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German Pages 135 [138] Year 2020
IM FELD
Wie der Grabungsalltag wirklich aussieht
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IM FELD
Wie der Grabungsalltag wirklich aussieht
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136 Seiten mit 123 Farb- und 2 s/w-Abbildungen Umschlag Sonderheft: Einblick in die Grabung in Tell el-Burak (Foto: Tell el-Burak Excavation Project). Umschlag Buchhandels-Ausgabe: Arbeiten am Göbekli Tepe (Foto: J. Notroff). Rückseite: oben: Freigelegte Pfähle und vollständiges Keramikgefäß in Weyregg II, Attersee (Foto: Henrik Pohl; vgl. Abb. S. 31). Mitte: Neuschnee auf der Ausgrabung im Fimbertal / Val Fenga, 2400 m Höhe, August 2010 – mit selbst gebauter «Silvrettibar» (Foto: T. Reitmaier; vgl. Abb. S. 87). unten: Vortrieb mit dem Presslufthammer (Foto: D. Brandner / NHM Wien; vgl. Abb. S. 83). Seiten 2/3: Frühling im Jordantal (Foto: Archäolo gisches Institut Universität zu Köln). Seite 6: Blick auf die Nekropole von La Muña (Foto: Markus Reindel). Seite 8/9: Karte der Grabungsorte (Karte: Peter Palm).
Weitere Publikationen finden Sie unter: www.wbg-zeitschriften.de www.wbg-wissenverbindet.de
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Der Verlag Philipp von Zabern ist ein Imprint der wbg.
Gestaltung: Melanie Jungels, TYPOREICH – Layout- und Satzwerkstatt, Nierstein Herstellungsbetreuung: Anja Bäumel, wbg, Darmstadt Redaktion: Anna Ockert und Holger Kieburg, wbg, Darmstadt Koordination und Akquise: Alexandra Hornung, Berlin Repros: Layout l Satz l Bild, Gensingen
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© 2020 by wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der wbg ermöglicht. Sonderheft: ISBN 978-3-8053-5275-8 Buchhandels-Ausgabe: ISBN 978-3-8053-5262-8 Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Europe Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de
Inhalt VORWORT
TÜRKEI
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68 Multidisziplinäre Forschungen im Ebenen Kilikien – Das bronze- und eisenzeitliche Sirkeli Höyük
Zu Lande, unter Wasser und in der Luft
TÜRKEI
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Mehr als nur «buddeln» – Göbekli Tepe: Ein Tag im Feld
SYRIEN
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Ruinenstätte in einer Krisenregion – Der Tell Halaf in Syrien
ÄGYPTEN
74
Graben und leben in einem Dorf im ägyptischen Nildelta – Das Projekt Ramsesstadt
ÖSTERREICH
80 Forschung im Untergrund. Hallstatt – 7000 Jahre Salz
USBEKISTAN
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Vom Suchen und Finden – Zamin: Archäologie in Zentralasien
ÖSTERREICH
30
«Archäologie im Alpensee» – Aus dem Alltag unterwasserarchäologischer Ausgrabungen im Projekt «Zeitensprung»
ÄGYPTEN
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Ausgrabungen in einer Megacity – Der Sonnentempel von Heliopolis
SCHWEIZ
40 Archäologie aus dem Eis der Berner Alpen – Von langen Wegen, kurzen Schönwetterperioden und schweren Rucksäcken
DEUTSCHLAND
44 Feste und «feasting» in der Elbaue, damals wie heute – Leben am Ringheiligtum Pömmelte
IBERISCHE HALBINSEL
90 Auf der Suche nach den Göttern im Westen – Ländliche Heiligtümer auf der Iberischen Halbinsel
ISRAEL
96 Einer Wüstenstadt auf der Spur – Die Ruinenstätte Elusa
KAMBODSCHA
102 Prohear – Ungeplante Ausgrabung mit Umleitung
ÖSTERREICH / SCHWEIZ
86 Den ersten Almhirten auf der Spur – Archäologie im Silvrettagebirge
DEUTSCHLAND
108 Projekt Archaeoflug – Archäologie als Ehrenamt
DEUTSCHLAND
114 Schichtarbeit – 10 Jahre U-Bahn-Archäologie in Köln
NORDSUDAN
50
Ein archäologischer Survey in der Bayuda-Wüste im Nordsudan – Wadi Abu Dom Itinerary (W.A.D.I.)
LIBANON
56
Ausgrabung mit Meeresblick – Libanesisch-deutsche Forschungen in Tell el-Burak an der Küste südlich von Sidon
TÜRKEI
IRAN
PERU
62
Archäologische Forschungsarbeit im Iran. Haft Tappeh – Grabungsalltag in einem elamischen Fundort
132 Entdeckungen zur Nasca-Kultur im Süden Perus – Die Fürstengräber von La Muña
ISRAEL
120 Ein prachtvoller Boden für das Imperium – Tel Shalem, eine Grabung im Jordantal
126 Antikem Stadtleben auf der Spur – Die Ausgrabungen in Doliche
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Die Dokumentation der Dokumentation: Bei der Grabung des Sissi Archaeological Projects fängt der Fotograf Gavin McGuire den Moment ein, in dem das Team in gemeinsamer Anstrengung ein bronzezeitliches Begräbnis dokumentiert (© Gavin McGuire, Sissi Archaeological Project).
Zu Lande, unter Wasser und in der Luft
S
chon lange wollten wir in der ANTIKEN WELT darüber berichten, wie der Alltag auf archäologischen Ausgrabungen, auf Surveys und bei anderen Forschungsprojekten tatsächlich aussieht. In der Vorstellung einer breiteren Öffentlichkeit herrschen Bilder vor, die der Populärkultur entspringen, und oft genug müssen Archäologinnen und Archäologen den Klischees bis zu einem gewissen Grad Rechnung tragen, um in den Massenmedien Gehör zu bekommen – Stichwort Schatzsuche. Dies wird der unglaublichen Vielfalt keineswegs gerecht, die archäologische Projekt auszeichnet. Diese Vielfalt der Orte, Methoden und Menschen möchten wir Ihnen mit spannendem und exklusivem Bildmaterial vorstellen. Wir freuen uns sehr, dass in dieser Publikation die Ausgräberinnen und Ausgräber aus erster Hand von ihrem Grabungsalltag berichten können. Auch die Fotografien stammen direkt «aus dem Feld» und geben einen Einblick in die tägliche Arbeit und hinter die Kulissen, den wissenschaftliche Publikationen nicht zeigen können. Das Bild, das Sie oben sehen, bildet den perfekten Aufmacher. Die Fotografie hat die diesjährige CWA
Photo of the Year Competition der britischen Zeitschrift Current World Archaeology gewonnen, deren Redaktion wir uns sehr verbunden fühlen. Die Aufnahme des neuseeländischen Fotografen Gavin McGuire zeigt einen typischen Moment einer Ausgrabung im Mittelmeerraum: Mitglieder des Grabungsteams sorgen für die richtige Beleuchtung bzw. genügend Schatten für die Dokumentation eines Begräbnisses. Entstanden ist das Bild auf einer Kampagne des Sissi Archaeological Project (S.Ar.P.edon) der Université Catholique de Louvain unter der Schirmherrschaft der Belgian School of Athens (EBSA) im Osten Kretas, in der Nähe des modernen Ortes Sissi. Dort wird seit 2007 eine bronzezeitliche Siedlung ausgegraben. Man sieht auf dem Bild sehr schön, und das ist der rote Faden unserer Berichte über den Grabungsalltag, dass Archäologie vor allem Teamwork ist. Die Redaktion der ANTIKEN WELT wünscht Ihnen eine anregende Lektüre, wenn Sie uns auf die unterschiedlichsten Projekte in den unterschiedlichsten Regionen begleiten Anna Ockert und Holger Kieburg Zu Lande, unter Wasser und in der Luft
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Grabungsorte
Pömmelte Köln Speyer
Atlantischer Ozean
EUR OPA Hallstatt Alpen
Berner Silvrettagebirge Alpen Schwarzes Meer
Iberische Halbinsel Sirkeli Höyük
Mittelmeer
Göbekli Tepe Doliche
Tell Halaf
Tell el-Burak Piramesse Heliopolis
Tel Shalem Elusa (Al-Khalasa)
Rotes Meer
A t l a nt is c he r Oz e a n
La Muna
P a zi f i s c h er O zea n
A t l a nt is c he r Oz e a n
A FR IKA
Bayuda Wüste
A SIEN
Aralsee Kaspisches Meer
Zamin
Haft Tappeh
Arabisches Meer
Golf von Bengalen
Prohear
Indischer Ozean
GÖBEKLI TEPE
Mehr als nur «buddeln» Göbekli Tepe: Ein Tag im Feld
von Jens Notroff
1 (Umseitig) Der frühe Vogel fängt den Wurm. Mit dem ersten Sonnenlicht beginnen am Morgen die Arbeiten am Göbekli Tepe (Foto: J. Notroff).
2 Besucher sind stets willkommen – große Gruppen können allerdings auch für Herausforderungen im laufenden Gabungsbetrieb sorgen; Sicherheit geht vor (Foto: Jens Notroff).
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: 30 Uhr. Ante meridiem. Zu früh für ein ernst gemeintes «Guten Morgen». Es dämmert noch nicht einmal; der Muezzin ruft die Gläubigen zum ersten Gebet – und die Archäologen im benachbarten Grabungshaus zum Frühstück. Ein Frühstück, das aus kaum mehr besteht als einem Glas schwarzen Tee, einer Scheibe Weißbrot und einer Handvoll Oliven – eingenommen im nur vom Licht einer einzelnen Glühbirne erhellten Hof des Grabungshauses. Ehrlich gesagt ist es auch für ein ernst gemeintes Frühstück zu früh. Nach und nach versammelt sich die Grabungsmannschaft, bis es schließlich an der Zeit ist aufzubrechen. Zur Arbeit. Zur Ausgrabung. Auf dem Weg zum Tor greift ein jeder nach bereitstehender Ausrüstung oder Proviant für den Tag und tritt hinaus in den nur zögerlich anbrechenden Morgen. In noch schlafende Altstadtgassen, an deren Ende ein Minibus wartet. Eine vergleichsweise kurze Fahrt durch noch menschenleere Straßen liegt vor uns. Hinaus aus der Stadt. Hinein in die Berge. Zwanzig Minuten. Die letzte Gelegenheit für ein kurzes Nickerchen.
Als der Bus schließlich zu Füßen des frühneolithischen Fundplatzes zum Stehen kommt, hängt der fahle Vollmond an einem nur zögerlich von schwarz zu blau wechselndem Himmel. Gruppen von Arbeitern, wegen der morgendlichen Kühle in Mäntel und Westen gehüllt, sind nur Minuten vor uns per Traktor aus dem Dorf weiter unten im Tal angekommen und warten nun darauf, mit den am Vortag begonnenen Arbeiten fortzufahren – während die sie anleitenden Student*innen noch Werkzeuge, Gerätschaften, Zeichenmaterial und Tagebücher sortieren. Endlich läuten die ersten Strahlen der schüchtern hinter dem östlichen Horizont hervorblinzelnden Sonne den Arbeitstag ein und eine Karawane aus Schaufeln und Eimern, Kopftüchern und Hüten zieht zu den Ausgrabungsflächen hinüber. Jeder kennt seinen Platz und seine Aufgabe, Gruppen finden nach einem längst etablierten System zueinander: zwei Männer mit handlichen Spitzhacken als Ausgräber, einer, der schaufelt und zwei weitere, die den Aushub in aus alten Autoreifen gefertigten Körben davontragen. Bald schon ist die Luft vom Klingen der Spitzhacken und dem Gesang und Lachen der Arbeiter erfüllt, deren hell-lila Tücher in der leichten Vormittagsbrise flattern. Erde wird umgeschichtet, Steine bewegt. Geröll und Sediment Korb für Korb fortgeschafft – und die Überreste vergangener Zeitalter freigelegt: Grob behauene Steinplatten und sorgsam gesetzte Mauern kehren zurück ans Tageslicht, vor dem sie lange verborgen lagen. Für Jahrhunderte. Jahrtausende gar. So schreitet das Tagwerk voran, die staubige Arbeit nur unterbrochen von einer kurzen Frühstückspause als die Sonne, nun gar nicht mehr schüchtern, am Vormittag zu voller Strahlkraft erblüht. Kinder aus dem nahen Dorf bringen ihren Vätern, Onkeln und Brüdern einen Imbiss herauf. Ein jeder ist nun deutlich hungriger (und gesprächiger) – und so ist dieses Frühstück reichhaltiger und kommunikativer als die wenigen stummen Bissen am frühen Morgen. Bei einer weiteren Tasse Tee, über Käse und Fladenbrot, Tomaten, Gurken und Oliven kreisen die Gespräche am Früh-
stückstisch. Eine halbe Stunde erholsamen Verharrens im Schatten. Dem einzigen Schatten, den es hier oben weit und breit geben wird. An die Arbeit in die Ausgrabungsflächen unter dem freien Himmel zurückzukehren, heißt auch, sich zurück ins Herz eines Schmelzofens zu begeben. Dort, im Staub, ist bald wieder das Klirren von Erde und Geröll auflockernden Hacken zu hören. Die Arbeiter setzen die Ausgrabungen fort, Student*innen notieren eifrig, lesen kleinste Holzkohleflitter und Fragmente von Feuersteingeräten aus der Erde, sammeln sie in Eimern und Tüten – jeweils mit dem aktuellen Datum versehen. Zwei kräftige Arbeiter mühen sich ab, ein beeindruckendes Skulpturenfragment auf den Schnittrand zu heben, während gleich gegenüber Aushub auf der Suche nach selbst den kleinsten botanischen Resten gesiebt und geschlämmt wird. Und während sich die Sonne ihrem Zenit nähert, verändert sich auch der Arbeitsrhythmus. Nach acht Stunden anstrengenden Grabens macht sich eine gewisse Lethargie breit und es gibt niemanden, der sich nicht über das gerufene «Feierabend!» gegen Mittag freuen würde.
Abschiedsgrüße auf den Lippen erklimmen die Arbeiter Traktoren und Anhänger – und entschwinden in der Ferne, nichts als eine Staubwolke zurücklassend. Eimer voller Kleinfunde werden in den wartenden Minibus verladen und fahren zusammen mit der restlichen Mannschaft zurück ins Grabungshaus. Während der Bus sich steile Feldwege hinuntertastet, suchen die müden Archäologen eine möglichst bequeme Position in den ruckelnden Polstern – die Beine ausgestreckt, die staubigen Hüte über die Augen gezogen. In der Rush Hour kostet die Rückfahrt ein Vielfaches des kurzen Weges am Morgen, mehr als genug Gelegenheit für ein Nickerchen. Zurück in der Stadt führt der Weg durch die inzwischen von der Sonne aufgeheizten Altstadtgassen. Bei unserer Ankunft ruft der Muezzin die Gläubigen erneut zum Gebet, und nebenbei die Archäologen zum Mittagessen. Der Grabungskoch wartet bereits. Doch ist der Arbeitstag noch nicht vorüber. Nach dem (kurzzeitig) erfrischenden Effekt einer Dusche werden die zuvor von der Ausgrabung mitgebrachten Funde vorsichtig gereinigt und gewaschen, sortiert und auf großen Sieben zum Trocknen in der Sonne Mehr als nur «buddeln»
3 Blick in das sog. Hauptgrabungsgebiet des Göbekli Tepe Richtung Norden. Der Turm und ein komplexes Netz gespannter Leinen dienen der fotografischen Überblicksdokumentation einzelner Ausgrabungsschnitte (Foto: Jens Notroff).
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4 Der türkische Name «Göbekli Tepe» bedeutet übersetzt so viel wie «gebauchter Berg» – diese Ansicht des Hügels (von Süden) illustriert, woher dieser Name rührt – deutlich zu erkennen ist die «Nabel»-artige Senke im Zentrum (Foto: Jens Notroff). 5 Die großen Pfeiler sind i. d. R. kaum zu übersehen, manche Funde aber offenbaren sich erst nach gründlicher Suche in den Sieben – selbst kleinste Tierknochen, Feuersteinsplitter und verkohlte Pflanzenreste kommen hier ans Licht (Foto: Jens Notroff).
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6 Der tägliche Weg zum Grabungshaus führt durch Urfas pittoreske Altstadtgassen zu Füßen der Zitadelle (Foto: Jens Notroff).
ausgebreitet – während die vom Vortag, inzwischen trocken, katalogisiert, gezeichnet und fotografiert werden können. So schreitet der Nachmittag voran, bis sich schließlich der Abend über Altstadtgassen und Grabungshaus senkt. Der Muezzin ruft die Gläubigen ein letztes Mal zum Gebet. Und auch im vom Licht einer einzelnen Glühbirne erhellten Hof des Grabungshauses nähert sich nach dem Abendessen der Tag seinem Ende. Früher oder später verabschieden sich die Archäologen, einander eine «Gute Nacht» wünschend. Es wird keine sehr lange werden. Gegen 4:30 Uhr, ante meridiem, wird der Muezzin die Gläubigen wieder zum Gebet rufen. Und die Archäologen zum Frühstück.
legt und erforscht. Errichtet am Ende der letzten Eiszeit vor etwa 12 000 Jahren, werden die durch bis zu 5 m hohe steinerne T-Pfeiler charakterisierten Bauten als Fest- und Versammlungsplatz verschiedener Jägergruppen der Region interpretiert. Jens Notroff hat als langjähriger wissenschaftlicher Mitarbeiter im Göbekli Tepe-Projekt an zahlreichen Ausgrabungskampagnen vor Ort mitgewirkt.
Das Grabungsprojekt in Göbekli Tepe, Südosttürkei Präkeramisches Neolithikum (10. und 9. Jt. v. Chr.)
Zum Platz
Größe des Teams:
10 Wissenschaftler und bis zu 50 Grabungsmitarbeiter vor Ort
Etwa 15 km nordöstlich der modernen Metropole Şanlıurfa im Südosten der Türkei erhebt sich 750 m über der Harran-Ebene der Göbekli Tepe. An diesem 15 m mächtigen Ruinenhügel werden seit dessen (Wieder-)Entdeckung durch Klaus Schmidt im Jahre 1994 im Rahmen eines inzwischen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Langfristprojekts durch das Deutsche Archäologische Institut und das Haleplibahçe Museum in Şanlıurfa einige der frühesten bisher bekannten Monumentalbauten freige-
beteiligte Nationen:
Türkei und Deutschland
beteiligte Fachdisziplinen:
DAI (Archäologie, Anthropologie, Archäobotanik), LMU München (Archäozoologie) FU Berlin (Physikalische Geographie), in Kooperation mit dem Haleplibahce Museum Sanliurfa
Laufzeit der Grabung:
seit 1995
Dauer der Kampagnen:
2x 2 Monate (Frühjahr und Herbst)
Förderinstitutionen/ Geldgeber:
Gefördert und finanziert durch die Deutsche Forschungs gemeinschaft
Teilnahme von Laien:
nein
Mehr als nur «buddeln»
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TELL HALAF
Ruinenstätte in einer Krisenregion Der Tell Halaf in Syrien
Die Entdeckung des Tell Halaf und die Ausgrabungen Max von Oppenheims
von Lutz Martin und Mirko Novák
1 (Umseitig) Ausgrabungen am Assyrischen Statthalterpalast 2008 (© Tell Halaf- Grabungsprojekt, Foto: G. Mirsch).
2 Ausgrabungen am Skorpionentor, Zugang zum Westpalast 1912 (© Max Freiherr von Oppen heim-Stiftung, Köln).
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1899 hatte der deutsche Forschungsreisende Max Freiherr von Oppenheim (1860–1946) auf einem antiken Siedlungshügel namens Tell Halaf in der Nähe von Ras Al-Ain in Nordostsyrien bei einer kurzen Suchgrabung Überreste monumentaler Steinskulpturen entdeckt. In der Folge fanden hier von 1911 bis 1913 und 1929 systematische Ausgrabungen statt. Dabei wurden Teile der Hauptstadt des aramäischen Fürstentums Bit Bachiani aus dem frühen 1. Jt. v. Chr. freigelegt. Im 9. Jh. v. Chr. kam Guzana, so der antike Name, unter assyrische Herrschaft und wurde Zentrum einer Provinz des Assyrischen Reiches. Zu den interessantesten Bauten gehörte ein Palast im Westen der Zitadelle. Er dürfte Ende des 10. Jhs. v. Chr. unter
einem Fürsten namens Kapara errichtet worden sein. Zum Baudekor der Anlage gehörten monumentale Torskulpturen und reliefverzierte Orthostaten. Die Siedlungsanfänge am Tell Halaf lagen aber bereits im 6./5. Jt. v. Chr. Aus dieser Zeit stammt eine farbig dekorierte Keramik, der der Tell Halaf ihren Namen gab. Durch die qualitativ hochwertige Keramik, die ihrerseits namengebend für eine Kulturstufe des Spätneolithikums wurde, und die 3000 Jahre alten Steinbildwerke zählt der Tell Halaf heute zu den bekanntesten Ruinenstätten Vorderasiens. Bedingt durch den ersten Weltkrieg konnte Oppenheim seine Ausgrabungen 1914 nicht fortsetzen, erst 15 Jahre später folgte eine zweite Grabungskampagne. Eine dritte, für 1939 vorgesehene Unternehmung kam in der angespannten politischen Lage vor Aus-
3 Mitarbeiter bei der Keramikkodierung im Hof des Keramikdepots 2010 (© Tell Halaf-Grabungs projekt, Foto: L. Simons).
bruch des zweiten Weltkrieges nicht mehr zustande. Oppenheim konnte nur vom Bahnhof in Ras Al-Ain aus seinen «geliebten Tell Halaf» in wenigen 100 m Entfernung sehen, ehe ihn die französischen Mandatsbehörden wieder nach Hause schickten.
Neue Grabungen nach 77 Jahren
Es sollten 77 Jahre vergehen, ehe im August 2006 eine gemeinsame, syrisch-deutsche Grabungsexpedition neue Untersuchungen am Tell Halaf beginnen konnte. In fünf je achtwöchigen Kampagnen sind neue und z. T. überraschende Ergebnisse erzielt worden. So konnten erstmals größere Siedlungsstrukturen aus der Gründungszeit des Ortes vor 8000 Jahren freigelegt werden. Vom Westpalast ist heute nur die etwa 5 m hohe Fundamentplattform erhalten, an deren Südseite, im Sockelbereich, die von Oppenheim entdeckten Reliefplatten aus Basalt oder Kalkstein vorgeblendet waren. Die beiden durch die Altgrabungen bekannten, vermeintlich separaten Gebäude des sog. Wohnpalastes im Nordosten der Zitadelle und der weiter südlich davon gelegenen «Assyrischen Hausanlage» gehörten, wie die neuen Ausgrabungen im
Bereich dazwischen zeigten, offenkundig zusammen und bildeten einen einzigen ausgedehnten Palastbau aus der Zeit der assyrischen Herrschaft über die Stadt. Der Gesamtkomplex wird als assyrischer Statthalterpalast gedeutet, der spätestens seit der Mitte des 9. Jhs. v. Chr. als Wohn- und Amtssitz des Statthalters diente. Im 6. Jh. v. Chr. zerfiel der Bau in kleinere Wohn- und Wirtschaftseinheiten. Interessant war der Nachweis, dass sich auf der Zitadelle von Guzana nicht nur Paläste befanden. Es wurden auch Teile mindestens eines Gebäudes im Süden der Zitadelle freigelegt, das vermutlich zu einem wohlhabenden Haushalt gehörte. Auch in der Unterstadt, die durch die Ausgrabungen Oppenheims kaum untersucht worden ist, kam eine Hausanlage mit Wandbemalung und zwei Wirtschaftsurkunden in aramäischer Sprache und Schrift zutage. Zu den neuen Ergebnissen zählt die Erkenntnis, dass neben der Bedeutung des Ortes in hellenistischer Zeit (bis zum 2. Jh. v. Chr.) auch erstmals eine Besiedlung in achämenidischer Zeit (6.–4. Jh. v. Chr.) nachweisbar ist. Die Grabungsergebnisse ermöglichen es, die wechselvolle Geschichte des Ortes und die sich dabei abspielenden Prozesse kulturellen Ruinenstätte in einer Krisenregion
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Austausches und von Neukonfigurationen kultureller Identitäten nachzuzeichnen. Auch wenn die Ausgrabung kriegsbedingt abgebrochen werden musste, gehen die wissenschaftlichen Forschungen zum Tell Halaf unvermindert weiter.
Grabungsalltag
An der Expedition waren Wissenschaftler*innen der Direction Générale des Antiquités et des Musées Damas, des Vorderasiatischen Museums Berlin und der Universitäten Bern, Halle und Tübingen sowie syrische und deutsche Studierende aus diversen Universitäten beteiligt. Das Team wurde durch Restaurator*innen und Fotograf*innen sowie durch über 100 syrische Grabungsarbeiter*innen verstärkt. Die enge Zusammenarbeit über kulturelle, sprachliche und soziale Schranken hinweg schuf einen sehr tiefgehenden Austausch, der jede(n) Beteiligte(n) für die Lebensumstände und kulturelle Eigenheiten des Gegenübers sensibilisierte und damit Brücken und Freundschaften schuf. Daraus resultierte nicht selten ein starkes Engagement zahlreicher deutscher Teammitglieder für syrische Flüchtlinge.
4 Gabriele Elsen-Novák und Alexander Sollee bei der Diskussion eines Grabungsbefundes 2010 (© Tell Halaf-Grabungsprojekt, Foto: L. Simons).
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Das Leben auf einer Ausgrabung ist auch heute oft noch mit romantischen Vorstellungen von Abenteuern in fremden Ländern verbunden. Tatsächlich handelt es sich in der Regel um einen 12 bis 14 stündigen Arbeitstag bei Tagestemperaturen von nicht selten 45 Grad, Staub und Ungeziefer. Hans Hennig von der Osten (1899–1960), ein bekannter Vorderasiatischer Archäologe, hat in einem Aufsatz einmal, zwar sehr poetisch, aber deshalb nicht weniger treffend, geschrieben: «Die heroischen Kämpfe und das Verteidigen der gefundenen Schätze sind in Wirklichkeit das Herumschlagen mit Legionen von Moskitos, Flöhen aller Art und Wanzen, das sich täglich und stündlich wiederholt – der gewiss sehr romantische Gedanke, dass die Vorfahren dieser Tierchen einst gekrönte Häupter und märchenhaft schöne Pharaonentöchter gebissen haben, ersetzt nicht die dringend notwendige Nachtruhe. … Und der ‹siegreich› zurückgekehrte Ausgräber ist immer froh, wenn er sich erst einmal gründlich ausruhen, waschen und in einem Bett ausschlafen kann, wenn er ohne Sand- und Staubbeigaben etwas essen und trinken kann … .»
