben Gegenstand der Förderpolitik. Beispielsweise findet, wie der Bundesforschungsbericht 2004 ausweist, im Rahmen des Programms „Lemkultur Kompetenzentwicklung" Grundlagenforschung zur Messung von Kompetenz statt.

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Schließlich hat der Bund, insbesondere das BMBF, eine Reihe von Gutachten, Expertisen und empirischen Erhebungen in Auftrag gegeben bzw. finanziert, welche für Teilbereiche der Empirischen Bildungsforschung in Deutschland von großer Bedeutung sind. Hierzu gehören regelmäßige Erhebungen unter Studierenden, die an der Universität Konstanz bzw. am Hochschulinformationssystem (Hannover) verantwortet werden, Längsschnittstudien zum lebenslangen Lernen, aber auch die bereits erwähnten internationalen Studien TIMSS, PISA und PIRLS, die vom BMBF mit finanziert wurden.

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Eckhard Klieme

4

Quantitative und qualitative Schwerpunkte

Die Bedeutung der Förderung durch unterschiedliche Stellen wird an Zahlen deutlich, die im Datenreport Erziehungswissenschaft 2004 zusammengetragen wurden. Mittels einer Umfrage bei Instituten und Forschungseinrichtungen wurden Umfang und Quelle der Drittmittel festgestellt. Der Datenreport kommt für den Zeitraum 1998 bis 2003 für (a) DFG-Förderung, (b) Förderung durch BMBF, (c) Förderung durch andere Bundesministerien und (d) Förderung durch Landesministerien jeweils auf Gesamtsummen, die in derselben Größenordnung liegen, nämlich zwischen 9 und 13 Mio. Euro. (Die KMK wird im Datenreport nicht als eigenständige Finanzierungsquelle genannt - vermutlich, weil sie nur stellvertretend für Länderministerien handelt.) Rechnet man die Drittmittel von Stiftungen, Wirtschaft, kommunalen Einrichtungen, EU, DAAD und aus dem Wissenschaftssektor selbst hinzu, kommt der Datenreport auf ein Gesamtvolumen von etwa 68 Mio. Euro für diese sechs Jahre. Da jedoch für nahezu die Hälfte der von den Autoren des Datenreports erfassten Forschungsprojekte keine Angaben über den Umfang der Förderung vorlagen, bilden die genannten Gesamtsummen die Verhältnisse nicht vollständig ab. Hinzu kommt, dass sich der Datenreport auf erziehungswissenschaftliche Forschung bezieht, die mit Bildungsforschung eine zwar große, aber nicht vollständige Überschneidung aufweist. Die Zahlen des Datenreports können daher bestenfalls dazu dienen, die Relation der unterschiedlichen Förderquellen abzuschätzen. Eine solche relationale Abschätzung ergibt: Zwei Drittel der Projektbudgets für erziehungswissenschaftliche Forschung werden von staatlichen Auftraggebern finanziert, und zwar ein Drittel vom Bund (BMBF und andere Ministerien), ein Drittel durch die Länder sowie zu geringeren Teilen durch EU und BLK. Zusammengenommen liegt das Auftrags- und Fördervolumen staatlicher Einrichtungen - BLK, Länder/KMK, Bund, EU sowie kommunale und regionale Einrichtungen - etwa fünfmal so hoch wie die Zuwendungen der DFG. Allein die Förderung durch Bundes- und Landesministerien macht zusammen etwa 50 Prozent der Drittmittel in der Erziehungswissenschaft aus. Dies zeigt - bei aller Unsicherheit der Datenbasis -, dass staatliche und zumal gesamtstaatliche Förderung quantitativ für die erziehungswissenschaftliche (und somit Bildungs-JForschung von großer Bedeutung ist. Ebenso wichtig sind aber qualitative Wirkungen, wie sie anhand von Tabelle 1 illustriert werden können. Interessant und vermutlich folgenreich für die Struktur der Bildungsforschung ist die Tatsache, dass je nach Geldgeber Projekte unterschiedlicher Größe gefördert werden. Die Bundesministerien sowie die Bund-Länder-Kommission fördern ganz offensichtlich primär Großprojekte, während DFG und Landesministerien ihre Fördermittel auf eine größere Zahl von Projekten aufteilen. Dies kann zum einen im Sinne einer „Arbeitsteilung" zwischen verschiedenen Geldgebern verstanden werden, ist aber sicherlich auch verbunden mit einer Fokussierung unterschiedlicher Themen, Arbeitsformen, letztendlich auch wissenschaftlicher Paradigmen. Beispielsweise setzen die finanzierenden Stellen unterschiedliche Schwerpunkte in Teildisziplinen der Erziehungswissenschaft, was durch die Zuständigkeit von Bund und Ländern für verschiedene Teile des Bildungssystems mit bedingt ist (vgl. Angaben in Tabelle 1, die auf einer Klassifikation der erfragten Projektthemen beruhen). 102

Gesamtstaatliche Förderprogramme:

BLK/KMK/Bund

Tabelle 1: Drittmittelförderung in der Erziehungswissenschaft in den Jahren 1998 bis 2003. (Daten aus Kraul, Schulzeck & Weishaupt, 2004, S. 113) Drittmittelgeber

Anzahl Projekte

Fördermittel pro Projekt

Schwerpunkt nach Zahl der Projekte

BMBF

69

266.000

Medien, Berufspädagogik, interkulturelle Pädagogik, Erwachsenenbildung

Andere Bundesministerien

33

453.000

Berufspädagogik, Sozialpädagogik

BLK, Bund

23

309.000

Berufspädagogik, Schulforschung

EU

40

183.000

Berufspädagogik

Landesministerien

171

122.000

Schulforschung, Sozialpädagogik, Berufspädagogik

DFG

123

136.000

Historische Bildungsforschung, Schulforschung, Sozialisationsforschung

80

97.000

Stiftungen

5

Schulforschung

Nutzen und Probleme der staatlichen Forschungsprogramme und Auftragsprojekte

Die Förderung der Bildungsforschung durch (gesamt-) staatliche Einrichtungen hat, wie schon die Beispiele TIMSS und PISA zeigen, sehr starke Impulse zur Weiterentwicklung der Bildungsforschung gegeben. Zugleich findet aber auch eine (wohl eher implizite) Schwerpunktsetzung statt, die in Zukunft im Interesse einer systematischen Weiterentwicklung der Bildungsforschung und einer koordinierten Förderung durch verschiedene Geldgeber reflektiert und gesteuert werden sollte. Bestimmte Forschungsgebiete wie die Medienforschung oder die Schulleistungsforschung hätten ohne staatliche Aufträge vermutlich geringere Entwicklungschancen. Einzelne Teildisziplinen, etwa die Berufs- und Wirtschaftspädagogik, profitieren von der vergleichsweise guten finanziellen Ausstattung, die auf Bundesund EU-Ebene zugänglich ist. Auch bestimmte Forschungstypen werden aufgrund des hohen Anteils staatlicher Gelder an den Drittmitteln gestärkt, etwa die praxisnahe Design- und Interventionsforschung. Staatliche Förderung konzentriert sich auch eher auf umfangreiche Projekte. Dies stützt zum einen interdisziplinäre Forschungsverbünde und Konsortien, stärkt somit die Kooperation zwischen verschiede-

103

Eckhard

Klieme

nen Teilbereichen der Bildungsforschung und hilft, neues Wissen an unterschiedlichen Standorten zu verbreiten und zu nutzen. Zum anderen bedeutet es, dass die Vorhaben mit einem vergleichsweise hohen Aufwand im methodischen Bereich durchgeführt werden können und so neue Qualitätsstandards ermöglichen, wie man exemplarisch an der Entwicklung der Schulforschung in Deutschland in den letzten 10 Jahren ablesen kann. Besondere Bedeutung hat die Auftragsforschung zudem für eine Einbindung in internationale Aktivitäten. Durch TIMSS und PISA ist die deutsche Schulforschung deutlich stärker an den internationalen Forschungsstand herangerückt, was sich u. a. in der Verantwortung für internationale Aufgaben bei PISA 2003 und PISA 2006 durch deutsche Wissenschaftler und Forschungsinstitute niederschlägt. Ob dies analog im Bereich der Berufs- und Wirtschaftspädagogik und der Erwachsenenbildung möglich ist, wird sich im Kontext neu geplanter internationaler Studien zeigen. Nicht zu vernachlässigen ist, dass gerade staatliche Aufträge den Bildungsforschern einen Zugang zum „Feld" auf unterschiedlichen Ebenen (Schulen und Klassen, Institutionen der Lehrerbildung, Ministerien und Lenkungsgremien) ermöglichen. Eine so extensive und zugleich intensive Erforschung von Lehr-Lern-Prozessen in schulischen Kontexten, wie sie gegenwärtig möglich ist, war der Bildungsforschung in den vorangehenden 20 Jahren weitgehend verwehrt. Eines der Probleme der staatlich unterstützten Bildungsforschung wird allerdings schnell deutlich, wenn man sie zu systematisieren versucht: Es ist in vielen Fällen schwer, zwischen Forschung, Evaluation, Gutachtenerstellung, Entwicklungsarbeit und direkten Serviceleistungen (z. B. Bereitstellung von politikrelevanten Informationen und Management von Innovationsvorhaben) zu unterscheiden. Die Kategorien sind fließend, die Rollen der Betroffenen oftmals nicht deutlich unterscheidbar. Dies ist ein klassisches Problem der so genannten Begleitforschung, die faktisch wohl immer schon überwiegend Beratung, Entwicklung und Evaluation geleistet hat. Die Vermischung von Aufgaben und Rollen ist in der Sache angelegt, wenn Veränderungen institutionalisierter Bildung untersucht werden sollen, wie es in der Praxis der Modellversuche, aber beispielsweise auch in der grundlagenorientierten Schulentwicklungsforschung der Fall ist. Eine klare Trennung zwischen Konzeptentwicklung und Programmkoordination einerseits, Evaluation/Forschung andererseits sowie die systematische (Meta-)Evaluation von Auftragsprojekten kann dazu beitragen, diese Vermischung aufzuheben. Evaluationsziele und forschungsbezogene Ziele sind jedoch durchaus vereinbar, wenn das Design einer Studie entsprechend differenziert ist. Auch in dieser Hinsicht ist die Implementation internationaler Schulleistungsstudien in Deutschland richtungweisend gewesen. Seit TIMSS, die unter Leitung von Jürgen Baumert in Deutschland zu einer Längsschnitt-Studie ausgebaut und systematisch mit Unterrichtsanalysen verknüpft wurde, ist es üblich, das internationale Design zu ergänzen durch den Ausbau des theoretischen Rahmens (z.B. Berücksichtigung ergänzender Bildungsziele im Testprofil, Einbeziehung zusätzlicher psychosozialer und unterrichtlicher Bedingungskonstellationen), durch die Erweiterung der Stichproben (z.B. Ländervergleich, Oversampling von Schulen mit starkem Migrantenanteil, Einbeziehung von Schulen mit spezifischen pädagogischen Konzepten), durch Ausbau der Instrumente (nationale Fragebögen, curricular valide Tests) und durch Einbeziehung weiterer Perspek104

Gesamtstaatliche

Förderprogramme:

BLK/KMK/Burtd

tiven (z.B. Lehrerbefragungen ergänzend zu Schüler- und Schulleiterbefragungen). Dadurch leisten diese Studien wesentlich mehr als ein deskriptives oder evaluativvergleichendes system monitoring; sie sind anschlussfähig an theoretische Fragestellungen und methodische Entwicklungen der pädagogischen, psychologischen und bildungssoziologischen Forschung und tragen zu deren Weiterentwicklung bei. Nach demselben Prinzip können auch weitere Auftragsvorhaben wie etwa die Begleitforschung zu Modellversuchsprogrammen wissenschaftlich fundiert und damit auch genutzt werden. Faktisch scheint dies noch nicht so weit realisiert, wie es wünschenswert wäre. Begleitforschung bzw. Evaluation ist häufig nur begrenzt aussagefähig - sei es, weil die zu evaluierenden Maßnahmen (Interventionen) nicht klar genug definiert und einheitlich realisiert sind, sondern wechselnden politisch-pragmatischen Überlegungen folgen, weil ihnen eine systematische theoretische Basis (eine „theory of action") fehlt, weil das Design zu schwach ist (z.B. keine echten Längsschnitte vorsieht oder sich auf die Befragung von Entscheidungsträgem beschränkt) oder weil die Bereitschaft nicht vorhanden ist, sich umfangreichen Untersuchungen zu stellen oder gar Maßnahmen in einem (quasi-)experimentellen Design vorgeben zu lassen. Paradoxerweise führt gerade die Erwartung der Auftraggeber, schnell handlungsrelevante Informationen gewinnen zu können, um beispielsweise Transfer- und Disseminationsprozesse aus Modellvorhaben heraus einleiten zu können, dazu, dass der Erkenntnisgewinn begrenzt bleibt, weil die Zeit, die materiellen Ressourcen und die Akzeptanz für ein aufwändigeres und somit aussagefähigeres Design fehlen.

6

Perspektiven

Staatliche Förderprogramme und Auftragsprojekte werden auch weiterhin von großer Bedeutung für die Entwicklung der Bildungsforschung sein. Sie sind eine wichtige Finanzierungsquelle und eröffnen Zugänge zum Feld, die sonst nicht erreichbar wären. Gerade die Förderung durch gesamtstaatliche Institutionen wie BLK, KMK und Bundesministerien ermöglicht komplexe Studien mit einem breiten Design, das sowohl für Evaluation bzw. system monitoring als auch für wissenschaftliche Ziele nutzbar ist. Zu fordern ist, dass bei Modellvorhaben - beispielsweise im Bereich der Schulentwicklung und der neuen Medien - deutlich zwischen Entwicklungs- und Managementaufgaben einerseits, Evaluation und begleitender Forschung andererseits unterschieden wird. Evaluation und Begleitforschung müssen wissenschaftlich anschlussfähig gemacht werden durch theoretische Fundierung der Interventionskonzepte und Erklärungsmodelle und durch aussagefähige Designs; die Ressourcen hierfür müssen sorgfältig geplant werden. Ein wesentliches Instrument für eine solche wissenschaftliche Stärkung von Evaluations- und Begleitforschungsvorhaben wären deren kompetitive Ausschreibung, ein hochrangiges wissenschaftliches Review-System bei der Vergabe von Aufträgen und eine systematische Meta-Evaluation. Der wissenschaftliche Nutzen politik- und praxisnaher Projekte würde sicherlich erhöht, wenn diese stärker mit der Grundlagenforschung, wie sie die DFG för105

Eckhard Klieme dert, vernetzt werden könnten. Wege hierzu sind Ergänzungen des Projektdesigns, die über DFG-Mittel finanziert werden (Beispiel: das mit PISA 2003 gekoppelte DFGProjekt „Koaktiv" am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, das Kompetenzen von Lehrpersonen untersucht), Sekundäranalysen von Datensätzen aus Anwendungsstudien unter grundlagenwissenschaftlicher Perspektive oder die Bearbeitung weiterführender Fragestellungen in einem DFG-Schwerpunktprogramm (Beispiel: BIQUA). Schließlich wäre denkbar, dass - wie in anderen Wissenschaftsbereichen erfolgreich erprobt - praxisbezogene Entwicklungsvorhaben und Grundlagenprojekte von vornherein gemeinsam, als Kombination von ministeriellem Entwicklungsprogramm und DFG-Schwerpunktprogramm geplant werden. Eine solche Kombination wird gegenwärtig im Themenfeld „Kompetenzdiagnostik" vorbereitet. Die „empirische Wende" der Bildungspolitik wird mit ihren Investitionen in Evaluation und system monitoring neue Datenquellen für die Bildungsforschung erschließen. Beispielsweise ist zu hoffen, dass die amtliche Statistik im Zuge der Bildungsberichterstattung wesentlich ausgebaut und wissenschaftlich ergiebiger wird. Ergänzende Projekte wie etwa ein nationales BUdungspanel können der Bildungsforschung ebenso starke Impulse geben wie es die Schulleistungsstudien der vergangenen Jahre getan haben. Eine große Chance für die Empirische Bildungsforschung stellt schließlich der Aufbau von Qualitätssicherungssystemen in verschiedenen Teilen des Bildungswesens dar, z.B. die Gründung des auf Schulen spezialisierten Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) der KMK und analoger Länderinstitute. Hier entsteht nicht nur ein wesentliches Arbeitsfeld für wissenschaftlich qualifiziertes Personal aus der Bildungsforschung. Es darf auch erwartet werden, dass die neuen Institute mehr als die pädagogischen Landesinstitute alter Prägung empirisch arbeiten und mit akademischen Einrichtungen kooperieren werden. Voraussetzung dafür ist, dass das Personal tatsächlich entsprechende Qualifikationen mitbringt und Standards wissenschaftlichen Arbeitens eingehalten werden.

Literatur Kraul, M., Schulzeck, U. & Weishaupt, H. (2004). Forschung und wissenschaftlicher Nachwuchs. In R. Tippelt, T. Rauschenbach & H. Weishaupt (Hrsg.), Datenreport Erziehungswissenschaft 2004 (S. 91-120). Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.

106

Statement zur Empirischen Bildungsforschung aus der Sicht der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) Jürgen Schlegel Bund-Länder-Kommission, Bonn

Die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung hat gemäß Art. 2 Nr. 7 des BLK-Abkommens u. a. den Auftrag, Vorhaben im Bereich der Bildungsforschung anzuregen und gegebenenfalls Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern über einzelne Vorhaben und Einrichtungen der Bildungsforschung und der Bildungsplanung von überregionaler Bedeutung vorzubereiten. Die BLK hat diesen Auftrag wahrgenommen und seit 1971 eine Vielzahl von Vorhaben der Bildungsforschung angeregt, gefördert und publiziert (siehe hierzu die Veröffentlichungsliste unter www.blk-bonn.de). Aus der letzten Zeit sei erinnert an wichtige Veröffentlichungen zur Berufsbildungsforschung. Bund und Länder fördern im BLK-Verfahren mit dem Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung, dem Deutschen Institut für Erwachsenenbildung, dem Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften an der Universität Kiel, dem Institut für Wissen und Medien GmbH und dem Institut für Wissensmedien Tübingen wichtige Einrichtungen der Bildungsforschung und des Services für die Bildungsforschung. Über die Förderung der Max-Planck-Gesellschaft fördern Bund und Länder im BLK-Verfahren auch das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. Die Kommission hat sich mit Beschluss vom 17. Juni 2002 nachdrücklich für eine stärkere Förderung der Bildungsforschung insbesondere im Hinblick auf die Ergebnisse der PISA-Studie und Ergebnisse des Forums Büdung ausgesprochen. Es hat in der Folge eine Reihe von Gesprächen zwischen der BLK und der DFG zu dieser Frage gegeben; dieses Expertengespräch griff diese Desiderate auf. Es ging der BLK im Jahr 2002 vor allem im Bereich der Forschung darum, Projekte zum Erwerb von Sprach-, Lese- und Schreibkompetenz und zu den Möglichkeiten der Prävention bei Sprachproblemen in der frühen Kindheit - auch bei Migrantenkindern - anzuregen sowie Projekte zur Entwicklung von Mess- und Bewertungsverfahren für Lese- und Schreibkompetenz. Es zeigt sich auch jetzt wieder, dass die von der BLK initiierten Modellversuche das geeignetste Instrument sind, um Bildungsforschung anzuregen. Gemeinsame Modellversuche von Bund und Ländern gibt es seit 1971. Diese BLK-Modellversuche sind keine Forschungsvorhaben der Empirischen Bildungsforschung, im günstigsten Falle bauen sie auf Forschungsergebnissen und 107

Jürgen

Schlegel

Hypothesen der Forschung auf; sie sind keine pädagogischen Experimente um ihrer selbst willen, keine Experimentierfelder zur Erprobung von verschiedenen, ggf. sogar kontrovers diskutierten Reformvorstellungen, nein, sie sind gedacht als wichtige und verlässliche Entscheidungshilfen für die Politik zur Vorbereitung von Entscheidungen, die den Regelbetrieb des Bildungswesens berühren. Gemeinsame Modellversuche von Bund und Ländern (BLK-Modellversuche) müssen daher von der Thematik so ausgerichtet sein, dass sie für eine Mehrzahl von Ländern und den Bund bildungspolitisch relevant sind, dass Bereitschaft auf Länderseite besteht, bei Gelingen der Versuche die Umsetzung in den Regelbetrieb zu betreiben und dass sie geeignet sind, flächendeckende Anwendung zu finden. Diese Zielsetzungen, die sich schon aus der Modellversuchsvereinbarung von 1971 erschließen lassen, ließen sich aber bei der Organisation der Modellversuche in der Form von Einzelmodellversuchen zum Teil nur sehr begrenzt realisieren: Die Modellversuche verloren, obwohl sie jeweils bestimmten thematisch festgelegten Förderbereichen zugeordnet waren, aufgrund ihrer Singularität zunehmend die Funktion von Hilfestellungen für bildungspolitische Entscheidungen in Bund und Ländern und wurden immer mehr zu „innovativen Inseln" engagierter Pädagogen in der Schule. Die Unverbundenheit der Modellversuche erschwerte in der Vergangenheit auch die Verlässlichkeit wissenschaftlicher Begleitung, die Ergebnissicherang und -systematisierung.

1

Neuordnung der Modellversuchsförderung 1998

Bund und Länder haben im Jahr 1998 die Notwendigkeit erkannt, der Ursprungszielsetzung der Modellversuchsförderung wieder näher zu kommen: Die in der Rahmenvereinbarung Modellversuche von 1971 vereinbarte BLK-Modellversuchsförderung wurde von der Förderung einzelner innovativer Vorhaben (Modellversuche) auf Programmförderung umgestellt. Im Zentrum steht nunmehr die politische Relevanz der pädagogischen Innovationen, gilt es Fragen nachzugehen und Innovationen zu initiieren, die sich den bildungspolitisch relevanten Fragen der Weiterentwicklung des Bildungssystems zuwenden sowie die Verbesserung der Nachhaltigkeit innovativer Ansätze aus den Modellversuchen in allen Bildungsbereichen. Die BLK-Modellversuchsprogramme basieren auf einem bildungspolitischen Konsens von Ländern und Bund in den Schwerpunktsetzungen und greifen Themenbereiche hoher schul- und hochschulpolitischer Aktualität auf. Die durch Programme zu bearbeitenden Schwerpunkte sind den im Konsens von Bund und Ländern bildungspolitisch definierten Reformprozessen zugeordnet, die inhaltlich aufeinander bezogenen Programmelemente und deren Bearbeitung sind in ihren Zielansprüchen abgestimmt und praxisbezogen.

108

Statement zur Empirischen

2

Bildungsiorschung

aus der Sicht der BLK

Beitrag der BLK-Modellversuchsprogramme zur Empirischen Bildungsforschung

Das koordinierte Vorgehen innerhalb der Programme bringt Ergebnisse hervor, die aufeinander beziehbar sind und einander ergänzen, die wichtige Impulse für die Schulentwicklung, damit für die Bildungsreform liefern und einen reichen Fundus für die Empirische Bildungsforschung darstellen. Bildungsforschung kann die zahlreichen Ergebnisse der BLK-Programme insgesamt auf ihre Ergebnisse für die Qualitätsverbesserung von Unterricht und Erziehung hin untersuchen und diese stärker als bisher für die Lehrerausbildung nutzen. Arbeitszusammenhänge und Diskurse sind ausgebaut worden und verbessern den Theorie-Praxis-Austausch zu gegenseitigem Nutzen. Im günstigen Fall wirken Modellversuchsprogramme auf die Bildungsforschung und hinein in die Lehre, Forschung durch Modellversuche und Auseinandersetzung in der Forschung mit Modellversuchsergebnissen intensivieren sich. Die in einigen Programmen ergänzend zu den Modellversuchen vergebenen Forschungsaufträge und Expertisen an Hochschullehrer/-innen und Forschungsinstitute stellen eine wichtige und ertragreiche Ergänzung des Instrumentariums zur Innovationsförderung dar und befördern die Arbeit in den Programmen. BLK-Programme bieten für die Empirische Bildungsforschung Betätigungsfelder sowohl zur schulbezogenen Arbeit als auch für die ganze Breite der Bildungsbereiche. Aber: Bildungsiorschung steht nicht im Zentrum der Programme, sondern die Innovationsprojekte in der Praxis und für die Praxis - jeweils mit wissenschaftlicher Begleitung und Evaluation. Insofern zielt die BLK mit ihrer Programmphilosophie auf Praxis Veränderung, baut „Leuchttürme" für Schulentwicklung auf, nimmt „best practice" gezielt in den Blick und hat den praxisbezogenen Transfer als wesentlichen Fokus der Arbeit.