Der Tell Halaf heute Eine Fortsetzung der Grabungsarbeiten war seit 2011 aufgrund der politischen Situation in Syrien nicht mehr möglich. 2012 haben die beiden Autoren den Tell Halaf von türkischer Seite aus sehen können. Wie Max von Oppenheim 1939 standen wir in der Nähe des Bahnhofs der alten «Baghdad-Bahn», der sich heute auf türkischem Territorium in Ceylanpınar befindet, und blickten zu dem unmittelbar südlich der Grenze liegenden Tell. Es war ein sehr beklemmendes und trauriges Gefühl, denn schon damals stand zu befürchten, dass der Konflikt weiter eskaliert und es selbst nach einer Befriedung des Landes Jahre dauern wird, ehe wieder Arbeiten vor Ort möglich sein werden. Den spärlichen und z. T. widersprüchlichen Nachrichten ist zu entnehmen, dass am Tell Halaf illegal gegraben wurde. Die Stadt Ras Al-Ain, dort wo sich während der Grabungskampagnen Arbeits-, Küchenund Wohnhäuser der Expeditionen befanden, ist jetzt durch türkische Truppen besetzt und Teile der Stadt sind durch die Kämpfe zwischen den verschiedenen Konfliktparteien zerstört worden. Neben den tausen den Opfern und dem damit einhergehenden ungeheuren menschlichen Leid, das der Bürgerkrieg in
Syrien mit sich gebracht hat, ist auch das reiche Weltkulturerbe des Landes stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Doch wie einstmals Max von Oppenheim angesichts von Zerstörung und Leid seine Hoffnung auf bessere Zeiten nie verlor, bleiben wir zuversichtlich, dass der Tell Halaf auch diese Prüfung überstehen wird.
5 Fotodokumentation mit Laura Simons und Anna Gnyp in den Ruinen des Assyrischen Statthalterpalastes 2010 (© Tell HalafGrabungsprojekt, Foto: G. Mirsch).
Das Grabungsprojekt in Tell Hallaf Größe des Teams:
15 bis 20 syrische und deutsche Mitarbeiter und bis zu 120 syrische Grabungshelfer
beteiligte Nationen:
Syrien und Deutschland
beteiligte Fachdisziplinen:
Archäologie, Anthropologie, Archäobotanik, Archäozoologie und Philologie
Laufzeit der Grabung:
von 2006 bis 2010 (Abbruch der Arbeiten wegen Bürgerkrieg in Syrien)
Dauer der Kampagnen:
ca. 8 Wochen
Förderinstitutionen/ Geldgeber:
Deutsche Forschungsgemeinschaft und Max Freiherr von Oppenheim-Stiftung, Köln
Teilnahme von Laien:
nein
Ruinenstätte in einer Krisenregion
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ZAMIN
Vom Suchen und Finden Zamin: Archäologie in Zentralasien
von Kristina Junker
1 (Umseitig) Auf den allerersten Blick sind die unzähligen Kurgane bei Zamin kaum zu erkennen. Eine Schwierigkeit bildet die für den Herbst typische Eintönigkeit der Landschaft, da aufgrund der heißen Sommermonate der nackte Lössboden seine Farbigkeit verliert, was dem menschlichen Auge eine Wahrnehmung jeglicher Dreidimensionalität der Landschaft erschwert. An wenigen Orten und Siedlungen, die über eine Quelle oder einen Brunnen verfügen, blüht es jedoch in unzähligen Grüntönen. (© ADAI-Eurasien, Foto: K. Junker).
2 Da der untersuchte Kurgan K62 am Rande des Dorfes Mugol liegt, werden die Grabungsarbeiten nicht selten von den Einwohnern interessiert verfolgt (© DAIEurasien, Foto: K. Junker).
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1
001 Nacht – damit assoziiert wohl zunächst jeder Mensch die zentralasiatische Republik Usbekistan. Doch kann man zu Recht behaupten, dass Scheherazades Erzählungen nur einen Aspekt der vielschichtigen Kultur dieses Landes bilden. An der Erforschung seiner ereignisreichen Geschichte beteiligt sich seit 1993 auch das Deutsche Archäologische Institut bzw. ab 1995 die Eurasien-Abteilung des DAI. Während der vergangenen Jahrzehnte wurden in Kooperation mit verschiedenen Instituten der Akademie der Wissenschaften der Republik Usbekistans bedeutende Fundorte detailliert untersucht und zahlreiche archäologische Objekte entdeckt. Doch aufgrund der schieren Menge an spannenden Denkmälern blieben auch weiterhin spannende Forschungsfragen offen, die von Archäolog*innen zu klären sind. Eine dieser Fragen betrifft die Datierung verschiedener Grabhügelgruppen in der Provinz Jizzax, die nördlich der Turkestan-Gebirgskette liegen. Unterschiede in der Hügelform oder des inneren Aufbaus machen deutlich, dass in dieser Region bei der Errichtung derartiger Kurgane
keiner einheitlichen Grabsitte gefolgt wurde. Unklar bleibt jedoch, warum diese Unterschiede bestehen. Und genau an dieser Stelle setzt das Zamin-Projekt von Dr. Nikolaus Boroffka und Dr. Leonid Sverchkov an. Und genau an dieser Stelle setzt das Zamin-Projekt von Dr. Nikolaus Boroffka und Dr. Leonid Sverchkov an. Zu Beginn des Projekts im Jahr 2018 konnten bereits erste Kurgane erfolgreich untersucht, die durch menschliche Aktivitäten von Zerstörung bedroht sind.
Suche: Grabungserlaubnis
Und auch im September 2019 machten sich zwei Archäolog*innen des DAI wieder auf den Weg nach Taschkent, der usbekischen Hauptstadt. Denn nur dort kann die für das Projekt notwendige Grabungserlaubnis eingeholt werden, die jedes Jahr von Neuem beantragt werden muss. Aber: Unterschriften und vor allem offizielle Stempel sind in Zentralasien oft nur mit einer ausgeprägten Langatmigkeit zu ergattern, so dass sich dieser Prozess zu einem Hürdenlauf für jede Grabungsleiter*in entwickeln kann. In diesem Fall ist
mit einer für Zentralasien typischen Matratze versehen. Zwar ist der Weg zum Plumpsklo so deutlich kürzer, worum sie von ihren Kollegen beneidet wird, aber ab 5 Uhr morgens ist durch den Betriebslärm in der Küche an Schlafen nicht mehr zu denken. Und trotzdem war sie mit ihrem einfachen, aber auch authentischen Zimmer sehr zufrieden! Neben dem angemessenen Preis ist ein ausschlagSuche: Grabungshaus gebendes Kriterium bei der Wahl des GrabungshauNachdem die Hungersteppe durchquert wurde, die ses auch die Bereitschaft der Hausherrin ihre Gäste durch ihre herbstliche Eintönigkeit besonders lebens- mit ihren kulinarischen Fähigkeiten zu stärken. Ihre feindlich erscheint, muss in Zamin nun eine passende Zusage, eine derartige Zusatzbelastung neben der FaUnterkunft gefunden werden, die den Ausgangspunkt milie auf sich zunehmen, zahlt sich im wahrsten Sinne der Grabungskampagne bilden wird. Nach kurzem des Wortes aus, da ihr als Hausherrin der gesamte BeRumfragen erklärt sich eine ältere Dame bereit, die trag für Logis und Kost ausgehändigt wird und über Hälfte ihres Hauses an die Fremden zu vermieten. Ein den sie selbstständig verfügt, auch wenn ein Ehemann weiteres Zimmer ist jedoch notwendig, da das weibli- vorhanden ist. Auf ihr lastet somit in den kommenden che und dazu noch unverheiratete Grabungsmitglied Wochen die größte Verantwortung: Denn während einach gesellschaftlichen Konventionen nicht mit ihren ner laufenden Grabungskampagne gibt es im Grunde Kollegen unter einem Dach nächtigen darf. Im Küchen- nichts Wichtigeres als den Prozess der Nahrungsaufhaus wird daher ein Kämmerchen freigeräumt und nahme. Im Idealfall sollten alle Teilnehmer*innen je-
der Papierwust schon nach wenigen Stunden durch den erfahrenen und vielgeschätzten Kooperationspartner abgearbeitet und dem vierköpfigen Team – inklusive einem usbekischen Fahrer mit jahrzehntelanger Grabungserfahrung – steht nichts mehr im Weg, der sie nach Zamin führt, einem Städtchen in Zentral usbekistan.
Vom Suchen und Finden
3 Auch wenn während der Grabungssaison kaum Freizeit bleibt, sind Ausflüge ins Umland fester Teil einer jeden Kampagne. Zu den beliebtesten Ausflugzielen zählen insbesondere archäologische Fundplätze, wie etwa die frühmittelalterliche Siedlung Myk (6./7. Jh. n. Chr.), die sich unweit der Grabungsstelle in Zamin im südlich angrenzenden Nationalpark befindet (© DAI-Eurasien, Foto: K. Junker).
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den Abend gesättigt und ohne Mangelerscheinungen einschlafen dürfen. Wird dies nicht eingehalten, trübt sich in den folgenden Tagen zunächst die Stimmung, wodurch Missverständnisse und Streitigkeiten verursacht werden können. Letzten Endes führt dies zu Unkonzentriertheit, die sich eben auch auf die Qualität der Arbeit niederschlägt. Und dies muss in jedem Fall verhindert werden, wohl gerade auch weil die Hungersteppe im Hintergrund droht.
Suche: Verpflegung
Daher führt der nächste Weg gleich zum Bazar, der in diesem Fall nur wenige 100 m vom Grabungshaus entfernt liegt. Dort gibt es jeden Tag neben erntefrischem Gemüse und Obst, das sich von europäischen Produkten deutlich durch seinen intensiveren Geschmack unterscheidet, auch ofenwarmes Brot – tandir non – und halales Fleisch. Der tägliche Einkaufsprozess, auf dem Bazar mit traditionellen Verhandlungen, ist begleitet durch spannende, teilweise sich wiederholende persönliche Gespräche mit den Verkäufer*innen. Besonders interessant erscheint ihnen vor allem der Grund für die Anwesenheit der Fremden, welcher bereits ausgiebig von den Bewohner*innen Zamins diskutiert wurde. So kommt es auch, dass der Metzger ein ganz spezielles Thema anspricht: «Man sagt sich in Zamin, ihr hättet vor den Toren unserer Stadt das Grabmal des Dschingis Khan entdeckt? Darin sollen tausende Goldobjekte gewesen sein, die euch gehören würden! Stimmt das?». Ohne Verwunderung antwortet die Verfasserin darauf: «Wenn wir das Grab des berühmten Dschingis Khan entdeckt hätten, dann wären schon deutlich mehr Journalisten und Journalistinnen und wohl zu allererst euer Präsident vor Ort. Und außerdem kann ich Sie beruhigen, Gold möchten wir wirklich nur ungern entdecken.» Nach einer kurzen Denkpause entscheidet sich der Metzger, ihr zu glauben und dem Team für seine Arbeit zu danken. Er hoffe jedoch weiterhin, dass Dschingis Khan in Zamin bestattet wurde – das wäre doch einfach großartig!?!
4 (links) Auch wenn es in Zamin einen Supermarkt gibt, ist die Lebensmittelversorgung saisonabhängig, so dass jeder Haushalt ausreichend Vorräte für die kalte Winterzeit anlegen muss. Diese Aufgabe wird im Grabungshaus von der Hausherrin und ihren Enkelkindern übernommen, die damit bereits im Oktober beginnen. Neben eingelegtem Gemüse, wie Gurken und Tomaten, verar beiten sie in dieser Zeit auch Äpfel und reife Granatäpfel zu Kompott (© DAI-Eurasien, Foto: K. Junker).
Gefunden Nachdem nun die Grundbedürfnisse der Archäolog*in nen gestillt sind, beginnt die spannende Forschungsarbeit, die zur Aufdeckung der weiteren Kurgane führt. Nach sechs Wochen körperlicher Arbeit sind neue Funde und Befunde entdeckt worden, die in den kommenden Monaten ausgewertet und in ihrem historischen Kontext interpretiert werden. Die Ergebnisse tragen somit zum Verständnis der Historie bei und können eine Lücke in der Geschichte der Region mit neuen Fakten und Theorien füllen. Doch auch wenn die (Er-)Forschung im Fokus des Projektes steht, erlaubt die Suche nach vergangen Befunden eben auch das Finden barrierefreier Wege in die Kultur, das Leben und die Gedankenwelt anderer Menschen. Und damit zu neuen, bisher unbekannten 1001 Geschichten.
5 Der Zaminer Bazar lockt durch frische Backwaren, handgefertigte Schuhein lagen aus Schafswolle, Obst und Gemüse täglich zahlreiche Kund*innen an. Im Metzgerbereich sind die Stände sonntags beson ders reich mit allerlei frischen Gedärmen und Fleisch behangen, die ohne Kühlung noch am selben Tag verkauft werden müssen. Und da Plow, Manti und andere Nationalgerichte Usbekistans sehr fleischlastig sind, ist die Nachfrage dem entsprechend hoch (© DAIEurasien, Foto: K. Junker).
Das Grabungsprojekt in Zamin Größe des Teams:
4 Grabungsmitarbeiter*innen
beteiligte Nationen:
Usbekistan und Deutschland
beteiligte Fachdisziplinen:
Archäologie, Geophysik und Anthropologie
Laufzeit der Grabung:
2018 bis unbestimmt
Dauer der Kampagnen:
6−10 Wochen
Förderinstitutionen/ Geldgeber:
Deutsches Archäologisches Institut
Teilnahme von Laien:
ja
Vom Suchen und Finden
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ATTERSEE / MONDSEE
«Archäologie im Alpensee» Aus dem Alltag unterwasserarchäologischer Ausgrabungen im Projekt «Zeitensprung» in Österreich von Henrik Pohl und Helena Seidl da Fonseca
1 (Umseitig) Forschungstaucher beim Graben in der jungsteinzeitlichen Pfahlbausiedlung Weyregg II, Attersee (Foto: Harald Hois).
2 Forschungstaucherin steigt nach dem Tauchgang auf das Arbeitsboot, Attersee (Foto: Harald Hois).
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U
nterwasserarchäologie – bei diesem Wort gibt es bereits eine abenteuerliche Vorstellung von der Tätigkeit der Archäolog*innen. Meistens in Verbindung mit Schiffwracks im Meer und von der Sonne ausgebleichten Tauchanzügen. Doch nicht so in diesem Fall. Henrik Pohl und Helena Seidl da Fonseca leiten zusammen die Unterwasserausgrabungen im Projekt «Zeitensprung» an den zwei Alpenseen, Attersee und Mondsee, in Oberösterreich. Hier finden sich keine antiken Schiffwracks, aber dafür einige Siedlungen aus der Jungsteinzeit bis in die Bronzezeit (4200−1000 v. Chr.) – sog. Pfahlbauten bzw. Seeufersiedlungen. 2011 wurden 111 dieser Fundstellen in Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, der Schweiz und Slowenien zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Die Aufgaben in der Betreuung des Welterbes «Prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen» teilen sich alle sechs Länder gemeinsam.
Im Vorfeld einer geplanten oberösterreichischen Landesausstellung zum Thema «6000 Jahre Siedlungskultur in der Seenregion» konnte das mehrjährige Forschungsprojekt «Zeitensprung» initiiert werden. 150 Jahre nach Entdeckung der ersten Pfahlbauten in Österreich können durch moderne wissenschaftliche Methoden neue Erkenntnisse aus diesen einzigartigen archäologischen Quellen unter Wasser gewonnen werden. Das Projekt unter der Leitung des Oberösterreichischen Landesmuseums und des Kuratoriums Pfahlbauten realisierte in den Jahren 2015 bis 2019 sechs Ausgrabungskampagnen an drei unterschiedlichen Siedlungsplätzen.
Unter Wasser
Die Lage der Pfahlbausiedlungen am prähistorischen Seeufer ist für die moderne Archäologie von besonderem Vorteil, denn durch die Änderungen des Wasserspiegels befinden sie sich heute unter Wasser oder in Moorgebieten und sind hervorragend erhalten. Jene Fundstellen im Attersee und Mondsee liegen zwischen 2 und 5 m unter Wasser. Ausgrabungen unter Wasser sollen den gleichen Standards entsprechen wie «Landgrabungen». Allerdings sind aufgrund der besonderen Umgebung Sonderlösungen für Dinge gefragt, die an Land selbstverständlich erscheinen. Die Luft zum Atmen, klare Sicht, genaue Vermessungsmöglichkeiten und einfache sprachliche Verständigung – das alles ist unter Wasser nur sehr eingeschränkt verfügbar bzw. möglich. Der Luftvorrat muss in Druckluftflaschen mitgebracht werden. Zusammen mit dem oft extrem kalten Wasser (4−8 °C) limitiert dies unsere Arbeitszeit unter Wasser auf maximal drei Stunden. Selbst ein sehr guter Trockentauchanzug hält die Kälte nur bedingt ab, und auf die Toilette muss man ja auch. Der Rest des Arbeitstages ist für die Dokumentation und Fundversorgung vorgesehen. Wir graben hauptsächlich im Frühjahr und Herbst. Dann ist es zwar kalt, dafür hat die Algenblüte im Wasser noch nicht einge-
setzt und es ist deutlich klarer als im Sommer. Trotzdem ist die Sicht unter Wasser oft eingeschränkt, so dass eine Foto- und Videodokumentation anspruchsvoll ist. Wir verwenden einfache Unterwasserkameras zur Aufnahme der Grabungssituation sowie eine hochwertige Spiegelreflexkamera für gute Übersichtsaufnahmen und vor allem für die Dokumentation mittels structure from motion. Seit Beginn des Projektes konnte erstmals in Österreich die Dokumentation mit diesem bildbasierter Scanverfahren auch für eine Unterwassergrabung realisiert werden. Dadurch kann ein fotorealistisches dreidimensionales Digitalmodell der jeweiligen Grabungssituation erstellt werden, welches die Befundsituation auch ohne Tauchgang sichtbar macht. Die meisten archäologischen Informationen, werden jedoch von den Forschungstaucher*innen unter Wasser notiert. Technisch ist das Schreiben unter Wasser relativ einfach möglich. Man kann mit normalen Bleistiften auf einem speziellen Baustellenpapier schreiben. Aber: Haben Sie schon einmal versucht, mit dicken Dreifinger-Neoprenhandschuhen zu schreiben oder eine Plastiktüte unter Wasser zu öffnen? Gar nicht so einfach! Um überhaupt an die Fundstelle im See zu kommen und eine entsprechende Sicherheit zu gewährleisten, verwenden wir ein Forschungsboot, das speziell für Taucheinsätze geeignet ist. Ebenfalls aus Sicherheitsgründen ist in Österreich, wie in Deutschland auch, eine spezielle Tauchausbildung für die Forschung vorgeschrieben. Wir benutzen ausschließlich Vollgesichtsmasken, die auch die Kommunikation zum Bootsführer über Sprecheinrichtungen ermöglichen.
Lohnt sich der Aufwand?
An Land gestalten sich die weiteren Arbeitsschritte wie bei anderen Grabungen auch: Funderstversorgung, Befund und Funddokumentation, Konservierung, Analysen sowie letztendlich die Publikation der Grabungsergebnisse. Die mittelfristige Lagerung der archäologischen Nassfunde wird in einem speziellen Kulturgutrettungscontainer realisiert. Dieser Container simuliert die Bedingungen, die es den Funden im See ermöglichten, die Jahrtausende zu überstehen – kühl, dunkel und vor allem nass. Viele dieser Faktoren führen dazu, dass Unterwassergrabungen in der Regel teurer sind als vergleichbare an Land. Aber der erhöhte Aufwand lohnt sich. Die prähistorischen Seeufersiedlungen um die Alpen gelten europaweit als einmalige Fundstellen, die wesentliche Entwicklungsschritte der europäischen Urgeschichte über 4500 Jahre deutlich
fassbar machen. Wie in einer Zeitkapsel sind hier bis zu 6500 Jahre alte Überreste eingeschlossen und hervorragend konserviert. Spektakuläre Funde, wie Textilfragmente von Gewändern, Körbe für den Fischfang, Speisereste, Steinzeit-Kaugummi, ja sogar das älteste Holzrad der Welt stammen aus diesen Fundstellen.
3 Freigelegte Pfähle und vollständiges Keramikgefäß in Weyregg II, Attersee (Foto: Henrik Pohl).
«Archäologie im Alpensee» – Projekt «Zeitensprung» Größe des Teams:
ca. 15 Grabungsmitarbeiter*innen
beteiligte Nationen:
Österreich, Deutschland, Schweiz und Frankreich
beteiligte Fachdisziplinen:
Restaurierung und Konservierung (OÖ Landesmuseum), Dendroarchäologie (Univ. für Bodenkultur, Wien), Archäobotanik (Öst. Arch. Institut, Univ. Innsbruck), Archäozoologie (NHM Wien und VetMed Wien), Faeces-Analyse (Universität Basel), C14-Analysen (Beta Analytics, Poznań Radiocarbon Laboratory), Geologie (Univ. Innsbruck und Univ. Wien), Parasiten-Analyse (Uni. Bourgogne Franche-Comté), Metall-Analyse (Univ. Wien), Keramik (Univ. Wien), Gefäßrest analyse (TU Wien), aDNA-Analysen an Getreide (Uni. Kiel), 3D-Dokumentation und Visualisierung (crazy eye, Wien)
Laufzeit der Grabung:
2015 bis (voraussichtlich) 2027
Dauer der Kampagnen:
max. 6 Wochen
Förderinstitutionen/ Geldgeber:
Kulturdirektion Land Oberösterreich
Teilnahme von Laien:
ja (an Land)
«Archäologie im Alpensee»
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HELIOPOLIS
Ausgrabungen in einer Megacity Der Sonnentempel von Heliopolis
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von Dietrich Raue
1 (Umseitig) September 2019 im Tempel von Heliopolis (Foto: D. Raue).
2 Der mobile TeeStand wird eröffnet (Foto: D. Raue).
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ie ägyptisch-deutsche Grabungsunternehmung im Sonnentempel von Heliopolis untersucht den größten Tempelbezirk der pharaonischen Kultur. Unter den modernen Kairener Stadtteilen Matariya, Arab el-Hisn und Ain Schams liegt der Ort, an dem nach alt ägyptischer Sicht die Welt entstanden ist und der erste Sonnenaufgang den Beginn der Schöpfung markierte. Über einen Zeitraum von mehr als 2400 Jahren haben die Könige Ägyptens an diesem Ort Denkmäler errichtet, die «Feste des Himmels» gefeiert und den Segen des Schöpfergottes für eine lange Regentschaft erbeten.
Das Projekt ist eine Gemeinschaftsunternehmung des Ägyptischen Ministeriums für Tourismus und Antiken, des Ägyptischen Museums – Georg Steindorff – der Universität Leipzig, und des i3mainz, Institut für raumbezogene Informations- und Messtechnik an der Hochschule Mainz. Zu dem internationalen Forschungsteam gehören Archäolog*innen des Ägyptischen Museums Turin, Geoarchäolog*innen aus Gent und Warschau, amerikanische Paläozoolog*innen, ägyptische Anthropolog*innen und Botaniker*innen sowie weitere Spezialist*innen und selbstverständlich Restaurator*innen für verschiedene Materialgruppen.
3 Bergung eines Portalsblocks aus dem Tempel Nektanebos’ I. (Foto: D. Raue).
Ganz zweifellos würde es das Projekt aber nicht ohne die oberägyptischen Facharbeiter aus Quft geben. Mit ihnen arbeitet das Leipziger Museum seit mehr als 100 Jahren zusammen. Hinzu kommen bis zu 120 lokale Arbeiter und Arbeiterinnen aus den umliegenden Stadtteilen. Nicht selten kommen überaus schwergewichtige Funde zutage, weshalb der Lautstärkepegel zusätzlich auch von schweren Baumaschinen angereichert wird. Unabhängig jedoch, wo in diesem weitläufigen Gelände gearbeitet wird: Es dauert selten lange, bis der erste Tee-Stand sich zur Freude aller installiert hat. Zum Ambiente gehört noch eine Vielzahl von Tieren. So wird die Tempelfläche von Schafhirten und Kamelbesitzern genutzt, aber auch eine Vielzahl von Reihern und Raubvögeln bevölkert die Halden. Die Herausforderung des Projekts liegt in der innenstädtischen Lage in einer Megacity von ca. 23 Millio nen Einwohnern, und in einer Lage der Denkmäler unterhalb des Grundwasserspiegels. Zugleich hatte der Tempelbezirk in der Zeit nach der ägyptischen Revolution von 2011 bis 2013 intensiv als Mülldeponie für Nordost-Kairo gedient. Bis zu 15 m hoch reichen die Halden aus Bauschutt und städtischem Abfall. Wie nicht anders zu erwarten, steht eine solche Ausgrabung konstant unter einem erheblichen Zeit-
druck. Mit der Lage inmitten eines Ballungszentrums müssen auch die Bedürfnisse der heutigen lokalen Bevölkerung in die Planung einbezogen werden, weshalb Notgrabungen an der Tagesordnung sind. Das Tempo der Stadtentwicklung bringt konstant neue Herausforderungen mit sich. Neubauten, kurzfristig entstehende Parkplätze, tiefgreifende Kanalisationsprojekte – diese modernen Umstände können zuweilen sehr schnell die Grabungsplanung beeinflussen. Ein wichtiger Aspekt der Arbeit ist es, auch in der lokalen Bevölkerung das Wissen um den Platz zu verbessern. Aus diesem Grund wurde in Zusammenarbeit mit dem Antikenministerium 2018 ein Museumsanbau fertiggestellt. Hier können nun z. B. die besonders beeindruckenden Reliefblöcke des Tempels Nektanebos’ I. (380–363 v. Chr.) präsentiert werden. Zahlreiche Schulklassen beleben nun das Museum, das um das einzige an seinem Platz verbliebene Monument in Heliopolis errichtet wurde: Der Obelisk von Sesostris I., der seit seiner Errichtung vor mehr als 3900 Jahren stets aufrecht gestanden hat. Wie auf jeder Ausgrabung werden die Nachmittage und Abende zum Nacharbeiten der Tagesergebnisse genutzt. Dies geschieht in den Apartments, die in der Innenstadt von Kairo angemietet werden. Ein gleichfalls angemieteter Kleinbus holt von dort am frühen Morgen das Team ab und benötigt etwa eine halbe Ausgrabungen in einer Megacity
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4 Freilichtmuseum von Matariya mit dem Obelisken Sesostris’ I. (Foto: D. Raue).
5 Ausgrabungen im Gebiet des Nektanebos-Tempels (Foto: D. Raue).
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Stunde bis zum Grabungsgebiet, wo uns die ägyptischen Kollegen erwarten. Nun sind es schon 14 Grabungskampagnen, die an diesem spannenden Platz stattfanden. Mittlerweile gibt es sogar Grabungsabschnitte, die die früheste Besiedlung von Heliopolis offenbarten. Aus der Mitte des 4. Jts. v. Chr. liegen nun die frühesten Schichten vor – unter anderem mit einer intensiv genutzten Brauerei. Mit dem pharaonischen Staat jedoch beginnt erst die monumentale Phase von Heliopolis. Der Tempel umfasst nunmehr ein Gebiet von 1100 x 950 m, seine Mauern sind bis zu 17 m stark – wenn man einmal von einem Damm absieht, der mehrere Jahrhunderte im Tempelinneren den heiligen Boden der Weltschöpfung vor außergewöhnlichen Fluthöhen schützte, denn dieser Wall hat eine Stärke von etwa 40 m. Auch aus allen jüngeren Phasen gibt es nun bedeutende neue Funde. Die insgesamt 6500 Fragmente einer Kolossalstatue des Königs Psammetich I. (664– 610 v. Chr.) waren sicher der spektakulärste Fund. Aber auch die Qualität der Quarzit-Reliefs Ramses’ II. (1279–1213 v. Chr.) zeugt von dem ursprünglichen Reichtum der Anlage. Nicht weniger interessant ist auch die Endphase dieses Tempels, in dem wir, lange bevor die Schließung der Tempel Ägyptens vor sich ging, schon Hinweise auf Umnutzungen in der mittleren ptolemäischen Zeit (2. Jh. v. Chr.) fanden. Von all dem sieht man heute an der Oberfläche wenig. Zudem ist auch eine Vielzahl von Denkmälern schon in der Antike fortgebracht worden. Allein in Rom stehen fünf Obelisken, die von den ersten Kaisern aus Ägypten in die Hauptstadt gebracht wurden. Aber auch nach Alexandria gelangte eine Vielzahl heliopolitanischer Objekte. So standen dort bis ins späte 19. Jh. die sog. Nadeln der Kleopatra, bei denen es sich ursprünglich um 23 m hohe Obelisken aus dem Tempel von Heliopolis handelt – die dann von Alexandria nach New York und London verbracht wurden. Sogar im Wasser des Mittelmeeres vor Alexandria werden heliopolitanische Tempelblöcke und Statuen gefunden, da sie offenbar zum lexandria verwendet Projekt des Leuchtturms von A wurden. Und schließlich hat auch die Nähe zu Kairo dem Tempel nicht gut getan. Bis in das 15. Jh. wurden im islamischen Mittelalter Steinblöcke für die großen Bauprojekte in Kairo aus dem Tempel von Heliopolis herbeitransportiert – weshalb lange Zeit der Eindruck entstand, dass es an diesem Platz nicht
6 Psammetich I. (664– 610 v. Chr.). Relief am Rückenpfeiler seiner heliopolitanischen Kolossalstatue (Foto: D. Raue, Heliopolis Project, Ägyptisches Museum – Georg Steindorff – der Universität Leipzig).
mehr möglich wäre, wichtige Entdeckungen zu machen. Die vergangenen sieben Jahre haben nun das Gegenteil bewiesen.