3

Beitrag der Empirischen Bildungsforschung für die BLK-Modellversuchsprogramme

Der Anteil innerhalb von BLK-Programmen, der der BUdungsforschung zuzurechnen ist, lässt sich sowohl finanziell als auch inhaltlich nicht präzise bestimmen. Er wird aber unterschätzt, wenn nur die Mittel für wissenschaftliche Begleitforschungen zugrunde gelegt werden. Wissenschaftliche Expertisen, ergänzende Forschungsaufträge, Evaluationen in den Projekten und der Programme tragen insgesamt zur Qualitätssicherung der BLK-Modellversuchsprogramme bei und ergänzen das bisherige Instrumentarium in der Modellversuchsförderung. Überbückt man nur die letzten Jahre der BLK-Programmförderung, so ist die Mitwirkung der Empirischen Büdungsforschung in der BLK-Modellversuchsförderung sowohl programm- als auch projektbezogen nicht unerheblich. Eine zur Vorbereitung des Expertengesprächs zusammengestellte Liste von Bildungsforschungsvorhaben im Rahmen von Modellversuchsprogrammen umfasste immerhin sechs eng beschriebene Seiten und über 100 Titel für die Zeit seit 1998. 109

Jürgen

Schlegel

Die Evaluation von Modellversuchsprogrammen gehört inzwischen zum unverzichtbaren Bestandteil der Arbeit in den Programmen insgesamt und in den einzelnen Projekten, die in den Ländern durchgeführt werden. Es besteht der Anspruch und der Wille der Programmbeteiligten, die Programme konsequent auf ihre Wirkungen zur Qualitätsverbesserung von Bildung und Erziehung hin zu evaluieren. Zielvereinbarungen der Programmträger zur Evaluation und zur Steuerung der Projekte haben sich dabei ebenso bewährt wie die Herunterbrechung des komplexen Programmfeldes in greif- und bearbeitbare Handlungsfelder durch Modulbeschreibungen, Dossiers, Handreichungen u. ä. Die Forschung ist aber nicht nur bei der Begleitung und Evaluierung von Programmen beteiligt; sehr häufig bitten Bund und Länder die Wissenschaft, die durch politische Entscheidung in der BLK festgelegte Thematik - die in der Regel in einer sog. Expertise zusammengefasst ist - wissenschaftlich aufzuarbeiten, Defizite im Design zu benennen, Fragen zu präzisieren und Anregungen für die inhaltliche Gestaltung des Programms zu geben. Wissenschaft ist damit an der Vorbereitung, der Durchführung und der Ergebnisbewertung von Modellversuchsprogrammen beteiligt. Diese intensive Beteiligung der Bildungsforschung darf nicht dahingehend missinterpretiert werden, dass Modellversuchsprogramme primär im Interesse bildungswissenschaftlichen Erkenntnisgewinns sowie zur Vorbereitung politischer Entscheidung durchgeführt werden. Denn bildungswissenschaftliche Begleitung dient vor allem dazu, mehr Sicherheit über die Tauglichkeit des Programmdesigns, die Relevanz der gestellten Fragen und die Verlässlichkeit der gefundenen Ergebnisse zu erzielen. Daher fließt auch der bei weitem größte Teil der für Programme zur Verfügung stehenden Mittel in die wissenschaftliche Vorbereitung, Begleitung und Bewertung. Dennoch ist die Summe mit grob geschätzt etwa 5 bis 8 Prozent der Programmmittel für die wissenschaftliche Vorbereitung, Begleitung und Evaluation nicht unerheblich, wenn man in Rechnung stellt, dass im Durchschnitt die einzelnen Programme einen Förderumfang zwischen 10 und 13 Mio. Euro haben. Zunehmend wählt die BLK als Programmträger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit ihren jeweiligen Arbeitseinheiten aus. Noch werden in der Regel begrenzte Ausschreibungen vorgenommen, nicht zuletzt deshalb, weil wir annehmen, dass die Zahl der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich für Programmträgerschaften interessieren, immer noch sehr überschaubar ist. Nicht auszuschließen ist, dass Programmträger in einem Programm auch wissenschaftliche Begleitung im anderen Programm übernehmen. Hier müssen alle Beteiligten große Sorgfalt darauf verwenden, dass sich die Grenzen zwischen wissenschaftlicher Begleitung sowie Programmträgerschaft und Programmdurchführung nicht verwischen, dass nicht der Eindruck eines unzulässigen Zusammenspiels zwischen wissenschaftlicher Begleitung und Trägerschaft entsteht. Dabei ist durchaus selbstkritisch festzuhalten, dass Bund und Länder bei der Programmförderung derzeit kein Instrumentarium besitzen, ihrerseits die Validität und Qualität des Programmträgers, der wissenschaftlichen Begleitung und Vorbereitung sowie der Evaluation zu überprüfen bzw. überprüfen zu lassen.

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Statement zur Empirischen

Bildungsforschung

aus der Sicht der BLK

Fazit - Die BLK-Programmförderung hat die Zusammenarbeit zwischen Bildungsforschern und Vertretern der Schulpraxis und der Bildungsadministration auf eine neue Grundlage gestellt. Arbeitszusammenhänge und Diskurse sind ausgebaut worden und verbessern den Theorie-Praxis-Austausch zu gegenseitigem Nutzen. - BLK-Modellversuchsprogramme wirken auf Bildungsforschung und hinein in die Lehre. Forschung durch Modellversuche und Auseinandersetzung in der Forschung mit Modellversuchsergebnissen haben sich intensiviert. Die in einigen Programmen ergänzend zu den Modellversuchen (Projekten) vergebenen Forschungsaufträge und Expertisen an Hochschullehrer und Forschungsinstitute stellen eine wichtige und ertragreiche Ergänzung des Instrumentariums zur Innovationsförderung dar und befördern die Arbeit in den Programmen. - Bildungsforschung kümmert sich in BLK-Programmen in engagierter, verstehender Weise um die Praxis und leistet kompetente Beratung. Sie wird von beteiligten Lehrkräften als besonders förderlich eingeschätzt, wenn sie sich auf versuchsstützende Aktivitäten wie Beratung, Fortbildung und Information bezieht; eine ausschließlich wissenschaftliche Analyse wird von der Praxis als weniger hilfreiche Unterstützung gewertet. - Die Gestaltung der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Schulpraxis unter einem Thema erfolgt als Prozess des wechselseitigen Lernens. - Bildungsforschung hat in BLK-Programmen sowohl eine versuchsstützende, praxisorientierte Funktion als auch die Aufgaben der Analyse, Beschreibung und Bewertung des Innovationsvorhabens und ist somit eine breite empirische Basis für Forschung.

4

Folgerungen

- Die personelle Basis in der Bildungsforschung muss dringend verbreitert werden. Damit sind wir uns mit der DFG und ihren Gremien einig. Ich könnte mir vorstellen, dass die Wirksamkeit der Bildungsforschungsinitiative der DFG noch weiter gesteigert werden könnte, wenn man den vorhandenen außeruniversitären Bildungsforschungsinstituten mehr Möglichkeiten einräumte, in der Initiative federführend und beispielgebend in Kooperation mit Hochschulen mitzuwirken. - Wir wünschen uns, dass die Wissenschaft stärker wahrnimmt, dass das Instrument der Programmträgerschaft für Modellversuchsprogramme, die ihrerseits keine Forschungsvorhaben sind, eine Fülle von Möglichkeiten zu begleitender Forschung, zur Nachwuchsförderung und zur Feldvorbereitung für eigenständige Forschungsvorhaben bietet. - Es würde die Attraktivität von Programmträgerschaften nachdrücklich steigern, wenn Bund und Länder bereit wären, den Programmträgern mehr Einfluss auf die praktische Gestaltung der Programme einzuräumen und mehr Zeit gäben für die Entwicklung eines Programmdesigns und einer hierauf passenden verlässlichen wissenschaftlichen Begleitung. 111

Jürgen

Schlegel

- Wir wären dankbar, wenn wir den Sachverstand, der in der DFG und ihren Gremien versammelt ist, in Zukunft stärker nutzen dürften, um Validität und Qualität wissenschaftlicher Begleitung in Modellversuchsprogrammen nachzuweisen und zu einem allgemein anerkannten Qualitätssicherungsverfahren zu kommen, das letztlich auch dazu beitragen kann, die schulpraktischen und bildungspolitischen Erkenntnisse aus den Programmen schneller umzusetzen und in die Fläche zu transferieren. Die Modellversuchsprogramme, die Bund und Länder in der BLK initiieren, haben sich - das beweisen die Ergebnisse der ersten fünf abgeschlossenen Programme - im Zusammenspiel von Bund und Ländern, pädagogischer Praxis und Wissenschaft im Großen und Ganzen bewährt. Ich bin davon überzeugt, dass einer der Erfolgsgründe das Zusammenspiel so unterschiedlicher Partner bei der Ausgestaltung, Evaluierung sowie politischer und finanzieller Verantwortung derartiger Vorhaben ist. Sie sind für die Bildungsforschung ein außerordentlich wichtiges Forschungs- und Anwendungsfeld. Es wäre bedauerlich, wenn im Zuge der Föderalismusdiskussion dieses Instrument nicht mehr zur Verfügung stünde.

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Zur aktuellen Entwicklung der Empirischen Bildungsforschung aus Sicht der Kultusministerkonferenz (KMK) Angelika Hüfner Kultusministerkonferenz, Bonn

Bildungspolitik, Erziehungswissenschaft und pädagogische Praxis sind in den letzten Jahren stark durch die Ergebnisse vergleichender Bildungsforschung beeinflusst worden. Mit PISA 2000 hat sich die Bundesrepublik Deutschland erstmalig an umfassenden internationalen Schulleistungsstudien beteiligt. Damit wurde eine Entwicklung eingeleitet, die in vielfacher Hinsicht die Bildungslandschaft in Deutschland nachhaltig verändert hat. In der Vergangenheit fehlte es häufig an verlässlichen Daten, aber auch an verlässlichen Indikatoren für eine intersubjektiv nachvollziehbare Beschreibung pädagogischer Prozesse, insbesondere zur Ertragsfeststellung des Bildungswesens. Die deutsche Pädagogik lebte weithin von Postulaten, und das deutsche Bildungssystem war überwiegend durch inhaltliche Vorgaben gesteuert, festgelegt in Rahmenplänen, Lehrbüchern und Prüfungsnormen. Es hatte sich zu einem selbstreferenziellen System entwickelt, das Leistungsbeurteilungen, Fortkommen im System und Zugangsberechtigungen zu anschließenden Systemen an den introvertierten Kreislauf vorgegebener Inhalte und den Grad seiner Erfüllung knüpfte. Eine das Klassenzimmer oder die einzelne Schule übergreifende Qualitätskontrolle erfolgte außerhalb des Abiturs nur durch eine punktuell agierende Fachaufsicht, die in der Regel anlassbezogen als Dienstauf sieht tätig wurde. Rückmeldungen zur Optimierung von Lernsystemen waren da eher die Ausnahme, und die Öffentlichkeit war bei dieser Form der Qualitätsüberprüfung ohnehin ausgeschlossen. Diese ausschließlich interne Systemsteuerung hatte zu einem Verlust der Wahrnehmung von übergreifenden Standards und Qualitätsansprüchen geführt. Erst die ungünstigen Lernergebnisse deutscher Schülerinnen und Schüler haben in der Folge zu einem Wandel des gesellschaftlichen Qualifikationsbedarfs geführt und damit auch zu veränderten Fragestellungen für die Bildungsforschung. Durch PISA ist deutlich geworden, dass die Inputsteuerung allein nicht zu den erwünschten Ergebnissen im Bildungssystem führen würde. Die Ergebnisse der skandinavischen und einiger angloamerikanischen Länder stützen darüber hinaus die Vermutung, dass systematische Rechenschaftslegung, regelmäßige Schulleistungsstudien und ein dichtes Netz von Schulevaluationen, ausgerichtet an transparenten Normen, insgesamt zu höheren Leistungen führen. Eine outputorientierte Steuerung aber setzt die Erfassung eben dieses Outputs voraus. Die empirische Wende war eingeleitet. 113

Angelika

Hüfner

Viel ist seit PISA 2000 geschehen. Mit dem Konstanzer Beschluss von 1997 hatte die Konferenz der Kultusminister und Kultusministerinnen die Grundlage für ihre Teilnahme an der internationalen Schulleistungsstudie PISA bereitet. Mit dieser Entscheidung hat sich die Kultusministerkonferenz zu einer ernsthaften Prüfung der Stärken und Schwächen des deutschen Bildungssystems bekannt. Sie hat den Zirkelschluss aus inputorientierter Steuerung, pädagogisch Wünschbarem und unsicherer Zielerfüllung verlassen, um zu transparenten, nachvollziehbaren, quantitativen und qualitativen Feststellungen der Erträge von schulischer Bildungsarbeit zu kommen. Als die ernüchternden Ergebnisse Ende 2001 vorlagen, bestand in der Kultusministerkonferenz sehr schnell Einigkeit über das gemeinsame weitere Vorgehen. Es wurden sieben Handlungsfelder verabschiedet, auf die sich die Arbeit vorrangig konzentrieren soll, die Grundlagen der Bildungsberichterstattung für Deutschland wurden gelegt und die Gründung eines gemeinsamen Instituts der Länder zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen vorbereitet. Eine zentrale Bedeutung in diesem umfassenden System der Schulentwicklung durch Qualitätssicherung, Qualitätsentwicklung und Qualitätskontrolle aber kommt den Bildungsstandards zu. Bei der Entwicklung bundesweit gültiger Bildungsstandards hat sich die Kultusministerkonferenz für ein pragmatisches Vorgehen entschieden. Der Preis für diesen Pragmatismus war der Verzicht auf die Klärung aller direkten oder indirekten Rückwirkungen auf das BUdungssystem. Es handelt sich insofern um ein wohl- aber nicht letztbegründetes Verfahren, das davon ausgeht, dass die Arbeit an Bildungsstandards, ihre Entwicklung und Normierung ein längerfristiger Prozess sein wird. Im Mai 2002 wurde der Beschluss gefasst, die bestehende Vereinbarung über die „ Standards für den Mittleren Schulabschluss in den Fächern Deutsch, Mathematik und erste Fremdsprache" weiterzuentwickeln. Weiterentwickeln hieß in diesem Fall, die alten Standards aus ihrer tradierten Form herauszulösen, sie kompetenzbasiert neu zu gestalten und ihre Erreichbarkeit durch einen Aufgabenpool abzusichern. Die Erarbeitung von Standards wurde ausgeweitet auf den Primarbereich (Deutsch und Mathematik in der Jahrgangsstufe 4), den Hauptschulabschluss nach Jahrgangsstufe 9 sowie auf den Mittleren Schulabschluss in den Fächern Physik, Chemie und Biologie. Im Oktober 2002 wurde der Beschluss zu den Bildungsstandards nochmals erweitert. Er umfasst nun auch die Überprüfung der gesetzten Standards durch landesweite oder länderübergreifende Orientierungs- und Vergleichsarbeiten sowie das Controlling ihrer Einhaltung durch die Errichtung einer unabhängigen wissenschaftlichen Einrichtung der Länder. Sehr viel früher wäre eine solch radikale Umkehr der politischen Bildungssteuerung nicht möglich gewesen, weil erst mit der Öffnung in den skandinavischen und angloamerikanischen Bildungsraum hinein Instrumentarien, Verfahren, Methoden und empirisch arbeitende Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in ausreichender Zahl zur Verfügung standen, die auf anspruchsvolle Weise der Komplexität von Bildung, ihrem Erwerb und Controlling gerecht werden konnten. Empirische Bildungsforschung war lange genug eines der zentralen Desiderate der deutschen Pädagogik und harrte dringend der vertieften wissenschaftlichen Zuwendung. Im Juni 2004 wurde das „Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen Wissenschaftliche Einrichtung der Länder an der Humboldt-Universität zu Berlin" (IQB) gegründet. Zum ersten Mal in der Geschichte der Kultusministerkonferenz 114

Zur aktuellen Entwicklung der Empirischen

Bildungsforschung

wurde damit ein bundesweit tätiges, von den Ländern gemeinsam getragenes Institut errichtet. Die ersten empirischen Schritte dieses neuen Institutes werden die Operationalisierung der Bildungsstandards sowie die Erarbeitung eines differenzierten Kompetenzstufenmodells sein. Mittelfristige Zielsetzung ist es, in wissenschaftlicher Kooperation mit anderen Hochschulen und Forschungseinrichtungen den Anschluss an das internationale Leistungsniveau sicherzustellen und somit die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und des deutschen Bildungssystems zu stärken. Damit wird die KMK Forschungsaufträge im Bereich Empirischer Bildungsforschung vergeben und zur Stärkung dieses Wissenschaftszweiges beitragen. Mit der Einbeziehung einer Stiftungsprofessur für die Erarbeitung und Umsetzung computergesteuerter Leistungsüberprüfungen initiiert sie darüber hinaus die Etablierung neuer Forschungsschwerpunkte in Deutschland. National wird das neue Institut die Anstrengungen der Länder für eine gesteigerte Qualität in Unterricht und Schule unterstützen, den länderübergreifenden Austausch über Datenerhebungen und erhobene Daten sowie den Austausch der daraus abgeleiteten Maßnahmen stärken. International wird es sich einreihen in die wachsende Zahl bereits bestehender oder sich in Gründung befindender Evaluationsagenturen, die einen grenzüberschreitenden Leistungsabgleich ermöglichen und Rückmeldungen über Stärken und Schwächen des jeweiligen Bildungssystems erlauben. Unverzichtbarer Bestandteil eines systematischen, kriterienorientierten Bildungsmonitoring ist eine regelmäßige Bildungsberichterstattung, die Einsicht in Langzeitentwicklungen ermöglicht und notwendiges bildungspolitisches Steuerungswissen bereitstellt. Die Kultusministerkonferenz hat im Oktober 2003 einen ersten Bildungsbericht veröffentlicht. Erstellt wurde der „Bildungsbericht für Deutschland: Erste Befunde" von einem unabhängigen wissenschaftlichen Konsortium unter Federführung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) in Frankfurt am Main. Mit dieser Art der unabhängigen Bildungsberichterstattung hat die Kultusministerkonferenz Neuland betreten. Und es hat sich ausgezahlt. Die im Bericht aufgeführten Maßnahmen der Länder zur Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung machen deutlich, dass die Bildungspolitik in den Ländern die Herausforderungen im Rahmen der beschlossenen sieben Handlungsfelder tatsächlich aufgegriffen hat und zwar umfassend, aktiv und mit hohem Reformtempo. Mit anderen Worten, die Praxis der Selbstverpflichtung scheint zu greifen. Aufgabe der Empirischen Bildungsforschung wird in den kommenden Jahren auch sein, die Auswirkungen dieser Reformmaßnahmen empirisch zu überprüfen. Im März 2004 verständigten sich der Bund und die Länder darauf, künftig einen gemeinsamen Bildungsbericht für Deutschland herauszugeben. Dieser Bericht wird alle bildungsbiografischen Etappen - vom Elementarbereich bis zur Erwachsenenbüdung - umfassen und auf der Basis aussagekräftiger Indikatoren über Gegebenheiten und Entwicklungen im Bildungswesen informieren. Dabei werden international anerkannte Indikatorensysteme wie die in „Education at a Glance" verwendeten oder die „EU-Benchmarks" in die Entwicklung eines für Deutschland relevanten Indikatorenmodells einbezogen. Die Veröffentlichung des nächsten Bildungsberichts, der von einem unabhängigen wissenschaftlichen Konsortium erstellt werden wird, ist für 2006 vorgesehen.

115

Angelika

Hüfner

Deutlich wird, dass die Empirische Bildungsforschung auf dem besten Weg ist, sich zu einem wichtigen Partner der Bildungspolitik zu entwickeln. Die Wende zur outputorientierten Bildungssteuerung ist eingeleitet. Sie ist verbunden mit der Entlassung der Schulen aus der staatlichen Überregulierung und ihrer Freigabe für mehr Verantwortung in personeller, rechtlicher und pädagogischer Hinsicht. Gleichzeitig aber, nachdem die Akzeptanz Empirischer Bildungsforschung in der Bildungsadministration und Schulpraxis allmählich erreicht ist, werden mit steigenden qualitativen und quantitativen Ansprüchen der Praxis an die Theorie die Defizite in Universitäten und wissenschaftlichen Einrichtungen immer deutlicher. Die Aufholjagd in der Reetablierung empirischer Bildung in Forschung und Lehre ist noch keineswegs gewonnen. Strukturell fehlen nicht nur Professuren. Es fehlt der qualifiziert ausgebildete wissenschaftliche Nachwuchs, der die große Nachfrage nach Forschung, Beratung, Entwicklung und Durchführung empirischer Studien überhaupt leisten könnte. Es fehlen entsprechende Profil- und Schwerpunktbildungen an den Hochschulen, die Anziehungskraft für qualifizierte Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen auch aus dem Ausland entwickeln könnten. Auch die für viele Fragen der Empirischen Bildungsforschung unerlässlichen Fachdidaktiken wurden bei der finanziellen und strukturellen Neuorientierung der Hochschulen sträflich vernachlässigt. Von der einschlägigen Forschung und Lehre wird mehr Beratung, Unterstützung, Entwicklung und Implementation neuer Verfahren erwartet, als sie gegenwärtig leisten kann. Noch wird sehr viel Geld in große Bildungssurveys internationaler Konsortien investiert, werden punktuelle Vergleichsuntersuchungen großen Stils durchgeführt. Es fehlt an Längsschnittstudien wie LAU in Hamburg, aber auch an thematisch ausgerichteten Untersuchungen wie MARKUS in Rheinland-Pfalz und QuaSUM in Brandenburg. Es fehlen auch individuelle Regionaluntersuchungen, die schnell und ortsnah Rückmeldungen an Subsysteme geben können, die Umsetzungen getroffener Entscheidungen begleiten und kurzfristige Korrekturen ermöglichen. Und es fehlt natürlich an Geld. Aber um wie viel interessanter wäre es, statt des Vergleichs zwischen den Bildungssystemen der Länder den Vergleich zwischen solchen Stadtteilen in München, Berlin, Saarbrücken, dem Ruhrgebiet und Hamburg durchzuführen, die eine vergleichbare soziale Schichtung mit einem vergleichbaren Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund aufweisen. Und um wie viel aussagekräftiger könnten Bildungserträge der Schule miteinander ins Verhältnis gesetzt werden, wenn Bildungsforschung durch Unterrichtsbeobachtungen gestützt und die daraus abzuleitenden Veränderungen von Unterrichtskulturen durch empirisch erhobene Daten abgesichert werden könnten. Fazit Die Abkehr von nur postulierten Zielen in der Pädagogik ist vollzogen und empirische Untersuchungen haben sich zu einem wesentlichen Bestandteil der wissenschaftlichen Forschungspraxis, der Bildungspolitik und der Bildungssteuerung entwickelt. Mit der Inanspruchnahme der Instrumentarien wachsen die Wünsche und Anforderungen. Dem werden die Hochschulen in absehbarer Zeit in Quantität und Qualität nicht entsprechen können. Die im Jahre 2001 zwischen der DFG und der 116

Zur aktuellen

Entwicklung der Empirischen

Bildungsforschung

KMK abgestimmte Förderinitiative „Forschergruppen in der Empirischen Bildungsforschung" darf nicht in Vergessenheit geraten. Hier können Teilprojekte gefördert werden, neu zu berufender wissenschaftlicher Nachwuchs kann unterstützt und Gastwissenschaftler können geworben werden. Die Idee der Öffnung von Schule in die Wissenschaft hinein sollte stärker noch als bisher systematisch unterstützt werden, zum einen durch Abordnungen von Lehrkräften in die wissenschaftliche Arbeit, zum anderen durch forschungsfreundliche Regularien für den sog. Feldzugang für Empirische Bildungsforschung, z.B. durch die Benennung von Profil- oder Partnerschulen. Empirische Bildungsforschung sollte darüber hinaus originärer Bestandteil von Lehreraus- und Lehrerfortbildung werden und zur Professionalisierung des Berufsstandes beitragen. Wissenschaft und Praxis müssen eine neue ertragreiche Verbindung zu Gunsten einer datengestützten Schulentwicklung eingehen. Dazu bedarf es auch einer klugen Umleitung von Ressourcen. Denn trotz aller Bemühungen in den Ländern stehen die Reformen im deutschen Bildungssystem erst am Anfang, das ist der Kultusministerkonferenz wohl bewusst. Wir haben damit begonnen, uns einen Überblick zu verschaffen und die Rahmenbedingungen für erfolgreichen Büdungserwerb zu erforschen. Dem eigentlichen Kerngeschehen aber, dem Unterricht, haben wir uns noch nicht wirklich genähert.