Das Grabungsprojekt in Heliopolis Größe des Teams:
ca. 120 Grabungsmitarbeiter*innen
beteiligte Nationen:
Ägypten, Deutschland, Italien, Polen, Niederlande, Belgien, Pakistan, Großbritannien und USA
beteiligte Fachdisziplinen:
Ägyptologie, Archäologie, Geoarchäologie, Anthropologie, Archäozoologie uns Archäobotanik; Digitale Dokumentation / Forschungsdatenmanagement (Hochschule Mainz)
Laufzeit der Grabung:
Seit 2012
Dauer der Kampagnen:
Mitte Februar bis Mitte April und Ende August bis Mitte Oktober
Förderinstitutionen/; Geldgeber:
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG); Gerda Henkel Stiftung; Fondation Michela Schiff Giorgini, Lausanne; Fond Khéops pour l‘Archéologie, Paris; Académie des Inscriptions et Belles-Lettres, Paris; Berthold Leibinger Stiftung, Ditzingen; Forum Ägyptologie Zürich; Kulturerhaltprogramm des Auswärtigen Amts der Bundesrepublik Deutschland; Deutsche Botschaft Kairo; American Research Center in Egypt; Bernard Selz Foundation New York; Freundeskreis des Ägyptischen Museums der Universität Leipzig; Sameh Sawiris / Orascom Cairo; European Foundation for Education and Culture of the; Rahn-Dittrich Group; Greiss-Stiftung, Köln; Mehen Foundation Leiden
Teilnahme von Laien:
nein
Ausgrabungen in einer Megacity
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BERNER ALPEN
Archäologie aus dem Eis der Berner Alpen Von langen Wegen, kurzen Schönwetterperioden und schweren Rucksäcken
von Regula Gubler 1 (Umseitig) Archäologische Prospektion auf dem Lötschenpass, der das Kandertal im Berner Oberland mit dem Lötschental im Kanton Wallis verbindet. Im Vordergrund der letzte Rest eines Firnfeldes, in dessen Umfeld archäologische Objekte gefunden wurden und im Hintergrund das Balmhorn. Aufnahme 2012 (Foto: © Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Rolf Wenger).
2 Das Fragment eines frühbronzezeitlichen Pfeilbogens aus Ulmenholz wird auf dem Lötschenpass für den Transport auf einer leichten Kunststoffplatte fixiert und befeuchtet (Foto: © Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Rolf Wenger).
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letscher und Firnfelder sind besonders wertvolle archäologische Archive, da sie seltene Informationen über die prähistorischen Menschen und ihre Aktivitäten im alpinen Raum bewahren. Im Eis können Objekte aus organischen Materialien wie Leder oder Pflanzenfasern Hunderte und Tausende Jahre überdauern und erlauben oft einzigartige Einblicke in die Vergangenheit. Die Bedeutung der Eisfunde für die Archäologie ist erst in den letzten Jahrzehnten mit der zunehmenden Klimaerwärmung und dem damit einhergehenden Schmelzen alpiner Gletscher und Firnfelder ins Blickfeld geraten. Der Beginn der Gletscherarchäologie in den Alpen wird oft an die Entdeckung von Ötzi 1991 am Tisenjoch (I) geknüpft. Der 5300 Jahre alte «Mann aus dem Eis» ist zweifellos der bekannteste archäologische Fund aus dem Eis der Alpen, aber nicht der erste seiner Art. Auf dem Schweizer Lötschenpass, der das Berner Kandertal mit dem Walliser Lötschental verbindet, fand der Maler Albert Nyfeler schon in den 1940er Jahren mehrere Pfeilbogen im Eis. Eine Radiokarbonanalyse in den 1990er Jahren zeigte, dass sie aus der Frühbronzezeit (2000−1700 v. Chr.) stammen.
2003 fand eine Wanderin auf dem Schnidejoch, einem Übergang zwischen der Lenk im Berner Oberland und Ayent im Wallis, ein Objekt aus Birkenrinde auf einem Firnfeld. Es stellte sich als Teil eines Bogenfutterals aus der Jungsteinzeit (2900−2700 v. Chr.) heraus und löste in den folgenden Jahren regelmäßige Feldarbeiten aus. Hunderte von Objekten wurden aus zwei Firnfeldern geborgen. Eine Fundmeldung vom Lötschenpass 2011 führte auch hier zu regelmäßigen Begehungen und der Bergung von Objekten vor allem aus der Frühbronzezeit, aber auch späteren Epochen. Die beiden Eisfundstellen im Berner Oberland sind typisch für die Gletscherarchäologie im Alpenraum: Sie liegen nahe oder auf hochalpinen Pässen über rund 2600 m ü. M. und weisen statische Firn- und Eisfelder auf, die sich über Jahrtausende nicht veränderten. Schmelzen organische Objekte aus solchen Firnfelder, zersetzten sie sich in kurzer Zeit. Deshalb führt der Archäologische Dienst des Kantons Bern seit Anfang der 2000er Jahre regelmäßige Prospektionen und gegebenenfalls Bergungen auf den zwei Pässen durch.
Eine stabile Schönwetterlage ist Voraussetzung
Die Saison für die Gletscherarchäologie ist kurz, das Zeitfenster zwischen dem Abschmelzen des Schnees des letzten Winters und dem ersten Neuschnee muss erwischt werden, oft ist dies der Monat September. Meist startet ein Gang auf die Pässe des Berner Oberlandes mit dem Studium des Wetterberichtes und einem kurzfristigen Entscheid über den Zeitpunkt und die Länge des Einsatzes. Einige Tage trockenes und stabiles Wetter machen die Arbeit auf über 2600 m ü. M. ein Vielfaches angenehmer, aber vor allem auch effizienter. Allerdings muss mit unerwarteten Wetterumbrüchen gerechnet werden. 2012 führte eine plötzliche Schlechtwetterfront zum Abbruch von Bergungsarbeiten auf dem Lötschenpass. Die frühbronzezeitliche Fundstelle verschwand wie jeden Winter im Schnee, aber erst 2017 schmolz das Firnfeld wieder soweit ab, dass die Kleinstgrabung und Fundbergung abgeschlossen werden konnten.
Lötschenpass und Schnidejoch liegen weitab der nächsten Straße in hochalpinem Gelände, deshalb muss das Team bergerfahren sein: Trittsicherheit in unwegsamem Gelände und Ausdauer für mehrstündige Aufstiege sind Voraussetzung. Im Fall des Schnidejochs müssen rund 1200 Höhenmeter und 8 km überwunden werden, der Weg auf den Lötschenpass ist dank der Luftseilbahn auf die Lauchernalp etwas kürzer (700 Höhenmeter und 6 km). Teure Helikoptertransporte sind nur für Ausnahmesituationen vorgesehen, beispielsweise wenn ein Objekt zu groß, zu schwer oder zu empfindlich für den Transport in oder am Rucksack ist. Meist ist die erste Etappe eines Feldeinsatzes der mehrstündige Aufstieg zur Berghütte, die während der nächsten Tage als Unterkunft und Basis dienen wird. Von der Wildhornhütte des Schweizerischen Alpenclubs ist es dann am nächsten Tag noch eine gute Stunde bis zum Schnidejoch, die Lötschenpasshütte liegt nur wenige hundert Meter von der Fundstelle entfernt.
Möglichst leichtes aber vielseitiges Material
Neben der persönlichen Ausrüstung trägt das Team auch Dokumentations-, Vermessungs- und Verpackungsmaterial mit sich. Zur Dokumentation der Objekte in Fundlage vor Ort werden Schreibmaterial, eine Fotokamera, Maßbänder oder Zollstöcke, und Werkzeuge für ggfs. notwendige Freilegungsarbeiten benötigt. Um nicht bei jedem Aufstieg auch ein DGPSGerät mittragen zu müssen, wurde auf den zwei Pässen ein enges Vermessungsnetz eingerichtet. Anhand dieser Punkte kann jeder Fund mit Maßbändern eingemessen werden. Diese «Low-Tech»-Methode hat sich bewährt, Probleme mit dem GPS-Empfang oder sich entleerenden Akkus bei Kälte können so vermieden werden. Das Verpackungsmaterial für Funde soll möglichst leicht und vielseitig einsetzbar sein. Ziel ist es das Objekt für den Transport stabil zu fixieren, beispielsweise nterlage, und ein Austrocknen zu verhindern. auf einer U In der Regel werden viel Haushaltsfolie, Plastiktüten und leichte, aber stabile Kunststoffplatten mit Schaumstoffrändern verwendet. Zur Stabilisierung kann aber auch mal ein Bauschaum oder eine selbsthärtende Binde aus der Veterinärmedizin zum Einsatz kommen. Einmal zurück im Tal werden die Objekte möglichst rasch wieder in einem dem Eis ähnlichen Klima gelagert, im Kühldepot im Keller des Archäologischen Dienstes. Die Funde aus dem Eis der Alpen sind oft ganz seltene Exemplare ihrer Fundgattung. Das Fehlen von Sauerstoff und Licht, zusammen mit der tiefen Temperatur verhindert im Eis den sonst raschen Abbau von
tierischen und pflanzlichen Stoffen. Insbesondere prähistorisches Leder und Wolle bleiben in kaum einem anderen Umfeld erhalten. Zu diesen seltenen Exemplaren gehört neben mehreren Bogen auch das jungsteinzeitliche Bogenfutteral aus Birkenrinde, das bisher ohne Vergleichsbeispiel geblieben ist. Die zwei einzigen Vertreter eines frühbronzezeitlichen Typs Spanschachtel mit aufgenähten Wänden wurden 2005 auf dem Schnidejoch und sieben Jahre später auf dem Lötschenpass gefunden. Für die Forschung sind diese ungewöhnlichen Objekte wertvolle Quellen zum Alltagsleben in den Alpen – sie geben nicht nur Auskunft zur Ausrüstung oder Kleidung der prähistorischen Menschen, sondern auch Einblicke in ihre Wirtschaftsweise, Handelsrouten und kulturellen Kontakte. Es ist deshalb wichtig, das schmelzende Eis der Alpen zu beobachten und das seltene Gut zu bergen. Der Archäologische Dienst des Kantons Bern ist, wie andere Fachstellen im Alpenraum, dabei auch auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen: Die ersten Objekte auf beiden Berner Pässen fanden nicht Archäologen, sondern aufmerksame Berggängerinnen und Berggänger.
3 Anfang Oktober 2019 machten 20 cm Neuschnee den Abstieg vom Schnidejoch, ein Pass zwischen dem Berner Oberland und dem Wallis, abenteuerlich. In der Wildhornhütte, deren Dach rechts erkennbar ist, wartete bereits ein warmer Ofen auf das durchnässte Team (Foto: © Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Regula Gubler).
Das Grabungsprojekt in den Berner Alpen Größe des Teams:
2 bis 5 Grabungsmitarbeiter*innen
beteiligte Nationen:
Schweiz
beteiligte Fachdisziplinen:
Holzartenbestimmung, Dendrochronologie, Archäozoologie, Archäobotanik, SpezialistInnen für Leder, Holzbearbeitung und Textilherstellung
Laufzeit der Grabung:
seit 2004
Dauer der Kampagnen:
zwei bis vier Tage, mehrmals pro Saison
Förderinstitutionen/ Geldgeber:
Archäologischer Dienst des Kantons Bern
Teilnahme von Laien:
nein
Archäologie aus dem Eis der Berner Alpen
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PÖMMELTE
Feste und «feasting» in der Elbaue, damals wie heute Leben am Ringheiligtum Pömmelte
von Franziska Knoll, Matthias Zirm, Tim Grünewald und François Bertemes
1 (Umseitig) Das erste studentische Grabungsteam im August 2019 inmitten eines kleinen bronzezeitlichen Kreisgrabens, der einst die Grenze eines Grabhügels markierte. Im Hintergrund ist das 2016 am Originalbefund rekon struierte hölzerne Ringheiligtum zu sehen (Foto: © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, M. Zirm).
2 Blick auf die Elbe. So dürfte sich der Fluss (ob mit oder ohne Feierabendbier) auch den Menschen vor mehreren Tausend Jahren präsentiert haben (Foto: C. Grune, Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg).
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inst lag inmitten der Elbaue, südwestlich von Schönebeck, eines der bedeutendsten Monumente am Übergang vom Endneolithikum zur frühen Bronzezeit. Wo heute geackert wird, erhob sich vor 4000 Jahren ein Ringheiligtum, erbaut aus mächtigen Eichenstämmen. Entdeckt wurde die Kreisgrabenanlage aus der Luft, seit 2005 graben sich die Archäologen hektarweise durch Befunde. 2018 begann hier unter der Federführung des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, gefördert durch Bund und Land, eine der größten Forschungsgrabungen des Landes. Ziel ist es, das Umfeld der Kreisgrabenanlage zu erforschen, um auf diese Weise auch die Nutzung des Komplexes als Bestandteil einer umfassenden Rituallandschaft verstehen zu können. Bislang konnten mehrere Siedlungsphasen und Bestattungen verschie-
dener Zeitstellung dokumentiert werden. Wesentlicher Aspekt des Projekts ist die Ausbildung von Studierenden, die hier während der vorlesungsfreien Zeit im Sommer als Teil des regulären Grabungsbetriebs Praxiserfahrung sammeln.
So nah und doch so fern
Die Archäologen in der Grundausbildung studieren an den Universitäten Halle und Southampton. Natürlich ist es für den deutschen Nachwuchs von Vorteil, die Grabungsabläufe in Hinblick auf spätere internationale Karrieren auch auf Englisch zu erlernen. Doch das ist nicht der eigentliche Grund für diese Kooperation. Tatsächlich ist der Grundriss der Anlage in Pömmelte mit jenem des berühmten Stonehenge, das unter anderem von Archäologen der Universität Sou-
3 Ringheiligtum im Winter 2016 (Foto: SLK, Salzlandmuseum: Stefan Knopf).
4 Blick in das wiedererrichtete Ringheiligtum von Pömmelte-Zackmünde. Für die Rekonstruktion wurden Robinienstämme verwendet, die Anlage vor ca. 4000 war aus Eichenstämmen gebaut (Foto: © Landesamt für Denkmalpflege und ArchäologieSachsen-Anhalt, J. Lipták).
Feste und «feasting» in der Elbaue, damals wie heute
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5 Studierende beim Frei legen einer Bestattung im Sommer 2019 (Foto: © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt).
6 Dokumentation / Abmessen eines Profils. (Foto: © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie SachsenAnhalt).
thampton untersucht wird, fast deckungsgleich. Und auch die Erbauer dieser Monumente entstammen derselben (archäologischen) Kultur. Ab der Mitte des 3. Jts. v. Chr., am Ende des Neolithikums, drangen Träger der Glockenbecher-Kultur weit in das öst-
liche Mitteleuropa und auf die britischen Inseln vor, eben auch nach Wessex und Mitteldeutschland. Nun erforschen Wissenschaftler und Studierende beider Länder gemeinsam diese Monumente; dazu Kommilitonen aus Estland und Südafrika. Migrationshintergrund – damals wie heute. Und trotzdem blieb während der mehrwöchigen Feldkampagnen der ein oder andere Anflug von Heimweh nicht aus. Abhilfe schafften vor allem der fast allabendliche Spaziergang zum Sonnenuntergang an die Elbe und gemeinsame Ausflüge in die schönsten mitteldeutschen Metropolen (natürlich nur solche mit archäologischen Museen) am Wochenende. Trotz Rechtsverkehr taten sich auch britische Fahranfänger als wagemutige Chauffeure hervor. Um die Gruppenidentität vollends zu profilieren – auch das dürfte sich über die Jahrtausende nicht geändert haben – wurden regelmäßig gemeinsame Grillgelage mit dem kompletten Grabungsteam in Begleitung entsprechender alkoholhaltiger Getränke abgehalten.
Alltag im Windschatten
Der Nachweis für solches «feasting» – ein Begriff aus der Ethnologie, den Archäologen gerne für gemeinsames, ritualisiertes Speisen und Trinken zu bestimmten Anlässen verwenden – konnte auch in mehreren
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Bereichen des Ringheiligtums erbracht werden. Zerschlagene Vorrats- und Trinkgefäße, Tierknochen und gar menschliche Überreste wurden in Schachtgruben im Ring deponiert. Auch die Bestattungen um das Heiligtum enthielten die typischen Trinkgefäße. Was aber aus den Schnurkeramischen Bechern, Glockenbechern und Aunjetitzer Tassen getrunken wurde, ist (noch) nicht enträtselt. Auf den prähistorischen Tisch kam sicher nicht nur das Fleisch, von dem die Knochenreste zeugen. Die Elbe liegt zwar heute etwas weiter nördlich, hatte früher aber mit einem größeren Bestand an Forellen und Lachsen aufzuwarten. Jedenfalls waren die in Pömmelte Bestatteten vergleichsweise gut ernährt, zumindest nach Expertise der Anthropologen, die am Knochenmaterial keine Mangelerscheinungen feststellen konnten. Gleiches dürfte für die Ausgräber zutreffen, denn die sorgten selbst mit einem täglich für die Mannschaft zubereiteten Gericht für eine ausgewogene Ernährung. Wohingegen die Chips-Beilage der englischen Kollegen zur Frühstückspause nur wenig deutsche Nachahmer fand. Wesentlich besser ist die Faktenlage beim Thema Wohnbau. Südlich an das Heiligtum schließt eine der größten bislang bekannten Siedlungen der frühbronzezeitlichen Aunjetizer Kultur an. Zwar ist diese Kultur nach einem böhmischen Dorf nahe Prag benannt, die typischen Langhäuser, hier mit mindestens 30 Exemplaren vertreten, dürften allerdings kaum einen dorfartigen Anblick gewährt haben. Die Bebauung stand dicht an dicht im Süden des Ringheiligtums. Wie viele Personen in den über 20 m langen Gebäuden einst gelebt haben, ist auf Basis der archäologischen Fakten schwer zu ergründen. Sicher aber ist: Sie hatten definitiv mehr Platz, um sich zu entfalten als die Grabungsteilnehmer auf dem nahegelegenen Stützpunkt des Fliegerclubs Schönebeck. Seit Jahren beherbergen die Mitglieder des Clubs die Studierenden. Das inkludiert neben der Bereitstellung von Unterkünften nicht nur die Nutzung von Küche, Wohnraum, Terrasse oder Grillplatz. Nein, auch das clubeigene WLAN und das «heiße Fass», eine Art naturnahes Jacuzzi, stehen für die hart arbeitenden jungen Erwachsenen zur Erholung bereit. Da die Zahl der Teilnehmer jedoch über die Jahre kontinuierlich anstieg, werden neben den Blockhütten auch zunehmend Wohnwägen auf dem Gelände genutzt. Einige Exemplare sind wahrlich der Archäologen wert, die sie bewohnen; zumindest wissen die das Alter und den hervorragenden Erhaltungszustand der Camper zu würdigen.
Einzig die klimatischen Bedingungen vermögen es, die Arbeit im Freien zu trüben. Von Mai bis September ist dem Thermometer von 10 bis 38 Grad alles abzugewinnen. Nur der Wind, der bildet verlässlich die einzige Konstante. Klar, die steife Brise aus Nordwest ist die Voraussetzung für den Segelflugbetrieb vor Ort. Und ohne die Flieger keine Unterkunft, und keine Luftbilder. Dafür kommen die Studierenden auch in den Genuss, die schöne Elbaue (mit Luftbildbefunden bei günstigem Bewuchs) von oben zu sehen. Zwar mäandrierte der Fluss nicht immer in seinem heutigen Bett, aber diese ursprüngliche, dünn besiedelte Landschaft sah vor 4000 Jahren sicher sehr ähnlich aus.
7 Das sog. Ei. Dieser Ein-Mann-Wohnwagen mit Antiquitäten-Charakter darf traditionell vom ört lichen Grabungsleiter bewohnt werden. Er wurde nämlich mit einem Kühlschrank nachgerüstet (Foto: © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen- Anhalt, T. Grünewald).
Das Grabungsprojekt in der Elbaue Größe des Teams:
ca. 20 (10 Studierende, 2–3 Archäologen, 6 Grabungsmitarbeiter*innen, 1 Baggerfahrer)
beteiligte Nationen:
Großbritannien (University of Southampton) und Deutschland
beteiligte Fachdisziplinen:
Archäologie, Archäobotanik, Archäometrie und Anthropologie
Laufzeit der Grabung:
2018 bis 2020
Dauer der Kampagnen:
jeweils Juli bis einschließlich September
Förderinstitutionen/ Geldgeber:
gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und das Land Sachsen-Anhalt
Teilnahme von Laien:
nein
Feste und «feasting» in der Elbaue, damals wie heute
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BAYUDA-WÜSTE
Ein archäologischer Survey in der Bayuda-Wüste im Nordsudan Wadi Abu Dom Itinerary (W.A.D.I.) von Angelika Lohwasser und Tim Karberg
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as Wadi Abu Dom ist eines der längsten Täler in der Wüste Bayuda im Nordsudan im Hinterland der sakralen Hauptstadt Napata der Könige des Reiches von Kusch (8. Jh. v. Chr.–4. Jh. n. Chr.), am heiligen Berg (Jebel) Barkal gelegen. In einem Langstreckensurvey sollte das antike Verkehrsnetzwerk und die antike Landnutzung in diesem wüstenhaften Gebiet erforscht werden.
Zwischen 2009 und 2016 führte ein Team der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster zu diesem Zweck einen intensiven archäologischen OberflächenSurvey durch, der die Ufer des Wadis über ca. 150 km mittels Fußbegehung und Fernerkundung untersuchte und insgesamt 8376 archäologische Plätze kartierte. Aufgenommen wurden unter anderem Friedhöfe, größere herrschaftliche Gebäude sowie Hüttenstruktu-
ren der einfachen Bevölkerung, aber auch Reste von kurzfristigen Camps, die auf die Aktivitäten nomadischer Bevölkerungsteile hinweisen. In zeitlicher Hinsicht bewegen sich die aufgenommenen Orte von der Vorgeschichte bis in die islamische Funj-Zeit, wobei die Epochen des Neolithikums, der späten Bronzezeit (2. Jt. v. Chr., in der Region des mittleren Nils «späte Kerma-Epoche» genannt), die spät-eisenzeitliche spätund postmeroitische Periode (erste Hälfte 1. Jt. n. Chr.) und das christliche Mittelalter (zweite Hälfte 1. Jt. n. Chr.) vorherrschend sind. Erstaunlich ist, dass zwar das untere Wadi Abu Dom das direkte Hinterland des sakralen Zentrums des Reiches von Kusch um den Jebel Barkal (Napata) darstellt, die Oberflächenbefunde im Wadi Abu Dom jedoch kaum Spuren mit direktem Bezug zur hauptstädtischen Elitenkultur aufweisen. Insgesamt konnte ein engmaschiges regionales Netzwerk von Verkehrswegen, jedoch kein eindeutiger Fernverkehrsweg (mit dem potentiellen Ziel Napata)
durch das Wadi Abu Dom nachgewiesen werden. Die Landnutzung variiert von kleinen Ansiedlungen wohl sesshafter (Garten-)Bauern zu nomadisierenden Viehzüchtern, die zwischen dem 2. Jt. v. Chr. und dem 1. Jt. n. Chr. in unterschiedlichen Gebieten vorherrschend waren.
Unser Leben in der Wüste
Die Mündung des Wadi Abu Dom in den Nil liegt in etwa gegenüber Karima, einer Kleinstadt mit fast 15 000 Einwohnern. Am Rande der Stadt befindet sich das Antikengelände des Jebel Barkal, des «Heiligen Berges» der Kuschiten. Um den Berg gruppieren sich Tempel und Paläste, die von der ägyptischen Kolonialzeit des Neuen Reiches (ab ca. 1400 v. Chr.) bis in die meroitische Epoche um die Zeitenwende datieren. Unser in jeder Kampagne angemietetes Grabungshaus – unser Stützpunkt am Nil – liegt in unmittelbarer Nähe. Von dort, wo wir üblicherweise die Wochenenden
1 (Umseitig) Zwei Survey-Teams treffen auf einem Felsgrat, der Arealgrenze, im Hinterland des Wadi Abu Dom zu sammen. Die Begehungsareale sind am Handheld vordefiniert, damit es zu keinen Doppelungen bei der Kartierung kommt (Foto: Lohwasser).
2 Unser Camp: Die Schlafzelte sind weit verstreut – in der Stille der Wüstennacht hört man das Schnarchen des Zeltnachbarn weit. Zentral stehen Küchen- und Bürozelt sowie unser «Speisesaal» unter freiem Himmel (Foto: Lohwasser).
Ein archäologischer Survey in der Bayuda-Wüste im Nordsudan
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3 An deutlich sichtbaren Trampelpfaden kann man erkennen, dass die Wüste immer durch Wege erschlossen war: Vor allem Keramik und Wegezeichen aus unterschiedlichen Zeitstufen konnten von uns entlang dieser Spuren dokumentiert werden (Foto: Karberg).