117

Förderung der Empirischen Bildungsforschung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Veronika Pähl Bundesministerium für Bildung und Forschung, Berlin

Ein wesentlicher Teil der nationalen (Empirischen) Bildungsforschung wird von den zuständigen Ministerien des Bundes und der Länder initiiert und finanziert. Dabei hat in der Vergangenheit eine teilweise Verlagerung von Bildungsforschung aus den Universitäten und außeruniversitären (wissenschaftlichen) Forschungseinrichtungen in andere Einrichtungen (u.a. Landesinstitute und nachgeordnete Dienststellen bzw. Behörden) stattgefunden. Um angesichts dieser nur mittelfristig umkehrbaren Entwicklung zusätzliche Ressourcen zu erschließen, muss eine beabsichtigte Stärkung der Empirischen Bildungsforschung zwingend auch den Bereich der Ressort- und Auftragsforschung in den Blick nehmen. Das BMBF fördert Empirische Bildungsforschung (1) institutionell über die DFG, das BIBB, die MPG und einige WGL-Institute, (2) durch die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Empirische Bildungsforschung (u. a. durch wissenschaftliche Nachwuchsförderung, Verbesserung der informationellen Infrastruktur, Verbesserung des internationalen Austausches und der Vernetzung) und (3) im Rahmen seiner Ressortforschung. Absicht des BMBF ist es, diese unterschiedlichen Handlungsoptionen verstärkt und gezielt zu nutzen, um den Prozess der strukturellen und damit langfristigen Stärkung der Empirischen Bildungsforschung in Deutschland zu unterstützen. Ein besonderer Impuls wird dabei vom Aufbau einer unabhängigen, integrierten und umfassenden Bildungsberichterstattung ausgehen.

1

Schwerpunkte künftiger Förderung

Damit Empirische Bildungsforschung ihrer zentralen Aufgaben im Kontext einer wissensbasierten Reform des Bildimgssystems gerecht werden kann, beabsichtigt das BMBF im Rahmen seiner Zuständigkeiten vorrangig drei Handlungsstränge zu verfolgen: - Thematische Schwerpunktsetzungen im Rahmen der Ressortforschung, - Verbesserung der Rahmenbedingungen für Empirische Bildungsforschung, - Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung und -Sicherung sowie zur Nachwuchsförderung im Rahmen der Ressortforschung. 118

Förderung der Empirischen

2

Bildungsforschung

durch das BMBF

Thematische Schwerpunktsetzungen im Rahmen der Ressortforschung

Absicht des BMBF ist es, die verschiedenen Einzelaktivitäten im Bereich der (empirischen) Ressortforschung des BMBF zu Schwerpunkten zu bündeln. Priorität sollen dabei folgende Schwerpunkte haben: Systemsteuerung Die Beantwortung der Fragen danach, welches Wissen notwendig ist, um das Gesamtsystem und seine Teilsysteme (z. B. Schule, berufliche Bildung, Hochschule) erfolgreich steuern zu können und wie dieses Wissen generiert wird, ist ein zentrales Erkenntnisinteresse des BMBF. Ferner ist für eine wissensbasierte Bildungsreform notwendig zu klären, wie sich Innovationen im Bildungssystem erfolgreich initiieren und umsetzen lassen. Kompetenzentwicklung

und

Kompetenzmessung

Das Wissen um die Veränderung der Kompetenzen des Einzelnen (Kompetenzzuwachs, -Verlust, -Verschiebung) unter Einbeziehung von Kontextbedingungen ist eine wichtige Basis für Entscheidungen über bildungspolitische und bildungspraktische Interventionen. Eine verlässliche, empirische Grundlage steht dafür in ausreichendem Maße nicht zur Verfügung. Lernprozessgestaltung Mit Blick auf die Kompetenzentwicklung sind Fragen nach der Gestaltung und Effizienz von Lernprozessen von besonderer Bedeutung. Auch hier besteht erheblicher Bedarf an wissenschaftlicher Expertise. Professionalisierung

des

Personals

Reformen im Bildungswesen können nur dann erfolgreich sein, wenn diese durch die Fachkräfte vor Ort akzeptiert und adäquat umgesetzt werden können. Empirische Büdungsforschung muss klären, wie die notwendigen professionellen Handlungskompetenzen erworben und über das gesamte Berufsleben hinweg dauerhaft erhalten und ausgebaut werden können. Dabei werden diagnostische und methodische Kenntnisse und Fähigkeiten - ebenso wie die Bereitschaft und Fähigkeit zur professions- und institutionsübergreifenden Zusammenarbeit - immer bedeutsamer. Bild un gsökon omie Ebenfalls unzureichend ist die bildungsökonomische Forschung in Deutschland, die Erkenntnisse zum optimalen Einsatz der Mittel in der Bildung insbesondere unter mikro- und makroökonomischen Gesichtspunkten ermittelt. Zentral für künftige Forschungen in diesem Bereich wird es sein, wie auch soziale bzw. nichtmonetäre Erträge und Investitionen in die Analysen und Berechnungen einbezogen werden können. 119

Veronika Informations-

und Kommunikationstechnologien

Pähl (IuK) in der Bildung

Die IuK-Technologien - besonders E-Learning - enthalten - sinnvoll eingesetzt - ein enormes Innovations- und Optimierungspotenzial für das Bildungswesen. Sie können dazu beitragen, die traditionelle Wissensvermittlung zu modernisieren und ermöglichen aber auch ganz neue Lehr- und Lernformen. Bestandteil der BMBF-Aktivitäten in diesem Kontext ist es, damit verbundene Themen in der Forschung zu etablieren bzw. zu verstärken. Dies geschah im Rahmen einer ersten Förderphase durch Maßnahmen der Begleitforschung zur Contententwicklung und soll künftig gleichermaßen zum Kontext (Gestaltung von Prozessen und Infrastruktur) erfolgen. Ausbau der

Indikatorenforschung

Für den Aufbau einer nationalen Bildungsberichterstattung besteht in Deutschland ein erheblicher Nachholbedarf an systematischer Indikatorenforschung. Diese steht in engem Zusammenhang mit der Etablierung eines Bildungspanels (s. u.). Für eine bildungsbereichsübergreifende nationale Büdungsberichterstattung ist es erforderlich - so das Ergebnis eines Workshops mit empirischen Bildungsforschern im August 2002 -, aussagekräftige Indikatoren vor allem in den folgenden Bereichen zu entwickeln: - Disparitäten im Bildungssystem (bezogen auf Bildungsbeteiligung, Übergänge, Kompetenzen und soziostrukturelle Aspekte wie Sozialstatus, Migrationshintergrund, Geschlecht und Region), - Sicherung von Qualitätsstandards in Bezug auf Ergebnisse und Erträge (auf der Individualebene), - Lebenslanges Lernen (Entstehung von Bildungsbiografien und von Verläufen von Bildungsprozessen), - Bildung als Ressource in einem umfassenden Sinn (nicht nur skills, sondern u. a. Beiträge zur politischen Partizipation, zur Wohlfahrtssteigerung, zur Weiterbildungsbereitschaft etc.), - Personalentwicklung und Professionalisierung, - Qualität und Steuerung der Institutionen. Transferforschung Transfer als systematischer Prozess der Übersetzung von (z.B. in Modellversuchen entwickelten oder erprobten) Innovativen oder Wissensbeständen in jeweils anders geartete Anwendungskontexte ist noch immer ein weitgehendes Forschungsdesiderat. Trotz jahrzehntelanger Erfahrungen mit Modellversuchen und -programmen dominiert noch immer die Vorstellung, man müsse für eine Umsetzung in die Regelpraxis nur die Ergebnisse oder „good practice" dokumentieren und öffentlich zugänglich machen. Das BMBF beabsichtigt deshalb, zur Ausgestaltung einer eigenständigen (empirischen) Transferforschung auf der Basis eines Systemansatzes beizutragen.

120

Förderung der Empirischen

3

Bildungsforschung

durch das BMBF

Verbesserung der Rahmenbedingungen für Empirische Bildungsforschung

Aufbau eines

Bildungspanels

Der Zusammenhang von formalem, nonformalem und informellem Lernen und die individuelle Kompetenzentwicklung im Lebenslauf („Bildungsbiographien") - also über Institutionengrenzen und Altersstufen hinweg - ist weitgehend ein Desiderat der Empirischen Bildungsforschung in Deutschland. Bisher fehlt ein entsprechendes Bildungspanel. Kohorten-(Sequenz-)Studien, die zusätzlich mit experimentellen Arbeiten und gezielten Querschnittsstudien in Beziehung gesetzt werden, bieten die bisher noch fehlenden Möglichkeiten zur adäquaten Erfassung und Analyse individueller Bildungsprozesse unter Einbeziehung von Kontextbedingungen. Hinreichend groß und umfassend angelegte Längsschnittstudien können jedoch weder von der DFG allein finanziert noch von Einrichtungen der Bildungsforschung allein getragen werden. Ein solches Vorhaben lässt sich nur durch ein längerfristiges und auch in finanzieller Hinsicht starkes Engagement des Bundes (und der Länder) verwirklichen. Das BMBF beabsichtigt daher als zentrale Maßnahme den Aufbau eines Bildungspanels, um - einerseits mittel- und langfristig eine aussagekräftige Datenbasis für eine an „Büdung im Lebenslauf" orientierte Bildungsberichterstattung zu haben und - andererseits einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Empirische Bildungsforschung in Deutschland zu leisten. Die vorbereitenden Arbeiten zum Aufbau eines umfassenden Büdungspanels sollen in enger Abstimmung mit den Ländern und der DFG erfolgen. Da überdies gewährleistet sein sollte, dass Registerdaten (z.B. Sozialversicherungsdaten) mit Längsschnittdaten verknüpft werden können, wird das BMBF beispielsweise das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit sowie wegen ihrer einschlägigen Erfahrungen mit Längsschnittstudien und der notwendigen Vernetzung das DJI, das HIS, das DIW (wg. SOEP,) und ZUMA (wg. ALLBUS) in seine vorbereitenden Arbeiten einbeziehen. Auch bereits in die Wege geleitete Initiativen zur Etablierang von Längsschnittstudien, u. a. das „Programme sur les unpacts et l'adaptation aux changements climatiques" (PIACC) der OECD bzw. die nationalen Vorarbeiten dazu (Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie zu einem „LLL-Panel"), und die Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie zu einem „Berufsbildungs-PISA" bzw. laufende Studien im Bildungsbereich werden dabei selbstverständlich berücksichtigt. Verbesserung

des Zugangs zu Mikrodaten

für die

Bildungsforschung

Große, für die Bildungsforschung relevante Datenbestände sind für Forscher derzeit zum Teü nur im Einzelfall (Auftragsforschung), unter prohibitiv wirkenden Kosten und Bedingungen oder nach Ermessen des Datenproduzenten und Auftraggebers (Ressortforschung) zugänglich. Sie werden in der Regel nur als aggregierte Daten weitergegeben. Fortgeschrittene Analyseverfahren erfordern hingegen den Zugang zu Mikrodaten (Einzelangaben). Dabei können durch spezielle Bearbeitung der Ausgangs121

Veronika

Pähl

daten die Anforderungen des Datenschutzes berücksichtigt werden (faktische Anonymisierung). Der bisher eingeschränkte Zugang zu (Mikro-)Daten hemmt die Entwicklung einer qualitativ hochwertigen Bildungsforschung und wirkt sich zudem nachteilig auf die universitäre Lehre aus. Mit der Institutionalisierung des Sozioökonomischen Panels (SOEP) und der Förderung von Methodenprojekten zur Bereitstellung des Mikrozensus als faktisch anonymisierte „Scientific Use Files" hat das BMBF der Wissenschaft den Zugang zu bildungsrelevanten Mikrodaten bereits verstetigt und erheblich erleichtert. (Empirische Bildungs-JForschung wird für fundierte Analysen darüber hinaus Zugänge zu weiteren Mikrodaten und zu Daten vorhandener oder geplanter Längsschnittuntersuchungen benötigen. In diesem Zusammenhang ist auf die Einsetzung der Kommission für die Verbesserung der informationellen Infrastruktur (KVI), die Gründung eines Rates für Sozial- und Wirtschaftsdaten und die Finanzierung von Forschungsdatenzentren beim Statistischen Bundesamt, bei den Statistischen Landesämtern, dem IAB und den Rentenversicherungsträgern hinzuweisen. Der Gründungsausschuss eines Rates für Sozial- und Wirtschaftsdaten hat sich am 16.01.2004 in einem Fachgespräch mit Bildungsforschern (unter Beteiligung von KMK und Datenschutz) einen Eindruck über Mikrodatenbestände und Möglichkeiten des Datenzugangs mit Schwerpunkt Leistungsvergleiche und wissenschaftlich geforderte Längsschnittdaten verschaffen können. Empfehlungen eines künftigen Rates für Sozial- und Wirtschaftsdaten, die sich an das BMBF und darüber hinaus an weitere mit Bildungsdaten und ihrer wissenschaftlichen Nutzung befasste Institutionen richten, werden bei der Förderung der Empirischen Bildungsforschung durch das BMBF berücksichtigt.

4

Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung und -Sicherung sowie zur Nachwuchsförderung im Rahmen der Ressortforschung

Das BMBF wül die Förderung Empirischer Bildungsforschung im Rahmen seiner Ressortforschung so gestalten, dass sie den Wettbewerb zwischen Forschungseinrichtungen und Forschern verstärkt und strukturbildende Wirkung entfaltet. Eine strukturstärkende Wirkung soll insbesondere durch folgende Elemente erreicht werden: - Vergabe von Projekten vorrangig nach Begutachtung der Anträge durch Experten (angelehnt an die DFG-Qualitätsstandards) und Evaluation sämtlicher Forschungsvorhaben sowie des Gesamtrahmens, - Abschluss von Vereinbarungen bei der Auftragsvergabe, die eine spätere Weitergabe anonymisierter Mikrodaten zu wissenschaftlichen Zwecken gewährleisten, - Bindung der Auftragsvergabe an die Publikation der Ergebnisse als Einzelpublikation und in Fachzeitschriften, - Einbeziehung von Promotionsstellen. 122

Förderung der Empirischen

Bildungsforschung

durch das BMBF

Das BMBF geht davon aus, dass die benannten Absichten die Aktivitäten der DFG zur Stärkung der Empirischen Bildungsforschung sinnvoll ergänzen. Damit sie ihre intendierte Wirksamkeit in vollem Umfang entfalten können, wird das BMBF die beratende Unterstützung der scientific Community und der DFG suchen. Das DFGExpertengespräch am 11./12.06. 2004 hat eindrucksvoll gezeigt, wie ertragreich ein solcher Austausch für alle Beteiligten sein kann.

123

Kapitel 7 Schlussfolgerungen Die Zwischenbilanz der Förderinitiative „Forschergruppen in der Empirischen Bildungsforschung" zeigte einige Veränderungen in der Empirischen Bildungsforschung in Deutschland auf. So wurden zwei Forschergruppen eingerichtet und einige Einzelforschungsanträge in diesem Bereich bewilligt. Dennoch scheinen diese ersten positiven Ergebnisse weiteren Handlungsbedarf für Hochschule, Länder und DFG notwendig zu machen. So ist es wichtig, dass die Hochschule ein System der Qualitätsentwicklung und -Sicherung einführt, das sich an den internationalen Standards der Evaluation ausrichtet. Auch Strukturentwicklungsmaßnahmen zur Nachwuchsförderung und die Neugestaltung bzw. Modularisierung von Studiengängen ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Die Länder können diese Entwicklung an der Hochschule durch Evaluationen, Forschungsförderprogramme oder strukturbildende Maßnahmen zur Unterstützung des wissenschaftlichen Nachwuchses ebenfalls mittragen. Auch die DFG hat weitere Instrumente zur Verfügung, die begonnene Entwicklung durch Forschungsstipendien, wissenschaftliche Netzwerke und Sommerschulen zu stärken. Alle diese hier in Form von Schlussfolgerungen formulierten Maßnahmen sollen die Weiterentwicklung der Empirischen Bildungsforschung in Deutschland voranbringen.

Schlussfolgerungen mit Blick auf Hochschulen, Bund und Länder: Akzentsetzungen für die Empirische Bildungsforschung Jürgen Baumert Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin

1

Ausgangspunkte der Förderungsinitiative und Zwischenbilanz

Ausgangspunkt der Förderinitiative „Forschergruppen in der Empirischen Bildungsforschung", die im Jahre 2002 mit einer ersten Ausschreibung des Programms begonnen wurde, war die Diagnose einer andauernden Infrastrukturschwäche der Empirischen Bildungsforschung trotz einer proaktiven und keineswegs erfolglosen Förderungspolitik der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Folgen dieser Strukturschwäche seien die mangelnde Nachhaltigkeit von Förderungsmaßnahmen, die zwar einen forschungsintensiven Kern der Referenzdisziplinen stützten, aber nicht zu einem sich selbst tragenden Stabilisierungs- und Erweiterungsprozess geführt hätten. Die Infrastrukturschwäche werde ferner in der - allein schon quantitativ - unzureichenden Antwort der Bildungsforschung auf einen steigenden öffentlichen Wissensbedarf sichtbar, der latent wahrscheinlich schon längere Zeit vorhanden gewesen sei, aber durch die Ergebnisse der large scale assessments der letzten Jahre einen Artikulationsanlass gefunden habe. Eine weitere Facette der Strukturschwäche bestehe in dem zu steilen Gefälle zwischen außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die (sofern sie erfolgreich waren, in den letzten zehn Jahren einen substanziellen Modernisierungs- und Internationalisierungsprozess durchlaufen haben) und den mit Bildungsfragen befassten Hochschuleinrichtungen, für die eher ein strukturkonservatives Muster kennzeichnend sei. Im Einzelnen wurden folgende strukturelle Schwächen der Bildungsforschung wiederholt diagnostiziert: - Die mangelnde Intensität und Kontinuität in der Bearbeitung von Forschungsthemen: Dies gilt sowohl für die Breite und Tiefe der Fragestellungen als auch für die Dauer und Nachhaltigkeit ihrer Bearbeitung. Die vorherrschende Bindung der Forschung an einzelne Lehrstühle und variierende, in der Regel kurzfristige Projekte steht der Bildung von Kristallisationskemen im Wege und verhindert die Entstehung stabiler Forschungszentren. - Die unzureichende Planbarkeit von Nachwuchskarrieren und das Fehlen verlässlicher wissenschaftlicher Netzwerke: In Forschungsgebieten, in denen es nur 127

Jürgen

Baumert

wenige institutionell verankerte Arbeitsschwerpunkte mit hinreichender Sichtbarkeit und Stabilität gibt und dieser Mangel auch nicht durch standortübergreifende Netzwerke kompensiert wird, ist es für begabte junge Leute risikoreich und unattraktiv, eine wissenschaftliche Karriere anzulegen. Ein kritischer Abschnitt ist hier insbesondere der Übergang von der Predoc- zur Postdoc-Phase. - Der Mangel an qualifiziertem Nachwuchs bereits bei der Rekrutierung von Doktorandinnen und Doktoranden infolge von anhaltenden Ausbildungsdefiziten in der Erziehungswissenschaft, die als primäre Referenzdisziplin der Empirischen Bildungsforschung zu betrachten ist: Diese Ausbildungsmängel betreffen die gesamte methodische Grundlegung für die empirische Forschung. Nur in Ausnahmefällen können Absolventinnen und Absolventen erziehungswissenschaftlicher Studiengänge mit denen anderer sozialwissenschaftlicher Disziplinen konkurrieren. - Und schließlich zu wenige forschungsaktive Vorbilder in der universitären Erziehungswissenschaft, die der nachwachsenden Generation den Weg in eine international orientierte Forschungstätigkeit ebnen könnten. Auf diese Diagnose antwortet die DFG-Förderinitiative „Empirische Bildungsforschung" mit einem strukturbildenden Programm, das zu den mächtigen Förderungsinstrumenten der DFG gehört. Mit diesem Programm sollen die bisherigen Förderungsmaßnahmen ergänzt und gestützt werden, mit dem Ziel, die Bildung von universitären Forschungszentren zu fördern, die auch Knotenpunkte eines die Nachwuchsförderung und Nachwuchsplanung tragenden Netzwerks sein können. Die DFG hat für dieses Programm einen Beirat berufen, der nach zweijähriger Laufzeit der Initiative ein Expertengespräch angeregt hat, um eine Zwischenbilanz zu ziehen. Dieser erste kritische Rückblick soll mehrere Funktionen erfüllen. Die erste Aufgabe liegt auf der Hand; es sollte eine erste Analyse der Antragslage durch den Beirat vorgenommen werden, um zu prüfen, ob die Förderinitiative intentionsgemäß greift. Darüber hinaus sollte das Expertengespräch aber auch genutzt werden, um die Ausgangsdiagnose mit den Ergebnissen der jüngsten Strukturevaluationen der Erziehungswissenschaft/ Pädagogischen Psychologie in drei Bundesländern zu konfrontieren. Wenn man am Schluss des Expertengesprächs tentativ Schlussfolgerungen im Hinblick auf Hochschulen und Länder ziehen soll, ist es notwendig, die Ergebnisse der thematischen Schwerpunkte des Gesprächs unter dieser spezifischen Fragestellung noch einmal zu resümieren.