4 Aufnahme der Relikte eines Camps mittel alterlicher Nomaden mittels Handheld-Computer (Foto: Lohwasser).
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verbringen, Proviant auffrischen und Kraftstoff- und Trinkwasserkanister nachtanken, machen wir uns zu Beginn jeder Arbeitswoche auf zu unseren Erkundungen tief in der Bayuda-Wüste. Ein Survey in einem solch abgelegenen Gebiet basiert auf funktionierenden Geländeautos. Unsere Autos sind zwar schon in die Jahre gekommen (Baujahr 1995), doch durch den unermüdlichen Einsatz sowohl unseres deutschen Mechanikers als auch seiner sudanesischen Kollegen immer noch einsatzbereit. Da sich unser Arbeitsschwerpunkt im Laufe der Jahre immer weiter das Wadi Abu Dom aufwärts hinein in die Wüste verschob, leben wir die Woche über in einem Camp mit großen Rundzelten, das je nach Stand des Surveys verschoben wird. Jede Person kann sich über ein Einzelzelt freuen, denn gerade bei längeren Kampagnen ist eine gewisse Privatsphäre notwendig. Jedes Zelt ist mit einem Feldbett mit Schaumstoffmatratze (tatsächlich notwendig gegen die Kälte!), einem Klappstuhl sowie einer Waschschüssel nebst 20-Liter- Kanister Wasser – pro Woche – ausgestattet. Duschen und Haare sowie Wäsche waschen wird auf das Wochenende, bei uns nur ein Tag, nämlich der Freitag, verlegt. Auch Internet oder Handykontakt ist nur in Karima möglich, da es im Inneren der Bayuda kein Netz gibt. Die wöchentliche Verpflegung wird auf der Fahrt zum Camp eingekauft. Ohne Kühlschrank und in einem wüstenhaften Gebiet müssen die frischen Vorräte jedoch in kurzer Zeit verzehrt werden, so dass wir spätestens ab dem dritten Tag auf haltbare Nahrungsmittel wie Bohnen, Linsen, Kartoffeln, Zwiebeln und auf dem Gasherd «gebackenes» Fladenbrot zurückgreifen. Wie auch beim Campen in der Heimat ist man den Wetterkapriolen ausgesetzt. Hitze am Tag (im Zelt kann die Temperatur leicht 50 Grad überschreiten), Kälte in der Nacht (so manche Nacht haben wir trotz warmem Schlafsack mit Pullover, Mütze und Handschuhen verbracht), vor allem aber auch Sandstürme können das Zeltleben zu einer Herausforderung machen. Belohnt wird man allerdings durch einen unvergleichlichen Sternenhimmel, eine absolute Ruhe und Friedlichkeit.
das mit einer in Kooperation mit dem Institut für Geoinformatik der WWU eigens für unser Projekt adaptierten GIS-Software ausgestattet ist. Das Auslesen der Ergebnisse des Tages muss allabendlich erfolgen. Im Camp ist es notwendig, dass ein Benzingenerator Strom für die Computer und zum täglichen Aufladen der Handhelds erzeugt. Auch wenn wir schon aus Sicherheitsgründen immer wenigstens in Zweier-Teams unterwegs sind, fühlt man sich in der Weite der Steinwüste mit den Felsgraten, Schotterterrassen und Sandflächen oft wie allein auf der Welt. Doch das täuscht: Immer wieder tauchen aus dem Nichts Menschen auf, die uns manchmal nur beobachten, manchmal zum Tee einladen, oft auch mit ihren Ziegen und Eseln ein Stück Weg mit uns gemeinsam gehen und sich dabei unterhalten. Unvergesslich ist die Begegnung mit zwei jugendlichen Frauen, die uns in ihr Dorf – eine Ansiedlung von mehreren Zweighütten – einluden. Bald war die Bevölkerung der ganzen Region dort zu einem fröhlichen Beisammensein versammelt, schließlich begannen einige Dorfbewohner zu musizieren, und plötzlich tanzten wir alle gemeinsam ausgelassen … Ein spontanes Fest, das uns einander näherbrachte.
5 Zusammentreffen mit einem Kamelnomaden – von den in der Bayuda lebenden Menschen erhielten wir Hinweise, die manche Funktionen von uns un bekannten Relikten klärten (Foto: Lohwasser).
Das Grabungsprojekt in der Bayuda-Wüste im Nordsudan Größe des Teams:
von 4 (2009) bis 17 (2016) Surveymitarbeiter*innen
beteiligte Nationen:
Deutschland, Österreich, Polen und Sudan
beteiligte Fachdisziplinen:
Archäologie, Geoinformatik und Ägyptologie
Allein und doch nicht allein
Laufzeit der Grabung:
2009–2016
Das Arbeiten in der Wüste kann völlige Einsamkeit suggerieren. Nachdem das Auto geparkt ist, nimmt jedes Team mit seinem Handheld-Computer den GPSPunkt, um sicher wieder zur Parkposition zurückzufinden – auch im Sandsturm. Die Kartierung der Fundpunkte erfolgt ebenfalls mittels des Handheld,
Dauer der Kampagnen:
Mitte Januar bis Ende März
Förderinstitutionen/ Geldgeber:
Deutsche Forschungsgemeinschaft, Qatar Museums Authority, Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes, Michela Schiff-Giorgini-Stiftung
Teilnahme von Laien:
nein
Ein archäologischer Survey in der Bayuda-Wüste im Nordsudan
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TELL EL-BURAK
Ausgrabung mit Meeresblick Libanesisch-deutsche Forschungen in Tell el-Burak an der Küste südlich von Sidon
von Nathalie Kallas und Jens Kamlah
1 (Umseitig) Die Fotoleiter kommt immer dann zum Einsatz, wenn ein wichtiger Befund freigelegt und präpariert worden ist. Sie steht hier inmitten der freigelegten Mauern einer landwirtschaftlichen Domäne aus der Eisenzeit II. Die Domäne war ein phönizisches Weingut, in dem Wein in großem Umfang angebaut und gekeltert wurde. Der Blick geht nach Süden und zeigt im Hintergrund den libanesischen Küstenort Sarafand, das antike Sarepta (Foto: Tell el-Burak Excavation Project).
2 Von Tell el-Burak reicht der Blick nach Norden bis nach Sidon. Im Vordergrund sind Mitglieder des Grabungsteams und Arbeiter bei der Freilegung der Lehmziegelmauern des großen Gebäudes aus der Mittelbronzezeit I zu sehen. Das große weiße Tuch in der Mitte des Bildes ist über die Arbeitsfläche gespannt, in der Restauratorinnen einen Teil der mittelbronzezeitlichen Wandmalereien freilegen (Foto: Tell el-Burak Excavation Project).
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D
er Blick auf das Meer begleitet uns seit dem Jahr 2001, in dem das libanesisch-deutsche Ausgrabungsprojekt auf dem Ruinenhügel Tell el-Burak begann. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt der American University of Beirut, der Orientabteilung des Deutschen Archäologischen Instituts und der Universitäten von Tübingen und Mainz. Tell el-Burak liegt direkt an der Küste ca. 9 km südlich von Sidon. Seine Lage am Meeresstrand prägte nicht nur unseren Grabungsalltag, über den wir berichten wollen, sondern auch die Funktionen des Ortes im Altertum. Tell el-Burak war zunächst in der Mittelbronzezeit I besiedelt (ca. 2000−1700 v. Chr.) und später dann – nach einer rund tausendjährigen Siedlungslücke – in phönizi-
scher Zeit von ca. 725 bis 350 v. Chr. (Eisenzeit II). Während der Mittelbronzezeit I stand hier auf einem künstlich errichteten Hügel ein einzelnes, großes Gebäude, dessen größter Raum mit prachtvollen Wandmalereien ausgestattet war. Der erhöhte Standort gewährleistete freien Blick nach Sidon. Außerdem bildete das Gebäude auf dem Hügel eine vom Meer aus weithin sichtbare Landmarke. In phönizischer Zeit, von ca. 725 bis 350 v. Chr. diente Tell el-Burak als landwirtschaftliche Domäne im Süden Sidons. Archäobotanische Funde und eine große Kelter mit Tretbecken und Auffangbecken bezeugen eine Spezialisierung auf den Anbau von Wein. Wein wurde hier nicht nur für den Eigenbedarf Sidons, sondern auch für den Mittelmeerhandel produziert.
3 Der Hof des Grabungshauses am Fuß von Tell el-Burak dient nachmittags als Büro und Labor. Hier erstellt das Team die Dokumentation der Ausgrabung und bearbeitet die Funde, vor allem die sehr großen Mengen der Keramikscherben (Foto: Tell el-Burak Excavation Project).
4 Das Team der libanesisch-deutschen Ausgrabungen setzt sich aus Studierenden und Mitarbeitenden der American University of Beirut sowie der Universitäten Tübingen und Mainz zusammen und wird durch ca. 20–25 Grabungsarbeiter aus der Region ergänzt (Foto: Tell el-Burak Excavation Project).
Ausgrabung mit Meeresblick
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Ausgraben am Meer
4 Freilegung der bis zu 2 m breiten und bis zu 12 m tiefen Mauerfundamente eines monumentalen Gebäudes aus der Mittelbronzezeit I (ca. 1900–1700 v. Chr.). Beim Bau des Gebäudes hat man keine Steine, sondern an der Sonne getrocknete Lehmziegel verwendet und so ein imposantes Bauwerk errichtet, das sich an dieser Stelle der Küste auf einem künstlich aufgeschütteten Hügel erhob (Foto: Tell el-Burak Excavation Project).
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Im Sommer, wenn wir auf Tell el-Burak ausgraben, weht häufig ein Wind vom Meer her, der die Hitze erträglich macht. Der westliche Hang des Hügels taucht fast direkt ins Wasser und ist vom Meer nur durch einen schmalen Sandstrand getrennt. Die Nähe zum Meer hat das Team im Laufe der Jahre intensiv wahrgenommen, nicht nur am Ausgrabungsort, sondern auch in den verschiedenen Unterkünften, in denen wir untergebracht waren. Im Verlauf der Jahre haben wir mehrere Unterbringungsmöglichkeiten erlebt, die mit der Zeit immer besser wurden. In den ersten Jahren übernachteten wir in einem unfertigen Hotelkomplex ganz in der Nähe des Tells. Trotz seiner Schwächen, wie salziges Duschwasser und zahlreiche Schädlinge, hatte das Hotel auch seine Stärken, allem voran einen kleinen Privatstrand, an dem wir fast an jedem Abend schwimmen gehen und den Sonnenuntergang genießen konnten. In den Folgejahren waren wir an zwei verschiedenen Orten in der Altstadt von Sidon untergebracht. Das Schlafen innerhalb der Mauern des alten Khans oder in einem alten Kloster hatte einen besonderen Charme. Aber die Höhepunkte unserer Nachmittage waren die Pausen in einem der traditionellen
Cafés der Altstadt und die Spaziergänge entlang der belebten Corniche. Zuletzt ist das Team nach Tyros umgezogen. Seit einigen Jahren sind wir dort in einem kleinen Haus in der Nähe des Leuchtturms der Altstadt untergebracht. Ein Nachteil ist die längere Fahrt am Morgen und Nachmittag. Aber das wird aufgewogen durch die herrlichen Sonnenuntergänge über dem Mittelmeer, die wir jeden Abend erleben können, und durch das sehr gute Abendessen, das wir auf einer über dem Meer errichteten Holzterrasse einnehmen und das die Anstrengungen des Tages vertreibt.
Der Alltag der Ausgrabungen
Die Ausgrabungstage folgen einem festen Muster. Unsere Autos stellen wir in der Nähe des Tells bei einem Haus ab, dessen Hof wir während der Grabungen nutzen können. Nach einem kurzen Fußweg durch Obstplantagen beginnen wir um 6 Uhr unseren Ausgrabungstag auf dem Tell. Um 9 Uhr machen wir eine Frühstückspause und stärken uns durch warme man‘ouche – frisches Fladenbrot, das von den Bäckern der in der Nähe gelegenen Dörfer auf verschiedene Weise gefüllt und dann im Ofen erwärmt wird. Nach einer viel zu kurzen Pause geht die Ausgrabung
5 Freilegung von Steinmauern einer Ansiedlung aus der späten Eisenzeit (ca. 725–350 v. Chr.). Auf der Südseite von Tell elBurak konnten Gebäude und Einrichtungen – unter anderem eine große Weinkelter – eines phönizischen Landguts freigelegt werden, das im Zentrum der fruchtbaren Küstenebene südlich von Sidon lag (Foto: Tell el-Burak Excavation Project).
dann bis 13 Uhr weiter. Es folgt ein kleiner Imbiss, und danach arbeiten wir bis ca. 17 Uhr an der Dokumentation, an den Funden und an allen anderen erforderlichen Tätigkeiten. Dieser ganz normale Grabungsablauf, kombiniert mit intensiver Sonneneinstrahlung, mit Temperaturen von meist 30 bis 35 Grad zusammen mit einer sehr hohen Luftfeuchtigkeit kann für Teammitglieder, die aus kälteren Klimazonen kommen, oder für Studenten, die zum ersten Mal graben, sehr schwierig sein. So kommt es immer wieder vor, dass einige von uns in der Pause auf einem Stuhl oder einfach auf dem Boden einschlafen. Und in der jeweils letzten Woche einer Ausgrabungskampagne soll es auch schon vorgekommen sein, dass erschöpfte Teammitglieder in ihrem Grabungsschnitt vom Schlaf übermannt worden sind.
Das internationale Ausgrabungsteam
Die Ausgrabungen in einer Grabungsfläche werden jeweils von einer Gruppe von zwei bis vier Archäolog*innen geleitet und von fünf bis sieben Arbeitern unterstützt. Vier bis fünf solcher Gruppen arbeiten auf dem Tell. In der Regel besteht jede Gruppe aus einer Mischung von libanesischen und deutschen Mitgliedern. Im Laufe der Jahre kamen auch Teilnehmer aus anderen Ländern hinzu, u. a. aus Belgien, Costa Rica, Großbritannien, Indien, Italien, dem Irak, Kanada, Kasachstan, den Niederlanden, Slowenien und den Vereinigten Staaten. Die Internationalität des Teams, mit seinem libanesisch-deutschem Kern, bringt regen kulturellen Austausch mit sich. Obwohl Englisch die offizielle Arbeitssprache ist, werden im-
mer wieder kleine Sprachunterweisungen ausgetauscht. Es wird erklärt, wie man «ich» oder das «qaf» richtig ausspricht, oder wie man Wörter wie «genau» und «yalla» korrekt verwendet, oder was in aller Welt das Wort «Schlacke» bedeutet. Die offene und einladende Atmosphäre in unserem Team hat jedem von uns beigebracht, die Unterschiede und das Temperament des Anderen wahrzunehmen und zu respektieren, und einige haben sogar lebenslange Freundschaften aufgebaut. So gehören die zwischenmenschlichen Begegnungen und das freundschaftliche Miteinander vielleicht zu den beständigsten und wichtigsten Ergebnissen unseres Gemeinschaftsprojektes auf Tell el-Burak.
Das Grabungsprojekt in Tell el-Burak an der Küste südlich von Sidon Größe des Teams:
ca. 20 Archäolog*innen sowie ca. sowie ca. 20–25 Gra bungsarbeiter
beteiligte Nationen:
Libanon und Deutschland
beteiligte Fachdisziplinen:
Vorderasiatische Archäologie; Biblische Archäologie / Palästina-Archäologie; Numismatik; Archäobotanik und Zooarchäologie
Laufzeit der Grabung:
seit 2001 bis heute
Dauer der Kampagnen:
vier Wochen
Förderinstitutionen/ Geldgeber:
American University of Beirut; Gerda Henkel Stiftung; Fritz Thyssen Stiftung; Deutsche Forschungsgemeinschaft (Sonderforschungsbereich 1070); Deutscher Verein zur Erforschung Palästinas
Teilnahme von Laien:
nein
Ausgrabung mit Meeresblick
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HAFT TAPPEH
Archäologische Forschungsarbeit im Iran Haft Tappeh – Grabungsalltag in einem elamischen Fundort
A
von Behzad Mofidi-Nasrabadi
1 (Umseitig) Monumentale Baustrukturen im nördlichen Stadtteil (Foto: B. MofidiNasrabadi).
2 Iranischer Grabungs arbeiter (Foto: B. MofidiNasrabadi).
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ls vor etwa 5000 Jahren die frühesten städtischen Siedlungen nahe des Persischen Golfs im Südwesten Irans zustande kamen, wurden die fruchtbaren Ebenen entlang der Flüsse in der heutigen Provinz Khuzestan zunehmend für den Ackerbau genutzt. Die systematisch angelegten Kanäle zur Bewässerung der Felder prägen bis heute eine Kulturlandschaft, die hervorragend für landwirtschaftliche Nutzung geeignet ist und in der sich das antike Elam zu einer der bedeutendsten Kulturregionen des Alten Orients entwickelte. Seine Hauptstadt Susa ist die älteste durchgehend besiedelte Stadt der Welt, die in den antiken Quellen mehrfach erwähnt wurde.
In der Mitte des 2. Jts. v. Chr. wuchs eine kleine Siedlung mit dem Namen Kabnak etwa 15 km südöstlich von Susa im heutigen Haft Tappeh zu einer großen Metropole, die unter den Königen Tepti-ahar und Inshushinak-shar-ili zum wichtigsten elamischen Zentrum wurde. Die ersten Ausgrabungen in Haft Tappeh fanden in den 1960er und 70er Jahren durch das Iranische Denkmalamt statt. Sie führten zur Entdeckung eines Gruft-Gebäudes sowie zweier mächtiger Baukomplexe aus Lehmziegeln mit großen Terrassen. Aufgrund mehrerer Indizien wurden sie als Tempelterrassen gedeutet. Die Bauanlagen waren so monumental, dass nur ein Teil der Räumlichkeiten freigelegt werden
konnte. Die Gesamtstruktur der Bauten blieb daher unklar. Erst durch eine geophysikalische Prospektion im Jahr 2002, finanziert von der Johannes GutenbergUniversität Mainz unter der Leitung von Behzad Mofidi-Nasrabadi in Zusammenarbeit mit den Geophysikern der Universität Kiel, konnte die Gesamtstruktur der Bauten und ihre Ausdehnung erkannt werden. Ausgehend von den Ergebnissen der geophysikalischen Vermessungen wurde 2004 ein Memorandum zwischen dem Altorientalischen Institut der Universität Mainz und der Iranian Cultural Heritage Organisation für die Durchführung der archäologischen Ausgrabungen unterzeichnet. Bis heute fanden insgesamt acht Grabungskampagnen sowie vier Kampagnen für Erhaltungsmaßnahmen durch Mofidi-Nasrabadi statt, die unter anderem zur Entdeckung eines Verwaltungsgebäudes mit Archiven von hunderten Keilschrifttafeln führten. Das von der Iranian Cultural Heritage Organisation gegründete Haft Tappeh-Projekt im ehemaligen Museum des Ortes stellte Räumlichkeiten und die Infrastruktur für die tägliche Arbeit sowie für die Übernachtung der Grabungsmannschaft zur Verfügung, die vor allem aus deutschen und iranischen ArchäologieStudent/innen bestand. Für die Zeichnungen und topographischen Vermessungen sowie die Erhaltungs-
maßnahmen und Restaurierungsarbeiten wurden die Mitarbeiter der Iranian Cultural Heritage Organisation eingesetzt. Die Funde konnten im Labor des Museums restauriert und dort gelagert werden. Signifikante Funde sind inzwischen in der großen Ausstellungshalle des Museums für die Besucher ausgestellt. Um den Fundort gegen Raubgrabungen zu schützen, stellte die Iranian Cultural Heritage Organisation eine Mannschaft von Wächtern ein, die über das ganze Jahr den antiken Fundort bewachen und somit einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung des kulturellen Erbes leisten. Während der Ausgrabungskampagnen wurden Arbeiter aus den umliegenden Dörfern für die Feldarbeit und insbesondere für den Transport der Schutterde eingesetzt. Die Archäologiestudent*innen sollten neben der Dokumentation der Befunde auch die Arbeiter ihres Grabungsschnitts beaufsichtigen. Trotz Sprachbarrieren verlief die Kommunikation zwischen den deutschen Student*innen und den einheimischen Arbeitern mit Hilfe von ein paar englischen oder persischen Wörtern in Kombination mit Gesten relativ reibungslos. Einige bemühten sich, in relativ kurzer Zeit die fremde Sprache soweit es ging zu erlernen. Die Feldarbeit begann bei Sonnenaufgang nach dem Appell der Arbeiter. Um 10 Uhr hatten die Arbeiter Archäologische Forschungsarbeit im Iran
3 Geomagnetische Vermessung des Feldes. Das Projekthaus im Hintergrund (Foto: B. MofidiNasrabadi).
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4 Museum und Projekthaus in Haft Tappeh (Foto: B. Mofidi-Nasrabadi).
5 Freilegung eines Keramikgefäßes (Foto: B. Mofidi-Nasrabadi).
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6 Grabung im südlichen Stadtteil (Foto: B. MofidiNasrabadi).
eine halbstündige Pause für das Frühstück, das sie mitgebracht hatten, während die Student*innen abwechselnd bereits ab 8 Uhr ihr Frühstück einnahmen. Nach etwa 7 Stunden endete die Feldarbeit. Während die Arbeiter sich auf den Weg nach Hause machten, eilte die Grabungsmannschaft zur kleinen Mensa hinter dem Museum für das Mittagessen. Ein Koch wurde extra für die Dauer der Grabungskampagne eingestellt, der zwar die deutsche Küche nicht kannte, aber die deutschen Gäste mit persischen Gerichten verwöhnte. Nach dem Mittagessen folgte wegen der anstrengenden Feldarbeit eine Erholungspause von etwa 2−3 Stunden, bevor am Spätnachmittag die Dokumentationsarbeiten vervollständigt wurden. In den Arbeitsräumen hinter dem Museum registrierten und fotografierten die Student/innen die Funde, während die Zeichner/innen die Keramik und andere Objekte zeichneten. Im Labor waren Restaurator/innen mit Erhaltungsmaßnahmen bzw. Rekonstruktionen der Funde beschäftigt. Daneben wurden die Vermessungsdaten vom Vermesser auf die Grabungspläne übertragen. Gegen 20 Uhr sammelte sich die Mannschaft wieder im Essraum für das Abendessen, das je nach Verfassung und Lust der Mannschaft mit einem gemeinsamen Teetrinken im Garten des Museums im Freien endete. In der Regel waren Freitage, wie es im Iran üblich ist, Feiertage. Solche Feiertage boten gute Gelegenheit die umliegenden Sehenswürdigkeiten zu besuchen. Entweder konnte z. B. eine nahe gelegene größere Stadt besichtigt werden oder ein Picknick an einem anderen archäologischen Fundort wie etwa
Izeh im Zagros-Gebirge unternommen werden, um die berühmten Felsreliefs zu besichtigen. Jede Kampagne ging immer mit gemischten Gefühlen zu Ende. Mehrere Wochen hatten alle zusammen intensiv gearbeitet. Neben der harten Arbeit gab es auch Momente, in denen man miteinander die Umgebung besichtigen konnte und ins Gespräch kam. Freundschaften zwischen den Grabungsmitgliedern unterschiedlicher Nationalitäten kamen zustande, die den Abschied erschwerten, obwohl man sich andererseits freute, wieder nach Hause zu gehen. Die Grabungen wurden mit dem Ziel durchgeführt, die antike Kultur Elams besser zu verstehen. Die Zusammenarbeit hat aber auch dazu geführt, dass Menschen unterschiedlicher Kulturen einander näherkamen.
Das Grabungsprojekt in Haft Tappeh Größe des Teams:
zwischen 80 und 170 Personen
beteiligte Nationen:
Iran und Deutschland
beteiligte Fachdisziplinen:
Vorderasiatische Archäologie, Geophysik, Altorientalische Philologie, Restaurierung und Architektur
Laufzeit des Projekts:
seit 2001
Dauer der Kampagnen:
zwischen 4 und 7 Wochen
Förderinstitutionen/ Geldgeber:
Iranian Cultural Heritage Organisation, Johannes Gutenberg Universität Mainz und Deutsche Forschungsgemeinschaft
Teilnahme von Laien:
nein
Archäologische Forschungsarbeit im Iran
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SIRKELI HÖYÜK
Multidisziplinäre Forschungen im Ebenen Kilikien Das bronze- und eisenzeitliche Sirkeli Höyük
von Mirko Novák, Susanne Rutishauser und Deniz Yaşin
1 (Umseitig) Vermessungsarbeiten auf der Oberstadt der antiken Siedlung. Im Hintergrund die mittelalterliche Burg Yılan Kale (Foto: Susanne Rutishauser, Universität Bern).
2 Geophysikalische Pro spektion in der Unterstadt der antiken Siedlung. Im Hintergrund die mittelalterliche Burg Yılan Kale (Foto: Susanne Rutishauser, Universität Bern).
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ie fruchtbare Landschaft des Ebenen Kilikien liegt, eingerahmt von den Bergen des Taurus und des Amanus, im Süden der heutigen Türkei am Golf von Iskenderun, gegenüber Zypern und unweit der syrischen Grenze. Aufgrund ihrer geografischen Gegebenheiten ist sie eine der fruchtbarsten Regionen der Türkei: Die alluvialen Böden, ausreichender Regenfall und die zusätzlichen Bewässerungsmöglichkeiten dank zahlreicher Flüsse ermöglichen den weitgehend risikofreien und ertragreichen Anbau von Zitrusfrüchten, Getreide und Baumwolle. Zentrum der Region war durch alle Zeiten und ist bis heute die Millionenstadt Adana, weitere wichtige antike Metropolen waren Tarsus, Sis/Kozan und Misis/Mopsuhestia. Einer der größten bronze- und eisenzeitlichen Ruinenorte ist der Sirkeli Höyük, der ca. 40 km östlich von
Adana am Ceyhan, dem antiken Pyramos, liegt, just an der Stelle, an der sich der Fluss eine Passage durch das die Ebene durchziehende Misis-Gebirge bahnt. Bekannt ist der Fundort seit 1935, als das hier angebrachte Felsrelief des hethitischen Großkönigs Muwattalli II. (1290−1272 v. Chr.) entdeckt wurde, des Siegers in der berühmten Schlacht von Qadeš gegen Pharao Ramses II. (siehe AW 1/1995, AW 4/1997 und AW 6/2018). Bei dem Bildwerk handelt es sich um das älteste bislang bekannte hethitische Felsrelief.
Die Erforschung einer antiken Stadtanlage
Die Forschungen auf dem Sirkeli Höyük haben es sich zum Ziel gesetzt, die Chronologie des Ortes und der Region zu bestimmen, die kulturellen Kontakte zu den Nachbarregionen zu analysieren und die urbanistische
3 Konservierungsarbeiten und Erstellung einer Schadensbildanalyse am Relief des hethitischen Großkönigs Muwattalli II. (Foto: Susanne Rutishauser, Universität Bern).
Multidisziplinäre Forschungen im Ebenen Kilikien
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4 Drohnenbildaufnahme der Zitadelle des Sirkeli Höyük (Foto: Marosch Novák, Universität Bern).
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Entwicklung des Ortes durch die Zeiten nachzuvollziehen. Dazu werden neben konventionellen Methoden, also vor allem Ausgrabungen in verschiedenen Sektoren, auch moderne, nicht-invasive Verfahren wie Satellitenbildauswertungen, Geophysikalische Prospektionen und Oberflächenbegehungen angewandt. Für die Fernerkundung stehen hochauflösende TanDEM-XAufnahmen zur Verfügung, die eine 3D-Modellierung des Ortes und der Landschaft ermöglichen. Das Ergebnis all dieser Verfahren zeigt eine komplexe Stadtlandschaft, die sich im 2. und 1. Jt. v. Chr. aus einer Zitadelle, einer Unter- und einer Oberstadt, extramuralen Werkstattbereichen sowie einer Vorstadt auf dem gegenüberliegenden Flussufer zusammensetzt. Die
Funde aus den Grabungsflächen offenbaren enge Verbindungen zum syro-mesopotamischen, zyprischen, ägäischen und zentralanatolischen Raum, je nach Periode in unterschiedlicher Akzentuierung und Intensität. Besonders bemerkenswert ist die im späten 10. Jh. gegründete, Zitadelle, Unter- und Oberstadt einfassende, Stadtbefestigung, die aus einer Haupt- und einer Vormauer aus sauber verlegten Steinblöcken sowie einem vorgelagerten Graben bestand (siehe AW 3/2016). An die Innenseite der inneren Mauer schloss sich eine Wohnbebauung mit häuslichen Produktionsbereichen an. Zur Dokumentation und Sicherung des MuwattalliReliefs und zweier benachbarter, deutlich schlechter
erhaltener weiterer Reliefs wurden zum einen eine Kooperation mit einem Team der Universität Neapel abgeschlossen, das mit Hilfe verschiedener Scan-Verfahren eine sehr detaillierte Neuaufnahme durchführte, und zum anderen zwei spezialisierte Steinrestauratoren damit beauftragt, die Schadensbilder zu analysieren und Konservierungsmaßnahmen einzuleiten. Parallel dazu wurden die Bildwerke mittels eines Besucherwegs und einer Holzplattform für Besucher zugänglich gemacht. Zweisprachige Didaktiktafeln erklären die Befunde. Die Reliefs sind Teil eines komplexen Kultensembles, zu dem ein auf dem Felssporn befindliches monumentales Steingebäude und zwei Liba tionskuhlen gehören.