2

Gegenstand der Empirischen Bildungsforschung und Struktur der Referenzdisziplinen

Empirische Bildungsforschung ist nicht allein von der Methode, sondern auch ein vom Gegenstand her definiertes Feld. Gegenstand der Büdungsforschung ist die theoretisch geleitete Analyse von Voraussetzungen, Verläufen und Ergebnissen von BUdungsprozessen sowie deren Auswirkungen, über die Lebensspanne hinweg und auf individueller, institutioneller und gesellschaftlicher Ebene. Damit wird auch deutlich, dass Empirische Büdungsforschung ein multidisziplinäres Gebiet ist, an dem 128

Schlussfolgerungen

mit Blick auf Hochschulen, Bund und Länder

viele Fachgebiete beteiligt sind. Das Spektrum reicht von der Erziehungswissenschaft über die Psychologie, Soziologie, Politologie und Ökonomie bis hin zur Geschichtswissenschaft. Die zentrale Referenzdisziplin der Empirischen Bildungsforschung ist jedoch die Erziehungswissenschaft. Während Fragen der Bildungsforschung für andere beteiligte Disziplinen jeweils Spezialfragen darstellen, die bestenfalls in Teildisziplinen, wie der Pädagogischen Psychologie, Bildungssoziologie oder Bildungsökonomie institutionalisiert sind, sind die Themen der Bildungsforschung für alle Bereiche der Erziehungswissenschaft zentral. Dies heißt auch, dass Schwerpunktsetzungen in der Bildungsforschung für die verschiedenen Bezugsdisziplinen unterschiedlich attraktiv und unterschiedlich risikoreich sind. Während Schwerpunktbildungen in der Empirischen Bildungsforschung für die Soziologie oder Ökonomie gegenstandsspezifische Festlegungen über lange Zeit mit sich bringen, die keineswegs mit grundlegenden theoretischen oder besonders innovativen Fragestellungen der Disziplinen übereinstimmen müssen, beschränkt sich für die Erziehungswissenschaft die Festlegung im Wesentlichen auf ein empirisches Vorgehen bei hoher Variabilität und Rekombinierbarkeit von Fragestellungen und beteiligten Teildisziplinen. Ähnliches gilt auch für die Fachdidaktiken, wenn sie sich als Teil der Empirischen Bildungsforschung definieren und sich an Schwerpunktbildungen mit einem eigenen, speziellen Focus beteiligen. Dies bedeutet, dass eine strukturbildende Wirkung des Förderungsprogramms primär in der Erziehungswissenschaft und nur in Ausnahmefällen in anderen Referenzdisziplinen der Bildungsforschung zu erwarten ist, auch wenn sich an einem Standort mehrere Diszipünen an der Initiative beteiligen. Im Verlaufe ihrer Entwicklung ist die Erziehungswissenschaft - jedenfalls in Deutschland - aus ihrer dienenden Rolle in der Lehrerbildung herausgewachsen und hat sich zu einer ausdifferenzierten Disziplin entwickelt. Kindheit, Vorschule, Familie, Jugend, Berufs-, Weiter- und Erwachsenenbildung sind neue Arbeits- und Forschungsgebiete, die sich die Erziehungswissenschaft institutionell erschlossen hat. Auch die Sonderpädagogik hat sich über ein lehrerbildendes Fach hinaus entwickelt und bedient als moderne Rehabilitationswissenschaft breite Bereiche der außerschulischen Behindertenhilfe. Die normale Form der Disziplin lässt sich als Verschränkung von Gegenstandsbereichen, die in der Regel auch Studiengänge definieren, und repräsentativen Bearbeitungsmodi beschreiben. Zu den Gegenstandsbereichen gehören: (1) Schulpädagogik einschließlich Vor- und Grundschulpädagogik sowie allgemeine Didaktik, (2) Sonderpädagogik/Rehabilitationswissenschaft, (3) Sozialpädagogik und Pädagogik des außerschulischen Bereichs, (4) Berufs- und Wirtschaftspädagogik, (5) Erwachsenen- und Weiterbildung. Die dominanten Bearbeitungsformen sind mit den Methoden der Humanwissenschaften gegeben: philosophisch, historisch, vergleichend und empirisch - sei es qualitativ oder quantitativ. Sie finden ihre Institutionalisierung in der (1) Erziehungsphilosophie, Bildungstheorie und der allgemeinen/systematischen Pädagogik,

129

Jürgen

Baumert

(2) historischen Pädagogik, (3) vergleichenden und interkulturellen Pädagogik und (4) empirischen Pädagogik. Die Teile der Disziplin, die sich selbst der empirischen Pädagogik zuordnen, machen mit relativer Konstanz über die letzten beiden Jahrzehnte, je nach Strenge der Definition, zwischen 10 und 20 Prozent des Personalbestandes aus. Die Arbeiten eines guten Viertels der erziehungswissenschaftlichen Hochschullehrer und Hochschullehrerinnen gelten in der Nachfolge einer älteren historisch-systematischen Methodik heute Fragen der Geschichte von Erziehung und Erziehungswissenschaft, der Reflexion und Kritik von Normen und Werten sowie der theoretisch-begrifflichen Arbeit. Große Teile der Disziplinen fühlen sich ferner immer noch der Idee einer „praktischen Wissenschaft" verpflichtet, nach der Forschung von praktischen Fragen ausgehen und mit hermeneutisch entwickelten konstruktiven Vorschlägen zu einer akteurorientierten und handlungsnahen Verbesserung pädagogischer Praxis führen soll. Diese Matrixorganisation von Gegenstandsbereichen und Bearbeitungsmodi, Methoden und Reflexionsformen hat erhebliche Konsequenzen für die Forschungstätigkeit der Disziplin, da damit Präferenzen für die Wahl von Forschungsthemen und deren Bearbeitungsformen institutionalisiert werden. Die Gliederung in Gegenstandsbereiche definiert die Aufmerksamkeitsstruktur des Fachs für große Themenfelder. Innerhalb der Gegenstandsbereiche wirken die jeweiligen Bearbeitungsformen wiederum als Filter für spezifische Fragestellungen und als Standards für die Geltungsprüfung des Wissens. Daraus ergeben sich eine Reihe von Folgeproblemen, die für die Entwicklung der Empirischen Bildungsforschung von hoher Bedeutung sind. Mit der Konzentration der Aufmerksamkeit des Fachs auf definierte Gegenstandsbereiche geraten potenzielle Fragestellungen aus dem Blick, die Gegenstandsbereiche übergreifen und simultan unter unterschiedlichen Perspektiven bearbeitet werden müssen. Gleichzeitig wird es bei einer Ausdifferenzierung des Fachs an einem Standort und der damit einhergehenden personellen Ausdünnung der Teildisziplinen zunehmend schwieriger, die verfügbaren Ressourcen an einem Standort zu Forschungsschwerpunkten zu bündeln, um komplexere Fragestellungen, die einen höheren Personaleinsatz verlangen, über einen längeren Zeitraum hinweg intensiv bearbeiten zu können. Schließlich führt die Dominanz reflexiv-interpretativer Bearbeitungsformen und die damit vielfach verbundene Leitidee der in Einsamkeit und Freiheit arbeitenden Forscherpersönlichkeit zur Auswahl spezifischer Themen, die mit diesen methodischen Herangehensweisen und den Sozialformen der klassischen Universität korrespondieren. So kann es geschehen, dass Fragestellungen von hoher gesellschaftlicher Bedeutung, die der Bildungsforschung zuzuordnen sind und eindeutig in die Zuständigkeit der Erziehungswissenschaft fallen, aber quer zur internen Struktur des Fachs liegen oder einen empirischen Zugriff auf Realität verlangen oder nur in längerfristiger Kooperation mehrerer Personen bearbeitet werden können, faktisch unbearbeitet bleiben. So ist es nicht verwunderlich, dass die Bereiche, für die Müller in seinem Resümee der „Zwischenbilanz zur Förderinitiative Forschergruppen in der Empirischen Bildungsforschung" Aktivitätsdefizite identifiziert, entweder den weniger forschungs130

Schlussfolgerungen

mit Blick auf Hochschulen,

Bund und Länder

orientierten Teildisziplinen der Erziehungswissenschaft zuzurechnen sind oder in die Lücken zwischen den institutionalisierten Gegenstandsbereichen fallen oder aber von Teilen der Disziplin bearbeitet werden, denen empirische Forschung eher fremd ist. Dies gilt etwa für die fehlenden Projektvorschläge zu allgemeinen grundlagentheoretischen Problemen des Lehrens und Lernens und zu damit verbundenen Fragen der Schulorganisation, zum Verhältnis und zur Verschränkung von allgemeiner und beruflicher Bildung, für die Vernachlässigung von Fragen der Expansion und des institutionellen Wandels im postsekundären und tertiären Bildungsbereich, der Weiterbildung und des lebenslangen Lernens oder einer kulturvergleichenden Bildungsforschung. Schlussfolgerungen für die Hochschulen werden also diese Strukturprobleme zu berücksichtigen haben.

3

Resümee der Ergebnisse der Evaluationsverfahren in der Erziehungswissenschaft

Die knappen Berichte über die Strukturevaluation der Erziehungswissenschaft in drei Bundesländern geben trotz aller Länderbesonderheiten ein für die Forschung erstaunlich konsistentes Bild, das auch aussagekräftig für Förderungschancen und Förderungsnotwendigkeiten in der Empirischen Bildungsforschung ist.

3.1 Forschungsthemen und die Publikation von Ergebnissen Ein wichtiges Ergebnis der Evaluation der Erziehungswissenschaften in den drei Ländern ist die Feststellung, dass die mittlere wissenschaftliche Produktivität - soweit sie aus den Publikationsdaten ablesbar ist - sowohl auf der Hochschullehrer- als auch auf der Mitarbeiterebene beachtlich ist. Dennoch gibt es auch im Bereich der Themenwahl und wissenschaftlichen Produktivität strukturelle Probleme. Folgende Probleme werden insbesondere erwähnt: (1) Die Wahl der Forschungsthemen hänge in hohem Maße vom temporären Interesse einzelner Personen und den Gelegenheitsstrukturen regionaler Wissenschaftsförderung ab. Dies gelte auch und gerade für Standorte, an denen von der Personalausstattung her prinzipiell Schwerpunktbildungen in der Forschung möglich seien. Mittelfristig angelegte Standort- oder auch nur lehrstuhlbezogene Forschungsprogramme, die Themen bündeln, Nachwuchsförderung integrieren und Drittmitteleinwerbung berücksichtigten, gebe es kaum. (2) Systematische Forschungslücken zeigten sich vor allem bei den Themen, die nur längerfristig in Kooperation von mehreren Personen oder Standorten zu bearbeiten seien und eines empirischen Zugriffs bedürften. (3) Die durchaus beachtliche Publikationstätigkeit sei häufig adressatenunspezifisch und hinsichtlich der Publikationsorte unselektiv. Damit bleibt nach dem Ergebnis der Evaluation fraglich, ob die Adressaten in Wissenschaft und Praxis überhaupt 131

Jürgen Baumert erreicht würden. Die große Mehrheit der Publikationen durchlaufe keinen Begutachtungsprozess. Es fehle an geteilten Qualitätsstandards und einer funktionierenden Selbstkontrolle der Disziplin. Dies sind die Lücken und Schwächen, die sich auch im Antragsprofil der Förderungsinitiative widerspiegeln. Sie sind strukturbedingt und vom Entwicklungsstand der jeweiligen Teildisziplinen abhängig. Die Gutachten bringen mehr oder weniger explizit zum Ausdruck, dass ein längerfristiger Mentalitätswandel erforderlich sei, um in diesen Punkten Verbesserungen zu erreichen. Um den Wandlungsprozess zu befördern, bedürfe es allerdings einer unterstützenden Anreiz- und Sanktionsstruktur - innerhalb der Hochschulen und standortübergreifend. Es scheint geteilte Überzeugung zu sein, dass die periodische Evaluation nach Maßgabe transparenter Gütekriterien, eine Mittelzuweisung innerhalb der Standorte, die sich ebenfalls an diesen Gütekriterien orientiert, und die kontinuierliche Beobachtung und Dokumentation der Forschungsleistungen an einem Standort den Kern institutioneller Qualitätsentwicklung darstellen. Hier werden die Hochschulen in die Pflicht genommen. Um strukturbedingte Mängel mittelfristig auszugleichen, sollte jedoch darüber hinaus auch das System positiver Anreize ausgebaut werden. Dabei nehmen die Gutachter - übereinstimmend mit den Intentionen der Förderinitiative der DFG - Maßnahmen der Länder in den Blick, die geeignet sind, offenkundige Forschungslücken zu schließen und die Wettbewerbsfähigkeit und die Qualität der erziehungswissenschaftlichen Forschung durch strukturbildende Maßnahmen zu erhöhen.

3.2 Chancen des Generationenwechsels Die langfristige Entwicklung der Erziehungswissenschaft als einer Disziplin, die ihre Leistungsaufträge in der Forschung besser als bisher erfüllt, hängt zentral von der Personalplanung und Personalentwicklung ab. Dazu gehört eine an Leistungskriterien ausgerichtete Berufungspolitik, die Profil- und Schwerpunktbildung in der Forschung erlaubt. Eine verantwortungsvolle Berufungspolitik kann keine Abstriche am primären Kriterium der Forschungserfahrung und Forschungsleistung zulassen oder dieses durch - keineswegs unwichtige - Sekundärstandards wie z. B. Praxiserfahrung substituieren, auch wenn dies durch regulative Vorgaben von Bund und Ländern in Teilbereichen faktisch nahe gelegt wird. Gelingt es nicht, beim Generationenwechsel dieses Kriterium in einer international halbwegs akzeptablen Form durchzusetzen, wird eine Chance des Strukturwandels für lange Zeit vertan. Eine konsequente Beachtung dieses selbstverständlichen Gütemaßstabs wird die forschungsaktiven Teile der Disziplin und damit auch die Empirische Bildungsforschung - sei sie quantitativ oder qualitativ orientiert - stärken. Darüber hinaus weisen die Evaluationsberichte für zwei Länder ausdrücklich auf den Befund hin, dass die Berufungspolitik für das Fach Erziehungswissenschaft primär einer Logik der Studiengänge und Lehraufgaben folge, die nur in seltenen Fällen durch Überlegungen zur Ausbildung von Forschungsschwerpunkten ergänzt 132

Schlussfolgerungen

mit Blick auf Hochschulen,

Bund und Länder

werde. Damit würden die möglichen Forschungsleistungen der Standorte und ihre nationale und internationale Sicherheit strukturell begrenzt. Dieses werde am deutlichsten an den Standorten, die gut ausgebaut sind und über eine befriedigende Personalkapazität verfügen. Diese Evaluationsberichte machen auch darauf aufmerksam, dass erfolgreiche Schwerpunktbildung die Berufung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verlange, die sich in der Forschung konzentrierten, aber gleichwohl in der Lage und bereit seien, das Fach in der Lehre in größerer Breite zu vertreten.

3.3

Wissenschaftlicher Nachwuchs

Die Rekrutierung und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist in der Erziehungswissenschaft offensichtlich ein generelles Problem. Defizite bestehen nach den Befunden insbesondere in der methodischen Ausbildung, der Anleitung zur selbstständigen Forschungstätigkeit, der internationalen Orientierung, einem standardbewussten Publikationsverhalten und in der Institutionalisierung von Karrierepfaden, die dem Nachwuchs eine wissenschaftliche Berufsperspektive eröffnen. Es fehle nicht nur an Forschungsschwerpunkten, sondern auch an erfolgreichen Bemühungen, die vorhandenen Ressourcen standortübergreifend zu nutzen. Folgerichtig empfehlen die Gutachter standortübergreifende Maßnahmen, mit denen Kooperations- und Koordinationsgewinne erzielt werden können. Als eine weit verbreitete Schwäche erziehungswissenschaftlicher Hauptfachstudiengänge wird die unzureichende Methodenausbildung insbesondere im Bereich anspruchsvollerer quantitativ statistischer und qualitativer Verfahren diagnostiziert. Dies habe gravierende Nachteile für Absolventen, die eine wissenschaftliche Karriere anstrebten. Bei Bewerbungen um Positionen für den wissenschaftlichen Nachwuchs im Bereich Empirischer Bildungsforschung unterlägen sie in der Regel Konkurrenten, die aus sozialwissenschaftlichen Nachbardisziplinen kommen und methodisch besser ausgebildet seien. Die Empfehlungen der Gutachtergruppen weisen insbesondere auf die Möglichkeit des Lehrimports und die Nutzung der vorlesungsfreien Zeit zum Angebot von Sommerschulen in Kooperation mit ausländischen Hochschulen hin.

4

Zwischenbilanz der Förderinitiative

Eines der wichtigsten Ergebnisse der Zwischenbilanz ist der Befund, dass sich auf die bislang erfolgten drei Ausschreibungen insgesamt 30 Gruppen aus fast ebenso vielen Standorten mit Konzeptpapieren beworben haben und nach einer ersten Beratung eine nennenswerte Anzahl von Gruppen überarbeitete Voranträge eingereicht haben, in denen weit über 200 Einzelprojekte angedacht oder mehr oder weniger ausführlich ausgearbeitet waren (vgl. den Beitrag von Müller). Dies zeigt, dass die Förderinitiative tatsächlich den intendierten Effekt gehabt hat, an universitären 133

Jürgen Baumert Standorten das Problem der notwendigen Intensivierung Empirischer Bildungsforschung und der Schwerpunktbildung bewusst zu machen und vorhandene Kooperations- und Forschungsbereitschaft zu mobilisieren. Das System ist also durch positive Anreize dynamisierbar. Die Förderinitiative hat innerhalb von zwei Jahren zur Einrichtung von zwei Forschergruppen mit strukturbildender Wirkung geführt und an mehreren Standorten, die mit ihren Forschergruppenanträgen nicht zum Zuge gekommen sind, zu einer Verstärkung der im Normalverfahren geförderten Forschung beigetragen. Es ist noch offen, inwieweit vorgelegte Projektskizzen noch zu weiteren kleineren Forschungsanträgen führen. Die beiden erfolgreichen Standorte haben bezeichnenderweise qualitätsbewusste Neuberufungen zur Entwicklung einer kooperativen Forschungsinitiative genutzt. Die Größe eines Standorts allein ist keine hinreichende Voraussetzung, um eine Neuorientierung der Forschung im Sinne von Schwerpunktbildung und Verbesserung der Infrastruktur in Gang zu setzen. Sie kann sogar hinderlich sein, wenn verfestigte Strukturen fortgeschrieben und nicht aufgebrochen werden können. Insgesamt bewegt sich die Förderinitiative im vorgesehenen quantitativen Rahmen. Eine genauere Inspektion der Skizzen und Anträge, die entweder nicht ausgearbeitet wurden oder nicht zum Zuge kamen, zeigt in nicht wenigen Fällen eine erhebliche Diskrepanz zwischen den Qualitätsmaßstäben, die als internationaler Standard bei einer DFG-Förderung angelegt werden müssen und von denen es keine Abstriche geben kann, und der Selbsteinschätzung sowie den Erfolgserwartungen der Antragsteller. Die daraus entstehenden Enttäuschungen kann eine Forschungsförderungsorganisation, auch wenn sie ihr vielfältiges Instrumentarium zur Abmilderung intelligent einsetzt, nicht auffangen. Die in dieser Diskrepanz zum Ausdruck kommende Strukturschwäche insbesondere der Erziehungswissenschaft ist vielmehr eine dringende Herausforderung für die Qualitätsentwicklung an den einzelnen Hochschulen. Die Zwischenbilanz macht deutlich, dass die Förderinitiative in der Tat zu einer signifikanten Strukturbildung in der Bildungsforschung beiträgt und weiterhin beitragen kann. Sie zeigt aber auch die Grenzen dieses Instruments. Sie liegen (a) in der unterschiedlichen Bedeutung von Fragestellungen der Bildungsforschung für die einschlägigen Referenzdisziplinen, (b) in den infrastrukturellen Voraussetzungen an den einzelnen Standorten, (c) in den standortbedingten Personalkonstellationen, die im Wesentlichen nur durch gezielte Berufungspolitik beeinflusst werden können, und (d) in Mängeln der Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung an einzelnen Hochschulen. Eine Analyse des institutionellen Profils der Ideenskizzen, Voranträge und Anträge belegt, dass die Attraktivität der Förderinitiative für die Bezugsdisziplinen der BUdungsforschung durchaus unterschiedlich ist. Sie hängt maßgeblich davon ab, inwieweit Themen und Fragestellungen der Bildungsforschung mit den zentralen Forschungsfragen einer Disziplin zusammenfallen. Hier zeigt sich, dass die Erziehungswissenschaft in der Tat die primäre Referenzdisziplin der Bildungsforschung ist. Von den anderen Disziplinen kann am ehesten die Pädagogische Psychologie, sofern sie an einem Standort gut etabliert ist, einen Kristallisationskern für ein Zentrum der Bildungsforschung bilden. Soweit die Anträge oder Voranträge aus der Erziehungswis-

134

Schlussfolgerungen

mit Blick auf Hochschulen,

Bund und Länder

senschaft kommen, bilden sie die Forschungsstärke von Teildisziplinen und die institutionell angelegte thematische Selektivität des Fachs ab. Dies alles sind Grenzen, die nicht leicht zu überwinden sind.

5

Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Hochschulen

Versucht man, aus den Resümees der Evaluationsberichte und der Zwischenbilanz der Förderinitiative Schlussfolgerungen für die Hochschule zu ziehen, so drängt sich als Erstes der Eindruck auf, dass die infrastrukturellen Schwächen der Empirischen Bildungsforschung nur langfristig in einem Zusammenspiel von Forschungsförderungsagenturen, Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Bund und Ländern beseitigt werden können, und dies auch nur dann, wenn eine Vielzahl von Instrumenten gleichzeitig genutzt wird und die Bemühungen kontinuierlich über längere Zeit hinweg durchgehalten werden. Speziell für die Hochschulen heißt dies Folgendes: Um den notwendigen Mentalitätswandel zu fördern und ein gemeinsames Qualitätsbewusstsein zu stärken, ist wahrscheinlich die Einführung eines Systems der Qualitätsentwicklung, das auf regelmäßiger interner und externer Evaluation von Forschung und Lehre beruht, ein zentrales Instrument. Die periodische Evaluation nach Maßgabe transparenter und international akzeptierter Gütekriterien, eine Mittelzuweisung innerhalb der Standorte, die sich ebenfalls an diesen Gütekriterien orientiert und die kontinuierliche Beobachtung und Dokumentation der Forschungsleistungen sind der Kern institutioneller Qualitätsentwicklung. Zu den Gütekriterien gehören unter anderem die wissenschaftliche Produktivität, insbesondere die Qualität der Forschungsleistung, Schwerpunktbildung in Form von Forschungsprogrammen, Erfolg im Einwerben von kompetitiven Drittmitteln, Qualitätssteigerung bei der Ausbüdung des wissenschaftlichen Nachwuchses und standortübergreifende Nachwuchsförderung. Wie wichtig und dringend diese Maßnahmen sind, zeigt die in der Förderinitiative zum Ausdruck gekommene Spannung zwischen Bewilligungsvoraussetzungen und der subjektiv wahrgenommenen Erfolgswahrscheinlichkeit interessierter Wissenschaftlergruppen. Diese Diskrepanz zu schließen, ist eine Aufgabe der Hochschulen, die diesen keine Forschungsförderungseinrichtungen und schon gar nicht die DFG abnehmen können. Dafür, dass qualitätssichernde und qualitätsentwickelnde Maßnahmen auf fruchtbaren Boden fallen, spricht der Mobilisierungseffekt, den die Förderinitiative auslöste. Ein wichtiges Instrument zur Verstärkung der Infrastruktur der Empirischen Büdungsforschung kann der sich zur Zeit vollziehende oder anstehende Generationenwechsel in der Erziehungswissenschaft sein. Die Berufungspolitik sollte sich in diesem Fach stärker als bisher an der Intensivierung der Forschung und einer Profil- und Schwerpunktbildung ausrichten. Dafür ist es notwendig, dass das Fach an den einzelnen Standorten Entwicklungsplanungen vorlegt, die mit den Plänen zur Strukturentwicklung der gesamten Hochschule abgestimmt sind. Es kann keine Frage sein, dass bei Berufungen dieselben Gütekriterien anzulegen sind, die bei der Evaluation der wissenschaftlichen Einrichtungen eine Rolle spielen sollen. In den Berufungskommis135

Jürgen

Baumert

sionen sollten deshalb grundsätzlich auswärtige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, möglichst auch aus dem Ausland vertreten sein. Um den Mangel an systematischer Nachwuchsförderung zu beheben, muss bei der Neugestaltung der Studiengänge und ihrer Modularisierung dringend für eine moderne Methodenausbildung gesorgt werden - insbesondere in den Bereichen anspruchsvoller quantitativ-statistischer und qualitativer Verfahren und theoretisch angeleiteter Forschungsplanung. Um auch bei der neuen Studienstruktur Personen aus der Berufspraxis für eine wissenschaftliche Laufbahn zu gewinnen, können an einzelnen Hochschulen spezielle Programme für deren Qualifizierung angeboten werden. Bei der Verbesserung der Methodenausbildung und der Doktorandenförderung werden die Hochschulen um standortübergreifende Lösungen nicht herumkommen.