Der Grabungsalltag eines interdisziplinären und multikulturellen Teams in einem alten Bahnhof Während auf früheren Ausgrabungen in Vorderasien wenige Forscher zahlreiche Arbeitskräfte beaufsichtigten, sind die Verhältnisse heute aufgrund der viel ausgefeilteren und interdisziplinären Methodik umgekehrt: Ein großes Team aus Wissenschaftler*innen und Studierenden verschiedener Disziplinen wird von einer vergleichsweise kleinen Gruppe lokaler Helfer*innen unterstützt. Neben der Ausgrabung von Befunden und Funden werden botanische Proben aus dem Erdboden flotiert, Tierknochen aus den Befunden extrahiert, archäometrische Analysen an Metallen, Keramik oder anderem Fundgut vorgenommen, geophysikalische Prospektionen und photogrammetrische Aufnahmen mit Hilfe von Drohnen und Satellitenbildern durchgeführt. Die Arbeitsabläufe sind hoch spezialisiert und die Büros gleichen improvisierten Hightech-Labors. Die interdisziplinäre und internationale Zusammensetzung des Teams sorgt für einen offenen, multikulturell geprägten Austausch und einen entsprechend für das Leben lehrreichen Alltag. Die Lokalität hierfür stellt ein ehemaliger Bahnhof der berühmten «Baghdad-Bahn», der mit Hilfe der türkischen Eisenbahngesellschaft in ein modernes Forschungs- und Besucherzentrum umgewandelt wurde (siehe AW 6/2018). Für Touristen besonders attraktiv sind die im Garten hinter dem Gebäude stehenden und zugänglichen vier Original-Wagons der Bahn, von denen einer in den ursprünglichen Zustand restauriert wurde. So wird Geschichte – antike wie moderne – für Mitarbeiter*innen und Besucher*innen zu einem Teil des eigenen Erlebens.
Das Grabungsprojekt im Ebenen Kilikien Größe des Teams:
35 schweizerische, türkische und deutsche Mitarbeiter*innen und bis zu 50 türkische Grabungsarbeiter*innen
beteiligte Nationen:
Schweiz und Türkei
beteiligte Fachdisziplinen:
Archäologie, Geologie, Anthropologie, Archäobotanik, Archäozoologie und Philologie
Laufzeit der Grabung:
seit 2006 als privat gefördertes deutsch-türkisches, seit 2012 als SNF-gefördertes schweizerisch-türkisches Projekt
Dauer der Kampagnen:
ca. 8 Wochen
Förderinstitutionen/ Geldgeber:
Schweizerischer Nationalfonds
Teilnahme von Laien:
nein
Multidisziplinäre Forschungen im Ebenen Kilikien
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RAMSESSTADT
Graben und leben in einem Dorf im ägyptischen Nildelta Das Projekt Ramsesstadt
von Henning Franzmeier
1 (Umseitig) Überblick über die Grabung am Grabungsplatz Q VII (Foto: Axel Krause).
2 Auch dies ist Ägypten: herbstlicher Morgennebel in Qantir (Foto: Robert Stetefeld).
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B
ereits seit 1980 arbeitet das Projekt Ramsesstadt nahe des modernen Ortes Qantir im östlichen Nildelta Ägyptens. Im Zentrum der Arbeiten steht die archäologische Erschließung des einstigen Geländes der Stadt Pi-Ramesse, der Residenz Ramses‘ II., die von etwa 1280 v. Chr. an für 200 Jahre als Hauptstadt des pharaonischen Ägyptens diente. Zu den wichtigsten Ergebnissen der Arbeiten der vergangenen 40 Jahre zählen z. B. die Entdeckung der Pferdestallungen der königlichen Streitwagentruppe, eine quasi industrielle Bronze- und eine eigenständige ägyptische Glasproduktion. Anhand magnetischer Messungen im Umfang von etwa 1,5 km2 wurde in den vergangenen 25 Jahren die Struktur eines Teiles des Stadtzentrums erfasst. Auf der Basis dieser Ergebnisse konnte so zum ersten Mal eine nicht nur hy-
pothetische 3D-Rekonstruktion der Stadt angefertigt werden (siehe AW Auferstehung der Antike). In den vergangenen Jahren begannen wir mit den Grabungen in einem Bereich, in dem auf der Basis magnetischer Messungen ein monumentales Gebäude vermutet werden kann. Ersten Ergebnissen zufolge handelt es sich um eine palastartige Anlage, die in die Zeit Ramses’ II. datieren dürfte.
Der moderne Ort Qantir
Dort wo vor über 3000 Jahren die antike Hauptstadt stand, erinnert heute nur noch wenig an die einstige Größe. Inmitten der im Wind wogenden Getreidefelder des ägyptischen Nildeltas befindet sich die moderne Siedlung Qantir; ein typisches ägyptisches Dorf mit dicht aneinandergedrängten Häusern, die gen
3 Blick über das Dorf Qantir inmitten der weiten Ebene des Nildeltas (Foto: Henning Franzmeier).
4 Das Grabungshaus: eine ruhige und grüne Oase inmitten des regen Treibens im Dorf (Foto: Henning Franzmeier).
Graben und leben in einem Dorf im ägyptischen Nildelta
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Himmel streben, um der wachsenden Bevölkerung genügend Wohnraum zu bieten. Auf den zumeist ungepflasterten Straßen herrscht ein reges Treiben von Menschen und Tieren. Der Duft von frisch zubereiteter Falafel, die an jeder Straßenecke an kleinen Ständen angeboten werden, mischt sich mit dem Geruch von Haustieren und handwerklicher Produktion jeder Art, wie z. B. von frisch gesägtem Holz. Dazu kommt eine rege Geräuschkulisse, bei der es sich um ein Durcheinander aus Huptönen und einem fröhlichen Kindergeschrei handelt. Dazu kommen fünfmal am Tag die eindrucksvollen und vielstimmigen Gesänge der Muezzine der Moscheen des Ortes.
Die Arbeitsbedingungen
Die Arbeit spielt sich je nach Funktion des Teammitgliedes im Grabungshaus und/oder auf der Ausgrabung ab. Die Grabungsareale befinden sich in der Regel außerhalb des Dorfes in den umliegenden Feldern. Diese müssen vor Beginn der Arbeiten durch die Projektleitung angemietet werden und stehen dann für ein Jahr zur Verfügung. Kampagnen finden im Frühjahr oder Herbst statt, um sowohl den kühlen und feuchten Winter als auch den heißen Sommer zu umgehen. Schon ab Okto-
5 Das ägyptische Team auf der Grabung mit den Vorarbeitern Abu Saud Bedawi, Ali Bedawi, Salah Ali (Foto: Mohamed Osman).
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ber können heftige Niederschläge auftreten, die das Graben im herbstlichen Nildelta schlagartig in eine Schlammschlacht verwandeln. Aber auch wenn es nicht regnet, bringt diese Jahreszeit bisweilen Verhältnisse mit sich, die eher nicht zu den gängigen Vorstellungen der Europäer von Ägypten passen: dichter und zäher Nebel senkt sich über die Dörfer. Die Unterbringung und Arbeit der Mitarbeiter während der Aufarbeitungskampagnen spielen sich bereits seit 1982 in einem angemieteten Haus ab. Befand es sich zunächst etwas abseits des Dorfes am Rande der Felder, ist es mittlerweile von dichter Bebauung umgeben. Der von einer hohen Mauer umgebene Garten dient den Mitarbeiter*innen gleichermaßen als schattiger Arbeitsplatz und Erholungsort. Das Haus teilt sich in zwei Bereiche: das Erdgeschoss mit den Arbeitsräumen, der Küche sowie dem Essensraum und ein Obergeschoss mit Schlafzimmern und Sanitärbereichen. Je nach Kampagne sind die Teams von unterschiedlicher Größe und Zusammensetzung. Immer gehören jedoch die ägyptischen Hausangestellten dazu, die zum Teil auch im Haus leben. Hier ist insbesondere Herr Abu Saud Bedawi zu nennen, ohne den seit über 35 Jahren die Grabung nicht funktionieren würde. Ist
6 Quftis beim Freilegen einer Lehmziegelmauer (Foto: Robert Stetefeld).
etwas zu organisieren, dann weiß er Rat. Darüber hinaus ist er den langjährigen Grabungsteilnehmer*innen zum Freund geworden. Zwei weitere Angestellte vereinen die Aufgaben von Hausmeister, Gärtner und Wächter auf sich. Um das leibliche Wohl des Teams kümmern sich während der Grabungskampagnen zwei oder drei Frauen aus dem Dorf. Wenn gegraben wird, dann sind je nach Größe der Grabung bis zu fünfzig ägyptische Mitarbeiter*innen dort beschäftigt. Dies schließt eine Gruppe von Spezialarbeitern, die sog. Quftis, mit ein. Sie stammen aus der oberägyptischen Stadt Quft, wo sich bereits im späten 19. Jh. innerhalb einer Gruppe von Familien eine Tradition etabliert hat, auf archäologischen Grabungen zu arbeiten. Einige der älteren Quftis verfügen über mehr als ein halbes Jahrhundert Berufserfahrung und niemand kann so gut wie sie die Reste ungebrannter Nilschlammziegel im Lehm des Nildeltas erkennen. Die anderen Arbeiter*innen, die meist mit einer Hacke die Schichten freilegen, stammen aus dem Dorf Qantir. Dies schließt auch starke Frauen mit ein, was typisch für die Deltaregion ist, in Oberägypten aber undenkbar wäre! Die Wissenschaftler*innen, Zeichner*innen und Fotograf*innen sind in der Regel von internationaler Herkunft und werden grundsätzlich von einem ägyptischen Kollegen aus dem Anti-
kenministerium unterstützt. In vielen Kampagnen ist die Umgangssprache auf der Grabung daher englisch. Auch wenn die Vielfalt der Aufgaben, das enge Miteinander und der hohe Zeitdruck auf der Grabung manchmal zu Reibereien führen, so hat das Projekt neben all seinen wissenschaftlichen Ergebnissen auch enge Freundschaften und sogar mehrere Ehen gestiftet.
Das Grabungsprojekt im ägyptischen Nildelta Größe des Teams:
5−15 Wissenschaftler*innen gleichzeitig und bis zu 50 ägyp tische Mitarbeiter*innen
beteiligte Nationen:
seit 1980 insgesamt 264 nicht-ägyptische Teammitglieder aus 15 Ländern
beteiligte Fachdisziplinen:
Ägyptologie, Ur- und Frühgeschichte, Paläoanatomie, Paläobotanik, Geophysik und Bauforschung
Laufzeit der Grabung:
seit 1980
Dauer der Kampagnen:
4−12 Wochen
Förderinstitutionen/ Geldgeber:
Wechselnd. Die wichtigsten Geldgeber der vergangenen 40 Jahre sind die folgenden: Deutsche Forschungsgemeinschaft, University College London, Humboldt-Universität zu Berlin, Freundeskreis des Roemer- und Pelizaeus-Museums, Weinhagen-Stiftung und Schafhausen-Stiftung
Teilnahme von Laien:
nein
Graben und leben in einem Dorf im ägyptischen Nildelta
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HALLSTATT
Forschung im Untergrund Hallstatt – 7000 Jahre Salz
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von Hans Reschreiter
1 (Umseitig) Bergen eines bronzezeit lichen Holzeimers aus den Betriebsabfallschichten. (Foto: T. Gatt, D. Brandner / NHM Wien).
2 Bergen eines bronzezeitlichen Holzeimers aus den Betriebsabfallschichten (Foto: T. Gatt, D. Brandner / NHM Wien).
s scheint auf den ersten Blick nicht sehr attraktiv zu sein, ein Forscherleben in engen, kalten und dunklen Räumen mehr als 100 m unter der Oberfläche zu verbringen – und dabei noch mit schweren und ohrenbetäubend lauten Geräten zu arbeiten. Will man aber das älteste Salzbergwerk der Welt erforschen, ist Begeisterung für derartige Arbeitsbedingungen von großem Vorteil. Erste Spuren deuten darauf hin, dass bereits im frühen Neolithikum in Hallstatt Bergbau betrieben wurde. Für die Bronzezeit und vor allem für die Ältere Eisenzeit sind riesige untertägige Abbaukammern belegt. In diesen Abbaukammern ließen die Bergleute alles zurück, was nicht mehr benötigt wurde: taubes Gestein, abgebrannte Leuchtspäne, gebrochene Werkzeuge, Geräte und Kleidungsteile. Dieser Betriebsabfall wurde an manchen Stellen über 6 m hoch abgelagert. Aus dem Bergwerk konnten in den letzten Jahrzehnten tausende Werkzeuge und Gegenstände aus Holz, Fell, Haut, Leder, Wolle, Bast, Gras, Stroh, Horn, Exkremente und sogar Blase geborgen werden – die größte Ansammlung an Gegenständen aus organischen Materialien in Europa zwischen 1200 und 350
v. Chr. Mit diesen Funden nimmt Hallstatt eine Schlüsselstellung in der Erforschung und im Verständnis prähistorischer Lebens- und Arbeitswelten ein – einer der Hauptgründe für die Ernennung zum UNESCOWeltkulturerbe. Alle prähistorischen Hallstätter Bergwerke wurden bereits vor Jahrtausenden verschüttet oder durch den Bergdruck wieder geschlossen. Daher sind – mit einer Ausnahme – keine Hohlräume mehr erhalten. Damit unterscheidet sich dieser Bergbau grundlegend von prähistorischen Kupfererzbergwerken oder Flintgruben, die oft heute noch befahrbar sind. Um die Bergwerke zu erforschen, wurden seit 1960 mehr als 500 m Grabungsstollen, sowohl durch den Betriebsabfall als auch durch die Verfüllschichten geschrämt. Durch die Vielzahl der aufgefahrenen Stollen, zig Metern Prospektionsbohrungen und geophysikalische Untersuchungen lassen sich die ursprünglichen Abbauräume rekonstruieren – 300 m Länge, bei einer Höhe von über 20 m maß ein Abbauraum um 700 v. Chr. Verschiedenste Disziplinen – von Farbstoffanalyse, über Schwermetalluntersuchungen bis zur Holzforschung – arbeiten an der Erforschung der prähistorischen Bergwerke und der Wechselwirkung mit ihrem Umfeld.
Zeitkapsel im Salz
Das Spezielle an Hallstatt ist aber nicht nur die Ausgrabungsmethode – Forschungsstollen mit dem Presslufthammer zu schrämen –, sondern es sind die Funde. Salz hat die Stücke über Jahrtausende perfekt konserviert – wie in einer Zeitkapsel. Mit der Ausgrabung beginnt der Alterungsprozess, den das Salz vor Jahrtausenden gestoppt hat, wieder. Durch konzentriertes Salz konservierte Funde sind äußerst selten – weltweit sind nur noch zwei weitere prähistorische Salzbergwerke bekannt – der Dürrnberg bei Hallein und Cherabad im Nordwestiran. Daher gibt es keinen standardisierten Umgang mit diesen organischen Stücken. Für jede Materialgruppe und für jedes Analyseverfahren müssen gemeinsam mit Restaurator*innen und
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3 Prospektionsbohrung mit einem Kernbohrgerät (Foto: D. Brandner / NHM Wien).
Forschung im Untergrund
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4 Dokumentation im Forschungsstollen (Foto: H. Reschreiter, D Brandner / NHM Wien).
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Naturwissenschaftler*innen neue Verfahren entwickelt werden – von der Freilegung, Beprobung, Bergung und Entsalzung bis zur Lagerung. Nicht nur der Umgang mit den Funden muss für die speziellen Anforderungen maßgeschneidert entwickelt werden. Auch die Dokumentation in den engen Forschungsstollen machte lange Entwicklungsarbeiten notwendig, bis die Standards einer wissenschaftlichen Dokumentation erfüllt werden konnten. Als Grabungsquartier dient die alte Bergschmiede am Hallstätter Salzberg. Sie wurde im Rahmen der Kooperation von Naturhistorischem Museum, Salinen Austria AG und Salzwelten GmbH zum Forschungszentrum ausgebaut und ist nun eine offizielle Außenstelle des Naturhistorischen Museums. Über diese Kooperation werden auch die Basiskosten von der Ausgrabung über die Restaurierung bis zur Inventarisierung im Museum getragen. Forschungen und Analysen werden über Drittmittelprojekte finanziert. Die Schmiede beherbergt Wohnräume für bis zu 15 Mitarbeiter*innen und ein Gästezimmer, Infrastruktur und Ausstattung für die Forschungen im Bergwerk und im eisenzeitlichen Gräberfeld, für die Fundbearbeitung und Restaurierung und einen Ausstellungsraum. In mehreren Werkstätten wird die Tradition seit den 1960er Jahren fortgesetzt die Funde aus dem Bergwerk nachzubauen und zu testen. Viele Funde aus dem Salz sind so einmalig, dass sich europaweit keine Vergleiche finden lassen. Der Nachbau und Test der Stücke bietet eine gute Möglichkeit dennoch mehr über diese Unikate herauszufinden. Die enge Verknüpfung von Ausgrabung und Experimenteller Archäologie ermöglicht es den Mitarbeiter*innen tiefere Einblicke in die Herstellungstechnik und die Rohstoffe der geborgenen Funde zu erlangen.
Eng und dunkel
Die großen Vorteile eines Arbeitsortes tief im Salzberg sind: jeden Tag dasselbe Wetter, 8 °C und trocken. Zudem kein Empfang am Handy, das ablenkt und man hat nur im Blickfeld, was die Grubenlampe ausleuchtet. Die Herausforderung ist eher der 10 kg schwere Presslufthammer. Der Umgang mit ihm ist ebenso gewöhnungsbedürftig, wie das Balancieren der schweren Schiebetruhen durch die engen Stollen. Diese sind häufig so eng, dass die Griffe der Schiebetruhen vor dem ersten Einsatz zusammengebogen werden müssen. Die Beengtheit im Stollen bedingt eine recht «dichte» Arbeitsatmosphäre. Diese wird durch das gemeinsame Wohnen im Grabungshaus oben am Salzberg noch verstärkt.
Die Hallstattforschung erfolgt in einem aktiven Bergbau und unterliegt daher auch den Bestimmungen der Montanbehörde. Zertifizierte Schutzausrüstung, Sicherheitsunterweisung und die Betriebsaufseherprüfung für den Grabungsleiter sind obligatorisch. Obwohl die Arbeit tief im Untergrund stattfindet, ist sie sehr «sichtbar». In den Salzwelten Hallstatt (www.salzwelten.at) werden jährlich über 150 000 Besucher*innen mit der 7000-jährigen Salzgeschichte konfrontiert, Sonderführungen zu den Fundstellen angeboten, in Blogs (http://hallstatt-forschung.blogspot.co.at) kann die archäologische Forschung verfolgt werden und eine Onlinereihe zum Fundort ist im Aufbau begriffen (https://www.nhm-wien.ac.at/verlag/wissenschaftliche_serien/archon). Seit Kurzem kann auch mithilfe von VR-Brillen virtuell in den Bergbau der Bronzezeit eingetaucht werden.
5 Vortrieb mit dem Presslufthammer (Foto: D. Brandner / NHM Wien).
Das Grabungsprojekt im Untergrund Hallstatts Größe des Teams:
10−15 Personen für die archäologische Forschung (Ausgrabung, Dokumentation, Erstversorgung der Funde)
beteiligte Nationen:
Österreich, Deutschland, Schweiz und Italien
beteiligte Fachdisziplinen:
Archäologie, Anthropologie, Geologie, Geophysik, Sedimentologie, Informatik und Simulationstechniken, Botanik, Holzforschung, Palynologie, Molekularbiologie, Geochemie, 3D-Design, Experimentelle Archäologie, Archäozoologie, Restaurierung und Konservierung
Laufzeit der Grabung:
Seit 1960
Dauer der Kampagnen:
6−8 Wochen
Förderinstitutionen/ Geldgeber:
NHM Wien, Salzwelten GmbH, Salinen Austria AG, Drittmittel projekte (EU, FWF, ÖAW)
Teilnahme von Laien:
nein
Forschung im Untergrund
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SILVRETTAGEBIRGE
Den ersten Almhirten auf der Spur Archäologie im Silvrettagebirge
von Thomas Reitmaier
1 (Umseitig) Kleiner, bereits in prähistorischer Zeit als Unterstand genutzter Felsblock im Val Lavinuoz, Silvrettagebirge, Sommer 2008 (Foto: T. Reitmaier).
2 Ausgrabung eines spätbronzezeitlichen Alm gebäudes aus der Zeit um 1000 v. Chr. im Fimbertal / Val Fenga, Sommer 2010 (Foto: Ch. Walser).
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ie Alpen sind ein bedeutender europäischer Lebens-, Wirtschafts- und Kulturraum. Dementsprechend bildet dieses Hochgebirge seit längerem einen wichtigen Gegenstand der historischen bzw. archäologischen Forschung. Die Alpen sind dabei nicht als ursprüngliche Naturlandschaft zu begreifen, sondern als eine vom Menschen über viele Jahrtausende gestaltete «traditionelle» Kulturlandschaft zu sehen. Diese an thropogenen Veränderungen treten insbesondere in der wirtschaftlichen Erschließung und Strukturierung des alpinen Raumes in Erscheinung. Basis der bergbäuerlichen Wirtschaftsweise bildet bis heute die Kombination aus kleinräumigem Ackerbau und extensiver Viehzucht. Für letztere sind die waldfreien und ertragreichen Hochweiden im Gebirge eine ideale Voraussetzung. Daher werden im Jahreslauf die über den Dauersiedlungen liegenden Wiesen-, Wald- und Hochflächen bis in die alpine Stufe vom Menschen bewirtschaftet bzw. von Haustieren beweidet. Die Hochalmen selbst werden, dem Graswuchs folgend, während drei Som-
mermonaten nacheinander in auf- bzw. absteigender Richtung bezogen und für den saisonalen Aufenthalt mit festen Bauten ausgestattet. Dieser jahreszeitliche (Vieh-)Wirtschaftszyklus mit der periodischen Nutzung vertikal gestaffelter Weidegebiete durch Haustiere und mit Milchnutzung wird Almwirtschaft genannt und ist eine typische Strategie bäuerlicher Gesellschaften im Gebirge. Die Frage, seit wann Menschen im Sommer ihr Vieh auf die Alp verschieben, hat in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten zu zahlreichen archäologischen Projekten und zu teilweise bemerkenswerten Entdeckungen geführt – so auch im Silvrettagebirge zwischen der Schweiz (Graubünden) und Österreich (Tirol, Vorarlberg), wo Archäolog*innen zwischen 2007 und 2016 die Spuren der ersten Almhirten gesucht haben.
Ötzi war nicht allein!
Eine urgeschichtliche Almhütte – konnte man so etwas finden und ausgraben? Nun, zu Beginn der Untersuchungen war im ca. 500 km2 großen Silvrettagebirge keine einzige archäologische Fundstelle bekannt. Aus diesem Grund wurde im Verlauf von zehn Jahren das gesamte Gebiet in Höhen über 2000 m systematisch prospektiert, um sich – in mehreren Hunderttausend Höhenmetern – eine Art Gespür für die archäologische Landschaft zu erlaufen. Aber auch moderne Hilfsmittel wie Satellitendaten oder Geophysik kamen zum Einsatz. Die Silvretta gehört damit heute zu den archäologisch wohl bestuntersuchten Gebirgszügen in Europa. In mehr als dreißig Sommerwochen konnten auf diese Weise in einem bislang fundleeren Gebiet über 200 Fundstellen aus den letzten zehn Jahrtausenden entdeckt werden. Archäologie bedeutet also auch in den Alpen zunächst meist: Wandern, Beobachten, Befragen, Kartieren, Dokumentieren und Sondieren. Um den weiten Anmarsch vom Tal zu reduzieren, wurde ein Zeltlager errichtet, was wiederum einiges an logistischer Vorbereitung nötig macht: Ausrüstung, Geräte, Verpflegung sowie Brennmaterial müssen nach oben transportiert werden, oft mit einem
Helikopter. Die Nächte im Zelt auf 2500 m sind auch im Hochsommer kalt, und entsprechend groß ist der Bedarf an wärmenden, selten alkoholfreien Getränken am abendlichen Feuer. Die alpinen Fundstellen selbst sind vergleichsweise kleinflächig und fundarm mit kaum ausgeprägten Schichtabfolgen, da es sich in der Regel um saisonal genutzte, einfach ausgestattete Lager von Jägern oder Hirten bzw. um Opferplätze handelt. Entsprechend wichtig sind eine subtile Grabungstechnik und eine intensive Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen, um ein adäquates Bild der Vergangenheit rekonstruieren zu können. Einen Einblick in die tatsächliche Lebenswelt der prähistorischen Alpenbewohner gewähren nur spezielle Erhaltungsbedingungen, wie es die spektakulären Funde aus abschmelzenden Eisfeldern verdeutlichen. Ötzi war nicht allein!
Eine dreitausend Jahre alte Almhütte
Belohnt wird diese (heraus-)fordernde archäologische Arbeit vor meist malerischer Bergkulisse natürlich von spannenden wissenschaftlichen Erkenntnissen, wie sie bis vor kurzem kaum bekannt waren. Mit der dauerhaften Aufsiedelung der inneren Alpen ab der Bronzezeit (3./2. Jt. v. Chr.) kam es zu einer verstärkten weidewirtschaftlichen Nutzung der alpinen Matten. Für den sommerlichen Aufenthalt auf der Alp wurden bereits damals steinerne Bauten errichtet, vor allem Pferche für das Vieh und einfache Gebäude für die Hirten. In der Silvretta konnten mehrere urgeschichtliche Viehpferche entdeckt und ausgegraben werden. In solchen trockengemauerten Anlagen wurde das Almvieh über Nacht, aus Schutz vor Wildtieren und vor allem zum täglichen Melken eingesperrt. Keramik, Feuerstellen und andere Funde zeugen von den Aktivitäten der damaligen Hirten. Ein besonderes Highlight der archäologischen Forschungen in der Silvretta war die mehrjährige Untersuchung einer bronzebis eisenzeitlichen Gebäudestruktur (2./1. Jt. v. Chr.) nahe der heutigen Heidelberger Hütte im Fimbertal/ Val Fenga, die als «älteste Alphütte der Schweiz» medial bekannt wurde. Während der Ausgrabungen war auch im Hochsommer immer wieder Neuschnee angesagt. Die eingeschneite Fundstelle war aber schnell geräumt und es konnte weitergearbeitet werden – um nach Feierabend an der selbstgebauten Schneebar ein kühles Bier zu genießen, umringt von staunenden Weidekühen. Überaus wertvoll war bei diesen Grabungen schließlich die Entdeckung von urgeschichtlicher Keramik: Damit ist zum einen in Ergänzung zu den naturwissenschaftlichen Datierungen eine prä-
zise zeitliche und kulturelle Einordnung der alpinen Fundstelle gewährleistet. Zum anderen konnte durch biochemische Analysen an Fettrückständen erstmals der gesicherte Nachweis erbracht werden, dass in diesen Gefäßen bereits damals die Alpmilch verarbeitet wurde. Welche Milchprodukte allerdings hergestellt wurden, lässt sich (noch) nicht sagen. Wahrscheinlich sind aber ähnliche Alpprodukte wie heute, also Käse, Butter oder Schmalz. Apropos Ernährung: Was für die Archäolog*innen im Tal der Maulwurf ist, ist für die alpine Archäologie das Murmeltier (Marmota marmota). Das bekannte Alpenmaskottchen ist in der Silvretta noch heute eine gängige Jagdbeute und – bei richtiger Zubereitung – eine beliebte Delikatesse. So wurde die erfolgreiche Grabungssaison jeweils im Herbst mit einem traditionellen «Murmeltieressen» beendet.