6

Schlussfolgerungen für stabilisierende Maßnahmen von Bund und Ländern

Wenn Bund und Länder an einer Stärkung der Empirischen Bildungsforschung interessiert sind, um dem offensichtlichen Bedarf an Wissen über Prozesse und Strukturen und deren Veränderung im Bildungssystem zu entsprechen, wird Regelungs- und Handlungsbedarf in mehrerer Hinsicht sichtbar. Erkennbar wird aber auch, dass eine Reihe von Ländern bereits in Erfolg versprechender Weise tätig geworden sind. Mehrere Länder haben mit der Evaluation der Erziehungswissenschaft erste Schritte zur Entwicklung eines Systems der Qualitätsentwicklung auch für die Empirische Bildungsforschung unternommen. Hier sind Verstetigung und Optimierung notwendig, vielleicht auch Zielvereinbarungen mit den Hochschulen. Insbesondere ist deutlich geworden, dass ein expliziter Ausweis der Gütekriterien der Evaluation als Orientierung für die Hochschulen erforderlich ist. Um thematische Forschungslücken zu schließen und die Qualität der Empirischen Bildungsforschung zu erhöhen, können länderspezifische Forschungsförderungsprogramme ein Instrument sein, das die DFG-Förderung im Normalverfahren regionalspezifisch unterstützen kann. Im Rahmen dieser Programme sollte sich die Mittelvergabe auf kooperative und standortübergreifende Forschungsvorhaben konzentrieren, die mit Maßnahmen der Nachwuchsförderung verknüpft sind. Eine Mittelbewilligung sollte nicht ohne unabhängige Begutachtung möglich sein und bei größeren Vorhaben gestaffelt erfolgen, sodass die standardbewusste Publikationstätigkeit Voraussetzung für die Weiterförderung werden kann. Dies heißt für manche Länder zurückhaltender mit einer Ressortforschung umzugehen, die kurzfristigen Ad-hoc-Fragestellungen - nicht selten mit Bestätigungsanliegen - folgt und auf eine externe Begutachtung verzichtet. Der Beitrag des Bundes zum Expertengespräch (vgl. den Beitrag von Pähl) skizziert eine Erfolg versprechende Neuorientierung der Ressortförderung, die das legitime politische Interesse mit strukturbildenden Maßnahmen zur Förderung der Bildungsforschung in einer Weise zu verbinden sucht, die durchaus mit den Bemühungen der DFG kompatibel ist. Im Hinblick auf die Verbesserung der Nachwuchsförderung für die Empirische Bildungsforschung können die Länder Entwicklungshilfe leisten, indem sie beim Auf136

Schlussfolgerungen

mit Blick auf Hochschulen,

Bund und Länder

bau standortübergreifender Förderungsstrukturen für die Doktoranden- und Postdoktorandenausbildung helfen. Ausländische und außeruniversitäre Vorbilder standortübergreifender Research Schools fordern hier zur Nachahmung auf. Auch bei anstehenden Berufungsverfahren können die Länder die Arbeit der Hochschulen unterstützen, indem sie die Zusammensetzung der Kommissionen und die verfahrensmäßige Einhaltung von Gütestandards beobachten und systematisch auf Intemationalisierung drängen. Die Zwischenbilanz der Förderinitiative hat aber auch verdeutlicht, dass es Bereiche gibt, wo einzelne Länder überfordert und koordinierte Anstrengungen auf nationaler Ebene erforderlich sind. Beispiele sind eine forschungsbasierte Bildungsberichterstattung und die Entwicklung eines nationalen Bildungspanels. Beides können Instramente sein, die neue Dynamik in die Entwicklung der Bildungsforschung bringen.

137

Erwünschte weitere Optionen und unerwünschte Nebeneffekte der Förderinitiative: Anmerkungen aus Sicht der Forschungsförderung Manfred Nießen Deutsche Forschungsgemeinschaft

Die folgenden Anmerkungen aus der Sicht der Forschungsförderung greifen zwei Aspekte auf, die in den Diskussionsbeiträgen des Expertengesprächs immer wieder angesprochen wurden: Zum einen die Tatsache, dass mit der Förderinitiative ein attraktives Angebot gemacht wurde, bei dem die überwiegende Mehrzahl der Interessenten jedoch nicht zum Zuge kam und kommt, also Enttäuschungen produziert wurden; zum anderen die Forderung nach systematischen Aktivitäten zur Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses und nach Netzwerkbildung.

1

Fördern und Fordern oder: Angebote und Enttäuschungen

Förderinitiativen sind eine herausgehobene Form des programmatischen und strategischen Handelns in der Forschungsförderung durch die DFG. In der Regel sind sie Ergebnis einer Defizitanalyse. Förderinitiativen reagieren also auf grundlegende Schwächen in einem Wissenschaftsbereich; sie offerieren Anreize und Unterstützung, diese zu beheben bzw. Neuentwicklungen in Gang zu setzen. Weitgehende, über das übliche Maß hinausgehende Angebote und Möglichkeiten der Forschungsförderung richten sich also an ein Gebiet, in dem strukturelle Schwächen diagnostiziert wurden. Dies führt regelmäßig zu einem für Förderinitiativen typischen Dilemma: Die Tatsache der Förderinitiative selbst, das in ihr zum Ausdruck kommende Werben um Aktivitäten und die mit ihr verbundenen attraktiven Angebote wecken Erwartungen nach „leichterer" Erreichbarkeit von Unterstützung, die zudem umfangreich und attraktiv ist. Im Ergebnis bewerben sich Gruppen, Personen und Institutionen, die den für die Förderinitiative definierten Voraussetzungen nicht entsprechen. Das kaum zu vermeidende Dilemma von Förderinitiativen besteht also darin, dass sie Aktivitäten induzieren und ein Feld bewegen müssen, um erfolgreich zu sein, - dass dabei aber zugleich bei vielen Personen und Institutionen Erwartungen geweckt werden, die enttäuscht werden müssen. Das Hauptmissverständnis, welches den falschen Erwartungen und enttäuschten Hoffnungen zugrunde liegt, besteht in der Annahme, mit solchen Initiativen und Ausschreibungen sei ein leichterer Zugang zur Förderung verbunden, während doch 138

Erwünschte weitere Optionen und unerwünschte

Nebeneffekte

der

Förderinitiative

das Gegenteil der Fall ist: Nicht nur kann die DFG keine Kompromisse bei den üblichen Qualitätskriterien machen, vielmehr müssen die besonderen Unterstützungsmöglichkeiten einer Förderinitiative notwendigerweise verbunden sein mit besonderen Qualitätsanforderungen und Vorleistungen im Einzelfall. Förderinitiativen sind deshalb in besonderer Weise voraussetzungsreich. Es sind in der Regel mehr Vorleistungen als im üblichen Rahmen der Forschungsförderung zu erbringen, um erfolgreich zu sein - und zwar nicht nur inhaltliche, projektbezogene Vorleistungen, sondern auch solche institutioneller Art, z. B. Strukturentscheidungen. In der Förderinitiative „Forschergruppen in der Empirischen Bildungsforschung" trat teilweise ein zweites Missverständnis hinzu, nämlich, dass es sich um eine disziplinorientierte Initiative handele. So wurden gelegentlich Gesichtspunkte der Entwicklung der Erziehungswissenschaft, des Verhältnisses und der Gewichtung ihrer Teildisziplinen bzw. der Balance unterschiedlicher methodischer Zugangsweisen in Anschlag gebracht. Demgegenüber zielte die Förderinitiative von Beginn an auf die disziplinübergreifende Entwicklung eines Forschungsgebietes, sodass disziplinorientierte Gesichtspunkte in der Behandlung der Anträge nicht zur Geltung kamen und kommen. Auch dies muss zu zusätzlichen Enttäuschungen dort führen, wo in Begriffen der Disziplinentwicklung statt der Entwicklung eines Forschungsfeldes gedacht wird. Eine von Qualitätsmaßstäben geleitete Forschungsförderung kann also bei Programmen mit besonderen Angeboten erst recht keine Kompromisse bei diesen Qualitätsmaßstäben und den disziplinübergreifend geltenden Standards eingehen. Aus den genannten Gründen wird sie deshalb regelmäßig mit solchen Programmen einen Überschuss an Erwartungen und Aktivitäten wecken und demzufolge auch Enttäuschungen produzieren. Die entscheidende Frage ist, wie man mit den Initiativen umgeht, die auf diese Weise durch eine Förderinitiative induziert wurden, in ihr aber nicht zum Zuge kommen können. Die Hauptaufgabe besteht dabei darin, überall dort, wo sich Substanz zeigt, den Impetus für das Forschungsfeld zu erhalten. Aus diesem Grund wurden alle Gruppen, die sich mit einem Antragskonzept präsentiert haben, zunächst intensiv vom Wissenschaftlichen Beirat beraten. Nachfolgend betrachtete und betrachtet die Geschäftsstelle es als eine ihrer wichtigen Aufgaben, diese Beratung fortzusetzen und realistische Alternativen der Förderung zu erläutern - von Einzelanträgen über Antragspakete bis zu „normalen" Forschergruppen. In etlichen Fällen sind diese Möglichkeiten auch ergriffen worden.

2

Strukturbildung, Vernetzung und Nachwuchsförderung: Erweiterung der Instrumente?

Das Ziel der Förderinitiative „Forschergruppen in der Empirischen Bildungsforschung" besteht darin, Anreize und Unterstützung zur Strukturbildung zu geben: Strukturbildung vor Ort durch die Etablierung von sichtbaren Schwerpunkten Empirischer Bildungsforschung an einzelnen Hochschulen; Strukturbildung im Feld dadurch, dass durch eine größere Zahl sichtbarer Forschungszentren Netzwerkbildung 139

Manfred

Nießen

möglich wird, die Ausbildungskapazität für den wissenschaftlichen Nachwuchs sich entwickelt und die Karriereoptionen für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Feld sich verbessern. Strukturbildung und Vernetzung waren deshalb von Beginn an ausdrücklich mit dem Ziel der Nachwuchsförderung verknüpft. Quantitativ hat sich die Förderinitiative erwartungsgemäß entwickelt, wenn auch nicht im oberen Bereich der Erwartungen: Vier bis sechs Forschergruppen mit strukturbildenden Elementen innerhalb von ca. fünf Jahren waren die Zielerwartung. Auch wenn sich die Förderinitiative zur Mitte dieses Zeitraumes in genau dem erwarteten Rahmen bewegt, so geben die Beiträge während des Expertengespräches ebenso wie die Erörterungen im Wissenschaftlichen Beirat Anlass, über die Instrumentierung nachzudenken. Ich fasse die bisherige Zwischenbilanz wie folgt zusammen: Die Erwartung, dass als Folge der Etablierung weniger neuer Forschergruppen rasch spürbare Effekte in der Netzwerkbildung und in der forschungsorientierten Ausbildung und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sich ergeben, war möglicherweise zu optimistisch. Dies gilt auch angesichts der Tatsache, dass zu jeder eingerichteten Forschergruppe ein explizites Nachwuchsförderungskonzept gehört. Die Effekte der sukzessiven Einrichtung weniger Forschergruppen auf die Nachwuchsförderung im Feld insgesamt sind jedenfalls nur mit größerer Verzögerung zu erwarten. Die Frage ist deshalb, ob die Beschränkung der Förderinitiative auf nur ein - wenn auch sehr „mächtiges" - Instrument, nämlich die Forschergruppe, beibehalten werden soll. Wenn es um Vernetzung und Nachwuchsförderung geht, so verfügt die DFG über all die Instrumente, die implizit oder explizit in der Diskussion angesprochen wurden: Forschungsstipendien, wissenschaftliche Netzwerke, Sommerschulen. Es sind Instrumente, die jedem offen stehen, der einen Antrag stellen will, in der Regel also in typischerweise responsiv oder „bottom-up" zur Anwendung kommen. Aber: Nichts steht im Wege, diese Instrumente auch „strategisch" zu nutzen, sie also gezielt einzusetzen im Kontext eines Programms zur Unterstützung und Entwicklung eines Forschungsgebietes. Ich will dies jeweils am Beispiel kurz erläutern: Forschungsstipendien werden von promovierten Nachwuchswissenschaftlerinnen/Nachwuchswissenschaftlern individuell beantragt, um für bis zu zwei Jahre den Ort wechseln zu können, unabhängig ein Forschungsprojekt durchzuführen oder weitere Qualifikationen zu erwerben, z.B. sich in neue Methoden einzuarbeiten. Es ist leicht vorstellbar, dieses Instrument strategisch zu nutzen dadurch, dass ein Kontext geschaffen wird, in den die einzelnen Anträge und Personen eingebettet sind. Dies könnte z.B. wie folgt aussehen: Arbeitsgruppen und Institute in Deutschland, die auf thematisch verwandten Gebieten aktiv sind, bilden mit thematisch einschlägig arbeitenden Partnern im Ausland ein Netzwerk zum Austausch bzw. zur Aufnahme und Betreuung von Nachwuchskräften. Die beteiligten Partner wären bereit und darauf vorbereitet, qualifizierte Nachwuchskräfte, die ihre eigene Finanzierung mitbringen, aufzunehmen und zu betreuen. Die „entsendenden" Partner würden für diese Nachwuchskräfte eine Rückkehroption schaffen, damit die Investition auch Früchte trägt. „Antragstechnisch" wäre dies leicht umzusetzen: Mit dem Antrag auf ein Forschungsstipendium würde - wie bisher - die Bereitschaftserklärung der aufnehmenden Institution zur Aufnahme und Betreuung vorgelegt, die dann allerdings spezifischer im Hinblick auf den Kontext des Netzwerkes sein könnte. Dem Antrag 140

Erwünschte weitere Optionen und unerwünschte

Nebeneffekte

der

Förderinitiative

wäre ebenfalls beizufügen eine Stellungnahme der „entsendenden" Arbeitsgruppe, also des deutschen Betreuers, mit einem Gutachten zur Person und mit einer Erklärung zur Rückkehroption. Voraussetzung wäre also die Verabredung und Pflege von Netzwerken zwischen Arbeitsgruppen und Instituten einerseits, die bewusste Auswahl und Betreuung von Nachwuchskräften andererseits. Eine solche „strategische" Einbettung von Forschungsstipendien könnte für alle Beteiligten nur von Vorteil sein: für die Nachwuchskräfte selbst, die nicht nur eine gezieltere Vorbereitung und Betreuung erhielten, sondern auch eine Rückkehroption; für die beteiligten Arbeitsgruppen und Institute, für die sich die Investitionen in Personen mehr lohnen könnten. Auch wissenschaftliche Netzwerke wenden sich besonders an den wissenschaftlichen Nachwuchs und bieten ihm die Möglichkeit, unter Einbeziehung erfahrener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu einem definierten Thema eine Serie von Arbeitstreffen zu organisieren und zu finanzieren. Hier ist gleichfalls leicht vorstellbar, dieses Instrument im Kontext eines Programms zur Entwicklung eines Forschungsgebietes „strategisch" zu nutzen. Beispielsweise können Themen und Methoden identifiziert werden, zu denen die gemeinsame Arbeit einer definierten Gruppe von Nachwuchskräften zusammen mit einigen erfahrenen Personen besonders fruchtbar wäre - fruchtbar für die Qualifizierung der Nachwuchskräfte selbst, aber auch für den Aufbau und die Entwicklung von Kompetenz im Fach. „Antragstechnisch" müsste nicht viel verändert werden. In Verbindung mit dem Antrag wäre lediglich der „strategische" Kontext zu beschreiben, sodass diese Einbettung mit Gegenstand der Begutachtung und Entscheidungsfindung wäre. (In den Schwerpunktprogrammen „Bildungsqualität von Schule im mathematisch-naturwissenschaftlichem Unterricht" sowie „Netzbasierte Wissenskommunikation" gibt es erste Beispiele dafür.) Sommerschulen schließlich sind ein nicht allzu häufig genutztes Instrument der DFG, welches in ähnlicher Weise im Kontext eines Programms gestaltet werden könnte. Sommerschulen werden üblicherweise individuell geplant und beantragt. Sie können Teil der Aktivität von Schwerpunktprogrammen oder Forschergruppen sein und werden dann über deren Etat finanziert. Sie lassen sich jedoch auch als bewusstes Element einbetten in programmatische Aktivitäten zur Unterstützung und Entwicklung eines Forschungsgebietes. Dann wären sie mit Blick auf die Entwicklung dieses Gebiets vorzubereiten und anzubieten, aber auch zu begründen. Sommerschulen brauchen dann nicht als einmalige Aktivitäten angelegt zu werden, sondern es können aufeinander aufbauende oder einander ergänzende Veranstaltungen über die Zeit geplant werden. Auch hier wäre „antragstechnisch" die Differenz nicht groß. Lediglich der Kontext des Einzelantrages, d. h. seine Einbettung in die übergreifenderen Aktivitäten müsste dargelegt werden, um ihn in diesem Kontext dann zu beurteilen und über ihn zu entscheiden.

141

Manfred

3

Nießen

Resümee

Man muss also nicht neue Instrumente erfinden, um einen zusätzlichen Schwerpunkt bei der Nachwuchsförderung und der Vernetzung zu setzen. Man kann stattdessen bestehende Optionen nutzen. Zu diesen Optionen gehört übrigens auch die Einbeziehung der Forschergruppen in die Vernetzung, besser noch: ihre aktive und führende Rolle in einem solchen Prozess. Um diese Optionen „strategisch" zur Förderung und Entwicklung eines Forschungsgebiets zu nutzen, ist ein gehöriges Maß an Organisation (innerhalb) dieses Gebietes erforderlich. Fraglich ist, ob man dabei mit Aussicht auf Erfolg auf Selbstorganisation setzen kann. Alternativ könnte der Wissenschaftliche Beirat die Initiative ergreifen: Auf der Basis einer Zwischenbilanz notwendige Schritte definieren, sich - in Rückkopplung mit den Gremien der DFG - auf eine Erweiterung der Instrumente der Förderinitiative verständigen und entsprechende Aktivitäten initiieren. All dies natürlich nur, nachdem zuvor geprüft wurde, ob mit Blick auf das Feld eine solche Erweiterung der Initiative aussichtsreich ist. Was immer jedoch mit den Mitteln der Forschungsförderung über und durch die DFG getan wird, es kann nur Anstoß, Herausforderung und temporäre finanzielle Unterstützung sein für Veränderungen und Entwicklungen, die von den Hochschulen und Forschungseinrichtungen selbst getragen werden müssen.

142

Kapitel 8 Empfehlungen

Empfehlungen zur Stärkung und Förderung der Empirischen Bildungsforschung Der Beirat der DFG-Förderinitiative „Empirische Bildungsforschung"

Der vorliegende Band enthält Einschätzungen zur Lage der Empirischen Bildungsforschung in Deutschland. Zahlreiche Beiträge beschreiben darüber hinaus Herausforderungen und Entwicklungsperspektiven für die Empirische Bildungsforschung. Der Beirat der DFG-Förderinitiative „Empirische Bildungsforschung" will in diesem Schlusskapitel Erkenntnisse aus dem Expertengespräch und den schriftlichen Stellungnahmen zusammenfassen und einordnen, um auf dieser Grundlage Empfehlungen für eine weitere Förderung der Empirischen Bildungsforschung in Deutschland auszusprechen. Das Kapitel gliedert sich in drei Abschnitte. In der Einleitung skizziert der Beirat den Ausgangspunkt sowie den Orientierungsrahmen für seine Empfehlungen. Das zweite Teilkapitel analysiert den aktuellen Stand und Probleme der Empirischen Bildungsforschung in Deutschland. Vor diesem Hintergrund formuliert der Beirat im dritten Abschnitt einige Empfehlungen zur weiteren Förderung der Empirischen Bildungsforschung.

1

Ausgangspunkt und Orientierungsrahmen

Die DFG richtete vor drei Jahren die Förderinitiative „ Forschergruppen in der Empirischen Bildungsforschung" mit dem Ziel ein, die Empirische Bildungsforschung in Deutschland zu stärken. In der begründenden Stellungnahme weist eine Expertengruppe auf die große und weiter zunehmende Nachfrage nach Erkenntnissen der Empirischen Bildungsforschung hin. Obwohl der Empirischen Bildungsforschung innerhalb der DFG-Förderung durchaus eine gute Sichtbarkeit attestiert wird, besteht das Problem - so die Stellungnahme - einer zu schmalen Basis. Verantwortlich dafür sei ein Mangel an entsprechenden Profil- und Schwerpunktbildungen an den Hochschulen. Wie der Ausschreibungstext für die Forschergruppen betont, schließt die Förderinitiative strukturbildende Maßnahmen und Elemente mit ein. Der zur Begleitung der Initiative berufene Beirat sah deshalb von Beginn an seine Aufgabe darin, zu einer nachhaltigen strukturellen Stärkung der Empirischen Bildungsforschung beizutragen und seine Tätigkeit nicht allein auf die Beratung von Projektentwürfen zu beschrän145

Beirat der DFG-Förderinitiative

„Empirische

Bildungsforschung"

ken. In dieser Funktion schlug er der DFG nach einer zweijährigen Begleitung der Initiative vor, zu einem Expertengespräch über die Situation der Empirischen Bildungsforschung einzuladen, um eine Zwischenbilanz zu ziehen und gegebenenfalls ergänzende Maßnahmen anzuraten. In der Wahrnehmung dieser Rolle formuliert der Beirat nun Empfehlungen zur weiteren Förderung. Die Perspektive des Beirats lässt sich besser nachvollziehen, wenn die Gründe in Erinnerung gerufen werden, die dafür sprechen, einem Gebiet wie der Empirischen Bildungsforschung besondere Aufmerksamkeit - unter anderem in Form einer DFG-Förderinitiative - zukommen zu lassen. Tatsächlich gibt es ja zahlreiche weitere Forschungsgebiete, die ebenfalls erheblich von einer Förderinitiative profitieren könnten. Die Aufmerksamkeit für die Empirische Bildungsforschung hängt mit der wahrgenommenen Bedeutung ihres Gegenstandes zusammen. Die wichtigste Ressource einer dynamisch sich verändernden „Wissensgesellschaft", von der seit einiger Zeit auch in Deutschland gesprochen wird, ist Bildung. Inzwischen besteht breite Übereinstimmung, Bildung - das Lernen über die Lebensspanne - als einen entscheidenden Faktor für die individuelle wie für die gesellschaftliche Weiterentwicklung zu betrachten. Aufgrund der neu wahrgenommenen Funktion von Bildung nimmt das öffentliche Interesse an Bildung zu, vor allem wächst das Interesse der zuständigen Einrichtungen an einem fundierten Wissen über Bildung, also zum Beispiel über den erreichten Bildungsstand, über Voraussetzung und Bedingungen von Bildungsprozessen oder über Möglichkeiten, diese zielbezogen anzuregen und zu unterstützen. Es steigt damit die Nachfrage nach gesicherten Erkenntnissen aus der mit Bildung befassten Forschung. Viele der Fragen, die in diesem Zusammenhang gestellt werden, verlangen empirisch gewonnene bzw. geprüfte Erkenntnisse. Die Empirische Bildungsforschung stellt entsprechende Erkenntnisse in Aussicht. Offensichtlich wird der Empirischen Büdungsforschung zugetraut, zuverlässige und aussagekräftige Befunde bereitzustellen. Diese Erwartung beruht auf Erfahrungen im internationalen wie im nationalen Raum, die zeigen, dass die Empirische Bildungsforschung in der Lage ist, bedeutsames und nützliches Wissen anbieten zu können. Allerdings - und dies kennzeichnet den Ausgangspunkt der Förderinitiative bestehen in Deutschland anscheinend enge Kapazitätsgrenzen: Der Bedarf bzw. die Nachfrage nach empirisch gesichertem Wissen über Bildung wird nicht gedeckt. Inwieweit es sich hier tatsächlich in erster Linie um Kapazitätsprobleme handelt, soll im nächsten Abschnitt geklärt werden. Bei dieser Diagnose muss auch nach Qualitäts- oder Effizienzproblemen der Empirischen Büdungsforschung in Deutschland gefragt werden und nach deren - möglicherweise strukturellen - Bedingungen. Bei dieser Diagnose hilft unter anderem der internationale Vergleich bzw. der Vergleich der Empirischen Bildungsforschung mit Referenzdisziplinen (z.B. der Psychologie). Diese Vergleichsperspektiven bedeuten zugleich, die Empirische Bildungsforschung in Deutschland unter den gängigen Wissenschaftskriterien für verhaltensund sozialwissenschaftliche Forschungsfelder zu betrachten, die auf Erklärungs- und Veränderungswissen abzielen.

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Empfehlungen

2

zur Stärkung und Förderung der Empirischen

Bildungsforschung

Stand und Probleme der Empirischen Bildungsforschung in Deutschland

Wie bereits in mehreren Beiträgen dieses Bandes ausgeführt wurde, handelt es sich bei der Empirischen Bildungsforschung um ein Forschungsfeld und nicht um eine wissenschaftliche Disziplin oder Subdisziplin. Das Forschungsfeld ist äußerst umfangreich, denn Gegenstand sind Voraussetzungen, Bedingungen, Prozesse und Ergebnisse von Bildung, und dies über die gesamte Lebensspanne sowie innerhalb und außerhalb pädagogischer Institutionen. Bildung bedeutet dabei nicht nur (thematisch äußerst vielfältiges) Wissen aufzubauen, sondern ebenfalls ein breites Spektrum von Persönlichkeitsmerkmalen zu entwickeln. Durch das Geflecht von zu untersuchenden Relationen wird der Gegenstandsbereich hoch komplex. Eine Spezifizierung, und damit Einengung, erfährt das Forschungsfeld aufgrund der besonderen - nämlich empirischen - Herangehensweise. Sie zielt auf Beschreibungs-, Erklärungs- und Veränderungswissen und umfasst damit grundlagenorientierte, anwendungsbezogene und technologische Forschungszugänge. Empirische Untersuchungen rücken das aktuell stattfindende Bildungsgeschehen in den Bückpunkt. Damit wird das Forschungsfeld wiederum spezifiziert. Die Empirische Bildungsforschung hat zugleich die Chance, zur Identifikation und Lösung aktueller Probleme beizutragen. Wenn sie sich in diesem Sinn als problemorientierte Forschung begreift, weckt sie die Erwartung, Erkenntnisse zu liefern, die das aktuelle Bildungsgeschehen verstehen und verbessern helfen. Erwartungen von Seiten der Öffentlichkeit, der Bildungsadministration und der Bildungspolitik richten sich dabei vor allem auf Erklärungen und Handlungskonzeptionen für Probleme auf der nationalen Ebene. Das Anwendungsfeld für Erkenntnisse der Empirischen Bildungsforschung ist damit zunächst national, selbst wenn heute zahlreiche Problemlagen international vergleichbar sind. Für die Empirische Bildungsforschung gilt damit ein besonderes Spannungsverhältnis: Sie muss einerseits international anschlussfähig und sichtbar sein, andererseits auf nationaler Ebene ihren Nutzen und ihre Wirksamkeit unter Beweis stellen. Wie stellt sich vor diesem Hintergrund die Situation der Empirischen Bildungsforschung in Deutschland dar? Im Folgenden wird eine Reihe von Aspekten beleuchtet, um Stärken, Schwächen und Entwicklungsmöglichkeiten zu skizzieren. Wer betreibt Empirische Bildungsforschung und wer könnte für sie gewonnen werden? In Deutschland gibt es zur Zeit eine kleine Gruppe von Empirischen Bildungsforschern, die problemorientiert und gut vernetzt an Forschungsprogrammen arbeiten und deren Ergebnisse national, aber auch international Beachtung und Anerkennung finden. Da die Befunde unter einer wissenschaftlichen wie auch unter stärker anwendungsbezogenen Perspektive als bedeutsam wahrgenommen werden, zeigen sie das Potential der Empirischen Büdungsforschung. Diese Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler rekrutieren sich aus unterschiedlichen Disziplinen (meist Erziehungswissenschaft, Pädagogischer Psychologie und Fachdidaktiken) und identifizieren sich, unter Wahrung ihres disziplinären Selbstverständnisses, mit der Empirischen Büdungsforschung. Das heißt unter anderem, sie orientieren sich an einem international geteilten Verständnis von Empirischer Büdungsforschung (vgl. Shavelson & Towne, 2002) und richten ihre Forschung gezielt so aus, dass sie empi147

Beirat der DFG-Förderinitiative

„Empirische

Bildungsforschung"

risch fundiert zu einem besseren Verständnis und zur Weiterentwicklung des Bildungsgeschehens beitragen können. Allerdings ist der Umfang dieser Gruppe so klein, dass sie die derzeitige und vorhersehbar zunehmende Nachfrage nach empirisch fundierten Erkenntnissen, nach Erklärungs- und Veränderungswissen nicht decken kann. Neben dieser sehr kleinen Gruppe international ausgewiesener Empirischer Bildungsforscher gibt es eine verhältnismäßig große Zahl von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern (meist aus der Erziehungswissenschaft, aber auch aus den Fachdidaktiken), die sich selbst generell der Bildungsforschung zuordnen würden. Ein Teil dieser Gruppe grenzt sich jedoch explizit von empirischen Forschungsansätzen ab. Daneben lassen sich weitere Teilgruppen ausmachen: Diese sind zum Beispiel gegenüber empirischen Befunden aufgeschlossen, forschen selbst aber nicht konsequent empirisch oder sie erreichen nur zum Teil die theoretischen und methodischen Standards, die an empirische Arbeiten anzulegen sind. Richtet man den Blick auf weitere Disziplinen, die potenziell zur Empirischen Bildungsforschung beitragen können (z.B. die Psychologie und die Soziologie, z.T. auch die Ökonomie), dann findet man eine nicht unbeträchtliche Zahl von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die konsequent und auf hohem methodischen Niveau mit empirischen Verfahren arbeiten und diese unter anderem auch auf Fragestellungen bzw. den breiten Gegenstandsbereich der Bildungsforschung anwenden. Viele dieser Kolleginnen und Kollegen verstehen sich in ihrer Arbeit jedoch nicht explizit als empirische Bildungsforscher, sondern agieren nach wie vor in einem disziplinaren Selbstverständnis. Diese (eher pauschale) Typologie lässt erkennen, welche Zielgruppen für einen Ausbau und zu einer Verstärkung der Empirischen Bildungsforschung in Deutschland in Frage kommen. Das sind vorwiegend Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler - aus der Erziehungswissenschaft und den Fachdidaktiken, die aufgeschlossen sind gegenüber empirischen Verfahren bzw. bereits gelegentlich damit arbeiten, - aus der Psychologie und Soziologie, die einschlägig empirisch arbeiten und zu gewissen, bislang eher geringen Anteilen, Fragestellungen der Bildungsforschung behandeln. Charakteristisch für die Situation der Empirischen Bildungsforschung ist es, dass sie ein Forschungsfeld für mehrere Disziplinen darstellt. Es gibt somit keine klare disziplinare Zuständigkeit und Verantwortung für eine Stärkung der Empirischen Bildungsforschung. Allenfalls kann man unterschiedlich große Schnittflächen zwischen den Anliegen von Disziplinen bzw. Teildisziplinen mit der Empirischen Bildungsforschung feststellen. Wir finden dabei Disziplinen (z. B. Fachdidaktiken, Erziehungswissenschaft) mit ausgeprägter thematischer Nähe, aber oft noch schwach entwickelter Empirie. Andere Disziplinen (z. B. die Psychologie mit einigen besonders einschlägigen Teildisziplinen) haben eine relativ starke Empirie entwickelt, betrachten die Empirische Bildungsforschung bisher jedoch nicht als einen ihrer expliziten und systematisch zu bearbeiteten Gegenstandsbereiche, obschon sie gelegentlich in diesem Feld forschen. Diese Feststellung weist auf mögliche Wege bzw. potenzielle Partner zur Stärkung der Empirischen Bildungsforschung hin, lässt aber auch Hindernisse erkennen. 148

Empfehlungen

zur Stärkung und Förderung der Empirischen

Bildungsforschung

Als weitere Zielgruppe für eine Stärkung kommt selbstverständlich der Nachwuchs in Betracht, der sich in den in Frage kommenden Disziplinen für Bildungsforschung interessiert. Dieser Punkt wird jedoch später eigens anzusprechen sein. Wie ist die Empirische Bildungsforschung in Deutschland organisiert? Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass es in Deutschland einige Beispiele für eine stark vernetzte, international wie national beachtete Empirische Büdungsforschung gibt. Betrachten wir allerdings das breitere Feld von Akteuren (aus der Erziehungswissenschaft, aus den Fachdidaktiken, aus Teildisziplinen der Psychologie und Soziologie), die gelegentlich zur Empirischen Büdungsforschung beitragen, dann stellt sich die Situation wie folgt dar: Die Arbeit erfolgt häufig in sehr kleinen Einheiten (z. B. Lehrstühle bzw. oft sogar Einzelpersonen), die zudem relativ isoliert arbeiten, an ihrem jeweiligen Standort wie auch in Relation zum gesamten Forschungsfeld. Diese Konstellation erweist sich vor allem deshalb als problematisch, weil Fragestellungen der Empirischen Bildungsforschung meist eine Zusammenarbeit mehrerer Disziplinen verlangen. Die personellen Ressourcen, die vor Ort aktiviert werden, lassen es damit kaum zu, anspruchsvollere Fragestellungen mit Chancen auf nationale wie internationale Beachtung zu bearbeiten. Anspruchsvolle Fragestellungen können letztlich aber auch nur im Rahmen eines Forschungsprogramms erfolgreich untersucht werden, das längerfristig angelegt, systematisch aufgebaut und mit Partnern abgesprochen ist. Eine systematische Forschungsplanung schafft bessere Aussichten für eine Drittmitteleinwerbung, die wiederum zur personellen Verstärkung der Arbeitsgruppe beiträgt. Tatsächlich finden wir an deutschen Universitätsinstituten, die zur Empirischen Bildungsforschung beitragen bzw. dies verstärkt tun könnten, solche Programme nur in Ausnahmen. Aus der bisher üblichen Tendenz zu einer mehr oder weniger individuell betriebenen Forschung erklären sich die Zuschnitte von Forschungsprojekten und Ergebnissen. Personelle Ressourcen und Engagement für Forschung werden auf diese Weise bisher noch nicht effizient genutzt. Die Tendenz zu einer eher individuell betriebenen Forschung setzt Traditionen pädagogischer Lehrstühle fort, die für eine geisteswissenschaftliche Bildungsforschung unproblematisch waren, sich jedoch im Feld Empirischer Bildungsforschung als nicht tragfähig erweisen. Die Qualifikation der Forscherinnen und Forscher und Nachwuchsförderung. Im Bereich der lehrerbildenden Fächer kommt hinzu, dass eine Berufung auf eine Professur nach den meisten Landesgesetzen ein Lehramtsstudium und eine mehrjährige Tätigkeit als Lehrkraft an Schulen (neben der Habilitation) voraussetzen. Der übliche Karriereweg für Professorinnen und Professoren in den lehrerbildenden Fächer wird so durch die Doppelanforderung von Schul- und Forschungserfahrung bestimmt, die der Entwicklung einer ausgezeichneten Qualifikation zur Forschung entgegensteht. Von daher ist es nicht überraschend, wenn im Bereich der lehrerbildenden Fächer, z. B. im Vergleich zur Psychologie, weniger Forschungserfahrung und seltener ausgezeichnete methodische Kompetenz anzutreffen sind. Obschon erziehungswissenschaftliche Studiengänge heute eine Ausbildung in empirischen Forschungsmethoden vorsehen, hat diese nach wie vor einen geringeren Umfang und Stellenwert, im Vergleich etwa zum Studium der Psychologie. Insofern lässt sich nachvollziehen, dass zahlreiche Akteure in einigen Disziplinen die erwarte149

Beirat der DFG-Förderinitiative

„Empirische

Bildungsforschung"

ten einschlägigen Beiträge zur Empirischen Bildungsforschung deshalb nicht erbringen, weil es an methodischer Kompetenz und Forschungserfahrung mangelt. Die Standards Empirischer Bildungsforschung sind in diesen Bereichen nicht immer bewusst, werden nicht konsequent verfolgt und damit nicht erreicht. In den Disziplinen mit klaren methodischen Standards wiederum bestehen häufig Wissensdefizite bezüglich der Inhaltsbereiche und Themengebiete, die Gegenstand einer auf Lehren und Lernen bezogenen Bildungsforschung sind. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Psychologie oder der Soziologie, die längerfristig und systematisch zur Bildungsforschung beitragen wollen, müssen Zusatzqualifikationen entwickeln, die etwa die inhaltlichen Aspekte von Bildungsprozessen oder die besonderen Bedingungen pädagogischer Institutionen betreffen. Auch dies bedeutet einen beträchtlichen Zusatzaufwand. Wiederum zeichnet sich hier die Notwendigkeit interdisziplinärer Zusammenarbeit für die Sicherung der Qualität der Forschung und die gegenseitige Weiterqualifikation ab. Die Randbedingungen besonderer Qualifikationserfordernisse und kleiner, weitgehend für sich arbeitender Forschungseinheiten stellen ebenfalls ungünstige Voraussetzungen für die Nachwuchsförderung dar. Die Nachfrage nach kompetenten Beiträgen aus der Empirischen Bildungsforschung verlangt erhebliche Anstrengungen, sehr viel mehr jüngere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für die Empirische Bildungsforschung zu gewinnen und ausgezeichnet zu qualifizieren. Für den wissenschaftlichen Nachwuchs bedeutet der Bedarf an Empirischer Bildungsforschung, dass ein Engagement in diesem Feld mit aussichtsreichen Berufs- und Berufungsperspektiven verbunden ist - was ja keineswegs für alle Forschungsfelder gilt, die von den in Frage kommenden Disziplinen bearbeitet werden. Jedoch ist derzeit an universitären Standorten selten eine gezielte und systematische Nachwuchsförderung für die Empirische Bildungsforschung zu beobachten. Die Chancen junger Kolleginnen und Kollegen hängen in einem hohen Maße von der Qualifikation und dem Engagement einer einzigen Person ab, normalerweise der betreuenden Professorin bzw. dem Professor. Für viele jüngere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bedeutet dies, dass sie in ihrem Umfeld keine Vorbilder finden, die zeigen, wie man auf einem internationalen Niveau arbeitet und forscht. Begeisterung für Empirische Bildungsforschung wird dort geweckt, wo sie kompetent und sichtbar betrieben wird. Diese Konstellation finden wir an einigen Instituten, allerdings noch an zu wenigen, um Nachwuchs im erforderlichen Umfang gewinnen zu können. Besondere Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Nachwuchs sind im fachdidaktischen Bereich zu beobachten. Bisher sind Zusammenschlüsse und Kooperationen der häufig kleinen Forschungseinheiten zum Zweck der Nachwuchsförderung ebenso die Ausnahme wie die Einrichtung von lokalen oder universitätsübergreifenden Betreuungssystemen (z. B. Mentoren). Es gibt eine Reihe von Fortbildungsangeboten zu empirischen Forschungsmethoden, die seit einiger Zeit im Rahmen von Schwerpunktprogrammen, von Verbänden oder von außeruniversitären Forschungsinstituten angeboten werden. Diese Angebote erfreuen sich starker Nachfrage, beschränken sich jedoch noch meist auf relativ kurze Workshops, die von Zeit zu Zeit ausgeschrieben werden. Es fehlen systematische, aufbauende und hinreichend ausführliche Fortbildungsangebote auf der Graduierten- und Postgraduiertenebene, um den wissenschaftlichen Nachwuchs 150

Empfehlungen

zur Stärkung und Förderung der Empirischen

Bildungsforschung

insbesondere auf den aktuellen internationalen Stand der Forschungsmethoden (Designs, Erhebungs- und Auswertungsverfahren) zu bringen. Entsprechende Angebote könnten und müssten ebenfalls dazu beitragen, Austausch und Kooperationen zwischen den Nachwuchswissenschaftlerinnen und -Wissenschaftlern über die Institute und Universitäten hinweg anzubahnen. Internationale Orientierung und Anschlussfähigkeit. Die Empirische Bildungsforschung in Deutschland kann eine Reihe von Arbeitsgruppen vorweisen, die international gut vernetzt und anerkannt sind. Bemühungen, die Empirische Bildungsforschung in Deutschland auszuweiten und zu verstärken, müssen darauf abzielen, die Forschung dann möglichst in der gesamten Breite auf ein international kooperationsund konkurrenzfähiges Niveau zu bringen. Für die Empirische Bildungsforschung besteht eine besondere Herausforderung darin, zu einem besseren Verständnis und zur Weiterentwicklung des nationalen Bildungswesens mit all seinen Besonderheiten beizutragen, die Forschung zugleich aber so anzulegen, dass Befunde gewonnen werden, die für die internationale Bildungsforschung interessant sind. Die Bildungsforschung in Deutschland kann von einer verstärkten internationalen Ausrichtung und Beteiligung nur profitieren. Diese stellt die Aktualität der Forschung sicher und bietet die Möglichkeit, an der Gestaltung des Forschungsfeldes mitzuwirken. Dass diese Herausforderung in Deutschland bisher noch an wenigen Standorten gemeistert wurde, ist unstrittig. Gerade in den erziehungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Bereichen, die für die Verstärkung der Empirischen Bildungsforschung in Frage kommen, ist immer wieder zu beobachten, dass der internationale Erkenntnisstand nicht angemessen aufgearbeitet wird und somit die Chance ungenutzt bleibt, aus den Erfahrungen anderer Arbeitsgruppen zu lernen. Auch die relativ geringe aktive Beteiligung an internationalen Tagungen weist darauf hin, dass internationaler Austausch in diesen Bereichen nicht selbstverständlich ist. Forscherinnen und Forscher aus Psychologie wiederum, die sich gelegentlich im Feld der Empirischen Bildungsforschung bewegen, neigen dazu, ihre Fragestellungen so zuzuschneiden, dass sie innerhalb ihrer Bezugsdisziplin international anschlussfähig sind. Für sie sind Publikationen in Journals, die der Bildungsforschung zugeordnet werden können, weniger im Blickfeld bzw. erhalten eine geringere Priorität. Die internationale Anschlussfähigkeit entwickelt sich nicht allein durch eine stärkere internationale Präsenz. Letztlich wird die internationale Sichtbarkeit durch Publikationen in Journals bestimmt, die hohe Ansprüche an die Qualität der Forschung stellen. Anstrengungen zur Weiterqualifizierung derjenigen, die Fragestellungen der Empirischen Bildungsforschung bearbeiten, müssen sich selbstverständlich an internationalen Standards orientieren. Von besonderer Bedeutung ist es, den Nachwuchs frühzeitig an internationale Literatur, Tagungen und Publikationen heranzuführen. Auch hier fehlen an vielen Standorten die Vorbilder, Anleitungen und Unterstützungen in der unmittelbaren Umgebung des Nachwuchses. Inhaltliche Schwerpunkte und die Dissemination von Ergebnissen. Betrachtet man die inhaltlichen Fragestellungen, die von der Empirischen Bildungsforschung in Deutschland bearbeitet werden, dann zeichnet sich eine Forschungslandschaft ab, die einige gut untersuchte Bereiche aufzuweisen hat, aber insgesamt noch kein klares Profil erkennen lässt. Neben einer Konzentration von Forschungsanstrengungen auf einige wenige Schwerpunkte (z. B. Kompetenzdiagnostik bei large scale assess151

Beirat der DFG-Förderinitiative „Empirische Bildungsforschung" ments, Videoanalysen von Unterrichtsmustern) findet man eine breite Streuung von Forschungskapazitäten auf eine Fülle von Fragestellungen, die schon fast zufällig verteilt zu sein scheinen. Dabei bleiben zahlreiche Fragestellungen, denen eine erhebliche Relevanz zugesprochen werden muss, unzureichend bearbeitet (z. B. heterogene Lernvoraussetzungen und differenzielle Lernumgebungen, Professionalität von Lehrkräften). In einer Situation, die durch personelle Kapazitätsgrenzen gekennzeichnet ist, wäre es angezeigt, Ressourcen zu bündeln, um die wichtigsten Problemstellungen mit Aussicht auf Erfolg zu bearbeiten. Gerade in der für die Empirische Bildungsforschung potenziell bedeutsamen erziehungswissenschaftlichen, fachdidaktischen und auch psychologischen Forschimg hat es den Anschein, als würden häufig Fragestellungen ausgewählt und zugeschnitten, ohne das breitere Umfeld im Hinblick auf eine gemeinsame Abdeckung bedeutsamer Forschungsfragen zu berücksichtigen. Forschungskapazitäten werden - als Konsequenz der kleinen, wenig vernetzten Forschungseinheiten - häufig in kleine Projekte investiert. Sie sind meist nicht in eine Art von Forschungsprogramm eingebunden,allzu oft variieren aufeinander folgende Projekte nur die bisherigen Fragestellungen. Der Ertrag im Sinne eines kumulativen Erkenntniszuwachses bleibt damit gering, und dies in Anbetracht einer insgesamt beträchtlichen Forschungskapazität. Man kann den Eindruck gewinnen, dass innerhalb der für die Empirische Bildungsforschung in Frage kommenden Wissenschaftlergruppen noch wenig gemeinsame Vorstellungen über Forschungsprioritäten und Forschungsstrategien zur Bearbeitung dieses Feldes entwickelt wurden. Anstöße, Themen aufzugreifen, kommen oftmals von außen. So haben sich das öffentliche und politische Interesse an Bildung und die Nachfrage nach empirischem Wissen in Deutschland auch in der Forschungsförderung niedergeschlagen. Auf der Bundes- wie der Länderebene wurden und werden beträchtliche Mittel für Forschungszwecke bereitgestellt. Mit einer verstärkten Umstellung von einer Projekt- zu einer Programmförderung steigen die Klarheit und die Verbindlichkeit der Anforderungen, auch in Richtung einer vorausschauenden Forschungsplanung bei den Projektnehmern. Allerdings wird die Empirische Bildungsforschung nur dann ihr wissenschaftliches Gewicht und die internationale Sichtbarkeit verstärken können, wenn sie sich selbst mehr um eine Strukturierung des Forschungsfeldes bemüht. Eine wichtige Herausforderung besteht dabei darin, Forschungsprogramme zu entwerfen, in denen sowohl anwendungsbezogene als auch grundlagenorientierte Perspektiven verfolgt werden können. Die Berücksichtigung unterschiedlicher Forschungs- wie auch Abnehmerperspektiven dürfte dazu beitragen, die Ergebnisse der Empirischen Bildungsforschung besser zur Geltung zu bringen. Für die Sichtbarkeit und die Wirkung der Empirischen Bildungsforschung ist es entscheidend, Ergebnisse und Erkenntnisse adressatenbezogen zu publizieren. In einer Fülle von Buchpublikationen richten sich viele Bände derzeit noch an diffuse Abnehmergruppen und erzielen damit wenig Wirkung. Bisher haben erst wenige Arbeitsgruppen begonnen, ihre Berichterstattung auf einschlägige Adressatengruppen (z.B. internationale und nationale Wissenschaft, Lehrerbildung, Bildungsadministration, pädagogische Professionen, Öffentlichkeit) auszurichten. In Anbetracht der Bedeutung, die der Empirischen Bildungsforschung zugesprochen wird, kommt sie nicht umhin, Strategien des Wissensmanagements zu nutzen, um ihre Erkenntnisse adressatenbezogen zu publizieren. 152

Empfehlungen

zur Stärkung und Förderung der Empirischen

Bildungsforschung

Herausforderungen eines interdisziplinären Forschungsfeldes: Viele der in diesem Abschnitt angesprochenen Probleme resultieren aus der Besonderheit eines Forschungsfeldes, das in den Gegenstandsbereich mehrerer Disziplinen fällt. Bisher haben jeweils größere oder kleinere Gruppen innerhalb dieser Disziplinen das Forschungsfeld entdeckt,- die Bedeutung des Forschungsfeldes - und ihre Zuständigkeit - scheint den Disziplinen jedoch noch nicht bewusst zu sein. Das mag daran liegen, dass eine Organisation von Forschung im Sinne von interdisziplinären Arbeitsfeldern wohl für die Naturwissenschaften selbstverständlich geworden ist, nicht aber im gleichen Maße für die Verhaltens- und Sozialwissenschaften, die zum Teil noch in einem disziplinaren Denken verharren. Unter einer streng disziplinaren Perspektive erhält die Kooperation über Fachgrenzen hinweg einen randständigen, fast schon esoterischen Charakter und erscheint als Luxus. Interdisziplinäre Zusammenarbeit bedeutet größeren Aufwand und das Erfordernis, sich inhaltlich, theoretisch und methodisch neu zu orientieren. Auch sind Ergebnisse aus interdisziplinärer Zusammenarbeit in einer an Disziplinen ausgerichteten Zeitschriftenlandschaft nicht so leicht zu vermitteln. Qualifikationsarbeiten, die Fachgrenzen überschreiten, erschweren die Einordnung und wirken sich ungünstig auf Berufungschancen bei Professuren mit einer strikt disziplinär gefassten Denomination aus. Insofern dürfte eine Reihe der Probleme, die hier am Beispiel des Forschungsfeldes der Empirischen Bildungsforschung angesprochen wurden, auf eine Umbruchsituation von einer disziplinären zu einer problemorientierten disziplinübergreifenden Forschungsorganisation zurückzuführen sein, die für die Sozialwissenschaften Neuland bedeutet. Freilich bleiben spezifische Herausforderungen: Die Empirische Bildungsforschung in Deutschland zu stärken bedeutet, mit einer Vergrößerung der Kapazität auch die Qualität der Forschung in der Breite zu verbessern, um auf internationaler Ebene wissenschaftliche Anerkennung zu finden und auf nationaler Ebene maßgeblich zur Klärung und Lösung von Problemen im Bildungswesen beizutragen.