3 Neuschnee auf der Ausgrabung im Fimbertal / Val Fenga, 2400 m Höhe, August 2010 – mit selbst gebauter «Silvrettibar» (Foto: T. Reitmaier).
Das Grabungsprojekt im Silvrettagebirge Größe des Teams:
wechselnd, meist 5 bis 20 Personen
beteiligte Nationen:
Schweiz, Österreich, Deutschland, Italien und Großbritannien
beteiligte Fachdisziplinen:
Siedlungs-, Umwelt- und Landschaftsarchäologie, Fernerkundung, Palynologie, Ethnoarchäologie, Dendrochronologie, Bioarchäologie, Archäozoologie, Toponomastik, Geoarchäologie, Quantitative Archäologie und Gletscherarchäologie
Laufzeit der Grabung:
2007−2016, vereinzelte Untersuchungen laufen noch
Dauer der Kampagnen:
jährlich jeweils 4−6 Wochen
Förderinstitutionen/ Geldgeber:
Universität Zürich, Archäologischer Dienst Graubünden sowie zahlreiche weitere (inter-)nationale Institutionen, Stiftungen, Gemeinden und private Sponsoren in der Schweiz, Österreich und Deutschland. Interreg-Projekt «Silvretta historica» 2010−2013
Teilnahme von Laien:
nein
Den ersten Almhirten auf der Spur
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IBERISCHE HALBINSEL
Auf der Suche nach den Göttern im Westen Ländliche Heiligtümer auf der Iberischen Halbinsel
von Thomas G. Schattner
1 (Umseitig) Auf dem Berg Cabeço das Fráguas, Blick nach SW zur Serra da Estrela (Foto: D-DAI-MAD-PATDG-021-2007-0992).
2 Die Teilnehmer der Kampagne bestaunen den Laserscanner, mit dem die Inschrift aufgenommen wird (Foto: D-DAI-MADSCHA-25-2009-92).
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inundzwanzig Minuten. So schnell war Artem noch nie gewesen. Vom Parkplatz im Tal auf der Höhe von ca. 700 m ü. NN hat er in dieser Zeit den Höhenunterschied von 300 m bis auf die Spitze des Berges Cabeço das Fráguas bei Guarda in Mittelportugal überwunden, der 1000 m über dem Meeresspiegel liegt. Der Grund dürften die Wasserkanister sein; denn heute hat er an jedem Arm nur einen 5 l-Kanister hängen. Sonst sind es 7 l. Die Anderen benötigen wenigstens die doppelte Zeit. Der Gießener Student bringt Wasser für die Grabungsmannschaft auf den Berg. Die in der Antike dort liegende Quelle ist versiegt, so dass jeder Tropfen wie auch alle Gerätschaften und alles Material, das eine moderne archäologische Ausgrabung benötigt, mit Muskelkraft hinaufgeschafft werden muss. Jede Hand ist gefragt, alle müssen mit anpacken. Einen Weg gibt es nicht. Der Pfad, der in der Antike den Zugang ermöglichte und im Gelände noch sichtbar ist, kann nicht benutzt werden, da er durch riesige Dornenhecken zugewachsen ist. Das Projekt ist Teil einer größeren Forschung über ländliche Heiligtümer im westlichen, atlantischen Gebiet der Iberischen Halbinsel. Die kulturellen Neue-
rungen, welche die Romanisierung ins Land brachte, haben sich hier erst spät etabliert. So waren etwa die Namen der einheimischen Götter im kollektiven Gedächtnis noch präsent, als man hier im fortgeschrittenen 1. Jh. n. Chr. anfing sich der Schrift zu bedienen. Die Forschung kennt auf diese Weise heute mehr als 300 Namen einheimischer Götter aus diesem Gebiet. In den mittelmeerischen Gebieten der Iberischen Halbinsel war der Prozess anders, das heißt schneller und radikaler verlaufen, so dass von dort nur eine Handvoll Namen von einheimischen Göttern inschriftlich überliefert sind. Eine Forschung, die sich die Untersuchung ländlicher römischer Heiligtümer zum Ziele gesetzt hat, die also in einem gewissen Gegensatz zu den bekannten städtischen Anlagen von Heiligtümern und Tempeln stehen, wie sie von vielen Ruinenstätten bekannt sind, muss daher im Westen ansetzen. Diese ländlichen Heiligtümer sind oft altertümlich nach vorrömischem Muster strukturiert und erlauben daher Rückschlüsse auf diese älteren Epochen, von deren Heiligtümern wir kaum eine Vorstellung haben. Durch ihre Datierung in die römische Zeit und die Benutzung der Schrift erweisen sie sich andererseits als durch und durch römische Anlagen. Damit werden Aussagen über die römische Situation auf dem Lande ebenso möglich wie über deren einheimisches Erbe. Es wird damit ein hispanischer Beitrag in die Diskussion über Heiligtümer, Gottheiten und Kulte gebracht, welche die Forschung im Deutschen Archäologischen Institut aber auch anderswo derzeit bewegt. Gerade das Heiligtum auf dem Cabeço das Fráguas ist ein gutes Beispiel für die beschriebene Situation. Entstanden am Übergang von der späten Bronze- zur frühen Eisenzeit, die hier im 7./6. Jh. v. Chr. einsetzt, hatte es nach der Menge des Fundstoffes zu urteilen einen Höhepunkt in der späteren Eisenzeit zwischen dem 4. und dem 2. Jh. v. Chr. Dieser nimmt jedoch in der nachfolgenden Zeit rapide ab und ist im 1. Jh. n. Chr. nur noch spärlich vorhanden. Genau in dieser Zeit aber wird eine Inschrift dort in den anstehenden
Granitfelsen gehauen, die höchst interessant ist; denn sie ist in lateinischen Lettern geschrieben, die verwendete, dahinter stehende Sprache aber ist lusitanisch, eine altkeltische Sprache, die in dieser Zeit im mittleren Westen der Iberischen Halbinsel offenbar noch gesprochen worden ist. Sie nennt Götternamen, Tiere werden zum Opfer gebracht: ein Lamm für Trebopala, ein Schwein für Laebo, eine «commaia» (Ziege?) für Iccona Loiminna, ein Lamm in der Qualität «usseam» für Trebaruna und ein Stier in der Qualität «ifadem»
für Reve. Interessanterweise wird das Ensemble von Schaf, Schwein und Stier als Opfertiere beschrieben, den wesentlichen Bestandteilen des altrömischen Opfers der Suovetaurilia. Hier, in der Abgeschiedenheit der westlichen Ausläufer des iberischen Scheidegebirges, auf eine Inschrift solchen Inhalts zu treffen, erscheint höchst erstaunlich, ist allerdings nicht singulär, da es gerade im Gebiet zwischen den Flüssen Tejo und Douro eine Anzahl von Inschriften vergleichbaren Inhalts gibt. Es handelt sich offenbar um ein sehr altes
3 Der Berg Cabeço das Fráguas bei Guarda in Mittelportugal, von Südwesten (Foto: D-DAI-MADPAT-DG-007-2006-046).
Auf der Suche nach den Göttern im Westen
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Fläche A 2
Fläche A 1
Grabungsfläche alte Sondage Inschrift Petroglyphen Mauer Befestigungsmauer Mauerversturz vermutlicher Weg Zaun Fels Felsplatte
Fraguas
Sektor B Maßstab: 1 : 750
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4 Siedlung (grün) und Heiligtum (rot) auf dem Cabeço das Fráguas (Plan: D-DAI-MADA-29-DZ-015).
Opfer wohl indoeuropäischer Tradition, das im römischen Kult insofern kanonisiert worden ist, als für die Tiere die Dreizahl festgelegt wurde und als empfangende Gottheit Mars. Neben Studenten aus Portugal und Deutschland nehmen an dem portugiesisch-deutschen Forschungsprojekt in diesem Jahr auch Studenten aus Italien teil. Sie sind die erfahrensten, da sie bereits auf vielen Ausgrabungen gearbeitet haben. Ihnen obliegt die Schnittleitung, das heißt die genaue Beobachtung und die Dokumentation des Grabungsfortschritts an den jeweiligen Schnitten. Diese reichen auf dem Cabeço das Fráguas nicht tief, da die antiken Schichten gleich unter der Grasnarbe beginnen. Als Artem oben ankommt, ist Frühstückspause. Die Hände der Studenten sind wie ihre Gesichter durch die stark humose Erde schwarz gefärbt. Es hat vor kurzem geregnet, das Erdreich ist klebrig, der Wind treibt immer wieder dunkle, niedrige Wolken über den Berg, die in der Nähe stehenden Windräder pfeifen. Die Arbeit ist hart, besonders die Schwierigkeiten der Logistik machen der Mannschaft zu schaffen. Am späten Nachmittag gibt Maria João das Zeichen zum Abstieg. Das Werkzeug wird hinter Gebüsch versteckt. Die Vermessungsgeräte wie die Funde werden eingepackt, jeder nimmt seinen eigenen Rucksack auf, und der Abstieg beginnt. Bis nach Guarda, unserem Quartier, sind es gut 40 Minuten Fahrt. Im örtlichen Museum werden die Funde abgeliefert. Dort arbeitet ein anderer Teil der Mannschaft an ihrer Aufarbeitung. Die Funde, meist Scherben, werden grob gesäubert, zum Teil ge-
waschen, getrocknet und inventarisiert, das heißt beschriftet. Dann erfolgt die Eingabe in die Datenbank. Dazu müssen zwei Dutzend Parameter bestimmt sein. In der Jugendherberge gibt es nur zwei Duschen. Während der Wartezeit wird für den folgenden Tag eingekauft. Die lokale Zeitung hat einen Bericht über die Grabung gebracht, in Kürze sollen die Ergebnisse in einer kleinen Ausstellung gezeigt werden.
5 Die lusitanische Inschrift in lateinischen Lettern, Photo/Umschrift in Faksimile (Foto: D-DAI-MADRFD-47-2009-01; FaksimileZeichnung: J. Fernández Pérez, DAI Madrid).
Gemeinsames Forschungsprojekt des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Madrid und Universität Lissabon Größe des Teams:
durchschnittlich 12 bis 15 Personen
Leitung:
Thomas G. Schattner und Maria João Santos (DAI), Carlos Fabião und Amílcar Guerra (Universität Lissabon) in Zusammenarbeit mit dem Museum von Guarda/Portugal
Zusammenarbeit:
mit dem Museum von Guarda/Portugal
beteiligte Nationen:
Internationales Projekt. Vor allem beteiligt Portugal, Deutschland daneben Spezialisten und Studenten aus anderen Ländern
beteiligte Fachdisziplinen:
Klassische Archäologie, Vor- und Frühgeschichte, Linguistik/ Indogermanistik, Altphilologie, daneben naturwissenschaft liche Disziplinen wie Topographie, Bodenkunde, Geologie u. a.
Laufzeit der Grabung:
2006 bis 2012
Dauer der Kampagnen:
vier Wochen/Jahr
Förderinstitutionen/ Geldgeber:
Clusterforschung des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI)
Teilnahme von Laien:
nein
Auf der Suche nach den Göttern im Westen
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ELUSA
Einer Wüstenstadt auf der Spur Die Ruinenstätte Elusa
von Christian Schöne und Michael Heinzelmann
1 (Umseitig) Grabungsalltag in Elusa. Freilegung einer Straße und der angrenzenden Räume (Foto: Elusa-Archiv Archäologisches Institut der Universität zu Köln).
2 Ausgrabung innerhalb der Siedlung. An vielen Stellen innerhalb der Stadt wurde eine Stratigraphie von 5 m Mächtigkeit angetroffen (Foto: Elusa-Archiv Archäologisches Institut der Universität zu Köln).
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D
ie antike Stadt Elusa entspricht in vielerlei Hinsicht dem archäologischen Klischee einer von Sanddünen bedeckten Ruinenstätte. Im Süden des modernen Israel in der Wüste Negev gelegen, finden sich hier unter Sand begraben bis zu 6 m hoch erhaltene Gebäudereste einer Siedlung, die im 3. Jh. v. Chr. als Handelsposten an der Weihrauchstraße gegründet und in der Spätantike zur größten Stadt der Region wurde. Von ihrer Bedeutung zeugen das einzige Theater der Negevregion und viele reich ausgestattete Kirchen. Literarische Zeugnisse stellen die Rolle des Ortes als administratives, kulturelles und religiöses Zentrum heraus. Umfangreiche Funde aus dem ganzen Mittelmeerraum bezeugen zudem die hohe Wirtschaftskraft der Stadt und Region, deren weithin exportierte Produkte, insbesondere Wein, sogar
den Donauraum und Britannien erreichten. Dies ist vor dem Hintergrund der prekären naturräumlichen Lage am Rand der Wüste äußerst bemerkenswert, zumal es zu klären gilt, wie die geschätzt 10 000 Einwohner überhaupt überleben konnten. Die Stadt blieb auch nach der arabischen Eroberung im 7. Jh. n. Chr. bewohnt; erst gegen Ende des 8. Jhs. n. Chr. wurde sie aus bislang ungeklärten Gründen verlassen. Heute gehört Elusa zum UNESCO-Weltkulturerbe «Weihrauchstraße». Elusa zog bereits früh bekannte Forscher, wie z. B. Thomas E. Lawrence an. Doch durch massive Spoliation, also den Raub von Steinmaterial zu Bauzwecken, wurden die oberirdischen Ruinen im 19. und 20. Jh. abgeräumt und die Forschung ignorierte das scheinbar zerstörte Elusa und konzentrierte sich auf
3 Das Gemeinschaftszelt (Foto: Elusa-Archiv Archäologisches Institut der Universität zu Köln).
4 Großflächige magnetometrische Untersuchungen sind ein wichtiger Teil des Projekts, um die antike Stadt zu verstehen (Foto: Elusa-Archiv Archäologisches Institut der Universität zu Köln)
Einer Wüstenstadt auf der Spur
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die Nachbarsiedlungen. So fanden bisher nur vereinzelte Ausgrabungen in Elusa statt und selbst grundlegende Informationen zur Siedlungsgeschichte fehlten. Hier setzt seit 2015 ein Projekt des Archäologischen Instituts der Universität Köln an, das in einer Kooperation mit dem israelischen Antikendienst eng zusammenarbeitet. Ziel ist es, die städtebauliche Struktur und Entwicklung Elusas von seiner Gründung bis zur Aufgabe zu rekonstruieren und zugleich verschiedene Fragen zur Wirtschafts- und Sozialstruktur zu klären. Neben großflächigen geophysikalischen Untersuchungen werden Stadt und Umgebung auch mittels Surveys, Fernerkundung und zielgerichteten Ausgrabungen untersucht. Derweil sind Geoarchäologen der landschaftlichen Veränderung und dem antiken Naturraum der Stadt auf der Spur. Ergänzend gibt es seit 2018 ein Projekt der Abteilung für Christliche Archäologie der Universität Bonn, das sich der zahlreichen Sakralbauten der Stadt annimmt. Schließlich ermöglichen umfassende Materialanalysen weitere Erkenntnisse, da z. B. die Untersuchung von Tierknochen und Botanikresten Hinweise zu Ernährung und Umwelt der Einwohner liefern. Das Projekt wird als Lehrgrabung durchgeführt, die sich an fortgeschrittene Studierende richtet.
5 Über die moderne Oberfläche Elusas wird im Frühjahr Vieh getrieben (Foto: Elusa-Archiv Archäologisches Institut der Universität zu Köln).
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Die Wüste Negev als Grabungsort Die Ausgrabungen begannen im Frühjahr 2015 und finden seitdem jährlich im Februar/März statt. Eine besondere Herausforderung stellt das Klima dar. Während das Thermometer in diesem Zeitraum tagsüber schon 30 Grad erreichen kann, kühlt es über Nacht häufig bis zum Gefrierpunkt ab. Überrascht wurde das Team im ersten Jahr durch Schneefall in der Wüste. Zum Glück half der nahe Kibbuz aus und öffnete seine Altkleiderkammer für die frierenden Archäologen. Wind und Wetter behindern immer wieder die Arbeiten: Mal ist durch Sandstürme an eine sinnvolle Ausgrabung nicht zu denken, mal verhindern Starkregen die Anfahrt zur Ausgrabungsstelle, da sich ein normalerweise trockenes Wadi in einen reißenden Fluss verwandelt. Zum Alltag gehören aber auch Explosionen, Maschinengewehrfeuer und Panzerlärm, denn der Nationalpark Elusa liegt inmitten eines Übungsgeländes des israelischen Militärs. Diese unruhigen Aktivitäten werden kontrastiert durch zahlreiche Herden von Schafen und Ziegen, oft begleitet von einzelnen Eseln oder Kamelen, die in dieser Jahreszeit von Beduinen in die Wüste getrieben werden und gemächlich durch die Landschaft ziehen. Denn im Frühjahr werden die sonst
6 Die Mittagspause wird im Gelände als gemeinsames Picknick gestaltet (Foto: D. Heinzelmann).
eher kargen Flächen für kurze Zeit grün und die Wüste beginnt zu blühen. Einige Beduinen zelten dann in der Umgebung bei ihren Herden. Daneben sieht man auch Wildtiere und große Schwärme von Störchen, die in diesem Zeitraum von Afrika nach Europa ziehen.
Grabungsalltag
Die Unterbringung erfolgt nicht vor Ort, sondern etwa 15 km entfernt in einem Wüstencamp, in dem sich je vier Studierende eine Lehmhütte teilen. Ein großes Beduinenzelt dient als Gemeinschafts- und Arbeitsraum. Dort wird auch jeden Morgen gefrühstückt, bevor im Tross zur Ausgrabungsstätte gefahren wird. Die Autos sind vollgepackt, da auf der Fläche kein Material gelagert werden kann. Nach der Ankunft teilen sich die einzelnen Teams auf und fahren ihre jeweiligen Arbeitsorte an, überwiegend im Stadtgebiet verteilte Grabungsflächen. Andere Arbeitsgruppen führen den Survey oder die geophysikalischen Messungen durch. Viele der Grabungsschnitte konzentrieren sich auf antike Straßen, da sie aufgrund von Müllablagerungen und regelmäßigen Erneuerungen gut datierbare Schichtpakete bilden und ihr Verhältnis zu angrenzenden Gebäuden weitreichende Informationen über die Siedlungsgeschichte liefert. Weiterhin wurden bisher ein großes Peristylgebäude, eine große Thermenanlage, sowie eine Kirche untersucht. Ein überraschender Fund waren große, über lange Strecken zugängliche Abwasserkanäle, die bisher an zwei Stellen angetroffen wurden und auf ein ausgedehntes Entwässerungssystem schließen lassen.
Mittags wird im Gelände ein gemeinsames Picknick abgehalten. Die Feldarbeit endet bereits am mittleren Nachmittag, um anschließend in der Unterkunft weiteren Tätigkeiten nachzugehen. Hierzu gehört u. a. die Datenbankeingabe der täglichen Grabungsergebnisse, die Auswertung der verschiedenen Survey- und Messergebnisse, die Bearbeitung und das Fotografieren von Kleinfunden. Während eine Gruppe sich um das Reinigen des Fundmaterials kümmert, bereitet eine andere in der Küche des Gemeinschaftszelts das Abendessen für die ca. 30 Teilnehmenden vor, wieder andere werden abspülen. Die Rollen wechseln täglich. Nach dem Essen arbeiten manche noch, das Gros des Teams sammelt sich allerdings vor dem gemütlichen Holzofen im Zelt und lässt den Abend gemeinsam ausklingen, bevor es mit dem ersten Licht zurück aufs Feld geht. Das Grabungsprojekt in der Ruinenstätte Elusa Größe des Teams:
25–30 Grabungsmitarbeiter*innen
beteiligte Nationen:
Deutschland, Israel und Schweiz
beteiligte Fachdisziplinen:
Archäologie, Geoarchäologie, Geophysik, Archäometrie, Archäobiologie und Bauforschung
Laufzeit der Grabung:
jährliche Ausgrabungen seit 2015
Dauer der Kampagnen:
jeweils 4–5 Wochen im Frühjahr
Förderinstitutionen/ Geldgeber:
German-Israeli Foundation (seit 2017), Gerda-Henkel-Stiftung (seit 2018)
Teilnahme von Laien:
nein
Einer Wüstenstadt auf der Spur
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PROHEAR
Prohear Ungeplante Ausgrabung mit Umleitung
von Andreas Reinecke
1 (Umseitig) Ausgrabung auf dem Hauptverkehrsweg durch Prohear im Februar 2011 (Foto: Andreas Reinecke).
2 Schatzsucher in Prohear bei der Arbeit: Die Zerstörung des eisenzeitlichen Gräberfeldes begann Anfang 2007. Von einer der über 30 entdeckten und sofort verkauften Bronzetrommeln haben wir einige Fotos, die der Student Hong Ranet bei einem zufälligen Besuch in Prohear im Mai 2017 aufnahm (Foto: Hong Ranet).
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I
n Prohear, einem kleinen Dorf in der Provinz Prey Veng in Südostkambodscha, begann im Jahr 2008 eines der merkwürdigsten Forschungsprojekte des Deutschen Archäologischen Instituts in Südostasien. Hunderte Gräber mit Gold- und Bronzebeigaben wurden von den Anwohnern geplündert, bevor wir eingreifen konnten. Weitgehend verschont blieb die 4 m breite Dorfstraße, auf der der gesamte Verkehr durch den Ort verläuft. Nach Abschluss der Untersuchungen hatten wir unter einem 58 m langem Straßenabschnitt insgesamt 69 Körperbestattungen und sieben Gefäßbestattungen mit 96 Goldbeigaben geborgen, die überwiegend in das 1. Jh. v. Chr. und 1. Jh. n. Chr. datieren. Vor uns lag die bedeutendste Schmuckkollektion aus der Anfangsphase der Goldverarbeitung in Südostasien. Sie hätte um ein Mehrfaches größer sein können. Goldschmiede im Nach-
barort Chrey berichteten uns, dass die Goldsucher mit Händen voller Goldobjekte aus geplünderten Gräbern zum Verkauf anrückten. Das Gold wurde dann eingeschmolzen und zu modernem Schmuck verarbeitet. Was für ein unermesslicher Verlust an historischen Informationen! In Kooperation mit dem Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie in Mannheim wurden bis 2019 alle 96 Goldobjekte der Grabung Prohear und weitere 150 Proben von Goldschmuck aus 20 anderen Fundstellen in fünf Ländern zwischen Sri Lanka, Nordvietnam und Indonesien analysiert. Diese umfassende Datenserie ermöglicht neue Einblicke in die Anfangsperiode des Goldhandwerks Südostasiens. Offenbar gelangte erst im 2. Jh. v. Chr. «fremder Goldschmuck» nach Südostasien, der dann relativ schnell heimische Goldsucher und Handwerker inspirierte.
3 Freilegung eines eisenzeitlichen Grabes (Foto: Andreas Reinecke).
4 Ausgrabung auf dem Hauptverkehrsweg durch Prohear im April 2008 (Bildzentrum). Im Vordergrund die mit tiefen Raubgräberlöchern zerstörte Fläche des eisenzeitlichen Gräberfeldes. Links im Hintergrund ein neu errichtetes Stelzenhaus finanziert durch den Verkauf der entdeckten Grabbeigaben (Foto: Andreas Reinecke).
Prohear
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Zum Projekt gehörte auch ein durch das Kulturerhalt-Programm des Auswärtigem Amtes von 2013 bis 2016 großzügig gefördertes Restaurierungsprogramm: In der 2013 gegründeten German-Cambodian Conservation School wurden bis Ende 2016 unter Mitwirkung von 56 Kursteilnehmern aus sieben Ländern Südostasiens über 500 Tongefäße restauriert. Von über 100 eisernen Beigaben wurden im Labor die fingerdicken Rostschichten abgetragen und neuartige Typen an Armringen, Beilen, Dolchen und Messern sichtbar.
Verzögerter Einzug
5 Bester Schutz gegen nächtliche Plünderung: Archäologiestudenten mit Bett auf dem Weg zum Ausgrabungssektor auf dem Hauptverkehrsweg in Prohear (Foto: Seng Sonetra).
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Ausgelöst wurde die Unternehmung am 23. Mai 2007 durch einen Email-Hilferuf unserer kambodschanischen Mitarbeiter Seng Sonetra und Vin Laychour in Phnom Penh: «Dear all, the looting area is in Prohear village … The looting is still going on. Until now, nearly twenty bronze drums were found and sold immediately. We had no chance to see any drums before the dealer transported them out quickly from the site …»! In Kooperation mit Barbara und Gerd Albrecht, beide lange Zeit in Kambodscha in der universitären Ausbildung und bei Feldarbeiten engagiert, bot das DAI sofort eine Rettungsgrabung an. Doch erst Ende 2007 gab das zuständige Ministerium grünes Licht. Unter den ausgegrabenen und verkauften Objekten waren mehr als drei Dutzend Bronzetrommeln nord vietnamesischen Typs. Jede einzelne ist das in Bronze gegossene Gedächtnis einer Dorfgemeinschaft im Besitz ihrer Anführer. Die flüchteten seit dem Ende des 2. Jhs. v. Chr. vor der chinesischen Machtergreifung im Norden des heutigen Vietnams nach Süden und fanden in Prohear und an vielen anderen Orten eine neue Heimat.
Die «Schatzsucher» waren auch nicht zu stoppen als die Archäologen aus Phnom Penh und Deutschland anrückten. Prohear liegt in einer der ärmsten Regionen Kambodschas – für die Anwohner waren die Gold- und Bronzefunde wie ein Lotto-Gewinn mit dem sie endlich einen Wasserbüffel für die Feldarbeit anschaffen oder ein neues Wohnhaus errichten konnten.
Nachbarn mit «Grabungserfahrung»
Vor der Ausgrabung wurde zunächst ein Meeting im Ort einberufen. Die Anwohner, die sich als legitime Besitzer der alten Grabbeigaben in ihren Gärten wähnten, wurden durch unsere kambodschanischen Kolleg*innen über die Bedeutung der Funde und die Notwendigkeit der Ausgrabung aufgeklärt. Dennoch blieb Skepsis: «Ausländer wollen unsere Schätze stehlen», hieß es in den ersten Tagen. Die Feldarbeiten standen in allen Jahren unter Leitung einer deutsch-kambodschanischen Doppelspitze. An der Freilegung der Funde waren zehn Archäologiestudenten verschiedener Studienjahre der Royal University of Fine Arts beteiligt. Die deutschen Teilnehmer pendelten täglich per Motorrad zwischen einem Gästehaus in Prey Veng und der Grabung 30 km hin und her. Die kambodschanischen Grabungsmitarbeiter wohnten im Haus der wohlhabendsten Familie des Dorfes, wo auch genügend Schweine und Hühner vorhanden waren, um die Grabungsmannschaft zu verköstigen. Zum Familienbetrieb im gleichen Haus gehört auch die einzige «Apotheke» des Ortes – eine perfekte Kombination für das Wohlbefinden des ganzen Teams.
Übernachtung in Sektor A
Vor Beginn der Ausgrabungskampagnen wurde mit den Anwohnern die Umleitungswege durch deren Gärten ausgehandelt. Dafür wurde Gesträuch beseitigt, Hofgelände eingeebnet und provisorische Schilder und Zaunsperren quer über den Hauptweg errichtet. Schon nach wenigen Stunden konnten die Motorräder mit hängenden Hühnern oder liegenden Schweinen auf unserer Umleitung sanft am Grabungsschnitt vorbei schaukeln. Bis zu den ersten Funden in 50 cm Tiefe verging in den schmalen Sektoren von 2–3 m Breite meist nur ein Grabungstag. An den ersten Abenden der Anfangskampagne wurden die Betten für die männlichen Mitglieder der Grabungsmannschaft sicherheitshalber direkt in den Ausgrabungssektor getragen. Abgeschlagene Dornensträucher dienten als Zugangssperren. Später
6 Ausgrabung auf dem Hauptverkehrsweg längs durch Prohear im März 2009 (Foto: Andreas Reinecke).
war die Übernachtung auf der Fundschicht nicht mehr nötig, ein Nachtwächter reichte aus.
Entdeckungen mit Vorhersage
Die Grabungsmannschaft wurde durch weitere zehn Helfer aus dem Dorf ergänzt. Alle hatten «Grabungserfahrung» und wurden als Partner den Studenten zugeteilt. Einer von ihnen, der 35-jährige Kong Sung, hatte bei seiner Schatzgräberei sieben Bronzetrommeln entdeckt. Die erste Trommel verkaufte er zum Metallpreis für 7000 Riel (knapp 2 US-Dollar) pro Kilo. Die anderen konnte er für 50 US-Dollar an Mittelsmänner des Kunstmarktes verkaufen – genug Geld für den ersten Wasserbüffel in seinem Leben. Er und andere Grabungshelfer konnten dank ihrer Erfahrungen bereits beim Auftreten erster Funde abschätzen, mit welchen weiteren Beigaben in den verschiedenen Bereichen des Grabes zu rechnen ist. Ab diesem kritischen Punkt lag die Freilegung der Funde allein bei unserem Team, während die Helfer des Dorfes andere Arbeiten ausführten. Freigelegter Goldschmuck oder ähnlich wertvolle Objekte wurden nach erster kommentarloser Wahrnehmung wieder zugepinselt und wie zahllose andere Funde mit einem kleinen Markierungsfähnchen versehen. Erst in letzter Minute vor den Fotoarbeiten lag alles sichtbar am Boden. Neugierige Zuschauer säumten die Umzäunung des Ausgrabungssektors und kommentierten den aus ihrer Sicht viel zu langsamen Grabungsfortschritt. Es wirkt wie ein Wunder, dass unter diesen
Arbeits- und Unterkunftsbedingungen in allen Grabungswochen keine einzige Grabbeigabe verschwand. Bereits 2009 waren wir durch die große Fundmenge und mangelnde Lagerkapazitäten im Interesse einer sicheren Aufbewahrung gezwungen, die Funde schnellstmöglich zu dokumentieren und umgehend zu Ausstellungen an das Nationalmuseum (Eröffnung 2010) und an das Provinzmuseum (2011) abzugeben. In Notwehr gegen unzählige Anfragen nach Bildmaterial und Informationen erschien bereits 2009, also vor Ende der Grabungen, eine erste Buchpublikation über die Funde. Die gesamte Aufarbeitung steht vor dem Abschluss. Das Grabungsprojekt in Prohear Größe des Teams:
durchschnittlich 23 Wissenschaftler*innen (3), Studenten*innen (10) und Grabungshelfer*innen (10)
beteiligte Nationen:
Deutschland und Kambodscha
beteiligte Fachdisziplinen:
Anthropologie, Archäozoologie und Archäometrie
Laufzeit der Grabung:
2008–2011
Laufzeit der Restaurierung:
2009–2016
Dauer der Kampagnen:
2009–2020
Förderinstitutionen/ Geldgeber:
Kulturerhalt-Programm des Auswärtigen Amts
Teilnahme von Laien:
ja – knapp die Hälfte des Ausgrabungsteams bildeten Grabungshelfer aus Prohear
Prohear
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PFALZ
Projekt Archaeoflug Archäologie als Ehrenamt
von Ulrich Kiesow, Roland Seidel und Michael Voselek
1 (Umseitig) Luftbild eines römischen Gutshofes: Messerscharf zeichnet die tief stehende Sonne durch Schattenwurf das Bild der römischen Hof anlage auf die Oberfläche des reifen Getreidefeldes. Innerhalb der annähernd rechteckigen Umfassungsmauer sind die gut erhaltenen Fundamente des Herrenhauses mit seinem Hinterhof sowie mehrere Nebengebäude zu erkennen (Foto: Team Archaeoflug).
2 Ideal-Rekonstruktion des Herrenhauses: Eine Rekonstruktion stellt immer nur eine von mehreren denkbaren architektonischen Varianten des Bodendenkmals dar. Aus den zerstörungsfrei im Boden erfassten Strukturen entwickelt der Rekonstrukteur mithilfe von Erkenntnissen aus bekannten Grabungsbefunden und gesichertem Fachwissen einen oder mehrere Rekonstruktionsvorschläge (Foto: Team Archaeoflug).
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E
s ist die einzigartige Kombination aus drei Teilgebieten der Archäologie, die dem Projekt «Archaeoflug» ihren unverwechselbaren Charakter verleiht: Luftbild archäologie, geoelektrische Kartierung und digitale Rekonstruktion. Das «Team Archaeoflug» befliegt mit einem Motordrachen die Pfalz und dokumentiert die aus der Vogelperspektive erkennbaren Bodendenkmäler. Über 800 vorher unbekannte Fundstellen aus 7000 Jahren pfälzischer Vergangenheit wurden so dem Archiv der Landesdenkmalpflege seit 2002 zur Verfügung gestellt. Die Arbeit in der Luft umfasst nicht nur das Auffinden neuer Fundstellen, sondern auch die regelmäßige Befliegung bekannter Bodendenkmäler zur Beurteilung
ihres aktuellen Erhaltungszustandes oder zur Erkennung bisher noch nicht dokumentierter Teilmerkmale. Wo ergänzende Informationen erwünscht sind, setzt das Team moderne geophysikalische Methoden am Boden ein; verwendet wird die Messtechnik der Geoelektrik. Diese erlaubt einen Blick in die archäologisch relevante obere Erdschicht und gibt genaueren Aufschluss über Einzelheiten der im Luftbild erkannten Fundstelle. Mithilfe dieser bildgebenden Messtechnik können dann lage- und maßstabsgetreue Pläne erstellt werden. Haben Luftbildarchäologie und geoelektrische Kartierung ihren Dienst getan, so wird das Ergebnis vi-
sualisiert. Hierbei vereinen sich die Erkenntnisse aus Luftbildprospektion und Geoelektrik mit profunden Kenntnissen der Architekturgeschichte und langjähriger CAD-Erfahrung zu einer Rekonstruktion des Bodendenkmals. Die Forschungsergebnisse finden ihren Platz auf der teameigenen Internetseite www.archaeoflug.de und zielen darauf ab, archäologisch interessierte Leserinnen und Leser über die Arbeiten des Projektteams zu informieren.
Luftbildarchäologie
Ein Motordrachen ist leicht und langsam, aber für das Team der Amateurluftbildarchäologen bezahlbar und bietet aufgrund der fast barrierefreien Sicht aus der offenen Flugkanzel geradezu ideale Bedingungen für die Luftbildprospektion. Motordrachen kommen in der Luftbildarchäologie äußerst selten zum Einsatz. Hauptsächliche Gründe dafür sind dafür die geringe Reisegeschwindigkeit von 70 bis 80 km/h und eine nur kurze Reichweite von maximal ca. 200 km. Professionelle Luftbildarchäolog*innen bevorzugen in der Regel größere Flugzeuge mit höheren Reisegeschwindigkeiten und größeren Reichweiten. Um ein flächenmäßig relativ kleines Gebiet wie die Pfalz abzudecken, ist jedoch die Flugleistung eines Trikes völlig ausreichend. Vorteilhaft sind auch die geringen Unterhaltungskosten und eine verkraftbare Summe für die Pilotenlizenz dieser Ultraleicht-Klasse. Das «Team Archaeoflug» absolviert jährlich von Mai bis September zehn bis 15 Prospektionsflüge über dem pfälzischen Rheintal zwischen Wörth und Alzey. Stationiert ist das Fluggerät etwa in der Mitte des Fluggebietes in Bad Dürkheim. Die Kosten für Landeund Hangarabstellgebühren sowie für das Flugbenzin übernimmt die pfälzische Landesarchäologie. Alle laufenden Kosten sowie die Kosten für das Fluggerät und die UL-Pilotenlizenz, die zwei der Teammitglieder seit 2002 besitzen, trägt das Team. In einer üblichen Flughöhe von ca. 150 m, hintereinander sitzend, richtet sich der Blick beider Piloten – jeweils abwechselnd auf beiden Seiten des Motordrachens – senkrecht nach unten. Das ergibt eine maximale Such-Effizienz! Die Flugroute wird intuitiv bestimmt. Nach 18 Jahren visueller Flugorientierung wissen beide Piloten sehr genau, welche bekannten Bodendenkmale sich gerade unter ihnen befinden und wo bis dato noch keine gesichtet wurden. Hat man ein verdächtiges Objekt erspäht und dem Kollegen dies über die Bordkommunikation mitgeteilt, lösen gleichzeitig zwei handelsübliche Spiegelreflex-
kameras solange aus, bis beide Luftbildarchäologen nach mehrmaligem Umkreisen der Fundstelle das Gefühl haben, die besten Blickwinkel zur Dokumentation der Fundstelle gefunden zu haben. Gleichzeitig wird die Flugroute mit einem GPS-Punkt markiert, der die Position des Fluggerätes im Auslösemoment festhält. Auf diese Art kann die Fundstelle später am PC problemlos exakt kartiert werden. Von allen Luftbildfundstellen erhält die Landesarchäologie eine Auswahl der aussagefähigsten Bilder mit einer Ansprache der Fundstelle und den genauen Geokoordinaten.
3 Team Archaeoflug: Seit nunmehr 18 Jahren gehen die beiden Piloten U. Kiesow (Mitte) und M. Voselek (links) mit ihrem Motordrachen über der Pfalz in die Luft. Eher als «Bodenpersonal» bezeichnet sich dagegen R. Seidel (rechts), der die 3D-Rekonstruktionen der Denkmäler am PC erstellt und darüber hinaus für die Webseite www.archaeoflug.de verantwortlich zeichnet (Foto: Team Archaeoflug).
Geolelektrische Kartierung
Es ist so ähnlich wie Spazierengehen – nur kommt man dabei eigentlich nicht von der Stelle. Zunächst wird das Luftbild am PC entzerrt und geo referenziert. Hierbei entsteht eine georeferenzierte Senkrechtaufnahme. Diese erlaubt es, die Lage des Bo-
4 Geoelektrische Kartierung. Das Messbild der Geoelektrischen Kartierung präzisiert und ergänzt die im Luftbild erkennbaren Fundamente des Herrenhauses und ermöglicht das Erstellen lage- und maßstabsgetreuer Pläne. Diese bilden eine wesentliche Grundlage für die detaillierten Rekonstruk tionsvorschläge (Foto: Team Archaeoflug).
Projekt Archaeoflug
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5 Flugromantik. Eine tiefstehende Abendsonne ist nicht nur romantisch. Sie wirft auch sehr lange Schatten. Besonders gut werden dann schwache Erhebungen als «Schattenmerkmale» verborgener Archäologie auf dem Erdboden erkennbar (Foto: Team Archaeoflug).
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6 Rundumsicht. Den freien Blick in alle Richtungen dokumentiert diese Aufnahme des hinten sitzenden Co-Piloten. Im Helm des Piloten spiegeln sich Flügel, Co-Pilot und die hinter dem Fluggerät liegende Landschaft (Foto: Team Archaeoflug).
dendenkmals vor Ort exakt einzumessen. Im hier vorgestellten Beispiel wurde die Größe der Messfläche auf 50 m x 40 m festgelegt, so dass die wesentlichen Teile des römischen Herrenhauses darin enthalten sind. Ist der Weizen geerntet und der Acker begehbar, werden über dem Bodendenkmal 40 Bahnen von je 1 m Breite und 50 m Länge mit Maßbändern ausgelegt. Jede Bahn wird dann in Schritten von 0,5 m hin und zurück abgelaufen. Das ergibt pro Bahn 200 Schritte. Bei jedem Schritt wird mit einem Messgestell der elektrische Widerstand des Unterbodens gemessen und der Wert abgespeichert. So entstehen nach und nach 8000 Messpunkte. Am PC werden diese Messwerte in unterschiedliche Graustufenpixel umgewandelt und ergeben das lage- und maßstabgetreue Widerstandsbild der Messfläche.
(Re) Konstruktion
Wer Luftbilder für interessierte Laien adressatengerecht auf einer Website präsentiert, kann nicht auf Rekonstruktionen verzichten, da der Luftbildbefund für sich alleine keine ausreichende Aussagekraft besitzt. Den Betrachtenden fehlt das bauhistorische Wissen, um damit die räumliche Dimension des Objektes erfassen zu können. Rekonstruktionen demokratisieren das Expertenwissen und machen den Luftbildbefund auch für Laien verständlich. Über jeder Rekonstruktion schwebt aber immer auch das Damoklesschwert der Kritik. Unabhängig von
der Datenlage bleibt das Aufgehende großenteils unbekannt. Eine Rekonstruktion, unter Beachtung der Kenntnisse aus der Bauforschung, ist nur eine Hypothese von vielen, die architektonisch «funktioniert», sich aber auch mit fortschreitenden Erkenntnissen ändert. Nicht «so war es!», sondern «so könnte es gewesen sein!». Die Rekonstruktion soll die Fantasie anregen, zu Diskussion und Kritik führen und konfrontieren. In der Auseinandersetzung mit dem rekonstruierten Objekt liegt letztlich der tiefere Sinn einer Rekonstruktion.
Projekt Archaeoflug Größe des Teams:
3 Personen
Wissenschaftl. Beratung:
Dr. Andrea Zeeb-Lanz, Landesarchäologie Speyer
Hauptdisziplin:
Luftbildarchäologie, Geoelektrische Kartierung und Rekonstruktionen
Nebenaktivitäten:
Begehungen, Thermografie, Luftbildkunst, Grabungsdokumentation, UAV-Luftbildarchäologie, Hochbild und Coptertechnik
Gründungsjahr:
2000 2002 Flugtauglichkeit & Luftbildarchäologie 2003 Ehrenamtliche Mitarbeiter der Landesarchäologie
Förderinstitutionen/ Geldgeber:
Ehrenamtliche unabhängige Eigenfinanzierung, gefördert von GDKE Speyer: Flugnebenkosten
Teilnahme von Laien:
nein
Projekt Archaeoflug
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KÖLN
Schichtarbeit 10 Jahre U-Bahn-Archäologie in Köln
K
von Marcus Trier
1 (Umseitig) Ausgrabungen im römischen Rheinhafen der Colonia auf Höhe des Kurt-Hackenberg-Platzes. Unter Hilfsbrücken entstanden abschnittweise gewaltige Grabungsareale, die tief in den Untergrund reichten (Foto: Römisch-Germanisches Museum der Stadt Köln / Axel Thünker, DGPh).
2 Chlodwigplatz: Ausgrabungen im römischen Friedhof legen eine große Kalksteinmaske des 1. Jhs. n. Chr. frei, die ursprünglich ein monumentales Grabdenkmal zierte (Foto: Römisch-Germanisches Museum der Stadt Köln, Ulrich Karas).
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öln gehört zu den prosperierenden Großstädten in Deutschland, deren rasantes Wachstum mit den einschlägigen Problemen unserer Zeit verknüpft ist: dem Mangel an Wohnraum und einer überforderten Infrastruktur. Durchaus weitsichtig hatten die Verantwortlichen Anfang der 1990er Jahre den Ausbau des unterirdischen Personennahverkehrs im Visier. Geplant war eine 4000 m lange Trasse, die den Kölner Hauptbahnhof an die südliche Innenstadt und die Vororte anbinden sollte. Obwohl der U-Bahn-Tunnel im unterirdischen Schildvortrieb ausgebaut worden ist, summierten sich die Haltestellen und die technischen Bauwerke zu zehn Ausgrabungen von insgesamt mehr als 30 000 m2 Fläche. Da die archäologischen Schichtpakete stellenweise bis zu 14 m mächtig waren, belief sich der Untersuchungsbedarf auf insgesamt 150 000 m3 historisch ge-
wachsener Erde. Es war und ist der größte Eingriff, den die Kölner Archäologie bislang erfahren hat. In Köln, der einzigen Millionenstadt Deutschlands mit zwei Jahrtausenden Stadtgeschichte, sind derartige Baumaßnahmen naturgemäß mit großflächigen Eingriffen in das unterirdische Bodendenkmal verbunden. Nicht umsonst hat der Gesetzgeber bereits bei der Erstfassung der Denkmalschutzgesetze im Rheinland der Stadt Köln eine besondere hoheitliche Stellung eingeräumt. Nachdem in der Frühzeit des städtischen U-BahnBaus der 1960er bis 1980er Jahre teilweise Schneisen der Verwüstung durch den archäologischen Untergrund gefräst wurden, sollte die Baumaßnahme diesmal von langer Hand im Sinne des Denkmalschutzgesetzes geplant und umgesetzt werden. Am Anfang standen aufwändige Recherchen, bei denen die Archive des Römisch-Germanischen Museums, historische Stadtpläne, Bild- und Schriftquellen ausgewertet wurden. Ziel war es detaillierte Prognosen zum archäologischen Erwartungshorizont geben zu können. Dies nicht aus Selbstzweck, sondern mit dem Wunsch Zeitfenster und Personalbedarf für bauvorgreifende Ausgrabungen auf jeder einzelnen Untersuchungsfläche so exakt wie möglich definieren zu können. Die so entstandenen Gutachten, von der Archäologie «Pflichtenbücher» getauft, wurden Teil europaweiter Ausschreibungen. Die Grabungstätigkeit betrieben archäologische Fachfirmen unter der Aufsicht der Stadtarchäologie im Römisch-Germanischen Museum im Auftrag der Kölner Verkehrsbetriebe AG. 2003 begannen die Arbeiten, die mit unterschiedlicher Intensität bis 2013 andauerten. Am Ende waren es gewaltige Dokumentationen in analoger und digitaler Form sowie 2,5 Millionen Funde, die sich über alle Epochen der Kölner Stadtgeschichte verteilen.
Im Licht der Scheinwerfer
Doch bis dahin war es ein langer Weg! Alle Untersuchungsflächen waren im öffentlichen Straßenland positioniert. Daher mussten zunächst unzählige Leitungen und Kanäle auf vielen Kilometer Länge verlegt
3 Chlodwigplatz: Rund einen Meter unter der Platzoberfläche kamen die sehr gut erhaltenen Grundmauern eines spätmittelalterlichen Bollwerks ans Tageslicht. Das Bauwerk datiert Mitte des 15. Jhs. (Foto: Römisch-Germanisches Museum der Stadt Köln, Ulrich Karas).
Schichtarbeit
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4 Am Domhof: Die rheinseitige römische Stadtmauer hat sich in den ufernahen Aufschüttungen abschnittweise hervor ragend erhalten. Spätes 1. Jh. n. Chr. (Foto: Römisch-Germanisches Museum der Stadt Köln / Arge KölnArchäologie).
5 Alter Markt: Bergung von Wrackteilen eines großen römischen Prahms, dessen Eichenhölzer um die Mitte des 1. Jhs. n. Chr. datieren (Foto: RömischGermanisches Museum der Stadt Köln, Marcus Trier).
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werden. Im Anschluss wurden die Baugruben durch Tertiärwände gesichert, die 40 m tief in den Boden eingriffen. Waren die Baugruben randlich geschlossen, fand unter Vorgabe der Archäologie der Voraushub innerhalb der Bau- bzw. Untersuchungsfläche statt. In möglichst kurzer Zeit wurden die oberen Deckschichten bis in eine Tiefe von bis zu 3 m freigelegt und fachgerecht dokumentiert. Anschließend wurden Stahlträger – sog. Primärstützen – senkrecht in den Untergrund gebohrt und auf den Rändern der Tertiärbaugrube bzw. den Primärstützen Stahlkonstruktionen und Betonplatten aufgelegt. Über diese Hilfsbrücken rollte anschließend der Verkehr. Die Archäologie wanderte in den Untergrund. Ausgrabungen fanden fortan im Licht der Jupiterlampen statt, teilweise in Zwei-, gelegentlich sogar im Dreischichtbetrieb. Lage um Lage wurde untersucht, bis man auf den gewachsenen Boden traf. Im Bereich des römischen Rheinhafens, der unter der heutigen Kölner Altstadt liegt, wurde die Hafensohle erst bei 14 m unter heutiger Straßenfläche erreicht. In den von Grundund Rheinwasser getränkten Schichten hatten sich organische Funde fantastisch erhalten.
6 Kurt-HackenbergPlatz: Unmittelbar unter der Platzfläche liegen die Grundmauern, Keller und Latrinen ehemaliger Bauten der erzbischöflichen Immunität (Foto: RömischGermanisches Museum der Stadt Köln, Marcus Trier).
Nur die Spitze des Eisbergs Die Ausgrabungen dokumentieren die reiche Kölner Stadtgeschichte in vielen Facetten. Nur weniges kann hier benannt werden. Einzigartige Funde wurden aus dem alten Rheinhafen geborgen. In ihnen spiegelt sich beispielhaft der blühende Handel der Colonia wider, die mit allen Teilen des Imperium Romanum verbunden war. Vor allem hunderte beschrifteter Amphoren sind Zeugnis dieses Handelsnetzes, wie Wein-, Olivenöl- oder auch Fischsaucenbehälter aus den Landschaften des Mittelmeerraumes belegen. Aufsehen erregend waren auch die neuen Ergebnisse zur römischen Stadtmauer, die dank erhaltener Bauhölzer erstmals sicher in die Regierungszeit Domitians (81−96 n. Chr.) datiert werden kann. Die Liste spektakulärer Funde und Befunde ließe sich beliebig verlängern: von zahlreichen Aufschlüssen an der römischen Limesstraße, über hunderte teils außergewöhnlich gut erhaltener römischer Bestattungen, bis zu filigranen Zeugnissen des frühmittelalterlichen Händler- und Handwerkerviertels nahe dem Rhein. Exzeptionell waren die Funde einer Bergkristalle verarbeitenden Werkstatt des 12. Jhs., des ersten archäologisch nachgewiesenen Ateliers in Europa. Im Schatten der hohen Domkirche fertigten spezialisierte Steinschleifer Schmuck für lithurgisches Gerät und Buchdeckel. Erstmals konnte die Stadtbefes-
tigung des frühen 12. Jhs. dokumentiert werden, die bislang nur aus den Schrift- und Bildquellen fragmentarisch bekannt war. Mittelalterliche Stadtgeschichte wird auch in den eindrucksvollen Resten eines Bollwerks des mittleren 15. Jhs. am Chlodwigplatz greifbar. Der mächtige Turm diente der Aufstellung früher Geschütze, um Angreifer frühzeitig bestreichen zu können. Die mit gewaltigen Kosten verbundenen Festungsarbeiten, die in Köln zwischen dem 12. und 19. Jh. unternommen wurden, kosteten die Bürgerschaft der Stadt ein Vermögen.
U-Bahn-Archäologie in Köln Größe des Teams:
> 100 Archäolog*innen
beteiligte Nationen:
Archäolog*innen aus vielen europäischen Ländern (in Diensten deutscher Fachfirmen)
beteiligte Fachdisziplinen:
Archäologie, Geologie, Dendrochronologie, Paläonthologie, Archäobotanik, Archäozoologie, Numismatik, Metallurgie u. a.m.
Laufzeit der Grabung:
Voruntersuchungen 2000−2002, Ausgrabungen 2003−2013
Dauer der Kampagnen:
überwiegend ganzjährig
Förderinstitutionen/ Geldgeber:
Finanzierung auf der Grundlage des Verursacherprinzips (Mittel des Bundes, des Landes NRW und der Stadt Köln)
Teilnahme von Laien:
nein
Schichtarbeit
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TEL SHALEM
Ein prachtvoller Boden für das Imperium Tel Shalem, eine Grabung im Jordantal
von Stephanie Braun und Eckhard Deschler-Erb
1 (Umseitig) Tel Shalem (Israel). Mo saikboden des 3. Jhs. n. Chr. im Fahnenheiligtum des Kastells (Foto: Archäologisches Institut Universität zu Köln).
2 Frühling im Jordantal. Im Vordergrund das Grabungsgelände von Tel Shalem, im Mittelgrund das mittlere Jordantal und im Hintergrund die Berge von Jordanien (Foto: Archäo logisches Institut Universität zu Köln).
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D
ie antike Fundstelle von Tel Shalem befindet sich im mittleren Jordantal, ca. 11 km südlich der heutigen israelischen Stadt Bet´Shean. Der Ort war strategisch sehr klug ausgewählt. Von hier aus konnten die wichtigsten Fernstraßen der Region, die nahegelegenen antiken Metropolen von Nysa-Skythopolis (heute Bet´Shean-ISRL) und Pella (heute Tabaqat Fahl-JOR) sowie der Übergang der Jesreel-Ebene ins Jordantal bestens kontrolliert werden. Tel Shalem weist eine lange Besiedlungsgeschichte auf. Am Fuß eines bronzezeitlichen Tells fanden sich die Reste einer Siedlung aus der Zeit um Christi Geburt, mindestens zwei aufeinanderfolgende Militärlager der römischen Kaiserzeit, eine Nekropole der Spätantike sowie eine mittelalterliche (Mamlukenzeit) Gewerbesiedlung. Unsere
derzeitigen Arbeiten konzentrieren sich vor allem auf die kaiserzeitlichen Militärlager. Bereits vor Beginn der Ausgrabungen waren von der Fundstelle u. a. Fragmente einer Monumentalinschrift für Kaiser Hadrian, eine Bronzestatue des Kaisers sowie ein Bronzekopf für Kaiser Gordian III. (?) bekannt. Die Grabungen der Jahre 2017 und 2019 erbrachten vor allem im Bereich der Principia (Stabsgebäude) des jüngeren Militärlagers sensationelle Befunde. Dabei konnte im Fahnenheiligtum über den Resten eines ersten Bodens ein Mosaik des 3. Jhs. n. Chr. vollständig dokumentiert werden. Auf dem Mosaik wird inschriftlich die siebte phrygische Reiterstaffel und als Stifter deren Kommandant Q. Pomponius Sanctianus genannt. Direkt vor dem Fahnenheiligtum fanden sich zusätzlich meh-
3 Tel Shalem, Saison 2020. In den drei Flächen der Grabung zeichnen sich die Reste der mittelalterlichen Mamlu ken-Siedlung und darunter des römischen Kastells ab (Foto: Archäologisches Institut Universität zu Köln).
4 Pause auf der Grabung. Es gibt Kaffee, Hummus, Thunfischsalat und Datteln (Foto: Archäologisches Institut Universität zu Köln).
Ein prachtvoller Boden für das Imperium
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5 Tel Shalem, Saison 2020. Für die passgenaue Dokumentation ist die Drohne ein sehr geeignetes Hilfsmittel (Foto: Archäologisches Institut Universität zu Köln).
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rere Statuensockel und eine zugehörige Widmungsinschrift für die Aufstellung einer Statue des Kaisers Caracalla (spätestens 209 n. Chr. errichtet). Zusammengefasst können wir derzeit also von einem ersten Militärlager in hadrianischer Zeit und einem mehrphasigen Militärlager der siebten phrygischen Reiterstaffel aus dem 3. Jh. n. Chr. ausgehen. Die Errichtung des hadrianischen Militärlagers könnte im Zusammenhang mit dem Bar-Kochba-Aufstand (132−135 n. Chr.) stehen. Weitere Forschungen und Grabungen werden diese ersten Schlussfolgerungen zum Befund und zu den Funden mit Sicherheit noch präzisieren können.
Aus dem Grabungsalltag Eine Ausgrabung wie in Tel Shalem beinhaltet nicht nur vier Wochen aktive Arbeit vor Ort; im Voraus sind Organisations- und Kommunikationstalent gefragt. Nationenübergreifend muss geplant und vorbereitet werden: Sind alle Genehmigungen beantragt? Haben wir alles an Material eingepackt? Kommen die Geräte durch den Zoll? Wann und wie fliegen wir? Wo genau möchten wir graben? Wie steht es um die Finanzen? Und auch nach der Ausgrabung gilt es die Funde und Befunde, die vor Ort dokumentiert wurden, zu digitalisieren, aufzuarbeiten und zu publizieren. Doch das Kernstück eines jeden Forschungsprojektes ist und bleibt die Feldarbeit. Untergebracht ist das internationale Team der Ausgrabung in Tel Shalem im nahen Kibbuz Kfar Ruppin, von wo aus jeden Tag im Morgengrauen die Autoflotte Richtung Ausgrabung startet. Nach einer 20-minütigen Fahrt über holprige Pisten vorbei an Dattelhainen und Fischteichen breitet sich nach einem kurzen steilen Anstieg die Ebene des Jordantals vor aller Augen aus. Das Gras wiegt sich im Wind, die Störche schweben in großen Kreisen über die Felder und die ersten Sonnenstrahlen brechen durch die Wolken. Noch etwas müde geht es auf zum Container: Mit vollgepackten Schubkarren bahnt sich die Kolonne auf einem ausgetretenen Pfad ihren Weg zur Grabungsfläche. So wie bei einem Mosaik Steinchen für Steinchen ein Gesamtbild ergeben, so ist bei einer Ausgrabung jedes Teammitglied ein unverzichtbarer Teil des Ganzen. Hand in Hand ziehen bei dieser Grabung israelische, amerikanische, schweizerische und deutsche Kolleg*innen an einem Strang. Die Befunde werden mit Schaufel, Spitzhacke, Kelle und – in diesem äußerst seltenen Fall eines Mosaiks – tatsächlich auch mit Pinseln und Bürsten freigelegt. Jeder Arbeitsschritt und jeder Abtrag werden detailliert gezeichnet, fotografiert, beschrieben und vermessen. Funde werden direkt vor Ort im improvisierten Feld-Büro erstversorgt, registriert und dokumentiert, bevor sie nachmittags mit ins Camp genommen werden. Auf der Grabung in Tel Shalem arbeiten erfahrene Archäolog*innen, sich in Ausbildung befindende Studierende sowie interessierte Einheimische gleichermaßen motiviert. Während den Grabungsarbeiten schallen hebräische, deutsche und englische Gesprächsfetzen über die Fläche – die Archäologie verbindet Menschen grenzen- und generationenübergreifend – dieser Aspekt gewinnt noch mehr an Bedeutung, wenn der Blick den 100 m entfernten Grenzzaun zur Westbank streift.
Die Arbeiten auf der Fläche werden nur von den nicht zu verachtenden gemeinsamen Mahlzeiten unterbrochen, doch auch während dem Frühstück inmitten der Felder oder dem Mittagessen in der nahen Kibbuz-Mensa ist die Archäologie in lebendigen Diskussionen allgegenwärtig. Nachmittags kommt das Team staubbedeckt und an einigen Erkenntnissen reicher zurück ins Camp; doch noch ist an Feierabend nicht zu denken. Täglich werden gemeinsam Keramik gewaschen, Bodenproben geschlämmt sowie Funde sortiert und die Datenbank genauso wie die sozialen Kontakte gepflegt. Diese kommen trotz der vielen Arbeit nicht zu kurz; vor Ort ist das gesamte Team gut in die lokale Gemeinschaft eingebunden: sei es beim deliziösen koscheren Abendessen, einer jüdischen Hochzeit oder bei der Purimfeier im Kibbuz. In den letzten Tagen jeder Grabungskampagne nimmt die Betriebsamkeit nochmals zu: Da die Funde in Israel verbleiben, werden vor der Abreise jeder Sonderfund fotografiert, die Keramik datiert und gezählt sowie Knochen bestimmt. Die Dokumentation wird auf ihre Vollständigkeit geprüft, alles wird gescannt, kopiert und gesichert. Nach vier ereignisreichen, anstrengenden, abwechslungsreichen, schweißtreibenden und intensiven Wochen liegt es schlussendlich da: Ein Mosaik mit einem Ausmaß von fast 5 x 9 m, für dessen Anblick sich jeder Schweißtropfen gelohnt hat. Diese Momente sind es,
die so manche Nachtschicht und den einen oder anderen Muskelkater entschädigen. Am Ende jeder Kampagne heißt es: Werkzeug putzen, Funde archivieren, Material lokal einlagern, alle Grabungsschnitte sicher verfüllen und Koffer packen; es geht zurück aus dem Mikrokosmos Auslandsgrabung zurück in das alltägliche Leben. Doch wie heißt es so schön: Nach der Grabung ist vor der Grabung; die Vorfreude auf die nächste Kampagne begleitet uns nach Hause.
6 Tel Shalem, Saison 2020. Mit vereinten Kräften lassen sich die Spuren der Vergangenheit dem Boden entreißen. (Foto: Archäo logisches Institut Universität zu Köln).
Das Grabungsprojekt in Tel Shalem im Jordantal Größe des Teams:
16−20 Grabungsmitarbeiter*innen
beteiligte Nationen:
Deutschland, Schweiz, Israel und USA
Beteiligte Institutionen:
Archäologisches Institut der Universität zu Köln-D (Eckhard Deschler-Erb und Michael Heinzelmann), Hebrew University Jerusalem-ISRL (Benjamin Arubas), Israel Museum JerusalemISRL (David Mevorah), Integrative und Prähistorische Archäologie (IPNA) der Universität Basel-CH (Sabine Deschler-Erb), Macalester College in St. Paul, Mi-USA (Andrew Overman)
beteiligte Fachdisziplinen:
Archäologie, Archäozoologie, Archäobotanik und Archäometrie
Laufzeit der Grabung:
2008 und 2013 Geophysik, 2017 und 2019−2021 Grabungen
Dauer der Kampagnen:
jeweils 4 Wochen (Grabungen)
Förderinstitutionen/ Geldgeber:
Gerda Henkel Stiftung (Förderperiode 2019−2021)
Teilnahme von Laien:
nein
Ein prachtvoller Boden für das Imperium
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DOLICHE
Antikem Stadtleben auf der Spur Die Ausgrabungen in Doliche
von Michael Blömer und Engelbert Winter
1 (Umseitig) Reinigung des Mosaikbodens im Mittelschiff einer Basilika aus dem 4. Jh. n. Chr. im Stadtgebiet von Doliche (Foto: Forschungsstelle Asia Minor).
2 Bearbeitung von Fragmenten der Dekoration des römischen Bades im Depot des Grabungshauses (Foto: Peter Jülich).
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S
eit über 20 Jahren untersucht die Forschungsstelle Asia Minor (Universität Münster) die kulturellen Hinterlassenschaften der antiken Stadt Doliche – bekannt als Heimat des Iuppiter Dolichenus, der im 2. und 3. Jh. n. Chr. zu den prominentesten Gottheiten im Römischen Reich zählte. Die Stadt liegt ca. 40 km westlich des Euphrats und ca. 50 km nördlich der türkisch-syrischen Grenze am Stadtrand der südostanatolischen Metropole Gaziantep. Nachdem zunächst das außerhalb der Stadt gelegene Heiligtum des Iuppiter Dolichenus erforscht wurde, konzentrieren sich die Arbeiten seit 2015 auf die antike Siedlung selbst. Ziel ist es, ein hochauflösendes Bild einer Stadt des antiken Nordsyriens sowie der Lebenswelt ihrer Bewohner zu gewinnen. Aktuell stehen eine frühchristliche Basilika, eine öffentliche Badeanlage der Kaiserzeit
sowie das städtische Archiv im Zentrum des Interesses. Parallel wird ein Survey des gesamten Stadtgebietes durchgeführt.
Forschen im unbekannten Südosten der Türkei
Doliche liegt abseits der beliebten Touristenziele in einer Gegend, die wenig bekannt ist, obwohl sie zahlreiche Attraktionen bietet. Nach Norden schließen sich das Vorgebirge des Taurus-Massivs mit den eindrucksvollen Monumenten der kommagenischen Könige an. Im Osten fließt der Euphrat durch malerische Schluchten. Im Süden liegt nicht weit entfernt Antakya, die antike Metropole Antiochia, und das Delta des Orontes mit der Hafenstadt Seleukeia. Auch die Stadt Gaziantep selbst hat mit ihrer lebhaften Altstadt und zahlreichen Museen viel zu bieten. Das antike Do-
liche liegt 10 km nördlich des modernen Stadtzentrums auf einem Hügel, der heute landwirtschaftlich genutzt wird. Im Bereich der benachbarten römischen Felsnekropole erstreckt sich das einstmals malerische Dorf Dülük, das inzwischen in der Großstadt Gaziantep aufgegangen ist: Statt Pistazienhainen und Gemüsefeldern umschließen seit einigen Jahren Industriegebiete das Dorf und die antike Stadt. In Sichtweite der antiken Stadt steht das 2015 errichtete, vierstöckige Grabungshaus. Im Erdgeschoss sind Arbeitsräume, eine Restaurierungswerkstatt und ein großes Depot untergebracht. Angeschlossen ist ein Garten, in dem während der Kampagnen im Freien gearbeitet werden kann, aber auch Obst und Gemüse angebaut wird. Während der Sommermonate leben gleichzeitig bis zu 31 Personen im Haus. Die Schlafräume – Einzel-, Doppel- und Vierbettzimmer –, Duschen, Toiletten sowie die Küche und das Esszimmer sind über drei Stockwerke verteilt. Zudem gibt es eine weitläufige Dachterrasse mit herrlichem Blick auf die Umgebung. Sie ist vor allem abends beliebter Treffpunkt, wenn ein kühler Wind weht, der die Hitze des Tages vertreibt.
Der Arbeitsalltag Um 5:25 Uhr klingelt der Wecker für diejenigen, die das Frühstück vorbereiten: Tomaten, Gurken, Oliven und diverse Schafskäse, Marmelade und Schokocreme, Fladenbrot, Filterkaffee und Tee. Ab 6:10 Uhr wird gefrühstückt. Eine halbe Stunde später beginnt die kurze Fahrt ins antike Stadtgebiet, um 7 Uhr starten die Arbeiten. Ein Surveyteam geht feldweise das Stadtgebiet ab, um über die variierende Konzentration von Funden an der Oberfläche Rückschlüsse auf Natur und Intensität der Nutzung einzelner Areale im Stadtgebiet zu ziehen. Gleichzeitig wird in zwei zentralen Bereichen der antiken Stadt gegraben. Am Südhang des Stadthügels wird eine Basilika des 4. Jhs. n. Chr. mit prächtigen Mosaiken freigelegt, auf einem Plateau im Osten eine Badeanlage der römischen Kaiserzeit. Für die Grabungsarbeiten sind bis zu 24 lokale Arbeitskräfte eingestellt, die gemeinsam mit den Archäolog*innen die Befunde freilegen. Deren minutiöse Dokumentation steht im Mittelpunkt. Dabei gewinnen diverse digitale Methoden zunehmend an Bedeutung, können aber die sorgfältige Autopsie und Beschreibung durch Experten und auch Handzeichnungen noch nicht vollständig ersetzen. Antikem Stadtleben auf der Spur
3 Grabungen im Bereich einer kaiserzeitlichen Badeanlage. Im Hintergrund der Dülük Baba Tepesi, auf dessen Gipfel das Heiligtum des Iuppiter Dolichenus liegt (Foto: Forschungsstelle Asia Minor).
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4 Die Dokumentation der Ergebnisse steht im Zentrum jeder Grabungskampagne (Foto: Peter Jülich).
5 Im Mittelschiff der frühchristlichen Basilika wird der Mosaikboden vorsichtig freigelegt (Foto: Peter Jülich).
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Beschäftigt sind in der Grabung nicht nur Archäo log*innen. Architekt*innen kümmern sich um die fachgerechte Aufnahme der antiken Bebauung, Restau rator*innen schützen sie vor den Einflüssen der Witterung. Zudem ist eine Gruppe von Geophysikern damit beschäftigt, durch den Einsatz von Georadar und Geoelektrik Hinweise auf die Bebauung im Stadtgebiet zu gewinnen. Um 12 Uhr beginnt die Mittagspause. Zu den Annehmlichkeiten der Arbeit am Rande einer Großstadt zählt, dass mittags ein Catering-Service schmackhaftes Essen zu den einzelnen Arbeitsbereichen ausliefert. Gaziantep ist in der Türkei, aber auch darüber hinaus als kulinarisches Zentrum bekannt. Dies gilt vor allem für die Süßspeisen: Das beste Baklava der Türkei stammt von hier, was nicht zuletzt an der hohen Qualität der lokal angebauten Pistazien liegt. Am Nachmittag endet die Feldarbeit um 16 Uhr. Dann werden sämtliche Funde ins Grabungshaus überführt. Ihre Bearbeitung steht im Zentrum jeder Kampagne und bindet die meisten Ressourcen. Mehrere 1000 Objekte, von Keramikscherben bis zu vollständigen Kapitellen, werden pro Jahr in der Projektdatenbank registriert und anschließend gezeichnet, fotografiert und restauriert. Zudem untersuchen Archäobotaniker Bodenproben, Archäozoolog*innen und Anthropolog*innen Knochen, um Hinweise auf die antike Umwelt und die Lebensbedingungen der Menschen zu gewinnen. Am Ende der Grabung, wenn die Funde an das Museum Gaziantep übergeben werden, müssen alle Informationen, die für die weitere wissenschaftliche Auswertung benötigt werden, vorliegen. Am frühen Abend versammelt sich das gesamte Team regelmäßig, um gemeinsam den Stand der Arbeiten, aber auch allgemeine Fragen und Probleme zu besprechen. Verkehrssprache ist seit einigen Jahren Englisch. Das trägt dem Umstand Rechnung, dass inzwischen ein Großteil des Teams nicht mehr aus Deutschland stammt. Die Doliche-Grabung versteht sich als internationales Projekt, das in enger Kooperation mit dem türkischen Antikendienst das antike Erbe der Region erforscht. Um 19:30 Uhr wird gemeinsam das im Haus zubereitete Abendessen eingenommen. Damit endet in der Regel der Arbeitstag. Nur freitags stehen noch Abendvorträge auf dem Programm, in denen Spezialisten Ergebnisse ihrer Forschungen vorstellen. Ruhiger sind die Wochenenden. Samstags ist bereits mittags Arbeitsschluss, so dass genügend Zeit bleibt, ins Zentrum von Gaziantep zu fahren, wo nicht nur das kulturelle Angebot, sondern auch ein lebhafter Bazar, gute
Restaurants und verschiedene Shopping Malls locken. Die Mitarbeit im Doliche-Projekt bietet somit nicht nur die Möglichkeit, in einem spannenden archäologischen Projekt mitzuarbeiten, sondern auch die Türkei jenseits der typischen Urlaubsgebiete kennenzulernen.
6 Die Funde werden in der Werkstatt des Grabungshauses restauriert (Foto: Peter Jülich).
Das Grabungsprojekt in Doliche Größe des Teams:
60 Grabungsmitarbeiter*innen
beteiligte Nationen:
Türkei, Deutschland, Dänemark, Niederlande, Italien und England
beteiligte Fachdisziplinen:
Archäologie, Alte Geschichte, Historische Bauforschung, Geophysik, Geoinformatik, Restaurierungswissenschaften, Geodäsie, Archäometrie, Anthropologie, Archäobotanik und Archäozoologie
Laufzeit der Grabung:
seit 1997
Dauer der Kampagnen:
8−10 Wochen
Förderinstitutionen/ Geldgeber:
Deutsche Forschungsgemeinschaft, Gerda Henkel Stiftung, Fritz-Thyssen-Stiftung, Historisch-Archäologischer Freundeskreis Münster e.V.
Teilnahme von Laien:
nein
Antikem Stadtleben auf der Spur
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LA MUÑA
Entdeckungen zur Nasca-Kultur im Süden Perus Die Fürstengräber von La Muña
U
von Markus Reindel
1 (Umseitig) Blick über den Grabungsplatz La Muña, der am Talrand der Flussoase des Rio Grande, in der Küstenwüste von Südperu liegt (Foto: Markus Reindel).
2 Blick auf den Arbeitsplatz der Restauratorin, wo die vielen zerbrochenen Keramikgefäße aus den Gräbern von La Muña wieder zusammengesetzt wurden (Foto: Markus Reindel).
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m in die tiefe Grube hinabzusteigen, hatten die Arbeiter zwei lange Holzleitern gebaut. Die eine reichte vom Rand der inzwischen fast 7 m tiefen Grube auf einen Absatz, der den oberen Rand der Grabkammer markierte. Dort ragten die Reste von dicken Balken des Hartholzbaumes Huarango in das freigelegte Innere der etwa quadratischen, aus luftgetrockneten Lehmziegeln gemauerten Kammer. Ehemals dienten die Balken als Teil der Dachkonstruktion, über der nach der Grablegung der gesamte ausgehobene Schacht wieder verfüllt worden war. Unten in der Grabkammer arbeiteten mehrere peruanische Grabungshelfer und Kollegen unseres Archäologen-Teams. Es konnte nicht mehr weit sein bis zum Boden der Grabkammer, die mit trockenem
Schutt verfüllt war. Darin fanden sich immer wieder Reste von Holz oder sogar Keramikfragmente. Wir waren nicht die Ersten, die in die Grabkammer eindrangen. Sie war schon einmal geplündert worden. Die Grabräuber hatten ganz gezielt einen tiefen Schacht in Richtung der Grabkammer in die Tiefe getrieben. Große Teile der Grabarchitektur auf Geländeniveau sowie zahlreiche Objekte, die im Zusammenhang mit den Grabritualen niedergelegt worden waren, konnten wir jedoch noch unversehrt bergen. Diese Funde und Befunde waren für uns unendlich wichtig, hatte man doch bis dahin noch nie so große Gräber der NascaKultur wissenschaftlich dokumentiert. Diese Fürstengräber von La Muña waren für uns der eindeutige Beleg und die Bestätigung für unsere bei vielen anderen
3 Blick auf die Nekropole von La Muña. In der Bildmitte sind die Umfassungsmauern von zwei Fürstengräbern zu sehen, links die Spuren von Plünderungen einfacher Gräber (Foto: Markus Reindel).
4 Während der Regenzeit mussten wir eine wackelige Hängebrücke über den Río Grande benutzen, um an den Grabungsort La Muña zu gelangen (Foto: Markus Reindel).
Entdeckungen zur Nasca-Kultur im Süden Perus
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Forschungen erarbeiteten These, dass die Nasca-Kultur, entgegen früherer Annahmen, viel komplexer war und über eine sehr differenzierte Sozialstruktur verfügte. Hier mussten Angehörige der Elite der NascaKultur in der mittleren Nasca-Zeit, also etwa zwischen 300 und 450 n. Chr., bestattet worden sein. Vielleicht waren es aber auch Priester, deren Aufgabe es war, die riesigen Geoglyphen auf den Hochflächen der Umgebung anzulegen. Nach unseren Geländeuntersuchungen mussten in der Nekropole von La Muña zwölf große Grabanlagen existiert haben. Sechs davon haben wir ausgegraben. Als wir die erste dieser Grabanlagen freizulegen begannen, ahnten wir zwar schon, was auf uns zukommen würde. Letztendlich konnten wir aber nicht absehen, wie viel Material wir bis zum Ende der Grabung zu bewegen hatten. Einem unserer deutschen Mitarbeiter wurde es mulmig bei dem Gedanken, ein Fürstengrab freizulegen. Wenige Jahre zuvor hatten wir miterlebt, wie im Norden Perus das Fürstengrab von Sipán entdeckt worden war, was zu einem unendlichen Presserummel, Auseinandersetzungen in der Bevölkerung und sogar zu Toten geführt hatte. In solche Probleme wollte der deutsche Kollege nicht verwickelt werden und bat mich, ihn an einem anderen Ort einzusetzen. Aber auch unseren peruanischen Mitarbeitern war diese Art von Arbeit
5 Mit einer Spende von der Theodor-Wiegand-Gesellschaft konnten wir Arbeitsräume bauen, in denen unsere Funde gelagert und analysiert werden (Foto: Markus Reindel).
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nicht geheuer. Von den Erzählungen der Grabräuber wussten sie, dass böse Geister in den Gräbern der Vorfahren hausten und dass die Plünderer durch deren Fluch Schaden erlitten. Diese bösen Geister ließen sich durch geeignete Zeremonien mit Coca-Blättern, Schnaps und Zigaretten abwehren. So kam es, dass wir vor der Fortführung der Grabung erst einmal die entsprechenden Utensilien besorgten, damit die Arbeiter die Zeremonie durchführen konnten. Unsere Archäologen und Grabungsarbeiter müssen mich und meinen peruanischen Kollegen und Ko-Direktor des Forschungsprojektes, Johny Isla, verflucht haben, als wir an jenem Tag in die fast fertig freigelegte Grabkammer hinabstiegen. Nach wochenlanger Arbeit war Stück für Stück der tiefe Schacht und schließlich die Grabkammer von der Füllung befreit worden. Die Hitze war unglaublich drückend. Die Temperaturen stiegen im September bis auf 40 °C an. War die Hitze im freien Gelände durch die gelegentlichen frischen Brisen noch erträglich, regte sich unten im Schacht kaum ein Lüftchen. Immerhin befanden wir uns in einer der trockensten Wüsten der Welt, zwar wenige hundert Meter von dem bewässerten Talboden der Flussaue entfernt, aber doch in der Wüste. Neben der großen Hitze war es vor allem die intensive Sonnenstrahlung, die äußerst anstrengend und ermüdend war.
Wir versuchten möglichst früh am Grabungsplatz zu sein, um die kühlen Stunden des Tages zu nutzen. Dazu mussten wir um 5 Uhr aufstehen, um 6 Uhr fuhren wir mit unseren Pickups los, sammelten im Dorf unsere Arbeiter auf und holperten über die Feldwege bis zum Río Grande-Fluss. Dieser war in der Trockenzeit ein eher kleiner Bach, wurde aber in der Regenzeit zu einem reißenden Strom. Eine Brücke gab es nicht. In der Trockenzeit wateten wir durch den Fluss. Bei Hochwasser balancierten wir mit der gesamten Grabungsausrüstung über ein Bewässerungsrohr, das mit einer Seilkonstruktion über eine Engstelle des Flusses gelegt worden war. Auf der anderen Seite des Flusses folgte ein längerer Fußmarsch entlang des Talrandes und über ausgedehnte geplünderte Gräberfelder, bis wir gegen 7 Uhr in der Nekropole von La Muña ankamen. Dort arbeiteten wir bis um 13 Uhr mittags. Dann wurde die Hitze so groß, dass wir es vorzogen, die Feldarbeit zu beenden und in unsere Grabungs unterkunft zurückzukehren. Schließlich mussten nach dem Essen und der wohlverdienten Siesta, nachmittags und bis spät abends noch die Grabungsdokumentation aufgearbeitet und die Funde versorgt werden. Untergebracht waren wir in dem einfachen, aber sehr schönen Haus von Don Oscar, dem Sohn einer der drei ehemaligen Großgrundbesitzer der Region, die bei der Landreform 1969 enteignet worden waren. Als einziges von zwölf Kindern war Don Oscar nach längerem Exil in Venezuela nach Palpa zurückgekehrt und hatte sich ein viel zu großes Haus gebaut, in dem er alleine lebte. Er war sehr an Archäologie interessiert und hatte uns sogar einen wertvollen Hinweis für spätere Ausgrabungen gegeben. Auf seine Einladung hin konnten wir in seinem Anwesen wohnen und arbeiten. Als Gegenleistung renovierten wir von Jahr zu Jahr seine reichlich heruntergekommenen Gebäude. Als ich mit Johny Isla an jenem Tag in den 7 m tiefen Grabungsschacht hinabstieg, inspizierten wir fast beiläufig den Abraum, der über eine Eimerkette an die Oberfläche transportiert wurde. Dabei entdeckten wir kleine Perlen aus Gold, Kupfer, Türkis und Muscheln, die von den Ausgräbern in ihrem Eifer und ihrer Erwartung, endlich zum Boden der Grabkammer zu gelangen, übersehen worden waren. Wir wiesen das Team an, den gesamten Abraum noch einmal durchzusieben, was nicht nur zu erheblichen Unmutsäußerungen führte, sondern auch zu zahlreichen weiteren Funden von Schmuckstücken. Dies war allerdings nur der Anfang dessen, was dann schließlich gefunden wurde, als wir tatsächlich wenig später auf den Boden der Grabkammer gelangten: zahlreiche Goldobjekte,
Keramikgefäße bester Qualität, Spondylusmuscheln mit Götterdarstellungen und vieles mehr, alles Objekte, die die Grabräuber bei der ersten Plünderung des Grabes zurückgelassen hatten. Wie reich muss das Grab ursprünglich einmal gewesen sein! Die erste Plünderung muss übrigens am 31. August 1939 erfolgt sein, wie die Ecke einer Zeitungsseite mit Datum verriet, die wir beim Ausräumen der Grabkammer fanden. Also einen Tag vor Ausbruch des zweiten Weltkriegs im fernen Europa.
6 Spezialisten untersuchen menschliche Skelettreste im Grabungshaus in Palpa (Foto: Markus Reindel).
Das Grabungsprojekt in La Muña im Süden Perus Größe des Teams:
Das Projekt wurde von Markus Reindel und seinem peruanischen Kollegen Johny Isla geleitet. An den Ausgrabungen waren zwei weitere deutsche und zwei peruanische Archäologen beteiligt. Außerdem Studierende aus Deutschland, der Schweiz und Peru, sowie Spezialisten, die zum Beispiel die menschlichen Reste untersuchten. 12 lokale Hilfskräfte wurden für die Grabungsarbeiten angestellt. Insgesamt arbeiteten an dem Projekt etwa 30 Personen.
beteiligte Nationen:
Deutschland, Schweiz und Peru
beteiligte Fachdisziplinen:
Archäologie/Altamerikanistik, Physische Anthropologie, Paläogenetik, Geologie (Isotopenanalysen) und Geomatik (Fotogrammetrie, Laserscanning, GIS)
Laufzeit der Grabung:
1997 bis 2001, mit anschließenden Analysen und Restaurierungsarbeiten bis heute
Dauer der Kampagnen:
3 Monate, August bis Oktober
Förderinstitutionen/ Geldgeber:
Deutsches Archäologisches Institut (DAI), SchweizerischLiechtensteinische Stiftung für Archäologische Forschungen im Ausland (SLSA), Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und Theodor Wiegand Gesellschaft (TWG)
Teilnahme von Laien:
nein
Entdeckungen zur Nasca-Kultur im Süden Perus
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