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Empfehlungen zur Stärkung der Empirischen Bildungsforschung

Die Ausführungen zum Stand der Empirischen Bildungsforschung lassen Problembereiche erkennen, die mehr oder weniger weit verbreitet sind, insgesamt aber einer Verstärkung des Forschungsfeldes entgegenstehen. Die Probleme betreffen unter anderem die Forschungsqualifikation, die Nachwuchsförderung, die Forschungsorganisation, die Forschungsplanung und den Austausch sowie die Kooperation auf nationaler und internationaler Ebene. Die Probleme verweisen auf Traditionen, Strukturen, Organisationsmerkmale, Hindernisse und Anreize, aber auch auf professionelle Orientierungen und Überzeugungen bei denjenigen, die Empirische Bildungsforschung betreiben könnten und sollten. Ansatzpunkte für eine Stärkung der Empirischen Bildungsforschung können damit auf unterschiedlichen Ebenen lokalisiert werden, in den Universitäten bzw. ihren Gremien und Untergliederungen, in den einschlägigen wissenschaftlichen Gesellschaften, in der Forschungsförderung und in der Forschungs- wie Bildungspolitik bzw. -administration. 153

Beirat der DFG-Förderinitiative

„Empirische

Bildungsforschung"

Weiterführung der Förderinitiative. Mit der Einrichtung der Förderinitiative „Forschergrappen in der Empirischen Bildungsforschung" hat die DFG nach Einschätzung des Beirates eine wirksame Maßnahme zur nachhaltigen Stärkung der Empirischen Bildungsforschung in Deutschland ergriffen. Die strukturbildende Maßnahme der Förderinitiative, also die Etablierang einer von der DFG vorfinanzierten Professur, wirkt nicht nur an der Universität, der es gelungen ist, eine entsprechende Forschergruppe einzurichten. Mindestens ebenso wichtig ist das Signal dieses Angebots, das den Stellenwert des Forschungsfeldes unterstreicht und auf Möglichkeiten einer zukunftsorientierten Profilierung von Instituten aufmerksam macht. Dies führt unter anderem auch dazu, dass Kolleginnen und Kollegen unterschiedlicher Fachgebiete an den Universitäten gemeinsame Forschungsprojekte oder gar Forschungsprogramme in Betracht ziehen. Die Förderinitiative „Forschergrappen in der Empirischen Bildungsforschung" hat in dieser Hinsicht an vielen Standorten anregend und belebend gewirkt, wie an der großen Zahl von Voranträgen abgelesen werden kann. Die Initiative hat ebenso zahlreiche Fachbereiche wie Hochschulleitungen auf die Empirische Bildungsforschung aufmerksam gemacht. Über die Laufzeit der Initiative wurden zwei Forschergruppen bewilligt und eingerichtet. Einige Gruppen, die Anträge vorbereitet hatten, haben sich im Verlauf der Arbeit für „kleinere" Vorhaben (Paketanträge) entschieden. In einigen Fällen mussten allerdings Anträge auf Einrichtung einer Forschergruppe abgelehnt werden. Beirat wie Geschäftsstelle der DFG haben sich in diesen Fällen darum bemüht, den Antragstellern konstruktive Rückmeldungen zu geben, sie auf weiterführende Perspektiven aufmerksam zu machen und sie in ihrem Engagement für empirische Forschung grundsätzlich zu bekräftigen. Diese Zwischenbilanz zeigt, dass die Initiative erfolgreich war und zur Stärkung der Empirischen Bildungsforschung beigetragen hat. Die Bilanz gibt aber auch Anlass zu fragen, ob und wodurch die Initiative noch mehr Wirkung erzielen kann. Die Diskussion der Lage und der Probleme der Empirischen Bildungsforschung in Deutschland weist darauf hin, dass Anstrengungen und Maßnahmen zur Stärkung fortgesetzt werden sollten. Nach Auffassung des Beirates sollten sie zudem ergänzt werden. Die Chancen, dass die Initiativen zur Stärkung der Empirischen Bildungsforschung nachhaltig wirken, hängen nach Einschätzung des Beirates von Rahmenbedingungen ab, die heute möglicherweise als selbstverständlich gelten, dies aber in den für Bildungsforschung in Frage kommenden Bereichen noch nicht sind. Unterstützende Rahmenbedingungen. Bemühungen, die Empirische Bildungsforschung zu stärken, sind zum Beispiel auf eine Unterstützung durch eine Berafungspolitik angewiesen, die konsequent auf Kriterien der Forschungsqualifikation, der Produktivität, der nationalen Sichtbarkeit und internationalen Anschlussfähigkeit achtet. Dieser Anspruch muss auch für die lehrerbildenden Fächer gelten. An vielen Standorten ist nach wie vor die Unterrichtserfahrang das entscheidende Kriterium, nicht aber die Forschungserfahrung. Bei Ausschreibungen von fachdidaktischen Professuren sollte mehr Wert auf Qualifikationen für Empirische Bildungsforschung gelegt werden. Besonderheiten von Gegenstand und Forschungszugang der Empirischen Bildungsforschung bedingen relativ komplexe und umfangreiche Forschungsfragen, die 154

Empfehlungen

zur Stärkung und Förderung der Empirischen

Bildungsforschung

von Forscherinnen und Forschern, die auf sich allein gestellt sind, nicht effizient bearbeitet werden können. Viele Fragestellungen verlangen interdisziplinäre Kooperationen. Die Chance für eine ertragreiche und sichtbare Bildungsforschung wächst, wenn sich an einem Standort Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu Forschungseinheiten zusammenschließen und für diese mittelfristige Forschungsprogramme absprechen. In vielen Fachbereichen, die potenziell für die Empirische Bildungsforschung in Frage kommen, finden Kooperationen und gemeinsame Forschungsplanungen bisher nur in Einzelfällen statt. Entsprechende Zusammenschlüsse und Forschungsplanungen können durch Anreize befördert und durch Zielvereinbarungen institutionalisiert werden. Größere Forschungseinheiten verbessern zudem die Voraussetzungen für eine systematische Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses für die Empirische Bildungsforschung. Eine weitere Rahmenbedingung ist ebenfalls in den für Bildungsforschung einschlägigen Bereichen nur an einigen Orten eingeführt, nämlich eine regelmäßige Evaluation der Forschung. Der Nutzen regelmäßiger Evaluationen dürfte für Bildungsforscher unstrittig sein. Evaluationen unterstützen die Wirkungen aller Maßnahmen, die zur Belebung von Forschungsaktivitäten ergriffen werden. Entscheidend ist, dass die Kriterien für Evaluationen frühzeitig offen gelegt werden und Evaluationen mit Konsequenzen verbunden sind. Ausrichtung von Forschungsprogrammen. Die Empirische Büdungsforschung findet in Deutschland spätestens seit TIMSS und PISA starke öffentliche und bildungspolitische Beachtung. Die Befunde dieser Studien haben die Nachfrage nach empirischen Erkenntnissen verstärkt und zum Beispiel dem Bund und den Ländern Anlass gegeben, Forschungs- und Entwicklungsprogramme aufzulegen, die zur Lösung der Probleme im deutschen Bildungswesen beitragen sollen. Mit diesen Programmen stehen beträchtliche Ressourcen für Empirische Bildungsforschung bereit, die freilich weitgehend für Anwendungszwecke vorgesehen sind. Mit der Bereitstellung von Mitteln werden große Erwartungen an die Empirische Bildungsforschung verbunden. In Anbetracht der derzeitigen Kapazitätsprobleme der Empirischen Bildungsforschung gilt es jedoch darauf zu achten, dass solche Forschungsprogramme dennoch mit der erforderlichen Qualität, auf hohem methodischen Niveau und insgesamt erfolgreich bearbeitet werden. Auch in einer Situation mit einem hohen Bedarf an anwendungsbezogenen Erkenntnissen muss - zum Beispiel durch eine entsprechende Begutachtung - sichergestellt werden, dass Auftragnehmer in der Lage sind, die Projekte oder Programme erfolgreich und auf dem erforderlichen wissenschaftlichen Niveau zu bearbeiten. Im Hinblick auf eine Stärkung der Empirischen Bildungsforschung wäre es hilfreich, wenn bildungspolitisch begründete Entwicklungs- und Forschungsprogramme möglichst klar definierte Anforderungen im Hinblick auf die Fragestellungen und die empirische Fundierung stellen würden. Entsprechende Kriterien wirken als Signal an die in Frage kommenden Disziplinen, erleichtern die notwendige Begutachtung von Angeboten und geben potenziellen Anbietern die Chance, Kooperationen in Gang zu bringen, um den inhaltlichen und empirisch-methodischen Anforderungen gerecht zu werden. Durchaus wünschenswert wäre es, wenn Ausschreibungen eine Vernetzung und Bündelung von Forschungskapazitäten explizit verlangen würden, auch mit der Möglichkeit, internationale Partner mit einzubeziehen. 155

Beirat der DFG-Förderinitiative „Empirische Bildungsforschung" Die durch aktuelle Problemwahrnehmungen initiierten Forschungsprogramme sind meist stärker anwendungsbezogen bzw. auf die Entwicklung von Maßnahmen/ Interventionen ausgerichtet. Für eine Stärkung der Empirischen Bildungsforschung hilfreich sind Möglichkeiten, solche Programme durch Forschungsprojekte anreichern zu können, die auf breiter generalisierbare Erkenntnisse abzielen und auf internationaler Ebene wissenschaftlich verwertet werden können. Es liegt auf der Hand, dass es die Akteure in der Empirischen Bildungsforschung sind, die solche Synergien sehen und nützen. Hilfreich ist es, wenn Ergänzungen und Erweiterungen von zweckbezogenen Forschungsprogrammen von den Auftraggebern begrüßt und unterstützt, beziehungsweise durch problemorientierte Forschungsprogramme angeregt werden. Wichtige Impulse für die gesamte Landschaft der Empirischen Bildungsforschung können auf Dauer angelegte Programme geben, die dazu dienen, in bestimmten Zeitabständen relevante Daten für die Bildungsadministration und -poütik sowie für die Forschung bereitzustellen. So nützt zum Beispiel ein Indikatorensystem für einen regelmäßig erscheinenden nationalen Bildungsbericht nicht nur den Auftraggebern. Es trägt erheblich zur Vernetzung von Forschung und zu einer systematischen Abdeckung von relevanten Fragestellungen bei, und kann als Verankerungspunkt für Daten aus unterschiedlichsten empirischen Studien dienen. Förderung des Nachwuchses für die Empirische Bildungsforschung. Auf längere Sicht gewinnt nach Einschätzung des Beirates eine systematische Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses eine herausragende Funktion für die Stärkung der Empirischen Bildungsforschung in Deutschland. Der Beirat empfiehlt deshalb, die Förderinitiative zur Einrichtung von Forschergruppen durch ein Nachwuchsförderungsprogramm zu ergänzen. Da derzeit an vielen Standorten nicht davon ausgegangen werden kann, dass Doktorandinnen und Doktoranden wie Postgraduierte eine sehr gute Unterstützung für die Entwicklung ihrer Forschungskompetenz erhalten, schlägt der Beirat vor, eine Summer School für Empirische Bildungsforschung einzurichten. Das vorrangige Ziel dieses Summer School-Programms sollte es sein, junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler insbesondere mit den Forschungsmethoden vertraut zu machen, die für eine international anschlussfähige Empirische Bildungsforschung notwendig sind. Die Absolventinnen und Absolventen der Summer School sollten ein relativ breites methodisches Instrumentarium beherrschen, das die wichtigsten Forschungsdesigns, Erhebungs- und Auswertungsverfahren umfasst. Für die Wirksamkeit entscheidend ist, dass das Programm der Summer School für mehrere Jahre geplant und vorgehalten wird. Der Zeitumfang der Summer School muss sicherstellen, dass die Nachwuchswissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler ausreichend Gelegenheit haben, die Verfahren unter Anleitung soweit zu erproben und zu üben, dass sie diese selbstständig nutzen können. Wünschenswert ist eine internationale Ausrichtung der Summer School. Auf jeden Fall sollten zahlreiche internationale Expertinnen und Experten für die Lehre gewonnen werden; denkbar ist es auch, die Summer School für eine internationale Beteiligung zu öffnen. Zur Vernetzung und Kooperation zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, aber auch für zusätzliche Beratungen könnte zudem die Einrichtung eines abgestimmten, zusätzlichen virtuellen Studienangebots sehr hilfreich sein. Es bietet sich an, die wichtigsten Zentren für Empirische Bildungsforschung in Deutschland bei der Konzeption und Betreuung der Summer School ebenso einzube156

Empfehlungen

zur Stärkung und Förderung der Empirischen

Bildungsforschung

ziehen wie die bisher im Rahmen der DFG-Initiative eingerichteten Forschergruppen. Auf diese Weise können Aktivitäten der Nachwuchsförderung koordiniert und auf andere bedeutsame Forschungsprogramme bezogen werden. Unter anderem könnte ein internationales Netzwerk von Arbeitsgruppen aufgebaut werden, die in der Bildungsforschung aktiv sind und sich dazu verpflichten, durch Forschungsstipendien geförderte Nachwuchswissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler aufzunehmen und zu betreuen. Der Beirat möchte der DFG empfehlen, Konzeptionen für eine systematische Nachwuchsförderung in diesem Forschungsfeld nach Möglichkeit zu unterstützen. Diese Empfehlung richtet sich aber auch an andere Einrichtungen, die an einer Stärkung der Empirischen Bildungsforschung in Deutschland interessiert sind.

Literatur Shavelson, R. J., & Towne, L. (2002). Scientific research in education. Washington, DC: National Academy Press.

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Anhang

Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Expertengespräch „ Empirische Bildungsforschung" 11./12. Juni 2004

Leitung und Moderation-, Professor Heinz Mandl, Ludwig-Maximilians-Universität, München Birgitta Kopp M. A., Ludwig-Maximilians-Universität, München DFG Dr. Anne Brüggemann, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Bonn Dr. Torsten Fischer, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Bonn Dr. Manfred Nießen, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Bonn Wissenschaftlicher Beirat der DFG-Förderinitiative „Empirische Bildungsiorschung" Professor Jürgen Baumert, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin Professor Helmut Fend, Universität Zürich, Schweiz Professor Andreas Krapp, Universität der Bundeswehr München Professor Paul Leseman, Universiteit Utrecht, Niederlande Professor Hans Merkens, Freie Universität Berlin Professor Walter Müller, Universität Mannheim Professor Ype Poortinga, Tilburg University, Niederlande & University of Leuven, Belgien Professor Manfred Prenzel, Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften, Kiel Professorin Kristina Reiss, Universität Augsburg Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Wissenschaft Professor Erwin Beck, Pädagogische Hochschule, Rorschach, Schweiz Professor Hans-Peter Blossfeld, Universität Bamberg Professor Erik De Corte, University of Leuven, Belgien Professor Friedrich Hesse, Institut für Wissensmedien Tübingen Professor Eckhard Klieme, Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung, Frankfurt am Main Professor Detlev Leutner, Universität Duisburg-Essen Professor Bernhard Nauck, Universität Chemnitz Professor David Phillips, University of Oxford, Großbritannien Professor Heinz-Elmar Tenorth, Humboldt-Universität zu Berlin Professor Rudolf Tippelt, Ludwig-Maximilians-Universität, München Professor Wynand Wijnen, Universiteit Maastricht, Niederlande Professor Horst Weishaupt, Universität Erfurt

161

Teilnehmerinnen

und Teilnehmer am

Expertengespräch

Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Bildungs- und Wissenschaftsadministration Ministerialdirigent Frieder Bechberger-Derscheidt, Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend des Landes Rheinland-Pfalz Ministerialdirigent Konrad Horstmann, Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg Senatsdirigentin Dr. Angelika Hüfner, Kultusministerkonferenz, Bonn Ministerialdirigent Dr. Heribert Knorr, Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg Ministerialdirigentin Dr. Waltraud Kreutz-Gers, Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes NRW Klaus Lömker, Bundesministerium für Bildung und Forschung Mmisterialdirektorin Veronika Pähl, Bundesministerium für Bildung und Forschung Detlef Fickermann, Bundesministerium für Bildung und Forschung Ministerialdirigent Jürgen Schlegel, Bund-Länder-Kommission, Bonn

162

Stellungnahme zur strukturellen Stärkung der Empirischen Bildungsforschung vom 29. Oktober 2001

Die vorliegende Stellungnahme wurde in einem Rundgespräch der DFG am 29. Oktober 2001 vorbereitet. Teilnehmer waren Wissenschaftler aus den betroffenen Disziplinen sowie hochrangige Vertreter der Bildungs- und Wissenschaftsadministration (siehe Anhang). Eine Arbeitsgruppe bestehend aus Teilnehmern des Rundgesprächs hat nachfolgend den Text der Stellungnahme verfasst. Ihr gehörten an: Professor Dr. Rainer Bromme, Fachgutachter für Pädagogische Psychologie (Münster), Professor Dr. Bernhard Nauck, Fachgutachter für Empirische Sozialforschung (Chemnitz), Dr. Manfred Nießen, Geschäftsstelle der DFG (Bonn), Professor Dr. Elke Sumfleth, Fachdidaktik der Chemie (Essen), Professor Dr. Ewald Terhart, ehemaliger Fachgutachter für Lehr-Lern-Forschung und Schulpädagogik (Bochum); Professor Dr. Elmar Tenorth, stellvertretender Fachausschussvorsitzender Pädagogik (Berlin)

Zusammenfassung Die Expertise der Empirischen Bildungsforschung wird im Gefolge der internationalen Schulleistungsstudien zunehmend nachgefragt. Ähnliches ist mit Bezug auf den weiten Bereich des Lehrens und Lernens mit neuen Medien festzustellen. Von der einschlägigen Forschung wird kompetente Beratung, Ausbildung, Fort- und Weiterbildung erwartet - und als Grundlage all dessen das Aufgreifen der sich ergebenden neuen Forschungsfragen sowie deren Bearbeitung auf international konkurrenzfähigem Niveau. Innerhalb der DFG-Förderaktivitäten hat die Empirische Bildungsforschung in den zurückliegenden Jahren einen sehr sichtbaren Platz eingenommen. Doch hat sich ihre Basis als zu schmal erwiesen. Eine wesentliche Ursache dafür ist der Mangel an inhaltlicher Profil- und Schwerpunktbildung an den Hochschulen. Deshalb wird eine Förderinitiative „Forschergruppen in der Empirischen Bildungsforschung" vorgeschlagen, welche konvergierende Interessen der Forschungsförderung einerseits, der Bildungsverwaltung andererseits aufgreift. Der Vorschlag enthält keine Elemente, die im bisherigen Förderspektrum der DFG nicht vertreten wären. Vielmehr bündelt, akzentuiert und fokussiert er etablierte Elemente des Förderspektrums mit dem Ziel, Anstöße zur einschlägigen Profü- und Schwerpunktbildung an den Hochschulen zu geben, damit die Entfaltungsmöglichkeiten des wissenschaftlichen Nachwuchses zu stärken und so die nachhaltige Wirkung thematisch einschlägiger Forschungsförderprogramme zu verbessern. 163

Expertengespräch

I

der DFG 2001

Ausgangslage

Wissenschaftsinterne Fragen und externe Erwartungen an die Empirische Bildungsforschung Der Wandel des gesellschaftlichen Qualifikationsbedarfs wie auch der Bedingungen für Qualifikations- und Bildungsprozesse führen zu neuen Fragestellungen für die Empirische Bildungsforschung. Diese Fragestellungen betreffen z.B. die Veränderung der notwendigen Bildungsinhalte und der Strukturen des Systems, die neuen Medien als Gegenstand wie auch als methodische Komponente von Bildungsprozessen, die weiter wirkende Bedeutung sozialer Ungleichheit und die Heterogenität der Bildungsvoraussetzungen - um nur einige zu nennen. Innerhalb der Lehr-Lern-Forschung sind neue Ansätze der Integration oder wenigstens der wechselseitigen Bezugnahme fachbezogener und fachunabhängiger Forschungsarbeiten zu erkennen, die wichtige Forschungsergebnisse erwarten lassen. Im Zuge dieser Entwicklungen hat sich die Bildungsforschung nach langen Jahren der Abstinenz wieder als ernst genommener Partner der Bildungspolitik etabliert. Nicht nur ist es ihr gelungen, die Agenda der bildungspolitischen Diskussion mitzudefinieren. Ihre Expertise wird im Gefolge der internationalen Schulleistungsstudien auch zunehmend nachgefragt. Ähnliches ist mit Bezug auf den weiten Bereich des Lehrens und Lernens mit neuen Medien festzustellen. Von der einschlägigen Forschung wird kompetente Beratung, Ausbildung, Fort- und Weiterbildung erwartet und als Grundlage all dessen das Aufgreifen der sich ergebenden neuen Forschungsfragen sowie deren Bearbeitung auf international konkurrenzfähigem Niveau.

II

Das Problem

1

Empirische Bildungsforschung in der Förderung durch die DFG

Die Empirische Bildungs-, Qualifikations- und Lehr-Lern-Forschung (nachfolgend zusammenfassend bezeichnet als „Empirische Bildungsforschung") hat in den zurückhegenden Jahren einen sehr sichtbaren Platz innerhalb der DFG-Förderaktivitäten eingenommen. Diese Förderung hat zu dem erwähnten neuen Gewicht der Bildungsforschung beigetragen. Überblickt man den Zeitraum des zurückliegenden Jahrzehnts, so sind neben der Vielzahl von geförderten Einzelprojekten die programmatischen, also auf Schwerpunkt- und Strukturbildung zielenden Förderaktivitäten nicht unbeträchtlich: Das Schwerpunktprogramm „Folgen der Arbeitsmigration für Bildung und Erziehung" war von 1990 bis 1997 aktiv. Von 1994 bis 1999 wurde das Schwerpunktprogramm „Lehr-Lern-Prozesse in der kaufmännischen Erstausbildung" gefördert. 164

Stellungnahme

zur strukturellen Stärkung der Empirischen

Bildungsforschung

Die an Berliner Universitäten - Humboldt - Universität und Freie Universität angesiedelte Forschergruppe „Bildung und Schule im Transformationsprozess von SBZ, DDR und neuen Ländern - Untersuchung zu Kontinuität und Wandel" wurde seit 1994 für sechs Jahre gefördert. Seit 1994 wurde über mehrere Jahre hinweg den Fachdidaktiken der Naturwissenschaften und der Mathematik besonderes Augenmerk geschenkt. Durch eine Serie von Rundgesprächen, die Anbahnung von Kooperationen mit Nachbarwissenschaften und durch eine gezielte Beratung im Vorfeld der Antragstellung wurden mehrere Antragspakete initiiert, vorbereitet und auf den Weg gebracht - mit dem Ziel, die Forschungsbasis auf diesem Gebiet zu entwickeln und auszubauen. Diese systematischen Initiativen, die sich auf die Lehr-Lern-Forschung im Bereich der Naturwissenschaften und der Mathematik bezogen, waren eine der Quellen für das Schwerpunktprogramm „Die Bildungsqualität von Schule: Fachliches und fächerübergreifendes Lernen im mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht in Abhängigkeit von schulischen und außerschulischen Kontexten", welches seit dem Jahr 2000 aktiv ist. Fragen des Lehrens und Lernens mit neuen Medien sind ebenfalls in der programmorientierten Förderung seit Jahren sichtbar vertreten: Das Schwerpunktprogramm „Lesesozialisation in der Mediengesellschaft: Geschlechtsspezifische/-übergreifende Strukturen, Prozesse, Bedingungszusammenhänge" arbeitet seit 1998 und versammelt in seinen Projekten ein breit gefächertes Spektrum von Themen: von literaturdidaktischen Arbeiten bis zu solchen zur Rezeption und Verarbeitung von Texten, die über neue Medien vermittelt sind. Als komplementär dazu könnte man das ein Jahr später begonnene Schwerpunktprogramm „Netzbasierte Wissenskommunikation in Gruppen" sehen, welches eher grundlagenorientierte Projekte aus der Kognitionspsychologie, Sozialpsychologie, Erziehungswissenschaft und Informatik versammelt. Dieses Schwerpunktprogramm ist eng verknüpft mit dem virtuellen - seinerseits also netzbasiert arbeitenden - Graduiertenkolleg „Wissenserwerb und Wissensaustausch mit neuen Medien". Innerhalb dieses weiteren thematischen Umfelds wird an der TU Chemnitz seit 1998 eine Forschergruppe zum Thema „Neue Medien im Alltag: Von individueller Nutzung zu soziokulturellem Wandel" gefördert. Man muss sich vergegenwärtigen, dass in dieser Übersicht die vielen Projekte des Normalverfahrens nicht erwähnt sind, die einzeln oder in loser Gruppierung wichtige Beiträge zur Bildungsforschung im weiteren Sinne leisten - von der Finanzierung der deutschen Beteiligung an der großen Vergleichsstudie der IEA zur Politischen Sozialisation bis zur Förderung einer Gruppe von Projekten an der Universität Regensburg zum „situierten Lernen". Was dieser kurze Überblick zeigen soll, ist Folgendes: Die Empirische Bildungsforschung wird von der DFG nachdrücklich gefördert. Die einzelnen Projekte ebenso wie die Forschungsverbünde sind international konkurrenzfähig und attraktiv, wie vielfältige Kooperationen, z. B. gemeinsame Aktivitäten mit der NSF oder dem britischen ESRC belegen. Allerdings - und dies führt zur Kehrseite der Medaille: Die Basis der Bildungs- und Lehr-Lern-Forschung ist zu schmal. Das personelle Potential zur Beteiligung an den aufgeführten Programmen bzw. Förderungsinitiativen hat sich jeweils als begrenzter erwiesen, als es den Intentionen 165

Expertengespräch

der DFG 2001

sowohl der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die die Programme leiten, als auch der DFG, die die Programme finanziert, entspricht. Es gibt dafür einen eindeutigen Indikator: Die Programmbudgets waren nie der begrenzende Faktor für die in den Programmen realisierten Projekte. (Gleiches gilt übrigens auch für das Einzelverfahren.} Die Gremien der DFG haben z.B. für die Schwerpunktprogramme jeweils Budgets bereitgestellt, die es erlauben sollten, die inhaltlichen Zielsetzungen des Programms durch wissenschaftlich qualitätsvolle Projekte zu realisieren. Die Nachfrage von Projekten, die den wissenschaftlichen Qualitätsstandards standgehalten haben, war in keinem Einzelfall so groß, dass die Grenzen des Budgets überschritten worden wären. Dies ist ein weiterer Beleg für die häufig vorgetragene Beobachtung, dass eine begrenzte Zahl von ausgewiesenen, aktiven und international sichtbaren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Tatsache verdeckt, dass das Potential an wissenschaftlich erstklassiger Empirischer Bildungsforschung in Deutschland insgesamt begrenzt ist. Auf diesem Hintergrund wird auch aus der Bildungs- und Forschungspolitik die Sorge formuliert, es fehle an qualifiziert ausgebildetem wissenschaftlichem Nachwuchs, um die erwartete Nachfrage nach einschlägiger Forschung, Beratung, Ausund Fortbildung befriedigen zu können.

2

Strukturelle und wissenschaftssystematische Ursachen

Eine wesentliche Ursache und zugleich ein Ausdruck für die sehr beschränkte personelle Basis für die Empirische Bildungsforschung ist der Mangel an entsprechender inhaltlicher Profil- und Schwerpunktbildung an den Hochschulen. Es gibt an den Hochschulen zu wenig personelle und institutionelle Schwerpunkte, in denen eine Thematik aus dem Bereich der Empirischen Bildungsforschung auch unabhängig von einzelnen Forscherpersönlichkeiten weitergeführt werden kann (z.B. bei Ortswechseln einzelner Personen) und auf Grund derer auch Raum für die Entwicklung von Nachwuchswissenschaftlern geboten werden kann. Es fehlt damit auch an universitären Forschungskontexten, in denen ein Rahmen für die bei dieser Thematik notwendige disziplinübergreifende Zusammenarbeit geboten werden kann. Das Fehlen von universitären Zentren in der Empirischen Büdungsforschung, die auch Anziehungskraft auf Wissenschaftler von außen haben (auch aus dem Ausland), hat wiederum Konsequenzen für die Nachwuchsförderung wie auch für die internationale Kooperation: - Die oben beschriebene Situation ist nicht Folge eines Mangels an Förderungsmöglichkeiten z. B. der DFG in der Doktoranden- und Postdoktorandenphase. Die Probleme sind eher struktureller Art und Ausdruck der Situation in den Hochschulen: Es ist gegenwärtig nicht hinreichend attraktiv, eine wissenschaftliche Karriere in der Empirischen Bildungsforschung zu beginnen. Defizite in der institutionellen Verankerung dieses Forschungsbereichs erschweren die Kalkulierbarkeit von Karriereverläufen, lassen die Mobilität zwischen Orten nur begrenzt zu und führen bei besonders qualifizierten Nachwuchswissenschaftlern allzu oft dazu, dass sie sich ihren Platz schließlich im Ausland oder in angrenzenden Disziplinen suchen müs166

Stellungnahme

zur strukturellen

Stärkung der Empirischen

Bildungsforschung

sen. Da das Feld institutionell wenig entwickelt ist, kann sich eine ausreichend dicht geknüpfte Netzwerkstruktur für den wissenschaftlichen Nachwuchs nicht entwickeln, die eine Voraussetzung für die Kalkulierbarkeit von Karriereverläufen und für Mobilität zwischen Orten ist. Ein nachhaltiges „capacity-building" in thematischer und personeller Hinsicht ist daher - z.B. auch bei umfangreicher DFGFörderung - nur suboptimal möglich. Deshalb sind auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt Nachwuchsförderprogramme der üblichen Art nicht weiterführend, sofern sie nicht in Maßnahmen der institutionellen Schwerpunktbildung eingebunden sind. - Die internationale Sichtbarkeit und Wirksamkeit der Forschung ist in allen empirisch arbeitenden Fächern auf die Attraktivität von themendefinierten Zentren angewiesen: Vom internen Anregungspotential über die Ausstrahlung auf die nationale Szene bis zur Anziehungskraft für in- und ausländische Nachwuchswissenschaftler und Experten. So sind - wie oben erläutert - zwar aus Deutschland Einzelpersonen mit ihrem Forschungsprofil international durch Publikationen und Kongressaktivitäten bekannt, kaum jedoch universitäre wissenschaftliche Zentren zu speziellen Themen der Empirischen Bildungsforschung. Solche Zentren wirken in umgekehrter Richtung aber als Attraktoren: Genau diese Zentren und Spitzendepartments ausländischer Hochschulen ziehen deutsche Gastwissenschaftler oder deutsche Nachwuchswissenschaftler an. Dies wäre dann ein Anlass zur Freude, wenn Mobilität in beiden Richtungen bestünde, also auch deutsche universitäre Zentren eine vergleichbare Anziehungskraft ausübten. Da dies aber nicht der Fall ist, ist in nicht wenigen Fällen zu beobachten, dass in Projekten bzw. Förderprogrammen der DFG qualifiziert ausgebildeter wissenschaftlicher Nachwuchs ohne eine kompensierende Bewegung in der Gegenrichtung abwandert. Mehr universitäre Schwerpunktbüdung im Bereich der Empirischen Büdungsforschung ist auch deshalb notwendig, weil die Themen dieses Forschungsfelds in den meisten Fällen disziplinübergreifende Zusammenarbeit erfordern: Erziehungswissenschaft, Pädagogische Psychologie, die Fachdidaktiken, Organisations- und Bildungssoziologie, Recht und Ökonomie des Bildungswesens sollten dabei (mit unterschiedlichem Gewicht, je nach spezieller Fragestellung) involviert sein. Disziplinübergreifende Schwerpunktbüdung ist aber eine besondere Herausforderung und sie stellt höhere Anforderungen an die Universitäten als disziplineninterne Initiativen. Die Empirische Büdungsforschung bleibt auf den theoretischen und methodischen Hintergrund der beteiligten Disziplinen angewiesen und die beteiligten Forscher und Forscherinnen müssen dort jeweüs gut ausgewiesen sein. Zugleich aber erfordern die Konzentration auf den speziellen Untersuchungsgegenstand „Bildung, Lehren und Lernen" und die disziplinenübergreifende Zusammenarbeit theoretische und methodische Spezialisierungen und Innovationen, die die Beteiligten von den „Hintergrunddisziplinen" entfernen können. Dieses Problem stellt sich vor allem bei der Karriereplanung für Nachwuchswissenschaftler, es kann aber durch die Vergrößerung der institutionellen Basis der Büdungsforschung verringert werden. Dieses Problem reduziert sich auch dann, wenn die Büdungsforschung an mehreren Orten qualitativ hochwertige Forschungsergebnisse erbringt, weü sich dadurch auch innovative Effekte auf die beteiligten „Hintergrunddisziplinen" selbst ergeben. 167

Expertengespräch

der DFG 2001

III Vorschlag Das Fehlen einer Profil- und Schwerpunktbildung an den Hochschulen begrenzt also die längerfristige Wirkung der umfangreichen Investitionen, die durch die Forschungsförderung der DFG bereitgestellt werden. Die Förderung scheint eher zu „versickern". In dieser Situation konvergieren die Interessen der Forschungsförderung mit denjenigen der Bildungspolitik und -Verwaltung. Die Forschungsförderung muss im Sinne einer nachhaltigen Wirkung ihrer Investitionen Interesse an strukturbildenden bzw. -verbessernden Maßnahmen haben, die Bildungspolitik und -Verwaltung sollte dieses Interesse teilen im Sinne einer Potentialvergrößerung für forschungsgestützte Beratung, Aus- und Fortbildung. Auf diesem Hintergrund wird ein Programm vorgeschlagen, um mit den Mitteln der Forschungsförderung Anstöße zur einschlägigen Profil- und Schwerpunktbildung an den Hochschulen zu geben, damit die Entfaltungsmöglichkeiten des wissenschaftlichen Nachwuchses zu stärken und so die nachhaltige Wirkung thematisch einschlägiger Forschungsförderprogramme zu verbessern. Dabei bleibt unbestritten, dass es primär Aufgabe der Hochschulen selbst ist, eine Entwicklung in die beschriebene Richtung in Gang zu setzen. Die DFG kann dazu jedoch Anregungen, Hilfestellungen und Unterstützung geben. Dies soll in der Form eines dedizierten Forschergruppenangebotes geschehen, welches darauf zielt, Anstöße und Anreize zu Veränderungen und zum Aufbau von Forschungsschwerpunkten zu geben. Der Vorschlag enthält keine Elemente, die im bisherigen Förderspektrum der DFG nicht vertreten wären. Vielmehr bündelt, akzentuiert und fokussiert er etablierte Elemente des Förderspektrums unter dem Blickwinkel der oben beschriebenen Zielsetzung. Im Einzelnen: (1) Mit der Förderinitiative „Forschergruppen in der Empirischen Bildungsforschung", die mit der KMK abgestimmt ist, bietet die DFG eine auf Strukturverbesserung zielende Förderung an. Im Rahmen solcher Forschergruppen können finanziert werden: - Teilprojekte einer Forschergruppe nach den üblichen Bedingungen der allgemeinen Forschungsförderung, die von am Ort tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern beantragt und geleitet werden; - eine Nachwuchsgruppe für hochqualifizierte Nachwuchswissenschaftler mit einer Laufzeit von in der Regel fünf Jahren; - eine C3- oder C4-Professur für einen neuzuberafenen Wissenschaftler bzw. eine neuzuberufene Wissenschaftlerin einschließlich Projektmitteln für diese Person, die in der üblichen Form zu beantragen sind; - die für Forschergruppen üblichen weiteren Mittel, die der Profilbildung ebenso wie der wissenschaftlichen Kommunikation dienen, wie z. B. Gastwissenschaftlermittel, Mittel für Kolloquien, Reisemittel etc. Die Förderung kann für eine Laufzeit von bis zu acht Jahren erfolgen. (2) Da diese Förderinitiative strukturbildende Intentionen hat, muss die Einrichtung einer neuen Professur konstitutives Element jedes Forschergruppenantrages innerhalb dieses Programms sein. Die Hochschulen müssen sich bindend ver168

Stellungnahme

zur strukturellen Stärkung der Empirischen

Bildungsforschung

pflichten, die im Rahmen der Forschergruppenförderung finanzierten Professuren nach Auslaufen der Förderung weiterzuführen und ihre Ausstattung zu sichern. Sofern bei der Einrichtungsentscheidung über die Forschergruppe die Stelleninhaberin/der Stelleninhaber der neuen Professur noch nicht bekannt ist, ist in angemessener Weise und im Einvernehmen mit der DFG sicherzustellen, dass die Besetzung den mit der Forschergruppe verbundenen Intentionen entspricht. Von dem/der neuen Stelleninhaber/Stelleninhaberin wird erwartet, dass er/sie auch schon während der Laufzeit der Forschergruppe Pflichten in der Lehre wahrnimmt. Die Universität muss die dafür nötige Ausstattung bereitstellen. Die Lehrkapazität der an der Forschergruppe Beteiligten soll sich dadurch nicht erhöhen, sondern es sollen Freiräume für verstärkte Forschung für die übrigen Mitglieder der Forschergruppe geschaffen werden. (3) Für die Antragstellung und Begutachtung sollen folgende „Kriterien für Forschergruppen in der Empirischen Bildungsforschung" gelten: - Die Forschergruppe soll sich durch ein innovatives Forschungskonzept im Sinne einer „nutzeninspirierten Grundlagenforschung" auszeichnen. - Die Forschergruppe soll ein thematisch fokussiertes Programm bearbeiten, zu dem jedes der einzelnen Teilprojekte einen erkennbaren Beitrag leistet. - Das Programm der Forschergruppe soll qualifiziertem wissenschaftlichem Nachwuchs Entfaltungsmöglichkeiten geben und erkennen lassen, inwieweit es die Ausbildungsstrukturen für die Empirische Bildimgsforschung zu stärken verspricht. - Es soll erkennbar sein, inwieweit durch die Förderung der Forschergruppe eine Schwerpunktbildung in der bzw. den tragenden Einrichtung(en) zu erwarten ist, durch die die Situation und die Qualität der Empirischen Bildungsforschung verbessert wird. (Standortübergreifende Anträge für Forschergruppen in der Empirischen Bildungsforschung sind möglich, sofern sie versprechen, die angestrebten strukturbildenden Effekte zu erzielen. Dieses Erfordernis ist bei standortübergreifenden Anträgen explizit zu erläutern und in der Begutachtung zu prüfen.) - Die Ausarbeitung von Forschungsthemen, die disziplinenübergreifende Kooperationen vorsehen, ist wünschenswert. Der Beitrag solcher Kooperationen zur Strukturbildung sollte verdeutlicht werden.

IV Abstimmung mit der Bildungsadministration Repräsentanten der Bildungs- und Wissenschaftsadministration waren in Gespräche zur Vorbereitung dieses Vorschlags einbezogen. Auf diesem Hintergrund hat die Präsidentin der Kultusministerkonferenz in einer Presseerklärung vom 5. Dezember 2001 festgestellt: „Vermehrte Anstrengungen in der Lehr- und Lern-Forschung sowie fachdidaktischen Forschung sind wichtig. Angestrebt wird eine Intensivierung in Zusammenarbeit von Deutscher Forschungsgemeinschaft (DFG) und Ländern mit dem Ziel, strukturbildende Maßnahmen zu fördern und den erforderlichen wissenschaftlichen Nachwuchs heranzubilden." 169

Expertengespräch

der DFG 2001

Die Förderinitiative wird in diesem Zusammenhang als Beitrag zur breit diskutierten Professionalisierung der Lehrerbildung verstanden. Doch ist an dieser Stelle festzuhalten, dass sie sich nicht auf die schulbezogene Forschung beschränkt, sondern sich auf die Empirische Bildungsforschung in ihrer ganzen Breite bezieht - also z.B. auch auf Fragen der Weiterbildung, des Einsatzes neuer Technologien für Lehrund Lernprozesse im weitesten Sinne oder auch auf den vorschulischen Bereich. Die Gespräche mit der Bildungsverwaltung sollen mit dem Ziel fortgesetzt werden, die Randbedingungen für die Empirische Bildungsforschung zu verbessern und die Wirksamkeit der Förderinitiative zu stärken. Im Einzelnen soll in den Gesprächen auf Folgendes hingewirkt werden: - Die Bildungs- und Wissenschaftsadministration soll die Bereitschaft der Hochschulen zur einschlägigen Schwerpunktbildung fördern. Insoweit es auch um einen Beitrag zur forschungsbasierten Professionalisierung der Lehrerausbildung geht, ist dabei auch die Abstimmung zwischen der Bildungs- und der Wissenschaftsadministration erforderlich, insbesondere wenn es um die Übernahmegarantie für neu einzurichtende Professuren geht. Denn dies muss nicht immer die Einrichtung neuer Stellen bedeuten: Dieses Förderprogramm kann auch dazu genutzt werden, Professuren vorzeitig nachzubesetzen und dabei die inhaltliche Ausrichtung der Professur im Hinblick auf die angestrebte Schwerpunktbildung gezielt zu verändern. - Für die Lehrerausbildung und für viele Fragestellungen der Empirischen Bildungsforschung sind die Fachdidaktiken essentiell. Professuren der Fachdidaktik werden als Teil der Lehrerausbildung betrachtet und sollten professionsorientiert mit Qualifikation in fachbezogener empirischer Lehr-Lern-Forschung besetzt werden. - Die Berufungspolitik für Professuren in der Empirischen Bildungsforschung sollte sich strikt daran orientieren, dass Forschungskompetenz vor schulischer Praxiserfahrung zu werten ist. Ohne Berücksichtigung dieses Grundsatzes kann sich die Empirische Büdungsforschung in Deutschland nicht in international konkurrenzfähiger Weise entwickeln. - Forschergruppen in der Empirischen Bildungsforschung - bzw. die mit ihnen zu etablierenden/zu stärkenden Schwerpunkte in den Hochschulen - können jedoch genutzt werden, Praxiserfahrung und Forschungskompetenz zu verbinden. Hierzu sollte geprüft werden, das Instrument der Abordnung von im Schuldienst tätigen Personen an Forschergruppen bzw. andere Forschungszentren der Hochschulen verstärkt zu nutzen. Dieses Instrument kann aber nur dann zielführend sein, wenn die Abordnungen unter Bedingungen erfolgen, die der Forschungsqualifikation Vorrang geben, Lehr- oder Verwaltungsaufgaben also nicht in den Vordergrund stellen. - Bildungsadministration und Bildungsforschung sollten zu forschungsfreundlichen Regularien über den Feldzugang für die Empirische Bildungsforschung kommen. Darüber hinaus sollten zwischen Büdungsadministration und Forschungsförderung Regularien der Ko-Finanzierung erörtert und erprobt werden. Viele Projekte der Empirischen Bildungsforschung haben eine Implementationsphase in Bildungsinstitutionen zur Voraussetzung oder zur Folge. Die DFG kann als Einrichtung der Forschungsförderung die Implementation, also die Praxisgestaltung, nicht selbst finanzieren, wohl aber die wissenschaftliche Untersuchung aller darauf gerichteten Fragestellungen. 170

Teilnehmer am Expertengespräch der DFG „Entwicklung stabilerer institutioneller Strukturen der Bildungs- und Lehr-Lern-Forschung" vom 29. Oktober 2001

Professor Jürgen Baumert, Berlin Professor Klaus Beck, Mainz Professor Rainer Bromme, Münster Professor Wolfgang Einsiedler, Erlangen-Nürnberg Professor Hans E. Fischer, Dortmund Professor Helmut Heid, Regensburg Professor Friedrich Hesse, Tübingen Professor Andreas Krapp, München Professor Hans Merkens, Berlin Professor Reinhard Pekrun, München Professor Manfred Prenzel, Kiel Professor Kristina Reiss, Oldenburg Professor Elke Sumfleth, Essen Professor Heinz-Elmar Tenorth, Berlin Professor Ewald Terhart, Bochum Professor Klaus-Jürgen Tillmann, Bielefeld Professor Rudolf Tippelt, München Professor Horst Weishaupt, Erfurt Ministerialdirigent Dr. Werner Boppel, Bundesministerium für Bildung und Forschung, Bonn Ministerialdirigent Jürgen Großkreutz, Bayrisches Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, München Ministerialdirigent Konrad Horstmann, Ministerium für Kultus, Jugend und Sport des Landes Baden-Württemberg, Stuttgart Staatsrat Dr. Hermann Lange, Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung der Freien und Hansestadt Hamburg Dr. Elmar Schulz-Vanheyden, Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf Dr. Anne Brüggemann, DFG, Bonn Dr. Manfred Nießen, DFG, Bonn

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Abkürzungen

ACER ALLBUS BA BERA BIBB BIQUA BLK BLK21 BMBF DAAD DESI DFES DFG DJI DIPF DIW ESRC evalag HEFC HIS IAB IEA IGLU IOPS ISED IuK IQB KMK KNAW KOLIBRI KVI LAU LLL-Panel LTC MA MARKUS

Australian Council for Education Research Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften Bachelor of Arts British Educational Research Association Bundesinstitut für Berufsbildung DFG-Schwerpunktprogramm „Bildungsqualität von Schulen" Bund-Länder-Kommission Bund-Länder-Kommission (Konzept „Nachhaltige Entwicklung") Bundesministerium für Büdung und Forschung Deutscher Akademischer Austausch Dienst Deutsch Englisch Schülerleistungen International Department for Education and Skills Deutsche Forschungsgemeinschaft Deutsches Jugendinstitut Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Economic and Social Research Council Evaluationsagentur Baden-Württemberg Higher Education Funding Council Hamburger Institut für Sozialforschung Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschimg Illinois Education Association Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung Interuniversity Graduate School of Psychometrics and Sociometrics Institute of Social and Economic Development Informations- und Kommunikationstechnik bzw. -technologie Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen Kultusministerkonferenz Koninklijke Nederlandse Akademie van Wetenschappen (Royal Netherlands Academy of Arts and Sciences) Kooperation der Lernorte in der Berufsbildung Kernfysisch Versneller Instituut Hamburger Untersuchungen zu Lemausgangslagen Panel im Bereich Lebenslangen Lernens Looking at Technology in Context Master of Arts Mathematik-Gesamterhebung Rheinland-Pfalz: Kompetenzen, Unterrichtsmerkmale, Schulkontext 173

Abkürzungen MATHE 2000 MPG NFER NIESR NSF OECD PGCE PH PhD PHG PIACC PIRLS PISA PISA-E RAE SEMIK

SINUS SOEP TIMSS TMS QuaSUM QUISS

VSNU WKN WGL ZevA ZUMA

174

Projekt zur Entwicklung und Erforschung des Mathematikunterrichts aller Stufen Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften National Foundation for Educational Research National Institute of Economic and Social Research National Science Foundation Organisation for Economic Co-operation and Development Postgraduate Certificate in Education Pädagogische Hochschule Doctor of Philosophy Pädagogisches Hochschulgesetz Programme sur les impacts et 1'adaption aux changements climatiques Progress in International Reading Literacy Study Programme for International Student Assessment Programme for International Student Assessment-Erweiterung Research Assessment Exercise BLK-Programm „Systematische Einbeziehung von Medien, Informations- und Kommunikationstechnologien in Lehr- und Lernprozesse" BLK-Programm „Steigerung der Effizienz des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts" Das Sozio-oekonomische Panel Third International Mathematics and Science Study Tests für medizinische Studiengänge Qualitätsuntersuchungen an Schulen zum Unterricht in Mathematik BLK-Programm „Qualitätsverbesserung durch Steigerung der Innovationsfähigkeit und Selbstwirksamkeit in Schulen und Schulsystemen" Vereniging van Universiteiten Wissenschaftliche Kommission Niedersachsen Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz Zentrale Evaluations- und Akkreditierungsagentur Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen