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German Pages 415 [416] Year 2023
Jenny Baumann Ideologie und Pragmatik
Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte Herausgegeben vom Institut für Zeitgeschichte Band 142
Jenny Baumann
Ideologie und Pragmatik Die DDR und Spanien 1973—1990
Die vorliegende Arbeit wurde im Oktober 2020 unter dem Titel „Feindschaft und Freundschaft im Kalten Krieg. Die DDR und Spanien 1973–1990“ als Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades an der Philosophischen Fakultät I der Humboldt-Universität zu Berlin unter der Dekanin Prof. Dr. Gabriele Metzler eingereicht und am 3. März 2021 verteidigt. Erstgutachterin war Prof. Dr. Birgit Aschmann, Zweitgutachter Prof. Dr. Hermann Wentker.
ISBN 978-3-11-114121-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-114257-9 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-114358-3 ISSN 0481-3545 Library of Congress Control Number: 2023940859 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Titelbild: Gerhard Korth, 1977–1978 Botschafter der DDR in Spanien, beim privaten Stierkampf. © Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes / Signatur: PA AA, Nl 152, Gerhard Korth, Nr. 26. Satz: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH, Wustermark Druck und Bindung: Beltz Bad Langensalza GmH www.degruyter.com
Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.
IX
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1. Vergessene Beziehungsgeschichte: Spanien und das „andere Deutschland“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
2. Fragestellungen, methodische Zugriffe und Struktur . . . . . . . . . . . .
3
3. Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
4. Quellenlage und Archive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und FrancoSpanien bis 1975 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
1. Vorgeschichte: Die Unmöglichkeit offizieller Beziehungen bis 1973 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
1.1
Die historische Unmöglichkeit offizieller Beziehungen: Rezeption und Erbe des spanischen Bürgerkriegs in der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
Die ideologische Unmöglichkeit offizieller Beziehungen: Ostdeutscher Antifaschismus und spanischer Antikommunismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
Die politische Unmöglichkeit offizieller Beziehungen: Die Referenzmächte Sowjetunion und Bundesrepublik . . . . . . . .
41
2. Sporadische Kontakte bis 1973 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
1.2
1.3
2.1
Frühe Handelskontakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
2.2
Frühe Kulturkontakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
3. Auf dem Weg zum Tabubruch: Die DDR und Spanien im internationalen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
3.1
Die internationale Emanzipation Franco-Spaniens . . . . . . . .
59
3.2
Die internationale Anerkennung der DDR . . . . . . . . . . . . . . . .
68
4. Tabubruch: Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen 1973 . . .
77
4.1
Verhandlungen in Warschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
4.2
Motive, Interessen und offizieller Diskurs des SEDRegimes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
4.3
Antifaschismus auf dem Prüfstand: Kritik in der DDR . . . . .
99
4.4
„Bruderzwist“: Protest des PCE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
108
VI
Inhalt
4.5
Motive, Interessen und offizieller Diskurs des FrancoRegimes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
113
4.6
Antikommunismus auf dem Prüfstand: Kritik in Spanien . .
120
4.7
Reaktion der Bundesrepublik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
126
5. Die Botschaften in Madrid und Ost-Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
130
5.1
Die Botschaft der DDR in Madrid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
130
5.2
Die spanische Botschaft in Ost-Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
153
6. Staatliche, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen ab 1973 . . .
163
7. Die Unterbrechung diplomatischer Beziehungen 1975–1977 . . . . .
174
8. Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
185
III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982) . . . . .
187
1. Ostdeutsche Eile und spanische Zurückhaltung: Die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen 1977 . . . . . . . . . . . . . . . . . .
188
2. Neue Optionen? Die Interessen der DDR im spanischen Demokratisierungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
196
3. Internationale Selbstverortung: Spanische Außenpolitik in der Transición . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
204
4. Das politische Engagement der DDR in der Transición . . . . . . . . .
217
4.1
Die DDR und die spanische Monarchie unter Juan Carlos und den Regierungen der Unión de Centro Democrático . .
219
4.2
Die DDR und der PCE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
226
4.3
Die DDR und der aufstrebende PSOE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
246
5. Der Beginn institutionalisierter Kultur- und Wirtschaftsbeziehungen in der Transición . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
271
5.1
Kulturbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
272
5.2
Wirtschafts- und Handelsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
285
6. Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
291
IV. Sozialisten unter sich? Die DDR und die junge spanische Demokratie (1982–1990) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
295
1. Optimismus und persönliche Begegnungen: Die DDR und Spanien 1982 bis 1986 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
301
1.1 1.2
Die Außenpolitik Fernando Moráns als „sozialistische Alternative“ zugunsten der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
301
Die Besuche Carvajals, Sindermanns und Kracks 1983 und 1984 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
305
Inhalt
1.3
VII
Die vergebliche Einladung Juan Carlos’ und der Spanienbesuch Fischers 1984 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
317
2. Kultur- und Wirtschaftsbeziehungen in den 80er Jahren . . . . . . . .
321
2.1
Kulturbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
321
2.2
Wirtschafts- und Handelsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
328
3. Dialog und Entfremdung: Die DDR und Spanien 1986 bis 1990 . .
335
3.1
Der außenpolitische Pragmatismus Fernández Ordóñez’ . . .
336
3.2
Die Spanienbesuche Axens und Honeckers 1987 und 1988 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
344
Friedliche Revolution, deutsche Einheit und das Ende der Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
355
4. Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
364
V. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
367
Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
381
Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
385
Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
403
3.3
Vorwort ‚Caminante no hay camino se hace camino al andar.‘ Golpe a golpe, verso a verso.
Die Zeile aus der Feder des 1939 im französischen Exil verstorbenen republikanischen Dichters Antonio Machado (Proverbios y cantares / Campos de Castilla, 1912), die der katalanische Liedermacher Joan Manuel Serrat 1969 ergänzte, war stete schöpferische Ermutigung bei der Arbeit am vorliegenden Buch. Es ist die geringfügig überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die in den Jahren 2017 bis 2021 an der Humboldt-Universität zu Berlin entstanden ist. Ihre Verwirklichung verdanke ich der Unterstützung zahlreicher Menschen. Mein größter Dank gilt Birgit Aschmann für ihre kompetente, kluge und engagierte Betreuung sowie die gemeinsame Freundschaft zu Spanien. Hermann Wentker danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens und seine sachkundige und verlässliche Begleitung des Projekts. Beide Betreuenden haben Inhalt und Struktur der Arbeit ganz wesentlich mitgeprägt. Dem Institut für Zeitgeschichte MünchenBerlin verdanke ich die Aufnahme des Buchs in die Reihe „Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte“, innerhalb derer Günther Opitz die Veröffentlichung begleitet hat. Stipendien der Studienstiftung des deutschen Volkes und der Stiftung Bildung und Wissenschaft haben das Dissertationsprojekt erst ermöglicht, weshalb ich beiden Förderern zu großem Dank verpflichtet bin. Für ihre akademische Unterstützung danke ich insbesondere Carlos Sanz (Universität Complutense Madrid), Xavier María Ramos Diez-Astrain (Universität Valladolid) und Enrico Seewald (Forschungsverbund SED-Staat, Freie Universität Berlin). Darüber hinaus wären Recherche und Erschließung der Quellen ohne die Expertise vieler hilfsbereiter Archiv- und Bibliotheksmitarbeiter:innen in Deutschland und Spanien nicht möglich gewesen. Mein großer Dank gilt stellvertretend Pilar Sánchez Millas vom Archivo de Francisco Fernández Ordóñez in Madrid. Das Instituto Cervantes in Berlin ermöglichte mir den Zugang zur unerschlossenen Zeitungsausschnittsammlung des ehemaligen Instituts für internationale Politik und Wirtschaft der DDR, wofür ich Cristina Conde de Beroldingen Geyr und Jordi Carrascosa danke. Ganz besonders dankbar bin ich außerdem den Zeitzeugen und ehemaligen Diplomaten Otto Pfeiffer (Berlin), Alonso Álvarez de Toledo und Antonio Ortiz García sowie Enrique Gimbernat (alle Madrid). Sie haben außerordentliches Interesse an meiner Arbeit gezeigt, persönliche Manuskripte und Dokumente zur Verfügung gestellt, waren stets gesprächsbereit und beantworteten Nachfragen ausgesprochen zügig und sorgfältig – herzlichen Dank dafür, muchísimas gracias. Nicht zuletzt haben zahlreiche Kolleg:innen und Freund:innen durch Austausch, Aufmerksamkeit und kluge Impulse zum Gelingen meiner Dissertation beigetragen – dankend nennen möchte ich insbesondere Philipp Meller, Britt Schlünz, Udo Rohe und Javier Díaz Rico. Daneben gilt ein großer Dank den weiteren Korrekturleser:innen Claire Müller, Lisa Kirjalainen und Jost Eickmeyer. Meinen Eltern danke ich für ihre stete Unterstützung meiner akademischen Ausbildung und Samu dafür, dass er die wun-
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Vorwort
derbare Verbindung Berlin–Madrid um das nicht weniger wunderbare Helsinki erweitert hat. Als praktische Hinweise seien folgende genannt: Sofern nicht anders vermerkt, wurden alle spanischen Zitate von der Autorin selbst übersetzt. Die Arbeit verwendet mehrheitlich das generische Maskulinum, da Funktions-, Handlungs- und Entscheidungstragende der dargestellten Beziehungen beinahe ausschließlich Männer waren. An Stellen, wo von Akteurinnen ausgegangen werden kann, ohne dass diese en persona bekannt wären, ist dies sprachlich markiert. Im Personenregister wurde darauf verzichtet, „Franco-Spanien“, „Franco-Regime“, „Franco-Regierung“ und „Franco-Diktatur“ als Personeneinträge zu verzeichnen. Berlin, Mai 2023
Jenny Baumann
I. Einleitung 1. Vergessene Beziehungsgeschichte: Spanien und das „andere Deutschland“ Am 4. Mai 1973 betrat mit Otto Pfeiffer erstmals ein diplomatischer Vertreter der DDR das spanische Außenministerium (MAE):1 Als „zeitweiliger Geschäftsträger“ 2 der Botschaft der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) in Spanien war er zum Antrittsbesuch in den Palacio de Santa Cruz unweit der Plaza Mayor in Madrid geladen worden. Tags zuvor hatte ihn der spanische Protokollchef, Emilio Pan de Soraluce y Olmos, persönlich am Madrider Flughafen Barajas in Empfang genommen, von Pfeiffer als nicht selbstverständliche, „freundliche Geste“ wahrgenommen.3 Im Außenministerium versicherte ihm der Leiter der Presseabteilung, José Vicente Torrente Secorun, zuversichtlich, dass er es in Spanien leicht haben werde und verwies in vermeintlich unverfänglichem nostalgischem Small Talk auf die „fähigsten Königshäuser“, die Deutschland Spanien im Lauf der Geschichte „beschert“ habe.4 Ein gelungener, vielversprechender Auftakt der Beziehungen, so scheint es, nach den Regeln des diplomatischen Protokolls. Doch führt man sich vor Augen, welche Partner hier zusammenkamen, wird die Brisanz der Begegnung deutlich: Ein knappes halbes Jahr zuvor war in Ost-Berlin der Grundlagenvertrag zwischen den beiden deutschen Staaten unterzeichnet worden und die kommunistische Diktatur in Ostdeutschland damit auf dem Weg zur vollen internationalen Anerkennung. In Spanien herrschte wie ein „Relikt[…] aus faschistischen Zeiten“ 5 nach wie vor Francisco Franco, der siegreiche Generalissimus des spanischen Bürgerkriegs, bis zu dessen Tod als letzter Diktator Westeuropas weitere zweieinhalb Jahre vergehen sollten. Vier Monate, bevor Pfeiffer in Madrid eintraf, am 11. Januar 1973, hatten die beiden Diktaturen diplomatische Beziehungen aufgenommen. Die DDR war das einzige sozialistische Land in Europa, das Botschafter mit Franco-Spanien austauschte, und der ideologische Tabubruch damit perfekt. Beide Seiten beeilten sich daher, das Skandalon herunterzuspielen: Hermann Axen, Sekretär des Zentralkomitees (ZK) der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) für internationale Beziehungen und seit Ende der 1960er Jahre „Architekt der DDR-Außenpolitik“,6 ge-
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Ministerio de Asuntos Exteriores. Im Folgenden in der spanischen Abkürzung MAE. MfAA, Direktive des Außenministers Otto Winzer zur Eröffnung der Botschaft der DDR in Spanien, 30. 3. 1973, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 56–59, hier: Bl. 59. Pfeiffer, Erinnerungen. Ebenda. Gemeint waren die Habsburger. Müller/Schriffl/Skordos, Einleitung, S. 12; vgl. auch Aschmann, Treue Freunde, S. 443. Axen, Hermann, in: Müller-Ensberg u. a. (Hrsg.), Wer war wer: https://www.bundesstiftungaufarbeitung.de/de/recherche/kataloge-datenbanken/biographische-datenbanken/hermannaxen. Letzter Zugriff am 01. 10. 2022.
2
I. Einleitung
stand den Genossinnen und Genossen des Freien Deutschen Gewerkschaftsbunds (FDGB) in Kleinmachnow im Februar 1973 zu, dass ihr „Hass auf [das] faschistische[…] Regime in Spanien zwar verständlich und gesund“ sei, mahnte aber, dass er nicht „den Blick auf die Gesamtentwicklung vernebeln“ dürfe.7 Und das spanische Außenministerium unter Gregorio López Bravo bediente sich einer Sprachregelung, die den Antikommunismus, nach wie vor ideologisch-integrative Säule des Regimes,8 nicht verraten und die Ultras der extremen Rechten beschwichtigen sollte. So stellte José Vicente Torrente Secorun gegenüber Pfeiffer fest: „Señor Pfeiffer, wir haben doch nicht die Beziehungen zu einem kommunistischen Staat aufgenommen, sondern zu einem deutschen Staat.“ 9 Dieses sprachliche Leugnen der deutschen Teilungsrealität kalkulierte die in Spanien weit verbreitete Kenntnislosigkeit bezüglich Existenz und politischem Charakter der beiden deutschen Staaten ein.10 Dementsprechend positiv überrascht war die kleine ostdeutsche Delegation um Otto Pfeiffer über den persönlichen Empfang durch den ranghohen spanischen Protokollchef.11 Der bundesdeutsche Botschafter in Madrid, Hermann Meyer-Lindenberg, telegrafierte dagegen mit einigem Erstaunen nach Bonn, dass dies „Zufall“ gewesen sein müsse, habe Emilio Pan de Soraluce y Olmos ihm doch zuvor anderes versichert.12 Die Szenen aus den ersten beiden Tagen Pfeiffers in Madrid deuten die Widersprüche, Ambivalenzen und Konflikte an, welche die Beziehungen zwischen der DDR und Spanien von Beginn an bargen. Wenig überraschend ließ der erste Bruch denn auch nicht lange auf sich warten und die DDR brach im Herbst 1975 aus Protest gegen die letzten fünf Todesurteile des Franco-Regimes die diplomatischen Kontakte ab. Ihre Wiederaufnahme erfolgte in der sogenannten Transición13 unter den Bedingungen eines Neustarts: Die USA wollte Spanien nach dem Tod Francos so schnell wie möglich in der NATO wissen und die Bundesrepublik nahm mit Geld und parteipolitischer Nachhilfe Einfluss auf den spanischen Demokratisierungsprozess. Auch die Sowjetunion schickte nach fast 40 Jahren wieder einen Botschafter nach Spanien. Entsprechend beeilte sich die DDR, ihre Beziehungen nach Madrid so schnell wie möglich zu reaktivieren. Dabei mussten die ostdeutschen Diplomaten an neue spanische Akteure herantreten, die ihren Blick einerseits pri-
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Büro Axen im ZK der SED, Beiträge und Reden, Zu aktuellen Fragen der Außenpolitik der DDR, 19. 02. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/69800, Bl. 1–82, hier: Bl. 34. 8 Vgl. Arango, Political System, S. 111–112. 9 Pfeiffer, Erinnerungen. 10 Vgl. die zeitgenössische Einschätzung des bundesdeutschen Botschafters Georg von Lilienfeld, dass „[d]ie Sympathien der Spanier gegenüber allem Deutschen […] auch die DDR in ihrer Öffentlichkeitsarbeit“ begünstigten: Auswärtiges Amt, Fragenkatalog betr. der politischen Öffentlichkeitsarbeit der DDR in Spanien, 14. 01. 1975, in: PA AA, MADR 12682, unpag. 11 Pfeiffer, Erinnerungen. 12 Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben des Botschafters Meyer-Lindenberg betr. Einrichtung einer Botschaft der DDR in Madrid, hier: Ankunft des Geschäftsträgers Otto Pfeiffer, 07. 05. 1973, in: PA AA, MADR 12571, unpag. 13 Übergangsphase von der Franco-Diktatur zur Demokratie. Im Folgenden in der spanischen Bezeichnung verwendet.
2. Fragestellungen, methodische Zugriffe und Struktur
3
mär gen Westen richteten, andererseits neue Optionen und begrenzte Einflussmöglichkeiten eröffneten. Als in Spanien im Jahr 1982 mit Felipe González die Sozialisten (PSOE)14 an die Macht kamen, intensivierten sich die ostdeutsch-spanischen Kontakte auf politischem, kulturellem und wirtschaftlichem Gebiet. Dabei manövrierte das Verhältnis zwischen den Regierungsparteien SED und PSOE in den 1980er Jahren zwischen gemeinsamen außenpolitischen Positionen im sogenannten „Zweiten Kalten Krieg“,15 vermehrten gegenseitigen Besuchen, Gorbatschows Perestroika und dem Zerfall der SED-Herrschaft. Vermutlich, weil die Beziehungen zwischen der DDR und Spanien von den zeitgenössischen Akteuren nie als prioritär eingestuft wurden und in vielerlei Hinsicht hinter deren Erwartungen zurückblieben, haben sie bislang sowohl in der deutschen als auch in der spanischen Historiografie kaum Beachtung gefunden. Aus zeithistorischer Sicht ist dies ein Versäumnis, machen doch gerade ihre wechselhafte Dynamik, Komplexität und Widersprüchlichkeit einen besonderen Reiz aus. So versprechen Abbildung und Analyse der gut 15-jährigen ostdeutsch-spanischen Beziehungen neue Erkenntnisse über die Funktionsweisen der beiden modernen Diktaturen und über das Verhältnis von Politik und Ideologie in den Dynamiken des Kalten Kriegs. Wenngleich ein Zufallsfund, deutet in gewisser Weise bereits das Titelmotiv des Buches auf diese zentrale Dichotomie der Beziehungen hin: Es zeigt Gerhard Korth, von 1977 bis 1978 Botschafter der DDR in Spanien, beim privaten Stierkampf.16 In seiner heutigen Debatte steht dieser den einen für ein nostalgisch-verklärtes Festhalten an überkommener Tradition, den anderen für eine Disziplin, die dem Stierkämpfer Beweglichkeit, Reaktionsvermögen und Anpassungsfähigkeit abverlangt. Es gilt auszuloten, wie sich die DDR und Spanien innerhalb dieser Koordinaten bewegten.
2. Fragestellungen, methodische Zugriffe und Struktur Die vorliegende Studie zeichnet die bilateralen Beziehungen zwischen der DDR und Spanien vom Zeitpunkt der Beziehungsaufnahme 1973 bis zum Ende des SED-Regimes 1990 nach: Unter welchen Umständen und aus welchen Interessen kamen sie zustande? Welche Strukturen und Entwicklungen beeinflussten Intensität, Qualität und Konjunkturen der Beziehungen? Wo gab es Konflikte und welche Bedeutung maßen die jeweiligen Akteure den Kontakten bei? Die Beschreibung der Beziehungen behebt nicht nur ein Desiderat der deutschen Geschichtswissen-
14
Partido Socialista Obrero Español. Im Folgenden in der spanischen Abkürzung mit entsprechend männlichem Genus. 15 In einer frühen Periodisierung macht Halliday vier Phasen des Kalten Kriegs aus, darunter den „Zweiten Kalten Krieg“ von 1979 bis 1982 als Phase verstärkter Feindseligkeit zwischen Ost und West: Halliday, Second Cold War, S. 1–23. Zu alternativen Periodisierungsmöglichkeiten vgl. Gassert/Geiger/Wentker, Zweiter Kalter Krieg, S. 12. 16 Vgl. PA AA, Nachlass 152, Gerhard Korth, Nr. 26, unpag.
4
I. Einleitung
schaft, sondern ist aufgrund einiger Besonderheiten von Interesse, die sich aus dem zeitlichen Rahmen, den damit wechselnden Konstellationen von Partnern und der historischen Kontextualisierung in der Ära des Kalten Kriegs ergeben. Anhand einer diachronen Darstellung werden fünf besonders relevante Fragestellungen bearbeitet: Für die frühe Phase bis 1977 legt die Untersuchung einen Fokus auf die Beziehungsaufnahme und die daraus resultierenden konfliktiven Diskurse. Sie leuchtet Funktionsweisen und (außen-)politische Flexibilitäten des SED- bzw. Franco-Regimes sowie deren jeweiligen Umgang mit Widersprüchen aus. Eine Besonderheit der Beziehungen stellt hierbei die Wirkungsmacht der ideologischen „Traditionsbestände“ 17 Antifaschismus und Antikommunismus dar: Wie pflegten zwei Regime friedliche Beziehungen zueinander,18 die ihre Legitimation (auch) aus der radikalen Ablehnung und Bekämpfung des jeweils Anderen – Faschismus respektive Kommunismus – zogen? Wie rechtfertigten sie die diplomatischen Kontakte gegen Kritik aus den eigenen Reihen? Zweitens bietet diejenige Phase der Beziehungen, die mit ihrer Wiederaufnahme im Jahr 1977 einsetzt, die Chance, das außenpolitische Agieren der DDR auf der Folie des spanischen Spezifikums der Transición zu analysieren und auf die „Anpassungsfähigkeit handlungsleitender Politik“ 19 zu überprüfen. Hierzu zählen Strategien des Herantretens der ostdeutschen Diplomaten an die Akteure der Transición sowie Aushandlungsprozesse, die sich zwischen der Hoffnung auf politische Einflussnahme und einer realistischen Einschätzung der eigenen Position vor Ort bewegten. Für die spanische Seite können Entwicklungslinien in der Außenpolitik des Spätfranquismus und der Transitionsphase aufgezeigt werden: Inwiefern wurde die bereits in den 1960er Jahren begonnene Öffnung gen Osten fortgesetzt und inwieweit haben sich durch den Regimewechsel andererseits gar die Bedingungen für die ostdeutsch-spanischen Kontakte verschlechtert? Bei der Betrachtung der letzten Phase der Beziehungen ab 1982 steht die besondere Dynamik im Mittelpunkt, die sich aus innenpolitischen und internationalen Entwicklungen speiste und sich teils stabilisierend, teils destabilisierend auf die Beziehungen auswirkte. Vor dem Hintergrund, dass sowohl die ostdeutschen Kommunisten als auch die spanischen Sozialisten das Ende der Entspannung und das Stocken des KSZE20-Prozesses zu Beginn der 1980er Jahre als Bedrohung empfanden, kann hier drittens die Frage, inwiefern Blockzugehörigkeit und Krisenwahrnehmung die bilateralen Beziehungen anregten bzw. hemmten, zu einem differenzierteren Bild des „Zweiten Kalten Kriegs“ beitragen.21 Ab Mitte der
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Wentker, Forschungsperspektiven, S. 38. Laut Widmer Ziel der Diplomatie: Widmer, Diplomatie, S. 25. Berliner Kolleg Kalter Krieg, Forschungsagenda: http://www.berlinerkolleg.com/de/forschungs agenda. Letzter Zugriff am 01. 10. 2022. 20 Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. 21 Ein solches ist insofern geboten, als der Begriff eine gewisse „Geschlossenheit und Permanenz“ der Epoche suggeriert, die den unterschiedlichen Phasen des Konflikts nicht gerecht wird: Dülffer, Europa, S. 4. Dieser Forderung in einem eigenen Kapitel nachkommend: Berger/LaPorte, Friendly Enemies, S. 225–300.
2. Fragestellungen, methodische Zugriffe und Struktur
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80er Jahre rührte die Ambivalenz der Beziehungen aus der Intensivierung der politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Kontakte und einem gesteigerten internationalen Selbstbewusstsein beider Staaten einerseits, den Veränderungen in der Sowjetunion und dem einsetzenden Zerfall des SED-Regimes andererseits. Übergeordnet fragt die Studie an dieser Stelle, ob sich im Licht der Gorbatschow’schen Reformen das DDR-Bild in Spanien veränderte und wie sich dies auf die bilateralen Beziehungen auswirkte. Viertens kommt die Darstellung der ostdeutsch-spanischen Beziehungen nicht ohne eine Berücksichtigung der Bundesrepublik aus. Dabei wird keine „komparatistisch angelegte außenpolitische Studie“ angestrebt, die etwa die jeweiligen Spanienpolitiken der beiden deutschen Staaten vergliche.22 Vielmehr sollen wechselseitige Beeinflussungen des Agierens Ost- und Westdeutschlands in Spanien und deren Wirkung auf das ostdeutsch-spanische Verhältnis herausgearbeitet werden.23 Diese Notwendigkeit ergibt sich zum einen, weil die Außenpolitik der DDR „immer gleichzeitig auch Deutschlandpolitik“ war.24 Zum anderen, weil die Bundesrepublik seit der Aufnahme von Beziehungen zu Spanien im Jahr 1952 eine „traditionelle[…] und ungetrübte[…] Freundschaft“ 25 zu den Regierungen in Madrid propagierte, die nach Francos Tod zu einer buchstäblichen „Pole-Position“ Bonns auf politischem, kulturellem und wirtschaftlichem Gebiet in Spanien führte. Hier sind daher Interdependenzen, die sich aus der Präsenz beider deutscher Staaten in Spanien ab 1973 ergaben, von Interesse: die Reaktion der Bundesrepublik auf die Beziehungsaufnahme 1973, diplomatische, protokollarische und politische Konkurrenzmomente, das Nebeneinander von (kultur-)politischen Beziehungen und Besuchsdiplomatie in den 1980er Jahren und ferner die Haltung Spaniens zur Frage der deutschen Wiedervereinigung 1989/90. Die Frage nach der Souveränität der DDR-Außenpolitik gegenüber der Sowjetunion muss für die bilateralen Beziehungen zwischen der DDR und Spanien nicht gänzlich neu aufgeworfen werden.26 Gleichwohl hat die Studie fünftens zum Ziel, anhand der Beziehungsaufnahme 1973, der Wiederaufnahme 1977 und der Beziehungen zwischen den kommunistischen Parteien SED und Partido Comunista de España (PCE)27 zu prüfen, ob die Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU) und ein etwaiges koordiniertes Vorgehen der sozialistischen Staaten gegegnüber Madrid Einfluss auf die Spanienpolitik der SED nahmen. 22
Eine solche fordert Kuppe für die gesamte Zeit der deutschen Teilung: Kuppe, Außenpolitik, S. 324. 23 Entsprechend dem multiperspektivischen Ansatz der Histoire Croisée. Zu deren Unterschied gegenüber komparatistischen Zugängen vgl. Werner/Zimmermann, Beyond Comparison, S. 30–50. 24 Kuppe, Außenpolitik, S. 318; vgl. auch Wentker, Außenpolitik in engen Grenzen, S. 6. 25 Aschmann, Treue Freunde, S. 18. 26 Vgl. zur Frage der Autonomie der DDR-Außenpolitik früh und grundlegend Lemke, Deutschlandpolitik. Anders als Lemke spricht Wentker der DDR durchgehend eine eigene „Außenpolitik“ und nicht etwa nur „Außenbeziehungen“ zu: Wentker, Außenpolitik in engen Grenzen, S. 2–3. 27 Im Folgenden in der spanischen Abkürzung mit entsprechend männlichem Genus.
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I. Einleitung
Methodisch basieren Rekonstruktion und Analyse der ostdeutsch-spanischen Beziehungen auf den Erkenntnissen einer zunächst „ergebnisoffene[n] archivquellengestützte[n]“ 28 Recherche. Diese münden in eine politik- und diplomatiegeschichtliche Studie, welche sich theoretisch-konzeptionell in der neueren etablierten Forschung zur Geschichte internationaler Beziehungen bewegt.29 Da zu jedem Zeitpunkt der bilateralen Beziehungen politisch handelnde Vertreter des Staates bzw. der jeweiligen Regierungen als zentrale Akteure auftraten, staatliche Interessen offiziell oder inoffiziell vertraten und damit Intensität und Qualität der Kontakte maßgeblich prägten – aufseiten der DDR ganz evident die SED als „Staatspartei“ 30 –, stellt die Studie eine Analyse dieser staatlichen Akteure sowie deren Außenpolitiken und Regierungshandeln als zentrale Elemente der Beziehungen in den Mittelpunkt.31 Hierzu fächert sie in den einzelnen Kapiteln synchron und strukturgeschichtlich die unterschiedlichen Ebenen auf, auf denen Beziehungen stattfanden und verhandelt wurden. Zu den offiziellen Beziehungen zählen dabei die Politik der jeweiligen Regierungsparteien und Außenministerien, die Arbeit der Botschaften und Diplomaten vor Ort, die nach Francos Tod einsetzende Besuchsdiplomatie auf ministerialer, parteipolitischer und parlamentarischer Ebene sowie in den 1980er Jahren Kontakte auf kommunaler Ebene und Städtepartnerschaften. An einzelnen Entscheidungsprozessen, etwa dem Abbruch der Beziehungen 1977, werden auf offizieller Ebene auch das Verhältnis zwischen SED, Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA) und Botschaft untersucht und damit Funktionsmechanismen der DDR-Außenpolitik exemplarisch aufgezeigt.32 Daneben trägt die Studie auch jüngeren Überlegungen zur Erneuerung der Geschichte der internationalen Beziehungen Rechnung, die eine Weitung der Begriffe des Politischen und Internationalen sowie die Einbeziehung weiterer international agierender Akteure einfordern und für eine Integration politisch-diplomatischer und gesellschaftlich-kultureller Beziehungen plädieren.33 Zu diesem Zweck untersucht sie in jedem Kapitel ebenso Kontakte von ostdeutschen Akteuren, die in Spanien als nichtstaatliche, gesellschaftliche Institutionen auftraten und prüft diese auf ihre Verquickung mit politischen Interessen.34 Dies geschieht ers-
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So auch bei Graf, Österreich, S. 12. Vgl. grundlegend Conze/Lappenküper/Müller (Hrsg.), Geschichte der internationalen Beziehungen; Dülffer/Loth (Hrsg.), Dimensionen. Mit dezidiert zeitgeschichtlichem Bezug: Gehler, Zeitgeschichte; mit Betonung der Transnationalität: Budde/Conrad/Janz (Hrsg.), Transnationale Geschichte, darin besonders: Wehler, Transnationale Geschichte. Für die spanische Historiografie vgl. Sanz Díaz, Historia internacional. 30 Wentker, Außenpolitik oder transnationale Beziehungen, S. 29. 31 Auch Conze, Lappenküper und Müller plädieren dafür, trotz einer Erweiterung des Politikbegriffs den Staat nicht „als Analysekategorie und Ordnungsform des Politischen“ zu verwerfen: Conze/Lappenküper/Müller, Einleitung, S. 8, 11–12. Vgl. auch Dülffer/Loth, Einleitung, S. 6, 8. 32 Diese hält Kuppe für „[n]icht hinreichend“ erforscht: Kuppe, Außenpolitik, S. 319. 33 Vgl. Conze, Abschied. 34 Zur Diskussion um die Autonomie sogenannter gesellschaftlicher Akteure in der DDR, die Kontakte ins Ausland unterhielten, vgl. Wentker, Außenpolitik oder transnationale Beziehungen?, insb. S. 32–34. 29
2. Fragestellungen, methodische Zugriffe und Struktur
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tens am Beispiel der kulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen, der 1979 gegründeten Nationalen Freundschaftsgesellschaft Spanien-DDR und in begrenztem Maße der Gewerkschaftsarbeit des FDGB nach Spanien.35 Dabei geht es nicht um die Abbildung sämtlicher Kulturkontakte oder gar des konkreten Wirkens der ostdeutschen und spanischen Kunst- und Kulturschaffenden im jeweils anderen Land, sondern um das Ausleuchten einer weiteren offiziellen Beziehungsebene, auf der politische Interessen und Ziele verhandelt wurden.36 Dass die auswärtige Kulturpolitik der DDR als Teil der Außenpolitik vornehmlich im Machtapparat der SED gelenkt wurde und die Fachministerien MfAA und MfK37 sowie die der Partei untergeordneten Organisationen FDGB, Freie Deutsche Jugend (FDJ) und Liga für Völkerfreundschaft (LfV) eine eher administrativ-ausführende Funktion besaßen, ist in einer Vielzahl von Arbeiten behandelt worden und wird grundsätzlich auch für die ostdeutsch-spanischen Kulturbeziehungen angenommen.38 Ausgehend von dieser Annahme ist für alle Kontakte „unterhalb der diplomatischen Schwelle“ 39 zu prüfen, ob es Ost-Berlin gelang, in Spanien kulturpolitische Erfolge zu erzielen.40 Dies ist insofern besonders reizvoll, als die DDR gegenüber der Bundesrepublik auch auf gesellschaftlichem und kulturellem Gebiet eine klare Außenseiterrolle einnahm.41 Es schließt sich daher die Frage nach den Interessen an, die unterschiedliche spanische Akteure der Transición und der jungen Demokratie am Ausbau von Kulturbeziehungen mit der DDR hatten. Neben den Kulturkontakten wird der diplomatie- und politikgeschichtliche Zugriff zweitens durch eine Betrachtung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen erweitert. Da diese trotz zum Teil beachtlicher positiver Entwicklungen in den 1980er Jahren insgesamt gering entwickelt blieben, sind auch hier die politischen Implikationen von Bedeutung: Welche Interessen hatten die politischen Akteure in der DDR und Spanien an Wirtschafts- und Handelsbeziehungen und inwieweit 35
Zu den Beziehungen des FDGB zu den spanischen Arbeiterkommissionen Comisiones Obreras (CC.OO.) bis 1973 vgl. Jüngling, Alternative Außenpolitik, insb. S. 174–304. 36 Analog versteht Griese die Kulturbeziehungen der DDR nach Finnland als „zentrale […] offizielle […] Kulturkontakte, wie sie im Rahmen der Außenpolitik von staatlichen Institutionen […] kontrolliert wurden“ und „in erster Linier Interessenpolitik“ waren: Griese, Kulturpolitik, S. 18. 37 Ministerium für Kultur. 38 Grundlegend Bruns, Außenpolitik; Scholtyseck, Außenpolitik; Wentker, Außenpolitik in engen Grenzen. Beispielhaft drei bilaterale Studien: Griese, Kulturpolitik; Abraham, Auslandsarbeit; Golz, Völkerfreundschaft. Letzterer behandelt die Kulturbeziehungen der DDR zu Großbritannien am Beispiel der Freundschaftsgesellschaften. Jüngling dagegen kritisiert die „überwiegend auf den Partei- und Staatssektor ausgerichtet[e]“ Perspektive und räumt dem FDGB speziell in seiner Spanienpolitik einige außenpolitische „Spielräume“ ein: Jüngling, Alternative Außenpolitik, S. 12–13. 39 Kuppe, Außenpolitik, S. 323. 40 Eine ähnliche Fragestellung bei Griese, Kulturpolitik, S. 17–18. 41 Zu den kulturpolitischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Spanien von 1945 bis 1963 vgl. maßgeblich Aschmann, Treue Freunde, S. 392–442; mit einem Schwerpunkt auf der westdeutschen Image- und Kulturpolitik in Spanien vgl. dies., República Federal. Auf Spanisch und im Rückgriff auf Aschmann vgl. Sanz Díaz, Papel und ders., Relaciones científicoculturales.
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I. Einleitung
entsprachen deren tatsächliche Dimension und Entwicklung diesen Erwartungen? Besonders untersuchenswert ist in diesem Kontext die Verquickung von Parteiund Wirtschaftskontakten, die ab dem Ende der 1970er Jahre am Beispiel des Handels ostdeutscher Betriebe mit PCE- und PSOE-Handelsfirmen aufgezeigt werden kann. Drittens werden im Sinne einer erweiterten Diplomatiegeschichte für jede Phase der Beziehungen die Parteikontakte zwischen den ostdeutschen und spanischen Kommunisten in den Blick genommen. Dabei wird bewusst kein Anspruch auf eine vollständige Darstellung der Parteibeziehungen erhoben, sondern es sollen Wechselwirkungen zwischen deren konfliktiver Entwicklung und den offiziellen politischen Kontakten untersucht werden.42 Da Thema und Mythos „Spanien“ in der DDR emotional besetzt waren und verschiedene Akteure der Beziehungen in unterschiedlichen Kontexten und zu unterschiedlichen Zeitpunkten den Begriff „Freundschaft“ verwendeten, bietet es sich methodisch außerdem an, diesen als Analysekategorie fruchtbar zu machen.43 Dabei werden die Beziehungen nicht an einem „idealtypisch konstruierten“, gar „ahistorische[n]“ Freundschaftsbegriff gemessen,44 sondern dessen diskursiver Gebrauch „in konkreten politischen und diplomatischen […] Kontexten“ analysiert:45 Wer spricht in welcher Situation mit welcher ideologischen Überzeugung, politischem Interesse oder Kalkül und gegenüber wem von „Freundschaft“? Ziel ist es, auf diese Weise Beziehungskonjunkturen nachzuzeichnen und Aussagen über deren Qualität und Wahrnehmung durch die Akteure zu treffen. Die chronologische Gliederung der Studie in drei Phasen orientiert sich an der Entwicklung der bilateralen Beziehungen. Deren diachrone Darstellung koinzidiert immer dann mit markanten Zäsuren der ostdeutschen und spanischen Zeitgeschichte, wenn diese die Dynamik, Intensität und/oder Qualität der Kontakte beeinflussten. In der Geschichte der Außenpolitik der DDR ist dies freilich der Einschnitt 1972/73, als auf Unterzeichnung und Inkrafttreten des Grundlagenvertrags die internationale Anerkennung der DDR folgte;46 die Beziehungsaufnahme mit Spanien ist insbesondere vor diesem Hintergrund zu sehen. Das Ende der bilateralen Beziehungen fällt natürlicherweise mit dem Ende des SED-Regimes 1990 zusammen. Zwar war die DDR nach dem Mauerfall 1989 „außenpolitisch kaum noch aktiv“,47 dennoch schließt die Betrachtung die wenigen Quellen zur 42
Kuppe vermutet im Verhältnis zwischen Partei- und staatlicher Außenpolitik der DDR gar eine „Zweigleisigkeit“, insbesondere in den Beziehungen zu den eurokommunistischen Parteien Westeuropas: Kuppe, Außenpolitik, S. 320. Zu den Parteibeziehungen zwischen SED und PCE vgl. Baumer, Camaradas und Denoyer/Faraldo, Eurokommunistin. 43 Vgl. dazu methodische Überlegungen zur Frühen Neuzeit, die ebenso für zeitgeschichtliche Untersuchungen gelten können: Oschema, Einführung, S. 11. 44 Ebenda. 45 Würgler, Freunde, S. 191. 46 Vgl. Wentker, Außenpolitik in engen Grenzen, S. 22. Zu den Phasen der DDR-Außenpolitik vgl. u. a. Kuppe, Phasen; Scholtyseck, Außenpolitik; Crome/Franzke/Krämer (Hrsg.), Verschwundene Diplomatie. 47 Vgl. Wentker, Außenpolitik in engen Grenzen, S. 23. Dagegen bewerten Crome u. a. die Außenpolitik der Modrow-Regierungen von November 1989 bis März 1990 als eigenständige
2. Fragestellungen, methodische Zugriffe und Struktur
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Abwicklung der Beziehungen und Auflösung der Botschaften mit ein. Abgebrochen wurden die diplomatischen Beziehungen im für Spanien wichtigen Jahr 1975, als mit dem Tod Francos am 20. November eine Epoche zu Ende ging. Der Abbruch erfolgte allerdings nicht aufgrund seines Todes, sondern knapp zwei Monate zuvor aus Protest der DDR gegen innenpolitische Repressionen des späten Franco-Regimes. Da der spanische Systemwandel von Diktatur zu Demokratie die wichtigste Zäsur auch in den bilateralen Beziehungen darstellte, diese jedoch zeitversetzt erst unter der Regierung von Adolfo Suárez wieder aufgenommen wurden, beginnt die Darstellung der Kontakte zum demokratischen Spanien mit der Wiederaufnahme der Beziehungen im April 1977. Das Jahr 1977 als wichtige Zäsur festzulegen – und nicht etwa das „Epochenjahr“ 1979 –,48 bietet sich auch im Lichte der Legalisierung des PCE im April und den ersten demokratischen Wahlen nach dem Bürgerkrieg im Juli 1977 an. Als weitere gängige Zäsur der spanischen Zeitgeschichte bestimmen einschlägige Studien gemeinhin das Jahr 1982 als den Endpunkt der Transición.49 Mit der Regierungsübernahme des PSOE markierte es zum einen auch einen Wandel in den offiziellen politischen Kontakten zwischen Madrid und Ost-Berlin, zum anderen führte die Ablösung Santiago Carrillos als Generalsekretär des PCE durch Gerardo Iglesias im selben Jahr langfristig zu einer Verbesserung der Beziehungen der kommunistischen „Bruderparteien“ 50 SED und PCE. Den übergeordneten zeitlichen Kontext der Untersuchung stiftet der Kalte Krieg.51 Dieser spannt als prägender Konflikt der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen Rahmen über die unterschiedlichen Phasen der Beziehungen, insbesondere auch über den Systemwandel in Spanien. Da letzterer sowie der Regierungsantritt der Sozialisten im Jahr 1982 zu veränderten Beziehungskonstellationen zwischen Ost-Berlin und Madrid führten und Spanien im Zuge seiner internationalen Selbstverortung nach dem Tod Francos von strategischem Interesse für West und Ost war,52 bieten sich die ostdeutsch-spanischen Beziehungen in besonderem Etappe, ebenso die anschließende Zeitspanne bis zum 3. Oktober 1990: Crome u. a. (Hrsg.), Verschwundene Diplomatie, S. 38. 48 Vgl. Bösch, Zeitenwende. Gassert, Geiger und Wentker machen die Jahre um den NATODoppelbeschluss von 1979 als eigenständige Phase des sogenannten „Zweiten Kalten Kriegs“ fest: Gassert/Geiger/Wentker, Zweiter Kalter Krieg, S. 12–15. 49 Vgl. Tusell, Spain, S. 323–324; Bernecker/Collado Seidel, Einleitung, S. 11. Aschmann datiert den Übergangsprozess ebenso „bis in die 1980er Jahre hinein[…]“, verweist jedoch auf „die fließenden Grenzen“ zwischen Diktatur und Demokratie: Aschmann, Spanien, S. 2. Viñas spricht erst ab Mitte der 80er Jahre von einer Post-Transición-Außenpolitik Spaniens: Viñas, Außenpolitik, S. 212, 229–230. 50 Zur Verwendung des Begriffs „Bruder“ im sozialistischen Sprachgebrauch vgl. Bartholmes, Bruder, S. 81–93. 51 Als Auswahl aus der umfassenden Forschungsliteratur zum Kalten Krieg vgl. Hochmuth, Krieg der Welten; Larres/Lane (Hrsg.), Cold War. Einen Überblick über Forschungsagenda und neueste Entwicklungen der Cold War Studies gibt Greiner, Kalter Krieg: http://docupedia. de/zg/Cold_War_Studies?oldid=130304. Letzter Zugriff am 01. 10. 2022. Für die spanische Historiografie mit einem Kapitel über Spanien im Kalten Krieg vgl. Pereira Castañares/Neila Hernández/Moreno Juste (Hrsg.), Atlas. 52 Vgl. die zeitgenössische Einschätzung der albanischen Zeitung „Zeri i Popullit“ vom 19. 01. 1984, dass Spanien in der „Rivalität zwischen den beiden imperialistischen Super-
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I. Einleitung
Maße an, die unterschiedlichen Konjunkturen des Kalten Kriegs aufzuzeigen, der keine stete Epoche war, sondern vielmehr von „Ambivalenz, Widersprüchlichkeit und [einer] vielfach gebrochene[n] Dynamik“ 53 geprägt.
3. Forschungsstand Ausgangspunkt der vorliegenden Studie war der Umstand, dass weder die geschilderte anfängliche Brisanz der ostdeutsch-spanischen Beziehungen noch die Vielschichtigkeit und Ambivalenz der Kontakte bis dato zu einer historiografischen Beschäftigung mit den bilateralen Beziehungen zwischen der DDR und Spanien geführt hatten und deren Darstellung anhand deutscher und spanischer Archivalien sowohl in der deutschen als auch in der spanischen Geschichtswissenschaft überfällig war.54 Lediglich eine Diplomarbeit zum Thema lag vor, in der Tim Haberstroh in äußerster Knappheit und mitunter analytisch unsauber die Beziehungen der DDR zu Franco-Spanien nachzeichnet. Das Verdienst der Arbeit besteht in der für eine Diplomarbeit ungewöhnlich aufwendigen Archivrecherche und Einsicht der SED-Parteiakten, anhand derer Haberstroh den Konflikt um die Beziehungsaufnahme 1973 und die staatlichen Kontaktmomente bis zum Abbruch der Beziehungen 1975 rekonstruiert.55 Als Ausweis der Relevanz der Beziehungen ist zu werten, dass parallel zur vorliegenden Studie zwei spanischsprachige Arbeiten zu den Kontakten zwischen Ost-Berlin und Madrid enstanden sind: 2022 haben José María Faraldo und Carlos Sanz Díaz mit einiger zeitlicher Verzögerung einen Sammelband herausgegeben, der auf eine Tagung zu den ostdeutsch-spanischen Beziehungen am Institut für Geografie und Geschichte der Universität Complutense im November 2013 zurückgeht und dessen Beiträge hier an den entsprechenden Stellen noch Berücksichtigung finden konnten.56 Ebenfalls 2022 erschien eine von Xavier María Ramos Diez-Astrain an der Universität Valladolid vorgelegte Dissertationsschrift zum Thema.57 Da sich Ramos Diez-Astrain in weiten Teilen auf dieselben deutschen und spanischen Archvialien stützt wie die vorliegende Studie, spricht seine überwiegend deckungsgleiche Rekonstruktion der diplomatisch-politischen Kontakte für eine sorgfältige Quellenarbeit der parallel entstandenen Arbeiten. Auch in der Betonung des besonderen Einflusses internationaler Faktoren und des Kalten Kriegs als übergeorndetem Konflikt kommt Ra-
mächten USA und UdSSR […] einen wichtigen strategischen Knotenpunkt“ darstellte: ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Pressespiegel, 19. 01. 1984, in: SAPMO-BArch, DY 30/13554, Bl. 13–15, hier: Bl. 13. 53 Berliner Kolleg Kalter Krieg, Forschungsagenda. 54 In einem 1979 von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik herausgebrachten Sammelband zur 30-jährigen Geschichte der DDR-Außenpolitik werden die Beziehungen zu Spanien knapp erwähnt: vgl. Fink, Länder, S. 531–533. 55 Vgl. Haberstroh, DDR. 56 Vgl. Faraldo/Sanz Díaz (Hrsg.), La Otra Alemania. 57 Vgl. Ramos Diez-Astrain, Telón de Acero.
3. Forschungsstand
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mos Diez-Astrain zum gleichen Ergebnis. Ein großes Defizit seiner Arbeit besteht jedoch darin, dass er es versäumt, die unterschiedlichen Ebenen der Beziehungen – Regierungs- und diplomatische Kontakte, Parteiarbeit, persönliche Verbindungen sowie kultur- und lokalpolitisches Engagement – aufzufächern und ihre jeweilige quantitative wie qualitative Relevanz für die bilateralen Kontakte herauszuarbeiten. Dies ist auf die fehlende Sichtung zentraler Archivbestände zurückzuführen, u. a. der Dokumentation der Liga für Völkerfreundschaft in der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR (SAPMO), des StasiUnterlagen-Archivs und des Landesarchivs Berlin. Da Ramos Diez-Astrain auf Interviews mit ehemaligen Diplomaten verzichtet hat, fehlen seiner Studie an zentralen Stellen außerdem wichtige, die offiziellen Dokumente ergänzende und mitunter erst erläuternde Einordnungen durch Schlüsselfiguren der Beziehungen. Neben den beiden genannten jüngsten Publikationen verspricht José Luis Aguilar López-Barajas’ an der Universität Jena eingereichte, noch nicht veröffentlichte Dissertation zum Tourismus beider Regime in den 1960er und 70er Jahren eine komparative Teilgeschichte der DDR und Franco-Spaniens.58 Ein Grund für die langjährige Vernachlässigung der bilateralen Beziehungen ist zum einen in einer gewissen Ignoranz der spanischen Historiografie gegenüber der DDR zu suchen. Selbst Arbeiten ausgewiesener Historikerinnen und Historiker setzen deutsch bzw. alemán mit westdeutsch gleich, ohne auf die Existenz zweier deutscher Staaten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hinzuweisen.59 Diese fehlende Differenzierung spiegelt sich in einer umfassenden Forschung zu den westdeutsch-spanischen Beziehungen wider, die in großer Zahl Arbeiten über unterschiedliche Phasen und Aspekte der Kontakte zwischen der Bundesrepublik und Spanien hervorgebracht hat.60 Zum anderen liegt die Unkenntnis über die ostdeutsch-spanischen Beziehungen auf deutscher Seite in den Kontakten selbst begründet: Die geringe mediale Berichterstattung über die Beziehungen zu Franco-Spanien, das Ausbleiben eines Besuchs des spanischen Königspaars und des Ministerpräsidenten Felipe González in der DDR in den 1980er Jahren und die Unmöglichkeit von Spanienreisen für die Mehrheit der Menschen aus der DDR haben das Wissen um sie nicht gefördert.
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Vgl. Aguilar López-Barajas, Civilization. Ebenfalls vergleichend widmet sich der Medienwissenschaftler Fernando Ramos Arenas in seiner 2021 vorgelegten Habilitationsschrift den Filmkulturen und der Cinephilie in Spanien und der DDR in den 1950er und 1960er Jahren: vgl. Ramos Arenas, Cinephilie. 59 Vgl. beispielsweise eine Ausgabe der renommierten zeithistorischen Zeitschrift „Ayer“, deren Dossier die deutsch-spanischen Kulturbeziehungen im 20. Jahrhundert zum Thema hat, jedoch weder einen Beitrag zu ostdeutsch-spanischen Kulturbeziehungen enthält noch auf das Defizit hinweist: Janué i Miret, España y Alemania. 60 Vgl. in der deutschen Historiografie grundlegend Aschmann, Treue Freunde; außerdem: Weber, Deutschlandpolitik; Lehmann, Bundesrepublik. Über Francos Tod hinaus: Urigüen López de Sandaliano, Traditionelle Freundschaft. Auf die deutsche Forschungsliteratur zurückgreifend: Sanz Díaz, España y la República Federal; ders., España y la cuestión alemana; ders., Ayuda. Zur Relevanz Spaniens im deutschen Vereinigungsprozess vgl. Aschmann, Mein Freund Felipe.
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I. Einleitung
Auch in den Erinnerungen der Akteure, die für die Beziehungen verantwortlich zeichneten, sie gestalteten und dafür zum Teil ins jeweilige Partnerland reisten, bleiben die ostdeutsch-spanischen Beziehungen in der Regel eine Leerstelle. Auf deutscher Seite konnte die Arbeit einzig auf unveröffentlichte Memoiren Otto Pfeiffers zurückgreifen, der von 1973 bis 1975 zeitweiliger Geschäftsträger und Erster Sekretär der DDR-Botschaft in Madrid war.61 Obgleich in Spanien mehr Memoiren und Biografien ehemaliger Außenminister und Diplomaten vorliegen, erinnert kaum eine an die Beziehungen zur DDR.62 So erwähnt Außenminister Marcelino Oreja in seiner Autobiografie knapp die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit den europäischen sozialistischen Staaten und der UdSSR 1977 sowie seine in diesem Kontext getätigten Reisen nach Warschau, Belgrad und Moskau, jedoch nicht die zeitgleich erfolgte Wiederaufnahme der Beziehungen zur DDR.63 Selbst in der Biografie Francisco Fernández Ordóñez’, der als einziger spanischer Außenminister zum Staatsbesuch in die DDR reiste, fehlt ein Verweis auf die ostdeutsch-spanischen Beziehungen.64 Lediglich der letzte spanische Botschafter in der DDR, Alonso Álvarez de Toledo, welcher durch die Betonung seiner historischen Zeugenschaft vom Fall der Berliner Mauer einen gewissen Bekanntheitswert in Spanien besitzt,65 und Antonio Ortiz García, der 1977 die spanische Botschaft in Ost-Berlin wiedereröffnete,66 beschäftigen sich rückblickend mit ihrer Zeit in Ostdeutschland. Dabei bewerten sie die bilateralen Beziehungen als „inhaltsarm“ und ihre diplomatischen Posten in der DDR als entsprechend unattraktiv.67 Eine solche Beurteilung ist unabhängig davon, ob zeitgenössisch ausgesprochen oder nachträglich ausgestellt, freilich kein Kriterium für das historiografische Interesse an den Beziehungen und die Notwendigkeit ihrer Analyse. Dies gilt umso mehr, wenn sich, wie oben gezeigt, an ihrem Beispiel wichtige Fragen der zeitgeschichtlichen Forschung verhandeln lassen. Während spanische Historikerinnen und Historiker lange Zeit eine stiefmütterliche Behandlung der Außenpolitik in der Geschichte ihres Landes beklagten,68 haben sich in jüngster Zeit vermehrt Arbeiten mit der globalen Dimension spanischer Geschichte beschäftigt, darunter der Europäisierung Spaniens und dem Verhältnis Franco-Spaniens zu Europa.69 Meist werden jedoch nur Fragen zur westeu-
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Pfeiffer, Erinnerungen. Vgl. für den spanischen Außenminister zum Zeitpunkt der Beziehungsaufnahme, Gregorio López Bravo: Espadas Burgos, Franquismo. Die Memoiren seines Nachfolgers: López Rodó, Memorias. 63 Oreja, Memoria, S. 242. 64 Vgl. Delgado Fernández/Sánchez Millas, Francisco Fernández Ordóñez. 65 Vgl. sein Tagebuch zum Fall der Berliner Mauer: Álvarez de Toledo, Nachrichten; im spanischen Original: ders., En el país. Seine später veröffentlichten Memoiren: ders., Notas. 66 Vgl. Ortiz García, Papeleras. 67 Álvarez de Toledo, En el país, S. 13; Ortiz García, Papeleras, S. 266. 68 Vgl. Pereira Castañares, Presentación, S. 14–15. 69 Vgl. den auch für das 20. Jahrhundert programmatischen Aufsatz von Dalmau/Luengo Sánchez, Writing Spanish History. Grundlegende Forschungen zur franquistischen Außenpolitik: Tusell u. a. (Hrsg.), Régimen; Pollack, Paradox. 62
3. Forschungsstand
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ropäischen Dimension franquistischer Politik behandelt.70 Eine 2007 erschienene monografische Ausgabe der renommierten Zeitschrift „Ayer“ befasst sich mit der Ostpolitik Francos, allerdings findet die DDR darin keine Erwähnung.71 Einzig in der für den deutschsprachigen Raum nach wie vor zentralen zweibändigen Monografie von Gerlinde Freia Niehus wird sie zumindest als „Sonderfall“ der franquistischen Außenpolitik angeführt.72 Es ist daher ein Anliegen der vorliegenden Studie, die erste Phase der bilateralen Beziehungen zwischen der DDR und Spanien in den Kontakten des Franco-Regimes zum Ostblock zu kontextualisieren. Nachdem die spanische Historiografie die Phase der Transición zunächst maßgeblich unter Gesichtspunkten der Innenpolitik und Verfassungsgeschichte beleuchtet hat – entsprechend Javier Tusells Feststellung, dass nach Francos Tod innenpolitische Aspekte „zweifellos“ Priorität über außenpolitischen besaßen –,73 beschäftigen sich neuere Studien auch mit ihrer Außenpolitik.74 Neben Antonio Muñoz Sánchez’ zentralen Arbeiten zum Verhältnis Spaniens und der Bundesrepublik während des Demokratisierungsprozesses75 sind der Beitrag von Ulrike Capdepón zum Verhältnis spanischer Westintegration und Demokratisierung in Jörg Ganzenmüllers Band zur Diktaturüberwindung in Südeuropa zu nennen sowie eine Analyse transnationaler, informeller und „EG-basierter“ parteipolitischer Netzwerke in der Europäisierung Spaniens von Wolfram Kaiser und Christian Salm.76 Die Untersuchungen zur Außenpolitik Spaniens unter den sozialistischen Regierungen González’ legen mit dem NATO-Beitritt Spaniens 1982, dem Referendum über den Verbleib im Bündnis 1986 und dem spanischen EG-Beitritt im selben Jahr ebenso einen Fokus auf Spaniens Westintegration.77 Indem die vorliegende Studie analysiert, wie sich das SED-Regime zur spanischen NATO- und EG-Integration verhielt und wie die Mitgliedschaften auf das bilaterale Verhältnis wirkten, gleicht sie erstens die starke Westperspektive der spanischen Forschungsliteratur aus und schließt zweitens eine thematische „Forschungslücke“ zur DDRAußenpolitik.78
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Vgl. Moreno Juste, Relaciones; Kössler, Europäisierung; Delgado Gómez-Escalonilla/Martín de la Guardia/Pardo Sanz (Hrsg.), Apertura. 71 Vgl. Eiroa San Francisco/Ferrero Blanco (Hrsg.), Relaciones. Allgemein zur franquistischen Ostpolitik: Eiroa San Francisco, Relaciones. 72 Niehus, Außenpolitik. 73 Tusell, Spain, S. 314. 74 Vgl. Martín García/Ortiz Heras (Hrsg.), Claves; Pereira Castañares, Transición; Powell, Dimensión. Sanz Díaz, Fuentes: https://silo.tips/download/las-fuentes-y-centros-de-investigacionpara-el-estudio-de-la-politica-exterior-d. Letzter Zugriff am 02. 10. 2022. 75 Vgl. Muñoz Sánchez, El amigo alemán; ders., Padrino; auf Deutsch: ders., Franco-Diktatur. Für den Spätfranquismus: ders., Wandel; ders., Europeizar. 76 Vgl. Capdepón, Übergang; Kaiser/Salm, Transition. EG steht für Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. 77 Vgl. Sánchez Millas, Europa: https://eprints.ucm.es/38228/1/T37432.pdf. Letzter Zugriff am 02. 10. 2022; Abellán, Beitritt; Cuesta Martínez/López Pina/Yáñez-Barnuevo (Hrsg.), Lugar. 78 Kuppe, Außenpolitik, S. 324. Für einen neuen, allerdings knappen Beitrag zur Europapolitik der SED vgl. Di Palma, Europa.
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I. Einleitung
Auch für die mittlerweile äußerst umfangreiche DDR-Außenpolitikforschung79 war Spanien bislang nicht von Interesse; als symptomatisch dafür kann gelten, dass es in der zentralen Gesamtdarstellung Hermann Wentkers gänzlich ausgespart wird.80 Während Wentker noch eine defizitäre Erforschung der Beziehungen konstatiert, die die DDR nach der internationalen Anerkennung zu den westlichen Industriestaaten aufnahm,81 liegen neben dem für die Westkontakte der DDR zentralen Sammelband von Ulrich Pfeil – welcher Spanien freilich ebenso wenig behandelt –,82 zahlreiche Einzelfallstudien zu den (kultur-)politischen Beziehungen der DDR in den Westen vor.83 Innerhalb der Forschungen zu den internationalen Beziehungen des SED-Regimes haben außer einem gering ausgestatteten Projektschwerpunkt „Diplomatiegeschichte“ des Forschungsverbunds SED-Staat an der Freien Universität Berlin Diplomatie und diplomatisches Corps der DDR wenig Aufmerksamkeit erfahren.84 Dies mag zu einem gewissen Teil dem geringen Interesse geschuldet sein, das der Erinnerung, Erfahrung und Expertise ehemaliger DDRDiplomaten nach der Herstellung der deutschen Einheit zuteil wurde. Es führte in Verbindung mit Zweifeln an der demokratischen Eignung der ehemaligen Staatsdiener dazu, dass kaum einer von ihnen in den diplomatischen Dienst der Bundesrepublik übernommen wurde. Wenige wissenschaftliche Arbeiten zu den Strukturen, Funktionsweisen und Inhalten der DDR-Außenpolitik sind aus der Perspektive ihrer Vertreterinnen und Vertreter entstanden; darunter die grundlegende Studie der ehemaligen MfAA-Mitarbeiterin Ingrid Muth, deren Analyse bis zur Unterzeichnung des Grundlagenvertrags reicht.85 Mit Erhard Crome, Jochen Franzke und Raimund Krämer haben drei ehemalige Absolventen des Instituts für Internationale Beziehungen der DDR in Babelsberg einen Band herausgegeben, der historiografische Archivrecherche und persönliche Erfahrungen in der DDR-Außenpolitik integriert.86 Auch der Sammelband von Daniel Küchenmeister, Detlef Nakath und Gerd-Rüdiger Stephan enthält Beiträge ehemaliger DDR-Diplomaten.87 Einen wesentlichen Beitrag zur historiografischen Erforschung der DDR-Diplomatie leistet der von Erhard Crome 2009 herausgegebene Band zur Diplomatenschule in Babelsberg, in dem sowohl Diplomatenausbildung und außenpolitische Forschung des Instituts erstmals wissenschaftlich untersucht werden als auch die politische Rele-
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Vgl. für eine umfassende Darstellung und Besprechung der Literatur Scholtyseck, Außenpolitik, S. 53–139; mit einem Schwerpunkt auf auswärtiger Kulturpolitik: Griese, Kulturpolitik, S. 37–52. 80 Vgl. Wentker, Außenpolitik in engen Grenzen. 81 Ebenda, S. 449–450. 82 Vgl. Pfeil (Hrsg.), DDR. 83 Vgl. u. a. Golz, Völkerfreundschaft; Berger/LaPorte, Friendly Enemies; Griese, Kulturpolitik; Abraham, Auslandsarbeit; Graf, Österreich; Pfeil, Beziehungen; Pöthig, Italien; Fasanaro, DDR; Große, Amerikapolitik. 84 Vgl. Forschungsverbund SED-Staat, Forschungsprojekt Diplomatiegeschichte: https://www. fu-berlin.de/sites/fsed/projekte/forschung/index.html. Letzter Zugriff am 03. 10. 2022. 85 Vgl. Muth, DDR-Außenpolitik. 86 Vgl. Crome u. a. (Hrsg.), Verschwundene Diplomatie. 87 Vgl. Küchenmeister/Nakath/Stephan (Hrsg.), Weltoffenheit.
3. Forschungsstand
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vanz der Institution im SED-Regime.88 Angesichts der Erscheinungsdaten dieser Arbeiten unternimmt keine von ihnen den Versuch, die DDR-Diplomatie in neueren akteursbezogenen Ansätzen der Diplomatiegeschichte zu verorten. Als solche behandelt beispielsweise die New Diplomatic History um Kenneth Weisbrode die Beziehungen offizieller Institutionen zu informellen Akteuren außerhalb der staatlichen und politischen Ebene und versteht Susanne Schattenberg Diplomatie kulturgeschichtlich als interkulturelle Kommunikation.89 Allgemein ist in einer transnationalen Geschichtsschreibung von Außenpolitik eine großzügige Ausweitung der Konzepte „Diplomatie“ und „Diplomat“ festzustellen. So versteht etwa Andreas Jüngling die Kontakte des FDGB nach Spanien als „alternative“ Außenpolitik und Carlos Sanz Díaz und José Manuel Morales Tamaral untersuchen den Flamenco als Instrument der Public Diplomacy Francos.90 Dass die neuren Forschungen die Entscheidungsträger und Gestalter von Außenpolitik und Diplomatie ins Zentrum der Betrachtung rücken, ist sinnvoll und legitim. Ein solcher Fokus kommt (auch) der Forderung von Emotionshistorikerinnen und -historikern nach, der persönlichen Ausgestaltung von Kontakten Beachtung zu schenken, die innerhalb der offiziellen, staatlichen Beziehungen bestanden.91 Dies ist aufgrund der Gefühlsarmut der Quellenüberlieferung gleichwohl nicht immer zufriedenstellend zu bewerkstelligen. Mit Blick auf die Beziehungen zwischen der DDR und Spanien liegen zwar einige bereits genannte, durchaus ertragreiche Ego-Dokumente vor, doch lässt sich der Großteil der Beziehungen hauptsächlich klassisch über Archivalien und Presseerzeugnisse nachvollziehen. Des Weiten muss mit Blick auf die Außenpolitik der DDR darauf hingewiesen werden, dass persönliche Kontakte, die über den Austausch von Fachlichem und Protokollarischem hinausgingen, von der Partei- und Staatsführung nicht erwünscht waren. Der sich daraus ergebende Mangel an persönlichen Bindungen der ostdeutschen Diplomaten an ihren Einsatzorten unterstreicht den Fokus der vorliegenden Arbeit auf einer archivquellen-orientierten Analyse der offiziellen, diplomatisch-politischen Ebene der Beziehungen. Neben den Forschungen zu Außenpolitik und Diplomatie kann die Arbeit auf wichtige kultur-, gesellschafts- und sozialgeschichtliche Studien zur Rezeption des spanischen Bürgerkriegs in der DDR und zum spanisch-republikanischen Exil in Ostdeutschland zurückgreifen. Besonders verdienstvoll ist Michael Uhls ausführliche und äußerst detaillierte Untersuchung des Kults um die Internationalen Brigaden durch die SED und ehemalige Spanienkämpfer in der DDR.92
88 89
Vgl. Crome (Hrsg.), Diplomatenschule. Vgl. Weisbrode, Diplomacy; Schattenberg, Diplomatie; dies., Sprache. Zur Verortung der Diplomatie in der Kulturwissenschaft vgl. Lehmkuhl, Diplomatiegeschichte. 90 Jüngling, Alternative Außenpolitik; Sanz Díaz/Morales Tamaral, Flamencoism. 91 Vgl. Aschmann, Nutzen; Haider, Emotionen. 92 Vgl. Uhl, Mythos.
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I. Einleitung
4. Quellenlage und Archive Die vorliegende Rekonstruktion der ostdeutsch-spanischen Beziehungen ist in erster Linie das Ergebnis einer umfassenden Auswertung deutscher und spanischer Archivalien, wobei bislang nicht gesichtete Dokumente zur Außenpolitik beider Länder Berücksichtigung gefunden haben. Die einschlägigen DDR- und SED-Bestände konnten ohne eine allgemeine Sperrfrist im Bundesarchiv in Berlin-Lichterfelde (BArch) eingesehen werden. Neben den Akten des Minister- und Staatsrats, der Volkskammer sowie zahlreicher Ministerien der DDR sind dort die Dokumente der SAPMO von zentraler Relevanz, darunter der Abteilung Internationale Verbindungen im ZK der SED, des Politbüros, des Komitees der Antifaschistischen Widerstandskämpfer (KdAW) und der Liga für Völkerfreundschaft. Da sich in letzterem Bestand keine noch unbearbeiteten Unterlagen zu den Nationalen Freundschaftsgesellschaften (NFG) der DDR befinden, muss davon ausgegangen werden, dass eine etwaige Dokumentation zur NFG DDR-Spanien entweder inexistent oder verloren ist. Die ebenfalls im Bundesarchiv überlieferte Dokumentation des Dienstleistungsamts für ausländische Vertretungen in der DDR (DAV), die insbesondere für die Einrichtung und Wiedereröffnung der spanischen Botschaft in Ost-Berlin von Interesse wäre, ist bedauerlicherweise noch unbearbeitet und nicht für die Forschung zugänglich. Im Politischen Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin (PA AA) wurden die Bestände des MfAA inklusive der Akten der DDR-Botschaft in Madrid eingesehen, ebenso die Akten der bundesdeutschen Botschaft und des Goethe-Instituts (GI); für einzelne Dokumente aus den letzten Jahren der Beziehungen wurde die 30-jährige Sperrfrist in der Regel aufgehoben. Ergänzend wurden im Archiv des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) alle relevanten Bestände zu Spanien gesichtet, darunter Berichte inoffizieller Mitarbeiter (IM) über Tätigkeit und Angestellte der spanischen Botschaft in Ost-Berlin, Einschätzungen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) zur Lage in Spanien und zum PCE, außerdem vereinzelte Berichte über die DDR-Botschaft in Madrid sowie über ein- und ausreisende Delegationen. Ferner wurden die BStU-Akten zur vereitelten juristischen Verteidigung Robert Havemanns durch den spanischen Anwalt Enrique Gimbernat im Jahr 1979 eingesehen und durch die Sichtung der Bestände der Robert-Havemann-Gesellschaft im Archiv der DDR-Opposition ergänzt. Weitere Erkenntnisse zu kommunalen und wissenschaftlich-kulturellen Beziehungen mit Spanien wurden durch die Konsultation einschlägiger Bestände im Landesarchiv Berlin zur Städtepartnerschaft zwischen Ost-Berlin und Madrid gewonnen sowie durch die Sichtung der Bestände des ehemaligen Herder-Instituts im Universitätsarchiv Leipzig (UAL). Insgesamt ermöglichen die umfangreichen und in der Regel gut zugänglichen Bestände der deutschen Archive eine systematische und weitgehend vollständige Rekonstruktion, wenngleich die Dokumentation der Beziehungen zum franquistischen Spanien bis 1975 ungleich lückenhafter ist als diejenige zum Spanien der Transición und der 1980er Jahre. Ein Grund hierfür ist aufseiten der deutschen Überlieferung darin zu finden, dass mit der Abwicklung der DDR-Botschaft in
4. Quellenlage und Archive
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Madrid nach Abbruch der diplomatischen Beziehungen 1975 auch die Direktive zur Vernichtung aller die bilateralen Beziehungen betreffenden Akten einherging. Otto Pfeiffer berichtet, dass hierzu Reißwölfe aus den Konsular- und Handelsvertretungen der befreundeten sozialistischen Staaten ausgeliehen wurden.93 In der Tat ist die Quellenlage zu den Verhandlungen über die Beziehungsaufnahme 1972/ 73 in Warschau sowie zur internen Entscheidungsfindung in Partei und Außenministerium verhältnismäßig dünn. Auch die Überliefung von MfS-Material zu Spanien ist unzulänglich, insbesondere, wenn man die Brisanz der Beziehungen zum Franco-Regime bedenkt. Zurückzuführen ist dieses Defizit auf die Vernichtung der Dokumente der Hauptverwaltung Aufklärung, des Auslandsnachrichtendiensts der DDR, im Zuge deren Auflösung 1990.94 Ferner kommt eine äußerst fragmentarische spanische Dokumentation hinzu, sodass die Rekonstruktion der Frühphase der Beziehungen zumindest archivalisch lückenhaft bleiben muss. Da es Anspruch der vorliegenden Studie ist, die bilateralen Beziehungen möglichst gleichberechtigt aus der Perspektive beider Partner darzustellen, wurden komplementär zur DDR-Überlieferung die einschlägigen Archivbestände in Spanien gesichtet. Da das Archiv des spanischen Außenministeriums im Palacio de Santa Cruz in Madrid (Archivo General del Ministerio de Asuntos Exteriores, AMAE) aufgrund von Renovierungsarbeiten bereits seit mehreren Jahren unzugänglich ist, konnten sämtliche Dokumentationen des MAE aus den Jahren 1984 bis 1991 sowie Bestände zu den frühen Handelskontakten in den 1960er Jahren keine Berücksichtigung finden. Die Ministeriumsakten aus den Jahren 1973 bis 1985 befinden sich im Allgemeinen Verwaltungsarchiv in Alcalá de Henares (Archivo General de la Administración, AGA), wohin langfristig die Bestände aller spanischen Ministerien überführt werden sollen. Neben der Schließung des AMAE standen der Rekonstruktion der spanischen Perspektive durch diplomatische und außenpolitische Akten weitere Hindernisse im Weg: Da die Umlagerungsprozesse zwischen den Archiven der Ministerien und dem AGA äußerst undurchsichtig und Zuständigkeiten ungeklärt sind, ist erstens der Verbleib vieler Bestände unklar, darunter der des für die Studie zentralen Bestands der ehemaligen spanischen Botschaft in OstBerlin. Zweitens sind die wenigen Dokumente des AMAE, die bereits ins AGA überführt wurden, ohne Signaturen oder Findmittelverzeichnis, was eine zielgerichtete und vollständige Einsicht erheblich erschwert. Dazu kommt in Spanien eine strikte Klassifizierungspolitik für diplomatische und außenpolitische Dokumente der Zeitgeschichte. Auf Grundlage eines Ministerratsbeschlusses vom 15. Oktober 2010 wurden große Teile der Bestände des AMAE als geheim oder vertraulich eingestuft und sind damit auch für Forschungszwecke nicht zugänglich. Eine Aufhebung der Klassifizierung ist bislang trotz mehrfacher Antragstellung und öffentlicher Protestschreiben spanischer Historikerinnen und Historiker nicht erfolgt.95 93 94 95
Vgl. Pfeiffer, Erinnerungen. Vgl. Knabe, West-Arbeit, S. 9. Vgl. Marta Fernández, Los papeles secretos de Franco, in: El País vom 18. 03. 2018; Malalana Ureña/Moreno Pérez, Investigar.
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I. Einleitung
Trotz der Undurchsichtigkeit und Bruchstückhaftigkeit der spanischen Überlieferung konnten die diplomatischen und außenpolitischen Funde aus BArch und PA AA durch einen Bestand der Telegrammkorrespondenz zwischen MAE und der spanischen Botschaft in Ost-Berlin sowie dem spanischen Konsulat in West-Berlin aus den Jahren 1973 bis 1985 komplettiert werden. Daneben waren einige Karteien des spanischen Außenministeriums aus den Jahren 1967 bis 1977 einsehbar, die u. a. die Korrespondenz zwischen MAE und den spanischen Konsular- und Handelsmissionen in den sozialistischen Ländern enthalten sowie Pressedossiers, die der Informationsdienst der zentralen Pressedirektion des Ministeriums für Information und Tourismus (Servicios Informativos de la Dirección General de Prensa) bis 1977 erstellte. Diese beinhalten sowohl spanische als auch internationale Pressestimmen zur Aufnahme der Beziehungen mit der DDR. Sämtliche Dokumente der jüngeren spanischen Ministerpräsidentschaften sind gar nicht oder nur sehr begrenzt einsehbar. Im AGA befinden sich rudimentäre Bestände der Regierungspräsidenten Luis Carrero Blanco (Juni bis Dezember 1973), Adolfo Suárez (1976–81) und Felipe González (1982–96). Ebenfalls nur fragmentarisch sind im Zentralarchiv der Regierungspräsidentschaften im Palacio de la Moncloa in Madrid (Archivo Central del Ministerio de la Presidencia) die Bestände der Ministerpräsidenten Carlos Arias Navarro (1973–76) und Leopoldo Calvo-Sotelo (1981–82) erhalten. Im Fall von Arias Navarro, Adolfo Suárez und Felipe González wird die historiografische Auseinandersetzung dadurch erschwert, dass durch die Gründung privater Stiftungen der ehemaligen Ministerpräsidenten viele Dokumente aus den staatlichen in stiftungseigene Archive überführt worden sind und dort meist unter dem Verweis auf andauernde Dokumentierungs- und Digitalisierungsarbeiten (noch) nicht zugänglich sind.96 Einsehbar ist dagegen der Nachlass von Francisco Fernández Ordóñez in einem kleinen privaten Archiv in Madrid, das in Ehrenamt private und Arbeitsdokumente des ehemaligen sozialistischen Außenministers (1985–92) verwaltetet.97 Ergänzend zu den Parteiakten der SAPMO wurden im Bestand „auswärtige Beziehungen“ („relaciones internacionales“) im Historischen Archiv des PCE (Archivo Histórico del PCE, AHPCE) in Madrid Dokumente zur Reaktion des PCE auf die Aufnahme diplomatischer Beziehungen 1973 gesichtet, welche durch die Illegalität der Partei im franquistischen Spanien freilich lückenhaft überliefert sind. Zum Staatsbesuch Erich Honeckers in Spanien 1988 wurden außerdem einzelne Dokumente des Abgeordnetenhauses (Congreso de los Diputados) und des Archivs der Universität Complutense (Archivo General de la Universidad Complutense Madrid) konsultiert.98 96
Vgl. Javier Rodríguez Marcos, Los papeles secretos de Felipe González, in: El País vom 12. 07. 2018. Das Archiv Carlos Arias Navarros befindet sich in Händen der Stiftung Fundación Hullera Vasco-Leonesa in La Robla (León), das Adolfo Suárez’ im Museo Adolfo Suárez y la Transición in Cebreros (Ávila). 97 Das Archivo de Francisco Fernández Ordóñez ist Teil der Stiftung Fundación Conferencia Anual Francisco Fernández Ordóñez, Madrid (CAFFO). 98 Alle Sitzungen des Congreso de los Diputados ab 1975 sind digital dokumentiert: http://www. congreso.es/portal/page/portal/Congreso/Congreso/Intervenciones?_piref73_1335415_73_
4. Quellenlage und Archive
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Zusätzlich zu den archivalischen Quellen wurde insbesondere zu Beziehungsaufnahme, -abbruch und -wiederherstellung sowie zu den Staatsbesuchen der 1980er Jahre die einschlägige ost- und westdeutsche, spanische und auszugsweise auch internationale Presse ausgewertet. In „Neues Deutschland“ (ND) als Zentralorgan der SED findet sich die offizielle Darstellung der Beziehungen, ebenso in der Wochenzeitung „Horizont“ für internationale Politik und Wirtschaft der DDR. Für das spätfranquistische Spanien wurden die beiden einflussreichsten Madrider Tageszeitungen „ABC“ und „Ya“ durchgesehen, die als monarchischkonservativ respektive katholisch gelten können. Für die Zeit der Transición und des demokratischen Spaniens ist die Berichterstattung der seit 1976 erscheinenden Tageszeitung „El País“ zentral. Relevant für die Nachzeichnung der Parteibeziehungen ist ferner das Organ des Zentralkomitees des PCE, „Mundo Obrero“.99 Des Weiteren konnte durch einen unvermuteten Quellenfund ein Teil der Zeitungsausschnittsammlung des ehemaligen Instituts für internationale Politik und Wirtschaft der DDR (IPW) und dessen Vorgängerinstitutionen konsultiert werden, der in mehr als hundert archivarisch unbearbeiteten Kisten selektierte Ausschnitte aus DDR- und bundesrepublikanischer sowie spanischer und internationaler Presse beinhaltet.100 Aufgrund der zeitlichen Nähe zum Untersuchungszeitraum waren ferner Befragungen zentraler Akteure der Beziehungen möglich, welche die schriftliche Dokumentation um persönliche Wahrnehmungen und Deutungen der Zeitzeugen ergänzen. Trotz der gebotenen Skepsis gegenüber der selektiven Erinnerung dieser „Quellenlieferanten“ 101 konnten die Gespräche mitunter Unklarheiten der archivalischen Überlieferung ausräumen und Einblicke in das „Persönliche in der Politik“ vermitteln.102 Alle Interviews wurden thematisch nah am Untersuchungsgegenstand der bilateralen Beziehungen und der jeweiligen Rolle der historischen Akteure geführt; lebensgeschichtliche und biografische Aspekte wurden sachbezogen berücksichtigt, standen jedoch nicht im Vordergrund.103 Die Interviewleitfäden und Gesprächsmitschriften liegen als Notizen der Autorin und im Fall
1335414_1335414.next_page=/wc/cgiBuscadorSimpleInterv&modificarBusqueda=no. Letzter Zugriff am 03. 10. 2022. 99 Ein Großteil der spanischsprachigen Zeitungen und Zeitschriften ist im Zeitungsarchiv (hemeroteca) der spanischen Nationalbibliothek (Biblioteca Nacional de España, BNE) in Madrid zugänglich. Alle Ausgaben des Mundo Obrero sind bis 1977 digitalisiert: https:// prensahistorica.mcu.es/es/publicaciones/numeros_por_mes.cmd?idPublicacion=4700. Letzter Zugriff am 03. 10. 2022. 100 Die Zeitungsausschnittsammlung des IPW kam durch eine der Autorin nicht bekannte Privatperson in den Besitz des Instituto Cervantes. Zur Orientierung in dem archivarisch nicht aufbereiteten Material konnte auf den Thesaurus des IPW sowie die Dezimalklassifikation des Deutschen Instituts für Zeitgeschichte (DIZ), einer Vorgängerinstitution des IPW, zurückgegriffen werden. 101 Aschmann, Nutzen, S. 22. 102 Biermann, Freundschaftliche Verbundenheit, S. 203. 103 Angelehnt an Methode und Praxis der Oral History: vgl. Niethammer (Hrsg.), Lebenserfahrung; Wierling, Oral History.
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I. Einleitung
Otto Pfeiffers und Alonso Álvarez de Toledos als Tonmitschnitte vor. Auf Transkription und Abdruck im Anhang wurde verzichtet. Das Zeitzeugengespräch mit Otto Pfeiffer war insbesondere hinsichtlich der Einrichtung der DDR-Botschaft und protokollarischer Angelegenheiten im franquistischen Madrid aufschlussreich und konnte Arbeitshypothesen zu Motiven und Interessen der SED bei der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen bestätigen bzw. ergänzen. Vom spanischen diplomatischen Corps standen Alonso Álvarez de Toledo, letzter Botschafter Spaniens in der DDR (1985–1990) und Antonio Ortiz García, Gesandter des MAE in Ost-Berlin 1977 und Generalkonsul Spaniens in West-Berlin Mitte der 1980er Jahre, für Gespräche zur Verfügung. Im Fall Pfeiffers, Álvarez de Toledos und Ortiz Garcías konnte außerdem auf deren schriftliche Erinnerungen zurückgegriffen werden, die neben Anekdoten und Lokalkolorit aus Madrid bzw. OstBerlin sachliche Hinweise liefern. Ferner ist für die Zeit der Transición und das Interesse der spanischen Sozialisten an der DDR die Person Enrique Gimbernats von besonderem Interesse, Rechtsanwalt und emeritierter Strafrechtsprofessor an der Universität Complutense. Relevant im Gespräch mit ihm waren seine persönlichen Erfahrungen in der DDR, wo er 1979 als Wahlverteidiger den prominenten Regimekritiker Robert Havemann in einem Devisen-Prozess zu vertreten suchte.
II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975 1. Vorgeschichte: Die Unmöglichkeit offizieller Beziehungen bis 1973 Bei seiner Ankunft in Madrid am 3. Mai 1973 zeigte sich Otto Pfeiffer überrascht davon, dass er am Flughafen Barajas von Emilio Pan de Soraluce y Olmos, dem Protokollchef des MAE und damit einem ranghohen spanischen Beamten, empfangen wurde.1 Ebenfalls erstaunt hatte bereits im Januar 1973 die bundesdeutsche Presse auf die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Ost-Berlin und Madrid reagiert und diese als „effektvolle […] Überraschung […]“ zur Kenntnis genommen.2 Auch die spanischen Kommunisten erklärten, von der Beziehungsaufnahme „überrascht" worden zu sein.3 Während Pfeiffers positive Überraschung daher rührte, dass er im franquistischen Spanien keine „freundliche Geste“ gegenüber einem Vertreter der DDR erwartet hatte,4 lag das Erstaunen der Bundesrepublik darin begründet, dass Bonn zunächst nur mit der Eröffnung von Handelsvertretungen gerechnet hatte.5 Die Überraschung der spanischen Kommunisten ging dagegen mit Enttäuschung und Unverständnis einher, stellten diplomatische Beziehungen Ost-Berlins „mit Franco“ in ihren Augen doch einen historisch und politisch „unbegreiflich[en] Sonderfall“ dar.6 Dass die zeitgenössischen Beobachter den Austausch von Botschaftern zwischen der DDR und Spanien mehrheitlich als exzeptionell – oder, wie der PCE, gar als Skandalon – wahrnahmen, ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass offizielle Kontakte zwischen den beiden Ländern bis zum Jahreswechsel 1972/73 inexistent waren. Im Folgenden werden zunächst drei Dimensionen bestimmt, die solche bis dato unmöglich gemacht hatten: eine historische, die vor allem durch die Rezeption des spanischen Bürgerkriegs in der DDR geprägt war, eine damit eng verknüpfte ideologische Dimension sowie eine politische, die durch die Handlungsspielräume der jeweiligen Außenpolitiken und die Rahmenbedingungen des Kalten Kriegs bestimmt wurde. Anschließend werden die wenigen Kontaktmomente, die es auf wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet dennoch gab, daraufhin überprüft, ob sie exzeptioneller Natur blieben oder als Wegbereiter für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen gelten können. 1 2 3
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Vgl. Pfeiffer, Erinnerungen. O. V., Madrid macht mit Ost-Berlin den Anfang, in: FAZ vom 13. 01. 1973, S. 5. ZK des PCE, Über die Herstellung von diplomatischen Beziehungen zwischen der DDR und der Regierung von Franco. Erklärung des Plenums des Exekutivkomitees der Kommunistischen Partei Spaniens, 25. 02. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 8–13, hier: Bl. 9. Pfeiffer, Erinnerungen. Vgl. o. V., Madrid macht mit Ost-Berlin den Anfang, in: FAZ vom 13. 01. 1973, S. 5. ZK des PCE, Brief an das ZK der SED, 4. Mai 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 92– 100, hier: Bl. 93.
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II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
1.1 Die historische Unmöglichkeit offizieller Beziehungen: Rezeption und Erbe des spanischen Bürgerkriegs in der DDR In einem Schreiben an das ZK der SED im Mai 1973 führte PCE-Generalsekretär Santiago Carrillo „offensichtlich historische[…] Gründe“ an, die seines Erachtens diplomatische Beziehungen zwischen der DDR und Spanien unmöglich machten.7 Damit war nicht nur die Beteiligung deutscher, insbesondere kommunistischer Freiwilliger am spanischen Bürgerkrieg (1936–1939) gemeint, sondern auch der in der DDR propagierte Kult um die ehemaligen sogenannten Spanienkämpfer.8 Michael Uhl spricht von einem bewusst tradierten „Mythos Spanien“, der „in keinem anderen Staat […] so kultiviert [wurde] wie in der DDR“ und der die Erinnerung an den spanischen Bürgerkrieg zum Bestandteil der antifaschistischen Gründungsnarration und Identität der DDR machte.9 Indem Carrillo gegenüber der „Bruderpartei“ auf „[t]iefe gemeinsame revolutionäre Kampfestraditionen“ 10 rekurrierte und in einem zweiten Brief betonte, dass die „antifaschistischen Traditionen der deutschen Kommunisten […] so hervorragend in ihrer ruhmreichen Teilnahme an den Internationalen Brigaden ihren Ausdruck gefunden“ hätten,11 bemühte er genau jenes Narrativ, mit dem die SED ein historisches Vermächtnis im Kampf gegen Franco beanspruchte: So versah etwa „Neues Deutschland“ seinen Leitartikel zum dreißigsten Jahrestag des Ausbruchs des spanischen Bürgerkriegs 1966 mit der Überschrift „Der spanische Freiheitskampf und wir“.12 Die darin aufgeworfene Frage, was die DDR berechtige, Gastgeberin einer Gedenkveranstaltung von Spanienkämpfern aus aller Welt zu sein, wurde damit beantwortet, dass „Spanien 1936 bis 1939 […] auch zu den großen Traditionen der deutschen Arbeiterbewegung“ gehöre und „ein wesentliches Stück deutscher Geschichte“ sei.13 Im Kontext des Kalten Kriegs reklamierte die SED das Erbe der Internationalen Brigaden auch zur Abgrenzung von der Bundesrepublik:14 Während sich Hitlerdeutschland durch seine Schützenhilfe für Francos Truppen im spanischen Bür-
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Ebenda. Vgl. die deutschsprachige Literatur zum spanischen Bürgerkrieg umfassend darstellend und neue Tendenzen berücksichtigend: Buschak, Wolke der Hoffnung; Collado Seidel, Entre la esvástica. Sammelrezension zu den neuesten Perspektiven und Trends der Bürgerkriegsforschung: Kössler, Mobilisierung. Zur deutschen Beteiligung auf beiden Seiten des spanischen Bürgerkriegs: Legner, Solidaridad; Mühlen, Spanien. 9 Uhl, Mythos, S. 13. Zur Rezeption des spanischen Bürgerkriegs in der DDR vgl. als Quelle Kühne, Krieg in Spanien, insb. S. 85–94. Zur Besprechung: McLellan, Antifascism; Krammer, Cult. 10 ZK des PCE, Über die Herstellung von diplomatischen Beziehungen zwischen der DDR und der Regierung von Franco. Erklärung des Plenums des Exekutivkomitees der Kommunistischen Partei Spaniens, 25. 02. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 8–13, hier: Bl. 9. 11 ZK des PCE, Brief an das ZK der SED, 4. Mai 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 92– 100, hier: Bl. 92. 12 O. V., Der spanische Freiheitskampf und wir, in: ND vom 21. 07. 1966, S. 1–2, hier: S. 1. 13 Ebenda. 14 So auch Jüngling, Alternative Außenpolitik, S. 9.
1. Vorgeschichte: Die Unmöglichkeit offizieller Beziehungen bis 1973
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gerkrieg „auf die Entfesselung des zweiten Weltkrieges vorbereitet[…]“ habe, sei „das andere, das antifaschistische Deutschland zum Kampf gegen den Faschismus und gegen den drohenden zweiten Weltkrieg“ angetreten.15 Auch zeitgenössisch setze die Regierung in Bonn „Hitlers Kumpanei mit Franco“ fort,16 während in der DDR die antifaschistische Tradition „ihre Früchte“ 17 trage und sich die ehemaligen Spanienkämpfer nur dort „zu Hause“ fühlen könnten.18 Ingesamt lebten ungefähr 600 ehemalige Interbrigadisten in der DDR. Dies entsprach etwa der Hälfte der deutschen Überlebenden des spanischen Bürgerkriegs und damit weniger, als in der DDR propagiert und auch in der Forschung lange Zeit angenommen wurde.19 Hinzu kam eine kleine Gruppe von wenigen hundert spanischen Emigranten, die in der DDR im republikanischen Exil lebten; am größten und politisch aktivsten waren ihre Kollektive in Ost-Berlin und Dresden.20 Als anerkannte Verfolgte des Naziregimes (VdN) erhielten sie eine Ehrenpension und finanzielle Unterstützung durch den Staat und profitierten während der Parteisäuberungen und Mitgliederüberprüfungen bis 1952 von ihrer Teilnahme am Bürgerkrieg.21 Nicht wenige von ihnen hatten verantwortliche Ämter in der Nationalen Volksarmee (NVA) und im Partei- und Staatsapparat inne, weshalb Uhl darin gar eine „Omnipräsenz der Spanienkämpfer“ ausmacht.22 Eine solche war in außenpolitischen Funktionen jedoch nicht gegeben, wo Spanienveteranen eher die Ausnahme blieben.23 Ernst Scholz etwa hatte 1938 als Angehöriger der XI. Internationalen Brigade an der Schlacht am Ebro teilgenommen und war von 1969 bis 1974 erster stellvertretender Minister für Auswärtige Angelegenheiten.24 Ebenso Diplomat und zeitgleich stellvertretender Außenminister (1961–1973) war Georg Stibi, der während des spanischen Bürgerkriegs u. a. Rundfunksendungen des illegalen „Deutschen Freiheitssenders 29,8“ moderiert und unter Franz Dahlem gearbeitet hatte.25 In einer Stellungsnahme seines Ministerbüros zur Konzeption des drei-
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O. V., Der spanische Freiheitskampf und wir, in: ND vom 21. 07. 1966, S. 1–2, hier: S. 1. O. V., Franco und seine Freunde in Bonn, in: ND vom 27. 01. 1969, S. 2. 17 O. V., Der spanische Freiheitskampf und wir, in: ND vom 21. 07. 1966, S. 1–2, hier: S. 2. Vgl. auch Hoffmann, Schlusswort, S. 120–121. Von den Institutionen in der DDR sahen sich insbesondere NVA und FDJ in direkter Tradition der Internationalen Brigaden: vgl. Wüstenhagen, Bürgerkrieg, S. 19. 18 O. V., In der DDR fühlen wir Spanienkämpfer uns zu Hause, in: ND vom 21. 07. 1966, S. 3. 19 Vgl. Uhl, Mythos, S. 99. Wüstenhagen geht beispielsweise noch davon aus, dass sich „die meisten“ der überlebenden deutschen Spanienkämpfer nach 1945 in der SBZ ansiedelten: Wüstenhagen, Bürgerkrieg, S. 13. 20 Vgl. Uhl, Mythos, S. 235–250. Zur spanischen Exilgemeinde in der DDR vgl. auch: Eiroa San Francisco, Españoles, insb. S. 143–155; Denoyer, L’exil; Kreienbrink, Umgang; Poutrus, Teure Genossen, insb. 233–241. 21 Vgl. Uhl, Mythos, S. 276, 300. 22 Ebenda, S. 277. 23 Vgl. Hoffmann, Schlusswort, S. 128; Kühne, Krieg, S. 88–89. 24 Vgl. Schütze, Frankreich, S. 493. 25 Vgl. Stibi, Georg, in: Müller-Ensberg u. a. (Hrsg.), Wer war wer: https://www.bundesstiftungaufarbeitung.de/de/recherche/kataloge-datenbanken/biographische-datenbanken/georg-stibi. Letzter Zugriff am 20. 10. 2022.
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II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
ßigsten Jahrestags des Beginns des spanischen Bürgerkriegs 1966 legte Stibi besonderen Wert darauf, dass dieser nicht als Bürgerkrieg, sondern als „national-revolutionäre[r] Freiheitskrieg[…]“ zu bezeichnen sei.26 Dies entsprach dem gängigen Narrativ der DDR-Historiografie, nach welchem das gesamte spanische Volk 1936 Opfer einer internationalen faschistischen Verschwörung bzw. eines faschistischen Interventionskriegs geworden war.27 Es ist daher von einiger Brisanz, dass sowohl Georg Stibi als auch Ernst Scholz als stellvertretende Außenminister bei der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zum franquistischen Spanien direkt beteiligt waren.28 Besonders relevant für die Beurteilung des parteiinternen Diskurses über die Beziehungsaufnahme ist jedoch, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung mit Kurt Hager, Alfred Neumann, Walter Ulbricht und Paul Verner vier von sechzehn Mitgliedern des Politbüros Spanienkämpfer waren; ferner war mit Erich Mielke ein weiterer ehemaliger Interbrigadist Kandidat des Politbüros. Daneben wurde Franz Dahlem – als ehemaliger Leiter der Zentralen Politischen Kommission der Internationalen Brigaden der prominenteste deutsche Spanienkämpfer – 1963 auf Beschluss der Parteiführung Vorsitzender des neu geschaffenen „Solidaritätskomitees für das spanische Volk in der DDR“ und der ab 1965 im KdAW bestehenden „Sektion ehemaliger Spanienkämpfer“.29 Das Solidaritätskomitee wurde vom ZK der SED in Reaktion auf wiederholtes Hilfeersuchen der spanischen „Bruderpartei“ zur Unterstützung ihrer klandestinen Arbeit gegründet und aus Mitteln des FDGB und KdAW sowie durch Spenden finanziert.30 Gemeinsam mit der Sektion ehemaliger Spanienkämpfer diente es in der DDR zu deren Organisation und hatte wesentlichen Anteil am Kult um den spanischen Bürgerkrieg, wobei sich Aufgabenbereiche und Mitglieder häufig überlagerten.31 Ein wesentlicher Auftrag bestand darin, das offizielle Geschichtsbild einer heroischen Beteiligung deutscher Kommunisten in der Öffentlichkeit zu propagieren und in FDJ und NVA erzieherisch einzusetzen.32 Dies erfolgte etwa durch Benennung von Brigaden, Straßen und staatlichen Auszeichnungen nach Interbrigadisten, durch Einladung ehemaliger Spanienkämpfer in Schulen und FDJ-Gruppen, durch Herausgabe von Gedenkbriefmarken und Etablierung von Gedenktagen. Das Solidaritätskomitee gab außerdem ein „Infor-
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MfAA, Ministerbüro Stibi, Stellungnahme zur Konzeption für die Durchführung des 30. Jahrestages des Beginns des spanischen Freiheitskampfes, 1966, in: PA AA, M 1, A 1425, Bl. 1–3, hier: Bl. 1. 27 Vgl. Wüstenhagen, Bürgerkrieg, S. 16. 28 Vgl. Einträge zu Scholz und Stibi in: Deutsches Institut für Zeitgeschichte (Hrsg.), Antifaschisten, S. 78, 92. 29 Vgl. Nachlass Franz Dahlem, Korrespondenz mit Parteiführung (1962–74), Brief Dahlems an Axen, undatiert, in: SAPMO-BArch, NY 4072/212, Bl. 16–19, hier: Bl. 18. Für eine ausführliche Darstellung des „Solidaritätskomitees für das spanische Volk“ vgl. Grebe, Grußadressen, insb. S. 70–73; Uhl, Mythos, S. 221–235. 30 Vgl. Sekretariat des ZK der SED, Arbeitsprotokoll Nr. 25/63, 20. 05. 1963, in: SAPMO-BArch, DY 30/61038, Bl. 1–14, hier: Bl. 1. 31 Vgl. Uhl, Mythos, S. 251–252. 32 Vgl. ebenda., S. 219, 252.
1. Vorgeschichte: Die Unmöglichkeit offizieller Beziehungen bis 1973
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mations-Bulletin“ heraus; es hatte eine monatliche Auflage von 850 Exemplaren und wurde neben Spanienkämpfern in der DDR, der Bundesrepublik und im Ausland auch an Hochschulen, Institute, Großbetriebe, Zeitungsredaktionen und führende SED-Funktionäre versandt.33 Solidarität wurde in Form von Spendensammlungen, Post- und Paketversand an politische Gefangene und deren Familien in Spanien, finanzieller und materieller Unterstützung für den PCE sowie Unterschriftenaktionen und Protestschreiben gegen spanische Ministerien geübt.34 Neben dem Solidaritätskomitee und der Sektion war der FDGB ein weiterer Akteur des Spanienkults in der DDR. Er sah durch die Solidarität mit Spanien gleich zwei seiner Aufträge erfüllt: Seinem leninistischen Selbstverständnis nach wirkten die Solidaritätsmaßnahmen mobilisierend für den „Aufbau des Sozialismus“ im Innern und erfüllten nach außen das Prinzip des proletarischen Internationalismus, dem sich der FDGB als Mitglied des Weltgewerkschaftsbundes verpflichtet fühlte.35 Gelegenheit, dies zu demonstrieren, bot sich 1963 im Zuge der weltweiten Proteste gegen die Hinrichtung des spanischen Kommunisten Julián Grimau: Der Bundesvorstand des FDGB schloss sich einem Begnadigungsappell Nikita Chruschtschows an und sandte „im Namen von über sechs Millionen Gewerkschaftern“ ein Protesttelegramm an den spanischen Ministerrat. Ferner wurde eine Woche der „Solidarität mit den Werktätigen und den Völkern Spaniens“ veranstaltet, auf deren Kundgebungen ehemalige Spanienkämpfer sprachen.36 Wenngleich „Neues Deutschland“ als Grund für die emotionale Empörung über das Franco-Regime in erster Linie das historische Vermächtnis des spanischen Bürgerkriegs nannte,37 lässt sich am Fall Grimau das dezidiert politische und in der Gegenwart verhaftete Selbstverständnis der ostdeutschen „Spanien“-Akteure ablesen: Franz Dahlem wollte die Arbeit des Solidaritätskomitees und der Sektion der Spanienkämpfer als eine „mehr politisch ausgerichtete Arbeit“ verstanden wissen, die neben der Solidarität insbesondere der „so bedeutungsvoll[en]“ politischen Entwicklung in Spanien „große Aufmerksamkeit widmen“ müsse. Entsprechend forderte er von Hermann Axen in dessen Funktion als Chefredakteur von „Neues Deutschland“ (1956–1966) eine politischere Berichterstattung über die
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Vgl. Nachlass Franz Dahlem, Korrespondenz mit Parteiführung (1962–74), Brief Dahlems an Axen betr. deutsch-französische und deutsch-spanische Zusammenarbeit, 11. 11. 1969, in: SAPMO-BArch, NY 4072/212, Bl. 20–26. 34 Vgl. ebenda; Solidaritätskomitee für das spanische Volk in der DDR (1966–75), Brief Irmgard Rese an Franz Dahlem betr. Solidaritätsarbeit zur Unterstützung des gegen den FrancoFaschismus kämpfenden spanischen Volkes, 17. 07. 1974, in: SAPMO-BArch, DY 57/791, unpag.; KdAW, Sektion Spanienkämpfer (1966–76), Tätigkeitsbericht des Solidaritätskomitees für das Jahr 1975, 21. 01. 1976, in: SAPMO-BArch, DY 57/786, unpag.; Demokratischer Frauenbund Deutschlands (DFD), Bundesvorstand, Hausmitteilung an die Abteilung Internationale Verbindungen betr. Mitarbeit im Solidaritätskomitee für das spanische Volk, 26. 05. 1975, in: SAPMO-BArch, DY 31/1465, Bl. 1–16. 35 Vgl. Jüngling, Alternative Außenpolitik, S. 9–10. 36 O. V., Übt Solidarität mit Spanien!, in: ND vom 14. 06. 1963, S. 1. 37 Vgl. o. V., Mordurteil gegen Grimau von Franco nicht aufgehoben, in: ND vom 20. 04. 1963, S. 1.
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II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
Aktionen des Komitees und der Sektion.38 Richard Jäger, Vizepräsident des deutschen Bundestags in Bonn, legte ebendiese politische Agenda bloß, indem er öffentlich die ostdeutsche mit der spanischen Diktatur verglich und zu dem Schluss kam, dass die Toten an der Berliner Mauer schlimmer wiegten als die Repressionen des Franco-Regimes. Er forderte ein Ende der „Verfemung“ Spaniens durch „die Linke“ und mehr Beachtung für die Mauertoten als für die Hinrichtung „des spanischen Massenmörders Julian [sic!] Grimau“.39 Auch der spanische Informations- und Tourismusminister Manuel Fraga Iribarne kommentierte ein Protestschreiben des Solidaritätskomitees im Dezember 1963 mit einem zynischen Verweis auf die Berliner Mauer, welche die Komitee-Mitglieder offenbar von einer Reise nach Spanien und der Möglichkeit abhalte, sich vor Ort ein Bild über die Verhältnisse zu machen.40 Das spanische Außenministerium stellte gar Überlegungen über eine Zurückweisung der DDR an, da sich „Neues Deutschland“ als offizielles staatliches Organ mit seiner übermäßigen Berichterstattung über die Hinrichtung Grimaus in die Angelegenheiten Spaniens einmische.41 Da keine diplomatischen Beziehungen bestanden, blieb ein offizieller Protest jedoch aus. Die Arbeit der Spanienakteure in der DDR war insofern erfolgreich, als in der ostdeutschen Öffentlichkeit mit dem zwanzigsten Jahrestag des Bürgerkriegsbeginns 1956 ein breites Interesse am Thema „Spanien“ einsetzte. Es etablierte sich mit dem 25. Jahrestag 1961 und den Massenprotesten gegen die Hinrichtung Grimaus und spanische Polizeieinsätze gegen Bergarbeiterstreiks in Asturien und León 1963, erlebte 1965 mit der Gründung der „Sektion“ im KdAW als „Initiatorin und Triebfeder“ des Interbrigadistenkults einen weiteren Aufschwung und fand mit den Feierlichkeiten zum dreißigsten Jahrestag 1966 einen Höhepunkt.42 Franz Dahlem stellte Ende 1969 in einem Brief an Hermann Axen zufrieden fest, dass das Solidaritätskomitee „in unserer Republik einen breiten Einflussbereich“ habe.43 Ein noch heute sichtbares plastisches Relikt dieser Propagandaarbeit ist die von Fritz Cremer ab 1966 geschaffene und 1968 eingeweihte Gedenkstätte deutscher Interbrigadisten im Volkspark Friedrichshain in Berlin,44 die auf Be38
Nachlass Franz Dahlem, Korrespondenz mit Parteiführung (1962–74), Brief Dahlems an Axen, undatiert, in: SAPMO-BArch, NY 4072/212, Bl. 16–19, hier: Bl. 18–19. 39 Zitiert nach Müller, Beziehungen, S. 47. Vgl. auch Aschmann, Treue Freunde, S. 431. 40 Vgl. Uhl, Mythos, S. 231. 41 Vgl. Bericht der Osteuropa-Abteilung des MAE: MAE, Informe de la Dirección de Asuntos Políticos de Europa Oriental, 07. 06. 1963, in: AGA, Fondo A. Ex., Leg. R – 7232, Exp. 19, neue Sig. 82/17774, unpag.: „La DDR mantiene la lucha contra España en todos los campos de su vida […]. La intensidad y duración de todos estos actos practicados por organismos oficiales […] y la intromisión en los asuntos internos de otro estado […] es tal, que bien valdría la pena de estudiar si conviene hacer notar de algún modo sensible a la DDR por nuestra parte cuán inaceptable es ése proceder.“ 42 Uhl, Mythos, S. 221, 231, 251, 259. 43 Nachlass Franz Dahlem, Korrespondenz mit Parteiführung (1962–74), Brief Dahlems an Axen betr. deutsch-französische und deutsch-spanische Zusammenarbeit, 11. 11. 1969, in: SAPMOBArch, NY 4072/212, Bl. 20–26, hier: Bl. 24. 44 Vgl. o. V., Heute Enthüllung des Denkmals für die Spanienkämpfer, in: ND vom 07. 09. 1968, S. 1. Vgl. auch Karte mit Erinnerungsorten des spanischen Bürgerkriegs in Berlin: Hacken-
1. Vorgeschichte: Die Unmöglichkeit offizieller Beziehungen bis 1973
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schluss des ZK der SED 1965 durch den Magistrat von Berlin und hauptverantwortlich durch die KdAW-Sektion der ehemaligen Spanienkämpfer in Auftrag gegeben wurde.45 Sie ist erstens Ausweis dafür, dass der „Mythos Spanien“ dreißig Jahre nach Ende des Bürgerkriegs zu einem etablierten Bestandteil der antifaschistischen Traditionspflege der DDR geworden war: Während sie den ehemaligen Spanienkämpfern „zu Ehren“ gewidmet war,46 sollte sie zugleich „ausdrücken, dass der Kampf weitergeht“.47 Der Künstler selbst betonte, dass das Spanienkämpferdenkmal deshalb „nicht irgendwo in der Welt“ stehe, „sondern bei uns in der Deutschen Demokratischen Republik“.48 Zweitens zeigen Entstehung und Umsetzung, dass der Interbrigadistenkult zwar von der SED verwaltet und in Anspruch genommen, jedoch nicht in besonderem Maße angeleitet wurde.49 Eine erste Initiative war bereits 1960 vom ehemaligen Spanienkämpfer Hans-Hugo Winkelmann ausgegangen, der dem ZK der SED die Errichtung eines „Ehrenmals“ und die Umwandlung des wilhelminischen Kyffhäuserdenkmals in Thüringen in einen „proletarischen Ehrenhain“ vorgeschlagen hatte.50 Kulturminister Klaus Gysi berichtete an den Ost-Berliner Oberbürgermeister Friedrich Ebert positiv über das Projekt „der ehemaligen Spanienkämpfer“ und machte deutlich, dass er dieses „begrüße und befürworte“ und sich sein Ministerium daher an der Finanzierung beteiligen wolle.51 Auch auf die künstlerische Gestaltung nahm die Sektion direkten Einfluss: Einen ersten Entwurf Cremers, in welchem sich der übergroße Kämpfer kniend auf sein Bajonett stützte und bereits im Fallen begriffen war, lehnte sie ab und legte dem Künstler nahe, die Körper- und Armhaltung des Kämpfers dahingehend zu verändern, dass dieser „vorwärts zum Angriff stürmen[d]“ gezeigt würde.52 Die Motive auf der 1971 hinzugefügten Stele von Siegfried Krepp wurden ebenfalls von der Sektion der ehemaligen Spanienkämpfer im Vorfeld detailliert festgelegt und von Krepp entsprechend umgesetzt.53
berg/Muñoz Sánchez, Spaniens Himmel: http://spanien-berlin.de/images/karte_berlin.PDF. Letzter Zugriff am 20. 10. 2022. 45 Vgl. KdAW, Sektion Spanienkämpfer (1967–71), Aktennotiz über Unterredung Sektionsvertreter mit Fritz Cremer am 22. Juni 1967, 23. 06. 1967, in: SAPMO-BArch, DY 57/815, unpag. 46 MfK, Büro des Ministers Klaus Gysi, Brief Gysis an den Oberbürger der Hauptstadt der DDR Genossen Friedrich Ebert, 01. 04. 1967, in: BArch, DR 1/9838, unpag. 47 KdAW, Sektion Spanienkämpfer (1967–71), Aktennotiz über Unterredung Sektionsvertreter mit Fritz Cremer am 22. Juni 1967, 23. 06. 1967, in: SAPMO-BArch, DY 57/815, unpag. 48 O. V., Die Welt erkennen helfen, in: ND vom 08. 03. 1969, S. 11. Vgl. auch Schmidt, Fritz Cremer, S. 70–71. 49 Vgl. Uhl, Mythos, S. 261, 267. 50 KdAW, Sektion Spanienkämpfer, Schriftwechsel (1970/1976–87), Brief eines ehemaligen Spanienkämpfers (11. Intern. Brigade), Hans Winkelmann, an Kurt Schwotzer, ZK der SED, 19. 06. 1960, in: SAPMO-BArch, DY 57/789, unpag. 51 MfK, Büro des Ministers Klaus Gysi, Brief Gysis an den Oberbürger der Hauptstadt der DDR Genossen Friedrich Ebert, 01. 04. 1967, in: BArch, DR 1/9838, unpag. 52 KdAW, Sektion Spanienkämpfer (1967–71), Aktennotiz über Unterredung Sektionsvertreter mit Fritz Cremer am 22. Juni 1967, 23. 06. 1967, in: SAPMO-BArch, DY 57/815, unpag. 53 Vgl. KdAW, Sektion Spanienkämpfer (1967–71), Korrespondenz Sektion-KdAW bzgl. StelenRückseite des Spanienkämpferdenkmals, 11. 02. 1969, in: SAPMO-BArch, DY 57/815, unpag.
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II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
Die Erweiterung des Denkmals im Frühjahr 1971 und seine Drehung zur mehr beachteten Straßenseite war freilich kein Zufall: Sie wurden zeitgleich mit den massiven internationalen Protesten gegen den sogenannten Burgos-Prozess in Spanien vorangetrieben, an deren „noch nie zuvor gesehener Mobilisierung gegen die [Franco-]Diktatur“ sich die DDR prominent beteiligte.54 Der Arbeitsplan der Spanienkämpfer-Sektion für das Jahr 1972 sah als Maßnahme die „[s]ystematische Organisierung von Besuchern am Spanienkämpferdenkmal“ 55 vor und Sektionssekretär Kurt Höfer rief im Oktober 1972 zu noch mehr propagandistischer Arbeit auf: „In Vorbereitung der X. Weltfestspiele [1973] wird es erforderlich sein, von jedem ehemaligen Interbrigadisten noch mehr […] zu fordern, sein Wissen und seine Erfahrungen im Kampf und für Frieden und Sozialismus in vielfältiger Weise der jungen Generation zu übermitteln.“ 56
Unmittelbar vor der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Madrid wurden die Erinnerung an den Bürgerkrieg und der „Mythos Spanien“ in der DDR also nach wie vor aktiv gepflegt. Entsprechend waren die Empörung des PCE und die Mahnung, dass man die ostdeutschen Genossen offenbar „an einige historische Tatsachen erinnern“ müsse, weniger wörtlich gemeint, sondern als zynische Kritik an der ideologischen „Vergessenheit“ der SED-Außenpolitik.57
1.2 Die ideologische Unmöglichkeit offizieller Beziehungen: Ostdeutscher Antifaschismus und spanischer Antikommunismus Der spanische Bürgerkrieg war aufgrund der italienischen, deutschen und sowjetischen Interventionen bereits von Zeitgenossen zum „erste[n] bewaffnete[n] Aufeinandertreffen von ‚Faschismus‘ und ‚Antifaschismus‘“ 58 und zur „erste[n] Schlacht des 2. Weltkrieges“ 59 stilisiert worden. Diese Zuspitzung auf einen ideologischen
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Prieto, Apologie S. 260. Vgl. allgemein zum Burgos-Prozess, bei dem 16 Mitglieder der baskisch-separatistischen Terrororganisation ETA bzw. Aktivisten aus deren Umfeld angeklagt waren: ders., Burgos-Prozess: https://www.lexikon-der-politischen-strafprozesse.de/glossar/ burgos-prozess-1970/. Letzter Zugriff am 20. 10. 2022. Speziell zum Wandel der internationalen Haltung gegenüber dem franquistischen Spanien und der historischen Bedeutung des Prozesses für das späte Franco-Regime: Muñoz Sánchez, Wandel, S. 200. 55 KdAW, Sektion Spanienkämpfer, Arbeitspläne, Protokolle, Ferienlager für spanische Kinder (1966–77), Arbeitsplan für das Jahr 1972, 20. 01. 1972, in: SAPMO-BArch, DY 57/818, unpag. 56 KdAW, Sektion Spanienkämpfer (1966–76), Brief Kurt Höfers an einen ehemaligen Spanienkämpfer, 17. Oktober 1972, in: SAPMO-BArch, DY 57/786, unpag. 57 ZK des PCE, Über die Herstellung von diplomatischen Beziehungen zwischen der DDR und der Regierung von Franco. Erklärung des Plenums des Exekutivkomitees der Kommunistischen Partei Spaniens, 25. 02. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 8–13, hier: Bl. 9. 58 Collado Seidel, Vernichtung, S. 191. 59 ZK des PCE, Über die Herstellung von diplomatischen Beziehungen zwischen der DDR und der Regierung von Franco. Erklärung des Plenums des Exekutivkomitees der Kommunistischen Partei Spaniens, 25. 02. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 8–13, hier: Bl. 9.
1. Vorgeschichte: Die Unmöglichkeit offizieller Beziehungen bis 1973
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Konflikt wurde dem Charakter des Bürgerkriegs als komplexe Eskalation zahlreicher primär innerspanischer, ins 19. Jahrhundert zurückreichender Konflikte zwar nicht gerecht,60 fand sich aber dennoch in vereinfachten und stark ideologisierten Feindbildern des jeweils „Anderen“.61 So setzten Geschichtswissenschaft, Politik und Presse der DDR bis 1973 Franquismus und Faschismus gleich, ohne unterschiedliche Phasen und politisch-ideologische Entwicklungen des Franco-Regimes zu differenzieren.62 Hatte man im spanischen Bürgerkrieg gegen den Faschismus gekämpft, musste in der Logik des „Mythos Spanien“ das franquistische Spanien ein Hort des „real-existierenden Faschismus“ und damit ein denunzierter politischer Gegner sein.63 Konsequenterweise lehnte das MfAA im Mai 1955 die Aufnahme des seit dem Potsdamer Abkommen von 1945 unterbrochenen Post- und Fernmeldeverkehrs nach Spanien mit der Begründung ab, dass „Spanien […] ein faschistischer Staat [sei], an dessen Spitze die reaktionäre Franco-Regierung steht, die […] ihrem Charakter nach völlig der Regierung Hitlers gleicht. Schon allein diese Tatsache ist ein Grund, mit einem solchen Staate keine Beziehungen zu pflegen.64
Obgleich im Herbst 1956 der Briefverkehr durch ein stillschweigendes Übereinkommen aufgenommen wurde,65 hieß es in einer Einschätzung des Außenministeriums 1959, dass es nicht Aufgabe der DDR-Außenpolitik sein könne, „Verbindungen mit offiziellen staatlichen Organen dieses Regimes zu suchen und zur Erhöhung seines Prestiges beizutragen.“ 66 Auch Mitte der 1960er Jahre sah die DDR offiziell noch „keine Notwendigkeit, die Beziehungen zu Spanien zu forcieren“,67 sondern im Gegenteil „[j]egliche politische Aufwertung des Franco-Regimes sowie der Beziehungen der DDR zu Spanien […] unbedingt zu vermeiden.“ 68 In unveränderter Rhetorik verurteilte „Neues Deutschland“ Ende der 1960er Jahre, als in Spanien in Reaktion auf studentische Proteste ein dreimonatiger Ausnahmezustand ausgerufen wurde, Franco als den „Henker des spanischen Volkes“ und sein Regime als
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Vgl. Müller, Beziehungen, S. 21. Zu Hintergründen und Anlässen des spanischen Bürgerkriegs vgl. Bernecker, Krieg, S. 5–24. 61 Collado Seidel, Vernichtung, S. 197. 62 Für eine konzise Zusammenfassungen der Debatte um Charakter und Wandel der FrancoDiktatur vgl. Kössler, Europäisierung, S. 39; Prieto, Apologie, S. 16–19; Malefakis, Franco Dictatorship, S. 248–254. Zur Frage nach der Ideologie des Franquismus vgl. Aschmann, Treue Freunde, S. 79–81. Zum Verhältnis von Franquismus und Faschismus vgl. Bernecker, Verspäteter Faschismus; ders., Franco-Regime. 63 Jüngling, Alternative Außenpolitik, S. 9. Zum Gebrauch des Begriffs Faschismus im Umgang mit politischen Gegnern der DDR vgl. Leo, Antifaschismus. 64 MfAA, Abteilung Westeuropa, Post- und Fernmeldeverkehr zwischen der DDR und Spanien und seinen Kolonien, 14. 05. 1955, in: PA AA, M 1, A 12331, Bl. 18–19, hier: Bl. 18. 65 Vgl. MfAA, Information an die Botschafter der DDR in den Sozialistischen Ländern, 09. 03. 1957, in: PA AA, M 1, A 12331, Bl. 7. 66 MfAA, Abteilung Westeuropa, Einschätzung über die wirtschaftliche, innen- und außenpolitische Entwicklung Franco-Spaniens im Jahre 1959, undatiert, in: PA AA, M 1, A 12331, Bl. 57. 67 MfAA, Abteilung Westeuropa, Außenpolitische Direktive für die Entwicklung der Handelsbeziehungen mit Spanien, 08. 08. 1963, in: PA AA, M 1, A 12331, Bl. 59–60, hier: Bl. 60. 68 MfAA, Europäische Abteilung, Direktive für die Entwicklung der Beziehungen zu Spanien, 22. 01. 1965, in: PA AA, M 1, A 12331, Bl. 63–72, hier: Bl. 70.
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II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
„faschistische Franco-Diktatur“.69 Bis zur Aufnahme eigener diplomatischer Beziehungen mit Spanien konnte der Faschismusvorwurf auf diejenigen Regierungen ausgeweitet werden, die zu „dem Mord- und Terrorregime […] besondere[…] Beziehungen“ pflegten: „Sage mir, mit wem du umgehst, und ich sage dir, wer du bist“, schrieb das Zentralorgan der SED 1969 und meinte damit in erster Linie die Bundesrepublik.70 Im Kontext des Kalten Kriegs diente der DDR nicht nur das postulierte „Erbe“ der internationalen Brigaden zur Abgrenzung von der Bundesrepublik, sondern auch das Kriterium der Existenz bzw. Nichtexistenz offizieller Beziehungen zu Franco-Spanien: „Auch am Umgang der Bonner Prominenz mit der Franco-Diktatur […] lässt sich erkennen, wes Geistes Kind die Herren am Rhein sind.“ 71 Außenpolitisch konnte sich das SED-Regime in Zeiten der Nichtanerkennung also gewissermaßen zweifach am „ideologischen Antagonismus“ 72 zu Spanien emanzipieren: Erstens durch die Abgrenzung von der Bundesrepublik und zweitens als laute und stetige Stimme im Protest gegen das Franco-Regime, mit der sie zumindest bei einigen in der Sache sympathisierenden westeuropäischen und lateinamerikanischen Staaten ihr internationales Ansehen mehren konnte.73 Der Antikommunismus des Franco-Regimes hatte ebenfalls den Bürgerkrieg als zentralen Referenzpunkt. Franco schrieb 1952, dass die „Nationale Erhebung“ – so der Staatsstreich der Militärs vom Juli 1936 in der franquistischen Rhetorik – notwendig gewesen sei, um das „Übel des internationalen Kommunismus“ aus spanischem Boden „zu reißen“, da dieser den „Sowjetterror“ in Spanien habe errichten wollen.74 In der Tat hatte der Antimarxismus als „zentrale[s] theoretische[s] Gerüst zur Motivation“ des nationalen Lagers im Bürgerkrieg gedient, der zu einem „Kreuzzug“ gegen den „gottlosen Bolschewismus“ stilisiert worden war.75 Nach dem Sieg Francos wurde das „rote Spanien“ zum Feindbild erklärt und als „antispanisch“ denunziert. Als Beweis wurde u. a. die Legende einer ver-
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O. V., Franco und seine Freunde in Bonn, in: ND vom 27. 01. 1969, S. 2. Ebenda. 71 Ebenda. 72 Jüngling, Außenpolitik, S. 13. 73 Vgl. ebenda, S. 10: „Kein Land in Europa war geeigneter [als Spanien] für die DDR, sich […] aus der internationalen Isolation zu befreien.“ Für eine Auflistung der Staaten, die ebenfalls gegen die Hinrichtung Grimaus protestierten, vgl. Schulz, Werner, Vision des spanischen Bürgerkriegs, in: FAZ vom 20. 04. 1963, S. 17; o. V., Protest gegen Mordurteil, in: ND vom 20. 04. 1963, S. 5. 74 Boor, Masonería, S. 12: „El Alzamiento español […] tuvo que extirpar de nuestro suelo dos males: el de la masonería […] y el comunismo internacional, […] que había llegado al momento, por nadie discutido, de implantar por la fuerza el terrorismo del comunismo soviético.“ Die Sammlung der 1946 in der falangistischen Tageszeitung „Arriba“ erschienen Aufsätze von Francisco Franco und Luis Carrero Blanco wurde 1952 unter dem Pseudonym „J. Boor“ veröffentlicht und 1981 durch die Fundación Nacional Francisco Franco unter der Nennung von Francos Autorschaft neu aufgelegt: Franco Bahamonde, Masonería. Vgl. auch Ferrer Benimeli, Franco, S. 101. 75 Collado Seidel, Vernichtung, S. 196–197. An republikanischen Kriegsgefangenen sollte in der psychiatrischen Abteilung des Heeres gar nach pathologischen Wurzeln des Marxismus geforscht werden: vgl. Richards, Time of Silence, S. 57.
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meintlichen Verscherbelung des sogenannten „spanischen Goldes“ an sowjetische „Manipulanten“ in Moskau angeführt.76 Nach dem Zeiten Weltkrieg stand diese ideologische Prägung dem Franco-Regime zunächst im Weg und führte zu seiner internationalen Isolation.77 Auch wegen der Schützenhilfe Hitlers und Mussolinis stand das „Schmuddelkind“ Spanien „international länger als jeder andere Staat der Welt im Ruf faschistisch zu sein“ und galt, wenngleich nicht als dringend zu stürzen, doch als „unberührbar“.78 Als jedoch die Anti-Hitler-Koalition zerbrach und im Zeichen des Kalten Kriegs aus Antifaschismus Antikommunismus wurde,79 gereichte Franco seine ideologische Orientierung zum Vorteil: Neben geostrategischen und wirtschaftlichen Überlegungen war es auch der prominente Antikommunismus, der Franco-Spanien ins Blickfeld der Westmächte rückte. Insbesondere die religiöse Motivation des spanischen Antikommunismus und sein „ostentative[r] Rekurs auf den Katholizismus“ verliehen dem Regime den Anschein „moralischer Integrität“.80 Johannes Großmann argumentiert in seiner Untersuchung zur transnationalen Außenpolitik konservativer Zirkel in Westeuropa nach dem Zweiten Weltkrieg, dass Franco bewusst um eine „neue, katholische Legitimationsgrundlage für seine Herrschaft“ bemüht war,81 um sich den westlichen Demokratien zu empfehlen: „Indem er Spanien als das erste Opfer des Kommunismus darstellte und sich zum Vorkämpfer gegen die bolschewistische Bedrohung stilisierte, konnte [er] sich als erfahrenen und verlässlichen Bündnispartner sowie [Spanien] als militärische und ideologische Festung gegen das Vorrücken des Kommunismus […] anpreisen.“ 82
Dabei war der spanische Antikommunismus „personifiziert“ 83 in der Figur des Diktators, dessen Angst vor dem Kommunismus nahezu obsessive Züge eines Verfolgungswahns annahm.84 Er blieb nicht nur rhetorische Propaganda, sondern wurde „eliminatorische Praxis“ seines Regimes, das in „ideologische[r] Gnadenlosigkeit“ gegen alles vermeintlich Antispanische vorging, das unscharf unter dem
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Vgl. Antiespaña, in: Soriano, Diccionario, S. 37–38. Zur Legende des spanischen Golds vgl. Moser, Carsten R., Kein Gold in Moskau, in: Die Zeit vom 11. 03. 1977. 77 Zur Phase der internationalen Ächtung und zum Boykott Spaniens durch die Vereinten Nationen (UN) 1946 vgl. Niehus, Außenpolitik, S. 65–66; Bernecker, Geschichte, S. 86–89. 78 Müller, Beziehungen, S. 12, 25, 35. Muñoz Sánchez attestiert dem frühen Franco-Regime das „Stigma eines faschistischen Ursprungs“: Muñoz Sánchez, Wandel, S. 193. 79 Vgl. Niehus, Außenpolitik, S. 65. 80 Großmann, Internationale, S. 147. Zur religiösen Motivation des spanischen Antikommunismus und zur Ideologie eines „Antispaniens als Antikatholizismus“ vgl. Antiespaña, in: Soriano, Diccionario, S. 38. Auch Aschmann stellt hinsichtlich der internationalen Beurteilung Franco-Spaniens durch den Westen fest, dass „[u]nter dem Eindruck des Kalten Krieges [der] Faschismus-Vorwurf hinter einer Anerkennung der ideologischen Zuverlässigkeit Francos im Kampf gegen den Kommunismus zurück[trat]“ und Francos Wert „als politischer und militärischer Sicherheitsgarant in einer instabilen Region“ stieg: Aschmann, Treue Freunde, S. 446. 81 Großmann, Internationale, S. 146. 82 Ebenda, S. 147–148. 83 Niehus, Außenpolitik, S. 554. 84 Vgl. Collado Seidel, Ideologie, S. 64; Ferrer Benimeli, Franco, S. 102.
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Sammelbegriff „Kommunismus“ subsumiert wurde.85 Zwar nahm die massive politische und juristische Repression des ersten Nachkriegsjahrzehnts mit der Konsolidierung des Regimes allmählich ab und war der Spätfranquismus weniger stark ideologisch geprägt als die unmittelbaren Nachkriegjahre oder die kommunistische SED-Herrschaft in der DDR,86 doch blieb der Antikommunismus eine stete integrative Säule des Franco-Regimes. Während die 1960er Jahre einerseits geprägt waren durch einen starken sozialen Wandel, eine Öffnung der Wirtschaft und des Marktes, den einsetzenden Massentourismus nach Spanien und die Entsendung hunderttausender Arbeitsemigranten nach Europa, beharrte Franco auf der Bedrohung Spaniens durch ausländische Kräfte, darunter den Kommunismus.87 1963 beklagte er gegenüber seinem Vetter Francisco Franco Salgado-Araújo eine internationale Agitationskampagne gegen Spanien durch Kommunisten, Sozialisten und Freimaurer und mahnte, dass es daher nach wie vor gelte, „bereit für den Kampf zu sein“ und er entsprechend „gut“ über sämtliche Verschwörungsabsichten „informiert“ sei.88 Diese Habtachtstellung schloss nicht aus, dass Spanien 1961 ein Zahlungs- und Bankenabkommen mit der DDR schloss. Vertreter des DDR-Außenhandelsministeriums und der Deutschen Notenbank, die im Frühjahr 1961 nach Madrid reisten, lobten in ihrem Delegationsbericht die „freundliche[…] Begrüßung“ durch die spanischen Verhandlungspartner, darunter Vertreter des spanischen Handelsministeriums, das Überreichen von Geschenken und das bereitwillige Entgegenkommen der spanischen Seite in einigen strittigen Punkten.89 Dies scheint im Widerspruch zu Francos Äußerungen zu stehen, erklärt sich jedoch mit dem Eintritt Spaniens in die Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) 1959, mit dem der Mangel des Franco-Regimes an Devisen eklatant wurde.90 In dieser Situation erinnerte man sich im Madrider Handelsministerium an 85 86
Schüler-Springorum, Antikommunismus, S. 175–182. Für eine quantitative Schätzung der Opfer von Bürgerkrieg und Repression vgl. Malefakis, Franco Dictatorship, S. 250; Bernecker, Geschichte, S. 56–60. Bernecker weist darauf hin, dass Franco spätestens nach 1945 den Einfluss der faschistischen Falange zurückdrängte und darauf verzichtete, die Ideologie der Partei weiterzuentwickeln: ebenda, S. 78–79. Uhl spricht von einer demonstrativen Entfaschisierung des Regimes ab Ende der 1940er Jahre, um die internationale Isolation zu überwinden: Uhl, Mythos, S. 222. 87 Vgl. eine Ansprache Francos vor Offizieren in Valencia im Juni 1962, abgedruckt in La Vanguardia vom 19. 06. 1962, S. 5, übersetzt in Collado Seidel, Ideologie, S. 65: „Wie ich schon immer gesagt habe, sind die Gefahren nicht vorüber. Wir haben uns seit Anbeginn […] der Freimaurerei und dem Kommunismus als Feinden der Würde unseres Vaterlandes entgegengestellt. […] Jene Kräfte, die im Ausland gelenkt werden, versuchen nun mit allen Mitteln den inneren Frieden in unserem Vaterland zu zerstören.“ 88 Franco Salgado-Araújo, Conversaciones, S. 366: „Como estoy bien informado de todo cuanto se trama en las logias y en las reuniones comunistas y socialistas, nada me cogerá de sorpresa; hay que estar preparados para la lucha.“ 89 Deutsche Notenbank, Bericht über die Reise nach Spanien zum Zwecke des Abschlusses einer Zahlungs- und Handelsvereinbarung in der Zeit vom 13. 2.–4. 3. 61, 30. 03. 1961, in: SAPMOBArch, DY 30/80959, Bl. 326–335. 90 Vorgängerinstitution der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Vgl. die Einschätzung des MfAA zu den spanischen Motiven hinter dem Zahlungs-
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das Angebot aus Ost-Berlin, Waren auf Clearing-Basis auszutauschen und lud eine DDR-Delegation zu Verhandlungen nach Madrid ein.91 Ab Beginn der 1960er Jahre schlossen sich also postulierte ideologische Ansprüche beider Regime und ein begrenzter interessengeleiteter Außenhandel nicht mehr gänzlich aus. Entsprechend wurde im kleinen Kreis derer, die in Spanien außerhalb kommunistischer oder gewerkschaftlicher Zirkel Kontakte oder Kenntnisse über die DDR hatten – häufig über das spanische Konsulat in West-Berlin – ein nüchterneres Bild von der DDR gezeichnet.92 Aufschlussreich ist hierfür ein dokumentarischer Bericht des viel gereisten spanischen Essayisten und Journalisten Fernando Díaz-Plaja über die DDR, der am 12. Dezember 1970 in der katholischen Madrider Tageszeitung „Ya“ erschien. Zwar berichtete Díaz-Plaja in süffisantem Ton und mit deutlicher antikommunistischer Malice von einem Tagesausflug nach Ost-Berlin, doch entwarf er auch ein sehr gut informiertes Bild der DDR. Ohne freilich auf den Diktatur-Charakter Spaniens einzugehen, kritisierte er das SED-Regime scharf als solche: In ideologischen Fragen kopiere sie plump die Sowjetunion, die Fremdenführerin habe er in Sachen „Freiheit der Meinungsäußerung“ belehren müssen und „bei Ulbricht“ glaube er, „[a]lle Träume Hitlers vom ‚Kolossalen‘“ verwirklicht zu sehen. So könne man in Ost-Berlin „glauben, sich in Hitlerdeutschland zu befinden, bis man entdecken würde, dass das Hakenkreuz auf den gigantischen Gebäuden durch Hammer und Sichel ersetzt worden ist.“ 93 Gleichzeitig fand er viel Anerkennung für materielle und sozialpolitische Leistungen der DDR und betonte deren wirtschaftliche Stärke als „6. industrielle Macht in der Welt“.94 In gleicher Weise, wie Díaz-Plajas ideologische Abneigung gegen das kommunistische Re-
und Bankenabkommen: „Spanien war zum Abschluss dieses Abkommens mit der DDR bereit, weil die wirtschaftspolitische Situation des Landes sehr schwierig ist. Nachdem [sic!] im Juli 1950 vollzogenen Eintritt in die OECD […] hat sich die Lage noch verschlechtert […]. Im Handel mit den sozialistischen Ländern wird ein gewisser Ausweg gesehen, weil hier die Möglichkeit einer ausgeglichenen Bilanz gegeben ist […].“ MfAA, Abteilung Westeuropa, Kurze Einschätzung des Bankenabkommens zwischen der DDR und Spanien, 19. 04. 1961, in: PA AA, M 1, A 17106, Bl. 141–142, hier: Bl. 142. 91 Die DDR hatte bereits 1956 ein Bankenabkommen mit dem Estado Novo Salazars in Portugal abgeschlossen und bewertete dieses als „Erfolg für die DDR“, weil „erstmalig die Parität der DM der Deutschen Notenbank der DDR anerkannt“ wurde: MfAA, Abteilung Westeuropa, Kurze Einschätzung des Bankenabkommens zwischen der DDR und Portugal, 19. 04. 1961, in: PA AA, M 1, A 17106, Bl. 80–81, hier: Bl. 80. 92 Dies traf freilich nicht auf die extrem rechten Ultra-Falangisten und Militärs zu, für welche die DDR ein ebensolches Feindbild war wie das Franco-Regime für die SED. Aus ihrem Kreis trug sich am 3. September 1956 an der innerdeutschen Grenze nahe Buttlar in Thüringen ein singulärer Akt gegen die DDR zu, als Antonio de la Lastra Rueda, ein waffentragender Oberst der spanischen Luftwaffe, den DDR-Grenzpolizisten Waldemar Estel in einem gezielten Überfall erschoss. Zum genauen Tathergang und den Ermittlungen vgl. Schoeder/Staadt (Hrsg.), Todesopfer, S. 462–464; o. V., Waldemar Estel zur letzten Ruhe gebettet, in: ND vom 08. 09. 1956, S. 1. 93 Fernando Díaz-Plaja, Besuch in Ostberlin, in: Ya vom 12. 12. 1970; in Übersetzung abgelegt in: Solidaritätskomitee für das spanische Volk in der DDR, Materialien zur Lage in Spanien (1963–1976), in: SAPMO-BArch, DY 57/791, unpag. Im Staatswappen der DDR waren keine Sichel, sondern Ährenkranz und Zirkel abgebildet. 94 Ebenda.
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gime in Ostdeutschland eine analytisch-realistische Berichterstattung nicht ausschloss, sollte es drei Jahre später auf politisch-diplomatischer Ebene möglich werden, dass Francisco Franco Peter Lorf als ersten Botschafter eines europäischen kommunistischen Landes persönlich im Königspalast in Madrid empfing und wiederum zwei Jahre später, am 1. Oktober 1975, in seiner letzten Rede vom Balkon ebendieses Palasts auf einer „freimaurerisch-linken Verschwörung“ insistierte, die mit einer „kommunistisch-terroristischen Subversion“ gegen Spanien zusammenarbeite.95 Ideologisch schlossen in den 1950er und 60er Jahren freilich auch die Beziehungen zwischen den „Bruderparteien“ SED und PCE offizielle Kontakte zwischen der DDR und Spanien aus. Federführend wurden die Parteikontakte zum PCE von der Abteilung Internationale Verbindungen im ZK der SED unterhalten. Da in Spanien zunächst keine äquivalenten gewerkschaftlichen Strukturen existierten, lief auch die Solidaritätspolitik des FDGB über die Parteikanäle des PCE.96 Dabei galt für die Beziehungen zu den spanischen Kommunisten nur sehr bedingt, was für die Kontakte der SED zu den kommunistischen und Arbeiterparteien der übrigen westeuropäischen Länder galt: Da der PCE verboten war und aus Exil und Klandestinität heraus operierte und da offizielle Beziehungen zu Spanien ohnehin unerwünscht waren, mussten die Beziehungen zur „Bruderpartei“ nicht dazu dienen, fehlende diplomatische Kontakte zu kompensieren.97 Dies hatte zur Folge, dass die Beziehungen zwischen SED und PCE stark ideologisch geprägt waren: Ihre Außenpolitiken fußten auf den Prinzipien der Solidarität und des proletarischen Internationalismus und verlangten im gemeinsamen „antiimperialistischen Kampf “ „brüderlichen Zusammenhalt“, „Übereinstimmung, gegenseitige Unterstützung [und] Hilfs- und Opferbereitschaft“.98 Gemeinsames Ziel war die Beendigung der Franco-Diktatur, wobei der spätere DDR-Volkskammerpräsident Horst Sindermann 1960 das zusätzliche Interesse der SED betonte, dies mit Angriffen gegen den „Militarismus“ der Bundesrepublik zu verbinden.99 Die spanischen Genossen befürworteten die Idee des gleichzeitigen Kampf gegen den „westdeutschen Imperialismus“ 100 und begrüßten 1961 entsprechend den Bau der 95
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Rede Francos am 01. 10. 1975, abgedruckt in ABC vom 02. 10. 1975: „Todo obedece a una conspiración masónica izquierdista en la clase política en contubernio con la subversión comunista-terrorista en lo social, que si a nosotros nos honra, a ellos les envilece.“ Vgl. Jüngling, S. 19. Vgl. Wentker, Außenpolitik oder transnationale Beziehungen?, S. 41. Bulla führte für die Außenpolitik der DDR bis 1972 den Begriff der „Kryptodiplomatie“ ein, die auf semi-offiziellem Weg die diplomatische Blockade zu umgehen suchte: Bulla, Außenpolitik, S. 31. Böhme/Schütz (Hrsg.), Kleines politisches Wörterbuch, S. 787–788. Für eine Analyse des Prinzips der Solidarität als „Wesensmerkmal des Internationalismus“ vgl. Grebe, Grußadressen, S. 19–24. Zur ideologischen Prägung der Außenpolitik des PCE bis 1975 vgl. Ramos DiezAstrain, PCE, S. 432–433: https://www.academia.edu/39364774/Las_huellas_del_Franquismo. Letzter Zugriff am 21. 10. 2022. Grebe, Grußadressen, S. 64. PCE, Sección Relaciones Internacionales, Memorandum sobre las relaciones comerciales de la República Democrática Alemana con España, Juni 1967, in: AHPCE, Sección Rel. Intern., Jacq. 446, unpag.
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Berliner Mauer, für die Dolores Ibárruri, Ikone des Bürgerkriegs und Präsidentin des PCE, Walter Ulbricht persönlich ihre „tiefste[…] Bewunderung“ aussprach.101 Neben dieser „brüderlichen“ Verbundenheit, die sich in konkreter finanziell-materieller Unterstützung für den PCE äußerte,102 gewährte die SED der spanischen „Bruderpartei“ die Möglichkeit zur eigenen Kadeschulung in der DDR. Von 1964/ 65 bis 1968 finanzierte sie eine klandestine Parteischule für den PCE in LimbachOberfrohna bei Chemnitz, an der in insgesamt acht Lehrgängen mehr als zweihundert spanische Genossen von Dozenten aus der Sowjetunion und Spanien unterrichtet wurden.103 Bei dieser von der SED bis zu Beginn der 1970er Jahre selbstverständlich und großzügig gewährten Unterstützung für den PCE spielte die gemeinsame historische Referenz auf den Bürgerkrieg und eine daraus erwachsene „tiefe emotionale Bindung“ 104 durchaus eine wichtige Rolle. Santiago Carrillo räumte 1999 in einem Interview ein, dass „[d]ie Deutschen, die die SED führten, […] für [die spanischen Kommunisten] etwas Besonderes“ gewesen seien und innerhalb der kommunistischen Bewegung einen „Sympathievorteil“ genossen hätten.105 Zugleich wusste er um die Sonderstellung der spanischen Kommunisten in der DDR, denen der Bürgerkrieg „eine[n] besondere[n] Nimbus“ verliehen habe; die deutschen Genossen seien „besonders sensibilisiert“ gegenüber Spanien gewesen, „weil viele von ihnen in Spanien gekämpft hatten. Spanien bedeutete für sie ihre Jugend, es war die beste Zeit ihres Lebens gewesen […]“.106 So wurden spanische Kommunisten nicht nur zu Schulungen und SED-Parteitagen in die DDR eingeladen, sondern auch als Referenten und Experten für antifaschistischen Widerstand und Kampf.107 Auf diese Weise fand der PCE in den 1950er und 60er Jahren in der DDR Raum zur Vorstellung der eigenen Oppositionspolitik und die ihm in Spanien fehlende politische Öffentlichkeit.
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Schreiben Dolores Ibárruris an Walter Ulbricht, 08. 11. 1963, in: PA AA, M 1, A 12335, Bl. 10. Für Hilfssendungen nach Spanien wurden in den 1960er Jahren jährlich 60 000 Mark aufgewandt; dazu kamen finanzielle Unterstützung für Rechtshilfe und materielle Zuwendungen, ferner die Finanzierung von Kur- und Krankenhausaufenthalten spanischer Genossen in der DDR: vgl. FDGB-Bundesvorstand, Information über die Beziehungen des FDGB mit den spanischen Arbeiterkommissionen an das ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, 13. 01. 1971, in: SAPMO-BArch, DY 30/13474, Bl. 1–3; Grebe, Grußadressen, S. 73–77. Vgl. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Zusammenarbeit SED mit Parteien und Organisationen in Spanien, Bd. 1 (1963–67), Bericht über den ersten Lehrgang der Kommunistischen Partei Spaniens in der Zeit vom 6. 11. 1964–10. 12. 1965, undatiert, in: SAPMO-BArch, DY 30/13471, Bl. 1–2, 86; Grebe, Grußadressen, S. 79–83. Grebe, Grußadressen, S. 57. Dies., Gespräch mit Santiago Carrillo, S. 82. Ebenda, S. 92. Vgl. beispielsweise 1967 eine Einladung des ZK der SED an den PCE, einen Referenten in die DDR zu entsenden und „auf propagandistischen Veranstaltungen“ zum Thema „Der Kampf der Kommunistischen Partei Spaniens für den Zusammenschluss der oppositionellen Kräfte zum Sturz des Franco-Regimes“ vorzutragen: ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Brief Markowskis an das ZK des PCE, 26. 05. 1967, in: AHPCE, Sección Rel. Intern., Jacq. 343, Bl. 9–10.
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Anderen spanischen oppositionellen Kräften wurde eine solche Unterstützung nicht gewährt. Als 1960 der Präsident der republikanischen Exilregierung in Paris, Emilio Herrera Linares, in einem Brief an Ministerpräsident Otto Grotewohl „Sympathie und moralische Hilfe“ der DDR im Kampf gegen Franco erbat, entschieden MfAA und ZK nach Konsultation mit den Botschaftern der DDR in den sozialistischen Ländern, sein Ersuchen nicht zu beantworten und „keinerlei Versuche“ zu unternehmen, „Beziehungen mit ihr [der Exilregierung] herzustellen“.108 Obgleich Herrera Linares ebenfalls auf das gemeinsame Ziel des Kampfes gegen das Franco-Regime verwies,109 schlug die DDR die angebotene „Freundschaf “ mit der Begründung aus, dass die Exilregierung eine „Gruppe bürgerlicher und wahrscheinlich rechts-sozialdemokratischer Exilpolitiker“ sei, die „sich durch ihren Antikommunismus ausgezeichnet haben“ und nicht mit dem PCE zusammenarbeiteten.110 Mit der Ablehnung erwies die SED in erster Linie dem PCE einen Freundschaftsdienst, der die Exilregierung nicht anerkannte; unfreiwillig kam sie jedoch auch der Bitte Francos an seine Verbündeten nach, die republikanische Exilregierung strikt abzulehnen. Vor diesem Hintergrund war es ideologisch durchaus brisant, dass der ehemalige Spanienkämpfer Georg Stibi, der zu dem Zeitpunkt Botschafter der DDR in der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik (ČSSR) war, in seinem Brief an das MfAA klar für die Ablehnung des Hilfegesuchs der republikanischen Exilregierung eintrat.111 Als 1960 ein Anwerbeabkommen zwischen der Bundesrepublik und Spanien unterzeichnet wurde und damit die Massenemigration spanischer Arbeitskräfte in die Bundesrepublik einsetzte, ergab sich für SED und PCE ein weiteres „Tätigkeitsfeld“ zur Kooperation in der zeitgleichen Bekämpfung von Franco-Diktatur und „westdeutschem Imperialismus“. Die sogenannten Gastarbeiter galten sowohl in Bonn als auch in Ost-Berlin als „an sich unpolitisch“ 112 und waren damit für Manipulationsversuche jeglicher politisch-ideologischer Couleur von Interesse. Die Bundesrepublik etwa wollte erstens die Loyalität der spanischen Arbeitskräfte in Bezug auf die Frage des westdeutschen Alleinvertretungsanspruchs sicherstellen und hoffte zweitens auf eine langsame Demokratisierung Spaniens durch demo-
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Botschaft der DDR in Prag, Brief des Botschafters Georg Stibi an den stellvertretenden Außenminister Johannes König betr. spanische Exilregierung, 10. 01. 1961, in: PA AA, M 1, A 17106, Bl. 98. Exilregierung der Spanischen Republik, Brief des Präsidenten Emilio Herrera Linares an Otto Grotewohl, 04. 11. 1960, in: PA AA, M 1, A 17106, Bl. 111–112, hier: Bl. 112. MfAA, 5. Europäische Abteilung, Hausmitteilung des Abteilungsleiters Marum an den stellvertretenden Außenminister Johannes König betr. spanische Regierung, 14. 11. 1960, in. PA AA, M 1, A 17106, Bl. 109. Vgl. Botschaft der DDR in Prag, Brief des Botschafters Georg Stibi an den stellvertretenden Außenminister Johannes König betr. spanische Exilregierung, 10. 01. 1961, in: PA AA, M 1, A 17106, Bl. 98. AA, Ref. 206, Aufzeichnung betr. Betreuung spanischer Gastarbeiter in der Bundesrepublik, hier: Kommunistische Infiltration und deutsche Abwehrmaßnahmen, 11. 07. 1962, in: PA AA, Ref. 206/181, Bl. 396–397, hier: Bl. 397.
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kratieerfahrene Heimkehrer.113 Spanien wähnte seine Arbeiter in der Bundesrepublik in ideologischer Sicherheit und frei von kommunistischer Beeinflussung. Die spanischen Kommunisten setzten hingegen darauf, dass die Gastarbeiter durch gezielte kommunistische Propaganda mithilfe der DDR zum „Trojanischen Pferd“ gemacht werden könnten, das „bei der Rückkehr in die Heimat einen revolutionären Herd bilden und die Saat anti-franquistischer Indoktrination aufgehen lassen sollte“.114 Als der spanische Botschafter in Bonn, Luis de Urquijo y Landecho, Anfang der 1960er Jahre wiederholt „kommunistische Infiltrationsversuche“ gegenüber spanischen Gastarbeitern durch gemeinsame Aktionen des PCE und der SED meldete, sorgte dies für „Unruhe“ in Bonn.115 Ein Mitarbeiter des Auswärtigen Amts berichtete 1962 in einem Bericht über „Kommunistische Infiltration und deutsche Abwehrmaßnahmen“, dass der PCE „unter den spanischen Gastarbeitern im Bundesgebiet zu werben“ versuche und sich dabei „bemerkenswerterweise u. a. des Mittels der Einladung in die sog. DDR“ bediene. Dort sollten „die Gäste vorbildlich betreut – und selbstverständlich auch politisch bearbeitet werden.“ 116 „Die Welt“ berichtete im Juli 1962 unter der Überschrift „Das rote Netz der Dolores Ibarruri [sic!]“ ebenfalls von solchen Einladungen: „Im Januar war Pablo in der Sowjetzone. Er wurde mit großer Herzlichkeit empfangen. Erstklassiges Hotel, festliche Tafel, Autoreisen nach Heringsdorf und Leipzig, Besichtigung einer Fabrik und einer Hochschule. Alles kostenlos. Auch die umfangreichen propagandistischen Belehrungen.“ 117
Weiter berief sich der „Welt“-Redakteur auf Informationen, dass der PCE in Reaktion auf die durch die Franco-Regierung erteilten Ausreisegenehmigungen eigene Länderabteilungen gegründet habe, um die spanischen Arbeiter in den jeweiligen Gastländern gezielt „zu beeinflussen“. In der DDR würde diese Abteilung durch „[d]eutsche, kommunistische Spanienkämpfer, rote Gewerkschaftsfunktionäre und Mitarbeiter der Zentralkomitees“ der SED beraten.118 Diese Besorgnis wurde im Bericht des Referenten im Auswärtigen Amt (AA) geteilt, der fürchtete, „dass hier nicht nur in geschickter Weise eine wirksame kommunistische Propaganda betrieben wird, sondern dass diese Methoden auch geeignet sind, unseren Anlie-
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Vgl. Aschmann, Treue Freunde, S. 327. Ebenda, S. 328. AA, Ref. 206, Aufzeichnung betr. Betreuung spanischer Gastarbeiter in der Bundesrepublik, hier: Kommunistische Infiltration und deutsche Abwehrmaßnahmen, 11. 07. 1962, in: PA AA, Ref. 206/181, Bl. 396–397, hier: Bl. 396. Ebenda. O. V., Das rote Netz der Dolores Ibarruri [sic!], in: Die Welt vom 03. 07. 1962; abgelegt in: PA AA, Ref. 206/181, Bl. 395. Problematisch hinsichtlich der Überlieferung ist, dass sämtliche Informationen zu einer mutmaßlichen Kooperation zwischen SED und PCE aus bundesdeutschen Quellen stammen und sich die Aufzeichnungen des zuständigen Referenten im Auswärtigen Amt hauptsächlich auf westdeutsche Presseberichte berufen. Weder in den Parteiakten der SAPMO noch im Archiv des PCE waren Hinweise auf eine konzertierte Aktion zu finden, was diese freilich nicht ausschließen muss. Ebenda.
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gen in der Deutschlandfrage empfindlich Abbruch zu tun.“ 119 In der Hochphase des Kalten Kriegs und im Kontext von Massenstreiks spanischer Bergarbeiter im Frühjahr 1962, über die international berichtet wurde und deren ursprünglicher Charakter eines Arbeitskampfes durch die Forderung politischer Freiheiten einen zunehmend „politischen Anstrich erhielt“,120 wurde man im Auswärtigen Amt offenbar tatsächlich nervös ob einer drohenden kommunistischen Radikalisierung spanischer Arbeiter im eigenen Land. Man fühlte sich in „alte[r] Freundschaft“ der Zusicherung gegenüber der Franco-Regierung verpflichtet, dass ihre „Arbeitskräfte in Deutschland gut aufgehoben“ seien.121 Als Lösung des Problems schlug das Auswärtige Amt eine ideologische Gegenbeeinflussung der Gastarbeiter durch den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) vor: „Damit würde er [DGB] […] nicht nur der deutschen Sache dienen, sondern auch gleichzeitig die in ihrer Mehrzahl an sich unpolitischen Gastarbeiter in anti-kommunistischem Sinn beeinflussen helfen […].“ 122 Als „wirksames Mittel“ wurden vom DGB organisierte und finanzierte Reisen nach West-Berlin empfohlen, wo „der unmittelbare Anschauungsunterricht, wie ihn Berlin und die Mauer bieten, für Menschen mit der geistigen Aufnahmefähigkeit der Gastarbeiter von kaum zu überbietender Eindringlichkeit wäre[…].“ 123 Die Episode um die sogenannten Gastarbeiter zeigt, dass sowohl Bonn als auch Ost-Berlin über die Bande „Spanien“ spielten: Obgleich es auch um die Pflege der bilateralen Beziehungen bzw. Parteikontakte nach Spanien ging, handelte es sich in erster Linie um eine deutsch-deutsche Auseinandersetzung. Die Aufzeichnungen des AA-Referenten machen diese Priorität deutlich: Die spanischen Gastarbeiter sollten nicht „später einmal in ihrer Heimat als Sprachrohr Pankows auftreten“, sondern dort „für die Interessen des ganzen deutschen Volkes und für diejenigen der freien Welt“ eintreten.124 In der Tat ist davon auszugehen, dass die aus der Bundesrepublik zurückkehrenden Spanier einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die politisch-gesellschaftliche Emanzipation und die allmähliche Liberalisierung des Franco-Regimes hatten. Dies dürfte allerdings weniger auf eine bewusst konzertierte Propaganda-Aktion von PCE und SED bzw. von Bundesregierung und DGB zurückzuführen sein, sondern vielmehr auf die lebensweltlich gesammelten Erfahrungen in den demokratischen Strukturen der bundesdeutschen Gesellschaft und Politik.125 119
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AA, Ref. 206, Aufzeichnung betr. Betreuung spanischer Gastarbeiter in der Bundesrepublik, hier: Kommunistische Infiltration und deutsche Abwehrmaßnahmen, 11. 07. 1962, in: PA AA, Ref. 206/181, Bl. 396–397, hier: Bl. 396. Aschmann, Treue Freunde, S. 327. Ministerialdirektor des MAE, Marcial Polo, in einem Interview mit Heinz Barth, Bericht von Botschafter von Welck ans AA vom 14. 11. 1960, in: PA AA, Ref. 206/88; zitiert in Aschmann, Treue Freunde, S. 325–326. AA, Ref. 206, Aufzeichnung betr. Betreuung spanischer Gastarbeiter in der Bundesrepublik, hier: Kommunistische Infiltration und deutsche Abwehrmaßnahmen, 11. 07. 1962, in: PA AA, Ref. 206/181, Bl. 396–397, hier: Bl. 397. Ebenda, Bl. 396–397. Ebenda, Bl. 396. Vgl. Aschmann, Treue Freunde, S. 331–332.
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Ende der 1960er Jahre wäre eine solche Kooperation zwischen SED und PCE bereits kaum mehr vorstellbar gewesen. Mit der eurokommunistischen Ausrichtung des PCE unter Santiago Carrillo ab 1965 oszillierten die Parteibeziehungen zwischen der historisch-traditionell engen Bindung und zunehmenden ideologischen Diskrepanzen.126 Das ZK der SED vermerkte über die „Entwicklung der KP Spaniens“, dass sich „[s]eit Ende der 60er Jahre […] bei der KPS-Führung um Carrillo zunehmend revisionistische und nationalistische Tendenzen [zeigten], die mit öffentlicher Kritik an den sozialistischen Ländern einhergingen. […] Mit fragwürdigen und illusionären Konzeptionen wie dem ‚demokratischen Bruch‘ und dem ‚Pakt für die Freiheit‘ kam sie breiten Kreisen der spanischen Großbourgeoisie entgegen, die an einer ‚erschütterungsfreien‘ Entwicklung in Richtung einer bürgerlichen Demokratie interessiert waren.“ 127
Tatsächlich hatte der PCE bereits 1956 mit der „Politik der nationalen Aussöhnung“ einen Strategiewechsel hin zur klassenübergreifenden Zusammenarbeit mit allen antifranquistischen Oppositionsgruppen vollzogen und verfolgte mit dem Ziel einer „ruptura democrática“, einem demokratischen Bruch, einen demokratisch-parlamentarischen, nicht revolutionären Weg zur Überwindung des FrancoRegimes.128 Die SED stand einer antifranquistischen Einheitsfront der spanischen Opposition skeptisch gegenüber und warf dem PCE diesbezüglich in einem vertraulichen Bericht „übertriebenen Optimismus“ und einen „fehlenden klassenmäßigen Differenzierungsprozess“ vor.129 Auch die Beziehungen von Carrillos Partei zur kommunistischen Bewegung verfolgte die SED zunehmend skeptisch: So sei bei den spanischen Genossen „ein Abrücken von Grundauffassungen des Marxismus-Leninismus sowie eine von den Einschätzungen der KPdSU, SED und der Mehrzahl der Bruderparteien teilweise grundsätzlich unterschiedliche Beurteilung der Haupttendenzen des revolutionären Weltprozesses“ zu beobachten.130 Die Diskrepanzen führten zu einer Stagnation der Beziehungen und beim PCE zu einem „zurückgehende[n] Interesse für die Erfahrungen der SED beim Aufbau des Sozialismus und die Entwicklung der DDR“.131 Nach dem VII. Parteitag der SED im April 1967 reiste für mehrere Jahre keine PCE-Delegation nach OstBerlin. Das Zerwürfnis verschärfte sich mit dem Einmarsch der Truppen der War126
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Zur politischen Strömung des Eurokommunismus allgemein vgl. Woyke, Eurokommunismus; East (Hrsg.), Parties, S. 35–37. Speziell zum Eurokommunismus des PCE vgl. Timmermann, Spaniens Kommunisten; Steinkühler (Hrsg.), Eurokommunismus, S. 195–255, 376– 382; East, Parties, S. 137–140. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Informationsmaterial über die Kommunistische Partei Spaniens (KPS) und die Lage in der kommunistischen Bewegung in Spanien, Stand Februar 1987, undatiert, in: SAPMO-BArch, DY 30/13489, Bl. 147–158, hier: Bl. 149. Vgl. PCE, Dekret „Por la reconciliación nacional, por una solucción democrática y pacífica del problema español“, 06. 1956: http://www.filosofia.org/his/h1956rn.htm. Letzter Zugriff am 21. 10. 2022. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Informationsmaterial über die Kommunistische Partei Spaniens, 15. 08. 1969, in: PA AA, M 1, C 3586, Bl. 1–9, hier: Bl. 7. Ebenda. Ebenda, Bl. 9.
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schauer Vertragsstaaten in die ČSSR 1968, den das Exekutivkomitee des PCE verurteilte und damit seine Abkehr von der KPdSU einleitete.132 Als im September 1970 Enrique Líster, der zum orthodoxen Flügel der Partei gehörte und als prominenter Bürgerkriegsgeneral unter den exilierten spanischen Kommunisten in der Sowjetunion und in der DDR großen Einfluss besaß, als innerparteilicher Opponent Carrillos mit seinen Anhängern aus dem PCE ausgeschlossen wurde, reagierte die SED scharf: In einer streng vertraulichen Aktennotiz berichtete Franz Dahlem im November 1970, dass das ZK Carrillo endgültig „auf einen revisionistischen, nationalistischen und antisowjetischen Kurs abgeglitten“ sehe und insbesondere bedauere, dass auch Dolores Ibárruri als Präsidentin des PCE „keine konsequente Haltung“ beziehe und mit ihrem Verhalten die Position Carrillos stärke.133 Zwar hielt das ZK an der offiziellen Praxis, pro Land nur eine KP anzuerkennen, fest und hielt die Verbindungen zu Carrillos Partei aufrecht. Jedoch wurden alle Organisationen, die in Kontakt zum PCE standen, aufgefordert, beim ZK detaillierten Bericht über Form und Höhe der gewährten Unterstützung für die Spanier zu erstatten. Daraufhin wurden alle Solidaritätsfonds für das spanische Volk der Kontrolle des ZK unterstellt und Überweisungen storniert; bis auf Weiteres wurden keine Gelder mehr übermittelt.134 Wie schlecht die Stimmung zwischen den beiden „Bruderparteien“ Anfang der 1970er Jahre bereits war, zeigt auch die Tatsache, dass Franz Dahlem, der mit dem Solidaritätskomitee und der Sektion der ehemaligen Spanienkämpfer im KdAW bisher relativ autonom Beziehungen nach Spanien unterhalten hatte, vom ZK-Sekretär Axen deutlich in die Schranken gewiesen wurde. In einem Brief an Dahlem schrieb Axen Ende 1970: „Entsprechend dem Beschluss des Sekretariats des ZK hält nur das ZK der SED Verbindungen zur KP Spaniens. Das Solidaritätskomitee hat sich nicht mit internationale [sic!] Verbindungen zu beschäftigen, sondern konzentriert seine Arbeit auf Solidarität der DDR. […] Auch die [Weihnachts-]Veranstaltung des FDGB wird nicht für zweckmäßig erachtet in diesem Jahr. Die Lage ist zu kompliziert, und wegen des Weihnachtsmannes bereiten wir uns keine Schwierigkeiten in der internationalen kommunistischen Bewegung.“ 135
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Vgl. Kommuniqué des PCE, in: L’Humanité vom 28. 08. 1968; abgedruckt in: Ferrero Blanco, Reacciones, S. 240; Denoyer/Faraldo, Eurokommunistin, S. 186–191. Nachlass Franz Dahlem, Korrespondenz mit Parteiführung (1962–1979), Soli-Komitee für das spanische Volk in der DDR, Aktennotiz über die Besprechung bei der Abteilung Internationale Verbindungen des ZK der SED am 26. 11. 70, 02. 12. 1970, in: SAPMO-BArch, NY 4072/212, Bl. 62–65, hier: Bl. 62–63. Ebenda, Bl. 65; ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Schlussfolgerungen für Beratung mit gesellschaftlichen Organisationen betr. KP Spaniens, undatiert, in: SAPMOBArch, DY 30/13474, Bl. 131. Der Bundesvorstand des FDGB nannte als Grund für die Streichung des Fonds für die spanischen Arbeiterkommissionen (CC.OO.) zunächst Schwierigkeiten bei der Überweisung ab 1969, dann aber einen Beschluss des ZK der SED: vgl. FDGB, Bundesvorstand, Information über die Solidarität des FDGB mit dem spanischen Volk, 17. 07. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 168–170, hier: Bl. 168. Nachlass Franz Dahlem, Korrespondenz mit Parteiführung (1962–1979), Brief Axens an Dahlem, 20. 11. 1970, in: SAPMO-BArch, NY 4072/212, Bl. 60–61, hier: Bl. 60.
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In Absprache mit der KPdSU wurde die ausgeschlossene Gruppe um Enrique Líster zwar nicht offiziell, doch „vertraulich politisch-materiell“ von der SED unterstützt und eine Delegation unter der Leitung Lísters im Oktober 1971 vom ZK in OstBerlin empfangen.136 Vor diesem Hintergrund muss die Empörung des PCE über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der DDR und Spanien auch als Ausdruck der Enttäuschung über einen empfundenen Verrat an der historischemotionalen Bindung der beiden „Bruderparteien“ verstanden werden. Inhaltlich waren die Beziehungen bereits auf einem Tiefpunkt, sodass die Beziehungsaufnahme für den PCE nur einen weiteren Beweis für die von ihr als fehlgeleitet wahrgenommene Politik Ost-Berlins darstellte. In der Tat hatte bereits 1970 ein Informant des PCE, der aus Halle über die Lage in der DDR berichtete, die Diskrepanzen zwischen den „Bruderparteien“ für sehr groß erachtet und eine Anerkennung der Franco-Regierung durch die DDR nicht ausgeschlossen.137
1.3 Die politische Unmöglichkeit offizieller Beziehungen: Die Referenzmächte Sowjetunion und Bundesrepublik In den 1950er und 60er Jahren waren sowohl die DDR als auch Franco-Spanien außenpolitische „Underdogs“. Obgleich die DDR seit dem 1955 mit der Sowjetunion geschlossenen Souveränitätsvertrag offiziell eine eigenständige Außenpolitik verfolgte und sich das Franco-Regime nach Abkehr von der Autarkiepolitik Ende der 1950er Jahre sukzessive dem Westen annäherte, standen beide Staaten im Verdacht, außenpolitisch entweder fremdbestimmt oder weltfremd zu sein.138 Die DDR war im Westen völkerrechtlich nicht anerkannt und hatte aufgrund des Alleinvertretungsanspruchs und der daraus abgeleiteten Hallstein-Doktrin der Bundesrepublik wenig Aussicht auf eine Überwindung dieser Isolation. FrancoSpanien gewann zwar insbesondere mit der Bundesrepublik einen potenten Fürsprecher für seine Annäherung an den demokratischen Westen, konnte aber dennoch „nicht nach Belieben“ an dessen Zusammenrücken teilnehmen und blieb von der europäischen Integration zunächst ausgeschlossen.139 Das Primat der ost136
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ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Einschätzung über die Beziehungen der SED zu den beiden Kommunistischen Parteien Spaniens, 06. 07. 1971, in: SAPMOBArch, DY 30/13474, Bl. 116–118, hier: Bl. 117–118. Sekretariat des PCE, Informe al secretario del PCE sobre la RDA, Juli 1970, in: AHPCE, Sección Emigración política, Alemania, Jacq. 156, unpag. Zum Souveränitätsvertrag der DDR mit der Sowjetunion und der außenpolitischen Autonomie Ost-Berlins „in Theorie und Praxis“ vgl. Wentker, Außenpolitik in engen Grenzen, S. 82– 87. Graf bezeichnet alle bilateralen Beziehungen der DDR als „zumindest die längste Zeit […] an den Vorgaben aus Moskau orientiert“: Graf, Österreich, S. 16. Zur spanischen Außenpolitik schätzte der österreichische Botschafter in Madrid 1956 ein, dass sie „im Mond“ lebe: zitiert nach Müller, Beziehungen, S. 62. Vgl. Müller, Beziehungen, S. 57. Müller und Aschmann weisen darauf hin, dass Franco der liberalen europäischen Integration „à la Straßburg“ außerdem skeptisch gegenüberstand und daher zunächst „einen Umgang mit Europa“ finden musste: ebd; Aschmann, Treue Freunde, S. 13.
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II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
deutschen und der spanischen Außenpolitik lag deshalb auf dem Streben nach internationaler Anerkennung und Integration, allein aufgrund ökonomischer Notwendigkeiten. In der Gestaltung ihrer bilateralen Beziehungen waren Ost-Berlin und Madrid jedoch stark von internationalen Faktoren und mächtigeren Referenzmächten abhängig, weshalb auch die ostdeutsch-spanischen Beziehungen eingebettet in die jeweiligen Dreiecksverhältnisse mit der Sowjetunion bzw. der Bundesrepublik betrachtet werden müssen. Im Falle ernsthafter Bemühungen Ost-Berlins um offizielle Beziehungen zu Franco-Spanien hätte Moskau in den 1950er und 60er Jahren ein klares „Njet“ verlauten lassen, denn das Verhältnis zwischen der Sowjetunion und Franco-Spanien war von grundsätzlicher Feindschaft geprägt.140 Nach Ende des Bürgerkriegs unterstützten die Sowjets fast zehn Jahre lang den Widerstand einzelner kommunistischer Guerilla-Gruppen, die vor Franco in die Berge geflohen waren, durch Waffenhilfen.141 Außerdem befürwortete Moskau nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine alliierte Invasion zum Sturz des Regimes in Spanien, was die USA, Großbritannien und Frankreich ablehnten. Und auch in Österreich, dessen Außenpolitik bis zum Ende der Besatzungszeit 1955 durch den Alliierten Rat kontrolliert wurde, verhinderte die Sowjetunion angestrebte offizielle Beziehungen zu Spanien.142 Darüber hinaus lagen Madrid und Moskau im Konflikt um die Aufnahme spanischer Exilkommunisten in der UdSSR, darunter der Bürgerkriegsikone Dolores Ibárruri, sowie über das sogenannte „spanische Gold“, dessen durch Franco geforderter Rückgabe sich Moskau verweigerte.143 Ab Mitte der 1960er Jahre kam es auf parteipolitischer Ebene außerdem zu erheblichen Spannungen zwischen der KPdSU und dem PCE, weil letzterer den Führungsanspruch Moskaus innerhalb der kommunistischen Bewegung in Frage stellte.144 Die SED musste sich in ihrem außenpolitischen Agieren gegenüber Franco-Spanien und dem PCE daher immer der Zustimmung Moskaus versichern. Dies zeigte sich Mitte der 50er Jahre, als verschiedene staatliche Institutionen der DDR, u. a. Außenhandelskammer und Akademie der Wissenschaften, mit der Bitte ans MfAA herantraten, die offizielle Haltung gegenüber einer Kontaktaufnahme zu spanischen Institutionen zu lockern. Das MfAA regte daraufhin beim ZK der SED vorsichtig an,
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Zu den Beziehungen Franco-Spaniens zur UdSSR vgl. schon früh Claudín, Relaciones; Suárez Fernández, Franco. In einer 2018 erschienen zweisprachigen Monographie zu drei Jahrhunderten spanisch-russischer Geschichte beschäftigt sich ein sehr knappes Kapitel mit den Beziehungen zwischen der UdSSR und Franco-Spanien: vgl. Sagomonyán, URSS. Etwas ausführlicher werden die Handelsbeziehungen beleuchtet: vgl. Filátov, Relaciones. Vgl. Bernecker, Geschichte, S. 93–97. Im Oktober 1948 ordnete Stalin gegenüber dem PCE die Beendigung der Guerilla-Taktik an: vgl. Preston, Stalinist, S. 148–150. Vgl. Müller, Beziehungen, S. 48. Vgl. Moser, Carsten R., Kein Gold in Moskau, in: Die Zeit vom 11. 03. 1977. Der Konflikt um den Eurokommunismus des PCE führte dazu, dass die KPdSU ihre finanzielle Unterstützung für den PCE einstellte und Valutamittel Anfang der 1970er Jahre nur noch an die spanischen Arbeiterkommissionen (CC.OO.) zahlte: vgl. FDGB-Bundesvorstand, Abteilung Internationale Verbindungen, Solidaritätsleistungen des FDGB für Arbeiterkommissionen Spanien, undatiert, in: SAPMO-BArch, DY 34/11141, unpag.
1. Vorgeschichte: Die Unmöglichkeit offizieller Beziehungen bis 1973
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„die Revidierung unseres bisherigen Standpunktes zu erwägen“.145 Dabei argumentierte es in erster Linie mit der Position der Sowjetunion: Zwar wisse man sehr wohl um deren ablehnende Haltung gegenüber Beziehungen zum franquistischen Spanien, aber es seien auch „Anzeichen“ erkennbar, „die eine gewisse Änderung erwarten lassen“, nämlich die erstmalige Entsendung sowjetischer Wissenschaftler zu internationalen Kongressen nach Madrid.146 Eine solche Änderung trat zaghaft ab den 1960er Jahren ein, als es auf wirtschaftlichem, wissenschaftlichem und kulturellem Gebiet zu vereinzelten Kontakten zwischen der UdSSR und Spanien kam.147 An eine Normalisierung der politischen Beziehungen, d. h. die Errichtung von Handels- und Konsularmissionen oder gar an die Herstellung diplomatischer Kontakte, war aufgrund des starken Antikommunismus Francos und der ultrarechten Kräfte jedoch noch nicht zu denken. Dieser richtete sich nach wie vor besonders gegen die Sowjetunion, deren Präsenz in Madrid für die Ultras eine albtraumhafte Vorstellung blieb.148 Dennoch war die wirtschaftliche und kulturelle Annäherung zwischen Moskau und Madrid in den 1960er Jahren eine der Voraussetzungen für die späteren Verhandlungen zwischen der DDR und Spanien über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Die europäische Referenzmacht für Spanien war die Bundesrepublik. Nach dem Beitritt zu den Vereinten Nationen 1955 erklärte Außenminister Alberto MartínArtajo in seiner ersten Rede vor der UNO-Vollversammlung, dass es für Spanien nur ein Deutschland gäbe, nämlich die Bundesrepublik.149 Die Bonner Diplomaten wussten die uneingeschränkte Hallstein-Loyalität Spaniens zu schätzen und erwiderten sie mit einer verlässlichen Unterstützung der spanischen Westintegration.150 Die Nichtanerkennung der DDR, welche vom Auswärtigen Amt immer wieder eingefordert und durch spanische Vertreter u. a. gegenüber UNO-Gremien wiederholt beteuert wurde,151 machte offizielle Kontakte mit Ost-Berlin unmöglich. So lehnte der spanische Handelsminister Alberto Ullastres 1960 einen von der DDR vorgelegten Entwurf für ein Bankenabkommen zwischen dem Instituto Español de Moneda Extranjera und der Deutschen Notenbank mit der Begründung ab, dass dieses für Spanien zwar von Interesse sei, aber „einen zu offiziellen
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MfAA, Abteilung Westeuropa, Brief Plaschkes ans ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen betr. Material über Spanien, 09. 11. 1955, in: PA AA, M 1, A 12333, Bl. 15–18, hier: Bl. 18. Ebenda. Niehus spricht bis 1957 von einer „Phase der Feindseligkeit“ zwischen der UdSSR und Spanien, bis 1969 von einer „Respektierungspolitik“ und ab 1969 von einer „begrenzten Entspannungspolitik“: Niehus, Außenpolitik, S. 549–571. Vgl. Niehus, S. 564. Auch Claudín konstatiert für diese Phase eine Rücksichtnahme der spanischen Außenpolitik auf Francos „blinden Antikommunismus“: „Su anticomunismo visceral prima sobre otras consideraciones.“ Claudín, Relaciones, S. 247–248. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Bericht über die Beziehungen zwischen der DDR und Spanien im Jahre 1956, 23. 01. 1957, in: PA AA, M 1, A 12333, Bl. 5–8, hier: Bl. 5. Vgl. Aschmann, Mein Freund Felipe, S. 642. Spanischsprachig vgl. Sanz Díaz, España y la cuestión alemana. Aschmann, Mein Freund Felipe, S. 643.
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II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
Charakter“ trage.152 Als 1963 der Direktor des Leipziger Völkerkundemuseums an einem wissenschaftlichen Kongress in Teneriffa teilnahm, untersagte das MAE ausdrücklich, dass unter den Flaggen der Teilnehmerstaaten auch die der DDR gezeigt würde.153 Im selben Jahr kam das spanische Außenministerium der Bitte der bundesdeutschen Botschaft in Madrid nach, Einfluss auf die spanische Presse zu nehmen bezüglich der Bezeichnung der DDR als „Alemania Oriental“ und nicht etwa als „República Democrática Alemana“ bzw. „RDA“. Das MAE wies die Pressegeneraldirektion an, die Zeitungen entsprechend zu instruieren und begründete dies damit, dass ein Loyalitätsbeweis gegenüber Bonn im Interesse Spaniens sei.154 In der Tat vermied die spanische Presse die offizielle Benennung der DDR und bezeichnete sie üblicherweise als „Ostdeutschland“ oder „PankowRegime“.155 1964 wiederum wies das spanische Außenministerium die Beschwerde der bundesdeutschen Botschaft, dass die DDR bei der Angabe von Wechselkursen im amtlichen spanischen Gesetzblatt unter ihrem offiziellen Namen geführt werde, selbstbewusst zurück. Zur Begründung gab es an, dass der Gebrauch des Namens erstens üblicher geworden sei und man zweitens das 1961 mit der DDR geschlossene Bankenabkommen nicht gefährden wolle.156 Dieses gesteigerte Selbstbewusstsein gegenüber Alleinvertretungsanspruch und Loyalitätseinforderung der Bundesrepublik rührte sicher auch daher, dass die Bezeichnung der DDR im amtlichen spanischen Gesetzblatt für Bonn keinen allzu großen Stellenwert hatte. Brisanter war dagegen eine Episode im Oktober 1970, als sich das Auswärtige Amt in Bonn aufgrund von Spekulationen über eine mögliche Aufnahme konsularischer Beziehungen zwischen Spanien und der DDR kurzfristig beunruhigt zeigte. Der Madrider Korrespondent der Tageszeitung „Die Welt“ missinterpretierte ein „ABC“-Interview des spanischen Außenministers López Bravo, der für eine Politik der Öffnung gen Osten eintrat, woraufhin das Gerücht entstand, Spanien erwäge konsularische Beziehungen zur DDR. Eine andere spanische Tageszeitung fühlte sich durch die Verwendung des Wortes „konsularisch“ in „Alarmbereitschaft“ versetzt und fragte bei der bundesdeutschen Botschaft die Reaktion des Auswärtiges Amts in Bonn an. Dieses gab an, dass man sich beim MAE zwar unverzüglich der Missinterpretation López Bravos durch den „Welt“Korrespondenten versichert habe, dadurch jedoch ein Moment „starker diploma152
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Ministerium für Außenhandel und Innerdeutschen Handel, Länderreferat Spanien, Jahresanalysen zu Entwicklung und Handelsabkommen mit Spanien, 1957–1960, in: BArch DL 2/ 5209, unpag. Die Präsenz der DDR-Flagge sei „vollkommen unangebracht“: MAE, Noticia del Director de Cooperación Cultural al Director de Asuntos Políticos de Europa, 28. 08. 1963, in: AGA, Fondo A. Ex., Leg. R – 7232, Exp. 17, neue Sig. 82/17774, unpag. MAE, Correspondencia entre el Director General de la Oficina de Información Diplomática y el Director General de Política Exterior, 07./15. 04. 1963, in: AGA, Fondo A. Ex., Leg. R – 7522, Exp. 10, neue Sig. 82/18408, unpag. Laut Antonio Ortiz García vermieden spanische Diplomaten auch nach der Anerkennung der DDR die offizielle Bezeichnung der DDR als „RDA“: vgl. Ortiz García, Papeleras, S. 266. Vgl. MAE, Pro Memoriam de la Embajada de la RFA al MAE, 23. 06. 1964, in: AGA, Fondo A. Ex., Leg. R – 7522, Exp. 20, neue Sig. 82/18408, unpag.
2. Sporadische Kontakte bis 1973
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tischer Spannung“ entstanden sei, weil konsularische Beziehungen Spaniens mit der DDR vonseiten der Bundesregierung unerwünscht seien.157 Die Episode zeigt, dass in gleichem Maße, wie die Annäherung zwischen der UdSSR und FrancoSpanien eine Voraussetzung für die Herstellung diplomatischer Beziehungen zwischen Ost-Berlin und Madrid war, auch die Aufgabe der Hallstein-Doktrin durch die Bundesrepublik erforderlich war. Auf dem Weg zum Botschafteraustausch zwischen der DDR und Spanien mussten also nicht nur die historischen und ideologischen Vorbehalte gegen offizielle Beziehungen ausgeräumt bzw. aufgeweicht, sondern auch die politischen Voraussetzungen geschaffen werden. Letztere waren, wie in Kapitel II.3 zu zeigen sein wird, am stärksten den Konjunkturen des Kalten Kriegs unterworfen.
2. Sporadische Kontakte bis 1973 Trotz der geschilderten Unmöglichkeiten offizieller Beziehungen bis 1973 gab es in den 1950er und 60er Jahren auf wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet sporadische Kontakte zwischen der DDR und Franco-Spanien. Diese waren – mit Ausnahme des Bankenabkommens von 1961 – nicht vertraglich geregelt und blieben insgesamt auf sehr niedrigem Niveau. Entsprechend sind sie häufig schlecht dokumentiert, jedoch relevant für die Frage nach den ostdeutschen und spanischen Interessen und der Initiative zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen.
2.1 Frühe Handelskontakte Spanische Handels- und Wirtschaftskreise zeigten bereits seit 1952 ein Interesse an Kompensationsgeschäften mit der DDR. Da das Ministerium für Außen- und Innerdeutschen Handel (MAI)158 aufgrund der fehlenden diplomatischen Beziehungen nicht als Verhandlungspartner in Frage kam, traten private spanische Außenhandels- und Exportfirmen wiederholt an das Handelsunternehmen „Deutscher Innen- und Außenhandel (DIA) Kompensation“ und die im November 1952 gegründete Kammer für Außenhandel (KfA) heran. Die Verbindungen wurden meist durch westdeutsche Handelsvertreter über das spanische Konsulat in WestBerlin hergestellt. Dabei traten die Vertreter spanischer Firmen im Auftrag der spanischen Regierung auf: Im Januar 1952 sprach ein Repräsentant des Außenhandelsunternehmens Intercomercial beim DIA Kompensation vor und unterbreitete
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Vgl. die Berichterstattung in ABC vom 26. 10. 1970, MADRID vom 27. 10. 1970 und Arriba vom 28. 10. 1970. Alle ablegt in: Ministerio de Información y Turismo/Servicios Informativos de la Dirección General de Prensa, Política Exterior, Relaciones, España − AlemaniaOrtiental (1970–1973), in: AGA, Fondo Presidencia de Gobierno/Secretaría de Estado para la Información, (09)010.001, 51/09491, unpag. Von 1950 bis 1967 in dieser Bezeichnung.
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II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
„als Beauftragte[r] der spanischen Regierung“ ein Angebot zum Export von Südfrüchten; als Auftrag nannte er die Sondierung von „Geschäftsmöglichkeiten zwischen beiden Ländern“.159 Er bat um ein formelles Schreiben des DIA über die Bereitschaft zum Warenaustausch, „damit die spanischen Behörden das vorgesehene Abkommen schriftlich fixieren“ könnten; außerdem erklärte er, dass der spanische Handelsminister Manuel Arburúa de la Miyar bereit sei, „persönlich solche Geschäfte gegenzuzeichnen.“ 160 Auch Luis de Urquijo y Landecho, Vertreter der spanischen Außenhandelsbank (Banco Exterior de España), der 1955 über die bundesrepublikanische „Berliner Bank“ Kontakt mit der Deutschen Notenbank der DDR aufnahm, versicherte, dass „die offiziellen Stellen in seinem Lande“ der Meinung seien, dass es an der Zeit für „direkte Handelsverbindungen“ mit der DDR sei. Das spanische Handelsministerium habe Interesse daran, „unter eigener Kontrolle eine Handelsgesellschaft als Partner für einen noch zu benennenden Partner in der DDR zu beauftragen“, falls seitens der DDR die „Bereitschaft“ dazu bestünde.161 Motiviert war diese früh offen kommunizierte Absicht der spanischen Regierung, einen verstärkten Warenaustausch zwischen ostdeutschen und spanischen Außenhandelsfirmen auch ohne diplomatische Beziehungen zu fördern, ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen. Da die Devisenerwirtschaftung durch den Tourismus erst in den 1960er Jahren einsetze und einige spanische Waren Absatzschwierigkeiten auf den westlichen Märkten hatten, versuchte das Madrider Handelsministerium, durch Warenaustausch auf Kompensationsbasis die passive Handels- und Zahlungsbilanz Spaniens zu verbessern.162 Ein solcher bot sich mit den sozialistischen Ländern insofern an, als diese erstens aufgrund der fehlenden diplomatischen Beziehungen ohnehin keine andere Form des Handels mit Spanien treiben konnten und zweitens einen aufnahmebereiten Absatzmarkt für spanische Produkte boten, insbesondere für Zitrusfrüchte. Gegenüber der DDR argumentierten die spanischen Vertreter mit der Bereitschaft anderer sozialistischer Staaten zum Warenaustausch: In einem vertraulichen Protokoll des MfAA über ein Gespräch zwischen einem Vertreter der spanischen Außenhandelsfirma Sorrice und dem DIA Kompensation im November 1954 hieß es, dass spanische Außenhandelsunternehmen unterstützt durch den Handelsminister eine „prinzipielle Änderung“ der Haltung des ostdeutschen MAI einforderten. Als Druckmittel
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MfAA, Abteilung Westeuropa, Informationen über Spanien und Kontakte mit spanischen Vertretern 1952–1955, in: PA AA, M 1, A 8922, Bl. 1–76, hier: Bl. 1. Ebenda, Bl. 1, 5, 14. Ebenda, Bl. 24. Bemerkenswert ist, dass Luis de Urquijo y Landecho, der „im besonderen Auftrage des spanischen Wirtschafts- und Handelsministeriums“ diese Kontakte nach OstBerlin knüpfte, 1959 als Botschafter nach Bonn entsandt wurde und sich dort zwei Jahre später wiederholt gegen „kommunistische Infiltrationsversuche“ spanischer Gastarbeiter durch PCE und SED wehrte: vgl. Kap. II.1.2. So die Einschätzung des MfAA, Abteilung Westeuropa, Entwurf für eine Information über unsere außenpolitische Stellung zu Spanien, 20. 10. 1956, in: PA AA, M 1, A 12332, Bl. 28– 29.
2. Sporadische Kontakte bis 1973
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glaubte der spanische Vertreter laut Gesprächsprotokoll „darauf aufmerksam machen zu müssen“, dass sich ein ungarischer Außenhandelsvertreter zum Abschluss von Geschäften in Spanien aufhalte. Dies würde von spanischen Wirtschaftskreisen als veränderte Haltung der sozialistischen Länder gegenüber Spanien gedeutet.163 Laut Schilderungen der kommunistischen „Bruderpartei“ gingen spanische Handelsexperten sogar so weit, dass sie an Vertreter des PCE in Frankreich herantraten und um Hilfe bei der Herstellung von Handelskontakten zur DDR baten.164 Die spanischen Kommunisten sprachen sich jedoch seit Mitte der 1960er Jahre vehement gegen erweiterte Handelskontakte zwischen der DDR und Spanien aus.165 Gegenüber den Außenhandelsunternehmen, die über Parteikanäle Kontakte nach Ost-Berlin herzustellen versuchten, erwiderten sie, dass dazu zunächst das „Haupthindernis, nämlich Franco“, überwunden werden müsse.166 Die DDR verhandelte die frühen Kontaktinitiativen aus Spanien als „Panzerschranksache“ auf hoher Ebene: Als DIA Kompensation 1952 das MAI über die Gesprächs- und Geschäftsangebote spanischer Firmen informierte, setzte dieses den Staatssekretär im MfAA davon in Kenntnis. Dieser verurteilte das eigenmächtige Vorgehen des DIA-Handelsunternehmens, das einem spanischen Vertreter bereits „[e]ntgegen den jeden Verkehr mit Spanien verbietenden Richtlinien“ zugesichert hatte, „dass man die Möglichkeiten der direkten Geschäftsbeziehungen mit seiner Firma genau prüfen wolle“.167 Das MAI untersagte dem DIA Kompensation daraufhin „jede weitere Verbindung mit den Spaniern“.168 In einer Stellungsnahme zur Behandlung der Anfragen aus Spanien, die das MAI Ende desselben Jahres vom MfAA anforderte, schloss dieses eine positive Beantwortung der Anfragen zwar nach wie vor prinzipiell aus, riet im Einzelfall jedoch zur Prüfung möglicher Kontakte, insbesondere, wenn bereits Geschäfte getätigt worden seien.169 Zu den Kontaktinitiativen spanischer Unternehmen kamen im Laufe der 50er Jahre vermehrt Anfragen von Wissenschaftsinstitutionen aus Spanien. Der
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MfAA, Abteilung Westeuropa, Informationen über Spanien und Kontakte mit spanischen Vertretern 1952–1955, in: PA AA, M 1, A 8922, Bl. 1–76, hier: Bl. 14. Vgl. KdAW, Solidaritätskomitee für das spanische Volk in der DDR, Materialien zur Lage in Spanien (1963–1976), Vortrag des Genossen Álvarez im ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, 08. 11. 1966, in: SAPMO-BArch, DY 57/791, unpag. Vgl. PCE, Sección Relaciones Internacionales, Memorandum sobre las relaciones comerciales de la República Democrática Alemana con España, Juni 1967, in: AHPCE, Sección Rel. Intern., Jacq. 446, unpag; Niehus, Außenpolitik, S. 557. KdAW, Solidaritätskomitee für das spanische Volk in der DDR, Materialien zur Lage in Spanien (1963–1976), Vortrag des Genossen Álvarez im ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, 08. 11. 1966, in: SAPMO-BArch, DY 57/791, unpag. MfAA, Abteilung Westeuropa, Vermerk betr. Handel mit Spanien, 08. 02. 1952, in: PA AA, M 1, A 8922, Bl. 1–2, hier: Bl. 1. Ebenda. MfAA, Abteilung Westeuropa, Hausmitteilung betr. Anfragen aus Spanien, Jugoslawien, Portugal und Griechenland, 02. 12. 1952, in: PA AA, M 1, A 8922, Bl. 29–30. Tatsächlich bestanden bis 1954 bereits erste nicht durch das MAI oder MfAA sanktionierte Handelskontakte des DIA Bergbau nach Spanien sowie zwischen dem DIA Kompensation und der Außenhandelsfirma Sorrice.
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II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
oberste Rat für wissenschaftliche Forschung (Consejo Superior de Investigación Científica) in Madrid wandte sich mit der Bitte um den Austausch von Publikationen an die Akademie der Wissenschaften in Ost-Berlin; spanische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlicher sowie Universitätsinstitute kontaktierten Universitäten und Bibliotheken in der DDR.170 Dies führte dazu, dass das MfAA Mitte der 1950er Jahre bei der Abteilung Internationale Verbindungen im ZK der SED eine „Überprüfung unserer Haltung hinsichtlich der Aufnahme von Verbindungen und Kontakten“ nach Spanien anregte.171 Begründet wurde dieser Vorstoß mit der veränderten internationalen Lage im Kalten Krieg, dem UNO-Beitritt Spaniens, verstärkten Investitionen der Bundesrepublik und USA in Spanien und der fortschreitenden Industrialisierung Spaniens nach Aufgabe der Autarkiepolitik.172 Der Impuls zu einer vorsichtigen Abkehr von der totalen Kontaktsperre kam Mitte der 1950er Jahre also vom Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, das sich wiederum durch die wiederholten Anfragen des MAI, der Kammer für Außenhandel, der Außenhandelsbetriebe der DDR und anderer staatlicher Institutionen, die sich zu den spanischen Kontaktinitiativen verhalten mussten, zu einer Reaktion veranlasst sah. Neben den vorrangigen wirtschaftlichen Interessen des MAI und der Außenhandelsinstitutionen nutzten sie auch das Argument der internationalen Aufwertung der DDR: In einem Aktenvermerk der KfA zur Weiterleitung ans MfAA aus dem Jahr 1955 wurde beispielsweise positiv angeführt, dass Luis de Urquijo y Landecho von der spanischen Außenhandelsbank in einem Gespräch „laufend die Formulierungen ‚Deutsche Demokratische Republik‘ und ‚unsere beiden Länder‘“ gebraucht habe.173 Als ebenso vorteilhaft in der Frage der Anerkennung wurde vermerkt, der Vertreter einer Außenhandelsfirma in Barcelona habe gegenüber der KfA versichert, „dass trotz der auf der Oberfläche zur Schau gestellten, intransigenten Haltung Spaniens maßgebliche Kreise“ die Herstellung eines wirtschaftlichen Austauschs mit der DDR als „wünschenswert“ erachteten.174 Tatsächlich sprach sich das MfAA nach Konsultationen mit der Abteilung Internationale Verbindungen im ZK der SED, der KPdSU und den Ländern des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) für die Aufnahme des Postverkehrs mit Spanien sowie für eine „Normalisierung der Beziehungen zu Spanien“
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Die wenigen wissenschaftlichen Kontakte zwischen spanischen und ostdeutschen Institutionen bestanden zum überwiegenden Teil bereits vor Gründung der DDR. Für eine Zusammenstellung der frühen spanischen Kontaktinitiativen auf dem Gebiet der Wissenschaft vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Aufstellung über die Einschätzung der zwischen der DDR und Spanien bestehenden wissenschaftlichen Kontakte, 25. 10. 1957, in: PA AA, M 1, A 12332, Bl. 1–2. MfAA, Abteilung Westeuropa, Brief Plaschkes ans ZK der SED betr. Material über Spanien, 09. 11. 1955, in: PA AA, M 1, A 12332, Bl. 15–18, hier: Bl. 18. Ebenda. MfAA, Abteilung Westeuropa, Informationen über Spanien und Kontakte mit spanischen Vertretern 1952–1955, in: PA AA, M 1, A 8922, Bl. 1–76, hier: Bl. 25. Ebenda, Bl. 19.
2. Sporadische Kontakte bis 1973
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auf den Gebieten des Handels und der Kultur aus.175 Neben der wirtschaftlichen Notwendigkeit wurde dies mit dem Argument begründet, dass solche Beziehungen den „oppositionellen Kräfte[n] in Spanien“ dienlich seien, wobei der mögliche Nutzen für die antifranquistische Opposition nicht erläutert wurde.176 Als die spanischen Initiativen erste Wirkung zeigten und ab Mitte der 50er Jahre eine Steigerung des Warenaustauschs eintrat, war es dann sogar die DDR, die ab 1957 auf ein Banken- und Zahlungsabkommen mit Spanien drängte. Nachdem 1956 erstmals spanische Firmen in einer Gemeinschaftsausstellung an der Leipziger Messe teilgenommen und sich von 1957 auf 1958 der Warenaustausch um knapp zweihundert Prozent gesteigert hatte, wollte die DDR die Kompensationsgeschäfte auf „volkswirtschaftlich notwendige[…] Importe[…]“ beschränken und vor allem den Export von Waren nach Spanien steigern.177 Dadurch hoffte sie einerseits Devisen einzusparen und andererseits Produkte, die auf anderen Märkten Absatzschwierigkeiten hatten, nach Spanien verkaufen zu können.178 In besonderem Maße war die DDR außerdem an der „rechtzeitige[n] Versorgung der Bevölkerung mit Südfrüchten“ interessiert, insbesondere in der Weihnachtszeit.179 Trotz des 1961 abgeschlossenen Bankenabkommens wies die DDR im Handel mit Spanien Mitte der 60er Jahre allerdings nicht nur gegenüber der westlichen Konkurrenz einen „großen Rückstand“ auf, sondern auch gegenüber den anderen sozialistischen Staaten, insbesondere Polen und der ČSSR.180 Aus Sorge, „den Anschluss an die Konkurrenz [zu] verlieren“, verwies das MAI entsprechend mit Dringlichkeit darauf, dass der spanische Markt „kontinuierlich und den Erfordernissen entsprechend bearbeitet“ werden müsse.181 Aufgrund der anhaltenden Kontaktbemühungen Spaniens und der vermehrten Geschäftsabschlüsse seien eine klare Haltung und konkrete Richtlinien für den unvermeidbaren Umgang mit Franco-Spanien notwendig:
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MfAA, 5. Europäische Abteilung, Schreiben an die KfA betr. Handelsbeziehungen zu Spanien, 02. 11. 1956 u. Schreiben an die Botschaft der DDR in Moskau betr. Anfrage beim Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe, 1955, in: PA AA, M 1, A 12332, Bl. 8, 25–26. MfAA, Abteilung Westeuropa, Entwurf für eine Information über unsere außenpolitische Stellung zu Spanien, 20. 10. 1956, in: PA AA, M 1, A 12332, Bl. 28–29, hier: Bl. 28. MfAA, Abteilung Westeuropa, Jahresanalyse 1956 Spanien, 26. 01. 1959, in: PA AA, M 1, A 12333, Bl. 40–43, hier: Bl. 43. Dem Abschluss des Bankenabkommens war von 1959 auf 1960 sogar eine Verfünffachung des Warenaustauschs vorausgegangen: MfAA, 5. Europäische Abteilung, Information über bevorstehende Abkommensverhandlungen mit Spanien, 23. 01. 1961, in: PA AA, PA AA, M 1, A 17106, Bl. 93–94. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Jahresanalyse 1956 Spanien, 26. 01. 1959, in: PA AA, M 1, A 12333, Bl. 40–43, hier: Bl. 42. MAI, Ländersektion Spanien, Die Entwicklung unseres Handels mit Spanien, 1. Jahreshälfte 1966, in: PA AA, M 1, C 633/77, Bl. 26–30, hier: Bl. 27–28. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Wirtschaftsbeziehungen Spanien-DDR, 18. 01. 1973, in: PA AA, MADR 12571, unpag. Vgl. ebenso zwei Tabellen zum Außenhandel Spaniens mit dem Ostblock von 1959–1971 in Claudín, Relaciones, S. 264–265. MAI, Ländersektion Spanien, Die Entwicklung unseres Handels mit Spanien, 1. Jahreshälfte 1966, in: PA AA, M 1, C 633/77, Bl. 26–30, hier: Bl. 30.
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„Es ist zur exakten Bearbeitung des spanischen Marktes unbedingt notwendig, klar die Linie der kommerziellen Entwicklung festzulegen. Durch einen kontinuierlichen Handel werden in verstärktem Maße Dienstreisen, Messebesuche und Ausstellungen in Spanien sowie längere Einsätze von Technikern und Monteuren notwendig. Außerdem wird der Handel durch die Nichtexistenz einer DDR-Vertretung äußerst erschwert […].“ 182
Als beste Voraussetzung für profitable Wirtschaftsbeziehungen erachtete das MAI bereits 1966 die Einrichtung einer Handelsvertretung der DDR in Spanien, was der Forderung nach offiziellen, wenngleich nicht vollen diplomatischen Beziehungen gleichkam. Dies hätte dem DDR-Modell einer „Diplomatie über Handelsvertretungen“ entsprochen: Bis zur völkerrechtlichen Anerkennung unterhielt sie nach dem Vorbild der Sowjetunion viele permanente Handelsmissionen quasi-diplomatischer Natur, insbesondere in Asien und Afrika. Neben wirtschaftlichen Aktivitäten, die vor Ort auch von den Außenhandelsbetrieben und Technisch Kommerziellen Büros (TKB) übernommen wurden, kam ihre Funktion häufig der einer politischen Repräsentation nahe.183 Das MfAA erachtete Mitte der 60er Jahre die Einrichtung einer solchen Handelsvertretung im franquistischen Spanien „aus politischen Gründen“ jedoch nach wie vor als „unzweckmäßig“ und auch die spanische „Bruderpartei“, mit der die SED zu diesem Zeitpunkt ein noch gutes Verhältnis pflegte, lehnte eine Aufwertung der Handels- zu staatlichen Beziehungen ab.184 Der PCE fürchtete, dass „Arbeiter und auch breite Kreise des fortschrittlichen Bürgertums [in Spanien] kein Verständnis dafür aufbringen“ würden und die skandinavischen Länder und Belgien „mit einer starken Propaganda gegen die sozialistischen Länder“ antworten würden.185 Ein weiterer Grund war, dass die spanischen Kommunisten von einem exklusiven Handelsbüro profitierten, welches das MAI auf Beschluss der Parteiführung 1961 in Ost-Berlin eingerichtet hatte. Ein PCE-Handelsvertreter, dessen monatliches Gehalt und Reisen nach Spanien vom MAI bezahlt wurden, wickelte für ostdeutsche Außenhandelsunternehmen Geschäfte mit spanischen Firmen ab, wofür der PCE Kommissionen erhielt. Das PCE-Handelsunternehmen besaß zu diesem Zweck ein Konto in West-Berlin, um dem Franco-Regime die ansonsten in Spanien anfallenden Steuern zu entziehen. Die SED profitierte von dieser Art des Handels, indem sie sich erstens solidarisch mit der klandestinen „Bruderpartei“ zeigen konnte, zweitens direkte Handelskontakte mit Franco-Spanien umging und drittens über einen weiteren Weg zur Einfuhr von Zitrusfrüchten verfügte.186 182 183
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Ebenda, Bl. 29. Vgl. hierzu das Handbuch des spanischen Wirtschaftsanwalts Samuel Pisar, das kurz nach der Unterzeichnung des ersten Handelsabkommens zwischen Spanien und der UdSSR 1972 die rechtlichen Bedingungen des Handels mit den sozialistischen Ländern analysierte: Pisar, Transacciones, S. 58. MfAA, 5. Europäische Abteilung, Direktive für die Entwicklung der Beziehungen der DDR zu Spanien, 22. 01. 1965, in: PA AA, M 1, A 12333, Bl. 63–72, hier: Bl. 71. KdAW, Solidaritätskomitee für das spanische Volk in der DDR, Materialien zur Lage in Spanien (1963–1976), Vortrag des Genossen Álvarez im ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, 08. 11. 1966, in: SAPMO-BArch, DY 57/791, unpag. Vgl. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Status des Handelsvertreters der Kommunistischen Partei Spaniens (Carrillo) in der DDR, 06. 06. 1971 u. Die gegenwärtigen
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Noch bevor der Handel über den PCE ab 1968 aufgrund der sich verschlechternden Parteibeziehungen ins Stocken geriet, schlug das MfAA zur „Bearbeitung“ des spanischen Marktes dennoch die Zulassung eines „ständigen Beauftragten für den Handel mit Spanien“ vor, der als Reisekader „mittels langfristiger Dienstreisen nach Spanien“ Marktforschung betreiben, ein Vertreternetz etablieren, Kontakte zu spanischen Wirtschafts- und Handelskreisen knüpfen und Verhandlungen über den gegenseitigen Warenaustausch führen sollte.187 Ebenfalls wurde die Beteiligung von DDR-Außenhandelsunternehmen an Messen und Fachausstellungen in Spanien befürwortet.188 Gleichzeitig legte das MfAA als ideologisch-propagandistische Gegenmaßnahme eine verstärkte „auslandsinformatorische“ Arbeit des FDGB, des Solidaritätskomitees und des DDR-Friedensrats nach Spanien fest. Neben der moralischen und materiellen Unterstützung der spanischen Opposition sollte ihre Aufgabe vor allem in der „Ausnutzung der neofaschistischen Zusammenarbeit Bonn-Madrid“ bestehen, „um im übrigen Ausland […] die aggressive und reaktionäre Rolle Westdeutschlands in Europa zu entlarven.“ 189 Der unmissverständlich politische Auftrag für die Arbeit des FDGB und anderer sogenannter gesellschaftlicher Organisationen, der als flankierende Direktive zum forcierten Ausbau der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen ausgegeben wurde, macht einmal mehr deren von Partei- und Staatsapparat koordinierte Funktion in der Außenpolitik der DDR deutlich.190 Außerdem zeigt die Direktive des MfAA, dass sich für die SED ab Mitte der 1960er Jahre ein Festhalten an antifaschistischer Rhetorik und spanienfeindlicher Propaganda und die zeitgleiche Ausweitung ursprünglich sporadischer Geschäftskontakte zu systematischen Handelsbeziehungen nicht mehr ausschlossen.
2.2 Frühe Kulturkontakte Kulturkontakte zwischen der DDR und Franco-Spanien fanden in den 1950er und 60er Jahren auf sehr geringem und ausschließlich kommerziellem Niveau statt. Zwar sprachen sich die spanischen Kommunisten in der ersten Hälfte der 60er Jahre – anders als auf dem Feld der Handelsbeziehungen – sogar für vermehrte kulturelle Aktivitäten der DDR in Spanien aus und führten als Vorbild die „Kulturver-
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Handelsbeziehungen mit dem Handelsunternehmen der Kommunistischen Partei Spaniens, 07. 07. 1971, in: SAPMO-BArch, DY 30/13474, Bl. 121–122 u. 124. Vgl. außerdem Haberstroh, DDR, S. 56–58. MfAA, 5. Europäische Abteilung, Direktive für die Entwicklung der Beziehungen der DDR zu Spanien, 22. 01. 1965, in: PA AA, M 1, A 12333, Bl. 63–72, hier: Bl. 71. Ebenda, Bl. 72. Ebenda. Im Gegensatz zu Jünglings Beurteilung des FDGB als „semiautonome[n] Akteur[…]“ gegenüber Spanien, dem er, wenngleich wenig überzeugend, „eine gewisse Autonomie“ außerhalb der SED zuspricht: Jüngling, Alternative Außenpolitik, S. 28–31.
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bindung zwischen dem spanischen Volk und der Sowjetunion“ an.191 Tatsächlich feierten russische Ensembles im franquistischen Spanien mitunter Publikumserfolge. PCE-ZK-Mitglied Santiago Álvarez Gómez berichtete 1966 bei einem Besuch in Ost-Berlin, dass Auftritte bekannter musikalischer Ensembles aus der Sowjetunion in Franco-Spanien häufig ausverkauft seien und mit „riesigem Beifall“ quittiert würden. Gelegentlich käme es sogar zu „viva Russia [sic!]“-Rufen aus dem Publikum.192 Dennoch blieben kulturpolitische Engagements der DDR im franquistischen Spanien exzeptioneller Natur und führten nicht zu dem Versuch einer vertraglichen Regelung oder staatlichen Institutionalisierung. Als früher Kontaktmoment ist eine Besprechung zwischen Vertretern der spanischen Urhebergesellschaft SGAE193 und dem DDR-Pendant AWA194 im Oktober 1955 in Ost-Berlin überliefert, bei der es um den Austausch von Künstlerlisten ging, für deren Aufführungen oder Werksvervielfältigungen in der DDR bzw. Spanien Urheberrechtsbeträge fällig wurden.195 Das in Absprache zwischen MfAA und MfK als rein bürokratisch anberaumte Treffen ist aus dreierlei Gründen bemerkenswert: Erstens zeigten die spanischen Vertreter ein Interesse daran, die AWA als Kontaktstelle zwischen Spanien und den sozialistischen Ländern zu nutzen, was von den DDR-Vertretern mit einem Verweis auf fehlende Kommunikationsinfrastrukturen zwischen Spanien und den Ostblockstaaten zurückgewiesen wurde.196 Zweitens nahm das Gespräch einen ungewöhnlich politischen Charakter an, als im Verlauf das Verhältnis Francos zur Falange197 und die Situation der „Nichtanhänger“ des Regimes zur Sprache kamen. Einer der beiden spanischen Vertreter ordnete sich laut Gesprächsprotokoll des MfAA der „republikanisch eingestellten Intelligenz“ zu und betonte zunächst, dass die SGAE trotz staatlicher Aufsicht vollkommen „unpolitisch“ sei. Daraufhin gab Anselm Glücksmann, Geschäftsführer der AWA, der während der Transición ein wichtiger kulturpolitischer Verbindungsmann der DDR nach Spanien werden sollte, seine Vorkriegskontakte zu kommunistischen Kreisen in Madrid zu erkennen. Dies führte zu einer gewissen Aufgeschlossenheit und „allmählich […] gelockerten Atmosphäre“.198 Nach ei191
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KdAW, Solidaritätskomitee für das spanische Volk in der DDR, Materialien zur Lage in Spanien (1963–1976), Vortrag des Genossen Álvarez im ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, 08. 11. 1966, in: SAPMO-BArch, DY 57/791, unpag. Ebenda. Sociedad General de Autores de España. Anstalt zur Wahrung der Aufführungs- und Vervielfältigungsrechte auf dem Gebiet der Musik. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Bericht der AWA-Vertreter Morche und Glücksmann, 25. 10. 1955, in: PA AA, M 1, A 8922, Bl. 31–33. Vgl. ebenda, Bl. 31. Zur Entwicklung der von José Antonio Primo de Rivera 1933 gegründeten faschistischen Falange-Partei und ihrer Zwangsvereinigung mit anderen antidemokratischen Rechtsgruppierungen unter Franco zur „Falange Española Tradicionalista y de las Juntas de Ofensiva Nacional Sindicalista (FET y de las JONS)“ 1937, die in der entideologisierten franquistischen Einheitsbewegung „Movimiento Nacional“ aufging, vgl. Bernecker, Falange. MfAA, Abteilung Westeuropa, Bericht der AWA-Vertreter Morche und Glücksmann, 25. 10. 1955, in: PA AA, M 1, A 8922, Bl. 31–33, hier: Bl. 32–33.
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nem mehrstündigen Austausch wiesen die spanischen Vertreter drittens doch auf den Umstand hin, dass „in den entscheidenden Gremien“ der SGAE Vertreter der Franco-Regierung säßen und die Rechte an den Stücken des „von Anhängern des derzeitigen Regierungschefs ermordeten Dramatiker[s] García Lorca“ verträten. Aufführungen von Stücken Federico García Lorcas an staatlichen spanischen Theatern seien von der Familie des Dichters zwar verboten worden, jedoch verwalte die SGAE die Rechte daran.199 Die ostdeutschen Vertreter empfanden dies als Politikum, zumal nie geprüft worden war, an wen die von der AWA gezahlten Honorare für die Aufführungen Lorcas flossen, der in der DDR als „fortschrittlicher Dichter“ gefeiert wurde.200 Das Gespräch ergab trotz seiner Offenheit jedoch kein gesteigertes Interesse der beiden Institutionen am jeweils anderen Kulturmarkt. Ein solches wäre angesichts der politischen Feindseligkeit zwischen der DDR und Spanien Mitte der 1950er Jahre ohnehin kaum weiterzuverfolgen gewesen. Dennoch belegt die Episode einen frühen, seltenen Moment des Informationsaustauschs über die politischen Verhältnisse im franquistischen Spanien, der außerhalb der üblichen, exklusiven PCE-Parteikanäle stattfand. Ähnlich wie Federico García Lorca in der DDR als Märtyrer der Zweiten Spanischen Republik rezipiert wurde,201 fanden in linksintellektuellen Kreisen in Spanien die Werke Bertolt Brechts Anklang. Marició Janué zeigt in ihren Untersuchungen zu den deutsch-katalanischen Kulturbeziehungen im 19. und 20. Jahrhundert, dass insbesondere „in der Welt der katalanischen Kultur und Literatur, vor allem in studentischen Kreisen und unter den Intellektuellen, die dem Marxismus und der Vereinigten Sozialistischen Partei Kataloniens ([…] PSUC) nahestanden“,202 die Texte Bertolt Brechts bereits ab Ende der 1950er Jahre „sensationelle Erfolg[e]“ waren.203 Den Grund dafür sieht sie darin, dass viele katalanische Künstler während der Franco-Diktatur bei Brecht „eine ästhetische Antwort auf […] soziale[…] und politische[…] Fragen“ suchten.204 Der Theaterdirektor und Universitätsprofessor Ricard Salvat etwa, der mit einem Stipendium des Goethe-Instituts in Heidelberg studierte, wurde durch die Nachricht über den Tod Brechts auf das Berliner Ensemble (BE) aufmerksam und reiste zwischen 1957 und 1962 mehrmals nach Ost-Berlin, wo er bei den offenen Proben des Ensembles mitwirkte. 1966 inszenierte er mit „Der gute Mensch von Sezuan“ erstmals ein Theaterstück Brechts in Katalonien. In einem Interview mit „El País“ erinnerte er 1988 an das politische Potenzi-
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Ebenda. Ebenda, Bl. 32. Laut Gesprächsbericht versichterten die SGAE-Vertreter die Weitergabe der durch die Aufführungen in der DDR erworbenen Einkünfte an die Familie Lorcas. Die Zweite Spanische Republik (1931–1939) löste nach der Militärdiktatur Miguel Primo de Riveras (1923–1930) und der kurzen Amtszeit von General Dámaso Berenguer (1930–1931) die Monarchie Alfons XIII. ab. Sie endete mit dem Sieg der Franquisten im Spanischen Bürgerkrieg (1936–1939). Vgl. Bernecker, Geschichte, S. 119–135; Payne, Spain’s First Democracy. Partit Socialista Unificat de Catalunya; vgl. dazu East, Parties, S. 149–150. Janué i Miret, Kennen wir uns?, S. 129. Ebenda.
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al, das der Vorzeige-Dichter der DDR für die katalanische Linke besaß: „In den 60er Jahren […] war Brecht eine Kraft des Wandels. Das eine Spanien erhob ihn auf seine Altare, für das andere kam er direkt aus der Hölle.“ 205 Als Anfang der 70er Jahre erste Kontakte zwischen der DDR-Botschaft in Polen und der dortigen spanischen Handels- und Konsularmission zustande kamen, überraschte deren Leiter Javier Rupérez einen DDR-Botschaftsmitarbeiter, als er sich in einem Gespräch als „Verehrer von Brecht“ und „Vertreter einer neuen Generation in Spanien“ bekannte.206 Anders als MAI und MfAA auf dem Gebiet des Handels sah das Ministerium für Kultur keine Veranlassung, auf das spanische Interesse am Theater der DDR mit der Forcierung staatlich geregelter Kulturbeziehungen zu antworten. Als 1968/ 69 das Theater „Romea“ aus Barcelona zweimal ein Gastspiel des Berliner Ensembles bei dessen Intendantin Helene Weigel anfragte, versicherte sich diese bei der Leiterin der Abteilung Internationale Beziehungen des MfK, ob staatlicherseits ein Interesse der DDR an einem Gastspiel in Spanien bestünde.207 Dabei antizipierte sie bereits eine Ablehnung: „Ich kann mir nicht denken, dass das Ministerium für Kultur Interesse hat, uns nach Spanien zu schicken.“ 208 Erwartungsgemäß lehnte das MfK die spanische Initiative ab.209 Der fehlende politische Wille zur Forcierung der Kulturbeziehungen führte dazu, dass die Brecht-Rezeption im franquistischen Spanien bzw. Katalonien fast ausschließlich über Vermittlung der Bundesrepublik stattfand.210 Noch bis Ende der 1980er Jahre wurde ostdeutsche Literatur hauptsächlich von bundesdeutschen Verlagen vertrieben, obwohl sich die Botschaft der DDR seit Abschluss des ersten Kulturabkommens 1978 darum bemühte, „einen Fuß in die Tür“ zu bekommen.211 Hinzu kam ab Ende der 60er Jahre analog zu den Parteibeziehungen zwischen SED und PCE eine politisch-ideologische Entfremdung einiger katalanischer Brecht-Freunde, mit der auch ihr kulturelles Interesse an der DDR abkühlte. Janué geht davon aus, dass die Niederschlagung des
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Pablo Ley, Ricard Salvat – „A la jungla de les ciutats“ es una obra que se te escapa, como un pez o como mercurio, in: El País vom 20. 11. 1998: „En los años sesenta […] Brecht era un elemento de cambio. Estaba en los altares de una España y en el infierno de la otra.“ Botschaft der DDR in Warschau, Aktennotiz über eine Unterredung des Genossen Schmidt mit dem amtierenden Leiter der Konsular- und Wirtschaftsvertretung Spaniens in der VRP, Herrn Rupérez, 13. 10. 1970, in: PA AA, M 1, C, 617/77, Bl. 42–44, hier: Bl. 43. Vgl. MfK, Abteilung Intern. Beziehungen, Brief Helene Weigels an Irene Gysi, MfK, 09. 05. 1969, in: BArch, DR 1/18681, unpag. In der Anfrage hieß es: „Wir wollen das Publikum mit der unvergleichlichen Kunst des Berliner Ensembles bekannt machen. Die Werke Bert Brechts, die wir in Spanien auch an unserem Theater aufgeführt haben, riefen größtes Aufsehen hervor.“ Ebenda. Vgl. MfK, Abteilung Intern. Beziehungen, Brief Irene Gysis an Helene Weigel, 29. 05. 1969, in: BArch, DR 1/18681, unpag. Für Beispiele bundesdeutscher Brechtrezeption in Spanien, u. a. Inszenierungen an der Universität Barcelona und Gründung der Deutsch-Katalanischen Gesellschaft 1987 in Frankfurt am Main, vgl. Janué i Miret, Kennen wir uns?, S. 129–131. Vgl. MfAA, Information über den Stand der bilateralen Kulturbeziehungen zwischen der DDR und Spanien, undatiert, vermutlich 1988/89, in: SAPMO-BArch, DY 30/13499, Bl. 43.
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Prager Frühlings 1968 „den marxistischen Optimismus und auch die überlegene kulturelle Stellung Brechts in Katalonien infrage“ stellte.212 Während das MfK im Fall des Berliner Ensembles eigenmächtig über die Ablehnung eines Gastspiels in Spanien entschied, bat es bezüglich der Teilnahme des Akademie-Verlags an einer internationalen Buchmesse in Spanien um Stellungsnahme und Entscheidung durch das MfAA. Dieses begründete die Ablehnung politisch: „Die Absage sollte vom Verlag an die spanischen Veranstalter direkt ergehen mit dem Hinweis, dass bei den gegenwärtig in Spanien herrschenden faschistischen Terrormethoden die Beteiligung eines Verlages aus der Deutschen Demokratischen Republik auf keinerlei Verständnis bei der Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik stoßen würde.“ 213
Es wird die Eingleisigkeit der auswärtigen Kulturpolitik der DDR deutlich: Eine Entsendung ostdeutscher Künstler und Kulturschaffender nach Franco-Spanien und damit eine mögliche Raumerfahrung auf ideologisch feindlichem Gebiet war politisch nicht gewollt.214 Dies schloss nicht aus, dass das MfK Informationsmaterial über das BE und andere Theater der DDR an die Schauspielschule in Madrid sandte; im Gegenzug wurden jedoch keine Informationen aus Spanien angefragt.215 Für die Berliner Festwochen 1957 wurden ein Gastauftritt des spanischen Ballettensembles „Jiménez Vargas“ an der Volksbühne in Ost-Berlin und ein Auftritt spanischer Künstler im Friedrichstadtpalast genehmigt. Das MfK nahm bei diesen rein kommerziellen Engagements in Kauf, dass sich darunter die berühmte Sängerin und Schauspielerin Nati Mistral befand, die nach eigener Aussage „überzeugte Franquistin“ war.216 Es handelte sich bei den wenigen frühen Kontakten kaum um einen „Austausch“ auf kulturellem Gebiet, wie das MfK in einer Notiz angab,217 sondern um eine staatlich gesteuerte Politik der „Auslandsinformation“ nach Art einer Einbahnstraße. Eine bemerkenswerte Ausnahme stellte 1957 eine dreiwöchige Konzertreise der Dresdner Philharmoniker nach Spanien und Portugal dar. Der exzeptionelle Charakter dieser kulturpolitischen Maßnahme und das große Misstrauen gegenüber der Raumerfahrung zahlreicher ostdeutscher Künstler im franquistischen Spanien zeigt sich daran, dass die Reise mit hohem Aufwand dokumentiert, politisch be-
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Janué i Miret, Kennen wir uns?, S. 130. MfK, Abteilung Intern. Beziehungen, Brief der Kulturabteilung des MfAA an die Abteilung Kulturelle Beziehungen im MfK, 12. 07. 1963, in: BArch, DR 1/18681, unpag. Die Berücksichtigung von Raumbeziehungen und Raumerfahrungen ist Teil der erneuerten und erweiterten Geschichte internationaler Beziehungen: vgl. Wentker, Außenpolitik oder transnationale Beziehungen?, S. 30–31. Vgl. MfK, Abteilung Intern. Beziehungen, Aktennotiz des Gästebüros, 30. 12. 1965, in: BArch, DR 1/18681, unpag. Botschaft der DDR in Moskau, Zu den Verbindungen der Deutschen Demokratischen Republik mit Spanien und Portugal auf wirtschaftlichem, kommerziellem, wissenschaftlichem und kulturellem Gebiet, undatiert, in: PA AA, M 1, A 651, Bl. 3. Vgl. auch Gregorio Belinchón, Muere Nati Mistral a los 88 años, in: El País vom 21. 08. 2017. MfK, Abteilung Intern. Beziehungen, Aktennotiz des Gästebüros, 30. 12. 1965, in: BArch, DR 1/18681, unpag.
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gleitet und auf höchster Ebene verhandelt wurde. Sie dient außerdem als Beispiel für eine frühe Kulturkonkurrenz von DDR und Bundesrepublik in Spanien und macht deutlich, dass über die jeweiligen Aktivitäten vor Ort immer auch die Abgrenzung vom jeweils anderen deutschen Staat verhandelt wurde. Zwar musste die Bundesrepublik, die bereits 1954 ein Kulturabkommen mit Spanien geschlossen hatte, zu diesem Zeitpunkt noch keine Konkurrenz durch die DDR fürchten. Da das Kulturabkommen zunächst jedoch vier Jahre lang brachlag,218 löste die Konzertreise der Dresdner Philharmoniker, die u. a. in Barcelona und Madrid auftraten, einige Unruhe in Bonn aus. Zustande gekommen waren die Gastspiele auf private Initiative spanischer Musikgesellschaften und auf Vermittlung zweier kommerzieller westdeutscher Konzertagenturen. Danach wurde die Angelegenheit in der DDR allerdings auf höchster Staats- und Parteiebene behandelt: Das MfK leitete die Anfragen ans MfAA weiter, welches eine Genehmigung beim ZK der SED einholte. Diese wurde unter der Auflage erteilt, dass die Reise der Philharmoniker durch den Dresdner Bezirksrat der SED und das MfAA politisch begleitet und die Musiker ideologisch geschult würden, u. a. durch Vorträge ehemaliger Spanienkämpfer.219 Die Erfüllung dieses politischen Auftrags wie auch das künstlerische Auftreten bewertete der Reisebegleiter vom MfAA in seinem Abschlussbericht als Erfolg: „Zur Gesamteinschätzung der Reise der Dresdner Philharmoniker wäre zu sagen, dass diese außerordentlich erfolgreich war. Wann man dabei noch berücksichtigt, dass es die erste Gastspielreise von Künstlern aus einem sozialistischen Land war, die in Spanien und Portugal gastierten, so ist dieser Erfolg noch höher einzuschätzen. Besonders wichtig war das Auftreten der Dresdner Philharmoniker in Spanien.“ 220
Dies sei umso bemerkenswerter, als die Bundesrepublik versucht habe, diesen kulturpolitischen Erfolg der DDR in Spanien unbedingt zu verhindern: „In Spanien haben die Bonner diplomatischen und konsularischen Vertreter nichts unversucht gelassen, um das Auftreten der Dresdner Philharmoniker zu verhindern, bzw. ihnen jegliche Schwierigkeiten zu bereiten. […] In Madrid trat ein solcher Zustand ein, dass 5 Min[uten] vor Beginn des Konzertes noch keine polizeiliche Genehmigung für die Durchführung des Programms vorlag. Erst im letzten Moment konnte diese erlangt werden. Am selben Abend, an dem das Konzert stattfand, veranstaltete der Bonner Botschafter in Madrid einen großen Empfang in der Botschaft […]. Zu diesem Empfang war auch die Presse der spanischen Hauptstadt eingeladen. Wie diese dann auf das Auftreten der Dresdner Philharmoniker reagierten, kann man sich vorstellen. Des Weiteren wurde festgestellt, dass trotz des ausverkauften Konzertabends die ersten 5 Reihen im Parkett unbesetzt blieben. Es wurde uns von verschiedenen Seiten versichert, dass durch die Botschaft oder eine ihr nahe stehende Stelle diese Karten aufgekauft wurden.“ 221
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Vgl. Aschmann, Treue Freunde, S. 392–393. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Gastspielreise der Dresdner Philharmoniker 1957 nach Spanien, Portugal und Frankreich, 1956–1957, in: PA AA, M 1, A 12051, Bl. 1–98, hier: Bl. 1– 2, 8 u. 11–12. MfAA, Abteilung Westeuropa, Bericht über die Teilnahme des Kollegen Girndt an der Gastspielreise der Dresdner Philharmoniker nach Spanien und Portugal in der Zeit vom 29. 4. bis 19. 5. 1957 entsprechend der Direktive der HA I/4 vom 15. 4. 1957, in: PA AA, M 1, A 12051, Bl. 22–32, hier: Bl. 25. Ebenda, Bl. 24.
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In der Tat sahen kulturpolitische Vertreter der Bundesrepublik in der ersten kulturellen Aktivität der DDR in Spanien eine Bedrohung ihrer dortigen Stellung und fürchteten gar den Beginn einer ostdeutsch-sowjetischen Kulturoffensive auf der iberischen Halbinsel. Die „Hannoversche Zeitung“ kritisierte dabei eine mangelnde Initiative der westdeutschen Diplomaten in Franco-Spanien: „Nicht bloß die Gleichzeitigkeit von zwei deutschen kulturellen Veranstaltungen war unglücklich. Schlimmer war, dass dadurch die Mängel der bundesrepublikanischen Kulturpolitik in Spanien vor aller Augen demonstriert wurden. […] Wir wissen, dass von Madrid her seit einiger Zeit nachdrückliche Vorstellungen in Bonn gemacht wurden, Mittel für eine aktivere Kulturpolitik in Spanien freizugeben […]. Das Groteske hat sich eingestellt[,] dass das Sowjetzonen-Regime Bonn vormacht, wie Kulturpolitik getrieben wird. Die Sowjet-Zonen-Regierung hat „geklotzt“, indem sie als ersten Sendboten gleich ein Orchester mit hundert Mann und mit Namen schickte. [Es] steht die Frage, ob das Spanien-Gastspiel der Dresdner Philharmoniker nur ein Probeballon ostdeutscher Kulturpolitik ist oder den Beginn einer Kulturoffensive markiert? […] Dass Fäden zwischen Madrid und Moskau gesponnen werden, beweist das Dresdner Gastspiel, das sicherlich nicht ohne lange Vorbesprechungen zustande gekommen ist, bei denen nicht bloß von Beethoven und Brahms geredet wurde.“ 222
Wie die Bundesrepublik vermutete auch der Begleiter des DDR-Außenministeriums eine neue Flexibilität des Franco-Regimes hinter der Genehmigung der Auftritte: „In Spanien wurde uns wiederholt versichert, dass es kaum zu glauben sei, dass ein Orchester aus einem sozialistischen Land in Spanien gastieren kann. Insbesondere viele Deutsche, deren es in Spanien genug gibt […], erklärten uns gegenüber, dass das Auftreten von Künstlern aus der DDR vor wenigen Monaten noch völlig unmöglich gewesen wäre und auch heute noch eine Sensation darstellt. Es wurde uns versichert, dass Franco selbst das Gastspiel genehmigt habe und deshalb auch alle Versuche von Bonner Seite, das Auftreten der Künstler zu verhindern, scheitern mussten. […] [D]urch die Genehmigung des Auftretens der Dresdner Philharmoniker [hat Franco] zum Ausdruck gebracht […], dass er zumindest zu gewissen kulturellen Kontakten usw. bereit wäre. Der spanische Konzertagent erklärte uns, dass das erste Konzert von mehreren spanischen Ministern besucht wurde.“ 223
Das spanische Außenministerium reagierte sowohl auf den Publikumserfolg der Dresdner Philharmoniker als auch auf die Beunruhigung Bonns gelassen: Letztere ließ auf die gewünschte Intensivierung der bundesdeutschen Kulturaktivitäten in Spanien hoffen. Aus dem eigenen Regierungslager oder der Öffentlichkeit befürchteten die spanischen Diplomaten außerdem keine größeren Proteste gegen die DDR-Konzerte und setzten, wie in einem MAE-Bericht im Vorfeld der Reise zu lesen ist, auf die in Spanien weitgehende politische Unkenntnis über die Existenz zweier deutscher Staaten: „Die geografischen Kenntnisse der Madrider Autoritäten und des Publikums sind oberflächlich genug, als dass sich jemand bewusst
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Hannoversche Zeitung vom Mai 1957, abgelegt in: MfAA, Abteilung Westeuropa, Gastspielreise der Dresdner Philharmoniker 1957 nach Spanien, Portugal und Frankreich, 1956–1957, in: PA AA, M 1, A 12051, Bl. 1–98, hier: Bl. 38–39. MfAA, Abteilung Westeuropa, Bericht über die Teilnahme des Kollegen Girndt an der Gastspielreise der Dresdner Philharmoniker nach Spanien und Portugal in der Zeit vom 29. 4. bis 19. 5. 1957 entsprechend der Direktive der HA I/4 vom 15. 4. 1957, in: PA AA, M 1, A 12051, Bl. 22–32, hier: Bl. 26.
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würde, dass dieses Orchester aus der sowjetischen Zone Deutschlands stammt.“ 224 Das MAE wies die Presse an, keine allzu guten Kritiken zu schreiben, um der DDR keinen kulturpolitischen Erfolg zu gewähren. Der Tenor der Berichterstattung aller spanischer Zeitungen solle lauten, dass es sich um ein durchaus „gutes Orchester“ handele, aber eben „eines von vielen“.225 Die positive Beurteilung durch das Ost-Berliner MfAA wiederum dürfte in erster Linie der internen Legitimation der Konzertreise und der Absicherung der beteiligten Funktionäre gedient haben. Weder aus dem Erfolg beim Publikum noch aus der bundesdeutschen Verunsicherung, die wenngleich nicht als Anerkennung, so doch als Wahrnehmung der ersten Versuche einer auswärtigen Kulturpolitik der DDR verstanden werden konnte, leitete die SED ein verstärktes kulturpolitisches Engagement im franquistischen Spanien ab.226 Langfristig führte die mangelnde Bereitschaft der DDR, die rein kommerziellen und sporadischen Kulturkontakte zu Franco-Spanien zu erweitern, dazu, dass sich die Bundesrepublik in den 1960er Jahren ein kulturpolitisches Monopol erarbeiten konnte, das die DDR bei der Aufnahme diplomatischer Beziehungen realistisch zur Kenntnis nahm. Nach 35 Jahren Franco-Diktatur stellte der erste Botschafter der DDR Peter Lorf in einer Studie über „Möglichkeiten und Richtungen der kulturpolitischen Arbeit gegenüber Spanien“ 1974 ein „völlige[s] Fehlen jeglicher authentischer Information über den real existierenden Sozialismus“ fest sowie „Antikommunismus und politisches Monopol der reaktionärsten Kräfte“ und „Desinformation und antisozialistische[…] Hetze“.227 Den Grund für die schlechten Startbedingungen der DDR-Kulturpolitik in Spanien sah er nicht etwa darin, dass die DDR die spanischen Initiativen der 50er und 60er Jahre überwiegend unbeantwortet gelassen hatte, sondern vielmehr im Agieren der Bundesrepublik, die ihre „Alleinvertretungsanmaßung besonders lange faktisch [hatte] durchsetzen“ können und „traditionelle deutsch-spanische Kulturbeziehungen völlig für sich beansprucht[e].“ 228 Zur Legitimation der diplomatischen Beziehungsaufnahme im Januar 1973 eigneten sich die gering ausgeprägten Kulturbeziehungen
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MAE, Música de Alemania Oriental en España (Visita Orquesta Filarmónica de Dresde), 27. 04. 1957, in: AGA, Fondo A. Ex., 82/16280, Exp. 33, unpag.: „Los conocimientos geográficos de autoridades y público madrileño son lo suficientemente someros para que nadie se haya apercibido que esta Orquesta procede de la Zona soviética de Alemania.“ Ebenda. Vgl. die Umsetzung der Regierungsdirektive u. a. in der Berichterstattung von „ABC“: o. V., Festival Wagner y la presentación de la orquesta de Dresde, in: ABC vom 04. 05. 1957, S. 53. Xavier María Ramos Diez-Astrain übernimmt in seiner Dissertation die positive Bewertung der DDR-Berichterstattung („tuvo bastante éxito“), ohne dies historiografisch zu begründen: Ramos Diez-Astrain, Telón de Acero, S. 33. In einem späteren Aufsatz relativiert er seine Beurteilung und schätzt die Reise als „mäßig erfolgreiche kulturpolitische Aktivität“ der DDR ein, deren auswärtige Kulturpolitik am Beginn eines Lernprozesses stand: ders., Orquesta, S. 138. Botschaft der DDR in Madrid, Studie zu Möglichkeiten und Richtungen der kulturpolitischen Arbeit gegenüber Spanien, 08. 11. 1974, in: PA AA, M 1, C 634/77, Bl. 3–12, hier: Bl. 3. Ebenda, Bl. 4.
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nicht; dagegen konnten die bereits ausgeweiteten und durch das Bankenabkommen zumindest teilweise staatlich geregelten Handelsbeziehungen trotz ihrer geringen Substanz von der SED als vorteilhaft und wirtschaftlich notwendig für die DDR dargestellt werden.229 Sie können daher als Wegbreiter der diplomatischen Beziehungen gelten.
3. Auf dem Weg zum Tabubruch: Die DDR und Spanien im internationalen Kontext Eingangs wurde darauf hingewiesen, dass weder die DDR noch Spanien exponierte Akteure des Kalten Kriegs waren. Im Gegenteil können beide als „Underdogs“ bezeichnet werden, deren jeweilige Außenpolitiken zur Prämisse haben mussten, die internationale Isolation zu überwinden. Dies geschah mit unterschiedlichen Voraussetzungen, zu unterschiedlichen Zeitpunkten und auf unterschiedlichem Weg, war jedoch sowohl Grundlage als auch Motiv dafür, dass beide „Emporkömmlinge“ 1973 diplomatische Beziehungen aufnahmen.
3.1 Die internationale Emanzipation Franco-Spaniens Die allmähliche Aufgabe der internationalen Ächtung des Franco-Regimes und seine Annäherung an den demokratischen Westen hingen ganz wesentlich mit der geostrategischen Lage Spaniens „an der Westflanke Europas“ zusammen, die mit Beginn des Kalten Kriegs zunehmend an Bedeutung gewann.230 Die UNO annullierte ihre 1946 beschlossene Resolution zur Verurteilung des Regimes bereits im November 1950 und hob ihren Boykott gegen Spanien auf, was eine internationale Rehabilitierung Francos einleitete.231 Die Bundesrepublik nahm den bilateralen Handel mit Spanien auf 232 und mit den USA begann ein „richtungsweisender Annäherungsprozess“, der 1953 zu einem Stützpunktabkommen führte, das Spanien de facto in die Verteidigung des Westens einband.233 Für die US-amerikanische Außenpolitik und konservative westeuropäische Kreise wirkte vor allem der Anti-
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Ein ähnliches Argumentationsmuster stellt Müller für die Beziehungsaufnahme Österreichs mit Franco-Spanien fest: Müller, Beziehungen, S. 46. Müller, Beziehungen, S. 40; vgl. ebenso Uhl, Mythos, S. 222. Zur politischen Rolle FrancoSpaniens im Kalten Krieg vgl. Castañares/Neila Hernández/Moreno Juste (Hrsg.), Atlas, S. 176–182. Niehus spricht für die Zeit von 1950–1957 von einer Phase der „Semi-Isolation“, in der Spaniens außenpolitischer Radius zwar begrenzt blieb, die meisten westlichen Staaten jedoch wieder Botschafter nach Spanien entsandten: Niehus, Außenpolitik, S. 66–67. Vgl. Aschmann, Treue Freunde, S. 261. Zur De-facto-Blockgebundenheit Franco-Spaniens und Unterstützung seiner Westintegration durch die Bundesrepublik vgl. ebenda, S. 294– 295; dies., Mein Freund Felipe, S. 641–643. Uhl, Mythos, S. 222; vgl. auch Buchanan, How different?, S. 86.
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sowjetismus Spaniens integrativ und wurde damit zum international emanzipatorischen Faktor für das Franco-Regime. Ausdruck dessen war 1952 die Gründung des Europäischen Dokumentations- und Informationszentrums (Centro Europeo de Documentación e Información, CEDI) als außenpolitische Interessenplattform, an der konservative Größen wie Otto von Habsburg und Alfredo Sánchez Bellas, der Direktor des Hispanischen Kulturinstituts (Instituto de Cultura Hispánica) maßgeblich beteiligt waren und dabei Unterstützung durch den spanischen Außenminister Alberto Martín Artajo erhielten.234 Das CEDI hatte die europäische Einigung unter christlich-antikommunistischen Vorzeichen zum Ziel und trieb dafür die Überwindung der Isolation des Franco-Regimes voran.235 Weitere Schritte der außenpolitischen Rehabilitierung waren der Beitritt Franco-Spaniens in die UNESCO Anfang 1953 und schließlich die Aufnahme Spaniens in die UNO 1955, ermöglicht durch einen Veto-Verzicht der Sowjetunion.236 Die Bindung an den Westen kam letztlich einer Kopplung Franco-Spaniens an dessen Verteidigungsbündnis gleich, wenngleich ein Beitritt zur NATO aufgrund des Widerstands Frankreichs, Großbritanniens und Belgiens noch nicht in Frage kam.237 Zur „Salonfähigkeit“ 238 Spaniens, die sich aus der Mächtekonstellation des Kalten Kriegs ergab, trug ferner eine durch das Regime forcierte „alternative Diplomatie“ bei, wie eine Reihe neuer, transnationaler Studien belegen. David Brydan etwa zeigt, wie spanische Experten auf dem Gebiet des Gesundheits-, Versorgungs- und Sozialwesens durch ihre Arbeit in internationalen Organisationen und Netzwerken dazu beitrugen, im Ausland das Bild Spaniens vom modernen Sozialstaat zu bewerben und damit den Ruf des Franco-Regimes zu verbessern.239 Ähnlich argumentieren Till Kössler am Beispiel franquistischer Städtebauer und Architekten, welche die Modernität des Regimes unter Beweis stellen sollten,240 sowie Carlos Sanz Díaz und José Manuel Morales Tamaral, die dem Flamenco und seiner weltweiten Vermarktung die Funktion eines Public Diplomacy-Instruments zuschreiben.241 Auch mithilfe dieser Art „Ersatzdiplomatie“ gelang es Spanien, sich bereits in den 1950er Jahren trotz eines begrenzten außenpolitischen Radius zu emanzipieren. Entscheidend für diese internationale Emanzipation war außerdem, dass in den 1960er Jahren immer mehr westeuropäische Sozialdemokraten ihre strikte Anti234
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Vgl. Großmann, Internationale, S. 127–130. Obgleich das CEDI dem Anschein nach eine unabhängige Organisation war, leistete das spanische Außenministerium den größten Anteil an seiner Finanzierung und formulierte den Anspruch, es „effektiv und vollständig zu kontrollieren“. Zitiert in ebenda, S. 150. Vgl. ebenda, S. 145–150; Stefan Müller, Kaiser und Caudillo, in: Die Zeit Nr. 48 vom 25. 11. 2010. Vgl. Claudín, Relaciones, S. 239–242. Zum UNO-Beitritt Spaniens und der Rolle der Sowjetunion vgl. Lleonart Ansélem, Ingreso. Vgl. Müller, Beziehungen, S. 36, 40. Prieto, Apologie, S. 37. Vgl. Brydan, Franco’s internationalists. Vgl. Kössler, Europäisierung. Vgl. Sanz Díaz/Morales Tamaral, Flamencoism.
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pathie gegen das Franco-Regime überwanden. Die SPD rückte als einflussreichste sozialdemokratische Partei Westeuropas bereits ab 1963 von ihrer Strategie der totalen Isolation Spaniens ab, wenngleich zunächst noch „informell und zurückhaltend“.242 Seit 1966 vertrat sie mit Willy Brandt als Außenminister eine „kritisch-konstruktive“ Haltung gegenüber dem Franco-Regime und unterstützte die Linie der Kiesinger-Regierung, welche die erkennbaren Demokratisierungs- und Modernisierungstendenzen in Spanien durch eine enge Bindung an die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) fördern wollte.243 Auch die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) überkam ihre Ressentiments gegen Franco und entsandte 1965 unter Außenminister Bruno Kreisky den ersten sozialdemokratischen Botschafter nach Spanien.244 An diesem Sinneswandel hatte zweifellos der Boom der spanischen Wirtschaft in den 60er Jahren seinen Anteil, der einen „schwindelerregenden Modernisierungsprozess“ auslöste und Wirtschaftsexperten ein dauerhaftes Wachstum in Spanien voraussagen ließ.245 Erleichtert wurde der Kurswechsel der Sozialdemokraten in der Spanien-Frage außerdem durch eine politische Interessenverlagerung der europäischen Linken auf Vietnam und Lateinamerika, welche die Empörung gegen das Franco-Regime, das als so gut wie „passé“ galt, in der ersten Hälfte der 60er Jahre abklingen ließ.246 Dies änderte sich in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts, als eine Protestwelle gegen Franco zur Desillusion im spanischen Annäherungsprozess an die EG führte. Im gewandelten Zeitgeist der späten 60er Jahre trat die „Frage der nicht-kommunistischen Diktaturen Europas“ wieder vermehrt ins Interesse der europäischen Öffentlichkeit und das Franco-Regime, das in seiner Spätphase die Zügel gegen innenpolitische Gegner straffte und mit verstärkten Repressalien gegen die sich zunehmend lauter artikulierende Opposition vorging, wurde zur „perfekten Zielscheibe für die wiedererwachten und streitlustigen Stimmen der Linken“.247 Mit einer Verhängung des Ausnahmezustands gegen Studentenunruhen im Jahr 1969 und spätestens mit den sechs Todesurteilen im Burgos-Prozess im Dezember 1970 schien die als „dictablanda“ 248 geltende Diktatur ihre international erworbenen Sympathien zu verspielen und einen nicht mehr wettzumachenden „Image-Scha-
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Muñoz Sánchez, Wandel, S. 184. Ebenda, S. 183, 193. Muñoz Sánchez spricht von einer Strategie der „Europäisierung Spaniens“, die Teil der übergreifenden Entspannungs- und Ostpolitik der SPD war: ders., Europeizar, S. 93–107. Heinrich Standenat von der SPÖ überreichte am 4. Februar 1965 seine Beglaubigungspapiere im franquistischen MAE: vgl. Müller, Beziehungen, S. 78. Muñoz Sánchez, Wandel, S. 183–184. Vgl. Buchanan, How Different?, S. 86–87. Muñoz Sánchez, Wandel, S. 193. Zur antifranquistischen „Lobby“, die sich innerhalb der SPD um Hans Matthöfer formierte, vgl. ebenda, S. 200. „Weiche Diktatur“. Das Wortspiel mit dem spanischen Begriff „dictadura“ („Diktatur“) macht aus dem Bestandteil dura (wörtl. „hart“) blanda („weich“). Es wurde zunächst für die Amtszeit von General Dámaso Berenguer gebraucht, der 1930 als Nachfolger des Diktators Miguel Primo de Rivera eingesetzt worden war: vgl. Herold-Schmidt, Ende, S. 398. Zu Verwendung und Kritik am Begriff vgl. Prieto, Apologie, S. 12–13.
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den“ zu erleiden.249 Die DDR betrieb eine massive Anti-Franco-Propaganda und fühlte sich in ihrer Rolle als beständige Mahnerin gegen das Regime bestätigt.250 Doch obwohl die weltweiten Proteste – darunter abgesagte Dienstreisen einiger westeuropäischer Regierungsvertreter nach Spanien – die Begnadigung der sechs im Burgos-Prozess zum Tode verurteilten Basken bewirkten, führten sie weder zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit dem getadelten Franco-Regime noch zu einem „Zurück“ auf dem Weg Spaniens in die Europäische Gemeinschaft.251 Die SPD boykottierte im Dezember 1970 sogar einen Beschlussentwurf der sozialistischen Fraktion im Europaparlament, der das franquistische Regime explizit verurteilte und die Rückkehr zu einer „Politik der offenen Feindschaft“ forderte;252 die EWG schloss im selben Jahr ein Präferenzabkommen mit Spanien. Paradox ist außerdem, dass die westlichen Proteste gegen Franco zwar nicht in direkter Konsequenz, doch zumindest langfristig den Weg zu offiziellen Beziehungen zwischen Spanien und der DDR ebneten: Als Konzession an die Kritiker bildete Franco im Herbst 1969 sein Kabinett um und ersetzte Außenminister Fernando María Castiella durch den Technokraten Gregorio López Bravo. Dieser hatte sich bereits in seiner Funktion als Generaldirektor im Handelsministerium offen für eine Normalisierung der Beziehungen zu den sozialistischen Staaten Europas ausgesprochen und stieß in seiner Amtszeit im MAE (Oktober 1969 bis Juni 1973) die Tür zum Ostblock endgültig auf.253 Nur drei Wochen nach der Unterzeichnung des Grundlagenvertrags zwischen DDR und Bundesrepublik sollte er im Januar 1973 überraschenderweise die Gelegenheit nutzen, diplomatische Beziehungen mit Ost-Berlin aufzunehmen.254 Die spanische Hinwendung gen Osten erfolgte als eine Art „Back-up“-Politik, die bei klarer Priorisierung der Westintegration alternative Möglichkeiten für die spanische Außenpolitik und den Außenhandel eröffnen sollte.255 Niehus spricht
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Müller, Beziehungen, S. 85, 88. Vgl. o. V., Auf der Anklagebank. Franco und seine Richter, in: ND vom 05. 12. 1970, S. 7. Neben einigen österreichischen Regierungsvertretern sagte der deutsche Außenminister Willy Brandt nach Protesten der SPD 1968 eine Reise nach Spanien ab, dafür fuhr Kurt Georg Kiesinger als Kanzler nach Madrid: vgl. Müller, Beziehungen, S. 82. Ebenso annullierte der belgische Kommunikationsminister Alfred Bertrand geplante Gespräche mit Madrid: vgl. o. V., Baskische Patrioten in höchster Gefahr!, in: ND vom 01. 12. 1970, S. 7. Muñoz Sánchez, Wandel, S. 203. Vgl. Suárez Fernández, Franco, S. 316; Espadas Burgos, Franquismo, S. 245–260. Die spanische und internationale Presse sprach von einer gewissen „Eile“ López Bravos, bereits zum Jahreswechsel 1972/1973 auf die durch den Grundlagenvertrag veränderte Situation zu reagieren: vgl. Valentín Popescu, El establecimiento de relaciones Madrid-Pankow, acogido con resignación en la República Federal, in: La Vanguardia vom 13. 01. 1973, S. 19; o. V., Spain’s opening to the East, in: Daily American vom 22. 01. 1973. Beide abgelegt in: Ministerio de Información y Turismo/Servicios Informativos de la Dirección General de Prensa, Política Exterior, Relaciones, España Alemania-Ortiental (1970–1973), in: AGA, Fondo Presidencia de Gobierno/Secretaría de Estado para la Información, (09)010.001, 51/ 09491, unpag. Vgl. die zeitgenössische Einschätzung des „Noticiero de Barcelona“, dass Spanien sich für den Fall einer stockenden EWG-Integration „vorteilhafte Positionen“ gegenüber „wirtschaft-
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in diesem Zusammenhang von einer „Substitutionsaußenpolitik“, welche die Attraktivität Spaniens erhöhen und auf diesem „Umweg“ seine Westintegration fördern sollte.256 Zeitgenössisch schätzte der „Vorwärts“ der SPD 1963 ein, „dass Franco seine Ostpolitik durchaus nicht als Selbstzweck an[sah], sondern vielmehr in der ihm vertrauten Mittel-Zweck-Relation betrachtet[e] mit dem unausgesprochenen Ziel, auf dem Umweg über eine stufenweise Annäherung an die Sowjetunion und darüber hinaus an den ganzen Ostblock endlich auf dem europäischen Terrain festen Fuß zu fassen.“ 257 Bereits seit den frühen 60er Jahren bereitete Außenminister Castiella diese Annäherung bzw. Öffnung („apertura“) gegenüber dem Osten vor, indem er die rhetorische „Aggressivität“ gegenüber den sozialistischen Staaten schrittweise abbaute und entideologisierte.258 Aus Rücksicht auf das Hauptziel „Westintegration“ und auf den Antikommunismus Francos und ultrarechter Kreise ging er dabei vorerst sehr diskret vor.259 Auch deshalb wurde die Politik der „apertura“ in der spanischen Öffentlichkeit weniger wahrgenommen als die Integrationsbemühungen gegenüber der EWG, die seit 1962 oberste Priorität in der franquistischen Außenpolitik besaßen. Außenminister Castiella trat wiederholt mit der Bitte an die EWG-Staaten heran, Gespräche über eine Assoziierung Spaniens aufzunehmen; eine solche wurde von der Bundesrepublik und Frankreich unterstützt, scheiterte jedoch am Widerstand der Beneluxstaaten. 1964 schließlich bot der Rat der EWG Spanien erstmals Gespräche über ein Präferenzabkommen an, welches 1970 geschlossen wurde.260 Es sah u. a. den für Spanien handelspolitisch wichtigen Abbau von Zöllen vor, fiel insgesamt jedoch eher mager aus und erfüllte kaum die Erwartungen, die führende spanische Wirtschafskreise an die Verhandlungen mit der EWG gestellt hatten.261 Auch dieses Stocken im EWG-Integrationsprozess führte dazu, dass der neue Außenminister López Bravo ab 1969 die von Castiella eingeleitete Öffnung gen Osten „energisch“ vorantrieb.262
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lich starken Gruppen [im Osten]“ zu verschaffen suche: Noticiero de Barcelona vom 08. 10. 1966. Zitiert nach Niehus, Außenpolitik, S. 554. Ebenda, S. 555, 565. Eckert Wiemers, Francos Moskau-Flirt, in: Vorwärts vom 18. 09. 1963. Niehus, Außenpolitik, S. 554–555, 564–565. Zum Begriff der „apertura“ bzw. des „aperturismo“ (Öffnungspolitik) und der „aperturistas“ (Anhänger der Öffnungspolitik) vgl. Tusell, Spain, S. 251; Muñoz Sánchez, Wandel, S. 184. Vgl. Claudín, Relaciones, S. 247–248. Zu den Beziehungen zwischen Franco-Spanien und der EG bis zum spanischen Beitritt 1986 vgl. Pereira Castañares/Moreno Juste, Spain; mit dem gleichen Fokus auf Spaniens Verortung zwischen Peripherie und Zentrum Europas Moreno Juste, Relaciones. Zur negativen Bilanz des Präferenzabkommens und der franquistischen EWG-Politik insgesamt vgl. Bernecker, Geschichte, S. 208. Fernando Guirao argumentiert dagegen, „that the June 1970 agreement represented almost everything Madrid […] could dare to dream of obtaining from the Community prior to full accession.“ Guirao, The European Community’s role, S. 163. Niehus, Außenpolitik, S. 565. Auch Suárez Fernández betont die offensiv propagierte Ostpolitik López Bravos im Gegensatz zur Diskretion Castiellas: vgl. Suárez Fernández, Franco, S. 315–317.
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Eine Annäherung an die Sowjetunion war angesichts der geschilderten grundsätzlichen Feindschaft heikler als die an ihre Satellitenstaaten. Auf Grundlage „distanziert-korrekter“ und „relativ wertfreie[r]“ 263 Diplomatie, die ohne direkte Kontakte zwischen Regierungsvertretern auskam, hatte sich seit Ende der 1950er Jahre allerdings ein geringer Handelsaustausch entwickelt, der über Drittländer abgewickelt wurde. Auch unterhielten die Botschafter Spaniens und der Sowjetunion in Paris regelmäßige Gespräche. 1969 wurde ein Abkommen unterzeichnet, das der sowjetischen Schwarzmeerflotte die Errichtung einer Fischereibasis auf den Kanarischen Inseln gestattete und zu einer dauerhaften, wenngleich vorerst nur handelspolitischen Präsenz der Sowjetunion im franquistischen Spanien führte.264 Ferner eröffnete die sowjetische Nachrichtenagentur TASS 1970 ein Büro in Madrid.265 Bereits Mitte der 60er Jahre berichtete der österreichische Botschafter in Spanien entsprechend von „de facto Beziehungen“ zwischen der UdSSR, ihren Satellitenstaaten und Franco-Spanien. Er beobachtete, dass „die Russen“ die „Schönheit Malagas“ entdeckten und „Frachtschiffe mit Hammer- und Sichelflaggen“ andalusische Orangen luden.266 Nachdem Nikita Chruschtschow Franco 1963 in zwei persönlichen Anschreiben um Zustimmung zum Vorschlag einer atomwaffenfreien Zone im Mittelmeer und zum Gewaltverzicht bei der Lösung territorialer Konflikte gebeten hatte, kam das Gerücht auf, dass sogar diplomatische Beziehungen zwischen Madrid und Moskau denkbar seien.267 Zu solchen kam es zwar nicht, aber als Mitte der 60er Jahre der Vatikan seine strikte Ablehnung gegenüber der Sowjetunion zugunsten einer dialogorientierten Politik aufgab, erhielt die Ostpolitik Castiellas wichtigen Rückenwind gegenüber ihren Kritikern in Spanien.268 Im Januar 1970 kam es schließlich zum entscheidenden Wendepunkt im spanischsowjetischen Verhältnis: Aufgrund eines mutmaßlichen Schadens musste das Flug-
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Niehus, Außenpolitik, S. 554, 555. Die internationale Presse kommentierte diesen Schritt durchaus polemisch: vgl. Piero de Garzarolli, Hammer und Sichel in Francos Ferienparadies, in: Abendzeitung vom 18. 05. 1970. Zu den bilateralen Beziehungen Spanien–Sowjetunion vom Ende der 1960er Jahre bis zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen 1977 vgl. Sanz Díaz, Apertura, S. 782–784. Alle Kontakte der UdSSR zu Spanien bis zu Beginn der 1970er Jahre wurden vom MfAA penibel dokumentiert: vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Information zum Vorgehen der DDR gegenüber Spanien, 02. 06. 1972, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 6–7, hier: Bl. 6. Vgl. auch Suárez Fernández, Franco, S. 316–317. Botschafter Standenrat an Bruno Kreisky, 27. 05. 1966, zitiert nach Müller, Beziehungen, S. 79. Vgl. Hermann Deml, Bald Kreml-Botschaft in Madrid?, in: Kölnische Rundschau vom 21. 08. 1970. Franco lehnte den Vorschlag einer atomwaffenfreien Mittelmeerzone zwar ab, beantwortete das Schreiben aber persönlich und höflich. Den Vorschlag zur Unterzeichnung eines Vertrags über Gewaltverzicht bezeichnete er als „akzeptabel“: Niehus, Außenpolitik, S. 562. Zum Einfluss der neuen vatikanischen Ostpolitik auf die spanische Außenpolitik gegenüber der UdSSR seit 1963 vgl. Suárez Fernández, Franco, S. 246–247. Spätestens seit der Audienz für Außenminister Gromyko bei Papst Paul VI. 1966 nahm auch die bundesdeutsche Presse diesen Einfluss wahr: vgl. Heinrich Vorberg, Der Papst schlug eine Bresche für Moskau, in: Frankfurter Rundschau vom 21. 05. 1966.
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zeug des neu ernannten Außenministers López Bravo, der sich auf dem Weg von Madrid nach Manila befand, einen vermeintlich unvorhergesehenen Stopp in Moskau einlegen. Diese in spanischen Politkreisen berühmt gewordene „technische Zwischenlandung“ nutzte López Bravo zu einer mehrstündigen Unterredung mit Vertretern des sowjetischen Außenministeriums. Es war das erste Zusammentreffen von spanischen und sowjetischen Regierungsmitgliedern seit Ende des spanischen Bürgerkriegs und ein wichtiger Impuls für die qualitative Aufwertung der bilateralen Beziehungen.269 Die vorgebliche Spontaneität der Aktion gilt als „ein letztes Zugeständnis“ an die Diskretion, mit welcher Außenminister Castiella die sensiblen Kontakte nach Moskau behandelt hatte; in Wirklichkeit war das Treffen im Vorfeld von Vertretern beider Außenministerien geplant worden.270 Als „spektakuläre[…] Geste“ 271 war die Aktion ebenso an die USA und EG gerichtet, gegenüber denen sich López Bravo eine unabhängigere und damit stärkere Verhandlungsposition verschaffen wollte.272 Von Bedeutung ist die Episode auch insofern, als sie von den Zeitgenossen in- und außerhalb Spaniens als Bruch mit der bisherigen spanischen Außenpolitik und Beginn einer neuen „Ära“ wahrgenommen wurde.273 De facto war sie vielmehr eine Folgewirkung der Ostpolitik Castiellas, welche verhältnismäßig unbemerkt die ideologisch motivierte Politik der Feindseligkeit gegenüber der Sowjetunion aufgegeben hatte.274 Entsprechend wurde über das Treffen López Bravos und Gromykos am Rande der UNO-Vollversammlung im Oktober desselben Jahres bereits wesentlich unaufgeregter berichtet, obwohl López Bravo im anschließenden Interview mit „Ya“ gar „normale“, d. h. volle diplomatische Beziehungen mit der Sowjetunion als außenpolitische Perspektive in Aussicht stellte.275 Da die Ostpolitik Castiellas und López Bravos auch im spätfranquistischen Spanien noch auf starke ideologische Vorbehalte stieß, setzten beide in besonderem Maße auf Pragmatismus und argumentierten mit der Notwendigkeit eines „Realismus“ in den Außenbeziehungen Spaniens.276 Bereits 1964 hatte das MAE unter Castiella in einer Broschüre zum 25. Jahrestag des Siegs Francos im Bürgerkrieg 269 270 271 272 273 274
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Vgl. Niehus, Außenpolitik, S. 570–571; Espadas Burgos, Franquismo, S. 249–250. Súarez Fernández, Franco, S. 317. Niehus, Außenpolitik, S. 570. Vgl. die Einschätzungen der „Washington Post“ und des bekannten franquistischen Journalisten Emilio Romero in „Pueblo“ vom 10. 01. 1970: zitiert in Claudín, Relaciones, S. 254. Vgl. Suárez Fernández, Franco, S. 315–316. Vgl. ebenda, S. 317; ebenso zeitgenössisch die FAZ: „Die Öffnung nach Osten hatte schon der frühere Außenminister Castiella eingeleitet, sein Nachfolger Lopez Bravo [sic!] hat sie mit dem ihm eigenen Sinn für spektakuläre und publizitätswirksame Aktionen […] energisch vorangetrieben.“ Walter Haubrich, Vorsichtige Öffnung nach Osten, in: FAZ vom 27. 03. 1971. Vgl. das Interview mit López Bravo in „Ya“ vom 27. 10. 1970: „En cuanto al este, nos movemos en su dirección, sin prisa, pero sin pausa, para conseguir con toda naturalidad el establecimiento escalonado de […] unas relaciones normales […].“ Zitiert in Claudín, Relaciones, S. 256. Für eine Einschätzung des Treffens zwischen López Bravo und Gromyko in New York vgl. Suárez Fernández, Franco, S. 317. Espadas Burgos, Franquismo, S. 250; Suárez Fernández, Franco, S. 315.
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den Spagat zwischen ideologischen Prinzipien und außenpolitischer Pragmatik formuliert: Die antikommunistische Position Spaniens sei „hinreichend bekannt“, doch gehe dieser Antikommunismus nicht „bis ans Äußerste“. Ohne „die Deckung fallen zu lassen und der [kommunistischen] Aggression eine offene Flanke zu bieten“, verweigere sich Spanien nicht einem „wahrhaften Dialog und Zusammenleben“ von Ost und West.277 López Bravo schärfte fünf Jahre später nach, dass die spanische Außenpolitik nicht „halb Europa ignorieren könne“.278 Auch in der DDR wurde die neue spanische Pragmatik gegenüber dem Ostblock wahrgenommen: Ein Vertreter des polnischen Außenministeriums kommentierte gegenüber einem DDR-Botschaftsmitarbeiter in Warschau, „dass man im spanischen Außenministerium eine pragmatische Politik betreib[e], die schon an die Entwicklung der Beziehungen Spaniens nach Franco denk[e].“ 279 Höhepunkt der entideologisierten spanischen Ostpolitik war der Abschluss eines Handelsvertrags mit der Sowjetunion am 15. September 1972 in Paris, der in einem Zusatzprotokoll die Errichtung von Handelsdelegationen in Madrid und Moskau festlegte.280 Die Annäherung zwischen dem Franco-Regime und der Sowjetunion war eng gekoppelt an die Normalisierung der Beziehungen Spaniens zu den sozialistischen Staaten Europas. Gerlinde Freia Niehus spricht in diesem Zusammenhang von einer „Salami-Taktik“ des spanischen Außenministeriums: Indem es sich zunächst den Satellitenstaaten Moskaus näherte und sich dann „zum Zentrum“ vorarbeitete, das laut offizieller Regime-Propaganda zweifellos die UdSSR als „Brutstätte des Kommunismus“ war, wählte es innenpolitisch „den Weg des geringsten Widerstandes“.281 So schloss die Franco-Regierung bereits 1957 ein Zahlungs- und Bankenabkommen mit Polen, 1958 folgten Rumänien, Ungarn, Bulgarien und die ČSSR. Auf dieser Grundlage wurde der Warenaustausch zunächst inoffiziell über die jeweiligen Handelsvertretungen in Paris und Genf betrieben.282 Bis Ende der 1960er Jahre wurden diese Kontakte durch den Austausch von offiziellen Handelsund Konsularmissionen mit Rumänien (1967), Polen und Ungarn (beide 1969) sowie Bulgarien und der ČSSR (beide 1970) institutionalisiert; lediglich in Jugo-
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Junta Interministerial, El gobierno informa, S. 52: „La posición ideológica anticomunista de España es sobradamente conocida, pero su anticomunismo no es, sin embargo, negativo a ultranza. […] Es decir, que España admite el diálogo y la convivencia verdaderos, pero sin bajar la guardia ni ofrecer flancos abiertos a la agresión.“ Zitiert in ABC vom 17. 12. 1969: „[…] no se puede ignorar a media Europa.“ Botschaft der DDR in Warschau, Vermerk über eine Unterredung zwischen Genossen Schmidt und dem Direktor des IV. Departements des MSZ, Genossen Staniszewski, am 12. 2. 1972, 15. 02. 1972, in: PA AA, M 1, C 617/77, Bl. 30–33, hier: Bl. 32. Vgl. Niehus, Außenpolitik, S. 571. Bei der Abstimmung im spanischen Parlament sprach sich lediglich der ultrarechte Abgeordnete Blas Piñar gegen das Handelsabkommen aus: vgl. Suárez Fernández, Franco, S. 317. Niehus, Außenpolitik, S. 555, 570. Vgl. die penible Beobachtung der frühen, inoffiziellen Handelskontakte zwischen Spanien und den sozialistischen Bruderstaaten durch die SED: ZK der SED, Abteilung Handel, Versorgung und Außenhandel, Spanisches Handelssystem mit den Ländern des Ostens, 27. 08. 1960, in: SAPMO-BArch, DY 30/80959, Bl. 316–317.
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slawien und der UdSSR wurden Handelsmissionen ohne konsularischen Status eingerichtet.283 Allgemein wurden die Beziehungen zwischen Madrid und den sozialistischen Ländern durch die zunehmende Entfremdung zwischen den kommunistischen Parteien des Ostblocks und den spanischen Eurokommunisten erleichtert: Sie half den Regierungen in Osteuropa, ohne größere Rücksichtnahme auf Parteibeziehungen Verträge mit der Franco-Regierung abzuschließen, während diese andererseits darauf setzte, dass die nationalen Interessen der kommunistischen Staaten schwerer wiegten als ihre Solidarität mit der spanischen „Bruderpartei“.284 Dabei zeigte sich Rumänien „am zugänglichsten“ gegenüber dem FrancoRegime und unterhielt als erster Staat des Ostblocks konsularische Beziehungen mit Madrid.285 Polen wiederum genoss wegen seines Katholizismus einen gewissen Sonderstatus in Francos engerem Zirkel, weshalb sich dessen antikommunistische Propaganda von Beginn an nicht in solchem Maße gegen Warschau richtete wie gegen die anderen Ostblockstaaten.286 Nicht wenige Stimmen in Spanien – sowohl in Regierungskreisen und Presse als auch bei den Kommunisten – gingen dementsprechend davon aus, dass Franco zunächst einen Botschafter nach Polen entsenden würde.287 In der Tat waren 1961 in Paris bereits sehr früh Verhandlungen über die Errichtung von Handels- und Konsularmissionen aufgenommen worden, bei denen Spanien offen das Ziel eines künftigen Botschafteraustauschs formuliert hatte.288 Diese kamen jedoch erst 1969 zum Abschluss und brachten lediglich ein Abkommen ohne diplomatischen Status.289 Für die Verzögerung machte die spanische Regierung u. a. die DDR verantwortlich: Wegen ihrer starken antispanischen Ressentiments habe die SED-Regierung Einfluss auf Polen ausgeübt, um eine Intensivierung seiner Beziehungen zu Spanien zu verhindern.290 In der Tat bleibt die Frage zu beantworten, weshalb in dieser Phase der vorsichtigen Annäherungspolitik zwischen Spanien und dem Ostblock nicht auch mit der DDR Handels- und Konsularmissionen eingerichtet wurden. Dabei gilt es „gewisse Besonderheiten“ 291 zu berücksichtigen, die sich aus der Stellung der DDR im internationalen Kontext und dem langwierigen Prozess ihrer internationalen Anerkennung ergaben. 283 284
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Vgl. Niehus, Außenpolitik, S. 556–571. Vgl. Walter Haubrich, Vorsichtige Öffnung nach Osten, in: FAZ vom 27. 03. 1971. Zum Interesse der sozialistischen Länder an Kontakten mit Franco-Spanien vgl. Claudín, Relaciones, S. 258–262. Claudín, Relaciones, S. 247–250 u. 258–262. Vgl. Chodakiewicz, Rezension zu Eiroa, S. 932–933. Vgl. Antonio Alférez, Parece estar próxima la tercera etapa de las relaciones españolas con el Este: A nivel de embajada, in: ABC vom 19. 11. 1970, S. 39–40, hier: S. 40. Vgl. Niehus, Außenpolitik, S. 557. Zu Schwierigkeiten in den spanisch-polnischen Beziehungen zwischen 1950 und 1970 vgl. Miró Liaño/Ferrero Blanco, Motivaciones y dificultades. Vgl. Walter Haubrich, Vorsichtige Öffnung nach Osten, in: FAZ vom 27. 03. 1971; Haberstroh, DDR, S. 39. Die archivalische Überlieferung bestätigt diesen Vorwurf einer Sabotage durch die DDR nicht. Antonio Alférez, Parece estar próxima la tercera etapa de las relaciones españolas con el Este: A nivel de embajada, in: ABC vom 19. 11. 1970, S. 39–40, hier: S. 39.
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II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
3.2 Die internationale Anerkennung der DDR Die wirkmächtigste außenpolitische „Besonderheit“ der DDR ergab sich aus ihrem Streben nach internationaler Anerkennung, das mit dem von der Bundesrepublik seit 1955 in Form der Hallstein-Doktrin erhobenen Alleinvertretungsanspruch kollidierte.292 Die „Nichtanerkennungspolitik“ Bonns betrachtete die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Ost-Berlin durch dritte Staaten als „unfreundlichen Akt“, der mit Sanktionen bis hin zum Beziehungsabbruch abgestraft werden konnte.293 In Verbindung mit der wirtschaftlichen Stärke der Bundesrepublik sicherte ihr diese außenpolitische Strenge über Jahre die Anerkennung als einziger deutscher Staat und verhinderte souveräne außenpolitische Beziehungen der DDR außerhalb der sozialistischen Staatenwelt.294 Obgleich Spanien kein NATO-Verbündeter der Bundesrepublik und insofern nicht zwangsläufig an die Einhaltung der Hallstein-Doktrin gebunden war, machte die starke Orientierung auf Westintegration und Bonner Fürsprache Franco besonders loyal in Sachen „Hallstein“. Bei allen Kontakten nach Ost-Berlin vor 1972/73 berücksichtigte er entsprechend, den Anspruch der Bundesrepublik nicht zu verletzen und die eigene Loyalität unter Beweis zu stellen. Die Intensivierung der ostdeutsch-spanischen Beziehungen hing daher in besonderem Maße vom Ende des „diplomatischen Kriegs“ 295 zwischen den beiden deutschen Staaten ab. Dieses wurde eingeleitet durch den von Egon Bahr bereits 1963 formulierten „Wandel durch Annäherung“, der ab 1969 Methode und Ziel der Ostpolitik unter Willy Brandt wurde. In seiner Regierungserklärung signalisierte Brandt die Bereitschaft zur Aufgabe des Alleinvertretungsanspruchs und der Hallstein-Doktrin; daneben führten die 1970 geschlossenen Verträge Bonns mit Moskau und Warschau dazu, dass Walter Ulbricht von der völkerrechtlichen Anerkennung der DDR durch die Bundesrepublik als Vorbedingung für bilaterale deutsch-deutsche Verhandlungen absah.296 Deren Ergebnis war am 21. Dezember 1972 die Unterzeichnung des Grundlagenvertrags in OstBerlin. Obgleich er lediglich eine staatsrechtliche und keine völkerrechtliche Anerkennung der DDR durch die Bundesrepublik gewährte, bedeutete er die offizielle Beziehungsaufnahme der beiden deutschen Staaten und das Ende der HallsteinDoktrin. Damit war das „wirksamste Hindernis“ 297 für die DDR-Außenpolitik aus dem Weg geräumt und dieser frei für die internationale Anerkennung durch die westlichen Staaten. 292 293 294 295 296
297
Zu Charakter und Methoden der DDR-Anerkennungspolitik vgl. Horstmeier, Maus. Vgl. Wentker, Außenpolitik in engen Grenzen, S. 170–171, 350. Vgl. ebenda, S. 171. Zu den deutsch-deutschen Beziehungen und der Deutschlandpolitik der DDR vgl. u. a. Staadt, Westpolitik; Nakath, Grundlagen; Lemke, Deutschlandpolitik. Zum Begriff des „diplomatic war“ bzw. „war within a war“ vgl. Gray, Germany’s Cold War, S. 8–9, 226–233. Vgl. Grau, Deutsch-deutsche Gespräche, in: Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland: http://www.hdg.de/lemo/kapitel/geteiltesdeutschland-modernisierung/neue-ostpolitik/deutsch-deutsche-gespraeche.html. Letzter Zugriff am 24. 10. 2022. Wentker, Außenpolitik in engen Grenzen, S. 189.
3. Auf dem Weg zum Tabubruch: Die DDR und Spanien im internationalen Kontext
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Die Entwicklung schlug sich unmittelbar auf die ostdeutsch-spanischen Kontakte nieder. Bei einem Besuch López Bravos in Bonn im Dezember 1970 gab sich der spanische Außenminister gegenüber seinem bundesdeutschen Kollegen bereits selbstbewusster bezüglich einer eigenständigen DDR-Politik: Zwar versicherte er Walter Scheel, dass er „die Anerkennung des Ulbricht-Staates vorerst nicht in Erwägung ziehe“, brachte jedoch zugleich seine Hoffnung zum Ausdruck, „dass Spanien in der Zukunft schrittweise seine Beziehungen zu Ost-Berlin regeln könne“, wenngleich in „enger Zusammenarbeit mit Bonn“.298 Die spanische Presse deutete dies als Zeichen der „Wohlerzogenheit“ López Bravos gegenüber Bonn, die „Standhaftigkeit“ in Form einer eigenständigen Außenpolitik jedoch nicht mehr ausschließe.299 In der Tat sondierte das spanische Handelsministerium im Januar und Juni 1970 sowie im Februar 1971 bei DDR- und sowjetischen Vertretern in West-Berlin und Warschau Möglichkeiten einer Intensivierung der Beziehungen.300 Im März 1971 reagierte das MfAA darauf mit der Ausarbeitung einer Politbürovorlage über die Aufnahme staatlicher Handels- und Konsularbeziehungen mit Spanien.301 Die Erklärung Jünglings, dass die DDR diesen Qualitätssprung in den Beziehungen zu Spanien erwog, weil „[d]as bereits einige Jahre währende Buhlen der Spanier“ um die Ostblockstaaten diese „längst mürbe gemacht“ habe, greift dabei zu kurz.302 Sie berücksichtigt nicht hinlänglich die Bedeutung, welche die deutsch-deutsche Annäherung zu diesem Zeitpunkt für die Beziehungen zwischen Ost-Berlin und Madrid hatte. Diese wird in der Politbüro-Vorlage ersichtlich, die erwägt, ob Spanien als „Testfall“ zur Untergrabung der HallsteinDoktrin dienen könne: „Durch die Herstellung staatlicher Handels- und konsularischer Beziehungen mit Spanien könnte ein Präzedenzfall für die Herstellung staatlicher Beziehungen mit anderen westeuropäischen Staaten geschaffen“ werden, da die Beziehungsaufnahme „der von der BRD praktizierten Politik der Blockierung der internationalen Beziehungen der DDR entgegenwirk[en]“ würde.303 Dass die Politbürovorlage nicht lediglich eine Reaktion auf die Initiativen Spaniens war, sondern ein Versuch der DDR, bereits während des deutsch-deutschen Annäherungsprozesses Möglichkeiten der internationalen Anerkennung zu eruieren,
298
299 300
301
302 303
O. V., Las relaciones con el Este, in: MADRID vom 02. 12. 1970, abgelegt in: Ministerio de Información y Turismo/Servicios Informativos de la Dirección General de Prensa, Política Exterior, Relaciones, España − Alemania-Ortiental (1970–1973), in: AGA, Fondo Presidencia de Gobierno/Secretaría de Estado para la Información, (09)010.001, 51/09491, unpag. Ausgedrückt im spanischen Sprichwort „Lo cortés no quita lo valiente.“ Ebenda. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, ATI-Information über spanische Aktivitäten gegenüber der DDR, 10. 01. 1972, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 2–5, hier: Bl. 4. Vgl. auch Jüngling, Alternative Außenpolitik, S. 270. Vgl. ZK der SED, Vorlage für das Politbüro des ZK der SED über den Ausbau der staatlichen Handels- und Konsularbeziehungen mit Spanien, 26. 03. 1971, in: SAPMO-BArch, DY 30/ 13474, Bl. 28–31. Jüngling, Alternative Außenpolitik, S. 271. ZK der SED, Vorlage für das Politbüro des ZK der SED über den Ausbau der staatlichen Handels- und Konsularbeziehungen mit Spanien, 26. 03. 1971, in: SAPMO-BArch, DY 30/ 13474, Bl. 28–31, hier: Bl. 30–31.
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zeigt auch eine Note der DDR-Botschaft in Bukarest an die dortige spanische Handels- und Konsularvertretung im Juni desselben Jahres.304 Darin warb die DDR um Spaniens Fürsprache in der Frage ihrer Aufnahme in die Vereinten Nationen und um das Abrücken von der Hallstein-Loyalität. Da es sich bei der Annäherung zwischen der DDR und der Bundesrepublik nicht um einen „deutsch-deutschen Dialog“ handele, sondern um „offizielle Gespräche zweier souveräner Staaten“, so die Argumentation, sei die Annahme falsch, dass eine Zulassung der DDR zu internationalen Organisationen oder ihre völkerrechtliche Anerkennung diesen Prozess behindern würden. Im Gegenteil hätte die Annerkennung der DDR einen positiven Effekt auf ihre Beziehungen zu Bonn und damit auch auf den Prozess der internationalen Entspannung und Zusammenarbeit.305 Angesichts dieser „Lobbyarbeit“ in Sachen Anerkennung steht die Frage im Raum, weshalb die ostdeutsch-spanischen Beziehungen nicht normalisiert wurden und die Politbürovorlage vom März 1971 ergebnislos blieb. Hierfür waren mehrere Gründe ausschlaggebend, die sowohl auf ostdeutscher als auch auf spanischer Seite zu suchen sind. Im außenpolitischen Apparat der DDR spielte möglicherweise eine Rolle, dass neben dem Staatssekretär für Außenhandel Gerhard Beil auch der erste stellvertretende Außenminister und ehemalige Spanienkämpfer Ernst Scholz zur Behandlung der Vorlage geladen war.306 Ein explizites Eintreten Scholz’ gegen Handels- und Konsularbeziehungen mit Franco-Spanien aus historisch-ideologischen Gründen ist zwar nicht überliefert, jedoch ebenso wenig seine Abzeichnung der Vorlage. Besser nachzuvollziehen als Grund für die ausbleibende Einrichtung staatlicher Missionen ist dagegen die Unsicherheit des spanischen Außenministeriums in der Frage, wie auf die Ablösung der Hallsteindurch die sogenannte Scheel-Doktrin zu reagieren sei.307 Diese wurde im Zuge der Neuen Ostpolitik Willy Brandts „etwas weicher formuliert[…]“ und forderte bis zur endgültigen Klärung der deutsch-deutschen Beziehungen von den westlichen Staaten „nur noch Zurückhaltung gegenüber ostdeutschen diplomatischen Avancen“ ein.308 Das MAE beobachtete diesbezüglich sehr interessiert und gut informiert, wie die neue sozialliberale Koalition auf Anerkennungserfolge der DDR reagierte: Im Juni 1970 etwa berichtete der spanische Botschafter aus Bonn über die allmähliche Anerkennung der DDR durch die Länder der sogenannten 304
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308
Vgl. Botschaft der DDR in Bukarest, Note an die Konsular- und Handelsvertretung Spaniens in Bukarest über das Problem der Beziehungsaufnahme mit der Deutschen Demokratischen Republik, 04. 06. 1971, in: AGA, Fondo A. Ex., Leg. R – 11354, Exp. 8, unpag. Ebenda. Vgl. ZK der SED, Vorlage für das Politbüro des ZK der SED über den Ausbau der staatlichen Handels- und Konsularbeziehungen mit Spanien, 26. 03. 1971, in: SAPMO-BArch, DY 30/ 13474, Bl. 28–31, hier: Bl. 28. Ausführlich zum Wandel von der Hallstein- zur Scheel-Doktrin vgl. Kilian, Werner, Die Hallstein-Doktrin. Der diplomatische Krieg zwischen der BRD und der DDR 1955–1973. Aus den Akten der beiden deutschen Außenministerien (Zeitgeschichtliche Forschungen 7), Berlin 2001. Vgl. außerdem Weidenfeld, Werner/Korte, Karl-Rudolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Einheit. 1949–1989–1999, Frankfurt a. M. 1999, S. 244. Gülstorff, Hallstein-Doktrin: http://www.bpb.de/25395. Zuletzt abgerufen am 24. 10. 2022.
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Dritten Welt und die relative Gelassenheit Bonns darüber. Ceylon und Indien beispielsweise seien wegen ihrer Beziehungen zur DDR keine Entwicklungshilfen gekürzt wurden, weshalb auch Pakistan eine Beziehungsaufnahme in Erwägung ziehe.309 Der spanische Handelsrat in Polen argumentierte Anfang 1970 gegenüber dem Handelsminister, dass neuerdings auch „die Mehrzahl der westlichen industrialisierten Länder“ – etwa Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan – Handelsabkommen mit der DDR schlössen und Vertretungen der DDR-Handelskammer in ihren Ländern zuließen. Er appellierte an den politischen Willen Madrids zu einem ebensolchen Schritt, da Spanien ansonsten wirtschaftliche Nachteile gegenüber den anderen westlichen Staaten entstünden.310 Einen Monat später erklärte der Leiter der Osteuropa-Abteilung im MAE gegenüber dem stellvertretenden Leiter der sowjetischen Schifffahrtsvertretung in Spanien, dass Madrid „in Übereinstimmung mit der Ostpolitik der BRD bereit sei, die Entwicklung der Beziehungen zur DDR weiter voranzutreiben.“ 311 Andererseits sah sich Außenminister López Bravo wiederholt dazu gezwungen, in Interviews zu betonen, dass dies „die engen und freundschaftlichen Beziehungen zur BRD nicht beeinträchtig[e].“ 312 Der Leiter der spanischen Mission in Bukarest, Eduardo Casuso, bat Anfang 1971 in Madrid um Weisung, ob er bei Empfängen teilnehmen solle, die anlässlich des Besuchs von Walter Ulbricht in Rumänien von der DDR-Botschaft ausgerichtet würden. Er fürchtete, dass seine Präsenz „verdreht ausgelegt“ werden könne.313 In seiner Antwort empfahl das MAE eine Rücksichtnahme auf die Bundesrepublik und riet Casuso, sein Verhalten an das der westlichen Botschafter in Bukarest anzupassen, die „Freunde und Verbündete“ Bonns seien.314 Ebenso schätzte ein Vertreter des polnischen Außenministeriums nach Gesprächen im MAE Anfang 1972 gegenüber der DDR-Botschaft in Warschau ein, dass Madrid zwar an offiziellen Beziehungen zur DDR interessiert sei, es „Spanien im Augenblick jedoch nur schwer möglich [sei], die Scheeldoktrin zu überspringen.“ 315
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Vgl. Botschaft Spaniens in Bonn, Brief ans MAE über die Anerkennung der DDR durch Ceylon, 15. 06. 1970, in: AGA, Fondo A. Ex., Leg. R – 11397, Exp. 18, unpag. Ceylon hatte am 16. Juni 1970 diplomatische Beziehungen mit der DDR aufgenommen, Indien folgte am 8. Oktober 1972, Pakistan am 15. November 1972. Handels- und Konsularmission Spaniens in Warschau, Brief des Handelsrats Bozzano an den spanischen Handelsminister (Delegación del I.E. M. E. Vasovia al Señor Ministro de Comercio), 19. 01. 1970, in: AGA, Fondo A. Ex., Leg. R – 10279, Exp. 4, unpag. MfAA, Abteilung Westeuropa, Rotstrichinformation „Spanische Aktivitäten gegenüber der DDR“, 10. 01. 1972, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 1–4, hier: Bl. 4. MfAA, Abteilung Westeuropa, ATI-Information über spanische Aktivitäten gegenüber der DDR, 10. 01. 1972, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 2–5, hier: Bl. 5. MAE, Brief der spanischen Konsular- und Handelsmission in Bukarest ans MAE, 11. 02. 1971, in: AGA, Fondo A. Ex., Leg. R – 11354, Exp. 8, unpag.: „[…] son inevitables los comentarios a mi presencia en actos que pudieran ser interpretados torcidamente.“ Ebenda. Botschaft der DDR in Warschau, Vermerk über eine Unterredung zwischen Genossen Schmidt und dem Direktor des IV. Departements des MSZ, Genossen Staniszewski am 12. 2. 1972, 15. 02. 1972, in: PA AA, M 1, C 617/77, Bl. 30–33, hier: Bl. 31.
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Die inkonsistenten Positionen machen deutlich, dass sich das MAE Anfang der 70er Jahre durch den angestoßenen deutsch-deutschen Verständigungsprozess einerseits in der Forcierung einer eigenen DDR-Politik bestärkt sah, andererseits die Beziehungen zur Bundesrepublik, seinem wichtigsten Partner in der EWGIntegration, nicht belasten wollte. Denn Bonn nahm die Bewegung im ostdeutschspanischen Verhältnis selbstverständlich wahr: Der bundesdeutsche Botschafter in Madrid, Meyer-Lindenberg, berichtete Ende 1969 an das Auswärtige Amt, dass die spanische Presse vermehrt die Bezeichnung „DDR“ anstelle von „Ostdeutschland“ gebrauche.316 Im Mai 1970 konstatierte er, dass im Protokoll des Außenministeriums nun häufiger die Ansprache Botschaft bzw. Botschafter „der Bundesrepublik Deutschland“ gebraucht werde, wo früher „Deutsche Botschaft“ üblich gewesen sei. Entsprechend bat er um Weisung aus Bonn bezüglich der Benennung der Botschaft, auch weil er antizipierte, dass die neu in Madrid eintreffenden Handels- und Konsularvertreter Ungarns, Polens und der ČSSR es ablehnen würden, „mit einer Deutschen Botschaft zu verkehren.“ 317 Er schlug vor, um eine Listung der Botschaft als „Alemania, República Federal de“ („Deutschland, Bundesrepublik“) im Diplomatenverzeichnis des MAE zu bitten, damit sie vor einer möglichen künftigen DDR-Botschaft stehe, die vermutlich unter „República Democrática Alemana“ („Deutsche Demokratische Republik“) gelistet würde.318 Das Auswärtige Amt reagierte gelassen und ordnete zunächst keine generelle Änderung der Botschaftsbezeichnung an. Es solle vermieden werden, „dass durch eine abrupte Änderung unserer bisherigen Praxis der Eindruck hervorgerufen wird, als stellten wir uns bereits jetzt darauf ein, dass in absehbarer Zeit nicht nur ein deutscher Botschafter, sondern zwei deutsche Botschafter, Konsuln etc. in den Hauptstädten etabliert sein werden.“ 319
Bonn schien sich der guten Beziehungen zu Franco-Spanien und dessen Hallstein- bzw. Scheel-Loyalität nach wie vor sicher und hielt es „für wenig wahrscheinlich […], dass gerade in Madrid in dieser Hinsicht Schwierigkeiten entstehen könnten.“ 320 Mit dieser Einschätzung lag das Auswärtige Amt richtig, denn Gregorio López Bravo wartete die Unterzeichnung des Grundlagenvertrags ab, bevor er tatsächlich offizielle Beziehungen mit der DDR einging – dann jedoch unmittelbar auf höchster diplomatischer Ebene. Förderlich auf dem Weg der DDR zur internationalen Anerkennung und damit auch zur Beziehungsaufnahme mit Spanien waren neben dem Prozess der deutsch-deutschen Annäherung auch die Bemühungen um eine europäische Si-
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317 318 319 320
Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben des Botschafters Meyer-Lindenberg betr. Bezeichnung der „DDR“ in der spanischen Presse, 17. 09. 1969, in: PA AA, MADR 12522, unpag. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben des Botschafters Meyer-Lindenberg betr. Benennung der Botschaft in Madrid, 05. 05. 1970, in: PA AA, MADR 12522, unpag. Ebenda. AA, Schreiben an die Deutsche Botschaft Madrid betr. Bezeichnung der Botschaft, 19. 05. 1970, in: PA AA, MADR 12522, unpag. Ebenda.
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cherheitskonferenz. Diese waren von den Warschauer Vertragsstaaten angestrengt worden, wurden im Zuge der Ostpolitik der sozialliberalen Koalition in Bonn und der weltweiten Détente ab Ende der 60er Jahre jedoch auch vom Westen unterstützt. Sowohl die DDR als auch Franco-Spanien hatten als außenpolitische „Underdogs“ Interesse an einem solchen multinationalen Forum, von dem sie sich mehr internationale Sichtbarkeit und die Möglichkeit zur Einbringung eigener außenpolitischer Positionen versprachen.321 Spanien reagierte im Dezember 1969 und September 1970 auf den Budapester Appell und das finnische Memorandum mit zwei eigenen Memoranden, in denen die Franco-Regierung ihr Interesse an einer Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ausdrücklich bekundete und unterstrich, dass sie die Teilnahme aller europäischer Staaten an der Vorbereitung und Durchführung der Konferenz unterstütze.322 Dies meinte explizit auch eine Teilnahme der DDR: Javier Rupérez, Leiter der spanischen Handelsund Konsularmission in Polen, bat im Oktober 1970 darum, den DDR-Botschafter in Warschau „in einer dringenden Angelegenheit“ zu sprechen und ihm im Namen seiner Regierung das spanische Memorandum zu überreichen. Er bedauerte, dass er dies aufgrund fehlender Beziehungen „nicht in der gehörigen Form mit einer Note“ tun könne und betonte, dass man in Madrid „Wert darauf [lege], dass die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik den spanischen Standpunkt zur Einberufung einer europäischen Sicherheitskonferenz kennenlerne.“ 323 Dies schmeichelte der nach Anerkennung strebenden DDR, die die Initiative Madrids dementsprechend begrüßte.324 Dazu trug erstens bei, dass Spanien bereits während der Vorbereitungen zur Konferenz darum bemüht war, als NichtNATO-Staat eine vermittelnde Rolle zwischen West und Ost einzunehmen. Zweitens entsprachen einige der spanischen Positionen denen der sozialistischen Staaten, darunter die Anerkennung des Status Quo in Europa und die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten.325 In der Politbürovorlage vom März 1971 wurde die spanische KSZE-Position daher als einer der Gründe zugunsten einer möglichen Aufnahme konsularischer Beziehungen angeführt.326 Auch der neue 321
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Zu Rolle, Haltung und Mitwirkung der DDR im KSZE-Prozess vgl. Hanisch, DDR im KSZEProzess, S. 44–124. Zu Franco-Spanien im KSZE-Prozess vgl. Capilla Casco, Participación; Rodrigo Luelmo, España: https://eprints.ucm.es/30093/1/T36056.pdf. Letzter Zugriff am 24. 10. 2022. Vgl. Capilla Casco, Participación, S. 261. Botschaft der DDR in Warschau, Aktennotiz über eine Unterredung des Genossen Schmidt mit dem amtierenden Leiter der Konsular- und Wirtschaftsvertretung Spaniens in der VRP, Herrn Rupérez, 13. 10. 1970, in: PA AA, M 1, C, 617/77, Bl. 42–44, hier: Bl. 42. Ebenda, Bl. 43. Vgl. Rodrigo Luelmo, España, S. 49. Vgl. ZK der SED, Vorlage für das Politbüro des ZK der SED über den Ausbau der staatlichen Handels- und Konsularbeziehungen mit Spanien, 26. 03. 1971, in: SAPMO-BArch, DY 30/ 13474, Bl. 28–31, hier: Bl. 29. Die Bedeutung der spanischen KSZE-Rolle in der ostdeutschspanischen Annäherung wird dadurch unterstrichen, dass sich die DDR gegenüber Griechenland und Portugal nicht um konsularische oder diplomatische Beziehungen bemühte. Diese ordneten sich im KSZE-Prozess klar dem westlichen Block zu und gaben sich nicht wie Spanien als neutraler Vermittler.
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Leiter der spanischen Mission in Polen, Emilio Beladiez Navarro, stellte im Juni 1972 in einem Gespräch mit dem DDR-Botschafter in Warschau, Rudolf Roßmeisl, fest, dass das „Stattfinden der Europäischen Sicherheitskonferenz […] sich seiner Meinung nach äußerst günstig und sehr beschleunigend auf den Prozess der Normalisierung der Beziehungen Spanien/DDR auswirken“ würde.327 So war das gemeinsame Interesse Spaniens und der DDR an einer europäischen Sicherheitskonferenz nicht nur ein Motiv für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen 1973, sondern der KSZE-Prozess selbst diente als beschleunigendes Moment der spanisch-ostdeutschen Annäherung. Die außenpolitische Handlungsfähigkeit der DDR wurde nicht nur durch ihre Abhängigkeit von der Bundesrepublik eingeschränkt, sondern auch durch ihre Orientierung an der Sowjetunion, die Anerkennung deren Führungsrolle und der Einbindung in die sogenannte „koordinierte Außenpolitik“ der sozialistischen Staaten.328 Die bereits geschilderte Annäherung letzterer an Franco-Spanien wirkte im Vorfeld der Beziehungsaufnahme sowohl als Legitimation als auch als Motivation: In der Politbürovorlage vom März 1971 wurden die konsularischen Beziehungen Spaniens mit Rumänien, Polen, Ungarn, Bulgarien und der ČSSR sowie die sowjetische Schifffahrtsvertretung auf den Kanaren und das TASS-Büro in Madrid als Rechtfertigung zur Einrichtung einer eigenen Handels- und Konsularmission angeführt.329 Dass es der SED daneben auch um ein Aufholen gegenüber den „Bruderstaaten“ ging, zeigt eine in der Vorlage enthaltene Richtlinie: Diese besagte, dass Verhandlungen mit Madrid nur dann aufzunehmen seien, wenn die spanische Seite sich zu Beziehungen auf gleicher Ebene wie mit den anderen sozialistischen Ländern bereit erkläre. Kontakte unterhalb der konsularischen Ebene wollte die DDR mit Blick auf ihren Nachholbedarf innerhalb des Ostblocks nicht akzeptieren.330 Daneben musste die DDR die Interessen der Sowjetunion berücksichtigen, insbesondere nach Verkündung der sogenannten „Breschnew-Doktrin“, die nach der Niederschlagung des Prager Frühlings verstärkten Blockzusammenhalt der Warschauer Vertragsstaaten einforderte.331 Auch in ihrer Reaktion auf die Ostpolitik Willy Brandts und in ihrer Öffnung nach Westen besaß die DDR kaum
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MfAA, Abteilung Westeuropa, Rotstrichinformation „Zu den Beziehungen der DDR und anderer sozialistischer Staaten mit Spanien“, 04. 07. 1972, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 5–7, hier: Bl. 6. Zur „koordinierten Außenpolitik“ der sozialistischen Staaten vgl. Bruns, Deutsche Demokratische Republik, S. 73. Zu Rolle und Gewicht der DDR im Ostblock vgl. Wentker, Außenpolitik in engen Grenzen, S. 248–271, 316–318. Vgl. ZK der SED, Vorlage für das Politbüro des ZK der SED über den Ausbau der staatlichen Handels- und Konsularbeziehungen mit Spanien, 26. 03. 1971, in: SAPMO-BArch, DY 30/ 13474, Bl. 28–31, hier: Bl. 29 u. 31. Vgl. ebenda. DDR-Botschafter Roßmeisl wiederholte diese Forderung im Juni 1972 gegenüber dem Leiter der spanischen Mission in Warschau: vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Rotstrichinformation „Zu den Beziehungen der DDR und anderer sozialistischer Staaten mit Spanien“, 04. 07. 1972, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 5–7, hier: Bl. 5 u. 7. Vgl. Wentker, Hermann, Rezension zu Ouimet: http://www.hsozkult.de/publicationreview/ id/reb-4235. Letzter Zugriff am 24. 10. 2022.
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Handlungsspielraum, da die Sowjetunion diese „unter möglichst enger Kontrolle“ halten wollte.332 Entsprechend sah die Politbürovorlage vor, dass das MfAA das Vorgehen gegenüber Spanien mit der Sowjetunion abzustimmen habe.333 Dabei leistete die Annäherung zwischen Moskau und Madrid Ende der 1960er Jahre den Überlegungen der DDR, ihre internationale Stellung durch offizielle Beziehungen zu Spanien zu stärken, freilich Vorschub. Bei Konsultationen im sowjetischen Außenministerium im Juni 1972 drückte Yuri Dubinin, Leiter der Ersten Europäischen Abteilung und ab 1978 Botschafter der UdSSR in Madrid, seine prinzipielle Zustimmung aus:334 Spanien zeige erstens eine für die DDR opportune außenpolitische Disposition, weil es „in Europa nicht weiter isoliert sein“ wolle; es trete zweitens für eine Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ein und zeige drittens eine zunehmend „realistischere Haltung“ gegenüber der DDR. Für diese ergäben sich daraus „bestimmte Möglichkeiten, […] Beziehungen anzuknüpfen“, welche es zu „nutzen“ gelte.335 Moskau, das wenige Monate später einen Handelsvertrag mit Franco-Spanien unterzeichnete, empfahl den Ost-Berliner Genossen also, ihre Beziehungen ebenfalls zu normalisieren, mahnte jedoch, dass dies „Schritt für Schritt erfolgen“ solle.336 Entsprechend formulierte der stellvertretende Außenminister und ehemalige Spanienkämpfer Ernst Scholz im November 1972, zwei Monate vor der Aufnahme diplomatischer Beziehungen, in einem Vorschlag für das weitere Vorgehen gegenüber Spanien: „In Übereinstimmung mit dem Vorgehen der anderen Staaten der sozialistischen Gemeinschaft und nach bereits erfolgter Abstimmung mit der UdSSR, sowie entsprechend den Festlegungen der Genossen Honecker und Stoph sollte nach wie vor daran gearbeitet werden, mit Spanien ein Regierungsabkommen auf dem Gebiete des Handels abzuschließen und staatliche Handelsmissionen mit konsularischen Rechten auszutauschen. […] Die Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen und der Austausch von Botschaftern ist gegenwärtig in Übereinstimmung mit der UdSSR und den anderen sozialistischen Staaten abzulehnen.337
Dieses Zögern hinsichtlich voller diplomatischer Beziehungen hing auch mit den innenpolitischen Entwicklungen in der DDR nach der Absetzung Walter Ulbrichts zusammen. Erich Honecker nahm nach seiner Machtübernahme als Erster Sekretär des ZK der SED im Mai 1971 von allzu „riskante[n] außenpolitische[n] Schritte[n]“ 338 Abstand und erwies sich in einer „entscheidenden Phase“ der sowjeti-
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Wentker, Außenpolitik in Engen Grenzen, S. 363. Vgl. ZK der SED, Vorlage für das Politbüro des ZK der SED über den Ausbau der staatlichen Handels- und Konsularbeziehungen mit Spanien, 26. 03. 1971, in: SAPMO–BArch, DY 30/ 13474, Bl. 28–31, hier: Bl. 28. Zur Rolle Dubinins bei der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Spanien und der Sowjetunion 1977 vgl. Rodrigo Fernández, Yuri Dubinin, un pilar de la diplomacia soviética, in: El País vom 12. 01. 2014. MfAA, Abteilung Westeuropa, Information zum Vorgehen der DDR gegenüber Spanien, 02. 06. 1972, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 6–7, hier: Bl. 7. Ebenda, Bl. 6. MfAA, Abteilung Westeuropa, Vorschlag für das weitere Vorgehen gegenüber Spanien, 17. 11. 1972, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 30–31, hier: Bl. 30. Jüngling, Alternative Außenpolitik, S. 270.
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schen Westpolitik als deren „durch und durch ergebene[r]“ Partner.339 So schätzte das MfAA 1971/72 ein, dass eine Beziehungsaufnahme mit Spanien die deutschdeutschen Verhandlungen stören und damit auch die UdSSR vor den Kopf stoßen könnte. Seine Vorlage für das Politbüro legte dementsprechend fest, dass die Verhandlungen über Handels- und Konsularbeziehungen mit Madrid so zu führen seien, „dass der konkrete Vorschlag zur Aufnahme […] von der spanischen Seite kommt“.340 Dies war nicht nur eine Rücksichtnahme gegenüber der Westpolitik der Sowjetunion, sondern sollte zugleich einer Kritik aus den eigenen Reihen und von „fortschrittliche[n] Kreise[n] […] in den westeuropäischen Ländern“ vorbeugen und eine gute Verhandlungsposition gegenüber der spanischen Regierung schaffen.341 Es war also in erster Linie das Tauwetter der Détente – darunter der KSZEProzess sowie die Annäherung der osteuropäischen Staaten und der UdSSR an das außenpolitisch emanzipierte Franco-Regime –, das die internationalen Koordinaten dahingehend verschob, dass die beiden „Underdogs“ DDR und Spanien die Chance gekommen sahen, durch eine Normalisierung ihres Verhältnisses ihr außenpolitisches Gewicht zu mehren und ihre Überlegungen zur Aufnahme offizieller Beziehungen zu konkretisieren. Während die spätfranquistische Außenpolitik, die eine Öffnung gen Osten bereits anvisiert hatte, durch die Neue Ostpolitik der Bundesrepublik und die Aufweichung der Hallstein-Doktrin an Flexibilität und Handlungsspielraum gewann, ließen der innenpolitische Machtwechsel von Ulbricht zu Honecker und ideologische Bedenken der SED die ostdeutsche Außenpolitik zunächst jedoch wenig risikofreudig auf die einigermaßen hartnäckigen Initiativen aus Madrid reagieren – die Politbürovorlage von 1971 für Handels- und Konsularbeziehungen blieb unbestätigt. Auch Spanien bezog aus Rücksicht auf die Bundesrepublik zunächst noch keine eindeutige Position bezüglich diplomatischer Beziehungen. Es bedurfte der Erfolge der deutsch-deutschen Verhandlungen Ende 1971, um den Weg zu bilateralen Verhandlungen endgültig zu ebnen.342 Diese nahmen durch die Unterzeichnung des Grundlagenvertrags im Dezember 1972 eine überraschende Abkürzung geradewegs zu vollen diplomatischen Beziehungen.
339 340
341 342
Wentker, Außenpolitik in engen Grenzen, S. 332. ZK der SED, Vorlage für das Politbüro des ZK der SED über den Ausbau der staatlichen Handels- und Konsularbeziehungen mit Spanien, 26. 03. 1971, in: SAPMO-BArch, DY 30/ 13474, Bl. 28–31, hier: Bl. 31. Ebenda. Gemeint sind das Viermächte-Abkommen über Berlin vom 3. September 1971, das Transitabkommen vom 17. Dezember und das am 20. Dezember 1971 zwischen dem Senat von West-Berlin und der DDR unterzeichnete Abkommen, das die Reise- und Besuchsregelungen für West-Berliner verbesserte.
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4. Tabubruch: Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen 1973 Der Historiker und „publizistische Wegbereiter“ 343 der Brandtschen Ostpolitik Peter Bender definierte die Détente-Ära der späten 1960er und frühen 70er Jahre als „Ende des ideologischen Zeitalters“ und verwies auf eine starke Wechselwirkung zwischen Entideologisierung und politischer Entspannung.344 Dies traf in hohem Maße auch auf die ostdeutsch-spanische Annäherung zu, wobei die entideologisierten Außenpolitiken des Spätfranquismus und der DDR keine Aufgabe ihrer jeweiligen Interessen bedeutete. Im Gegenteil: Wo es „nicht mehr um die weltweite Entscheidung zwischen zwei Systemen“ ging, konnten handfeste Interessen in den Mittelpunkt treten.345 Diese sollen im folgenden Kapitel herausgearbeitet werden, wobei von besonderem Interesse ist, wie beide Seiten sie angesichts evidenter Widersprüche zu legitimieren suchten. Hierzu bedarf es zunächst einer Darstellung der Verhandlungen zur Beziehungsaufnahme. Sie werden überwiegend aus den Akten der SED und des MfAA sowie der bundesdeutschen Botschaft in Madrid rekonstruiert, da sich unter den wenigen überlieferten Dokumenten des spanischen Außenministeriums keinerlei Positionspapiere, Direktiven oder Gesprächsvermerke dazu finden.
4.1 Verhandlungen in Warschau Zeitgenössischen Beobachtern konnte das Zusammenkommen kommunistischer und franquistischer Diplomaten nicht nur aufgrund der immanenten ideologischen Differenzen beider Regime brisant erscheinen, sondern auch wegen des Zeitpunkts der Gesprächsaufnahme ab Juni 1972. In Ost-Berlin musste Erich Honecker nach seinem Amtsantritt im Mai 1971 zunächst seine Führungsrolle in der Außenpolitik durchsetzen,346 in Spanien agierte das späte Franco-Regime verstärkt repressiv. Zum Zeitpunkt der Gesprächsaufnahme etwa saß die Direktion der oppositionellen Arbeitergewerkschaften CC.OO. um Marcelino Camacho in Haft, der als führender Oppositioneller der spanischen Arbeiterschaft große Popularität im offiziellen Diskurs der SED besaß.347 Entsprechend sollten die Vorgespräche und Verhandlungen zur Aufnahme staatlicher Beziehungen „im Interesse
343 344 345 346 347
O. V., Publizist Peter Bender gestorben, in: Spiegel Online vom 16. 10. 2008. Bender, Ende, S. 105–115. Ebenda, S. 114–115. Vgl. Wentker, Außenpolitik in engen Grenzen, S. 371. Vgl. die ausführliche Berichterstattung von Botschafter Peter Lorf zum sogenannten Prozess 1001: Botschaft der DDR in Madrid, Zum Prozess 1.001, 02. 01. 1974, in: PA AA, M 2, B 2972/77, unpag. Auch der PCE kritisierte, dass der Zeitpunkt der ostdeutsch-spanischen Verhandlungen äußerst inopportun sei: vgl. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Brief der KP Spaniens an die Polnische Vereinigte Arbeiterpartei, 01. 02. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 29–30, hier: Bl. 29.
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beider Seiten“ 348 vertraulich geführt und die Presseberichterstattung „auf ein notwendiges Maß“ beschränkt werden.349 Als Verhandlungsort wurde Warschau gewählt: Im katholischen Polen herrschten weniger antispanische Ressentiments als in den übrigen sozialistischen Staaten und Spanien besaß dort seit 1969 eine Handels- und Konsularvertretung, über die bereits Kontakte mit der DDR abgewickelt worden waren. Ortswahl und Diskretionsvereinbarung sollten sicherstellen, dass die Verhandlungen nach den Regeln des diplomatischen Protokolls verliefen und Interessenpolitik „in gesitteter Gestalt“ erfolgen konnte.350 Mit Javier Rupérez, einem Mitbegründer der linksgerichteten christdemokratischen Monatszeitschrift „Cuadernos para el Diálogo“,351 stand der spanischen Mission in Warschau von 1969 bis 1972 außerdem ein junger Diplomat vor, der nach eigenen Angaben nicht nur Bertolt Brecht verehrte, sondern auch „den neuen Problemen gegenüber aufgeschlossener [war] als die in der Tradition verhafteten alten Spanier“ und Interesse an persönlichen Kontakten zur DDR-Botschaft und Reisen nach Ost-Berlin zeigte.352 Auch sein Nachfolger Emilio Beladiez Navarro, der ab November 1972 im Auftrag der spanischen Regierung die offiziellen Verhandlungen führte, zeigte sich dem ostdeutschen Verhandlungsführer Rudolf Roßmeisl gegenüber „sehr aufgeschlossen“ und als ein „Anhänger“ ostdeutsch-spanischer Beziehungen.353 Nachdem die Politbürovorlage vom März 1971 unbestätigt geblieben war, reagierte die DDR zum Jahresende schließlich auf die zahlreichen spanischen Initiativen zur Herstellung von Handels- und Konsularbeziehungen. Im Auftrag Gerhard Beils, dem Staatssekretär im Ministerium für Außenwirtschaft (MAW),354 reiste im November 1971 eine Wirtschaftsdelegation unter Daniel Schweitzer, Generaldirektor des Außenhandelsbetriebs Fruchtimex, nach Madrid und führte dort Gespräche mit dem spanischen Handelsminister Enrique Fontana Codina. Schweitzer legte dar, dass es der DDR zunächst um eine Normalisierung der Handelskontakte gehe; anders als noch in der Vorlage vom März 1971 solle die Aufnahme konsularischer Beziehungen später erfolgen.355 Er schlug vor, bereits im 348
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MfAA, Mitteilung des Botschafters der Deutschen Demokratischen Republik in der Volksrepublik Polen an den Leiter der spanischen Handels- und Konsularmission, mündlich übermittelt am 19. 10. 1972, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 32–33, hier: Bl. 33. MfAA, Abteilung Westeuropa, Presseveröffentlichung anlässlich der Aufnahme diplomatischer Beziehungen DDR-Spanien, 28. 12. 1972, in: PA AA, M 1, C 3579, Bl. 1–2, hier: Bl. 1. Vgl. die Definition von „Diplomatie“ als „Machtpolitik in gesitteter Gestalt“ bei Widmer, Diplomatie, S. 22. Zum Einfluss der „Cuadernos para el Diálogo“ auf Spätfranquismus und Transición vgl. Muñoz Soro, Cuadernos, S. 36–39, 59–64. Botschaft der DDR in Warschau, Aktennotiz über eine Unterredung des Genossen Schmidt mit dem amtierenden Leiter der Konsular- und Wirtschaftsvertretung Spaniens in der VRP, Herrn Rupérez, 13. 10. 1970, in: PA AA, M 1, C, 617/77, Bl. 42–44, hier: Bl. 43. Botschaft der DDR in Warschau, Aktenvermerk über ein Gespräch mit dem spanischen Gesandten Navarro am 19. Oktober 1972, 19. 10. 1972, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 25–29, hier: Bl. 29. Von 1967 bis 1973 in dieser Bezeichnung. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, ATI-Information über spanische Aktivitäten gegenüber der DDR, 10. 01. 1972, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 2–5, hier: Bl. 3–4.
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ersten Halbjahr 1972 ein Technisch Kommerzielles Büro in Madrid einzurichten, auch wenn bis dahin kein offizieller Status der Beziehungen erreicht sei.356 Der Leiter der spanischen Mission, Beladiez Navarro, wurde daraufhin von der spanischen Regierung mit der „Kontaktpflege“ zur DDR-Botschaft in Warschau beauftragt, womit die eher informellen und persönlichen Kontaktversuche seines Vorgängers Rupérez nun offiziell fortgesetzt werden konnten.357 Am 5. Januar 1972 teilte er Botschafter Roßmeisl bei einem Besuch in der DDR-Botschaft mit, dass Spanien nach wie vor „an Entwicklung und Ausbau der Beziehungen zur DDR auf ökonomischem, politischem und kulturellem Gebiet interessiert“, jedoch mit einem vorläufigen Fokus auf der „Entwicklung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit“ einverstanden sei; zu diesem Zweck beabsichtige seine Regierung, ein Handelsbüro der spanischen Staatsbank in Ost-Berlin zu eröffnen.358 Roßmeisl wusste, dass man in Ost-Berlin sehr daran interessiert war, die Initiative zu offiziellen Kontakten der spanischen Seite zuzuschreiben und interpretierte den Besuch Navarros als „ersten Schritt“ einer solchen Initiative.359 In Verantwortung des Außenwirtschaftsministers Horst Sölle wurde schließlich eine erneute Politbürovorlage über bilaterale Beziehungen ausgearbeitet und am 24. Mai 1972 beschlossen.360 Darin wurden die wirtschaftspolitischen Interessen der DDR bis 1975 konkretisiert: Stabilisierung und Ausweitung des Zitrusfrüchteimports und Intensivierung des Exports zu dessen Finanzierung sowie die Einrichtung eines TKB mehrerer ostdeutscher Handelsbetriebe in Spanien. Dabei zeigten nun auch MfA361 und MfAA eine gewisse Eile und schlugen dem Politbüro vor, die Außenhandelsvertretung „in kürzester Zeit“ und „noch vor der Errichtung staatlicher Beziehungen“ einzurichten.362 Um einem Ansehensverslust in den eigenen Reihen vorzubeugen und den Spaniern mit Blick auf deren Hallstein- bzw. Scheel-Loyalität diesen Schritt ebenfalls zu erleichtern, sollte der „rein kommerzielle[…] Charakter“ des TKB betont werden, was nicht ausschloss, dass es zugleich „in geeigneter Weise für das politische Vorgehen der DDR gegenüber Spanien“ genutzt werden sollte.363 Im Gegensatz zur Politbürovorlage vom März 1971 tauchte in einem Entwurf zur zweiten Vorlage erstmals auch die Überlegung zu diplomatischen Beziehungen auf. Zur Begründung hieß es: „Für den Kampf der DDR zur Überwindung der Blockierungspolitik der BRD hinsichtlich der Beziehungen der DDR mit westeuropäischen Staaten ist es nützlich festzustellen, ob die spanische Regierung bereit ist, diplomatische oder andere staatliche Beziehungen mit der 356 357 358 359 360
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Vgl. ebenda, Bl. 3. Ebenda, Bl. 2. Ebenda. Ebenda. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Vorlage für das Politbüro des ZK der SED über Beziehungen DDR-Spanien, 11. 05. 1972, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 8–14. Ebenso abgelegt in: SAPMO-BArch, DY 30/13474, Bl. 72–76. Ministerium für Außenhandel (ab 1973 in dieser Bezeichnung). MfAA, Abteilung Westeuropa, Vorlage für das Politbüro des ZK der SED über Beziehungen DDR-Spanien, 11. 05. 1972, in: SAPMO-BArch, DY 30/13474, Bl. 72–76, hier: Bl. 74. Ebenda.
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DDR aufzunehmen.“ 364 Dies wurde zwar handschriftlich wieder gestrichen, markierte neben der an den Tag gelegten Eile jedoch einen Quantensprung hinsichtlich möglicher künftiger Beziehungen mit Franco-Spanien, der vermutlich auf die Fortschritte im deutsch-deutschen Verständigungsprozess zurückgeführt werden kann. Die Haltung Spaniens zu diplomatischen Beziehungen war nach wie vor uneindeutig: Laut Politbürovorlage hatte Beladiez Navarro im Januar 1972 offen mit dem Argument der Untergrabung der Hallstein- bzw. Scheel-Doktrin geworben und in Aussicht gestellt, dass Konsularbeziehungen „dazu beitragen [könnten], die Politik der BRD […] zu überwinden“.365 Im Juni bezeichnete er gegenüber Botschafter Roßmeisl die Herstellung diplomatischer Beziehungen gar als erstrebenswerte „Krönung“ des angelaufenen Gesprächsprozesses.366 Andererseits versicherte Außenminister López Bravo dem bundesdeutschen Botschafter Meyer-Lindenberg bei einem Gespräch im August, dass seine Regierung keine diplomatischen Beziehungen zur DDR aufzunehmen gedenke und nicht einmal die Absicht habe, „in naher Zukunft Handelsvertretungen mit der DDR auszutauschen“; er „scheue […] davor zurück, eine größere Zahl von DDR-Funktionären in Madrid zulassen zu müssen.“ 367 Meyer-Lindenberg begrüßte dies mit dem unmissverständlichen Hinweis, dass sich die Bundesregierung bei den laufenden deutsch-deutschen Verhandlungen „auf keinen Fall“ durch eine etwaige Beziehungsaufnahme zwischen der DDR und anderen Staaten „unter Zeitdruck setzen lasse[…]“, selbst wenn diese nur handelspolitischer Natur seien.368 Die bei diesem Gespräch erfolgte Umkehrung der üblichen diplomatischen Hierarchie in Form einer Quasi-Gesprächsvorladung des spanischen Außenministers durch den bundesdeutschen Botschafter, der um eine Erklärung zur spanischen Haltung gebeten hatte, macht einmal mehr deutlich, wie sehr Madrid bei den Verhandlungen in Warschau Rücksicht auf Bonn und den Verlauf der deutsch-deutschen Gespräche nahm. DDR-Botschafter Roßmeisl sprach diese Loyalität gegenüber der Bundesrepublik bei einem Gespräch mit Beladiez Navarro im Oktober 1972 als hemmenden Faktor an und wies die Argumentation Bonns zurück, dass ostdeutsch-spanische Verhandlungen diejenigen über den Grundlagenvertrag stören könnten. Als Reaktion seines spanischen Kollegen merkte er an: „Gesandter Navarro pflichtete meinen Argumenten mit den Bemerkungen bei, dass er persönlich die Dinge ebenfalls so sehe und seine Vorschläge an die entsprechenden Stellen in Madrid so
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Ebenda, Bl. 75. MfAA, Abteilung Westeuropa, Vorlage für das Politbüro des ZK der SED über Beziehungen DDR-Spanien, 11. 05. 1972, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 8–14, hier: Bl. 11. MfAA, Abteilung Westeuropa, Rotstrichinformation „Zu den Beziehungen der DDR und anderer sozialistischer Staaten mit Spanien“, 04. 07. 1972, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 5–7, hier: Bl. 5. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben des Botschafters Meyer-Lindenberg betr. spanischer Außenminister zum Verhältnis DDR-Spanien, 01. 09. 1972, in: PA AA, MADR 12517, unpag. Ebenda.
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abgefasst sind. Im Prinzip denkt auch der spanische Außenminister so, aber man nehme gewisse Rücksichten auf die guten Beziehungen zur BRD.“ 369
Für erfolgreiche Verhandlungen in Warschau musste es der DDR also gelingen, „die allzu große Rücksichtnahme [Madrids] auf Bonn zu überwinden“,370 was mit der Unterzeichnung des Grundlagenvertrags am 21. Dezember ganz wesentlich erleichtert wurde.371 Umgekehrt konnte freilich auch die DDR keinen „außenpolitischen Alleingang“ gegenüber Spanien unternehmen.372 Daher sah auch die zweite Politbürovorlage eine Abstimmung mit der Sowjetunion vor.373 Im Juni 1972 fanden Konsultationen im sowjetischen Außenministerium statt, das seine prinzipielle Zustimmung zur Normalisierung der Beziehungen zwischen der DDR und Spanien gab. Förderlich dürfte dabei die Grundsatzerklärung über die sowjetisch-amerikanischen Beziehungen gewirkt haben, die KPdSU-Generalsekretär Leonid Breschnew und USPräsident Richard Nixon unmittelbar zuvor am 29. Mai 1972 in Moskau unterzeichnet hatten und die vereinbarte, dass „[d]ie Unterschiede in der Ideologie und in den sozialen Systemen der UdSSR und den USA […] kein Hindernis für die Entwicklung […] normale[r] Beziehungen“ darstellten.374 Beladiez Navarro, der sich der Abhängigkeit Ost-Berlins von Moskau bewusst war, versicherte darüber hinaus seinem Verhandlungspartner Roßmeisl, dass er bereits für das Frühjahr 1973 mit der Eröffnung einer sowjetischen Handelsvertretung in Spanien rechne, da alle „strittigen Fragen“ zwischen Madrid und Moskau – darunter die des bereits erwähnten „spanischen Goldes“ – „zunächst“ beiseite gelegt worden seien.375 Drei Tage vor dem offiziellen Notenaustausch im Januar 1973 schließlich reiste Otto Winzer persönlich zu seinem Kollegen Andrei Gromyko nach Moskau, um die Aufnahme diplomatischer Beziehungen sanktionieren zu lassen.376 Auch mit Blick auf ihre Anerkennungsbemühungen im Westen suchte die DDR nach einem opportunen Zeitpunkt für den Botschafteraustausch mit Spanien: Um sie nicht zu gefährden bzw. durch eine verfrühte Beziehungsaufnahme allzu aner369
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Botschaft der DDR in Warschau, Aktenvermerk über ein Gespräch mit dem spanischen Gesandten Navarro am 19. Oktober 1972, 19. 10. 1972, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 25–29, hier: Bl. 28. Ebenda, Bl. 29. Der Zusammenhang zwischen Grundlagenvertrag und internationaler Anerkennung der DDR ist evident: vgl. Liste von 29 Staaten, die von Mitte November bis Januar 1973 diplomatische Beziehungen mit der DDR aufnahmen, darunter fünf NATO-Staaten: o. V., Durchbruch auf dem diplomatischen Parkett, in: Deutschland Archiv 6 (1973), H. 1, S. 14. Helwig, Beziehungen, S. 120. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Vorlage für das Politbüro des ZK der SED über Beziehungen DDR-Spanien, 11. 05. 1972, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 8–14, hier: Bl. 9. O. V., Grundlagen der Beziehungen UdSSR-USA vereinbart, in: ND vom 30. 05. 1972, S. 1. Botschaft der DDR in Warschau, Aktenvermerk über ein Gespräch mit dem spanischen Gesandten Navarro am 19. Oktober 1972, 19. 10. 1972, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 25–29, hier: Bl. 28. Vgl. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben des Botschafters MeyerLindenberg betr. Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Spanien und der DDR am 11. 1. 1973, 17. 01. 1973, in: PA AA, MADR 12517, unpag.
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kennungsbedürftig zu erscheinen, wurde „möglichst eine Gleichzeitigkeit bei der Herstellung staatlicher Beziehungen zu Spanien mit der Herstellung solcher Beziehungen zu einem oder mehreren westeuropäischen Staaten“ angestrebt.377 Entsprechend sah die Politbürovorlage vor, dass bei positiven Verhandlungen mit Finnland und der Schweiz auch mit Spanien über konsularische Beziehungen verhandelt werden könne.378 Da beide Staaten noch vor der Unterzeichnung des Grundlagenvertrags im Dezember 1972 die Herstellung diplomatischer Beziehungen mit der DDR beschlossen, war auch dieses Hindernis aus dem Weg geräumt.379 Im weiteren Verlauf der Annäherung in Warschau kamen Botschafter Roßmeisl und Missionschef Beladiez Navarro am 21. Juni zu einem erneuten Gespräch zusammen, in dessen Ergebnis sich beide Seiten auf die Konkretisierung der jeweiligen Positionen und Ziele verständigten. Das Ministerium für Außenwirtschaft erarbeitete daraufhin eine Konzeption zur Errichtung eines TKB in Spanien und leitete materielle und personelle Vorbereitungen ein.380 Außenminister Winzer ging im Oktober in einem streng vertraulichen Brief an Erich Honecker und den Ministerratsvorsitzenden Willi Stoph jedoch über den Zwischenschritt eines TKB hinaus und schlug vor, ohne Umweg eine mit konsularischen Rechten ausgestattete Handelsmissionen einzurichten. Botschafter Roßmeisl sollte diese neue Bereitschaft an die spanische Mission übermitteln und dabei auch auf den spanischen Wunsch eingehen, die Luftverkehrsbeziehungen staatlich zu regeln;381 Honecker und Stoph genehmigten den Vorschlag. Nachdem spanischerseits Vertreter des MAE und die Leiter der Konsular- und Handelsmissionen in den sozialistischen Staaten Mitte September in Wien über das weitere Vorgehen beraten hatten,382 trafen sich Roßmeisl und Beladiez Navarro am 19. Oktober erneut zu einem Gespräch, das nun auf konkreter Grundlage geführt werden konnte. Roßmeisl erklärte offiziell die Bereitschaft der Regierung der DDR, „mit der Regierung des spanischen Staates in Verhandlungen über die Herstellung von Beziehungen zwischen beiden Staaten und den Austausch entsprechender Vertretungen einzutreten“ und formulierte diese Bereitschaft als Antwort auf das im Januar geäußerte spanische Interesse an der Entwicklung von Beziehungen auf ökonomischem, politischem und kulturellem Gebiet.383 377 378 379
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MfAA, Abteilung Westeuropa, Vorlage für das Politbüro des ZK der SED über Beziehungen DDR-Spanien, 11. 05. 1972, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 8–14, hier: Bl. 13. Ebenda. Finnland und die DDR schlossen am 8. Dezember 1972 ein Abkommen über die Herstellung diplomatischer Beziehungen, das am 7. Januar 1973 gleichzeitig mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Bonn und Helsinki in Kraft trat: vgl. Griese, Kulturpolitik, S. 193–194. Die Schweiz beschloss am 20. Dezember 1972 einen Botschafteraustausch mit der DDR: vgl. Bischof, Honeckers Handschlag, S. 14. Vgl. MfAA, Brief des Außenministers Otto Winzer an Erich Honecker und Willi Stoph, 04. 10. 1972, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 15–19, hier: Bl. 17. Vgl. ebenda, Bl. 18. Vgl. ebenda, Bl. 17. Botschaft der DDR in Warschau, Mitteilung des Botschafters der Deutschen Demokratischen Republik in der Volksrepublik Polen an den Leiter der spanischen Handels- und Konsularmission, mündlich übermittelt am 19. 10. 1972, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 32.
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Beladiez Navarro begrüßte das ostdeutsche Angebot und versicherte, „dass Spanien keinerlei Hintergedanken in den Beziehungen mit der DDR habe“ und bereit sei, diese „auf höchster“, d. h. auf diplomatischer Ebene zu führen.384 Dennoch konnte ein Botschafteraustausch aus zwei Gründen noch nicht unmittelbar realisiert werden: Zum einen fürchtete Madrid, dass ein „Vorziehen diplomatischer Beziehungen“ mit der DDR in den anderen sozialistischen Ländern „nicht richtig verstanden“ werden könnte, insbesondere, da dort bereits konsularische Missionen bestanden. Dies gelte besonders für Polen, mit dem sich die Beziehungen „sehr erfolgreich“ entwickelten.385 Zum anderen räumte Beladiez Navarro endgültig ein, dass Spanien „gewisse Rücksichten auf die guten Beziehungen zur BRD“ nehmen müsse.386 Das Außenministerium in Madrid halte den Vorschlag der DDR zu Handelsvertretungen mit konsularischen Rechten daher für „sehr konstruktiv[…]“ und sei bereit, „sofort“ nach Abschluss eines deutsch-deutschen Vertrags volle diplomatische Beziehungen aufzunehmen. Auch sprach sich Beladiez Navarro dafür aus, „dass man auf jeden Fall schon jetzt“, d. h. noch im Herbst 1972, mit der Aufnahme von Vorgesprächen und Verhandlungen beginnen solle.387 Dementsprechend teilte die spanische Regierung am 14. November ihrerseits offiziell die Bereitschaft zur „umgehenden Aufnahme vertraulicher Gespräche in Warschau“ mit und bat die ostdeutsche Seite um einen konkreten Terminvorschlag.388 Der stellvertretende Außenminister und ehemalige Spanienkämpfer Ernst Scholz schlug daraufhin die Aufnahme „exploratorische[r] Gespräche“ durch Botschafter Roßmeisl ab Mitte Dezember 1972 vor.389 Nach der eindeutigen Absage Spaniens an volle diplomatische Beziehungen vor einer deutsch-deutschen Verständigung schloss er solche nun ebenfalls wieder aus. Allerdings nutzte der Leiter der ostdeutschen KSZE-Delegation, Siegfried Bock, Anfang Dezember die Chance, am Rande der KSZE-Gespräche in Helsinki gegenüber dem Leiter der Osteuropa-Abteilung des MAE erneut zu betonen, dass es die DDR „nicht mehr für opportun“ halte, „irgendwelche Zwischenschritte auf dem Weg zur Normalisierung der Beziehungen zu gehen“ und zwischen der vollen Anerkennung der DDR und der Aufnahme normaler Beziehungen zu unterscheiden.390 Überraschend erklärte die spanische Seite daraufhin am 14. und 15. Dezember ihre Bereitschaft zur „völligen Normalisierung der Beziehungen mit der DDR durch die unverzügliche
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Botschaft der DDR in Warschau, Aktenvermerk über ein Gespräch mit dem spanischen Gesandten Navarro am 19. Oktober 1972, 19. 10. 1972, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 25–29, hier: Bl. 25. Ebenda, Bl. 25, 27, 29. Ebenda, Bl. 28. Ebenda, Bl. 27–28. MfAA, Abteilung Westeuropa, Vorschlag für das weitere Vorgehen gegenüber Spanien, 17. 11. 1972, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 30–31, hier: Bl. 31. Ebenda, Bl. 30. MfAA, Abteilung Westeuropa, Vermerk über ein Gespräch mit Herrn Morena, Leiter der Abteilung Osteuropa im spanischen Außenministerium am 5. 12. 72, 06. 12. 1972, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 36–39, hier: Bl. 39.
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Aufnahme diplomatischer Beziehungen und den Austausch von Botschaftern zwischen beiden Staaten.“ 391 Beladiez Navarro begründete dies damit, dass Spanien gegenüber der DDR „keine Vorbehalte“ mehr habe und es zwischen beiden Staaten „keine strittigen Fragen und keine gegenseitigen Forderungen“ gebe.392 Ausschlaggebend hierfür dürften erstens die Anerkennungserfolge der DDR gewesen sein: Allein bis zur endgültigen Unterzeichnung des Grundlagenvertrags am 21. Dezember normalisierten zehn Staaten ihre Beziehungen zu Ost-Berlin.393 Auch hatte sich Außenminister López Bravo bei Konsultationen in Paris vergewissert, dass die Anerkennung der DDR durch die Westmächte kurz bevor stehe und Frankreich noch vor den eigenen Parlamentswahlen im März 1973 Beziehungen aufnehmen wolle.394 Belgien sollte als erster NATO-Staat sogar noch vor Ende des Jahres 1972 einen Botschafteraustausch mit der DDR beschließen.395 Eng damit verbunden und zentral für die spanische Verhandlungsposition in Warschau waren zweitens die Fortschritte bei den deutsch-deutschen Gesprächen, nach denen sich Außenminister López Bravo und Mitarbeiter des MAE ab September 1972 wiederholt bei Botschafter Meyer-Lindenberg erkundigten.396 Während dieser Anfang November gegenüber einem spanischen Staatssekretär im MAE noch erklärt hatte, dass Bonn lediglich die Einrichtung von Handelsvertretungen „strikt privaten Charakters“ akzeptiere,397 verkündete er dem ungeduldigen spanischen Außenminister drei Wochen später dann die Aufgabe aller Einwände vonseiten der Bundesregierung: „Ich erwiderte [López Bravo], dass die Bundesregierung dankbar für das Verständnis sei, das Spanien in dieser Frage stets gezeigt habe, und dass die spanische Zurückhaltung ein wertvoller Beitrag für das Gelingen der Entspannungspolitik der Bundesregierung gewesen sei. Angesichts der letzten Entwicklung wolle die Bundesrepublik Spanien von jetzt an keinerlei Hindernisse zur DDR in den Weg legen. Die Bundesrepublik würde daher jede Entscheidung, die Spanien souverän zur Wahrung seiner Interessen träfe, respektieren.“ 398
Gänzlich ohne Gegenforderungen kam das Einverständnis Bonns jedoch nicht aus: Die Herstellung diplomatischer Beziehungen sollte erstens nicht vor Unterzeichnung des Grundlagenvertrags erfolgen und Spanien zweitens von einer aus-
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drücklichen Anerkennungserklärung absehen; auf beide Bedingungen ging Madrid ein. Die DDR, die ein Ende der spanischen Rücksichtnahme auf die Bundesrepublik ersehnt hatte, begrüßte die finale Initiative Spaniens und leitete Schritte zum Botschafteraustausch ein. Am 2. Januar 1973 erließ das MfAA eine Direktive über entsprechende Verhandlungen, die am 8. und 9. Januar durch den bevollmächtigten Botschafter Roßmeisl in Warschau geführt wurden.399 Roßmeisl übergab zunächst einen Abkommensentwurf, stimmte dann jedoch dem spanischen Vorschlag über einen Notenaustausch zu.400 Dagegen wies er gemäß der Direktive den Vorschlag Spaniens zurück, „dass sich beide Seiten im Interesse der Entwicklungen der Beziehungen schädlicher Kampagnen seitens der Massenmedien enthalten soll[t]en.“ 401 Diese Weigerung, mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen die Franco-kritische Rhetorik und Berichterstattung einzustellen, kann möglicherweise auf den ehemaligen Spanienkämpfer Ernst Scholz zurückgeführt werden; dieser hatte bereits die Politbürovorlage über staatliche Handels- und Konsularbeziehungen vom März 1971 nicht abgezeichnet und nun in Vertretung des Außenministers die Direktive für die Verhandlungen in Warschau erteilt. In einem weiteren Schritt arbeitete das MfAA eine dritte und letzte Politbürovorlage aus, die von Otto Winzer, Hermann Axen und Paul Markowski abgezeichnet und am 9. Januar 1973 beschlossen wurde. Sie betonte, dass die Bereitschaft der DDR zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen „in Beantwortung des spanischen Vorschlags“ erfolge.402 Zur Begründung hieß es, dass die spanische Seite erstens ebenso wie die DDR die „friedliche Koexistenz“ zwischen Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnung als Grundlage der Beziehungen betrachte und zweitens sofortige Verhandlungen über den Abschluss eines umfangreichen Wirtschaftsund Handelsabkommens vorgeschlagen habe.403 Dies bildete die Grundlage für den Notenaustausch, der am 11. Januar 1973 durch Roßmeisl und Beladiez Navarro vorgenommen wurde; ersterer war dazu 399
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Vgl. MfAA, Minister für Auswärtige Angelegenheiten, Direktive für die Verhandlungen über die Herstellung diplomatischer Beziehungen zwischen der DDR und Spanien in Warschau, 02. 01. 1973, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 34–35. Vgl. ebenda, Bl. 34. Spanien wollte mit dem Notenaustausch vermutlich einen langwierigen innerstaatlichen Zustimmungsprozess zu einem Abkommen vermeiden: vgl. Politbüro des ZK der SED, Bericht über die vom 8.–11. 1. 1973 geführten Verhandlungen über die Herstellung diplomatischer Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und Spanien und über den Meinungsaustausch zwischen den beiden Delegationen über die Gestaltung der Beziehungen zwischen beiden Staaten nach der Herstellung diplomatischer Beziehungen, 17. 01. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/45761, Bl. 155–159, hier: Bl. 156. Niehus spricht unpräzise von einer „Vertragsunterzeichnung“ zwischen der DDR und Spanien: Niehus, Außenpolitik, S. 568. MfAA, Minister für Auswärtige Angelegenheiten, Direktive für die Verhandlungen über die Herstellung diplomatischer Beziehungen zwischen der DDR und Spanien in Warschau, 02. 01. 1973, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 34–35, hier: Bl. 35. MfAA, Abteilung Westeuropa, Vorlage für das Politbüro des ZK der SED über Beziehungen DDR-Spanien, 04. 01. 1973, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 40–43, hier: Bl. 40. Ebenda, Bl. 42.
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durch Außenminister Winzer bevollmächtigt worden, zweiterer durch Außenminister López Bravo im Namen Francos.404 SED-intern wurde der Akt diskret behandelt: Die offizielle Protokollnotiz war äußerst knapp gehalten und enthielt keine Informationen über Verhandlungsinhalte oder Streitfragen; der ausführliche Bericht war dagegen als „persönliche Verschlusssache“ nur zur Information des Politbüros bestimmt.405 Dies entsprach der bereits in der Politbürovorlage vom Mai 1972 formulierten Strategie, „im Hinblick auf einen möglichen politischen Missbrauch der Herstellung staatlicher Beziehungen zu Spanien durch dessen Regime […] entsprechend vorsichtig vorzugehen“ und die Berichterstattung gering zu halten.406 Die offizielle Pressemitteilung, die in Spanien am 12. und in der DDR am 13. Januar erging, fiel daher knapp aus und informierte lediglich über den Notenaustausch auf Grundlage der Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen und den Bestimmungen der Wiener Konvention über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961.407 Otto Pfeiffer, der vier Monate nach dem Notenaustausch als Geschäftsträger nach Madrid entsandt wurde, resümiert über den Verständigungsprozess im Vorfeld der Beziehungsaufnahme zutreffend, dass es „dann doch […] überraschte […], wie schnell es bei den in Warschau […] geführten Verhandlungen zu einer Vereinbarung kam.“ 408 Wenngleich es auf beiden Seiten initiative Momente gab, war Spanien die treibende Kraft hinter der Annäherung. Dies zeigte sich spätestens bei Beladiez Navarros Besuch in der DDR-Botschaft in Warschau im Januar 1972, als er erstmals offiziell das Interesse seiner Regierung an staatlichen Beziehungen anmeldete. Die außenpolitischen Strategen Axen, Markowski und Winzer in ZK und MfAA begrüßten in ihrem Streben nach Anerkennung die Vorstöße der Spanier und hegten spätestens seit Mai 1972 die Hoffnung, dass in Spanien möglicherweise
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Die spanische Seite übergab eine erste Note an Botschafter Roßmeisl, die dieser mit einer Antwortnote erwiderte. Beide Noten sind in der jeweiligen Landessprache und in Übersetzung abgelegt in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 46–51. Zu den jeweiligen Bevollmächtigungen vgl. ebenda, Bl. 44–45, 55. Das Präsidium des Ministerrats der DDR bestätigte am 17. Januar die nachträgliche Beschlussfassung des Ministerrats über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der DDR und Spanien mit Wirkung vom 11. Januar 1973: vgl. Ministerrat der DDR, Präsidium, Sitzung Nr. 45 des Präsidiums des Ministerrates vom 17. Januar 1973, 17. 01. 1973, in: BArch, DC 20 – I/4/84948, Bl. 98–99. Politbüro des ZK der SED, Bericht über die vom 8.–11. 1. 1973 geführten Verhandlungen über die Herstellung diplomatischer Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und Spanien und über den Meinungsaustausch zwischen den beiden Delegationen über die Gestaltung der Beziehungen zwischen beiden Staaten nach der Herstellung diplomatischer Beziehungen, 17. 01. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/45761, Bl. 155–159; MfAA, Abteilung Westeuropa, Protokollnotiz über Gespräche, die vom 8. bis 11. Januar 1973 zwischen Delegationen der DDR und Spaniens über die Herstellung diplomatischer Beziehungen geführt wurden, 11. 01. 1973, in: PA AA, M 1, C 1553/73, Bl. 10–11. MfAA, Abteilung Westeuropa, Vorlage für das Politbüro des ZK der SED über Beziehungen DDR-Spanien, 11. 05. 1972, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 8–14, hier: Bl. 12. In deutscher und spanischer Sprache abgelegt in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 52–53. Pfeiffer, Erinnerungen.
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die Hallstein- bzw. Scheeldoktrin durchbrochen werden könnte.409 Dass Madrid dennoch ein heikler Partner war, wird daran ersichtlich, dass sie zur Konzeption ihres Vorgehens insgesamt drei Politbürovorlagen benötigten und besonderen Wert darauf legten, die Initiative den Spaniern zuzuschreiben. Der evidente ideologische Widerspruch, den die Beziehungsaufnahme sowohl für die DDR als auch für Spanien bedeutete, sowie die Abhängigkeit von der UdSSR bzw. der Bundesrepublik erklären, dass es auf beiden Seiten Momente des Zögerns und der Unklarheit über den Charakter der zu knüpfenden Beziehungen gab. Ein einendes Moment stellte dagegen das Interesse beider Seiten am zügigen Abschluss eines Handelsabkommens dar. Daneben waren es die deutsch-deutsche Verständigung über den Grundlagenvertrag, die damit einhergehenden frühen Anerkennungserfolge der DDR – insbesondere mit Finnland, der Schweiz und Belgien – sowie die Inaussichtstellung einer baldigen Anerkennung durch Frankreich, die den Weg für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen ebneten. Da die Warschauer Akten die Frage nach dem „Überspringen“ eines Konsularstatus und der direkten Aufnahme diplomatischer Beziehungen nicht abschließend beantworten, sollen im Folgenden die Motive und Interessen beider Seiten sowie der jeweilige Umgang mit Kritik an der Beziehungsaufnahme näher untersucht werden.
4.2 Motive, Interessen und offizieller Diskurs des SEDRegimes Das MfAA hatte noch vor dem Notenaustausch festgelegt, „dass zum Zeitpunkt der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Spanien […] aus taktischen Erwägungen keine Auseinandersetzungen mit dem innenpolitischen Regime Spaniens“ erfolgen sollten.410 Dementsprechend druckte „Neues Deutschland“ lediglich eine knappe Pressedienstmeldung: „Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und die Regierung Spaniens haben beschlossen, mit Wirkung vom 11. Januar 1973 diplomatische Beziehungen auf Botschafterebene aufzunehmen.“ 411 Dies deutet der Historiker und Journalist Karsten Krampitz als Beleg dafür, „[w]ie sehr man im Politbüro nach internationaler Anerkennung [ge]dürstet[…]“ habe, insbesondere vor dem Hintergrund, dass „[k]ein anderes Land im sowjetischen Machtbereich“ Franco-Spanien diplomatisch anerkannt habe.412 In
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Für die NATO-Länder zeigt Carel Horstmeier, dass die DDR im Fall Belgiens ihren diesbezüglichen Spielraum ebenso optimistisch einschätzte: vgl. Horstmeier, DDR und Belgien, S. 309. MfAA, Abteilung Westeuropa, Presseveröffentlichung anlässlich der Aufnahme diplomatischer Beziehungen DDR-Spanien, 28. 12. 1972, in: PA AA, M 1, C 3579, Bl. 1–2, hier: Bl. 1. O. V., Diplomatische Beziehungen mit Dänemark und Spanien, in: ND vom 13. 01. 1973, S. 1. Karsten Krampitz, Aufbruch und Stillstand, in: ND vom 30. 11. 2015. Der Artikel ist Teil einer Serie über das Jahr 1976 in „Neues Deutschland“.
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der Tat fehlte ein knapper Zusatz über Staatsform oder Regierungssystem des Partnerlandes, der bei Anerkennungsmeldungen ansonsten üblich war.413 Die Einschätzung Krampitz’, dass der DDR in ihrem „Buhlen“ um Anerkennung jeder Partner opportun erschien, ist richtig: In Kapitel II.3.2 wurde dargestellt, dass der Wunsch der DDR, durch volle internationale Anerkennung ihre Bedeutung und Macht als souveräner deutscher Staat zu stärken, Grundlage und primäres Motiv für die Annäherung an das franquistische Spanien war. Allerdings war die DDR dabei formell auf die Bereitschaft Madrids angewiesen, da sie als jüngerer Staat Spanien nicht anerkennen konnte, sondern – wie auch von den anderen westlichen Staaten – anerkannt wurde.414 Dies wertete die SED als „Genugtuung“ und „Erfolg“ ihrer Außenpolitik:415 In einem Schreiben des ZK der SED an den PCE argumentierte Erich Honecker bezüglich der Beziehungsaufnahme, dass der Imperialismus und die Franco-Regierung nach über zwei Jahrzehnten der Negation der DDR „zur Anerkennung der Realitäten gezwungen“ worden seien und auch Madrid sich nicht dem „Schritt zur Herstellung diplomatischer Beziehungen mit dem ersten Arbeiter-und-Bauern-Staat auf deutschem Boden“ habe verweigern können.416 Aufgrund des evidenten ideologischen Widerspruchs sah sich die SED dennoch veranlasst, diesen außenpolitischen „Erfolg“ zu rechtfertigen, wobei sie in erster Linie auf das Prinzip der sogenannten „friedlichen Koexistenz“ 417 rekurrierte. Auf ihrem VIII. Parteitag im Juni 1971 hatte die SED eine neue „Strategie und Taktik der Außenpolitik der DDR“ festgelegt, die – ähnlich der des späten FrancoRegimes – weniger von ideologischen Prinzipien als von Flexibilität, „Realitätssinn“ 418 und dem „Prinzip der Nützlichkeit“ 419 geleitet war. Auch Georg Stibi ließ trotz seiner persönlichen Erfahrung im spanischen Bürgerkrieg einen solchen außenpolitischen Pragmatismus erkennen, als er nach dem Parteitag erklärte, dass „die Herstellung normaler diplomatischer Beziehungen zwischen den Staaten“ eine „[b]esondere Bedeutung für die breite und ungehinderte internationale Zusammenarbeit“ habe und die DDR daher „zur Aufnahme solcher Beziehungen mit allen Staaten bereit“ sei.420 Er berief sich dabei auf das „Prinzip der friedlichen 413 414 415 416 417
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Etwa im selben Artikel für Dänemark: vgl. o. V., Diplomatische Beziehungen mit Dänemark und Spanien, in: ND vom 13. 01. 1973, S. 1. Vgl. Pfeiffer, Korrespondenz. Ernst-Otto Schwabe, Ein Erfolg sozialistischer Außenpolitik, in: ND vom 24. 01. 1973, S. 2. ZK der SED, Brief an das ZK des PCE, 21. 03. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 80– 84, hier: Bl. 83. Eine in der DDR autorisierte Definition von „friedlicher Koexistenz“ beschreibt diese als „die Regelung der zwischenstaatlichen Beziehungen von sozialistischen und kapitalistischen Staaten auf der Grundlage der Gleichberechtigung der Staaten, der gegenseitigen Achtung ihrer Souveränität, der territorialen Integrität, der Nichteinmischung in ihre inneren Angelegenheiten.“ Böhme (Hrsg.), Wörterbuch, S. 242. Ernst-Otto Schwabe, Ein Erfolg sozialistischer Außenpolitik, in: ND vom 24. 01. 1973, S. 2. Jüngling, Alternative Außenpolitik, S. 270–271. Grundlegend vgl. auch Kuppe, Ideologie. Stibi, Georg, Die DDR – Bastion des Friedens im Herzen Europas, Typoskript, undatiert, vermutlich nach Juni 1971, in: PA AA, Nachlass 152, Gerhard Korth, Nr. 13 (Vorträge), unpag.
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Koexistenz“ zwischen Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnung, mit dem die DDR ihre Beziehungen zu den kapitalistischen Ländern ideologisch zu legitimieren suchte.421 Vor dem Hintergrund, dass sich Madrid in Sorge um eine mögliche Brüskierung der Bundesrepublik zunächst noch unsicher in der Frage offizieller Beziehungen zur DDR zeigte, kann seine Aussage gar als Appell an Francos Regierung gelesen werden, ihre Rücksichtnahme auf Bonn aufzugeben: „Es dient dem Frieden, wenn diejenigen Staaten, die bisher diplomatische Beziehungen mit der DDR noch nicht hergestellt haben, ihrerseits den Prozess der Normalisierung beschleunigen. Die Wirklichkeit hat sich über die verschiedenen völkerrechtlichen Doktrinen, die diesen Prozess zu hemmen versuchen, längst hinweggesetzt.“ 422
Rückblickend begründet auch Otto Pfeiffer die Beziehungen zum franquistischen Spanien mit dem Prinzip der „friedlichen Koexistenz“ und argumentiert, dass Ausnahmen davon die DDR „unglaubwürdig“ hätten erscheinen lassen. Zudem verweist er darauf, dass die DDR auch mit weiteren politischen „Problemf[ä]lle[n]“ Beziehungen unterhielt.423 Außerdem seien diplomatische Beziehungen ganz grundsätzlich der „minimale ‚Normalzustand‘“ zwischen Staaten und „nichts Außergewöhnliches, mit dem etwa ein Urteil über den anderen Partner gefällt“ würde.424 Dies sah sich auch Gerhard Korth, leitender MfAA-Mitarbeiter und ab 1977 Botschafter in Spanien, bei einem Vortrag an der Militärpolitischen Hochschule „Wilhelm Pieck“ der NVA am 15. März 1973 veranlasst zu betonen: Im Kontext des internationalen „Durchbruchs“ der DDR sei „klar, dass die Politik der friedlichen Koexistenz zwischen Staaten verschiedener Gesellschaftsordnungen nicht das mindeste zu tun hat mit irgendeiner Art ‚Versöhnung‘ zwischen Kapitalismus und Sozialismus“ oder einem „Frieden auf dem Gebiet der Ideologie“.425 Hermann Axen ging bei einer FDGB-Versammlung in Kleinmachnow im Februar 1973 konkret auf die Beziehungsaufnahme mit Spanien ein: „Natürlich“ passe den Verantwortlichen in Partei- und Ministerium das „(faschistische) Regime in Spanien überhaupt nicht“, weshalb die Aufnahme diplomatischer Beziehungen
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Zum Prinzip der „friedlichen Koexistenz“ vgl. grundlegend Bruns, Koexistenz. Stibi, Georg, Die DDR – Bastion des Friedens im Herzen Europas, Typoskript, undatiert, vermutlich nach Juni 1971, in: PA AA, Nachlass 152, Gerhard Korth, Nr. 13 (Vorträge), unpag. Otto Pfeiffer bezeichnet neben Spanien „das feudal verrottete äthiopische Kaiserreich“ Haile Selassies, mit dem die DDR am 1. Februar 1973 diplomatische Beziehungen aufnahm, sowie „das Indonesien des Kommunistenschlächters Suharto“, mit dem am 21. Dezember 1972 ein Botschafteraustausch beschlossen wurde, als „Problemf[ä]ll[e]“ der internationalen Anerkennung der DDR: Pfeiffer, Korrespondenz. Zu den Beziehungen der DDR und Äthiopiens vgl. Dagne, Engagement. Pfeiffer, Korrespondenz. Korth, Gerhard, Die Verwirklichung der Leninschen Prinzipien der friedlichen Koexistenz zwischen Staaten mit unterschiedlicher Gesellschaftsordnung, Typoskript, 15. 03. 1973, in: PA AA, Nachlass 152, Gerhard Korth, Nr. 15 (Vorträge), unpag.
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„nicht[s] […] mit gegenseitigen Sympathien zu tun“ habe.426 Und Erich Honecker selbst gestand in einer ausführlichen „Argumentation zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der DDR und Spanien“ vom 25. Januar 1973 offen ein: „Nun machen wir aus unserem Herzen keine Mördergrube. Die diktatorischen Regimes in Spanien und Griechenland passen uns wahrlich am allerwenigsten.“ 427 Dennoch sei die DDR, so Axen, als international attraktiver Partner und diplomatisch korrekt handelnder Akteur einer Bitte Spaniens nachgekommen: „Wir können selbstverständlich nicht ablehnen, diplomatische Beziehungen zu Staaten aufzunehmen, die uns das anbieten, ob uns ihre Gesellschaftsordnung passt oder nicht.“ 428 Historisch beriefen sich sowohl Axen als auch Korth auf die internationalen Beziehungen der Sowjetunion unter Lenin. Dieser habe erkannt, „dass das Nebeneinanderstehen des kapitalistischen und des sozialistischen Systems in der Welt für eine gewisse geschichtliche Periode unvermeidbar ist“ und daraufhin „[d]ie Grundlinien der Politik der friedlichen Koexistenz“ ausgearbeitet.429 Beide stellten 1973 gar eine Analogie zwischen der Außenpolitik Lenins nach dem Ersten Weltkrieg und der Anerkennungspolitik der DDR her: Ähnlich wie die Sowjetrepublik nach der unpopulären, aber „konsequente[n]“ und „notwendige[n]“ Maßnahme der Beziehungsaufnahme mit dem Deutschen Reich 1922 einen „Durchbruch“ bezüglich ihrer internationalen Anerkennung erlebt habe, erlebe die DDR gegenwärtig einen solchen.430 Kritik am Franco-Regime sei trotz der aufgenommenen Beziehungen und der damit einhergehenden Verpflichtung auf „Nichteinmischung“ in die inneren Angelegenheiten des anderen Staates weiter möglich, da die „friedliche Koexistenz […] eine Form des Klassenkampfes zwischen zwei miteinander
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Büro Axen im ZK der SED, Beiträge und Reden, Zu aktuellen Fragen der Außenpolitik der DDR, 19. 02. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/69800, Bl. 1–82, hier: Bl. 33–34. Die Klammern um das Attribut „faschistisch“ wurden handschriftlich hinzugefügt. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Argumentation zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der DDR und Spanien, 25. 01. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 20–26, hier: Bl. 26. Büro Axen im ZK der SED, Beiträge und Reden, Zu aktuellen Fragen der Außenpolitik der DDR, 19. 02. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/69800, Bl. 1–82, hier: Bl. 35. Ebenso Honecker: „Die Anerkennung der DDR durch Spanien ist in einer günstigen Lage entstanden. […] Die Initiative zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen kam von Spanien.“ ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Argumentation zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der DDR und Spanien, 25. 01. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 20–26, hier: Bl. 22. Korth, Gerhard, Die Verwirklichung der Leninschen Prinzipien der friedlichen Koexistenz zwischen Staaten mit unterschiedlicher Gesellschaftsordnung, Typoskript, 15. 03. 1973, in: PA AA, Nachlass 152, Gerhard Korth, 15 (Vorträge), unpag. Zur historischen Genese des Prinzips der „friedlichen Koexistenz“, das als Begriff erstmals von Stalin gebraucht, in seiner Konzeption aber auf Lenin zurückgeführt wurde, vgl. Bruns, Koexistenz, S. 9–12. Korth, Gerhard, Die Verwirklichung der Leninschen Prinzipien der friedlichen Koexistenz zwischen Staaten mit unterschiedlicher Gesellschaftsordnung, Typoskript, 15. 03. 1973, in: PA AA, Nachlass 152, Gerhard Korth, 15 (Vorträge), unpag.; Büro Axen im ZK der SED, Beiträge und Reden, Zu aktuellen Fragen der Außenpolitik der DDR, 19. 02. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/69800, Bl. 1–82, hier: Bl. 33.
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unversöhnlichen gesellschaftlichen Systemen“ sei.431 Entsprechend war in den Politbürovorlagen vom März 1971 und Mai 1972 formuliert worden, dass die Herstellung staatlicher Beziehungen zu Spanien „keine Veränderung der Haltung der DDR zum reaktionären Herrschaftssystem in Spanien“ bedeute.432 Augrund dieser Flexibilität charakterisierte Wilhelm Bruns das Prinzip der „friedlichen Koexistenz“ in einer frühen Studie als Kooperations- und Konfrontationsformel zugleich: Je nach Interessenlage konnte entweder der kooperative oder konfrontative Charakter bilateraler Beziehungen betont werden.433 In ihrem Diskurs zum Botschafteraustausch mit Spanien zeigte sich die SED auf staatlicher Ebene „kooperativ“,434 während sie auf Partei- und gesellschaftlicher Ebene, also gegenüber PCE, Solidaritätskomitee und Sektion der ehemaligen Spanienkämpfer im KdAW das „Konfrontative“ hervorhob, nämlich die Aufrecherhaltung des ideologischen Kampfes und der Solidarität mit der spanischen Arbeiterklasse. Das Prinzip der „friedlichen Koexistenz“ verlieh der ostdeutschen Außenpolitik also einen „taktische[n] Pragmatismus“,435 wobei sich Machtinteressen – in diesem Fall die Anerkennung und damit Aufwertung durch Spanien – und Ideologie nicht ausschlossen. Im Gegenteil war in der Leninschen Idee der „friedlichen Koexistenz“ gerade die Berücksichtigung politischer Interessen angelegt. Dementsprechend war es keine Doppelmoral, wenn der ehemalige Spanienkämpfer Georg Stibi mit ebendiesem Prinzip die Herstellung diplomatischer Beziehungen zu ausnahmslos allen Staaten, auch Spanien, verteidigte,436 und die vier ehemaligen Spanienkämpfer im Politbüro der Vorlage über die Beziehungsaufnahme zustimmten. Dennoch lässt sich aufgrund der verstärkten Betonung des kooperativen Elements der „friedlichen Koexistenz“ im Zuge der Entspannungspolitik Anfang der 1970er Jahre eine „Entideologisierung“ 437 der DDR-Außenpolitik bzw. ein „Bedeutungsverlust der Ideologie für die außenpolitische Praxis“ 438 ausmachen. Theoretisch war diese bereits in den außenpolitischen Grundsätzen des
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Korth, Gerhard, Die Verwirklichung der Leninschen Prinzipien der friedlichen Koexistenz zwischen Staaten mit unterschiedlicher Gesellschaftsordnung, Typoskript, 15. 03. 1973, in: PA AA, Nachlass 152, Gerhard Korth, Nr. 15 (Vorträge), unpag. ZK der SED, Vorlage für das Politbüro des ZK der SED über den Ausbau der staatlichen Handels- und Konsularbeziehungen mit Spanien, 26. 03. 1971, in: SAPMO-BArch, DY 30/ 13474, Bl. 28–31, hier: Bl. 30; MfAA, Abteilung Westeuropa, Vorlage für das Politbüro des ZK der SED über Beziehungen DDR-Spanien, 11. 05. 1972, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 8– 14, hier: Bl. 12. Vgl. Bruns, Koexistenz, S. 10, 18. Ebenda, S. 18. In der Regel erwähnte die zeitgenössische theoretische Literatur über die Außenpolitik der DDR die Beziehung DDR-Spanien nicht; Bruns stellt hier eine Ausnahme dar. Jahn, Einfluss, S. 368. Vgl. Rede von Georg Stibi am Institut für Internationale Beziehungen der DDR, „Aktuelle Probleme der Strategie und Taktik der Außenpolitik der DDR im Kampf um die Festigung und den weiteren Ausbau ihrer diplomatischen Beziehungen“, 03. 01. 1972, in: PA AA, Nachlass 152, Gerhard Korth, Nr. 13 (Vorträge), unpag. Kuppe, Ideologie, S. 121; Jüngling, Alternative Außenpolitik. S. 271. Kuppe, Ideologie, S. 121.
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VIII. Parteitags der SED angelegt, praktisch ist die Beziehungsaufnahme mit Franco-Spanien ein Beispiel dafür. Neben dem Rekurs auf das Prinzip der „friedlichen Koexistenz“ gehörte zur Legitimationsstrategie der außenpolitischen Verantwortlichen in der DDR zweitens die Relativierung des bis dato ausgemachten „faschistischen“ Charakters des Franquismus. Gegenüber FDGB-Anhängern bezeichnete Hermann Axen Spanien zwar nach wie vor als „faschistische[s] Regime“, räumte jedoch ein, dass dort „Veränderungen“ vor sich gingen.439 Auch Erich Honecker verwies darauf, dass „sich die Lage heute doch etwas geändert [habe] im Vergleich zu dem Franco-Regime nach 1936“:440 Franco, der zwar nach wie vor „seinen Terrorapparat“ besitze, zeige sich zu einigen Konzessionen gegenüber den „Werktätigen, besonders der Arbeiterklasse“ bereit.441 Indem sowohl Honecker als auch Axen Franco mit dem USamerikanischen Präsidenten Richard Nixon und dem britischen Premierminister Edward Heath verglichen, forderten sie den eingeübten „Mythos Spanien“, nach welchem der spanische Diktator ein Zögling Hitlers und Mussolinis war, enorm heraus.442 Ein Länderportrait, das „Neues Deutschland“ im Kontext der Beziehungsaufnahme am 13. Januar abdruckte, war ungewohnt objektiv gehalten und enthielt entgegen der früheren antispanischen Rhetorik des „ND“ keinerlei Hinweise auf Diktatur, „Faschismus“ oder Antikommunismus in Spanien. Im Gegenteil bemühte es sich um eine unpolitische Beschreibung Spaniens als „südeuropäischer Staat zwischen zwei Meeren“ und „Volk von alter Kultur und Zivilisation“; in Bezug auf den spanischen Bürgerkrieg erwähnte das Portrait lediglich, dass das spanische Volk in dessen „Zusammenhang […] schwere Jahre“ erlebt habe.443 Neben einem Foto Francos blieben in einer Kurzbiografie dessen Militärputsch und Sieg über die Zweite Spanische Republik unerwähnt und es hieß nur, dass er im März 1939 „offiziell das Amt des Staatschefs“ angetreten habe.444 439 440
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Büro Axen im ZK der SED, Beiträge und Reden, Zu aktuellen Fragen der Außenpolitik der DDR, 19. 02. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/69800, Bl. 1–82, hier: Bl. 34. Er verwies auf die Bildung von Arbeiterkommissionen in Spanien, das Erscheinen von Büchern Marx’ und Lenins und eine verbesserte Haltung zur Sowjetunion: ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Argumentation zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der DDR und Spanien, 25. 01. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 20–26, hier: Bl. 24. Ebenda. Ebenda, Bl. 35: „Ist Nixon, der Verantwortliche für den grausamen Bombenkrieg in Vietnam, besser als Franco? Oder Heath, der einen barbarischen Kolonialkrieg in Nordirland führt?“ Ebenso ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Argumentation zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der DDR und Spanien, 25. 01. 1973, in: SAPMOBArch, DY 30/13476, Bl. 20–26, hier: Bl. 22: „Zwischen dem Franco-Regime, dem Regime im Iran und der blutrünstigen Politik von Nixon in USA bestehen keine wesentlichen Unterschiede.“ Klaus Steiniger, Spanien. Südeuropäischer Staat zwischen zwei Meeren, in: ND vom 13. 01. 1973, S. 6. Der Artikel war nach Angabe Otto Pfeiffers eine stark veränderte Version eines ursprünglich von ihm verfassten Länderportraits, welches das ZK der SED bei Vorlage als zu kritisch eingestuft hatte: vgl. Interview mit Otto Pfeiffer, 27. 11. 2017. Klaus Steiniger, Spanien. Südeuropäischer Staat zwischen zwei Meeren, in: ND vom 13. 01. 1973, S. 6.
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Im Konflikt der SED mit dem PCE um die Beziehungsaufnahme, auf den in Kapitel II.4.4 gesondert eingegangen wird, stellte das Länderportrait einen zentralen Streitpunkt dar. In einem Brief an die ostdeutschen Genossen protestierten die spanischen Kommunisten gegen ein „Verschweigen[…] des Kampfes der Arbeiterklasse und des Volkes“ und eine „Verschönerung der faschistischen Diktatur Francos“; sie warfen dem Zentralorgan der „Bruderpartei“ „eine vollständige Deformierung der Geschichte und gegenwärtigen Realität Spaniens“ vor.445 Für Exekutivkomiteemitglied Manuel Azcárate stand die gemäßigte Rhetorik des „ND“ in einem offensichtlichen Zusammenhang mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen, schließlich habe es „in früheren Zeiten […] den Terminus ‚Faschismus‘“ verwendet und Franco zu Recht als „blutrünstigen Diktator“ gebrandmarkt.446 PCE-Generalsekretär Carrillo kritisierte die gesamte Berichterstattung des „ND“ über Spanien als „für eine kommunistische Zeitung skandalös“ und beklagte, dass Erich Honecker in seinem Antwortschreiben auf die diesbezügliche Kritik des PCE nicht eingegangen sei.447 In der Tat versuchte Honecker gar nicht erst, den Vorwurf einer beschönigenden Rhetorik zu entkräften – vermutlich, weil sich diese kaum leugnen ließ.448 In der üblichen Rhetorik des „Mythos Spanien“ verwies er lediglich auf das „Vermächtnis“ der deutschen Interbrigadisten, das in der DDR „lebendige Wirklichkeit“ sei.449 In seiner Reaktion auf die Kritik des PCE argumentierte Honecker drittens mit einem „Leuchtturmeffekt“, den die Eröffnung der DDR-Botschaft und die Entsendung eines sozialistischen Botschafters nach Madrid haben werde. Er fragte die spanischen Genossen rhetorisch, ob „es nun von Vorteil oder von Nachteil für die legitimen Bestrebungen des spanischen Volkes [sei], wenn in Madrid die Vertretung eines weiteren sozialistischen Staates, die Flagge des ersten deutschen Arbeiter-und-Bauern-Staates vom Vormarsch des Sozialismus in der Welt künde[…].“ 450
Bereits bei den Schwimmeuropameisterschaften 1970 in Barcelona sei es gut für die „gemeinsame Sache“ der sozialistischen Staaten gewesen, dass dort „täglich 445
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ZK des PCE, Brief an das ZK der SED, 01. 02. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 31– 32, hier: Bl. 31. Für das spanische Original vgl. ebenda, Bl. 33. In einem im Mai 1973 veröffentlichten dreizehnseitigen Memorandum gegen die Beziehungsaufnahme wiederholte das ZK des PCE, dass die Franco-Diktatur „hundertprozentig faschistisch im klassischsten Sinne des Wortes“ sei: ZK des PCE, Memorandum über die Herstellung diplomatischer Beziehungen zwischen gewissen sozialistischen Ländern und der Franco-Regierung, 05. 06. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 101–124, hier: Bl. 107. ZK des PCE, Brief an das ZK der SED, 01. 02. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 31– 32. ZK des PCE, Brief an das ZK der SED, 04. 05. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 92– 94, hier: Bl. 92. Für das spanische Original vgl. ebenda, Bl. 98–100. Auch Niehus stellt „[p]rompt mit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen“ eine „weitestgehend wertfrei[e] Berichterstattung der staatlich kontrollierten Presse der DDR“ und eine Drosselung der „Anwendung des […] antifaschistischen Instrumentariums“ fest: Niehus, Außenpolitik, S. 569. ZK der SED, Brief an das ZK des PCE, 21. 03. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 80– 84, hier: Bl. 83. Ebenda.
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II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
mehrmals die Nationalhymne der DDR erklang und dem spanischen Volk unmittelbar die Überlegenheit der sozialistischen Ordnung demonstriert werden konnte.“ 451 Daneben verwies er in einer ausführlichen Argumentationsschrift, die vermutlich seinem Antwortschreiben an den PCE zugrunde lag, neben fünfzehn weiteren Punkten auf „die Möglichkeit, durch unsere Präsenz auf die außenpolitischen und innenpolitischen Schritte Spaniens einen gewissen Einfluss zu nehmen.“ 452 Während man in ZK und MfAA möglicherweise tatsächlich an eine „moralische[…] Unterstützung“ 453 und ermutigende Wirkung der künftigen DDR-Präsenz für die antifranquistischen Kräfte in Spanien glaubte, hielt vermutlich niemand eine tatsächliche Einflussnahme auf die Politik Francos für möglich. Vielmehr sei es laut Otto Pfeiffer darum gegangen, durch „[d]ie Analyse der innenpolitischen Entwicklung durch die Botschaft […] Grundlagen für die Gestaltung künftiger bilateraler Beziehungen nach Francos Abgang [zu] schaffen.“ 454 Denn obschon die SED im Gegensatz zum PCE 1973 noch nicht mit einem unmittelbar bevorstehenden Ende des Franco-Regimes rechnete, sah sie es „bei aller Stabilität doch einer Erosion von verschiedenen Seiten unterworfen“ und wollte für die Zeit nach einem Regimewechsel eine günstige Ausgangsposition schaffen.455 Die Einbindung Spaniens in den KSZE-Prozess diente der SED als viertes Argument im offiziellen Diskurs über den Botschafteraustausch. Honecker stellte einen direkten Zusammenhang zwischen den bilateralen ostdeutsch-spanischen Beziehungen und dem Erfolg in Helsinki her,456 und Hermann Axen fragte die FDGBDelegierten in Kleinmachnow suggestiv, ob man „gerade Spanien die Möglichkeit geben [solle], sich den internationalen Verpflichtungen eines europäischen Sicherheitssystems zu entziehen“.457 Beide betonten dabei insbesondere die vom FrancoRegime beanspruchte Rolle als vermittelndes Nicht-NATO-Mitglied.458 Des Weiteren ordnete die SED die Beziehungsaufnahme in die sogenannte „koordinierte Außenpolitik“ und das „gemeinsame[…] Friedensprogramm der sozialistischen Staatengemeinschaft“ 459 ein und verwies darauf, dass das befreundete sozialistische Kuba „seit langem“ diplomatische Beziehungen zu Franco-Spanien unterhal-
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Ebenda. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Argumentation zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der DDR und Spanien, 25. 01. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 20–26, hier: Bl. 22. Ebenda, Bl. 24. Pfeiffer, Erinnerungen. Vgl. Pfeiffer, Korrespondenz. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Argumentation zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der DDR und Spanien, 25. 01. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 20–26, hier: Bl. 21. Vgl. Büro Axen im ZK der SED, Beiträge und Reden, Zu aktuellen Fragen der Außenpolitik der DDR, 19. 02. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/69800, Bl. 1–82, hier: Bl. 35. Vgl. ebenda, Bl. 34; ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Argumentation zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der DDR und Spanien, 25. 01. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 20–26, hier: Bl. 21. Ebenda, Bl. 20, 22.
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te.460 Dabei wurde weder auf die besondere historische Beziehung zwischen Kuba und Spanien hingewiesen noch auf die Tatsache, dass die kubanische Regierung ihren akkreditierten Gesandten in Madrid aus „Ablehnung gegenüber der FrancoDiktatur“ nicht mit dem Rang eines Botschafters, sondern lediglich dem eines Geschäftsträgers ausgestattet und einen Besuch des spanischen Außenministers in Kuba mehrfach abgelehnt hatte.461 Ein fünftes Argument im offiziellen Legitimationsdiskurs der SED waren neben der spanischen KSZE-Dialogpolitik weitere gemeinsame außenpolitische Positionen der sozialistischen Staaten und Spaniens. Bereits 1969 hatte eine MfAA-Einschätzung der franquistischen Außenpolitik „bestimmte[…] neutralistische[…] Tendenzen“ zugestanden, damals noch unter Ablehnung offizieller Beziehungen.462 Auch Walther Bernecker stellt fest, dass das Liebäugeln López Bravos „mit einer außenpolitisch neutralistischen Linie“ attraktiv für die sozialistischen Staaten war und damit auf beiden Seiten Grund für eine Intensivierung nicht nur der wirtschaftlichen, sondern auch der politischen Beziehungen.463 Gemeint sind damit die pro-arabische Haltung Spaniens im Nahostkonflikt und die guten Kontakte zur arabischen Staatenwelt 464 sowie die Bemühungen Madrids um eine neutrale Sicherheitszone im Mittelmeerraum.465 Außerdem hoffte man in MfAA und ZK, dass Spanien „begünstigend“ auf die Kontakte der DDR zu den lateinamerikanischen Staaten wirken könnte,466 wo „die DDR ohnehin ihren Fuß weiter zwischen Tür und Rahmen schieben“ wollte.467 Otto Pfeiffer weist allerdings zu Recht darauf hin, dass sich dieses Kalkül „als Trugschluss erwies“:468 In einem Gespräch zwischen dem kubanischen Botschafter in der DDR, Mauro García Triana, dem späteren DDR-Botschafter in Madrid, Gerhard Korth, und Georg Stibi lehnte García
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Büro Axen im ZK der SED, Beiträge und Reden, Zu aktuellen Fragen der Außenpolitik der DDR, 19. 02. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/69800, Bl. 1–82, hier: Bl. 34. MfAA, Abteilung Westeuropa, Kurzer Vermerk über ein Gespräch mit dem neuen Botschafter der Republik Kuba in der DDR, Genossen Mauro García Triana, am 10. 1. 1973, 11. 01. 1973, in: PA AA, M 1, C 617/77, Bl. 26. Vgl. auch Interview mit Otto Pfeiffer, 27. 11. 2017. MfAA, Abteilung Westeuropa, Die Bindung Spaniens an den westdeutschen und amerikanischen Imperialismus, 26. 03. 1969, in: PA AA, M 1, C 3574, Bl. 15–17, hier: Bl. 15. Bernecker, Geschichte, S. 207. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Presseveröffentlichung anlässlich der Aufnahme diplomatischer Beziehungen DDR-Spanien, 28. 12. 1972, in: PA AA, M 1, C 3579, Bl. 1–2, hier: Bl. 2. Vgl. auch Politbüro des ZK der SED, Arbeitsprotokoll zur Sitzung vom 9. Januar 1973, 09. 01. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/45757, Bl. 42–43. Vgl. Botschaft der DDR in Warschau, Vermerk über eine Unterredung zwischen Genossen Schmidt und dem Direktor des IV. Departements des MSZ, Genossen Staniszewski am 12. 2. 1972, 15. 02. 1972, in: PA AA, M 1, C 617/77, Bl. 30–33, hier: Bl. 31–32. MfAA, Abteilung Westeuropa, Vorlage für das Politbüro des ZK der SED über Beziehungen DDR-Spanien, 04. 01. 1973, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 40–43, hier: Bl. 43. Jüngling, Alternative Außenpolitik, S. 271. Der Einfluss Spaniens auf die arabischen und lateinamerikanischen Staaten war auch aufgrund deren großer Stimmenzahl in der UNO von Interesse für die DDR. Dies traf auch auf die Bundesrepublik zu: vgl. Aschmann, Mein Freund Felipe, S. 644. Interview mit Otto Pfeiffer, 27. 11. 2017.
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Triana diplomatische Beziehungen zwischen Ost-Berlin und Madrid ab, da Kuba wie die anderen „progressiven Kräfte Lateinamerikas“ gegenüber Franco-Spanien eine „ablehnende Haltung“ habe. Auch ging er davon aus, dass solche Beziehungen „keinen positiven Einfluss“ auf die Möglichkeiten der DDR in Lateinamerika haben würden, da es „eher Spanien“ sei, das sich dort um Einfluss bemühe „als umgekehrt.“ 469 Als gewichtiges Argument, das die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zum Franco-Regime rechtfertigen sollte, führte der offizielle SED-Diskurs sechstens ökonomische Notwendigkeiten ins Feld. Auch die Politbürovorlage vom Januar 1973 nannte den spanischen Vorschlag zu sofortigen Verhandlungen über ein umfangreiches Wirtschafts- und Handelsabkommen als Begründung für den Botschafteraustausch: Ein solches entspräche dem Interesse der DDR „an stabilen Wirtschaftsbeziehungen mit Spanien zur kontinuierlichen Realisierung wichtiger Export- und Importaufgaben“.470 Hintergrund hierfür war, dass sich der Warenaustausch mit Spanien seit Beginn der 1960er Jahre nur sehr langsam und zuungunsten Ost-Berlins entwickelt hatte und die Handelsbilanz seit 1966 sogar negativ ausfiel; die DDR importierte zunehmend Waren aus Spanien, konnte ihre Exporte jedoch nicht steigern.471 1972 war sie nach der Sowjetunion und Polen der drittgrößte osteuropäische Importeur spanischer Produkte, von denen Zitrus- und Trockenfrüchte ein Drittel ausmachten.472 Dennoch betrugen die Geschäfte mit der DDR nur einen geringen Anteil am spanischen Außenhandel: Beim Abschluss des ersten Handelsabkommens 1974 nahm die DDR mit 0,175 Prozent den vorletzten Platz der sozialistischen Länder ein.473 Da die neuen außenpolitischen Prinzipien des VIII. Parteitags und die dort verkündete „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ eine Steigerung des Lebensniveaus der Bevölkerung und eine bessere Versorgung mit Konsumgütern in Aussicht stellten, hieß es bereits in der Politbürovorlage vom März 1971 über Handels- und Konsularbeziehungen programmatisch, dass diese „der Verbesserung der kontinuierlichen Bevölkerungsversorgung mit Zitrusfrüchten dienen“ sollten.474 Gemeint
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MfAA, Abteilung Westeuropa, Kurzer Vermerk über ein Gespräch mit dem neuen Botschafter der Republik Kuba in der DDR, Genossen Mauro García Triana, am 10. 1. 1973, 11. 01. 1973, in: PA AA, M 1, C 617/77, Bl. 26. MfAA, Abteilung Westeuropa, Vorlage für das Politbüro des ZK der SED über Beziehungen DDR-Spanien, 04. 01. 1973, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 40–43, hier: Bl. 42–43. Vgl. Tabellen zum Außenhandel Spaniens mit dem Ostblock von 1959–1971 in Claudín, Relaciones, S. 264–265. Vgl. ebenda; Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Wirtschaftsbeziehungen SpanienDDR, 18. 01. 1973, in: PA AA, MADR 12571, unpag. Vgl. ebenda. Eine Ursache hierfür sah die Abteilung Außenhandel im ZK der SED in der restriktiven Vergabe von spanischen Lizenzen für Waren aus der DDR, wodurch andere Länder bevorteilt würden: vgl. ZK der SED, Abteilung Außenhandel, Sektion Südeuropa, Jahresanalyse 1959 Spanien, 21. 01. 1960, in; SAPMO-BArch, DY 30/80959, Bl. 310–314. ZK der SED, Vorlage für das Politbüro des ZK der SED über den Ausbau der staatlichen Handels- und Konsularbeziehungen mit Spanien, 26. 03. 1971, in: SAPMO-BArch, DY 30/ 13474, Bl. 28–31, hier: Bl. 31.
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war damit in erster Linie die Einfuhr von Orangen in der Vorweihnachtszeit, die sich gegenüber denen aus Kuba durch kürzere Transportwege, günstigere Saisonbedingungen und höhere Qualität auszeichneten.475 Daneben sollte spanisches Quecksilber zur Deckung des wachsenden Rohstoffbedarfs der DDR beitragen.476 Um diese Importe zu finanzieren, sollte Spanien als langfristiger und stabiler Markt für DDR-Exporte erschlossen werden, vor allem für Werkzeugmaschinen und Produkte aus der metallverarbeitenden Industrie.477 Dabei sah der bundesdeutsche Botschafter in Madrid in den „komplementäre[n] Volkswirtschaften“ der DDR und Spaniens durchaus ein Potenzial für die Steigerung ihres Handels: Während die DDR Südfrüchte und andere landwirtschaftliche Produkte abnehme, die Spanien auf dem EWG-Markt nicht absetzen könne, benötige die spanische Industrie hochwertige Spezialmaschinen.478 Außerdem analysierte er zutreffend, dass beide Länder daran interessiert waren, ihren Handel vom Clearing-System auf freien Devisenverkehr umzustellen; dabei ging es der DDR in erster Linie darum, einen Rückstand gegenüber den anderen sozialistischen Staaten aufzuholen, die ihre Geschäfte nach Spanien bereits seit 1972 in frei konvertibler Währung abwickelten.479 Ferner wollte die DDR Handelsgeschäfte über Drittländer, insbesondere die Bundesrepublik, reduzieren und durch einen vornehmlich direkten Warenaustausch mit Spanien die Handelsbeziehungen „auf die Grundlage des gegenseitigen Vorteils heben.“ 480 Neben dem tatsächlichen Interesse der DDR an intensiveren Handelskontakten mit Spanien eigneten sich diese vor allem für die Legitimation der diplomatischen Beziehungen: Obgleich sie sehr gering entwickelt und damit kaum von Bedeutung waren, sollte das Argument der wirtschaftlichen Notwendigkeit die Eröffnung einer Botschaft im franquistischen Madrid rechtfertigen.481 Seit den 1950er Jahren hatte es den DDR-Außenhandelsorganen außerdem dazu gedient, Druck auf MfAA und ZK auszuüben, die Beziehungen zu Spanien auch politisch zu regeln. Im Interesse einer möglichst unauffälligen Berichterstattung über den Botschafteraustausch ging die ostdeutsche anders als die spanische Presse Anfang 1973 jedoch
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Vgl. MAI, Ländersektion Spanien, Die Entwicklung unseres Handels mit Spanien, 1. Jahreshälfte 1966, in: PA AA, M 1, C 633/77, Bl. 26–30, hier: Bl. 27–28. Auch Otto Pfeiffer nennt als Grund für die Herstellung diplomatischer Beziehungen mit Spanien das Interesse der DDR an vorweihnachtlichen Orangenimporten: vgl. Pfeiffer, Erinnerungen. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Konzeption für die Entwicklung der Beziehungen zu Spanien (bis 1980), 28. 06. 1974, Bl. 19–30, hier: Bl. 24. Vgl. ebenda. Vgl. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Wirtschaftsbeziehungen Spanien-DDR, 18. 01. 1973, in: PA AA, MADR 12571, unpag. Vgl. ebenda. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Argumentation zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der DDR und Spanien, 25. 01. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 20–26, hier: Bl. 24. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Konzeption für die Entwicklung der Beziehungen zu Spanien (bis 1980), 28. 06. 1974, Bl. 19–30, hier: Bl. 24. Müller konstatiert eine Rechtfertigungsfunktion der Wirtschaftsinteressen auch bei der Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen Österreich und Spanien 1955: vgl. Müller, Beziehungen, S. 46.
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nicht weiter auf die wirtschaftlichen Absichten der DDR in Spanien ein. Ebenso wenig enthielt die offizielle ostdeutsche Pressemitteilung einen Abschnitt über die baldige Aufnahme von Verhandlungen über ein Handelsabkommen.482 Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass die SED die Aufnahme der Beziehungen und damit ihre Anerkennung durch Spanien nicht an Bedingungen geknüpft sehen wollte. Allgemein lässt sich feststellen, dass die SED versuchte, den Diskurs über die Herstellung diplomatischer Beziehungen mit Spanien so weit wie möglich zu entemotionalisieren. Dies erwies sich insofern als schwierig, als der offiziell gepflegte „Mythos Spanien“ von einer dezidiert kämpferischen, unversöhnlichen Rhetorik geprägt war. Diese hatte in der Zeit der Nichtanerkennung der DDR durch den Westen, als die SED ohne die Notwendigkeit diplomatischer Rücksichtnahme die Welt in ein ideologisches „Schwarz und Weiß“ hatte einteilen können, das FrancoRegime den besonders „bösen“ Staaten zugeordnet.483 Nun lag die Schwierigkeit nicht darin, die neue Pragmatik der DDR-Außenpolitik zu leugnen – sie wurde seit dem VIII. Parteitag der SED offen propagiert –, sondern in deren Vereinbarkeit mit der eingeübten antispanischen Propaganda. Dabei liefen die außenpolitisch Verantwortlichen in Ost-Berlin Gefahr, in ihren Legitimationsversuchen und bei der Beschreibung des neuen ostdeutsch-spanischen Verhältnisses Widersprüche zu erzeugen. Da sie einen Rechtfertigungsdruck antizipierten, kann ihre Argumentation daher auch als Selbstrechtfertigung und -vergewisserung verstanden werden.484 So sah sich die SED veranlasst, zwei Wochen nach der knappen Meldung über den Notenaustausch in Warschau und dem betont wertfreien Länderportrait über Spanien in „Neues Deutschland“ und anderen zentralen Zeitungen der DDR einen Kommentar des Chefredakteurs der außenpolitischen Wochezeitung „Horizont“ zu veröffentlichen, der die Herstellung diplomatischer Beziehungen mit Spanien als einen „Erfolg sozialistischer Außenpolitik“ rechtfertigte. Der ehemalige leitende ZK-Funktionär und MfAA-Mitarbeiter Ernst-Otto Schwabe erklärte darin, dass man eine „zielstrebige Außenpolitik […] nun einmal nicht auf Emotionen gründen [könne], so verständlich diese auch im Einzelfall [seien].“ 485 Entsprechend mahnte er die breite Leserschaft, „über berechtigte Gefühle nie den Blick für den übergeordneten Zusammenhang [zu] verlieren“, den er in der Bedeutung der internationalen Anerkennung der DDR für Frieden und Sicherheit in Europa ausmachte.486 Schwabe machte in seiner apologetischen Argumentation die spätestens seit Honecker geltende Auffassung stark, dass gerade die Außenpoli-
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In deutscher und spanischer Sprache abgelegt in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 52–53. Vgl. dazu einen spöttischen Kommentar zur Beziehungsaufnahme zwischen der DDR und Spanien von Peter Jochen Winters, Die klassenlose Außenpolitik, in: FAZ vom 01. 02. 1973, S. 1. Biermann verwendet hierfür in seiner Untersuchung über den Einfluss von Emotionen auf die Politik die Begriffe impression management und public posturing: vgl. Biermann, Freundschaftliche Verbundenheit, S. 202. Ernst-Otto Schwabe, Ein Erfolg sozialistischer Außenpolitik, in: ND vom 24. 01. 1973, S. 2. Ebenda.
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tik als besonders sachliches Politikfeld „Realitätssinn“ erfordere und die Frage nach der Herstellung diplomatischer Beziehungen „praktisch zu lösen“ sei.487 Davon hatte sich die SED bei ihrer Entscheidung, mit dem Franco-Regime diplomatische Beziehungen aufzunehmen, ganz offensichtlich leiten lassen; eine Versachlichung des darüber geführten Diskurses fiel ihr dagegen schwer. Dies lag neben der eingeübten emotionalen Rhetorik des „Mythos Spanien“ auch an der Kritik, die dessen Akteure am Botschafteraustausch mit Madrid äußerten.
4.3 Antifaschismus auf dem Prüfstand: Kritik in der DDR Angesichts der antifranquistischen Ressentiments in der DDR scheint es selbstverständlich, dass sich gegen die Herstellung diplomatischer Beziehungen mit FrancoSpanien Protest regte – immerhin hatte die außenpolitische Entscheidung der SED „der Propaganda von fünfundzwanzig Jahren in der umgekehrten Richtung einen harten Stoß“ versetzt.488 Auch die zeitgenössischen Beobachter in der Bundesrepublik gingen aufgrund des offensichtlichen ideologischen Widerspruchs von Protesten aus: Die „FAZ“ antizipierte Unmut unter den Exilspaniern in der DDR und den ehemaligen Spanienkämpfern in der SED, da diese „ihre Knochen im Kampf gegen Franco hingehalten“ hatten.489 Hans-Jürgen Fink nahm „Vorbehalte[…]“ in den „Spitzen von Partei und Regierung“ und bei Intellektuellen an, wo die Aufnahme der Beziehungen „nicht auf ungeteilten Beifall gestoßen sein“ dürfte; außerdem vermutete er, dass sich die spanischen Exilkommunisten „hintergangen“ fühlten.490 „The New York Times“ sprach von einem „Schock“ für viele Ostdeutsche, der zu Unglauben, offener Ablehnung auf Arbeiterversammlungen und Protestschreiben an die Parteizeitungen geführt habe.491 Keiner der Autoren konnte jedoch Belege oder konkrete Beispiele anführen, da es offen artikulierten Protest gegen die Entscheidung des Politbüros nicht gab. Politische Kontrolle und eine fehlende Öffentlichkeit unterbanden oder unterschlugen Kritik an der Außenpolitik der SED und parteiinterne Auseinandersetzungen über die Beziehungsaufnahme gelangten nicht nach außen. Entsprechend sind sowohl die Gegenstimmen aus den eigenen Reihen, d. h. aus Partei und MfAA, als auch etwaige Kritik von Exilspaniern, Solidaritätskomitee und Sektion der ehemaligen Spanienkämpfer im KdAW schwer zu rekonstruieren; im Gegensatz zur Empörung des PCE ist von ihnen kaum explizit geäußerte Kritik überliefert. Dies trifft auf die Partei-, Ministerrats- und MfAA-Akten sowie auf den Nachlass Georg Stibis zu. Auch in den Reinschriftprotokollen der Politbürositzungen finden sich keine Hinweise auf in-
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Ebenda. Peter Jochen Winters, Die klassenlose Außenpolitik, in: FAZ vom 01. 02. 1973, S. 1. Ebenda. Fink, Länder, S. 531–532. O. V., East Germany’s recognition of Spain jolts many citizens, in: New York Times vom 28. 01. 1973, S. 4.
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terne Diskussionen über die Beziehungsaufnahme, insbesondere nicht für die relevante Sitzung vom 20. März 1973, bei der die Beantwortung des Protestbriefs des ZK des PCE beschlossen wurde. Das Arbeitsprotokoll, das möglicherweise Hinweise auf eine Auseinandersetzung enthalten könnte, unterliegt einer personenbezogenen Sperrfrist und ist in der SAPMO nicht einsehbar.492 Dennoch bestätigte auch Otto Pfeiffer im Gespräch, dass es mit den ehemaligen Spanienkämpfern in- und außerhalb der Partei Auseinandersetzungen um die Beziehungen zu Spanien gegeben habe. Diese seien nicht öffentlich ausgetragen worden und bei seiner Abreise nach Madrid im Mai 1973 bereits „abgeklungen“ gewesen.493 Im Herbst 1975 seien sie angesichts der weltweiten Proteste gegen die Todesurteile des Franco-Regimes erneut zutage getreten, sodass der Abbruch der diplomatischen Beziehungen letztlich auch aus einem „schlechten Gewissen“ gegenüber den ehemaligen Spanienkämpfern in der Partei erfolgt sei.494 Die Rede Axens auf der FDGB-Versammlung in Kleinmachnow, der Vortrag Korths an der Hochschule der NVA, Honeckers sechzehn Punkte umfassende Argumentationsschrift und der „ND“-Leitkommentar Schwabes sind Teil der Rechtfertigungsund Kommunikationsstrategie, mit der die SED auf diese Kritik reagierte. Axen adressierte sie sogar direkt: „Die umfassende diplomatische Anerkennung der DDR hat bei manchen Bürgern Fragen und teilweise Unklarheiten hervorgerufen, die wir klären wollen. Diskussionen hat es über die Herstellung diplomatischer Beziehungen mit Spanien gegeben. Es wurde die Frage aufgeworfen, ob dies richtig sei.“ 495
Solche „Diskussionen“ führten bei den außenpolitisch Verantwortlichen der SED zu der Einsicht, dass sie es im Fall Spaniens nicht bei rhetorischer Zurückhaltung wie im „ND“-Länderportrait oder bei einem bloßen Verweis auf die Notwendigkeit der „friedlichen Koexistenz“ bewenden lassen konnten. Ausdruck dieser Erkenntnis war die Sendung „Auskunft International“, die eine Woche nach der Pressemitteilung über die Beziehungsaufnahme im Sender „Stimme der DDR“ ausgestrahlt wurde. Darin antwortete der Kommentator Günter Leuschner auf Hörerfragen, die bezüglich der Beziehungen zu Spanien eingegangen waren. Seine Ausführungen waren allerdings keine Auseinandersetzung mit dem Widerspruch, den einige Hörerinnen und Hörer zwischen dem Botschafteraustausch mit Franco-Spanien und der bekannten antispanischen Propaganda der SED ausgemacht hatten, sondern vielmehr ein Referat zum Thema „friedliche Koexistenz“.496 Dabei griff Leuschner die Emotionalität des Themas „Spanien“ auf und zog sie beinahe ins Lächerliche:
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Vgl. Politbüro des ZK der SED, Sitzung Nr. 11/73 vom 20. März 1973, Bd. 3 Arbeitsprotokoll, in: SAPMO-BArch, DY 30/43418. Interview mit Otto Pfeiffer, 27. 11. 2017. Ebenda. Büro Axen im ZK der SED, Beiträge und Reden, Zu aktuellen Fragen der Außenpolitik der DDR, 19. 02. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/69800, Bl. 1–82, hier: Bl. 33. Vgl. Auskunft International, ausgestrahlt am 20. 01. 1973 um 13.10 Uhr in „Stimme der DDR“, abgelegt in PA AA, MADR 12517, unpag. Auszugsweise abgedruckt in Helwig, Beziehungen, S. 120.
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Er gestand zu, dass man auch gegenüber Staaten Gefühle wie „Sympathie“ oder „Antipathie“ empfinden könne, stellte die „Forderung nach einer bestimmten Auswahl unter den Ländern, die uns passen und jenen, die uns vielleicht nicht passen“ jedoch als unsachlich bloß, indem er sie ganz offensichtlich überspitzte. So sei sich die Parteiführung sehr wohl bewusst, dass kein „imperialistischer Staat nach der Herstellung normaler Beziehungen zur DDR etwa plötzlich seine Liebe zum Sozialismus entdeck[e]“ und diplomatische Beziehungen allgemein nicht von einer „besonderen Herzlichkeit“ geprägt seien.497 Der argumentative Aufwand, mit dem die SED das Prinzip der „friedlichen Koexistenz“ erläuterte, lohnte insofern, als es mit der Trennung von staatlicher und „gesellschaftlicher“ Ebene eine „Gleichzeitigkeit von politisch-diplomatischer Entspannung und forciertem ideologischen Kampf “ erlaubte.498 Im Fall Spaniens bedeutete dies, dass trotz diplomatischer Beziehungen offiziell die Solidarität mit dem spanischen Volk beibehalten und somit der Vorwurf eines Verrats am proletarischen Internationalismus entkräftet werden konnte. Honecker führte in seiner Argumentationsschrift aus, dass die Außenpolitik der SED keineswegs „den Erfordernissen des antifaschistischen und antiimperialistischen Kampfes oder gar dem proletarischen Internationalismus“ zuwiderlaufe, sondern im Gegenteil „dem spanischen Proletariat und seiner Vorhut in seinem schweren Kampf “ Hilfe leiste.499 Georg Stibi vereinte die Trennung von staatlicher und „gesellschaftlicher“ Ebene gar in seiner Person: Einerseits war er als Botschafter in der ČSSR 1961 gegen die Anerkennung der republikanischen Exilregierung Spaniens eingetreten, hatte als stellvertretender Außenminister 1972 diplomatische Beziehungen der DDR zu ausnahmslos allen Staaten verteidigt und 1973 den skeptischen kubanischen Botschafter in der DDR über die Beziehungen zu Spanien in Kenntnis gesetzt.500 Andererseits stand er als ehemaliger Spanienkämpfer in reger Korrespondenz mit deren Sektion im KdAW und nahm an Solidaritätsaktionen zur Unterstützung politischer Gefangener und deren Familien in Spanien teil. Im Dezember 1972, während in Warschau ostdeutsche und spanische Diplomaten über die Herstellung staatlicher Beziehungen verhandelten, beteiligte er sich mit seiner Frau Henny Stibi an einer Paketaktion nach Spanien, überwies 250 Mark an das Solidaritätskomitee für das spanische Volk und regte eine bessere Organisation der Hilfsaktionen an.501 Für eine prominente innerparteiliche Kritik Stibis an den Beziehungen zu Spanien, die er laut Otto Pfeiffer als „Schande“ bezeichnet haben soll, finden sich jedoch keine schriftlichen Belege.502 497 498 499 500
501 502
Ebenda. Bruns, Koexistenz, S. 19. ZK der SED, Brief an das ZK des PCE, 21. 03. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 80– 84, hier: Bl. 82. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Kurzer Vermerk über ein Gespräch mit dem neuen Botschafter der Republik Kuba in der DDR, Genossen Mauro García Triana, am 10. 1. 1973, 11. 01. 1973, in: PA AA, M 1, C 617/77, Bl. 26. Vgl. Nachlass Georg Stibi, Bd. 7 Korrespondenzen, Brief Stibis an Gen. Fritz Lange, 15. 12. 1972, in: BArch, NY 4246/61, Bl. 63. Interview mit Otto Pfeiffer, 27. 11. 2017.
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In der Tat schien die Herstellung diplomatischer Beziehungen mit Spanien der Solidaritätspraxis zunächst keinen Abbruch zu tun. Das Informations-Bulletin des Solidaritätskomitees erwähnte sie in seiner Märzausgabe 1973 mit keinem Wort und auch der Arbeitsplan, den die Spanienkämpfersektion Ende 1973 für das nächste Jahr beschloss, sah die Fortsetzung materieller Hilfsaktionen und den weiteren Versand von Protestschreiben an spanische Behörden vor.503 Dies entsprach zwar durchaus dem konfrontativen Element der „friedlichen Koexistenz“, dennoch hielt es die Parteiführung für opportun, einen Monat nach dem Notenaustausch in Warschau einen Vertreter des ZK zu einer Tagung der Spanienkämpfersektion und des Solidaritätskomitees zu entsenden. Rudolf Guttmann, in der Abteilung Internationale Verbindungen für Spanien zuständig, wiederholte gegenüber den Tagungsteilnehmern die bereits bekannte Linie, dass sich durch die Herstellung diplomatischer Beziehungen zu Spanien die „klassenmäßige Einstellung“ der Partei nicht ändere und wies die Kritik des PCE am außenpolitischen Kurs der SED zurück. Dabei kehrte er den Vorwurf einer ideologischen Doppelmoral um: Es sei nicht etwa die SED, die widersprüchlich agiere, sondern im Gegenteil die Führung des PCE, die mit ihrer Präsidentin Dolores Ibárruri einerseits hinter dem Führungsanspruch Moskaus stehe, mit Generalsekretär Santiago Carrillo andererseits für einen eurokommunistischen Kurs eintrete.504 In der anschließenden Diskussion stellte sich Guttmann den Fragen von acht Sektions- und Komiteemitgliedern, die laut Protokoll jedoch „keine von den vom Genossen Guttmann gemachten Ausführungen abweichende Auffassungen bezgl. der Frage der diplomatischen Beziehungen zwischen Spanien und der DDR“ vertraten und die „Doppelzüngigkeit der Führung der KPSp [als] erwiesen“ ansahen.505 Auf ihrer ersten Tagung nach der Beziehungsaufnahme schlossen sich die Vertreter der Spanienkämpfersektion und des Solidaritätskomitees also dem offiziellen Legitimationsdiskurs der SED an. Dies dürfte ihnen durch die Differenzen mit den spanischen Eurokommunisten erleichtert worden sein, zumal ZK-Vertreter Guttmann diese opportun zu betonten wusste. Allerdings galt für das Solidaritätskomitee und die Spanienkämpfersektion, was Egbert Jahn in einer Untersuchung über den Einfluss der Ideologie auf die sowjetische Außenpolitik festgestellt hat: „Nicht immer lässt sich eine Doppelstrategie der kooperativen Beziehungen auf der Regierungsebene und der subversiven Beziehungen auf der Parteiebene verfolgen, so dass häufig die revolutionäre Politik in den transnationalen Beziehungen der kooperativen Politik in den intergouvernementalen Beziehungen untergeordnet, manchmal auch geopfert wird.“ 506
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Vgl. Solidaritätskomitee für das spanische Volk in der DDR, Informations-Bulletin Nr. 2/ 1973, in: SAPMO-BArch, DY 57/818, unpag.; KdAW, Sektion Spanienkämpfer, Arbeitspläne, Protokolle, Ferienlager für spanische Kinder (1966–77), Arbeitsplan für das Jahr 1974, 05. 11. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 57/818, unpag. Vgl. KdAW, Sektion Spanienkämpfer, Arbeitspläne, Protokolle, Ferienlager für spanische Kinder (1966–77), Kurzprotokoll der Tagung des erweiterten Aktivs der Sektion und des Solidaritätskomitees am 21. 2. 1973, 28. 02. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 57/818, unpag. Ebenda. Jahn, Einfluss, S. 367.
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So stellte sich das nachdrücklich beteuerte Festhalten an der bisherigen Solidaritätspraxis im Laufe des Jahres zunehmend als bloße rhetorische Formel heraus, während die tatsächlichen Maßnahmen zurückgefahren wurden. Bereits im Juni 1973 wurde auf Beschluss der Abteilung Internationale Verbindungen im ZK der SED das Informations-Bulletin des Solidaritätskomitee eingestellt und im November beschloss die Spanienkämpfersektion vorerst einen Stopp des Paketsversands nach Spanien und „größte Vorsicht“ bei den Solidaritätsmaßnahmen.507 Der Tätigkeitsbericht des Solidaritätskomitees für das Jahr 1974 belegt einen Rückgang von Hilfs- und Protestaktionen nach Spanien: Während es nach wie vor als „Aufgabe“ des Komitees erachtet wurde, „die Notwendigkeit der Solidarität mit dem gegen den Franco-Faschismus kämpfenden spanischen Volk wachzuhalten“, wurden die Aktionen „in den Rahmen der großen weltweiten antiimperialistischen Solidaritätsbewegung ein[ge]füg[t]“ und „ein „Schwerpunkt[…]“ auf die „Unterstützung der gegen den Imperialismus kämpfenden Völker Chiles, Vietnams und Griechenlands“ gelegt; eine Tagung des Komitees fand 1974 nicht statt.508 Ein erneuter Besuch Guttmanns bei einer Beratung des Solidaritätskomitees und der Bezirksaktivleiter der Spanienkämpfersektion im Oktober 1973 zeigt, dass sich in den Reihen der ehemaligen Spanienkämpfer und Solidaritätsaktivisten verhaltener Unmut gegen diese Drosselung ihrer Aktivitäten regte. Im Protokoll der Beratung heißt es, dass die Einstellung des Informations-Bulletins „sehr bedauert“ wurde und die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Spanien „vielfach Befremdung ausgelöst“ habe.509 Guttmann hob deshalb „noch einmal die Wichtigkeit und Richtigkeit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Spanien und der DDR hervor[…], deren Notwendigkeit zum damaligen Zeitpunkt besonders in Vorbereitung der Europäischen Sicherheitskonferenz dringlich war.“ 510 Dass er gegenüber den Leitern der Bezirksaktive auch die Eile der Beziehungsaufnahme zu erklären suchte, ist insofern bemerkenswert, als der übliche Kommunikations- und Legitimationsdiskurs der SED keinen solchen Versuch unternahm – Eile und Initiative wurden darin Spanien zugeschrieben. Dies deutet darauf hin, dass es für die Parteiführung von einiger Bedeutung war, die Solidaritäts-Aktivisten und tonangebenden Stimmen des „Mythos Spanien“ hinter sich zu
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Vgl. KdAW, Sektion Spanienkämpfer, Arbeitspläne, Protokolle, Ferienlager für spanische Kinder (1966–77), Kurzprotokoll der Beratung des Aktivs der Sektion am 27. 11. 1973, 28. 11. 1973; Zusammenfassung der Beratung des Aktivs der Sektion und des Solidaritätskomitees für das spanisches Volk am 8. 8. 1973, 09. 08. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 57/818, unpag. Solidaritätskomitee für das spanische Volk in der DDR, Tätigkeitsberichte, Kommissionen, Komiteezusammensetzung, Arbeitstagungen 1974–76, Tätigkeitsbericht für 1974, 10. 03. 1975, in: SAPMO-BArch, DY 57/794, unpag. Solidaritätskomitee für das spanische Volk in der DDR, Kommissionssitzungen, Materialien 1964–73, Kurzprotokoll der Informationsberatung des Soli-Komitees, in: SAPMO-BArch, DY 57/810, unpag. Ebenda.
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wissen.511 Dabei stand die Verringerung der Solidaritätsaktivität in Zusammenhang mit der einsetzenden diplomatischen Aktivität: Der stellvertretende Vorsitzende des Solidaritätskomitees Fritz Rettmann erklärte seinen Kameraden, dass mit der Einstellung des Informations-Bulletins „den in der DDR akkreditierten Botschaftern einiger Staaten jeder Vorwand genommen werden sollte, Material auf ihre Art und Weise mit für uns nicht gewünschten [sic!] Inhalt zu füllen.“ 512 Es war also aus diplomatischer Rücksichtnahme, dass das Bulletin in ebenjenem Monat eingestellt wurde, als die spanische Botschaft in Ost-Berlin eröffnete. Ebenfalls aus diplomatischem Entgegenkommen erfolgte einen Monat nach der Akkreditierung des spanischen Botschafters in der DDR der Beschluss zur vorläufigen Einstellung des Paketversands; vermutlich sollte diese Geste auch dem frisch akkreditierten DDR-Botschafter Peter Lorf in Madrid das Arbeiten erleichtern. Eine nicht zu vernachlässigende Rolle dürfte auch die Sorge spanischer Exilkommunisten gespielt haben, dass das Eintreffen des diplomatischen Corps und Botschaftspersonals aus dem franquistischen Madrid ihre Sicherheit in der DDR gefährden könnte. Ein Informant des MfS, der als PCE-Mitglied in Spanien in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden war und seit 1950 in der DDR lebte, gab im Gespräch mit einem Stasi-Mitarbeiter an, dass er „bestimmte Aktivitäten des spanischen Botschaftspersonals auch gegen die in der DDR wohnhaften spanischen Kommunisten“ fürchtete.513 Unter diesen war die Herstellung diplomatischer Beziehungen umstritten, wobei sich eine Spaltung entlang dreier Lager abzeichnete, die das Zerwürfnis der spanischen Mutterpartei hervorgebracht hatte.514 Die Anhänger Santiago Carrillos und Enrique Lísters, welche gemeinsam die Mehrzahl der in der DDR exilierten Spanier ausmachten, lehnten die Beziehungen ab. Die Anhänger Eduardo Garcías – darunter der Informant, der laut MfS-Einschätzung „positiv zur Politik der Regierung der DDR eingestellt“ war, –515 befürworteten die Beziehungen.516 Einige spanische Exilanten befürchteten daher „eine Ausnutzung der innerparteilichen Differenzen durch antikommunistische Kräfte“
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Uhl geht allgemein davon aus, dass „die politische Sicherheit des Interbrigadenkultes garantiert zu sein“ schien, „[d]a die verantwortlichen Spanienkämpfer selber SED-Funktionäre waren“: Uhl, Mythos, S. 261. Solidaritätskomitee für das spanische Volk in der DDR, Kommissionssitzungen, Materialien 1964–73, Rede des stellvertretenden Vorsitzenden Fritz Rettmann, Typoskript, 23. 10. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 57/810, unpag. BStU, MfS, HA II, Nr. 29443, Bl. 4. Eduardo García und Enrique Líster wurden 1969 bzw. 1970 für ihre Kritik am eurokommunistischen Kurs Carrillos aus dem ZK des PCE ausgeschlossen. Beide schlossen sich zunächst zusammen, überwarfen sich 1972 jedoch, woraufhin Líster 1973 den moskautreuen PCOE (Partido Comunista Obrero Español) gründete, der bis 1986 als eigenständige Partei existierte: vgl. East, Parties, S. 138; Juan González Ibañez, El partido comunista de Líster se integrará en abril en el PCE, in: El País vom 21. 03. 1986. BStU, MfS, HA VIII, RF, Nr. 14520, Bl. 6. Vgl. BStU, MfS, HA II, Nr. 29443, Bl. 40; Solidaritätskomitee für das spanische Volk in der DDR, Vertrauliche Aktennotiz über eine Besprechung mit PCE-Vertretern, Gruppe García, am 16. Mai 1974, 17. 05. 1974, in: SAPMO-BArch, DY 57/806, unpag.
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der spanischen Botschaft.517 Das MfS wiederum schloss nicht aus, dass aufgrund des Einflusses von Líster „auf Teile der Organisation der KPS in der DDR […] Aktionen linksextremistischen Charakters nicht ausgeschlossen“ seien, die „den Interessen der diplomatischen Beziehungen zwischen der DDR und Spanien zuwider laufen würden.“ 518 Diese Rücksichtnahme auf die Befürchtungen der Exilspanier einerseits und die Angst vor Provokationen gegen die neu eröffnete spanische Botschaft andererseits erklären die auffällig rege Beobachtungstätigkeit des MfS, das 1972/73 detaillierte Informationen über die spanischen Emigrantenkollektive in der DDR sammelte und sich dabei insbesondere für deren Positionierung innerhalb des PCE interessierte. Insgesamt schien die SED von der Spaltung des PCE zum Zeitpunkt der Beziehungsaufnahme zu profitieren: Von den Exilspaniern in der DDR war kein geschlossener Protest gegen den Botschafteraustausch zu erwarten und im Legitimationsdiskurs gegenüber den eigenen Reihen konnte die Uneinigkeit der spanischen Kommunisten zur Entkräftung der Kritik des PCE an der Beziehungsaufnahme genutzt werden. Der FDGB als weiterer wichtiger Akteur des Spanienkults und des Protests gegen das Franco-Regime spielte eine ambivalente Rolle im Diskurs um die Herstellung der diplomatischen Beziehungen. Wie Solidaritätskomitee und Spanienkämpfersektion unterstütze er in seinen Verlautbarungen die Politik der „friedlichen Koexistenz“ und die offizielle Argumentationslinie der SED und hielt zugleich an Solidaritäts- und Protestaktionen fest. Er schloss sich beispielsweise dem Vorschlag des Weltgewerkschaftsbundes für ein internationales Tribunal gegen die FrancoDiktatur an und sandte während der Weltfestspiele der Jugend im Sommer 1973 in Ost-Berlin gesammelte Unterschriftenlisten gegen den „Camacho-Prozess“ an das spanische Justizministerium.519 In einer Gesprächskonzeption, die die Abteilung Internationale Verbindungen im Bundesvorstand des FDGB in Vorbereitung eines Besuchs der spanischen Arbeiterkommissionen CC.OO. in der DDR im Dezember 1972 ausarbeitete, wird die doppelte Funktion deutlich, die der FDGB im Diskurs um die diplomatischen Beziehungen zu Spanien hatte: Einerseits sollte die Einladung von CC.OO.-Vertretern in die DDR einen solidarischen Schulterschluss im Protest gegen die Verhaftung ihres Anführers Marcelino Camacho symbolisieren und eine „Festigung der Zusammenarbeit“ im gemeinsamen Kampf „gegen Terror und Unterdrückung, für Demokratie und Fortschritt“ beschwören.520 Andererseits
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BStU, MfS, HA II, Nr. 29443, Bl. 100. Ebenda, Bl. 104. Vgl. FDGB, Bundesvorstand, Abteilung Internationale Verbindungen, Information über die Solidarität des FDGB mit dem spanischen Volk, 17. 07. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 34/ 11141, unpag.; KdAW, Sektion Spanienkämpfer, Arbeitspläne, Protokolle, Ferienlager für spanische Kinder (1966–77), Zusammenfassung der Beratung des Aktivs der Sektion und des Solidaritätskomitees für das spanisches Volk am 8. 8. 1973, 09. 08. 1973, in: SAPMOBArch, DY 57/818, unpag FDGB, Bundesvorstand, Abteilung Internationale Verbindungen, Bericht über den Aufenthalt einer Delegation der spanischen Arbeiterkommissionen vom 11. 12. bis 16. 12. 1972 in der DDR, undatiert, vermutlich Dezember 1972, in: SAPMO-BArch, DY 34/11141, unpag.
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legte die Gesprächskonzeption bereits im Vorfeld fest, dass die CC.OO.-Delegation in einem gemeinsam zu verabschiedenden Abschlusskommuniqué der vollen diplomatischen Anerkennung der DDR und ihrer Aufnahme in die UNO zustimmen sollte. Diese Zustimmung müsse „sich auch auf die Aufnahme diplomatischer Beziehungen auf der Grundlage des Völkerrechts zwischen der DDR und anderen Staaten, mit denen die DDR sonst nichts gemeinsam hat (z. B. Franco-Spanien)“ beziehen.521 Der FDGB-Bundesvorstand war offensichtlich über die parallel in Warschau stattfindenden Verhandlungen zur Beziehungsaufnahme informiert und antizipierte Kritik der spanischen Gewerkschaftsgenossen: „Die spanischen Arbeiterkommissionen betrachten es als ein Grundanliegen ihrer Politik, die Nichtanerkennung und damit verbundene Isolierung des faschistischen Spanien zu sichern.“ 522 Daher sind die Einladung nach Ost-Berlin, die Beschwörung des proletarischen Internationalismus, die gemeinsame Kranzniederlegung am Spanienkämpferdenkmal, die explizite Verurteilung der „menschenfeindliche[n] Politik des Faschismus“ 523 und das im Vorfeld konzipierte Abschlusskommuniqué als Versuch der SED zu verstehen, sich mithilfe des FDGB und seinen Beziehungen zu den CC.OO., die neben dem PCE die wichtigste Oppositionskraft in Spanien waren, bereits im Vorfeld gegen Kritik an der Herstellung diplomatischer Beziehungen abzusichern. Ob es bei der Formulierung des Kommuniqués zu Meinungsverschiedenheiten kam, ist im Bericht des Bundesvorstands nicht überliefert. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich die CC.OO.-Vertreter dagegen aussprachen, explizit auch den Beziehungen zwischen der DDR und Spanien zuzustimmen, da in der finalen Fassung des Kommuniqués nur eine allgemeine Unterstützung der „Anerkennung der DDR und ihre[r] Aufnahme in die UNO“ sowie des „begonnen Prozesses der Normalisierung der Beziehungen zwischen den europäischen Staaten auf der Grundlage des Völkerrechts“ festgehalten wurde.524 Die X. Weltfestspiele der Jugend, die im Juli und August 1973 unter großem propagandistischem Aufwand in Ost-Berlin stattfanden, waren ein Prüfstein für die Vereinbarkeit von antifaschistischer Solidaritätsrhetorik und den neu geschaffenen offiziellen Beziehungen zur Franco-Regierung. Neben dem FDGB war es dort in erster Linie die FDJ, die als Massenorganisation der SED die Vereinbarkeit unter Beweis stellen und nach den Auseinandersetzungen mit dem PCE ein Zeichen für die Einigkeit der kommunistischen Bewegung setzen sollte. So versicherte die „Jugend der DDR“ der Delegation der spanischen Jungkommunisten, die unter Leitung Santiago Carrillos angereist war, bei einer Kundgebung auf dem August-Bebel-Platz vor den Augen „der ganzen Welt […] ihre[…] unverbrüchli-
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Ebenda. Ebenda. Ebenda. FDGB, Bundesvorstand, Abteilung Internationale Verbindungen, Bericht über den Aufenthalt einer Delegation der spanischen Arbeiterkommissionen vom 11. 12. bis 16. 12. 1972 in der DDR, undatiert, vermutlich Dezember 1972, in: PA AA, M 1, C 630/77, Bl. 7–24, hier: Bl. 16, 24.
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che[…] Solidarität“ und verzeichnete in einem Abschlussbericht „eine bedeutende Verbesserung der Beziehungen zwischen den Jugendorganisationen beider Länder“.525 Dabei hielt es der Zentralrat der FDJ für geboten, auch auf die diplomatischen Beziehungen zwischen der DDR und Spanien einzugehen: Er schrieb die „Anerkennung der DDR durch die spanische Regierung“ dem „konsequenten Kampf der span. Kommunisten und aller demokr. Kräfte“ zu, was wiederum Beleg für den Einfluss der DDR „auf die demokrat. EW [Entwicklung] in Spanien“ sei.526 Unter dem Eindruck der internationalen Öffentlichkeit sowie europaweiter Proteste gegen die Inhaftierung Marcelino Camachos griff auch „Neues Deutschland“ seine antispanischen Topoi wieder auf und berichtete von „Mädchen und Jungen aus Spanien“, die an der Ost-Berliner Volksbühne „mit erhobener, zur Faust geballten Rechten die Solidarität der Weltjugend dankten“ und ihre „Kampfentschlossenheit“ durch „Nieder mit Franco und den Faschisten“-Sprechchöre bekundeten.527 Auch gegen das Zeigen der Flagge der Zweiten Spanischen Republik durch die spanische Delegation wurde vonseiten des Festivalkomitees nicht interveniert.528 Im Kontext der Weltfestspiele und der damit verbundenen internationalen Aufmerksamkeit stellte die SED die Chance, die DDR als solidarischen und weltoffenen Staat zu präsentieren, vor die diplomatische Rücksichtnahme gegenüber der Regierung und Botschaft Spaniens. Möglicherweise hatte sie dabei einkalkuliert, dass erstens die Akkreditierung des spanischen Botschafters noch nicht erfolgt war und zweitens ein betont jugendlicher Charakter der Proteste zu Nichtbeachtung bzw. Kulanz der spanischen Regierung führen würde. Dieses Kalkül ging nicht auf, denn die neu eröffnete spanische Botschaft reichte im August beim MfAA eine Protestnote gegen das Zeigen der republikanischen Flagge ein.529 Nur teilweise erfolgreicher war die Strategie, über die FDJ das ideologisch-konfrontative Element der „friedlichen Koexistenz“ zu betonen. Die Jugendorganisation des PCE berichtete in ihrer Zeitschrift „Horizonte“ beinahe überschwänglich lobend über die Weltjugendspiele, feierte die internationale Anerkennung der DDR als Erfolg und würdigte Ost-Berlin als „geeigneten Ort“, um „die Jugend der Welt im Namen der Ideale des Antiimperialismus, der Solidarität, des Friedens und der Freundschaft zu versammeln.“ 530 Die Teilnehmer des PSUC, der kommunistischen Partei Kataloniens, zeigten sich in ihrem Delegationsbericht dagegen zwiegespalten: Einerseits verurteilte der Delegationsleiter die Herstellung diplo-
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FDJ, Zentralrat, Abteilung Internationale Verbindungen, Die aktive Solidarität des Volkes der DDR mit dem spanischen Volk von 1971–1975, undatiert, in: SAPMO-BArch, DY 24/ 22628, unpag. Ebenda. Dietmar Jammer, Tausendfacher Ruf: Solidarität, in: ND vom 03. 08. 1973, S. 4. Vgl. PSUC, Informe sobre el Festival Mundial de la Juventud, September 1973, in: AHPCE, Sección Nacionalidades y Regiones, Cataluña (PSUC), Jacq. 2504, Bl. 12–16, hier: Bl. 12. Vgl. Botschaft Spaniens in Ost-Berlin, Verbalnote ans MfAA, 08. 08. 1973, in: PA AA, M 1, C 615/77, Bl. 16–17, hier: Bl. 16. Für das spanische Original vgl. ebenda, Bl. 14–15. Horizonte 6 (1973), abgelegt in: KdAW, Sektion Spanienkämpfer 1966–77, in: SAPMOBArch, DY 57/786, unpag.
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matischer Beziehungen scharf, andererseits machte er bei „Volk“ und Jugend der DDR ein „tiefes antifaschistisches Empfinden“ aus, das in seiner Ablehnung des Franco-Regimes „total“ sei.531 Ein „Haltungsproblem“ erkannte er dagegen bei der „Regierung“ der DDR, über die er spöttisch kommentierte, dass „Möglichkeiten der Kritik innerhalb der SED höchstens durch ihre Nichtexistenz glänzten“.532 Die im vorliegenden Kapitel gemachten Ausführungen zeigen, wie zutreffend dies war.
4.4 „Bruderzwist“: Protest des PCE Da der PCE seine Kritik erstens offen und zweitens umgehend formulierte, forderte er die SED auf andere Art und Weise heraus als die Kritiker innerhalb der DDR. Am 25. Januar 1973 ließ Manuel Azcárate im Namen des Zentralkomitees des PCE dem ZK der SED eine offizielle Erklärung „Über die Herstellung von diplomatischen Beziehungen zwischen der DDR und der Regierung von Franco“ zukommen, die am 1. Februar zusätzlich im „Mundo Obrero“ veröffentlicht wurde.533 Ebenfalls am 1. Februar richtete das ZK des PCE einen Brief an das ZK der SED, in welchem es insbesondere die Berichterstattung von „Neues Deutschland“ kritisierte.534 Im Mai folgte schließlich ein 13-seitiges „Memorandum über die Herstellung diplomatischer Beziehungen zwischen gewissen sozialistischen Ländern und der Franco-Regierung“, das noch vor der SED den kommunistischen Parteien der anderen sozialistischen Länder zugestellt wurde.535 Die Ost-Berliner Genossen waren in ihrem Kommunikations- und Legitimationsdiskurs daher in die Defensive gedrängt. Dennoch argumentierte die SED auch gegenüber dem PCE in erster Linie mit dem Prinzip der „friedlichen Koexistenz“ und betonte dessen ideologisch-konfrontatives Element auf nichtstaatlicher Ebene. In seinem Antwortbrief unterstellte Honecker den spanischen Genossen, in ihrer Interpretation des Leninschen Prinzips „[o]ffenbar […] einige Dinge verwechselt“ zu haben: Dass die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der DDR und Spanien nicht das Ende des gemeinsamen Kampfes der kommunistischen und Arbeiterparteien bedeute, dürfte „den spanischen Genossen gut bekannt sein“, ebenso wie „die Hilfe, die die SED
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PSUC, Informe sobre el Festival Mundial de la Juventud, September 1973, in: AHPCE, Sección Nacionalidades y Regiones, Cataluña (PSUC), Jacq. 2504, Bl. 12–16, hier: Bl. 15. Ebenda: „Supongo que las posibilidades de crítica en el seno del P.S.U. alemán brillarán por su ausencia.“ Vgl. ZK des PCE, Über die Herstellung von diplomatischen Beziehungen zwischen der DDR und der Regierung von Franco. Erklärung des Plenums des Exekutivkomitees der Kommunistischen Partei Spaniens, 25. 02. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 8–13; für das spanische Original vgl. ebenda, Bl. 19. ZK des PCE, Brief an das ZK der SED, 01. 02. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 31– 32; für das spanische Original vgl. ebenda, Bl. 33. ZK des PCE, Memorandum über die Herstellung diplomatischer Beziehungen zwischen gewissen sozialistischen Ländern und der Franco-Regierung, 05. 06. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 101–124; für das spanische Original vgl. ebenda, Bl. 150–162.
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dem spanischen Proletariat und seiner Vorhut“, also dem PCE, erweise.536 In der Tat liefen die traditionell etablierten Parteibeziehungen trotz der Auseinandersetzung um die diplomatischen Beziehungen unverändert weiter. Im Februar 1973 beispielsweise lud das ZK der SED acht Genossinnen und Genossen des PCE zum vierwöchigen Urlaubsaufenthalt an die Ostsee und in den Thüringer Wald ein.537 Selbst Santiago Carrillo schlug dem ZK der SED im November 1973 „eine bilaterale[…] Zusammenkunft unserer beiden Parteien“ vor, was Honecker begrüßte und was ein Jahr später zu einem hochrangigen Delegationstreffen in Ost-Berlin führte, bei dem ein betont versöhnliches Kommuniqué verabschiedet wurde.538 Die Genossen des PCE stellten das Prinzip der „friedlichen Koexistenz“ grundsätzlich „nicht zur Diskussion“,539 ließen es als Argument für die Herstellung diplomatischer Beziehungen zu Franco-Spanien jedoch nicht gelten. Vielmehr sahen sie das „Wesen des Problems“ darin, dass die SED „vollkommen irrig“ behaupte, ihre Kontakte nach Madrid seien lediglich „ein weiterer Fall diplomatischer Beziehungen ‚mit kapitalistischen Staaten‘.“ 540 Dabei unterschlage sie, dass es sich bei Spanien „aus offensichtlichen historischen Gründen und auch aktuellen politischen Beweggründen“ um einen „Sonderfall“ handele.541 Dies hätten sogar die westlichen Staaten erkannt, die „Franco die Türen des Gemeinsamen Marktes“ verschlössen und damit der Sache der spanischen Arbeiterschaft mehr dienten als die SED; diese scheine nicht zu verstehen, dass eine Isolierung des Franco-Regimes „die Notwendigkeit einer demokratischen Veränderung“ innerhalb Spaniens fördere und die antifranquistische Opposition stärke.542 Die Bereitschaft der SED zu diplomatischen Beziehungen sei geradezu „der Sache der Demokratie schädlich“, da sie Franco „von seiner hitlerischen Herkunft weiß wasche…[…]“, der Außenpolitik López Bravos einen vermeintlichen Erfolg beschere und den „Staus Quo“ in Spanien stabilisiere, anstatt die „morsche franquistische Diktatur“ weiter zu schwächen.543 Der Regionalverband des PCE in Aragón ging in seiner Kritik sogar so weit, die SED gleichsam eines Dolchstoßes zu bezichtigen: In einem 536 537 538
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ZK der SED, Brief an das ZK des PCE, 21. 03. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 80– 84, hier: Bl. 81–82. Vgl. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Brief an das ZK des PCE, Februar 1973, in: AHPCE, Sección Rel. Intern., Jacq. 570, Bl. 15. ZK des PCE, Brief an das ZK der SED, 10. 11. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/2486, Bl. 37– 38. Zum Delegationstreffen und gemeinsamen Kommuniqué vgl. Juan Gento, Santiago Carrillo 60 Jahre, in: Horizont 4 (1975), S. 11. ZK des PCE, Brief an das ZK der SED, 04. 05. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 92– 94, hier: Bl. 92. Ebenda, Bl. 93. Ebenda. ZK des PCE, Über die Herstellung von diplomatischen Beziehungen zwischen der DDR und der Regierung von Franco. Erklärung des Plenums des Exekutivkomitees der Kommunistischen Partei Spaniens, 25. 02. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 8–13, hier: Bl. 10. Ebenda, Bl. 11–12; ZK des PCE, Brief an das ZK der SED, 04. 05. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 92–94, hier: Bl. 94; ZK des PCE, Memorandum über die Herstellung diplomatischer Beziehungen zwischen gewissen sozialistischen Ländern und der Franco-Regierung, 05. 06. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 101–124, hier: Bl. 118.
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für den Kampf gegen Franco opportunen Moment, in dem sich dessen Regime altersschwach zeige und aus der EWG ausgeschlossen bleibe, lege die SED aus „kurzsichtigen Staatsinteressen“ dem spanischen Volk, das der Freiheit nahe sei, „Hindernisse“ und „Steine“ in den Weg.544 Die Entscheidung der SED sei, so das ZK des PCE, außerdem insofern „unverständlich“, als die bisherige Politik der DDR und auch das Beispiel der anderen sozialistischen Staaten bewiesen hätten, dass eine Koexistenz mit Spanien auch ohne diplomatische Beziehungen möglich sei.545 So habe die DDR mit der „unhaltbar[en]“ Behauptung, dass es sich dabei um eine „Notwendigkeit der Politik der friedlichen Koexistenz“ handele, ihr „riesiges Guthaben an Sympathien unter dem spanischen Volk“ verspielt.546 Auch das Argument, dass diplomatische Beziehungen mit Madrid im Sinne der „friedlichen Koexistenz“ der Entspannung dienten, sei ungültig; Sicherheit in Europa sei vielmehr ausschließlich durch die „Beseitigung der faschistischen Herde“, also auch des Franco-Regimes, zu erreichen.547 Letztlich entlarvte der PCE all jene Argumente, die sich auf das Prinzip der „friedlichen Koexistenz“ beriefen, als zu allgemeingültig und floskelhaft und für den „Sonderfall“ Spanien nicht überzeugend.548 Die spanischen Kommunisten betrieben zur Verurteilung der Beziehungsaufnahme einen ähnlich hohen argumentativen Aufwand wie die ostdeutschen zu ihrer Verteidigung. Dies wird vor dem Hintergrund verständlich, dass sie die Existenzgrundlage des PCE in doppelter Hinsicht gefährdete: Bei einer allzu starken Betonung des kooperativen Elements der „friedlichen Koexistenz“ auf staatlicher Ebene musste der PCE erstens die Einstellung von Solidaritätsleistungen durch die SED fürchten. Zweitens sah er in der Anerkennung des Franco-Regimes durch die ostdeutschen Genossen eine Gefahr für seine Legitimation als Vorkämpfer der spanischen Opposition, deren Aufgabe und Ziel eben gerade in der Bekämpfung dieses Regimes bestand. Hinzu kam, dass für die DDR seit ihrer internationalen Anerkennung „Imagepflege“ auf staatlicher Ebene – etwa durch staatsmännische Akte, Symbolpolitik und Besuchsdiplomatie – wichtiger wurde, während die Auslandsbeziehungen auf Parteiebene an Bedeutung verloren.549 Dies deutete der PCE
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PCE, Región Aragón, Las relaciones entre la RDA y el Gobierno de Franco. La discusión con el grupito de la fracción, 30. 01. 1973, in: AHPCE, Sección Nacionalidades y Regiones, Aragón, Jacq. 469, Bl. 8–9, hier, Bl. 9. ZK des PCE, Über die Herstellung von diplomatischen Beziehungen zwischen der DDR und der Regierung von Franco. Erklärung des Plenums des Exekutivkomitees der Kommunistischen Partei Spaniens, 25. 02. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 8–13, hier: Bl. 11– 12. Ebenda, Bl. 12. Ebenda; PCE, Región Aragón, Las relaciones entre la RDA y el Gobierno de Franco. La discusión con el grupito de la fracción, 30. 01. 1973, in: AHPCE, Sección Nacionalidades y Regiones, Aragón, Jacq. 469, Bl. 8–9, hier, Bl. 9. Vgl. ZK des PCE, Brief an das ZK der SED, 04. 05. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 92–94, hier: Bl. 94. Vgl. Wentker, Außenpolitik oder transnationale Beziehungen?, S. 42.
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als Beleg für einen Vorzug „konjunkturelle[r] Staatsinteressen“ gegenüber den Idealen des „proletarischen Internationalismus“.550 Auch die anderen Argumente, mit denen die SED den Botschafteraustausch mit Spanien zu rechtfertigen suchte, lehnte der PCE ab. Im Mai 1973 wies Carrillo in einem zweiten Schreiben an das ZK der SED „verblüfft“ das Kalkül Honeckers zurück, dass das Abspielen der Nationalhymne der DDR und die Präsenz eines sozialistischen Botschafters im franquistischen Spanien die „Überlegenheit“ des Sozialismus demonstrieren könnten. Er fürchtete vielmehr, dass „das Resultat […] entgegengesetzt sein“ und die Aufgabe der Isolationspolitik als ein Zeichen der Unterlegenheit gedeutet werden könnte.551 Carrillo sah sich durch das Argument außerdem insofern provoziert, als Honecker es zu einem Seitenhieb gegen den eurokommunistischen Kurs des PCE nutzte. Dieser mache es nötig, so Honecker, der spanischen Arbeiterklasse und „den progressiven Kräften zu erläutern, was Sozialismus ist, da die Führung der KP Spaniens eine opportunistische und nicht freundschaftliche Haltung zu den Errungenschaften und den Erfahrungen des Aufbaus des Sozialismus in der Sowjetunion und anderen sozialistischen Ländern besitzt.“ 552
Honecker stellte damit nicht nur die Eignung des PCE als Oppositionsführer in Frage, sondern zweifelte auch an der „Freundschaft“ der spanischen Genossen. Dies griff das ZK des PCE auf, als es der SED vorwarf, mit ihrer Außenpolitik gegenüber Franco-Spanien jenen in die Hände zu spielen, „die die größten Feinde und Verleumder der DDR waren“, und dagegen ihre Freunde, „die – wie wir – die DDR unermüdlich unterstützt haben und heute noch unterstützen“, zu brüskieren.553 Des Weiteren störten sich beide Seiten am Kommunikationsverhalten des jeweils anderen: Der PCE empfand „Verärgerung“ darüber, dass er vom Notenaustausch in Warschau aus der spanischen Presse erfahren habe und damit „vor vollendete Tatsachen“ gestellt worden sei.554 Das ZK der SED brachte wiederum seine „Verwunderung“ darüber zum Ausdruck, dass die spanischen Genossen ihre Kritik im „Mundo Obrero“ veröffentlicht hatten, „noch bevor sie dem Empfänger überhaupt zur Kenntnis gelangte.“ 555 Diesen Vorwurf wies Carrillo mit dem Ver550
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ZK des PCE, Über die Herstellung von diplomatischen Beziehungen zwischen der DDR und der Regierung von Franco. Erklärung des Plenums des Exekutivkomitees der Kommunistischen Partei Spaniens, 25. 02. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 8–13, hier: Bl. 12. ZK des PCE, Brief an das ZK der SED, 04. 05. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 92– 94, hier: Bl. 92. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Argumentation zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der DDR und Spanien, 25. 01. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 20–26, hier: Bl. 24. ZK des PCE, Über die Herstellung von diplomatischen Beziehungen zwischen der DDR und der Regierung von Franco. Erklärung des Plenums des Exekutivkomitees der Kommunistischen Partei Spaniens, 25. 02. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 8–13, hier: Bl. 11. ZK des PCE, Brief an das ZK der SED, 01. 02. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 31– 32, hier: Bl. 31. ZK der SED, Brief an das ZK des PCE, 21. 03. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 80– 84, hier: Bl. 80.
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weis darauf zurück, dass die Kritik des PCE „nicht ausschließlich“ für das ZK der SED bestimmt, sondern als „öffentliche Erklärung“ an „die internationale antifaschistische Meinung“ gerichtet gewesen sei; nach der Schaffung von Tatsachen durch die SED sei es schließlich eine „Verpflichtung“ der spanischen Kommunisten gewesen, öffentlich Position zu beziehen.556 Nimmt man wie Rafael Biermann die „Einbeziehung oder Umgehung“ eines Partners bei Entscheidungsprozessen als Indikator für die Qualität von politischen Freundschaften an, so ist das sowohl von der SED als auch vom PCE empfundene Gefühl, übergangen worden zu sein, vielleicht noch nicht Ausdruck einer offen eingestandenen Feindschaft, doch zumindest Zeichen der Abwesenheit enger freundschaftlicher Beziehungen.557 Die Verstimmungen zwischen SED und PCE, deren Ton sich durch die Herstellung der diplomatischen Beziehungen noch verschärft hatte, waren Anlass für ausführliche Konsultationen zwischen Ost-Berlin und Moskau über den Umgang mit dem PCE.558 Bereits vor dem Notenaustausch in Warschau hatte die KPdSU eine ausführliche Stellungnahme an das Politbüro der SED übermittelt, die eine „gemeinsame Linie“ gegenüber den spanischen Kommunisten vorsah.559 Nach der Veröffentlichung der Protesterklärung des PCE im „Mundo Obrero“ bezog die KPdSU klar Stellung für die SED und riet dem Politbüro, der „Verleumdungskampagne prinzipiell entgegenzutreten“.560 Gleichzeitig sollten die schlechten Beziehungen „verbessert“ und „politische[r] und ideologische[r] Einfluss auf die Positionen der KP Spaniens“ ausgeübt werden.561 Der sowjetische Botschafter in Frankreich riet ZK und MfAA nach einem Gespräch mit Carrillo dazu, auch die künftige DDR-Botschaft zur „Klärung von Differenzen“ hinzuzuziehen, obgleich die Kontakte zu klandestinen kommunistischen Parteien üblicherweise nicht über die Botschaften, sondern über die Partei abgewickelt wurden.562 Da nach dem
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ZK des PCE, Brief an das ZK der SED, 04. 05. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 92– 94, hier: Bl. 94. Vgl. Biermann, Freundschaftliche Verbundenheit, S. 204. Hermann Axen riet in einem Schreiben an Erich Honecker, „uns in Ruhe mit den sowjetischen […] Genossen zu beraten.“ ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Schreiben des Gen. H. Axen vom 29. 6. 1973 an Gen. Honecker, betr. internationale Polemik der Führung der KP Spaniens gegen die SED, die KPdSU und die PVAP, 29. 06. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 166–167, hier: Bl. 167. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Vorlage für das Politbüro des ZK der SED betr. Beantwortung der Mitteilung des ZK der KPdSU über die Lage in der Kommunistischen Partei Spaniens, 09. 01. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/43408, Bl. 57. Zu den außenpolitischen Positionen des PCE und seiner Entfremdung von der KPdSU vgl. Ramos DiezAstrain, PCE, S. 449–451. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Vorlage für das Politbüro des ZK der SED betr. Brief des Zentralkomitees der SED an das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Spaniens, 20. 03. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/43418, Bl. 72–79, hier: Bl. 73. Politbüro des ZK der SED, Arbeitsprotokoll zur Sitzung vom 9. Januar 1973, 09. 01. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/45757, Bl. 45–49, hier: Bl. 48. Botschaft der DDR in Frankreich, Aktenvermerk über ein Gespräch zwischen dem Botschafter Abrassimow und Santiago Carrillo, 29. 03. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 13476, Bl. 90– 91, hier: Bl. 91.
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Tabubruch der Beziehungsaufnahme die Aussicht, tatsächlich auf Carrillo einwirken zu können, jedoch gering war, ist die Stellungnahme der KPdSU auch als eine weitere Rechtfertigung der diplomatischen Beziehungen sowie der Brüskierung des PCE zu verstehen; letztere wurde von der KPdSU nicht abgestritten, aber deutlich relativiert. In gleicher Weise, wie die spanischen Kommunisten in der Vergangenheit die Mahnungen Moskaus ignoriert hätten, ihre „fehlerhaften Positionen zu revidieren und eine Entwicklung der freundschaftlichen Beziehungen […] zu gewährleisten“, habe nun die SED nicht auf die ohnehin „falsche[…] Position[…]“ des PCE Rücksicht nehmen können.563 Die schlechten Parteibeziehungen wurden so als Argument dafür genutzt, die antizipierte Kritik der Spanier bereits im Vorfeld zu entkräften: Wer sich selbst rücksichtslos verhalte, könne keine Rücksichtnahme einfordern.564 Es ist gut möglich, dass die KPdSU damit Kritik an möglichen diplomatischen Beziehungen zwischen Spanien und weiteren sozialistischen Länder vorbeugen wollte.
4.5 Motive, Interessen und offizieller Diskurs des FrancoRegimes Der Spanienkorrespondent der „Neuen Züricher Zeitung“ rätselte vier Tage nach dem Notenaustausch zwischen der DDR und Spanien, weshalb man in Madrid „[a]uf die Frage, warum gerade mit Ostdeutschland als erstem Land des Ostblocks Beziehungen aufgenommen worden“ seien, einem „beharrlichen Schweigen“ begegne.565 Einen Grund für die Wahl der DDR als erste Botschafterdestination im Osten fand er darin, dass sich die SED in ihrem Streben nach internationaler Anerkennung vermutlich „als relativ leichter Partner für den Palacio de Santa Cruz“ erwiesen habe.566 In der Tat war man sich in Spanien dem Wunsch der DDR nach völkerrechtlicher Anerkennung wohl bewusst. Bereits Ende 1970 hatte Fernando Díaz-Plaja in der Tageszeitung „Ya“ einen „Minderwertigkeitskomplex“ der „erbittert[en]“ DDR diagnostiziert, deren Außenpolitik darin bestehe, „zu schreien, dass sie existiert“.567 Die franquistische Regierung konnte sich also initiativ um die Herstellung diplomatischer Beziehungen bemühen, weil mit einer Absage aus OstBerlin nicht zu rechnen war. Dennoch – und hierin sah der Schweizer Korrespondent den Grund für das „Schweigen“ – war Madrid darum bemüht, die Initiative
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Politbüro des ZK der SED, Arbeitsprotokoll zur Sitzung vom 9. Januar 1973, 09. 01. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/45757, Bl. 45–49, hier: Bl. 48. Vgl. ebenda. NZZ vom 15. 01. 1973, S. 1; abgelegt und auf Spanisch zusammengefasst in: Ministerio de Información y Turismo/Servicios Informativos de la Dirección General de Prensa, Relaciones hispano-alemanas (RDA). Decisión Gobierno español reanudar relaciones diplomáticas, in: AGA, Fondo Presidencia de Gobierno/Secretaría de Estado para la Información, (09)010.001, 51/08963, unpag. Ebenda. Fernando Díaz-Plaja, Besuch in Ostberlin, in: Ya vom 12. 12. 1970.
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„aus optischen Gründen“ der DDR zuzuschreiben.568 Dies entsprach der Strategie der SED-Führung, die die Initiative ebenfalls der anderen Seite zu attestieren suchte. Prinzipiell waren die argumentativen Anstrengungen zur Legitimation der Beziehungsaufnahme für die außenpolitisch Verantwortlichen in Madrid jedoch weniger mühsam als für ihre Kollegen in Ost-Berlin. Erstens war Außenminister López Bravo seit 1969 vergleichsweise offensiv mit seiner Politik der „apertura“ gen Osten umgegangen und hatte den Diskurs über Außenpolitik stärker entideologisiert, als dies der VIII. Parteitag der SED 1971 vermocht hatte. Während diese den taktisch motivierten Pragmatismus ihrer Außenpolitik mit dem Leninschen Prinzip der „friedlichen Koexistenz“ zu legitimieren suchte, berief sich der Technokrat López Bravo auf eine „moderne […] internationale Diplomatie“,569 die nach dem Vorbild der westeuropäischen Staaten „Pragmatismus aus Prinzip“ betreibe.570 Ende 1972, kurz nach der Unterzeichnung des Handelsvertrags mit der Sowjetunion und während der bereits laufenden Verhandlungen mit der DDRBotschaft in Warschau, verfasste López Bravo eine Art offizielle Rechtfertigung für diplomatische Beziehungen nach Osteuropa: Im Vorwort zu einem Handbuch über die rechtlichen Bedingungen des Außenhandels mit den sozialistischen Ländern nahm er dem künftigen Botschafteraustausch mit der DDR an politischer Bedeutung, indem er in seiner Definition von „modernen internationalen diplomatischen Beziehungen“ insbesondere Handels-, Industrie- und Finanzaspekte betonte. Ideologische Überzeugungen dürften dagegen Diplomatie und Außenpolitik nicht länger blockieren, weshalb selbst gesteckte ideologische Grenzen überwunden werden müssten.571 Da auf der ganzen Welt „Pragmatismus regiere“, könne sich Spanien als moderner Staat dem Osten nicht verschließen, welcher eine „Realität“ darstelle, „die sich nicht ignorieren“ ließe.572 Dieser Realismus verlange der spanischen Außenpolitik „Anpassungsfähigkeit“, „Verständnis“ und „Toleranz“ ab, um „Missverständnissen und Vorurteilen“ vorzubeugen.573 Ungewohnt pathetisch und singulär in seinem Diskurs um die Beziehungsaufnahme verwies er in diesem Zusammenhang auf das mittelalterliche Toledo, das als historisches Symbol für die Offenheit und Toleranz Spaniens stehe; analog seien heutzutage Offenheit und Realismus des spanischen „aperturismo“ Garanten des Friedens.574 568
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NZZ vom 15. 01. 1973, S. 1, in: Ministerio de Información y Turismo/Servicios Informativos de la Dirección General de Prensa, Relaciones hispano-alemanas (RDA). Decisión Gobierno español reanudar relaciones diplomáticas, in: AGA, Fondo Presidencia de Gobierno/Secretaría de Estado para la Información, (09)010.001, 51/08963, unpag. López Bravo in Pisar, Transacciones, S. 9–10. Jahn, Einfluss, S. 368; Espadas Burgos, Franquimso, S. 250. López Bravo in Pisar, Transacciones, S. 9–10. Ebenda, S. 10, 12: „Reina en el mundo entero un pragmatismo. […] Mantengo firmamente la tesis de que España […] debe estar abierta a todas las concurrientes mundiales de intercambio y cooperación, y, entre ellas, las que fluyen y refluyen de los países del Este de nuestro mismo Continente, que constituyen una realidad que no cabe ignorar.“ Ebenda, S. 11. Ebenda, S. 12.
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López Bravo musste es als einen Erfolg seiner Politik erachten, dass diese außenpolitische Pragmatik am Ende des Jahres, kurz vor dem Notenaustausch mit der DDR, Eingang in Francos traditionelle Ansprache zum Jahresende fand. Darin verzichtete der Staatschef erstmals auf antikommunistische Seitenhiebe gegen die sozialistischen Staaten und die Sowjetunion. Da die Welt nun einmal nicht so sei, „wie wir sie uns wünschten“, gelte es, die Außenpolitik Spaniens „auf Realitäten und nicht auf Schimären“ zu bauen.575 Ebenso wie die SED bestanden Franco und sein Außenminister jedoch darauf, dass ihr Realismus keine Absage an politische oder ideologische Überzeugungen bedeute.576 Im weniger ideologisch geprägten Spätfranquismus schien eine solche Rechtfertigung jedoch nicht in gleichem Maße dringlich wie in der DDR, weshalb sie im offiziellen Diskurs der Franco-Regierung deutlich weniger Raum einnahm bzw., wie noch zu zeigen sein wird, von anderer Stelle geleistet wurde. Ein weiterer Aspekt erleichterte es der Regierung Francos, die diplomatischen Beziehungen mit Ost-Berlin zu legitimieren. Sie konnte 1973 nach wie vor die in Spanien verbreitete Kenntnislosigkeit bezüglich Existenz und politischem Charakter der beiden deutschen Staaten einkalkulieren. Die ostdeutschen Diplomaten konstatierten nach der Eröffnung der Botschaft in Madrid mehrfach eine große Unkenntnis über die DDR, und auch der bundesdeutsche Botschafter in Madrid, Georg von Lilienfeld, stellte nach zwei Jahren staatlicher Beziehungen zwischen der DDR und Spanien undifferenzierte „Sympathien der Spanier gegenüber allem Deutschen“ fest.577 Der Kommentar des MAE-Protokollchefs Torrente Secorun gegenüber Otto Pfeiffer, dass Spanien „doch nicht die Beziehungen zu einem kommunistischen Staat aufgenommen [habe], sondern zu einem deutschen Staat“,578 kann vor diesem Hintergrund als impression management, einer Strategie der Selbstvergewisserung, verstanden werden. Diese wird von politischen Akteuren besonders dann betrieben, wenn sie aufgrund der Brisanz einer Entscheidung einen Rechtfertigungsdruck antizipieren.579 Entsprechend riet Torrente Secorun dem ostdeutschen Geschäftsträger, für ein konfliktfreies Auskommen in Spanien „nur als Deutscher aufzutreten“.580 Ein ausführliches Länderportrait über die DDR, das im Kontext der Beziehungsaufnahme in der monarchisch-konservativen „ABC“ erschien, folgte dieser Linie: Es betonte die „deutschen Tugenden“, mit
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Francisco Franco, Mensaje de fin de año, 30. 12. 1972: http://www.generalisimofranco.com/ Discursos/mensajes/00021.htm. Letzter Zugriff am 25. 10. 2022: „Hemos de vivir de realidades, no de quimeras. El mundo es como es y no como quisiéramos que fuera.“ Ebenda: „[…] sin ceder en nada de lo que nos es consustancial ni bajar la guardia con que protegemos lo nuestro.“ López Bravo in Pisar, Transacciones, S. 10: „No quiere esto decir que unos y otros hayamos renunciado a nuestros principios políticos e ideológicos, a nuestro concepto de la vida […].“ Auswärtiges Amt, Fragenkatalog betr. der politischen Öffentlichkeitsarbeit der DDR in Spanien, 14. 01. 1975, in: PA AA, MADR 12682, unpag. Pfeiffer, Erinnerungen. Vgl. Biermann, Freundschaftliche Verbundenheit, S. 202. Pfeiffer, Erinnerungen.
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denen die Ostdeutschen trotz schwierigster Startbedingungen „ausdauernd und organisiert“ einen hoch industrialisierten Staat geschaffen hätten und stellte fest, dass sie sich nicht von „den anderen“ Deutschen unterschieden.581 Die allgemeine spanische Reaktion auf den Notenaustausch sei positiv, „weil sich Deutschland und Spanien schließlich schon immer gut verstanden“ hätten und „die DDR eben auch Deutschland“ sei.582 Dementsprechend sieht Otto Pfeiffer in der Herstellung diplomatischer Beziehungen zur DDR ein „gewünschtes Pilotprojekt“ von López Bravos Ostpolitik, das aufgrund des positiven Attributs „deutsch“ am wenigsten Widerstände von den falangistischen Ultras habe erwarten lassen.583 In der Tat gelang es dem spanischen Außenminister, sich bei Franco gegen den Widerstand Luis Carrero Blancos, seinem engen Vertrauten und stellvertretenden Regierungschef, die Genehmigung für den Botschafteraustausch mit Ost-Berlin einzuholen.584 Dies, obwohl Carrero Blanco und die Ultras bereits bei der Errichtung der osteuropäischen Handels- und Konsularmissionen in Madrid die Sorge geäußert hatten, sie könnten zu „Zentralen der kommunistischen Subversion“ werden.585 Überzeugend dürfte dabei das Argument gewirkt haben, dass nunmehr sogar die Bundesrepublik ihre Beziehungen zur DDR normalisiert hatte und auch andere westlichen Staaten bereit waren, Botschafter nach Ost-Berlin zu entsenden. Gegenüber der Bundesrepublik musste die Beziehungsaufnahme nicht nachträglich legitimiert, sondern im Vorfeld behutsam vorbereitet und abgesprochen werden. Dabei ging es López Bravo in erster Linie darum, trotz seiner Ambitionen bezüglich der DDR „weiterhin zu den treuesten Freunden der Bundesrepublik zu zählen.“ 586 Entsprechend hatte er während der Konsultationen in Warschau fortwährend Rücksprache mit dem bundesdeutschen Botschafter in Madrid gehalten, sich über den Stand der deutsch-deutschen Gespräche informiert und wiederum Bericht über die spanische Haltung gegenüber der DDR erstattet. Auch war er der Bitte aus Bonn nachgekommen, mit der Normalisierung der Beziehungen bis nach dem Abschluss der deutsch-deutschen Gespräche zu warten.587 Dennoch geriet er bei einem Gespräch mit Botschafter Meyer-Lindenberg im November 1972 in
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Miguel Ángel Gozalo, Alemania Oriental, lanzada hacia Occidente, in: ABC vom 13. 01. 1973, S. 25–26, hier S. 26: „Cómo son los alemanes de la República Democrática? Pues, según todos los indicios, como estos otros.“ Ebenda, S. 26: „Porque al fin y al cabo, Alemania y España siempre se han entendido, y la D.D.R. es también Alemania.“ Pfeiffer, Korrespondenz. Vgl. Niehus, Außenpolitik, S. 568; Walter Haubrich, Spaniens Ostpolitik wird vorsichtiger, in: FAZ vom 11. 08. 1973, S. 2. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Lorf an den stellvertretenden Außenminister Nier, 22. 09. 1975, in: PA AA, M 1, C 3590, Bl. 13–18, hier: Bl. 15–16; Walter Haubrich, Spaniens Ostpolitik wird vorsichtiger, in: FAZ vom 11. 08. 1973, S. 2. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben des Botschafters Meyer-Lindenberg betr. Verhältnis Spanien/DDR, 24. 11. 1972, in: PA AA, MADR 12517, unpag. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Vermerk über ein Gespräch mit Herrn Morena, Leiter der Abteilung Osteuropa im spanischen Außenministerium am 5. 12. 72, 06. 12. 1972, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 36–39, hier: Bl. 38.
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Erklärungsnot, als dieser ihn fragte, weshalb er den Schritt von Handels- und Konsularbeziehungen zu überspringen und unmittelbar Botschafter mit der DDR auszutauschen gedenke.588 Er argumentierte, dass man sich dazu von den osteuropäischen Staaten gleichsam gezwungen sehe, die auf die volle Anerkennung der DDR in Form diplomatischer Beziehungen mit Ost-Berlin drängten. Sie „betrachteten die Anerkennung der DDR als Prüfstein für die Haltung Spaniens dem Ostblock gegenüber und somit als Schlüssel für die Bereinigung des spanischen Verhältnisses zum Osten überhaupt“; insbesondere Polen übe „in großer Insistenz Druck in dieser Richtung“ aus.589 Damit widersprach er der Argumentation seines Verhandlungsführers in Warschau, der dem DDR-Botschafter Roßmeisl einen Monat zuvor erklärt hatte, dass ein sofortiger Botschafteraustausch zwischen Spanien und der DDR die anderen sozialistischen Länder vor den Kopf stoßen könnte, die ja bereits Konsular- und Handelsmissionen in Madrid betrieben.590 Diese widersprüchliche Argumentation zeugt nicht etwa von einer fehlenden Stringenz in López Bravos Legitimationsdiskurs, sondern vielmehr von seiner Fähigkeit, die Entsendung eines Botschafters nach Ost-Berlin je nach Interessenlage ihrer möglichen Kritiker zu rechtfertigen. Dabei war die Argumentation gegenüber MeyerLindenberg zwar zugespitzt und klammerte andere Motive aus, entsprach aber dem übergeordneten Interesse Spaniens an einer „Back-up“-Politik im Osten, die als „Hebel“ bei der Integration im Westen dienen sollte. Tatsächlich hatten sich die Chancen des franquistischen Spaniens auf eine Integration in die Europäischen Gemeinschaften seit Beginn der 1970er Jahre verschlechtert. Mit den Regierungswechseln in Bonn und Paris 1969 sowie den EGBeitritten Großbritanniens, Irlands und Dänemarks 1973 waren die Stimmen für eine Aufnahme Spaniens in die EG weniger geworden.591 Dazu kam, dass die verstärkten Repressionen des Spätfranquismus, insbesondere der Burgos-Prozess und die Verhaftung des Gewerkschaftsführers Marcelino Camacho, „die Aussichten auf eine EG-Mitgliedschaft noch zu Lebzeiten Francos auf den Nullpunkt“ hatten sinken lassen.592 Das MAE schätzte nach Abschluss des verhältnismäßig mageren Präferenzabkommens mit der EWG realistisch ein, dass Spanien vermutlich frühestens Mitte der 1980er Jahre der EWG beitreten werde.593 Entsprechend suchten MAE und spanisches Handelsministerium nach „[h]andelspolitische[n] Alternati-
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Vgl. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben des Botschafters MeyerLindenberg betr. Verhältnis Spanien/DDR, 24. 11. 1972, in: PA AA, MADR 12517, unpag. Ebenda. Vgl. Botschaft der DDR in Warschau, Aktenvermerk über ein Gespräch mit dem spanischen Gesandten Navarro am 19. Oktober 1972, 19. 10. 1972, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 25–29, hier: Bl. 27 u. 29. Vgl. Bernecker, Geschichte, S. 208. Ebenda. So ein MAE-Vertreter gegenüber dem polnischen Außenministerium: vgl. Botschaft der DDR in Warschau, Vermerk über eine Unterredung zwischen Genossen Schmidt und dem Direktor des IV. Departements des MSZ, Genossen Staniszewski am 12. 2. 1972, 15. 02. 1972, in: PA AA, M 1, C 617/77, Bl. 30–33, hier: Bl. 31.
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ven neben der wirtschaftspolitischen Verankerung im EWG-Raum“.594 Die Hoffnungen, die das ostdeutsche und polnische Außenministerium aus der stockenden EG-Integration Spaniens für eine Intensivierung der eigenen Beziehungen zu Madrid ableiteten, waren daher durchaus begründet. Beide schätzten ein, dass insbesondere der Handel mit den sozialistischen Ländern von Spanien „in starkem Maße unter den Gesichtspunkten der Festigung der spanischen Position gegenüber der EWG gesehen“ werde, weshalb spanischerseits ein starkes Interesse an langfristigen Handelsverträgen bestehe.595 So war es in den Verhandlungen mit der DDR in der Tat die Inaussichtstellung eines baldigen Handelsabkommens gewesen, die beschleunigend und einend auf den Beschluss zur Herstellung diplomatischer Beziehungen gewirkt hatte. Das vom PCE unterstellte Kalkül, die Regierung Francos habe sich durch den Botschafteraustausch mit der DDR moralisch-ideologisch „weißwaschen“ und ihre internationale Reputation verbessern wollen,596 dürfte dagegen allenfalls eine sehr untergeordnete Rolle gespielt haben; López Bravo dürfte bewusst gewesen sein, dass das jahrzehntelang von den westlichen Demokratien geächtete SED-Regime kaum die Rolle eines moralischen Läuterers übernehmen konnte. Angesichts der Schwierigkeiten im EG-Integrationsprozess bestand das prioritäre Ziel des spanischen Außenministers vielmehr darin, seinen „außenpolitischen Spielraum zu erweitern“,597 wobei er in seiner Rechtfertigung der diplomatischen Beziehungen mehr noch als die SED-Führung wirtschaftliche Gründe stark machte. Seit seiner Übernahme des Außenministeriums im Zuge einer Kabinettsumbildung von 1969 legte López Bravo, der zuvor Industrieminister gewesen war, sowohl in den Strukturen des MAE als auch in der inhaltlichen Ausrichtung der Außenpolitik einen deutlichen Schwerpunkt auf wirtschafts- und handelspolitische Aspekte. Neben der bestehenden Generaldirektion für Außenpolitik schuf er erstmals Generaldirektionen für Internationale Technische Zusammenarbeit und Internationale Wirtschaftsbeziehungen und erstritt für sein Ministerium zahlreiche Kompetenzen anderer Ressorts.598 Anfang 1971 sprach er sich in einer Rede am Institut für Strategische Studien des spanischen Generalstabs bemerkenswert offen für eine wirtschaftspolitisch begründete Haltungsänderung gegenüber den sozialistischen Staaten aus.599 Knapp zwei Jahre später verwies er im Vorwort eines
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Müller, Beziehungen, S. 78. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Bericht über eine Konsultation im Außenministerium der VRP am 20. 03. 1973 im Zusammenhang mit der Einrichtung der Botschaft in Madrid, 22. 03. 1973, in: PA AA, M 1, C 617/77, Bl. 19–24, hier: Bl. 22. ZK des PCE, Über die Herstellung von diplomatischen Beziehungen zwischen der DDR und der Regierung von Franco. Erklärung des Plenums des Exekutivkomitees der Kommunistischen Partei Spaniens, 25. 02. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/13476, Bl. 8–13, hier: Bl. 11– 12. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Lorf an den stellvertretenden Außenminister Nier, 03. 06. 1975, in: PA AA, M 1, C 3590, Bl. 13–18, hier: Bl. 15. Vgl. Espadas Burgos, Franquismo, S. 247–248. Vgl. ebenda.
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juristischen Handbuchs zum „Osthandel“ darauf, dass mittlerweile auch die Kritiker seines „aperturismo“ eingesehen hätten, dass ein erweiterter Handelsaustausch mit dem Ostblock „für alle Seiten gut und vorteilhaft“ sei und den Lebensstandard in Spanien erheblich verbessere. Die osteuropäischen Staaten böten spanischen Unternehmen große und relativ stabile Märkte, Handelsabkommen gewährten rechtliche Sicherheit für die Abwicklung der Geschäfte.600 Die spanische Presse, die im späten Franquismus diverser war als die der DDR,601 griff in ihrer Berichterstattung zum Botschafteraustausch zwischen Madrid und Ost-Berlin diese Betonung der wirtschaftlichen Aspekte weitgehend auf: Zahlreiche Artikel verwiesen darauf, dass die DDR „wirtschaftlich eines der führenden Länder der Welt mit dem höchsten pro-Kopf-Einkommen [sic!] im Ostblock“ sei und hofften, „die DDR könne zu einem guten Markt für spanische Produkte werden.“ 602 Entsprechend kommentierten die meisten Zeitungen die Herstellung diplomatischer Beziehungen positiv, wie etwa die Madrider Tageszeitung „Nuevo Diario“, die auf zwölf Jahre Warenaustausch mit der DDR zurückblickte und mit Verweis auf die positive Handelsbilanz für Spanien mit einer Steigerung spanischer Exporte rechnete.603 Die katholische „Ya“ verglich die wirtschaftliche und industrielle Stärke der DDR gar mit dem ehemaligen Preußen, weshalb die Nachricht aus Warschau von „zweifelloser Wichtigkeit“ für die spanische Wirtschaft sei.604 Auch die monarchisch-konservative „ABC“ sah Spanien als klaren wirtschaftlichen Gewinner der Beziehungen mit Ost-Berlin.605 Sie ging an anderer Stelle jedoch über die handelspolitische Bedeutung hinaus und sprach von „einem der relevantesten Ereignisse in der diplomatischen Geschichte des Regimes“, das mit dem Abkommen zwischen Spanien und den USA von 1953 zu vergleichen sei, das das Ende der internationalen Isolation Spaniens nach dem Zweiten Weltkrieg eingeleitet habe.606 Dabei nahm sie Bezug auf die Argumentation López Bravos, dass die Herstellung diplomatischer Beziehungen zur DDR der Anfang einer völligen Normalisierung des Verhältnisses zwischen Spanien und dem Osten sei.607 Auch die einflussreiche Tageszeitung „La Vanguardia“ aus Barcelona, die in den letzten Jahren der Franco-Diktatur Sprachrohr liberaler, neokapitalistischer Kreise war, stellte den diplomatischen Erfolg der spanischen Verhandlungsführer in War-
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López Bravo in Pisar, Transacciones, S. 10–11. Zum spanischen Pressegesetz von 1966 vgl. Bernecker, Geschichte, S. 142–145. So die Presseeinschätzung des bundesdeutschen Botschafters Meyer-Lindenberg zur Herstellung diplomatischer Beziehungen zwischen der DDR und Spanien: Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Bericht des Botschafters Meyer-Lindenberg betr. Wirtschaftsbeziehungen Spanien-DDR, 18. 01. 1973, in: PA AA, MADR 36371, unpag. Vgl. Nuevo Diario vom 12. 01. 1973, abgelegt in: PA AA, MADR 36371, unpag. Helwig beobachtet ebenfalls eine „durchweg positiv[e]“ Bewertung der Beziehungsaufnahme in der spanischen Presse: Helwig, Beziehungen, S. 119–120. Bartolomé Mostaza, Correlación entre todos los sistemas, in: Ya vom 12. 01. 1973, S. 3. Vgl. o. V., Saldo favorable a España en sus intercambios con Alemania oriental, in: ABC vom 14. 01. 1973, S. 62. O. V., La diplomacia con el Este, in: ABC vom 14. 01. 1973, S. 16. Vgl. ebenda.
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schau in den Mittelpunkt: Die Vereinbarung zum Botschafteraustausch mit der DDR sei „mit perfekter diplomatischer Korrektheit“ und „lobenswerter Vernunft, Geschick und Verbindlichkeit“ erfolgt.608 Die spanische Regierung sah sich daher nicht im selben Maße wie die SED zu einer öffentlichen Rechtfertigung der Beziehungsaufnahme gezwungen. Dennoch zeigen die unterschiedlichen Argumente, mit denen die außenpolitischen Akteure um López Bravo den Botschafteraustausch mit Ost-Berlin entspechend den Gesprächspartnern bewarben bzw. rechtfertigten, dass dieser trotz der überwiegend positiven Reaktionen auch in Spanien auf negative Kritik stieß.
4.6 Antikommunismus auf dem Prüfstand: Kritik in Spanien Dass López Bravo und sein Ministerium in erster Linie ideologisch motivierte Kritik aus den Reihen der überzeugten Antikommunisten antizipierten und entsprechend zu entkräften suchten, zeigt nicht nur der scherzhaft geäußerte, doch durchaus ernst gemeinte Hinweis an Otto Pfeiffer, dass man ihn und die Botschaft der DDR nicht als kommunistische, sondern als deutsche Vertretung in Spanien willkommen heiße und zu behandeln gedenke. Damit einher ging eine Reduzierung der Negativpropaganda gegen die DDR, die bisher „in der Anti-KommunismusKampagne neben der UdSSR immer einen Ehrenplatz“ eingenommen hatte.609 Die italienische Tageszeitung „Il Mattino“ stellte fest, dass in der spanischen Presse im Zuge der Beziehungsaufnahme überwiegend die Formulierung „Warschauer Pakt Staaten“ gebraucht wurde und weniger als zuvor von „kommunistischen“ oder „sozialistischen Ländern“ die Rede war, welche in Spanien mit „subversiv“ gleichgesetzt würden.610 In seinem Vorwort zum Handbuch über den „Osthandel“, das kurz vor dem Notenaustausch in Warschau erschien, sah sich López Bravo veranlasst, mögliche Vorbehalte bzw. Ängste gegenüber den kommunistischen Ländern zu beschwichtigen: Zum einen werde die spanische Außenpolitik ihre „wachsame Deckung“ nicht aufgeben, zum anderen könne sich der Leser durch die Versicherung des fachkundigen Autors, einem Wirtschaftsjuristen, „beruhigt fühlen“, dass auch kommunistische Vertragspartner sich an das Prinzip der Vertragstreue hielten, ihre Geschäftspraktiken „seriös“ seien, ihre Betriebe „solvent“ und deren Umsätze „attraktiv“.611 Während letztere Beteuerung an spanische Exportfirmen und Außenhändler gerichtet war, die skeptisch gegenüber neuen, mög-
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O. V., Realismo, in: La Vanguardia vom 14. 01. 1973, S. 1. Niehus, Außenpolitik, S. 569. Il Mattino vom 13. 01. 1973. Abgelegt und auf Spanisch zusammengefasst in: Ministerio de Información y Turismo/Servicios Informativos de la Dirección General de Prensa, Relaciones hispano-alemanas (RDA). Decisión Gobierno español reanudar relaciones diplomáticas, in: AGA, Fondo Presidencia de Gobierno/Secretaría de Estado para la Información, (09)010.001, 51/08963, unpag. López Bravo in Pisar, Transacciones, S. 10–11.
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licherweise unberechenbaren Geschäftspartnern waren, zielte die erste gegen eine allgemeine, in Spanien nach wie vor existente Kommunismusangst. Bei López Bravo, den die Presse gerne als besonders enthusiastisch und couragiert beschrieb, können diese Beschwichtigungen als gezieltes impression management verstanden werden, mit dem er versuchte, die ideologisch geprägte Außenpolitik-Perzeption seiner politischen Klientel aufzuweichen.612 Bei Franco dagegen, der in seiner Ansprache zum Jahresende 1972 erstmals auf die Öffnung der spanischen Außenpolitik nach Osten einging, handelte es sich vielmehr um eine Rechtfertigung gegenüber seinem engen Kreis: Angesichts dessen, dass die Existenz der sozialistischen Länder eine anhaltende „Realität“ sei, Spanien jedoch weiterhin um seine Stärke wisse, habe es seine Türen nach Osteuropa geöffnet, „ohne im Geringsten von dem abzurücken, was uns eigen ist, noch die Deckung fallen zu lassen, mit der wir das Unsere beschützen.“ 613 Dem Staatschef ging es nicht um eine Relativierung der nach wie vor ausgemachten kommunistischen Bedrohung, sondern um die Selbstvergewisserung, dass Spaniens Außenpolitik klug damit umzugehen wisse. Dazu gehörte auch die Unterscheidung zwischen Kommunisten innerhalb und außerhalb Spaniens: Franco und sein erzkonservativer stellvertretender Regierungschef Carrero Blanco versicherten sich in einem Briefwechsel gegenseitig, dass „Spanien so weit vom Kommunismus entfernt [sei] wie vom liberalen Kapitalismus“; handschriftlich merkte Franco an, dass es zwischen inneren und äußeren kommunistischen Feinden zu differenzieren gelte.614 Da der Caudillo in besonderem Maße den spanischen Antikommunismus verkörperte, war sein Bekenntnis zu einer Vereinbarkeit von ideologischer „Wachsamkeit“ und López Bravos Ostpolitik ein wichtiges Signal an die Kritiker seines Außenministers. Diese sammelten sich um den ultrarechten Cortes615-Abgeordneten Blas Piñar und verstanden sich als Gegner der „aperturistas“ in der franquistischen Regierung. Sie lehnten eine Öffnung des Regimes, liberale Reformen und die zunehmende Entideologisierung und Technokratisierung des Franquismus ab und waren strikt antikommunistisch.616 Ihr Sprachrohr war die 1967 gegründete Zeitschrift „Fuerza Nueva“, aber auch in berüchtigten Auftritten in den Cortes machte sich Blas Piñar einen Namen als prominentester Kritiker der Ostpolitik. Gegen die Eröffnung der tschechoslowakischen Konsular- und Handelsmission argumentierte er 1970, „dass Spanien nach einem siegreichen Kreuzzug gegen den
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Vgl. Biermann, Freundschaftliche Verbundenheit, S. 202; Müller, Beziehungen, S. 115–116. Francisco Franco, Mensaje de fin de año, 30. 12. 1972: http://www.generalisimofranco.com/ Discursos/mensajes/00021.htm. Letzter Zugriff am 25. 10. 2022: „Ante una realidad permanente de tantos años, y un afianzamiento constante de nuestra fortaleza, hemos abierto las puertas de la intensificación comercial con los países del Este de Europa, sin ceder en nada de lo que nos es consustancial ni bajar la guardia con que protegemos lo nuestro.“ Zitiert nach Espadas Burgos, Franquismo, S. 250. Spanische Parlament, bestehend aus Abgeordnetenhaus (Congreso de los Diputados) und Senat (Senado). Vgl. Buchanan, der von „inhärenten konservativen Instinkten“ eingefleischter Altfalangisten gegenüber den jüngeren Kadern der „aperturistas“ spricht: Buchanan, How Different?, S. 95.
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Kommunismus im eigenen Land keine wirtschaftlichen Beziehungen zu kommunistischen Staaten aufnehmen könne“.617 Ebenso protestierte die Ultrarechte bei inszenierten „patriotischen“ Demonstrationen während des Burgos-Prozesses mit Plakaten und Sprechchören gegen López Bravos Ostpolitik.618 In dessen Ministerium im Palacio de Santa Cruz wurden die Ultras als nicht allzu bedrohlich wahrgenommen, weil man wusste, dass es sich um „eine Minorität innerhalb einer Minderheit“ handelte: eine politische Gruppe, die ihre oppositionelle Meinung öffentlich äußern konnte, ohne Verfolgungen fürchten zu müssen, deren militanten Antikommunismus jedoch selbst Franco als schädlich für den Ruf seines Regimes einzuschätzen wusste.619 Es ist allerdings davon auszugehen, dass einzelne Mitglieder des antikommunistischen CEDI – Militärs, Unternehmer, rechte Politiker – die Ultrarechte um Blas Piñar unterstützten und deren Kritik im Außenministerium geltend zu machen suchten. Denn wenngleich das CEDI seine Aktivitäten „weitgehend oder völlig geheim“ hielt und seit Mitte der 1960er Jahre deutlich an Bedeutung verloren hatte, ist anzunehmen, dass es nach wie vor „enge[…] personelle und organisatorische Verbindungen […] mit dem spanischen Außenministerium“ pflegte.620 Immerhin räumte der spanische Gesandte in Warschau, Beladiez Navarro, im Juni 1972 gegenüber Botschafter Roßmeisl ein, dass die spanische DDR-Politik die Kritik der Ultrarechten nicht gänzlich ignorieren könne: Die Regierung müsse auf sie derzeit noch „Rücksicht nehmen“, sei aber zuversichtlich, dass „die Zeit […] hier Veränderungen zum Bessern mit sich bringen“ werde.621 Ungeachtet dessen attackierte „Fuerza Nueva“ die Herstellung diplomatischer Beziehungen mit der DDR scharf: Die „Befriedigung“ darüber könne „für die Kommunisten in Pankow nicht größer und für Europa nicht demütigender“ sein. Bei den wiederholten „Höflichkeiten“ gegenüber dem Kommunismus handele es „sich nicht einfach um Fehler“, sondern schlicht um einen „Verrat des Westens“.622 Diese ablehnende Haltung der Ultrarechten wurde von „Pueblo“, der Tageszeitung der franquistischen Einheitsgewerkschaft, als abseitig und irrelevant
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Zitiert nach o. V., Konsularbeziehungen zwischen Madrid und Prag angestrebt, in: FAZ vom 23. 07. 1970. Vgl. Walter Haubrich, Vorsichtige Öffnung nach Osten, in: FAZ vom 27. 03. 1971. Ebenda. Großmann, Internationale, S. 33–34. Akten, die Aufschluss über die Verbindungen zwischen MAE und CEDI geben könnten, sind aufgrund der bereits Jahre andauernden Unzugänglichkeit des Archivs des spanischen Außenministeriums nicht einsehbar, so u. a. die von der spanischen Sektion des CEDI herausgegebene Zeitschrift „Boletín del CEDI“. MfAA, Abteilung Westeuropa, Rotstrichinformation „Zu den Beziehungen der DDR und anderer sozialistischer Staaten mit Spanien“, 04. 07. 1972, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 5–7, hier: Bl. 5. Zitiert nach Il Mattino vom 13. 01. 1973. Abgelegt und auf Spanisch zusammengefasst in: Ministerio de Información y Turismo/Servicios Informativos de la Dirección General de Prensa, Relaciones hispano-alemanas (RDA). Decisión Gobierno español reanudar relaciones diplomáticas, in: AGA, Fondo Presidencia de Gobierno/Secretaría de Estado para la Información, (09)010.001, 51/08963, unpag.
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entlarvt. Sie verwies darauf, dass Franco den Ultras bereits 1972 den Wind aus den Segeln genommen habe, als er den Streit über ein Handelsabkommen mit der Sowjetunion zugunsten López Bravos entschieden und in seiner „ausdrucksstarken“ Endjahresansprache eine klare Position gegen ihre Proteste bezogen habe.623 Der Chefredakteur Emilio Romero, dessen politischen Kommentare einen hohen Bekanntheitsgrad hatten, verteidigte die Entscheidung der Regierung, nach der Unterzeichnung des Grundlagenvertrags nicht länger mit der Herstellung diplomatischer Beziehungen zur DDR gewartet zu haben und drehte dabei den ideologischen Vorwurf der Ultrarechten um. Gerade aufgrund „der großen versöhnlichen und integrativen Funktion“ Francos und seines „unleugbaren historischen Einsatz im Krieg von 1936“ sei der Schritt besonders glaubwürdig; Franco habe bei voller ideologischer Integrität das „Wohl der Nation“ immer an erste Stelle gesetzt und tue dies nun mit der Bereitschaft, Spaniens Handel endgültig für den Osten zu öffnen. Würde eine Öffnung aus falsch verstandener ideologischer Rücksichtnahme erst nach seinem Tod erfolgen, könnte dies als nachträgliche Korrektur an seinem Regime wahrgenommen werden und so der Glaubwürdigkeit eines Nachfolgeregimes schaden.624 Auch das Zentralorgan der Falange, „Arriba“, übernahm die Verteidigung der Regierungsentscheidung auf ideologischem Gebiet, obwohl von den Altfalangisten durchaus eine Kritik am Botschafteraustausch mit Ost-Berlin zu erwarten gewesen wäre – sie hatten seit 1969 zugunsten der Technokraten um López Bravo erheblich an Macht eingebüßt. Dennoch wies „Arriba“ die Behauptung, dass die Aufnahme diplomatischer Beziehungen den spanischen Antikommunismus untergrabe, als „ungerechtfertigt“ und „abwegig“ zurück.625 Die „psychologischen Faktoren“, die bisher eine Öffnung Spaniens gegenüber dem Osten verhindert hätten, rührten aus „dramatischen Momenten“ der spanischen Geschichte und hätten unter den besonderen Umständen der Nachkriegszeit beibehalten werden müssen; allerdings hätten sie niemals in direktem Bezug zur DDR gestanden, die erst zehn Jahre nach dem Sieg Francos im Bürgerkrieg entstanden sei. Auf dem „klug gewählten Feld“ der Außenpolitik könne dessen Regierung ihre „Mündigkeit“ unter Beweis stellen und legitime Emotionen der Vergangenheit in realistische Politik übertragen.626 Diese Argumentation richtete sich gegen eine vom Regime lange Zeit geförderte emotionale Perzeption von Außenpolitik und glich der von ErnstOtto Schwabe in „Neues Deutschland“, die ebenfalls die Legitimität antispanischer Gefühle einräumte, sie aber gleichzeitig als unzeitgemäß für eine moderne Außenpolitik verwarf.627 Der Unterschied zur DDR bestand darin, dass die Regierung 623 624 625 626
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Emilio Romero, Las tres alas del régimen y las relaciones con el Este, in: Pueblo vom 16. 01. 1973. Ebenda. Manuel Blanco Tobío, Las relaciones Madrid-Pankow, in: Arrbia vom 16. 01. 1973. Ebenda: „Por todo ello creo que nuestra política exterior ha llegado a su mayoría de edad en un campo inteligentemente seleccionado para traducir a política lo que legítimamente, por muchos años, fueron emociones.“ Vgl. Ernst-Otto Schwabe, Ein Erfolg sozialistischer Außenpolitik, in: ND vom 24. 01. 1973, S. 2.
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Francos nicht alleine den argumentativen Beweis für ihre ideologische Glaubwürdigkeit erbringen musste, sondern hierfür überraschenderweise sogar auf Unterstützung rechter Falangekreise zählen konnte. Diese trugen als loyale Anhänger Francos die Entscheidung zu diplomatischen Beziehungen mit der DDR mit, begnügten sich jedoch nicht mit dem entideologisierten Legitimationsdiskurs López Bravos und lieferten die als notwendig empfundenen ideologischen Argumente nach. Dass diese Unterstützung nur wilderwillig erfolgte, zeigt die positive Reaktion der Rechten auf das Ausscheiden López Bravos aus dem Amt des Außenministers im Juni 1973.628 Carrero Blanco, seit Juni 1973 Nachfolger Francos als Regierungschef, entließ den ambitionierten Außenminister zum einen, weil ihm dessen „unkonventionelle“ Ostpolitik ohnehin zu schnell gegangen war; zum anderen übten einige Minister Druck auf ihn aus, die von López Bravo anvisierte Herstellung diplomatischer Beziehungen mit weiteren sozialistischen Ländern zu verhindern.629 Ersetzt wurde er durch den ehemaligen staatlichen Planungskommissar Laureano López Rodó, der gegenüber dem Ostblock vorsichtiger agierte und das Tempo der Öffnung deutlich drosselte.630 Er legte einen klaren Schwerpunkt auf die Wiederherstellung der angeschlagenen Beziehungen zum Vatikan und nahm Abstand von einer Umwandlung der sozialistischen Konsular- und Handelsmissionen in reguläre Botschaften, von der man in Spanien nach der Beziehungsaufnahme mit der DDR fest ausgegangen war.631 In einem Fernsehinterview betonte er vornehmlich wirtschaftliche Interessen Spaniens im Ostblock und bei Gesprächen in Helsinki mahnte er gegenüber den Außenministern der Sowjetunion, Polens und der DDR selbstbewusst eine Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der internationalen Partner an.632 Und obgleich der PCE kaum noch finanzielle Hilfe aus Moskau und den sozialistischen Ländern erhielt, wurde in der spanischen Öffentlichkeit wieder verstärkt über Verstrickungen zwischen den „inneren“ und „äußeren“ Kommunisten gemutmaßt.633 Dieses „Bremsen“ López Rodós gegenüber dem Ostblock sowie seine Ankündigung, dass er die mit der DDR bereits hergestellten diplomatischen Beziehungen nicht besonders offensiv, sondern lediglich „normal“ gestalten wolle, wurden von der liberalen „La Vanguardia“ als schüchtern und zögernd kritisiert, während sie bei den Ultrarechten
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Vgl. Walter Haubrich, Spaniens Ostpolitik wird vorsichtiger, in: FAZ vom 11. 08. 1973, S. 2. Vgl. Niehus, Außenpolitik, S. 572; López Rodó, Memorias, S. 388. Vgl. Walter Haubrich, Spaniens Ostpolitik wird vorsichtiger, in: FAZ vom 11. 08. 1973, S. 2. Vgl. Cañellas Más, López Rodo, S. 286–287; Helwig, Beziehungen, S. 120; zeitgenössisch: o. V., España y Alemania oriental acuerdan establecer relaciones diplomáticas, in: Ya vom 12. 01. 1973, S. 3. Vgl. Walter Haubrich, Spaniens Ostpolitik wird vorsichtiger, in: FAZ vom 11. 08. 1973, S. 2; o. V., Madrid bremst seine Ostpolitik, in: FAZ vom 10. 07. 1973, S. 5. O. V., Madrid bremst seine Ostpolitik, in: FAZ vom 10. 07. 1973, S. 5; Niehus, Außenpolitik, S. 573. Eine Ausnahme bildete die KP Rumäniens, die die moskaukritische Parteiführung um Santiago Carrillo offen unterstützte.
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um Blas Piñar auf Beifall stießen.634 In Vorbereitung auf den Akkreditierungsakt des ersten spanischen Botschafters in Ost-Berlin, Gámir Prieto, wies das MfAA den Staatsratsvorsitzenden Willi Stoph dementsprechend darauf hin, dass der neue Außenminister „als am unzugänglichsten für die Vertreter der sozialistischen Länder“ gelte und man in der Außenpolitik eine „Stagnation der Beziehungen“ erwarte.635 In der Tat erschwerte der Wechsel an der Spitze des spanischen Außenministeriums die Arbeit der neu eröffneten DDR-Botschaft in Madrid noch vor der Akkreditierung von Botschafter Peter Lorf. Die sachlichen, aber guten Beziehungen zum MAE kühlten unter dem „stockkonservativen“ López Rodó – so die Einschätzung Pfeiffers – ab, der abgesehen vom protokollarischen Zusammentreffen beim Akkreditierungsakt kein persönliches Gespräch mit Lorf führte.636 Dazu war erst sein Nachfolger und letzter Außenminister unter Franco, Pedro Cortina Mauri, bereit. Dessen Ostpolitik war aufgrund des weiteren Erstarkens ultrakonservativer Kräfte jedoch ebenfalls von einer Rücksichtnahme auf die Ultras geprägt, denen er sogar terroristische Aktionen zutraute, sollten die sozialistischen Handelsmissionen in Botschaften umgewandelt werden.637 Gegenüber Peter Lorf, der sich seit Ende 1973 wiederholt darum bemühte, eine von Spanien bei der Botschaftseinrichtung festgelegte Personalobergrenze aufzuweichen, zeigte er sich wenig kompromissbereit. Sein Generaldirektor für Europa, Nuño Aguirre de Cárcer, erklärte im September 1975, „dass nach Auffassung seines Ministeriums der gegenwärtige Umfang des Botschaftspersonals keiner Erhöhung“ bedürfe und eine Aufstockung „völlig unangemessen“ sei.638 Lorf erklärte dies damit, dass die spanische Regierung, darunter Cortina Mauri, „ebenso wie in innenpolitischen […] auch in außenpolitischen Fragen vor den Ultras zurück[weiche] und versuch[e], sie mit der Zusicherung zu beruhigen, dass sie ‚alles unter Kontrolle‘ halten werde.“ In diesem Zusammenhang gebe es „offenbar eine interne Festlegung, eine Erhöhung des diplomatischen Personals der sozialistischen Vertretungen nicht zuzulassen, um den Angriffen der Ultras auszuweichen.“ 639 Jede Kleinigkeit, die „nur entfernt“ mit der Größe der ostdeutschen Botschaft oder der Anzahl von DDR-Bürgern in Madrid zu tun habe, werde vom MAE nicht als protokollarische Routinefrage behandelt, sondern als politische Entscheidung.640 Kurz vor dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen, der zu diesem Zeitpunkt freilich noch nicht zur Debatte
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Wiedergegeben in: Walter Haubrich, Spaniens Ostpolitik wird vorsichtiger, in: FAZ vom 11. 08. 1973, S. 2. MfAA, Hinweise für das Gespräch des Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Willi Stoph, mit dem Botschafter Spaniens, Herrn Carlos Gámir Prieto, anlässlich seiner Akkreditierung, Oktober 1973, in: BArch, DA 5/12638, unpag. Interview mit Otto Pfeiffer, 27. 11. 2017. Vgl. Lee Shneidman, Eastern Europe, S. 174; Niehus, Außenpolitik, S. 573. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Lorf an den stellvertretenden Außenminister Nier, 22. 09. 1975, in: PA AA, M 1, C 3590, Bl. 13–18, hier: Bl. 14. Ebenda, Bl. 15–16. Ebenda, Bl. 16.
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stand, hielt Lorf es daher für unwahrscheinlich, die DDR-Botschaft in Madrid im Sinne Ost-Berlins vergrößern zu können. Die Sowjetunion und die osteuropäischen Länder fuhren aufgrund der neuen, zurückhaltenden Signale aus dem spanischen Außenministerium ihre Bemühungen um Botschafteraustausche mit Franco-Spanien zurück. Vermutlich wäre Moskau mit dem von López Bravo vorbereiteten Prozess einer schrittweisen Anerkennung der sozialistischen Staaten ohnehin nicht einverstanden gewesen, da die Sowjetunion höchstwahrscheinlich am Ende der Reihenfolge gestanden hätte. Auch ist es nicht unwahrscheinlich, dass die kommunistischen Parteiführer in Osteuropa schlicht auf den baldigen Tod Francos setzten.641 Der „atmosphärische[…] Tiefpunkt“ der von López Bravo ambitioniert vorangetriebenen und den Ultras zunehmend bekämpften spanischen Öffnung nach Osten war schließlich erreicht, als die DDR kurz vor Francos Tod aus Protest gegen die letzten fünf Todesurteile des Regimes die diplomatischen Beziehungen abbrach und Polen und Ungarn die Leiter ihrer Konsular- und Handelsvertretungen abzogen.642
4.7 Reaktion der Bundesrepublik Im April 1972 war der spanische Außenminister López Bravo in die bundesdeutsche Handelskammer in Spanien eingeladen. In einer beinahe euphorischen Rede beschwor er die „exzellenten politischen Beziehungen“ beider Länder, die „nichts anderes als Ausdruck einer traditionellen, dauerhaften Freundschaft“ seien; „nichts von großer Bedeutung“ trenne Spanien und die Bundesrepublik.643 Zwei Monate später traf er im Rahmen der regelmäßigen Regierungskonsultationen mit seinem bundesdeutschen Kollegen Walter Scheel zu Gesprächen zusammen. Diesmal war es Scheel, der die „freundschaftliche[…] Bande“ zwischen Spanien und der Bundesrepublik stark machte, Madrid für das „stets freundschaftliche Verständnis“ gegenüber der Bonner Deutschlandpolitik dankte und versprach, der spanischen Regierung bei ihren Bemühungen um eine EWG-Integration „ein guter Weggefährte“ zu sein.644 Insbesondere aufgrund dieser Zusicherung fürchtete das MfAA in Ost-Berlin, dass Bonn die spanischen EWG-Interessen „massiv als Druckmittel“ ausnutzen könnte, „um Spanien darauf festzulegen, nichts zu unternehmen, was einer ‚Statuserhöhung‘ der DDR gleichkommen würde.“ 645 Diese 641 642 643
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Vgl. Walter Haubrich, Spaniens Ostpolitik wird vorsichtiger, in: FAZ vom 11. 08. 1973, S. 2; Niehus, Außenpolitik, S. 574. Niehus, Außenpolitik, S. 574. Ministerio de Asuntos Exteriores, Palabras pronunciadas por el Ministro de Asuntos Exteriores don Gregorio López Bravo en la Cámara de Comercio Alemana en España el día 18 de abril de 1972, Madrid o. J. MfAA, Abteilung Westeuropa, Antwort des deutschen Außenministers auf die Begrüßung durch López Bravo, Übersetzung aus der italienischen Zeitung Relazioni Internazionali, 24. 06. 1972, abgelegt in: PA AA, M 1, C 3574, Bl. 23–25. MfAA, Abteilung Westeuropa, Auswertung des Besuchs Walter Scheels in Spanien (13./ 14. Juni 1972), undatiert, in: PA AA, M 1, C 3574, Bl. 21–22, hier: Bl. 22.
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Befürchtung erwies sich jedoch als unbegründet, denn zeitgleich zum SpanienBesuch Scheels stellte Emilio Beladiez Navarro in Warschau dem DDR-Botschafter Roßmeisl diplomatische Beziehungen als „Krönung“ eines ostdeutsch-spanischen Annäherungsprozesses in Aussicht und warb damit, dass solche helfen könnten, die Hallstein-Politik der Bundesrepublik zu überwinden.646 Ein solch offensives Herantreten Madrids an die DDR hätte einige Jahre zuvor zweifellos zum Konflikt mit den Bonner Partnern geführt. Da während der spanisch-ostdeutschen Annäherung jedoch auch die Grundlagen der beiden deutschen Staaten vertraglich neu geregelt worden waren und damit die Hallstein-Doktrin endgültig aufgegeben, hatte die Herstellung diplomatischer Beziehungen zwischen Madrid und Ost-Berlin im Januar 1973 zu wenig Bedeutung, als dass sie zu ernsten Irritationen in den westdeutsch-spanischen Beziehungen hätte führen können. Dennoch berichteten bundesdeutsche und spanische Zeitungen von einer überraschten Reaktion in Bonn;647 die „FAZ“ setzte am 12. Januar sogar noch ein Fragezeichen hinter die Meldung über den Notenaustausch in Warschau und wollte die Nachricht zunächst nicht bestätigen.648 Die Überraschung rührte nicht etwa daher, dass die Bundesregierung den Beteuerungen Walter Ulbrichts und Santiago Carrillos aus dem Jahr 1967 Glauben geschenkt hätte, Spanien bilde eine Ausnahme in der Anwendbarkeit des Prinzips der „friedlichen Koexistenz“ 649 oder Bonn nach wie vor jede Form staatlicher Beziehungen zwischen Spanien und der DDR für „unwahrscheinlich“ hielt, wie Botschafter Meyer-Lindenberg noch im Jahr 1971.650 Wie in den Ausführungen zu den Verhandlungen in Warschau gezeigt, stand das spanische Außenministerium in ständigem Kontakt mit dem bundesdeutschen Botschafter in Madrid, sodass das Auswärtige Amt keinesfalls im Unklaren über die Ambitionen López Bravos bezüglich der DDR war. Kurz vor Weihnachten 1972 beispielsweise sicherte der Generaldirektor für politische Angelegenheiten im MAE Meyer-Lindenberg zu, dass die Errichtung einer etwaigen Botschaft Spaniens in Ost-Berlin nicht zur Schließung des spanischen Konsulats in West-Berlin führen würde.651 Entsprechend rührte die Überraschung Bonns 646
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MfAA, Abteilung Westeuropa, Rotstrichinformation „Zu den Beziehungen der DDR und anderer sozialistischer Staaten mit Spanien“, 04. 07. 1972, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 5–7, hier: Bl. 5; MfAA, Abteilung Westeuropa, Vorlage für das Politbüro des ZK der SED über Beziehungen DDR-Spanien, 11. 05. 1972, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 8–14, hier: Bl. 11. Vgl. auch Kap. II.4.1. Vgl. César Santos, Sorpresa en la República Federal, in: Arriba vom 14. 01. 1973; Andrés Garrigo, Reconocimiento de la R.D.A., in: La Vanguardia vom 13. 01. 1973, S. 19; o. V., Madrid macht mit Ost-Berlin den Anfang, in: FAZ vom 13. 01. 1973, S. 5. Vgl. o. V., Diplomatische Beziehungen Madrid − Ost-Berlin vereinbart?, in: FAZ vom 12. 01. 1973. Vgl. Antonio Alférez, Parece estar próxima la tercera etapa de las relaciones españolas con el Este: A nivel de embajada, in: ABC vom 19. 11. 1970, S. 39–40, hier: S. 40. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben des Botschafters Meyer-Lindenberg betr. Beziehungen zwischen Spanien und der DDR, 16. 02. 1971, in: PA AA, MADR 12517, unpag. Vgl. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben des Botschafters MeyerLindenberg betr. Aufnahme diplomatischer Beziehungen Spaniens zur DDR, 22. 12. 1972, in: PA AA, MADR 12517, unpag.
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vielmehr daher, dass die Mehrzahl der außenpolitischen Beobachter in der Bundesrepublik und in Spanien von einem Botschafteraustausch zwischen Madrid und Warschau ausgegangen war.652 Außerdem erstaunte die Eile, mit der Außenminister López Bravo nach der Unterzeichnung des Grundlagenvertrags seine Ambitionen in die Tat umsetzte und bezüglich der DDR Tatsachen schuf. Noch im November 1972 hatte er Botschafter Meyer-Lindenberg zugesichert, dass er diplomatische Beziehungen zur DDR nicht eher herstellen werde als die drei Hauptverbündeten Bonns; mit dem Notenaustausch vom 11. Januar überholte er die USA, Frankreich und Großbritannien jedoch.653 Laut einem Vertreter des Auswärtigen Amts wurde dies in Bonn nicht gut aufgenommen: Man sei nach der Unterzeichnung des Grundlagenvertrags „auf Gutes wie auf Schlechtes vorbereitet“ gewesen, wobei der übereilte Notenaustausch zwischen Madrid und OstBerlin zu zweiterem zähle.654 Neben Überraschung stellten einige spanischen Korrespondenten in der Bundesrepublik auch unaufgeregte bis gleichgültige Reaktionen fest: „Nuevo Diario“ berichtete, dass die Nachricht über den Notenaustausch in Bonner Regierungskreisen kaum irgendeine Reaktion hervorgerufen habe,655 „Ya“ sprach von einem „kleinstmöglichen Echo“ 656 und „La Vanguardia“ nahm eine gewisse „Resignation“ angesichts der DDR-Anerkennungswelle wahr, weshalb die Bundesregierung keine Veranlassung sehe, die Entscheidung der spanischen Regierung zu kommentieren.657 In betont amüsiert-distanziertem Ton kommentierte ein Leitartikel in der „FAZ“ die neue „klassenlose Außenpolitik“ der DDR nach der internationalen Anerkennung: Peter Jochen Winters kritisierte darin nicht etwa die Entscheidung der spanischen Regierung oder warnte vor einer künftigen Konkurrenz durch die DDR in Spanien, sondern belächelte in ironisch-überlegenem Tenor die scheinbare Mühelosigkeit, mit der die SED ihre Außenpolitik von „ideologische[r] Schwarzweißmalerei“ auf „vornehme Zurückhaltung“ und „diplomatische Rücksichtnahme“ umzustellen wusste: 652
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Vgl. César Santos, Sorpresa en la República Federal, in: Arriba vom 14. 01. 1973; El Alcázar vom 13. Januar 1973, abgelegt in: Ministerio de Información y Turismo/Servicios Informativos de la Dirección General de Prensa, Política Exterior, Relaciones, España − AlemaniaOrtiental (1970–1973), in: AGA, Fondo Presidencia de Gobierno/Secretaría de Estado para la Información, (09)010.001, 51/09491, unpag. Vgl. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben des Botschafters MeyerLindenberg betr. Verhältnis Spanien/DDR, 24. 11. 1972, in: PA AA, MADR 12517, unpag. Großbritannien und Frankreich stellten am 8. bzw. 9. Februar 1973 diplomatische Beziehungen mit der DDR her, die USA am 4. September 1974. O. V., Las relaciones Madrid-Pankow no sorprenden en Bonn, in: Ya vom 13. 01. 1973, S. 8: „Como decía un funcionario del Ministerio de Asuntos Exteriores de Bonn, ‚una vez firmado el acuerdo general básico interalemán, había que estar a las verdes y a las maduras’. Y en este cesto de las ‚verdes’ entra la decisión de Madrid […].“ Vgl. o. V., Realidades, no quimeras, en las relaciones con el Este, in: Nuevo Diario vom 14. 01. 1973. O. V., Las relaciones Madrid-Pankow no sorprenden en Bonn, in: Ya vom 13. 01. 1973, S. 8. Valentín Popescu, El establecimiento de relaciones Madrid-Pankow, acogido con resignación en la República Federal, in: La Vanguardia vom 13. 01. 1973, S. 19.
4. Tabubruch: Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen 1973
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„Wie ein struppiger Hinterwäldler sich in der Regel schnell in Verhalten, Kleidung und Umgangsformen den Usancen einer zivilisierten Gesellschaft anzupassen pflegt, wenn er in diese aufgenommen wird und fortan zu ihr gehören will, so scheint auch die Anerkennungswelle bei der DDR einen gewissen Wandel auszulösen.“ 658
Die Gelassenheit rührte erstens daher, dass die Bundesrepublik mit dem Grundlagenvertrag selbst den Weg für die Anerkennung der DDR frei gemacht hatte; zweitens konnte sie sich als Fürsprecherin der spanischen EWG-Integration und wirtschaftlich fest etablierte Größe in Spanien der Loyalität Madrids sicher sein. Dennoch belegt eine verstärkte Korrespondenz zwischen Auswärtigem Amt und bundesdeutscher Botschaft in Madrid, dass die Bundesregierung nach Bekanntwerden der Beziehungsaufnahme die Entwicklung des neuen spanisch-ostdeutschen Verhältnisses mit großer Wachsamkeit verfolgte. Sie hatte zum einen zu befürchten, dass mit der Errichtung der DDR-Botschaft in Madrid möglicherweise auch bundesdeutsche Interessen berührt würden – etwa, falls sich die DDR um ein Konsularabkommen bemühen sollte.659 Zum anderen wusste die Bundesregierung um die wichtige geo- und militärstrategische Position Spaniens für die Stabilität im Süden Europas und im Mittelmeerraum und befürwortete eine zukünftige NATO-Mitgliedschaft Spaniens; entsprechend war sie an einer möglichst stabilen, krisenfreien politischen Ordnung in Spanien für die Zeit nach Francos Tod interessiert. Eine Gefahr dafür sah sie im PCE und den ihm nahestehenden Arbeiterkommissionen, die oppositionell stark und äußerst aktiv waren. Diese Kommunismusangst – gemeinsam mit der Sorge, dass es nach dem Ableben Francos zu einer Eskalation der Gewalt in Spanien kommen könnte – wurde ein Jahr nach dem Botschafteraustausch zwischen Madrid und Ost-Berlin zusätzlich angeheizt, als nach der Nelkenrevolution in Portugal die Kommunisten die Oberhand in Lissabon zu gewinnen schienen.660 Da eine kommunistische Ausrichtung Spaniens zum „Schreckensszenario“ der sozialliberalen Bundesregierung wurde,661 wollte sie verhindern, dass die SED über ihre künftige Botschaft in Madrid Einfluss auf Opposition oder Öffentlichkeit nehmen würde. Sie war sich jedoch auch im Klaren darüber, dass die erste Botschaft eines sozialistischen Landes im franquistischen Spanien unter erhöhter Beobachtung stehen und keine allzu offensive Oppositionsarbeit würde betreiben können. Auch würden die Kontakte zum PCE – wie in allen Ländern, in denen kommunistische Parteien illegal waren – weiterhin über die Parteizentrale in Ost-Berlin und nicht über die Botschaft der DDR laufen. Dies wirkte insofern beruhigend, als die Beziehungen zwischen SED und PCE stark beschädigt waren und sich Santiago Carrillo für seine Vision eines postfranquistischen Spaniens vermutlich kaum Rat beim ZK der ostdeutschen „Bruderpartei“ holen würde.662 658 659 660 661 662
Peter Jochen Winters, Die klassenlose Außenpolitik, in: FAZ vom 01. 02. 1973, S. 1. Zum vergeblichen Bemühen der DDR um ein Konsularabkommen mit Spanien vgl. Kap. II.6. Vgl. Aschmann, Mein Freund Felipe, S. 645. Zum Einfluss der Nelkenrevolution auf das Verhältnis der beiden deutschen Botschaften in Madrid vgl. Kap. II.5.1.4. Aschmann, Mein Freund Felipe, S. 645. Vgl. Fink, Länder, S. 533.
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II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
Nicht zuletzt vergewisserte sich Bonn, dass die diplomatischen Beziehungen zwischen Madrid und Ost-Berlin seinem Interesse an einer künftigen Einheit Deutschlands nicht zuwiderlaufen würden. Botschafter Meyer-Lindenberg bat López Bravo um ein Schreiben an die Bundesregierung, das bestätigte, dass die diplomatischen Beziehungen zwischen Spanien und der DDR dem Ziel der Einheit des deutschen Volkes nicht im Weg stünden.663 Damit forderte die Bundesrepublik von Spanien eine Verpflichtung zur Verantwortung für Deutschland als Ganzes; eine solche waren die USA, Großbritannien und Frankreich auf einer NATO-Außenministerkonferenz in Brüssel im Dezember 1972 bereits eingegangen.664 López Bravo kam der Bitte nach und schrieb noch am Tag des Notenaustauschs mit der DDR einen persönlichen Brief an seinen „liebe[n] Freund“ Walter Scheel, in dem er „die freundschaftliche Bindung und enge Zusammenarbeit“ zwischen Spanien und der Bundesrepublik hervorhob und versicherte, dass die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der DDR „einen positiven Beitrag“ zur Entspannungs- und Deutschlandpolitik Bonns darstelle und eine Einheit zwischen den beiden deutschen Staaten nicht beeinträchtigen werde.665 Außenminister Scheel nahm diese Zusicherung in seinem Antwortschreiben „mit Befriedigung“ an und dankte der spanischen Regierung für ihre anhaltende „freundschaftliche“ und „verständnisvolle“ Kooperation; er fügte hinzu, dass die Bundesrepublik auch in Zukunft auf die Verbindlichkeit dieser Beziehung zählen werde.666 Im folgenden Kapitel wird u. a. zu zeigen sein, dass die Präsenz der DDR-Botschaft im franquistischen Madrid bis zu ihrer Schließung im Herbst 1975 trotz einiger protokollarisch-diplomatischer Konkurrenzmomente keine ernstzunehmende politische Bedrohung für die Bundesrepublik werden sollte.
5. Die Botschaften in Madrid und Ost-Berlin 5.1 Die Botschaft der DDR in Madrid 5.1.1 Einrichtung Eine knappe Woche nach dem Notenaustausch in Warschau beschloss das Politbüro eine Vorlage über die Errichtung einer Botschaft in Madrid, die bereits konkrete Angaben zu deren kadermäßiger Besetzung und Finanzierung enthielt.667 Zwei 663 664 665 666 667
Vgl. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben des Botschafters MeyerLindenberg betr. Verhältnis Spanien/DDR, 07. 12. 1972, in: PA AA, MADR 12517, unpag. Vgl. Golz, Völkerfreundschaft, S. 111. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Rohübersetzung des Schreibens Gregorio López Bravos an Walter Scheel, 11. 01. 1973, in: PA AA, MADR 12517, unpag. Auswärtiges Amt, Antwortschreiben Walter Scheels an Gregorio López Bravo, spanische Übersetzung, 09. 02. 1973, in: PA AA, MADR 12517, unpag. Vgl. Politbüro des ZK der SED, Bericht über die vom 8.–11. 1. 1973 geführten Verhandlungen über die Herstellung diplomatischer Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und Spanien und über den Meinungsaustausch zwischen den beiden Delega-
5. Die Botschaften in Madrid und Ost-Berlin
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Monate später erteilte Außenminister Otto Winzer eine Direktive zur Entsendung einer Delegation, die in Madrid die Eröffnung der DDR-Botschaft vorbereiten sollte.668 Zuvor hatte man sich bei den polnischen Genossen nach deren Erfahrungen mit der Handels- und Konsularmission in Spanien erkundigt und festgelegt, dass die DDR-Delegation in enger Abstimmung mit den sozialistischen Vertretungen in Madrid vorgehen sollte. Da sowohl die polnischen Vertreter als auch das MfAA eine feindselige Haltung der Franco-Regierung erwarteten, hielten sie eine Zusammenarbeit für „besonders dringlich“.669 Nach Madrid entsandt wurden als Erster Sekretär und vorläufiger Geschäftsträger der Botschaft Otto Pfeiffer, dessen Frau Jutta Pfeiffer als Verwaltungsleiterin sowie etwas später Kurt Perschon als Vertreter des Ministeriums für Außenwirtschaft und späterer Handelsattaché. Der Berufsdiplomat Pfeiffer war von 1967 bis 1971 Zweiter Sekretär der DDR-Botschaft in Kuba gewesen, sodass er vermutlich in erster Linie aufgrund seiner Sprachkenntnisse für den neuen Posten in Spanien bestimmt worden war.670 Er hatte die Aufgabe, offiziell Kontakt zum spanischen Außenministerium herzustellen und dabei um Unterstützung bei der Botschaftseinrichtung zu bitten. Daneben sollte er geeignete Räumlichkeiten für die Botschaft ausfindig machen und deren Arbeitsfähigkeit sicherstellen, damit der künftige Botschafter „baldmöglichst“ seine diplomatische Tätigkeit aufnehmen könne.671 Als Botschafter war gemäß eines Vorschlags des Präsidiums des Ministerrats vom 30. Januar Peter Lorf vorgesehen, ein Journalist und Diplom-Staatswissenschaftler, der zuvor den Bereich Presse und Information des MfAA geleitet hatte.672 Anders als Pfeiffer sprach er nicht fließend Spanisch, gehörte jedoch zur Nachwuchsgruppe um Honecker und hatte engen Kontakt zu Hermann Axen als verantwortlichem ZK-Sekretär.673 Bereits diese Verbindungen deuten darauf hin, dass seine Wahl als erster sozialistischer Botschafter in Franco-Spanien ideologisch motiviert war. Nach vertraulichen Informationen des Auswärtigen Amts galt er als „überzeugter Kommunist“, der sich als klassenbewusster „ND“-Korrespondent in der Bundesre-
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tionen über die Gestaltung der Beziehungen zwischen beiden Staaten nach der Herstellung diplomatischer Beziehungen, 17. 01. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/45761, Bl. 155–159, hier: Bl. 158. Vgl. MfAA, Minister für Auswärtige Angelegenheiten, Direktive zur Eröffnung der Botschaft der DDR in Spanien, 30. 03. 1973, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 56–58. MfAA, Abteilung Westeuropa, Bericht über eine Konsultation im Außenministerium der VRP am 20. 03. 1973 im Zusammenhang mit der Einrichtung der Botschaft in Madrid, 22. 03. 1973, in: PA AA, M 1, C 617/77, Bl. 19–24, hier: Bl. 24. Vgl. Pfeiffer, Otto, in: Baumgartner/Hebig (Hrsg.), Biographisches Handbuch, S. 643; Interview mit Otto Pfeiffer, 27. 11. 2017. MfAA, Minister für Auswärtige Angelegenheiten, Direktive zur Eröffnung der Botschaft der DDR in Spanien, 30. 03. 1973, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 56–58, hier: Bl. 57–58. Vgl. MfAA, Minister für Auswärtige Angelegenheiten, Schreiben an den Sekretär des Staatsrates der DDR, 31. 01. 1973, in: BArch, DA 5/12638, unpag. Zur Person Lorfs vgl. Radde, Diplomatischer Dienst, S. 100. Vgl. AA, Fernschreiben an die Botschaft der Bundesrepublik in Madrid betr. erster DDRBotschafter in Madrid, 29. 08. 1973, in: PA AA, MADR 12517, unpag.
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II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
publik bewährt habe und in seiner Arbeit für das MfAA „übergroßen Eifer“ zeige.674 Im offiziellen Legitimationsdiskurs der SED zur Beziehungsaufnahme, laut dem die Präsenz der DDR-Botschaft im franquistischen Spanien die Überlegenheit des Sozialismus unter Beweis stellte, war die Entsendung eines besonders loyalen Parteigängers freilich folgerichtig. Auch dürfte sie den in der DDR vorherrschenden negativen Vorurteilen über Franco-Spanien entsprungen sein: Otto Pfeiffer schreibt in seinen Erinnerungen, dass man, „[w]enn man an Spanien dachte, […] dessen jüngere Geschichte nicht ausblenden“ konnte. Er schildert Terror und politische Repression während und nach dem Bürgerkrieg, um die emotionale Disposition zu beschreiben, mit der er nach Madrid fuhr: „All das musste man wissen, wenn man nach Spanien ging.“ 675 Die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten bereitete der DDR-Delegation erhebliche Schwierigkeiten. Hierbei machten sich sowohl Personal- und Geldmangel als auch fehlende Erfahrung seitens des außenpolitischen Apparats der DDR in den westlichen Ländern bemerkbar. Pfeiffer und Perschon beklagten nicht etwa antikommunistische Vorbehalte der spanischen Vermieter, sondern berichteten nach Ost-Berlin, dass die angebotenen Räumlichkeiten, die sie weitgehend über Zeitungsannoncen ausfindig machten, für eine Botschaftstätigkeit ungeeignet, zu teuer oder nur käuflich zu erwerben seien.676 Aus „Sicherheitsgründen“ lehnten es die DDR-Diplomaten ab, zur Verfügung stehende Büroetagen in der Madrider Innenstadt zu beziehen; vermutlich fürchteten sie Abhörgefahr.677 Während Perschon eine mangelnde Unterstützung durch die offiziellen spanischen Stellen beklagte und sich als Handelsattaché daher direkt an die ihm bereits bekannten spanischen Außenhandelspartner wandte,678 finden sich in den Berichten Pfeiffers keine Beschwerden über die Kooperation mit dem Außenministerium. Auch Botschafter Lorf stellte nach Abbruch der Beziehungen in einer abschließenden Bilanz „von offizieller Seite keine spürbare Behinderung“ der Botschaftstätigkeit fest.679 Die Botschaft bezog nach kurzer provisorischer Unterbringung in einer Büroetage im Stadtteil Chamberí ein Haus im Norden Madrids (Calle Tambre 15, Stadtteil Chamartín), das bis zum Beziehungsabbruch im Herbst 1975 das Botschaftsbüro und die Wohnung des Botschafters beherbergte; die TKB der Außenhandelsbetriebe waren in separaten Büroräumen untergebracht. Nach der Wiederherstellung
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Ebenda. In der Bundesrepublik wurde Lorf seit 1960 wegen seiner Linientreue und negativen Haltung gegenüber Bonn der Mitarbeit für das MfS verdächtigt. Pfeiffer, Erinnerungen. Einen Kauf lehnte das MfAA ab, obwohl Pfeiffer mit der Begründung, dass Polen, Rumänien und Bulgarien in Erwartung baldiger Botschafteraustausche bereits Immobilien erworben hätten, um Erlaubnis darum bat: vgl. ebenda. MAW, Reisebericht über die Dienstreise des Gen. Perschon nach Spanien, in der Zeit vom 13. 5. bis 25. 5. 1973, 01. 06. 1973, in: PA AA, M 1, C 3579, Bl. 20–26, hier: Bl. 21. Vgl. ebenda. MfAA, Abteilung Westeuropa, Zur Lage in Spanien und zu einigen Fragen der bisherigen und künftigen Arbeit gegenüber Spanien, Mitte Oktober 1975, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 3–12, hier: Bl. 9.
5. Die Botschaften in Madrid und Ost-Berlin
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der Beziehungen im April 1977 residierte der Botschafter zunächst am selben Ort und zog im September 1980 in die Calle Prieto Ureña 6 im selben Stadtteil. Da nach der internationalen Anerkennung der DDR die staatlichen Beziehungen an Bedeutung gegenüber den kommunistischen Parteibeziehungen gewannen, kam den neu eröffneten Botschaften in den westlichen Ländern die Rolle von Organisationszentralen und Sprachrohren der SED-Auslandsarbeit zu.680 In Spanien war die DDR aus zwei Gründen an einer personell gut ausgestatteten Vertretung interessiert: Da die Beziehungen zur kommunistischen „Bruderpartei“ schwer beschädigt waren, sollte erstens über die Botschaft Einfluss auf die antifranquistische Opposition außerhalb des PCE genommen und so eine gute Ausgangsposition für die Zeit nach Francos Tod geschaffen werden. Zweitens ging es der SED sowohl aufgrund der sozialistischen Vorreiterrolle der Botschaft als auch angesichts der starken Position der Bundesrepublik in Spanien um einen Prestige- und Imagegewinn. Dies erklärt, weshalb die Frage nach einer Obergrenze für das diplomatische und administrativ-technische Personal zu einem andauernden und symbolisch aufgeladenen Streitpunkt mit dem spanischen Außenministerium wurde. Im März 1975 erwog das MfAA sogar, „die Frage der weiteren Entwicklung der Beziehungen von der Anzahl der Mitarbeiter abhängig“ zu machen, strich diese Drohung jedoch wieder aus der Gesprächsdirektive für Botschafter Lorf.681 Bereits in den Verhandlungen zur Beziehungsaufnahme in Warschau hatte die DDR-Delegation einen spanischen Vorschlag zurückgewiesen, der einen weiteren Notenaustausch zur Limitierung des Botschaftspersonals in Madrid und Ost-Berlin vorgesehen hatte; stattdessen hatte man sich auf die Kompromissformel geeinigt, dass eine Übereinkunft in dieser Frage noch zu treffen sei.682 Eine solche wurde jedoch bis zum Abbruch der Beziehungen nicht erzielt, sodass die Vertretung in Madrid, für die Ost-Berlin selbstbewusst zehn diplomatische und zwanzig nichtdiplomatische Mitarbeiter eingeplant hatte, die kleinste der DDR in Westeuropa blieb. Für den politischen Bereich wurde neben Botschafter Lorf und dem Ersten Sekretär Pfeiffer mit Otfried Paul im September 1973 lediglich ein Dritter Sekretär benannt, der für Presse- und Kulturarbeit zuständig war.683 Außerdem wurde eine handelspolitische Abteilung (HPA) eingerichtet, der mit Kurt Perschon zunächst ein Handelsattaché und mit Manfred Politzer etwas später ein Handelsrat 680 681
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Vgl. Wentker, Außenpolitik oder transnationale Beziehungen?, S. 41–42. MfAA, Abteilung Westeuropa, Konzeption für die Aufnahme von Verhandlungen mit dem spanischen Außenministerium über den Umfang des Botschaftspersonals der Botschaft der DDR in Madrid, 14. 03. 1975, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 62–66, hier: Bl. 66. Vgl. Politbüro des ZK der SED, Bericht über die vom 8.–11. 1. 1973 geführten Verhandlungen über die Herstellung diplomatischer Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und Spanien und über den Meinungsaustausch zwischen den beiden Delegationen über die Gestaltung der Beziehungen zwischen beiden Staaten nach der Herstellung diplomatischer Beziehungen, 17. 01. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/45761, Bl. 155–159, hier: Bl. 157–158. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Konzeption für die Aufnahme von Verhandlungen mit dem spanischen Außenministerium über den Umfang des Botschaftspersonals der Botschaft der DDR in Madrid, 14. 03. 1975, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 62–66, hier: Bl. 65.
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vorstand.684 Während das MAE fehlende finanzielle Mittel als Grund für eine Begrenzung des Botschaftspersonals angab,685 verwies das MfAA in seinen Verhandlungskonzeptionen für Botschafter Lorf auf die größeren Belegschaften anderer Botschaften in Madrid. Es vermutete hinter der spanischen Ablehnung antikommunistische Vorbehalte, zumal die Botschaft schwerpunktmäßig Kontakte zu oppositionellen Kräften suchte.686 In der Tat hatte die Regierung Francos, die innenpolitisch durch erstarkte ultrarechte Kräfte unter Druck stand, ein Interesse daran, „nicht mehr Diplomaten als unbedingt notwendig aus sozialistischen Ländern in Madrid zu haben“.687 1987, fast 15 Jahre nach der Eröffnung der DDR-Vertretung, räumte der Leiter der Osteuropa-Abteilung im MAE, Jorge Fuentes, gegenüber DDR-Botschafter Harry Spindler ein, dass die unter Franco beschlossene Personalobergrenze Ausdruck eines in der damaligen Regierung herrschenden Misstrauens gegenüber der ersten sozialistischen Botschaft gewesen sei.688 Der DDR erwuchsen durch diese Skepsis vor allem Nachteile in den Handelsbeziehungen: Den Mitarbeitern der TKB wurden lediglich Aufenthaltsvisa von kurzer Dauer gewährt, die zu Problemen bei der Einreise führten.689 Die Botschaft entschärfte das Personalproblem, indem die Ehefrauen der delegierten diplomatischen und administrativen Mitarbeiter Aufgaben im „Innendienst“, also in Verwaltung, Buchhaltung, Sekretariat, Kindergarten und Schule übernahmen. Dieses Modell hatte man von der sowjetischen Vertretung übernommen. Letztlich war die DDRBotschaft in Madrid damit personell besser aufgestellt als die spanische Botschaft in Ost-Berlin, wo die mitgereisten Ehefrauen in der Regel keine Tätigkeiten ausübten. Obwohl die Botschaft der DDR am 25. Juni 1973 offiziell ihre Tätigkeit aufnahm, wurde Botschafter Lorf erst am 8. November als Außerordentlicher und Bevollmächtigter Botschafter akkreditiert. Dass die DDR die tatsächliche Entsendung so lange hinauszögerte und unterdessen von einem vorläufigen Geschäftsträger vertreten wurde, ist jedoch nicht als politisches Statement zu verstehen wie etwa die Weigerung Kubas, seinen Gesandten in Madrid mit dem vollen Rang eines Botschafters auszustatten. Die Verzögerung ist erstens darauf zurückzuführen, dass Spanien aus Rücksicht auf die Bundesrepublik seinerseits mit der Entsendung eines Botschafters bis nach der Ratifizierung des Grundlagenvertrags 684
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Daneben war für Telefon-, Fahr- und ähnliche Dienstleistungstätigkeiten eine wechselnde Zahl spanischer Ortskräfte angestellt: vgl. u. a. MfAA, Abteilung Westeuropa, Stellenplan und Personalliste der Botschaft der DDR in Spanien, August 1985, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 229/10, unpag. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Konzeption für die Aufnahme von Verhandlungen mit dem spanischen Außenministerium über den Umfang des Botschaftspersonals der Botschaft der DDR in Madrid, 14. 03. 1975, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 62–66, hier: Bl. 63. Vgl. ebenda, Bl. 63–64, 65. Vgl. ebenda, Bl. 63. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Botschafters Spindler ans MfAA, 06. 10. 1987, in: SAPMO-BArch, DY 30/13559, Bl. 30. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Brief Lorfs an den Leiter der Abteilung Westeuropa, Plaschke, 03. 06. 1975, in: PA AA, M 1, C 3590, Bl. 10–12, hier: Bl. 12.
5. Die Botschaften in Madrid und Ost-Berlin
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wartete. Zweitens war sie ein diplomatisch-taktischer Schachzug, um dem neu akkreditierten Botschafter, der noch keine persönlichen Kontakte vor Ort besaß, die protokollarische Notwendigkeit eines offiziellen Empfangs zum Nationalfeiertag der DDR am 7. Oktober zu ersparen.690 Drittens vermied man auf diese Weise die Teilnahme Lorfs an den Feierlichkeiten zum spanischen Nationalfeiertag am 18. Juli, an dem der Beginn des Militärputschs von 1936 gefeiert wurde, sowie am „Tag des Caudillo“ am 1. Oktober.691 Zum Akkreditierungsakt traf Lorf dennoch mit Staatschef Franco zusammen, wobei das übliche Vieraugengespräch um Außenminister López Rodó ergänzt wurde.692 In seiner Antrittsrede hielt sich Lorf an die gängigen diplomatischen Höflichkeitsformeln gegenüber „eurer Exzellenz“ Franco, die neben guten Wünschen zu dessen „persönliche[m] Wohlergehen“ auch Dank über „die hohe Ehre“ des Zusammentreffens ausdrückten. Ansonsten folgte er der Rhetorik der „friedlichen Koexistenz“ und gab sich überzeugt, „dass das Streben unserer Völker nach Frieden und Sicherheit […] eine gute Grundlage für die Gestaltung der bilateralen Beziehungen“ bilde.693 Insgesamt war sowohl dem spanischen Außenministerium als auch der DDR-Botschaft im diplomatischen Tagesgeschäft an „Zurückhaltung“ und einem sachbezogenen, pragmatischkorrekten Umgang gelegen, der einerseits Distanzwahrung und andererseits das Einhalten des Protokolls ermöglichte.694 Als Beispiel hierfür kann die Reaktion auf das Versäumnis des MAE dienen, den Nationalfeiertag der DDR in die Protokollliste für das Diplomatische Corps aufzunehmen: Nach Beschwerde der Botschaft korrigierte die Protokollabteilung den Fehler als „bedauerliche[s] Versehen“, worin Lorf einen Beleg für die weitgehend konfliktfreie Zusammenarbeit sah.695 Der Austausch von Grußadressen und Glückwunschbekundungen zwischen den führenden Repräsentanten beider Regime war ebenso Usus im korrekten Umgang, weshalb diese nicht als Freundschaftsbeweise, sondern als protokollarische Belege für die diplomatische Normalität der Beziehungen zu lesen sind. Francisco Franco und Willi Stoph tauschten an den jeweiligen Nationalfeiertagen Glückwünsche aus, für die jeweils „aufrichtig“ und „herzlich“ gedankt wurde.696 690 691 692 693
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Vgl. Interview mit Otto Pfeiffer, 27. 11. 2017. Als Geschäftsträger musste Otto Pfeiffer am 18. Juli 1973 „[w]ohl oder übel“ einer Einladung Francos folgen: Pfeiffer, Erinnerungen. Vgl. ebenda. Staatsrat der DDR, Abteilung Intern. Beziehungen, Länderakte Spanien (1973–76), Entwurf der Antrittsrede des Außerordentlichen und Bevollmächtigten Botschafters der Deutschen Demokratischen Republik in Spanien, Herrn Peter Lorf, anlässlich seiner Akkreditierung beim Chef des spanischen Staates, undatiert, in: BArch, DA 5/12638, unpag. MfAA, Abteilung Westeuropa, Zur Lage in Spanien und zu einigen Fragen der bisherigen und künftigen Arbeit gegenüber Spanien, Mitte Oktober 1975, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 3–12, hier: Bl. 9. Vgl. auch Pfeiffer, Erinnerungen. Botschaft der DDR in Madrid, Brief Lorfs an Dr. Barth im MfAA, 03. 01. 1974, in: SAPMOBArch, DY 30/13552, Bd. 1, Bl. 8–10, hier: Bl. 10. Die Staatstelegramme sind abgelegt in Staatsrat der DDR, Abteilung Internationale Beziehungen, Länderakte Spanien (1973–76), in: BArch, DA 5/12638, unpag; MfAA, Austausch von Glückwünschen und Danksagungen zwischen führenden Repräsentanten der DDR und Spaniens (1973–77), in: PA AA, M 1, C 3571.
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Die Außenminister kondolierten bei Todesfällen von Personen, die zuvor als ideologische Gegner ausgemacht worden waren, etwa im Fall von Walter Ulbricht und Luis Carrero Blanco.697 Letztere Kondolenz war allerdings äußerst knapp gehalten und erwähnte nicht den Umstand, dass Carrero Blanco durch ein Attentat der baskisch-nationalistischen Terrororganisation ETA698 ums Leben gekommen war. Protokollarisch korrekt und pragmatisch handhabte Peter Lorf auch seine Antrittsbesuche: Das Gespräch mit Juan Carlos, dem seit 1969 designierten Nachfolger Francos als Staatsoberhaupt, empfand er als „freundlich und aufgeschlossen“ – sicherlich auch, weil keine politischen Themen berührt wurden. Obgleich er den „Príncipe de España“ für politisch „unerfahren[…] und sehr manipulierbar[…]“ hielt, schätzte Lorf die Möglichkeit eines intensiveren Kontakts zu Juan Carlos als gering ein, wobei er sich „[w]enn irgend möglich“ um einen solchen bemühen wollte.699 Mit Vicente Enrique y Tarancón, dem Erzbischof von Madrid und Vorsitzenden der spanischen Bischofskonferenz, besuchte er einen fortschrittlichen, gegenüber dem Regime kritisch eingestellten Vertreter der einflussreichen katholischen Kirche. Dieser sprach laut Lorf „sehr direkt über die Spannungen zwischen Kirche und Staat“ und erklärte seine Bereitschaft zu weiteren Gesprächen.700 Obwohl das MfAA die Botschaft in einer Konzeption zur Entwicklung der Beziehungen angewiesen hatte, „Kontakte zu offiziellen Personen und Institutionen der faschistischen ‚Nationalen Bewegung‘ und ihren Gliederungen […] möglichst zu vermeiden“,701 wurde Lorf auch bei zwei prominenten Vertretern der Falange vorstellig, namentlich bei Alejandro Rodríguez de Valcárcel, „Falangist der ersten Stunde“ und seit 1969 Präsident der Cortes und des Regentschaftsrats,702 sowie bei José Utrera Molina, Generalsekretär der franquistischen Staatspartei „Movimiento Nacional“ und bekannt für seine Ablehnung jedweder Liberalisierung des Regimes.703 Dessen rechte Position ließ Lorf im Besuchsbericht für das MfAA unerwähnt; im Gegenteil vermerkte er positiv, dass Utrera Molina umgehend seine Unterstützung bei der Einrichtung von Personalwohnungen und einer Botschaftsschule angeboten habe – für ein tatsächliches Engagement des ultrarechen Ministers für die Botschaft der DDR finden sich jedoch keine Belege.704 Über das Gespräch mit de Valcárcel machte er keine genaueren Angaben, sondern schätzte ihn allgemein als „[s]sehr gewandte[n] und flexible[n] Politiker“ und „einflussrei697 698 699 700 701 702 703 704
Vgl. MfAA, Austausch von Glückwünschen und Danksagungen zwischen führenden Repräsentanten der DDR und Spaniens (1973–77), in: PA AA, M 1, C 3571, Bl. 43–45. Euskadi Ta Askatasuna („Baskenland und Freiheit“). Botschaft der DDR in Madrid, Brief Lorfs an Dr. Barth im MfAA, 03. 01. 1974, in: SAPMOBArch, DY 30/13552, Bd. 1, Bl. 8–10, hier: Bl. 8. Ebenda. MfAA, Abteilung Westeuropa, Konzeption für die Entwicklung der Beziehungen zu Spanien (bis 1980), 28. 06. 1974, in: PA AA, PA AA, M 1, C 1262/77, Bl. 19–30, hier: Bl. 23. O. V., Wer bestimmt nach Franco?, in: Der Spiegel 48 (1975), S. 100. Zum „Movimiento Nacional“ vgl. Movimiento Nacional, in: Soriano, Diccionario, S. 702– 705. Botschaft der DDR in Madrid, Brief Lorfs an Dr. Barth im MfAA, 03. 01. 1974, in: SAPMOBArch, DY 30/13552, Bd. 1, Bl. 8–10, hier: Bl. 9.
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che[n] […] Manipulator hinter der Szene“ ein.705 Lediglich über Erziehungsminister Cruz Martínez Esteruelas berichtete Lorf, dass dieser ihm gegenüber „gehemmt und wenig zugänglich“ aufgetreten sei.706 Außerdem rapportierte Lorf spöttisch nach Ost-Berlin, dass Regierungschef Luis Carrero Blanco „bis zu dem Attentat ja keine Zeit für mich“ gehabt habe, dem Antrittsbesuch des ersten sozialistischen Botschafters also ausgewichen sei.707 Trotz seiner persönlichen Abneigung gegen die „graue Eminenz“ 708 des Franco-Regimes verurteilte er jedoch das Attentat auf Carrero Blanco durch die ETA am 20. Dezember 1973, da „solche Abenteuer […] bei einem Regime, das fest im Sattel sitzt, nur zu Rückschlägen für die Arbeiterklasse führen und dem Regime sogar helfen, seine Position zu festigen.“ 709 An Carrero Blancos Nachfolger Carlos Arias Navarro, in dem er einen Vertreter der repressiven Linie der Regierung sah, sei er „noch nicht rangekommen“ und schätzte auch hier die Kontaktmöglichkeiten der DDR realistisch als gering ein.710 Seinen ersten Antrittsbesuch im diplomatischen Corps stattete Lorf gemäß Anciennität dem Botschafter der Bundesrepublik, Hermann Meyer-Lindenberg, ab. Dieser berichtete nach Bonn, dass die erste Begegnung „sachlich und höflich“ abgelaufen sei und man „ein korrektes Verhältnis“ zwischen den beiden deutschen Vertretungen anzustreben vereinbart habe.711 Vor dem Eintreffen Lorfs in Spanien hatte Meyer-Lindenberg noch seinen Stellvertreter zum Empfang in die DDR-Botschaft anlässlich des Nationalfeiertags der DDR am 7. Oktober 1973 entsandt, da das Auswärtige Amt zwar „grundsätzlich keine Bedenken“ hatte, Einladungen der DDR-Botschaft anzunehmen, aber den noch nicht erfolgten protokollarischen Besuch Lorfs abwarten wollte.712 Sein Stellvertreter bewertete Otto Pfeiffers Auftreten als „unbeholfen“ und „etwas linkisch“, jedoch insgesamt als „freundlich“.713
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Ebenda. Ebenda. Esteruelas trat während der Transición gegen die Legalisierung der Kommunistischen Partei ein: vgl. o. V., Cruz Martínez Esteruelas, ex ministro de Educación y Ciencia, in: El País vom 19. 10. 2000. Auch Otto Pfeiffer berichtet von einem Beamten im Erziehungsministerium, der ihn mehrfach mit der Frage nach der Teilung Deutschlands „traktierte“: Pfeiffer, Erinnerungen. Botschaft der DDR in Madrid, Brief Lorfs an Dr. Barth im MfAA, 03. 01. 1974, in: SAPMOBArch, DY 30/13552, Bd. 1, Bl. 8–10, hier: Bl. 8. Die gängige Bezeichnung für Luis Carrero Blanco findet sich u. a. bei Tusell, Eminencia. Botschaft der DDR in Madrid, Brief Lorfs an Dr. Barth im MfAA, 03. 01. 1974, in: SAPMOBArch, DY 30/13552, Bd. 1, Bl. 8–10, hier: Bl. 9. Ebenda, Bl. 8–9. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben des Botschafters Meyer-Lindenberg betr. Kontakte zwischen Botschaften der beiden deutschen Staaten, 12. 12. 1973, in: PA AA, MADR 12522, unpag. AA, Fernschreiben an die Botschaft der Bundesrepublik in Madrid betr. zum Nationalfeiertag der DDR am 7. Oktober 1973, 02. 10. 1973, in: PA AA, MADR 12517, unpag. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Brief des Botschafters Meyer-Lindenberg ans AA betr. Nationalfeiertag der DDR am 7. Oktober 1973, 10. 10. 1973, in: PA AA, MADR 12517, unpag.
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II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
5.1.2 Informations- und Kontaktarbeit vor Ort In der Kontaktarbeit der Botschaft musste es zunächst darum gehen, Kontakte auf Regierungsebene aufzubauen, insbesondere zu Ministern und Funktionären in Außen-, Handels-, Industrie-, und Landwirtschaftsministerium sowie im Ministerium für Tourismus. Daneben standen die staatlichen Außenhandelskammern und -betriebe sowie private Wirtschaftsvertreter im Fokus der Kontaktarbeit.714 Da die äußerst gering ausgeprägten Beziehungen bisher hauptsächlich auf wirtschaftlichem Gebiet stattgefunden hatten, war Handelsattaché Perschon gegenüber der politischen Abteilung der Botschaft im Vorteil und konnte bereits mit einer Liste von Ansprechpartnern und Adressen spanischer Außenhandelsfirmen nach Madrid reisen. Bei der Einrichtung der Botschaft erwiesen sich diese als hilfreich und leisteten praktische Unterstützung, beispielsweise bei der Gewinnung eines Vertrauensanwalts für die Botschaft.715 Entgegen der Beobachtung des Spanienkorrespondenten der „FAZ“, dass die in Spanien akkreditierten „Ostdiplomaten […] geradezu ängstlich darauf bedacht [seien], spanischen Regimegegnern aus dem Wege zu gehen“,716 lag ein Schwerpunkt der politischen Kontaktarbeit der DDR-Botschaft auch auf der Annäherung an oppositionelle Kräfte.717 Dies erfolgte einerseits in Erwartung eines baldigen Todes Francos, andererseits in realistischer Einschätzung der eigenen Einflussmöglichkeiten auf staatlicher Ebene. Eine Konzeption des MfAA zur Kontakttätigkeit bis 1980 sah vor, erstens Kontakte zu „legal wirkenden oppositionellen Kreisen zu entwickeln“ und diese „mit geeigneten Personen in der DDR in Verbindung zu bringen“.718 Dazu zählten neben den „aperturistas“ und reformbereiten Kräften innerhalb der Regierung liberale Vertreter des öffentlichen Lebens und der Kirche sowie Journalisten, Künstler und Studierende. „Unter strikter Beachtung […] der Sicherheit der Botschaft“ sollten zweitens Kontakte zur illegalen demokratischen Opposition hergestellt werden; neben dem PCE waren damit in erster Linie die Arbeiterkommissionen sowie sozialistische und christlich-demokratische Kräfte gemeint.719 Über einen journalistischen Mittelsmann konnte die Botschaft Verbindungen zu einem Vertreter der Madrider Regionalleitung der CC.OO. herstellten, der bereit war, Informationen über die Gewerkschaftsarbeit und antifranquistische Oppositionslandschaft zu liefern; im Gegenzug wollte er über die Botschaft
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MfAA, Abteilung Westeuropa, Konzeption für die Entwicklung der Beziehungen der DDR zu Spanien (bis 1980), 28. 06. 1974, in: PA AA, M 1, C 1262/77, Bl. 19–30, hier: Bl. 22–23. Vgl. MAW, Reisebericht über die Dienstreise des Gen. Perschon nach Spanien, in der Zeit vom 13. 5. bis 25. 5. 1973, 01. 06. 1973, in: PA AA, M 1, C 3579, Bl. 20–26, hier: Bl. 20–21, 23. Walter Haubrich, Spaniens Ostpolitik wird vorsichtiger, in: FAZ vom 11. 08. 1973, S. 2. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Konzeption für die Aufnahme von Verhandlungen mit dem spanischen Außenministerium über den Umfang des Botschaftspersonals der Botschaft der DDR in Madrid, 14. 03. 1975, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 62–66, hier: Bl. 64. MfAA, Abteilung Westeuropa, Konzeption für die Entwicklung der Beziehungen der DDR zu Spanien (bis 1980), 28. 06. 1974, in: PA AA, M 1, C 1262/77, Bl. 19–30, hier: Bl. 23. Ebenda.
5. Die Botschaften in Madrid und Ost-Berlin
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der DDR „objektive Informationen“ über den Kampf der spanischen Arbeiterkommissionen ins Ausland weiterleiten.720 Botschafter Lorf vermutete jedoch, dass die Kontakte durch den eurokommunistischen PCE gesteuert und die Informationen dementsprechend beeinflusst seien, sodass sich keine intensive Zusammenarbeit entwickelte.721 Der Kontakt zu den klandestinen Gewerkschaften lief daher nach wie vor hauptsächlich über den FDGB, wobei er bis zur Legalisierung der CC.OO. im Jahr 1977 insgesamt spärlich ausfiel.722 Gegenüber Journalisten, christlichen Politikern, ins politische Geschehen eingebundenen Rechtsanwälten und Wissenschaftlern sowie „sympathisierende[n] Personen“ verfolgte die Botschaft eine zielgerichtete Einladungspolitik, wobei sie zu berücksichtigen hatte, etwaige Gesprächspartner nicht zu gefährden.723 Aus diesem Grund und weil die „Informationsquellen“ das Aufsuchen der DDRBotschaft oftmals scheuten, fanden Treffen vorzugsweise „unter vier Augen, meist gelegentlich eines privaten Essens“ statt.724 Diese Methode erzielte keine Breitenwirkung, führte aber durchaus zu einigen erfolgreich etablierten Kontakten. Botschafter Lorf bilanzierte nach dem Abbruch der Beziehungen, dass es gelungen sei, im franquistischen Spanien „einen breiten Fächer von Kontakten von links bis rechts zu entwickeln, dessen Ausmaß zum Schluss eigentlich schon die begrenzten Möglichkeiten der Botschaft mehr als ausgeschöpft“ habe.725 Auch der bundesdeutsche Botschafter berichtete 1975, dass die DDR-Vertretung intensiv darum bemüht gewesen sei, ihre Beziehungen zu den in der Zukunft wichtigen Oppositionskreisen auszubauen, womit sie durchaus „Anklang“ gefunden habe.726 Obgleich die schmale personelle Besetzung der Botschaft eine intensive Reisetätigkeit innerhalb Spaniens nicht zuließ, stellte Botschafter Lorf durch Reisen u. a. nach Barcelona, Valencia und San Sebastián Verbindungen in die wichtigsten Provinzen her und propagierte diese pressewirksam. Insbesondere in Katalonien zeigte nicht nur die Presse eine große „Aufnahmebereitschaft“ für DDR-Themen, sondern auch links-nationalistische Oppositionelle waren aufgeschlossen gegenüber den ostdeutschen Diplomaten.727 Im Mai
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Botschaft der DDR in Madrid, Vermerk über ein Gespräch mit Gen. Gerardo am 27. 5. in der Botschaft, 29. 05. 1974, in: PA AA, M 1, C 630/77, Bl. 3–6, hier: Bl. 3. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Lorf ans ZK der SED betr. Kontakt zu Arbeiterkommissionen, 07. 06. 1974, in: PA AA, M 1, C 630/77, Bl. 1–2, hier: Bl. 2. Zu den Beziehungen zwischen FDGB und CC.OO. von 1971 bis 1975 vgl. Jüngling, Alternative Außenpolitik, S. 262–304. MfAA, Abteilung Westeuropa, Zur Lage in Spanien und zu einigen Fragen der bisherigen und künftigen Arbeit gegenüber Spanien, Mitte Oktober 1975, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 3–12, hier: Bl. 9. Ebenda. Ebenda. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Stellung der DDR seit Aufnahme der diplomatischen Beziehungen, 10. 10. 1975, in: PA AA, MADR 12682, unpag. Botschaft der DDR in Madrid, Bericht über die auslandsinformatorische Tätigkeit im Jahre 1974, 10. 12. 1974, in: PA AA, M 1, C 1059/78, Bl. 1–8, hier: Bl. 2; vgl. auch Pfeiffer, Erinnerungen.
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II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
1975 kam Lorf mit Vertretern der oppositionellen Dachorganisation „Assemblea de Catalunya“ zusammen, die 1971 gegründet worden war und der unterschiedliche illegale Oppositionsgruppen angehörten, darunter die kommunistische Partei Kataloniens PSUC, der sozialistische PSOE, die Gewerkschaften CC.OO. und UGT728 sowie Vertreter von Kirche und Universitäten.729 An dem Treffen, das freilich keinen offiziellen Charakter haben durfte, nahmen auch zwei Vertreter katalanisch-nationalistischer Bewegungen, ein liberaler Priester sowie ein Vertreter der 1974 gegründeten Partei „Convergència Democràtica de Catalunya“ von Jordi Pujol teil, dem späteren Regierungschef Kataloniens.730 Botschafter Lorf ging es in erster Linie darum, Ziele und Strategien der katalanischen Opposition und deren Haltung zur „Junta Democrática“ kennenzulernen, die ein Jahr zuvor auf Initiative u. a. Santiago Carrillos als Koalition zahlreicher politischer und gesellschaftlicher Oppositionsgruppen gegründet worden war. Mit Blick auf die Zeit nach Francos Tod, für die die „Assemblea“ einen demokratischen Bruch („ruptura democrática“) anstrebte, wurde ein Kontakt zwischen Botschaft und dem Verbindungskomitee der Organisation hergestellt.731 Daneben knüpfte die Botschaft in Madrid Kontakte zu den klandestinen Sozialisten, namentlich zum Partido Socialista Popular (Sozialistische Volkspartei, PSP) des bekannten Rechtsprofessors Enrique Tierno Galván. Dieser hatte den PSP 1968 aus Gegnerschaft zur Exilführung des PSOE gegründet und trat für einen marxistischen Sozialismus und eine Zusammenarbeit mit den Kommunisten des PCE ein.732 Auch die bundesdeutsche SPD machte in Tierno Galván zunächst die erste Referenzfigur der spanischen Linksopposition aus und unterstützte den PSP finanziell. Angesichts der demonstrativen Einigkeit Tierno Galváns und Carrillos bei der Gründung der „Junta Democrática“ 1974 sowie der postrevolutionären Entwicklungen in Portugal ließ die Friedrich-Ebert-Stiftung den PSP jedoch fallen und wandte sich ab Ende 1975 dem PSOE unter Felipe González zu.733 Zur DDRBotschaft unterhielten Tierno Galván und Raúl Morodo, Generalsekretär des PSP, bereits seit deren Eröffnung Kontakte; ab 1979 wurde Tierno Galván als Oberbürgermeister von Madrid zu einem wichtigen politischen Kontakt und Fürsprecher der DDR im Spanien der Transición.734 Zum PSOE dagegen bestanden außer vereinzelten Kontakten mit Vertretern des linken Parteiflügels und einem spontanen Zusammentreffen Otto Pfeiffers mit dem unmittelbar zuvor zum Generalsekretär gewählten Felipe González keine Kontakte.735 728 729 730 731 732
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Unión General de Trabajadores. Die UGT steht seit ihrer Gründung 1888 dem PSOE nahe. Vgl. Assemblea de Catalunya, in: Buffery/Marcer (Hrsg.), Historical Dictionary, S. 54. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Vermerk über die Reise des Botschafters vom 26.– 31. 5. 1975 nach Barcelona, Juni 1975, in: PA AA, M 1, C 3566, Bl. 1–3, hier: Bl. 2. Vgl. ebenda, Bl. 3. In Abgrenzung zur sozialistischen Exilführung des PSOE hieß die Partei zu Beginn noch „Partido Socialista del Interior“ (PSI). Zum PSP und seiner Gegnerschaft zum PSOE im Spätfranquismus vgl. Muñoz Sánchez, Fundación Ebert, S. 264–270. Vgl. ebenda, S. 269–270, 277–278. Vgl. Kap. III.4.3. Vgl. Pfeiffer, Erinnerungen.
5. Die Botschaften in Madrid und Ost-Berlin
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Der bundesdeutsche Botschafter vertrat nach dem Abbruch der Beziehungen zwischen Ost-Berlin und Madrid die Einschätzung, dass sich die spanische Regierung über die Oppositionskontakte der DDR-Botschaft „völlig im Klaren“ gewesen sei und ihm gegenüber zum Ausdruck gebracht habe, „dass sie die DDRBotschaft für eine gefährliche Kontaktstelle oppositioneller Gruppen (besonders der pro-kommunistischen Junta Democrática) hielte.“ Der stellvertretende MAEGeneraldirektor für Europa legte nach dem Abzug der ostdeutschen Diplomaten im Herbst 1975 sogar offen, dass das spanische Außenministerium von „zweifellos zahlreiche[n] konspirative[n] Kontakte[n]“ ausgehe, die Botschafter Lorf in Spanien unterhalten habe, darunter zu „als Kommunisten bekannten Anwälten von ETA-Aktivisten“.736 Das gesichtete Aktenmaterial von SED, MfAA und MfS liefert zu direkten Kontakten der Botschaft zur ETA oder deren Umfeld allerdings keine Hinweise. Das MfS beobachtete die Entwicklung der ETA zwar über die gesamte Dauer der diplomatischen Beziehungen, dabei ging es in erster Linie jedoch um die Frage, ob sie das Territorium der DDR logistisch nutzte oder Kontakte zu DDR-Bürgern unterhielt. Weder an Inhalt noch Duktus der MfS-Berichte lässt sich eine politische Haltung zu den Zielen und Methoden der baskisch-nationalistischen Terrororganisation erkennen.737 Dennoch erklären die Mutmaßungen der spanischen Regierung den von Botschafter Meyer-Lindenberg beobachteten korrekten, doch mitunter „sehr kühl[en]“ Umgang spanischer Regierungsvertreter mit den ostdeutschen Diplomaten.738 Neben der Konspirativität lag eine weitere Schwierigkeit der Kontaktarbeit im schlechten Image der sozialistischen Staaten. Botschafter Lorf stellte in einem Bericht über die „auslandsinformatorische“ Tätigkeit der Botschaft fest, dass „die Formung des Sozialismus- und DDR-Bildes in Spanien […] außerordentlich stark durch die jahrzehntelange Durchsetzung des Antikommunismus“ bestimmt sei. Dies erfordere bei der Aufnahme und Intensivierung von Kontakten viel „Fingerspitzengefühl“ und mache ein „Eindringen in Massenmedien und ihre Nutzung […] sehr kompliziert“, da die Presse sehr befangen sei und Artikel über die DDR häufig ablehne.739Auch ein Vertrag zwischen dem ADN (Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst) und der spanischen Nachrichtenagentur EFE kam trotz wiederholter
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Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben des Botschafters von Lilienfeld an die Ständige Vertretung in Ost-Berlin und das AA, 17. 10. 1975, in: PA AA, MADR 12682, unpag. Vgl. Vorschlag zur Weiterführung der analytischen Prozesse zur „ETA“, 24. 04. 1988, in: BStU, MfS, HA IX, Nr. 1474, Bl. 166–167. Vgl. ebenfalls zum Thema: Faraldo, Policías secretas, S. 115–116; ders., Stasi y España, S. 57–59. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Stellung der DDR seit Aufnahme der diplomatischen Beziehungen, 10. 10. 1975, in: PA AA, MADR 12682, unpag. Botschaft der DDR in Madrid, Bericht über die auslandsinformatorische Tätigkeit im Jahre 1974, 10. 12. 1974, in: PA AA, M 1, C 1059/78, Bl. 1–8, hier: Bl. 1, 4. Die sogenannten „auslandsinformatorischen“ Tätigkeiten der Botschaft wurden durch eine übergreifende Kommission aller Abteilungen der Botschaft koordiniert, die in regelmäßigen Abständen zusammentrat und Weisungen von der Abteilung Auslandsinformation der Hauptabteilung Presse und Information des MfAA erhielt.
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Bemühungen des MfAA und der Botschaft erst nach der Wiederaufnahme der Beziehungen 1977 zustande.740 Lorf beklagte daher erschwerte Bedingungen bei der „Bekämpfung“ von „Unkenntnis“ und „unkorrekte[n], ja verleumderische[n] Darstellungen“ über die DDR.741 Letztere führte er auf die etablierte Position der Bundesrepublik in Spanien zurück: Da diese über ein weitverzweigtes Netzwerk in Gesellschaft, Kultur und Öffentlichkeit verfüge, könne sie sicherstellen, dass ihr Diskurs von der spanischen Presse meist ohne kritische Prüfung übernommen werde.742 Dagegen räumte Lorf ein, dass die DDR als hoch entwickeltes Industrieland anerkannt werde und von einem allgemein positiven Deutschlandbild und einer „klassenindifferenten Einschätzung deutscher Fleiß, deutsche Tüchtigkeit, deutsche Gründlichkeit“ profitiere.743 So gelang es der DDR trotz erschwerter Startbedingungen, Kontakte zu einigen Journalisten und Chefredakteuren bzw. Redaktionsräten von Tages- und Wochenzeitungen zu knüpfen und Artikel über die DDR sowie Berichte über kulturelle Veranstaltungen der Botschaft zu platzieren.744 Neben der auflagenstarken Tageszeitung „La Vanguardia“ aus Barcelona gehörten dazu die im Spätfranquismus einflussreiche christdemokratische Monatszeitschrift „Cuadernos para el Diálogo“, die Wochenzeitschrift regimekritischer Wirtschaftsund Finanzkreise „Cambio 16“ sowie einige Provinzzeitungen in Barcelona, Valencia, San Sebastián und Burgos.745 Daneben schrieb der Theaterwissenschaftler, Regisseur und Journalist Juan Antonio Hormigón seit einem Besuch in Ost-Berlin regelmäßig Artikel über die DDR im prominenten regimekritischen Madrider Kultur- und Politmagazin „Triunfo“. Hormigón zeigte seit der Eröffnung der Botschaft ein großes Interesse an einer Zusammenarbeit und sollte in den 1980er Jahren Präsident der Nationalen Freundschaftsgesellschaft DDR-Spanien werden. Da er eine polizeiliche Verfolgung im Falle wiederholter Besuche in der DDR-Vertretung fürchtete, wurden ihm und weiteren Kulturvertretern Informationsmaterialien per
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Vgl. ebenda, Bl. 2. EFE hatte sich bereits 1971 über ihren Bonner Korrespondenten um eine Zusammenarbeit mit dem ADN bemüht. Eine solche hatte das MfAA mit der Begründung abgelehnt, dass „wir auf keinen Fall daran interessiert sind, Spanien zu einer Art Vorreiter für Beziehungen mit der DDR werden zu lassen“. ADN, Direktorat Internationale Beziehungen, Länderakte Spanien (1966–77), Meinung des MfAA, undatiert, vermutlich 1971, in: BArch DC 900/1574, unpag. Botschaft der DDR in Madrid, Bericht über die auslandsinformatorische Tätigkeit im Jahre 1974, 10. 12. 1974, in: PA AA, M 1, C 1059/78, Bl. 1–8, hier: Bl. 1, 7. Vgl. ebenda. Ebenda, Bl. 1. Laut Otto Pfeiffer war dies auch auf das persönliche Engagement von Botschafter Lorf zurückzuführen, der als ehemaliger Journalist ein besonderes Interesse an Kontakten zu unterschiedlichen Zeitungsredaktionen zeigte: vgl. Interview mit Otto Pfeiffer, 27. 11. 2017. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Bericht über die auslandsinformatorische Tätigkeit im Jahre 1974, 10. 12. 1974, in: PA AA, M 1, C 1059/78, Bl. 1–8, hier: Bl. 3. Vgl. Hierzu beispielhaft ausführlich zu Lorfs Aufenthalt in Burgos: o. V., El embajador de la República Democrática Alemana, húesped de Burgos, in: Diario de Burgos vom 01. 09. 1974, S. 12; o. V., Hoy llega el embajador de la República Democrática Alemana, in: La Voz de Castilla vom 03. 09. 1974.
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Post zugesandt.746 Ebenso wurde Informationsmaterial an Einzelbesucher der Botschaft ausgegeben, häufig an Germanistikstudierende, die zu DDR-Themen arbeiteten. Dies erfolgte jedoch nur auf konkretes Ersuchen; da die SED eine ImageKampagne des franquistischen Spaniens in der DDR unbedingt vermeiden wollte, sollten keine Reziprozitätsforderungen der spanischen Botschaft in Ost-Berlin provoziert werden.747 In zwei großen Interviews warb Botschafter Lorf für die „Korrektur“ eines „nicht mehr gültigen“ DDR-Bilds zu dem eines erfolgreichen Industrielands und versuchte, das wirtschaftspolitische Engagement der Botschaft in den Mittelpunkt zu stellen.748 In „Sábado Gráfico“, einer ursprünglich dem linken Flügel der Falange nahestehenden, später weitgehend unpolitischen Illustrierten, betonte er das Interesse der DDR am raschen Abschluss eines Handelsabkommens und verwies darauf, dass eine Regierungsdelegation aus Ost-Berlin zu diesem Zweck nach Spanien gereist sei. Er gab sich betont optimistisch bezüglich des Potenzials der Handelsbeziehungen und schloss sogar Investitionen der DDR in Spanien nicht aus, wenngleich es dazu noch keine konkreten Pläne gebe. Lediglich die Frage, ob auch spanische Gastarbeiter in die DDR entsandt würden, verneinte er klar unter Hinweis darauf, dass in der DDR kein Bedarf dafür bestehe.749 Anlässlich eines Besuchs in Barcelona zeichnete er in einem Gespräch mit „La Vanguardia“ ebenfalls ein Bild der DDR als wirtschaftlich attraktive Partnerin mit großem Potenzial für Spanien. Mit Blick auf die wirtschaftsfreundliche Leserschaft der Zeitung führte er aus, wie Spanien von hochwertigen ostdeutschen Erzeugnissen des Maschinenbaus und der chemischen und optischen Industrie profitieren sowie in der DDR einen Absatzmarkt für spanische Zitrusfrüchte, Rohstoffe, Textilmaschinen und Ledererzeugnisse finden könne.750 Er stellte eine erstmalige Teilnahme der DDR an der Internationalen Messe in Barcelona für das Jahr 1974 in Aussicht und verknüpfte dies mit der Hoffnung, dass Spanien eine offizielle Delegation zur Leipziger Messe entsenden werde.751 Zu Lorfs Strategie, in erster Linie ein positives Wirtschaftsimage der DDR zu pflegen, zählte auch seine erste Dienstreise, die er im November 1973 nach Valencia unternahm. Neben Zivilgouverneur und Bürgermeister besuchte er lokale Orangenbauern und versuchte, Verbindungen zu
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Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Bericht über die auslandsinformatorische Tätigkeit im Jahre 1974, 10. 12. 1974, in: PA AA, M 1, C 1059/78, Bl. 1–8, hier: Bl. 4; MfK, Büro für Kulturtage und internationale Gäste, Abschlussbericht über eine Kultur-Delegation aus Spanien in der DDR, 26. 08. 1974, in: BArch, DR 1/18680, Bd. 1, unpag. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Bericht über die auslandsinformatorische Tätigkeit im Jahre 1974, 10. 12. 1974, in: PA AA, M 1, C 1059/78, Bl. 1–8, hier: Bl. 1. Germán Álvarez Blanco, Primera conversación a fondo con el primer embajador de la Europa socialista, in: Sábado Gráfico vom 14. 12. 1973, S. 13–15, hier: S 15: „Sé que en España hay una cierta imagen formada sobre mi país respondiendo a módulos circunstanciados en épocas pasadas. Yo querría decir que esa imagen no tiene validez, y que merece ser revisada.“ Vgl. ebenda, S. 14. Vgl. José Guerrero Martín, Señor Lorf: Nos interesa fortalecer al máximo el intercambio económico con España, in: La Vanguardia vom 04. 03. 1974. Vgl. ebenda.
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größeren Zitrusfruchtexportfirmen herzustellen, was ihm laut Bericht des bundesdeutschen Konsulats in Barcelona gelang. Darin hieß es auch, dass sein Besuch von der spanischen Presse sehr positiv hervorgehoben worden sei.752 Neben den Handelsbeziehungen interessierten sich Lorfs spanische Interviewpartner auch für das Verhältnis der DDR zur Bundesrepublik. Auf diesbezügliche Fragen, die teilweise Kritik an der Berliner Mauer oder dem Militarismus der DDR enthielten, antwortete Lorf diplomatisch-korrekt in der Rhetorik der „friedlichen Koexistenz“, gab sich jedoch auf gewisse Weise staatsmännisch-gelassen und würdigte die Ostpolitik Willy Brandts. Auch verweigerte er sich den Versuchen der spanischen Journalisten, ihn als Vertreter aller sozialistischen Staaten in Spanien anzusprechen, indem er betonte, dass er Botschafter der DDR und nicht des gesamten Ostblocks sei.753 Nicht zuletzt aufgrund der teils bemerkenswert freimütigen Fragen der spanischen Journalisten verfolgte die bundesdeutsche Botschaft das Auftreten Lorfs sehr genau: Botschafter Meyer-Lindenberg empfand seinen Umgang mit der Presse als „geschickt“ und konnte außer einiger „gezielte[r] Seitenhiebe“ keine offene Polemik gegen die Bundesregierung“ ausmachen.754 Insgesamt wurde die Informations- und Kontakttätigkeit der DDR-Botschaft in Spanien mit einem enormen Aufwand betrieben. Dies belegen zahlreiche gut informierte Berichte und Einschätzungen Lorfs und Pfeiffers, die aus Beobachtungen, Presselektüre und der Kontaktarbeit vor Ort entstanden. Zum Teil wurden sie erst nach dem Beziehungsabbruch verfasst, dann mit Blick auf potenzielle Anknüpfungsmöglichkeiten für den Fall einer Wiederherstellung der Beziehungen. Sie enthielten detaillierte Informationen und Bewertungen über Regierung, ultrarechte Kreise, Kirche und Militär sowie über zahlreiche oppositionelle Gruppierungen, darunter insbesondere die unterschiedlichen Lager innerhalb des PCE.755 Die Kontaktarbeit vor Ort fiel den DDR-Diplomaten einerseits leichter als gedacht, da ihnen von unterschiedlicher Seite durchaus eine „[ü]berraschende Offenheit“ entgegengebracht wurde.756 Unter linken Oppositionskräften herrschten entweder historisch-nostalgische Sympathien für die DDR vor oder – wie im Fall von Tierno Galván für die Zeit der Transición zu zeigen sein wird – ein tatsächliches Interesse am real existierenden Sozialismus ostdeutscher Ausprägung.
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Vgl. Generalkonsulat der Bundesrepublik in Barcelona, Brief an die Botschaft der Bundesrepublik in Madrid betr. Besuch des Botschafters der DDR in Valencia, 03. 12. 1973, in: PA AA, MADR 12522, unpag. Vgl. Germán Álvarez Blanco, Primera conversación a fondo con el primer embajador de la Europa socialista, in: Sábado Gráfico vom 14. 12. 1973, S. 13–15, hier: S. 14. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben des Botschafters Meyer-Lindenberg betr. Interview des hiesigen DDR-Botschafters mit der Illustrierten „Sábado Gráfico“, 14. 12. 1975, in: PA AA, MADR 12517, unpag. Vgl. u. a. Botschaft der DDR in Madrid, Politische Parteien und Gruppen der spanischen Opposition, Herbst 1976, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 20–22; MfAA, Abteilung Westeuropa, Einschätzungen zu [sic!] innenpolitischen Spektrum von Parteien und Bewegungen in Spanien in der ersten Zeit nach dem Tode Francos, 1975–76, in: PA AA, M 1, C 3585, Bl. 1–55. Pfeiffer, Erinnerungen.
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In liberalen antifranquistischen Kreisen gab es laut Pfeiffer „eine gesunde Neugier auf die Vertreter des anderen deutschen Staates“ und auch „die Gesprächsbereitschaft und Offenheit bürgerlicher Oppositioneller“ fand er „[b]eachtlich und eigentlich überraschend“.757 Andererseits war das Interesse an der DDR insgesamt vergleichsweise gering und die kleine Botschaft wenig bekannt; laut Pfeiffer habe man die Erwartungen bezüglich der eigenen Wirkmöglichkeiten dementsprechend nicht allzu hoch angesetzt.758 Ergänzend muss berücksichtigt werden, dass persönliche Kontakte von DDRBotschaftsmitarbeitern, die über fachliche und protokollarische Angelegenheiten hinausgingen, von der Partei- und Staatsführung nicht erwünscht waren. Einladungen von Kollegen aus dem diplomatischen Corps waren ausschließlich unter Wahrung der professionellen Distanz anzunehmen und Kontakte zu Spaniern außerhalb der Dienstpflicht nicht gestattet; Arbeitskontakte durften nach dem Auslandseinsatz in der Regel nicht weitergeführt werden.759 Das gesellschaftliche Leben der ostdeutschen Diplomaten spielte sich daher hauptsächlich in selbst geschaffenen, abgeschotteten Strukturen vor Ort ab: innerhalb der Familien der Botschaftsangehörigen, im botschaftseigenen Kindergarten und der Schule, unter Außenhandelsvertretern und in Spanien weilenden Künstlern und Wissenschaftlern aus der DDR sowie im Austausch mit den Mitarbeitern der Handels- und Konsularmissionen der anderen sozialistischen Länder sowie der kubanischen Botschaft; daneben konnten auch spanische PCE-Mitglieder zum engeren Kontaktkreis zählen.760 Diese alltagsgeschichtliche Erfahrung bestätigt Otto Pfeiffers Erinnerung, dass landeskundliche Ausflüge innerhalb Spaniens in der Regel nicht gestattet waren.761 In einer Fernsehdokumentation über ostdeutsche Auslandskader bilanziert Sabine Michel in diesem Kontext allegorisch, dass „die nicht vorhandene Mauer“ im Ausland von einer „paranoiden“ SED-Führung durch Kontrollen der Botschaftskollektive ersetzt wurde und auf diese Weise einen tatsächlichen Austausch zwischen DDR-Diplomaten und ihren Kontaktpersonen im Einsatzland verhinderte.762
5.1.3 Das Verhältnis zur Zentrale in Ost-Berlin Gemäß der außenpolitischen Hierarchie hatte die Botschaft in Madrid wenig Eigenverantwortung und erhielt Aufgabenstellungen und Weisungen aus dem zuständigen Sektor Portugal/Spanien in der Abteilung Westeuropa des MfAA. Dessen Funktionspläne wurden ausgehend von „Beschlüssen von Partei und Regierung auf außenpolitischem Gebiet“ in enger Zusammenarbeit mit der Abteilung
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Ebenda. Vgl. ebenda. Vgl. Michel, Auslandskader. Erstausstrahlung in der ARD am 11. 02. 2019. Vgl. Pfeiffer, Erinnerungen. Vgl. ebenda. Michel, Auslandskader. Erstausstrahlung in der ARD am 11. 02. 2019.
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Internationale Verbindungen im ZK der SED ausgearbeitet, wobei der Botschafter an der halbjährlichen Erarbeitung der Sektorenarbeitspläne beteiligt wurde.763 Für Madrid war innerhalb des ohnehin kleinen Sektors lediglich ein politischer Mitarbeiter vorgesehen, während es für Portugal immerhin zwei gab. Dies macht deutlich, dass das franquistische Spanien für die SED trotz der raschen Beziehungsaufnahme nach Unterzeichnung des Grundlagenvertrags keine außenpolitische Priorität besaß. Zu den Aufgaben des Spanien-Verantwortlichen gehörten die Auswertung aller Berichte und Einschätzungen aus der Botschaft sowie angesichts des konfliktreichen Verhältnisses zum PCE die besondere Beobachtung der „Bruderpartei“;764 der Sektorenleiter kontrollierte die Tätigkeit des Botschafters und die Kontaktarbeit vor Ort.765 Ihm gegenüber trat Peter Lorf selbstbewusst auf und gab wiederholt zu verstehen, dass einige Anweisungen aus dem MfAA nicht die realen Arbeits- und Wirkmöglichkeiten der Botschaft berücksichtigten. Auch merkte Lorf an, Vermerke über Gespräche mit spanischen Partnern nur dann zu übermitteln, wenn er dies für opportun halte; seiner Meinung nach war die Botschaft besser in der Lage zur informatorischen Auswertung der Kontakte als die Zentrale in Ost-Berlin.766 Über die außenpolitische Tätigkeit hinaus hatte Lorf Kollektiv- und Parteiaufgaben innerhalb der Botschaft zu erfüllen und regelmäßig über den „politisch-ideologischen Stand“ des Botschaftskollektivs nach Ost-Berlin zu berichten.767 Dazu zählten die „Führung des sozialistischen Wettbewerbs“ und die „sozialistische[…] Gemeinschaftsarbeit“ innerhalb der Botschaft.768 Neben dem Botschafter als staatlichem Leiter der Auslandsvertretung waren Partei- und Gewerkschaftsleitung für die „Schaffung der bewusstseinsmäßigen Voraussetzung“ der Botschaftsmitarbeiter zuständig sowie für „Fragen der Sicherheit und Wachsamkeit“ bei der Erfüllung der Aufgaben vor Ort.769 Von 24 Botschaftsangehörigen waren 20 Mitglieder der SED, vier waren parteilose Ehefrauen. Die Mehrzahl von ihnen besaß keine langjährige Einsatzerfahrung im „kapitalistischen Ausland“, was sich laut Lorf insbesondere bei den „äABO“-Mitarbeitern der TKB negativ bemerkbar machte.770 Dennoch bilanzierte er nach Schließung der Botschaft im Oktober
763 764 765 766 767 768 769
770
Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Aufgabenstellung und Funktionsverteilung im Sektor Portugal/Spanien, 15. 08. 1975, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 234/10, unpag. Vgl. ebenda, Anlage IV. Vgl. ebenda, Anlage I. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Brief Lorfs an den Leiter der Abteilung Westeuropa, Plaschke, 05. 05. 1975, in: PA AA, M 1, C 3590, Bl. 7–9, hier: Bl. 9. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Aufgabenstellung und Funktionsverteilung im Sektor Portugal/Spanien, 15. 08. 1975, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 234/10, unpag. Botschaft der DDR in Madrid, Brief Lorfs an den Leiter der Abteilung Westeuropa, Plaschke, 03. 06. 1975, in: PA AA, M 1, C 3590, Bl. 10–12, hier: Bl. 10. MfAA, Abteilung Westeuropa, Zur Lage in Spanien und zu einigen Fragen der bisherigen und künftigen Arbeit gegenüber Spanien, Mitte Oktober 1975, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 3–12, hier: Bl. 10. Vgl. ebenda, Bl. 10–11. Sogenannte „äABO“-Mitarbeiter gehörten zu den „äußeren Absatzund Bezugsorganisationen“ der Außenhandelsbetriebe (AHB) bzw. TKB.
5. Die Botschaften in Madrid und Ost-Berlin
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1975, dass die „Einsatzbereitschaft“ des Madrider Kollektivs insgesamt „vorbildlich“ gewesen sei und eine „hohe Disziplin und effektive Arbeit[sweise]“ vorgeherrscht habe; diese habe sich insbesondere beim Abbruch der diplomatischen Beziehungen bewährt, der eine „besondere Verantwortung“ und „echte Bewährung“ für die Diplomaten dargestellt habe.771 Über die Arbeit Lorfs urteilte das MfS, dass er als Mitglied der Parteileitung der Botschaft „aktive Parteiarbeit“ geleistet und als Botschafter „unter den komplizierten Bedingungen des faschistischen Franco-Regimes“ bewiesen habe, „dass er fest auf dem Boden des proletarischen Internationalismus steht“.772 Da mit der diplomatischen Anerkennung der DDR und der Einrichtung von Botschaften im westlichen Ausland auch die „Möglichkeiten der konspirativen Informationsbeschaffung“ für die DDR zunahmen, versuchte insbesondere die Hauptverwaltung Aufklärung (HV A) des MfS, diese „weidlich“ auszunutzen.773 Neben den aus dem MfAA abgeschöpften Informationen wurden dazu eigene „Quellen“ im Ausland platziert. Dabei ging es dem Auslandsgeheimdienst der Stasi nicht nur um „Aufklärung“, d. h. um eine „passive Beschaffung von Informationen“, sondern es sollte ebenso „jede[r] unerwünschte[…] Abfluss von Informationen“ verhindert werden, weshalb in jeder Botschaft ein sogenannter Hauptsicherheitsbeauftragter über die Kontakte des Kollektivs wachte.774 Als das MfAA im Dezember 1974 einen „zusätzlichen Diplomaten“ an die Madrider Botschaft entsandte, mutmaßte der Erste Sekretär Otto Pfeiffer dementsprechend, dass dieser auf Betreiben des MfS „platziert“ werden sollte.775 Denn obwohl zwischen Lorf und der HV A „offizielle Verbindungen“ bestanden,776 war der Botschafter nicht über einen weiteren Mitarbeiter informiert worden.777 Da Pfeiffer den neu entsandten Kollegen aus seiner Zeit an der DDR-Botschaft in Havanna als potenziellen MfS-Mitarbeiter kannte, setzte er Botschafter Lorf davon in Kenntnis. Dieser hatte laut Pfeiffer wenig Interesse an einem verdeckten Stasi-Mitarbeiter in der Botschaft und begrüßte seine Ausweisung durch das spanische Außenministerium.778 Diese erfolgte freilich nicht im Wissen um eine etwaige Geheimdienstfunktion, sondern war eine Folge der Personalobergrenze für die DDR-Botschaft. Lorf hatte das MfAA bereits vor der Entsendung des „zusätzlichen Diplomaten“ darauf hingewiesen, dass das spanische Außenministerium einen weiteren Mitarbeiter
771 772 773 774 775 776 777
778
Ebenda, Bl. 11. BStU, MfS, AOP, Nr. 683/85, Bl. 48. Knabe, West-Arbeit, S. 9. Ebenda, S. 10–11; vgl. auch Michel, Auslandskader. Erstausstrahlung in der ARD am 11. 02. 2019. Pfeiffer, Erinnerungen. BStU, MfS, AOP, Nr. 683/85, Bl. 106. In der Tatsache, dass die Leiter der DDR-Auslandsvertretungen nicht offiziell darüber informiert wurden, wer in ihrer Botschaft das MfS vertrat, sieht Wentker einen Beleg für die fehlende „Normalisierung“ des DDR-Außendiensts im Vergleich mit dem anderer Staaten: vgl. Wentker, Außenpolitik in engen Grenzen, S. 203–204. Vgl. Pfeiffer, Erinnerungen.
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II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
kaum akzeptieren würde, dieses hatte jedoch – möglicherweise aufgrund von Druck aus dem MfS – die Situation vor Ort falsch eingeschätzt.779 In anderen Kontexten führten einerseits der Anspruch, durch die neu eröffnete Botschaft die eigene Staatlichkeit unter Beweis zu stellen,780 und andererseits mangelnde Kenntnisse über das spätfranquistische Spanien zu Weisungen aus dem MfAA, welche die Botschaft vor protokollarische Schwierigkeiten stellten. Geschäftsträger Pfeiffer etwa wurde nach dem Tod Walter Ulbrichts am 1. August 1973 angewiesen, ein Kondolenzbuch in der Botschaft auszulegen und die Protokollabteilung des MAE sowie das diplomatische Corps per Note davon zu informieren. Pfeiffer wollte die Weisung aus Ost-Berlin angesichts der Präsenz der anderen sozialistischen Vertretungen in Madrid zwar nicht ignorieren, fürchtete aber die Reaktion des spanischen Außenministeriums, zumal die Presse anlässlich Ulbrichts Tod negativ über den „Altstalinisten“ berichtet hatte.781 Das MAE löste das Problem, indem es den stellvertretenden Protokollchef entsandte, der außerhalb der Geschäftszeiten erschien und damit eine öffentliche Beachtung des Besuchs vermied.782 Generell kam der Botschaft zugute, dass das MAE wenig Interesse an ihrer öffentlicher Wahrnehmung hatte und entsprechend von den ostdeutschen Diplomaten keine symbolischen Loyalitätsbekundungen und nur wenige protokollarische Verpflichtungen einforderte – darunter die persönliche Begegnung mit Staatschef Franco bei der Akkreditierung des Botschafters und dessen Teilnahme an den Empfängen zum Nationalfeiertag und „Tag des Caudillo“. Durch diese Distanzwahrung konnte die Botschaft weitere Direktiven aus Ost-Berlin umsetzen, die der staatsmännischen Repräsentation der DDR dienen sollten. Pfeiffer wertete beispielsweise den ersten offiziellen Empfang zum Nationalfeiertag der DDR am 7. Oktober 1973 als einen „erfolgreiche[n] Auftakt des diplomatischen Auftretens der DDR in Madrid“, da Anzahl und Ranghöhe der Gäste aus dem MAE und diplomatischen Corps „völlig zufriedenstellend“ gewesen und „auffällig“ viele Außenhandelspartner der Einladung durch die Botschaft gefolgt seien.783 Zu den „Höhepunkten der politisch-diplomatischen Arbeit“ zählten außerdem die Feiern des 25. Jahrestags der DDR 1974 und des 30. Jahrestags der „Befreiung vom Faschismus“ am 8. Mai 1975.784 Bei letzterem war sich die Botschaft der Brisanz „unter den
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780 781 782 783 784
Zur Ausweisung nach Aufforderung durch das MAE vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Konzeption für die Aufnahme von Verhandlungen mit dem spanischen Außenministerium über den Umfang des Botschaftspersonals der Botschaft der DDR in Madrid, 14. 03. 1975, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 62–66, hier: Bl. 63. Vgl. allgemein für die westlichen DDR-Botschaften Wentker, Außenpolitik in engen Grenzen, S. 450. Pfeiffer, Erinnerungen. Zur Presseberichterstattung vgl. o. V., Ha muerto Walter Ulbricht, in: ABC vom 02. 08. 1973, S. 17. Vgl. Pfeiffer, Erinnerungen. Botschaft der DDR in Madrid, Kurzbericht über den Cocktail zum 24. Jahrestag der Gründung der DDR, 11. 10. 1973, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 43–44. MfAA, Abteilung Westeuropa, Zur Lage in Spanien und zu einigen Fragen der bisherigen und künftigen Arbeit gegenüber Spanien, Mitte Oktober 1975, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 3–12, hier: Bl. 10 sowie Botschaft der DDR in Madrid, Rahmenplan zur Vorbereitung und
5. Die Botschaften in Madrid und Ost-Berlin
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spezifischen Bedingungen der Existenz eines faschistischen Regimes in Spanien“ bewusst und sah in ihrem Rahmenplan zur Gestaltung der Feierlichkeiten vor, „große Elastizität an den Tag zu legen“; dabei ging es auch darum, „unerwünschte Reziprozitätsforderungen“ der spanischen Botschaft in Ost-Berlin zu vermeiden“.785 Neben einem gemeinsamen Cocktail mit Vertretern der Sowjetunion und ČSSR waren vom Anlass losgelöste Aktivitäten vorgesehen, etwa ein Gastspiel der Dresdner Philharmoniker, ein Filmcocktail mit spanischen Künstlern und Gespräche mit Wirtschaftsjournalisten anlässlich der Leipziger Frühjahrsmesse.786
5.1.4 Das Verhältnis zur bundesdeutschen Botschaft in Madrid Daneben waren manche protokollarischen „Kuriosa“ auch auf die Präsenz zweier deutscher Vertretungen zurückzuführen und auf die in Spanien nach wie übliche Gleichsetzung von „Deutschland“ und „Bundesrepublik“.787 Es kam mehrfach zur Verwechslung der beiden deutschen Botschaften durch spanische Regierungsvertreter: Bei der Akkreditierung Peter Lorfs am 8. November 1973 etwa setzte die Protokollabteilung des MAE versehentlich den Stander der Bundesrepublik am Auto des spanischen Protokollchefs, der Lorf zum Akkreditierungsakt abholte.788 Ein Jahr später wurde Lorf bei einer Dienstreise nach Bilbao vom dortigen Bürgermeister als bundesdeutscher Botschafter in Empfang genommen und fand nicht nur die falsche Beflaggung vor, sondern auch Tischkarten, die auf Georg von Lilienfeld ausgestellt waren.789 Daneben kam es vor, dass spanische Bürger in konsularischen Belangen irrtümlicherweise anstatt der bundesdeutschen die Botschaft der DDR aufsuchten.790 Als besonders kurioser Fall kann diesbezüglich der eines Veteranen der spanischen Freiwilligeneinheit „Blaue Division“ hervorgehoben werden. Er hatte im Zweiten Weltkrieg als Mitglied der „División Azul“ am Russlandfeldzug der deutschen Wehrmacht teilgenommen und wollte „in Deutschland“ Rentenansprüche geltend machen. Nach dem Hinweis, dass er sich in der Botschaft der DDR befinde, verließ er diese in Empörung darüber, dass „nun die von
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Durchführung des 30. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus, März 1975, in: PA AA, M 1, C 1262/77, Bl. 1–2. Botschaft der DDR in Madrid, Rahmenplan zur Vorbereitung und Durchführung des 30. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus, März 1975, in: PA AA, M 1, C 1262/77, Bl. 1– 2, hier: Bl. 1. Vgl. ebenda. Vgl. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Stellung der DDR seit Aufnahme der diplomatischen Beziehungen, 10. 10. 1975, in: PA AA, MADR 12682, unpag. Vgl. Pfeiffer, Erinnerungen. Vgl. Generalkonsulat der Bundesrepublik in Bilbao, Brief an die Botschaft der Bundesrepublik in Madrid betr. Besuch des Botschafters der DDR in den baskischen Provinzen, 05. 09. 1974, in: PA AA, MADR 12682, unpag. Vgl. Pfeiffer, Erinnerungen; Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Stellung der DDR seit Aufnahme der diplomatischen Beziehungen, 10. 10. 1975, in: PA AA, MADR 12682, unpag.
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II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
der russischen Seite […] hier in Madrid mit Schlips und Kragen“ säßen.791 Die DDR-Botschaft, die ihn konsularisch nicht vertreten konnte, hätte seine Ansprüche wohl auch aus ideologischen Gründen kaum erfüllt. In ihrer anti-bundesrepublikanischen Propaganda kritisierte die DDR mehrfach, dass ehemalige Teilnehmer der „Blauen Division“ ab Mitte der 1960er Jahre in der Bundesrepublik Versorgungsleistungen erhielten, ehemalige Angehörige der Internationalen Brigaden jedoch nicht.792 Neben Verwechslungszwischenfällen und protokollarischen Bagatellen ergaben sich aus der Präsenz der beiden deutschen Botschaften auch Streitigkeiten von größerer politischer und diplomatischer Bedeutung. Dazu zählte der Konflikt um die Einordnung der DDR-Botschaft in die offizielle Protokollliste des spanischen Außenministeriums. Nach protokollarischem Usus in Madrid hätte die DDR als „República Democrática Alemana“ alphabetisch vor „República Federal de Alemania“ gelistet werden müssen, was das MAE jedoch auf Druck der Bundesrepublik ablehnte.793 Botschafter Lorf und der Erste Sekretär Pfeiffer waren diesbezüglich mehrfach im Palacio de Santa Cruz vorstellig geworden, mussten sich letztlich aber der Entscheidung Ost-Berlins beugen, das in der Angelegenheit keine Konfrontation mit dem spanischen Außenministerium riskieren wollte.794 Das MfAA akzeptierte die vorrangige Nennung der Bundesrepublik und argumentierte, man habe mit dem Protest zumindest erreicht, dass die Bundesrepublik nicht mehr ausschließlich als „Alemania“ geführt werde, womit eine Zurückweisung der „BRD-Alleinvertretungsanmaßung“ gelungen sei.795 Eine weitere grundsätzliche Konkurrenz ergab sich daraus, dass beide Vertretungen den Auftrag hatten, Tätigkeiten und Kontakte der jeweils anderen Botschaft nach Ost-Berlin bzw. Bonn zu berichten.796 Der bundesdeutsche Botschafter Hermann Meyer-Lindenberg und sein Nachfolger Georg von Lilienfeld (ab 1974) waren vom Auswärtigen Amt dazu angehalten, über die „auslandsinformatorische Arbeit“ der DDR-Botschaft, das Auftreten Peter Lorfs in Öffentlichkeit und diplomatischem Corps und über die Rezeption in der spanischen Presse Rapport zu erstatten; zusätzlich mussten jährlich ausführliche Fragebogen beantwortet werden.797 Nach Abbruch der Bezie-
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796 797
Pfeiffer, Erinnerungen. Zur „Blauen Division“ vgl. Núñez Seixas, Blaue Division. Zu den langwierigen Verhandlungen über ihre Kriegsopferteilversorgung vgl. Aschmann, Treue Freunde, S. 385–391. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa/Abteilung BRD, Information über die Einordnung der Botschaft der DDR in Madrid in die CD-Liste, 13. 11. 1973, in: PA AA, M 2, B 1268/77, unpag. Vgl. Interview mit Otto Pfeiffer, 27. 11. 2017. MfAA, Abteilung Westeuropa, Entwicklung der Beziehungen der DDR zu Spanien, 07. 03. 1974, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 23–24, hier: Bl. 24. Die Bundesrepublik wurde fortan als „Alemania, República Federal de“ gelistet. Für die DDR vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Aufgabenstellung und Funktionsverteilung im Sektor Portugal/Spanien, 15. 08. 1975, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 234/10, unpag. Vgl. AA, Runderlass an alle diplomatischen und sonstigen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland betr. politischer Öffentlichkeitsarbeit der DDR im Ausland, 04. 05. 1973, in: PA AA, MADR 12628, unpag.
5. Die Botschaften in Madrid und Ost-Berlin
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hungen durch Ost-Berlin bilanzierte von Lilienfeld, dass die Stellung der DDRBotschaft im diplomatischen Corps „normal“ gewesen und Lorf dort „wegen seines hohen Informationsstandes und seiner Intelligenz geschätzt“ worden sei; auch aufgrund seiner „Urbanität“ sei er für den Posten in Madrid „besonders qualifiziert“ gewesen.798 Daneben lieferte die bundesdeutsche Botschaft dem Auswärtigen Amt ausführliche Berichte und Einschätzungen über die Entwicklung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen der DDR und Spanien, die sich in der Regel auf spanische Quellen bezogen und detaillierte Statistiken enthielten.799 Auch auf diesem Feld fiel das Urteil positiv aus und die handelspolitische Abteilung der DDR-Botschaft sowie die ostdeutschen TKB wurden als „fachlich besonders spezialisiert“ eingeschätzt.800 Neben der Beobachtungs- und Berichttätigkeit hatte die Bonner Vertretung außerdem die Aufgabe, in Spanien tätige bundesdeutsche Institutionen – darunter das Goethe-Institut, die deutsche Schule und die Handelskammervertretungen – im Umgang mit der neuen Konkurrenzsituation zu unterweisen. Sie wurden angehalten, „das Nebeneinander der beiden deutschen Staaten […] so reibungslos wie möglich zu gestalten“, wobei Kontakte zur DDRBotschaft „nicht um jeden Preis gesucht werden“ sollten.801 Gegen dienstliche Kontakte wie Antrittsbesuche, Fachgespräche und gegenseitige Einladungen erhob das Auswärtige Amt generell keine Bedenken, wobei letztere stets im Einzelfall zu prüfen waren.802 Belastet wurde das Verhältnis der beiden deutschen Vertretungen im April 1974 durch die Nelkenrevolution und den Kollaps der Diktatur in Portugal, in dessen Zuge die Kommunistische Partei Álvaro Cunhals (PCP)803 großen Einfluss gewann und ein „sehr ungewisser Übergangsprozess“ folgte.804 Muñoz Sánchez führt aus, dass die „Radikalisierung“ der Nelkenrevolution zu „enormer Besorgnis“ in der Bundesrepublik führte und „Angst vor einer Portugalisierung Spaniens“ auslöste. Plötzlich schien der „Vorabpakt“ über eine allmähliche Entwicklung Spaniens in Richtung Demokratie, den die Bundesregierung stillschweigend mit den bürgerlich-konservativen Kräften der franquistischen Regierung unter Ministerpräsident
798 799 800 801
802 803 804
Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Stellung der DDR seit Aufnahme der diplomatischen Beziehungen, 10. 10. 1975, in: PA AA, MADR 12682, unpag. Die regelmäßigen Berichte sind abgelegt in: AA, Wirtschaftsaußenbeziehungen, hier: DDR (1973–1987), in: PA AA, MADRI, Bd. 36371, unpag. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Stellung der DDR seit Aufnahme der diplomatischen Beziehungen, 10. 10. 1975, in: PA AA, MADR 12682, unpag. AA, Runderlass an alle diplomatischen und berufskonsularischen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland betr. Verhalten in amtlichem Auftrag im Ausland tätiger kultureller und wirtschaftlicher Institutionen, Mittlerorganisationen und Einzelpersönlichkeiten aus der Bundesrepublik Deutschland gegenüber entsprechenden Einrichtungen oder Personen aus der DDR, 18. 07. 1973, in: PA AA, MADR 12682, unpag. Vgl. ebenda. Partido Comunista Portugês. Muñoz Sánchez, Wandel, S. 206. Zum Einfluss der Nelkenrevolution auf die Politik der Bundesrepublik in Spanien vgl. ebenda, S. 206–214; Sanz Díaz, República Federal de Alemania. Zur Reaktion der DDR auf die Nelkenrevolution vgl. Wagner, Portugal, S. 37–47.
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Carlos Arias Navarro vereinbart hatte, gefährdet.805 Auch Botschafter von Lilienfeld gehörte in Madrid zu denjenigen, die die Macht des PCE als stark einschätzten und Santiago Carrillo zutrauten, bei einem Scheitern der bürgerlichen „Reformer“ in Spanien „die Macht an sich zu reißen“.806 Er berichtete entsprechend alarmiert nach Bonn, dass Botschafter Lorf ihm gegenüber bei einem „etwas offeneren Gespräch“ geäußert habe, dass er für die „Cocktailopposition“ der reformwilligen Kräfte in der Regierung keinen Rückhalt in der spanischen Bevölkerung sehe und seines Erachtens „nur die Kommunisten gut organisiert und politisch einsatzbereit seien.“ 807 Dem steht die Aussage Pfeiffers gegenüber, dass man nach der Nelkenrevolution in Portugal schnell die „Überheblichkeit“ Carrillos erkannt habe, der die künftige Rolle des PCE in einem postfranquistischen Spanien „eindeutig“ überschätzt habe.808 In der Tat stellte eine Studie des MfAA im Mai 1974 auf Grundlage der Beobachtungen der Madrider Botschaft fest, dass „von den Faktoren, die in Portugal zur Veränderung des Systems führten, […] hier nur ein Teil wirksam“ sei. Entsprechend hielt die SED in Spanien nicht eine Machtergreifung durch die Kommunisten für den „wahrscheinlichste[n] Weg“, sondern eine „weitere Anpassung des herrschenden Regimes an die Erfordernisse der monopolkapitalistischen Entwicklung“.809 Nichtsdestotrotz wusste die DDR-Botschaft um die Beunruhigung der bundesdeutschen Kollegen, sodass die Bemerkung Lorfs gegenüber von Lilienfeld bezüglich der Schlagkraft des PCE durchaus als gezielter Versuch der Verunsicherung verstanden werden kann.810 Obgleich die portugiesische Nelkenrevolution außer einer verstärkten Berichterstattung nach Ost-Berlin und einer besonderen Beobachtung der Reaktion Carrillos keine nennenswerten Aktivitäten der DDR-Botschaft in Spanien zur Folge hatte,811 wirkte die angeschürte Angst vor dem Kommunismus kontraproduktiv auf ihre „auslandspropagandistische“ Arbeit. Zwar hatte die SED in den Monaten nach der Revolution nur einen sehr geringen Einfluss auf den Kurs des PCP und Honecker distanzierte sich ab Sommer 1975 von Cunhal,812 doch das Erstarken 805 806 807 808
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Muñoz Sánchez, Wandel, S. 206. Ebenda, S. 209. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Stellung der DDR seit Aufnahme der diplomatischen Beziehungen, 10. 10. 1975, in: PA AA, MADR 12682, unpag. Pfeiffer, Erinnerungen. Zu Carrillos Einschätzung der Nelkenrevolution und der Stärke des PCE vgl. ein Interview mit Santiago Carrillo in der jugoslawischen Tageszeitung Oslobođenje vom 30. 04. 1975. In Übersetzung abgelegt in: MfAA, Abteilung Westeuropa, Informationen zur kommunistischen Partei Spaniens, 1969–76, in: PA AA, M 1, C 3586, Bl. 104–109. MfAA, Abteilung Westeuropa, Studie zu Möglichkeiten und Erfordernissen der Entwicklung der Beziehungen zu Spanien, 29. 05. 1974, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 28–36, hier: Bl. 32. Vgl. die Einschätzung des MfAA, dass „[m]it dem Sturz der faschistischen Diktatur in Portugal“ die Bundesrepublik „an der Vermeidung jeder sprunghaften Veränderung des spanischen politischen Lebens interessiert“ sei: MfAA, Einschätzung der Beziehungen SpanienBRD, 1976, in: PA AA, M 1, C 3574, Bl. 26–31, hier: Bl. 30. Vgl. die entsprechende Weisung aus Ost-Berlin: MfAA, Abteilung Westeuropa, Aufgabenstellung und Funktionsverteilung im Sektor Portugal/Spanien, 15. 08. 1975, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 234/10, unpag. Vgl. Wagner, Portugal, S. 43–45.
5. Die Botschaften in Madrid und Ost-Berlin
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der portugiesischen Kommunisten führte sowohl in der bundesdeutschen Botschaft in Madrid als auch in der spanischen Öffentlichkeit zu erhöhter Skepsis gegenüber den ostdeutschen Diplomaten.813 Zusätzlich dürften dazu die Telegramme des spanischen Botschafters aus Ost-Berlin beigetragen haben: Carlos Gámir Prieto berichtete vor dem Hintergrund der Entwicklungen in Portugal über ein hochrangiges Delegationstreffen von PCE und SED in Ost-Berlin Ende 1974, bei dem Honecker und Carrillo einen betont harmonischen Ton anschlugen und zum Zeichen ihrer Versöhnung ein gemeinsames Kommuniqué verabschiedeten.814 Zwar wies Gámir Prieto auch auf die anhaltende ideologische Verstimmung zwischen den ostdeutschen und spanischen Kommunisten hin, zeigte sich aber durch die SED-Propaganda, die Carrillos Besuch als Rückkehr des „verlorenen eurokommunistischen Sohns“ in den Schoß der orthodoxen Kommunisten darzustellen suchte, durchaus alarmiert.815 Außerdem analysierte er in seinem Bericht über eine DDR-Delegation unter Hermann Axen nach Portugal dessen Rede penibel auf Anspielungen auf Spanien und etwaige gemeinsame Aktionspläne von portugiesischen, spanischen und ostdeutschen Kommunisten.816 Wenngleich er außer der üblichen Rhetorik des „Mythos Spanien“ und historischen Referenzen auf den spanischen Bürgerkrieg keine politischen Absichten Axens für Spanien ausmachen konnte, trugen seine Berichte vor dem Hintergrund der Nelkenrevolution nicht zu einer Verbesserung des Images der DDR in Spanien bei.817
5.2 Die spanische Botschaft in Ost-Berlin Die Einrichtung der Botschaft Spaniens in der DDR fiel in die letzten Wochen der Amtszeit von Außenminister López Bravo, der nach dem Notenaustausch in Warschau auf eine „schnelle[…] Entwicklung der Beziehungen zur DDR“ drängte. Am Rande eines KSZE-Vorbereitungstreffens in Helsinki im April 1973 erklärte er dem DDR-Delegationsleiter Siegfried Bock und dem stellvertretenden Außenminister Ernst Scholz, dass er eine solche nur durch die „baldige Einrichtung der
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Vgl. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben des Botschafters von Lilienfeld betr. Beziehungen Spaniens zur UdSSR, hier: Versuche zum Ausbau der sowjetischen Anwesenheit, 17. 03. 1975, in: PA AA, MADR 12522, unpag. Vgl. Botschaft Spaniens in Ost-Berlin, Telegramme Nr. 159/160 des Botschafters Gámir Prieto ans MAE, 23. 12. 1974, in: AGA, Fondo A. Ex., (10)0000, 12/02229, unpag. Botschaft Spaniens in Ost-Berlin, Telegramm Nr. 158 des Botschafters Gámir Prieto ans MAE, 03. 12. 1974, in: AGA, Fondo A. Ex., (10)0000, 12/02229, unpag.: „[…] la principal significación de este viaje de Carrillo […] [es] presentar a Carrillo como oveja descarriada que vuelve al redil de la obedencia de Moscú […].“ Vgl. Botschaft Spaniens in Ost-Berlin, Telegramm Nr. 175 des Botschafters Gámir Prieto ans MAE, 23. 12. 1974, in: AGA, Fondo A. Ex., (10)0000, 12/02229, unpag. So auch die Einschätzung von Lilienfelds: vgl. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Stellung der DDR seit Aufnahme der diplomatischen Beziehungen, 10. 10. 1975, in: PA AA, MADR 12682, unpag.
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spanischen Botschaft in Berlin“ gewährleistet sehe.818 Bereits im Februar hatte er den Generalinspekteur für Botschaften des MAE, Luis de Villegas y Urzaiz, nach Ost-Berlin entsandt, um entsprechende Schritte in die Wege zu leiten.819 Dieser konnte dabei mit einem Entgegenkommen des MfAA rechnen: Nach der internationalen Anerkennung der DDR war ein reibungsloser Ablauf der zahlreichen Botschaftseröffnungen in Ost-Berlin zu einer Prestigefrage für die SED geworden.820 Im Fall Spaniens hatte das Politbüro bereits kurz nach Aufnahme der diplomatischen Beziehungen eine Unterstützung der Botschaftseinrichtung beschlossen,821 wobei die Funktionspläne für den Sektor Portugal/Spanien in der Abteilung Westeuropa des MfAA keine Zusammenarbeit mit den Diplomaten aus Spanien über die notwendigen „Arbeitskontakte“ hinaus vorsahen.822 De Villegas y Urzaiz stieß daher bei seinem ersten Besuch im MfAA auf deutliche Zurückhaltung. Als er gegenüber Ingo Oeser, dem Leiter der Abteilung Westeuropa, die „traditionelle[…] Freundschaft zwischen dem spanischen und dem deutschen Volk“ lobte,823 verwehrte sich Oeser einer solchen – sie wurde in der DDR mit Hitlers Schützenhilfe für Franco im spanischen Bürgerkrieg assoziiert und der Bundesrepublik angelastet.824 Er sprach vielmehr von „sachlichen Beziehungen“ und „gab Herrn Villegas deutlich zu verstehen, dass seit 24 Jahren die Deutsche Demokratische Republik als souveräner Staat besteht, deren Charakter in keiner Weise mehr mit dem Deutschland von vor 1945 vergleichbar ist.“ 825 Möglicherweise als Reaktion auf diese Zurückhaltung entsandte Madrid als vorläufigen Geschäftsträger für die Botschaft Joaquín Pérez Gómez, einen jungen liberalen Diplomaten, der zuvor Erster Sekretär in der Konsular- und Handelsmission Spaniens in Warschau gewesen war und somit Erfahrung mit sozialistischen Ländern besaß.826 Er sollte später Direktor der Osteuropa-Abteilung des MAE und politischer Vertrauter des Sozialisten Tierno Galván werden, einem wichtigen Förderer
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MfAA, Abteilung Grundsatzfragen und Planung, unbennanter Bericht, 18. 04. 1973, in: PA AA, M 1, C 3579, Bl. 14–15, hier: Bl. 15. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Vermerk über ein Gespräch des Genossen Dr. Oeser, Leiter der Abteilung Westeuropa des MfAA, mit dem spanischen Gesandten Villegas am 21. 2. 1973 im MfAA, undatiert, in: PA AA, M 1, C 3579, Bl. 7–9, hier: Bl. 7. Vgl. Korth, Gerhard, Die Verwirklichung der Leninschen Prinzipien der friedlichen Koexistenz zwischen Staaten mit unterschiedlicher Gesellschaftsordnung, Typoskript, 15. 03. 1973, in: PA AA, Nachlass 152, Gerhard Korth, Nr. 15 (Vorträge), unpag. Vgl. Politbüro des ZK der SED, Information für das Politbüro des ZK der SED, 17. 01. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/45761, Bl. 154–159, hier: Bl. 158. MfAA, Abteilung Westeuropa, Aufgabenstellung und Funktionsverteilung im Sektor Portugal/Spanien, 15. 08. 1975, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 234/10, unpag. MfAA, Abteilung Westeuropa, Vermerk über ein Gespräch des Genossen Dr. Oeser, Leiter der Abteilung Westeuropa des MfAA, mit dem spanischen Gesandten Villegas am 21. 2. 1973 im MfAA, undatiert, in: PA AA, M 1, C 3579, Bl. 7–9, hier: Bl. 7. Vgl. Aschmann, Treue Freunde, S. 13. MfAA, Abteilung Westeuropa, Vermerk über ein Gespräch des Genossen Dr. Oeser, Leiter der Abteilung Westeuropa des MfAA, mit dem spanischen Gesandten Villegas am 21. 2. 1973 im MfAA, undatiert, in: PA AA, M 1, C 3579, Bl. 7–9, hier: Bl. 7–8. Vgl. MAE, Verbalnote ans MfAA, 04. 05. 1973, in: PA AA, M 1, C 3579, Bl. 17.
5. Die Botschaften in Madrid und Ost-Berlin
155
der Beziehungen des postfranquistischen Spaniens zur DDR.827 Unter Pérez Gómez nahm die Botschaft am 25. Juni zeitgleich mit der DDR-Vertretung in Madrid ihre Tätigkeit auf. Als Botschafter wurde noch unter López Bravo der Berufsdiplomat Carlos Gámir Prieto ausgewählt, den Außenminister López Rodó ernannte.828 Er hatte seit 1970 die spanische Mission in Ungarn geleitet und sprach durch frühere Einsätze am spanischen Konsulat in Zürich und der Botschaft in Bonn fließend Deutsch;829 laut MfAA genoss er unter westlichen Diplomaten ein „gutes Ansehen“ und war „einer der erfahrensten spanischen Diplomaten“.830 In der Tat hatte ihn die spanische KSZE-Delegation gegenüber der ostdeutschen Gesandtschaft bereits als „eine[n] ihrer profiliertesten Diplomaten“ angekündigt, der „in seine[r] Stellung und seine[r] Qualität […] den spanischen Botschafter in Bonn bei weitem überrage[…]“, was „unterstreiche, welche Bedeutung Spanien den Beziehungen zur DDR beimesse.“ 831 Dass sich López Bravo bei der Besetzung des Ost-Berliner Postens offenbar um eine Lösung bemüht hatte, die sowohl für die DDR als auch für die Bundesrepublik akzeptabel war, zeigt die Bewertung des Spanienkorrespondenten der „FAZ“, der Gámir Prieto „zu den fähigsten, aktivsten und liberalsten [Diplomaten] im Madrider Außenministerium“ zählte.832 Auch die bundesdeutsche Handelsvertretung in Budapest schätzte ihn als „sehr positiv zu unserer nationalen Frage eingestellt und mit dem spezifisch deutsch-deutschen Problem vertraut“ ein.833 In einer Information für die Kollegen in Madrid wies sie außerdem darauf hin, dass Gámir Prieto im spanischen Bürgerkrieg zunächst als „Verbindungsoffizier“ zwischen den Truppen Francos und der „Legion Condor“ der deutschen Wehrmacht und später als „Stoßtrupp-Kämpfer“ des nationalen Lagers gedient habe.834 Ein solcher biografischer Hintergrund wäre für den ersten spanischen Botschafter in der DDR von einiger Brisanz gewesen, nicht zuletzt mit Blick auf die Anwesenheit des stellvertretenden Außenministers und ehemaligen Spanienkämpfers Ernst Scholz bei seiner Akkreditierung.835 Der Hinweis auf eine Verbindungstätigkeit Gámir Prietos zur „Legion Condor“ wird jedoch in keiner DDR-Quelle bestätigt: Eine
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Vgl. o. V., En memoria de Joaquín Pérez Gómez, in ABC vom 17. 07. 2005, S. 53. Vgl. López Rodó, Memorias, S. 415. Vgl. Gámir Prieto, Carlos, in: Diccionario Biográfico Bd. 2, S. 680–681. MfAA, Kurzbiografie Carlos Gámir Prieto, September 1973, in: Staatsrat der DDR, Abteilung Internationale Beziehungen, Länderakte Spanien (1973–76), in: BArch, DA 5/12638, unpag. MfAA, Abteilung Grundsatzfragen und Planung, unbennanter Bericht, 18. 04. 1973, in: PA AA, M 1, C 3579, Bl. 14–15, hier: Bl. 14. Walter Haubrich, Spaniens Ostpolitik wird vorsichtiger, in: FAZ vom 11. 08. 1973, S. 2. Handelsvertretung der Bundesrepublik Deutschland in Budapest, Fernschreiben ans AA und die Botschaft Madrid betr. Berichterstattung über ausländische Persönlichkeiten, hier: Erster spanischer Botschafter in der DDR, 25. 04. 1973, in: PA AA, MADR 12517, unpag. Ebenda. Vgl. Staatsrat der DDR, Abteilung Intern. Beziehungen, Zeremoniell für die Akkreditierung des Außerordentlichen und Bevollmächtigten Botschafters Spaniens in der DDR, Seiner Exzellenz Carlos Gámir, am Freitag den 19. 10. 1973 um 9.30 Uhr, hier: Liste der Teilnehmer des MfAA, 18. 10. 1973, in: BArch, DA 5/12638, unpag; vgl. auch o. V., Botschafter überreichten ihre Beglaubigungsschreiben, in: ND vom 20. 10. 1973, S. 2.
156
II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
vom MfAA erarbeitete Kurzbiografie bildet dessen Laufbahn erst ab dem Jahr 1943 ab836 und eine ausführliche Einschätzung, die die Hauptabteilung II (Spionageabwehr) des MfS bei der ungarischen Staatssicherheit einholte, verweist nur darauf, dass er im Bürgerkrieg „an der Seite des Generals Franco“ gekämpft habe.837 Wenngleich es freilich denkbar ist, dass MfAA, MfS und ZK der SED eine etwaige Verstrickung Gámir Prietos mit der deutschen Luftwaffe in Spanien bewusst unterschlugen, um die neu geknüpften Beziehungen nicht zu belasten, sprechen das Fehlen eines entsprechenden Hinweises im internen Bericht der ungarischen Sicherheitsorgane und die ausschließliche und einmalige Erwähnung im Informationspapier der bundesdeutschen Handelsvertretung in Budapest vielmehr gegen die Richtigkeit der Information bzw. zumindest gegen die Kenntnis einer solchen in der DDR.838 Die Akkreditierung Gámir Prietos fand am 19. Oktober 1973 im Staatsratsgebäude statt und verlief korrekt nach den Vorgaben des Protokolls. Die Antrittsrede des Botschafters war kürzer gehalten als diejenige Lorfs in Madrid und kam gänzlich ohne politische Inhalte aus.839 Der Zeitpunkt stellte eine Rücksichtnahme auf die Interessen der Bundesrepublik dar, deren Botschafter zuvor „[v]ertraulich“ vom MAE zugesichert worden war, „dass Spanien mit dem tatsächlichen Austausch von Botschaftern bis nach der Ratifizierung des Grundvertrages warten“ werde; sollte die DDR auf einen früheren Austausch drängen, werde Spanien „technische Schwierigkeiten vorschieben.“ 840 Das Auswärtige Amt in Bonn hatte dem MAE die Entscheidung über den Termin daraufhin zwar freigestellt, jedoch betont, dass eine Zurückstellung bis zum Inkrafttreten des Grundlagenvertrags „als ein[…] besonderer Freundschaftsbeweis gewertet“ werden würde.841 Dass die Botschaft Spaniens in Ost-Berlin deswegen vier Monate lediglich unter einem Geschäftsträger arbeitete, stellte keine Ausnahme dar: Um die Anerkennung der DDR als eine Folge des Grundlagenvertrags zu demonstrieren, zögerten viele westliche Länder die Entsendung ihrer obersten Diplomaten nach Ost-Berlin hi-
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Vgl. MfAA, Kurzbiografie Carlos Gámir Prieto, September 1973, in: Staatsrat der DDR, Abteilung Intern. Beziehungen, Länderakte Spanien (1973–76), in: BArch, DA 5/12638. BStU, MfS, HA X AP, Nr. 10173/78, Bl. 35. In einschlägigen biografischen Lexika wird Gámir Prietos Laufbahn erst ab seinem Eintritt in das diplomatische Corps geschildert; entsprechend fehlen Hinweise auf seine militärische Funktion im spanischen Bürgerkrieg: vgl. u. a. Gámir Prieto, Carlos, in: Diccionario Biográfico Bd. 2, S. 680–681. Vgl. Botschaft Spaniens in Ost-Berlin, Antrittsrede des Botschafters Carlos Gámir Prieto anlässlich seiner Akkreditierung, 19. 10. 1973, in: BArch, DA 5/12638, unpag. Das Beglaubigungsschreiben Francos für Gámir Prieto sowie das Beglaubigungsschreiben für Peter Lorf sind abgelegt in: Staatsrat der DDR, Abteilung Intern. Beziehungen, Länderakte Spanien (1973–76), in: BArch, DA 5/12638, unpag. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben des Botschafters Meyer-Lindenberg betr. Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Spanien und der DDR am 11. 1. 1973, 11. 01. 1973, in: PA AA, MADR 12517, unpag. AA, Fernschreiben an die Botschaft der Bundesrepublik in Madrid betr. Spanien-DDR, 23. 02. 1973, in: PA AA, MADR 12571, unpag.
5. Die Botschaften in Madrid und Ost-Berlin
157
naus.842 Die USA, Großbritannien und Frankreich etwa verabredeten, ihre Botschaften in der DDR erst nach der Klärung der innerdeutschen „Vertretungsfrage“ einzurichten und ließen Beglaubigungsschreiben für ihre Botschafter erst 1974 überreichen.843 Hinzu kam in ihrem Fall außerdem das Schutzmachtversprechen für die ehemalige deutsche Hauptstadt, d. h. der Anspruch auf Souveränität über ganz Berlin und die Weigerung, eine uneingeschränkte Herrschaft der DDR über den Ostteil der Stadt anzuerkennen. Aus diesem Grund bezeichneten sie ihre diplomatischen Vertreter als „Botschafter bei der DDR“ und nicht „in der DDR“.844 In diesem Kontext berichtet Antonio Ortiz García, der nach der Wiederaufnahme der Beziehungen im Jahr 1977 kurzzeitig Geschäftsträger der spanischen Botschaft in Ost-Berlin war, von einer Auseinandersetzung mit dem MfAA um deren Benennung. Das MfAA habe mehrfach und letztlich erfolglos darauf gedrängt, das Eingangsschild der Botschaft auszutauschen, da dort lediglich „Botschaft Spaniens“ („Embajada de España“) ohne den von der SED üblicherweise gebrauchten Zusatz „in Berlin, Hauptstadt der DDR“ („en Berlín, capital de la RDA“) zu lesen war, mit dem die Staats- und Parteiführung ihre Ablehnung des Viermächtestatus Berlins zum Ausdruck brachte.845 Die internationale Anerkennung der DDR und die darauffolgende Einrichtung von fast sechzig internationalen Botschaften in Ost-Berlin bedeuteten einen großen außenpolitischen Erfolg für das SED-Regime, stellten jedoch zugleich eine organisatorische Herausforderung dar. Dabei war die Unterbringung der frisch akkreditierenden westlichen Botschafter mitsamt ihrem diplomatischen und administrativ-technischen Personal die größte Schwierigkeit. Das Politbüro des ZK der SED hatte bereits am 9. Januar 1973 Maßnahmen zur Unterbringung diplomatischer Missionen beschlossen, die sowohl die Standortsuche für Büro- und Residenzgebäude, die Feststellung des Raumbedarfs der einzelnen Länder, die Einleitung von erforderlichen Renovierungs- und Baumaßnahmen als auch die Sicherstellung der Versorgung und Betreuung der Diplomaten durch das dem MfAA nachgeordneten „Dienstleistungsamt für ausländische Vertretungen“ (DAV) umfassten.846 Wohnungs- und Materialmangel sowie Zeitdruck führten bei der Mehrzahl der Botschaftseinrichtungen jedoch zu Schwierigkeiten und Verzögerungen, weshalb das MfAA und insbesondere das DAV in dieser „diplomatischen Aufbauphase“ Kritik der westlichen Botschafter auf sich zogen.847 842 843 844 845 846
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Vgl. Joachim Nawrocki, Um 4 Uhr ist Feierabend, in: Die Zeit vom 30. 11. 1973. Wentker, Außenpolitik in engen Grenzen, S. 451. Zum Hinauszögern des Botschafteraustauschs durch Frankreich vgl. Schütze, Frankreich, S. 493. Vgl. Wentker, Außenpolitik in engen Grenzen, S. 450. Ortiz García, Papeleras, S. 272. Nach den Bestimmungen des Viermächteabkommens war Ost-Berlin kein konstitutiver Bestandteil der DDR. Vgl. Politbüro des ZK der SED, Sitzungsprotokoll Nr. 1/73 vom 9. Januar 1973, Anlagen 3 und 4 betr. Maßnahmen zur Unterbringung diplomatischer Missionen u. Aufgaben zur Sicherstellung der Versorgung und Betreuung diplomatischer Missionen, 09. 01. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/43408, Bl. 19–35. Vgl. o. V., Gehobenes Genre, in: Der Spiegel 33 (1974), S. 29–31; Joachim Nawrocki, Um 4 Uhr ist Feierabend, in: Die Zeit vom 30. 11. 1973.
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II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
Auch der spanische Gesandte de Villegas y Urzaiz beklagte technische Schwierigkeiten bei der Vorbereitung der Botschaftseinrichtung; einen Vorschlag des DAV, von der Residenz separierte Diensträume in Karlshorst anzumieten, lehnte er als nicht praktikabel ab.848 Da alternative Räumlichkeiten laut MfAA nicht zur Verfügung standen, wurde dem Wunsch des MAE, Dienstgebäude und Residenz gemeinsam unterzubringen, nicht entsprochen. Letztlich kamen die Diensträume und Handelsabteilung der spanischen Botschaft in einem Bürokomplex in der Clara-Zetkin-Straße unweit des Brandenburger Tors unter, während die Residenz zunächst provisorisch in einem Wohnhaus im Prenzlauer Berg eingerichtet wurde.849 Dies führte zu einer ersten diplomatischen Verstimmung: Da die Residenz erst ab Februar 1974 zur Verfügung stand, wies das DAV dem spanischen Botschafter das „Hotel unter den Linden“ als Wohnort zu. Laut einem Bericht des MfS zog Gámir Prieto dort bereits nach einem Tag aus und richtete seinen Wohnsitz in West-Berlin ein. Da dieser dem MfAA bis Mitte Dezember nicht näher bekannt war, gab die Hauptabteilung VI des MfS (Passkontrolle, Tourismus, Interhotel) eine Fahndung nach ihm in Auftrag,850 woraufhin er von der Protokoll-Abteilung des MfAA einbestellt wurde. Diese machte deutlich, dass sein Verhalten „negative Folgen in erster Linie für die Interessen Spaniens“ haben könne.851 Gámir Prieto entschuldigte die Situation, verwies jedoch auf die Unzulänglichkeiten des DAV und gab außerdem eine ärztliche Behandlung seiner Frau in West-Berlin als persönlichen Grund für den Umzug an; daher erachte er seinen dortigen Wohnsitz als „provisorische Lösung, die keinen politischen Charakter“ habe.852 Auf die nachdrückliche Bitte des Protokollbeamten, er möge seinen Wohnsitz zurück ins „Hotel Unter den Linden“ verlegen, ging er nicht ein und verwies darauf, dass er über seinen Kanzler, der ebenfalls in West-Berlin wohne, jederzeit für das MfAA zu erreichen sei.853 Nach Übergabe der fertiggestellten Residenz im Februar 1974 registrierte das MfS zwar einen dauerhaften Wohnsitz Gámir Prietos in Ost-Berlin, vermerkte in dessen Personalakte jedoch kritisch, dass er und seine Frau einen
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852 853
Vgl. DAV, Vermerk über am 22./23. 2. 1973 geführte Gespräche mit dem Vertreter Spaniens, Herrn Luis de Villegas – Gesandter und Generalinspekteur im spanischen Außenministerium, zur Einrichtung einer Botschaft in Berlin, 26. 02. 1973, in: PA AA, M 1, C 3579, Bl. 10– 11, hier: Bl. 11; MfAA, Abteilung Westeuropa, Vermerk über ein Gespräch des Genossen Dr. Oeser, Leiter der Abteilung Westeuropa des MfAA, mit dem spanischen Gesandten Villegas am 21. 2. 1973 im MfAA, undatiert, in: PA AA, M 1, C 3579, Bl. 7–9, hier: Bl. 8. Vgl. BStU, MfS, HA XXII, Nr. 5821, Bl. 228–231. Die Clara-Zetkin-Straße ist die heutige Dorotheenstraße in Berlin. Nach der Wiederherstellung der Beziehungen wurde die Botschaft erneut unweit Unter den Linden untergebracht, die Residenz im Botschaftsviertel in Pankow. Vgl. BStU, MfS, HA VI AP, Nr. 10173/78, Bl. 39–41. MfAA, Protokoll-Abteilung, Vermerk über ein Gespräch mit dem spanischen Botschafter in der DDR, Carlos Gamir [sic!], am 28. 12. 1973, im MfAA, 29. 12. 1973, in: PA AA, M 1, C 3580, Bl. 1–2, hier: Bl. 1. Ebenda. Vgl. ebenda.
5. Die Botschaften in Madrid und Ost-Berlin
159
großen Teil ihrer Freizeit in West-Berlin verbrachten und „eng befreundet“ mit dem dortigen spanischen Konsul und dessen Ehefrau seien.854 Abgesehen von dieser im MfAA als grober Fauxpas wahrgenommenen Wohnsitzwahl des Botschafters schätzten MfS und MfAA das Verhalten der spanischen Diplomaten als „normgerecht“, jedoch zu wenig initiativ ein.855 Dabei wurde die franquistische Botschaft penibel beobachtet: Knapp ein Jahr nach ihrer Eröffnung kritisierte das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, dass Spanien zwar ein „besonderes Interesse an Fragen des Handels und der Verkehrsbeziehungen“ zeige, Gámir Prieto jedoch noch keine Besuche bei DDR-Wirtschaftsvertretern gemacht habe.856 Negativ wurde diesbezüglich auch vermerkt, dass er nicht an den Leipziger Herbst- und Frühjahrsmessen teilnahm.857 Diese „geringe Aktivität“ 858 war erstens auf die personell schwache Besetzung der spanischen Botschaft zurückzuführen, die wiederum dem MAE als Argument gegen eine Vergrößerung der DDR-Botschaft in Madrid diente. Zweitens waren die politischen Ambitionen der Regierung Francos in der DDR nicht mit denen Ost-Berlins im spätfranquistischen Spanien vergleichbar, wo angesichts des absehbaren Ablebens Francos Veränderungen zu erwarten waren. Hinzu kommt drittens, dass mit Außenminister López Rodó das Interesse am weiteren Ausbau der Beziehungen zu den sozialistischen Ländern und damit an einer Brückenfunktion der DDR in den Osten geschwunden war. Viertens ist eine besondere Wachsamkeit der spanischen Botschaft gegenüber möglichen Spionageaktivitäten der Stasi anzunehmen, die ausländische Diplomaten „hartnäckig“ beobachtete.859 Laut Einschätzungen der ungarischen Sicherheitsorgane sei Gámir Prieto als Missionschef in Budapest „der bestinformierte Diplomat“ gewesen und habe sich besonders wachsam gegenüber Geheimdienstaktivitäten gezeigt.860 Die Mitarbeiter der spanischen Vertretung in Budapest seien unter seiner Leitung angehalten worden, „in ihrer Umgebung das Vorhandensein von Angehörigen der Sicherheitsorgane […] festzustellen“ und hätten dafür eine Reihe nicht näher bestimmter „Provokationen“ durchgeführt.861 Zwar konnte das MfS bis Juli 1974 „keine Provokationen“ gegenüber den Sicherheitsorganen der DDR feststellen, verdächtigte Gámir Prieto seinerseits aber der Spionage. Die für den Staatsapparat zuständige Hauptabteilung XX unterrichtete
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BStU, MfS, HA VI AP, Nr. 10173/78, Bl. 52–54. Zu West-Berlin als „Einkaufstätte und schulische Provinz“ für die Familien der westlichen Botschafter in der DDR vgl. Joachim Nawrocki, Um 4 Uhr ist Feierabend, in: Die Zeit vom 30. 11. 1973. MfAA, Abteilung Westeuropa, Sektor Portugal/Spanien, Aktivitäten der Botschaft Spaniens in der DDR, 21. 02. 1974, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 21–22, hier: Bl. 21. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Sektor Portugal/Spanien, Aktivitäten der Botschaft Spaniens in der DDR, 21. 02. 1974, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 21–22, hier: Bl. 21. Vgl. BStU, MfS, HA VI AP, Nr. 10173/78, Bl. 53–54. MfAA, Abteilung Westeuropa, Sektor Portugal/Spanien, Aktivitäten der spanischen Botschaft, 07. 08. 1975, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 19–20, hier: Bl. 19. So Faraldo für alle Geheimdienste in den sozialistischen Ländern: Faraldo, Policías secretas, S. 114. BStU, MfS, HA X AP, Nr. 10173/78, Bl. 36. Ebenda.
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II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
die Abteilung „Spionageabwehr“ über einen Hinweis der spanischen „Bruderpartei“, dass der Botschafter eine in Dresden wohnhafte Spanierin, die nach ihrem Exil in der UdSSR die sowjetische Staatsbürgerschaft besaß, als Informantin zu gewinnen versucht habe.862 Sie habe anlässlich einer Spanienreise die Botschaft aufgesucht und dort einen persönlichen „Anwerbungsversuch“ Gámir Prietos abgelehnt, der offenbar eine Kontaktquelle unter den in der DDR lebenden spanischen Kommunisten etablieren wollte.863 Eine tatsächliche antikommunistische Spionagetätigkeit der Botschaft Spaniens in der DDR kann durch die spanische Überlieferung weder bestätigt noch ausgeschlossen werden, da die Botschaftsbestände und Geheimdienstakten nicht einzusehen sind.864 Die MfS-Information ist dennoch aufschlussreich: Erstens belegt sie eine Zusammenarbeit zwischen SED, PCE und MfS bei der Beobachtung der Botschaftsaktivitäten. Zweitens kann die allgemeine Feststellung José Faraldos, dass die Überwachung westlicher Botschaften durch die Geheimdienste der sozialistischen Länder häufig jahrelang „ohne irgendeine Logik“ und freilich ohne die Aufdeckung großer subversiver Aktivitäten erfolgte,865 für die Botschaft Spaniens in der DDR bestätigt werden: Das MfS überwachte sie von 1973 bis zu ihrer Schließung 1990 und setzte für die Spionage in der Vertretung und „im persönlichen Bereich“ mindestens zwei, zweitweise sogar vier IM ein.866 Deren Berichte über Botschaftsmitarbeiter erschöpfen sich meist in Belanglosigkeiten und enthalten nicht selten Spekulationen oder falsche Informationen über politische Gesinnung, Parteizugehörigkeit und politische Verbindungen in Spanien.867 Drittens liefert der MfS-Bericht über eine mutmaßliche Spionagetätigkeit Gámir Prietos zumindest einen Hinweis darauf, dass die Befürchtungen der Exilspanier in der DDR, durch franquistische Diplomaten bespitzelt zu werden, nicht gänzlich unbegründet waren.868 Auch dem Ersten Kanzleioffizier der spanischen Botschaft, der als „reaktionär“ und „sehr konservativ“ galt und wegen des Verdachts auf „nachrichtendienstliche und Abwehrtätigkeit“ durch einen IM beobachtet wurde, unterstellte das MfS ein „großes Interesse für die in der DDR wohnhaften spanischen Staatsbürger“ und die Organisation der spanischen Emigranten in Dresden.869 Aufgrund seiner Äußerung, „dass alle Mitarbeiter und Räume der
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865 866
867 868 869
Vgl. ebenda, Bl. 70. Ebenda. Zur Unzugänglichkeit der Bestände der ehemaligen Botschaft Spaniens in der DDR vgl. Kap. I.4. Zur aktuellen Klassifizierungspraxis staatlicher spanischer Archive für „Staatsgeheimnisse“ vgl. Jesús Rodríguez, Entramos en el laberinto de los secretos de Estado en España, in: El País vom 05. 01. 2020. Faraldo, Policías secretas, S. 114–115. Vgl. BStU, MfS, HA II, Nr. 34740, Bl. 81; vgl. auch die Jahresarbeitspläne 1975–80 der Verwaltung für Staatssicherheit, Groß-Berlin, Abteilung II, in: BStU, MfS, BV Berlin, Abteilung II, Nr. 799, Bl. 310–401. So der letzte spanische Botschafter in der DDR, Álvarez de Toledo, nach Einsicht seiner Personalakte im BStU-Archiv: vgl. Interview mit Alonso Álvarez de Toledo, 04. 06. 2018. Vgl. Kap. II.4.3. BStU, MfS, HA II, Nr. 34688, Bl. 82.
5. Die Botschaften in Madrid und Ost-Berlin
161
spanischen Botschaft“ überwacht würden, galt er als „zu gut informiert“. Noch Mitte der 1980er Jahre vermutete ein IM, dass der Diplomat seine Position als Botschaftsattaché dazu nutzen wolle, die in der DDR lebenden Spanier ideologisch zu beeinflussen.870 Wie im Fall der zwei deutschen Vertretungen in Madrid ergaben sich auch durch die Präsenz der franquistischen Botschaft in Ost-Berlin protokollarische Schwierigkeiten bzw. Kuriosa. Bei den Weltfestspielen der Jugend im Juli und August 1973 wurde von der spanischen Festivaldelegation „[i]n Anwesenheit von D.D.R.-Behörden und ausländischen Persönlichkeiten“ die Flagge der Zweiten Spanischen Republik gezeigt, wogegen der Geschäftsträger der Botschaft, Pérez Gómez, in der Protokollabteilung des MfAA in einem „freundschaftlichen Gespräch seine Auffassung darlegen“ wollte. Er wies zunächst telefonisch darauf hin, dass die republikanische Flagge Ausdruck einer Gegnerschaft zur Regierung Francos sei und daher „als Einmischung in die Inneren Angelegenheit Spaniens betrachtet werden“ könne.871 Das MfAA sicherte ihm daraufhin zu, dass die Regierung der DDR versuchen werde, beim internationalen Festivalkomitee Einfluss zu nehmen.872 Da „die zugesagte Einflussnahme fast ohne Erfolg blieb“, brachte die Botschaft in einer offiziellen Verbalnote ans MfAA zum Ausdruck, „dass derartige Ereignisse gewiss nicht zur Erhaltung der Zusammenarbeit und der guten Beziehungen beitragen, die zwischen Spanien und der Deutschen Demokratischen Republik bestehen sollten.“ 873 Zu einer weiteren protokollarischen Auseinandersetzung kam es nach dem Attentat auf Regierungschef Luis Carrero Blanco durch die ETA am 20. Dezember 1973. Der stellvertretende Außenminister Kurt Nier und zwei MfAA-Mitarbeiter statteten der spanischen Botschaft aus diesem Anlass einen knappen offiziellen Kondolenzbesuch ab, übermittelten „im Namen der Regierung der DDR das Beileid zum Ableben des Ministerpräsidenten der Republik Spanien“ und trugen sich in das Kondolenzbuch ein.874 Ein Konflikt erwuchs dabei nicht etwa aus der irrtümlichen Bezeichnung Spaniens als Republik,875 sondern aus der von Botschafter
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873 874
875
BStU, MfS, HA II, Nr. 34831, Bl. 85, 89 u. 128. Botschaft Spaniens in Ost-Berlin, Verbalnote ans MfAA, 08. 08. 1973, in: PA AA, M 1, C 615/ 77, Bl. 16–17, hier: Bl. 16. Für das spanische Original vgl. ebenda, Bl. 14–15. Vgl. MfAA, Protokollabteilung, Vermerk über ein Telefongespräch mit dem spanischen Geschäftsträger a. i., Herrn Perez-Gomez [sic!], am 30. 07. 1973, 31. 07. 1973, in: PA AA, M 1, C 615/77, Bl. 20; MfAA, Protokollabteilung, Vermerk über ein Gespräch mit dem spanischen Geschäftsträger a. i., Herrn Perez-Gomez [sic!], am 31. 07. 1973, 31. 07. 1973, in: PA AA, M 1, C 615/77, Bl. 18–19. Botschaft Spaniens in Ost-Berlin, Verbalnote ans MfAA, 08. 08. 1973, in: PA AA, M 1, C 615/ 77, Bl. 16–17, hier: Bl. 16. MfAA, Abteilung Westeuropa, Aktenvermerk über den Kondolenzbesuch des Stellvertreters des Ministers, Gen. Nier, in der Botschaft der Republik Spanien in der DDR am 28. 12. 1973 in der Zeit von 11.05–11.20 Uhr, 29. 12. 1973, in: PA AA, M 1, C 615/77, Bl. 7. Das franquistische Spanien war seit 1947 offiziell wieder eine Monarchie. Es handelt sich entweder um eine fehlerhafte Wiedergabe der Beileidsbekundung im Aktenvermerk oder eine Unkenntnis Kurt Niers über die Wiederherstellung der Monarchie durch Franco.
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II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
Gámir Prieto ausgesprochenen Einladung zur Totenmesse für die „graue Eminenz“ des Franco-Regimes in der St.-Hedwigs-Kathedrale in Ost-Berlin, die er „ohne den offiziellen Weg der Beantragung“ an das MfAA und diplomatische Corps versandt hatte.876 Er wurde daraufhin vom Protokollchef des MfAA einbestellt, der ihn „wiederholt“ bat, Abstand von der Messe zu nehmen, da ein Requiem für Carrero Blanco „nicht den Gepflogenheiten und den Vorstellungen der DDR“ entspreche.877 Gámir Prieto sicherte zwar zu, künftig das Protokoll des MfAA zu beachten, bestand jedoch auf der Feier der Messe als „Privatangelegenheit“, da er „zwischen seiner Kirche und sich keinen Vertreter benötige.“ 878 Auch das Ordinariat Berlins erklärte sich gegen eine Weisung Niers dazu bereit, die Messe abzuhalten und begründete dies damit, dass sich die katholische Kirche „außerstande [sehe], die Bitte des spanischen Botschafters in der DDR abzulehnen.“ 879 Als sich schließlich Erich Honecker persönlich einschaltete und das MfAA zurechtwies, dass es sich um „eine innerkirchliche Angelegenheit[…]“ handele, sah die Protokollabteilung von einer schriftlichen Erklärung an das spanische Außenministerium ab und ließ die Totenmesse zu.880 Der zur Feier am 9. Januar 1974 entsandte IM berichtete von vierzig bis fünfzig Trauergästen, darunter Vertreter der Botschaften Großbritanniens, Frankreichs, Belgiens, der Schweiz, Italiens und Österreichs. Da Alfred Kardinal Bengsch die Veranstaltung offenbar auf „kleinster Flamme“ habe halten wollen, so der IM, seien die Messe auf Latein verlesen und neben der üblichen Liturgie keine weiteren Texte oder Trauerreden zugelassen worden. Entsprechend sah sich Gámir Prieto in seiner Argumentation bestätigt, dass die Totenmesse keine politische Angelegenheit sei und er eine solche Form der „Einmischung“ zum ersten Mal erlebe. Gegenüber Kardinal Bengsch erklärte er, dass er um eine schriftliche Erklärung des MfAA bitten und diese seinem Außenministerium vorlegen werde.881 Ein weiteres diplomatisches Verfolgen der Angelegenheit ist in den Akten allerdings nicht überliefert. Einigermaßen kurios mutet auch die Teilnahme von offiziellen DDR-Vertretern am Empfang zum spanischen Nationalfeiertag am 18. Juli an, zu dem Botschafter Gámir Prieto 1975 einlud: Gut zwei Monate, bevor ZK der SED und Staats- und Ministerrat der DDR anlässlich der Todesurteile gegen fünf baskische Regimegegner ein Protesttelegramm an Franco und Regierungschef Arias Navarro sandten,882 nahmen der stellvertretende Außenminister Nier, Außenhandelsstaatsse-
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MfAA, Abteilung Westeuropa, Sektor Portugal/Spanien, Aktivitäten der Botschaft Spaniens in der DDR, 21. 02. 1974, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 21–22, hier: Bl. 22. BStU, MfS, HA XX/4, Nr. 2895, Bl. 189; BStU, MfS, ZAIG, Nr. 12277, Bl. 4. MfAA, Abteilung Westeuropa, Sektor Portugal/Spanien, Aktivitäten der Botschaft Spaniens in der DDR, 21. 02. 1974, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 21–22, hier: Bl. 22. BStU, MfS, ZAIG, Nr. 12277, Bl. 4. Vgl. ebenda; BStU, MfS, HA XX/4, Nr. 2895, Bl. 191. BStU, MfS, ZAIG, Nr. 12277, Bl. 4. Vgl. Ministerrat der DDR, Minister für Auswärtige Angelegenheiten, Entwurf eines Protesttelegramms gegen die gegen spanische Patrioten verhängten Terrorurteile, 25. 09. 1975, in: PA AA, M 1, C 3571, Bl. 63–64.
6. Staatliche, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen ab 1973
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kretär Beil und Staatsratsmitglied Sorgenicht sowie „weitere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens“ an den Gedenkfeierlichkeiten zum Militärputsch und damit dem Beginn des spanischen Bürgerkriegs im Jahr 1936 teil.883 Angesichts der Brisanz des Anlasses ist davon auszugehen, dass SED und MfAA zuvor festgelegt hatten, keine ZK-Mitglieder zu entsenden; das MfS entsandte einen IM. Dieser registrierte auch in diesem Kontext eine Verbindung der spanischen Botschaft zur katholischen Kirche in Ost-Berlin, namentlich zur St.-Augustinus-Gemeinde im Prenzlauer Berg. Deren Pfarrer stehe in regem Kontakt zu Botschafter Gámir Prieto und dem Kanzleioffizier und habe sich bereit erklärt, anlässlich des Nationalfeiertags eine Messe zu lesen.884 Es ist anzunehmen, dass die spanische Botschaft und ihre Mitarbeiter ausschließlich private, nicht politisch motivierte Verbindungen zur katholischen Kirche in Ost-Berlin unterhielten. Dafür spricht erstens, dass weitere Kontaktmomente oder ein regelmäßiger Austausch nicht überliefert sind. Solche wären auch kaum möglich gewesen: Im Gegensatz zum spätfranquistischen Spanien, wo politische Parteien außer der „Nationalen Bewegung“ zwar verboten waren, Vertreter von Kirche und Universitäten jedoch zunehmend offen in Opposition zum Regime traten und sich dabei einigermaßen frei artikulieren konnten,885 waren Kritiker des SED-Regimes in private bzw. geschlossene Räume verbannt. Ein regelmäßiger Verkehr offizieller Kirchenvertreter mit westlichen Diplomaten ist daher kaum vorstellbar, insbesondere mit Vertretern des franquistischen Spaniens. Zweitens bestand vonseiten der spanischen Diplomaten Anfang der 70er Jahre kein Interesse daran, mit der Kirche in der DDR oder unter deren Dach agierenden oppositionellen Gruppen in Kontakt zu treten. Ihr Interesse galt – von den kaum nennenswerten Versuchen einer Beobachtung der spanischen Kommunisten in der DDR abgesehen – in erster Linie der diplomatisch-korrekten Ausführung der Botschaftstätigkeit bei möglichst wenig öffentlicher Aufmerksamkeit und offizieller staatlicher Verpflichtung.
6. Staatliche, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen ab 1973 Nach dem Erfolg der internationalen Anerkennung wollte die DDR ihre Beziehungen zu den westlichen Staaten „durch ein möglichst umfassendes Netz von bilateralen Verträgen, Abkommen und Protokollen auf Regierungsebene“ stärken und absichern.886 Das MfAA legte einen Monat nach dem Notenaustausch mit Spanien in einem „[k]urzfristige[n] Programm zur Gestaltung der Beziehungen“ fest, dass baldmöglichst Vertragsbeziehungen auf den Gebieten des Handels- und Zah883 884 885 886
Vgl. MfAA, Pressemeldung, 18. 07. 1975, in: PA AA, M 1, C 3571, Bl. 36. Vgl. BStU, MfS, HA XX/4, Nr. 2895, Bl. 199–200. Zur Opposition im Spätfranquismus vgl. Bernecker, Geschichte, S. 148–185; Palomares, Mentalities, S. 122–130. Weilemann, Zusammenfassung, S. 319.
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II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
lungsverkehrs sowie des Luftfahrt- und Seeverkehrs herzustellen seien.887 In einer ausführlicheren „Studie zu Möglichkeiten und Erfordernissen der Entwicklung der Beziehungen“ vom Mai 1974 wurde dieses Interesse bekräftigt und um die Notwendigkeit eines geregelten Verhältnisses zwischen den staatlichen Nachrichtendiensten sowie Fernseh- und Rundfunkanstalten ergänzt.888 Da aufgrund der Kurzfristigkeit der Beziehungsherstellung bei den außenpolitisch Verantwortlichen in ZK und MfAA „die Kenntnis über Ansatzpunkte und vorhandene Einwirkungsmöglichkeiten […] noch äußerst gering“ war,889 sah das Programm von 1973 noch keine politischen Beziehungen zwischen den Regierungen in Ost-Berlin und Madrid vor. Eine Ausnahme bildete das Ziel, Spaniens Unterstützung für einen baldigen UNO-Beitritt der DDR zu gewinnen.890 Ein Jahr später war OstBerlin dann bereit, auch „die politische Position der DDR gegenüber dem Regime [in Spanien] in die Waagschale zu werfen“, da „die Alternative dazu […] nur passives Abwarten“ sei.891 Einigermaßen ambitioniert war in der Studie vom Mai 1974 bereits von künftigen „politische[n] Konsultationen“ auf ministerialer Ebene die Rede, mit dem Ziel, in einem regelmäßigen „Meinungsaustausch […] die Positionen der DDR darzulegen, die spanische Haltung zu ermitteln und gegebene Einflussmöglichkeiten auf die Haltung der spanischen Regierung wahrzunehmen“.892 Vorbild dürften die regelmäßigen Außenministerkonsultationen zwischen Madrid und Bonn gewesen sein. Politische Ziele der DDR-Führung waren hierbei die Gewinnung Spaniens für die KSZE-Politik der sozialistischen Länder unter Ausnutzung gemeinsamer außenpolitischer Positionen, das „Wirken gegen einen möglichen NATO-Beitritt Spaniens“ sowie die Zurückdrängung des US-amerikanischen und bundesdeutschen Einflusses in Spanien.893
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MfAA, Abteilung Westeuropa, Kurzfristiges Programm zur Gestaltung der Beziehungen der Deutschen Demokratischen Republik zu Spanien, 13. 02. 1973, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 25–27, hier: Bl. 25, 27; Politbüro des ZK der SED, Information für das Politbüro des ZK der SED, 17. 01. 1973, in: SAPMO-BArch, DY 30/45761, Bl. 154–159, hier: Bl. 159. MfAA, Abteilung Westeuropa, Studie zu Möglichkeiten und Erfordernissen der Entwicklung der Beziehungen der DDR zu Spanien, 29. 05. 1974, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 28–36, hier: Bl. 35–36. MfAA, Abteilung Westeuropa, Konzeption für die Entwicklung der Beziehungen zu Spanien (bis 1980), 28. 06. 1974, Bl. 19–30, hier: Bl. 25. Zu fehlenden „konzeptionellen Vorstellungen über die weitere Entwicklung der Beziehungen“ der SED zu den westlichen Ländern vgl. auch Wentker, Außenpolitik in engen Grenzen, S. 450. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Kurzfristiges Programm zur Gestaltung der Beziehungen der Deutschen Demokratischen Republik zu Spanien, 13. 02. 1973, in: PA AA, M 1, C 614/ 77, Bl. 25–27, hier: Bl. 27. MfAA, Abteilung Westeuropa, Studie zu Möglichkeiten und Erfordernissen der Entwicklung der Beziehungen der DDR zu Spanien, 29. 05. 1974, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 28–36, hier: Bl. 33. Ebenda, Bl. 34; MfAA, Abteilung Westeuropa, Konzeption für die Entwicklung der Beziehungen zu Spanien (bis 1980), 28. 06. 1974, Bl. 19–30, hier: Bl. 22. MfAA, Abteilung Westeuropa, Studie zu Möglichkeiten und Erfordernissen der Entwicklung der Beziehungen der DDR zu Spanien, 29. 05. 1974, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 28–36, hier: Bl. 34.
6. Staatliche, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen ab 1973
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Daneben hielten es ZK und MfAA gemäß dem Argument eines „Leuchtturmeffekts“, das Honecker zur Legitimierung der Beziehungsaufnahme angeführt hatte, durchaus für realistisch, dass eine „Aktivierung der Beziehungen […] progressive innenpolitische Prozesse [in Spanien] begünstigen“ 894 und „die Manövrierfähigkeit der herrschenden Kreise in diesem Lande einschränken“ könne.895 Die Ambition, außen- und innenpolitisch Einfluss zu nehmen, war freilich hoch gegriffen: Peter Lorf berichtete nach zwei Jahren Botschaftertätigkeit in Madrid ernüchtert an den Leiter der Westeuropa-Abteilung im MfAA, Herbert Plaschke, dass dessen Anregung, die Kontakte zu spanischen Ministerien zu intensivieren, beim gering entwickelten Stand der Beziehungen schwer zu realisieren sei und es ihm an „greifbare[n] Gegenstände[n]“ fehle, um an die Regierungsvertreter herantreten zu können.896 Einen Tag vor Abbruch der Beziehungen, als sich Lorf bereits nicht mehr in Madrid befand, bilanzierte er, dass die DDR „keinerlei Initiativen zur Herstellung von politischen Beziehungen“ habe umsetzen können und diese daher noch immer „weit hinter“ denen der UdSSR und der anderen sozialistischen Staaten mit Spanien zurücklägen.897 Dies traf auch auf die Vertragsbeziehungen zu. Außer einem Handelsabkommen kamen bis Herbst 1975 keine weiteren staatlichen Abkommen zwischen der DDR und Spanien zustande, obwohl sich die DDR auf diesem Gebiet äußerst initiativ gezeigt hatte. Neben Verkehrs- und Luftfahrtbeziehungen, einem staatlich geregelten Nachrichtenaustausch sowie der reziproken Akkreditierung von Korrespondenten hatte sich die Botschaft in erster Linie um den Abschluss eines Konsularabkommens bemüht. Dieses sollte einen „Vorbildcharakter“ für weitere westliche Staaten haben, wobei „die Anerkennung der DDR-Staatsbürgerschaft und die Zurückdrängung aller die völkerrechtliche Souveränität der DDR in Spanien einschränkenden Bestimmungen […] im Mittelpunkt“ stehen sollten.898 Der Abschluss eines solchen Abkommens und die Anerkennung der DDR-Staatsbürgerschaft durch Spanien hätten für die DDR einen wichtigen Prestigegewinn bedeutet und DDR-Bürgern in Spanien die Möglichkeit genommen, sich in der dortigen bundesdeutschen Botschaft einen westdeutschen Pass ausstellen zu lassen.899 Da die Bundesrepublik jedoch auch nach Unterzeichnung des Grundlagenvertrags
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MfAA, Abteilung Westeuropa, Kurzfristiges Programm zur Gestaltung der Beziehungen der Deutschen Demokratischen Republik zu Spanien, 13. 02. 1973, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 25–27, hier: Bl. 25. MfAA, Abteilung Westeuropa, Studie zu Möglichkeiten und Erfordernissen der Entwicklung der Beziehungen der DDR zu Spanien, 29. 05. 1974, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 28–36, hier: Bl. 34. Botschaft der DDR in Madrid, Brief Lorfs an den Leiter der Abteilung Westeuropa, Plaschke, 05. 05. 1975, in: PA AA, M 1, C 3590, Bl. 7–9, hier: Bl. 8. MfAA, Abteilung Westeuropa, Stand und Probleme der Beziehungen, 02. 10. 1975, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 13–17, hier: Bl. 13–14. MfAA, Abteilung Westeuropa, Konzeption für die Entwicklung der Beziehungen zu Spanien (bis 1980), 28. 06. 1974, Bl. 19–30, hier: Bl. 23–24. Vgl. zur Bedeutung von Konsularabkommen für die DDR Wentker, Außenpolitik in engen Grenzen, S. 451.
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II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
den Anspruch erhob, alle Deutschen im Ausland konsularisch zu betreuen, wies das Auswärtige Amt die Madrider Botschaft an, dieses Betreuungsrecht gegenüber dem spanischen Außenministerium geltend zu machen.900 Nach einem entsprechenden Besuch im MAE vermerkte Botschafter von Lilienfeld knapp, dass das Problem der Staatsbürgerschaft in Spanien „z. Z. nicht akut“ sei;901 in der Tat lehnte es die spanische Regierung ab, Verhandlungen über ein Konsularabkommen mit der DDR zu führen. Peter Lorf musste nach seiner Abreise aus Madrid daher auch in diesem Punkt ein Scheitern der Botschaftsbemühungen konstatieren.902 Nach der Wiederaufnahme der Beziehungen im Jahr 1977, als die DDR erneut auf ein Konsularabkommen drängte, versicherte Joaquín Pérez Gómez, der zuvor Geschäftsträger der spanischen Botschaft in der DDR gewesen war und nun die Osteuropa-Abteilung im MAE leitete, dem bundesdeutschen Botschafter, dass die spanische Seite nach wie vor „keinerlei Eile“ und „kein dringendes Interesse an einem solchen Abkommen“ habe. Außerdem würde Spanien im Fall künftiger Verhandlungen mit der DDR darauf achten, „dass keine Beeinträchtigung der konsularischen Behandlung der zahlreichen deutschen Staatsangehörigen in Spanien […] eintrete.“ 903 Nicht gänzlich unbegründet wertete das MfAA demzufolge den Abschluss eines Konsularvertrags zwischen Spanien und Ungarn im Jahr 1982 als Beleg dafür, dass die Weigerung Spaniens, einen solchen auch mit der DDR abzuschließen, auf bundesdeutschen Druck zurückzuführen sei und forderte Botschafter Ernst Walkowski auf, im spanischen Außenministerium erneut auf politische und Vertragsbeziehungen zu drängen.904 Dies führte bis 1990 zu einigen staatlichen Abkommen zwischen Madrid und Ost-Berlin, jedoch nicht zu einem Konsularabkommen. Zumindest auf dem Gebiet der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen, deren Intensivierung bei der Herstellung diplomatischer Beziehungen ein wesentliches Interesse beider Seiten dargestellt hatte, konnte ein Erfolg erzielt und im Januar 1974 ein Handelsabkommen auf Regierungsebene geschlossen werden. Dieses wurde am 4. April in Ost-Berlin durch Gerhard Beil, Staatssekretär für Außenhandel, und
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Vgl. AA, Fernschreiben an die Botschaft der Bundesrepublik in Madrid betr. öffentlicher Diskussion um die Frage der deutschen Staatsangehörigkeit im Zusammenhang mit Konsularverhandlungen der DDR mit Drittstaaten, 29. 01. 1975, in: PA AA, MADR 12682, unpag. Otto Pfeiffer bestätigt in seinen Erinnerungen, dass es für die Tätigkeit der DDR-Botschaft bis 1975 immer dann „problematisch“ wurde, „wenn Interessen der BRD berührt wurden.“ Pfeiffer, Erinnerungen. Handschriftliche Randnotiz von Lilienfelds in: AA, Fernschreiben an die Botschaft der Bundesrepublik in Madrid betr. öffentlicher Diskussion um die Frage der deutschen Staatsangehörigkeit im Zusammenhang mit Konsularverhandlungen der DDR mit Drittstaaten, 29. 01. 1975, in: PA AA, MADR 12682, unpag. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Stand und Probleme der Beziehungen, 02. 10. 1975, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 13–17, hier: Bl. 15. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben betr. Beziehungen Spanien-DDR, hier: Konsularvertrag, 30. 09. 1977, in: PA AA, MADR 12682, unpag. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Brief Kerns an Botschafter Walkowski, 08. 04. 1982, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 1534/83, unpag.
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Botschafter Gámir Prieto unterzeichnet und stellte den Zahlungsverkehr von Clearing auf konvertierbare Devisen um.905 Aus „politischen Gründen“, welche Außenhandelsminister Horst Sölle in der entsprechenden Direktive nicht näher spezifizierte und die vermutlich in einer gewissen Unsicherheit bezüglich der Entwicklung der Beziehungen zu suchen waren, hatte dieses Abkommen eine Laufzeit von zunächst nur einem Jahr, wobei eine jährliche Verlängerung vorgesehen war.906 Die DDR hoffte, ihre Exporte nach Spanien „maximal zu steigern“ und damit „hohe Devisenüberschüsse“ zu erzielen. Ferner sollte Spanien langfristig in die Sicherung des wachsenden Rohstoffbedarfs der DDR einbezogen und eine stabile Versorgung der Bevölkerung mit Zitrusfrüchten sichergestellt werden.907 Mit der Einfuhr von Erzeugnissen der spanischen Leichtindustrie zur Verbesserung der Konsumgüterversorgung, darunter Schuhe und Textilien, wollte sich die DDR außerdem eine „Konkurrenzposition“ gegenüber EWG- und insbesondere westdeutschen Konzernen erstreiten.908 Spanien war aufgrund seiner langjährigen defizitären Handelsbilanz ebenfalls an einer Erhöhung seiner Exporte interessiert; dabei sollten die sozialistischen Staaten nach Einschätzung der handelspolitischen Abteilung der DDR-Botschaft „als eine stille Reserve“ beim Abbau des hohen Defizits dienen.909 Um die spanische Industrie international wettbewerbsfähig zu machen, strebte Spanien ferner den Import moderner Technologieerzeugnisse an, was insbesondere der ostdeutschen Maschinenbau-, Chemie- und optischen Industrie zugute kommen sollte – auch, weil zu diesem Zweck bis 1975 achtzig Prozent des Handels mit der DDR von Importbeschränkungen befreit wurden.910 Dennoch beklagte Handelsrat Politzer im Sommer 1975 eine „de facto […] Diskriminierung“ durch das spanische Außenhandelsministerium, da die DDR für Importgenehmigungen andere Antragsformulare zu verwenden hatte als die dafür üblicherweise vorgesehenen.911 Die dadurch entstehende längere Bearbeitungszeit habe eine Verunsicherung in Geschäftskreisen und Nachteile gegenüber der Konkurrenz zur Folge.912
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Vgl. MAW, Information über die Unterzeichnung eines Handelsabkommens zwischen den Regierungen der Deutschen Demokratischen Republik und Spanien, 03. 04. 1974, in: PA AA, M 1, C 3588, Bl. 1–2. MAW, Direktive die Verhandlungen zwischen den Regierungen der DDR und Spaniens zum Abschluss eines Handelsabkommens, 18. 09. 1973, in: PA AA, M 1, C 1060/75, Bl. 5–12, hier: Bl. 7. MfAA, Abteilung Westeuropa, Studie zu Möglichkeiten und Erfordernissen der Entwicklung der Beziehungen der DDR zu Spanien, 29. 05. 1974, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 28–36, hier: Bl. 33. Vgl. ebenda, Bl. 35. Botschaft der DDR in Madrid, Handelspolitische Abteilung, Einschätzung der Entwicklung der Handelspolitik Spaniens gegenüber der DDR, 23. 06. 1975, in: PA AA, M 1, C 3588, Bl. 3– 6, hier: Bl. 3. Vgl. ebenda, Bl. 4. Dies wurde vom spanischen Außenhandelsministerium mit der Notwendigkeit einer statistischen Erhebung des bilateralen Handels begründet: vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Handelspolitische Abteilung, Einschätzung der Entwicklung der Handelspolitik Spaniens gegenüber der DDR, 23. 06. 1975, in: PA AA, M 1, C 3588, Bl. 3–6, hier: Bl. 5. Vgl. ebenda.
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Außerdem kritisierte er wiederholt, dass der Aufenthaltsstatus der ostdeutschen TKB-Mitarbeiter nicht einheitlich geregelt war und sie meist nur Einreisevisa mit einer Gültigkeit von ein bis drei Monaten erhielten, die regelmäßig erneuert werden mussten.913 Politzers Kritik war zutreffend, ebenso die von der DDR beanstandete Nichtbeteiligung Spaniens an der Leipziger Messe: Das Handelsministerium in Madrid hielt eine solche für nicht geboten, da nur wenige spanische Firmen ein Interesse daran zeigten. Politzer führte dies auf eine „unzureichende Kenntnis über die Bedeutung“ der Messen zurück, der die Botschaft durch „auslandsinformatorische Tätigkeit“ entgegenzuwirken suchte.914 Zuständig hierfür waren die handelspolitische Abteilung der Botschaft sowie die TKB, die bis 1975 mit vier Wirtschaftsfunktionären besetzt waren.915 Botschafter Lorf unterstützte die Arbeit von HPA und TKB nicht nur durch die Bewerbung der DDR als leistungsstarken Industriestaat, sondern auch durch gezielte Kontaktarbeit und konkrete handelspolitische Forderungen. „ABC“ berichtete von einer Dienstreise nach Valencia, wo Lorf gegenüber der Presse ankündigte, den Import von Zitrusfrüchten zu reduzieren, falls Spanien sich nicht zur Abnahme größerer Mengen von Büromaschinen und optischen Apparaten aus der DDR bereit erkläre.916 Während der spanische Botschafter in Ost-Berlin diese Androhung darauf zurückführte, dass die DDR im Gegensatz zu anderen sozialistischen Staaten nicht bereit sei, die gestiegenen Preise für Zitrusfrüchte zu zahlen,917 argumentierte Lorf, dass Spanien den Export hochwertiger Maschinen aus der DDR bewusst behindere: Durch fehlende Einfuhrlizenzen für Ersatzteile und Werkzeuge sowie nicht erteilte Einreisegenehmigungen für Techniker könne die DDR notwendige Reparaturen und Wartungsdienste nicht durchführen.918 Dies wies Gámir Prieto in einem Telegramm ans MAE unter Verweis auf eine mangelhafte Qualität und Wettbewerbsfähigkeit der ostdeutschen Produkte und einen schlecht organisierten Kundendienst spöttisch zurück.919 Dennoch erreichte Lorf, dass valencianische Exporteure in einer Petition an das spanische Handelsministerium forderten, die Wareneinfuhr aus der DDR nicht zu behindern.920 Weniger Erfolg brachte dagegen ein Cocktailempfang für fünfundzwanzig spanische Geschäftspartner der DDR, den der Botschafter im selben Jahr in Barcelona gab. Da
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Vgl. ebenda. Ebenda, Bl. 4. Vgl. MAW, Reisebericht über die Dienstreise des Gen. Perschon nach Spanien, in der Zeit vom 13. 5. bis 25. 5. 1973, 01. 06. 1973, in: PA AA, M 1, C 3579, Bl. 20–26, hier: Bl. 20. Vgl. o. V., Alemania del Este podría reducir sus compras en España, in: ABC vom 17. 04. 1975, S. 68. Vgl. Botschaft Spaniens in Ost-Berlin, Telegramm des Botschafters Gámir Prieto ans MAE, 21. 04. 1975, in: AGA, Fondo A. Ex., 12/02350, unpag. Vgl. o. V., Alemania del Este podría reducir sus compras en España, in: ABC vom 17. 04. 1975, S. 68. Vgl. Botschaft Spaniens in Ost-Berlin, Telegramm des Botschafters Gámir Prieto ans MAE, 21. 04. 1975, in: AGA, Fondo A. Ex., 12/02350, unpag. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Lorf an den stellvertretenden Außenminister Nier, 03. 06. 1975, in: PA AA, M 1, C 3590, Bl. 13–18, hier: Bl. 11.
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die Partner laut Lorf auf eine Beteiligung ostdeutscher Betriebe an den spanischen Handels- und Landwirtschaftsmessen drängten, riet er dem stellvertretenden Außenminister Nier dringend zu offiziellen Messeteilnahmen der DDR: Dadurch könne nicht nur der handelspolitische Rückstand gegenüber der Sowjetunion und den anderen sozialistischen Ländern aufgeholt, sondern auch eine Teilnahme Spaniens an den Leipziger Messen eingefordert werden.921 Lorfs Drängen fand in der Ost-Berliner Zentrale jedoch kein Gehör, sodass gegenseitige Messebeteiligungen erst nach der Wiederaufnahme der Beziehungen zur Praxis wurden; Spanien war sogar erst 1984 offiziell auf der Leipziger Herbstmesse vertreten. Ebenso wenig kam es bis zur vorläufigen Schließung der Botschaft zu einer Tagung der gemischten Regierungskommission, die mit dem Handelsvertrag von 1974 eingesetzt worden war. Lorf hatte hierfür zwar noch die Zusicherung des MAE erhalten, allerdings trat die Kommission aufgrund des Beziehungsabbruchs nicht mehr zusammen und tagte erstmals 1978.922 Trotz der geschilderten Probleme und der Einschätzung von Handelsrat Politzer, dass die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der DDR und Franco-Spanien insgesamt „außerordentlich gering“ entwickelt seien und das Handelsvolumen „nicht den objektiven Möglichkeiten“ entspreche,923 bilanzierte Botschafter Lorf eine insgesamt positive Entwicklung auf diesem Gebiet.924 Auch der bundesdeutsche Botschafter konstatierte eine Intensivierung des Warenaustauschs zugunsten der DDR, die ihre ursprünglich negative Handelsbilanz mit Spanien in einen Exportüberschuss habe umwandeln können.925 Entsprechend hegte die DDR-Botschaft im Sommer 1975 optimistisch die Hoffnung auf den baldigen Abschluss eines Abkommens über wirtschaftliche, industrielle und technische Zusammenarbeit.926 Auch dieses Projekt musste jedoch mit dem Abbruch der Beziehungen auf Eis gelegt werden und wurde erst 1983 unter dem sozialistischen Wirtschaftsminister Luis de Velasco Rami realisiert.927
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Vgl. ebenda, Bl. 12. Vgl. ebenda, Bl. 11; MfAA, Abteilung Westeuropa, Fakten zur Realisierung der Schlussakte von Helsinki in den bilateralen Beziehungen DDR-Spanien (Zeitraum 1. 8. 76–20. 6. 78), undatiert, in: PA AA, M 1, C 3595, Bl. 3–7, hier: Bl. 3. Botschaft der DDR in Madrid, Handelspolitische Abteilung, Einschätzung der Entwicklung der Handelspolitik Spaniens gegenüber der DDR, 23. 06. 1975, in: PA AA, M 1, C 3588, Bl. 3– 6, hier: Bl. 3. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Stand und Probleme der Beziehungen, 02. 10. 1975, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 13–17, hier: Bl. 13. Vgl. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben des Botschafters von Lilienfeld an die Ständige Vertretung in Ost-Berlin und das AA, 17. 10. 1975, in: PA AA, MADR 12682, unpag. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Handelspolitische Abteilung, Einschätzung der Entwicklung der Handelspolitik Spaniens gegenüber der DDR, 23. 06. 1975, in: PA AA, M 1, C 3588, Bl. 3–6, hier: Bl. 3. Vgl. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Bericht betr. Abkommen zwischen Spanien und der DDR über wirtschaftliche und industrielle Zusammenarbeit, 09. 04. 1984, in: PA AA, MADRI, Bd. 36371, unpag.
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II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
Auf den Gebieten der Kultur, Wissenschaft und Bildung signalisierte die DDR unmittelbar nach Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zunächst noch „kein Interesse“.928 Eine Gesprächsvorlage für Außenminister Otto Winzer sah vor, dass dieser bei einem Zusammentreffen mit seinem Kollegen Laureano López Rodó auf etwaige Initiativen Spaniens nicht eingehen solle.929 Die anfängliche Ablehnung eines kulturpolitischen Engagements in Spanien lag erstens im prinzipiellen Verständnis der SED von „auswärtigen Kulturbeziehungen“ begründet: Auch nach der internationalen Anerkennung sollten zentrale Lenkung, Kontrolle und Kanalisierung sicherstellen, dass kulturell nur ausgetauscht wurde, „was der SEDFührung genehm“ war.930 Demgemäß bilanzierte Botschafter Lorf im Oktober 1975 nüchtern, dass auf dem Gebiet der Kultur keine vertraglichen Regelungen mit Spanien getroffen worden seien und alle kulturellen Kontakte rein kommerziellen Charakter besäßen.931 Ein zweiter Grund für die Zurückhaltung der DDR war das bereits geschilderte Kulturmonopol der Bundesrepublik vor Ort. Dieses war laut Botschafter Lorf neben der antikommunistischen Grundstimmung in Spanien verantwortlich für die schlechten Startbedingungen der kulturpolitischen Arbeit der Botschaft.932 Drittens kam laut einer kritischen Selbsteinschätzung des MfAA hinzu, dass zum Zeitpunkt der Beziehungsaufnahme die Kenntnisse der verantwortlichen Mitarbeiter im Außen- und Kulturministerium „über die [spanische] Kulturpolitik, die Basis und die Ansatzmöglichkeiten für unsere Arbeit […] verschwindend gering“ gewesen seien.933 Allerdings begann sich die zunächst zögerliche Haltung der DDR ab Sommer 1973 bereits zu ändern. MfAA, MfK und die Botschaft in Madrid sondierten Möglichkeiten für eine kulturpolitische „Einwirkung“ 934 im franquistischen Spanien und Botschafter Lorf zog kurz vor dem Abbruch der Beziehungen perspektivisch in Betracht, den Abschluss eines Kulturabkommens oder einer ähnlichen Regierungsvereinbarung zu prüfen.935 Dieses Interesse an staatlich geregelten Kulturbeziehungen über eine rein kommerzielle Ebene hinaus bedeutete nicht etwa eine
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MfAA, Abteilung Westeuropa, Kurzfristiges Programm zur Gestaltung der Beziehungen der Deutschen Demokratischen Republik zu Spanien, 13. 02. 1973, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 25–27, hier: Bl. 25. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Hinweise für ein Gespräch mit dem Außenminister Spaniens, Laureano López Rodo [sic!], 05. 02. 1973, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 1. Lindemann/Müller, Kulturpolitik, S. 16. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Stand und Probleme der Beziehungen, 02. 10. 1975, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 13–17, hier: Bl. 13–14. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Studie zu Möglichkeiten und Richtungen der kulturpolitischen Arbeit gegenüber Spanien, 08. 11. 1974, in: PA AA, M 1, C 634/77, Bl. 3–12, hier: Bl. 3. MfAA, Abteilung Presse und Information, Vermerk über ein Gespräch mit Staatssekretär Dr. Löffler, M. f. Kultur, am 29. 8. 73, 29. 08. 1973, in: PA AA, M 1, C 634/77, Bl. 1–2, hier: Bl. 1. Ebenda. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Stand und Probleme der Beziehungen, 02. 10. 1975, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 13–17, hier: Bl. 14.
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Lockerung der auswärtigen Kulturpolitik, sondern war ebenso wie die Bemühungen um Vertragsbeziehungen auf anderen Gebieten als Strategie der DDR zu verstehen, ihre eigene Staatlichkeit unter Beweis zu stellen: Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung beschrieb 1974, dass es der DDR nach ihrer internationalen Anerkennung und Aufnahme in die UNO hauptsächlich darum gehe, „sich durch Abgrenzung von der Bundesrepublik im Ausland als eigener Staat ‚in historisch gewachsener Einheit‘ und als DDR-Nation mit eigener Kultur zu präsentieren.“ 936 Auch der bundesdeutsche Botschafter in Madrid beobachtete, dass die DDR mit ihren kulturpolitischen Aktivitäten den Eindruck zu wecken suche, „Träger der deutschen Kultur zu sein.“ 937 In diesem Sinne schlug Botschafter Lorf in einer „Studie zu Möglichkeiten und Richtungen der kulturpolitischen Arbeit gegenüber Spanien“ vor, das „jahrzehntelang verfälschte Sozialismusbild“ durch ideologische Grundlagenarbeit und eine „breite[…] Palette kultureller Aktivitäten“ zu korrigieren.938 Westeuropa-Abteilungsleiter Plaschke sah außerdem die „Notwendigkeit“ gekommen, mit kulturpolitischen Maßnahmen in Spanien eine „günstige Ausgangslage für die Nach-Franco-Periode“ zu erarbeiten.939 Ein Jahr nach seiner Ankunft in Spanien erkannte Lorf dafür insofern Ansatzpunkte, als die „herrschende Klasse“ in Spanien „nach neuen Methoden der Machtausübung [suche], um auf dem Wege der Reform das System zu erhalten.“ Sie sei „nicht mehr in der Lage, kulturelle Äußerungen fortschrittlicher Kräfte völlig totzuschweigen und zu unterdrücken.“ 940 Dennoch blieb Ost-Berlin bei der „Erweiterung des Kontaktkreises der Botschaft auf kulturellem Gebiet“ und der Entsendung bzw. Einladung von Künstlern nach wie vor misstrauisch.941 Beides sollte nicht durch Spanien „als Mittel der Beschönigung des Regimes“ oder zur Unterwanderung der DDR genutzt werden.942 In einem Schreiben an den Leiter der Abteilung Internationale Beziehungen im Ministerium für Kultur riet Lorf zu einer Abstimmung zwischen der Künstleragentur der DDR und der Botschaft in Madrid über einzuladende Musiker aus Spanien, da sich unter ihnen „einige profilierte Faschisten“ befänden, die „natürlich vom Regime gefördert“ würden und deren möglicher Auftritt in der DDR daher „schädlich“ wäre.943 Dagegen warb er in der Abteilung Kulturelle Aus-
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Lindemann/Müller, Kulturpolitik, S. 15. Auswärtiges Amt, Fragenkatalog betr. der politischen Öffentlichkeitsarbeit der DDR in Spanien, 14. 01. 1975, in: PA AA, MADR 12682, unpag. Botschaft der DDR in Madrid, Studie zu Möglichkeiten und Richtungen der kulturpolitischen Arbeit gegenüber Spanien, 08. 11. 1974, in: PA AA, M 1, C 634/77, Bl. 3–12, hier: Bl. 5. MfAA, Abteilung Westeuropa, Stellungnahme zur „Studie zu Möglichkeiten und Richtungen der kulturpolitischen Arbeit gegenüber Spanien“, 25. 11. 1974, in: PA AA, M 1, C 634/77, Bl. 13. Botschaft der DDR in Madrid, Studie zu Möglichkeiten und Richtungen der kulturpolitischen Arbeit gegenüber Spanien, 08. 11. 1974, in: PA AA, M 1, C 634/77, Bl. 3–12, hier: Bl. 4. Ebenda, Bl. 6. Ebenda, Bl. 4. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Lorf an Gen. Dr. Tautz, MfK, 03. 06. 1975, in: BArch, DR 1/18680, Bd. 1, unpag.
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II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
landsbeziehungen (KAB) des MfAA für einen Gastauftritt des spanischen Theaters „María Guerrero“ in der DDR, obwohl es eines der wenigen staatlichen Theater in Franco-Spanien war. Lorf argumentierte, dass es auch in der Sowjetunion gastierte und man Spanien außerdem eine gewisse Reziprozität gewähren müsse; schließlich beabsichtige man selbst, „wegen der finanziell äußerst günstigen Bedingungen“ einige Künstlerensembles nach Spanien zu entsenden.944 Des Weiteren trat er für die Entsendung des Berliner Ensembles zum internationalen Theaterfestival in Madrid ein: Dessen Auftritt, an dem das spanische Ministerium für Information und Kultur „außerordentlich interessiert sei“, könne erstens einen „relativ hohe[n] Valuta-Gewinn“ einbringen, habe zweitens einen hohen „auslandsinformatorische[n] Wert für die DDR“ und könne drittens sogar „in den Prozess der innenpolitischen Auseinandersetzungen [in Spanien] eingreifen“.945 Bezüglich einer möglichen Entsendung des prominenten BE-Bühnenplastikers Eddy Fischer, der in Spanien die Produktion einer den Kommunisten nahestehenden Theatergruppe unterstützen sollte, traf Lorf im MfK auf großer Skepsis, zumal die Aufführung in Kooperation mit dem Goethe-Institut stattfinden sollte. Ein Mitarbeiter in der Abteilung Internationale Beziehungen des MfK fürchtete eine „auslandsinformatorische“ Ausnutzung durch die bundesdeutsche Konkurrenz vor Ort. In einer handschriftlichen Stellungsnahme zum Dienstreiseantrag des Bühnenbildners warnte er: „Die ‚Fortschrittlichkeit‘ der Spanischen [sic!] Truppe ist doch sehr relativ. Es besteht die dringende Gefahr, dass sie sich vor den Karren des Goethe-Instituts spannen lässt. Und die DDRDramatik für dessen demokratisches Mäntelchen und einen gesamtdeutschen Kulturanspruch missbraucht. Vorsicht!“ 946
Lorf verwies dagegen auf die spanische „Bruderpartei“ PCE, die auf eine künstlerische Solidarität der DDR mit der spanischen Theatergruppe drängte. Ihr Argument sei: „Wenn schon diplomatische Beziehungen […], dann auch Unterstützung f[ür] die KPSp bzw. fortschrittl[iche] Kräfte in Spanien“.947 Die Dienstreise Eddy Fischers nach Madrid wurde daraufhin genehmigt, was im Kontext der verstärkten Repressionen des späten Franco-Regimes und der Streiks im Frühjahr 1975 durchaus als Entgegenkommen an die spanischen Genossen des PCE verstanden werden kann. Allerdings fand das geplante Theater-Projekt letztlich nicht statt, da die beteiligten spanischen Schauspieler in Streik gegen die Theatereigentümer traten und daraufhin verhaftet wurden.948
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Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Lorf an Gen. Thiede, MfAA/Abteilung KAB, 27. 02. 1975, in: BArch, DR 1/18680, Bd. 1, unpag. Ebenda. MfK, Abteilung Internationale Beziehungen, Hausmitteilung, 07. 11. 1974, in: BArch, DR 1/ 18680, Bd. 2, unpag. MfK, Abteilung Internationale Beziehungen, Notiz nach Gespräch zwischen Dr. Tautz u. Gen. Lorf, 11. 11. 1974, in: BArch, DR 1/18680, Bd. 2, unpag. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Lorf an an Gen. Dr. Tautz, MfK, 17. 03. 1975, in: BArch, DR 1/18680, Bd. 2, unpag.
6. Staatliche, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen ab 1973
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Unter ihnen befand sich der kommunistische Schauspieler Juan Diego, der zu einer Gruppe von spanischen Kunst- und Kulturschaffenden gehörte, die Interesse und Sympathie für den Sozialismus in der DDR zeigten und Kontakt zur ostdeutschen Botschaft in Madrid suchten. Im Sommer 1974 reiste er als Teil einer vierköpfigen Delegation in die DDR, um die Inszenierung des Stücks „Der Drache“ des russischen Autors Jewgeni Lwowitsch Schwarz am Deutschen Theater in OstBerlin für eine geplante Adaption in Madrid zu studieren. Kopf der Delegation war der bekannte kommunistische Regisseur, Theaterwissenschaftler und Journalist Juan Antonio Hormigón, dessen Interesse an der DDR laut einem Bericht des MfK „weit über die ‚Drachen‘-Inszenierung“ hinausging; er habe sich in den zwei Wochen seines Aufenthalts „so genau wie möglich über das kulturelle Leben in der DDR […] informieren“ wollen.949 Hormigón war ein ausgewiesener Kenner Bertolt Brechts, hielt Vorlesungen am renommierten Theater-Institut in Barcelona und setzte sich für Brecht-Inszenierungen an spanischen Theatern ein.950 Dies stieß bei den kulturpolitisch Verantwortlichen in der DDR auf Interesse, die zugleich jedoch seine Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut in Madrid, wo er von 1973 bis 1978 Theaterseminare leitete,951 skeptisch beurteilten. In dieser Funktion bot Hormigón der DDR 1974 als einzigem sozialistischen Land eine Teilnahme am internationalen Theaterkongress des GI an, die das MfK mit Verweis auf den Veranstalter jedoch ablehnte.952 Dennoch erschien den ostdeutschen Kulturfunktionären „eine Vertiefung des Kontakts“ aufgrund Hormigóns „wirklich echten Interesses an einer konstruktiven Zusammenarbeit und seiner politischen Haltung“ als „nützlich und für beide Seiten interessant.“ 953 Diese Einschätzung sollte sich als richtig herausstellen, denn Hormigón wurde während der Transición ein wichtiger Akteur der demokratischen Kunst- und Kulturszene in Spanien. Als solcher reiste er 1977 erneut in die DDR und wurde auf spanischer Seite zum Initiator der Freundschaftsgesellschaft DDR-Spanien.954 Der bundesdeutsche Botschafter von Lilienfeld, der von Beginn an penibel über das kulturpolitische Engagement der DDR nach Bonn berichtete, bilanzierte im Oktober 1975, dass sich zwischen den beiden deutschen Staaten in Spanien zwar kein „besonderes Konkurrenzverhältnis“ herausgebildet habe, man jedoch „in den Bereichen Kultur und Sport […] von einem solchen reden“ könne.955 Nicht alar949 950 951 952 953 954 955
MfK, Büro für Kulturtage und internationale Gäste, Abschlussbericht über eine Kulturdelegation aus Spanien in der DDR, 26. 08. 1974, in: BArch, DR 1/18680, Bd. 1, unpag. Vgl. Felipe Alcaraz, En la muerte de Juan Antonio Hormigón, in: Mundo Obrero vom 14. 05. 2019. Vgl. Rodrigo Vázquez de Prada, Juan Antonio Hormigón. Teatro, cultura y compromiso político con mayúsculas, in: Crónica Popular vom 21. 04. 2019. Vgl. MfK, Büro für Kulturtage und internationale Gäste, Abschlussbericht über eine Kulturdelegation aus Spanien in der DDR, 26. 08. 1974, in: BArch, DR 1/18680, Bd. 1, unpag. Ebenda. Vgl. Kap. III.5.1. Vgl. bspw. den Bericht der bundesdeutschen Botschaft über das erste kulturelle Inerscheinungtreten der DDR nach der Herstellung diplomatischer Beziehungen mit einem Auftritt des Berliner Streichquartetts am 5. Februar 1973 in Barcelona. Botschaftssekretär MeyerLohse hob darin die „betont freundliche Kritik“ der spanischen Presse hervor und die Einla-
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miert, aber auf die Erhaltung der herausragenden kulturpolitischen Stellung der Bundesrepublik in Spanien bedacht, schlug er vor, der ostdeutschen Konkurrenz entgegenzuwirken: „[Es] wäre zu bedenken, ob man der Kulturpolitik der DDR auf dem Gebiete der klassischen Kunst verstärkt Konkurrenz machen sollte, um zu verhindern, dass die hier sehr gefragte deutsche klassische Kunst überwiegend von DDR-Künstlern dargestellt wird […].“ 956
Von Lilienfeld strich diese Überlegung zu einem forcierten kulturpolitischen Wettbewerb der beiden deutschen Staaten in Spanien handschriftlich aus seinem Bericht nach Bonn, als die DDR unmittelbar nach dessen Abfassung die diplomatischen Beziehungen mit Spanien abbrach.
7. Die Unterbrechung diplomatischer Beziehungen 1975—1977 Am 27. September 1975 wurden in Spanien drei Mitglieder der „Revolutionären Antifaschistischen und Patriotischen Front“ (FRAP)957 und zwei Mitglieder der ETA hingerichtet, die nach der Verabschiedung eines Antiterrorismusdekrets im August 1975 von Militärgerichtshöfen zum Tode verurteilt worden waren. Die von Beobachtern als willkürlich wahrgenommene Prozessführung sowie die Weigerung Francos, die Todesurteile in lebenslange Haftstrafen umzuwandeln, lösten weltweite Empörung, Proteste, Petitionen und diplomatische Maßnahmen gegen das franquistische Regime aus.958 Am 26. September hatten auch das ZK der SED und der Staats- und Ministerrat der DDR ein Protesttelegramm an Staatschef Franco und Regierungschef Carlos Arias Navarro gesandt, in dem sie „von Empörung erfüllt […] entschiedenen Protest“ erhoben und „die unverzügliche Aufhebung dieser unmenschlichen Terrorurteile“ gefordert hatten.959 Als diese ausblieb, berichteten „Neues Deutschland“ und „Horizont“ in zahlreichen Artikeln über die Hinrichtungen und über Solidaritäts- und Protestaktionen in der DDR. Sie griffen darin die emotional-kämpferische und antispanische Rhetorik wieder auf, die mit der Herstellung diplomatischer Beziehungen zurückgefahren worden war. Das Franco-Regime wurde als „faschistische[…] Diktatur“ bezeichnet, die in einem „Akt der Unmenschlichkeit“ ihren „verbrecherischen, volksfeindlichen Charakter“ und ihre „blutige Fratze“ entlarvt habe; daher sei es „an der Zeit“, die „faschistische Bar-
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dung eines Kritikers zu einer „Informationsreise“ in die DDR: Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben betr. Spanien/DDR, hier: Erste kulturelle Veranstaltung der DDR in Spanien, 08. 02. 1973, in: PA AA, MADR 12517, unpag. Ebenda. Frente Revolucionario Antifascista y Patriota. Vgl. Bernecker, Geschichte, S. 211. Ministerrat der DDR, Minister für Auswärtige Angelegenheiten, Entwurf eines Protesttelegramms gegen die gegen spanische Patrioten verhängten Terrorurteile, 25. 09. 1975, in: PA AA, M 1, C 3571, Bl. 63–64.
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barei“ Francos „für immer von der Bildfläche verschwinden“ zu lassen.960 Auch FDGB, FDJ, Friedensrat und Liga für Völkerfreundschaft sowie Künstler der Akademie der Wissenschaften und des Schriftstellerverbands der DDR formulierten Protestbekundungen.961 Auf diplomatischer Ebene folgte am 27. September die offizielle Rückberufung von Botschafter Lorf nach Ost-Berlin, um ein „Zeichen“ mit „politische[m] Effekt“ zu setzen.962 Er befand sich zu diesem Zeitpunkt nicht in Madrid, da er in Absprache mit dem MfAA die Teilnahme an einer fingierten „Regionalkonferenz der westeuropäischen DDR-Botschafter“ in Paris gegenüber dem spanischen Außenministerium vorgeschoben hatte, um der Einladung zum offiziellen Empfang anlässlich des „Tags des Caudillo“ am 1. Oktober nicht nachkommen zu müssen.963 Ablauf und Zuständigkeiten seiner Rückbeorderung und der Entscheidung zum Beziehungsabbruch lassen sich abschließend nicht eindeutig nachvollziehen. Otto Pfeiffer, der Lorf in Madrid vertrat, gibt an, durch den zentralen Bereitschaftsdienst des MfAA über einen Beschluss des Politbüros zum Abbruch der Beziehungen informiert worden zu sein. Danach sei dieser auf der 15. Tagung des ZK der SED am 2. und 3. Oktober bereits „als Tatsache“ verkündet, jedoch – da noch nicht offiziell vollzogen – der Presse zunächst vorenthalten worden.964 Aus dem Protokoll einer Politbürositzung vom 30. September, auf der „Maßnahmen zur Solidarität mit den spanischen Patrioten“ beschlossen wurden, geht allerdings lediglich hervor, dass das Politbüro der bereits erfolgten Rückberufung Lorfs „nachträglich“ zustimmte und den Bundesvorstand des FDGB anwies, flankierende Protest- und Solidaritätsaktionen in Betrieben und Institutionen der DDR zu organisieren.965 Ein Hinweis auf den Beschluss zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen findet sich nicht. Es ist davon auszugehen, dass dieser auf Betreiben der Abteilung Internationale Verbindungen im ZK der SED im obersten Entscheidungsgremium der Partei gefasst wurde – dafür sprechen auch einige zeitgenössische Einschätzungen. Der bundesdeutsche Botschafter etwa telegrafierte nach einem Gespräch mit dem MAE-Generaldirektor für Europa nach Bonn, dass die Spanier davon ausgingen, die Abberufung Lorfs sei „wohl im ZK der SED und nicht im DDR-Außenministerium beschlossen worden“.966 Auch der Erste Sekretär der spanischen Botschaft in Ost-Berlin, Pérez Gómez, der als Geschäftsträger 960
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O. V., Zornige Anklage gegen faschistische Mörder, in: ND vom 29. 09. 1975, S. 2; o. V., Tiefe Abscheu über Akt der Unmenschlichkeit, in: ND vom 29. 09. 1975, S. 5; o. V., Diplomatische Beziehungen mit Spanien unterbrochen, in: ND vom 4./5. 10. 1975, S. 1; o. V., Verhindert Morde an baskischen Patrioten!, in: Horizont 37 (1975), S. 11. Vgl. o. V., Zornige Anklage gegen faschistische Mörder, in: ND vom 29. 09. 1975, S. 2; o. V., Künstler bekunden ihre Solidarität, in: ND vom 29. 09. 1975, S. 2. Pfeiffer, Erinnerungen. Ebenda. Ebenda. Politbüro des ZK der SED, Sitzungsprotokoll Nr. 41/75, 30. 09. 1975, in: SAPMO-BArch, DY 30/43560, Bl. 1–2. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben betr. Beziehungen Spaniens zur DDR, 17. 10. 1975, in: PA AA, MADR 12682, unpag.
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nach dem Abzug Gámir Prietos die Botschaft Spaniens in der DDR aufzulösen hatte,967 mutmaßte in einem Gespräch mit dem stellvertretenden Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik, dass das MfAA „nicht auf diesen Schritt vorbereitet gewesen“ und die Entscheidung über den Beziehungsabbruch „offenbar von der Parteiführung selbst getroffen worden“ sei.968 Ebenso teilte der schweizerische Konsul in Ost-Berlin den Eindruck, dass Außenminister Oskar Fischer vom ZK „überrumpelt“ worden sei und entsprechend „planlos“ reagiere.969 Diese Einschätzungen sind insofern realistisch, als erstens der Abbruch diplomatischer Beziehungen in Friedenszeiten eine durchaus weitreichende diplomatische Maßnahme darstellt, die in der DDR damit höchste Parteiangelegenheit sein musste.970 Zweitens erfolgten auch spätere, nicht politisch motivierte Personalabberufungen und -einsetzungen in der Madrider Botschaft auf Beschluss des Sekretariats des ZK der SED.971 Offiziell wirksam wurde der Abbruch der Beziehungen schließlich am 3. Oktober, nachdem ZK-Sekretär Axen die Zentralkomitees von KPdSU und PCE in der Frage konsultiert hatte.972 Auch Polen zog den Leiter seiner Konsular- und Handelsvertretung aus Madrid ab;973 Ungarn und die ČSSR taten dies nicht, sagten jedoch sämtliche Engagements in Spanien ab.974 Neben den offiziellen Verlautbarungen der SED, dass „Abscheu und Empörung“ zum Entschluss geführt hätten, die noch jungen diplomatischen Beziehungen mit Spanien abzubrechen,975 war für Partei und MfAA die Annahme ausschlaggebend, dass möglicherweise auch einige westliche Staaten diesen Schritt unternehmen würden.976 Eine solche Vermutung war nicht unbegründet, re967
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Botschafter Gámir Prieto war als Reaktion auf die Rückberufung Lorfs noch am selben Tag abberufen worden und nach West-Berlin ausgereist: vgl. Botschaft Spaniens in Ost-Berlin, Telegramm Nr. 136 ans MAE, undatiert, in: AGA, Fondo A. Ex., 12/02350, unpag. Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin, Fernschreiben ans AA und die Botschaft der Bundesrepublik in Madrid betr. Unterbrechung der Beziehungen der DDR zu Spanien, 22. 10. 1975, in: PA AA, MADR 12682, unpag. Botschaft Spaniens in Ost-Berlin, Telegramm des Geschäftsträgers Pérez Gómez ans MAE, 16. 10. 1975, in: AGA, Fondo A. Ex., 12/02350. Zur Praxis des Abbruchs diplomatischer Beziehungen vgl. allgemein Widmer, Diplomatie, S. 145. Vgl. z. B. die Abberufung Gerhard Korths als Botschafter der DDR in Mexiko, Costa Rica und Panama und Einsetzung in Spanien: Sekretariat des ZK der SED, Reinschriftenprotokoll Nr. 33, 04. 04. 1977, in: SAPMO-BArch, DY 30/58216, unpag. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Verbalnote, 03. 10. 1975, in: PA AA, M 1, C 3578, Bl. 35– 36. Zu den Konsultationen mit KPdSU und PCE vgl. Politbüro des ZK der SED, Sitzungsprotokoll Nr. 41/75, 30. 09. 1975, in: SAPMO-BArch, DY 30/43560, Bl. 1–2, hier: Bl. 2. Vgl. Niehus, Außenpolitik, S. 574. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Vermerk über ein Gespräch mit Gen. Rajman, stellv. Leiter der 5. Abteilung des csl. MfAA, am 2. 10. 1975, 06. 10. 1975, in: PA AA, M 1, C 3578, Bl. 21–22, hier: Bl. 21; MfAA, Abteilung Westeuropa, Vermerk über ein Gespräch des Genossen Eckhard Bibow, stellvertretender Abteilungsleiter der Abteilung Westeuropa, mit dem ungarischen Geschäftsträger a. i. in der DDR, Genossen György Szöke, am 10. 10. 1975, 10. 10. 1975, in: PA AA, M 1, C 3578, Bl. 17–19, hier: Bl. 17. O. V., Zornige Anklage gegen faschistische Mörder, in: ND vom 29. 09. 1975, S. 2. Vgl. Botschaft der DDR in Norwegen, Information zur norwegischen Haltung gegenüber Spanien, 15. 10. 1975, in: PA AA, M 1, C 3576, Bl. 14–15, hier: Bl. 14; Botschaft der DDR
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agierten diese doch ebenfalls „mit ungewöhnlicher Leidenschaft“ auf die Todesurteile in Spanien:977 Am 2. Oktober, dem vom europäischen Gewerkschaftsbund ausgerufenen „internationalen Kampftag gegen die spanische Diktatur“, wurde in vielen nord- und westeuropäischen Ländern für zwei Minuten die Arbeit niedergelegt, Charterflüge nach Spanien gestrichen und spanische Botschaften von Demonstranten besetzt. Daneben richteten zahlreiche Staats- und Regierungschefs Gnadenappelle an die spanische Regierung oder verurteilten die Hinrichtungen deutlich, wie etwa der schwedische Premierminister Olof Palme, der die Madrider Regierung als „satanistische[…] Mörder“ bezeichnete.978 Insgesamt bestellten vierzehn Länder ihre Botschafter aus Madrid ein, darunter die Bundesrepublik, die Georg von Lilienfeld am 27. September zur Berichterstattung nach Bonn beorderte.979 Das Auswärtige Amt unterbreitete Außenminister Hans-Dietrich Genscher „Vorschläge zur Überprüfung unser Spanienpolitik“ und formulierte die „Notwendigkeit, unsere zukünftige Haltung zu überdenken“, damit „alles vermieden werde[…], was auch nur den Anschein erwecken könnte, Franco und sein Regime aufzuwerten.“ 980 In dieser Atmosphäre der Entrüstung wollte Ost-Berlin nicht riskieren, dass ein westliches Land als erstes die diplomatischen Beziehungen mit Spanien abbrechen und die DDR lediglich nachziehen würde. Otto Pfeiffer, der dazu nach eigenen Aussagen mit einigen westlichen Botschaften in Madrid im Gespräch war, gibt an, dass die Niederlande und Schweden einen solchen Schritt in Erwägung gezogen hätten.981 Vor diesem Hintergrund schätzte die SED-Führung den mutmaßlichen Prestigegewinn eines Beziehungsabbruchs falsch ein: Angesichts der weltweiten Empörung sah sie eine Chance gekommen, sich als außenpolitisch souveräner und selbstbewusster Staat zu profilieren und als Vorreiterin an die Spitze der moralischen Entrüstung zu stellen. Dabei verkalkulierte sie sich insofern, als die nord- und westeuropäischen Botschafter zeitnah nach Madrid zurückkehrten und die diplomatischen Beziehungen unberührt blieben. Georg von Lilienfeld reiste bereits am 8. Oktober wieder nach Madrid, da das Auswärtige Amt eine „weitere[…] Polarisierung der politischen Kräfte“ in Spanien durch etwaige Boykottmaßnahmen oder eine neuerliche außenpolitische Isolierung Spaniens nicht riskieren wollte.982
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in Dänemark, Zur Haltung von Regierung und Öffentlichkeit zur Politik des faschistischen Franco-Regimes in Spanien, 15. 10. 1975, in: PA AA, M 1, C 3576, Bl. 18–20, hier: Bl. 18. O. V., Franco: „Eingegraben zum letzten Gefecht“, in: Der Spiegel 41 (1975), S. 102–118, hier: S. 102. Zitiert nach ebenda, S. 103. Vgl. auch Bernecker, Geschichte, S. 211; Müller, Heimliche Freunde, S. 93–95. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Einschätzung der Beziehungen Spanien-BRD 1976, undatiert, in: PA AA, M 1, C 3574, Bl. 26–31, hier: Bl. 31. AA, Ref. 203, Vorschläge für eine Überprüfung unserer Spanienpolitik, 30. 09. 1975, in: PA AA, B 97, Bd. 485, unpag. Vgl. Pfeiffer, Erinnerungen. AA, Ref. 203, Vorschläge für eine Überprüfung unserer Spanienpolitik, 30. 09. 1975, in: PA AA, B 97, Bd. 485, unpag.
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II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
Die DDR-Presse kommentierte diese Haltung mit zahlreichen Karikaturen und spöttischen Kommentaren als „Janusköpfigkeit“ und gab Bonn eine „Mitverantwortung für das Fortbestehen des verbrecherischen Franco-Regimes und seiner Mordjustiz“, da Franco nun mit dem ihm ausgestellten „Freibrief […] seinen Amoklauf gegen Frieden, Entspannung, Demokratie und Menschlichkeit“ fortsetzen könne.983 Brisant ist in diesem Zusammenhang die Ablehnung eines Ausreiseantrags des DDR-Musikers Wolf Biermann, der am 20. Oktober bei einer AntiFranco-Kundgebung des Frankfurter „Solidaritätskomitees für die spanischen Faschisten“ in Offenbach auftreten wollte. Seine Ausreise war zunächst genehmigt worden, weil das MfK befürchtete, dass im Falle einer „Konfrontation“ Biermanns mit den Staatsorganen der DDR „der Eindruck erweckt“ werden könnte, „dass die DDR solche Protestveranstaltungen nicht unterstützt“ – dies hätte die Glaubwürdigkeit des bereits erfolgten Beziehungsabbruchs in Frage gestellt.984 Als das MfS in einer Stellungsnahme jedoch zu bedenken gab, dass „kein staatliches Interesse“ der DDR an einer Teilnahme Biermanns an einer Protestveranstaltung in der Bundesrepublik bestehe, zog das MfK die Ausreisegenehmigung wieder zurück.985 Greift man die SED-eigene Rhetorik auf, könnte man ihr bezüglich dieser Entscheidung selbst eine „Janusköpfigkeit“ vorwerfen, denn die Verweigerung der Ausreise Biermanns, die mit den Prinzipien des proletarischen Internationalismus und der ausgerufenen Solidarität mit den spanischen Antifranquisten schwer vereinbar war, wurde damit begründet, dass „nicht alle Proteste [gegen Franco] gleichwertig“ seien.986 Bei allem politischen Kalkül hinter dem Abbruch der Beziehungen waren einige Protestierende, darunter auch Funktionäre in Partei und Außenministerium, durchaus wahrhaftig empört. Das Thema „Spanien“ war in der DDR nach wie vor stark emotional besetzt und der „Mythos“ des spanischen Bürgerkriegs und seines antifaschistischen Vermächtnisses durch die offizielle Solidaritätsrhetorik verinnerlicht. Otto Pfeiffers Aussage, dass die Auseinandersetzungen, die es mit ehemaligen Spanienkämpfern bereits bei der Herstellung der Beziehungen gegeben hatte, im Herbst 1975 wieder wirkmächtig wurden und der Abbruch auch aus einem „schlechten Gewissen“ ihnen gegenüber erfolgte, kann daher als plausibel gelten.987 Sie entspricht außerdem der Einschätzung des spanischen Diplomaten Antonio Ortiz García, die SED habe sich „des Büßergewands entkleiden wollen“, das sie sich mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur franquistischen Diktatur angezogen hatte.988 Auch gegenüber der spanischen „Bruderpartei“ stellten der Abzug Lorfs und die Schließung der Botschaft in Madrid eine „beschwichtigende 983 984 985 986 987 988
Heinz Gebauer, Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus, in: Horizont 44 (1975), S. 6. BStU, MfS, HA IX, Nr. 16675, Bl. 280. Ebenda, Bl. 279. Max Kahane, Francos „menschliche Zugehörigkeit“, in: Horizont 42 (1975), S. 15. Interview mit Otto Pfeiffer, 27. 11. 2017. Ortiz García, Papeleras, S. 265. Auch Fink mutmaßte vier Jahre nach dem Beziehungsabbruch mit Spanien, dass „sich nicht wenige SED-Spitzenfunktionäre erleichtert gefühlt haben“ dürften: Fink, Länder, S. 532.
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Maßnahme“ dar.989 Sie erfolgte zu einem opportunen Zeitpunkt, da sich die Beziehungen zum PCE in den Jahren 1974/75 bereits allmählich verbessert hatten. Nach einem Besuch der PCE-Führung in Ost-Berlin Ende 1974 hatte „Mundo Obrero“ neben einem versöhnlichen gemeinsamen Kommuniqué einen ausführlichen Bericht über das „freundschaftliche Treffen“ mit den ostdeutschen Genossen veröffentlicht und der DDR darin zu internationaler Position und Prestige gratuliert.990 In einem Brief an Honecker hatte Santiago Carrillo außerdem seine „tiefe Dankbarkeit“ für eine zugesagte Hilfe und „das Verständnis“ ausgedrückt, „das die Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands […] für die Besonderheiten der Lage gezeigt habt, unter der unsere Partei ihren Kampf führen muss.“ 991 Entsprechend wurde die Entscheidung der SED im Herbst 1975 auch als Korrektur des Tabubruchs von 1973 wahrgenommen. Der spanische Handelsrat in OstBerlin etwa mutmaßte gegenüber dem stellvertretenden Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik, dass die DDR ihre Beziehungen zu den kommunistischen Parteien Westeuropas stärken wolle und „daher wohl die erste sich ihr bietende Gelegenheit ergriffen [habe], eine politische Korrektur auf der staatlichen Ebene vorzunehmen.“ 992 Auch der ungarische Geschäftsträger in der DDR formulierte in einem Gespräch mit dem stellvertretenden Leiter der WesteuropaAbteilung im MfAA, Eckhard Bibow, die vorsichtige Frage, „ob die in Spanien eingetretene innenpolitische Lage ‚für die DDR ein günstiger Moment gewesen [sei], um den Schritt von damals zu korrigieren‘.“ 993 Bibow gestand dies nicht ein, sondern verwies in seiner Antwort gemäß den offiziellen Verlautbarungen auf die „weltweiten internationalen Prostete“, den Geist des proletarischen Internationalismus und die „unverbrüchliche Solidarität mit den spanischen Patrioten und Demokraten“.994 Der Zeitpunkt für ein solidarisches Zeichen der SED gegenüber den spanischen Genossen war aus einem weiteren Grund opportun: Anders als noch zwei Jahre zuvor herrschte im Herbst 1975 Einigkeit zwischen den ostdeutschen und spani-
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Interview mit Otto Pfeiffer, 27. 11. 2017. Vgl. o. V., PSU de Alemania, PC de España: Cooperación en las cuestiones fundamentales de la lucha común, in: Mundo Obrero 22 (1974), S. 7; Juan Gento, Santiago Carrillo 60 Jahre, in: Horizont 4 (1975), S. 11. Zu den Konjunkturen von Streit und Versöhnung in den Parteibeziehungen zwischen SED und PCE in den 70er Jahren vgl. auch Seng, ¿Estado y/o partido?. Brief Santiago Carrillos an Erich Honecker, 12. 03. 1975, abgedruckt in: Staadt/DeutzSchroeder (Hrsg.), Teurer Genosse, S. 19. Das spanische Original ist abgelegt in: SAPMOBArch, DY 30/2486, Bl. 39–42, hier: Bl. 39–40. Zur finanziellen Zuwendung der SED an den PCE Ende 1974 vgl. Muñoz Sánchez, Fundación Ebert, S. 272. Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin, Fernschreiben ans AA und die Botschaft der Bundesrepublik in Madrid betr. Unterbrechung der Beziehungen der DDR zu Spanien, 22. 10. 1975, in: PA AA, MADR 12682, unpag. MfAA, Abteilung Westeuropa, Vermerk über ein Gespräch des Genossen Eckhard Bibow, stellvertretender Abteilungsleiter der Abteilung Westeuropa, mit dem ungarischen Geschäftsträger a. i. in der DDR, Genossen György Szöke, am 10. 10. 1975, 10. 10. 1975, in: PA AA, M 1, C 3578, Bl. 17–19, hier: Bl. 18. Ebenda, Bl. 19.
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II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
schen Kommunisten darüber, dass das Franco-Regime „am Ende“ sei. Dolores Ibárruri beschrieb in einem Gastbeitrag in „Horizont“ ein „tödlich verletzt[es]“ Regime, dessen „Zusammenbruch“ durch „nichts und niemand[en]“ verhindert werden könne;995 die SED schätzte die internationale Situation des späten FrancoRegimes als „misslich“, seine Außenpolitik als gescheitert und „chancenlos“ ein.996 Beide Einschätzungen trafen zu, denn das Franco-Regime war 1975 international tatsächlich isoliert; laut Walther Bernecker hätte „sein Ende auf internationaler Ebene nicht [deutlicher] zum Ausdruck gebracht werden können“.997 Die beiden „Bruderparteien“ gaben sich nach dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zunächst entsprechend selbstbewusst und versöhnlich: Zum 40. Jahrestag der Gründung der Internationalen Brigaden im Jahr 1976, für den die Sektion der ehemaligen Spanienkämpfer im KdAW einen umfangreichen Maßnahmeplan erarbeitet hatte und den die DDR ohne die Notwendigkeit diplomatischer Rücksichtnahme propagandistisch ausschöpfen konnte, waren zahlreiche spanische Kommunisten als Ehrengäste und Redner geladen.998 Die Eintracht währte allerdings nicht lange und bereits bei den Vorbereitungen zur „Konferenz der Kommunistischen und Arbeiterparteien Europas“, die im Sommer 1976 in Ost-Berlin stattfand, kam es erneut zu Meinungsverschiedenheiten zwischen SED und PCE. Zum einen schätzten sie die innenpolitische Lage in Spanien nach dem Tod Francos sowie die Rolle und Haltung des Königs in dessen Nachfolge unterschiedlich ein,999 zum anderen trat der Konflikt um den eurokommunistischen Kurs des PCE wieder offen zutage.1000 Die scharfe Kritik des MfAA an Carrillos Rede und die daraus abgeleitete Prognose, dass der PCE an Bedeutung verlieren werde,1001 kündigten für die Zeit der Transición, für die sich die DDR eigentlich eine gute Ausgangsposition hatte erarbeiten wollen, erneut schlechte Parteibeziehungen an. In Spanien fiel die offizielle Reaktion auf den Abbruch der diplomatischen Beziehungen knapp aus. Otto Pfeiffer, der als verbleibender Geschäftsträger den Beziehungsabbruch vor Ort abzuwickeln hatte, sah darin eine Strategie der spanischen Regierung, den diplomatischen Akt herunterzuspielen und damit eine Nachahmung durch weitere Staaten zu vermeiden.1002 Die Pressemitteilung der staatlichen Nachrichtenagentur EFE nannte keine Motive für die Entscheidung der DDR und einige Zeitungen berichteten sogar, dass der „diplomatische Rückzug Ostdeutschlands“ 995 996 997 998
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Dolores Ibárruri, Spanien. An der Schwelle von Veränderungen, in: Horizont 13 (1975), S. 22. José García Hernández, Kampf mit Windmühlenflügeln, in: Horizont 9 (1975), S. 20. Bernecker, Geschichte, S. 212. Vgl. KdAW, Zentralleitung, Maßnahmeplan zu 40. Jahrestag der Formierung der Internationalen Brigaden an der Seite der spanischen Volksarmee (Oktober 1976), undatiert, in: SAPMO-BArch, DY 57/807, unpag. Vgl. Pfeiffer, Erinnerungen. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Einschätzung der Rede des Generalsekretärs der KP Spaniens Santiago Carrillos auf der Konferenz der kommunistischen und Arbeiterparteien Europas, Sommer 1976, in: PA AA, M 1, C 3586, Bl. 119–121, hier: Bl. 119. Vgl. ebenda, Bl. 121. Vgl. Pfeiffer, Erinnerungen.
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keinen endgültigen Abbruch der Beziehungen bedeute.1003 Letzteres war vermutlich auf die Sprachregelung in der DDR zurückzuführen, wo überwiegend von einer „Unterbrechung“ die Rede war.1004 Der spanische Geschäftsträger in der DDR, Pérez Gómez, wies den Schritt der SED als „Einmischung in innere Angelegenheiten Spaniens“ zurück und gab dem Leiter der Westeuropa-Abteilung im MfAA zu verstehen, dass „er nicht mit einer solchen Entscheidung gerechnet habe“ und diese persönlich bedauer[…]e“.1005 Auch der stellvertretende Generaldirektor für Europa im spanischen Außenministerium erklärte sein Unverständnis, als Pfeiffer ihm die Note über den Beziehungsabbruch überreichte;1006 gegenüber dem bundesdeutschen Botschafter äußerte er sogar den Verdacht, dass Peter Lorf „als einziger voll akkreditierter Botschafter eines Ostblockstaates in Madrid vor seiner Abreise vergeblich versucht [habe], auf die Leiter der übrigen Ostblockvertretungen Druck auszuüben, ebenfalls Spanien zu verlassen.“ 1007 Aus diesem Grund habe die spanische Regierung „mit einer baldigen Normalisierung der Beziehungen zur DDR keine Eile“.1008 Entsprechend gab das MAE kurze Zeit später bekannt, dass es „den von der DDR als ‚Unterbrechung der […] diplomatischen Beziehungen‘ bezeichneten Zustand als Abbruch der Beziehungen“ werte; eine Wiederaufnahme der Beziehungen hänge vom Einverständnis der spanischen Regierung ab, welche allerdings „nach den Erfahrungen[,] die man jetzt mit Ostberlin gemacht habe […] auf absehbare Zeit wohl keine große Neigung“ dazu zeigen werde.1009 Ungeachtet der diplomatisch-politischen Verstimmung hatten beide Seiten ein Interesse am Fortbestand der wirtschaftlichen Beziehungen auf Grundlage des Handelsabkommens von 1974. Außenminister Oskar Fischer ordnete in einer Direktive zur Abwicklung der Madrider Botschaft daher an, alle Aktivitäten auf konsularischem, politischem und kulturellem Gebiet einzustellen, die Handelsbeziehungen jedoch „im Interesse der DDR“ weiterzuführen.1010 Zu diesem Zweck wurde am 15. Oktober eine Schutzmachtvereinbarung mit der syrisch-arabischen Botschaft in Spanien geschlossen, die bis zur Wiederaufnahme der Beziehungen 1003
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Vgl. o. V., La retirada diplomática de Alemania Ortiental no supone ruptura, in: ABC vom 04. 10. 1975, S. 77; o. V., Alemania Oriental suspende relaciones, in: Diario de Burgos vom 04. 10. 1975, S. 11. O. V., Diplomatische Beziehungen mit Spanien unterbrochen, in: ND vom 4./5. 10. 1975, S. 1. MfAA, Abteilung Westeuropa, Vermerk über ein Gespräch des Leiters der Abteilung Westeuropa, Gen. Dr. Plaschke, mit dem spanischen Geschäftsträger Gomes [sic!] am 03. 10. 75, 11. 10. 1975, in: PA AA, M 1, C 3578, Bl. 34. Vgl. Pfeiffer, Erinnerungen. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben des Botschafters von Lilienfeld an die Ständige Vertretung in Ost-Berlin und das AA, 17. 10. 1975, in: PA AA, MADR 12682, unpag. Ebenda. Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin, Fernschreiben ans AA und die Botschaft der Bundesrepublik in Madrid betr. Unterbrechung der Beziehungen der DDR zu Spanien, 22. 10. 1975, in: PA AA, MADR 12682, unpag. MfAA, Abteilung Westeuropa, Direktive für Genossen Otto Pfeiffer, Geschäftsträger a. i. der DDR in Spanien, 30. 09. 1975, in: PA AA, M 1, C 3578, Bl. 1–2, hier: Bl. 2.
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II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
ein „Büro zum Schutz der Interessen der DDR“ unterhielt, welches effektiv ein Handelsbüro war.1011 Es verblieb im Botschaftsgebäude der DDR, das mit den Farben der Syrisch-Arabischen Republik beflaggt wurde.1012 Neben Handelsattaché Perschon, der die Leitung des Büros übernahm, verblieben vier weitere technische Mitarbeiter sowie zwei TKB in Madrid.1013 Das restliche Botschaftspersonal musste ausreisen, die spanischen Ortskräfte wurden entlassen und die Botschaftsschule geschlossen; Botschaftsakten wurden weitgehend vernichtet.1014 Im Interesse einer künftigen Wiederherstellung der Beziehungen erstattete das Handelsbüro auch während der Beziehungsunterbrechung Bericht nach Ost-Berlin über die innenpolitische Lage in Spanien und gab Einschätzungen zu den unterschiedlichen politischen Kräften der frühen Transición ab.1015 Zur Intensivierung der Handelsbeziehungen wurden im Frühjahr 1976 außerdem drei weitere TKB eröffnet und Handelsattaché Perschon durch den ehemaligen Handelsrat Politzer ersetzt.1016 Auf diese Weise konnte die DDR ihre Handelsbilanz mit Spanien trotz des Beziehungsabbruchs steigern, auch, weil die spanische Regierung ebenfalls am Fortbestand der Handelsbeziehungen mit der DDR interessiert war.1017 In Ost-Berlin wurden Kanzlei und Residenz der spanischen Botschaft aufgelöst, während die Handelsabteilung mit fünf Mitarbeitern unter dem Schutz der Botschaft der Schweiz in der DDR verblieb; ab Januar 1976 wurde sie vom zurückgekehrten Handelsrat Carlos Franco geleitet.1018 1011
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Zur diplomatischen Praxis der Schutzmachtwahrnehmung vgl. Widmer, Diplomatie, S. 147. Zur Einwilligung des spanischen Außenministeriums vgl. MAE, Verbalnote, in: PA AA, M 1, C 3581, Bl. 2. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Zum Status der in der DDR verbleibenden Mitarbeiter der ehemaligen Botschaft Spaniens, Anlage zur Information, 20. 10. 1975, in: PA AA, M 1, C 3578, Bl. 9–11, hier: Bl. 11; Botschaft der Syrisch-Arabischen Republik in Spanien, Verbalnote, 06. 10. 1975, in: PA AA, M 1, C 3581, Bl. 1. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Zum Status der in der DDR verbleibenden Mitarbeiter der ehemaligen Botschaft Spaniens, Anlage zur Information, 20. 10. 1975, in: PA AA, M 1, C 3578, Bl. 9–11, hier: Bl. 11; MfAA, Abteilung Westeuropa, Hinweise für Gespräch des Genossen Oskar Fischer mit dem schwedischen Außenminister, 22. 10. 1975, in: PA AA, M 1, C 3580, Bl. 19–20, hier: Bl. 19. Vgl. Botschaft der Syrisch-Arabischen Republik in Spanien, Büro zum Schutz der Interessen der Deutschen Demokratischen Republik, Brief Perschons an den Leiter der Abteilung Westeuropa, Plaschke, 03. 11. 1975, in: PA AA, M 1, C 3590, Bl. 21–25; vgl. ebenso Pfeiffer, Erinnerungen. Vgl. u. a. Botschaft der Syrisch-Arabischen Republik in Spanien, Büro zum Schutz der Interessen der Deutschen Demokratischen Republik, Briefe Perschons und Politzers an den Leiter der Abteilung Westeuropa, Plaschke, November 1975–Oktober 1976, in: PA AA, M 1, C 3590, Bl. 21–50. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Entsendung eines Handelsrates nach Madrid, 02. 04. 1976, in: PA AA, M 1, C 3570, Bl. 16–17; MfAA, Abteilung Westeuropa, Aktennotiz über ein Gespräch des stellvertretenden Abteilungsleiters, Genossen S. Kämpf, mit Genossen des MAH am 13. 1. 1976, 19. 01. 1976, in: PA AA, M 1, C 3580, Bl. 13–14, hier: Bl. 13. Botschaft der Syrisch-Arabischen Republik in Spanien, Büro zum Schutz der Interessen der Deutschen Demokratischen Republik, Brief Perschons an den Leiter der Abteilung Westeuropa, Plaschke, 15. 12. 1975, in: PA AA, M 1, C 3590, Bl. 26–29, hier: Bl. 27. Vgl. Botschaft Spaniens in Ost-Berlin, Telegramme des Geschäftsträgers Pérez Gómez ans MAE, 25./27. 10. 1975, in: AGA, Fondo A. Ex., 12/02350, unpag.; MfAA, Abteilung Westeu-
7. Die Unterbrechung diplomatischer Beziehungen 1975–1977
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Insgesamt mussten die Handelsbüros in Madrid und Ost-Berlin in den eineinhalb Jahren der Unterbrechung unter erschwerten Bedingungen arbeiten, da sie personell schlecht besetzt waren und die technisch-administrativen Mitarbeiter ohne diplomatischen Status mitunter Schwierigkeiten hatten, wirtschaftspolitische Interessen wirksam zu vertreten.1019 Zusätzlich bestanden ungelöste Handelsprobleme fort, darunter fehlende Einfuhrlizenzen für einige ostdeutsche Waren sowie eine einseitige Importpolitik der DDR, die neben Zitrusfrüchten nur wenige andere spanische Produkte abnahm.1020 Ferner trugen eine ausbleibende Einladung an Handelsrat Franco zur Leipziger Frühjahrsmesse 1976 und gegenseitige Vertragsverletzungen zu Verstimmungen auch in den Handelsbeziehungen bei.1021 Auf politischer Ebene waren die Beziehungen freilich auf dem Tiefpunkt: Handelsrat Politzer beklagte einen „frostig bis ‚schneidend[en]‘“ Umgang offizieller spanischer Regierungsvertreter mit den Mitarbeitern des DDR-Handelsbüros und eine Blockadehaltung des MAE.1022 In der DDR beobachtete das MfS die spanische Handelsvertretung „mit alle[n] vorhandene[n] offiziellen und inoffiziellen Möglichkeiten“, um deren Kontakte „unter Kontrolle zu halten“. Die Stasi fürchtete, dass die verbleibenden spanischen Mitarbeiter „unter dem Deckmantel der Handelstätigkeit“ bestehende Kontakte „zu DDR-Institutionen und Bürgern“ sowie insbesondere zu den in der DDR lebenden Spaniern „ausnutzen“ könnten.1023 Dennoch zeigte Ost-Berlin bereits früh nach Abbruch der diplomatischen Beziehungen ein Interesse an deren Wiederherstellung. Das Politbüro beschloss am 10. August 1976 Konsultationen mit dem sowjetischen Außenministerium „über die Entwicklung der Gesamtbeziehungen zu Spanien“; mit ihrer Konzeption wurde Peter Lorf beauftragt, der nach seiner Abberufung aus Madrid den Sektor Portugal/Spanien in der Westeuropa-Abteilung des MfAA leitete.1024 Obwohl die sowjetischen Genossen die Beratungen aufgrund der „komplizierte[n] und unbe-
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ropa, Zum Status der in der DDR verbleibenden Mitarbeiter der ehemaligen Botschaft Spaniens, Anlage zur Information, 20. 10. 1975, in: PA AA, M 1, C 3578, Bl. 9–11, hier: Bl. 9. Das Aide-Mémoire der Schweizer Botschaft und die Bestätigungsnote des MfAA sind abgelegt in: PA AA, M 1, C 3578, Bl. 5–6. Vgl. Botschaft der Syrisch-Arabischen Republik in Spanien, Büro zum Schutz der Interessen der Deutschen Demokratischen Republik, Brief Perschons an den Leiter der Abteilung Westeuropa, Plaschke, 15. 12. 1975, in: PA AA, M 1, C 3590, Bl. 26–29, hier: Bl. 28. Vgl. MAH, LS Südeuropa, Vermerk über ein Gespräch mit Herrn Arenas, Direktor für soz. Länder im Ministerium für Handel, Spanien, am 18. 2. 76 in Madrid, 24. 02. 1976, in: PA AA, M 1, C 3580, Bl. 9–10, hier: Bl. 9. Vgl. MAH, LS Südeuropa, Vermerk über ein Gespräch mit dem Leiter des spanischen Handelsbüros in Berlin, Handelsrat Franco, am 15. 4. 76 im MAH, 19. 04. 1976, in: PA AA, M 1, C 3580, Bl. 7–8. Das MAH gab an, dass es sich bei der Nichteinladung um ein Versehen gehandelt habe. Botschaft der Syrisch-Arabischen Republik in Spanien, Büro zum Schutz der Interessen der Deutschen Demokratischen Republik, Brief Politzers an den Leiter der Abteilung Westeuropa, Plaschke, 11. 06. 1976, in: PA AA, M 1, C 3590, Bl. 36–38, hier: Bl. 37. BStU, MfS, BV Potsdam, Abteilung II, Nr. 849, Bl. 46–47. MfAA, Abteilung Westeuropa u. Abteilung Sowjetunion, Konsultationen mit dem MID zu Spanien, 01. 09. 1976, in: PA AA, M 1, C 617/77, Bl. 4–11, hier: Bl. 4.
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II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
ständige[n]“ Lage in Spanien für verfrüht hielten,1025 legte Lorf eine gewisse Eile an den Tag, die sich vermutlich aus seiner gut informierten Einschätzung der politischen Entwicklung in Spaniens ergab. In einer ausführlichen Studie zur „Lage in Spanien und zu einigen Fragen der bisherigen und künftigen Arbeit gegenüber Spanien“, die er bereits Mitte Oktober 1975 gemeinsam mit Otto Pfeiffer ausgearbeitet hatte, empfahl er sowohl für das Szenario eines „demokratischen Bruchs“ als auch für ein mögliches „Kontinuitätsszenario“ die „volle Normalisierung der diplomatischen Beziehungen […] in relativ kurzer Frist“.1026 Keine zwei Wochen nach Abbruch der Beziehungen und noch vor dem Tod Francos deutete die Studie bereits an, dass die diplomatische Maßnahme der DDR im Hinblick auf künftige Einfluss- und Kontaktmöglichkeiten im postfranquistischen Spanien ein Fehler gewesen sei. Lorf antizipierte bereits die Probleme, die bei der Wiederherstellung der Beziehungen auftreten sollten: „Es ist indessen nicht auszuschließen, dass Spanien zwar zur Normalisierung mit den übrigen sozialistischen Ländern, jedoch nicht mit der DDR bereit ist. Diese Möglichkeit beruht darauf, dass Arias [Navarro] oder sein Nachfolger keine Distanz zu den Todesurteilen und der internationalen Protestbewegung herstellen würden. Gegen eine Normalisierung der DDR würden wahrscheinlich von interessierten Kräften nationalistische Argumente geltend gemacht werden, mit denen man rechnen muss. Es muss dann wahrscheinlich mit einer mittelfristigen Periode des Abwartens gerechnet werden, in der wir jedoch schon unsere faktischen Beziehungen entwickeln sollten.“ 1027
In der Tat stellte sich der Beziehungsabbruch im Rückblick als strategischer Fehler heraus: Nicht nur, weil Franco eineinhalb Monate nach der Schließung der Botschaft starb, sondern auch, weil sich die Beziehungen bis dahin zwar gering, doch durchaus vielversprechend entwickelt hatten. Sowohl die ostdeutschen und spanischen Akteure als auch die bundesdeutschen Beobachter hatten bis Herbst 1975 Potenzial für eine weitere Intensivierung gesehen. Das MfAA etwa hatte im April „günstige Voraussetzungen“ 1028 für den erhofften Abschluss staatlicher Verträge ausgemacht und der spanische Geschäftsträger in der DDR erklärte nach der Entscheidung der SED zum Beziehungsabbruch, dass dieser besonders deshalb zu bedauern sei, weil sich „die Zusammenarbeit auf einigen Gebieten gut zu entwickeln“ begonnen habe.1029 Auch der bundesdeutsche Botschafter bilanzierte mit Blick auf die knapp zweijähri-
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MfAA, Abteilung Westeuropa, Zur Lage in Spanien und zu einigen Fragen der bisherigen und künftigen Arbeit gegenüber Spanien, Mitte Oktober 1975, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 3–12, hier: Bl. 3; MfAA, Hausmitteilung des Leiters der Abteilung Sowjetunion, Grabowski, an den Leiter der Abteilung Westeuropa, Plaschke, betr. Konsultation mit MID zu Spanien, 28. 09. 1975, in: PA AA, M 1, C 617/77, Bl. 1. MfAA, Abteilung Westeuropa, Zur Lage in Spanien und zu einigen Fragen der bisherigen und künftigen Arbeit gegenüber Spanien, Mitte Oktober 1975, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 3–12, hier: Bl. 8. Ebenda. MfAA, Abteilung Westeuropa, Brief des Abteilungsleiters Plaschke an Botschafter Lorf, 02. 04. 1975, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 67–69, hier: Bl. 67. MfAA, Abteilung Westeuropa, Vermerk über ein Gespräch des Leiters der Abteilung Westeuropa, Gen. Dr. Plaschke, mit dem spanischen Geschäftsträger Gomes [sic!] am 03. 10. 75, 11. 10. 1975, in: PA AA, M 1, C 3578, Bl. 34.
8. Zwischenbilanz
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gen ostdeutsch-spanischen Beziehungen, dass die Botschaft der DDR nach „anfänglichen Schwierigkeiten […] zum Zeitpunkt der Suspendierung der Beziehungen konsolidiert“ und „in ihrer politischen Aktivität auf dem Gebiet der Wirtschaftsförderung, der Kulturpolitik und der Kontaktaufnahme zu Persönlichkeiten der Opposition“ durchaus erfolgreich gewesen sei.1030 Diese Position galt es sich nach der Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen im April 1977 in einem sich demokratisierenden Spanien erst wieder zu erarbeiten.
8. Zwischenbilanz Anhand der Vorgeschichte der ostdeutsch-spanischen Beziehungen und der frühen sporadischen Handels- und Kulturkontakte wurde gezeigt, dass es ein Bündel von Ursachen war, das offizielle Kontakte zwischen der DDR und Franco-Spanien zwei Jahrzehnte lang unmöglich gemacht hatte. Dazu gehörte erstens die hemmende Wirkung, die von den Ideologien beider Regime ausging und die im Fall der DDR stark durch den Mythos und die Erinnerungspraxis an den spanischen Bürgerkrieg geprägt war. Zweitens tabuisierten die Parteibeziehungen zwischen SED und PCE und deren historisch-nostalgische Verpflichtung auf gemeinsame antifaschistische Kampfestradition jegliche Form offizieller Beziehungen zwischen der DDR und dem Franco-Regime. Drittens spielten politisch die Abhängigkeit der DDR von Moskau und die Hallstein-Loyalität Franco-Spaniens eine entscheidende Rolle: Als ehemalige Alliierte der Zweiten Spanischen Republik und Heimat vieler spanischer Exilkommunisten hatte die Sowjetunion kein Interesse an staatlichen Beziehungen zwischen Ost-Berlin und Madrid. Gleiches galt für die Bundesrepublik als postulierte Alleinvertreterin des gesamten deutschen Volkes, die die DDR nicht als souveränen Staat anerkannte. Diese politische Dimension der Unmöglichkeit diplomatischer Beziehungen war am stärksten den Konjunkturen des Kalten Kriegs unterworfen und damit am ehesten veränderlich, was anhand der internationalen Emanzipation beider Staaten gezeigt wurde. Die internationale Aufwertung der DDR und Franco-Spaniens war sowohl Grundlage als auch Motiv für ihre Annäherung: Im globalen Klima der Détente – insbesondere angesichts des KSZE-Prozesses und der Normalisierung des deutsch-deutschen Verhältnisses – sahen die beiden „Underdogs“ eine Chance gekommen, ihr außenpolitisches Gewicht zu mehren. Ost-Berlin setzte dabei auf die neutralistische KSZE-Politik Spaniens, während es Madrid vor allem um eine „Back-up“-Politik im Osten ging, die als Hebel bei der Integration im Westen dienen sollte. Daneben erhofften sich beide vom jeweils anderen eine Brückenfunktion – nach Lateinamerika bzw. in den Osten – und Vorteile durch erweiterte Handelsbeziehungen. Im Fall der DDR kam als Motiv hinzu, dass sich die SED mit Blick auf etwaige politische Veränderungen in Spanien nach dem Tod 1030
Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Stellung der DDR seit Aufnahme der diplomatischen Beziehungen, 10. 10. 1975, in: PA AA, MADR 12682, unpag.
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II. Zwischen Ideologie und Interessenpolitik: Die DDR und Franco-Spanien bis 1975
Francos eine günstige Ausgangsposition erarbeiteten wollte. Mit diesen Interessen nahmen ostdeutsche und spanische Diplomaten in Warschau Gespräche auf, die durch die Unterzeichnung des Grundlagenvertrags eine überraschende Abkürzung geradewegs zu vollen diplomatischen Beziehungen nahmen. Kritik daran kam nicht etwa aus Moskau oder Bonn, deren Haltungsänderung Voraussetzung für die Beziehungsaufnahme gewesen war, sondern von ehemaligen Spanienkämpfern und Akteuren des „Mythos Spanien“ in der DDR sowie von Kommunisten und ultrarechten Franquisten in Spanien. In beiden Staaten betrieben die Regierungen einen hohen argumentativen Aufwand, um die Beziehungsaufnahme zu legitimieren. Die SED bemühte sich, den Diskurs zu versachlichen und rekurrierte hauptsächlich auf das Prinzip der „friedlichen Koexistenz“, das die Pragmatik ihrer Außenpolitik ideologisch legitimieren sollte, jedoch schwer mit der Emotionalität der eingeübten antifranquistischen Rhetorik zu vereinbaren war. In Spanien sah sich Außenminister López Bravo, mit dessen Person die Beziehungen zur DDR eng in Verbindung gebracht wurden, weniger stark mit der Notwendigkeit einer öffentlichen Rechtfertigung konfrontiert. Dies lag zum einen daran, dass die franquistische Außenpolitik bereits seit den 1960er Jahren weitgehend entideologisiert worden war, zum anderen an Francisco Francos Ansprache zum Jahresende 1972, mit der die letzte, symbolisch wichtige Hürde für eine Öffnung gegenüber dem Osten gefallen war. Obwohl sich durch die ideologische Brisanz der Beziehungen und die Präsenz zweier deutscher Vertretungen in Madrid manche protokollarischen Schwierigkeiten ergaben, waren die Ausgestaltung der diplomatischen Beziehungen und die Arbeit der beiden Botschaften insgesamt pragmatisch-korrekt. Dabei kam den Handelsbeziehungen trotz ihrer geringen Substanz besondere Bedeutung zu. Erstens konnten sie von beiden Regimes als vorteilhaft und wirtschaftlich notwendig dargestellt und so zur Legitimation der Beziehungen genutzt werden. Zweitens profitierte die DDR im franquistischen Spanien vom positiven Image eines potenten Industrielands und attraktiven Handelspartners. Drittens kam tatsächlich nur auf wirtschaftlichem Gebiet ein staatlicher Vertragsabschluss zustande. In ihrer kulturpolitischen Arbeit sah sich die DDR einerseits antikommunistischen Vorurteilen und der starken Stellung der Bundesrepublik gegenüber, erfuhr andererseits Interesse und Sympathie durch linksintellektuelle Künstler und Kulturschaffende. Die Kontakte zu ihnen sowie zu einigen Kreisen der demokratischen Opposition, darunter insbesondere zum Sozialisten Enrique Tierno Galván, sollten der Botschaftsarbeit nach Wiederherstellung der Beziehungen ab 1977 zugutekommen. In einem vermeintlich opportunen Moment tatsächlicher moralischer Empörung brach die DDR die diplomatischen Beziehungen zu Spanien im Herbst 1975 ab. Dies war zum einen als versöhnliche Geste an die Kritiker der Beziehungen in den eigenen Reihen und an die spanische „Bruderpartei“ PCE gedacht. Zum anderen war der Beziehungsabbruch durch das falsche politische Kalkül motiviert, dass auch die westlichen Länder ihre Botschaften in Spanien schließen würden. Mit Blick auf die Einflussmöglichkeiten Ost-Berlins im spanischen Demokratisierungsprozess sollte er sich als strategischer Fehler herausstellen.
III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977—1982) Am 11. November 1975, als Francisco Franco bereits seit einigen Wochen im Sterben lag, informierte das polnische Außenministerium die Botschaft der DDR in Warschau in einem vertraulichen Gespräch über die zukünftige Haltung Polens gegenüber Spanien: Zwar solle der polnische Handelsvertreter seine Arbeit in Madrid baldmöglichst wieder aufnehmen, doch werde beim Tod Francos keine Kondolenz und bei der Einsetzung seines von ihm bestimmten Nachfolgers Juan Carlos keine Gratulation erfolgen; eine mögliche Gratulation zu seiner Krönung wolle man mit den anderen sozialistischen Ländern abstimmen.1 Die DDR, die zwei Wochen vor Francos Erkrankung die diplomatischen Beziehungen zu Spanien mit einigem propagandistischen Aufheben abgebrochen hatte, musste solche Überlegungen nicht anstellen. Das vorerst letzte Staatstelegramm nach Madrid hatte Willi Stoph anlässlich des spanischen Nationalfeiertags am 18. Juli 1975 an den Caudillo gesandt.2 Als sich nach über zwei Jahren ausgesetzter Kommunikation im Juni 1977 erstmals Erich Honecker als Staatsratsvorsitzender in einem offiziellen Schreiben an Spanien wandte, war dieses bereits an Juan Carlos I. gerichtet und hatte nicht mehr die von den Franquisten gefeierte „nationale Erhebung“ von 1936 zum Anlass, sondern den Namenstag des Königs.3 In den eineinhalb Jahren der Beziehungspause zwischen Ost-Berlin und Madrid hatte mit dem Tod Francos am 20. November 1975 in Spanien zwar „noch keineswegs das Ende des Franquismus,“ 4 doch endgültig die Phase eines demokratischen Umbruchs eingesetzt.5 Bereits am 30. Oktober hatte die Regierung unter Ministerpräsident Carlos Arias Navarro angesichts der schweren Erkrankung Francos die Staatsführung dem Prinzen Juan Carlos übertragen, der am 22. November in den Cortes vom Vorsitzenden des Regentschaftsrates vereidigt und zum König von Spanien proklamiert wurde. Die erste Regierung der Monarchie wurde erneut von Arias Navarro geführt, der reformwillige Technokraten zu Ministern berief, darunter Außenminister José María de Areilza, der Spaniens Integration in Europa anstrebte.6 Als Arias Navarro im Frühjahr 1976 jedoch klar seinen Willen zur „Fortsetzung des Franquismus“ bekannte und sich zunehmend unbeweglich gegenüber den Demokratisierungs-
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Vgl. Botschaft der DDR in Warschau, Zur Haltung gegenüber Spanien, 11. 11. 1975, in: PA AA, M 1, C 617/77, Bl. 13–15, hier: Bl. 15. Abgelegt in: PA AA, M 1, C 3571, Bl. 32. Abgelegt in: ebenda, Bl. 8–9. Bernecker, Geschichte, S. 214. Die Spanien-Historiografie geht mehrheitlich davon aus, dass die Transición nicht abrupt mit Francos Tod einsetzte, sondern spätestens Ende der 1960er Jahre mit einem allmählichen Prozess der politischen Erosion und Delegitimierung des späten Franco-Regimes, welcher sich 1975 konkretisierte: vgl. Juliá, Transición, S. 329–345; Pastor, Postrimerías del Franquismo, S. 40–46; Aschmann, Spanien, S. 2. Moradiellos plädiert dagegen für eine Datierung des Beginns der Transición auf das Jahr 1975: vgl. Moradiellos, Transición, S. 57–58. Vgl. Bernecker, Geschichte, S. 214–217.
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
vorhaben Juan Carlos’ zeigte,7 drängte ihn der König als „eines der größten Hindernisse auf dem Weg zu demokratischen Reformen“ zum Rücktritt.8 Doch auch die Berufung seines Nachfolgers Adolfo Suárez im Juli 1976 bedeutete keinen Bruch mit dem Franquismus: Obwohl Suárez mit 43 Jahren einer neuen Generation angehörte, entstammte er unzweifelhaft dem Regime Francos, weshalb seine Ernennung von den Befürwortern demokratischer Reformen nicht gut aufgenommen wurde.9 Mit dem „Gesetz über die politische Reform“,10 dem Kernstück eines verfassungsrechtlichen Reformprogramms, ebnete das erste Kabinett Suárez im Herbst 1976 allerdings den Weg dafür, „das politische System der Franco-Diktatur institutionell in eine Demokratie westeuropäischen Zuschnitts zu verwandeln.“ 11 Es sah vor, das franquistische Ständeparlament durch ein allgemein, frei und geheim gewähltes Zweikammerparlament mit verfassungsgebenden Vollmachten zu ersetzen. Nachdem es von den noch franquistischen Cortes verabschiedet worden war, sprachen sich bei einem Referendum am 15. Dezember 1976 mehr als 95 Prozent der spanischen Bevölkerung dafür aus.12 Der Ankündigung von freien Parlamentswahlen gingen die Auflösung der franquistischen Einheitspartei „Movimiento Nacional“ sowie die Legalisierung des PSOE und – für Suárez innenpolitisch riskant – des PCE im Februar bzw. April 1977 voraus.13 Die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit der DDR am 4. April 1977 fiel also in eine Zeit rasanter politischer und gesellschaftlicher Entwicklung in Spanien. Hinzu kamen ab 1979 die internationalen Spannungen des sogenannten „Zweiten Kalten Kriegs“ sowie eine ökonomische Krise der DDR, die dazu führte, dass die ostdeutsche Außenpolitik zunehmend von innenpolitischen und wirtschaftlichen Interessen bestimmt wurde.14
1. Ostdeutsche Eile und spanische Zurückhaltung: Die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen 1977 Die Vorahnung Peter Lorfs, dass sich eine Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen mit Spanien schwierig gestalten könnte und man sich auf eine „Peri-
7
Areilza, Diario, S. 84. Ebenda, S. 220; Aschmann, Spanien, S. 11. Vgl. Capdepón, Übergang, S. 115; Bernecker, Geschichte, S. 220. Suárez hatte seit 1957 unterschiedliche Ämter in der franquistischen Einheitspartei „Movimiento Nacional“ bekleidet, seit Dezember 1975 war er deren Generalsekretär. 10 Ley para la Reforma Política. 11 Capdepón, Übergang, S. 115; vgl. allgemein und aktuell zum Gesetz über die politische Reform Saiz Arnaiz, Ley. 12 Capdepón, Übergang, S. 115. 13 Vgl. Bernecker, Geschichte, S. 226–228. 14 Vgl. Leptin, Wirtschaftspotential, S. 154. 8 9
1. Die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen 1977
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ode des Abwartens“ einstellen müsse, sollte sich als zutreffend erweisen.15 Obwohl das MfAA bereits kurz nach Francos Tod die „zwingend[e] […] Notwendigkeit einer intensiven Einflussnahme auf Spanien“ und das Ziel einer „volle[n] Normalisierung der Beziehungen“ formuliert hatte,16 sollte es bis zum 4. April 1977 dauern, bis diese wiederhergestellt wurden. In der Zwischenzeit forcierte Spanien den Ausbau seiner Beziehungen zur Sowjetunion und den übrigen sozialistischen Ländern in Europa, weshalb die DDR fürchten musste, in einer entscheidenden Phase der politisch-gesellschaftlichen Neuorientierung Spaniens bloße Zuschauerin zu sein und damit eine ihrer Zielsetzungen bei der Aufnahme diplomatischer Beziehungen verfehlt zu haben. Ost-Berlin wollte außerdem vermeiden, im Handel mit einem zukünftig demokratischen Spanien gegenüber den befreundeten Ostblockstaaten ins Hintertreffen zu geraten. Denn obwohl die DDR ihre Handelsbilanz mit Spanien ins Positive hatte kehren können, nahm sie im Vergleich der sozialistischen Länder den vorletzten Platz beim Import spanischer Waren und den drittletzten beim Export nach Spanien ein.17 Dieser Rückstand drohte größer zu werden, als im Lauf des Jahres 1976 alle Ostblockstaaten außer der DDR verschiedene Abkommen auf den Gebieten des Handels, der Landwirtschaft, des Flugverkehrs und der Kulturarbeit mit Spanien schlossen.18 Besondere Aufmerksamkeit im MfAA erregten dabei Gespräche des polnischen Außenhandelsministers in Madrid im November 1976, bei denen umfangreiche spanische Warenlieferungen nach Polen sowie der Abschluss weiterer Verträge für die Sektoren Textil, Chemie, Kohle, Schiffbau und Eisenbahntriebwagen vereinbart wurden – allesamt Bereiche, die im ostdeutsch-spanischen Handel eine wichtige Rolle spielten.19 Ebenso verfolgte das Außenministerium in Ost-Berlin aufmerksam die Tagung der zweiten sowjetisch-spanisch gemischten Regierungskommission in Madrid im Oktober 1976, bei der die bis dahin umfangreichsten Erdöllieferungen an Spanien beschlossen wurden und die UdSSR zu einem der sechs wichtigsten Erdöllieferanten Spaniens wurde.20 Es verwundert kaum, dass Ost-Berlin in dieser Situation wiederholt auf eine „koordinierte sozialistische Außenpolitik“ gegenüber Spanien drängte und dabei
15
MfAA, Abt. Westeuropa, Zur Lage in Spanien und zu einigen Fragen der bisherigen und künftigen Arbeit gegenüber Spanien, Mitte Oktober 1975, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 3–12, hier: Bl. 8. 16 MfAA, Abteilung Westeuropa, Stellung Spaniens im imperialistischen System, 04. 01. 1976, in: PA AA, M 1, C 3567, Bl. 9–16, hier: Bl. 16. 17 Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Die Politik der kapitalistischen Länder Westeuropas und ihrer Zusammenschlüsse gegenüber den sozialistischen Staaten Europas, 29. 09. 1976, in: PA AA, M 1, C 3573, Bl. 57–67, hier: Bl. 67. 18 Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Die Beziehungen der sozialistischen Länder mit Spanien, 08. 12. 1976, in: PA AA, M 1, C 3573, Bl. 32–35; MfAA, Abteilung Westeuropa, Zu den Beziehungen sozialistische Länder − Spanien, 27. 10. 1976, in: PA AA, M 1, C 3573, Bl. 118–120. 19 Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Die Beziehungen der sozialistischen Länder mit Spanien, 08. 12. 1976, in: PA AA, M 1, C 3573, Bl. 32. 20 Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Zu den Beziehungen sozialistische Länder − Spanien, 27. 10. 1976, in: PA AA, M 1, C 3573, Bl. 118.
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
insbesondere das Argument stark machte, die USA versuche nun, „Spanien in die NATO zu ziehen“.21 Im Januar 1977 erklärte Sektorleiter Lorf gegenüber einem Vertreter der bulgarischen Botschaft in der DDR, dass die sozialistischen Staaten bei der Verhinderung eines NATO-Beitritts Spaniens und der Gestaltung ihrer Beziehungen mit Madrid gemeinsam vorgehen müssten, „um der spanischen Seite keinerlei Möglichkeit zur Differenzierung zwischen unseren Ländern zu bieten.“ 22 Dennoch kamen die befreundeten Staaten der DDR bei der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zuvor: Rumänien und Bulgarien beschlossen am 27. Januar 1977 den Botschafteraustausch mit Madrid, Polen am 31. Januar und die UdSSR, ČSSR und Ungarn am 9. Februar.23 Das Interesse daran war durchaus von Spanien ausgegangen: Das tschechoslowakische Außenministerium hatte einem Vertreter des MfAA bereits im Juni 1975 mitgeteilt, dass bei der Herstellung diplomatischer Beziehungen „die spanische Seite in der Initiative“ sei.24 Nach dem Tod Francos traten dann insbesondere bürgerliche Kräfte und Wirtschaftsvertreter offener und „nachhaltiger“ für eine Normalisierung der Beziehungen zu Osteuropa ein, darunter der staatliche Industrieverband INI.25 Die spanische Außenpolitik der frühen Transición stellte denn auch keinen Bruch mit der bisherigen Linie gegenüber Osteuropa dar. Als übergeordnetes Ziel musste es darum gehen, internationale Anerkennung und Akzeptanz zu erlangen und durch einen klar definierten Platz Spaniens im internationalen Gefüge die künftige Demokratie zu stabilisieren.26 Dafür holten die liberalen Außenminister José María de Areilza (Dezember 1975 bis Juli 1976) und insbesondere Marcelino Oreja Aguirre (Juli 1976 bis September 1980) die ursprünglich bereits von López Bravo vorgesehene Normalisierung der Beziehungen zu den sozialistischen Ländern nach. Als wichtige Willensbekundung hierfür wurde die für März 1977 angekündigte Reise Suárez’ nach Polen und Jugoslawien gedeutet, die der Ministerpräsident aufgrund einer innenpolitischen Regierungskrise zwar nicht antrat, dafür jedoch seinen Außenminister entsandte. In seinen Memoiren erinnert Marcelino Oreja den Aufenthalt in Warschau und Belgrad als Teil des Vorhabens der Regierung, die diplomatischen Beziehungen mit Mittel- und Osteuropa „mit Inhalt zu füllen“ und „es nicht nur bei einem rein formellen Akt zu belassen.“ 27 Insbesonde-
21
MfAA, Abteilung Westeuropa, Vermerk über ein Gespräch mit dem Gesandten der Botschaft der VRB, Genossen Wrashilow, am 12. 01. 1977, 13. 01. 1977, in: PA AA, M 1, C 3573, Bl. 122– 123, hier: Bl. 122. 22 Ebenda, Bl. 123. 23 Vgl. Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der NATO, Bericht ans AA betr. Spaniens Verhältnis zur NATO, hier: Auswirkungen eines Beitritts Spaniens zur NATO, 19. 04. 1977, in: Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland (AAPD) 1977, Bd. I., München 2008, S. 500. 24 MfAA, Abteilung benachbarte Länder, Aus den Konsultationen mit dem csl. MfAA, Juni 1975, in: PA AA, M 1, C 617/77, Bl. 16. 25 Instituto Nacional de Industria: MfAA, Abteilung Westeuropa, Zu den Beziehungen sozialistische Länder − Spanien, 27. 10. 1976, in: PA AA, M 1, C 3573, Bl. 118–119. 26 Vgl. Powell, Cambio de régimen, S. 453. 27 Oreja, Memoria, S. 242.
1. Die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen 1977
191
re hinsichtlich des für November 1980 geplanten KSZE-Folgetreffens in Madrid sei es darum gegangen, die Öffnung nach Osten „durch eine kohärente und klar umrissene Politik zu verwirklichen“.28 Auch in dieser Hinsicht stellte es sich zunehmend als nachteilig für die DDR heraus, nach wie vor keine Beziehungen zu Spanien zu unterhalten, zumal die Vorbereitungen zum KSZE-Folgetreffen in Belgrad bereits im Sommer 1977 begannen. Da sich die Bedingungen für das spanische Verhältnis zum sozialistischen Europa nach Francos Tod also ganz offensichtlich verbesserten, ist der Grund für die verzögerte Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zur DDR im bilateralen ostdeutsch-spanischen Verhältnis selbst zu suchen. Die blockierende Haltung Madrids gegenüber dem von Ost-Berlin wiederholt ausgedrückten Willen zum erneuten Botschafteraustausch wurde vom spanischen Außenministerium mit einer Verstimmung über den einseitigen Abbruch der Beziehungen durch die DDR 1975 begründet, den man dem ostdeutschen Außenministerium als diplomatischen Fauxpas vorhielt. Entsprechend brachte Außenminister Areilza bei einer Pressekonferenz im Januar 1976 sein „Bedauern“ über die „einseitige“ Suspendierung der Beziehungen durch Pankow zum Ausdruck und gab unmissverständlich zu verstehen, dass man die DDR „ihr Verhalten nach der Exekution im September 1975 spüren lassen“ wolle,29 weshalb das MAE den Sondierungsbemühungen des MfAA und des DDR-Handelsbüros in Madrid „die kalte Schulter“ zeige.30 Letztere Information, die der bundesdeutsche Botschafter Georg von Lilienfeld vertraulich aus dem MAE erhielt, muss zugleich als Zusicherung Madrids an Bonn gewertet werden, dass die DDR auch für ein demokratisches Spanien von untergeordneter Bedeutung sein würde. Eine solche Versicherung schien insofern angezeigt, als sich das MAE Mitte Februar 1977 schließlich doch bereit erklärte, eine DDR-Delegation zu Verhandlungen über die Wiedererstellung der Beziehungen zu empfangen.31 Während bei der Aufnahme diplomatischer Beziehungen die Initiative von spanischer Seite ausgegangen war, sondierte nun die DDR ab Januar 1977 beim spanischen Außenministerium in Madrid Möglichkeiten der Wiederaufnahme, um „den politischen Rückschlag zu überwinden“, den der Abbruch der Beziehungen bedeutet hatte.32 Zwei Tage, bevor Oskar Fischer als Nachfolger Otto Winzers zum Minister für Auswärtige Angelegenheiten berufen wurde, bat er in einem Schrei-
28
Ebenda. MfAA, Abt. Westeuropa, Erklärung des spanischen Außenministers Areilza zu den Beziehungen Spaniens zur DDR, 29. 01. 1976, in: PA AA, M 1, C 3570, Bl. 18. 30 Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben des Botschafters von Lilienfeld an die Ständige Vertretung in Ost-Berlin und ans AA, 21. 01. 1977, in: PA AA, MADR 12682, unpag. 31 Vgl. MfAA, Minister für Auswärtige Angelegenheiten, Brief Oskar Fischers an Erich Honecker und Hermann Axen, 17. 02. 1977, in: PA AA, M 1, C 3581, Bl. 19. 32 Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben des Botschafters von Lilienfeld an die Ständige Vertretung in Ost-Berlin und ans AA, 21. 01. 1977, in: PA AA, MADR 12682, unpag.; Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Antwort auf Runderlass betr. außenpolitische Aktivitäten der DDR im Gastland, 25. 06. 1979, in: PA AA, MADR 12682, unpag. 29
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
ben an Erich Honecker und Hermann Axen um Zustimmung zur Einleitung „konkrete[r] Schritte gegenüber Spanien“. Honecker versah sein Einverständnis mit dem handschriftlichen Vermerk, dass laut dem sowjetischem Botschafter Abrassimow die Herstellung diplomatischer Beziehungen zwischen der UdSSR und Spanien kurz bevorstehe.33 Daraufhin beschloss das Politbüro am 25. Januar 1977 eine Vorlage des MfAA zur „Fortsetzung der diplomatischen Beziehungen der DDR zu Spanien“, welcher der Ministerrat am 2. Februar offiziell zustimmte.34 Handelsrat Politzer, der nach wie vor das Handelsbüro der DDR in Madrid leitete, erhielt den diffizilen Auftrag, „die Bereitschaft des spanischen Außenministeriums zu Gesprächen […] herbeizuführen“.35 Die Verhandlungsdirektive des MfAA sah hierfür vor, dass – „sofern die spanische Seite auf einer öffentlichen Geste der DDR besteht“ – schriftlich festgehalten und veröffentlicht werden könne, „dass die Wiederherstellung der Beziehungen auf Initiative oder Wunsch der DDR“ erfolge.36 Dennoch habe das MAE nach Einschätzung der bundesdeutschen Botschaft den Bemühungen Politzers „nur zögernd stattgegeben“,37 vermutlich, um das Eintreffen des sowjetischen und der anderen sozialistischen Botschafter in Madrid abzuwarten. Die Madrider Tageszeitung „Diario 16“ berichtete anlässlich der Verhandlungen zwar von einem „Tauwetter“ zwischen Spanien und der DDR, doch sie verliefen nicht wie in der Direktive des MfAA vorgesehen.38 Die Delegation um Herbert Plaschke und Otto Pfeiffer, die im März 1977 nach Madrid reiste, erhielt lediglich ein Visum für drei Tage, sodass Pfeiffer nicht wie vom Politbüro beschlossen vor Ort bleiben und als vorläufiger Geschäftsträger die Botschaft wiedereröffnen konnte.39 Auch die Wiederberufung Peter Lorfs als Botschafter wurde vom spanischen Delegationsleiter Antonio Elías Martinena als „nicht wünschenswert“ abgelehnt, der sich auf „strikte Weisungen“ des MAE zu einem „Neubeginn“ auch auf personeller Ebene berief.40 Zum Geschäftsträger wurde daher am 1. April Friede33
MfAA, Minister für Auswärtige Angelegenheiten, Brief Oskar Fischers an Erich Honecker und Hermann Axen, 18. 01. 1977, in: PA AA, M 1, C 3581, Bl. 17–18, hier: Bl. 17. 34 Vgl. Politbüro des ZK der SED, Sitzungsprotokoll zur Sitzung vom 25. Januar 1977, 25. 01. 1977, in: SAPMO-BArch, DY 30/43628, Bl. 4 u. 44–46; Ministerrat der DDR, Präsidium, Beschluss über die Fortsetzung der diplomatischen Beziehungen der DDR zu Spanien, 02. 02. 1977, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 75–78. 35 MfAA, Minister für Auswärtige Angelegenheiten, Brief Oskar Fischers an Erich Honecker und Hermann Axen, 18. 01. 1977, in: PA AA, M 1, C 3581, Bl. 17–18, hier: Bl. 18. 36 MfAA, Abteilung Westeuropa, Direktive für die Verhandlungen über die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit Spanien, 22. 02. 1977, in: PA AA, M 1, C 3581, Bl. 37– 39, hier: Bl. 38. Hervorhebung im Original. 37 Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben an die Ständige Vertretung in OstBerlin und ans AA, 04. 04. 1977, in: PA AA, MADR 12682, unpag. 38 Diario 16 vom 04. 03. 1977, abgelegt in: PA AA, MADR 12682, unpag. 39 Vgl. Politbüro des ZK der SED, Sitzungsprotokoll zur Sitzung vom 25. Januar 1977, 25. 01. 1977, in: SAPMO-BArch, DY 30/43628, Bl. 4 u. 44–46, hier: Bl. 44; Pfeiffer, Erinnerungen. 40 MfAA, Abteilung Westeuropa, Zwischenbericht zum Stand der Erfüllung des Beschlusses des Präsidiums des Ministerrates der DDR Nr. 12/I.6.2/77 vom 2. 2. 1977 über die Fortsetzung der diplomatischen Beziehungen der DDR zu Spanien, undatiert, in: PA AA, M 1, C 3577,
1. Die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen 1977
193
mann Höcker ernannt, der bis dato den Sektor Beneluxstaaten in der Abteilung Westeuropa des MfAA geleitet hatte und nun gemeinsam mit Handelsrat Politzer die Botschaft der DDR wiedereinrichten sollte.41 Neuer Botschafter in Spanien wurde Gerhard Korth, der bisherige Botschafter der DDR in Mexiko, Costa Rica und Panama. Er wurde am 7. Juli akkreditiert, drei Wochen vor seinem spanischen Kollegen Germán de Caso Ridaura in Ost-Berlin.42 Im Hinblick auf die neuerliche Konkurrenzsituation der beiden deutschen Botschaften in Spanien fielen die bundesdeutschen Einschätzungen für Botschafter Korth positiv aus: Die Botschaft der Bundesrepublik in Mexiko teilte dem Auswärtigen Amt mit, dass mit Korth „ein bemerkenswert fähiger Diplomat der DDR“ nach Spanien entsandt worden sei.43 Lothar Lahn, seit 1977 Nachfolger von Georg von Lilienfeld in Madrid, berichtete ebenfalls positiv von seinem Antrittsbesuch bei Korth. Dieser habe ihm versichert, „dass er nach Madrid mit der ausdrücklichen Weisung entsandt worden sei, hier nicht Deutschland-Politik zu betreiben, sondern vielmehr das […] wiederhergestellte bilaterale Verhältnis zu verbessern.“ 44 Lahn mutmaßte sogar, dass die diplomatische Gewandtheit und die „gute[n] politische[n] Kontakte“ Korths die durch den Beziehungsabbruch verloren gegangenen persönlichen Verbindungen Lorfs und Pfeiffers ins spanische Außenministerium und in oppositionelle Kreise zu einem gewissen Grad ausgleichen könnten.45 Die Botschaft der DDR in Madrid nahm nach der Kündigung des Vertrags mit der Syrisch-Arabischen Republik über die Wahrung der Interessen der DDR am 21. April 1977 ihre Tätigkeit in den zuvor genutzten Räumlichkeiten wieder auf.46 Nach „relativ langwierigen Auseinandersetzungen“ mit dem MAE konnte sie auch im postfranquistischen Spanien personell zunächst nicht vergrößert werden.47 Neben Botschafter Korth wurden für den politischen Bereich erneut nur zwei Bl. 79–80, hier: Bl. 79; MfAA, Abteilung Westeuropa, Zur Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der DDR und Spanien, Anfang März 1977, in: PA AA, M 1, C 3581, Bl. 20–21, hier: Bl. 21. 41 Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Schreiben des Außenministers Fischer an den spanischen Außenminister Oreja, 01. 04. 1977, in: PA AA, M 1, C 3581, Bl. 40–43. 42 Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Zwischenbericht zum Stand der Erfüllung des Beschlusses des Präsidiums des Ministerrates der DDR Nr. 12/I.6.2/77 vom 2. 2. 1977 über die Fortsetzung der diplomatischen Beziehungen der DDR zu Spanien, undatiert, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 79–80, hier: Bl. 79. 43 Botschaft der Bundesrepublik in Mexiko, Fernschreiben des Botschafters Dencker betr. Erster Botschafter der DDR in Mexiko, Gerhard Korth, 23. 05. 1977, in: PA AA, MADR 12682, unpag. 44 Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben des Botschafters Lahn betr. Beziehungen zwischen Spanien und DDR, 07. 02. 1978, in: PA AA, MADR 12682, unpag. 45 Vgl. ebenda. 46 Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Verbalnote an die Botschaft der Syrisch-Arabischen Republik in Spanien, 21. 04. 1977, in: PA AA, M 1, C 3581, Bl. 5–10; Botschaft der DDR in Madrid, Bericht über bisher erfolgte Schritte im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme der Tätigkeit der Botschaft Madrid, 20. 04. 1977, in: PA AA, M 1, C 3581, Bl. 34–36. 47 Botschaft der DDR in Madrid, Vermerk über ein Gespräch mit dem Leiter der OsteuropaDirektion im spanischen Außenministerium, Joaquín Pérez Gómez, am 20. 4. 1977, 20. 04. 1977, in: PA AA, M 1, C 3581, Bl. 31–33, hier: Bl. 33.
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
Sekretäre und für die HPA ein Handelsrat und -attaché akkreditiert.48 Alle Mitarbeiter wurden durch eine Direktive des MfAA zu einer „engen und freundschaftlichen“ Zusammenarbeit mit den mittlerweile auch in Spanien vertretenen Botschaften der UdSSR und der übrigen sozialistischen Länder angehalten.49 Auch die Kontaktarbeit zur kommunistischen „Bruderpartei“ wurde fortan von der Botschaft geleistet, da der PCE am 9. April 1977 legalisiert worden war. Die diesbezügliche Anordnung durch das MfAA sah jedoch eine kontinuierliche und detaillierte Pflicht zur Information des ZK durch die Auslandsvertretung vor.50 Das spanische Außenministerium entsandte zur Wiedereröffnung seiner Botschaft Antonio Ortiz García nach Ost-Berlin, der zuvor Leiter der spanischen Handels- und Konsularmission in Bukarest gewesen war und dem Kompetenz im Umgang mit sozialistischen Diplomaten zugesprochen wurde.51 Dass er der vergleichsweise kurzen Episode in Ost-Berlin ein eigenes Kapitel seiner Memoiren widmet, ist einerseits bemerkenswert, da die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zur DDR 1977 keinesfalls eine Priorität der spanischen Außenpolitik darstellte.52 Andererseits schien Außenminister Oreja der Wiedereinrichtung der Botschaft in der DDR durchaus den Charakter einer „besonderen Mission“ zuzuschreiben und Ortiz García im Wissen um einen „komplizierten Auftrag“ nach Ost-Berlin geschickt zu haben.53 Die gewisse Brisanz war zum einen der Verstimmung im bilateralen Verhältnis geschuldet, zum anderen ergab sie sich aus der Intensivierung der ohnehin engen Beziehungen zwischen Madrid und Bonn in den Jahren nach Francos Tod. Im Sinne eines erfolgreichen Neuanfangs und um für den eigenen Geschäftsträger in Madrid „günstige Voraussetzungen“ zu schaffen, war das MfAA nach der Ankunft Ortiz Garcías in Ost-Berlin am 15. April 1977 daher besonderes bemüht, sich „korrekt, ja entgegenkommend“ zu verhalten.54 Dies drückte sich u. a. in der Hochrangigkeit der Gesprächspartner aus, die Ortiz García unmittelbar in den ersten Tagen empfingen, darunter der Protokoll-
48
Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Zwischenbericht zum Stand der Erfüllung des Beschlusses des Präsidiums des Ministerrates der DDR Nr. 12/I.6.2/77 vom 2. 2. 1977 über die Fortsetzung der diplomatischen Beziehungen der DDR zu Spanien, undatiert, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 79–80, hier: Bl. 79. 49 MfAA, Abteilung Westeuropa, Direktive für den Geschäftsträger a. i. der Botschaft der DDR in Spanien bis zur Amtsübernahme durch den Botschafter, April 1977, in: PA AA, M 1, C 3580, Bl. 34–36, hier: Bl. 35. 50 Vgl. ebenda, Bl. 35–36; Botschaft der DDR in Madrid, Bericht über bisher erfolgte Schritte im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme der Tätigkeit der Botschaft Madrid, 20. 04. 1977, in: PA AA, M 1, C 3581, Bl. 34–36, hier: Bl. 36. 51 Vgl. Ortiz García, Papeleras, S. 265. Zu Ortiz Garcías Tätigkeit in Rumänien vgl. ebenda, S. 226–264. 52 Vgl. das Kapitel „Misión ‚secreta’ en Berlín (¿o en Pankow?)“, in: ebenda, S. 265–277. 53 Ebenda, S. 265: „Pero en el Ministerio en Madrid […] creyeron que podía hacer un trabajo complicado: una misión especial en Berlín Oriental, para la reapterura de la embajada de España“. 54 MfAA, Abteilung Westeuropa, Brief Plaschkes an Höcker, 25. 04. 1977, in: PA AA, M 1, C 3590, Bl. 5.
1. Die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen 1977
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chef des MfAA, der Generaldirektor des DAV und der Leiter der WesteuropaAbteilung, Herbert Plaschke.55 Ortiz García nahm das Entgegenkommen als „aufgeschlossen und sehr kooperativ“ wahr und schrieb es der Erkenntnis Ost-Berlins zu, „sich mit dem Abbruch der Beziehungen vergaloppiert zu haben“.56 Dennoch traten bei der Einrichtung der spanischen Botschaft sowohl organisatorische als auch politische Schwierigkeiten auf. Ortiz García empfand die DDRBehörden als „überempfindlich“, insbesondere hinsichtlich seiner Kontakte zum spanischen Generalkonsulat in West-Berlin, in welchem u. a. Einrichtung und Material der 1975 geschlossenen Botschaft gelagert waren.57 Außerdem kritisierte er Versuche politisch-ideologischer Vereinnahmung, die er darauf zurückführte, dass Spanien nach wie vor kein NATO-Mitglied war und Ministerpräsident Suárez diese Blockungebundenheit gegenüber den sozialistischen Staaten politisch herausgestellt hatte. Eine ernste Streitigkeit ergab sich aus der strikten Anweisung des MAE, auf finanzielle Forderungen seitens der DDR nicht einzugehen.58 Als daher das DAV auf einen neuerlichen Erwerb der Kanzlei- und Residenzräumlichkeiten durch Spanien bestand, lehnte Ortiz García dies ab und warf dem MfAA vor, sich nicht an die Zuage zur gegenseitigen Unterstützung bei den Einrichtungen der Botschaften zu halten.59 Ferner bot er in einem Telegramm ans MAE darum, Geschäftsträger Höcker in Madrid so wenig wie möglich entgegenzukommen, um Druck auf MfAA und DAV auszuüben. Letztlich drohte Ortiz García sogar mit seiner Abreise und einer unverrichteten Wiedereröffnung der spanischen Botschaft, sollten sich die DDR-Behörden weiterhin unnachgiebig zeigen.60 Erst als er im Mai persönlich mit Außenminister Fischer zusammentraf und auf seiner strikten Ablehnung eines erneuten Kaufs der Botschaftsgebäude bestand, konnte Ortiz García schließlich „vorteilhafte Verträge“ für Spanien abschließen und die Botschaft sich in einer ersten Verbalnote am 4. Juli dem DDR-Außenministerium empfehlen.61 Als Botschafter in der DDR ernannte König Juan Carlos am 10. Juni 1977 Germán de Caso Ridaura, der am 28. Juli akkreditiert wurde.62 Seine Ernennung erfolgte auf Vorschlag von Außenminister Oreja, der Caso Ridaura aufgrund dessen Tätigkeit als Generalkonsul in München Anfang der 1960er Jahre, seiner
55
Vgl. ebenda. Ortiz García, Papeleras, S. 271: „En cuanto a nosotros respecta, se han dado cuenta de que metieron la pata con la ruptura […].“; Botschaft Spaniens in Ost-Berlin, Telegramm Nr. 8 des Geschäftsträger Ortiz García ans MAE, 20. 04. 1977, in: AGA, Fondo A. Ex., (10)0000, 12/ 02472, unpag. 57 Ortiz García, Papeleras, S. 267–268. Von Juli 1984 bis Juli 1988 leitete Ortiz García selbst das Generalkonsulat Spaniens in West-Berlin. 58 Vgl. Interview mit Antonio Ortiz García am 14. 10. 2018; Ortiz García, Papeleras, S. 269. 59 Vgl. Botschaft Spaniens in der DDR, Telegramm Nr. 34 des Geschäftsträgers Ortiz García ans MAE, 06. 05. 1977, in: AGA, Fondo A. Ex., (10)0000, 12/02472, unpag. 60 Vgl. Ortiz García, Papeleras, S. 269, 274. 61 Vgl. ebenda; Botschaft Spaniens in Ost-Berlin, Verbalnote ans MfAA, 04. 07. 1977, in: PA AA, M 1, C 3571, Bl. 10–11. 62 Vgl. Boletín Oficial del Estado (BOE) Nr. 141 vom 14. 06. 1977. 56
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Deutschkenntnisse und seiner langjährigen diplomatischen Erfahrung als besonders geeignet für den Posten in der DDR befand.63 Insgesamt ergibt sich aus den wenigen Dokumenten, die die Wiedereinrichtung der spanischen Botschaft in Ost-Berlin und ihre Tätigkeit in den späten 1970er Jahren belegen, ein ähnliches Bild wie das der späten Franco-Jahre. Da die bilateralen Beziehungen zur DDR auch für die Regierungen unter Ministerpräsident Suárez keinen prioritären Stellenwert hatten, belief sich die Botschaftstätigkeit in erster Linie auf die Sicherstellung der diplomatisch-protokollarischen Funktionsfähigkeit und damit auch einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen des handelspolitischen Büros. Politisch betonten die spanischen Vertreter ihre Zugehörigkeit zu den westlichen Diplomaten: In ihren Telegrammen ans MAE berichteten sowohl Ortiz García als auch de Caso Ridaura prioritär über Treffen mit Vertretern der westlichen Botschaften in Ost-Berlin.64 Ortiz García erinnert sich in seinen Memoiren außerdem an „herzliche“ Treffen mit dem Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik bei der DDR, Günter Gaus, und an weitere, bei denen er sich den Vertretern der neutralen demokratischen Staaten des diplomatischen Corps zuordnete. So nahm er etwa an den Paraden zum 1. Mai im Kreis der Botschafter Schwedens, Finnlands, Österreichs und der Schweiz teil.65 Obwohl es bis zur vollen Integration Spaniens in NATO und EWG noch einige Jahre dauern sollte, stellte er eine gewisse „Emotionalität“ fest, die noch junge spanische Demokratie als die „eines Landes wie alle anderen“ zu vertreten, zumal in der undemokratischen DDR.66 Das Interesse Ost-Berlins am Spanien der Transición bestand dagegen gerade in seiner formal nach wie vor gegebenen Blockungebundenheit. Entsprechend war es eine der politischen Ambitionen der DDR bei der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen, gemeinsam mit den sozialistischen Staaten gegen die „sich verstärkenden Bestrebungen der imperialistischen Mächte […], Spanien direkt in das imperialistische Pakt- und Integrationssystem einzubeziehen“, vorzugehen.67
2. Neue Optionen? Die Interessen der DDR im spanischen Demokratisierungsprozess Als Leiter des Sektors Portugal/Spanien im DDR-Außenministerium formulierte Peter Lorf kurz nach dem Tod Francos dringlich und präzise die Interessen der 63
Vgl. MAE, Telegramm Nr. 33 an die Botschaft Spaniens in Ost-Berlin, 02. 07. 1977, in: AGA, Fondo A. Ex., (10)0000, 12/2497, unpag.; Interview mit Antonio Ortiz García am 14. 10. 2018. 64 Vgl. u. a. Botschaft Spaniens in Ost-Berlin, Telegramm Nr. 125 des Botschafters de Caso Ridaura ans MAE, 13. 10. 1977, in: AGA, Fondo A. Ex., (10)0000, 12/02229, unpag.; Botschaft Spaniens in Ost-Berlin, Telegramm Nr. 30 des Geschäftsträgers Ortiz García ans MAE, 04. 05. 1977, in: AGA, Fondo A. Ex., (10)0000, 12/02229, unpag. 65 Vgl. Ortiz García, Papeleras, S. 272–273. 66 Ebenda, S. 272. 67 MfAA, Abteilung Westeuropa, Studie zur Gestaltung der Beziehungen zu Spanien, 19. 12. 1975, in: PA AA, M 1, C 3570, Bl. 1–12, hier: Bl. 7.
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DDR gegenüber der jungen spanischen Demokratie, mit der Ost-Berlin noch vor deren möglicher Integration in NATO und EWG die diplomatischen Beziehungen wieder aufzunehmen hoffte: „Für den möglichen Fall, dass Spanien auch nach der Normalisierung der Beziehungen zu den sozialistischen Ländern noch nicht den imperialistischen Militär- und Wirtschaftsgruppierungen angehört, sollte diese Situation zur Einleitung rascher Schritte zum Ausbau des Vertragssystems, des günstigen bilateralen Wirtschaftsabkommens, Konsularabkommens usw. genutzt werden. […] Die ökonomisch günstigen Bedingungen, die Spanien für den Außenhandel der sozialistischen Länder bietet, müssten weitgehend zum Vorteil dieser Staaten genutzt werden.“ 68
Noch während die diplomatisch-politischen Beziehungen nach Madrid unterbrochen waren, sahen die außenpolitisch Verantwortlichen in Ost-Berlin eine Notwendigkeit „der Fixierung unserer taktischen Position gegenüber Spanien“.69 Hierfür entwarf das MfAA detaillierte und gut informierte Einschätzungen zu den politischen Gruppierungen der Konservativen, Reformer und demokratischen Opposition sowie denkbare Szenarien einer innenpolitischen Entwicklung in Spanien.70 Übergeordnet sollte die Außenpolitik der DDR gegenüber dem postfranquistischen Spanien verstärkt mit den sozialistischen Staaten koordiniert werden, da diese nun auch mit Botschaften in Madrid vertreten waren. Außerdem waren hinsichtlich einer möglichen Legalisierung der kommunistischen Partei auch die Interessen des PCE zu berücksichtigen.71 Im Gegensatz zu 1973 brauchte es zur Legitimation der Beziehungen nun natürlich keinen vergleichbar großen argumentativen Aufwand mehr. Da die Kontakte 1975 jedoch einigermaßen öffentlichkeitswirksam abgebrochen worden waren und in der DDR-Presse antispanische Rhetorik und Faschismusvorwürfe wieder zugenommen hatten, gab das MfAA Anfang 1977 eine offizielle Kommunikationslinie vor, mit der „[a]uf Fragen der Bevölkerung zur Wiederaufnahme der 1975 unterbrochenen diplomatischen Beziehungen […] geantwortet werden“ sollte.72 Neben der Betonung, dass sich die innenpolitische Lage Spaniens auch deshalb bereits „wesentlich von der des Jahres 1975 unterscheide[…]“, weil die „fortschrittliche[…] Weltöffentlichkeit“, darunter die DDR, die spanische Regierung durch ihren Protest zur Einleitung von Reformen gezwungen habe,73 wurden darin drei zentrale Interessen der DDR benannt, die als Einflussmöglichkeiten auf den spanischen Demokratisierungsprozess darzustellen seien: Dieser eröffne erstens „bestimmte Möglichkeiten, den Bestrebungen einflussreicher Kräfte der spanischen Bourgeoisie, der USA, der BRD und anderer Staaten entgegenzuwirken,
68
MfAA, Abteilung Westeuropa, Stellung Spaniens im imperialistischen System, 04. 01. 1976, in: PA AA, M 1, C 3567, Bl. 9–16, hier: Bl. 16. 69 MfAA, Abteilung Westeuropa, Studie zur Gestaltung der Beziehungen zu Spanien, 19. 12. 1975, in: PA AA, M 1, C 3570, Bl. 1–12, hier: Bl. 1. 70 Vgl. ebenda, Bl. 2–7. 71 Vgl. ebenda, Bl. 7–9. 72 MfAA, Abteilung Westeuropa, Zur Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen DDRSpanien, 08. 02. 1977, in: PA AA, M 1, C 3580, Bl. 24–25, hier: Bl. 24. 73 Ebenda.
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Spanien in die NATO und die EWG aufzunehmen.“ Zweitens könne mit einem neuerlichen Botschafteraustausch „günstig auf die Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen“ eingewirkt werden und drittens ergäben sich nach dem Tod des Caudillo endlich „günstigere Möglichkeiten für die Darstellung des realen Sozialismus“ in Spanien, da mit einer Legalisierung der politischen Parteien „unmittelbare[…] Kontakte[…] zu demokratischen Kräften Spaniens“ und eine „Unterstützung der progressiven Kräfte zur Herstellung demokratischer Verhältnisse“ möglich würden.74 Bezüglich der Umsetzbarkeit dieser Ambitionen zeigte sich Botschafter Korth zunächst skeptisch. Bei seinem Abschied aus Mexiko habe er „seine neue Aufgabe in Spanien mit tief besorgtem Gesicht als ‚sehr, sehr schwierig‘“ bezeichnet, wie der dortige bundesdeutsche Botschafter nach Bonn telegrafierte.75 Nach seiner Akkreditierung in Madrid, die sich „reibungslos“ vollzogen habe, und Antrittsbesuchen bei König Juan Carlos, Außenminister Oreja sowie Generaldirektor Elías im MAE berichtete Korth jedoch bereits verhalten optimistisch nach Ost-Berlin, dass man zwar „aus dem, was hier von spanischer Seite geäußert wurde, gewiss keine übertriebenen Erwartungen ableiten“ dürfe, er aber durchaus ein „Wohlwollen“ gegenüber der DDR wahrnehme. Dieses finde seinen Ausdruck auch darin, dass der DDR-Botschaft in der spanischen Presse ein Vorrang gegenüber den anderen sozialistischen Vertretungen eingeräumt werde, was „nicht ohne Einfluss auf die weitere Kontaktarbeit und die Durchsetzung unserer Interessen“ sei.76 Ein zweites Gespräch zwischen den stellvertretenden Außenministern Nier und Elías, das im Zuge der Verhandlungen über ein Kulturabkommen im Oktober 1978 in Madrid stattfand, bestätigte die nicht gänzlich illegitimen Hoffnungen der DDR auf eine für sie vorteilhafte Entwicklung. Im Gesprächsbericht hieß es: „Aufgrund der noch nicht endgültig festgelegten Linien der spanischen Außenpolitik sowie aufgrund bestehender Widersprüche in bestimmten Fragen zu den NATO-Staaten […] gibt es in den Fragen der Entspannungspolitik sowie der Abrüstung eine Reihe von Ansatzpunkten für die Politik der sozialistischen Staaten.“ 77
Nier hatte dabei insbesondere außenpolitische „Sonderinteressen Spaniens“ im Blick, die den Interessen der DDR bzw. der sozialistischen Staaten durchaus entsprachen.78 Darunter waren die Forderung nach Einberufung einer Mittelmeerkonferenz, die nach wie vor einflussreiche spanische Position in der arabischen Staatenwelt und wie bereits unter Franco die spanische Haltung im KSZE-Prozess.
74
Ebenda, Bl. 24–25. Botschaft der Bundesrepublik in Mexiko, Fernschreiben des Botschafters Dencker betr. Erster Botschafter der DDR in Mexiko, Gerhard Korth, 23. 05. 1977, in: PA AA, MADR 12682, unpag. 76 Botschaft der DDR in Madrid, Brief Korths an Plaschke, 11. 07. 1977, in: PA AA, M 1, C 3590, Bl. 55–60, hier: Bl. 55–56. 77 MfAA, Abteilung Westeuropa, Information über die Konsultation des Stellvertreters des Ministers, Genossen Kurt Nier, mit dem Generaldirektor im spanischen Außenministerium, Elías Martinena, am 2. und 3. 10. 1978, 04. 10. 1978, in: PA AA, M 1, C 3593, Bl. 5–9, hier: Bl. 9. 78 Ebenda. 75
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An dessen erfolgreicher Fortsetzung war Madrid als Gastgeber des Folgetreffens 1980 besonders interessiert.79 Elías teilte Nier außerdem mit, dass die Regierung neben der europäischen Integration insbesondere eine Intensivierung des spanisch-lateinamerikanischen Verhältnisses anstrebe.80 In der Tat setzten sich alle Regierungen Suárez’ und auch König Juan Carlos für einen Ausbau der Brückenfunktion Spaniens zwischen Europa und Lateinamerika ein. Ein wichtiges Signal hierfür war die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Mexiko im März 1977, die aufgrund der großen spanischen republikanischen Diaspora dort auch innenpolitisch ein versöhnliches Zeichen setzte.81 Hierin sah Nier eine neuerliche Chance, über gute Beziehungen zu Madrid die eigenen Kontakte nach Zentralund Südamerika ausbauen zu können.82 Neben den gemeinsamen außenpolitischen Positionen Spaniens und der DDR, an denen ZK und MfAA ihre Hoffnungen auf Einflussnahme festmachten, sah die Liga für Völkerfreundschaft in der schlechten wirtschaftlich-sozialen Lage des sich demokratisierenden Spaniens eine Chance für die „auslandspropagandistische Arbeit“ der DDR: „Das Fehlen von Konzeptionen der Regierung und der politischen Parteien zu Grundfragen des gesellschaftlichen Lebens und die Auseinandersetzung über den Demokratisierungsprozess in Spanien verstärken die Suche nach Alternativlösungen. Die rapide Verschlechterung der Lebenslage der Werktätigen, die Perspektivlosigkeit der Jugend und der Frauen in der spanischen Gesellschaft und die soziale Unsicherheit großer Teile der Intelligenz fördert [sic!] das Interesse am Kennenlernen der krisenfreien sozialistischen Gesellschaft.“ 83
Wenngleich die Behauptung einer „krisenfreien sozialistischen Gesellschaft“ freilich falsch war und die These, dass die spanische Wirtschaftskrise die ostdeutschen Einflussmöglichkeiten im Demokratisierungsprozess erhöhen könne, eine Fehleinschätzung, waren solche Überlegungen und Propagierungen seitens der DDR nicht unbedeutend. Denn ungeachtet des tatsächlichen Mobilisierungspotenzials sozialistischer Ideen spielte die Angst vor dem Kommunismus eine wichtige Rolle im Spanien der Transición. Die Regierung Suárez schrieb den spanischen Kommunisten das Potenzial zu, in wirtschaftlich und sozial schwachen Regionen Wäh-
79
Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Stellung Spaniens im imperialistischen System, 04. 01. 1976, in: PA AA, M 1, C 3567, Bl. 9–16, hier: Bl. 16. 80 Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Information über die Konsultation des Stellvertreters des Ministers, Genossen Kurt Nier, mit dem Generaldirektor im spanischen Außenministerium, Elías Martinena, am 2. und 3. 10. 1978, 04. 10. 1978, in: PA AA, M 1, C 3593, Bl. 5–9, hier: Bl. 6. 81 Vgl. Powell, Cambio de régimen, S. 428. Zur Außenpolitik der Regierungen Suárez’ gegenüber den lateinamerikanischen Staaten vgl. Ferres/Sanz Trillo, Política exterior, S. 551–553. 82 Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Information über die Konsultation des Stellvertreters des Ministers, Genossen Kurt Nier, mit dem Generaldirektor im spanischen Außenministerium, Elías Martinena, am 2. und 3. 10. 1978, 04. 10. 1978, in: PA AA, M 1, C 3593, Bl. 5–9, hier: Bl. 6. 83 LfV, Büro des Sekretariats, Abteilung Westeuropa, Maßnahmeplan zur Weiterführung der auslandsinformatorischen Tätigkeit nach Spanien, 13. 02. 1980, in: SAPMO-BArch DY 13/2735, unpag. Zur wirtschaftlichen und sozialen Krise im frühen postfranquistischen Spanien vgl. Bernecker, Geschichte, S. 241–245.
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lerinnen und Wähler zu mobilisieren und setzte dieses Szenario gegenüber der Bundesregierung als Argument für finanzielle Strukturhilfen ein. Vor dem Besuch Helmut Schmidts in Spanien Anfang 1980 hieß es in den Unterlagen für Ministerpräsident Suárez: „Es ist um die Hilfe Schmidts für weitere Investitionen zu bitten. Ihr Einsatz in armen Gebieten wird eine wichtige Unterstützung im spanischen Demokratisierungsprozess sein. Wir wissen, dass der PCE diese Gebiete zu mobilisieren versucht, um den demokratischen Prozess zu destabilisieren: Die Steigerung des dortigen Lebensstandards, bei der ausländische Investitionen eine wichtige Rolle spielen, wird diese Pläne behindern.“ 84
Auch die zukünftige Beziehung Spaniens zur NATO zählte die DDR zu den „noch nicht endgültig festgelegten Linien“ der spanischen Außenpolitik. Tatsächlich sandten sowohl die Regierung Arias Navarros als auch die Regierungen Suárez’ diesbezüglich uneindeutige Signale, was wiederum in Ost-Berlin zu einer uneindeutigen Einschätzung und Haltung in der Frage führte. Wie noch zu zeigen sein wird, ging die SED relativ früh und realistisch von einem langfristig nicht zu verhindernden NATO-Beitritt Spaniens aus. Andererseits löste die Uneindeutigkeit Madrids auch einen gewissen Optimismus und Ehrgeiz in Ost-Berlin aus, durch gezielte Einflussnahme vor allem auf die Oppositionsparteien eine Integration Spaniens in das westliche Verteidigungsbündnis zu verhindern. Die bundesdeutsche Vertretung resümierte knapp zwei Jahre nach der Wiedereröffnung der DDR-Botschaft im Juni 1979, dass die DDR „wie die übrigen Ostblockstaaten“ versuche, „einen NATOBeitritt Spaniens zu verhindern, wo immer das möglich erscheint.“ 85 In der Tat belegen Papiere aus dem MfAA, dass die ostdeutsche Außenpolitik Anfang der 1980er Jahre darauf abzielte, „alle Kanäle“ zu nutzen, „um die Anti-NATO-Bewegung in Spanien zu fördern“. Dabei wurden sowohl die angespannte Situation im „Zweiten Kalten Krieg“ ab 1979 einkalkuliert als auch die instabile innenpolitische Lage in Spanien nach dem vereitelten Putschversuch von Teilen des Militärs und der Guardia Civil vom Februar 1981; beide galt es laut MfAA zugunsten der AntiNATO-Propaganda auszunutzen.86 Auch nach der einigermaßen ad hoc erfolgten Unterzeichnung des spanischen NATO-Beitrittsprotokolls im Dezember 1981 hielt die DDR an dieser Zielsetzung fest,87 auch, weil die führende Oppositionspartei PSOE im Wahlkampf 1982 ein Referendum über den Verbleib in der NATO in Aussicht stellte.88 Bei einem Besuch des Gewerkschaftsführers Marcelino Camacho 84
Gabinete de la Presidencia del Gobierno, Información (Visita oficial Helmut Schmidt), 08. 01. 1980, in: AGA, Fondo Presidencia de Gobierno, (09), Top. 31/12, Caja 21, Exp. 1937/ 04/11, unpag. 85 Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Antwort auf Runderlass betr. außenpolitische Aktivitäten der DDR im Gastland, 25. 06. 1979, in: PA AA, MADR 12682, unpag. 86 Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Aktennotiz zu einem Gespräch im MfAA am 15. 7. 1981 betr. Sozialistische Jugend Spaniens und Möglichkeiten der Herstellung von Beziehungen zwischen der FDJ und der JSE, 15. 07. 1981, in: SAPMO-BArch, DY 24/22242, unpag. 87 Zu dem am 10. Dezember 1981 in Brüssel unterzeichneten Beitrittsprotokoll und am 30. Mai 1982 vollzogenen Beitritt Spaniens zur NATO unter Ministerpräsident Calvo-Sotelo vgl. Powell, Dimensión exterior, S. 39–45; Tusell, Spain, S. 314–317. 88 Vgl. Viñas, Außenpolitik, S. 225.
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in der DDR 1985 beschworen der FDGB und die mitgereiste Delegation der spanischen Arbeiterkommissionen CC.OO. etwa „mit allem Nachdruck“ die Auffassung, „dass Spanien nicht der NATO angehören solle und alle amerikanischen Stützpunkte [in Spanien] aufgelöst werden müssen.“ 89 Seit 1982 fanden außerdem jedes Jahr Delegationsbesuche zwischen dem Friedensrat der DDR und regionalen spanischen Friedenskomitees statt, die allesamt ebenfalls das ausstehende NATOReferendum zum Thema hatten, über die Postulierung einer gemeinsamen AntiNATO-Linie jedoch nicht hinauskamen.90 Bis zum NATO-Beitritt unter Ministerpräsident Leopoldo Calvo-Sotelo hatte es aus Madrid tatsächlich Zeichen einer ambivalenten NATO-Haltung Spaniens gegeben. Während Außenminister Oreja eine Mitgliedschaft im Nordatlantikpakt zunächst für das einzige Mittel hielt, die ohnehin bereits bestehende Zugehörigkeit zum westlichen Bündnis zu normalisieren und institutionalisieren und diese Haltung seit Anfang 1978 offen vertrat, zeigte sich Ministerpräsident Suárez skeptischer. Er befürchtete u. a., dass ein Zerwürfnis über die Außenpolitik den fragilen inneren Verfassungskonsens gefährden könnte.91 Damit stieß er auch innerhalb seiner eigenen Regierungspartei auf Gehör, was Oreja nach dem ersten nationalen Parteitag der Unión de Centro Democrático (UCD)92 im Oktober 1978 zur Anpassung seiner Position zwang.93 Der offizielle Besuch des Außenministers in der Sowjetunion im Januar 1979 und das Treffen Suárez’ mit Fidel Castro in La Havanna im September 1978, das den ersten Staatsbesuch eines westlichen Regierungschefs im sozialistischen Kuba darstellte und bei dem sich Fidel Castro öffentlich gegen einen spanischen NATO-Beitritt aussprach, befeuerten sowohl bei den NATO-Gegnern in Spanien als auch im Ostblock die Annahme, es könne auch unter der bürgerlich-konservativen UCD-Regierung ein Referendum über die NATO-Mitgliedschaft geben.94 Einige Beobachter schätzten nachträglich ein, dass Suárez gleichsam „naiv“ nach einem „dritten Weg“ neben der Ost-West-Konfrontation gesucht habe. Sein Außenminister Oreja habe einen solchen zwar nicht angestrebt, durch seine Bemühungen um ein KSZE-Folgetreffen in Madrid jedoch letztlich dazu beigetragen, dass die Außenpolitik der UCD als uneindeutig bzw.
89
FDGB, Bundesvorstand, Beschluss des Sekretariats vom 26. Juni 1985, hier: Entwurf einer gemeinsamen Presseerklärung über den Aufenthalt einer Delegation des Gewerkschaftsbundes der Arbeiterkommissionen Spaniens CC.OO. in der DDR, 26. 06. 1985, in: SAPMOBArch, DY 34/24616, Bl. 148–150, hier: Bl. 149–150; o. V., Gewerkschafter der DDR und Spaniens gegen Hochrüstung, in: ND vom 11. 07. 1985, S. 2. 90 Vgl. zahlreiche Delegationsberichte des Friedensrats der DDR von 1982–1987, abgelegt in: BStU, MfS, HA XX, Nr. 7384, Bd. 1; Friedensrat der DDR, Brief des baskischen Friedenkomitees an Generalsekretär Werner Rumpel, 20. 06. 1984, in: SAPMO-BArch, DZ 9/2663, unpag. 91 Vgl. Powell, Cambio de régimen, S. 432–433. 92 Union des Demokratischen Zentrums: 1977 zunächst als Wahlbündnis zahlreicher Parteien der Mitte, später als Partei gegründet, 1983 aufgelöst. Im Folgenden wird die spanische Abkürzung mit entsprechend weiblichem Genus verwendet. 93 Vgl. Tusell, Spain, S. 316–317. 94 Vgl. Powell, Cambio de régimen, S. 433–435; zeitgenössisch vgl. Ismael López Múñoz, Marcelino Oreja, satisfecho de su visita a la URSS, in: El País vom 20. 01. 1979.
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ambivalent wahrgenommen wurde.95 Die DDR wertete diese Ambivalenz als vorteilhaft für ihren Bestrebungen, zur Abwendung eines spanischen NATO-Beitritts beizutragen: Bereits im September 1977 beobachtete das MfAA eine „gewisse Zurückhaltung der spanischen Regierung im Hinblick auf einen NATO-Beitritt“ und führte diese auf den Widerstand einiger hoher Offiziere zurück, die bei einem Beitritt zum Militärbündnis um Einfluss und Macht fürchten müssten.96 Auch Botschafter Ernst Walkowski, der im November 1978 auf Gerhard Korth folgte,97 zeigte sich aufgrund der beobachteten „Diskontinuität im Prozess der Eingliederung in die NATO“ optimistisch, dass die Uneinigkeit der Regierungspartei sowie eine durch die sozialistischen Staaten unterstützte NATO-Opposition in Spanien einen Beitritt verhindern und dem westlichen Verteidigungsbündnis eine Niederlage bescheren könne.98 Andererseits zeigen Einschätzungen des MfAA und der Botschaft in Madrid, dass die Ambitionen Ost-Berlins, auf die außenpolitische Positionierung und internationale Integration der jungen spanischen Demokratie Einfluss zu nehmen, kaum mehr als Gedankenspiele bzw. Wunschvorstellungen blieben. Als etwa Handelsrat Politzer noch vor der Wiederaufnahme der Beziehungen nach Ost-Berlin berichtete, dass General Manuel Gutiérrez Mellado zum Vizepräsidenten in Verteidigungsfragen ernannt worden war und begann, die spanische Armee zu einer „technisch modernen neuen konventionellen Streitmacht […], die in die strategische Linie der NATO passt und zu jedem Zeitpunkt in die NATO integriert werden kann“, umzustrukturieren, merkte Abteilungsleiter Plaschke im MfAA handschriftlich an, dass dies „ganz vernünftig“ sei.99 Ferner schätzte die Botschaft bald nach der Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit ein, dass Spanien trotz des Ziels, sich außenpolitisch „gewisse eigenständige Positionen“ zu erarbeiten, „die prinzipielle Absicht [habe], NATO-Mitglied zu werden“ und die oppositionellen Kräfte „nicht stark genug“ seien, „diese Entwicklung zu verhindern.“ 100 Bei politischen Konsultationen zwischen Vertretern des spanischen und DDR-Außenministeriums in Ost-Berlin Anfang 1980 beobachtete die dortige Ständige Vertretung der Bundesrepublik denn auch ein defensives, „konziliant[es]“ Auftreten der DDR-Diplomaten. Diese hätten angesichts der verstärkten internationalen Spannungen nach der sowjetischen Intervention in Afghanistan, welche das KSZE-Folgetreffen in Madrid zu gefährden
95 96 97 98 99
100
Powell, Cambio de régimen, S. 435. MfAA, Abteilung Westeuropa, Zur Außenpolitik Spaniens, 10. 09. 1977, in: PA AA, M 1, C 3576, Bl. 24–28, hier: Bl. 26. Vgl. Staatsrat der DDR, Abteilung Intern. Beziehungen, Länderakte Spanien (1976–86), in: BArch, DA 5/12962, unpag. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Walkowski an Außenminister Fischer, 18. 02. 1982, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 1534/83, unpag. Botschaft der Syrisch-Arabischen Republik in Spanien, Büro zum Schutz der Interessen der Deutschen Demokratischen Republik, Brief Politzers an den Leiter der Abteilung Westeuropa, Plaschke, 29. 09. 1976, in: PA AA, M 1, C 3590, Bl. 39–44, hier: Bl. 41. Botschaft der DDR in Madrid, Spanische Haltung zu internationalen Fragen, undatiert, vermutlich 1977, in: PA AA, M 1, C 3567, Bl. 20–21, hier: Bl. 21.
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drohten, nicht versucht, die Frage eines spanischen NATO-Beitritts anzusprechen bzw. ihren spanischen Gesprächspartnern einen solchen „auszureden“. Dies wurde als Indiz dafür gewertet, dass die DDR angesichts der erneuten Ost-West-Konfrontation „in den Beziehungen zu westlichen Ländern so viel Terrain wie möglich halten“ wollte.101 Der notgedrungene Realismus hinsichtlich der begrenzten Einflussmöglichkeiten war dem Wissen Ost-Berlins um die relativ schlechte eigene Ausgangsposition im postfranquistischen Spanien geschuldet. Diese ergab sich neben der Verstimmung Madrids über den Beziehungsabbruch von 1975 primär aus der Verbesserung des Verhältnisses Spaniens zum Westen und dem Einfluss der Bundesrepublik. Während sich die spanisch-westeuropäischen Beziehungen im letzten Jahr der Franco-Diktatur durch die verstärkten innenpolitischen Repressionen verschlechtert hatten und auch die spanisch-US-amerikanischen Beziehungen vorübergehend durch handelspolitische Streitigkeiten getrübt worden waren, erhöhte sich nach dem Tod Francos die außenpolitische Bedeutung Spaniens für den Westen schlagartig. Auch angesichts der Entwicklungen in Portugal und Griechenland nach dem Sturz der dortigen Diktaturen und dem Konflikt um Zypern waren USA und NATO an einer intensiveren außen- und militärpolitischen Einbindung Spaniens interessiert.102 Symbolisch zum Ausdruck gebracht wurde der westliche Wille, Spanien im Fall einer erfolgreichen Demokratisierung als ernstzunehmenden internationalen Akteur anzuerkennen, mit der ersten Auslandsreise Juan Carlos’ im Juni 1976 in die USA, wo er als erstes spanisches Staatsoberhaupt überhaupt empfangen wurde.103 Daneben musste das ostdeutsche Außenministerium anerkennen, dass auch die künftigen Beziehungen Spaniens zur Bundesrepublik „über eine günstige Basis“ verfügten, da zwischen den Regierungen in Madrid und Bonn zu Beginn der Transición keine ernsthaften außenpolitischen Divergenzen oder ungelösten bilateralen Probleme bestanden.104 Außerdem war die Bundesrepublik durch „langjährige[…] faktische[…] Alleinvertretung und relativ schwache[…] Position der sozialistischen Staatengemeinschaft“ politisch, wirtschaftlich und kulturell in Spanien bereits so stark aufgestellt, dass das MfAA mit einer „politische[n] Einflussnahme Bonns [auch] auf die spanische Opposition“ rechnete.105
101
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104 105
Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin, Fernschreiben ans AA und die Botschaft der Bundesrepublik in Madrid betr. politische Konsultationen zwischen Spanien und der DDR (in Berlin (Ost)), 12. 02. 1980, in: PA AA, MADR 12682, unpag. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Stellung Spaniens im imperialistischen System, 04. 01. 1976, in: PA AA, M 1, C 3567, Bl. 9–16, hier: Bl. 9. Vgl. Antonio Sánchez Gijon, Cálida acogida del Congreso americano al las palabras del Rey, in: El País vom 02. 06. 1976; o. V., Un discurso con gran autoridad, in: ABC vom 03. 06. 1976, S. 1. Zur Einschätzung des Staatsbesuchs durch das DDR-Interessenbüro in Madrid vgl. Botschaft der Syrisch-Arabischen Republik in Spanien, Büro zum Schutz der Interessen der Deutschen Demokratischen Republik, Brief Politzers an den Leiter der Abteilung Westeuropa, Plaschke, 11. 06. 1976, in: PA AA, M 1, C 3590, Bl. 36–38, hier: Bl. 36. MfAA, Abteilung Westeuropa, Einschätzung der Beziehungen Spanien-BRD, Ende 1975, in: PA AA, M 1, C 3574, Bl. 26–31, hier: Bl. 27–28. Ebenda, Bl. 30.
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Hinzu kam, dass sich beinahe alle politischen Gruppierungen in Spanien mit Blick auf die Verfassungsgebung „innerhalb kürzester Zeit“ auf das Ziel „Demokratie“ einigen konnten, „womöglich gerade weil kein Konsens darüber bestand, was genau unter ‚Demokratie‘ eigentlich zu verstehen sei.“ 106 Bis auf einige wenige offen demokratiefeindliche Kräfte bezeichneten sich alle politischen Bewegungen als „demokratisch“, darunter sowohl ehemalige Franquisten als auch die Kommunisten, welche in ihrer Legalisierung 1977 den letzten Beweis dafür erbracht sahen. Diese „gesamtgesellschaftlich geteilte Wertschätzung der Demokratie“ 107 sowie die Haltung der UdSSR, die aus entspannungs- und handelspolitischen Gründen nicht an einer revolutionären Umwälzung in Spanien interessiert war,108 trugen ebenfalls dazu bei, dass die DDR in der frühen Phase der Transición trotz ihrer politischen Ambitionen zu der Einschätzung kam, dass es in ihrem eigenen Interesse und dem der spanischen Kommunisten liege, „den weiteren Verlauf des [demokratischen] Übergangs einschließlich der Verabschiedung der Verfassung von der jetzigen Regierung unter Suárez durchführen zu lassen.“ 109 Diese Einsicht widersprach der Behauptung des ehemaligen Botschafters Lorf vom Herbst 1975, dass nach dem Tod Francos nur die Kommunisten „politisch einsatzbereit“ sein würden.110 Zweieinhalb Jahre später erklärte Botschafter Korth gegenüber dem bundesdeutschen Botschafter Lahn nun, dass sich die spanische Linke „in der Opposition […] eher konsolidieren und auf einen einheitlichen Kurs verständigen“ müsse, der dann zu gegebener Zeit eingeschlagen würde.111
3. Internationale Selbstverortung: Spanische Außenpolitik in der Transición „Spanien [ist] gegenwärtig dabei, seinen Platz im internationalen Geschehen zu bestimmen“, erklärte Europageneraldirektor Elías dem stellvertretenden DDRAußenminister Nier bei dessen erstem Besuch in Madrid im Oktober 1978 und brachte damit das übergeordnete Ziel aller außenpolitischen Aktivität Spaniens in der Transición auf den Punkt.112 Da wie in anderen staatlichen Bereichen auch im außenpolitischen Apparat kein Elitenaustausch stattfand, wurde diese „Standort-
106 107 108 109 110 111 112
Aschmann, Spanien, S. 21. Vgl. ebenda. Vgl. die zeitgenössische Einschätzung von Devlin, Eurokommunismus, S. 177. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben des Botschafters Lahn betr. Beziehungen zwischen Spanien und DDR, 07. 02. 1978, in: PA AA, MADR 12682, unpag. Vgl. Kap. II.5.1.4. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben des Botschafters Lahn betr. Beziehungen zwischen Spanien und DDR, 07. 02. 1978, in: PA AA, MADR 12682, unpag. MfAA, Abteilung Westeuropa, Information über die Konsultation des Stellvertreters des Ministers, Genossen Kurt Nier, mit dem Generaldirektor im spanischen Außenministerium, Elías Martinena, am 2. und 3. 10. 1978, 04. 10. 1978, in: PA AA, M 1, C 3593, Bl. 5–9, hier: Bl. 6.
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bestimmung“ größtenteils von denselben Funktionären und Diplomaten ausgeführt, welche bereits die in Dimension und Handlungsspielraum eingeschränkte Außenpolitik unter Franco betrieben hatten.113 Es dauerte bis zur Verabschiedung der Verfassung Ende 1978, bis außenpolitische Zuständigkeiten, Kompetenzen und Entscheidungsprozesse neu geregelt wurden. Ein grundlegender Wandel in Stil und Personal des MAE erfolgte erst mit dem Wahlsieg der Sozialisten 1982 und der Übernahme des Außenministeriums durch Fernando Morán.114 Während Außenminister de Areilza noch wenig in Erscheinung getreten war, konnte sich sein Nachfolger Oreja bereits eine größere Autonomie für die beginnende Neugestaltung der Außenpolitik erarbeiten. Dazu trug sein enges Verhältnis zu König Juan Carlos und Ministerpräsident Suárez bei, die trotz des Primats der innenpolitischen Reformen ein relativ großes Interesse an außenpolitischen Fragen zeigten.115 Wichtig war ebenso, dass sich viele Mitglieder des diplomatischen Diensts bald – mal mit größerer, mal mit geringerer persönlicher Überzeugung – hinter eine „paktierte“ und allmähliche Demokratisierung des Landes stellten. Dienlich war bei diesem Loyalitätswechsel erstens die Monarchie als „Brückeninstitution“ mit starkem Identifikationspotenzial und zweitens die karrieristische Perspektive, dass damit keine Säuberungen oder einschneidende personelle Zäsuren zu befürchten waren.116 Unter Außenminister Oreja kehrten zudem einige Diplomaten in die vorderen Reihen zurück, die aufgrund ihrer politischen Überzeugung oder illegalen Parteizugehörigkeit unter Franco aus dem Dienst entfernt worden waren.117 Darunter waren einige Parteigänger Enrique Tierno Galváns und dessen im Februar 1977 legalisierter „Sozialistischer Volkspartei“ PSP wie etwa Raúl Morodo, Generalsekretär des PSP und bereits unter Franco ein Kontaktmann der DDR-Botschaft.118 Günstig für die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen der DDR zu Spanien und die Arbeit der wiedereröffneten Botschaft in Madrid dürfte auch die Ernennung des Christdemokraten Javier Rupérez zum Stabschef von Außenminister Oreja im Jahr 1977 und Leiter der spanischen KSZEDelegation 1980 gewesen sein. Rupérez, der von 1969 bis 1972 die spanische Konsular- und Handelsmission in Warschau geleitet und als „Brechtverehrer“ erste Kontakte zur dortigen DDR-Botschaft geknüpft hatte,119 trat in seiner neuen Funktion u. a. für die Normalisierung der Beziehungen zu den sozialistischen Ländern ein.120
113 114 115 116 117 118 119 120
Zu Kontinuitäten und Wandel des außenpolitischen Apparats und diplomatischen Diensts in der Transición vgl. Sanz Díaz, Instrumento, S. 377. Vgl. ebenda, S. 365–366; Powell, Cambio de régimen, S. 451. Vgl. Sanz Díaz, Instrumento, S. 371; Tusell, Spain, S. 315. Vgl. Powell, Cambio de régimen, S. 450–451. Vgl. Sanz Díaz, Instrumento, S. 379. Vgl. Powell, Cambio de régimen, S. 450; Interview mit Otto Pfeiffer, 27. 11. 2017. Vgl. Kap. II.2.2. Vgl. Castellanos López, Quién, S. 660–661.
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
Um „seinen Platz“ 121 im internationalen Gefüge zu finden, war Spanien in der frühen Transición zunächst darauf bedacht, das außenpolitische Erbe des Franquismus mit all seiner Beengtheit und Schwerfälligkeit abzuschütteln.122 Die DDR-Botschaft in Madrid beobachtete nach ihrer Wiedereröffnung, dass „die Überwindung aller Überreste der außenpolitischen Isolierung“ als dringlichste Aufgabe der Außenpolitik erachtet wurde.123 Dahinter lag die Absicht, langfristig eine „gleichberechtigte Position unter den imperialistischen Staaten“ zu erreichen,124 oder, wie es der spanische Geschäftsträger Ortiz García in Ost-Berlin mit einem gewissen Pathos formulierte, „die Rückkehr eines demokratischen Spaniens auf seinen Platz unter den Nationen des Westens“ anzutreten.125 Dies sollte mittelfristig durch drei Ziele erreicht werden: vollständige Integration Spaniens in die internationale Gemeinschaft, endgültige Normalisierung seiner diplomatischen Beziehungen und damit volle internationale Anerkennung.126 Darunter fiel als Kontinuität bzw. Vollendung der spätfranquistischen Ostpolitik auch die Herstellung diplomatischer Beziehungen mit den Ländern des Ostblocks und die Wiederaufnahme der Beziehungen zur DDR, die bei unbestrittener Westorientierung als politischer Hebel und wirtschaftliches „Back-up“ dienen sollten.127 Vor einem Besuch von Bundesaußenminister Genscher in Spanien im Mai 1979 hieß es diesbezüglich in einem Informationspapier für Ministerpräsident Suárez, dass Spanien von der bundesdeutschen Außenpolitik Folgendes lernen könne: „Gute Beziehungen zur UdSSR sind die beste Methode, Druck auf die USA auszuüben und ihren Respekt vor uns zu gewinnen.“ 128 Auch das MfAA schätzte ein, dass es der Regierung Suárez im Osten insbesondere darum gehe, „sich als ein den anderen westeuropäischen Staaten ebenbürtiger Partner“ darzustellen.129 Attraktiv für die sozialistischen Staaten wirkte dabei die Beteuerung Suárez’, dass Spanien sich im Ost-West-Konflikt auch künftig eine gewisse „Nichtpaktgebundenheit“ bewahren und im KSZE-Prozess eine vermittelnde Rolle beibehalten wolle.130 Die offizielle Reise Orejas in die UdSSR Anfang 1979, bei der ein Kulturabkommen und Verein121 122 123 124 125 126 127
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„España en su sitio“ wurde als außenpolitisches Motto der Transición vom ersten sozialistischen Außenminister Fernando Morán geprägt: vgl. Morán, España. Vgl. Powell, Cambio de régimen, S. 423. MfAA, Abteilung Westeuropa, Zur Außenpolitik Spaniens, 10. 09. 1977, in: PA AA, M 1, C 3576, Bl. 24–28, hier: Bl. 24. Ebenda. Ortiz García, Papeleras, S. 265. Vgl. Powell, Cambio de régimen, S. 424. Für Carlos Sanz dagegen ist die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Sowjetunion Teil einer „äußeren Transición“ und „neuen Außenpolitik“ Spaniens: Sanz Díaz, Apertura, S. 782. Gabinete de la Presidencia del Gobierno, Información ante la visita de Genscher, 04. 05. 1979, in: AGA, Fondo Presidencia de Gobierno, (09), Top. 31/12, Caja 21, Exp. 1937/04/10, unpag. MfAA, Abteilung Westeuropa, Zur Außenpolitik Spaniens, 10. 09. 1977, in: PA AA, M 1, C 3576, Bl. 24–28, hier: Bl. 25. Botschaft der DDR in Prag, Information über den Aufenthalt des Ministers für Auswärtige Angelegenheiten der ČSSR, Genossen Bohuslav Chnoupek, in Spanien, 22. 03. 1979, in: PA AA, M 2, B 4528, unpag.
3. Internationale Selbstverortung: Spanische Außenpolitik in der Transición
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barungen über wissenschaftlich-technische und wirtschaftliche Kooperation geschlossen wurden, war dabei ein Zeichen sowohl an die potenziellen Bündnispartner in NATO und EWG als auch – insbesondere mit Blick auf den anstehenden Parlamentswahlkampf – an die spanischen Sozialisten, dass es die Regierung mit einer eigenständigen Außenpolitik ernst meinte.131 In der Folge sah das US-amerikanische Außenministerium Ende 1978 einen NATO-Beitritt Spaniens tatsächlich „nicht unmittelbar auf der Tagesordnung“, ging allerdings von einer baldigen EWG-Mitgliedschaft aus, die wiederum über kurz oder lang zu einer „schließlichen spanischen NATO-Mitgliedschaft“ führen würde.132 Gelassenheit und Geduld des State Departments rührten u. a. daher, dass die USA und Spanien 1976 ein erneutes Abkommen über Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen geschlossen hatten, welches den Weiterbetrieb der US-Militärstützpunkte in Spanien bis 1981 garantierte. Obgleich ein Ergänzungsabkommen vorsah, dass ein amerikanisch-spanischer Rat auf eine „angemessene Koordinierung“ der bilateralen Zusammenarbeit mit der NATO hinarbeiten solle,133 markierte der Vertrag laut Tusell den Beginn einer Emanzipation Madrids in der Partnerschaft mit Washington, da sich Spanien erfolgreich einer weiteren Stationierung von Atomwaffen auf seinem Territorium verwehrte.134 Weniger ambivalent war die Haltung Madrids bezüglich einer Integration in die Europäische Gemeinschaft. Sowohl für die Regierungen Arias Navarros, Suárez’ und Calvo-Sotelos als auch für alle ab 1977 im Parlament vertretenen Parteien sowie die Mehrheit der spanischen Bevölkerung war der demokratische Wandel Spaniens notwendigerweise mit einem Beitritt zur EWG verbunden.135 Diese „seltene Einstimmigkeit“ 136 erklärt Berta Álvarez-Miranda mit drei Spanien-spezifischen Phänomenen, die in Portugal und Griechenland, wo der Wille zum EG-Beitritt weniger einmütig ausfiel, nicht gegeben waren. Erstens herrschte in Spanien aufgrund der Erfahrung des franquistischen „Wirtschaftswunders“ der 1960er Jahre ein großer Optimismus hinsichtlich der wirtschaftlichen Vorteile einer EG-Mitgliedschaft. Zweitens brachte der integrative Charakter der politischen Transición neben dem Verfassungskonsens einen „Europakonsens“ hervor: Eine Integration in die EG wurde wie die Verfassung als Garantie für die Unumkehrbarkeit der Demokratisierung gesehen. Da die jahrzehntelange internationale Isolation Spaniens 131 132
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Vgl. Ismael López Múñoz, Marcelino Oreja inicia hoy su visita oficial a la URSS, in: El País vom 17. 01. 1979. Botschaft der DDR in Washington, Vermerk über ein Gespräch am 3. 10. 1978 mit der Mitarbeiterin im Politischen Planungsstab des State Department, Ms. Jennone Walker, über die Auffassung der USA hinsichtlich der gegenwärtigen Entwicklung Spaniens und Portugals und deren Bedeutung für die NATO und die atlantischen Beziehungen, 09. 10. 1978, in: PA AA, M 2, B 4528, unpag. Henry Giniger, U. S. and Spain sign pact for defense cooperation, in: The New York Times vom 25. 01. 1976, S. 1; o. V., Spaniens Arbeitnehmer kämpfen gegen Unternehmerwillkür, in: ND vom 23. 01. 1976, S. 7. Vgl. Tusell, Spain, S. 315. Vgl. ebenda, S. 316. Powell, Cambio de régimen, S. 429.
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
der Franco-Diktatur zugeschrieben wurde, assoziierten die Spanier einen Platz in der Europäischen Gemeinschaft drittens zwangsläufig mit „Demokratie“.137 Bestätigt durch die Geste des EG-Ministerrats, der nach dem Tod Francos die Proklamation Juan Carlos’ und die Bildung der offensichtlich zu Reformen bereiten Regierung Arias Navarros begrüßt und sich zur Wiederaufnahme von Gesprächen mit Madrid bereit gezeigt hatte, reiste Außenminister Areilza Anfang 1976 in die neun Hauptstädte der EG-Mitgliedsstaaten, um deren Regierungschefs vom Reformwillen und der Beitrittswürdigkeit der jungen spanischen Demokratie zu überzeugen. Dem Europäischen Parlament schien die spanische Initiative jedoch verfrüht und es entschied im Mai 1976, dass es weiterer demokratischer Reformen bedürfe, darunter der Legalisierung aller politischen Parteien inklusive des PCE.138 Erst nach dem „Gesetz über die politische Reform“ des ersten Kabinetts Suárez und den Parlamentswahlen vom Juni 1977 konnte Außenminister Oreja am 28. Juli 1977 in Brüssel dem Präsidenten der Europäischen Kommission Roy Jenkins das Beitrittsgesuch Spaniens zur EG übergeben – am selben Tag, als Germán de Caso Ridaura von Erich Honecker als Botschafter in der DDR akkreditiert wurde.139 Ost-Berlin rechnete wie die Mehrzahl der Beobachter damit, dass sich die Beitrittsverhandlungen „bis zum Ende des Jahrzehnts“ hinziehen würden, was zu diesem Zeitpunkt nicht als optimistische Prognose gemeint war, sich in der Rückschau jedoch als solche herausstellte.140 Anders als in der Frage einer möglichen NATO-Mitgliedschaft Spaniens war die Haltung der DDR gegenüber der spanischen EG-Integration bald eine verhältnismäßig neutrale.141 Dies lag erstens daran, dass die „Bruderpartei“ PCE einen EG-Beitritt Spaniens „vorbehaltlos“ unterstützte.142 Die Argumentation Carrillos, dass die „EWG unter dem wachsenden Einfluss der kommunistischen Parteien Westeuropas demokratisiert werden“ könne,143 lehnte Ost-Berlin in scharfer Kritik einer Zusammenarbeit der eurokommunistischen Parteien Italiens, Frankreichs und Spaniens zwar als „Illusion[…] über Möglichkeiten progressiven Einwirkens“ ab, widersprach der EG-Position der spanischen Kommunisten jedoch nicht grundsätzlich.144 Zweitens konnte Ost-Berlin spätestens seit Sommer 1980
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Vgl. Álvarez-Miranda, Sur de Europa, S. 311–340. Vgl. Powell, Cambio de régimen, S. 426. Vgl. o. V., Botschafter Spaniens akkreditiert, in: ND vom 29. 07. 1977, S. 2. O. V., Spanischer Antrag auf eine Mitgliedschaft in der EWG, in: ND vom 29. 07. 1977, S. 7. Vgl. u. a. Botschaft der DDR in Madrid, Stand und Perspektiven der Beitrittsverhandlungen Spanien-EWG, 27. 04. 1981, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 169–175. MfAA, Abteilung Westeuropa, Haltung der Kommunistischen Partei Spaniens zu außenpolitischen Fragen, 08. 03. 1978, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 1875/86, unpag. Für eine knappe Besprechung der Europapolitik des PCE vgl. Denoyer, Kommunistische Partei Spaniens. MfAA, Abteilung Westeuropa, Haltung der Kommunistischen Partei Spaniens zu außenpolitischen Fragen, 08. 03. 1978, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 1875/86, unpag; vgl. auch Woyke, Eurokommunismus, S. 142. Botschaft der DDR in Madrid, Zuarbeit der AV Madrid für ZK/IV in Vorbereitung des Besuchs einer Studiendelegation der KP Spaniens in der DDR (25.–30. 11. 1979), 14. 11. 1979, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 1875/86, unpag.
3. Internationale Selbstverortung: Spanische Außenpolitik in der Transición
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eine relativ entspannte Beobachterposition einnehmen, da sich der französische Präsident Valéry Giscard d’Estaing für ein Einfrieren der Verhandlungen zwischen Brüssel und Madrid ausgesprochen hatte, bis sichergestellt sei, dass der Beitritt Spaniens zum gemeinsamen europäischen Markt die Interessen der französischen Landwirtschaft nicht schädigen werde.145 So sah Botschafter Walkowski die Verhandlungen Anfang 1981 „de facto in einer Sackgasse“ und schätzte ein, „dass sich der von der spanischen Regierung offiziell noch für Anfang 1984 angestrebte EWG-Beitritt weiter verzögern“ könne,146 was die Befürchtungen der DDR hinsichtlich eines handelspolitischen Schadens durch einen EWG-Beitritt Spaniens schmälerte.147 Ein weiterer Schritt Spaniens auf dem Weg zu „seinem Platz“ im internationalen Gefüge war das KSZE-Folgetreffen in Madrid von 1980 bis 1983, worum sich insbesondere Außenminister Oreja und sein Stabschef Rupérez bemüht hatten. Letzterer leitete die dortige spanische Delegation an, während Oreja einen Tag vor Beginn der Vorbereitungstreffen aus dem Amt schied. Beide verfolgten mit der KSZE-Gastgeberschaft das Ziel, Spanien eine Bühne zu bieten, um sich als außenpolitischer Akteur zu präsentieren und an internationalem Profil zu gewinnen. So verwies Oreja einerseits darauf, dass seit der Algeciras-Konferenz von 1906 kein großer internationaler Gipfel mehr in Spanien stattgefunden hatte. Andererseits sah er sich veranlasst zu betonen, dass sich das Madrider KSZE-Treffen und die NATO-Ambitionen seiner Regierung nicht ausschlössen, sondern im Gegenteil sehr gut ergänzten.148 Das Engagement Orejas und Rupérez’ wurde je nach Interessenlage der KSZE-Teilnehmerstaaten allerdings unterschiedlich interpretiert: Einerseits konnten diejenigen NATO- und europäischen Staaten, die an einer zügigen Westintegration Spaniens interessiert waren, die spanische Initiative zur außenpolitischen Profilierung durchaus als „Bewerbung um einen Platz im Westen“ verstehen. Die Bundesrepublik beispielsweise interpretierte die betont offen gehaltene Außenpolitik der Regierung Suárez, ihre KSZE-Gastgeberschaft und Bereitschaft zum „Dialog zwischen den Blöcken“ laut Muñoz Sánchez als einen „logischen Schritt der internationalen Öffnung Spaniens“.149 In einem solchen Sinne wollte auch Javier Rupérez das spanische KSZE-Engagement verstanden wissen, der trotz seiner DDR-Sympathie und Brechtverehrung unbeirrt für eine NATOMitgliedschaft Spaniens eintrat und während der Konferenz mehrfach das engli-
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148 149
Vgl. Tusell, Spain, S. 316; Powell, Cambio de régimen, S. 430; Niehus, Außenpolitik, S. 692– 714. Botschaft der DDR in Madrid, Stand und Perspektiven der Beitrittsverhandlungen SpanienEWG, 27. 04. 1981, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 169–175, hier: Bl. 169, 175. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Handelsbeziehungen DDR-Spanien, 18. 02. 1974, in: PA AA, M 1, C 633/77, Bl. 11; MfAA, Abteilung WE, Verträge, Abkommen und Tagungen gemischter Gesellschaften zwischen der DDR und Spanien auf dem Gebiet des Handels, 1978– 79, in: PA AA, M 1, C 3592, Bl. 1–35, hier: Bl. 8. Vgl. Powell, Cambio de régimen, S. 434–435. Muñoz Sánchez, Padrino, S. 244.
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
sche Wortspiel gebrauchte, dass Spanien zwar Gastgeber („host“) der KSZE sei, jedoch nicht deren Geisel („hostage“).150 Für andere war das Madrider Treffen vielmehr Ausdruck der ambivalenten Außen- und NATO-Politik der Regierung Suárez, die damit einen „dritten Weg“ zwischen Ost und West, bevorzugt in enger Partnerschaft mit Zentralamerika, anstrebe.151 Zu einer solchen Interpretation trug der Besuch des sowjetischen Außenministers Gromyko in Spanien im November 1979 bei, bei dem nicht etwa die Frage nach einem NATO-Beitritt Spaniens im Mittelpunkt stand, sondern Themen der Entspannungspolitik, insbesondere die Vorbereitungen des Madrider Folgetreffens.152 „Neues Deutschland“ porträtierte den Aufenthalt Gromykos als eine Art spanisch-sowjetisches KSZE-Vorbereitungstreffen, bei dem Oreja und Gromyko „einen Meinungsaustausch über aktuelle Probleme des Entspannungsprozesses, der Einstellung des Wettrüstens sowie der Abrüstung geführt“ und „die Entwicklung nach der Helsinkier Konferenz [und] Fragen, die das bevorstehende Madrider Treffen berührten“, erörtert hätten.153 Die bundesdeutsche Vertretung in Madrid beobachtete in diesem Kontext, dass es Teil der Anti-NATO-Propaganda der DDR-Botschaft war, gegenüber der spanischen Regierung und Öffentlichkeit das Szenario zu entwerfen, dass ein Beitritt zum westlichen Militärbündnis negative Folgen für den europäischen Entspannungsprozess und eine erfolgreiche Durchführung der KSZE-Konferenz in Madrid haben werde.154 Dieser Beitritt wurde im Dezember 1981 unter Ministerpräsident Calvo-Sotelo einigermaßen unvermittelt beschlossen und war neben der Bewerbung um eine EG-Mitgliedschaft und dem Madrider KSZE-Folgetreffen der dritte entscheidende Schritt der jungen spanischen Demokratie auf dem Weg in den Westen. Zwar stellte der Regierungswechsel vom dritten Kabinett Adolfo Suárez’ zur Regierung Leopoldo Calvo-Sotelos im Februar 1981 keinen Machtwechsel und damit grundlegenden Wandel der Außenpolitik dar, da beide Ministerpräsidenten der UCD als Partei der bürgerlichen Mitte angehörten. Dennoch bedeutete die kurze Regierungspräsidentschaft Calvo-Sotelos bis Dezember 1982 die endgültige Hinwendung Spaniens zum Westen.155 In seiner Regierungserklärung räumte er alle etwaigen Zweifel an einer solchen aus, indem er Spanien unmissverständlich in der westlichen Welt verortete. Ziel seiner Regierung sei es, für Spanien ein „eindeutiges und irreversibles europäisches, demokratisches und westliches Selbstverständnis“ zu erarbeiten, „fern jeglicher Vorstellungen, die von isolationistischen Versu-
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154 155
Rupérez, España en la OTAN, S. 106. Vgl. Powell, Cambio de régimen, S. 435. Vgl. Niehus, Außenpolitik, S. 592–593; o. V., La visita de Gromiko, in: El País vom 20. 11. 1979. O. V., Garantie der UdSSR für Länder ohne Kernwaffen, in: ND vom 21. 11. 1979, S. 5. Für eine detaillierte Analyse der ostdeutschen und sowjetischen Interessen beim KSZE-Folgetreffen in Madrid vgl. Hanisch, DDR im KSZE-Prozess, S. 257–311. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Antwort auf Runderlass betr. außenpolitische Aktivitäten der DDR im Gastland, 25. 06. 1979, in: PA AA, MADR 12682, unpag. Vgl. Niehus, Außenpolitik, S. 704; Powell, Cambio de régimen, S. 436–437.
3. Internationale Selbstverortung: Spanische Außenpolitik in der Transición
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chungen außerhalb der westlichen Ordnung träumen.“ 156 Der Wandel vom „Flirt mit Neutralität und Dritt-Welt-Rolle“ unter Suárez zum „Atlantismus und Okzidentalismus“ unter Calvo-Sotelo bedeutete auch eine Verquickung der beiden außenpolitischen Projekte „EG-Integration“ und „NATO“:157 Während die Regierung Suárez erstere vorrangig und von der NATO-Frage losgelöst behandelt hatte, erhofften sich Calvo-Sotelo und sein Außenminister José Pedro Pérez-Llorca vom Beitritt zum Nordatlantikpakt eine Beschleunigung der stockenden EG-Beitrittsverhandlungen.158 Damit kamen sie erstens der Bundesrepublik entgegen, die ihr Interesse an einer spanischen „Bindung an die NATO“ offen bekundete und argumentierte, dass diese der vollen Westintegration Spaniens den Weg bereiten könne.159 Zweitens versprach sich Madrid als NATO-Mitglied eine bessere Verhandlungsposition für die anstehenden Neuverhandlungen über das 1976 geschlossene spanisch-US-amerikanische Militärabkommen.160 Drittens lieferte der missglückte Staatsstreich von Teilen des Militärs und der Guardia Civil im Februar 1981 zusätzliche Argumente für diejenigen politischen Kräfte, die die spanische Armee durch einen Beitritt zur NATO zu professionalisieren und modernisieren suchten.161 Obwohl die Zustimmung der spanischen Bevölkerung zu einer NATO-Mitgliedschaft in den Jahren 1975 bis 1981 von 75 auf 17 Prozent gesunken war – zu einem großen Teil aufgrund der mächtigen „Nein zum Beitritt“-Kampagne des PSOE –,162 erreichte die UCD-Regierung mit den Stimmen rechter Parteien sowie der katalanischen und baskischen Nationalisten die notwenige Parlamentsmehrheit, um am 15. Dezember 1981 das Beitrittsprotokoll in Brüssel zu unterzeichnen. Als auch die sozialistische Regierung Griechenlands ihren Widerstand gegen eine spanische Mitgliedschaft im Militärbündnis aufgab, trat Spanien am 30. Mai 1982 der NATO bei.163 Der Geschäftsträger der spanischen Botschaft in Washington, Alonso Álvarez de Toledo, der die Beitrittsurkunde im US-amerikanischen Außenministerium übergab, wurde drei Jahre später letzter spanischer Botschafter in Ost-Berlin.164 Der „mit knapper Not“ und mit Blick auf die Regierungsübernahme der Sozialisten Ende 1982 „in letzter Minute“ forcierte NATO-Beitritt kam sowohl für seine Hauptgegner PSOE und PCE als auch für die spanische Öffentlichkeit
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Zitiert in Powell, Cambio de régimen, S. 436; vgl. auch Viñas, Außenpolitik, S. 224. Niehus, Außenpolitik, S. 705. Im Spanischen wird das Konzept des „tercermundismo“ mit der Außenpolitik Suárez’ verbunden: vgl. u. a. Álvarez de Toledo, Notas, S. 137. Vgl. Niehus, Außenpolitik, S. 705; Powell, Cambio de régimen, S. 438. Gabinete de la Presidencia del Gobierno, Información (Visita oficial Helmut Schmidt), 08. 01. 1980, in: AGA, Fondo Presidencia de Gobierno, (09), Top. 31/12, Caja 21, Exp. 1937/ 04/11, unpag. Vgl. Powell, Cambio de régimen, S. 437–438. Vgl. ebenda, S. 438. „OTAN, de entrada no“: vgl. Tusell, Spain, S. 317. Vgl. Viñas, Außenpolitik, S. 224. Vgl. das Kapitel zu den diplomatischen Bemühungen Calvo-Sotelos um den spanischen NATO-Beitritt in seinen Memoiren: Álverez de Toldeo, Notas, S. 137–146.
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
einigermaßen überraschend.165 Insbesondere von den Sozialisten wurde er als übereilter und illoyaler Akt kritisiert, mit dem die um ihre Macht fürchtende UCD-Regierung sich einem Referendum entzogen habe, das Kommunisten und Sozialisten noch im September von ihr eingefordert hatten und das sie laut PSOE verloren hätte. Mit dem vollzogenen NATO-Beitritt stelle sie eine künftige Regierung vor vollendete und schwer rückgängig zu machende Tatsachen.166 Trotz ihrer Kritik trieben PSOE und PCE in der angespannten innenpolitischen Lage nach dem Putschversuch den NATO-Widerstand nicht bis zum Sturz der ohnehin stark geschwächten Regierung.167 Dies wiederum rief in Ost-Berlin keine überraschte Reaktion hervor, ebenso wenig wie der NATO-Beitritt Spaniens. Wenn auch nicht alarmiert, doch durch das klare „Westbekenntnis“ Calvo-Sotelos zu besonderer Aufmerksamkeit angehalten, hatte Botschafter Walkowski seit Anfang 1981 detailliert über die außenpolitischen Aktivitäten des neuen Ministerpräsidenten und seines Außenministers Pérez-Llorca berichtet und bereits im Juli einen NATO-Beitritt noch für dasselbe Jahr bzw. spätestens für Anfang 1982 prognostiziert.168 Nach dem vereitelten Staatsstreich war er außerdem von einer „weitere[n] Rechtsentwicklung“ auch der Oppositionsparteien PSOE und PCE ausgegangen, womit im Fall der Sozialisten eine Fortsetzung des „Prozess[es] der Sozialdemokratisierung“ gemeint war.169 Im Fall der kommunistischen „Bruderpartei“ rechnete Walkowski mit einer weiteren „Verbürgerlichung“, d. h. einer Weiterführung der „bisherigen auf den Konsensus gerichteten Politik“ des PCE, die einen entschiedenen Widerstand gegen den NATO-Beitritt ausschloss.170 Nicht zuletzt deshalb verfolgte die SED ihre „auslandsinformatorische“ AntiNATO-Propaganda in Spanien nach dem Beitritt weiter. Sie sah in der gemeinsamen Opposition gegen die spanische NATO-Mitgliedschaft einen der wenigen „Anknüpfungspunkte für die Verständigung“ und „gemeinsame Aktionen“ mit dem PCE, zu dem sich die Beziehungen nach der 1974/75 zeitweilig demonstrierten Aussöhnung erneut verschlechtert hatten.171 Wichtigste internationale Partnerin auf dem Weg des postfranquistischen Spaniens in den Westen war die Bundesrepublik. Sie unterstützte die EG-Bewerbung und das Engagement Madrids als KSZE-Gastgeber während der Regierungen Suárez’ sowie den unter Calvo-Sotelo früher als erwartet vollzogenen NATO-Beitritt.
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Ebenda, S. 137; vgl. auch Powell, Cambio de régimen, S. 437. Zitiert nach Powell, Cambio de regimen, S. 437. Vgl. Viñas, Außenpolitik, S. 224. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Walkowski an den stellvertretenden Außenminister Nier, 02. 07. 1981, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 185–193, hier: Bl. 188. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Walkowski an den stellvertretenden Außenminister Kurt Nier, 03. 03. 1981, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 1880/86, unpag. Ebenda. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Zuarbeit der AV Madrid für ZK/IV in Vorbereitung des Besuchs einer Studiendelegation der KP Spaniens in der DDR (25.–30. 11. 1979), 14. 11. 1979, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 1875/86, unpag.
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Bereits während der Agonie Francos hatte Botschafter von Lilienfeld für ein zügiges Handeln gegenüber Spanien auch ohne demokratische Vorbedingungen plädiert: „Wir sollten rasch und möglichst nachdrücklich den Ausbau der Beziehungen zu Spanien in Angriff nehmen, ohne allzu ungeduldig zu sein hinsichtlich der sofortigen Herstellung voller lupenreiner parlamentarisch-demokratischen Verhältnisse nach westeuropäischem Muster. […] Wir sollten trotzdem von Anfang an unsere volle Unterstützung sichtbar werden lassen.“ 172
Ein wichtiges symbolisches Zeichen für ihren Vertrauensvorschuss setzte die Bundesrepublik mit der Entsendung des Bundespräsidenten Walter Scheel zur Krönungszeremonie von Juan Carlos am 27. November 1975.173 Die DDR, deren diplomatische Beziehungen zu Spanien zu diesem Zeitpunkt noch ausgesetzt waren, wusste um die prominente Rolle Bonns, das sich laut MfAA „faktisch zum Hauptsprecher der EWG und der NATO gegenüber Spanien […] profiliert[e]“.174 Auch war sich Ost-Berlin bewusst, dass sich die Bundesrepublik durch ihr außenpolitisches Eintreten für Spanien eine nicht unwesentliche innenpolitische Einflussflussnahme auf den Demokratisierungsprozess sicherte.175 Dazu trug bei, dass die spanisch-westdeutschen Beziehungen insofern „verhältnismäßig einzigartig“ 176 waren, als keinerlei offene Streitfragen eine Intensivierung des Verhältnisses behinderten, wie etwa im Fall Frankreichs die Sorge um eine spanische EWG-Konkurrenz oder im Fall Großbritanniens der Konflikt um Gibraltar. Birgit Aschmann spricht von einem „Fehlen traumatisierender Konflikte“, weshalb es zwischen Madrid und Bonn „Routine“ wurde, sich „wechselseitig daran [zu] erinnern, wie konfliktfrei das Verhältnis“ sei.177 Ferner beförderte die große Zahl spanischer Arbeitsemigranten in der Bundesrepublik ein besonderes gegenseitiges bilaterales Interesse.178 Die sozialliberale Regierung unter Helmut Schmidt zögerte daher nicht, den Demokratisierungsprozess in Spanien von Beginn an entschieden zu unterstützen, freilich auch, weil ein gemäßigtes, liberal-parlamentarisches System auf der iberischen Halbinsel ihren eigenen wirtschaftlichen und politischen Interessen entsprach.179 Das spanische Außenministerium wusste um dieses Interesse, wie eine Einschätzung vor dem Staatsbesuch Schmidts im Januar 1980 zeigt:
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Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben des Botschafters von Lilienfeld betr. Konsultationen MD Van Wells in London, hier: Unsere Spanien-Politik, 27. 10. 2975, in: PA AA, B 97, Bd. 485, unpag. Vgl. Muñoz Sánchez, Padrino, S. 210. MfAA, Abteilung Westeuropa, Zu den Beziehungen Spanien-BRD, 03. 05. 1978, in: PA AA, M 1, C 3597, Bl. 5–10, hier: Bl. 8. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Zur Außenpolitik Spaniens, 10. 09. 1977, in: PA AA, M 1, C 3576, Bl. 24–28, hier: Bl. 27–28. Bernecker, España y Alemania, S. 164. Aschmann, Mein Freund Felipe, S. 641 Vgl. o. V., Las cuarenta y ocho horas del presidente en Bonn y Bruselas, in: El País vom 02. 11. 1977. Vgl. Bernecker, España y Alemania, S. 164.
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
„Obschon die Beziehungen traditionell immer freundschaftlich und eng waren, markiert die demokratische Reform in Spanien einen entscheidenden Wendepunkt in diesen. Der Tod des Generals Franco und die Ablösung seines Regimes durch eine Demokratie, deren Regierungen seitdem die politische Anerkennung der Länder Westeuropas gesucht haben, wurde in Deutschland mit außergewöhnlichem Interesse aufgenommen. Die Bundesregierung antwortete auf die Demokratisierung mit dem klar formulierten Wunsch, die neue Situation in Spanien zu unterstützen; die politischen Kreise in Deutschland verfolgen seitdem aufmerksam die Geschehnisse in Spanien und entsenden unaufhörlich Delegationen oder Vertretungen, um sich vor Ort über die Entwicklungen zu informieren und enge Kontakte mit ideologisch verwandten Parteien und deren führenden Akteuren zu unterhalten.“ 180
Bereits im April 1977, also mitten im Wahlkampf zu den ersten demokratischen Parlamentswahlen in Spanien seit dem Bürgerkrieg und noch vor der Übergabe des spanischen Beitrittsgesuchs an die EG, reiste Juan Carlos, dessen demokratische Überzeugung zu diesem Zeitpunkt noch nicht erprobt war, mit seiner Frau zum Staatsbesuch in die Bundesrepublik. Die fünftägige Reise, bei der das Königspaar auf höchster Regierungsebene sowie von Helmut Kohl als Vertreter der oppositionellen CDU empfangen wurde, fand sowohl in der westdeutschen als auch in der spanischen Presse ein großes Echo. „El País“ sprach vom „bedeutendsten politischen und diplomatischen Erfolg der letzten vierzig Jahre“ und „Die Zeit“ prophezeite „Europa muss mit Spanien rechnen“.181 Walter Scheel sprach beim Galadinner einen Toast auf „die spanisch-deutsche Allianz auf dem Weg zu einem geeinten Europa“ aus,182 und auch das MAE unter Marcelino Oreja nahm den Besuch in der Rückschau als „spektakulären Auftakt“ einer intensiven diplomatisch-politischen Beziehung wahr.183 Auch Ministerpräsident Suárez reiste im November 1977 zum Staatsbesuch nach Bonn, wo er laut Einschätzung des MAE bereits nach vier Monaten im Amt „großes Ansehen und Sympathie“ genoss, da er als „einer der Initiatoren der politischen Reform“ in Spanien galt.184 Laut dem spanischen Botschafter in der Bundesrepublik, Emilio Garrigues, habe sich Suárez den politischen Respekt Schmidts außerdem durch sein Eintreten für die Legalisierung des PCE erworben.185 Dies sei insofern bemerkenswert, als Schmidt im Gegensatz zu Willy Brandt nicht per se ein enthusiastischer Spanienfreund sei und sein Spanienbild dem eines „durchschnittlichen Deutschen“ entspreche: Er habe 180
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MAE, Contactos diplomáticos habiendo entre la República Federal de Alemania y España en los dos últimos años aproximadamente, undatiert, vermutlich Ende 1979, in: AGA, Fondo Presidencia de Gobierno, (09), Top. 31/12, Caja 21, Exp. 1937/04/18, unpag. Vgl. Ismael Fuente Lafuente, Alemania apoya firmemente la integración española en Europa, in: El País vom 20. 04. 1977; Carsten R. Moser, Europa muss mit Spanien rechnen, in: Die Zeit Nr. 18 vom 22. 04. 1977. Vgl. Ismael Fuente Lafuente, Alianza germano-española en el camino hacia una Europa unida, in: El País vom 19. 04. 1977. MAE, Contactos diplomáticos habiendo entre la República Federal de Alemania y España en los dos últimos años aproximadamente, undatiert, vermutlich Ende 1979, in: AGA, Fondo Presidencia de Gobierno, (09), Top. 31/12, Caja 21, Exp. 1937/04/18, unpag. Ebenda. Vgl. Botschaft Spaniens in Bonn, Brief des Botschafters Garrigues an Ministerpräsident Suárez, 07. 12. 1979, in: AGA, Fondo Presidencia de Gobierno, (09), Top. 31/12, Caja 21, Exp. 1937/04/15, unpag.
3. Internationale Selbstverortung: Spanische Außenpolitik in der Transición
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„eine gewisse mitleidig-gnädige Sympathie gegenüber einem Volk, das die Tugenden der Heiligen Dreieinigkeit ‚Fleiß, Pünktlichkeit, Leistung‘ nicht beherrsche“.186 Da Schmidt in Spanien vor allem einen potenziell guten Markt innerhalb der EWG und eine Verstärkung für die NATO sehe, war es laut Garrigues besonders wichtig, dass Suárez die „persönliche Sympathie und Wertschätzung“ des Bundeskanzlers gewonnen habe.187 Beim Empfang für Helmut Schmidt im Januar 1980 drückte Suárez in seinem Toast große Dankbarkeit für die Unterstützung der Bundesrepublik im spanischen Demokratisierungsprozess aus und gerierte sich beinahe als Schützling Bonns: „Ich kann nicht vergessen, wie auch das spanische Volk nicht vergessen kann, wie viel Unterstützung Ihr Land unserer jungen Demokratie von Beginn der Regentschaft Ihrer Majestät des Königs von Spanien an hat zukommen lassen.“ 188 Diese demonstrierte spanische Bereitschaft, das politische Engagement der Bundesrepublik in der Demokratisierung Spaniens zuzulassen, verstärkte sich nach Einschätzung von DDR-Botschafter Walkowski nach dem Putschversuch vom Februar 1981, als Ministerpräsident Calvo-Sotelo außenpolitisch alles auf die Integration in NATO und EG setzte und dabei auf die Unterstützung Bonns angewiesen war.189 Mitte der 1980er Jahre kam eine interne Analyse des Babelsberger Instituts für Internationale Beziehungen daher zu dem Schluss, dass „die Zurückhaltung der UCD-Regierungen gegenüber der DDR auf Drängen der BRD“ erfolgt sei.190 Dabei waren es freilich nicht nur der starke Einfluss der Bundesrepublik, die innenpolitisch angespannte Lage und der außenpolitische „Westkurs“ der Regierung Calvo-Sotelo, welche die Spanienpolitik der DDR Anfang der 1980er Jahre an ihre Grenzen stießen ließen. Auch das angespannte internationale Klima des „Zweiten Kalten Kriegs“ und die damit einhergehende erhöhte Krisen- und Bedrohungswahrnehmung erschwerten die Ambitionen Ost-Berlins auf eine Einflussnahme in der Frage der spanischen NATO-Mitgliedschaft und die Bemühungen der Botschaft, die bilateralen Beziehungen durch den Abschluss weiterer Verträge zu intensivieren. Ausdruck dessen war u. a., dass der Spanienaufenthalt von Bundeskanzler Schmidt in Madrid im Januar 1980, der als „Abstecher […] in einem befreundeten Land“ geplant gewesen war, angesichts der unmittelbar zuvor erfolgten Invasion der Sowjetunion in Afghanistan zu einer „hochpolitischen […] Kri-
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Ebenda: „Creo que la imágen que tiene Schmidt de España responde a la del alemán medio: una cierta simpatía misericordiosa en cuanto a un pueblo que no practica las virtudes de la Santa Trinidad ‚Fleiss, Pünktlichkeit, Leistung’ (aplicación, puntualidad, rendimiento).“ Ebenda. Gabinete de la Presidencia del Gobierno, Información (Visita oficial Helmut Schmidt), 08. 01. 1980, in: AGA, Fondo Presidencia de Gobierno, (09), Top. 31/12, Caja 21, Exp. 1937/ 04/02, unpag. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Walkowski an den stellvertretenden Außenminister Kurt Nier, 03. 03. 1981, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 1880/86, unpag. Institut für Internationale Beziehungen der DDR, Haupttendenzen der spanischen Innenund Außenpolitik (unter besonderer Berücksichtigung der Politik gegenüber den sozialistischen Staaten), Februar 1985, in: SAPMO-BArch, DY 30/13555, Bl. 21–25, hier: Bl. 25.
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
sensitzung zweier Staatsmänner“ stilisiert wurde.191 In der Folge stritt der in OstBerlin akkreditierte spanische Botschafter Manuel Gómez-Acebo y de Igartua gegenüber seinem ostdeutschen Kollegen Walkowski eine neuerliche Zurückhaltung Madrids gegenüber der DDR nicht ab und verwies in Reaktion auf dessen „kritische Wertung des Standes der Beziehungen im politischen Bereich und den Vertragsbeziehungen […] zurückhaltend“ auf den „vollen Einsatz“, mit dem sich die spanische Regierung innenpolitischen Problemen und „problematischen Entwicklungen“ im EG-Beitrittsprozess widmen müsse.192 Ein weiterer, wenn auch untergeordneter Faktor, der zur Reserviertheit der spanischen Regierungen gegenüber der DDR beitrug, war schließlich der Versuch Madrids, auch in den Außenbeziehungen das franquistische Erbe abzuschütteln.193 So verwundert es in ideologischer Hinsicht kaum, dass die junge spanische Demokratie gegenüber der DDR besonders skeptisch war, wurde dort doch die Erinnerung an den spanischen Bürgerkrieg anachronistisch konserviert. Einigen Bürgerkriegsverlierern in Spanien galt die DDR als ideologischer „Sehnsuchtsort“, in dem die Ideale des antifaschistischen Kampfes verwirklicht waren und die Erinnerung an den gemeinsamen Feind wachgehalten wurde. Die ostdeutschen und spanischen Kommunisten rekurrierten trotz oder gerade wegen der ideologischen Differenzen zwischen SED und PCE auch nach dem Tod Francos auf Bürgerkriegserinnerungen: Beim Besuch einer Delegation des ZK der SED in Madrid im November 1978 etwa hob ein PCE-Vertreter „die langjährige Tradition des gemeinsamen Kampfes […] hervor“ und erinnerte daran, dass „als höchste Form der Solidarität“ deutsche Kommunisten „an der Seite des spanischen Volkes gegen Franco gekämpft und ihr Leben gegeben“ hatten.194 Eine solche nostalgische Beschwörung der Vergangenheit entsprach weder dem innenpolitischen Konsens der Transición, mit dem sich Spanien auf „Versöhnung“ und damit auf ein Beschweigen der Vergangenheit geeinigt hatte.195 Noch passte sie zu einer neuen spanischen Außenpolitik, die eine selbstbewusste, moderne und zukunftsgewandte europäische Demokratie repräsentieren sollte, die frei von ideologischem Ballast und Empfindlichkeiten vergangener Zeiten war. Dass Spanien die Beziehungen zur DDR 1977 dennoch wieder aufnahm, war zum einen – wie gezeigt – Teil des übergeordneten außenpolitischen Unterfangens in der Transición, endgültig alle diplomatischen Beziehungen zu normalisieren,
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Volker Mauersberger, Krisentreffen statt Freundschaftsbesuch, in: Die Zeit Nr. 3 vom 11. 01. 1980. Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Botschafters Walkowski an den stellvertretenden Außenminister Kurt Nier, 23. 07. 1981, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 194–195, hier: Bl. 194. Vgl. Müller, Heimliche Freunde, S. 115. MfAA, Abteilung Westeuropa, Bericht über eine Delegation des ZK der SED in Madrid auf Einladung des PCE und PSUC, 14.–22. Nov. 1978, November 1978, in: PA AA, M 1, C 3598, Bl. 15–22, hier: Bl. 15–16. Zu einer neuerlichen Diskussion der Rolle eines „Schweigegebots“ („pacto de silencio“) in der spanischen Transición vgl. Núñez Seixas, Schweigen oder erinnern?.
4. Das politische Engagement der DDR in der Transición
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darunter auch die zu den Staaten des Ostblocks. Zum anderen ist die Wiederherstellung der Beziehungen ein Beleg für den enormen Pragmatismus, der die spanische Transición insgesamt und ihre Außenpolitik und Diplomatie im Besonderen prägte. Dieser Pragmatismus war 1977 bezüglich der DDR auch wirtschaftlich motiviert. Dies zeigen die Einschätzung des MfAA, dass es in erster Linie einer Interessensbekundung des staatlichen Industrieverbands INI an einem neuerlichen Botschafteraustausch mit der DDR bedurfte,196 sowie die Tatsache, dass trotz der Stagnation der Vertragsbeziehungen immerhin ein Handelsabkommen zwischen Ost-Berlin und Madrid geschlossen wurde. Ferner wird im folgenden Kapitel zu zeigen sein, dass partikulare Interessen der DDR an unterschiedlichen politischen Akteuren des spanischen Demokratisierungsprozesses eine Rolle spielten sowie in einigen Fällen auch deren Interesse am „anderen Deutschland“.
4. Das politische Engagement der DDR in der Transición In seiner Nachricht über den Tod Francos am 20. November 1975 wandte sich Regierungschef Carlos Arias Navarro im Staatsfernsehen unmittelbar an die Spanierinnern und Spanier: „Españoles, Franco ha muerto.“ 197 Jedoch schlug die Nachricht auch international „hohe Wellen“ und betitelte tagelang Zeitungen und Nachrichtensendungen in aller Welt.198 Politisch führte sie zu einem verstärkten internationalen Engagement in Spanien, wobei sowohl diejenigen Staaten, die wie die USA oder die Bundesrepublik bereits enge Beziehungen mit Spanien unterhielten, als auch diejenigen ohne bisherige diplomatische Kontakte – wie die Sowjetunion und die sozialistischen Staaten – versuchten, mit allen politischen Kräften in Kontakt zu treten, von denen sie glaubten, dass sie in einer demokratischen Zukunft Spaniens eine Rolle spielen würden. Dennoch wurde Spanien nicht über Nacht zu einer gänzlich neuen „Spielwiese“, waren eine Vielzahl der diplomatischen, wirtschaftlichen, kulturpolitischen und militärischen Beziehungen doch unabhängig von der bisherigen Staats- und Regierungsform historisch gewachsen und institutionalisiert worden. Als Beispiele können die seit 1953 betriebenen USamerikanischen Militärstützpunkte in Spanien angeführt werden, das seit 1957 in Madrid tätige Goethe-Institut und die Deutsche Handelskammer für Spanien, die bereits unmittelbar nach dem Bürgerkrieg 1939 ihre Tätigkeit wieder aufgenommen hatte.199 196 197
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Vgl. Kap. III.1. „Spanier, Franco ist gestorben.“ Die fünfminütige Ansprache ist archiviert im Nachrichtenarchiv des spanischen Rundfunksenders RTVE: https://www.rtve.es/alacarta/videos/fuenoticia-en-el-archivo-de-rtve/espanoles-franco-muerto/336266/. Letzter Zugriff am 31. 10. 2022. Prieto, Apologie, 322. Zur Geschichte der Deutschen Handelskammer für Spanien ab 1917 vgl. Loscertales, S. 280– 283.
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
Auf dem Gebiet der parteipolitischen Beziehungen hat das Bild einer „Spielwiese“ bzw. eines Neuanfangs dagegen durchaus Bestand. Nachdem im franquistischen Spanien außer dem „Movimiento Nacional“ keine politischen Parteien zugelassen gewesen waren, löste die Ankündigung freier Parlamentswahlen eine „parteipolitische Aktivität ungeahnten Ausmaßes“ aus.200 Neben der Legalisierung der Traditionsparteien PSOE und PCE beantragten allein bis zur Wahl im Juni 1977 rund 260 politische Gruppierungen ihre Zulassung und es kam sowohl in der politischen Rechten und Linken als auch in der bürgerlichen Mitte zu einer regelrechten „Parteienexplosion“.201 Die legalisierten und neu gegründeten Parteien und Wahlbündnisse spielten nicht nur eine entscheidende Rolle im innenpolitischen Demokratisierungsdiskurs, sondern waren zentral für sämtliche Interessensarbeit ausländischer Parteien in Spanien, die organisatorische und finanzielle Aufbau- sowie demokratische Nachhilfearbeit leisteten. Eingehend untersucht wurde die Unterstützung der sozialistischen Internationalen sowie der bundesdeutschen SPD und der ihr nahestehenden Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) für die Sozialisten um Felipe González.202 Auch zur Tätigkeit der westdeutschen Christdemokraten und konservativer parteipolitischer Netzwerke, der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) und der Hanns-SeidelStiftung auf die EG-Integration Spaniens liegen Untersuchungen vor.203 Zeitgenössisch war das DDR-Außenministerium über diese Verbindungen gut informiert. 1978 stellte es fest, dass „die geistig-kulturellen Aktivitäten der BRD in Spanien […] durch die Niederlassungen der Stiftungen verschiedener Parteien der BRD […] bereits in starkem Maße institutionalisiert“ seien.204 Auch über deren politischen Einfluss war sich Ost-Berlin bewusst: Das MfAA beobachtete im spanischen Parlamentswahlkampf 1977, dass CDU und FDP „ihre Hauptanstrengungen auf die Konsolidierung der regierungsnahen rechtszentristischen Kräfte (Liberale und Christdemokraten)“ richteten, wobei die CDU einen Zusammenschluss aller christdemokratischen Gruppen in einer konservativen Plattform befürworte, während die CSU eng mit der von der SED als „neofaschistisch[…]“ eingestuften Volksallianz (Alianza Popular) des ehemaligen Innenministers Manuel Fraga Iribarne zusammenarbeite.205 In der Tat hatten die KAS und die Friedrich-Naumann-Stiftung be-
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Bernecker, Geschichte, S. 225. Ebenda, S. 225–226. Vgl. für die SPD Muñoz Sánchez, Wandel; ders., El amigo alemán; zum Wirken der FES in der Transición: ders., Franco-Diktatur. Poppen wendet das Konzept der Soft Power Politics von Joseph S. Nye auf das Wirken der FES in der Transición an: Poppen, Soft Power Politics: http://etheses.lse.ac.uk/id/eprint/1961. Letzter Zugriff am 31. 10. 2022. Allgemeiner: Rother, Willy Brandt; Bernecker, Alemania ante el cambio. Für das Wirken des DGB und der IG Metall in der frühen Transición vgl. Ortuño Anaya, European Socialists. Vgl. Urigüen López de Sandaliano, Imagen y semejanza; Kaiser/Salm, Transition. MfAA, Abteilung Westeuropa, Zu den Beziehungen Spanien-BRD, 03. 05. 1978, in: PA AA, M 1, C 3597, Bl. 5–10, hier: Bl. 10. MfAA, Abteilung Westeuropa/Abteilung BRD, Zu den Beziehungen BRD-Spanien, 04. 05. 1977, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 1859/86, unpag.; MfAA, Abteilung Westeuropa, Zu den Beziehungen Spanien-BRD, 03. 05. 1978, in: PA AA, M 1, C 3597, Bl. 5–10, hier: Bl. 7–8; o. V., Durch die Seitentür, in: Der Spiegel Nr. 27 (1984), S. 38–39.
4. Das politische Engagement der DDR in der Transición
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reits unmittelbar nach Francos Tod mit der „Aktivierung“ ihrer Arbeit in Spanien begonnen, die gegenseitige Delegationen, parteipolitische Bildungsseminare und finanzielle „Einrichtungshilfen“ beinhaltete.206 Die Politik der SPD in der frühen Transición bewertete das MfAA als „doppelgleisig“: Einerseits unterstütze sie den Kurs der Regierung Suárez, obgleich dessen UCD keine Regierungsbeteiligung der spanischen Sozialisten nach den Wahlen 1977 in Aussicht stellte. Andererseits treibe die SPD über ihre eigenen Partei- und Stiftungskanäle sowie über die Sozialistische Internationale den Ausbau des PSOE als mögliche künftige Regierungspartei sozialdemokratischen Typs voran, worin das MfAA – nicht unbegründet – die Errichtung eines „antikommunistische[n] Bollwerk[s]“ vermutete.207 Dazu zählte Ost-Berlin auch die Zusammenarbeit zwischen dem DGB und der PSOE-nahen Gewerkschaft UGT, die gegenüber den kommunistisch dominierten Arbeiterkommissionen CC.OO. gestärkt werden sollte. Obwohl das politische Terrain des postfranquistischen Spaniens also bereits zu weiten Teilen besetzt war und internationale Akteure in neu entstehende Räume vorstießen, nahm die DDR in Spanien „eine spürbare Aufgeschlossenheit für die gesellschaftliche Entwicklung anderer Länder“ wahr und deutete diese positiv hinsichtlich ihres eigenen künftigen Engagements auf der iberischen Halbinsel.208 Da das MfAA richtig einschätzte, dass „[d]as Verschwinden Francos […] die politische Aktivität sowohl der Gruppierungen des Regimes als auch die der Opposition beleben“ werde, erhielt die wiedereröffnete Botschaft in Madrid den Auftrag, nicht nur die Verbindungen zur „Bruderpartei“ PCE und zur demokratischen Opposition (wieder-)herzustellen, sondern Kontakte zu Kräften aller politischer Couleur zu knüpfen, darunter auch ins bürgerlich-konservative Lager und zur Regierungspartei UCD.209
4.1 Die DDR und die spanische Monarchie unter Juan Carlos und den Regierungen der Unión de Centro Democrático Die Einsetzung Juan Carlos’ und die Regierungsbildung unter Arias Navarro verfolgte die DDR lediglich aus der Position einer Beobachterin, da die diplomatischen Beziehungen noch nicht wieder aufgenommen waren. Entsprechend war
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Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Bericht betr. Tätigkeit der Friedrich-NaumannStiftung und der Konrad-Adenauer-Stiftung in Spanien, 12. 12. 1975, in: PA AA, B 97, Bd. 485, unpag. MfAA, Abteilung Westeuropa/Abteilung BRD, Zu den Beziehungen BRD-Spanien, 04. 05. 1977, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 1859/86, unpag. LfV, Büro des Sekretariats, Abteilung Westeuropa, Maßnahmeplan zur Weiterführung der auslandsinformatorischen Tätigkeit nach Spanien, 13. 02. 1980, in: SAPMO-BArch DY 13/ 2735, unpag. MfAA, Abteilung Westeuropa, Direktive für den Geschäftsträger a. i. der Botschaft der DDR in Spanien bis zur Amtsübernahme durch den Botschafter, April 1977, in: PA AA, M 1, C 3580, Bl. 34–36, hier: Bl. 35; MfAA, Abteilung Westeuropa, Brief Plaschkes an Botschafter Korth, 22. 03. 1978, in: PA AA, M 1, C 3590, Bl. 70–71, hier: Bl. 70.
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
die Haltung der SED gegenüber dem Monarchen und der von ihm eingesetzten Übergangsregierung nicht eindeutig. Einerseits folgte sie zunächst der Fundamentalkritik ihrer spanischen „Bruderpartei“, zu der die Beziehungen jedoch zunehmend schlechter wurden und die ihre grundsätzliche Opposition bald selbst aufgab. Da Ost-Berlin so schnell wie möglich wieder einen Botschafter nach Madrid zu entsenden gedachte, erschien es andererseits opportun, Kritik an Monarchie und bürgerlicher Regierung öffentlich nicht allzu scharf zu formulieren. Bezüglich des künftigen spanischen Staatsoberhaupts gingen die DDR-Botschaft in Polen und das dortige Außenministerium nach gemeinsamen Konsultationen zunächst davon aus, dass Juan Carlos „keine aktive politische Rolle spielen“, sondern lediglich den franquistischen Eliten als „Repräsentationsfigur“ dienen werde.210 Auch Peter Lorf und Otto Pfeiffer sahen in ihrem ausführlichen Lagebericht, den sie nach der Rückkehr aus Spanien für das MfAA verfassten, in dem jungen Monarchen eine schwache Figur, die versuchen werde, die „Schritte“ zur Demokratie „möglichst klein zu halten“ und unter der nicht auszuschließen sei, dass „die Kräfte der Ultras das Ruder an sich reißen“ würden.211 Juan Carlos’ frühe Reise in die USA bewertete der Leiter des DDR-Interessenbüros in Madrid, Manfred Politzer, als einen Versuch, „den Eindruck einer politischen Änderung zu vermitteln, über die zwar viel diskutiert wird, die jedoch nicht real ist.“ 212 Deutlich kritischer fiel eine Einschätzung des MfS aus, das in Spanien eine „von Juan Carlos und der Regierung Arias ausgeübte[…] Diktatur“ am Werk sah, „die sich weitgehend auf den alten franquistischen Staats- und Unterdrückungsapparat stützt.“ 213 Dieses Misstrauen entsprach dem des PCE, der „unter liberalem Schein in Wirklichkeit die gleichen Personen, die gleiche Oligarchie und die gleiche Diktatur an der Macht [sah], die Spanien vierzig Jahre lang tyrannisiert haben.“ 214 Laut Otto Pfeiffer waren jedoch auf der „Konferenz der kommunistischen und Arbeiterparteien Europas“ in Ost-Berlin im Sommer 1976 die Mehrzahl der Delegationen „schon nicht mehr bereit“, der Auffassung Carrillos zu folgen, „dass die Monarchie als geradlinige Fortsetzung des Francoregimes zu betrachten sei.“ 215 Allerdings konnte sich die Abordnung des PCE noch durchsetzen, sodass das gemeinsame Abschlussdokument die spanische Krone als „Erbe des letzten Bollwerks des Faschismus in Europa“ verurteilte, die versuche, „den Franquismus gegen die 210 211
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Botschaft der DDR in Warschau, Zur Haltung gegenüber Spanien, 11. 11. 1975, in: PA AA, M 1, C 617/77, Bl. 13–15, hier: Bl. 15. MfAA, Abteilung Westeuropa, Zur Lage in Spanien und zu einigen Fragen der bisherigen und künftigen Arbeit gegenüber Spanien, Mitte Oktober 1975, in: PA AA, M 1, C 614/77, Bl. 3–12, hier: Bl. 7. Botschaft der Syrisch-Arabischen Republik in Spanien, Büro zum Schutz der Interessen der Deutschen Demokratischen Republik, Brief Politzers an den Leiter der Abteilung Westeuropa, Plaschke, 11. 06. 1976, in: PA AA, M 1, C 3590, Bl. 36–38, hier: Bl. 36. Zur Lage in Spanien, April 1976, in: BStU, MfS, ZKG, Nr. 18968, Bl. 284–291, hier: Bl. 284. Rede Carrillos auf der Konferenz der kommunistischen und Arbeiterparteien Europas in Ost-Berlin, abgedruckt in: ND vom 30. 06. 1976, S. 9; vgl. auch o. V., ¡No al rey impuesto!, in: Mundo Obrero Nr. 38 vom 25. 11. 1975, S. 1. Pfeiffer, Erinnerungen.
4. Das politische Engagement der DDR in der Transición
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wachsende und einheitliche Opposition aller antifaschistischen und demokratischen Kräfte fortzuführen.“ 216 Dabei waren es nicht nur die ostdeutschen und spanischen Kommunisten, die zunächst an Juan Carlos’ demokratischen Absichten und Willen zur tatsächlichen Veränderung zweifelten. Sowohl inner- als auch außerhalb Spaniens eilte ihm der Ruf eines „Königs von Francos Gnaden“ voraus, und viele Regierungen in Europa wussten zunächst nicht, was von einem jungen Monarchen zu halten war, der unter Francos Obhut und Ausbildung gestanden hatte. Entsprechend benötigte er zunächst einen Vertrauensvorschuss, um sich als Garant eines friedlichen und geordneten demokratischen Übergangs zu beweisen. Entscheidend für einen solchen war unter anderem sein Werben bei den Sozialdemokraten Europas, insbesondere bei Willy Brandt, auf ihre spanischen Parteifreunde einzuwirken und sie um Geduld und Mäßigung im Demokratisierungsprozess zu bitten.217 Diese Bitte war insofern nicht aussichtslos, als PSOE-Generalsekretär Felipe González bereits 1975 eingestanden hatte, zumindest „für eine gewisse Zeit keine Alternative“ zu Juan Carlos zu sehen.218 Beim Staatsbesuch des Königs in der Bundesrepublik im April 1977 wurde ihm und seiner Frau Sofía denn auch früh das gewünschte Vertrauen ausgesprochen: Die westdeutschen Medien portraitierten das junge Königspaar überwiegend als sympathische und unvorbelastete Botschafter eines jungen Staates, der seine traumatische Vergangenheit zu überwinden suchte und von Europa mit offenen Armen empfangen wurde.219 Das MAE stellte mit Befriedigung fest, dass die spanische Transición in Westdeutschland bereits als „beinahe perfektes“ Modell eines demokratischen Übergangsprozesses dargestellt und insbesondere der Krone eine zentrale Rolle darin zugeschrieben wurde.220 Diese Lesart bestätigte sich endgültig mit der Reaktion des Königs am 23. Februar 1981, als Soldaten der Guardia Civil mit Unterstützung hochrangiger Offiziere das spanische Parlament stürmten und den Putsch probten. Juan Carlos bat in einer weltweit ausgestrahlten Fernsehansprache um Ruhe und Vertrauen und stellte sich als Oberhaupt der spanischen Monarchie und Oberbefehlshaber des Heeres klar hinter die Demokratie und gegen jegliche gewaltsamen Versuche, diese zu beseitigen.221 Selbst DDR-Botschafter Walkowski erkannte in seinem Bericht nach OstBerlin die „stabilisierende[…] Rolle des Königs“ an, der „als ‚Ordnungshüter‘ 216 217 218 219 220
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Dokument der Konferenz der kommunistischen und Arbeiterparteien Europas, abgedruckt in: ND vom 01. 07. 1976, S. 3. Vgl. Müller, Heimliche Freunde, S. 106. Vgl. ebenda, S. 96–97. Vgl. Muñoz Sánchez, Padrino S. 218. MAE, Contactos diplomáticos habiendo entre la República Federal de Alemania y España en los dos últimos años aproximadamente, undatiert, vermutlich Ende 1979, in: AGA, Fondo Presidencia de Gobierno, (09), Top. 31/12, Caja 21, Exp. 1937/04/18, unpag. Die zweiminütige Ansprach ist archiviert im Nachrichtenarchiv des spanischen Rundfunksenders RTVE: https://www.rtve.es/alacarta/videos/fue-noticia-en-el-archivo-de-rtve/archivomensaje-del-rey-juan-carlos-tras-intentona-golpista-del-23/393739/. Letzter Zugriff am 01. 11. 2022. Zur Rolle Juan Carlos’ in der Transición, insbesondere in der Vereitelung des Putsches vgl. Aschmann, Spanien, S. 22; Bernecker, Monarchie.
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gestärkt“ aus dem Putsch hervorgegangen sei.222 So bemühten sich die ostdeutschen Diplomaten in den 80er Jahren schließlich unermüdlich um einen Besuch des spanischen Königs in der DDR, der ihr jedoch nicht zuteil werden sollte. Die Haltung Ost-Berlins gegenüber Ministerpräsident Suárez war zunächst ebenfalls eine skeptische, was in erster Linie an dessen Verhältnis zum noch nicht legalisierten PCE lag. Die erste Übergangsregierung unter seiner Führung lehnte jede Zusammenarbeit mit den Kommunisten ab und duldete keine Versammlungen, Pressekonferenzen und Flugblätter des PCE, während dem PSOE bereits politische Aktivität zugestanden wurde. Dies kritisierte das MfAA als antikommunistische und strategisch „selektive Toleranz“ im Umgang mit der Opposition.223 Suárez’ „antikommunistische[r] Kurs“ zeige sich außerdem in „diffamierenden Ausfällen“ gegen Dolores Ibárruri und Santiago Carrillo, deren Rückkehr aus dem Exil er ablehnte.224 In der Berichterstattung über seine Ernennung zum Ministerpräsidenten folgte „Neues Deutschland“ der Kritik des PCE, der in Suárez als ehemaligem stellvertretenden Generalsekretär der franquistischen Einheitspartei „Movimiento Nacional“ einen Erfüllungsgehilfen der Franquisten für deren „Umbau der Diktatur“ sah.225 Allerdings führten die im Juli 1976 gewährte Amnestie für politische Häftlinge, das „Gesetz über die politische Reform“ und schließlich die am 9. April 1977 von Suárez gegen den enormen Widerstand der Militärs durchgesetzte Legalisierung des PCE zu einer wohlwollenderen Berichterstattung der Madrider Botschaft über die UCD-Regierungen. Dabei spielten auch die bereits geschilderten neutralistischen Tendenzen in der Außenpolitik Suárez’ eine Rolle sowie eine erstaunlich positive Bewertung der spanischen Parlamentswahlen, welche Carrillo auf der „Konferenz der kommunistischen und Arbeiterparteien Europas“ im Herbst 1976 in Ost-Berlin noch als „Wahlkomödie“ bezeichnet hatte.226 Obwohl die kommunistische „Bruderpartei“ lediglich 10,7 Prozent der Stimmen erhielt und die UCD als Wahlbündnis der bürgerlichen Mitte deutlich stärkste Kraft wurde, bewertete die Abteilung Internationale Verbindungen im ZK der SED in einem internen Papier die Wahlen als „erste größere Etappe der Besei-
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Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Ernst Walkowski an den stellvertretenden Außenminister Kurt Nier, 03. 03. 1981, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 1880/86, unpag. MfAA, Abteilung Westeuropa, Strömungen und Positionen in der spanischen Sozialdemokratie, 16. 06. 1976, in: PA AA, M 1, C 3585, Bl. 39–54, hier: Bl. 40. O. V., Spaniens Premier bekräftigt antikommunistischen Kurs, in: ND vom 25. 08. 1976, S. 7. Generalsekretär Carrillo hielt sich dennoch seit Februar 1976 illegal in Spanien auf und wurde im Dezember für eine Woche inhaftiert. PCE-Präsidentin Dolores Ibárruri kehrte unter großem Aufsehen am 12. Mai 1977 nach Spanien zurück: vgl. Preston, Stalinist, S. 294, 304; o. V., Dolores Ibárruri, „Pasionaria“, en Madrid, in: El País vom 13. 05. 1977. O. V., KP Spaniens wendet sich gegen Regierungschef Suarez [sic!], in: ND vom 06. 07. 1976, S. 7; MfAA, Abteilung Westeuropa u. Abteilung Sowjetunion, Konsultationen mit dem MID zu Spanien, 01. 09. 1976, in: PA AA, M 1, C 617/77, Bl. 4–11, hier: Bl. 7. Rede Santiago Carrillos auf der Konferenz der kommunistischen und Arbeiterparteien Europas, abgedruckt in: ND vom 30. 06. 1976, S. 9. In einem Interview mit „Der Spiegel“ revidierte Carrillo diese Einschätzung im Januar 1977: o. V., Ich gehe nur nach Moskau, wenn ich will, in: Der Spiegel Nr. 5 (1977), S. 83–86, hier: S. 84.
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tigung der Überreste des Faschismus“ und erkannte angesichts der verschwindend geringen Stimmenzahl für die extreme Rechte an, dass die Wahlen eine „eindeutige Absage der überwältigenden Mehrheit des spanischen Volkes an den Franquismus“ bedeuteten.227 Diese Einschätzung überrascht insofern, als das Ergebnis ein klares Votum für „Mitte“, „Mäßigung“ und Konsens darstellte, das die Weichen in Richtung „einer moderne[n], soziale[n] Demokratie europäischen Zuschnitts“ in Spanien stellte.228 Das SED-Urteil kann daher als Beleg für eine außenpolitische Flexibilität und Pragmatik verstanden werden, mit denen die DDR auf die Entwicklungen der spanischen Transición reagierte. Konkret äußerten sich diese in „verstärkte[n] Anstrengungen“ der DDR-Botschaft, „Kontakte zu den Führungsschichten der UCD“ zu knüpfen.229 Das MfAA wies Botschafter Korth bereits im Herbst 1977 an, eine Einladung Oskar Fischers an Außenminister Oreja, der wie Suárez UCD-Mitglied war, zu Konsultationen in der DDR zu übergeben und „schon jetzt […] in geeigneter Weise zu sondieren, welche Vorstellungen es von spanischer Seite dazu gibt“.230 Während die DDR es für „politisch gut“ und daher dringend geboten erachtete, ein Treffen auf Ministerebene bereits im ersten Halbjahr 1978 „unbedingt durchzuführen“,231 kamen weder Oreja noch sein Nachfolger Pérez-Llorca zum Staatsbesuch in die DDR; Außenminister Fischer musste sich mit einem Gespräch mit Oreja am Rande einer UNO-Vollversammlung in New York im September 1977 zufrieden geben.232 Die DDR verbuchte es daher als Erfolg, dass der Generaldirektor für Außenpolitik Europas und atlantische Angelegenheiten des MAE, Elías, bereits im Oktober 1977 zu Konsultationen mit dem stellvertretenden Außenminister Nier in Ost-Berlin zusammenkam und dieses Treffen nachträglich für das „konstruktive und freundschaftliche Klima“ und den „großen praktischen Wert“ lobte.233 Auch als er Botschafter Korth im November 1977 in Madrid zur Übergabe eines Aide-Mémoires zur weiteren Entwicklung der bilateralen Beziehungen empfing, lobte er „die Initiative der DDR als beispielhaft und erklärte […], dass eine Reihe wichtiger Vor-
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ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Entwurf für eine parteiinterne Information über die Lage in Spanien nach den Parlamentswahlen, Juni 1977, in: SAPMO-BArch, DY 30/13352, Bd. 1, Bl. 24–26, hier: Bl. 24, 26. Bernecker, Geschichte, S. 231. MfAA, Abteilung Westeuropa, Brief Plaschkes an Botschafter Korth, 22. 03. 1978, in: PA AA, M 1, C 3590, Bl. 70–71, hier: Bl. 70. MfAA, Abteilung Westeuropa, Brief Plaschkes an Botschafter Korth, 10. 11. 1977, in: PA AA, M 1, C 3590, Bl. 63–64, hier: Bl. 64. Ebenda. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Zwischenbericht zum Stand der Erfüllung des Beschlusses des Präsidiums des Ministerrates der DDR Nr. 12/I.6.2/77 vom 2. 2. 1977 über die Fortsetzung der diplomatischen Beziehungen der DDR zu Spanien, undatiert, in: PA AA, M 1, C 3577, Bl. 79–80, hier: Bl. 79; o. V., Außenminister der DDR sprach vor UNO-Plenum, in: ND vom 30. 09. 1977, S. 1. MAE, Director General de Política Exterior de Europa y Asuntos Atlánticos, Brief des Generaldirektors Elías an den stellvertretenden Außenminister Nier, 26. 07. 1978, in: PA AA, M 1, C 3593, Bl. 10.
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schläge vollinhaltlich mit der spanischen Auffassung […] übereinstimmten.“ 234 Dennoch musste das MfAA ein knappes halbes Jahr später feststellen, dass die UCD-Regierung „faktisch auf keine der von uns aufgeworfenen Fragen bzw. unterbreiteten Vorschläge eingegangen“ war und auch Niers Bemühungen um ein Treffen der Außenminister keinen Erfolg zeigten.235 Entsprechend erschöpften sich die Aktivitäten der DDR gegenüber der Regierung Suárez hauptsächlich in der Beobachtung und Einschätzung deren außenpolitischen Kurses gegenüber EG und NATO sowie den Beziehungen zur Bundesrepublik. Nach der sowjetischen Invasion in Afghanistan 1979 konstatierte Botschafter Walkowski denn auch eine Verschlechterung der ohnehin gering ausgeprägten Beziehungen: „Die Haltung der spanischen Regierung gegenüber den sozialistischen Ländern hat sich seit den Afghanistan-Ereignissen merklich abgekühlt. Alle hiesigen Botschafter der sozialistischen Länder stimmen darin überein, dass die Regierung gegenwärtig eine grundsätzlich negative Haltung zur kontinuierlichen Entwicklung der Beziehungen zu den sozialistischen Ländern hat.“ 236
Sie äußerte sich in einer Reduzierung der kulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen und einer Blockadehaltung beim Abschluss staatlicher Verträge. Zwar hätten Suárez und Außenminister Pérez-Llorca ein „Interesse Spaniens an der Entwicklung der Beziehungen zur DDR erklärt“, ließen jedoch „keinerlei Bereitschaft zu konkreten Schritten auf dem Gebiet der Entwicklung der politischen Beziehungen zur DDR erkennen“.237 Mit der Amtsübernahme von Calvo-Sotelo und dem gescheiterten Putschversuch im Februar 1981 verschlechterten sich die Beziehungen weiter. Botschafter Walkowski sah in der demonstrativen Westorientierung Calvo-Sotelos einen „Rechtskurs“,238 hinter dem er politischen Druck durch USA und Bundesrepublik vermutete: „Die gegenwärtige innenpolitische Situation in Spanien ist gekennzeichnet von […] dem ständigen Druck der USA und anderer NATO-Staaten auf politischem, ideologischem, ökonomischem und militärischem Gebiet auf die herrschenden Kreise Spaniens, sich voll in das imperialistische System zu integrieren und dem Hochrüstungs- und Konfrontationskurs der USA-Administration zu folgen.“ 239
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MfAA, Abteilung Westeuropa, Reaktion des spanischen Außenministeriums auf das von der DDR übergebene Aide-memoire [sic!] zur Gestaltung der bilateralen Beziehungen, 09. 02. 1978, in: PA AA, M 44, ZR 1854/86, unpag. MfAA, Abteilung Journalistische Beziehungen, Hausmitteilung an die Abteilung Westeuropa betr. Antwortnote des spanischen MfAA auf unser Aide-Mémoire vom November 1977, 29. 03. 1978, in: PA AA, M 44, ZR 1854/86, unpag.; MfAA, Abteilung Westeuropa, Information über die Konsultation des Stellvertreters des Ministers, Genossen Kurt Nier, mit dem Generaldirektor im spanischen Außenministerium, Elías Martinena, am 2. und 3. 10. 1978, 04. 10. 1978, in: PA AA, M 1, C 3593, Bl. 5–9, hier: Bl. 8. Botschaft der DDR in Madrid, Leiterbrief des Botschafters Walkowski an den stellvertretenden Außenminister Kurt Nier, 27. 11. 1980, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 2533/82, unpag. Ebenda. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Walkowski an den stellvertretenden Außenminister Kurt Nier, 03. 03. 1981, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 1880/86, unpag. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Walkowski an Außenminister Fischer, 18. 02. 1982, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 1534/83, unpag.
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Vor allem die CIA, aber auch der bundesdeutsche BND übten laut Walkowski „auf der Grundlage jahrzehntelanger, nahezu unbeschränkter Aktionsmöglichkeiten einen bedeutenden Einfluss“ aus, um einer „möglichen Neutralitätspolitik Spaniens entgegenzuwirken“. Dabei nutzten sie die innenpolitisch angespannte Situation nach dem Putsch aus, um den Druck auf den schwachen Ministerpräsidenten Calvo-Sotelo zu erhöhen.240 Diese Mutmaßung des DDR-Botschafters widerspricht der generellen Einschätzung Tusells, dass die Einmischung der Westmächte in Spanien nach dem Tod Francos deutlich geringer ausfiel als im benachbarten Portugal nach dem Ende des Salazar-Regimes. Der Druck auf die handelnden Akteure sei unter anderem deshalb schwächer und weniger konkret ausgefallen, weil Spanien, d. h. Juan Carlos als Staatsoberhaupt und die Regierungen der UCD, selbst die Führung im Übergangsprozess übernommen hätten.241 Im Fall der USA lassen sich als Belege hierfür erstens eine gewisse Gleichgültigkeit in der Frage der Legalisierung des PCE anführen,242 zweitens ein unglücklich formuliertes Kommuniqué nach dem Putsch im Februar 1981. US-Außenminister Alexander Haig bezeichnete den vereitelten Staatsstreich darin als „innerspanische Angelegenheit“ und erweckte den Eindruck eines gewissen Desinteresses Washingtons an der weiteren politischen Entwicklung Spaniens.243 Die Bundesrepublik wiederum, die wie gezeigt ein deutliches Interesse am spanischen Demokratisierungsprozess hatte, bemühte sich im Interesse eines gemäßigten politischen Übergangs darum, weder die rechten noch die linken Kräfte allzu schnell und allzu sehr unter Druck zu setzen. Botschafter von Lilienfeld warnte in seinem Appell für ein zügiges Handeln nach Francos Tod davor, dessen Anhänger mit „allzu abfälligen Äußerungen über den noch immer angesehenen Franco“ vor den Kopf zu stoßen.244 Und obgleich Bonn eine NATO-Mitgliedschaft Spaniens unterstützte, stellte das spanische Außenministerium ein „sehr diskretes Verhalten“ der Bundesregierung diesbezüglich fest. Es vermutete, dass die SPD in dieser Frage „nur extrem diskrete Empfehlungen“ an den oppositionellen PSOE ausspreche, um dessen Wähler nicht in die Hände des PCE zu treiben.245 In der Tat trafen sich hier die Sorge Bonns vor einem kommunistischen Umsturz in Spanien und die antikommunistischen Ressentiments führender UCD-Politiker. Sie führten neben einer Reihe anderer Faktoren dazu, dass die spanischen Kommunisten – immerhin stärkste Oppositionskraft
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Ebenda. Tussell, Spain, S. 314–315. Vgl. Powell, Dimensión exterior, S. 42–43; Areilza, Diario, S. 196. Zitiert nach Pereira Castañares/Neila Hernández/Moreno Juste (Hrsg.), Atlas, S. 189. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben des Botschafters von Lilienfeld betr. Konsultationen MD Van Wells in London, hier: Unsere Spanien-Politik, 27. 10. 2975, in: PA AA, B 97, Bd. 485, unpag. MAE, Contactos diplomáticos habiendo entre la República Federal de Alemania y España en los dos últimos años aproximadamente, undatiert, vermutlich Ende 1979, in: AGA, Fondo Presidencia de Gobierno, (09), Top. 31/12, Caja 21, Exp. 1937/04/18, unpag.
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während der Franco-Diktatur – in der Transición eine überraschend geringe Rolle spielten.246
4.2 Die DDR und der PCE Eineinhalb Jahre nach Francos Tod sah es in Spanien kurzzeitig so aus, als ob die Kommunisten „eine[…] triumphale[…] Rückkehr“ erleben und nach fast 40-jähriger Verfolgung einen verspäteten Sieg davontragen könnten.247 Nach einem als legendär geltenden ersten Treffen zwischen Adolfo Suárez und Santiago Carrillo am 27. Februar 1977, bei dem der Ministerpräsident sich und den Generalsekretär des noch illegalen PCE als „die beiden einzig wahren Politiker Spaniens“ bezeichnet haben soll, strahlte Carrillo einen enormen Optimismus aus, mit seiner kommunistischen Partei das Demokratisierungsgeschehen in Spanien mitbestimmen zu können.248 Dabei war die vermeintliche Stärke des PCE nicht nur Selbst-, sondern auch Fremdzuschreibung: Sie beruhte erstens auf seiner historischen Rolle als führende Oppositionskraft gegen die Franco-Diktatur,249 zweitens auf der Initiative Carrillos bei der Gründung der „Junta Democrática“ Ende 1974, die ihm inner- und außerhalb Spaniens viel Anerkennung eingebracht hatte,250 sowie drittens auf dem Einfluss des PCE innerhalb der starken Arbeiterkommissionen CC.OO.251 Tatsächlich konnten die Kommunisten in der ersten Jahreshälfte 1977 wichtige Erfolge verbuchen. Am Ostersonntag wurde der PCE legalisiert, am 14. April konnte sein Zentralkomitee erstmals seit dem Bürgerkrieg wieder auf spanischem Boden tagen und am 12. Mai kehrte mit Dolores Ibárruri „die Ikone des spanischen Kommunismus“ 252 unter großer medialer Aufmerksamkeit aus ihrem Moskauer Exil zurück. Den ikonischen Moment besang der bekannte Künstler und PCE-Aktivist Víctor Manuel in seinem Lied „Veremos a Dolores“, in welchem er die Präsenz der „Pasionaria“ in den Straßen Madrids als Triumph der Kommunisten feierte. Da es vor der Legalisierung des PCE entstand und zunächst nicht in Spanien erscheinen konnte, nutze Víctor Manuel seine Teilnahme am „Festival des
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Für einen ideengeschichtlichen Abriss vom frühen Antikommunismus des Franco-Regimes zu antikommunistischen Polit-Praktiken der Transición vgl. Schüler-Springorum, Antikommunismus, S. 184–185. Ebenda, S. 185. Preston, Stalinist, S. 307. Für eine ausführliche Analyse des Treffens vgl. Prego, Victoria, El encuentro Suárez-Carillo, la partida decisiva de la transición, in: El Independiente vom 09. 04. 2017. Das MfS schätzte im April 1976 ein, dass der PCE „die am besten organisierte Kraft der Opposition“ sei: BStU, MfS, ZKG, Nr. 18968, Bl. 284–291, hier: Bl. 290. Die SPD war lange Zeit unsicher, wer dem starken PCE nach dem Tod Francos „die Stirn bieten könne“: vgl. Muñoz Sánchez, Fundación Ebert, S. 259–264. Vgl. Muñoz Sánchez, Fundación Ebert, S. 271. Vgl. Andrade Blanco, PCE y PSOE, S. 169. Schüler-Springorum, Antikommunismus, S. 175.
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politischen Liedes“ in Ost-Berlin im Februar 1977, um beim dortigen staatlichen Plattenlabel „Amiga“ das Album „Spanien“ mit dem Titel über Ibárruris Rückkehr aufzunehmen.253 Seine Einladung ging auf einen Beschluss des Ministerrats der DDR vom 19. August 1976 zum Empfang „progressive[r]“ spanischer Künstler in der DDR zurück: Die SED sah darin eine Gelegenheit, das belastete Verhältnis zur spanischen „Bruderpartei“ in einem für die eigenen Einflussmöglichkeiten in Spanien als entscheidend wahrgenommenen Moment durch ein Zeichen der Solidarität zu verbessern.254 Allerdings gab Víctor Manuel laut einer vertraulichen Aktennotiz der Sektion der ehemaligen Spanienkämpfer im KdAW gegenüber den ostdeutschen Genossen bereits zu bedenken, dass Dolores Ibárruri „keine politische Kraft“ mehr besitze, um die „uneingeschränkte Herrschaft Carrillos“ innerhalb der Partei und damit einen dezidiert eurokommunistischen Kurs des PCE im Demokratisierungsprozess zu verhindern.255 Damit sah Manuel die Verschärfung des Konflikts um die ideologische Entfremdung zwischen SED und PCE voraus. Diese kam nach dem Tod Francos insofern zu einer Unzeit, als sie einer wirksamen Zusammenarbeit der „Bruderparteien“ im spanischen Demokratisierungsprozess im Weg stand. Als erster Hinweis darauf kann bereits die Reaktion Ost-Berlins auf die Rückkehr Ibárruris gelten, die einigermaßen verhalten ausfiel. Grund dafür war, dass sich die SED trotz des beinahe vierzigjährigen Exils der „Pasionaria“ in der Sowjetunion deren orthodoxer Loyalität und moskautreuer Orientierung nicht sicher sein konnte. 1968 hatte sie den Einmarsch der Warschauer Vertragsstaaten in die ČSSR verurteilt und 1970 Generalsekretär Carrillo gegen die Kritik und Abspaltung des moskautreuen Flügels um Enrique Líster verteidigt.256 Kaum zurück in Spanien brachte sie im ZK des PCE außerdem einen Resolutionsentwurf ein, der sich entschieden gegen eine von der sowjetischen Nachrichtenagentur TASS verbreitete Kritik an Carrillos Eurokommunismus richtete.257 Gefragt nach Ibárruris Verhältnis zur KPdSU und ob sie im Moskauer Exil „domestiziert“ worden sei, attestierte ihr Santiago Carrillo in einem Interview mit „Der Spiegel“ 1977 daher eine unbeugsame Persönlichkeit
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Vgl. Biografie und Diskografie von Víctor Manuel: http://www.victormanuel.es/biografia/. Letzter Zugriff am 01. 11. 2022. Vgl. Ministerrat der DDR, Präsidium, Beschluss über die Beziehungen DDR/Spanien, 19. 08. 1976, in: BArch, DC 20 − I/4/3614, Bl. 164–167, hier: Bl. 167. KdAW, Sektion Spanienkämpfer, Vertrauliche Aktennotiz über eine Beratung im Arbeitsbüro des Solidaritätskomitees am 21. April 1977, 26. 04. 1977, in: SAPMO-BArch, DY 57/806, unpag. Vgl. Zentralkomitee des PCE, Mensaje del Comité Central a Dolores Ibárruri en su setenta y cinco aniversario, in: Mundo Obrero Nr. 19 vom 27. 11. 1970, S. 5. Vgl. Zentralkomitee des PCE, Por los intereses de la paz, la democracia y el socialismo, in: Mundo Obrero Nr. 26 vom 29. 06. 1977, S. 3; vgl. auch die zeitgenössische Einschätzung des westdeutschen Kommunismusexperten Heinz Timmermann: Bundesinstitut für wissenschaftliche und internationale Studien (Köln), Kurzinformation zu den Stichworten „Eurokommunismus“ und „Verhältnis KPdSU-KP Spaniens“, 15. 07. 1977, in: PA AA, MADR 17470, unpag.
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und „Mut, um so etwas zu äußern, wenn man in Moskau lebt.“ 258 Entsprechend berichtete „Neues Deutschland“ zurückhaltend über ihre Rückkehr nach Madrid und stellte hauptsächlich „die große Rolle, […] brüderliche Hilfe und die Solidarität des sowjetischen Volkes“ im Kampf gegen Franco und als Exilheimat Ibárruris in den Vordergrund.259 Auch die Veröffentlichung von Carrillos Buch „Eurokommunismus und Staat“ kündigte an, dass sich Ost-Berlin keine Hoffnungen darauf machen konnte, im politischen Übergangsprozess Einfluss auf den Kurs der spanischen Kommunisten nehmen zu können. In ebenjenem Monat, als die DDR die diplomatischen Beziehungen zu Spanien wieder aufnehmen konnte und das MfAA seinen Geschäftsträger in Madrid anwies, schnellstmöglich Kontakte zum PCE herzustellen, erschien Carrillos Abrechung mit dem sowjetischen Sozialismusmodell, das er als mögliche Alternative für das postfranquistische Spanien verwarf.260 Die SED, die darin freilich auch eine Absage an ihre eigene Politik und Ambitionen in Spanien sah, ließ die Kritik der sowjetischen Zeitschrift „Neue Zeit“ in voller Länge in „Neues Deutschland“ abdrucken und zensierte Carrillos Buch als „gegen die Interessen des sozialistischen Staates und seiner Bürger gerichtet“.261 1979 wurde es im Haus der Regimekritikers Robert Havemann als „Beweismittel“ für einen Prozess gegen ihn beschlagnahmt, der zu weiteren Spannungen zwischen SED und PCE führen sollte.262 Schließlich musste die SED es auch als Provokation empfinden, dass der PCE im Frühjahr 1977 den ausgebürgerten Wolf Biermann als „Wahlhelfer“ zum Parlamentswahlkampf nach Spanien einlud und ihn als „symbolische Würdigung“ für seine Konzerte in Andalusien als Mitglied in die Hamburger Exilgruppe des PCE aufnahm.263 Allerdings mutmaßte „Der Spiegel“, der über die PCE-Mitgliedschaft Biermanns berichtete, dass diese die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) in der Sorge um eine mögliche Mitgliederkonkurrenz vermutlich mehr beunruhige als die SED.264 In der Tat zeigen SED- und MfS-Unterlagen, dass die Andalusienkonzerte Biermanns zwischen PCE und SED nicht thematisiert wurden. Dies lag auch daran, dass die SED bei der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen, die sich aus Ost-Berliner Perspektive ohnehin zu lange hinauszögerte, kein Interesse an einem weiteren Konflikt mit dem PCE hatte. Dessen Parteikanäle wa-
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O. V., Ich gehe nur nach Moskau, wenn ich will, in: Der Spiegel Nr. 5 (1977), S. 83–86, hier: S. 86. O. V., Dolores Ibárruri wird bald nach Spanien zurückkehren, in: ND vom 13. 05. 1977, S. 7. Vgl. Carrillo, Eurokommunismus; im spanischen Original: ders., Eurocomunismo. Vgl. o. V., Entgegen den Interessen des Friedens und des Sozialismus in Europa, in: ND vom 25. 06. 1977, S. 10; BStU, MfS, HA IX, Nr. 24658, Bl. 66. BStU, MfS, HA IX, Nr. 24658, Bl. 41. Zum Prozess gegen Robert Havemann und dessen Verteidigung durch den spanischen Anwalt Enrique Gimbernat im Jahr 1979 vgl. Kap. III.4.3. Vgl. o. V., Oliven im Sinn, in: Der Spiegel Nr. 25 (1977), S. 94–95, hier: S. 95. Vgl. ebenda, S. 94–95.
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ren nach wie vor ihr wichtigster Draht nach Spanien und der gut organisierte Apparat der spanischen Genossen wichtig für die eigene künftige Arbeit vor Ort.265 Anders als bei der Aufnahme diplomatischer Beziehungen 1973 berücksichtigte die SED bei ihren Bemühungen um deren Wiederherstellung daher die Position des PCE. Unmittelbar nach Francos Tod ging das MfAA zunächst davon aus, dass Carrillo aufgrund des „eingefleischten Antikommunismus der noch starken ultrakonservativen Kreise“ und „sehr starke[r] antikommunistische[r] Vorbehalte großer Teile der reformerischen Gruppen […] relativ lange Zeit Vorbehalte gegen eine Normalisierung der Beziehungen vorbringen“ werde. Es riet daher, „[p]olitischdiplomatische Schritte […] unbedingt auch in Abwägung möglicher Rückwirkungen auf die Parteibeziehungen zu unternehmen.“ 266 Als Zeichen der Solidarität mit dem PCE sandte das Solidaritätskomitee für das spanische Volk in der DDR, bevor es ein Jahr später aufgelöst wurde, im August 1976 ein Telegramm an Juan Carlos und Adolfo Suárez, in dem es eine Generalamnestie für alle politischen Gefangenen und die „volle Anerkennung aller antifaschistisch-demokratischen Parteien und gesellschaftlichen Organisationen“ forderte, darunter freilich insbesondere die des PCE.267 Der entscheidende Schritt erfolgte dann von spanischer Seite: Als die Legalisierung der Kommunisten bereits „in greifbare Nähe gerückt“ war,268 organisierte Carrillo mit großem Selbstbewusstsein und unter einigem organisatorischen Aufwand im Dezember 1976 in Madrid eine illegale Pressekonferenz des PCE, die ihn zwar für einige Tage in Untersuchungshaft brachte, zugleich aber die Gelegenheit bot, sich vor internationalen Journalisten als wichtiger Akteur der Transición in Szene zu setzen.269 Er gab bekannt, dass seine Partei ihren Widerstand gegen die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den kommunistischen Ländern und Spanien aufgegeben habe und gab auch für einen neuerlichen Botschafteraustausch zwischen Ost-Berlin und Madrid „grünes Licht“.270 Für die außenpolitischen Strategen in ZK und MfAA war dieser Gesinnungswandel „ein Grund mehr, diese Beziehungen herzustellen.“ 271 Trotz der nicht ungünstigen Ausgangslage für den PCE hielt eine interne Einschätzung der SED die „Zielsetzungen“, die Carrillo im Sommer 1976 auf der „Konferenz der kommunistischen und Arbeiterparteien Europas“ in Ost-Berlin
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So die Einschätzung des MfS: Zur Lage in Spanien, April 1976, in: BStU, MfS, ZKG, Nr. 18968, Bl. 284–291, hier: Bl. 290. MfAA, Abteilung Westeuropa, Studie zur Gestaltung der Beziehungen zu Spanien, 19. 12. 1975, in: PA AA, M 1, C 3570, Bl. 1–12, hier: Bl. 8–9. Nachlass Franz Dahlem, Telegramm des Solidaritätskomitees für das spanische Volk in der DDR an Juan Carlos und Adolfo Suárez, 03. 08. 1976, in: SAPMO-BArch, NY 4072/228, unpag.; o. V., Solidaritätskomitee fordert Generalamnestie in Spanien, in: ND vom 04. 08. 1976, S. 2. Niehus, Außenpolitik, S. 588. Vgl. Preston, Stalinist, S. 303–304. Niehus, Außenpolitik, S. 588. MfAA, Abteilung Westeuropa, Vermerk über ein Gespräch mit dem Gesandten der Botschaft der VRB, Genossen Wrashilow, am 12. 01. 1977, 13. 01. 1977, in: PA AA, M 1, C 3573, Bl. 122–123, hier: Bl. 122.
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für die Zukunft Spaniens entwarf, für „wenig realistisch“ und schätzte zu einem frühen Zeitpunkt der Transición bereits richtig ein, dass der PCE allein mit Blick auf seine Mitgliederzahl künftig an Bedeutung verlieren würde.272 Diese pessimistische, jedoch realistische Bewertung gründete auf zwei Beobachtungen: Nachdem sich im März 1976 die von der PCE dominierte Oppositionsgruppe „Junta Democrática“ und die vom PSOE angeführte „Plataforma de Convergencia Democrática“ zum oppositionellen Einheitsorgan „Coordinación Democrática“ bzw. „Platajunta“ zusammengeschlossen und auf gemeinsame Ziele und ein koordiniertes Vorgehen bei der Demokratisierung Spaniens verständigt hatten, fürchtete die UCD-Regierung Arias Navarros eine Volksfrontregierung und setzte in ihrer Politik gegenüber der Opposition auf eine Isolierung des PCE als politischen Hauptgegner.273 Wie Peter Lorf in einer Analyse des MfAA im September 1976 richtig feststellte, versuchte auch Ministerpräsident Suárez zunächst, „im Dialog mit der Opposition die KP Spaniens auszuschalten und sie so von ihren Partnern im breiten Oppositionsbündnis ‚Demokratische Koordination‘ zu isolieren.“ 274 Dabei beobachtete das MfAA „Versuche besonders der BRD […], die Taktik der spanischen Regierung gegenüber der Opposition zu fördern“. Sowohl gegenüber dem PSOE als auch gegenüber den Christdemokraten wirkten „die westdeutschen PartnerParteien auf Trennung vom PCE hin und ‚warn[t]en‘ vor einer Politik der ‚Volksfront‘.“ 275 Tatsächlich unterstützte die Bundesrepublik, insbesondere die SPD, diese Isolierungspolitik gegenüber den Kommunisten. Helmut Schmidt hatte Arias Navarro bereits beim Zusammentreffen anlässlich der Unterzeichnung der KSZESchlussakte in Helsinki den „freundschaftlichen Rat“ erteilt, mit allen demokratischen Oppositionsparteien außer dem PCE in Dialog zu treten.276 Die Strategie der UCD ging auf, als die einzelnen Mitgliedsparteien der „Platajunta“ das ursprüngliche Ziel einer „ruptura“, d. h. eines demokratischen Bruchs durch Demontage des franquistischen Systems, zunächst immer weiter modifizierten. So relativierte der PCE, der als Schöpfer der Idee eines „Bruchs“ galt, diesen auf seinem Plenum in Rom im Juli 1976 zu einem „paktierten Bruch“ („ruptura pactada“) und der PSOE sprach sich nach der scharfen Kritik durch Außenminister Areilza für einen mit der Regierung „ausgehandelten Bruch“ („ruptura negociada“) aus.277 Letztlich gaben sie das Ziel einer konsequenten „ruptura“ zugunsten des Reformkurses der Regierung Suárez „allmählich stillschweigend“ auf und ei-
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MfAA, Abteilung Westeuropa, Einschätzung der Rede des Generalsekretärs der KP Spaniens Santiago Carrillos auf der Konferenz der kommunistischen und Arbeiterparteien Europas, Sommer 1976, in: PA AA, M 1, C 3586, Bl. 119–121, hier: Bl. 121. Vgl. Juliá, Reforma: https://silo.tips/download/ni-reforma-ni-ruptura-solo-una-transicionde. Letzter Zugriff am 01. 11. 2022. MfAA, Abteilung Westeuropa u. Abteilung Sowjetunion, Konsultationen mit dem MID zu Spanien, 01. 09. 1976, in: PA AA, M 1, C 617/77, Bl. 4–11, hier: Bl. 8 MfAA, Abteilung Westeuropa, Analyse zur innenpolitischen Lage in Spanien, Anfang 1976, in: PA AA, M 1, C 3585, Bl. 22–34, hier: Bl. 33. Zitiert nach Muñoz Sánchez, Franco-Diktatur, S. 85. Vgl. Juliá, Reforma; Tusell, Spain, S. 279.
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nigten sich auf einen „paktierten“ Übergang. In der Folge löste sich die „Platajunta“ im Oktober 1976, noch vor der Legalisierung von PCE und PSOE, auf.278 Trotz der Versuche Carrillos, sich innerhalb der „Platajunta“ als Führer der Einheitsopposition zu profilieren, machte das Projekt zu einem frühen Zeitpunkt der Transición deutlich, dass die spanischen Kommunisten zur Zusammenarbeit mit anderen Oppositionskräften bereit waren und dazu „die Klassenzugehörigkeit und politische Zielsetzung dieser Kräfte als zweitrangig betrachtet[en].“ 279 Diese Kompromissbereitschaft zugunsten einer „nationalen Aussöhnung“ war in den Augen Ost-Berlins Ausdruck einer innerer Schwäche des PCE. Neben der Isolierungspolitik der Regierung war sie der zweite Anlass für den Pessimismus der SED bezüglich der Rolle des PCE in der Transformation Spaniens. Auch Walther L. Bernecker bescheinigt den spanischen Kommunisten nach ihrer ersten Euphorie über Francos Tod bald eine Krise „bei der Suche nach ihrem endgültigen ideologischen Standort“.280 So konnten sie zwar nur zwei Monate nach ihrer Legalisierung bei den Parlamentswahlen von 1977 aus dem Stand fast zehn Prozent der Wählerstimmen gewinnen und mit den historischen Persönlichkeiten Rafael Alberti und Dolores Ibárruri die Alterspräsidenten des Abgeordnetenhauses stellen,281 doch kündigte der sensationelle Erfolg des PSOE, der mit 28,8 Prozent zweitstärkste Kraft wurde, bereits eine Austrocknung ihrer Wählerschaft zugunsten der Sozialisten an.282 Ebenfalls war der PCE im Jahr 1977 mit 200 000 Mitgliedern zwar „so stark wie nie zuvor“ in seiner Geschichte,283 allerdings berichtete die DDR-Botschaft bereits im November 1979 von stark rückläufigen Mitgliederzahlen.284 Bis 1981 gingen diese auf 140 000 zurück, wobei insbesondere Intellektuelle die Partei verließen.285 Als Grund dafür machte das MfAA während des Bestehens der „Platajunta“ die Tatsache aus, dass der PCE gegenüber dem PSOE „kaum ein eigenes Profil“ aufwies.286 In der Tat erkaufte sich der PCE seine Legalisierung mit der Aufgabe des Ziels einer „ruptura“, der Zustimmung zu Suárez’ Reformprojekt und dem öffentlichen Bekenntnis zur spanischen Flagge und Monarchie.287 Dies führte zu einer ideologischen Verwässerung und Aufgabe des republikanischen Profils der Partei, da die Anerkennung Juan Carlos’ nicht nur ein taktisches D’accord darstellte, sondern ein
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Bernecker, Geschichte, S. 218. So die Einschätzung des MfS wenige Wochen nach Gründung der „Platajunta“: BStU, MfS, ZKG, Nr. 18968, Bl. 284–291, hier: Bl. 290. Bernecker, Geschichte, S. 260. Vgl. o. V., Dolores Ibárruri y Rafael Alberti, vicepresidentes de edad del Congreso de Diputados, in: El País vom 12. 07. 1977. Vgl. Aschmann, Mein Freund Felipe, S. 646. Schüler-Springorum, Antikommunismus, S. 175. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Zuarbeit der AV Madrid für ZK/IV in Vorbereitung des Besuchs einer Studiendelegation der KP Spaniens in der DDR (25.–30. 11. 1979), 14. 11. 1979, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 1875/86, unpag. Vgl. Bernecker, Geschichte, S. 260. MfAA, Abteilung Westeuropa, Strömungen und Positionen in der spanischen Sozialdemokratie, 16. 06. 1976, in: PA AA, M 1, C 3585, Bl. 39–54, hier: Bl. 39. Vgl. Preston, Stalinist, S. 303; Tusell, Spain, S. 288.
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
langfristiges Sich-Einlassen auf die mit der Monarchie assoziierte konstitutionellparlamentarische politische Kultur.288 In Spanien machte dies den PCE „über Nacht salonfähig“ und ermöglichte eine „überraschend schnell[e]“ Gewöhnung der Spanier an die Kommunisten.289 In der DDR dagegen wurde die Kompromissbereitschaft der „Bruderpartei“ als Zeichen einer „politisch-ideologischen […] Konfusion“ gedeutet und als „kleinbürgerlicher Nationalismus und Anpassungsfähigkeit an den bürgerlichen Staat“ abgelehnt.290 Ein Vertreter des ZK der SED schätzte gegenüber dem Solidaritätskomitee für das spanische Volk vertraulich ein, dass „[d]ie Politik der KPSp, die Klassenfragen unterzubewerten und nur zu versuchen, über den parlamentarischen Weg an die Macht zu kommen“, sich „als Hemmnis für die wahrhaft demokratische Entwicklung erweisen“ werde.291 Diese Diagnose einer „inneren Schwäche“ koinzidierte mit dem Konflikt um den Eurokommunismus des PCE – auch, weil die Phase der politischen Transformation in Spanien mit der „eurokommunistischsten“ Phase der spanischen Genossen zusammenfiel.292 Ebendiese Koinzidenz, d. h. die realistisch-pessimistische Einschätzung der schwachen Position des PCE durch die SED einerseits und die grundsätzliche ideologische Entfremdung andererseits, verkomplizierten die Beziehungen zwischen den ostdeutschen und spanischen Kommunisten erheblich. Dies wird besonders deutlich, wenn man sie mit dem Verhältnis der SED zu den Eurokommunisten in Frankreich und Italien vergleicht: Je mehr sich der Parti communiste français (PCF) und der Partito Comunista Italiano (PCI) einer Regierungsbeteiligung in ihren Ländern näherten, desto wichtiger wurden gute Beziehungen zu ihnen für die interessenorientierte Außenpolitik der SED.293 Entsprechend beobachtete der westdeutsche Kommunismusexperte Heinz Timmermann in einer Studie Ende der 1970er Jahre, dass Ost-Berlin „an einer Überwindung der Divergenzen“ und einem „Ausbau der Beziehungen“ zu PCF und PCI interessiert war.294 Dass der PCE in seiner Studie unerwähnt blieb, lag vermutlich genau darin begründet, dass Ost-Berlin ihm nicht die Attraktivität einer künftigen Regierungspartei beimaß und die ideologische Auseinandersetzung daher nicht im selben Maße zu entschärfen suchte.
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Vgl. Andrade Blanco, PCE y PSOE, S. 170, 193. Bernecker, Geschichte, S. 228; Tusell, Spain, S. 287. Botschaft der DDR in Madrid, Zuarbeit der AV Madrid für ZK/IV in Vorbereitung des Besuchs einer Studiendelegation der KP Spaniens in der DDR (25.–30. 11. 1979), 14. 11. 1979, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 1875/86, unpag. Solidaritätskomitee für das spanische Volk in der DDR, Vertrauliche Information über die aktuelle politische Lage in Spanien, 15. 09. 1976, in: SAPMO-BArch, DY 57/974, unpag. Eine Betrachtung des Phänomens „Eurokommunismus“ in Spanien ist daher kaum losgelöst vom Spezifikum der spanischen Transición möglich: vgl. Donofrio, PCE, S. 166. Vgl. East, Parties, S. 67–71 (zum PCF), S. 111–115 (zum PCI). Vgl. Timmermann, Heinz, Studie beim Bundesinstitut für wissenschaftliche und internationale Studien (Köln), Kurzinformation zu den Stichworten „Eurokommunismus“ und „Verhältnis KPdSU-KP Spaniens“, 15. 07. 1977, in: PA AA, MADR 17470, unpag. Balestracci bestätigt in ihrer Analyse der Beziehungen SED-KPI diesen Pragmatismus der ostdeutschen Außenbeziehungen: vgl. Balestracci, Ideologische Diversifikation.
4. Das politische Engagement der DDR in der Transición
233
Für die spanischen Kommunisten war die zunehmende Distanzierung von der Sowjetunion, die Carrillo 1977 in „Eurokommunismus und Staat“ in aller Deutlichkeit formuliert und der IX. Parteitag des PCE ein Jahr später mit der Streichung des Leninismus aus dem Parteiprogramm konkretisiert hatte, angesichts des Einmarsches der Sowjetunion in Afghanistan 1979 und der Erfolge des PCI und PCF eine ideologisch konsequente Fortsetzung ihres bereits seit Mitte der 1960er Jahre eingeschlagenen reformistischen Kurses. Andererseits stellte die Absage an die „Diktatur des Proletariats“,295 den Leninismus und den Führungsanspruch der KPdSU innerhalb der kommunistischen Bewegung auch einen strategischen Versuch Carrillos dar, den PCE nach dem enttäuschenden Wahlergebnis von 1977 und angesichts schwindender Mitgliederzahlen vom Image einer autoritären, moskauhörigen Partei zu befreien, das die antikommunistische Propaganda Francos über Jahrzehnte gezeichnet hatte.296 Während diese Strategie insofern aufging, als sie „dem Bürger die jahrzehntelang eingeredete Angst vor dem PCE“ nahm und damit in Spanien die Akzeptanz des PCE beförderte,297 führte sie im Verhältnis zu den ostdeutschen Kommunisten zu einer weiteren ideologischen Distanzierung. Die SED, die eigentlich auf eine engere Zusammenarbeit nach der Legalisierung gehofft hatte und sich mit offen artikulierter Kritik zunächst noch zurückhielt, warf dem PCE intern eine „eifrige Beteiligung an der Hetzkampagne gegen den realen Sozialismus“ 298 vor und sah sich „in Erklärungen führender Genossen der KPSp […] diffamiert und als ‚nicht wirklich sozialistisch‘ klassifiziert“.299 Dass die Beziehung der beiden kommunistischen Parteien „nicht frei von Konflikten“ war, beobachtete auch die bundesdeutsche Botschaft in Madrid.300 Neben dem eurokommunistischen Kurs Carrillos führte sie diese auf das negative Image der DDR im Spanien der Transición und im sich zuspitzenden „Zweiten Kalten Krieg“ zurück. So sei „die Einstellung gegenüber der DDR bis in die linken politischen Parteien sehr zurückhaltend“, wozu „die Moskauhörigkeit der DDR und die autoritären Strukturen des Regimes“ in gleicher Weise beitrügen – Gleiches gelte „für die Einstellung der Bevölkerung“.301 Botschaftssekretär Munz beschrieb das Dilemma der SED bezüglich ihrer politischen Ambitionen in Spanien und ihrer
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Das Konzept der „Diktatur des Proletariats“ hatte der PCE bereits vor dem Leninismus aufgegeben und offiziell zuletzt auf dem 8. Parteitag 1972 als Begriff gebraucht: vgl. Donofrio, PCE, S. 163; vgl. ausführlich das Kapitel „Über die Diktatur des Proletariats“ in Carrillo, Eurokommunismus, S. 151–184. Vgl. Donofrio, PCE, S. 162; Andrade Blanco, PCE y PSOE, S. 171. Bernecker, Geschichte, S. 228. Botschaft der DDR in Madrid, Zuarbeit der AV Madrid für ZK/IV in Vorbereitung des Besuchs einer Studiendelegation der KP Spaniens in der DDR (25.–30. 11. 1979), 14. 11. 1979, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 1875/86, unpag. MfAA, Abteilung Westeuropa, Haltung der Kommunistischen Partei Spaniens zu außenpolitischen Fragen, 08. 03. 1978, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 1875/86, unpag. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Antwort auf Runderlass betr. außenpolitische Aktivitäten der DDR im Gastland, 25. 06. 1979, in: PA AA, MADR 12682, unpag. Ebenda.
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
dortigen „Bruderpartei“ treffend: „In ideologischer Sicht“ wolle die SED „eine Stärkung der KPS in der spanischen Parteienlandschaft“, gleichzeitig jedoch „die Aufgabe des eurokommunistischen Kurses und eine Förderung von Volksfronttendenzen“. Aufgrund der wiederholten Kritik „namhafte[r] Persönlichkeiten der KPS“ an der SED ging er jedoch davon aus, dass es Ost-Berlin schwer fallen dürfte, eine parteipolitische Aktivität gegenüber dem PCE, etwa in Form von Kaderschulungen, zu entfalten.302 Sowohl seine Einschätzung einer versuchten ideologischen Einflussnahme OstBerlins als auch deren Abwehr durch die spanischen Eurokommunisten trafen zu. In einer vertraulichen Information an das Solidaritätskomitee formulierte das ZK der SED angesichts der „fehlgeleiteten Politik“ des PCE die „Notwendigkeit unserer verstärkten Solidarität“ mit den spanischen Genossen.303 Entsprechend erhielt die Botschaft in Madrid die Direktive, einen „Schwerpunkt“ ihrer Arbeit auf die „Zusammenarbeit mit der spanischen Bruderpartei“ zu legen und über „wichtige Kontaktgespräche mit Vertretern der Parteiführung und mit Funktionären der mittleren Ebene“ kontinuierlich Vermerke anzufertigen. Günter Sieber, Leiter der Abteilung Internationale Verbindungen des ZK, betonte gegenüber dem Botschafter, dass „eine qualifizierte Analyse-, Informations- und Kontaktarbeit […] eine Grundvoraussetzung für eine richtige Entscheidungsfindung hinsichtlich der weiteren Schritte bei der Entwicklung der Beziehungen zur KPS“ seien.304 Allerdings beklagte Botschafter Korth in einem Gespräch mit einem Vertreter des ZK, dass sich die Kontakte der wiedereröffneten Botschaft zum PCE „fast ausschließlich“ auf die für internationale Beziehungen zuständige katalanische Genossin Leonor Bornao konzentrierten und man Schwierigkeiten habe, „regelmäßige Kontakte“ zu anderen Mitgliedern des Exekutivkomitees bzw. der mittleren Parteiebene oder in den Provinzen aufzubauen.305 Angesichts dessen erachtete das ZK nach der Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen die Möglichkeit der Gründung einer Nationalen Freundschaftsgesellschaft in Spanien zunächst „aufgrund der komplizierten politischen Situation und unserer Beziehungen zum PCE und ihrer Führung [als] nicht diskutabel“, obgleich sie „in der Perspektive gestellt werden“ sollte.306 Korths Nachfolger Walkowski schlug zur „Weiterentwicklung“ der Parteibeziehungen Ende 1979 eine Ausweitung der Delegations- und Besuchsaktivitäten vor, 302 303 304
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Ebenda. Solidaritätskomitee für das spanische Volk in der DDR, Vertrauliche Information über die aktuelle politische Lage in Spanien, 15. 09. 1976, in: SAPMO-BArch, DY 57/974, unpag. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Brief des Abteilungsleiters Sieber an Botschafter Walkowski, 14. 12. 1981, in: SAPMO-BArch, DY 30/13500, Bl. 13–16, hier: Bl. 13–14. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Vermerk über ein Gespräch mit Botschafter Korth am 28. Dezember 1977, 03. 01. 1978, in: SAPMO-BArch, DY 30/13500, Bl. 1– 3, hier: Bl. 1–2. Solidaritätskomitee für das spanische Volk in der DDR, Vertrauliche Aktennotiz über den Bericht des ZK der SED/Abteilung Internationale Verbindungen, 4. Mai 1977, 09. 05. 1977, in: SAPMO-BArch, DY 57/806, unpag.
4. Das politische Engagement der DDR in der Transición
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darunter Schulungen von PCE-Mitgliedern in Kommunalpolitik sowie den Austausch von Urlaubern und Gastlektoren. Letztere sollten bei ihren Referaten zum Thema „Kampf der KPSs für weitere demokratische Veränderungen in Spanien“ jedoch insbesondere „die Entwicklung der Aktionseinheit der Linkskräfte“ berücksichtigen,307 was nach der längst erteilten Absage an die Idee einer Volksfrontregierung und dem Scheitern der „Platajunta“ freilich nicht mehr der Politik des PCE entsprach.308 In einem Gespräch zwischen dem Ersten Botschaftssekretär Schulze und PCE-Exekutivkomiteemitglied Bornoa zeigte sich diese denn auch „über den Optimismus der DDR-Genossen hinsichtlich der Möglichkeiten der Weiterentwicklung der Beziehungen erstaunt“ und machte deutlich, dass der PCE „die Kontrolle über die Entwicklung der Kontakte in der Hand zu behalten“ wünsche und „gegen unkontrollierte Reisen“ seiner Mitglieder in die DDR sei.309 Sie führte an, dass Genossen der katalanischen Regionalorganisation des PCE (PSUC) nach dem Besuch eines von der SED organisierten Seminars „mit sehr ‚komischen Ansichten‘ aus der DDR zurückgekehrt seien“, was nichts anderes als ein Vorwurf der versuchten ideologischen Einflussnahme an die SED war.310 Auch die „auslandsinformatorische“ Arbeit der Botschaft in Madrid kritisierte sie scharf und gab zu verstehen, dass es die Parteiführung des PCE „nicht mehr dulden [werde], dass Materialien verteilt werden, die sich in innerspanische Angelegenheiten und in Parteiangelegenheiten einmischen, z. B. durch Kritik am Eurokommunismus.“ 311 Die Nationale Freundschaftsgesellschaft, welche mittlerweile auf Betreiben der Liga für Völkerfreundschaft gegründet worden war, wurde vom Exekutivkomitee des PCE zwar grundsätzlich akzeptiert, allerdings ging Bornoa davon aus, dass die SED sie zur „ideologischen Umerziehung“ der PCE-Basis zu instrumentalisieren suche. Entsprechend erklärte sie dem stellvertretenden Generalsekretär der LfV, Werner Manneberg, dass die Parteiführung sämtliche Aktivitäten der Freundschaftsgesellschaft „unter strenger Beobachtung und Kontrolle“ halten werde.312 Das von der DDR-Botschaft ausführlich dokumentierte Gespräch macht deutlich, wie sehr sich die Parteibeziehungen, die 1974/75 ein kurzzeitiges Hoch erfahren hatten, während der Transición verschlechterten. Als weiterer Beleg dafür kann die Weisung von ZK-Abteilungsleiter Sieber an Botschafter Walkowski gelten, seine persönlich offenbar „guten Kontakte zu Santiago Carrillo“ zu nutzen,
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Botschaft der DDR in Madrid, Zuarbeit der AV Madrid für ZK/IV in Vorbereitung des Besuchs einer Studiendelegation der KP Spaniens in der DDR (25.–30. 11. 1979), 14. 11. 1979, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 1875/86, unpag. Zur Haltung des PCE bezüglich einer Volksfrontregierung zur Überwindung des Franquismus vgl. Pérez Serrano, Usos y abusos, S. 344–345; zum vom PCE alternativ verwendeten Begriff einer „frente progresista“ vgl. Andrade Blanco, PCE y PSOE, S. 172. Botschaft der DDR in Madrid, Vermerk über ein Gespräch im ZK der KPS am 27. 3. 1981, 27. 03. 1981, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 164–167, hier: Bl. 164–165. Ebenda, Bl. 165. Ebenda. Ebenda, Bl. 164, 166–167.
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
um dem spanischen Generalsekretär eine Einladung in die DDR für das Jahr 1982 auszusprechen. Sieber empfahl dem Botschafter, dies „als Deine Idee zu unterbreiten, die nicht mit uns abgestimmt wäre, für deren Realisierung du jedoch gewisse Chancen sähest.“ 313 Das ZK wollte einen Besuch Carrillos in Ost-Berlin „zur Stärkung antiimperialistischer Positionen in der Politik der KPS nutzen,“ nachdem Außenminister Pérez-Llorca wenige Tage zuvor in Brüssel das spanische Beitrittsprotokoll zur NATO unterzeichnet hatte.314 Eine Einladung Carrillos erschien dafür opportun, zumal trotz der grundsätzlichen Ablehnung eines NATO-Beitritts durch den PCE ambivalente Äußerungen Carrillos und des Exekutivkomiteemitglieds Manuel Azcárate im Raum standen.315 Angesichts des zerrütteten Verhältnisses und weil die Führungsspitze des PCE keine Bereitschaft zu einer Intensivierung der Beziehungen signalisierte, fürchtete man in Ost-Berlin jedoch, dass Carrillo eine offizielle Einladung durch das ZK der SED ausschlagen würde. Es gab unter der spanischen Kommunisten jedoch auch Stimmen, die sich für eine Besserung des Verhältnisses zu den ostdeutschen Genossen aussprachen. Marcos Ana, Mitglied der Abteilung Internationale Verbindungen des PCE, plädierte im Gespräch mit Botschaftssekretär Schulze im Gegensatz zu Bornoa für eine „solidarische Haltung gegenüber der DDR […] und durchaus nicht für eine Verhärtung der Beziehungen“ und mahnte eine „Anknüpfung an die antifaschistischen Traditionen […] zwischen der DDR und Spanien“ an.316 Auch die Jugendorganisation des PCE, UJCE,317 trat nach der Wiedereröffnung der DDR-Botschaft an diese heran und zeigte ein „ausdrückliches Interesse für eine Stabilisierung bzw. Ausdehnung der Kontakte und der Zusammenarbeit mit der FDJ.“ 318 Im Zuge des Besuchs einer Delegation des FDJ-Zentralrats zum ersten Kongress der UJCE nach deren Legalisierung im Mai 1978 schlugen die spanischen Jungkommunisten einen verstärkten Versand „auslandsinformatorischer Publikationen“ aus der DDR an ihre Mitglieder vor sowie einen regelmäßigen Delegationsaustausch und „Jugendsozialtourismus“.319 Um sich die „Weiterführung der materiellen Solidarität 313
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ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Brief des Abteilungsleiters Sieber an Botschafter Walkowski, 14. 12. 1981, in: SAPMO-BArch, DY 30/13500, Bl. 13–16, hier: Bl. 15. Hervorhebung im Original. Ebenda. Vgl. Powell, Cambio de régimen, S. 432; ders., Dimensión exterior, S. 43. In einer Resolution vom 17. Juni 1980 bekräftigte das ZK des PCE jedoch seine „Radikalopposition“ gegen einen NATO-Beitritt: vgl. Salas López, Proceso de integración, S. 143–144. Botschaft der DDR in Madrid, Vermerk über ein Gespräch im ZK der KPS am 27. 3. 1981, 27. 03. 1981, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 164–167, hier: Bl. 166. Unión de Juventudes Comunistas de España. FDJ, Zentralrat, Abteilung Internationale Verbindungen, Stand der Beziehungen der FDJ und der Union der Kommunistischen Jugend Spaniens (UJCE), undatiert, vermutlich 1979, in: SAPMO-BArch, DY 24/22242, unpag. FDJ, Zentralrat, Abteilung Internationale Verbindungen, Information über die Teilnahme einer Delegation des Zentralrates der FDJ am 1. Kongress des Kommunistischen Jugendverbandes Spaniens (UJCE), undatiert, vermutlich Juni 1978, in: SAPMO-BArch, DY 24/22242, unpag; Botschaft der DDR, Vermerk über ein Gespräch mit Gen. Juan Manuel Arias, Sekretär für politische Fragen der Jugendorganisation der KPS (UJCE) am 21. 6. 1979 in der DDRBotschaft, 25. 06. 1979, in: SAPMO-BArch, DY 24/22242, unpag.
4. Das politische Engagement der DDR in der Transición
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der FDJ“ zu sichern, betonte die UJCE ihre Unabhängigkeit vom PCE und die von dessen ZK abweichende Auffassung, dass eine „[w]achsende Jugendtouristik in die DDR und damit bessere Information über den Sozialismus […] für die spanische Jugend […] politisch wichtig“ sei.320 Die FDJ lud im Sommer 1980 zwar fünf Mitglieder der Kommunistischen Jugend zu einem „Kurzlehrgang zu Grundfragen des Marxismus-Leninismus“ an die Jugendhochschule „Wilhelm Pieck“ ein und übernahm sämtliche Reisekosten, reagierte insgesamt jedoch verhalten auf die Initiativen der UJCE.321 Sie attestierte ihr eine Nähe „zur Linie Carrillos“ und sah eine Weiterentwicklung freundschaftlicher Beziehungen „durch […] die bekannten Positionen der KP Spaniens […] erschwert“.322 Nach der Gründung der Nationalen Freundschaftsgesellschaft im Jahr 1979 zog es der FDJ-Zentralrat vor, die spanischen Teilnehmerinnern und Teilnehmer für die Lager der internationalen FDJ-Studentenbrigaden aus den „Jugendfreunden“ der NFG zu rekrutieren. Diese waren mehrheitlich zugleich Mitglieder des im April 1982 gegründeten prosowjetischen PCC,323 womit ihre Distanz zum PCE und ideologische „Tauglichkeit“ gesichert schienen.324 Tatsächlich gereichten der SED die innerparteilichen Auseinandersetzungen des PCE insofern zum Vorteil, als sie zu Abspaltungen einzelner Gruppierungen führten, von denen manche ein Interesse an Kontakten nach Ost-Berlin hatten. Nachdem sich nach der Legalisierung des PCE zunächst die eurokommunistische Linie durchgesetzt zu haben schien, wandten sich angesichts der Streichung des Leninismus aus den Statuten ab 1978 orthodoxe Kräfte gegen die als zu autoritär empfundene Parteiführung um Carrillo. Der katalanische PSUC etwa strich auf seinem V. Parteitag im Frühjahr 1981 den Begriff „Eurokommunismus“ aus seinem Programm. Ein Jahr lang beherrschte daraufhin der prosowjetische Flügel die mitgliederstarke und einflussreiche katalanische Regionalorganisation des PCE, bis sich im März 1982 wieder die eurokommunistische Fraktion durchsetzten konnte – eine Folge davon war die Abspaltung des oben genannten moskautreuen PCC.325 Im November 1978 wurde eine Delegation des ZK der SED noch gemeinsam von Vertretern des PCE und des PSUC empfangen. Vermutlich aufgrund der Anwesenheit der DDR-freundlichen katalanischen Parteivertreter fühlte sich PCE-Exekutivkomiteemitglied Simón Sánchez Montero, ein Vertrauter 320
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Botschaft der DDR, Vermerk über ein Gespräch mit Gen. Juan Manuel Arias, Sekretär für politische Fragen der Jugendorganisation der KPS (UJCE) am 21. 6. 1979 in der DDR-Botschaft, 25. 06. 1979, in: SAPMO-BArch, DY 24/22242, unpag. Ebenda. FDJ, Zentralrat, Abteilung Internationale Verbindungen, Stand der Beziehungen der FDJ und der Union der Kommunistischen Jugend Spaniens (UJCE), undatiert, vermutlich 1979, in: SAPMO-BArch, DY 24/22242, unpag. Partit dels i les Comunistes de Catalunya, anti-eurokommunistischen Abspaltung des katalanischen PSUC: vgl. East, Parties, S. 149. Vgl. Botschaft der DDR, Vermerk über ein Gespräch mit Gen. Juan Manuel Arias, Sekretär für politische Fragen der Jugendorganisation der KPS (UJCE) am 21. 6. 1979 in der DDRBotschaft, 25. 06. 1979, in: SAPMO-BArch, DY 24/22242, unpag. Vgl. Bernecker, Geschichte, S. 260; Donofrio, PCE, S. 158, 163–164.
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
Carrillos, veranlasst, weitestgehend auf Anspielungen auf die ideologisch-programmatischen Differenzen mit den ostdeutschen Genossen zu verzichten und stattdessen auf den Mythos des gemeinsamen Kampfes gegen Franco und die historische Solidarität der SED zu rekurrieren, welche die spanischen Kommunisten „in der Nacht des Franquismus […] immer gespürt“ hätten.326 Obgleich er auf die Natur künftiger Beziehungen nicht einging oder gar eine Zusammenarbeit der Zentralkomitees von SED und PCE in Aussicht stellte, deutete die ostdeutsche Delegation den Besuch als Beleg dafür, „dass die Führung der KPS offensichtlich an einer Verbesserung ihrer Beziehungen zu den Bruderparteien in den sozialistischen Ländern interessiert ist, nicht zuletzt, weil ihre negative Haltung zum real existierenden Sozialismus auf Unverständnis und Ablehnung bei großen Teilen der Mitgliederschaft gestoßen ist.“ 327
In der Tat sah sich der PCE aufgrund des stark auf Carrillo zugeschnittenen Führungsstils mit einer zunehmenden Entfremdung zwischen Parteispitze und -basis konfrontiert,328 was sich die SED in ihrem Verhältnis zu einigen Regionalverbänden zunutze machen konnte. Botschafter Walkowski regte Ende 1979 etwa an, verstärkt Kontakte zu den Kommunisten in Katalonien und dem Baskenland zu suchen.329 Sein Vorschlag, für das Jahr 1980 einen Journalisten des PSUC-Zentralorgans „Treball“ zu einer Reportagereise in die DDR einzuladen, musste in der PCE-Parteiführung aus zweierlei Gründen als Provokation empfunden werden: Erstens hatte Sánchez Montero ein Jahr zuvor die besondere Solidarität der SED mit dem PCE-Organ „Mundo Obrero“ herausgestellt und betont, dass dessen Herausgabe als Tageszeitung „ohne diese Hilfe nicht möglich gewesen“ wäre.330 Zweitens war die Bevorzugung eines katalanischen Pressevertreters just zum Zeitpunkt der scharfen internen Auseinandersetzung zwischen PCE und PSUC auch deshalb besonders heikel, weil die Einladungspolitik der SED für westliche Pressevertreter generell äußerst selektiv und politisch „sorgfältig“ war.331 Ebenfalls als provokant dürfte die Führungsriege um Carrillo die Zusammenarbeit der DDR-Botschaft mit dem prosowjetischen Flügel des PCE in Valencia erachtet haben, die sich nach der Abwendung des PSUC vom Eurokommunismus entwickelte. Anlässlich des „internationalen Gedenktags für die Opfer des faschistischen Terrors und Kampftag gegen Faschismus und imperialistischen Krieg“ 326
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MfAA, Abteilung Westeuropa, Bericht über eine Delegation des ZK der SED in Madrid auf Einladung des PCE und PSUC, 14.–22. Nov. 1978, November 1978, in: PA AA, M 1, C 3598, Bl. 15–22, hier: Bl. 15–16. Ebenda, Bl. 22. Vgl. Donofrio, PCE, S. 165. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Zuarbeit der AV Madrid für ZK/IV in Vorbereitung des Besuchs einer Studiendelegation der KP Spaniens in der DDR (25.–30. 11. 1979), 14. 11. 1979, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 1875/86, unpag. MfAA, Abteilung Westeuropa, Bericht über eine Delegation des ZK der SED in Madrid auf Einladung des PCE und PSUC, 14.–22. Nov. 1978, November 1978, in: PA AA, M 1, C 3598, Bl. 15–22, hier: Bl. 15. MfAA, Abteilung Westeuropa, Brief Plaschkes an Botschafter Korth, 22. 03. 1978, in: PA AA, M 1, C 3590, Bl. 70–71, hier: Bl. 71.
4. Das politische Engagement der DDR in der Transición
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reiste im September 1980 auf Einladung der Sektion der ehemaligen Spanienkämpfer im KdAW eine Delegation ehemaliger spanischer Bürgerkriegsteilnehmer in die DDR, deren Leitung Rafael Micó Sánchez innehatte, Mitglied der „Vereinigung ehemaliger Häftlinge und politisch verfolgter Antifranquisten“ 332 und scharfer Kritiker Carrillos. Als „beharrlicher und aktiver Gegner“ des eurokommunistischen Flügels des PCE leitete er in Valencia eine parteiinterne Gruppierung, die sich für eine marxistisch-leninistische Schulung junger Mitglieder einsetzte und „für die SU und die DDR und gegen die Entstellung des realen Sozialismus kämpft[e].“ 333 Die DDR-Botschaft hatte mit Micós Gruppe „Absprachen getroffen“, darunter den Versand von Filmen über die DDR, die in der Region Valencia gezeigt und von „Vorträge[n] über die sozialistischen Länder“ begleitet wurden.334 Daneben unterhielten die Spanienkämpfersektion im KdAW und bis zu seiner Auflösung auch das Solidaritätskomitee Kontakte zum prosowjetischen PCOE, der 1973 von Enrique Líster gegründet worden war und bis zur Wiedereingliederung in den PCE 1986 als eigenständige, nicht-eurokommunistische Partei bestand. Wenige Wochen nach der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen der DDR und Spanien erstattete eine in die DDR eingeladene PCOEDelegation der Sektion und dem Solidaritätskomitee Bericht über die Feindschaft zwischen Carrillo und Líster und kritisierte offen, dass die SED den PCE trotz der offensichtlichen ideologischen Differenzen weiter finanziell unterstützte. Sie beklagte, dass „PCOE-Funktionäre im Land […] wiederholt […] gefragt werden, wie es denn komme, dass Carrillo, trotz seiner Angriffe auf die Sowjetunion, von der KPdSU und den anderen Parteien des sozialistischen Lagers unterstützt werde“ und dass es ihnen „immer schwerer [falle], darauf eine Antwort zu geben.“ 335 Mit Ignacio Gallego forderte außerdem ein prominenter Gegner Carrillos, der 1984 den marxistisch-leninistischen PCPE336 gründen sollte, eine deutlichere Positionierung der SED gegen den eurokommunistischen Kurs der PCE-Führung. Als symbolische Gesten schlug Gallego dem DDR-Botschafter Walkowski vor, erstens eine Delegation der SED zum VI. Parteitag des PSUC zu entsenden, zweitens Carrillos Positionen öffentlich und „wissenschaftlich-theoretisch“ zu widerlegen und drittens künftig von offiziellen Einladungen von PCE-Parteidelegationen in die DDR abzusehen. Letzteres sei insofern wichtig, als Carrillo „die ehrlich an Besuchen
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Asociación de Ex-presos y Represaliados Políticos Antifranquistas. KdAW, Sektion Spanienkämpfer (1968–87), Bericht der Sektion der ehemaligen Spanienkämpfer über den Besuch einer Gruppe spanischer Kameraden zum internationalen Gedenktag für die Opfer des faschistischen Terrors und Kampftag gegen Faschismus und imperialistischen Krieg, 8. bis 13. September 1981, undatiert, in: SAPMO-BArch, DY 57/803, unpag. Ebenda. KdAW, Sektion Spanienkämpfer, Vertrauliche Aktennotiz über eine Beratung im Arbeitsbüro des Solidaritätskomitees am 21. April 1977, 26. 04. 1977, in: SAPMO-BArch, DY 57/806, unpag. Partido Comunista de los Pueblos de España: vgl. East, Parties, S. 136–137.
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und Informationen der sozialistischen Länder interessierten Genossen […] von vornherein von solchen Reisen“ ausschließe.337 Zwar hielt die SED an der Politik fest, pro Land nur eine kommunistische Partei offiziell anzuerkennen und entsandte keine Abordnung zum Parteitag der katalanischen Kommunisten, jedoch verabredeten Walkowski und Gallego inoffiziell, das prosowjetische Lager in der Nationalen Freundschaftsgesellschaft zu stärken und dort „für eine offensive Politik im Interesse der Förderung der internationalistischen Kräfte der KPS und zur Förderung des realen Sozialismus“ zu werben.338 Auch über die spanischen Arbeiterkommissionen versuchte die SED, Einfluss auf die Basis des PCE auszuüben. Zwar unterhielt der FDGB bereits seit deren Gründung 1962 Kontakte zu den CC.OO., allerdings hatten sich diese in der ersten Hälfte der 1970er Jahre hauptsächlich auf finanzielle Solidarität beschränkt. Auch der DDR-Botschaft war es bis zum Abbruch der Beziehungen nicht gelungen, eine intensive Zusammenarbeit zu etablieren. Nach der Legalisierung der Arbeiterkommissionen 1977 zeigten diese nun ein verstärktes Interesse an Struktur, Organisation und Arbeitsweise des FDGB, was dieser für die Interessen der DDR zu nutzen suchte. Bereits Ende 1977 fuhr eine Delegation des FDGB-Bundesvorstandes auf Einladung des Gewerkschaftsführers und Generalsekretärs der CC.OO., Marcelino Camacho, nach Spanien, um „über die Weiterentwicklung der langjährigen Beziehungen […] unter den neuen Bedingungen zu beraten.“ 339 Der Zeitpunkt war opportun, da die Mitgliederzahlen der Arbeiterkommissionen seit Frühjahr 1977 konstant stiegen und sie sich bei den ersten freien Gewerkschaftswahlen in spanischen Betrieben im Januar und Februar 1978 einen enormen Einfluss auf die spanische Arbeiterschaft sichern konnten.340 Die ostdeutsche Delegation stellte ein „großes, auf allen Gebieten deutlich werdendes Informationsbedürfnis über die Entwicklung in der DDR und die Arbeit des FDGB“ und „übereinkommende Auffassungen in den Grundfragen des gewerkschaftlichen Kampfes fest.“ 341 Als vorteilhaft für die künftige Arbeit gegenüber den CC.OO. nahm sie wahr, dass sich „alle Gesprächspartner […] eindeutig zum proletarischen Internationalismus“ bekannten, „sich wiederholt auf die Leninschen Lehren über die Aufgaben der Gewerkschaften“ bezogen und keine „antisowjetischen Äußerungen […] im Sinne des von Carrillo vertretenen ‚Eurokommunismus‘“ tätigten, sondern im Gegenteil 337 338 339
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341
Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Walkowski an Axen, 01. 03. 1982, in: SAPMO-BArch, DY 30/13500, Bl. 37–41, hier: Bl. 38–41. Ebenda, Bl. 39, 41. FDGB-Bundesvorstand, Sekretariatsinformation über den Aufenthalt einer Delegation des Bundesvorstandes des FDGB bei den Arbeiterkommissionen in Spanien vom 1.–5. 12. 1977, 29. 12. 1977, in: SAPMO-BArch, DY 34/24616, Bl. 98–104, hier: Bl. 98. Vgl. FDGB, Bezirksvorstand Berlin, Abteilung Internationale Arbeit, Bericht über den Aufenthalt einer Leitungsdelegation der CCOO [sic!] von Madrid in der Zeit vom 1. 3.–7. 3. 78 in der Hauptstadt der DDR, Berlin, 27. 03. 1978, in: Landesarchiv Berlin, C Rep. 910, Nr. 8538, unpag. FDGB-Bundesvorstand, Sekretariatsinformation über den Aufenthalt einer Delegation des Bundesvorstandes des FDGB bei den Arbeiterkommissionen in Spanien vom 1.–5. 12. 1977, 29. 12. 1977, in: SAPMO-BArch, DY 34/24616, Bl. 98–104, hier: Bl. 102.
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der Überzeugung seien, dass für der Verwirklichung des Sozialismus in Spanien auch „die Erfahrungen der Gewerkschaften der sozialistischen Länder“ von Bedeutung seien.342 Konkret interessierten sich die CC.OO. für eine „Ausdehnung der Möglichkeiten, die Arbeit des FDGB zu studieren“ und freilich für die „Fortsetzung der solidarischen Hilfe des FDGB“, d. h. für die finanzielle Unterstützung ihrer Agitations-, Presse- und Schulungstätigkeit durch die ostdeutsche Einheitsgewerkschaft.343 SED und FDGB-Bundesvorstand waren sich des günstigen Moments der spanischen Initiative bewusst und empfingen im März 1978 eine Leitungsdelegation des starken Regionalverbands Madrid in Ost-Berlin, wo weitere materielle Hilfen sowie ein regelmäßiger Delegations- und Urlauberaustausch von FDGB- und CC.OO.-Mitgliedern beschlossen wurden.344 Laut dem Bericht des Ost-Berliner FDGB-Bezirksvorstands schätzten die CC.OO.-Vertreter ihren Aufenthalt in der DDR und „das Erleben der Sozialismus in der Praxis als sehr positiv und für ihre weitere Arbeit sehr wichtig ein“ und zeigten sich „sehr beeindruckt vom allseitigen Mitwirken der Gewerkschaften und der umfassenden Einbeziehung der Werktätigen in alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens.“ 345 Zur Festigung der Kontakte entsandte der FDGB-Bundesvorstand daher eine Delegation zum ersten Kongress der CC.OO. im Mai 1978, die eine Druckmaschine als „Solidaritätsgeschenk“ überreichte und eine Einladung zur Schulung leitender spanischer Gewerkschaftsfunktionäre in der DDR aussprach.346 In den Folgejahren wurde zwischen Einzelgewerkschaften des FDGB, insbesondere der „IG Textil-Bekleidung-Leder“, und den Arbeiterkommissionen eine regelmäßige Delegations- und Schulungsaktivität etabliert sowie eine konstante materielle Unterstützung einzelner Regionalverbände, darunter dem katalanischen. 1985 reiste der prominente Generalsekretär Marcelino Camacho nach mehrmaliger Einladung in die DDR.347 Zu diesem Zeitpunkt hatten die CC.OO. jedoch bereits Mitglieder verloren, was in engem Zusammenhang mit Krise und Bedeutungsverlust des PCE stand. Auch wurde die vom FDGB unterstützte Strategie einer Zusammenarbeit der Arbeiterkommissionen mit der Gewerkschaft UGT zunehmend erschwert, weil letztere unter dem starken Einfluss des PSOE von der Politik einer Aktionseinheit mit den CC.OO. abrückte und dabei große finanzielle Zuwendungen durch den DGB erhielt.348 Entsprechend beklagte Botschafter Wal342 343 344
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Ebenda, Bl. 102–103. Ebenda, Bl. 104. Vgl. FDGB, Bezirksvorstand Berlin, Abteilung Internationale Arbeit, Bericht über den Aufenthalt einer Leitungsdelegation der CCOO [sic!] von Madrid in der Zeit vom 1. 3.–7. 3. 78 in der Hauptstadt der DDR, Berlin, 27. 03. 1978, in: Landesarchiv Berlin, C Rep. 910, Nr. 8538, unpag. Ebenda. FDGB, Bundesvorstand, Abteilung Internationale Verbindungen, Delegationsbericht, 03. 05. 1978, in: SAPMO-BArch, DY 34/24616, Bl. 115–116. Vgl. ebenda. Vgl. FDGB, Bezirksvorstand Berlin, Abteilung Internationale Arbeit, Bericht über den Aufenthalt einer Leitungsdelegation der CCOO [sic!] von Madrid in der Zeit vom 1. 3.–7. 3. 78 in der Hauptstadt der DDR, Berlin, 27. 03. 1978, in: Landesarchiv Berlin, C Rep. 910,
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kowski in einem Brief an Hermann Axen, dass es Anfang der 80er Jahre „nicht gelungen sei, an die guten Kontakte Ende der siebziger Jahre anzuknüpfen“, die insbesondere zwischen den Madrider CC.OO. und dem Ost-Berliner FDGB-Bezirksverband bestanden hätten.349 Dennoch waren es die Einflussnahme der SED und des FDGB auf die Arbeiterkommissionen sowie die Kontakte der ostdeutschen Botschaft zu prosowjetischen Kräften innerhalb des PCE, an die sich Carrillo in erster Linie erinnerte, als er 1999 in einem Interview nach dem Verhältnis der spanischen Kommunisten zur DDR während der Demokratisierung Spaniens gefragt wurde: „[I]m Einklang mit den Sowjets“ habe die SED versucht, die Entwicklung der kommunistischen Bewegung in Spanien in ihrem Sinne „zu beeinflussen“, wobei er speziell der Botschaft in Madrid vorwarf, sich „an einer Untergrundarbeit […], einem Verrat gegen die Führung der spanischen Partei“ beteiligt zu haben, indem sie „Kontakte zu dem prosowjetischen Sektor“ unterhalten und diesen „in vieler Hinsicht“ unterstützt habe.350 In der Tat stieß die Arbeit der DDR-Botschaft während der Transición insbesondere beim PCE Kataloniens und des Baskenlands auf Interesse und es konnten einige relevante Kontakte etabliert werden. Allerdings verlor der PCE dort langfristig viele seiner Mitglieder an nationalistische linke Parteien,351 womit auch ein Interessenverlust an der DDR einherging. Auch umgekehrt sorgte der Vorwurf der Einmischung in innerparteiliche Angelegenheiten für Konfliktmomente in den bilateralen Parteibeziehungen. Nachdem sich Santiago Carrillo im Februar 1978 im ZDF gegen die Inhaftierung des prominenten DDR-Regimekritikers Rudolf Bahro ausgesprochen hatte,352 bat ihn Botschafter Korth zu einem Gespräch, in welchem er dem PCE-Generalsekretär die „große Besorgnis“ Honeckers über den „Angriff gegen die DDR“ übermittelte.353 Carrillo protestierte in einem Schreiben an Honecker gegen den Vorwurf der „Einmischung in die inneren Angelegenheiten der SED“ und nahm seine inhaltliche Kritik nicht zurück, sondern wiederholte die Auffassung, „wonach den Dissidenten die Möglichkeit gegeben werden muss, sich zu äußern, ohne dass sie Objekt von Sanktionen“ würden.354 Die Tatsache, dass Carrillo einen persönlichen Brief an Honecker richtete, zeigt, dass der Fall Bahro für die Parteibeziehungen zwischen SED und PCE einige Brisanz hatte. Nachdem im „Mundo Obrero“ ein
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Nr. 8538, unpag. Zur Unterstützung der UGT durch den DGB vgl. Muñoz Sánchez, FrancoDiktatur, S. 99–107; Ortuño Anaya, European Socialists, S. 157–158, 179–184. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Walkowski an Axen, 09. 07. 1982, in: SAPMO-BArch, DY 30/13553, Bl. 45–54, hier: Bl. 53. Grebe, Gespräch mit Santiago Carillo, S. 83. Vgl. Tusell, Spain, S. 323. Vgl. Julio Sierra, El economista Bahro será expulsado de Alemania oriental, in: El País vom 02. 06. 1978; o. V., Fall Bahro: „Erstaunlicher Widerspruch“, in: Der Spiegel Nr. 28 (1978), S. 18–19, hier: S. 18. Büro Honecker im ZK der SED, Brief Carrillos an Honecker, 09. 03. 1978, in: SAPMOBArch, DY 30/2486, Bl. 45–46, hier: Bl. 45. Ebenda, Bl. 45–46.
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Artikel über Bahros Buch „Die Alternative“ erschienen war, bat Ernst Walkowski als neuer Botschafter in Madrid Carrillo zu einem weiteren Gespräch. Darin drückte er seine „Verwunderung“ darüber aus, „dass ausgerechnet ein Gegner der DDR, […] der rechtskräftig verurteilt wurde, im Zentralorgan [des PCE] als ‚marxistischer Denker der DDR‘ gewürdigt werde“. Gleichzeitig warf er den spanischen Genossen vor, bewusst Informationen „über die Realität des Sozialismus in der DDR“ zurückzuhalten, obwohl die Botschaft in Madrid „geeignete[…] Materialien“ zur Verfügung stelle.355 Während Carrillo eine geringe Berichterstattung des „Mundo Obrero“ über die sozialistischen Länder nicht abstritt, blieb er im Fall Bahro bei der Kritik des PCE, der sich „veranlasst“ sehe, Informationen über „spektakuläre Ausweisungen oder Austausche von Leute [sic!], die nicht mit den Verhältnissen in den sozialistischen Ländern einverstanden sind, […] zu veröffentlichen.“ 356 Diese Linie entsprach der gemeinsamen Haltung der Eurokommunisten in Frankreich, Italien und Spanien, die in Grundrechtsfragen von den Vorstellungen der KPdSU und den orthodoxen Staatsparteien des Ostblocks abwich. Sie bekannten sich zum Mehrparteiensystem und dem Recht auf Opposition sowie zu den bürgerlichen Grund- und Menschenrechten, deren Verletzung durch die sozialistischen Staaten sie wiederholt kritisierten.357 Wenngleich widersprüchliche Aussagen und der Umgang mit parteiinternen Kritikern die Glaubwürdigkeit dieses Bekenntnisses beeinträchtigten, stellte die Ankerkennung der Grundrechte durch die Eurokommunisten durchaus „ein[en] fast revolutionäre[n] Wandel“ innerhalb der kommunistischen Bewegung dar.358 Dies verhalf ihren Ideen zu einiger Popularität in oppositionellen Kreisen der DDR, darunter bei Wolf Biermann, Robert Havemann und Rudolf Bahro.359 Neben der ideologisch-programmatischen Nähe war Carrillos Unterstützung für Bahro – sowie ein Jahr später für Robert Havemann – auch politisch motiviert. Sie bot ihm zum einen die Gelegenheit, sich prominent gegen Honecker zu positionieren, der zu den schärfsten Kritikern des spanischen Eurokommunismus gehörte. Zum anderen konnte ein Eintreten für die DDR-Opposition innenpolitisch dem Zweck dienen, sich vom Image einer autoritären, moskauhörigen Partei zu lösen. So schätzte Botschafter Walkowski nach seinem Gespräch mit Carrillo gegenüber Egon Winkelmann, dem Leiter der Abteilung Internationale Verbindungen des ZK der SED, ein, dass der PCE-Chef möglicherweise „unter dem Deckmantel ‚freundschaftlicher Beziehungen‘ zur DDR die Absicht einer gewissen Differenzierungspolitik“ verfolge, um innerhalb der kommunistischen Bewegung
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Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Walkowski ans ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, 23. 05. 1979, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 107–110, hier: Bl. 108. Ebenda, Bl. 109. Vgl. Woyke, Eurokommunismus, S. 140–141. Ebenda, S. 141. Gleiches gilt für die Oppositionsbewegungen in Polen und der ČSSR: vgl. zeitgenössisch Valenta, Eurocommunism, S. 50.
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Differenzen zu erzeugen und Konflikte zu schüren.360 Entsprechend beobachtete das MfS eine Reise Bahros nach Spanien im Frühjahr 1980 äußerst aufmerksam, zu der dieser nach seiner Ausbürgerung aus der DDR von der kommunistischen Zeitschrift „Argumentos“ eingeladen worden war. Im Gegensatz zu Wolf Biermann, der im spanischen Wahlkampf 1977 den „Mythos“ des Bürgerkriegs besungen und an seinen Vater erinnert hatte, der als Hamburger Hafenarbeiter Waffenlieferungen an Franco sabotiert hatte, machte Bahro, der in PCE-Kreisen als „Spezialist für eurokommunistische Themen“ galt, bei Vorträgen in Madrid, Barcelona und Valencia seine umfassende Kritik am Sozialismus der DDR einem breiten Publikum bekannt.361 An späterer Stelle wird zu zeigen sein, dass die SED einen weiteren „scharfe[n] öffentliche[n] Angriff gegen die Partei- und Staatsführung der DDR“ durch die spanischen Genossen registrierte, als sich der PCE 1979 im international verfolgten Strafprozess gegen Robert Havemann als Verteidiger des prominenten Regimekritikers zu inszenieren suchte.362 Zu einer weiteren Verschlechterung der Parteibeziehungen trug auch der antidemokratische Putschversuch im Februar 1981 bei. Insbesondere das Verhalten Carrillos wurde in Spanien und der DDR unterschiedlich bewertet: Dieser ging beim Sturm des Parlaments durch bewaffnete Guardia Civil als einziger Abgeordneter neben Ministerpräsident Suárez und dessen Stellvertreter General Gutiérrez Mellado nicht in Deckung, sondern verharrte auf seinem Parlamentssitz, was in der spanischen Öffentlichkeit als Beleg für demokratische „Reife und Verantwortungsbewusstsein“ gewertet wurde.363 Die SED dagegen sah „im Verhalten der KPS während des Putsches“ und dem betont konzilianten Auftreten in den Tagen danach einen weiteren Beweis für deren „Klassenkollaboration mit den Hauptkräften der Bourgeoisie“.364 Besonderen Anstoß nahm Ost-Berlin daran, dass der PCE die deeskalierende Rolle des Königs und der Militärführung anerkannte und sich bereit erklärte, „in allen entscheidenden Fragen“ mit der UCD-Regierung zusammenzuarbeiten. Auch seinen Widerstand gegen eine mögliche künftige Regie-
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Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Walkowski ans ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, 23. 05. 1979, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 107–110, hier: Bl. 110. Vgl. BStU, MfS, HA XX/9, Nr. 1605, Bl. 22; Rafael Fraguas, Rudolf Bahro: „En Europa oriental hay conciencia creciente de que el sistema no funciona“, in: El País vom 10. 04. 1980. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Informationsmaterial über die Kommunistische Partei Spaniens und die Lage in der kommunistischen Bewegung in Spanien, undatiert, vermutlich Februar 1987, in: SAPMO-BArch, DY 30/13489, Bl. 147–158, hier: Bl. 157. Zum Fall Havemann vgl. Kap. III.4.3. Donofrio, PCE, S. 164. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Ernst Walkowski an den stellvertretenden Außenminister Kurt Nier, 03. 03. 1981, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 1880/86, unpag.; ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Informationsmaterial über die Kommunistische Partei Spaniens und die Lage in der kommunistischen Bewegung in Spanien, undatiert, vermutlich Februar 1987, in: SAPMO-BArch, DY 30/13489, Bl. 147–158, hier: Bl. 149.
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rungskoalition von UCD und PSOE gaben die Kommunisten auf.365 Botschafter Walkowski kritisierte diese „nunmehr bedingungslose […] auf den Konsensus gerichtete Politik“ als eine endgültige Aufgabe der „politische[n] Bewegungsfreiheit“ des PCE.366 Angesichts dieser Kritik sahen sich die spanischen Kommunisten dazu veranlasst, ihre Haltung bei einem Gespräch in der Botschaft zu rechtfertigen: „Wäre der Putschversuch geglückt, hätte die Existenz nicht nur der KPS, sondern auch aller anderen linken und demokratischen Kräfte auf dem Spiel gestanden und erneut Einkerkerung gedroht. In dieser Situation ist KPS gezwungen, Bündnisse einzugehen und Kompromisse abzuschließen mit allen Kräften, die sich für die Demokratie aussprechen, auch wenn sie nicht immer demokratisch sind […]. Das gleiche gelte hinsichtlich des Königs. Da die Frage Faschismus oder Demokratie steht, tritt KPS für Bündnis aller Kräfte ein, die sich für die Demokratie ausgesprochen haben. Das sei die Anwendung des Marxismus auf eine konkrete Situation.“ 367
Was Wentker als Grund für Spannungen zwischen der SED und den westeuropäischen kommunistischen Parteien allgemein beschreibt, traf im Frühjahr 1981 – im Klima des „Zweiten Kalten Kriegs“ und angesichts der Bedrohung der jungen spanischen Demokratie – auf das Verhältnis zwischen SED und PCE in besonderem Maße zu: Letzterer hatte sich nach seiner Legalisierung nicht nur „Wahlen zu stellen und um Mitglieder zu werben“, sondern musste mit Blick auf den immer mächtiger werdenden PSOE „in ständiger Furcht [leben], im Parteienwettbewerb marginalisiert zu werden und Unterstützung zu verlieren, insbesondere, wenn sich die KPdSU durch hartes Eingreifen in den Ostblockstaaten international diskreditierte.“ 368 Besonders die angespannte innenpolitische Lage nach dem Putsch forderte dem PCE „weitaus mehr Flexibilität im Hinblick auf die zu wählenden Mittel und die zu verwirklichenden Ziele“ ab, als es die Staatspartei SED nachvollziehen konnte.369 Neben diesem notwendigen parteipolitischen Machtkalkül kam im Fall der spanischen Kommunisten hinzu, dass führenden Vertretern, einschließlich Santiago Carrillo, nach dem Trauma des Bürgerkriegs und jahrzehntelanger politischer Verfolgung vermutlich tatsächlich an politischem Konsens und Aussöhnung gelegen war. Selbst Marcos Ana, der innerhalb der Abteilung Internationale Verbindungen des ZK des PCE für eine Verbesserung der Beziehungen zur SED eintrat, warf den ostdeutschen Genossen fehlendes Verständnis für die Lage in Spanien vor. Einen Monat nach dem versuchten Staatsstreich kritisierte er im Gespräch mit Botschaftssekretär Schulze und LfV-Vertreter Manneberg, dass Ost-Berlin nach dem Putsch kein Zeichen der Solidarität gesendet hatte, was „einige Perplexität unter den spanischen Genossen hervorgerufen“ habe. Dies sei „umso unver-
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Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Ernst Walkowski an den stellvertretenden Außenminister Kurt Nier, 03. 03. 1981, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 1880/86, unpag. Ebenda. Botschaft der DDR in Madrid, Vermerk über ein Gespräch mit den Genossen Gabriel Salinas, Sekretär für IV, und Manuel González, Mitarbeiter IV der Ex-Presos, am 12. 3. 1981 in der Botschaft, 12. 03. 1981, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 1875/86, unpag. Wentker, Außenpolitik oder transnationale Beziehungen?, S. 45. Ebenda.
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ständlicher“ als „die westlichen Staaten Europas Solidaritätsbotschaften geschickt“ hätten und mache die ohnehin belasteten Beziehungen zwischen PCE und SED „nicht leichter“.370 Mit dieser pessimistischen Prognose sollte Marcos Ana recht behalten: Die Thesen des X. Parteitags der spanischen Kommunisten, auf dem sich im Juli 1982 kurzfristig nochmals die Anhänger Carrillos gegen das anti-eurokommunistische Lager der „Erneuerer“ („renovadores“) durchsetzten, waren laut Einschätzung der DDR-Botschaft eine „Ansammlung von den in den letzten Jahren begangenen Fehlern, Irrtümern und Mängeln“, die „die Verleumdung des realen Sozialismus erstmals in den Rang von Parteitagsbeschlüssen“ höben. Eine erneute Verschärfung der Differenzen schien laut Botschafter Walkowski „vorprogrammiert“.371 Erst Carrillos Rücktritt als Generalsekretär nach dem Wahldebakel des PCE im Oktober 1982 und seine Ablösung durch Gerardo Iglesias, der für einen moderaten Kurs zwischen dem moskautreuen Parteiflügel und den Eurokommunisten eintrat, sowie schließlich Carrillos Ausschluss aus dem Zentralkomitee im April 1985 stellten die Weichen für eine Verbesserungen der Beziehungen zwischen PCE und SED in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre.372 Allerdings hatten das schlechte Verhältnis und der Bedeutungsverlust der spanischen Kommunisten spätestens seit 1978 dazu geführt, dass die SED zunehmend Möglichkeiten alternativer Parteibeziehungen nach Spanien sondierte und solche in Kontakten zu den spanischen Sozialisten gegeben sah. Deren wachsenden politischen Einfluss hatte das MfAA bereits während der Unterbrechung der diplomatischen Beziehungen vorhergesagt 373 und Botschafter Korth nach der Wiedereröffnung der Madrider Botschaft entsprechend instruiert, „verstärkt Anstrengungen“ zum Kontaktaufbau mit führenden Kräften des PSOE zu unternehmen.374
4.3 Die DDR und der aufstrebende PSOE Die erste Kontaktanstrengung unternahm Botschaftssekretär Höcker neun Monate nach der Legalisierung des PSOE und dessen überraschend gutem Abschneiden als zweitstärkste Kraft in den Parlamentswahlen vom Juni 1977. Im November
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Botschaft der DDR in Madrid, Vermerk über ein Gespräch im ZK der KPS am 27. 3. 1981, 27. 03. 1981, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 164–167, hier: Bl. 164–165. Botschaft der DDR in Madrid, Einschätzung des Thesen-Entwurfs zum X. Parteitag der KPS, 25. 05. 1981, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 1875/86, unpag. Zum X. Parteitag des PCE vgl. Donofrio, PCE, S. 163–164. Zum Ausschluss Carrillos und achtzehn seiner Anhänger aus der Parteiführung des PCE am 15. April 1985 vgl. Fernando Jáuregui, Santiago Carrillo y 18 de sus segadores, expulsados de los órganos de dirección del PCE, in: El País vom 20. 04. 1985. Für eine Besprechung der Parlamentswahlen vom Oktober 1982 vgl. Tusell, Spain, S. 323–325; Bernecker, Geschichte, S. 269–273. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Strömungen und Positionen in der spanischen Sozialdemokratie, 16. 06. 1976, in: PA AA, M 1, C 3585, Bl. 39–54, hier: Bl. 39. MfAA, Abteilung Westeuropa, Brief Plaschkes an Botschafter Korth, 22. 03. 1978, in: PA AA, M 1, C 3590, Bl. 70–71, hier: Bl. 70.
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suchte er „im Rahmen des Kontaktaufbaus“ erstmals die Parteizentrale der Sozialisten in Madrid auf, um „den Wunsch nach einer Zusammenkunft des DDR-Botschafters mit dem Generalsekretär der PSOE, Gonzales [sic!]“ zu übermitteln.375 Grund zu verhaltenem Optimismus sah er nach dem Besuch aus drei Gründen gegeben: Erstens habe sein Gesprächspartner José Miguel Bueno, Mitglied der außenpolitischen Kommission der Sozialisten, „großen Wert auf die Charakterisierung der PSOE als ‚Marxistische Partei‘ gelegt und erklärt, dass eines der Schulungsthemen beim Parteiaufbau die „Diktatur des Proletariats“ sei; zweitens unterhalte Bueno Kontakte zur sowjetischen Botschaft.376 Drittens konnte Höcker zu diesem frühen Zeitpunkt einige Anknüpfungspunkte zwischen SED und PSOE in außen- und militärpolitischen Fragen ausmachen. So versichte ihm Bueno, dass die Sozialisten „grundsätzlich gegen den NATO-Beitritt“ Spaniens seien sowie „gegen jegliche ausländischen Militärstützpunkte in Spanien“, wobei Höcker in seinem Bericht besonders hervorhob, dass Bueno damit nicht nur die US-amerikanischen Basen meinte, sondern „auch die Beseitigung (nicht näher umschriebener) ‚militärpolitischer Objekte‘ der BRD in Spanien.“ 377 Letzteres lag im Sinne der DDR, die in der frühen Transición wiederholt die militärpolitische Zusammenarbeit zwischen Madrid und Bonn kritisierte,378 die bereits 1958 mit der Einrichtung von Militärattaché-Stäben in den jeweiligen Botschaften etabliert worden war.379 Nach Francos Tod und der Umwandlung der spanischen Streitkräfte in eine demokratische Armee gewann sie an Bedeutung und fand in regelmäßigen Konsultationen zwischen den Führungsorganen der Streitkräfte, dem Austausch von Spezialisten und Militärtechnik sowie gemeinsamen Truppenübungen der bundesdeutschen Marine und der „Armada Española“ Ausdruck. Während die SED die Zusammenarbeit in die „Traditionen der Kooperation zwischen den faschistischen Armeen Hitler-Deutschlands und Franco-Spaniens“ stellte,380 bewertete Botschaftssekretär Höcker es als positiv, dass Bueno „die Möglichkeit bilateraler militärischer Kontakte [Spaniens] mit sozialistischen Staaten“ nicht ausschloss und der PSOE sogar „in diesem Sinne die Akkreditierung eines Militärattachés der DDR begrüßen“ würde.381 Als Kurt Nier als stellvertretender Außenminister
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Botschaft der DDR in Madrid, Vermerk über ein Gespräch mit José Miguel Bueno, Mitglied der Außenpolitischen Kommission der PSOE, Verteidigungsexperte und Kongressabgeordneter der Partei, am 26. 11. 1977 im Sitz des Vorstandes der PSOE, 29. 11. 1977, in: SAPMOBArch, DY 30/13552, Bl. 45–47, hier: Bl. 45, 47 Ebenda, Bl. 47. Ebenda, Bl. 45–46. MfAA, Abteilung Westeuropa, Zu den Beziehungen Spanien-BRD, 03. 05. 1978, in: PA AA, M 1, C 3597, Bl. 5–10, hier: Bl. 9. Vgl. Aschmann, Treue Freunde, S. 354, 356. MfAA, Abteilung Westeuropa, Zu den Beziehungen Spanien-BRD, 03. 05. 1978, in: PA AA, M 1, C 3597, Bl. 5–10, hier: Bl. 9. Botschaft der DDR in Madrid, Vermerk über ein Gespräch mit José Miguel Bueno, Mitglied der Außenpolitischen Kommission der PSOE, Verteidigungsexperte und Kongressabgeordneter der Partei, am 26. 11. 1977 im Sitz des Vorstandes der PSOE, 29. 11. 1977, in: SAPMOBArch, DY 30/13552, Bl. 45–47, hier: Bl. 46.
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der DDR ein Jahr später offiziell den Austausch von Militärattachés anregte, stieß er im UCD-geführten Außenministerium damit freilich auf taube Ohren.382 Dagegen war es ein erster Erfolg der ostdeutschen Kontaktinitiative, dass Höcker und Bueno „Arbeitskontakte“ sowie die Übergabe von „zugeschnittene[m] Material“ über die DDR an den PSOE vereinbarten.383 Einen Monat nach dem ersten Gespräch wurde die Hoffnung Ost-Berlins auf Tuchfühlung mit den spanischen Sozialisten zusätzlich genährt, als auf Einladung des ZK der KPdSU eine vierköpfige PSOE-Delegation unter Generalsekretär Felipe González und seinem Stellvertreter Alfonso Guerra in die Sowjetunion reiste, wo sie Schauplätze der Oktoberrevolution besuchte, „ihren Glückwunsch und beste Wünsche zum sechzigsten Jahrestag der Großen Sozialistischen Revolution“ übermittelte und in einem gemeinsamen Kommuniqué mit den sowjetischen Genossen den Wunsch äußerte, „die freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und der Spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei weiterzuentwickeln.“ 384 Mit der Einladung führender PSOE-Vertreter zum offiziellen Revolutionsjubiläum im Jahr 1977 verfolgte die KPdSU das Ziel, sich einerseits Kontakte zur aufstrebenden Oppositionspartei des postfranquistischen Spaniens zu sichern und andererseits ihre Differenzen mit Carrillos Kommunisten zu demonstrieren. Dieser musste es dabei als Provokation empfunden haben, bereits vor den eigentlichen Feierlichkeiten nach Moskau geladen worden zu sein.385 Die Botschaft, dass spanisch-sowjetische Beziehungen künftig auch ohne den PCE gestaltet würden, sandte auch González aus: Gegenüber spanischen Journalisten gab er an, vor seiner Abreise in die UdSSR nicht etwa Carrillo um Rat gefragt, sondern in seinen jüngsten Konsultationen mit Ministerpräsident Suárez dessen persönliche Einschätzung zum aktuellen Stand des spanisch-sowjetischen Verhältnisses eingeholt zu haben. Hierbei habe ihm Suárez versichert, seit der Herstellung diplomatischer Beziehungen zwischen Madrid und Moskau diesbezüglich optimistisch zu sein.386 González ignorierte damit demonstrativ die historischen Beziehungen zwischen den spanischen Kommunisten und der Sowjetunion einerseits und betonte andererseits seine Nähe zum spanischen Regierungschef. Ein solches Auftreten war durchaus selbstbewusst, zählte der PSOE zum Zeitpunkt
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Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Direktive für die Konsultation des Stellvertreters des Ministers für Auswärtige Angelegenheiten der DDR, Genossen Kurt Nier, mit dem Generaldirektor für die Politik Europas und Atlantische Angelegenheiten des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten Spaniens, Antonio Elias Martinana [sic!], vom 2. 10.–4. 10. 1978 in Madrid, September 1978, in: PA AA, M 1, C 3593, Bl. 1–4, hier: Bl. 2. Botschaft der DDR in Madrid, Vermerk über ein Gespräch mit José Miguel Bueno, Mitglied der Außenpolitischen Kommission der PSOE, Verteidigungsexperte und Kongressabgeordneter der Partei, am 26. 11. 1977 im Sitz des Vorstandes der PSOE, 29. 11. 1977, in: SAPMOBArch, DY 30/13552, Bl. 45–47, hier: Bl. 47. Gemeinsames Kommuniqué KPdSU-PSOE, undatiert, in: El Socialista vom 24. 12. 1977. Abgelegt in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 56–58, hier: Bl. 57–58. Vgl. Borja Martínez, El PSOE en el país de los soviets, in: El Mundo vom 16. 12. 2017. Vgl. Ismael Lóepz Muñoz, Felipe González se entrevista en Moscú con miembros del Comité Central del PCUS, in: El País vom 13. 12. 1977.
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seiner Legalisierung mit 51 500 Mitgliedern doch nur ein Viertel der Anhängerschaft des PCE.387 Es schwang dabei bereits die Ambition mit, den PSOE zu einer erstzunehmenden Regierungsalternative zu entwickeln und in einem vollständig demokratisierten Spanien langfristig selbst die Regierung zu stellen.388 Das Selbstbewusstsein zog González aus dem überraschend guten Abschneiden bei den Wahlen von 1977, dem darauf folgenden enormen Mitgliederzuwachs und der Rückendeckung durch die Sozialistische Internationale.389 Gleichwohl war der PSOE Ende 1977 noch Oppositionspartei, was sich in einem zunächst noch stark ideologisch gefärbten Programm widerspiegelte. Seit dem Spätfranquismus hatten die Sozialisten ihren politischen Diskurs zugespitzt, um sich einerseits von den Kommunisten abzugrenzen und andererseits kleineren sozialistischen Parteien, die ebenfalls den Marxismus für sich beanspruchten, keinen ideologischen Raum zu lassen.390 Diesen „Radikalismus“ behielt der PSOE nach dem Tod Francos zunächst bei, insbesondere in seiner außenpolitischen Programmatik;391 einige Stimmen in der Partei begrüßten daher die Initiative der DDR und ihrer Botschaft zum Kontaktaufbau. Dazu gehörten mit Carmina Virgili und Enrique Moral Sandoval zwei führende Persönlichkeiten der parteinahen Stiftung „Fundación Pablo Iglesias“ (FPI), welche – nachdem sie im Bürgerkrieg beinahe vollständig zum Erliegen gekommen war – 1977 neu aufgebaut und mit einer Zentrale in Madrid sowie regionalen Außenstellen wiederbelebt wurde.392 Virgili war eine international renommierte Geologieprofessorin an der Madrider Universität Complutense, die im ersten Kabinett González’ ab 1982 Staatssekretärin für Hochschul- und Forschungspolitik werden sollte.393 Als Vorsitzende der FPI war sie mit dem Aufbau des Schulungs- und Informationsapparats der Stiftung betraut, der „die Verbreitung des wissenschaftlichen Sozialismus in der schnell gewachsenen spanischen Arbeiterklasse“ zu „einer der wichtigsten Aufgaben“ haben sollte.394 Im Januar 1978 ersuchte sie gemeinsam mit Stiftungssekretär Moral Sandoval um ein Gespräch in der DDR-Botschaft, um einen „Material- und Informationsaustausch[…]“ anzuregen, „der sofort beginnen könne.“ Dabei zeigten sich beide FPIVertreter „dringend“ an der in der DDR herausgegebenen Marx-Engels-Gesamt-
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Zur Entwicklung der Mitgliederzahlen des PSOE von 1918 bis 1981 vgl. Tezanos Tortajada, Estructura, S. 120. Vgl. Powell, Cambio de régimen, S. 439. Vgl. Andrade Blanco, PCE y PSOE, S. 175. Zwischen den Parlamentswahlen vom Juni 1977 und dem 28. Parteitag des PSOE im Mai 1979 stieg die Zahl der Mitglieder auf über 101 000 an: vgl. Tezanos Tortajada, Estructura, S. 120. Vgl. Andrade Blanco, PCE y PSOE, S. 192. Vgl. Arenal, Posición, S. 402; Bernecker, Geschichte, S. 270. Vgl. Muñoz Sánchez, Franco-Diktatur, S. 151–156. Vgl. Nachruf der Universität Barcelona auf Carmina Virgili vom 24. 11. 2014: https://www. ub.edu/web/ub/es/menu_eines/noticies/2014/11/054.html?. Letzter Zugriff am 02. 11. 2022. Botschaft der DDR in Madrid, Vermerk über ein Gespräch mit leitenden Funktionären der „Fundacion [sic!] Pablo Iglesias“ des wissenschaftlichen Instituts der „Sozialistischen Arbeiterpartei Spaniens“ (PSOE) am 31. Januar 1978 in der Botschaft der DDR, 01. 02. 1978, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 59–62, hier: Bl. 59.
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
ausgabe interessiert sowie „außerordentlich“ an weiterer marxistischer Literatur und „Grundsatzdokumenten“ der SED. Mit Blick auf den „Auf- und Ausbau“ der Stiftung erkundigten sie sich außerdem nach Kontakten zu DDR-Institutionen, die sich mit „marxistischer Organisationswissenschaft“ beschäftigten und erbaten als „Anregungen für die eigene Arbeit“ ferner „Material über die politische und geistig-kulturelle Erziehung der DDR-Jugend“.395 Virgili zeigte sich aufgrund eines persönlichen Aufenthalts in der DDR motiviert zu einer Zusammenarbeit mit der SED und ihrer Botschaft in Madrid. Laut Höcker habe sie sich „außerordentlich lobend“ über den „hohe[n] Bildungsgrad“, das „Niveau der Erziehung und Ausbildung“ und das „sehr reiche“ Kulturangebot in der DDR geäußert, wofür ihrer Meinung nach „der sozialistische Staat eine Reihe vorbildlicher Voraussetzungen geschaffen habe“.396 Moral Sandoval ergänzte, „dass die Erfahrungen beim erfolgreichen sozialistischen Aufbau in der DDR […] auf dem Gebiet eines ehemaligen entwickelten kapitalistischen Staates“ für die FPI „von großem praktischem und theoretischem Interesse seien.“ 397 Friedemann Höcker war positiv überrascht von der Initiative und bat um zügige Stellungnahme und Weisung aus dem MfAA, wie auf das offensive Vorgehen der beiden führenden FPI-Vertreter zu reagieren sei. Da eine Woche später ein Gespräch mit dem PSOE-Sekretär für internationale Verbindungen, Luis Yáñez, anberaumt war, sah er die Chance gegeben, „die Angelegenheit auf die Ebene der unmittelbaren Parteibeziehungen“ zu heben.398 Dabei wusste er, dass die Kontaktaufnahme durch Virgili und Moral Sandoval durchaus eine gewisse Brisanz barg, war die treibende Kraft bei der Wiedererrichtung der „Fundación Pablo Iglesias“ doch die bundesdeutsche SPD und deren Friedrich-Ebert-Stiftung gewesen. Letztere hatte sich in einem Abkommen, das ihr Geschäftsführer Günter Grunwald im Herbst 1977 mit Carmina Virgili unterzeichnet hatte, bereit erklärt, die Kosten für Einrichtung und Unterhaltung der Zentrale und Außenstellen zu übernehmen; auch Virgili und Moral Sandoval wurden für ihre Tätigkeit von der FES bezahlt.399 Dieter Koniecki, ab 1976 Verbindungsmann der Ebert-Stiftung in Madrid, nahm Ende der 1970er Jahre denn auch wahr, dass „für eine Weile […] die Dinge nicht so liefen, wie [er] es sich gewünscht hätte“: Im Kampf mit dem PCE um die Vorherrschaft innerhalb der spanischen Linken neige die „Fundación Pablo Iglesias“ laut Koniecki dazu, „sich zu einer marxistisch inspirierten Denkfabrik zu entwickeln“, wobei einige ihrer Aktivitäten „keineswegs der Verbreitung sozialdemokratischen Gedankenguts in Spanien dienten“.400 Zwar vertraute er – mitunter gegen Bedenken der bundesdeutschen Botschaft – prinzipiell darauf, dass die „‚Linksastronauten‘“ in der FPI-Führung „früher oder später aus der ‚ideologischen Stra-
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Ebenda, Bl. 59–61. Ebenda, Bl. 61. Ebenda. Ebenda, Bl. 62. Vgl. Muñoz Sánchez, Franco-Diktatur, S. 152–153. Zitiert in ebenda, S. 156.
4. Das politische Engagement der DDR in der Transición
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tosphäre‘ herunterkommen würden“, allerdings distanzierte sich er von Projekten der Stiftung, an denen marxistische Institute der sozialistischen Länder beteiligt waren.401 Da Koniecki als „einflussreicher Stiftungsmann“ in Madrid äußert gut vernetzt war,402 ist davon auszugehen, dass er vom Besuch Virgilis und Moral Sandovals in der DDR-Botschaft wusste. Dies würde erklären, weshalb Luis Yáñez als offizieller Parteivertreter des PSOE und enger Vertrauter González’ eine Woche später bei seinem Gespräch mit Höcker nicht abweisend, aber deutlich zurückhaltender auftrat. Er erklärte, dass der PSOE dem Vorschlag zum ständigen Informations- und Materialaustausch mit der SED, den ihm ZK-Abteilungsleiter Paul Markowski nach dem Kontaktersuchen der FPI-Führung unterbreitet hatte, „prinzipiell positiv gegenüber“ stünde und er zur Klärung von Fragen der praktischen Abwicklung zu einem Gespräch mit einem ZK-Mitglied bereit sei.403 Letzteres jedoch nur unter der Bedingung, dass er „mehrere Tage im Voraus“ informiert würde, um sich mit seiner Parteiführung abstimmen zu können.404 Diese agierte beim Kontaktaufbau mit Ost-Berlin vorsichtiger als die parteinahe FPI: Yáñez verwies gegenüber Höcker auf programmatische Unterschiede und „ganz andere strategische Ziele“ und lehnte die von der SED unterstützte Forderung nach einer Aktionseinheit der Gewerkschaften CC.OO. und UGT „sehr reserviert“ ab, worin Höcker „Konkurrenzerwägungen“ der Sozialisten „im Sinne eines Zurückdrängens der kommunistischen Bewegung“ ausmachte.405 Eine weitere frühe Interessensbekundung erfolgte ebenfalls zunächst nicht auf der unmittelbaren Parteiebene, sondern zwischen den Jugendverbänden. Ein Jahr nach ihrer Legalisierung traten Vertreter der spanischen Jungsozialisten (JSE)406 an die Botschaft der DDR und den Zentralrat der FDJ heran und bekundeten ihr Interesse, „mit der FDJ ins Gespräch zu kommen.“ 407 Auch eine Abordnung des FDJ-Zentralrats, die im Mai 1978 am ersten Kongress der kommunistischen Parteijugend teilnahm, schlug in ihrem Delegationsbericht vor, parallel zu ihren Beziehungen zu den Jungkommunisten der UJCE Kontakte zur sozialistischen Jugend zu knüpfen.408 Ein solches Interesse der DDR an alternativen Parteibezie-
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Ebenda. O. V., Durch die Seitentür, in: Der Spiegel Nr. 27 (1984), S. 38–39, hier: S. 39. Botschaft der DDR in Madrid, Vermerk über ein Gespräch mit dem Auslandssekretär der Sozialistischen Arbeiterpartei Spaniens (PSOE), Yañez [sic!], am 6. 2. 1978 im Sitz der PSOE, 08. 02. 1978, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 63–64, hier: Bl. 64. Ebenda, Bl. 63. Ebenda, Bl. 64. Juventudes Socialistas de España. MfAA, Abteilung Westeuropa, Aktennotiz über ein Gespräch im MfAA am 15. 7. 1981 betr. Sozialistische Jugend Spaniens und Möglichkeiten der Herstellung von Beziehungen zwischen der FDJ und der JSE, 15. 07. 1981, in: SAPMO-BArch, DY 24/22242, unpag. Vgl. FDJ, Zentralrat, Abteilung Internationale Verbindungen, Information über die Teilnahme einer Delegation des Zentralrates der FDJ am 1. Kongress des Kommunistischen Jugendverbandes Spaniens (UJCE), undatiert, vermutlich Juni 1978, in: SAPMO-BArch, DY 24/ 22242, unpag.
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
hungen auf Ebene der Jugendorganisationen wuchs mit zunehmender Verschlechterung des internationalen Klimas und der Parteibeziehungen zwischen SED und PCE insbesondere nach dem gescheiterten Putschversuch. Im Juli 1981 legte das MfAA einem Vertreter des Zentralrats der FDJ nahe, „[i]n der gegenwärtig angespannten Situation […] alle Kanäle“ zu nutzen und „in Gesprächen mit der JSE in solchen Fragen wie Abrüstung, Friedensicherung, NATO-Beitritt zu übereinstimmenden Positionen zu gelangen, zumal die JSE in machen Fragen ‚weiter links‘ steh[e] als die Partei selbst.“ 409 Ab 1982 fand ein regelmäßiger Delegationsaustausch zwischen ostdeutschen Jungkommunisten und spanischen Jungsozialisten statt, im Zuge dessen ausgewählte „Jugendtourist“-Gruppen nach Spanien reisten und JSE-Mitglieder zu den Sommerlagern der internationalen Studentenbrigaden der FDJ.410 Der entscheidende Schritt in den Parteibeziehungen zwischen SED und PSOE erfolgte im Oktober 1978, als eine dreiköpfige Delegation der spanischen Sozialisten auf Einladung des ZK der SED nach Ost-Berlin reiste und von Hermann Axen empfangen wurde. In einem gemeinsamen Abschlusskommuniqué erklärten beide Seiten „ihre Zufriedenheit über die Herstellung offizieller Beziehungen“ und „ihre Bereitschaft, die Zusammenarbeit zwischen den beiden Parteien im Interesse des Friedens und der Freundschaft ihrer Völker“ zu entwickeln.411 Interessant ist dabei, wie Yáñez als Parteisekretär für internationale Verbindungen die Entscheidung der Parteiführung gegenüber dem bundesdeutschen Botschafter Lahn begründete: Angesichts der Bemühungen von Ministerpräsident Suárez und Außenminister Oreja um gute Beziehungen zu den sozialistischen Staaten könne der PSOE „als ‚Alternative zur Macht‘ […] nicht hinter der Ostpolitik der Regierungspartei UCD zurückstehen.“ Den Wählern müsse „klargemacht werden, dass nicht nur die UCD, sondern auch der PSOE eine Entspannung des spanischen Verhältnisses zum Ostblock anstrebe.“ 412 Die Parteiführung, so die Argumentation, sehe sich also nicht durch ein etwaiges Drängen des linken Flügels zur Herstellung offizieller Beziehungen nach Ost-Berlin veranlasst, sondern durch die neutralistische Außenpolitik der bürgerlichen Regierung Suárez. Außerdem argumentierte Yáñez mit einer innenpolitischen Notwendigkeit: Wenn der PSOE als kompetente Regierungsalternative wahrgenommen werden wolle, müsse er sich als international agierender Akteur mit einem eigenständigen außenpolitischen Programm präsentieren. Dass Parteibeziehungen zur SED dabei in erster Linie von strategischem,
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MfAA, Abteilung Westeuropa, Aktennotiz zu einem Gespräch im MfAA am 15. 7. 1981 betr. Sozialistische Jugend Spaniens und Möglichkeiten der Herstellung von Beziehungen zwischen der FDJ und der JSE, 15. 07. 1981, in: SAPMO-BArch, DY 24/22242, unpag. Vgl. FDJ, Zentralrat, Abteilung Internationale Verbindungen, Information über das Gespräch mit Magdy Martínez, Internationaler Sekretär der Sozialistischen Jugend Spaniens, am 26. 05. 1983, 26. 05. 1983, in: SAPMO-BArch, DY 24/22242, unpag. Comunicado conjunto sobre la visita de una delegación del Partido Socialista Obrero Español a la RDA, 07. 10. 1978, abgelegt in: PA AA, MADR 12682, unpag. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Schreiben des Botschafters Lahn betr. PSOE-Delegation in Ost-Berlin, 6. und 7. 10. 1978, 25. 10. 1978, in: PA AA, MADR 12682, unpag.
4. Das politische Engagement der DDR in der Transición
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nicht ideologischem Interesse seien, zeige sich daran, dass der Vorstand „erst jetzt beschlossen [habe], eine Delegation auf mittlerer Ebene zu entsenden“, obwohl die SED bereits seit Anfang 1978 versucht habe, die Entsendung einer möglichst hochrangigen PSOE-Abordnung in die DDR zu erwirken. Darüber hinaus hätten die entsandten Vertreter „gegenüber ihren DDR-Gesprächspartnern ausdrücklich betont, dass auf parteipolitischer Ebene die SPD die Partner-Organisation des PSOE sei.“ 413 Yañez räumte ein, dass es aus diesem Grund ein Fehler gewesen sei, den SPD-Vorstand nicht vor der Abreise über die Delegation zu informieren. Er schickte sich an, dies gegenüber Lahn mit einem „Mangel[…] an technischer Koordination“ innerhalb der Partei zu entschuldigen.414 Bei aller taktischen Argumentation, mit der Yañez die Ost-Ambitionen des PSOE gegenüber dem bundesdeutschen Botschafter zu relativieren suchte, ist zutreffend, dass die Sozialisten ein Interesse daran haben mussten, die Gestaltung des spanischen Verhältnisses zum Ostblock nicht gänzlich Suárez und Oreja zu überlassen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich darin durch die belasteten Beziehungen zwischen dem PCE und den osteuropäischen Kommunisten einige Spielräume auftaten, hatte Felipe González diesen Anspruch bereits Ende 1977 mit seiner Reise in die Sowjetunion markiert. Allerdings spielten auch die Stimmen linker Parteivertreter bei der Etablierung von Beziehungen mit der SED eine Rolle, die – wie die Führung der „Fundación Pablo Iglesias“ und die Parteijugend JSE – ideologische und programmatische Ansatzpunkte zwischen PSOE und SED gegeben sahen. Auch das in Ost-Berlin unterzeichnete Kommuniqué betonte gemeinsame außenpolitische Interessen, wie der bundesdeutsche Botschafter aufmerksam nach Bonn berichtete.415 Entsprechend lud der PSOE zu seinem 28. Parteitag im Mai 1979 eine offizielle Delegation des ZK der SED ein, die Zeugin einer überraschenden Zuspitzung der innerparteilichen Flügelkämpfe des PSOE wurde. Obgleich die Mehrheit der Delegierten die Leistungen des Parteivorstands um Felipe González anerkannte, sprach sie sich für einen Antrag des linken sogenannten „kritischen Flügels“ aus, der die marxistische Orientierung der Partei und das Ziel, den Übergang zum Sozialismus in Spanien anzuführen, festschreiben wollte. González, der den PSOE in eine Volkspartei umzuwandeln gedachte und in diesem Sinne für die Streichung des Marxismus aus dem Parteiprogramm eintrat, weigerte sich daraufhin, erneut für die Wahl des Generalsekretärs zu kandidieren. Da die Parteilinke spontan keinen eigenen Kandidaten präsentieren konnte, wurde ein geschäftsführender Ausschuss eingerichtet, der unter der Leitung des linken Parteiveteranen José Federico de Carvajal einen außerordentlichen Parteitag im September 1979 vorbereiten sollte.416
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Ebenda. Ebenda. Vgl. ebenda. Vgl. Muñoz Sánchez, Franco-Diktatur, S. 178–179. Zur Marxismusdebatte auf dem 28. Parteitag des PSOE vgl. Andrade Blanco, PCE y PSOE, S. 175, 185–186; Tusell, Spain, S. 321– 322.
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
Die SED-Delegation war – ebenso wie die PSOE-Delegierten selbst und nationale und internationale Beobachter – über die Eskalation der innerparteilichen Differenzen überrascht, stand González als überaus populäre und charismatische Führungsfigur doch für den Erfolg des postfranquistischen PSOE. Entsprechend verfolgte die ostdeutsche Botschaft die im Sommer 1979 unter großem öffentlichen Interesse geführte Debatte über die ideologische Zukunft der spanischen Sozialisten äußerst aufmerksam und versuchte, die noch vor dem Parteitag geknüpften Kontakte in ihrem Sinne zu nutzen. Klaus Kazimirski, Doktorand der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED, dem im Sommer 1979 ein vierwöchiger Spanienaufenthalt genehmigt worden war, um Material über die Bündnispolitik des PCE zu sammeln, wurde angewiesen, stattdessen ein Papier zu „Stand und Perspektiven der internen PSOE-Diskussion“ anzufertigen.417 Daneben traf sich Botschaftssekretär Höcker einen Monat nach dem Parteitag zu einem Mittagessen mit Manuel Pastor Martínez, Mitglied der internationalen Kommission des PSOE. Pastor, der zu diesem Zeitpunkt dem linken Parteiflügel angehörte, klagte über Einmischung und „Pressionen der SPD“, welche eine „Sozialdemokratisierung des PSOE“ erwirken wolle.418 Er griff damit den Tenor der spanischen und internationalen Presseberichterstattung über die „Krise“ der Sozialisten auf, in der die engen Verwicklungen zwischen González’ Partei und den Bonner Sozialdemokraten ein häufig gebrauchter Topos waren. „The Economist“ sprach von „Helmut González“ und „La Vanguardia“ stellte González als spanischen Torero dar, der einen erlegten Stier – den PSOE – seinem Förderer und Freund Willy Brandt opferte.419 Auch in der Debatte innerhalb des PSOE spielte das Verhältnis zur SPD eine zentrale Rolle: Sogar Enrique Tierno Galván, einer der prominentesten und populärsten Vertreter der Parteilinken, warnte davor, dass eine Entmachtung González’ die massive finanzielle Unterstützung durch die SPD und damit die politische Stärke des PSOE gefährden könne.420 Da dies wiederum die Gefahr eines rechtsgerichteten Militärputschs in Spanien heraufbeschwören könne, trat er vermittelnd zwischen dem „kritischen Flügel“ und den „Felipistas“ ein und schlug vor, den PSOE als „sozialistisch unter Annahme der marxistischen Theorie und Doktrin ohne metaphysische und dogmatische Bestandteile“ zu definieren.421 Seine Kompromissformel wurde auf dem außerordentlichen Parteitag im September letztlich teilweise übernommen, indem der Marxismus aus der Positionsbestimmung der Partei entfernt, aber als „theoreti-
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Einschätzung Stand und Perspektiven der internen PSOE-Diskussion, 27. 06. 1979, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 115–119. Nach der Regierungsübernahme durch die Sozialisten Ende 1982 wurde Kazimirski Zweiter Botschaftssekretär in Madrid. Botschaft der DDR, Vermerk über ein Essen mit Manuel Pastor am 20. 6. 1979, 22. 06. 1979, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 111–114, hier: Bl. 111–112. Zitiert und beschrieben nach Muñoz Sánchez, Franco-Diktatur, S. 179. Vgl. ebenda, S. 179–180. Einschätzung Stand und Perspektiven der internen PSOE-Diskussion, 27. 06. 1979, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 115–119.
4. Das politische Engagement der DDR in der Transición
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sches, kritisches und undogmatisches Werkzeug zur Analyse und Veränderung der Gesellschaft“ anerkannt wurde.422 In dieser für die politische Zukunft der spanischen Linken entscheidenden Phase, in der die Möglichkeit bestand, dass eine marxistische Minderheit der aufstrebenden Sozialisten den Aufstand gegen González, Bonn und die Sozialdemokratisierung des PSOE proben würde, versuchte die Botschaft der DDR, über ihre Kontaktpersonen Einfluss auf die innerparteiliche Debatte zu nehmen. Zwar waren ihre Verbindungen und Möglichkeiten begrenzt, doch sah sich Botschaftssekretär Höcker, der nach der Ablösung von Botschafter Gerhard Korth durch Ernst Walkowski Ende 1978 einen Großteil der „politischen Hauptaufgaben“ der Madrider Vertretung übernahm,423 zum einen durch die bislang positiven Kontakterfahrungen ermutigt, zum anderen durch den Umstand, dass Carvajal, Leiter der geschäftsführenden Kommission, zum linken Flügel des PSOE gehörte und sich für das Festhalten an der marxistischen Ideologie ausgesprochen hatte.424 In seinem Gespräch mit Pastor versuchte Höcker in Erfahrung zu bringen, ob die SED eine Delegation zum außerordentlichen Parteitag entsenden könne. Außerdem bat er darum, Carvajal, der in der Übergangsphase auch für die internationalen Angelegenheiten des PSOE verantwortlich zeichnete, über seine „Darlegungen“ zu informieren und ihm „die Bereitschaft der Botschaft zu einem Gespräch […] mitzuteilen.“ 425 Obwohl ihm Pastor letzteres zusicherte, fand vor dem außerordentlichen Parteitag allerdings kein Gespräch mit Carvajal statt. Dieser agierte in seiner zeitweiligen Leitungsfunktion eher pragmatisch als ideologisch und lud zum Parteitag im September keine ausländischen Delegationen ein.426 Als erster sozialistischer Senatspräsident sollte Carvajal 1983 jedoch in die DDR reisen und offizielle bilaterale Parlamentsbeziehungen zwischen Spanien und der DDR begründen.427 Der außerordentliche Kongress wurde zu einem Schlüsselmoment in der Entwicklung des PSOE von einer zweitrangigen Oppositionspartei zur aussichtsreichsten Regierungsalternative Spaniens. Der Antrag der „Felipistas“ auf Streichung des Marxismus aus dem Parteiprogramm wurde ohne nennenswerte Gegenwehr des linken „kritischen Flügels“ angenommen, vermutlich, weil die Sor-
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Muñoz Sánchez, Franco-Diktatur, S. 181. Botschafter Korth wurde im Herbst 1978 wegen „mangelhafter Leitungstätigkeit“ und einer „Periode der Missstände“ in der Madrider Botschaft abgelöst: ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Bericht über den operativen Einsatz der Genossen Heinz Lehmann (Sektorenleiter) und Wilfried Kittler (politischer Mitarbeiter) in der Abteilung Internationale Verbindungen anlässlich der Wahlberichtsversammlung in Madrid vom 8. bis 13. 12. 1978, undatiert, in: SAPMO-BArch, DY 30/13500, Bl. 4–12, hier: Bl. 9–10. Vgl. Juan José Laborda, José Federico de Carvajal, el hombre de acción, in: El Imparcial vom 18. 06. 2015. Botschaft der DDR, Vermerk über ein Essen mit Manuel Pastor am 20. 6. 1979, 22. 06. 1979, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 111–114, hier: Bl. 111–112. Vgl. José Laborda, José Federico de Carvajal, el hombre de acción, in: El Imparcial vom 18. 06. 2015. Vgl. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben betr. Delegation des spanischen Senats in der DDR, 12. 12. 1983, in: PA AA, MADR 12682, unpag.
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
ge vor einer „kopflosen“ Partei gegenüber dem ungeliebten Personenkult um González überwog.428 In den Parteivorstand wurden neben González und seinem Stellvertreter Alfonso Guerra ausschließlich Vertreter des gemäßigten, der Sozialdemokratie nahestehenden Flügels gewählt, weshalb der Parteitag in Anspielung auf das Grundsatzprogramm der SPD von 1959 bereits von Zeitgenossen und später von Parteihistorikern als „Bad Godesberg“ der spanischen Sozialisten bezeichnet wurde.429 Für die SPD als wichtigste Mentorin des PSOE bedeutete die „Westernisierung“ 430 der spanischen Sozialisten freilich einen Erfolg: Sie hatte „im entscheidenden politischen Kampf nach Francos Tod“, den González selbst als den „zwischen Sozialisten und Kommunisten“ ausgemacht hatte, auf den jungen, charismatischen Arbeiteranwalt aus Sevilla gesetzt, der sich nun offenbar als flexibel genug erwies, „das Erfolgsmodell der SPD als Vorbild“ anzunehmen und gegen ideologische Vorbehalte seiner Partei, einer der ältesten Arbeiterparteien Europas, durchzusetzen.431 Mit dem spanischen „Bad Godesberg“ hatten die Bonner Sozialdemokraten also endgültig ihr politisches Terrain im postfranquistischen Spanien markiert. Dessen waren sich auch die SED und ihre Botschaft in Madrid bewusst. Kazimirski hatte in seiner Studie über den PSOE vor dem außerordentlichen Parteitag realistisch eingeschätzt, dass „[a]ngesichts der starken emotionalen Bindung eines Großteils der Partei“ an González und dessen Unersetzbarkeit „mit seiner Wiederwahl als Generalsekretär […] zu rechnen“ sei.432 Nachdem seit Korths Gesprächsangebot an ihn fast zwei Jahre vergangen waren, konnte Botschafter Walkowski den frisch wiedergewählten und stark umworbenen Generalsekretär im Dezember 1979 treffen und ihm „im Auftrag des Zentralkomitees“ darlegen, dass die SED trotz der Abwendung seiner Partei vom Marxismus „an der Entwicklung der Beziehungen zur PSOE interessiert ist.“ 433 Der Botschafter schätzte den Gesprächsverlauf mit González als günstig für die Interessen der DDR ein und machte Gemeinsamkeiten im „entschieden[en]“ Eintreten gegen einen spanischen NATO-Beitritt aus, in „übereinstimmenden Auffassungen […] besonders in Fragen des Kampfes für Frieden, Abrüstung und Entspannung“ sowie in der von González geäußerten Absicht, „die Beziehungen zu den sozialistischen Staaten weiter auszubauen.“ 434
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Vgl. Muñoz Sánchez, Franco-Diktatur, S. 181. Vgl. ebenda, S. 175–182; Cotarelo, International Dimension, S. 219. González selbst verwehrte sich in einem Interview mit „Der Spiegel“ der Analogie zur SPD: vgl. o. V., Kein spanisches Godesberg, in: Der Spiegel Nr. 41 (1979), S. 150. Zum Begriff und Konzept der „Westernisierung“ in Bezug auf die bundesdeutsche Arbeiterbewegung der 1960er Jahre vgl. Angster, Konsenskapitalismus, S. 15–22. Analog verwendet Aschmann den Begriff für die Entwicklung des PSOE während der Transición: vgl. Aschmann, Mein Freund Felipe, S. 646. Aschmann, Mein Freund Felipe, S. 645–646. Einschätzung Stand und Perspektiven der internen PSOE-Diskussion, 27. 06. 1979, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 115–119, hier: Bl. 119. Botschaft der DDR in Madrid, Vermerk Walkowskis über ein Gespräch mit Felipe González am 20. 12. 1977, 21. 12. 1977, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 128–130, hier: Bl. 128. Ebenda, Bl. 129–130.
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Handschriftlich hob ZK-Sekretär Axen in Walkowskis Bericht außerdem die Kritik von González am zwei Wochen zuvor erfolgten NATO-Doppelbeschluss hervor sowie seine Anerkennung dafür, dass sich die DDR nicht wie andere Staaten in die inneren Angelegenheiten Spaniens einmische.435 Ebenfalls begrüßte er González’ Zustimmung zum Vorschlag „einer Begegnung mit Vertretern der SED zu einem Gedankenaustausch in Vorbereitung des Madrider [KSZE-]Treffens“ und versah die Empfehlung Walkowskis mit seiner Zustimmung, „die von Genossen Gonzalez [sic!] mündlich akzeptierte Einladung in die DDR durch eine schriftliche Einladung durch unseren Generalsekretär [Honecker] zu präzisieren“.436 Mit seiner Einschätzung, dass die „Beteuerung“ von González’ Interesse an Beziehungen zur SED „ernst zu nehmen“ sei und dass dieser damit eine „Aufwertung seiner Person“ und des „internationalen Ansehens der PSOE“ erreichen wolle,437 lag Botschafter Walkowski durchaus richtig – die Notwendigkeit der Sozialisten, sich gegenüber der Ostpolitik Suárez’ mit einer eigenständigen außenpolitischen Agenda zu profilieren, wurde in diesem Zusammenhang bereits aufgezeigt. Der Wunsch nach internationaler Aufwertung allein erklärt das Interesse des PSOE an Parteibeziehungen zur SED jedoch nicht hinlänglich. Hierfür waren die Anerkennung durch die führenden westeuropäischen Sozialdemokraten und González’ bereits 1977 zur Schau gestellten Kontakte nach Moskau wichtiger. Das Interesse und die Aufgeschlossenheit gegenüber der DDR rührten vielmehr auch daher, dass das außenpolitische Programm des PSOE zu diesem Zeitpunkt eine nach wie vor „radikal ideologische Komponente“ enthielt. Die außenpolitischen Positionen, die noch auf dem letzten Parteitag der Sozialisten vor deren Regierungsübernahme beschlossen wurden, standen laut Tusell „weiter links als anderswo in Europa“ und damit „in starkem Gegensatz“ zur Politik der späteren PSOE-Regierung.438 Dennoch schätzte Walkowski ebenso richtig ein, dass die DDR „die Initiative behalten“ müsse, wenn sie regelmäßige Kontakte mit der Führung der spanischen Sozialisten wünsche.439 Außerhalb des Parteivorstands gab es dagegen einige linke Vertreter, die in der Zeit bis zur Regierungsübernahme des PSOE und zum Teil darüber hinaus proaktiv den Kontakt nach Ost-Berlin suchten. Dazu zählte Julio Busquets, der dem 1978 gegründeten PSC-PSOE angehörte, der katalanischen Sektion der Sozialisten.440 Wie die Mehrzahl der DDR-Sympathisanten innerhalb des PSOE hatte Busquets einen intellektuell-akademischen Hintergrund und lehrte an der Universidad Autónoma in Barcelona Politikwissenschaft. Gleichzeitig besaß er als ehemaliger Kommandant und Kopf der „Unión Militar Democrática“ (UMD), einer 1974 gegründeten oppositionellen Gruppe innerhalb des Militärs,
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Ebenda. Ebenda. Ebenda, Bl. 130. Vgl. Tusell, Spain, S. 322–323. Botschaft der DDR in Madrid, Vermerk Walkowskis über ein Gespräch mit Felipe González am 20. 12. 1977, 21. 12. 1977, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 128–130, hier: Bl. 130. Partit dels Socialistes de Catalunya.
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
einen hohen Bekanntheitsgrad als Gegner der Franco-Diktatur.441 Er war kein ausgemachter Vertreter des linken Flügels, zeigte jedoch ein Interesse an den sozialistischen Ländern Europas und suchte in Madrid Kontakt zur Botschaft der DDR. In einem Gespräch mit Botschafter Walkowski erklärte er Anfang 1981, dass die Erfahrungen der sozialistischen Länder beim Aufbau des Sozialismus „in Spanien zu wenig bekannt und für seine Partei sehr wichtig“ seien, wenngleich „das nicht allgemeine Meinung in [sic!] PSOE“ sei.442 Gegenüber einem Vertreter des ZK der KP der ČSSR mahnte er daher an, dass nach dem Sieg der „Felipistas“ in der Marxismusdebatte und in der angespannten Situation nach dem gescheiterten Putsch „die guten Beziehungen“, die einige PSOE-Anhänger zu den sozialistischen Staaten hätten, „nicht so zur Schau gestellt werden dürften, da sie sofort des ‚Kokettierens mit dem Kommunismus‘ verunglimpft“ würden.443 Walkowski schätzte Busquets dennoch als „sehr aufgeschlossen[…]“ und „sehr interessiert an politischen Gesprächen“ mit der SED ein, sodass Günter Sieber, Leiter der Abteilung Internationale Verbindungen im ZK, dessen Teilnahme als offizieller PSOE-Vertreter am X. Parteitag der SED im April 1981 für „polit[isch] nötig“ erachtete und die Übernahme der Reisekosten durch das MfAA anordnete.444 Bemerkenswert ist durchaus, dass Busquets’ Interesse nicht wie das der Mehrheit der DDR-Sympathisanten im PSOE in erster Linie der marxistisch-leninistischen Theorie und Erziehung in der DDR oder den „sozialen Errungenschaften“ des real existierenden Sozialismus galt, sondern dass er sich aufgrund seines Hintergrunds besonders für Fragen der Verteidigungs- und Militärpolitik der SED interessierte. Sein Besuchsprogramm sah daher neben dem Parteitagsbesuch und den obligatorischen Betriebsbesichtigungen auch Gespräche mit Vertretern der NVA und des Verteidigungsausschusses der Volkskammer sowie einen Besuch im Armeemuseum der DDR in Dresden vor.445 Nach seinem Aufenthalt in Ost-Berlin blieb Busquets der DDR-Botschaft zunächst verbunden, insbesondere während des KSZE-Folgetreffens in Madrid, in dessen Kontext er auch im Kontakt mit Peter Steglich stand, dem Leiter der ost-
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Die „UMD“ war im August 1974 von einer kleinen Gruppe liberaler Militärs mit dem Ziel der Demokratisierung Spaniens gegründet worden; als Folge wurde Busquets 1975 für sechs Monate in einem Militärgefängnis inhaftiert: vgl. Aschmann, Spanien, S. 10; o. V., Fallece el ex comandante Julio Busquets, primer militar que cambió el Ejército por la poítica, in: El Mundo vom 22. 07. 2001. Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Botschafters Walkowski ans ZK der SED betr. persönliches Gespräch mit PSOE-Delegiertem Busquets zum X. Parteitag, 27. 03. 1981, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 162–163, hier: Bl. 162. Botschaft der DDR in Prag, Vermerk über ein Gespräch mit Genossen Vladimir Janku, Stellvertreter des Leiters der Abteilung Internationale Politik im ZK der KPTsch, am 3. 6. 1981, 03. 06. 1981, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 178–182, hier: Bl. 179. Handschriftliche Anmerkung Siebers im Schreiben Walkowskis: Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Botschafters Walkowski ans ZK der SED betr. persönliches Gespräch mit PSOE-Delegiertem Busquets zum X. Parteitag, 27. 03. 1981, in: SAPMO-BArch, DY 30/ 13552, Bl. 162–163, hier: Bl. 162. Vgl. ebenda.
4. Das politische Engagement der DDR in der Transición
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deutschen Delegation. Botschaftssekretär Höcker vermerkte Ende 1981 jedoch kritische Fragen Busquets’ bezüglich der Parteibeziehungen zwischen PSOE und SED, so etwa, ob „es nicht besser für das gegenseitige Kennenlernen [wäre], wenn der Touristenaustausch erweitert und das Abonnement ausländischer Zeitungen [in der DDR] erleichtert würde“.446 Der von der SED gelenkte einseitige Informationsfluss, der einen tatsächlichen Austausch in den Parteibeziehungen unterband, mag ein Grund dafür gewesen sein, dass Busquets’ Engagement für eine Zusammenarbeit mit Ost-Berlin ab Ende 1982 nachließ. Andererseits könnte auch der Umstand eine Rolle gespielt haben, dass mit der Regierungsübernahme der Sozialisten DDR-freundliche Parteivertreter in den engeren Führungskreis des PSOE gelangten und damit weniger Eigeninitiative einzelner Mitglieder bei der Förderung der Beziehungen zur SED notwendig war. Zu den späteren Führungspersönlichkeiten, die an guten Beziehungen zur DDR interessiert waren, zählten Elena Flores und Fernando Morán. Erstere sollte ab 1984 Sekretärin für Internationale Beziehungen des PSOE-Exekutivkomitees werden, Morán ab 1982 erster sozialistischer Außenminister Spaniens. Im Sommer 1980 knüpfte eine Studiendelegation des ZK der SED unter Leitung von LfVGeneralsekretär Horst Brasch einen ersten Kontakt zu den beiden links stehenden Sozialisten, die die Initiative begrüßten. In einem ersten Gespräch stellten sie fest, dass allein aus der Tatsache, dass sowohl PSOE als auch SED „Arbeiterparteien“ seien, „sich die Notwendigkeit der Zusammenarbeit“ ergebe, die „in der heutigen internationalen Situation“ – d. h. im Klima des „Zweiten Kalten Kriegs“ – „zusätzliche Bedeutung“ gewinne.447 Wie Busquets waren jedoch auch Morán und Flores nicht frei von gewissen politischen Vorbehalten gegenüber der DDR. Obgleich sie versicherten, dass sich die spanischen Sozialisten „nicht das Recht an[maßten], Vorschläge zu machen“, mahnten sie gegenüber den SED-Vertretern etwa an, „dass der Dialog zwischen den fortschrittlichen Kräften sozialistischer und kapitalistischer Länder fruchtbarer werden [würde], wenn der politische und kulturelle Pluralismus sich in den sozialistischen Ländern frei äußern“ könne.448 Weniger Bedenken hinsichtlich einer Zusammenarbeit mit den ostdeutschen Kommunisten hatte Enrique Tierno Galván, der prominenteste und einflussreichste DDR-Sympathisant innerhalb des PSOE. Er hatte bereits vor dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen Kontakte zur DDR-Botschaft unterhalten und intensivierte diese nach der Eingliederung seiner „Sozialistischen Volkspartei“ PSP in den PSOE im April 1978. Während er als Ehrenpräsident in der „Marxismusdebatte“ zwischen den unterschiedlichen Flügeln des PSOE vermittelt hatte, sorgte er im Juni 1979 mit einer scharfen öffentlichen Kritik an den sozialistischen Parteien Westeuropas für Aufsehen, denen er „schwere Fehler“ vorwarf, darunter ihren
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Botschaft der DDR in Madrid, Vermerk über ein Gespräch mit Vertretern der PSOE am 16. 12. 1981, 21. 12. 1981, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 216–217, hier: Bl. 217. MfAA, Abteilung Westeuropa, Sektor Spanien, Studiendelegation des ZK der SED in Spanien, 26. 6.–6. 7. 1980, undatiert, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 1860/86, unpag. Ebenda.
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
Wandel von authentischen „Alternativen zum kapitalistischen System“ zu reinen Regierungs- und Machtalternativen.449 Ost-Berlin wertete diese Kritik als Beleg für Tiernos Interesse am real existierenden Sozialismus der DDR, der für ihn „Hoffnung“ und die „Verwirklichung utopischer Inhalte“ bedeute.450 Tatsächlich verstand sich Tierno, wie im Titel seiner 1982 verfassten Memoiren ausgedrückt, als „ungelöster Fall“ des spanischen Sozialismus.451 Auch sein langjähriger politischer Weggefährte Raúl Morodo attestiert ihm in einem Portrait eine gewisse ideelle Heimatlosigkeit im PSOE, verweist jedoch auch auf Tiernos Parteidisziplin und -loyalität, die er einhielt, obwohl ihm aufgrund seines Alters und seiner Verdienste als Gegner der Franco-Diktatur eine gewisse Autonomie innerhalb des PSOE eingeräumt wurde.452 Das Bürgermeisteramt von Madrid, das er in den ersten demokratischen Kommunalwahlen im April 1979 mit der Unterstützung des PCE gewann, ermöglichte ihm laut Morodo „ersatzweise“ die nötige Freiheit, an seinen „alten dogmatischen und verzauberten Träumereien“ festzuhalten.453 Seine Kontakte zum „anderen Deutschland“ können dafür beispielhaft stehen: Er sympathisierte offen mit der DDR und unterstützte von Beginn an insbesondere die Kulturarbeit der Botschaft in Madrid. Gleichzeitig sprach er gegenüber Botschafter Walkowski auch die Schwierigkeiten an, die ihm eine zu offensichtliche politische Verwicklung mit der Vertretung eines kommunistischen Landes im noch jungen postfranquistischen Spanien und in seiner eigenen Partei bereiten würde. Als die Botschaft am 7. Oktober 1979 eine Festveranstaltung zum 30. Jahrestag der Gründung der DDR im Madrider „Centro Cultural de la Villa“ organisierte und dazu auch im Namen Tiernos einladen wollte, gab er zu bedenken, dass er dies „[a]us politischen Gründen“ nicht tun könne, da „seine Funktion als OB sehr kompliziert sei, da es überall noch faschistische Elemente gebe, die versuch[t]en, die alten Verhältnisse wiederherzustellen.“ 454 Er schlug vor, das Problem zu umgehen, indem er gemeinsam mit Botschafter Walkowski zur begleitenden Ausstellung und einem Konzert einlade, womit „Ansprachen von ihm und vom Botschafter mit entsprechender Würdigung des 30. Jahrestages der DDR gehalten werden“ könnten.455 Außerdem sagte Tierno „sofort eine Unterstützung“ bei der Suche nach Ausstellungsräumen zu, als das spanische Außenministerium darauf verwies, dass im 1978 geschlossenen bilateralen Kulturabkommen kein Austausch von Ausstellungen und damit keine Räumlichkeiten vorgesehen seien.456 Auch förderte er die Netzwerkar-
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Enrique Tierno Galván, Somos alternativa al sistema, in: ABC vom 21. 06. 1979, S. 80. Einschätzung Stand und Perspektiven der internen PSOE-Diskussion, 27. 06. 1979, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 115–119, hier: Bl. 119. Tierno Galván, Cabos sueltos. Vgl. Morodo Leoncio, Tierno Galván, S. 482. Ebenda, S. 486: „Sin duda, la Alcaldía fue para Tierno un sucedáneo apacible de sus viejos sueños dogmáticos y encantados.“ Botschaft der DDR in Madrid, Vermerk über ein Gespräch mit Tierno Galván, OB Madrid, am 19. 07. 1979, 24. 07. 1979, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 1862/86, unpag. Ebenda. Ebenda.
4. Das politische Engagement der DDR in der Transición
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beit der Botschaft, indem er Walkowski und Kulturattaché Otfried Paul mit dem Direktor des „Centro Cultural de la Villa de Madrid“ in Kontakt brachte, „der ebenfalls aufgeschlossen gegenüber der DDR“ und „laut eigener Aussage ‚Marxist‘“ war.457 Seit 1979 stellte dieser das städtische Kulturzentrum wiederholt für Veranstaltungen der DDR-Vertretung zur Verfügung. Im Oktober 1980 nahm Tierno eine offizielle Einladung des Ost-Berliner Oberbürgermeisters Erhard Krack in die „Hauptstadt der DDR“ an, die dieser auf Vorschlag des ZK der SED ausgesprochen hatte. Während seines viertägigen Aufenthalts wurden eine „Vereinbarung für die künftige Zusammenarbeit“ zwischen Ost-Berlin und Madrid erarbeitet, die den Grundstein für eine 1983 offiziell geschlossene Städtepartnerschaft legte.458 Als „Symbol[…] der Beziehungen zur Partnerstadt“ bekundete Tierno außerdem ein erstes Interesse am Kauf eines Raumflugplanetariums von Carl Zeiss Jena durch die Stadt Madrid.459 Tatsächlich wurde 1984 der wirtschaftlich lukrative Auftrag für ein Planetarium in der spanischen Hauptstadt an den ostdeutschen VEB vergeben, obwohl nach Aussage des bundesdeutschen Botschafters Guido Brunner der Konkurrent Zeiss-Oberkochen ein attraktiveres Angebot gemacht hatte. Nicht unbegründet schätzte Brunner ein, dass die „Entscheidung der sozialistischen Stadtverwaltung, die freundschaftliche Beziehungen zu Ost-Berlin pflegt, […] stark politisch motiviert“ war.460 Der stellvertretende Außenminister Kurt Nier, mit dem Tierno zu Gesprächen im MfAA zusammenkam, wertete die Reise insbesondere auch deshalb als „politisch erfolgreich“, da Tierno zusicherte, die „künftigen Beziehungen zwischen beiden Hauptstädten […] auch zur Unterstützung der Beziehungen auf staatlicher Ebene“ nutzen zu wollen, welche sich nach der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen nach wie vor nur sehr langsam entwickelten.461 Dabei begrüßte Nier, dass der prominente und populäre „alte Professor“ 462 in den „unterschiedlichen sozialen Systemen keinen Hindernisgrund“ für eine Zusammenarbeit mit der DDR sah.463 Im Gegenteil habe sich Tier457 458 459
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Ebenda. Brief des Oberbürgermeisters Erhard Krack an Tierno Galván, 12. 03. 1981, in: PA AA, M 1, C 2963, Bl. 1–2, hier: Bl. 1. MfAA, Abteilung Westeuropa, Einschätzung des Aufenthalts des Oberbürgermeisters der Hauptstadt Spaniens, Madrid, Herrn Prof. Dr. Enrique Tierno Galván, in Berlin, Hauptstadt der DDR, in der Zeit vom 30. September bis 3. Oktober 1980, undatiert, in: PA AA, M 1, C 2963, Bl. 19–23, hier: Bl. 21. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben des Botschafters Brunner betr. Spaniens Beziehungen zur DDR, hier: wirtschaftlicher und wissenschaftlich-technologischer Austausch, 26. 03. 1984, in: PA AA, MADRI 36371, unpag. MfAA, Abteilung Westeuropa, Vermerk über ein Gespräch des Stellvertreters des Ministers für Auswärtige Angelegenheiten, Genossen Kurt Nier, mit dem Oberbürgermeister von Madrid, Prof. Dr. Enrique Tierno Galván, am 01. 10. 1980 im MfAA, 03. 10. 1980, in: PA AA, M 1, C 2963, Bl. 12–13, hier: Bl. 13. Laut Morodo verwehrte sich Tierno Galván dem in der spanischen Öffentlichkeit kultivierten Bild eines „viejo profesor“ nicht: vgl. Morodo, Tierno Galván, S. 479. MfAA, Abteilung Westeuropa, Vermerk über ein Gespräch des Stellvertreters des Ministers für Auswärtige Angelegenheiten, Genossen Kurt Nier, mit dem Oberbürgermeister von Madrid, Prof. Dr. Enrique Tierno Galván, am 01. 10. 1980 im MfAA, 03. 10. 1980, in: PA AA, M 1, C 2963, Bl. 12–13, hier: Bl. 13.
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no „[t]ief beeindruckt“ von den Erläuterungen im NVA-„Informationszentrum“ am Brandenburger Tor gezeigt und von sich aus den Wunsch geäußert, das Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED zu besuchen.464 Der stellvertretende Generalsekretär der LfV, Manneberg, vermerkte nach einem Gespräch mit Tierno, dass dieser „hier eine sozialistische Gesellschaft gesehen [habe], von der er sagt, das hier in der DDR ist echter Sozialismus.“ Er sei als „nicht mehr junger Professor“ in die DDR gekommen und dort „wieder Schüler“ gewesen, weshalb er den Aufenthalt zu „eine[r] seiner schönsten Reisen im Leben“ zähle.465 Da er im jungen demokratischen Spanien „einen großen Informationsmangel über die DDR“ wahrnahm, sicherte Tierno der Liga für Völkerfreundschaft zu, diesem Defizit in seiner Funktion als Madrider Bürgermeister „entgegenzuwirken“.466 Bis zu seinem Tod im Februar 1986 unterstützte er die Realisierung zahlreicher „auslandsinformatorischer“ und kulturpolitischer Aktivitäten der Botschaft in der spanischen Hauptstadt, darunter 1985/86 eine große Ausstellung über die DDR im „Centro Cultural de la Villa“, mit der er das „Verständnis für den ‚deutschen, sozialistischen Staat‘ vertiefen helfen und gleichzeitig dem ‚Amerikanisierungsprozess‘ in Spanien entgegenwirken“ wollte.467 Die Botschaft wusste um die Bedeutung Tierno Galváns für ihre Arbeit im Spanien der Transición: Als er während der Vorbereitungen zur Großausstellung verstarb, schrieb Presse- und Kulturattaché Stephan Diehl in einem ausführlichen Bericht „zur Situation der Stadtverwaltung Madrid“, dass deren Tätigkeit „in zweifellos ungewöhnlich starkem Maße vom persönlichen Engagement Tierno Galvans [sic!] geprägt“ gewesen sei, der sich „wenngleich durch die gesellschaftlichen Verhältnisse objektiv begrenzt, aufrichtig für die Überwindung der tiefen sozialen Missstände der kapitalistischen Entwicklung Spaniens sowie für Frieden und Verständigung zwischen den Völkern“ eingesetzt habe.“ 468
Mit seinem Tod sei „eine Veränderung der subjektiven Voraussetzungen für die Fortführung dieser Politik […] eingetreten“, auch, weil sein Nachfolger Juan Barranco Gallardo erstens „dem rechten Flügel des PSOE zugeordnet“ werden müsse und es ihm zweitens nicht wie Tierno möglich sein werde, „der Stadtverwaltung Madrids einen relativ großen Spielraum zu verschaffen“ und „seinen Standpunkt 464
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MfAA, Abteilung Westeuropa, Einschätzung des Aufenthalts des Oberbürgermeisters der Hauptstadt Spaniens, Madrid, Herrn Prof. Dr. Enrique Tierno Galván, in Berlin, Hauptstadt der DDR, in der Zeit vom 30. September bis 3. Oktober 1980, undatiert, in: PA AA, M 1, C 2963, Bl. 19–23, hier: Bl. 22–23. LfV, Vermerk über den Besuch des Oberbürgermeisters von Madrid, Prof. Dr. Galvan [sic!], in der Liga für Völkerfreundschaft der DDR, am 2. 10. 1980, 03. 10. 1980, in: PA AA, M 1, C 2963, Bl. 14–16, hier: Bl. 15. Ebenda. Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Botschafters Walkowski an die Abteilung AI des ZK der SED, LfV und Abteilung Westeuropa im MfAA betr. Großausstellung DDR, 03. 04. 1985, in: SAPMO-BArch, DY 30/13555, Bl. 49. Botschaft der DDR in Madrid, Vermerk zur Situation der Stadtverwaltung Madrid im Zusammenhang mit der weiteren Vorbereitung der Komplexausstellung der DDR, 27. 02. 1986, in: SAPMO-BArch, DY 30/13556, Bl. 114–115, hier: Bl. 114.
4. Das politische Engagement der DDR in der Transición
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in den z. T. deutlichen Meinungsverschiedenheiten mit der Parteiführung zu behaupten.“ 469 Tatsächlich waren diejenigen Kräfte, die wie Tierno Galván im real existierenden Sozialismus des „anderen Deutschland“ eine politische Alternative für Spanien oder gar einen ideologischen „Sehnsuchtsort“ sahen, innerhalb der spanischen Sozialisten in der Minderheit. Für die Mehrheit dagegen, die „das neue Spanien […] eng verbündet mit den westlichen Demokratien“ wissen wollte, besaß die DDR „keinerlei Modellwert“, wie die bundesdeutsche Botschaft, wenngleich nicht frei von Eigeninteresse, sowohl für die politische Führungsschicht als auch für die spanische Bevölkerung einschätzte.470 Dabei war es in erster Linie der diktatorische Charakter des SED-Regimes, den die Akteure der spanischen Demokratisierung anprangerten: Julio Busquets die eingeschränkte Reise- und Informationsfreiheit, Fernando Morán und Elena Flores fehlenden Pluralismus in Kultur und Politik. Ferner stieß nach dem Ende der Franco-Diktatur, deren letzte Phase durch verstärkte Repressionen geprägt gewesen war, und dem Erringen der Legalisierung aller politischen Parteien auch der Umgang der SED mit Oppositionellen auf Kritik. Neben dem bereits dargestellten Fall Rudolf Bahros, der das Verhältnis zwischen SED und PCE während der Transición belastete, verdient der Fall des Regimekritikers Robert Havemann besondere Beachtung im Verhältnis zwischen SED und PSOE. Er fiel zeitlich mit dem Höhepunkt der Marxismusdebatte der Sozialisten zusammen und rief dementsprechend unterschiedliche Reaktionen innerhalb des PSOE hervor. Havemann war nach seinem Ausschluss aus der SED 1964 der prominenteste nicht ausgebürgerte Kritiker des SED-Regimes: Er erhielt Berufsverbot, stand unter ständiger Beobachtung des MfS und zeitweilig unter Hausarrest. 1979 wurde gegen ihn ein Prozess wegen Verstoßes gegen das Devisengesetz der DDR eröffnet, das in erster Linie seine Kriminalisierung und eine Behinderung der Veröffentlichung seiner Schriften in der Bundesrepublik zum Ziel hatte.471 Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Positionen Havemanns, der überzeugter Marxist war und sich selbst als „demokratischen Sozialisten“ bezeichnete, scheute die SED;472 von einer Verurteilung wegen staatsfeindlicher Hetze, „dem an sich gebotenen Straftatbestand“, sah sie wegen seiner Prominenz ab.473 Dennoch verteidigte Manuel Pastor, Mitglied der internationalen Kommission des PSOE und Gesprächspartner der DDR-Botschaft in Madrid, den Prozess gegen Havemann und sah die kritische Berichterstattung westlicher Medien „in unmittelbarem Zusammenhang
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473
Ebenda. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Antwort auf Runderlass betr. außenpolitische Aktivitäten der DDR im Gastland, 25. 06. 1979, in: PA AA, MADR 12682, unpag. Vgl. Vollnhals, Fall Havemann, S. 127. Hinz-Wessels, Systemkritik, in: Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland: https://www.hdg.de/lemo/kapitel/geteiltes-deutschlandmodernisierung/reformversuche-im-osten/systemkritik.html. Letzter Zugriff am 03. 11. 2022. Vollnhals, Fall Havemann, S. 108–109, 127.
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mit amerikanischen Versuchen, das politische Klima vor dem Madrider [KSZE-] Treffen zu verschlechtern“ und damit „den spanischen Beitritt zur NATO [zu] begünstigen.“ Es sei daher „kein Zufall“, so Pastor gegenüber Botschafter Walkowski, dass der PSOE, der sich für eine neutrale Außenpolitik Spaniens und gegen einen Beitritt zum Nordatlantikbündnis ausspreche, sich mit Kritik „in dieser Frage weitaus stärker zurückhalte als andere spanische Parteien“.474 Damit meinte er den PCE, der tatsächlich deutlich schärfere Kritik am Vorgehen der SED übte und ihr einen „Rückfall in stalinistische Methoden“ vorwarf.475 PCE-Mitglied Nicolás Sartorius, als Mitbegründer der CC.OO. ein bekannter Gegner der Franco-Diktatur und einer der Wortführer im Fall Havemann in Spanien, erklärte die Empörung seiner Partei damit, dass die ins Spanische übersetzten Schriften Havemanns „als Vorbild für jenen Kommunismus in Freiheit“ gälten, „den die spanische eurokommunistische KP anstrebe“.476 Er sprach bei Botschafter Walkowski vor und beschuldigte die SED, mit dem Devisenprozess einen „wirklich stattliche[n] Tick“ gegen einen Wissenschaftler anzuwenden, der „wichtige Beiträge zur Entwicklung des Marxismus“ liefere.477 Tatsächlich gab es zwischen Havemanns Systemkritik und dem Sozialismusbegriff der Eurokommunisten wesentliche ideologische Überschneidungen, weshalb beide Seiten Interesse füreinander zeigten. Bei einer Durchsuchung von Havemanns Wohnhaus etwa wurde Santiago Carrillos in der DDR zensierte Schrift „Eurokommunismus und Staat“ als Beweismittel gegen ihn beschlagnahmt. Havemann selbst schrieb vor Beginn der Hauptverhandlung an das zuständige Kreisgericht Fürstenwalde, dass er sich „an [s]eine Genossen in der italienischen und der spanischen kommunistischen Partei mit der Bitte gewandt“ habe, ihm „einen Verteidiger zu bestellen.“ 478 Als offiziellen Grund gab er an, dass einem von der DDRJustiz gestellten Anwalt entweder nicht zu trauen sei oder diesem – wie im Fall seines früheren Verteidigers – der Verlust der Zulassung drohe.479 Die tatsächliche Intention Havemanns hinter dem Ersuchen nach einem ausländischen Anwalt lag neben der ideologischen Nähe zum PCI und PCE jedoch insbesondere darin, durch eine internationale Solidaritätsbekundung größtmögliche Aufmerksamkeit zu erzeugen und damit einen „Skandal zu provozieren.“ 480 Auch das MfS notierte,
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Botschaft der DDR in Madrid, Vermerk über ein Essen mit Manuel Pastor am 20. 06. 1979, 22. 06. 1979, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 111–114, hier: Bl. 111. Vollhals, Fall Havemann, S. 109. Zitiert in Hermann Deml, Parallelen zwischen Franco-Staat und DDR, in: RNZ vom 23. 06. 1979, S. 12. MfS, HA XX, Abteilung 26 Frankfurt (Oder), Information vom 19. 06. 79 OV „Leitz“, 19. 06. 1979, in: Archiv der DDR-Opposition, RH 140, OV „Leitz“, Bd. 90, Bl. 230. Paginierung nach BStU. Brief Havemanns an das Kreisgericht Fürstenwalde, 08. 06. 1979, in: BStU, MfS, HA IX, Nr. 24657, Bl. 446–447, hier: Bl. 446. Vgl. ebenda. Interview mit Enrique Gimbernat, 26. 09. 2019. Anknüpfend an den von Gimbernat und Havemann zeitgenössisch gebrauchten Begriff des „Skandals“ vgl. auch die Bedeutung, die Frank Bösch dem „Gerichtssaal“ als „wichtige[r] Bühne der Skandalinszenierungen“ zuschreibt:
4. Das politische Engagement der DDR in der Transición
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dass „Havemann darauf bestehen [würde], sich von einem Anwalt einer kommunistischen Partei eines anderen Landes vertreten lassen zu wollen“, da „es sich hierbei um öffentliche Akte handeln wird“ und „die DDR veranlasst [wäre], dazu Stellung zu beziehen.“ 481 Havemanns Hilfsgesuch kam für den PCE in einem opportunen Moment: Während die eurokommunistischen Genossen in Frankreich und Italien zu entscheidenden politischen Akteuren wurden und damit internationale Beachtung erfuhren, drohte dem PCE im spanischen Demokratisierungsprozess der Bedeutungsverlust. Santiago Carrillo erkannte daher in einem mit seiner Hilfe provozierten „Skandal“ im prominenten Fall Havemann die Gelegenheit, sich als Demokrat und Vertreter der freien Welt zu präsentieren. Es kam ihm daher entgegen, dass Jürgen Fuchs, der nach seiner erzwungenen Abschiebung aus der DDR Havemann aus West-Berlin unterstützte, „große Aktivitäten“ unternahm, um einen Anwalt „einer Eurokommunistischen Partei“ für Havemann zu gewinnen.482 Dabei war Fuchs zunächst vor allem mit Lucio Lombardo-Radice vom ZK des PCI in Kontakt, ebenso bestanden Verbindungen Wolf Biermanns zur „Linkspartei“ der schwedischen Kommunisten. Drei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung am 14. Juni 1979 informierte Fuchs Havemann telefonisch, dass sich „Italien, Spanien und Schweden […] bereit erklärt“ hätten, einen Protestappell gegen die DDR zu richten, Spenden zu sammeln und „Anwälte anzubieten“.483 Nachdem sich die Beauftragung eines italienischen Rechtsanwalts jedoch verzögerte und Fuchs gegenüber Lombardo-Radice auf die Dringlichkeit eines Rechtsschutzes für Havemann verwies,484 nahmen Anfang Juni die spanischen Kommunisten die Initiative in die Hand. ZK-Mitglied Manuel Azcárate teilte Fuchs mit, dass der PCE eine Gruppe von fünf Rechtsanwälten damit beauftragt habe, Möglichkeiten eines Rechtsbeistands für Havemann zu prüfen und ihn gegebenenfalls persönlich zu verteidigen.485 Havemann, der Azcárate „dem Namen nach“ kannte, begrüßte die Initiative der Spanier insbesondere deshalb, weil Azcárate ein „ideologischer Berater von Carrillo“ war und damit „kein Freund der sowjetischen Ideologie“.486 Bemerkenswert ist, dass das fünfköpfige Anwaltskollegium mit bedeutenden Persönlichkeiten der spanischen Transición besetzt war: Neben Nicolás Sartorius gehörten ihm mit José Maria Mohedano und Cristina Almeida zwei weitere kom-
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Holsten, Rezension zu Bösch: http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-12663. Letzter Zugriff am 03. 11. 2022. BStU, MfS, HA IX, Nr. 24658, Bl. 355–359, hier: Bl. 357 BStU, MfS, HA XX AP, Nr. 58708/92, Bl. 12. BStU, MfS, HA IX, Nr. 24658, Bl. 355–359, hier: Bl. 356–357. Vgl. MfS, HA XX, Abteilung 26 Frankfurt (Oder), Information vom 31. 05. 1979 OV „Leitz“, 31. 05. 1979, in: Archiv der DDR-Opposition, RH 140, OV „Leitz“, Bd. 90, Bl. 119–133, hier: Bl. 120. Paginierung nach BStU. MfS, HA XX, Abteilung 26 Frankfurt (Oder), Information vom 1. 6. 1979, 01. 06. 1979, in: Archiv der DDR-Opposition, RH 140, OV „Leitz“, Bd. 90, Bl. 136–138, hier: Bl. 136. Paginierung nach BStU. Ebenda, Bl. 137.
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munistische Juristen an, die 1977 als Ankläger im Prozess gegen die Attentäter des sogenannten „Blutbads von Atocha“ aufgetreten waren,487 sowie mit Joaquín RuizGiménez der Gründer der „Cuadernos para el Diálogo“ und prominenteste Figur der christdemokratischen Opposition gegen Franco.488 Tatsächlicher Wahlverteidiger Havemanns wurde jedoch kein Kommunist, sondern der Sozialist Enrique Gimbernat Ordeig, Strafrechtsprofessor und Dekan der Juristischen Fakultät der Universität in Alcalá de Henares sowie Mitglied einer Kommission, die vom Justizministerium mit der Erarbeitung eines neuen spanischen Strafgesetzbuches beauftragten worden war.489 Gimbernat gab in einem 2019 geführten Interview an, „sehr am Rand des PSOE“ gestanden und aufgrund des historischen Verdiensts des PCE im Widerstand gegen die Franco-Diktatur mit den Eurokommunisten sympathisiert zu haben. Sein Engagement im Fall Havemann sei ein Freundschaftsdienst gegenüber Nicolás Sartorius gewesen, der ihn gebeten habe, Mitglied des Verteidigerkollegiums zu werden. Dass letztlich er als einziger der fünf Anwälte zur Verteidigung Havemanns in die DDR reiste, sei dem Umstand geschuldet gewesen, dass nur er Deutsch sprach.490 Pastors Aussage über die Zurückhaltung des PSOE im Fall Havemann bestätigte er im Interview insofern, als er angab, nicht mit Unterstützung seiner Partei, die diesem wenig Bedeutung zumaß, sondern „auf eigene Faust“ nach Ost-Berlin gereist zu sein.491 Vermittlung und Organisation der Verteidigung Havemanns durch Gimbernat liefen über Jürgen Fuchs, der den spanischen Anwalt einen Tag vor Beginn der Hauptverhandlung am 13. Juni 1979 in West-Berlin in Empfang nahm und ihn zum Grenzübergang Bahnhof Friedrichstraße begleitete.492 Trotz eines Tagesvisums, das nur für Ost-Berlin galt, fuhr Gimbernat unter Beobachtung des MfS zu Havemanns Wohnhaus in Grünheide und traf dort seinen Mandanten und dessen Ehefrau. „In einem langen Gespräch“ lernte er Havemanns politische Forderung nach einer Demokratisierung der DDR „von innen heraus“ kennen und, wie er später gegenüber Fuchs angab, schätzen.493 Da sowohl Havemann als auch Gimbernat davon ausgingen, dass das Gericht ihn nicht als Wahlverteidiger zulassen
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In der sogenannten „Matanza de Atocha“ kamen bei einem Anschlag rechtsextremer Kräfte auf ein Büro der Gewerkschaft CC.OO. in Madrid am 24. Januar 1977 fünf Arbeiteranwälte ums Leben. Dies führte zu einer Massendemonstration und beschleunigte die Legalisierung des PCE: vgl. Aschmann, Spanien, S. 14–15. Zu den „Cuadernos para el Diálogo“ vgl. Kap. II.4.1. Vgl. Gimbernat Ordeig, Curriculum Vitae: https://www.ucm.es/data/cont/docs/1532-201810-17-C%20V%20ENRIQUE%20GIMBERNAT%20ORDEIG%20.pdf. Letzter Zugriff am 03. 11. 2022. Interview mit Enrique Gimbernat, 26. 09. 2019. 1983 schlug ihn der PSOE als Richter am spanischen Verfassungsgericht vor: vgl. Joaquina Prades, Gimbernat y González-Casanova, candidatos del PSOE al Tribunal Constitucional, in: El País vom 10. 01. 1983. Interview mit Enrique Gimbernat, 26. 09. 2019. Vgl. BStU, MfS, HA XX AP, Nr. 58708/92, Bl. 2; Gimbernat, Comportamiento, S. 263. MfS, HA XX, Abteilung 26 Frankfurt (Oder), Telegramm an Leiter der HA XX betr. Information zu OV „Leitz“ vom 14. 06. 79, 14. 06. 1979, in: Archiv der DDR-Opposition, RH 140, OV „Leitz“, Bd. 90, Bl. 182–183, hier: Bl. 182; Gimbernat, Comportamiento, S. 263.
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würde, wurde als Ziel für den ersten Prozesstag vereinbart, „einen internationalen Skandal zu provozieren, der direkt von den vor dem Gerichtsgebäude anwesenden bundesdeutschen Pressevertretern verfolgt werden würde.“ 494 Wie erwartet wurde am ersten Hauptverhandlungstag eine Verteidigung Havemanns durch Gimbernat mit der Begründung abgelehnt, „dass als Verteidiger nur Rechtsanwälte fungieren können, die in der DDR zugelassen sind.“ Gimbernat wurde außerdem darauf hingewiesen, dass er sich mit seinem Tagesvisum für Ost-Berlin „gesetzwidrig“ in Fürstenwalde aufhalte. Er kam der Aufforderung zum Verlassen des Gerichtsgebäudes nach und rief Robert Havemann dabei zu, „dass er vom Prozess ausgeschlossen sei“.495 Das MfS zitierte in seinem Bericht über den Prozessverlauf hierzu einen IM: „Die Nichtzulassung zum Prozess habe ihn [Gimbernat] nicht beeindruckt. Mit seinem Erscheinen im Kreisgericht sei sein Auftrag offensichtlich erfüllt gewesen.“ 496 Auf die Androhung eines Volkspolizisten, ihn wegen illegalen Aufenthalts am Gerichtsort mit einer Geldbuße zu belegen bzw. bei Nichtentrichtung zu inhaftieren, erklärte Gimbernat, dass er im Falle einer Verhaftung keinen Widerstand leisten würde.497 Im Rückblick erklärte er dieses „provokative und sogar unverschämte Verhalten gegenüber den DDR-Autoritäten“ mit der Anwesenheit westlicher Medienvertreter, durch die er „zu keinem Zeitpunkt das Gefühl gehabt habe, einer tatsächlichen Gefahr ausgesetzt gewesen zu sein“. Einen größeren Skandal als denjenigen, der durch die Anklage Havemanns ohnehin ausgelöst worden sei, habe sich die DDR seiner Meinung nach „nicht erlauben können.“ 498 Dies und seine „hochgestellte[…] Persönlichkeit“ waren laut Fuchs der Grund dafür, dass Gimbernat bei der Ausreise nach West-Berlin „in keiner Weise belästigt und mit ‚Glacéhandschuhen‘ angefasst worden“ sei.499 Zuvor hatte er über die spanische Botschaft in Ost-Berlin beim Ministerium der Justiz der DDR (MfJ) eine Zulassung für den zweiten Prozesstag beantragt.500 In seinem Schreiben argumentierte er wie Havemann mit der Gefahr eines Berufsverbots für einen DDRAnwalt und gab an, dass Havemann ihn mit seiner Verteidigung betraut habe, da er „zu mir aufgrund meiner fachlichen Qualifikation, meiner hinreichenden deutschen Sprachkenntnisse und meiner politischen Überzeugung als Sozialist volles Vertrauen“ habe.501 Das Justizministerium leitete sein Schreiben an das MfS weiter, welches umgehend einen „Vorschlag zur Reaktion auf das schriftliche Ersuchen“ Gimbernats erarbeitete. Dabei stufte es Gimbernats Brief „als Provokation“ ein und vermerkte für Minister Erich Mielke, dass in Übereinstimmung mit dem Staatssekretär im MfJ das Schreiben „nicht beantwortet werden“ solle.502 494 495 496 497 498 499 500 501 502
Gimbernat, Comportamiento, S. 263. BStU, MfS, HA XX AP, Nr. 58708/92, Bl. 5–9, hier: Bl. 6. BStU, MfS, HA IX, Nr. 24657, Bl. 486–488, hier: Bl. 488. Vgl. Gimbernat, Comportamiento, S. 263. Ebenda, S. 267. BStU, MfS, HA IX, Nr. 24657, Bl. 486–488, hier: Bl. 487. Vgl. Brief Gimbernats an das Ministerium für Justiz der DDR, 14. 06. 1979, in: BStU, MfS, SdM, Nr. 304, Bl. 4–5. Ebenda, Bl. 4. BStU, MfS, SdM, Nr. 304, Bl. 1–3, hier: Bl. 2; vgl. auch Vollnhals, Fall Havemann, S. 102.
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
Dass die Angelegenheit durch das Engagement Gimbernats einige Brisanz erlangt zu haben schien, belegt die „ausführliche Unterrichtung Honeckers“ über das gemeinsame Vorgehen von Havemann, Fuchs und Gimbernat sowie die Tatsache, dass Mielke alle Schritte gegenüber Gimbernat und den westlichen Journalisten dem Generalsekretär vorlegte.503 Eine MfS-Konzeption legte außerdem bereits die „Regie“ für den zweiten Prozesstag am 20. Juni fest: Dessen „Erfolg“ sollte durch den Ausschluss Gimbernats, die „Nichtzulassung ausländischer Korrespondenten“ und eine „konzertierte Verhandlungsführung“ sichergestellt werden.504 Gimbernat flog daraufhin zurück nach Spanien, wo er sich bei der DDRBotschaft in Madrid um ein Visum zur erneuten Einreise bemühte. Botschafter Walkowski versuchte ihn mit dem Argument abzuweisen, dass eine Teilnahme am zweiten Verhandlungstag für ihn insofern nicht von Interesse sei, als „wegen Devisenvergehen gegen Robert Havemann verhandelt“ werde und „nicht wegen dessen DDR-feindlichen politischen Aktivitäten“.505 Er sicherte ihm jedoch zu, „seine eventuelle Zulassung als Beobachter zu unterstützen“, was Gimbernat nachträglich als Hinhaltetaktik kritisierte.506 Auch die vier Anwaltskollegen Gimbernats ersuchten in der Botschaft der DDR nach Einreisevisa, wurden von Walkowski jedoch „mit Kaffee und Kuchen abgefertigt“. Dieser blieb bei der Beteuerung, dass es sich nicht um einen politischen Prozess handele, wenngleich Havemann als „bewährter Antifaschist […] leider auf Abwege geraten“ sei.507 Laut Ruiz-Giménez, der den Besuch in der DDR-Botschaft in seinen Memoiren erwähnt, habe Walkowski die spanischen Juristen selbst zum Gespräch geladen, um sie zum Ablassen von ihrem Vorhaben zu bewegen; als Gegenleistung habe er das Versprechen gegeben, sie ausführlich über den weiteren Verlauf des Prozesses zu informieren und sich bereit gezeigt, bei „seiner Regierung“ für einen Beobachterstatus Gimbernats einzutreten.508 Ob der DDR-Botschafter in Madrid, der um das Renommee des Verteidigerkollegiums wusste, ihnen tatsächlich in begrenztem Maße entgegenkommen wollte oder er aus Ost-Berlin angehalten war, die Angelegenheit zu verzögern, ist aus den Akten nicht zu klären. In einem Telegramm an das ZK der SED erbat Walkowski vor Beginn der Hauptverhandlung „Hinweise“, wie er mit „gezielten Provokationen“ der spanischen Presse und Öffentlichkeit umzugehen habe.509 Dennoch übte das MfAA einige Zeit später deutliche Kritik an der Arbeit der Botschaft im Fall
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Vollnhals, Fall Havemann, S. 102. Ebenda, S. 103–104. BStU, MfS, HA XX AP, Nr. 58708/92, Bl. 1. Zitiert in Hermann Deml, Parallelen zwischen Franco-Staat und DDR, in: RNZ vom 23. 06. 1979, S. 12. MfS, HA XX, Abteilung 26 Frankfurt (Oder), Information vom 19. 06. 79 OV „Leitz“, 19. 06. 1979, in: Archiv der DDR-Opposition, RH 140, OV „Leitz“, Bd. 90, Bl. 230. Paginierung nach BStU. Ruiz-Giménez Cortés, Diarios, S. 47–48. Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Botschafters Walkowski an das ZK der SED, 13. 06. 1979, in: BStU, MfS, HA IX, Nr. 24658, Bl. 238.
4. Das politische Engagement der DDR in der Transición
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Havemann: Abteilungsleiter Plaschke warf Walkowski eine mangelnde „Informationstätigkeit“ vor und wies darauf hin, dass „[z]u solchen Fragen, wie Aktivitäten spanischer Rechtsanwälte […] oder Angriffen bzw. Provokationen jeglicher Art sowie Einmischungsversuche [sic!] in die inneren Angelegenheiten der DDR […] in jedem Falle eine umgehende, exakte telegraphische Information in der Zentrale erwartet“ werde.510 Eine erneute Einreise wurde Gimbernat verweigert, sodass Havemann am 20. Juni ohne Rechtsbeistand zu einer Geldstrafe von 10 000 Mark verurteilt wurde.511 Wenngleich der Prozess um angebliche Devisenvergehen in der Verfolgungsgeschichte Havemanns lediglich eine von zahlreichen Episoden darstellt, zeigt der immense Aufwand des vom MfS geführten „Operativen Vorgangs“, welch außergewöhnliche Bedeutung ihm beigemessen wurde. Letztlich trug das SED-Regime mit der Verurteilung Havemanns einen Pyrrhussieg davon und handelte sich in der bundesdeutschen und westeuropäischen Öffentlichkeit massive Kritik und Negativschlagzeilen ein.512 In den Beziehungen zum postfranquistischen Spanien kam der Fall zu einem besonders ungünstigen Zeitpunkt, nämlich in ebenjenem Moment, als die SED sich einerseits darum bemühte, den Draht zur dortigen „Bruderpartei“ nicht völlig zu verlieren und andererseits das Aufstreben der spanischen Sozialisten erkannt und damit begonnen hatte, in den linken Kreisen des PSOE um Parteibeziehungen zu werben. Unabhängig von Parteizugehörigkeit konnte der politische Charakter des Devisenprozesses jedoch gerade jenen politischen Akteuren nicht verborgen bleiben, die durch Diktatur- und Repressionserfahrung im Spätfranquismus geprägt waren und sich seit Francos Tod für eine Demokratisierung Spaniens in allen Bereichen, darunter der Justiz, einsetzten. Havemann selbst führte dies der SED in seinem Antrag auf Einstellung des Verfahrens vor Augen, in welchem er darauf verwies, dass der gegen ihn geführte Prozess „auf eine sehr wirksame Weise dem internationalen und nationalen Ansehen der DDR“ schade.513 Obwohl Enrique Gimbernat nicht am Prozess teilnehmen konnte, war die vom PCE initiierte und vom ihm als Sozialisten ausgeführte Verteidigungskampagne dennoch ein Erfolg. In einem Brief an Gimbernat fasste Jürgen Fuchs dankend zusammen, „wie gut und politisch folgenreich (im Sinne einer Ermutigung) Eure und Deine Solidarität waren,“ insbesondere, weil durch das spanische Eingreifen „wenig hinter völlig verschlossenen Türen geschehen konnte“.514 Auch Havemann bedankte sich bei Gimbernat für dessen „Demonstration internationaler Solidarität“, durch die „eine starke politische Wirkung hervorgerufen worden“ sei.515 Gimbernat sah das Ziel 510 511
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MfAA, Abteilung Westeuropa, Brief Plaschkes an Walkowski, 28. 06. 1979, in: PA AA, M 1, C 3590, Bl. 79. BStU, MfS, HA XX AP, Nr. 58708/92, Bl. 1. Auch die Teilnahme am Begräbnis Havemanns am 17. April 1982 wurde Gimbernat verweigert: vgl. Gimbernat, Comportamiento, S. 265– 266; BStU, MfS, ZAIG, Nr. 3213, Bl. 11. Vgl. Vollnhals, Fall Havemann, S. 7, 144–145. BStU, MfS, HA XX AP, Nr. 58708/92, Bl. 14–16, hier: Bl. 14. Brief Jürgen Fuchs’ an Enrique Gimbernat, 27. 07. 1979, in privatem Besitz Gimbernats. Brief Robert Havemanns an Enrique Gimbernat, 05. 09. 1979, in privatem Besitz Gimbernats.
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
seines Engagements ebenfalls mit dem „Skandal“ erreicht, der durch die mediale Dokumentation seines Verweises aus dem Gerichtsgebäude und somit einer „unerwünschten, höchst seltenen öffentlichen Solidaritätsbekundung“ mit der DDROpposition provoziert worden war.516 Innenpolitisch blieb dem SED-Regime aufgrund der „angeschlagene[n] internationale[n] Reputation […] die Faust in der Tasche geballt“ und es sah davon ab, weitere vom MfS bereits vorbereitete Haftbefehle gegen Havemann und seine Ehefrau zu erlassen.517 In Spanien wirkte der Fall kurzfristig insofern nach, als die Kommunisten am Tag nach der Urteilsverkündung eine Pressekonferenz abhielten und darin Havemanns vor Gericht verlesene Erklärung der Öffentlichkeit zugänglich machten. Außerdem veröffentlichte der PCE eine offizielle Parteierklärung, hinter der laut Fuchs „die ganze Partei“ stand.518 Auf die Marxismusdebatte des PSOE hatte die Episode laut Gimbernat keinen direkten Einfluss; vielmehr stehen Gimbernat und Pastor beispielhaft dafür, dass der Fall Havemann im linken Flügel der spanischen Sozialisten unterschiedliche, ja entgegengesetzte Reaktionen auslöste. Allerdings ist davon auszugehen, dass Gimbernats Nichtzulassung und Ausweisung durch die DDR-Behörden ernüchternd auf diejenigen links stehenden Kräfte wirkten, die bis dato Interesse oder gar Sympathie für den real existierenden Sozialismus der DDR gezeigt hatten. Gimbernat, der zuvor weder ein besonderes Interesse noch Kenntnisse über die DDR-Opposition gehabt hatte, versicherte Fuchs bei seiner Ausreise, dass ihm die politische Brisanz des Prozesses „At Okulus [sic!] geführt worden“ sei und er nun wisse, „wie wichtig die Arbeit ist[,] die Robert im Lande macht.“ 519 Entsprechend kam er der Bitte Fuchs’ nach, die „Zehn Thesen zum 30. Jahrestag der DDR“, die Havemann im Oktober 1979 als scharfe Kritik am SED-Regime verfasste, für eine Veröffentlichung im „Mundo Obrero“ ins Spanische zu übersetzen.520 Mit Verweis auf die spanische Demokratisierung schätzte er gegenüber Fuchs ein, dass der Prozess und seine durch die DDR-Justiz vereitelte Verteidigung „eine große Resonanz […] in der Diskussion zwischen Kommunisten und Sozialisten“ habe.521 Tatsächlich bestand die historische, in der antifranquistischen Opposition erworbene Expertise und das daraus erwachsene gemein-
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Brief Jürgen Fuchs’ an Enrique Gimbernat, 27. 07. 1979, in privatem Besitz Gimbernats; vgl. auch Gimbernat, Comportamiento, S. 263; Interview mit Enrique Gimbernat, 26. 09. 2019. Vollnhals, Fall Havemann, S. 109–110. Fuchs in einem Telefonat mit Katja Havemann: MfS, HA XX, Abteilung 26 Frankfurt (Oder), Information vom 20. 6. 79 zu OV „Leitz“, 20. 06. 1979, in: Archiv der DDR-Opposition, RH 140, OV „Leitz“, Bd. 90, Bl. 232–237, hier: Bl. 236. Paginierung nach BStU. MfS, HA XX, Abteilung 26 Frankfurt (Oder), Information zu OV „Leitz“ vom 14. 06. 79, 14. 06. 1979, in: Archiv der DDR-Opposition, RH 140, OV „Leitz“, Bd. 90, Bl. 182–183, hier: Bl. 182. Paginierung nach BStU. Vgl. Brief Jürgen Fuchs’ an Enrique Gimbernat vom 12. 09. 1979, in privatem Besitz Gimbernats; vgl. auch Robert Havemann, Diez tesis con motivo del XXX aniversario de la RDA, in: Mundo Obrero vom 20. 10. 1979, S. 15. Fuchs in einem Telefonat mit Katja Havemann: MfS, HA XX, Abteilung 26 Frankfurt (Oder), Information vom 27. 6. 79 zu OV „Leitz“, 27. 06. 1979, in: Archiv der DDR-Opposition, RH 140, OV „Leitz“, Bd. 90, Bl. 271. Paginierung nach BStU.
5. Der Beginn institutionalisierter Kultur- und Wirtschaftsbeziehungen
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same Interesse des politisch heterogenen Verteidigerteams darin, „die typische Haltung eines totalitären Staats“ zu entlarven, welche die DDR laut Gimbernat dadurch demonstriert habe, dass sie Havemann „seines Rechts auf Verteidigung beraubt habe“.522 Diese Referenz auf „Parallelen“ zwischen der Franco-Diktatur und dem SED-Regime nahm die bundesdeutsche Presse in ihrer Berichterstattung über den Havemann-Prozess auf.523 Ein langfristiges Interesse oder gar politisch fruchtbarer Kontakt zwischen der DDR-Opposition und den eurokommunistischen und sozialistischen Akteuren der spanischen Demokratisierung entsprang der Episode „Havemann“ jedoch nicht.
5. Der Beginn institutionalisierter Kulturund Wirtschaftsbeziehungen in der Transición Als im Februar 1978 Lothar Lahn als neuer Botschafter der Bundesrepublik einen Antrittsbesuch bei Gerhard Korth absolvierte, der seit Juli 1977 die wiedereröffnete DDR-Botschaft in Madrid leitete, gab sich dieser betont optimistisch: Er sei „bei seinen Gesprächen auf bemerkenswerte spanische Bereitschaft gestoßen, die eingetretene Trübung der Beziehungen schnell vergessen zu lassen und das Verhältnis zu Ost-Berlin so weit wie möglich zu normalisieren.“ 524 Dreieinhalb Jahre später hieß es in den Gesprächsinformationen für Horst Sindermann, der als Präsident der DDR-Volkskammer im Herbst 1981 den neuen spanischen Botschafter in der DDR, Manuel Gómez-Acebo y de Igartua, empfing, dagegen ernüchtert: „Zwischen beiden Staaten gibt es keine die Beziehungen belastenden Probleme. Dennoch bleibt das Niveau der Zusammenarbeit in allen wichtigen Bereichen unter den objektiven Möglichkeiten und Erfordernissen.“ 525 Die politischen Beziehungen zwischen der DDR und Spanien seien „zurückgeblieben“ und „Treffen auf hoher Ebene“ hätten nach wie vor nicht stattgefunden. Außer „Einzelkontakten“ seien offizielle Parlamentsbeziehungen ebenfalls noch nicht zustande gekommen und die Vertragsbeziehungen stünden „noch am Anfang“.526 In der Tat wurden
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Zitiert in Hermann Deml, Parallelen zwischen Franco-Staat und DDR, in: RNZ vom 23. 06. 1979, S. 12. Vgl. ebenda. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben des Botschafters Lahn betr. Beziehungen zwischen Spanien und DDR, 07. 02. 1978, in: PA AA, MADR 12682, unpag. Volkskammer der DDR, Arbeit der Interparlamentarischen Gruppe, Informationsmaterial und Gesprächsempfehlung zum Antrittsbesuch des Außerordentlichen und Bevollmächtigten Botschafters des Königreichs Spanien in der DDR, Manuel Gómez-Acebo y de Igartua, 27. 10. 1981, in: BArch, DA 1/15720, unpag. MfAA, Abteilung Westeuropa, Fakten zur Realisierung der Schlussakte von Helsinki in den bilateralen Beziehungen DDR-Spanien (Zeitraum: 1. 8. 76–20. 6. 78), undatiert, in: PA AA, M 1, C 3595, Bl. 3–7, hier: Bl. 3; Botschaft der DDR in Madrid, Von der Botschaft, im Auftrage der Regierung der DDR, dem spanischen Außenministerium übergebene Vertragsentwürfe, 04. 05. 1979, in: PA AA, MfAA, MAV MADRID, ZR 2459/93, unpag.
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bis zum Regierungsantritt des PSOE Ende 1982 auf staatlicher Ebene lediglich ein Abkommen zwischen den Nachrichtenagenturen ADN und EFE (1977) sowie ein Fernsehabkommen (1978) vereinbart. DDR-Initiativen zum Abschluss eines Gesundheits- und Sozialabkommens, eines Konsularabkommens sowie eines Luftverkehrsabkommens scheiterten. Lediglich die Kultur- und Wirtschaftsbeziehungen entwickelten sich laut dem Informationsmaterial für Sindermann „normal“, wobei auch sie „noch ausbaufähig“ seien und alle bisher erreichten Fortschritte „ausschließlich auf Initiativen der DDR“ zurückgingen.527 Immerhin waren am 3. Oktober 1978 ein Kultur- und Wissenschaftsabkommen unterzeichnet und am 17. Dezember 1979 ein Handelsvertrag geschlossen worden. Diese „Erfolge“ waren darauf zurückzuführen, dass die DDR aufgrund der politischen Zurückhaltung Spaniens nach der Wiederaufnahme der Beziehung den Schwerpunkt ihrer Auslandsarbeit neben dem parteipolitischen Engagement auf das „wissenschaftlichtechnologische und kulturelle Gebiet“ legte. Dabei konnte sie laut einem Bericht der bundesdeutschen Botschaft einige Erfolge erzielen.528
5.1 Kulturbeziehungen Noch während der Beziehungsunterbrechung hatte der Ministerrat der DDR im August 1976 „[g]egenüber Spanien Aktivitäten auf dem Gebiet der Kultur und der Auslandsinformation“ beschlossen und eine Liste mit „vorgesehene[n] Aktivitäten“ als vertrauliche Verschlusssache an die Minister für Auswärtige Angelegenheiten, Außenhandel, Kultur sowie Hoch- und Fachschulwesen delegiert.529 Im Oktober 1977 wurde dem Generaldirektor für Europa im MAE, Antonio Elías, bei dessen Besuch in Ost-Berlin ein Entwurf für ein „Abkommen über kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit“ überreicht, das schließlich am 3. Oktober 1978 anlässlich einer Delegation unter Leitung des stellvertretenden Außenministers Kurt Nier in Madrid als erstes bilaterales Vertragswerk nach Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen unterzeichnet wurde.530 Ein „Kulturarbeitsplan“ sah bis 1980 die Realisierung von Filmwochen, Theatergastspielen, Künstler- und Ensembleaustauschen sowie den gegenseitigen Bezug von „auslandsinformatori-
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Volkskammer der DDR, Arbeit der Interparlamentarischen Gruppe, Informationsmaterial und Gesprächsempfehlung zum Antrittsbesuch des Außerordentlichen und Bevollmächtigten Botschafters des Königreichs Spanien in der DDR, Manuel Gómez-Acebo y de Igartua, 27. 10. 1981, in: BArch, DA 1/15720, unpag. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Bericht betr. außenpolitische Aktivitäten der DDR in Spanien, hier: Bericht für den Zeitraum 1981/82, 11. 10. 1982, in: PA AA, MADR 12682, unpag. Ministerrat der DDR, Präsidium, Beschluss über die Beziehungen DDR/Spanien, 19. 08. 1976, in: BArch, DC 20 − I/4/3614, Bl. 164–167, hier: Bl. 167. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Information über die Konsultation des Stellvertreters des Ministers, Genossen Kurt Nier, mit dem Generaldirektor im spanischen Außenministerium, Elías Martinena, am 2. und 3. 10. 1978, 04. 10. 1978, in: PA AA, M 1, C 3593, Bl. 5–9, hier: Bl. 5.
5. Der Beginn institutionalisierter Kultur- und Wirtschaftsbeziehungen
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schem Material“ und die Vergabe von Sprachkursplätzen vor.531 Die Botschaft listete diese Aktivitäten als „Ergänzung[…] zur Realisierung der Schlussakte von Helsinki in den bilateralen Beziehungen DDR-Spanien“.532 Dies macht deutlich, dass die SED neben dem Ziel, über Kulturpolitik die eigene Position in Spanien zu stärken, auch das übergeordnete Interesse verfolgte, vier Jahre nach der Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte zu belegen, dass sich die DDR an die dort getroffenen Bestimmungen über „Zusammenarbeit und Austausch im Bereich der Kultur“ hielt. Dabei handelte es sich um Augenwischerei, hatte die SED im Zuge der KSZE-Verhandlungen doch die Forderung nach „Freizügigkeit von Menschen, Ideen und Informationen“ abgelehnt und als „Versuch der Unterwanderung der DDR und einer unbegrenzten Infiltration bürgerlichen Ideenguts und kapitalistischer Lebensweise“ denunziert.533 „[S]ystembedingt“ war sie nicht an einer Kultur des Austauschs interessiert,534 sondern sah laut dem ZK-Sekretär für Kultur Kurt Hager die zentrale Aufgabe ihrer auswärtigen Kulturpolitik darin, „die politische und ideologische Offensive des Sozialismus mit allen kulturellen Mitteln zu unterstützen.“ 535 Für den ab Ende der 1970er Jahre allmählich einsetzenden Delegationsaustausch, der meist über die Liga für Völkerfreundschaft organisiert wurde, bedeutete dies, dass aus- und einreisende Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Zusammenarbeit zwischen LfV und MfS sorgfältig nach politischer Zuverlässigkeit und ideologischer Nähe ausgewählt wurden und vor Ort nur einen sehr eingeschränkten Handlungs- und Bewegungsspielraum hatten.536 Idealerweise sollten die positiven Einstellungen der ausländischen Gäste gegenüber der DDR durch einen konzertierten und stark schematisierten Besuch bestätigt werden, so etwa im Fall einer Delegation spanischer Kommunalpolitiker nach Leipzig 1982. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gehörten der politisch linksgerichteten Stadtverwaltung in Zaragoza und zum Teil auch dem dortigen regionalen Komitee der Freundschaftsgesellschaft DDR-Spanien an; Ziel ihres Aufenthalts in Leipzig war die Herstellung einer offiziellen Städtepartnerschaft. Im Delegationsbericht der „Arbeitsgemeinschaft Parlamentarische und Kommunale Beziehungen“ im MfAA hieß es idealtypisch: „Er [Leiter der Delegation] sprach sich im Namen der gesamten Delegation anerkennend über den Besuch aller Einrichtungen aus und war berührt von den vielen emotionalen Eindrücken (im Kindergarten wurde jedem Delegationsmitglied eine Blume durch die Kinder überreicht), die er als Ausdruck echter Freundschaft wertete, die der Delegation überall entgegengebracht
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Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Ergänzungen zu „Fakten zur Realisierung der Schlussakte von Helsinki in den bilateralen Beziehungen DDR-Spanien“, 13. 06. 1979, in: PA AA, M 1, C 3593, Bl. 1–3, hier: Bl. 2. Ebenda, Bl. 1. Lindemann/Müller, Kulturpolitik, S. 92. Abraham, Auslandsarbeit, S. 85. Hager, Fragen der Kulturpolitik, S. 9. Vgl. allgemein zur Tätigkeit des MfS in der LfV Abraham, Auslandsarbeit, S. 102–107.
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worden ist. Diese Freundschaft sollte man weiterentwickeln, um somit einen Beitrag zur Völkerverständigung und zum Frieden zu leisten.“ 537
Die ostdeutschen Kontaktpartner waren dazu angehalten, ausführliche Berichte über diejenigen Besucherinnen und Besucher zu verfassen, deren ideologische Überzeugung nicht hinlänglich bekannt bzw. gebilligt war. Dies wurde vermehrt ab 1981 notwendig, als die DDR im Zuge eines zweiten „Kulturarbeitsplans“ den Ausbau der Hochschulbeziehungen in Spanien forcierte und u. a. mit Buchschenkungen an die Philologischen Institute der Universitäten in Madrid und Valencia die Herstellung von „Direktbeziehungen“ zu fördern suchte; 1983 wurde die erste Hochschulvereinbarung zwischen der Humboldt-Universität zu Berlin und der Madrider Universität Complutense geschlossen.538 Als beispielhaft für die Beobachtung der nun einreisenden Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftler kann ein Bericht des Bereichsleiters der Romanischen Sprach- und Übersetzungswissenschaften der Universität Leipzig an die LfV gelten: Im Zuge eines Besuchs zweier Professoren der Universität Complutense und Vorstandsmitglieder des spanischen Germanistikverbands im Jahr 1983 vermerkte er positiv, dass einer der beiden spanischen Kollegen „es für natürlich und erforderlich halte, dass auch die Kultur und Literatur der DDR gleichberechtigt in Lehre und Forschung an den spanischen Universitäten vertreten sein müsste“ und „guten Kontakt zum Kulturattaché der Botschaft“ unterhalte. Der berichtende Leipziger Romanist empfahl daher, im Falle einer Entsendung von DDR-Fachkollegen nach Spanien diesen Professor und nicht seinen weniger beeindruckt wirkenden Kollegen als Ansprechpartner vor Ort zu nutzen.539 Dienstreiseanträge ostdeutscher Wissenschaftler nach Spanien wurden insbesondere in der frühen Phase der Transición häufig nicht nur fachlich, sondern auch politisch begründet. Manfred Kossok, Professor für Allgemeine Geschichte der Neuzeit an der Universität Leipzig, führte als „politische[n] Aspekt“ seiner Teilnahme an einem Kongress in Barcelona im April 1978 „die Kenntnisnahme der Wandlungen im spanischen Universitätsbetrieb nach dem Ende der FrancoDiktatur“ an, wobei er sich „speziell in Barcelona [von] eine[r] Reihe von jungen marxistischen Nachwuchswissenschaftlern […] entsprechende Informationen“ und ein Interesse an „Universitätsfragen in der sozialistischen Umgestaltung der
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MfAA, AG Parlamentarische und Kommunale Beziehungen, Bericht über den Aufenthalt einer Kommunalpolitiker-Delegation aus Zaragoza in Leipzig vom 22.–27. 3. 82, Juni 1982, in: PA AA, M 1, C 2962, Bl. 23–26, hier: Bl. 26. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Walkowski an den stellvertretenden Außenminister Nier, 02. 07. 1981, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 185–193, hier: Bl. 192; Botschaft der DDR in Madrid, Positionspapier zum Stand der Beziehungen DDRSpanien auf dem Gebiet des Hochschulwesens, undatiert, PA AA, MfAA, MAV MADRID, ZR 2459/93, unpag. Universität Leipzig, Direktorat für internationale Beziehungen, Bericht über den Aufenthalt von Prof. Jaime Cerrolaza sowie Prof. Gonzales [sic!], beide Deutschseminar der Universidad Complutense, Madrid, in Leipzig (vom 20. 3. bis 22. 3. 82), 19. 04. 1982, in: UAL, DIB 188, Bl. 140–141, hier: Bl. 140.
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DDR“ erhoffte.540 Seine Hoffnung war dabei nicht unbegründet: Zwar war bereits Ende der 1960er Jahre eine gewisse ideologische Ernüchterung bei DDR-freundlichen akademisch-intellektuellen Kreisen in Spanien eingetreten,541 die durch die sowjetische Invasion in Afghanistan 1979 und die Verhängung des Kriegsrechts in Polen 1981 verstärkt wurde. Dennoch interessierten sich in den ersten Jahren nach Francos Tod insbesondere in Katalonien linke Wissenschaftler für Kontakte zu Universitäten in der DDR. Kossok berichtete, dass er „der einzige Marxist“ im Kreis internationaler Historiker gewesen sei, „dazu der einzige Vertreter eines sozialistischen Landes, was entsprechendes Interesse“ hervorgerufen habe. Er konnte Kontakt mit dem „marxistischen Studienzentrum“ des PSUC aufnehmen, dessen Wissenschaftler an einer „Analyse des Franquismus“ arbeiteten und ein Interesse daran zeigten, „von unserer Seite entsprechende methodische Handreichungen […] zu erhalten.“ 542 Auch im außeruniversitären Bereich profitierte die DDR nach der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen vom Interesse einiger spanischer Akteure am ostdeutschen Bildungswesen. Es war allerdings weniger ideologischer als praktischer Natur und entsprang dem Reformbedarf des spanischen Bildungssystems in der Transición.543 Presse- und Kulturattaché Paul vermerkte Ende 1979 über ein Gespräch mit Vertretern der Fernschul-Institutionen „Instituto Nacional de Bachillerato a Distancia“ und „Centro Nacional de Educación Basica a Distancia“, die an die Botschaft der DDR herangetreten waren: „Sie haben durch Kollegen – auch aus der BRD – gehört, dass die DDR ein entwickeltes Bildungssystem besitze und viel für [sic!] die Kinder und Jugendlichen investiere. Der spanische Staat beginne jetzt, sein Bildungssystem zu entwickeln und sie seien u. a. beauftragt, Pläne zum Erlernen der deutschen Sprache zu entwickeln. Deshalb möchten sie sich möglichst umfassend beschäftigen mit dem Schulsystem in der DDR […], der Geschichte der DDR, der Wirtschaft der DDR […]. [Außerdem] wünschen [sie] Informationsmaterial und DDR-Lehrbücher über die Botschaft.“ 544
Tatsächlich gelang es der DDR, ab Ende der 1970er Jahre besonders im Bereich des Deutschunterrichts ein alternatives Angebot zu dem der Bundesrepublik zu etablieren. Dies geschah zum einen über die Germanistischen Seminare der Universitäten sowie über Kooperationen mit Schulen und Erwachsenenbildungseinrichtungen in den klassischen Arbeitervorstädten Madrids, darunter insbesondere in Vallecas.545 Ein Grund für diesen kulturpolitischen Erfolg der DDR war vor 540
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Universität Leipzig, Direktorat für internationale Beziehungen, Genehmigung einer Verlängerung der Dienstreise von Prof. Dr. Kossok nach Spanien, April 1978, in: UAL, DIB 188, Bl. 138–139, hier: Bl. 139. Vgl. Kap. II.2.2. Universität Leipzig, Direktorat für internationale Beziehungen, Bericht Prof. Dr. Kossoks über seine Teilnahme am Kongress in Barcelona vom 4. bis 11. April 1978, 18. 04. 1978 in: UAL, DIB 188, Bl. 135–137, hier: Bl. 135 u. 137. Vgl. allgemein zum Reformbedarf in der Bildungspolitik während der Transición Mayordomo Pérez, Transición, S. 24–38. Botschaft der DDR in Madrid, Vermerk, 17. 12. 1979, in: BArch, DR 2/13846, unpag. Vgl. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Antwort auf Runderlass betr. außenpolitische Aktivitäten der DDR im Gastland, 13. 03. 1980, in: PA AA, MADR 12682, unpag. Das Enga-
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allem die finanzielle Attraktivität ihres Deutschunterrichts. Hierzu vermerkte die bundesdeutsche Botschaft 1980, dass die Preise für von der DDR angebotene Deutschkurse „bedeutend niedriger“ seien als die des Goethe-Instituts. Außerdem erlange die DDR durch eine große Zahl von Stipendien, die das Herder-Institut 546 spanischen Studierenden anbiete, „vermehrt Zugang zu Universitäten“ und deren germanistischen Abteilungen. Häufig stelle sich daher „[f]ür einen Spanier, der genau kalkuliert, […] heraus, dass es leichter ist, ein DDR-Stipendium zu bekommen als eines unserer Stipendien, und dass es erheblich billiger ist, Deutsch in der DDR als in der Bundesrepublik zu lernen.“ 547 In der Folge konnten in den 80er Jahren die Stipendienprogramme und ein regelmäßiger Delegationsaustausch zu Sprachkursen und Studienaufenthalten fest etabliert werden und die DDR das bundesdeutsche Bildungsmonopol im Bereich der Germanistik zu einem gewissen Grad aufweichen. Dennoch erreichten die Teilnehmerzahlen nicht die der Bundesrepublik, welche mit dem Goethe-Institut in Madrid und dessen Zweigstellen sowie zahlreichen DAAD-Lektoraten, neun Auslandsschulen, der Görres-Gesellschaft und dem Deutschen Archäologischen Institut über ein breites und fest etabliertes Bildungsnetzwerk in Spanien verfügte.548 Außerdem zeigte sich auch auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Universitätsbeziehungen der „Einbahnstraßen“-Charakter der auswärtigen Kulturpolitik der DDR, die es nur wenigen ausgewählten Ostdeutschen ermöglichte, überhaupt nach Spanien zu reisen. Während die DDR-Botschaft jedes Jahr acht bis zehn Germanistik-Stipendien für die Sprach- und Literatursommerschulen u. a. in Halle, Weimar und Ost-Berlin vergab, blieben die vom MAE angebotenen äquivalenten Romanistik-Plätze in Spanien bis 1985 unbesetzt.549 Auch außerhalb des Bildungsbereichs zeigten nichtstaatliche Akteure der Transición ein Interesse an der DDR als „Kulturland“, welche von einem positiven Image insbesondere bei linken Intellektuellen und Kulturschaffenden profitierte. Nach fast vierzig Jahren künstlerischer Unfreiheit unter Franco musste sich in Spanien
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gement für Deutschunterricht in Madrider Arbeitervierteln wurde durch Otto Pfeiffer auch für die Botschaftstätigkeit im franquistischen Spanien bestätigt: vgl. Interview mit Otto Pfeiffer, 27. 11. 2017. Zu Funktion und Aufgabe des Herder-Instituts im Kontext des „Ausländerstudiums“ in der DDR vgl. Chronik des Vereins interDaF e. V. am Herder-Institut der Universität Leipzig: https://www.interdaf.uni-leipzig.de/chronik-91.html. Letzter Zugriff am 03. 11. 2022. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Antwort auf Runderlass betr. außenpolitische Aktivitäten der DDR im Gastland, 13. 03. 1980, in: PA AA, MADR 12682, unpag.; Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Vermerk über Aktivitäten der DDR in Spanien auf kulturpolitischem Gebiet, 19. 08. 1981, in: PA AA, MADR 12682, unpag. Für eine (unvollständige) Übersicht über die Zahl der in der DDR angebotenen Studienund Sprachkursplätze in den Jahren 1983–1986 vgl. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Zum Stand der Beziehungen auf dem Gebiet der Volksbildung gegenüber Spanien, undatiert, vermutlich 1985, in: SAPMO-BArch, DY 30/13555, Bl. 31–32. Für Zahlen und Fakten der bundesdeutschen Kulturarbeit in Spanien vgl. AA, Referat IV 8, Deutschspanische Kulturbeziehungen, 24. 08. 1972, in: PA AA, B 97, Bd. 393, unpag. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Verbalnote ans MAE, 26. 11. 1986, in: PA AA, MfAA, MAV MADRID, ZR 2703/93, unpag.
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eine neue Kultur- und Kunstszene erst entwickeln, wobei der ostdeutsche Kulturbetrieb und dessen staatliche Organisation auf Interesse stießen. Seit 1977 reisten spanische Kulturschaffende in die DDR, einige davon sogar im Auftrag des Kulturministeriums. Dieses wurde von 1977 bis 1979 von Pío Cabanillas geführt, einem liberalen Vertreter der UCD, der bereits im Spätfranquismus als „aperturista“ für eine Liberalisierung der Informations- und Kulturpolitik eingetreten und dafür durch Franco entlassen worden war.550 Das DDR-Kulturministerium berichtete über eine Delegation bekannter spanischer Kultur- und Theaterschaffender um Juan Antonio Hormigón im Juni 1977, deren Teilnehmer „mit großen Erwartungen in die DDR [gekommen waren], da […] nach dem Tode Francos innerhalb der Kultur Spaniens eine große Unsicherheit über Wege und Tendenzen besteht [und] den Theaterleuten Andalusiens die Orientierung fehlt. Durch die nicht mehr offene Unterdrückung werden von den Kulturschaffenden illusorische Wege eingeschlagen, aus denen dann wieder große Ernüchterungen resultieren. Aus diesem Grunde waren sie an dieser Begegnung mit dem DDR-Theater sehr interessiert, nicht nur an den Vorstellungen, sondern an der Struktur und dem Aufbau des Theaterwesens, an sozialen Fragen, Ausbildungsfragen und der Tätigkeit gesellschaftlicher Organisationen.“ 551
Hormigón war bereits während der Franco-Diktatur ein Kontaktmann der Botschaft in Madrid gewesen, hatte die DDR 1974 im Zuge einer seltenen Theaterdelegation besucht und wurde in der Transición zu einem der wichtigsten Förderer der ostdeutsch-spanischen Kulturbeziehungen.552 Neben ihm gehörten der Delegation José María Morera an, eine der bekanntesten Figuren des spanischen Nachkriegstheaters und einflussreicher Akteur der Madrider und Valencianer Kulturszenen, sowie Rafael Pérez Sierra, der 1976 als liberaler Direktor der renommierten Schauspielschule RESAD in Madrid eingesetzt und 1977 unter Cabanillas zum Generaldirektor für Theater im Kulturministerium ernannt worden war; in dieser Funktion schloss er das Kulturabkommen mit der DDR ab. Das MfK beabsichtigte, „Herrn Morera und Herrn Perez [sic!], die im kulturellen Leben Spaniens eine progressive Rolle spielen, an Hand persönlicher Anschauungen die sozialistische Gesellschaft und deren Niederschlag im kulturellen Bereich als wahre Alternative zum kapitalistischen Kulturbetrieb zu zeigen und damit die progressiven Kräfte Spaniens zu unterstützen.“ 553
Entsprechend kam die Delegation in Kontakt mit diversen Gesprächspartnern des Kulturministeriums und der DDR-Theaterlandschaft, darunter dem Staatstheater Schwerin, der Schauspielschule und dem Berliner Ensemble in Ost-Berlin sowie der Theatergewerkschaft des FDGB. Insbesondere hinsichtlich des Ziels, die kulturpolitische Dominanz der Bundesrepublik in Spanien zu brechen,554 wertete das MfK die Delegation als Erfolg, da der „Informationsmangel“, den Enrique Tierno 550 551 552 553 554
Vgl. Tusell, Spain, S. 233–237; o. V., Fallece Pio Cabanillas, ex ministro de Franco y de la democracia, in: El País vom 11. 10. 1991. MfK, Zentrum für kulturelle Auslandsarbeit/Bereich Delegationen, Abschlussbericht, 20. 07. 1977, in: BArch, DR 1/18683, Bd. 1, unpag. Vgl. Kap. II.5.1.2. MfK, Zentrum für kulturelle Auslandsarbeit/Bereich Delegationen, Abschlussbericht, 20. 07. 1977, in: BArch, DR 1/18683, Bd. 1, unpag. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Vermerk, 17. 12. 1979, in: BArch, DR 2/13846, unpag.
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Galván bereits auf politischem Gebiet konstatiert hatte, habe behoben werden können: „Die Gäste werteten ihren DDR-Besuch als außerordentlich wertvoll, da sie erstmals die wirklichen und sichtbaren Vorteile der sozialistischen Gesellschaft kennenlernen konnten. Die Gäste hatten vorher ein mangelhaftes und sehr verzerrtes Bild von der DDR, lediglich durch einige Gespräche mit Herrn Hormigón hatten sie einige Vorstellungen, die ihnen aber nicht recht glaubhaft schienen.“ 555
Während Hormigón, Morera und Pérez Sierra beispielhaft für eine Gruppe linker intellektueller und kulturschaffender Akteure der spanischen Demokratisierung stehen, für die die DDR eine Art „ideologischer Sehnsuchtsort“ darstellte, war auf staatlicher Ebene die Etablierung von kulturpolitischen Beziehungen zur DDR eher pragmatisch motiviert. Botschaftssekretär Höcker stellte nach einem Gespräch mit dem stellvertretenden Generaldirektor für kulturelle Beziehungen und Leiter der Abteilung Kulturverbindungen im spanischen Außenministerium im Mai 1977 die Vermutung an, dass sich das MAE nur auf die von Ost-Berlin vorangetriebenen Verhandlungen zu einem Kulturabkommen einlasse, um eine „inoffizielle“ Propaganda der DDR – u. a. über ihre Beziehungen zum jüngst legalisierten PCE – zu unterbinden. Der spanischen Bereitschaft zur Zusammenarbeit „auf möglichst breitem Gebiet“ liege die „Furcht“ zugrunde, „die sozialistischen Staaten würden andernfalls auf vom spanischen Staat unerwünschten inoffiziellen [sic!] Weg stärker ideologisch einwirken.“ 556 Eine solche politisch-ideologische Propaganda über die staatlich geregelten Kulturbeziehungen war von der DDR zweifellos intendiert, wenngleich die ostdeutschen Akteure ihren offiziellen Auftrag und ihre Stellung in der DDR-Außenpolitik „verschleierten“, indem sie in Spanien als nichtstaatliche, gesellschaftliche Organisationen auftraten.557 Beinahe alle kulturpolitischen Aktivitäten wurden jedoch von der Liga für Völkerfreundschaft koordiniert, die direkt dem Parteiapparat der SED untergeordnet war.558 Auf Betreiben der LfV wurden die Kulturbeziehungen 1979 denn auch institutionalisiert. Nachdem die Gründung einer Nationalen Freundschaftsgesellschaft aufgrund der schlechten Parteibeziehungen zwischen SED und PCE 1977 zunächst noch vertagt worden war, wurde am 16. Juni die NFG „Wilhelm von Humboldt“ gegründet, die vom spanischen Innenministerium offiziell unter der Bezeichnung „Spanische Gesellschaft zum Kennenlernen der DDR“ registriert wurde und sich im ersten Halbjahr 1980 „mit einem repräsentativen Präsidium und einer
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MfK, Zentrum für kulturelle Auslandsarbeit/Bereich Delegationen, Abschlussbericht, 20. 07. 1977, in: BArch, DR 1/18683, Bd. 1, unpag. Botschaft der DDR in Madrid, Vermerk über ein Gespräch mit dem stellv. Generaldirektor für kulturelle Beziehungen und Leiter der Abteilung Kulturverbindungen im spanischen Außenministerium, Herrn José Antonio Vaca de Osma y Esteban de la Reguera, am 10. 5. 1977, 11. 05. 1977, in: BArch, DR 1/18683, Bd. 2, unpag. Vgl. für die politische Auslandarbeit der DDR in Schweden Abraham, Auslandsarbeit, S. 77. Ebenda.
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arbeitsfähigen Leitung“ konstituierte.559 Während sie auf spanischer Seite das „Ergebnis der Bemühungen eines kleinen Kreises von Freunden der DDR“ – darunter maßgeblich Antonio Hormigón – war, stellte sie in der Konzeption der LfV als „organisierter und organisierender Kern einer künftigen breiten Freundschaftsbewegung zur DDR“ den Angelpunkt der vor Ort institutionalisierten kulturpolitischen Arbeit dar.560 Die Aktivistinnen und Aktivisten der NFG sollten mit einer „verstärkten politisch-ideologischen Einflussnahme“ und einer gezielten „materiell-technischen Unterstützung“ durch die LfV dazu befähigt werden, in Spanien „komplexe öffentlichkeitswirksame Massenveranstaltungen […] zur Propagierung der Politik und der Errungenschaften der DDR durchzuführen.“ 561 Als weiterer Initiator trat in der DDR außerdem Anselm Glücksmann auf, Justiziar für zahlreiche ostdeutsche VEB und Verbände im Bereich der Kultur-, Literatur- und Musikwirtschaft. Als Geschäftsführer der DDR-Urhebergesellschaft AWA hatte er bereits 1955 einen frühen exzeptionellen Kulturkontakt ins franquistische Spanien gehabt und zeigte insbesondere nach dem Ende der Diktatur ein ausgeprägtes persönliches Interesse an Spanien.562 In seiner Funktion als ehrenamtlicher Vorsitzender des Kulturbunds Berlin-Marzahn organisierte er Veranstaltungen mit Spanienbezug und mit dem seit 1981 in der DDR akkreditierten Botschafter Manuel Gómez-Acebo y de Igartua pflegte er laut MfS „enge persönliche Kontakte“.563 Eigeninitiativ regte er 1978 beim AHB „Buchexport“ in Leipzig wiederholt an, spanische Verlage als Kunden zu gewinnen und bat sich als Justiziar einer möglichen Zusammenarbeit an. Neben außenwirtschaftlichen Motiven verwies er dabei insbesondere auf die gute Ausgangslage für kulturpolitische Beziehungen: „Spanien befindet sich momentan in einem Umbruch, in dem es darum geht, ob lediglich eine weitere westeuropäische bürgerliche Demokratie entsteht, oder ob zumindest Grundlagen geschaffen werden, die politische weitergehende Möglichkeiten des Einflusses der Arbeiterklasse schaffen. Gekennzeichnet wird diese Situation gleichzeitig durch eine deutlich links gerichtete Haltung der kulturellen Kreise“.564
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„Asociación Cultural Guillermo Humboldt para el conocimiento de la República Democrática Alemana“: LfV, Fortschreibung der Zeittafel über die Entstehung, Entwicklung, Aktivitäten und Höhepunkte der Freundschaftsbewegung zur DDR (1979–Juni 1983), undatiert, in: SAPMO-BArch, DY 13/3016, unpag.; LfV, Abteilung Westeuropa, Konzeptionelle Vorstellungen zur Weiterführung der auslandsinformatorischen Arbeit nach Spanien, 24. 01. 1980, in: BArch, DR 1/10195, unpag. LfV, Abteilung Westeuropa, Konzeptionelle Vorstellungen zur Weiterführung der auslandsinformatorischen Arbeit nach Spanien, 24. 01. 1980, in: BArch, DR 1/10195, unpag. Zur Dekonstruktion des Mythos „Völkerfreundschaft“ als propagiertes Leitprinzip der DDR-Außenpolitik vgl. Wentker, Frieden und Völkerfreundschaft?, S. 155–176. LfV, Abteilung Westeuropa, Konzeptionelle Vorstellungen zur Weiterführung der auslandsinformatorischen Arbeit nach Spanien, 24. 01. 1980, in: BArch, DR 1/10195, unpag. Vgl. Kap. II.2.2. MfS, BV Berlin/Kreisdienststelle Marzahn, Bericht über die Situation in der Kreisleitung des Kulturbundes Berlin-Marzahn, 10. 12. 1980, in: BStU, MfS AP Nr. 3875/92, Bl. 9–10, hier: Bl. 10; BStU, MfS, HA XX, Nr. 11511, Bl. 213. Briefe Glücksmanns an den AHB Buchexport Leipzig, März 1978, in: BStU, MfS, HA XX, Nr. 11511, Bl. 181–190, hier: Bl. 181–182.
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
Es gelte daher, „persönliche und berufliche wie kommerzielle Beziehungen gerade auf dem kulturellen Gebiete herzustellen bzw. zu erweitern“, wozu „einmalig beiderseitig Organisationen für kulturelle oder allgemein freundschaftliche Beziehungen zwischen den Völkern beider Staaten“ gegründet werden sollten. Diese könnten antikommunistische Vorurteile in Spanien bekämpfen und zugleich „sowohl den kulturellen wie auch den Handelsinteressen unserer Republik“ dienen.565 Obwohl Glücksmann sein Engagement für eine Freundschaftsgesellschaft in „die Traditionen der brüderlichen internationalistischen Hilfe der deutschen Kommunisten für die spanische Republik“ stellte,566 reagierte die SED skeptisch auf die Initiative. Das MfS beobachtete misstrauisch insbesondere die „sehr gute[n] Beziehungen“ Glücksmanns zu Santiago Carrillo und Vertretern des PCE sowohl in Spanien als auch in der DDR. Diese nutze er „nicht zur positiven Einflussnahme“, sondern unterstütze die Exilspanier „in ihrer zum Teil demonstrativen Haltung gegenüber dem ZK der SED“.567 Obwohl Glücksmann betone, „im Interesse der DDR wirksam zu sein“ und jährlich auf Antrag der Sektion der ehemaligen Spanienkämpfer im KdAW zur Kontaktpflege nach Madrid reise, sei „nicht auszuschließen, dass er in subversiver Absicht bewusst eurokommunistisches Gedankengut unter den Kulturschaffenden der Hauptstadt [der DDR] verbreitet.“ 568 Sein Beispiel zeigt, dass die SED den Aufbau von Kulturbeziehungen ins postfranquistische Spanien als eine ausschließlich zentral gelenkte staatliche Angelegenheit behandelte, in der Eigeninitiativen und persönliche Kontakte unerwünscht waren. Entsprechend wurde Glücksmann vom AHB „Buchexport“ nicht mit Aufgaben in Spanien betraut;569 für das ostdeutsch-spanische Freundschaftskomitee blieb er in den 80er Jahren jedoch weiter tätig. Zeitgleich mit der Gründung der NFG „Wilhelm von Humboldt“ wurde das Solidaritätskomitee für das spanische Volk in der DDR aufgelöst, dessen Aufgabe nach den ersten demokratischen Wahlen in Spanien und dem Amnestiegesetz „als erfüllt“ erachtet wurde.570 Im Februar 1982 folgte „zur Unterstützung“ der Arbeit der NFG in der DDR die Konstituierung eines „Freundschaftskomitees DDR-Spanien“, dessen Präsident Werner Neugebauer wurde, Leiter der Abteilung Volksbildung der SED-Bezirksleitung Ost-Berlin.571 Generalsekretär der NFG „Guillermo Hum-
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Ebenda. Ebenda, Bl. 184–185. MfS, BV Berlin/Kreisdienststelle Marzahn, Bericht über die Situation in der Kreisleitung des Kulturbundes Berlin-Marzahn, 10. 12. 1980, in: BStU, MfS AP Nr. 3875/92, Bl. 9–10. Ebenda. Vgl. Briefe Glücksmanns an den AHB Buchexport Leipzig, März 1978, in: BStU, MfS, HA XX, Nr. 11511, Bl. 181–190, hier: Bl. 182. Solidaritätskomitee für das spanische Volk in der DDR, Brief Dahlems an die Mitglieder, 30. 07. 1977, in: SAPMO-BArch, DY 57/794, unpag. Vgl. LfV, Fortschreibung der Zeittafel über die Entstehung, Entwicklung, Aktivitäten und Höhepunkte der Freundschaftsbewegung zur DDR (1979–Juni 1983), undatiert, in: SAPMOBArch, DY 13/3016, unpag. sowie LfV, Abteilung Westeuropa, Konzeptionelle Vorstellungen zur Weiterführung der auslandsinformatorischen Arbeit nach Spanien, 24. 01. 1980, in: BArch, DR 1/10195, unpag.
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boldt“ in Spanien wurde Antonio Hormigón, sein Stellvertreter Andrés Martínez Lorca, Philosophieprofessor an der renommierten Fernuniversität UNED.572 Im Jahr 1987 zählte sie mit acht regionalen Gruppen – darunter die wichtigsten in Madrid, Barcelona, Gijón (Asturien), Zaragoza und Alicante – ca. 800 Mitglieder, die nicht ausschließlich, jedoch überwiegend dem PCE, einem seiner Regionalverbände oder Abspaltungen angehörten oder nahestanden. 40 Prozent der Anhänger zählten zur starken Regionalorganisation der NFG in Asturien, das als Bergarbeiterprovinz einen Schwerpunkt der DDR-Auslandsarbeit in Spanien bildete.573 Obwohl der spanische Vorstand laut LfV seine Anstrengungen zu Beginn besonders darauf konzentrierte, „Persönlichkeiten verschiedenster Bereiche des gesellschaftlichen Lebens für eine Mitarbeit in der Gesellschaft zu interessieren“ und „breiteste Kreise der spanischen Bevölkerung zu einem Umdenken über den real existierenden Sozialismus zu veranlassen“,574 gelang es der NFG bis Ende der 1980er Jahre „trotz gewachsener Autorität auf regionaler Ebene“ nicht, „einflussreiche Vertreter aus Politik und Wirtschaft von nationalem Rang […] im erforderlichen Maße in ihre Arbeit einzubeziehen.“ 575 Gründe für den ausbleibenden landesweiten Erfolg sind in erster Linie in den ambitionierten Zielen der NFG zu suchen. Durch die Namensreferenz auf Wilhelm von Humboldt glaubten die spanischen Vertreter, „breiteste gesellschaftliche Kräfte in ihren Reihen […] vereinen“ zu können und wollten neben Persönlichkeiten aus den Bereichen Wissenschaft, Kultur und Journalismus auch Vertreter der Arbeiterkommissionen, des PSOE, der UCD und sogar „Repräsentanten des katholischen Klerus“ und des Franziskaner-Ordens für eine Mitgliedschaft bzw. Mitarbeit gewinnen.576 Dabei setzten sie einerseits – wie bereits das spanische Außenministerium unter Franco – auf undifferenzierte, weithin positive „Vorstellungen über deutschen Fleiß, deutsche Wertarbeit und die Bereicherung der Weltkultur durch deutsche Wissenschaftler und Humanisten“, andererseits jedoch auch „auf das Ansehen der deutschen Interbrigadisten im spanischen Bürgerkrieg“ und mutmaßlich „negative Erfahrungen“ spanischer Gastarbeiter in der Bundesrepublik.577 Doch obwohl die bundesdeutsche Botschaft in ihrem Beobachtungsbericht
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Vgl. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Kurzinformation über die „Spanische Gesellschaft ‚Wilhelm von Humboldt zum Kennenlernen der DDR‘“, Februar 1987, in: SAPMO-BArch, DY 13/30489, Bl. 130–134, hier: Bl. 131. Vgl. ebenda. Zur Beobachtung, dass Asturien „Vorrang“ in der auswärtigen Kulturarbeit der DDR hatte, vgl. auch Botschaft der Bundesrepublik in der DDR, Bericht betr. außenpolitische Aktivitäten der DDR in Spanien, hier: Bericht für den Zeitraum 1981/82, 11. 10. 1982, in: PA AA, MADR 12682, unpag. LfV, Abteilung Westeuropa, Konzeptionelle Vorstellungen zur Weiterführung der auslandsinformatorischen Arbeit nach Spanien, 24. 01. 1980, in: BArch, DR 1/10195, unpag. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Kurzinformation über die „Spanische Gesellschaft ‚Wilhelm von Humboldt zum Kennenlernen der DDR‘“, Februar 1987, in: SAPMO-BArch, DY 13/30489, Bl. 130–134, hier: Bl. 132. LfV, Abteilung Westeuropa, Konzeptionelle Vorstellungen zur Weiterführung der auslandsinformatorischen Arbeit nach Spanien, 24. 01. 1980, in: BArch, DR 1/10195, unpag. Ebenda.
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über die Tätigkeit der DDR in Spanien für die Jahre 1981/82 anerkannte, dass diese durchaus „als gute Verwalterin des [deutschen] Kulturerbes auf künstlerischem Gebiet“ auftrete und die regionalen „Humboldt-Freundschaftsgesellschaften […] bekannte Germanisten und darüber hinaus weitere traditionell Deutschland zugewandte Spanier zu ihren Mitgliedern“ zählte,578 konnte auch die NFG das historisch gewachsene und finanziell umgangreich geförderte Kulturmonopol der Bundesrepublik nicht brechen. Hinzu kamen organisatorische und finanzielle Schwierigkeiten sowie Mitte der 80er Jahre Streitigkeiten unter den Mitgliedern des Präsidiums.579 Letztere waren auf den Konflikt zwischen den „Bruderparteien“ SED und PCE zurückzuführen, der auch in der Freundschaftsgesellschaft ausgetragen wurde. Botschafter Harry Spindler, der im Februar 1986 als Nachfolger Ernst Walkowskis in Spanien akkreditiert wurde,580 sah die „Zerrissenheit“ der spanischen Linken in der NFG widergespiegelt und kritisierte insbesondere den Madrider Regionalverband für „linkssektiererische Auffassungen“, die seiner Meinung nach von einer Einflussnahme des PCE herrührten.581 Die PCE-Führung kritisierte dagegen die politische Instrumentalisierung der NFG durch die SED und forderte ihre „strikte Zentralisierung in Madrid“, um zu verhindern, dass aus ihr „ein Bumerang gegen die KPS selbst wird.“ 582 Entgegen dieser Forderung unterstützten die LfV und die DDR-Botschaft Anfang der 1980er Jahre insbesondere „Initiativen zur Bildung neuer DDR-Freundschaftsgruppen“ in den spanischen Provinzen.583 Mitte der 80er Jahre konstatierten sie, dass gerade die regionalen NFG „sehr wirkungsvolle Aktivitäten mit hoher auslandsinformatorischer Wirkung“ 584 durchführten und erst „mit der Gründung eigenständiger Gruppen […] eine Aktivierung der Tätigkeit der Gesellschaft“ eingetreten sei.585 In einer beinahe euphorischen Berichterstattung über den Erfolg 578
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Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Bericht betr. außenpolitische Aktivitäten der DDR in Spanien, hier: Bericht für den Zeitraum 1981/82, 11. 10. 1982, in: PA AA, MADR 12682, unpag. Vgl. LfV, Abteilung Westeuropa, Konzeptionelle Vorstellungen zur Weiterführung der auslandsinformatorischen Arbeit nach Spanien, 24. 01. 1980, in: BArch, DR 1/10195, unpag.; ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Kurzinformation über die „Spanische Gesellschaft ‚Wilhelm von Humboldt zum Kennenlernen der DDR‘“, Februar 1987, in: SAPMO-BArch, DY 13/30489, Bl. 130–134, hier: Bl. 132. Vgl. Spindler, Harry, in: Baumgartner/Hebig (Hrsg.), Biographisches Handbuch, S. 876. Botschaft der DDR in Madrid, Protokoll der Dienstbesprechung beim Botschafter am 27. März 1986, 31. 03. 1986, in: SAPMO-BArch, DY 30/13500, Bl. 34–38, hier: Bl. 36. Botschaft der DDR in Madrid, Vermerk über ein Gespräch im ZK der KPS am 27. 3. 1981, 27. 03. 1981, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 164–167, hier: Bl. 167. Vgl. dazu auch die Auswertung des Gesprächs des PCE-Exekutivkomiteemitglieds Bornoa mit Botschaftssekretär Schulze und LfV-Vertreter Manneberg im März 1981 in Kap. III.4.2. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Walkowski an den stellvertretenden Außenminister Nier, 02. 07. 1981, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 185–193, hier: Bl. 191. Botschaft der DDR in Madrid, Protokoll der Dienstbesprechung beim Botschafter am 27. März 1986, 31. 03. 1986, in: SAPMO-BArch, DY 30/13500, Bl. 34–38, hier: Bl. 35. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Kurzinformation über die „Spanische Gesellschaft ‚Wilhelm von Humboldt zum Kennenlernen der DDR‘“, Februar 1987, in:
5. Der Beginn institutionalisierter Kultur- und Wirtschaftsbeziehungen
283
einer „DDR-Woche“ in Asturien zum 35. Jahrestag der Gründung der DDR im Jahr 1984, die einen „wahrhaft[en] Volksfestcharakter“ gehabt habe, sah Botschafter Walkowski „den Beweis erbracht“, dass trotz des großen persönlichen Engagements des Madrider Oberbürgermeisters Tierno Galván „auslandsinformatorische Aktivitäten außerhalb Madrids viel umfangreicher und wirkungsvoller durchführbar sind als die in der Hauptstadt selbst.“ 586 Sie koinzidierten mitunter mit den Interessen regionaler Autonomiebewegungen, die die Zentralisierung des Landes und Dominanz Madrids ohnehin ablehnten. 1987 beispielsweise traten nach einer „Kulturwoche der DDR“ in Galicien der Direktor der galicischsprachigen Wochenzeitung „A nosa terra“ und der Präsident einer galicischen Kulturvereinigung an den Kulturattaché der DDR-Botschaft heran und signalisierten Interesse an der Gründung einer regionalen Freundschaftsgesellschaft, die „in Galicien ‚autonom‘ wirken müsste und keine Unterordnung unter eine zentrale, nationale Leitung“ erforderlich mache.“ 587 Der Erfolg der NFG-Regionalgruppen wurde gefördert durch die in der ersten Hälfte der 1980er Jahre geknüpften kommunalen Beziehungen und Städtepartnerschaften. Das MfAA hatte dazu Ende 1977 eine Konzeption erarbeitet, die zunächst die Aufnahme offizieller Partnerschaften zwischen Madrid und Ost-Berlin sowie Barcelona und einer weiteren Stadt in der DDR vorsah.588 LfV und NFG organisierten zu diesem Zweck im März 1980 einen Studienaufenthalt spanischer Kommunalpolitiker in der DDR, der insofern ein Erfolg war, als danach einige spanische Kommunen ihr Interesse an einer kulturpolitischen Zusammenarbeit mit der DDR bekundeten.589 Aus Badajoz, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz in der Extremadura, traten der Oberbürgermeister, ein Vorsitzender der Provinzverwaltung und das Führungsgremium einer lokalen Kulturvereinigung mit dem Vorschlag zur Etablierung offizieller Kulturbeziehungen an Botschafter Walkowski heran, den sie in einem Brief an Erich Honecker untermauerten. Als „sozial- und kulturpolitisch vernachlässigte Agrarprovinz“ versuchte Badajoz ihrer Aussage nach seine kulturellen Aktivitäten zu verstärken, wozu sie als erste Maßnahmen den Austausch von landeskundlichen Ausstellungen sowie DDR-Kulturtage vor Ort anregten.590 Durchaus bemerkenswert fand Botschafter Walkowski
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SAPMO-BArch, DY 13/30489, Bl. 130–134, hier: Bl. 132. Vgl. Bl. 133 für eine Listung größerer kulturpolitischer Aktivitäten der NFG in unterschiedlichen spanischen Provinzen. Botschaft der DDR in Madrid, Brief Walkowskis an den Leiter der Abteilung Auslandsinformation im MfAA, 28. 11. 1984, in: SAPMO-BArch, DY 30/13554, Bd. 3, Bl. 120–124, hier: Bl. 124. Botschaft der DDR in Madrid, Aktennotiz an die Abteilung Internationale Verbindungen im ZK der SED, LfV und MfAA, 14. 04. 1987, in: SAPMO-BArch, DY 30/13558, Bd. 7, Bl. 136– 137, hier: Bl. 136. MfAA, AG Parlamentarische und Kommunale Beziehungen, Vermerk, 07. 11. 1977, in: PA AA, M 1, C 2963, Bl. 39. Vgl. LfV, Abteilung Westeuropa, Vermerk über eine Unterredung mit dem Stadtrat von Madrid und Mitglied des ZK der KP Spaniens, Gen. Juan Francisco Pla, am 22. 3. 80, 03. 04. 1980, in: PA AA, M 1, C 2963, Bl. 31–32. Botschaft der DDR, Telegramm des Botschafters Walkowski ans MfK und MfAA, 17. 06. 1980, in: BArch, DR 1/10195, unpag.
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
dabei, dass Provinz und Stadt Badajoz von der UCD regiert wurden, die als Regierungspartei in Madrid eigentlich eine „deutliche politische Rechtsentwicklung“ durchlaufe;591 wie bereits gezeigt war insbesondere die Regierung Calvo-Sotelos in einer forcierten Westorientierung tatsächlich bestrebt, die politischen und kulturpolitischen Beziehungen zu den sozialistischen Ländern zu minimieren.592 Der Botschafter drängte daher auf eine zügige Beantwortung der Kontaktinitiative, wobei er empfahl, das „Schwergewicht“ einer Zusammenarbeit in diesem Fall „tatsächlich auf kulturell-informatorische Aspekte“ zu legen und von einer allzu offensichtlichen ideologisch-politischen Einflussnahme abzusehen.593 Ende des Jahres beschloss daraufhin der Rat der Bezirks Frankfurt (Oder) auf Vorschlag der „Arbeitsgemeinschaft Parlamentarische und Kommunale Beziehungen“ im MfAA die Aufnahme einer offiziellen Städtepartnerschaft mit Badajoz.594 Eine solche kam 1981 außerdem zwischen Leipzig und Zaragoza zustande. In der Empfehlung des MfAA an den Bezirksrat Leipzig hieß es diesbezüglich, dass die Initiative der dortigen Kommunalverwaltung auch dazu genutzt werden müsse, die „gegenwärtige Inaktivität“ der NFG in Aragón zu überwinden.595 Dieses Kalkül einer fruchtbaren Symbiose aus Städtepartnerschaft und regionaler Freundschaftsgesellschaft ging insofern auf, als letztere mit der Aufnahme der kommunalen Beziehungen in der Tat zu einer aktiven Partnerorganisation der LfV und der Botschaft in Spanien wurde und sich über die Kontakte mit Leipzig hinaus in den Kulturbeziehungen zur DDR engagierte. Ein frühes Beispiel dafür ist das Gastspiel des Berliner Ensembles auf dem Theaterfestival in Zaragoza im Sommer 1982, das auf Initiative der Stadtverwaltung zustande kam. Diese war nach Einschätzung des mitgereisten stellvertretenden BE-Intendanten wie andere spanische Provinzverwaltungen in der Transición darum bemüht, die infolge der Franco-Diktatur „entstandene Unterentwicklung auf geistig-kulturellem Gebiet schrittweise zu überwinden und Anschluss an das internationale Kulturleben zu finden“.596 Zugleich erfuhr sie intensive Unterstützung durch die „Humboldt-Gesellschaft“ in Zaragoza, die anlässlich des BE-Gastspiels eine Ausstellung über ostdeutsches Theater organisierte und „Informationsmaterial“ über die DDR verteilte. In seinem Bericht über den Aufenthalt in Zaragoza schätzte der Vertreter des Berliner Ensembles ein, „dass die Mitglieder der Freundschaftsgesellschaft“, die teilweise dem PCE angehörten, „großen Anteil“ an der Einladung des BE gehabt hätten und „angesichts der schlechten Theatersituation in der Stadt […] ein enormes Interesse am Erfahrungsaustausch mit
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Ebenda. Vgl. Kap. III.4.1. Botschaft der DDR, Telegramm des Botschafters Walkowski ans MfK und MfAA, 17. 06. 1980, in: BArch, DR 1/10195, unpag. LfV, AG Parlamentarische und Kommunale Beziehungen, Brief des Abteilungsleiters Winkler an Walkowski, 21. 07. 1982, in: PA AA, M 1, C 2962, Bl. 7–8, hier: Bl. 7. MfAA, Abteilung Westeuropa, Hausmitteilung an die AG Parlamentarische und Kommunale Beziehungen, 07. 08. 1981, in: PA AA, M 1, C 2962, Bl. 32. Berliner Ensemble, Bericht über das Gastspiel des Berliner Ensembles in Zaragoza/Spanien, 15. 07. 1982, in: BArch, DR 1/10195, unpag.
5. Der Beginn institutionalisierter Kultur- und Wirtschaftsbeziehungen
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der DDR“ zeigten.597 Bis 1984 wurden neben Ost-Berlin/Madrid, Frankfurt (Oder)/ Badajoz und Leipzig/Zaragoza außerdem offizielle Städtepartnerschaften zwischen Dresden und Barcelona sowie Magdeburg und Valencia geschlossen.
5.2 Wirtschafts- und Handelsbeziehungen Während das geschilderte Interesse in erster Linie dem „Kulturland“ DDR galt, legte Spanien auf staatlicher Ebene von Beginn an ein „Schwergewicht auf die Handelsverbindungen“, wie Botschafter Germán de Caso Ridaura bei seinem Antrittsbesuch gegenüber dem DDR-Volkskammerpräsidenten Horst Sindermann betonte.598 Dies lag u. a. darin begründet, dass sich das postfranquistische Spanien analog zur Außenpolitik auch auf dem Gebiet der Wirtschaft mit der Notwendigkeit konfrontiert sah, nach fast vierzigjähriger Franco-Diktatur einige Versäumnisse aufzuholen. Zum einen bemühte sich die Regierung Suárez darum, „die Industrialisierung verstärkt weiterzuführen“,599 zum anderen strebte sie mit Blick auf eine Integration in die EWG an, in den Handelsbeziehungen zum Ostblock „ein den anderen westeuropäischen Staaten ebenbürtiger Partner“ zu sein.600 Doch obwohl die Handelsbüros in Madrid und Ost-Berlin ihre Tätigkeit während des Beziehungsabbruchs nicht eingestellt hatten und die bilateralen Wirtschaftskontakte 1977 nicht gänzlich neu geknüpft werden mussten, machte die DDR-Botschaft nach ihrer Wiedereröffnung auch auf diesem Gebiet Schwierigkeiten aus. Botschafter Korth berichtete von einer mangelnden Entscheidungsfähigkeit der „wirtschaftsleitenden Institutionen“ in Spanien, da die Regierung Suárez „eine Art Bestandsaufnahme“ ihrer Außenwirtschaftsbeziehungen vornehme und sich daher zunächst „mit Grundfragen des künftigen Profils“ der Außenhandelspolitik beschäftige; dies wirke sich negativ „auf die Realisierung angebahnter Geschäfte und abgeschlossener Verträge“ aus.601 Tatsächlich blieb eine „Komplexdelegation“, die das MfA im Oktober 1977 nach Madrid entsandte, um im spanischen Handelsministerium ein langfristiges Handelsabkommen abzuschließen, zunächst erfolglos.602 Das MAE hatte diesbezüglich deutlich an Botschafter de Caso Ridaura kommuniziert, dass man mit den ostdeutschen Vertretern noch „keine konkre-
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Ebenda. MfAA, Abteilung Nordeuropa, Vermerk über ein Gespräch des Mitglieds des Politbüros des ZK der SED und Präsidenten der Volkskammer, Genossen Horst Sindermann, mit dem spanischen Botschafter German [sic!] de Caso Ridaura am 11. 10. 1977, 12. 10. 1977, in: BArch DA 1/16493, unpag. Ebenda. MfAA, Abteilung Westeuropa, Zur Außenpolitik Spaniens, 10. 09. 1977, in: PA AA, M 1, C 3576, Bl. 24–28, hier: Bl. 25. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Korth an Plaschke, 19. 07. 1977, in: PA AA, M 1, C 3590, Bl. 61–62. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Korth an Plaschke, 11. 10. 1977, in: PA AA, M 1, C 3590, Bl. 65–69, hier: Bl. 66.
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
ten Verhandlungen über ein etwaiges neues Handelsabkommen“ zu führen gedenke.603 Daneben äußerte Korth nach Gesprächen, die er anlässlich seiner Akkreditierung mit König Juan Carlos geführt hatte, die Sorge, dass die spanischen „Erwartungen bezüglich des Nutzens einer Zusammenarbeit mit der DDR, insbesondere auf ökonomischem Gebiet, […] möglicherweise von uns nicht so erfüllt werden können“.604 Er begründete dies mit einer ungewöhnlich deutlichen Kritik an der Arbeit des Außen- sowie Außenhandelsministeriums in Ost-Berlin, die er in einem ausführlichen Brief an MfAA-Staatssekretär Herbert Krolikowski im August 1978 darlegte. Als „einen der wesentlichen Mängel“ machte er das Fehlen „einer handelspolitischen Konzeption für die außenwirtschaftliche Zusammenarbeit mit Spanien“ aus und kritisierte als „unbefriedigend, […] dass das Vertreternetz weder quantitativ noch qualitativ den gewachsenen Anforderungen entspricht“ sowie „ernsthafte Mängel in der Warenbereitstellung sowie in der Qualität gelieferter Erzeugnisse“ nach Spanien.605 Die Arbeit der Botschaft vor Ort werde seiner Ansicht nach erschwert durch „Mängel und Schwächen […] in der Anleitung und Zusammenarbeit mit der Zentrale“, von der er forderte, „auf Fragen und Hinweise der AV [Auslandsvertretung] schneller und konstruktiv zu reagieren“ und Aufgabenstellungen an die Botschaft sowie Absichten gegenüber spanischen Gesprächspartnern und Konzernen „sorgfältiger und konkreter zu formulieren.“ 606 Hemmend für die Handelsbeziehungen waren laut Korth außerdem starre Planauflagen, wodurch auf Gegebenheiten vor Ort und Bedürfnisse der spanischen Partner entweder nicht eingegangen werden könne oder Diskrepanzen zwischen den Planauflagen und den Vertragsbindungen entstünden. So seien beim Export im Jahr 1978 die Vertragsbindungen gegenüber Spanien zum Halbjahr bereits wesentlich höher gewesen als die Vorgaben des Staatsplans.607 An dieser Inflexibilität der DDR-Außenhandelspolitik scheiterten denn auch die Verhandlungen der gemischten Regierungskommission, die im Mai 1978 auf Grundlage des noch 1974 mit Franco-Spanien geschlossenen Handelsabkommens in Madrid erstmals tagte. Sie sollte über Maßnahmen zur Erweiterung des nach wie vor geringen Warenaustauschs sowie erneut über den Abschluss eines langfristigen Handelsabkommen beraten.608 Die ostdeutsche Delegation ließ die Verhandlungen jedoch platzen, da Spanien an einer Schutzklausel für die Lizenzvergabe für Importe aus der DDR
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MAE, Telegramm Nr. 91 an die Botschaft Spaniens in Ost-Berlin, 12. 09. 1977, in: AGA, Fondo A. Ex., (10)0000, 12/2497. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Korth an Plaschke, 07. 07. 1977, in: PA AA, M 1, C 3590, Bl. 55–56, hier: Bl. 56. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Korth an Krolikowski, 22. 08. 1978, in: PA AA, M 1, C 3590, Bl. 72–78, hier: Bl. 73. Ebenda, Bl. 77–78. Ebenda, Bl. 72. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Verträge, Abkommen und Tagungen gemischter Gesellschaften zwischen der DDR und Spanien auf dem Gebiet des Handels, 1978–79, Bl. 1–35, hier: Bl. 6.
5. Der Beginn institutionalisierter Kultur- und Wirtschaftsbeziehungen
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festhielt. Das Madrider Handelsministerium wollte damit eine ausgeglichene Handelsbilanz sicherstellen, da diese 1978 erstmals wieder positiv für die DDR ausgefallen war.609 Die DDR dagegen fürchtete durch die ihrer Ansicht nach „einseitige[n] und willkürliche[n] Lizenzierungsmaßnahmen“ und den angestrebten EWG-Beitritt Spaniens Handelsnachteile gegenüber den westeuropäischen Staaten.610 Diese Sorge fiel zusammen mit der seit 1977 zugespitzten schlechten wirtschaftlichen Situation der DDR, die durch eine zunehmend knappe Devisenlage und wachsende Auslandsverschuldung verursacht worden war. Vor dem Hintergrund, dass in dieser Situation ökonomische Interessen eine größere Bedeutung in der DDR-Außenpolitik erlangten, neue Absatzmärkte und Rohstoffquellen gewonnen sowie die starke wirtschaftliche Fixierung auf die Sowjetunion aufgegeben werden sollten,611 war das Scheitern des Handelsabkommens mit Spanien, das im Wesentlichen Agrarprodukte und Rohstoffe in die DDR exportierte und industrielle Güter aus der DDR importierte, kontraproduktiv.612 Entsprechend schickten sich MfAA und MfA an, die Aufnahme erneuter Verhandlungen zu forcieren, wobei die Vorschläge von Botschafter Korth zu einer flexibleren Gestaltung der Handelsbeziehungen und einer stärkeren Berücksichtigung der Bedingungen im postfranquistischen Spanien keine Beachtung fanden. Korth wurde im November 1978 nach weniger als eineinhalb Jahren Amtszeit unter dem Vorwurf der „Selbstüberschätzung“ aus Spanien abberufen.613 Das schließlich am 17. Dezember 1979 in Madrid durch den spanischen Handels- und Tourismusminister Juan Antonio García Díez und MfA-Staatssekretär Gerhard Beil unterzeichnete Handelsabkommen stellte denn auch einen Kompromiss dar. Zur „Einsparung von Valutamitteln“ bestand die DDR weiterhin auf Kompensationsgeschäften,614 was im Madrider Handelsministerium für „Ärger“ sorgte, da die Firmenstruktur in Spanien den Vertrieb von Waren, die durch solche
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Vgl. die Beobachtung der gescheiterten Verhandlungen durch die Bundesrepublik: Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin, Fernschreiben ans AA und die Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, 16. 10. 1978, in: PA AA, MADR 12682, unpag. MfAA, Abteilung Westeuropa, Verträge, Abkommen und Tagungen gemischter Gesellschaften zwischen der DDR und Spanien auf dem Gebiet des Handels, 1978–79, Bl. 1–35, hier: Bl. 8. Zur Verquickung von Wirtschafts- und Außenpolitik im Zuge der ökonomischen Krise der DDR Ende der 1970er Jahre vgl. Leptin, Wirtschaftspotential, S. 154. Vgl. einen Bericht der bundesdeutschen Botschaft, der auf Zahlen und Tabellen des spanischen Handelsministeriums zum Außenhandel mit der DDR basiert: Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Bericht des Botschafters Lahn betr. Spaniens Außenhandel mit Drittstaaten, hier: DDR, 12. 09. 1978, in: PA AA, MADRI, Bd. 36371, unpag. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Bericht über den operativen Einsatz der Genossen Heinz Lehmann (Sektorenleiter) und Wilfried Kittler (politischer Mitarbeiter) in der Abteilung Internationale Verbindungen anlässlich der Wahlberichtsversammlung in Madrid vom 8. bis 13. 12. 1978, undatiert, in: SAPMO-BArch, DY 30/13500, Bl. 4–12, hier: Bl. 9. MfAA, Brief des stellvertretenden Außenministers Nier an Walkowski, undatiert, vermutlich 1979, in: PA AA, M 1, C 3590, Bl. 80–81, hier: Bl. 80.
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
Geschäfte erworben wurden, erschwerte bzw. mitunter nicht zuließ.615 Als „misslich“ wurde außerdem empfunden, dass das spanische Handelsdefizit gegenüber der DDR „bei absolut zwar kleinen Zahlen prozentual jedoch bedeutend“ war und ein Ausgleich der Bilanz dadurch verhindert wurde, dass die DDR nur bei großen Abnahmen ostdeutschen Waren zu Gegenkäufen bereit war.616 Das MfA dagegen bemängelte die Befristung des Abkommens auf drei Jahre, da Spanien ursprünglich eine mindestens fünfjährige Laufzeit in Aussicht gesellt hatte;617 einen unbefristeten Vertrag lehnte es nun vermutlich wegen seiner Bewerbung um eine EWG-Vollmitgliedschaft ab. Dennoch bedeutete das Handelsabkommen, das bis zum Regierungsantritt des PSOE neben dem Kulturabkommen von 1978 das einzige bilaterale Vertragswerk auf staatlicher Ebene bleiben sollte, erstens das Ende „gewisser Spannungen in den beiderseitigen Handelsbeziehungen“, zweitens deren Institutionalisierung und drittens den Beginn einer spürbaren Steigerung der Handelstätigkeit.618 In einem für beide Seiten erfolgreichen Initialgeschäft wurde im Zuge der Vertragsunterzeichnung etwa ein Abkommen über den Bau von eintausend Eisenbahnwaggons im Wert von 42,5 Millionen US-Dollar vereinbart, die ein Konsortium mehrerer spanischer Firmen innerhalb von zwei Jahren an den „VEH DIA Maschinen-Export“ zu liefern hatte. Es war durch die Zustimmung des Madrider Handelsministeriums zu einem Kompensationsgeschäft im Umfang von 60 Prozent des Gegenwerts in ostdeutschen Waren zustande gekommen und bedeutete beinahe eine Verdopplung des spanischen Exportvolumens in die DDR.619 Botschafter de Caso Ridaura gab an, dass seine Bemühungen eine entscheidende Rolle bei diesem „in seiner Bedeutung nicht zu verachtenden Geschäft“ gespielt hätten. Er verwies gegenüber dem MAE auf seine guten Kontakte in die Handelsministerien in Madrid und Ost-Berlin, die es ihm ermöglichten, einen „gewissen Einfluss auf die Ankurbelung und den Ausbau des Handels mit der DDR zu nehmen.“ 620 Obwohl die wirtschaftlichen Bedingungen Anfang der 1980er Jahre durch den Verfall der Peseta gegenüber dem Dollar und durch eine Dürreperiode in Spanien erschwert wurden,621 ergaben sich für die DDR insbesondere durch den von den 615
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Vgl. die Einschätzung der bundesdeutschen Botschaft unter Bezugnahme auf eine Veröffentlichung des spanischen Handelsministeriums: Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Bericht des Botschafters Lahn betr. Spaniens Außenhandel mit Drittstaaten, hier: DDR, 12. 09. 1978, in: PA AA, MADRI, Bd. 36371, unpag. Vgl. ebenda. Der Anteil Spaniens am Außenhandel der DDR war trotz Steigerung nach wie vor sehr gering: Er betrug 1970 0,06%, 1976 0,13% und 1980 0,16%. Vgl. MfA, Direktionsbereich Kapitalistische Industrieländer, Brief des Leiters Steyer an Plaschke, 01. 03. 1978, in: PA AA, M 44, ZR 1854/86, unpag. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Bericht des Botschafters Lahn betr. Spaniens Außenhandel mit Drittstaaten, hier: DDR, 12. 09. 1978, in: PA AA, MADRI, Bd. 36371, unpag. Vgl. ebenda. Botschaft Spaniens in Ost-Berlin, Telegramm Nr. 200 des Botschafters de Caso Ridaura ans MAE, 10. 12. 1979, in: AGA, Fondo A. Ex., (10)0000, 12/2611, unpag. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Walkowski an den stellvertretenden Außenminister Nier, 02. 07. 1981, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 185–193, hier: Bl. 189–190.
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Regierungen Suárez’ und Calvo-Sotelos forcierten Ausbau der spanischen Industrie neue Absatzmöglichkeiten, die dem Außenhandelsprofil der ostdeutschen Wirtschaft entsprachen. Für den Ausbau von Kohlehäfen in Gijón und Algeciras lieferte die DDR beispielsweise Erzeugnisse des Maschinen-, Fahrzeug- und Werkzeugmaschinenbaus. Für ihre Produktion von Eisenbahndrehkränen für die Erweiterung des Schienennetzes der spanischen Staatsbahn „Renfe“ wurde sie laut Botschafter Gómez-Acebo in „kompetenten spanischen Wirtschaftskreisen […] hoch geschätzt“.622 Zu DDR-Firmen „mit besonderer Erfahrung in Spanien“ wurden im Laufe der 80er Jahre das Kombinat Takraf,623 die Seerederei Rostock, das Druckmaschinenwerk Planeta, das Elektrogerätewerk Suhl sowie Carl Zeiss Jena. Spanien wiederum konnte sich 1981 erneut einen großen Exportauftrag von eintausend Güterwaggons sichern.624 Eine wichtige Figur für die Förderung der bilateralen industriellen Kooperation war der spanische Industrieminister Ignacio Bayón (UCD), der in engem Kontakt mit MfA-Staatssekretär Beil stand und sich neben Aufträgen für die DDR im spanischen Hafenausbau auch für eine Beteiligung ostdeutscher Betriebe in der spanischen Energiewirtschaft einsetzte.625 Im Januar 1982 verlieh er seinem Interesse an der ostdeutschen Industrie durch einen offiziellen Besuch in der DDR Ausdruck, bei dem er neben Außenminister Fischer und Staatssekretär Beil auch den Minister für Schwermaschinen- und Anlagenbau, Rolf Kersten, und den Minister für Kohle und Energie, Wolfgang Mitzinger, traf sowie ein gemeinsames Kommuniqué unterzeichnete.626 Der DDR kam dabei die innenpolitische Instabilität der späten Suárez- und der Calvo-Sotelo-Regierung zugute: Bayón signalisierte Botschafter Walkowski im Gespräch, dass „[f]ür die jetzigen Regierungsmitglieder […] der Nachweis, für den spanischen Export zu wirken, äußerst wichtig“ sei.627 In seiner Amtszeit wurde 1982 mit der Schaffung einer „Arbeitsgruppe Industrielle Kooperation“ im Rahmen der gemischten Regierungskommission ein weiterer wichtiger Schritt in der Institutionalisierung der Wirtschaftsbeziehungen unternommen, der
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Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Botschafters Walkowski an den stellvertretenden Außenminister Kurt Nier, 23. 07. 1981, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 194–195, hier: Bl. 194. Zum Absatz industrieller Erzeugnisse vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Walkowski an den stellvertretenden Außenminister Nier, 02. 07. 1981, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 185–193, hier: Bl. 190–191. „Tagebau-Ausrüstungen, Krane und Förderungsanlagen“. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, HPA, Informationen über die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen der DDR mit dem Königreich Spanien, 17. 09. 1990, in: PA AA, PA AA, MADRI, Bd. 27720, unpag. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Botschafters Walkowski an den stellvertretenden Außenminister Kurt Nier, 23. 07. 1981, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 194– 195, hier: Bl. 190. Vgl. die äußerst positive und umfangreiche DDR-Berichterstattung über den Besuch Bayóns vom 20.–21. Januar 1981 in: ND vom 21. 01. 1982, S. 1–2; ND vom 22. 01. 1982, S. 1, 6. Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Botschafters Walkowski an den stellvertretenden Außenminister Kurt Nier, 23. 07. 1981, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 194–195, hier: Bl. 190–191.
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
wesentlich zur „Herausprofilierung neuer Zusammenarbeitsgebiete“ beitrug.628 Ebenfalls 1982 fanden unter der Schirmherrschaft des Präsidenten des Obersten Rats der Handelskammer Spaniens und unter einiger medialer Aufmerksamkeit „Technische Tage der DDR“ in Spanien statt, die laut der Kammer für Außenhandel der DDR „eine optimale Unterstützung der DDR-Industrie bei der Entwicklung der ökonomischen Beziehungen zu Spanien“ darstellten und an die Bemühungen insbesondere des ersten Botschafters Peter Lorf anknüpften, die DDR als modernes Industrieland und attraktiven Wissenschafts- und Technikstandort zu präsentieren.629 Von der bundesdeutschen Botschaft in Madrid wurde dies mit einer gewissen Beunruhigung beobachtet, ebenso wie der Besuch Bayóns in der DDR und eine sich daran anschließende Delegation aus Vertretern des spanischen Industrieministeriums und des staatlichen Industrieverbands INI. Da der Vorsitz der DDR-Empfangsdelegation nicht beim MfA sondern beim MfAA lag, stellten die Besuche laut bundesdeutscher Botschaft „[z]weifellos […] eine Politisierung“ der Wirtschaftsbeziehungen dar, was, so die Befürchtung, „spanischerseits mit vermehrter Aufmerksamkeit“ beantwortet werden könnte.630 Tatsächlich wurden im Zuge der verstärkten industriellen Zusammenarbeit ab den frühen 80er Jahren einige Ausschreibungen „im Konkurrenzkampf mit den BRD-Firmen zugunsten der DDR entschieden“ 631 und die DDR wusste größere Geschäftsabschlüsse als Erfolge zu propagieren, etwa den Kauf des Raumflugplanetariums bei Carl Zeiss Jena oder den der Eisenbahnwaggons aus spanischer Produktion. Ähnlich wie auf außenund parteipolitischem Gebiet stellten jedoch auch die handelspolitischen Aktivitäten der DDR im postfranquistischen Spanien zu keinem Zeitpunkt eine ernsthafte Bedrohung für die Bundesrepublik dar, deren Unternehmen fest etabliert und bei Investitionsprojekten die prioritären Partner der spanischen Industrie waren. Auch in den Wirtschaftsbeziehungen zeichneten sich im Lauf der Transición vermehrt Verstimmungen mit den spanischen Kommunisten und eine Hinwendung zu den Sozialisten ab. In einem ausführlichen Bericht über sämtliche von 1968 bis 1985 abgewickelten Geschäfte zwischen DDR-Firmen und spanischen Außenhandelsbetrieben, die vom PCE vertreten wurden, kritisierte das PCE-Handelsbüro für die Zeit ab 1977 einen Rückgang „der getätigten Operationen“. Es führte ihn darauf zurück, dass die ostdeutschen AHB „offensichtlich höhere Instruktionen“ dahingehend erhielten, Geschäfte nicht mehr nur ausschließlich über die Vermittlung des PCE, sondern auch des PSOE abzuschließen.632 Die Abteilung 628
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Botschaft der DDR in Madrid, HPA, Informationen über die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen der DDR mit dem Königreich Spanien, 17. 09. 1990, in: PA AA, PA AA, MADRI, Bd. 27720, unpag. KfA, Technische Tage Spanien 1982, Oktober 1982, in: BArch, DL 200/313, unpag. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Vermerk betr. Beziehungen Spanien-DDR, 24. 06. 1982, in: PA AA, MADR 12682, unpag. Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Botschafters Walkowski an den stellvertretenden Außenminister Kurt Nier, 23. 07. 1981, in: SAPMO-BArch, DY 30/13552, Bl. 194–195, hier: Bl. 190. Handelsbüro des PCE, Bericht, undatiert, vermutlich Anfang 1986, in: SAPMO-BArch, DY 30/17807, unpag. Hervorhebung im Original.
6. Zwischenbilanz
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Handel, Versorgung und Außenhandel des ZK der SED bestätigte in einer Stellungsnahme, dass sich „insbesondere nach Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen […] seit Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre eine Reihe von Geschäftsbeziehungen herausgebildet [haben], die direkt oder indirekt mit politischem Interesse gekoppelt sind“. Dabei leugnete sie nicht, dass es sich um „mit der PSOE verbundene[…] Firmen“ handelte.633 Wie auch auf politischer Ebene setzte eine intensivere Zusammenarbeit zwischen SED und PSOE auf wirtschaftlichem Gebiet jedoch erst mit der Regierungsübernahme der spanischen Sozialisten Ende 1982 ein.
6. Zwischenbilanz Die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen im April 1977 war geprägt von ostdeutscher Eile und spanischer Zurückhaltung. Erstere war dem strategischen Fehler der DDR geschuldet, das Verhältnis zu Spanien kurz vor Francos Tod aufgekündigt zu haben und nun fürchten zu müssen, den spanischen Demokratisierungsprozess als bloße Zuschauerin zu verfolgen. Madrid begründete seine Zurückhaltung gegenüber Ost-Berlin mit der diplomatischen Verstimmung über den einseitigen Beziehungsabbruch durch die DDR. Vielmehr war sie jedoch Ausdruck der geringen außenpolitischen Priorität, welche die Übergangsregierungen in der Phase der rasanten politisch-gesellschaftlichen Neuorientierung Spaniens den Beziehungen zur DDR einräumten. Grund dafür war erstens die Intensivierung der ohnehin bereits engen spanischen Kontakte zur Bundesrepublik, die nach dem Ende der Franco-Diktatur zur wichtigsten Fürsprecherin der spanischen Westintegration wurde. Diese bzw. die unbestrittene Westorientierung Spaniens war ein zweiter Grund für das Zögern Madrids hinsichtlich eines Ausbaus der politischen Beziehungen zur DDR. In Kontinuität zur spätfranquistischen Außenpolitik betrachtete die nach ihrem Platz im internationalen Gefüge suchende junge spanische Demokratie die Normalisierung ihrer Beziehungen zum Ostblock zwar als notwendigen Schritt zu einer vollständigen internationalen Integration. Sie sah darin jedoch weniger einen Selbstzweck als einen Hebel bzw. ein „Back-up“ gegenüber dem Westen. Diesem näherte sie sich durch ihre Bewerbung um eine EGMitgliedschaft im Juli 1977 und die Gastgeberschaft Madrids beim KSZE-Folgetreffen ab November 1980 entscheidend an. Die DDR stand der spanischen EG-Integration neutral bis gelassen gegenüber, auch, weil sie angesichts der stockenden Beitrittsverhandlungen nicht von einer baldigen Mitgliedschaft und etwaigen damit einhergehenden Nachteilen ausging. Das KSZE-Engagement Madrids begrüßte sie insbesondere deshalb, weil Minis633
ZK der SED, Abteilung Handel, Versorgung und Außenhandel, Stellungnahme zur dargelegten Situation der Zusammenarbeit zwischen Firmen der Kommunistischen Partei Spaniens und Außenhandelsbetrieben der DDR, undatiert, vermutlich Anfang 1986, in: SAPMOBArch, DY 30/17807, unpag.
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III. Neustart: Die DDR und Spanien in der Transición (1977–1982)
terpräsident Suárez und Außenminister Oreja während der Vorbereitungen die Blockungebundenheit Spaniens gegenüber den sozialistischen Staaten betonten und sich offen für eine gewisse außenpolitische Neutralität zeigten. Da sie unterschiedliche, zum Teil widersprüchliche Signale in der Frage einer spanischen NATO-Mitgliedschaft sendeten, war auch die Position der DDR diesbezüglich uneindeutig: Sie alternierte zwischen realistischer Einschätzung der Unvermeidbarkeit eines Beitritts und optimistischer Hoffnung auf eine „Dritt-Welt-Rolle“ Spaniens. Letztere zerschlugen sich mit der kurzen Regierungspräsidentschaft Calvo-Sotelos. Diese markierte mit einer Forcierung der westeuropäischen und transatlantischen Beziehungen und dem 1982 einigermaßen ad hoc vollzogenen NATO-Beitritt die endgültige Hinwendung Spaniens zum Westen. Ferner erschwerten das angespannte Klima des „Zweiten Kalten Kriegs“ und der internationale Misskredit, in den der Ostblock u. a. durch die sowjetische Invasion in Afghanistan geriet, die ostdeutschen Bemühungen um eine Kontaktintensivierung auf staatlich-politischer Ebene. Nicht zuletzt scheute Madrid auch deshalb vor allzu engen Beziehungen zur DDR zurück, weil diese die Erinnerung an den spanischen Bürgerkrieg nostalgisch-ideologisch konservierte. Dies entsprach weder dem Konsens der „Versöhnung“ der spanischen Transición noch dem Selbstverständnis Spaniens als einer zukunftsgewandten europäischen Demokratie mit einer modernen Außenpolitik. Die betonte Zugehörigkeit Spaniens zum demokratischen Westen kollidierte mit dem übergeordneten Ziel der DDR, größtmöglichen Einfluss auf den spanischen Demokratisierungsprozess zu nehmen und zu verhindern, dass in Spanien eine weitere bürgerliche Demokratie westeuropäischen Zuschnitts entstehen würde. Während der zunächst noch gegebenen spanischen Blockungebundenheit hoffte sie erstens, durch gezieltes „Störfeuer“ – d. h. durch eine an die NATOkritischen Stimmen in der politischen Linken, den Gewerkschaften und in weiten Teilen der spanischen Bevölkerung gerichtete Propaganda – einem Beitritt Spaniens zum westlichen Militärbündnis entgegenwirken zu können. Dabei setzte sie auf ein gemeinsames Vorgehen mit der nun ebenfalls in Spanien diplomatisch vertretenen Sowjetunion und den sozialistischen Staaten. Nach der vollzogenen NATO-Integration wurde ein Austritt Spaniens aus dem westlichen Militärbündnis zum erklärten Ziel der DDR, was angesichts der Anti-NATO-Politik des aufstrebenden PSOE nicht unrealistisch schien. Ferner versuchte die SED über ein verstärktes parteipolitisches Engagement Einfluss zu nehmen. Mit dieser Schwerpunktsetzung reagierte sie angesichts der stockenden Beziehungen auf Regierungsebene sowie der Legalisierung von PCE und PSOE durchaus flexibel und opportun auf die spezifischen Bedingungen der Transición. Allerdings stand einer wirksamen Zusammenarbeit der ostdeutschen und spanischen Kommunisten bei der Demokratisierung Spaniens der Konflikt um den Eurokommunismus des PCE im Weg. An den Auseinandersetzungen um Rudolf Bahro und Robert Havemann wurde gezeigt, dass die Entfremdung der „Bruderparteien“ nicht nur ideologisch-programmatisch motiviert war, sondern von Santiago Carrillo auch genutzt wurde, um das Image des innenpolitisch und
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innerhalb der eurokommunistischen Bewegung von einem Bedeutungsverlust bedrohten PCE aufzuwerten. Sie kam insofern zu einer Unzeit, als ein solidarisches Zusammenwirken für die sozialistische Umgestaltung Spaniens nach dem Ende der Franco-Diktatur in der Logik und Rhetorik der Parteibeziehungen eigentlich der erfolgreiche Höhepunkt des gemeinsamen antifaschistischen Kampfes hätte sein sollen. Andererseits schätzte die SED früh und realistisch ein, dass die Kommunisten aufgrund ihres unscharfen Profils und der Isolierungspolitik der Übergangsregierungen kaum eine Rolle im spanischen Demokratisierungsprozess spielen würden. Entsprechend wandte sie sich ab 1978 verstärkt den aufstrebenden Sozialisten zu. Dabei profitierte sie zum einen davon, dass der PSOE als künftige Regierungsalternative das Feld der „Ostbeziehungen“ nicht gänzlich der regierenden UCD überlassen wollte. Zum anderen stießen die Kontaktbemühungen der DDR-Botschaft insbesondere beim linken Parteiflügel auf Interesse, zumal das zu diesem Zeitpunkt noch stark ideologisch geprägte Programm des PSOE durchaus einige Anknüpfungspunkte zur Außenpolitik der SED bot. Vor diesem Hintergrund kann es als Misserfolg der SED-Spanienpolitik gelten, dass sie die „Westernisierung“ des PSOE nicht aufhalten konnte und durch ihr Werben um die linken Kräfte der Partei möglicherweise gar eine Annäherung zwischen Felipe González und der bundesdeutschen SPD beförderte. Letzteres ist insofern nicht auszuschließen, als die Bundesrepublik das Engagement der DDR im Spanien der Transición genau beobachtete und hinsichtlich einer etwaigen Einflussnahme Ost-Berlins keineswegs gleichgültig war. Berücksichtigt man dagegen die im Vergleich zur SPD äußerst begrenzten Mittel der SED-Parteiarbeit in Spanien, fällt deren Bewertung durchaus positiv aus. Mit Blick auf die Regierungsübernahme des PSOE Ende 1982 bereitete sie das Feld für eine Intensivierung der bilateralen Beziehungen auf Regierungsebene vor. Gleiches gilt für die Kultur-, Wissenschafts- und Wirtschaftspolitik der DDR im Spanien der Transición. Auch hier leistete Ost-Berlin wichtige „Feldvorbereitung“ für den Ausbau der ostdeutsch-spanischen Beziehungen ab 1983: 1978 wurde ein Kultur- und Wissenschaftsabkommen geschlossen, ein Jahr später ein Handelsabkommen. Ferner wurden von Industrieminister Bayón und Außenhandelsstaatssekretär Beil die Grundlagen für eine verstärkte industrielle Zusammenarbeit geschaffen. Mit der Gründung der Nationalen Freundschaftsgesellschaft „Wilhelm von Humboldt“ in Spanien und dem „Freundschaftskomitee DDR-Spanien“ sowie Universitätsvereinbarungen und Städtepartnerschaften wurden außerdem die Kulturbeziehungen institutionalisiert und auf regionaler Ebene ausgebaut. Hierbei profitierte die DDR einerseits vom Reformbedarf des spanischen Bildungssystems und andererseits vom Interesse linker spanischer Kulturschaffender und Intellektueller am „Kulturland“ DDR. Von besonderer Fruchtbarkeit für die künftige Arbeit der DDR in Spanien erwies sich auf kultureller und politischer Ebene außerdem der Kontakt zum Madrider Oberbürgermeister Enrique Tierno Galván.
IV. Sozialisten unter sich? Die DDR und die junge spanische Demokratie (1982—1990) Zwei Wochen vor den spanischen Parlamentswahlen im Oktober 1982 prognostizierte der bundesdeutsche Botschafter Guido Brunner für den Fall eines Regierungswechsels in Madrid eine „Aktivierung“ der ostdeutsch-spanischen Beziehungen und für die DDR „weitere Möglichkeiten für ihre Arbeit in Spanien“. Für Bonn werde dann gelten, „in diesem Zusammenhang unsere Interessen zu wahren“.1 Dass er mit „Regierungswechsel“ die Übernahme des Palacio de la Moncloa durch die Sozialisten unter Felipe González meinte, musste Brunner nicht weiter ausführen, denn die Prognosen für den PSOE waren einhellig positiv und dessen Wahlsieg denn auch „sensationell“, „zweifellos revolutionär“ und nach der Übergangsphase der Transición der endgültige Beginn einer „neue[n] Epoche“ für Spanien.2 Die Sozialisten erlangten am 28. Oktober mit über 48 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit im spanischen Parlament, während die Regierungspartei UCD 80 Prozent ihrer Stimmen verlor und in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwand. Auch die Kommunisten büßten drei Viertel ihrer Mandate ein, was den Rücktritt Santiago Carrillos als Generalsekretär und ein Eingeständnis des Scheiterns seines eurokommunistischen Kurses zur Folge hatte. Lediglich bei den im Mai 1983 stattfindenden Kommunal- und Regionalwahlen erzielte der PCE noch einige Erfolge, wenngleich auch hier der PSOE als überwältigender Sieger hervorging.3 Das Titelblatt der Wochenzeitung „Cambio 16“ zeigte ein zur geballten roten Faust stilisiertes Spanien, das in Anspielung auf das franquistische Motto „einig, groß und frei“ 4 nun „einig, groß und links“ sei.5 Damit standen die Chancen für die SED gut, sieben Jahre nach dem Tod Francos auch in den bilateralen Beziehungen eine neue Etappe einzuläuten; Ost-Berlin setzte darauf, die noch zum oppositionellen PSOE geknüpften Kontakte nun auf Regierungsebene auszubauen. Drei Jahre nach dem Regierungsantritt der Sozialisten konnten das MfAA und die Interparlamentarische Gruppe der Volkskammer denn auch eine eingetretene „Belebung“ der Beziehungen auf politischer, wirtschaftlicher und kultureller Ebene konstatieren und sich optimistisch zeigen, dass „die DDR aus spanischer Sicht zwar nicht zu den vorrangigen außenpolitischen Schwerpunkten gehör[e], aber von wachsendem Interesse“ sei.6 Niederschlag fand 1
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Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Bericht betr. außenpolitische Aktivitäten der DDR in Spanien, hier: Bericht für den Zeitraum 1981/82, 11. 10. 1982, in: PA AA, MADR 12682, unpag. Bernecker, Geschichte, S. 272–273, 276. Für eine Analyse von Wahlkampf und Ergebnissen der Parlamentswahlen vom Oktober 1982 sowie der Regional- und Kommunalwahlen vom Mai 1983 vgl. ebenda, S. 269–276. „Una, grande y libre“. „España en un puño. Una, grande y zurda“, in: Cambio 16 Nr. 598 (1983). Volkskammer der DDR, Arbeit der Interparlamentarischen Gruppe, Informationsmaterial und Gesprächsempfehlung zum Abschiedsbesuch des Außerordentlichen und Bevollmächtig-
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IV. Die DDR und die junge spanische Demokratie (1982–1990)
dies in einer regen Besuchsdiplomatie, die in den 1980er Jahren auf hoher und höchster staatlicher Ebene einsetzte und 1988 mit Honeckers Staatsbesuch in Spanien ihren Höhepunkt erreichte. Die bilateralen Begegnungen stellen daher den Schwerpunkt des folgenden Kapitels dar. An ihnen lassen sich sowohl die Entwicklung der gegenseitigen außenpolitischen Interessen der DDR und Spaniens ablesen als auch die Wirkung des sich verändernden internationalen Klimas auf die bilateralen Beziehungen. Dabei darf die Intensivierung des „politischen Dialogs“ zwischen Ost-Berlin und Madrid nicht darüber hinwegtäuschen, dass bei den Treffen nicht primär bilaterale, sondern internationale Themen und Interessen verhandelt wurden: Bis Mitte der 80er Jahre dominierten die verschärften Spannungen des „Zweiten Kalten Kriegs“, die spanische EG-Integration und der durch die PSOE-Regierung zur Disposition gestellte Verbleib Spaniens in der NATO. In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts begannen sich die durch Gorbatschows Reformpolitik einsetzenden Transformationen im Ostblock, der Zerfall des SED-Regimes und seine auch in Spanien verstärkt wahrgenommene Illegitimität in den Beziehungen widerzuspiegeln. Trotz der dünnen Überlieferungslage versucht die Arbeit hier, insbesondere das letzte Jahr der Beziehungen ab November 1989 in den Blick zu nehmen. Anknüpfend an die während der Transición geschaffenen Voraussetzungen werden ferner die ostdeutsch-spanischen Kultur- und Wirtschaftsbeziehungen in den 80er Jahren dargestellt, welche durch die persönlichen Begegnungen auf politischer Ebene häufig entscheidende Impulse erfuhren. Im vorherigen Kapitel wurde gezeigt, dass sich die SED nach der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen verstärkt den spanischen Sozialisten zugewandt hatte. Mit der Übernahme der Regierungsverantwortung im Dezember 1982 gewann der PSOE weiter an Attraktivität für die DDR, die auch zehn Jahre nach ihrer Anerkennung unentwegt nach internationalem Renommee strebte und Gelegenheiten suchte, auf bilateralen Bühnen ihre Staatlichkeit unter Beweis zu stellen. Ost-Berlin hoffte darauf, dass der charismatische „Presidente“ Felipe González, der sich bereits im Wahlkampf in der Rolle des „gereiften Staatsmanns“ geübt hatte und dem sogar die konservativ-monarchistische „ABC“ eine „faszinierende Persönlichkeit von einnehmender Erotik“ attestierte,7 seinen 1979 mündlich zugesicherten Besuch in der DDR bald einlösen würde. Dass „Neues Deutschland“ dennoch verhältnismäßig nüchtern über den Wahlsieg González’ und die anschließende Regierungsbildung berichtete,8 war einerseits eine Rücksichtnahme
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ten Botschafters des Königreichs Spanien in der DDR, Manuel Gómez-Acebo y de Igartua, 08. 07. 1985, in: BArch, DA 1/15720, unpag.; MfAA, Abteilung Westeuropa, Konzeption für die Entwicklung der Beziehungen der DDR zum Königreich Spanien 1986–1990, undatiert, vermutlich Mitte 1986, in: SAPMO-BArch, DY 30/13498, Bl. 77–105, hier: Bl. 95. Zitiert in o. V., „1500 in die Hölle, 15 000 ins Exil“, in: Der Spiegel Nr. 41 (1982), S. 144–148, hier: S. 145. Vgl. o. V., Absolute Mehrheit für PSOE bei Parlamentswahlen in Spanien, in: ND vom 30. 10. 1982, S. 5; o. V., Neuer Ministerpräsident von Spanien trat sein Amt an, in: ND vom 03. 12. 1982, S. 5.
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gegenüber dem PCE, andererseits die Anerkennung bereits geschaffener Tatsachen. Denn erstens blieb ein baldiger EG-Beitritt „vorrangiges Ziel“ der spanischen Außenpolitik und war nur noch eine Frage der Zeit – sowohl PSOE als auch SED gingen davon aus, dass die Koinzidenz von Regierungswechsel in Madrid und bundesdeutscher EG-Ratspräsidentschaft in der ersten Jahreshälfte 1983 die Verhandlungen beschleunigen würde.9 Zweitens war der NATO-Beitritt durch die Regierung Calvo-Sotelo bereits vollzogen worden und ein tatsächlicher Austritt aus dem Bündnis für den „Staatsmann“ González nunmehr wesentlich schwieriger umzusetzen als für den Wahlkämpfer zu propagieren. Drittens war sich die SED bewusst, dass auch das Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt am 1. Oktober 1982 und das Ausscheiden der SPD aus der Bundesregierung nichts an der prioritären Partnerschaft Spaniens mit der Bundesrepublik ändern würden. Walkowski schätzte nach einem Besuch González’ in Bonn im Mai 1983 richtig ein, dass der spanische Ministerpräsident das enge Verhältnis zur Bundesrepublik „als Eckpfeiler für die Absicherung eines baldigen EG-Beitritts“ betrachtete.10 In der Tat machte die Unterstützung, die González Helmut Kohl für die Stationierung USamerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland zusicherte, den neuen deutschen Bundeskanzler zum Hauptfürsprecher der spanischen EG-Kandidatur.11 Aus den genannten drei Punkten konnten die in Madrid akkreditieren Botschafter der sozialistischen Staaten, die nach dem Regierungswechsel zu einem „Erfahrungs- und Meinungsaustausch“ über ihre künftigen Beziehungen zu Spanien zusammenkamen, viertens schlussfolgern, dass der Osten Europas auch für ein sozialistisch bzw. sozialdemokratisch regiertes Spanien keine außenpolitische Priorität darstellte und zur Weiterentwicklung der Beziehungen „von der spanischen Seite keine Initiativen zu erwarten“ seien.12 Als Beleg dafür verwies DDR-Botschafter Walkowski auf „[d]as Fehlen jeder Erwähnung dieser Beziehungen“ in der Regierungserklärung González’, was zeige, „dass die Beziehungen zu den sozialistischen Ländern offensichtlich gegenwärtig kein Hauptproblem in der Außenpolitik der PSOE-Regierung darstellen.“ 13 Wie bereits in der Transición versuchte die DDR dennoch, opportune neue Spielräume und Anknüpfungspunkte auszuloten, um die eigenen Beziehungen zu Spanien zu intensivieren, die insbesondere auf politisch-staatlicher Ebene stockten. Trotz des geschilderten Festhaltens der PSOE-Regierung an einer grundsätzlich nach Westen orientierten Außenpolitik sahen ZK, MfAA und Botschaft Anlässe für einen gewissen Optimismus gegeben: So habe laut Walkowski die Rede des neuen Außenministers Fernando Morán vor der Madrider KSZE-Konferenz 9
Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Walkowski an den stellvertretenden Außenminister Nier, 14. 07. 1983, in: SAPMO-BArch, DY 30/13553, Bl. 140–148, hier: Bl. 145. 10 Ebenda, Bl. 146. 11 Vgl. Powell, Cambio de régimen, S. 441–442; Pereira Castañares, Morán, S. 244–245. 12 Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Walkowski an Plaschke, 14. 03. 1983, in: SAPMO-BArch, DY 30/13553, Bl. 91–102, hier: Bl. 91, 102. 13 Ebenda, Bl. 94.
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im Februar 1983, die von Beobachtern als „die bedeutendste Äußerung der Regierung auf außenpolitischem Gebiet“ wahrgenommen wurde, „auch positive Elemente für die sozialistischen Länder“ enthalten, darunter die „feste Entschlossenheit der PSOE-Führung und der Regierung“, ihre Beziehungen nach Osteuropa weiterzuentwickeln.14 Der Außenminister, der sich als Vertreter des linken PSOEFlügels während der Transición für Parteibeziehungen zur SED ausgesprochen hatte,15 bat die sozialistischen Staaten gegenüber dem ungarischen Botschafter in Madrid diesbezüglich jedoch um „Geduld […], da nicht alle Probleme innerhalb einer Woche zu lösen seien“ und Spanien sich in einer „komplizierten innen- und außenpolitischen Situation“ befinde, in der seine Regierung „vorsichtig vorgehen“ müsse.16 Diese Vorsicht entsprang auch der Tatsache, dass der PSOE außenpolitisch zwar nicht gänzlich unerfahren war und durch seine Klandestinitäts- und Oppositionserfahrung durchaus Expertise auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen mitbrachte, bei Regierungsantritt jedoch „weder [eine] besonders festgelegte noch geeichte“ Agenda für die Außenbeziehungen Spaniens zum Osten Europas vorweisen konnte.17 Auch Botschafter Walkowski schätzte nach dem Treffen mit seinen sozialistischen Kollegen in Madrid ein, dass die neue spanische Regierung „noch keine Konzeption der Entwicklung der Beziehungen zu den sozialistischen Ländern“ habe; daher müssten die bereits etablierten Parteikontakte zu DDR-freundlichen Kräften in der Regierungspartei – vor allem zu Außenminister Morán selbst – für eine Einflussnahme zugunsten der eigenen Interessen genutzt werden.18 Ähnlich kalkulierte auch die Sowjetunion, die bereits während der Transición den PSOE mitunter dem PCE als Dialogpartner vorgezogen hatte und ihre bilateralen Kontakte zum sozialistischen Spanien nunmehr auf eine neue Ebene stellen wollte. Der sowjetische Botschafter Dubinin erklärte beim Treffen in der DDR-Botschaft, dass es das Ziel der UdSSR sei, „mit der neuen Regierung zu offeneren Kontakten zu kommen“, weshalb Außenminister Gromyko den scheidenden spanischen Botschafter in Moskau zum Abschiedsbesuch empfangen wolle, „obwohl das nicht gerade häufig praktiziert werde.“ 19 Das gesteigerte Interesse der Sowjetunion am sozialistischen Spanien zeigte sich außerdem darin, dass sich Moskau seit 1983 wiederholt – letztlich jedoch vergeblich – darum bemühte, die
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Ebenda, Bl. 94–95. Vgl. Kap. III.4.3. 16 Morán gegenüber dem ungarischen Botschafter in Spanien: Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Walkowski an Plaschke, 14. 03. 1983, in: SAPMO-BArch, DY 30/13553, Bl. 91–102, hier: Bl. 95. 17 Arenal, Posición, S. 402; Labarta macht für die 80er Jahre gar die „Abwesenheit einer spanischen ‚Ostpolitik‘“ („ausencia de una ‚ostpolitik‘ española“) aus: Labarta Rodríguez-Maribona, Diálogo. Vgl. zeitgenössisch: o. V., Honecker quiere que España avale a la RDA durante la presidencia de la CEE, in: ABC vom 04. 10. 1988, S. 24. 18 Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Walkowski an Plaschke, 14. 03. 1983, in: SAPMO-BArch, DY 30/13553, Bl. 91–102, hier: Bl. 102. 19 Ebenda, Bl. 101.
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beiderseitigen Beziehungen durch die Eröffnung von Konsulaten in Andalusien, den Kanarischen Inseln, Barcelona und Bilbao sowie die Akkreditierung eines sowjetischen Militärattachés auszuweiten.20 Des Weiteren gab die im Wahlkampf vom PSOE propagierte Ablehnung der spanischen NATO-Mitgliedschaft den sozialistischen Staaten und der UdSSR „naheliegenderweise durchaus Anlass […] für gewisse Hoffnungen auf ein künftiges Nicht-NATO-Mitglied Spanien“.21 Entsprechend dominierten das Thema „NATO“ und die diesbezügliche Skepsis der spanischen Sozialisten die Berichterstattung von „Neues Deutschland“.22 Die Regierungserklärung González’, in der er das spanische Verhältnis zum Nordatlantikbündnis nicht explizit ansprach, sondern allgemein „das Recht und die Pflicht“ reklamierte, „über die Modalitäten unserer Beteiligung an Politik und Verteidigung [der westlichen Welt] frei zu bestimmen“,23 wertete Botschafter Walkowsk im Gegensatz zu späteren historiografischen Einschätzungen24 als Absage an die „atlantische[…] Bestimmung“ Spaniens, die González’ Vorgänger Calvo-Sotelo in seiner Regierungserklärung definiert hatte.25 Der ostdeutsche Botschafter sah darin erstens ein Festhalten des spanischen Ministerpräsidenten am Wahlkampfverspechen eines NATO-Referendums, zweitens sogar „die Absicht, eine gewisse Distanz zu den USA zu markieren.“ 26 Auch aus Gesprächen im neu besetzten spanischen Außenministerium erlangte Walkowski den „Eindruck, dass die Regierung einen außenpolitischen Kurs realisieren will, den sie als NATO-Mitglied nicht realisieren kann“ und daher möglicherweise „eine Politik ‚zwischen den Blöcken‘ […] betreiben“ wolle. Dieses Streben der jungen PSOERegierung, Spaniens „außenpolitischen Spielraum […] zu erweitern“ und seine „Satellitisierung zu verhindern“, müsse „unbedingt“ für eine verstärkte Zusammenarbeit mit den sozialistischen Ländern genutzt werden.27 Walkowski bezog sich dabei auf eine Formulierung des neuen Außenministers Fernando Morán, die dieser noch als Oppositionspolitiker geprägt hatte, als er 1980 die Verhinderung einer „Satellitisierung“ Spaniens als eines der primären Ziele einer demokratischen spanischen Außenpolitik benannt hatte.28 Drei Jahre später ergänzte Walkowski, dass der Zeitpunkt für eine Zusammenarbeit in diesem Sinne besonders opportun sei, weil die PSOE-Regierung „von der Tatsache aus[gehe], dass es ihr in einem Klima der internationalen Konfrontation viel schwerer fallen würde, ihre Absicht zu ver-
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Vgl. Niehus, Außenpolitik, S. 604. Ebenda, S. 603. Vgl. o. V., Neuer Ministerpräsident von Spanien trat sein Amt an, in: ND vom 03. 12. 1982, S. 5. 23 Zitiert in Powell, Cambio de régimen, S. 440. 24 Vgl. ebenda. 25 Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Walkowski an Plaschke, 14. 03. 1983, in: SAPMO-BArch, DY 30/13553, Bl. 91–102, hier: Bl. 91. 26 Ebenda. 27 Ebenda, Bl. 94. 28 „[E]vitar la satelización“: Morán, Política exterior, S. 25.
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wirklichen.“ 29 Er kalkulierte im Frühjahr 1983 also, dass die verstärkte Krisen- und Bedrohungswahrnehmung des „Zweiten Kalten Kriegs“, die in Spanien wegen seiner „exponierten geostrategischen Lage“ besonders ausgeprägt sein müsse, in Kombination mit einer skeptischen NATO-Haltung der neuen Regierung und festgefahrenen EG-Beitrittsverhandlungen durchaus „gute Anknüpfungspunkte“ für die „außenpolitische Strategie“ der sozialistischen Länder böte.30 Daneben gelte es, auf bilateraler Ebene die Blockadehaltung aufzubrechen, die das UCD-geführte MAE gegenüber den ostdeutschen Initiativen an den Tag gelegt habe, und die „größere Gesprächsbereitschaft der spanischen Seite“ zu nutzen, um der neuen Regierung „die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der gleichzeitigen Entwicklung politischer, ökonomischer und anderer Beziehungen eindeutig klarzumachen.“ 31 Als politische Priorität definierte er das Forcieren staatlicher Vertragsabschlüsse und möglichst baldiger und regelmäßiger Begegnungen auf Außenministerebene; in den Wirtschaftsbeziehungen liege das Interesse nach wie vor auf der Steigerung des Außenhandels bei gleichzeitiger Abwendung von Nachteilen, die der DDR durch den spanischen EG-Beitritt entstehen könnten.32 Sieben Jahre nach dem Ende der Franco-Diktatur löste der „Hurrikan Felipe“ 33 im Ostblock und in der DDR also eine gewisse Aufbruchstimmung aus, die bis zum Ende der ersten Regierungsperiode des PSOE im Juni 1986 bzw. mindestens bis zum Ausscheiden Fernando Moráns aus dem Amt des Außenministers im Juli 1985 anhielt. Außenpolitisch war diese erste Phase auf spanischer Seite dominiert von den stockenden Beitrittsverhandlungen mit der EG und dem ambivalenten NATOKurs der Regierung und damit laut Powell von „Konfusion und Uneindeutigkeit“; erst mit dem Beitritt Spaniens zur Europäischen Gemeinschaft am 1. Januar 1986 und dem durch ein Referendum am 12. März 1986 besiegelten NATO-Verbleib habe eine „kohärente und ausgewogene“ spanische Außenpolitik begonnen.34 Beinahe spiegelverkehrt zu dieser Stabilisierung in Spanien begann Mitte des Jahrzehnts in der Sowjetunion und in Osteuropa mit dem Amtsantritt Michail Gorbatschows als Generalsekretär der KPdSU eine Phase der politischen Umbrüche und Veränderungen, die 1989 – zu Beginn der dritten Präsidentschaft Felipe González’ – zum Fall der Berliner Mauer und ein Jahr später zum Ende des SED-Regimes und damit der bilateralen Beziehungen führten.
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Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Walkowski an Plaschke, 14. 03. 1983, in: SAPMO-BArch, DY 30/13553, Bl. 91–102, hier: Bl. 92–94. 30 Ebenda, Bl. 102; Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Botschafters Spindler ans MfAA und ZK der SED, 03. 10. 1986, in: SAPMO-BArch, DY 30/13557, Bl. 38. 31 Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Walkowski an den stellvertretenden Außenminister Nier, 14. 07. 1983, in: SAPMO-BArch, DY 30/13553, Bl. 140–148, hier: Bl. 147– 148. 32 Vgl. ebenda. 33 Titelblatt „Huracán Felipe“, in: Cambio 16 Nr. 287 (1977). 34 Powell, Cambio de régimen, S. 445; vgl. auch Tusell, Spain, S. 344; Labarta Rodríguez-Maribona, Diálogo.
1. Optimismus und persönliche Begegnungen
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1. Optimismus und persönliche Begegnungen: Die DDR und Spanien 1982 bis 1986 1.1 Die Außenpolitik Fernando Moráns als „sozialistische Alternative“ zugunsten der DDR Unter den sechzehn Ministern, die Felipe González am 2. Dezember 1982 als Mitglieder seines Kabinetts vorstellte, waren Vertreter des sozialdemokratischen, des technokratischen, des gewerkschaftsnahen und des linken Parteiflügels.35 Zu letzterem zählte Fernando Morán, der zuvor Generaldirektor für Afrika und den Nahen und Mittleren Osten im MAE sowie Senator für die Provinz Asturien gewesen war. Morán war Berufsdiplomat, galt als intellektuell und war ein politischer Weggefährte Tierno Galváns und Mitbegründer dessen „Sozialistischer Volkspartei“ PSP, für deren Eingliederung in den PSOE er sich 1978 starkgemacht hatte.36 Bereits 1980 hatte er in einer programmatischen und vom Klima des „Zweiten Kalten Kriegs“ geprägten Schrift „Una política exterior para España. Una alternativa socialista“ eine außenpolitische Vision für das demokratische Spanien entworfen: Sie sollte erstens eine „sozialistische Alternative“ zur Außenpolitik der UCD-Regierungen sein, die laut Morán die „geerbten Defizite“ des franquistischen Außendiensts nie überwunden hatte.37 Zweitens verortete sie ein außenpolitisch weitgehend autonomes Spanien in einer äquidistanten, „aktiv neutralen“ Position zwischen den Blöcken.38 Innerhalb der Partei und des MAE zählte Morán zu den Gegnern der spanischen NATO-Mitgliedschaft und lehnte im Gegensatz zu Felipe González die Stationierung von Pershing-II-Raketen in der Bundesrepublik ab.39 Als erster Beleg einer „Spielraum-Außenpolitik“ Moráns gilt ein Zusatzprotokoll, das er nach kaum zwei Monaten im Amt den USA als Ergänzung zum „Freundschafts-, Verteidigungs- und Kooperationsabkommen“ abrang, welches sein Vorgänger Pérez Llorca 1982 ausgehandelt hatte und dessen Ratifizierung noch ausstand. Darin war bereits die von den Sozialisten geforderte langfristige Reduktion der US-amerikanischen Militärpräsenz in Spanien angelegt. Wichtiger für Morán, der sich dem Wahlkampfversprechen eines NATO-Referendums verpflichtet fühlte, war jedoch die Streichung aller Passagen, die eine
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Vgl. Tusell, Spain, S. 336–337. Vgl. Prieto, Apologie, S. 352. 37 Morán beschrieb die Arbeitsweise und Ausstattung des MAE zum Zeitpunkt seiner Amtsübernahme als defizitäre und obsolete „Handwerksdiplomatie“ („una diplomacia casi de artesanía“): Morán, España, S. 123. 38 Vgl. die Kapitel „¿Qué posición internacional le es posible a España?“ und „El tema de la alineación o no alineación de España. Las alianzas“ in: Morán, Política exterior, S. 15–25, 78– 160. Für eine Analyse von Moráns außenpolitischer Konzeption vgl. Tusell, Spain, S. 342; Pereira Castañares, Morán, S. 231–234. 39 Vgl. Tusell, Spain, S. 342; Pereira Castañares, Morán, S. 244–245. „El País“ machte darin die „erste große Krise“ zwischen González und Morán aus: Felix Bayon, El „decálogo“ puso fin a una etapa confusa, in: El País vom 28. 02. 1986. 36
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IV. Die DDR und die junge spanische Demokratie (1982–1990)
NATO-Mitgliedschaft Spaniens beinhalteten oder eine Integration in dessen militärische Struktur präjudizierten.40 Der neue sozialistische Außenminister war mit dem Zusatzprotokoll doppelt erfolgreich, da er einerseits die Wahlkampfankündigung des PSOE einlöste, die weitere NATO-Integration Spaniens vorerst einzufrieren, und andererseits einen Konflikt mit den US-amerikanischen Verbündeten vermied, der bei Nichtratifizierung des bereits ausgehandelten Abkommens gedroht hätte. Als weitere Konsequenz seiner neutralistischen Außenpolitik maß Morán dem Verhältnis zur UdSSR und den sozialistischen Ländern einen größeren Stellenwert bei als sein Vorgänger Pérez-Llorca. Zwar fiel das Kapitel „Spanien und die Länder des Ostens“ in seiner programmatischen Schrift „Una política exterior para España“ verhältnismäßig knapp aus, dafür jedoch deutlich: Spaniens Beziehungen zum Ostblock und der Sowjetunion, bei denen es sich immerhin um „einen großen Teil Europas und eine der beiden Supermächte“ handele, seien „nicht so intensiv, wie sie sein sollten“ und dürften sich nicht in KSZE- und Entspannungspolitik erschöpfen.41 Obgleich Spanien nach dem Ende der Franco-Diktatur Botschafter mit der Sowjetunion und den sozialistischen Ländern ausgetauscht habe, habe die Regierung Suárez aufgrund ihrer ideologischen Vorbehalte die Bedeutung der UdSSR als „Supermacht“ verkannt. Da von der Sowjetunion jedoch das weltweite Gleichgewicht abhänge, müsse sie auch als „Supermacht“ angesprochen werden.42 Diese Forderung setzte Morán als Außenminister mit „[p]olitisch bedeutungsvolle[n]“ Besuchen in die Tat um: Im Mai 1983 reiste er zunächst allein, ein Jahr später gemeinsam mit dem spanischen Königspaar in die UdSSR; 1985 besuchte er Rumänien und Jugoslawien.43 Anvisierte Besuche in der DDR und Polen konnte er aufgrund seiner Entlassung durch Felipe González im Juli 1985 nicht mehr verwirklichen.44 Außerdem tauschte Morán neben den spanischen Botschaftern in den USA, der Bundesrepublik, Frankreich, Großbritannien und dem Vatikan auch den Leiter der diplomatischen Vertretung in der Sowjetunion aus und machte damit deutlich, dass er die UdSSR zu den wichtigen und sensiblen internationalen Partnern Spaniens zählte.45 Ferner traf er sich Anfang 1984 in Wien mit den in den sozialistischen Staaten akkreditierten spanischen Botschaftern und ließ sich über die Schwierigkeiten informieren, die sich aus den gering ausgeprägten Beziehungen für ihre Arbeit ergaben. Daraufhin versprach er eine Stärkung des spanischen Engagements im Ostblock.46 40
Vgl. Juliá, Política y sociedad, S. 239–240; Powell, Cambio de régimen, S. 440–441. Morán, Política exterior, S. 287. Ebenda, S. 288: „[…] pero con respecto a la URSS la realidad es que nunca se ha entendido que se trata de una superpotencia de la que depende el equilibrio mundial y a la que hay que hablar como una superpotencia.“ 43 Ebenda, S. 274. 44 Vgl. Niehus, Außenpolitik, S. 603. Der große Stellenwert des Ostblocks für die Außenpolitik Moráns zeigt sich auch an dessen häufiger Erwähnung in der außenpolitischen Rückschau: vgl. Morán, España, S. 150–154, 335–340, 421, 470–473. 45 Vgl. Sanz Díaz, Instrumento, S. 381–382. 46 Vgl. Morán, España, S. 273–275. 41 42
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Auch gegenüber dem sozialistischen Deutschland hegte Morán Sympathien. Seinem Parteifreund Tierno Galván versicherte er im Frühjahr 1984, dass er und „einflussreiche Regierungsmitglieder, vor allem Vizepräsident Guerra, [einen] Kurs engerer Zusammenarbeit mit der DDR […] unterstützen.“ 47 Nach dem Westschwenk der Regierung Calvo-Sotelo wurde dieser neuerliche „Flirt“ mit dem Ostblock, der noch weiter zu gehen schien als Suárez’ „Flirt mit Neutralität und Dritt-Welt-Rolle“ während der Transición,48 auch in der Bundesrepublik wahrgenommen und ließ Helmut Kohl bei einem Besuch in Spanien im Frühjahr 1984 gegenüber Morán seine „Beunruhigung über [die] schnelle Entfaltung“ der bilateralen Beziehungen zwischen Madrid und Ost-Berlin äußern.49 Der neue MAE-Chef erklärte dem Bundeskanzler, „dass sich [die] Entwicklung dieser Beziehungen als vorteilhaft für Spanien gezeigt haben [sic!] und [ein] weiterer Ausbau angestrebt werde“, wobei er argumentierte, dass die Verzögerung der EG-Beitrittsverhandlungen „Spanien zu stärkerer Zusammenarbeit mit anderen Staaten zwingt.“ 50 Moráns Auftreten gegenüber dem Bundeskanzler war – wie bereits gegenüber den USA – selbstbewusst, mit Blick auf dessen starke Unterstützerrolle in der spanischen EG-Kandidatur jedoch keinesfalls blauäugig. Nach dem Gespräch mit Kohl räumte er gegenüber Tierno Galván ein, dass der „anhaltende[…] Druck [der] BRD-Kreise und ihrer Verbündeten in Spanien weiter in Rechnung gestellt“ und die wichtige Partnerschaft nicht gefährdet werden dürfe.51 Denn so sehr sich Morán darum bemühte, Spanien in seinen internationalen Beziehungen Autonomie und Spielraum zu verschaffen, so sehr war seine Autonomie als Außenminister durch einen starken „presidencialismo“ Felipe González’ beschränkt. Wichtige Entscheidungen wurden nicht im Palacio de Santa Cruz, sondern vom Ministerpräsidenten im Palacio de la Moncloa getroffen.52 Im Gegensatz zu Moráns „ideologisierten und dem sozialistischen Gedankengut verschriebenen“ außenpolitischen Positionen waren die des Ministerpräsidenten pragmatischer orientiert und im Fall der Bundesrepublik von einer persönlichen Freundschaft zu Helmut Kohl geprägt.53 González hielt seine beiden Hauptziele – die Konsolidierung der Demokratie und eine sozioökonomische Modernisierung Spaniens – nur in einem „günstigen internationalen Klima“ und durch die „vollständige[…] Integration Spaniens in die zivil und wirtschaftlich stabilen Gesellschaften des Westens“ erreichbar und schreckte daher vor einer möglichen Brüskierung der außenpolitischen Partner zurück.54 So musste Morán
47
Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Botschafters Walkowski ans MfAA, 22. 05. 1984, in: SAPMO-BArch, DY 30/13554, Bl. 56. 48 Vgl. Kap. III.3. 49 Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Botschafters Walkowski ans MfAA, 22. 05. 1984, in: SAPMO-BArch, DY 30/13554, Bl. 56. 50 Ebenda. 51 Ebenda. 52 Vgl. Sanz Díaz, Instrumento, S. 367, 370; Pereira Castañares, Morán, S. 225, 251. 53 Pereira Castañares, Morán, S. 251. Zur persönlichen Freundschaft Kohls und González’ vgl. ebenda, S. 243–245; González selbst: González, Helmut Kohl. 54 Powell, Cambio de régimen, S. 439.
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gleich zu Beginn seiner Amtszeit in der Frage eines gemeinsamen Staatsbesuchs mit González in der Bundesrepublik nachgeben, obwohl er insbesondere von einem Aufenthalt in West-Berlin „überhaupt nicht überzeugt“ war. Einen solchen hielt er mit Blick auf die deutsch-deutschen Beziehungen für besonders heikel und verwies darauf, dass selbst die Ministerpräsidenten Suárez und Calvo-Sotelo von einem Besuch in West-Berlin Abstand genommen hätten.55 Die bundesdeutsche Botschaft in Spanien dagegen nahm mit Befriedigung zur Kenntnis, dass González’ erste offizielle Reise als Ministerpräsident in die Bundesrepublik und „auch nach Berlin und an die Mauer“ erfolgte, womit der neue spanische Ministerpräsident „für sich selbst und zugleich für führende Kreise der sozialistischen Partei […] und der Regierung die Haltung zur deutschen Frage durch die Tat bewiesen“ habe.56 Trotz González’ Dominanz in der Außenpolitik vermochte es Morán als oberster Diplomat, den ersten „tatsächlichen Umbau“ des MAE nach dem Ende der Franco-Diktatur vorzunehmen und nicht nur politisch, sondern auch institutionell und personell eine demokratische Außenpolitik Spaniens zu begründen.57 Indem er Einstellungskriterien veränderte und das Pensionsalter für Diplomaten herabsetzte, verschaffte er einer jüngeren, demokratisch geprägten Generation Zugang zur diplomatischen Laufbahn.58 In den ersten beiden Regierungsjahren des PSOE und im Gegensatz zu seinem Nachfolger Francisco Fernández Ordóñez gelan es ihm, das Außenministeramt stark durch seine Persönlichkeit und eine gewisse politische Selbstständigkeit zu prägen, wobei er den Konflikt mit Felipe González nicht scheute.59 Die DDR gewann damit neben dem prominenten Madrider Oberbürgermeister Tierno Galván und Vizepräsident Alfonso Guerra einen weiteren potenten Sympathisanten im sozialistisch regierten Spanien, was ihren bereits beim Regierungswechsel empfundenen Optimismus verstärkte und die von Kohl beobachtete „schnelle Entfaltung“ der bilateralen Beziehungen wesentlich begünstigte. Das Institut für Internationale Beziehungen in Babelsberg beobachtete während der Amtszeit Moráns, dass die spanische Regierung gegenüber den sozialistischen Staaten initiativ „Schritte des Ausbaus der Beziehungen in verschiedenen Bereichen und des politischen Dialogs“ unternehme.60 Dabei wirke sich der „Nachholbedarf “ Spaniens im Osten „stimulierend“ aus und führe sogar zu einer „bestimmte[n] Bevorzugung der Entwicklung der Beziehungen zur DDR“, gegenüber der die UCD-Regierungen „auf Drängen der BRD“ noch eine
55
Vgl. die Aussage des engen außenpolitischen Vertrauten González’, Juan Antonio YáñezBarnuevo, abgedruckt in: Pereira Castañares, Morán, S. 242–243; vgl. auch o. V., Felipe González busca un compromiso firme de Bonn para nuestro ingreso en la CEE, in: El País vom 03. 05. 1985. 56 Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Schriftbericht betr. außenpolitische Aktivitäten der DDR im Gastland, 30. 08. 1983, in: PA AA, MADR 12682, unpag. 57 Powell, Cambio de régimen, S. 451; Morán, España, S. 117–132. 58 Vgl. Sanz Díaz, Instrumento, S. 381–385. 59 Vgl. ebenda, S. 367 u. 370; Pereira Castañares, Morán, S. 225, 251–252. 60 Institut für Internationale Beziehungen der DDR, Königreich Spanien 1984, undatiert, vermutlich Anfang 1985, in: SAPMO-BArch, DY 30/13554, Bl. 1–10, hier: Bl. 1 u. 9–10.
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besondere „Zurückhaltung“ gezeigt hätten.61 Diese „Stimulation“ lässt sich an den staatlichen Vertragsabschlüssen während der ersten Hälfte der 1980er Jahre festmachen: Im Oktober 1983 wurde zusätzlich zum Handelsabkommen von 1978 ein Abkommen über wirtschaftliche und industrielle Zusammenarbeit unterzeichnet, im Januar 1984 eines über wissenschaftlich-technische Kooperation sowie im August 1985 ein Verkehrsabkommen und schließlich im April 1986 ein Abkommen über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Gesundheitswesens und der medizinischen Forschung.62 Ferner wird im Folgenden die Etablierung offizieller Parlamentsbeziehungen dargestellt.
1.2 Die Besuche Carvajals, Sindermanns und Kracks 1983 und 1984 Im Dezember 1983 reiste eine dreizehnköpfige Delegation des spanischen Senats unter Leitung des Senatspräsidenten José Federico de Carvajal auf Einladung der Volkskammer in die DDR, wo sie neben Ost-Berlin auch Dresden und Cottbus besuchte und Gespräche mit Erich Honecker, Volkskammerpräsident Horst Sindermann, Außenminister Oskar Fischer und dem stellvertretenden Außenhandelsminister Gerhard Beil führte.63 Die SED, die seit den 1970er Jahren generell an Parlamentskontakten mit westlichen Staaten interessiert war, begrüßte den Besuch des spanischen Senatspräsidenten ganz besonders, da sie ihn erstens als Beginn des seit Langem gewünschten „politische[n] Dialog[s] auf hoher Ebene“ werten konnte und in Carvajal, der dem linken Flügel des PSOE angehörte und 1979 für dessen marxistische Ausrichtung plädiert hatte, zweitens einen ihr gewogenen Gesprächspartner ausmachte.64 Die Bundesrepublik, die den Besuch aufmerksam beobachtete, schrieb ihm denn auch „jenseits von konkreten Ergebnissen […] vor allem politische Bedeutung zu“, weshalb Botschafter Brunner noch im Vorfeld um ein Gespräch mit Carvajal ersuchte.65 Dieser war sich dem propagandistischen 61
Institut für Internationale Beziehungen der DDR, Haupttendenzen der spanischen Innen- und Außenpolitik (unter besonderer Berücksichtigung der Politik gegenüber den sozialistischen Staaten), Februar 1985, in: SAPMO-BArch, DY 30/13555, Bl. 21–25, hier: Bl. 23, 25. 62 Vgl. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Zu den Beziehungen DDR-Spanien Stand 1987, undatiert, in: SAPMO-BArch, DY 30/13489, Bl. 52–56, hier: Bl. 54. Nicht zustande kamen ein Konsularabkommen und trotz dreier Entwürfe der DDR ein Schifffahrtsabkommen: vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Positionspapier zum Stand der Beziehungen DDRSpanien auf dem Gebiet des Verkehrswesens, undatiert, in: PA AA, MfAA, MAV MADRID, ZR 2459/93, unpag. 63 Vgl. o. V., Parlamentarier Spaniens beim Volkskammerpräsidenten, in: ND vom 13. 12. 1983, S. 1; o. V., Gespräch Erich Honeckers mit dem Präsidenten des Senats des spanischen Parlaments, in: ND vom 15. 12. 1983, S. 1. 64 Volkskammer der DDR, Arbeit der Interparlamentarischen Gruppe, Informationsmaterial und Gesprächsempfehlung zum Abschiedsbesuch des Außerordentlichen und Bevollmächtigten Botschafters des Königreichs Spanien in der DDR, Manuel Gómez-Acebo y de Igartua, 08. 07. 1985, in: BArch, DA 1/15720, unpag. 65 Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin, Fernschreiben ans AA und die Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, 23. 12. 1983, in: PA AA, MADR 12682, unpag.
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Interesse der SED an seinem Besuch bewusst und zeigte sich bemüht, den bundesdeutschen Partner nicht zu verärgern. Er versicherte Brunner, dass er gegenüber DDR-Botschafter Walkowski den Wunsch geäußert habe, „eine Begegnung mit dem ‚Oppositionsführer‘ in das Programm aufzunehmen“, was dieser jedoch mit dem Hinweis zurückgewiesen habe, dass „diese Institution […] von der DDRVerfassung verboten“ sei.66 Auch kündigte er an, dass „er sich nicht scheuen [werde], in Berlin (Ost) das spanische Unverständnis gegenüber der Mauer zum Ausdruck zu bringen.“ 67 Von einer solch deutlichen Kritik nahm Carvajal während seines Aufenthalts in der DDR zwar Abstand, allerdings berücksichtigte seine Delegation die bundesdeutschen Interessen, die die Ständige Vertretung in Ost-Berlin an sie herantrug. So entsprach Carvajal laut einem StäV-Vertreter etwa der Bitte, von einem Besuch der „Staatsgrenze“ und des Roten Rathauses abzusehen und die „sensitiven Punkte in unserem Sinne [zu] berücksichtig[en]“.68 Dennoch war die Bundesrepublik besorgt, dass sich viele Spanier, darunter auch Parlamentarier, möglicherweise nicht immer „über Art und Ausmaß der strukturellen Unterschiede zwischen Volkskammer und einem westlichen Parlament im Klaren“ seien,69 was auch die Madrider Tageszeitung „ABC“ befürchtete. Sie übte scharfe Kritik am DDR-Besuch des spanischen Senats und äußerte Unverständnis gegenüber „den Gründen, die einen demokratischen Parlamentspräsidenten dazu bewegen, auf offizielle Einladung in ein Land zu reisen, das die Regeln des parlamentarischen Spiels gänzlich verkennt.“ Während die Annahme einer solchen Einladung durch einen außenpolitischen Funktionär im Rahmen der internationalen Diplomatie vertretbar sei, sei es „ein Widerspruch“ und „keineswegs akzeptabel“, dass „ein Politiker mit demokratischer Repräsentation“ aus einem freiheitlichen, parlamentarisch-pluralistischen Land einer solchen Einladung Folge leiste.70 Dagegen bestätigte die Berichterstattung der linksliberalen Tageszeitung „El País“ die von Botschafter Brunner geäußerten Befürchtungen, indem sie in Ignoranz des Scheinparlamentarismus der DDR den Bundestag in Bonn und die Volkskammer in Ost-Berlin verwechselte.71 „Neues Deutschland“ wiederum berichtete sogar von einem „besondere[n] Interesse der Gäste […] an den Prinzipien der Wahlen zur Volkskammer“ und von der Würdi-
66
Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Telegramm des Botschafters Brunner ans AA betr. Delegation des Spanischen Senats in der DDR, 12. 12. 1983, in: PA AA, MADR 12682, unpag. 67 Ebenda. 68 Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin, Fernschreiben ans AA und die Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, 23. 12. 1983, in: PA AA, MADR 12682, unpag. 69 Ebenda. 70 O. V., Carvajal, in: ABC vom 13. 12. 1983: „No se entiende bien por qué el presidente del Senado, don José Federico de Carvajal, ha aceptado la invitación hecha por la Cámara del Pueblo de la República Democrática Alemana […]. No se comprende bien la razón que conduce a un presidente parlamentario democrático a viajar oficialmente invitado a un país que desconoce por completo lo que son la reglas de un juego parlamentario. […] Puede ser lógico que lo acepte un funcionario de Asuntos Exteriores. No lo es en absoluto que lo acepte un político con representación democrática.“ 71 Vgl. o. V., Senadores a Alemania, in: El País vom 11. 12. 1983.
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gung des Besuchs durch Carvajal als „nützlichen Beitrag zum gegenseitigen Kennenlernen und zum Verständnis füreinander“.72 Wenngleich diese Darstellung einer vollkommen unkritischen Aufgeschlossenheit der spanischen Parlamentarier gegenüber den vermeintlich demokratischen Verhältnissen in der DDR der üblichen SED-Propaganda entsprach und in ihrer Gültigkeit für einzelne Delegationsteilnehmer nicht zu verifizieren ist, mag sie die vorab geäußerte Skepsis der bundesdeutschen und spanischen Kritiker des Besuchs bestätigt haben. Carvajal hielten die Kritik an seinem DDR-Aufenthalt und die signalisierte Sensitivität der Bundesrepublik nicht davon ab, eine offizielle Gegeneinladung nach Spanien auszusprechen und im September 1984 eine Volkskammerdelegation unter Leitung von Horst Sindermann in Madrid zu empfangen; das für die ostdeutschen Delegierten konzipierte Programm ging dabei nach Aussage des Senatspräsidenten „weit über den Rahmen der üblichen Audienzen hinaus“.73 Aufgrund der hochrangigen Gesprächspartner – darunter der prominente sozialistische Präsident des Abgeordnetenhauses Gregorio Peces-Barba, Vizepräsident Alfonso Guerra sowie König Juan Carlos – konnte die DDR den fünftägigen Aufenthalt als repräsentativen Erfolg verbuchen und sah außerdem das Ziel erfüllt, „realistische Elemente in der spanischen Politik vor allem unter den Parlamentariern zu fördern sowie übereinstimmende Standpunkte […] und positive Positionen der spanischen Seite zu bestärken.“ 74 Zu den „realistischen“, d. h. DDR-freundlichen „Elementen“ zählte die SED zum einen Carvajal, auf den der Aufenthalt in der DDR tatsächlich einen positiven Eindruck gemacht zu haben schien. Laut Delegationsbericht bezog er sich „des Öfteren auf seinen erfolgreichen Besuch in der DDR“, dessen Ergebnisse sich auch in Madrid „sehr günstig auf das Gesprächsklima und die Gesamtatmosphäre ausgewirkt“ hätten.75 Zum anderen fand Sindermann in Vizepräsident Alfonso Guerra einen mit Blick auf die Entwicklung der bilateralen Beziehungen sehr engagierten Gesprächspartner, der „unbegrenzte Möglichkeiten“ für die Zusammenarbeit Spaniens und der DDR sah und „größere Anstrengungen“ zur Vertiefung der Beziehungen ankündigte.76 Insbesondere in seinen Ausführungen zur internationalen Politik wurden übereinstimmende Vorstellungen und Interessen der von Morán entworfenen sozialistischen spanischen Außenpolitik und dem außenpolitischen Selbstverständnis der DDR zu Beginn der 1980er Jahre evident: Gerade „mittlere und kleinere Länder“ wie Spanien und die DDR trügen angesichts
72
O. V., Spanische Parlamentarier bei Volkskammerabgeordneten, in: ND vom 14. 12. 1982, S. 1. Botschaft der DDR in Madrid, Bericht über den Besuch einer Delegation der Volkskammer der DDR in Spanien vom 24. bis 28. September 1984, in: SAPMO-BArch, DY 30/13554, Bl. 90–96, hier: Bl. 93. Für die DDR-Presseberichterstattung vgl. o. V., Gespräche DDR-Spanien waren nützlich und anregend, in: ND vom 29. 09. 1984, S. 1; o. V., Empfang in Madrid zum 35. Jahrestag der DDR, in: ND vom 29. 09. 1984, S. 2. 74 Botschaft der DDR in Madrid, Bericht über den Besuch einer Delegation der Volkskammer der DDR in Spanien vom 24. bis 28. September 1984, in: SAPMO-BArch, DY 30/13554, Bl. 90–96, hier: Bl. 90. 75 Ebenda, Bl. 91, 94. 76 Ebenda, Bl. 94. 73
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der neuerlichen Konfrontation zwischen den Blöcken „große Verantwortung bezüglich der Minderung der Spannungen in der Welt und in der Frage der Erhaltung des Friedens“.77 In der Wiedergabe des Delegationsberichts entsprach dies beinahe wörtlich dem Appell Honeckers an die „besondere[…] Rolle der kleineren und mittleren Staaten für den Frieden in Europa“.78 Guerras Anerkennung, „dass die Haltung der DDR von Verantwortungsgefühl […] in der heutigen Welt zeuge“,79 musste Politbüro-Mitglied Sindermann freilich schmeicheln und das „außenpolitische Prestigebedürfnis“ der SED-Führung befriedigen.80 Ein solches Bedürfnis prägte die Westpolitik der DDR zu Beginn der 80er Jahre und ließ Honecker im „Zweiten Kalten Krieg“ mit der Formel der „Schadensbegrenzung“ als internationalen Dialogpartner auftreten.81 Die propagierte „Dialogbereitschaft“ war dabei eine Abweichung von der Westpolitik der Sowjetunion, die in dieser Phase ihre Gesprächskontakte in den Westen, insbesondere zur USA, abbrach und sich in einer „Politik der ‚Bestrafung‘ des Westens“ versuchte, mit der sie bis zum Amtsantritt Gorbatschows jedoch in eine „weltpolitische Isolierung“ geriet.82 Die SEDFührung dagegen signalisierte „lebhaftes Interesse an neuen Kontakten zu den westlichen Staaten“ und vermittelte damit einen „Eindruck von Flexibilität, mit dem sie sich […] zum gesuchten Ansprechpartner für die westlichen Staaten machte.“ 83 Vergleichbar mit dieser kurzeitigen internationalen „Emanzipation“ der DDR von Moskau stellte Moráns außenpolitische „sozialistische Alternative“ auf spanischer Seite den Versuch dar, bei klarer Verankerung im Westen „der Blockpolitik unmissverständlich ein Ende zu bereiten“, ein größeres Maß an außenpolitischer Autonomie zu gewinnen und das sozialistische Spanien von den USA zu emanzipieren, „die doch gerade Anführer einer der beiden Blöcke […] [und] Hauptachse des kapitalistischen Systems“ seien.84 Angesichts dieses ähnlichen außenpolitischen Selbstverständnisses berichtete „Neues Deutschland“ gar von „Genugtuung“, die während des Aufenthalts der Volkskammerdelegation „von beiden Seiten […] über die erfolgreiche Entwicklung der Beziehungen“ empfunden worden sei.85 Auch die Audienz der Volkskammervertreter bei Juan Carlos verlief im Sinne der DDR. Erstens erfüllte sie deren Wunsch nach prestigeträchtigen Begegnungen, zweitens nahm der König „mit Dank die Einladung an ihn und Königin Sofía zu einem offiziellen Besuch der DDR“ an und versprach, „dass die spanische Regierung alles unternehmen werde, um diesen Besuch vorzubereiten“, was auf einen
77
Ebenda, Bl. 93–94. Weilemann, Zusammenfassung, S. 327. Botschaft der DDR in Madrid, Bericht über den Besuch einer Delegation der Volkskammer der DDR in Spanien vom 24. bis 28. September 1984, in: SAPMO-BArch, DY 30/13554, Bl. 90–96, hier: Bl. 94. 80 Kuppe, Beziehungen, S. 254. 81 Ebenda, S. 248. 82 Ebenda. 83 Weilemann, Zusammenfassung, S. 327. 84 Morán, Política exterior, S. 153. 85 O. V., Empfang in Madrid zum 35. Jahrestag der DDR, in: ND vom 29. 09. 1984, S. 2. 78 79
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Qualitätssprung in der bilateralen Besuchspolitik hoffen ließ.86 Auch zeigte er sich „an der Weiterentwicklung der Beziehungen und guter Zusammenarbeit im Sinne des Friedens interessiert“ und von der „Nützlichkeit von Gesprächen auf bilateraler und multilateraler Ebene“ überzeugt.87 Als Ausdruck des gesteigerten außenpolitischen Selbstbewusstseins der DDR Ende 1984 kann außerdem die Lösung einer einigermaßen heiklen Gesprächssituation gelten, für die Juan Carlos mit einer Frage nach der Beziehung der beiden deutschen Staaten sorgte. Bezug nehmend auf die Äußerung des italienischen Außenministers Giulio Andreotti, dass eine deutsche Wiedervereinigung aufgrund eines drohenden „Pangermanismus“ nicht wünschenswert sei,88 bat er Sindermann um eine Einschätzung, wie die DDR zu der Aussage stehe. Auf die ausweichend-ironische Antwort des Volkskammerpräsidenten, dass es ihm „nicht zu[stehe], Andreotti zu kritisieren“, reagierte Juan Carlos laut Delegationsbericht lachend mit der Feststellung, dass er dies „gut verstehen“ könne.89 Sindermanns Antwort war trotz ihrer diplomatischen Diskretion insofern selbstbewusst, als er um die Verbundenheit Juan Carlos’ mit der Bundesrepublik wusste, die am Ziel der deutschen Einheit festhielt.90 Zugleich kann die Reaktion des spanischen Königs als Anerkennung des selbstbewussten Auftretens gewertet werden, indem er Sindermann, der unmittelbar zuvor auf die „konstruktive[…] Friedenspolitik“ der DDR und deren „Anstrengungen […] zur internationalen Entspannung“ verwiesen hatte,91 die Notwendigkeit einer politischen Rechtfertigung ersparte. Alfonso Guerra nahm von einer Kritik an der Deutschlandpolitik der SED sogar explizit Abstand und würdigte „das Volk der DDR“ als „eine Realität […], die man anerkennen muss“.92 Damit ignorierte der spanische Vize-Ministerpräsident trotz der engen Beziehungen seiner Regierung und Partei zur Bundesrepublik deren im Grundgesetz festgeschrieben Anspruch auf Wahrung der nationalen und staatlichen Einheit Deutschlands und brachte eine gewisse unkritische Sympathie für das sozialistische Deutschland zum Ausdruck. Letztlich kamen beide Gesprächspartner – wenngleich Juan Carlos eher aus protokollarischer Zurückhaltung – ihrem Gesprächpartner aus der DDR entgegen, die in den 80er Jahren sehr darauf bedacht war, die Erfolge der Besuchsdiplomatie nicht durch Ne-
86
Botschaft der DDR in Madrid, Bericht über den Besuch einer Delegation der Volkskammer der DDR in Spanien vom 24. bis 28. September 1984, in: SAPMO-BArch, DY 30/13554, Bl. 90–96, hier: Bl. 93. 87 Ebenda, Bl. 90. 88 Zur Andreottis Äußerung vom September 1984 vgl. Cuccia, Italien, S. 687–689. 89 Botschaft der DDR in Madrid, Bericht über den Besuch einer Delegation der Volkskammer der DDR in Spanien vom 24. bis 28. September 1984, in: SAPMO-BArch, DY 30/13554, Bl. 90–96, hier: Bl. 94. 90 In der Regel achteten die westlichen Staaten bei ihrer Besuchsdiplomatie mit der DDR auf eine „sorgfältige Abstimmung ihrer Position mit Bonn“ im Fall der ungelösten „deutschen Frage“: Weilemann, Zusammenfassung, S. 329. 91 Botschaft der DDR in Madrid, Bericht über den Besuch einer Delegation der Volkskammer der DDR in Spanien vom 24. bis 28. September 1984, in: SAPMO-BArch, DY 30/13554, Bl. 90–96, hier: Bl. 90, 92. 92 Ebenda, Bl. 94.
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gativpropaganda in Form von Kritik an ihrem diktatorischen Regime oder der deutschen Teilung beschädigt zu sehen. In dieser Hinsicht musste die DDR in Spanien in der ersten Hälfte des Jahrzehnts nicht allzu viele Negativschlagzeilen befürchten. Zum einen profitierte sie nach wie vor von der bereits geschilderten Kenntnislosigkeit vieler Spanierinnen und Spanier bezüglich der Existenz zweier deutscher Staaten und einem undifferenziert positiven Deutschlandbild. Zum anderen kam den propagandistischen Angriffen der DDR gegen die USA ein spanischer Antiamerikanismus zugute, den – wenngleich unterschiedlich motiviert – sowohl das linke als auch das rechte politische Lager bereits während des Franquismus ausgebildet hatten und der auf linker Seite einen Höhepunkt in der Friedens- und Anti-NATO-Bewegung der frühen 1980er Jahre fand.93 Wenn man wie Axel Bachmann der anti-US-amerikanischen Propaganda der DDR gar „eine deutliche Entlastungs- und Abwehfunktion gegenüber westlichen Hinweisen auf die Menschenrechtssituation in den sozialistischen Ländern“ zuschreibt,94 kann der spanische Antiamerikanismus zu einem gewissen Grad als Erklärung dafür herangezogen werden, weshalb in Spanien bis in die Mitte der 80er Jahre nur wenig öffentliche Kritik an der SED-Diktatur geübt wurde. Von DDR-freundlichen Kräften auf regionaler Regierungsebene wurde in einem Fall sogar versucht, Schaden vom SED-Regime abzuwenden: Drei Wochen nach dem für die SED erfolgreich verlaufenen Volkskammer-Besuch informierte ein Regierungsbeauftragter der Autonomen Region Madrid die DDRBotschaft vorab über eine genehmigte Demonstration von Amnesty International Spanien vor dem Botschaftsgebäude, die die Freilassung von zwei in der DDR inhaftierten Bürgerrechtlern erwirken wollte.95 Botschafter Walkowski schätzte gegenüber dem MfAA ein, dass die Vorabinformation als „freundliche Geste“ gegenüber der DDR gemeint gewesen sein müsse, da die sowjetische Botschaft, vor der es gelegentlich zu Demonstrationen kam, bislang keine solchen „Warnungen“ erhalten habe. Außerdem habe die Regionalregierung Madrids der DDR-Vertretung auf diese Weise die Möglichkeit gegeben, Polizeischutz anzufordern und Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen.96 Entsprechend sah die DDR von einer Protestnote an das spanische Außenministerium ab, freilich auch, um „alles zu vermeiden“, was „Öffentlichkeit“ hätte erzeugen können.97 Eine Verstimmung im Verhältnis zur Madrider Regionalregierung oder zum MAE trat aufgrund der Demonstration daher nicht ein. Im Gegenteil versicherten der Generaldirektor für Europa und der Protokollchef des Außenministeriums, Mariano Berdeja Rivera und José Antonio de Urbina, Botschafter Walkowski einen Monat später im persönlichen Ge93 94 95
Vgl. Pereira Castañares/Neila Hernández/Moreno Juste (Hrsg.), Atlas, S. 186–190. Bachmann, Beziehungen, S. 101. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Blitztelegramme des Botschafters Walkowski ans MfAA, 16. 10. 1984, in: SAPMO-BArch, DY 30/13554, Bl. 106–107, hier: Bl. 106. Ein besonderer Bezug zu Spanien hat sich für die inhaftierten Bürgerrechtler nicht ermitteln lassen. 96 Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Blitztelegramme des Botschafters Walkowski ans MfAA, 16. 10. 1984, in: SAPMO-BArch, DY 30/13554, Bl. 106–107, hier: Bl. 106. 97 Ebenda, Bl. 107.
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spräch, dass „im Gegensatz zu früheren Regierungen […] die PSOE-Regierung [die] Entfaltung gleichberechtigter, stabiler Beziehungen zur DDR als völlig gerechtfertigt und zeitgemäß“ betrachte und die Entwicklung der bilateralen Beziehungen in den Jahren 1983 und 1984 ihrer Ansicht nach „äußerst erfolgreich und problemlos“ verlaufen sei.98 Neben dem „politischen Dialog“ auf Regierungsebene und der repräsentativen Audienz beim Staatsoberhaupt nutzte die Delegation um Sindermann ihren Aufenthalt in Spanien im Herbst 1984 auch zur Pflege der traditionellen Kontakte auf Partei- und Gewerkschaftsebene. Bei einem Empfang in der Botschaft anlässlich des 35. Jahrestags der Gründung der DDR traf Sindermann mit dem ehemaligen ZK-Mitglied des PCE Ignacio Gallego und dem Führer der kommunistischen Arbeiterkommissionen CC.OO., Marcelino Camacho, zusammen. Letzterer erschien in den Augen der SED als geeignete Integrationsfigur für die Verbesserung der Beziehungen zu den spanischen Kommunisten nach dem Wahldebakel des PCE 1982 und dem Rücktritt Carrillos. In Spanien war er eine populäre Figur des antifranquistischen Widerstands und auch in der DDR besaß er aufgrund der breiten Berichterstattung über den zu Beginn der 1970er Jahre gegen ihn geführten „Prozess 1001“ einen hohen Bekanntheitsgrad; gemeinsamer Anknüpfungspunkt war außerdem die Ablehnung der spanischen NATO-Mitgliedschaft. Als führender Vertreter der Anti-NATO-Bewegung und scharfer Kritiker der Sozial- und Arbeitspolitik des PSOE war Camacho jedoch auch einer der prominentesten innenpolitischer Gegner der Regierung González und brachte diese mit einem Generalstreik gegen eine geplante Rentenreform im Juni 1985 erstmals in starke innenpolitische Bedrängnis. Trotz des großen Stellenwerts, den die Beziehungen zur PSOE-Regierung für die SED besaßen, empfing sie Camacho drei Wochen nach dem Generalstreik in der DDR, wo er für „einen Austritt Spaniens aus der NATO“ warb und in einer gemeinsamen Presseerklärung mit dem FDGB „mit Nachdruck die Hochrüstungs- und Konfrontationspolitik aggressiver Kreise […] der NATO“ verurteilte.99 Um das priorisierte, weil politisch profitablere Verhältnis zu den Sozialisten nicht zu gefährden, sah die vom FDGB-Bundesvorstand bereits zwei Wochen vor Camachos Besuch ausgearbeitete Presseerklärung jedoch von einer Kritik an der Innenpolitik der PSOE-Regierung ab und auch der Generalstreik wurde lediglich vage als eine von mehreren „gemeinsamen Aktionen“ der kommunistischen und sozialistischen Gewerkschaften gegen das spanische „Großkapital[…]“ erwähnt.100
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Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Botschafters Walkowski ans MfAA, 23. 11. 1984, in: SAPMO-BArch, DY 30/13554, Bl. 116–117. FDGB, Bundesvorstand, Beschluss des Sekretariats vom 26. Juni 1985, hier: Entwurf einer gemeinsamen Presseerklärung über den Aufenthalt einer Delegation des Gewerkschaftsbundes der Arbeiterkommissionen Spaniens CC.OO. in der DDR, 26. 06. 1985, in: SAPMOBArch, DY 34/24616, Bl. 148–150, hier: Bl. 149–150. Ebenda; o. V., Gewerkschafter der DDR und Spaniens gegen Hochrüstung, in: ND vom 11. 07. 1985, S. 2.
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IV. Die DDR und die junge spanische Demokratie (1982–1990)
Auch Ignacio Gallego war eine wichtige Figur in der allmählichen Aussöhnung zwischen den ostdeutschen und spanischen Kommunisten ab 1983. Dass „Neues Deutschland“ ihn in seiner Berichterstattung über die Delegation Sindermanns nach Spanien als „Generalsekretär der Kommunistischen Partei (Spanien)“ bezeichnete,101 war dem außergewöhnlichen Umstand geschuldet, dass die SED entgegen dem Prinzip „ein Land – eine Partei“ neben dem PCE mit ihrem Generalsekretär Gerardo Iglesias auch den neuen prosowjetischen Parteizusammenschluss PC102 anerkannte, der sich auf einem „Kongress der Einheit der Kommunisten“ („Congreso de Unidad de los Comunistas“) im Januar 1984 gegründet hatte. Ihm gehörten mehrere marxistisch-leninistische Gruppierungen an, darunter der katalanische PCC und – am prominentesten – der von Gallego im Januar 1984 gegründete PCPE.103 Die SED begrüßte den PC als „neue politische Heimat“ der prosowjetischen Kräfte in Spanien und sah in seiner Gründung das „Ergebnis der jahrelangen Krise der KPS“ und ein Zeichen für die „Ablehnung der Politik des ‚Eurokommunismus‘“.104 Die zeitgleiche Anerkennung von PCE und PC rechtfertigte der Leiter der Abteilung Internationale Verbindungen des ZK der SED, Günter Sieber, in einem Telegramm an Botschafter Walkowski mit dem etwas mühsamen Argument, dass eine „einseitige Festlegung“ der SED „subjektiv [als] eine Einmischung“ verstanden werden könne und damit „objektiv [den] Einigungsprozess“ der spanischen Kommunisten verlängern würde.105 Dies war insofern bemerkenswert, als die DDR-Botschaft ein Jahr zuvor die Bitte einer moskautreuen kanarischen Gruppierung um Vermittlung innerhalb der marxistisch-leninistischen Kräfte Spaniens abgewiesen und dies damit begründet hatte, dass „sich die Bruderparteien der sozialistischen Länder nicht in die inneren Probleme der kommunistischen Bewegung in Spanien einmischen“ würden, um „deren Vereinigungsbemühungen [nicht] noch mehr [zu] komplizieren“.106 Nachdem sich jedoch die prosowjetischen Kräfte zusammengeschlossen hatten und auch PCE-Generalsekretär Gerardo Iglesias in der Führung der „Mutterpartei“ einen abgeschwächten eurokommunistischen Kurs erkennen ließ, schöpfte die SED begründete Hoffnung auf eine Verbesserung der Beziehungen zu den Genossen in Spanien. Da sie angesichts des ausstehenden NATO-Referendums und des diesbezüglich ambivalenten Kurses der PSOE-Regierung außerdem Interesse an einer von den Kommunisten angeführten Anti-NATO-Bewegung in Spanien hatte, hielt es das ZK für opportun, sowohl eine Delegation zum „Kongress der Einheit der Kommunisten“ des PC zu entsenden als auch eine Abordnung zum XI. Parteitag des PCE; die Botschaft in Madrid wurde angewiesen, die Beziehungen zu beiden
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O. V., Empfang in Madrid zum 35. Jahrestag der DDR, in: ND vom 29. 09. 1984, S. 2. Partido Comunista: vgl. East, Parties, S. 136–137, 139. Zu PCC und PCPE vgl. Kap. III.4.2. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Telegramm des Abteilungsleiters Sieber an Walkowski, 09. 02. 1984, in: SAPMO-BArch, DY 30/13554, Bl. 25–27, hier: Bl. 25. Ebenda, Bl. 26. Botschaft der DDR in Madrid, Vermerk über ein Gespräch mit Vertretern der „Células Comunistas“ am 27. Januar 1983, 03. 02. 1983, in: SAPMO-BArch, DY 30/13353, Bl. 83–84, hier: Bl. 84. Zu den kanarischen „Células Comunistas“ vgl. East, Parties, S. 136–137.
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Parteien zu stabilisieren.107 Diese Strategie war insofern erfolgreich, als der PC und Gallegos PCPE politisch zwar erfolglos blieben, die Anerkennung einer zweiten kommunistischen Partei durch die SED jedoch einen gewissen Eindruck auf PCEGeneralsekretär Iglesias zu machen schien. Er vereitelte Carrillos Versuche, als Strippenzieher im Hintergrund weiterhin die Geschicke der Partei zu lenken108 und signalisierte den Gästen aus der DDR auf dem XI. Parteitag des PCE im Dezember 1983 „ein zunehmendes Interesse an Kontakten mit der SED“ sowie den Willen, die gegenseitigen Beziehungen „zu intensivieren.“ 109 Dies stellte nach Einschätzung Ost-Berlins „objektiv einen Fortschritt“ und „eine Option auf die Zukunft“ dar, wobei insbesondere Iglesias’ Forderung nach einer „stärkere[n] Mobilisierung der Massen gegen [die] NATO-Integration und US-Stützpunkte in Spanien“ integrativ für die Parteibeziehungen genutzt werden könne.110 Als symbolischer Auftakt der Aussöhnung kann eine Studiendelegation des ZK der SED gelten, die 1984 erstmals nach einigen Jahren der Unterbrechung auf Einladung des ZK des PCE nach Spanien reiste, woraufhin sich die Beziehungen „sichtbar intensiviert[en]“;111 1985 wurde der Referentenaustausch zwischen den Parteien wieder aufgenommen und eine ZKDelegation aus Ost-Berlin zu den Feierlichkeiten anlässlich des 90. Geburtstags von Dolores Ibárruri entsandt.112 Zusätzlich zu den günstigen Entwicklungen auf Regierungs- und „Bruderpartei“-Ebene konnte die DDR seit dem Regierungsantritt des PSOE auf dem Feld der Kommunalpolitik an die bereits in der Transición erzielten Erfolge anknüpfen. Besondere Beachtung auf beiden Seiten fand eine Delegation des Magistrats von Berlin unter Leitung von Oberbürgermeister Erhard Krack im November 1983 nach Madrid, bei der eine „Vereinbarung über Zusammenarbeit und Freundschaft“ zwischen der „Hauptstadt der DDR“ und Madrid unterzeichnet und eine offizielle Städtepartnerschaft begründet wurde.113 Die Ost-Berliner Magistraten bewegten sich in der spanischen Hauptstadt auf „freundlichem Terrain“: Wie im
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Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Protokoll der Dienstbesprechung beim Botschafter am 9. 2. 1984, 09. 02. 1984, in: SAPMO-BArch, DY 30/13500, Bl. 22–28, hier: Bl. 28. Zu Carillos Rolle und Einflussversuchen im PCE nach seinem Rücktritt 1982 vgl. Preston, Stalinist, S. 329. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Informationsmaterial über die Kommunistische Partei Spaniens und die Lage in der kommunistischen Bewegung in Spanien, undatiert, vermutlich Februar 1987, in: SAPMO-BArch, DY 30/13489, Bl. 147–158, hier: Bl. 157. Vgl. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Telegramm des Abteilungsleiters Sieber an Walkowski, 09. 02. 1984, in: SAPMO-BArch, DY 30/13554, Bl. 25–27, hier: Bl. 2; Botschaft der DDR in Madrid, Protokoll der Dienstbesprechung beim Botschafter am 9. 2. 1984, 09. 02. 1984, in: SAPMO-BArch, DY 30/13500, Bl. 22–28, hier: Bl. 26. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Informationsmaterial über die Kommunistische Partei Spaniens und die Lage in der kommunistischen Bewegung in Spanien, undatiert, vermutlich Februar 1987, in: SAPMO-BArch, DY 30/13489, Bl. 147–158, hier: Bl. 157. Vgl. ebenda. Vgl. o. V., Berlin und Madrid bauen ihre Beziehungen aus, in ND vom 04. 11. 1983, S. 5; o. V., Cronología, in: Villa de Madrid vom 01. 01. 1984, S. 14.
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IV. Die DDR und die junge spanische Demokratie (1982–1990)
vorherigen Kapitel geschildert, zeigte deren sozialistischer Bürgermeister Enrique Tierno Galván eine ideologisch-politische Affinität zum real existierenden Sozialismus der DDR und war ein wichtiger Kontaktmann der ostdeutschen Botschaft; bei einem Besuch in Ost-Berlin 1980 hatte er darüber hinaus persönliche Freundschaft mit Erhard Krack geschlossen. Entsprechend bereitete er den Gästen aus der DDR einen repräsentativen Empfang mit „feierliche[r] Unterzeichnung“ des Freundschaftsabkommens im Madrider Rathaus und befriedigte damit das Bedürfnis der SED-Führung an imagefördernden symbolischen Gesten. Der Delegationsbericht betonte lobend die „große Aufmerksamkeit“, die Tierno dem Besuch gewidmet habe und die Bereitschaft zu „intensive[n] Gesprächen […] in einer Atmosphäre gegenseitiger hoher Anerkennung und großer Aufgeschlossenheit“ sowie das „große öffentliche Interesse“, das sich in der Berichterstattung durch spanische Presse, Rundfunk und Fernsehen gezeigt habe.114 Nicht zu unterschätzen war dabei die persönliche Ebene, die das Partnerschaftsabkommen durch die freundschaftliche Verbindung zwischen Tierno und Krack erhielt. Ersterer bekundete sie öffentlich, als er am Ende des fünftägigen Aufenthalts „seinem ‚guten Freund und Kollegen Erhard Krack […], dem unermüdlichen Kämpfer für den Frieden‘“ betont herzlich für dessen Besuch in Spanien dankte.115 Wenngleich auf niedrigerer Ebene und daher von geringerem politischen Gewicht, kann sie durchaus als ein ostdeutsch-spanisches Pendant zu den Freundschaften zwischen Felipe González und den beiden deutschen Bundeskanzlern Willy Brandt und Helmut Kohl gelten.116 Ähnlich wie sich deren „weit über das übliche Maß unter ‚politischen Freunden‘ hinausgehendes […] aufrichtiges Freundschaftsverhältnis“ 1989/90 „als Glücksfall“ für die deutsche Einheit erweisen sollte,117 stellte sich die Kombination aus Tierno Galváns ideologischer Nähe zum SED-Sozialismus und persönlicher Sympathie zu Krack als „Glücksfall“ für die ostdeutschen Interessen in Spanien heraus, indem die DDR-Botschaft von seinem großen Engagement und seiner Netzwerkarbeit zu ihren Gunsten profitierte. Während er sich nach seiner Wahl zum Madrider Bürgermeister im April 1979 aus Rücksichtnahme auf die Marxismusdebatte innerhalb seiner Partei und die instabile innenpolitischen Lage noch dazu gezwungen gesehen hatte, sein Engagement für die ostdeutschen Kommunisten mit einiger Vorsicht auszuüben, konnte er sich nach dem Wahlsieg des PSOE 1982 und gestützt auf seine große Popularität als Bürgermeister der spanischen Hauptstadt freimütiger für das „an-
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Magistrat von Ost-Berlin, Oberbürgermeister, Information über die Reise einer Delegation des Magistrats von Berlin unter Leitung des Oberbürgermeisters, Genossen Erhard Krack, vom 2. bis 6. November nach Madrid, undatiert, in: Landesarchiv Berlin, C Rep. 122, Nr. 402, unpag. Ebenda. Zum Einfluss von Freundschaften auf politische Entscheidungsprozesse und Handlungen vgl. Biermann, Freundschaftliche Verbundenheit, S. 215–229. Zur Freundschaft González/ Brandt vgl. Rother, Willy Brandt, S. 404; González, Willy Brandt. Zur Freundschaft González/Kohl vgl. Kap. IV.1.1. Aschmann, Mein Freund Felipe, S. 644.
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dere Deutschland“ einsetzen und dafür seine guten Parteikontakte, die nun Regierungskontakte waren, fruchtbar machen. Ein halbes Jahr nach dem Besuch Kracks in Madrid sicherte er Botschafter Walkowski zu, seine „persönlichen Beziehungen zu einflussreichen Politikern und zu Wirtschaftskreisen“ auch für die Beziehungen auf bilateraler Ebene einzusetzen.118 Walkowski berichtete mit Befriedigung an den stellvertretenden Außenminister Kurt Nier, dass Tierno „aktive Unterstützung für unsere Exportoffensive in Spanien“ geleistet und die Botschaft „mit einflussreichen Vertretern von Finanzkreisen zusammengeführt […] [habe], deren Hauptakteure direkte Verbindungen zu Führungskreisen der PSOE haben.“ 119 Um diese Finanzvertreter zum Absatz von DDR-Erzeugnissen in Spanien und auf Drittmärkten zu bewegen, habe Tierno seinen Sohn, der in der Bundesrepublik Ökonomie studiert hatte und seit 1983 Internationaler Direktor bei der spanischen Zentralbank „Banco de España“ war, zu Gesprächen mit Außenhandelsstaatssekretär Beil nach Ost-Berlin gesandt mit dem Ziel, „die Regierungsverbindungen zur Überwindung der Handelshemmnisse […] zu nutzen und Finanzierungen aus spanischen Mitteln zu sichern.“ 120 Das Engagement Enrique Tierno Pérez Relaños für die DDR war insofern bemerkenswert, als dieser einen starken persönlichen Bezug zur Bundesrepublik besaß. Er hatte das Abitur an der Deutschen Schule in Madrid abgelegt, war 1976 an der Universität Gießen promoviert worden und hatte weitere akademische Abschlüsse in der Bundesrepublik erworben.121 Dem Interesse der SED-Führung am „politischen Dialog“ auf hoher Ebene nachkommend, hatte sich Tierno außerdem um DDR-freundliche hochrangige Gesprächspartner für seinen Kollegen und Freund Krack bemüht, sodass dieser nicht nur mit Senatspräsident Carvajal zusammenkam, sondern auch mit Gonzalo Puente Ojea, Staatssekretär im Außenministerium Moráns. Puente Ojea war wie Tierno ein „aktiver Gegner der NATO“ und Kritiker der USA und von Außenminister Morán wegen seiner „progressiven Orientierung“ und „ideologisch-politischen Freundschaft“ ins MAE berufen worden.122 Entsprechend positiv fiel die DDR-Berichterstattung über das Gespräch Kracks mit ihm aus; „Neues Deutschland“ machte Puente Ojea fälschlicherweise gar zum „amtierenden spanischen Außenminister“.123 Auch „El País“ hob hervor, dass der Aufenthalt der DDR-Delegation „über die kommunale Ebene hinausging“ und der Unterzeichnungsakt für das Freundschaftsabkommen vielmehr „einem Entwurf für eine Friedenskonfe-
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Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Botschafters Walkowski ans MfAA, 22. 05. 1984, in: SAPMO-BArch, DY 30/13554, Bl. 56. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Walkowski an den stellvertretenden Außenminister Nier, 03. 06. 1983, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 1862/86, unpag. Ebenda. Vgl. Real Academia Europea de Doctores, Excmo. Sr. Dr. Enrique Tierno Pérez Relaño: https:// raed.academy/academicos/dr-enrique-tierno-perez-relano/. Letzter Zugriff am 07. 11. 2022. Morán, España, S. 121–122. O. V., Senatspräsident Spaniens empfing Berliner Oberbürgermeister, in: ND vom 05. 11. 1983, S. 2.
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IV. Die DDR und die junge spanische Demokratie (1982–1990)
renz zwischen Ost und West“ geglichen habe.124 Tiernos Position als Madrider Oberbürgermeister kam dabei eine Schlüsselrolle zu: Zum einen konnte seine Politik, die offiziell „lediglich“ Kommunalpolitik war, andere bilaterale Loyalitäten Spaniens und realpolitische Zwänge vernachlässigen und damit ideologischer sein als die von Außenminister Morán, der unter internationaler Beobachtung stand und im Kabinett außerdem mit einem starken Führungsanspruch Felipe González’ auch in außenpolitischen Fragen konkurrierte. Zum anderen besaß Tierno das nötige einflussreiche Netzwerk und hohe Ansehen innerhalb der sozialistischen Partei, um hinter den Kulissen zugunsten der DDR zu wirken; nach dem Wahlsieg des PSOE hatte er bereits versichert, „seine persönlichen Beziehungen zu Vizepräsident Guerra dazu [zu] nutzen“.125 Zweifellos hatte die DDR-freundliche Troika aus Enrique Tierno Galván in der Madrider Stadtverwaltung, Fernando Morán im Außenministerium und Alfonso Guerra im Regierungspalast Moncloa einen erheblichen Anteil an der Belebung der ostdeutsch-spanischen Beziehungen in der ersten Hälfte der 1980er Jahre. Entsprechend verlor Ost-Berlin mit der Entlassung Moráns durch Felipe González im Juli 1985 und dem Tod Tierno Galváns im Februar 1986 zwei wichtige Fürsprecher im sozialistischen Spanien. Die Kritik an der Illegitimität des SED-Staates, die bei den Besuchen Sindermanns und Kracks bereits anklang, blieb zunächst noch verhalten. Juan Carlos fand zwar einen aktuellen Anlass, um die deutsche Frage zu thematisieren, sah von einem politischen Kommentar oder gar einem Appell an den Wiedervereinigungsgedanken jedoch (noch) ab. Deutlicher sprach sich der oppositionelle Madrider Kommunalverband der konservativen Alianza Popular aus, der im Vorfeld der Unterzeichnung des Freundschaftsabkommens zwischen Ost-Berlin und Madrid die Aufnahme eines Passus über die Vereinigung der beiden deutschen Staaten als gemeinsames Ziel der Partnerschaft forderte; von Bürgermeister Tierno Galván verlangte die AP eine Städtepartnerschaft auch mit West-Berlin. Nach Zurückweisung des Vorschlags durch das Rathaus brachte der AP-Kommunalverband am Tag der Unterzeichung im Stadtparlament eine informative Note ein, die den „Abbau der Berliner Mauer“ forderte.126 Laut Delegationsbericht des Magistrats „entschuldigte“ sich ihr Vorsitzender José María Álvarez del Manzano allerdings nachträglich und versicherte, dass es nicht die Absicht seiner Partei gewesen sei, die Note an die Presse weiterzugeben. Er sehe sich zwar „veranlasst […] darauf hinzuweisen, dass es das Ziel der Deutschen sein müsse, die Stadt Berlin wieder zu vereinen“, schätze jedoch „den Besuch Erhard Kracks hoch ein“ und „begrüße den Abschluss der Vereinbarung mit [Ost-]Berlin“.127 Die Episode belegt einmal mehr das Klima aus 124 125 126 127
Javier Angulo, Los Municipios de Berlín Este y Madrid firman un convenio de amistad, in: El País vom 04. 11. 1983. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Walkowski an den stellvertretenden Außenminister Nier, 03. 06. 1983, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 1862/86, unpag. Javier Angulo, Los Municipios de Berlín Este y Madrid firman un convenio de amistad, in: El País vom 04. 11. 1983; o. V., Cronología, in: Villa de Madrid vom 01. 01. 1984, S. 14. Magistrat von Ost-Berlin, Oberbürgermeister, Information über die Reise einer Delegation des Magistrats von Berlin unter Leitung des Oberbürgermeisters, Genossen Erhard Krack,
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Wohlwollen, Entgegenkommen und gesteigerter Anerkennung, das die ostdeutschspanischen Beziehungen in der ersten Hälfte der 80er Jahre insbesondere in der spanischen Hauptstadt prägte.
1.3 Die vergebliche Einladung Juan Carlos’ und der Spanienbesuch Fischers 1984 Die Delegationen des Magistrats und der Volkskammer stellten zweifellos besuchsdiplomatische Erfolge der DDR dar. Da sie jedoch nominell nur auf kommunaler und Parlamentsebene stattfanden, hofften SED, MfAA und Botschaft, den „politischen Dialog“ mit dem sozialistischen Spanien baldmöglichst auf höherer Ebene fortsetzen zu können. Nachdem Juan Carlos bereits mündlich die von Sindermann übermittelte Einladung in die DDR angenommen hatte, berichtete Botschafter Walkowski Ende 1984 optimistisch nach Ost-Berlin, dass ihm das Außenministerium versichert habe, dass es „in voller Übereinstimmung mit [der] Regierung aktiv für [die] Realisierung [des] Besuches im kommenden Jahr eintreten“ werde und „nachdrücklich“ davon überzeugt sei, dass König Juan Carlos im Lauf des Jahres 1985 in Begleitung von Außenminister Morán die DDR besuchen werde.128 Der Botschafter führte dies selbstbewusst auf das „gewachsene[…] internationale[…] Ansehen [der] DDR“ zurück und mutmaßte, dass das „Königspaar gegenüber [der] Regierung [sein] persönliches Interesse an [einem] DDR-Besuch zum Ausdruck gebracht“ haben müsse, da das MAE bereits bald mit den Reiseplanungen beginnen wolle.129 Diese sehr optimistische Einschätzung mag einem gewissen Profilierungsdruck Walkowskis gegenüber der Zentrale in Ost-Berlin geschuldet gewesen sein, konnte sich aber auch aus der deutlichen Belebung der Beziehungen Spaniens zum Ostblock im Allgemeinen speisen, die sich seit 1983 in einem „regelrechten Boom […] politisch signifikante[r] Delegationen“ hochrangiger spanischer Staats- und Regierungsvertreter in den Osten ausdrückte.130 Erster Dialogpartner war dabei die Sowjetunion: Diese hatte in einem verschärften Konfrontationskurs zu Beginn der 80er Jahre zwar den Dialog mit dem Westen aufgekündigt, sah in der Außenpolitik Moráns jedoch eine „glaubhafte […] andere Alternative“, die „Elemente der Selbstständigkeit und des Nationalismus“ enthalte und daher „einige Anschlusspunkte“ biete.131 Um ebendiese „Selbstständigkeit“ außerhalb der Blöcke
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vom 2. bis 6. November nach Madrid, undatiert, in: Landesarchiv Berlin, C Rep. 122, Nr. 402, unpag. Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Botschafters Walkowski ans MfAA, 23. 11. 1984, in: SAPMO-BArch, DY 30/13554, Bl. 116–117. Ebenda. Niehus, Außenpolitik, S. 603 Botschaft der DDR in Moskau, Vermerk über eine Konsultation in der 1. Europäischen Abteilung des MID zur Innen- und Außenpolitik Spaniens und den sowjetisch-spanischen Beziehungen, 27. 12. 1983, in: SAPMO-BArch, DY 30/13553, Bl. 180–189, hier: Bl. 183.
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zu demonstrieren, hatte Morán ein knappes halbes Jahr nach seinem Amtsantritt der Sowjetunion zunächst allein, ein Jahr später gemeinsam mit dem spanischen Königspaar einen offiziellen Besuch abgestattet.132 Beide Begegnungen waren sowohl in Spanien als auch in der UdSSR „positiv“ eingeschätzt worden und das sowjetische Außenministerium hatte die Schlussfolgerung abgeleitet, dass es sich „lohne […] mit Spanien zusammenzuarbeiten.“ 133 Ein weiteres Jahr später, im Mai 1985, reisten Juan Carlos, Königin Sofía und Außenminister Morán zum Staatsbesuch nach Rumänien und Jugoslawien.134 Die Besuche in Bukarest und Belgrad waren zwar in erster Linie bilateral bzw. durch länderspezifische Interessen motiviert,135 hatten aber auch das grundlegende Ziel, ein „explizites“ spanisches Interesse am gesamten Ostblock zu bekunden.136 Dennoch reihte sich ein Besuch in der DDR nicht in die Ein-Jahres-Reisetaktung des Königspaars und Moráns in den Osten ein, was deutlich machte, dass die DDR innerhalb der spanischen Bemühungen um den Ostblock keine Priorität besaß bzw. eine Annäherung aus Rücksicht auf die engen Beziehungen zur Bundesrepublik nur mit besonderer Vorsicht erfolgen konnte.137 Juan Carlos bekräftigte nach seinen Besuchen in Rumänien und Jugoslawien gegenüber Walkowski zwar nochmals „sein ‚wirklich ernsthaftes Interesse‘, baldmöglichst seinen Staatsbesuch in der DDR zu realisieren“, gab jedoch „in scherzhaftem Ton“ zu verstehen, „dass er sich aber auch um ‚Ausgeglichenheit‘ bemühen müsse und deshalb nach seinem Besuch in [den] sozialistischen Ländern ‚wieder andere‘ von ihm zu besuchen“ seien; auch Königin Sofía erklärte dem DDR-Botschafter, dass die Wahl der Reiseziele „‚leider nicht nur von uns abhängt‘.“ 138Antonio Ortiz García, der Mitte der 80er Jahre Generalkonsul Spaniens in West-Berlin war, bestätigte im Interview, dass Juan Carlos einen Besuch in der DDR wiederholt aufschob, um Spaniens Beziehungen zur Bundesrepublik nicht zu gefährden.139 Vor diesem Hintergrund stellte der offizielle Besuch Oskar Fischers als erster Außenminister der DDR in Spanien im Januar 1984 den vorläufigen besuchsdiplomatischen „Höhepunkt“ in den ostdeutsch-spanischen Beziehungen dar und wurde von beiden Seiten als solcher gewürdigt; Vizepräsident Guerra sah „das Eis
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Vgl. Morán, España, S. 274, 335–340; Niehus, Außenpolitik, S. 603. Botschaft der DDR in Moskau, Telegramm ans MfAA, 29. 05. 1984, in: SAPMO-BArch, DY 30/13554, Bl. 57–59, hier: Bl. 57. Vgl. Morán, España, S. 274, 470–474; Niehus, Außenpolitik, S. 603. Zum Staatsbesuch in Rumänien vgl. Powell, Juan Carlos, S. 69–70; Morán, España, S. 472; o. V., Visita oficial a España de Nicolae Ceaucescu, in: El País vom 14. 05. 1979. Zum Staatsbesuch in Jugoslawien vgl. Sebastian García, El viaje de los Reyes a Rumanía y Yugoslavia, nueva etapa en las relaciones con el Este, in: El País vom 20. 05. 1985. Sebastian García, El viaje de los Reyes a Rumanía y Yugoslavia, nueva etapa en las relaciones con el Este, in: El País vom 20. 05. 1985; Morán, España, S. 470. Vgl. Labarta Rodríguez-Maribona, Diálogo. Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Botschafters Walkowski ans MfAA betr. Begegnung mit span. König, 29. 05. 1985, in: SAPMO-BArch, DY 30/13555, Bl. 67. Vgl. Interview mit Antonio Ortiz García am 14. 10. 2018.
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endgültig gebrochen“.140 Fischer kam auf höchster Staats- und Regierungsebene zu Gesprächen mit Juan Carlos, Kongresspräsident Peces-Barba, Vize-Ministerpräsident Guerra und Außenminister Morán zusammen. Der ausführliche Delegationsbericht ist in weiten Teilen eine Wiedergabe von Fischers Ausführungen zur Position der DDR „in Fragen der Sicherung des Friedens, der Wiederbelebung der internationalen Entspannung und der Notwendigkeit von Maßnahmen der Rüstungsbegrenzung und Abrüstung“ und damit – auch als Vorlage für das Politbüro – eine exemplarische Darlegung des außenpolitischen Selbstverständnisses der DDR als „internationale Dialogpartnerin“.141 Seine Auswertung lässt zwei Schlussfolgerungen für die politischen Beziehungen zwischen der DDR und Spanien während der ersten Regierungsperiode des PSOE zu: Zum einen wurden im Klima des „Zweiten Kalten Kriegs“ vor allem internationale Themen verhandelt, zum anderen konnte sich Fischer hierbei mit den DDR-Sympathisanten Morán und Guerra „übereinstimmend befriedigt […] [den] offenkundigen Gemeinsamkeiten“ in Grundfragen der internationalen Beziehungen vergewissern.142 Dass Ministerpräsident González nicht selbst zum Gespräch mit dem DDR-Außenminister erschien, sondern dies seinem Stellvertreter Guerra überließ, war einerseits ein Dämpfer für die Euphorie, die man im MfAA über den Besuch empfand; andererseits profitierte die Delegation davon, dass Guerra auch bei diesem Anlass seine Sympathie für das sozialistische Deutschland demonstrierte und Fischer genau jene Bühne bot, die die SED-Führung international für sich beanspruchte. Seine Bekundung, dass Spanien „bereit [sei], auf bilateralem wie auf multilateralem Feld mit der DDR so eng, wie es der unterschiedliche sozial-ökonomische Charakter beider Staaten zulasse, zusammenzuarbeiten“,143 entsprach dem Anspruch der DDR, mit ihrer außenpolitischen Praxis der „friedlichen Koexistenz“ ein erfolgreiches Modell für bilaterale Beziehungen zu den westlichen Staaten entwickelt zu haben und solche „Modellbeziehungen“ auch mit dem PSOE-regierten Spanien zu unterhalten.144 Dabei schätzte der Besuchsbericht zwei politische Stellungnahmen Moráns und Guerras als besonders „nutzbare Elemente“ ein, die eine Entwicklung solcher „Modellbeziehungen“ zwischen Ost-Berlin und Madrid durchaus realistisch erscheinen ließen. Erstens hätten sowohl der spanische Außenminister als auch der Vizepräsident Fischers Kritik an der Stationierung der US-amerikanischen Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik zugestimmt, wenngleich sich Morán mit dem Hinweis, dass Spanien „nicht direkt betroffen sei“, zu einem gewissen Grad
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MfAA, Minister für Auswärtige Angelegenheiten, Bericht über den offiziellen Besuch des Ministers für Auswärtige Angelegenheiten der DDR, Oskar Fischer, vom 12.–14. Januar 1984 in Spanien, 16. 01. 1984, in: SAPMO-BArch, DY 30/13498, Bl. 5–17, hier: Bl. 7–8. Ebenda, Bl. 8, 12–13. Ebenda, Bl. 11. Ebenda. Als Modellbeziehungen in den Westen betrachtete die DDR insbesondere die zu Finnland und Österreich: vgl. Weilemann, Zusammenfassung, S. 330.
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distanziert habe.145 Guerra hingegen sei so weit gegangen, gegenüber Fischer die eng befreundeten bundesdeutschen Sozialdemokraten zu kritisieren, indem er „zugegeben“ habe, dass „die SPD eine zwiespältige, unklare Rolle spiele“. So habe sie als Regierungspartei die Stationierung „initiiert“, in der Oppositionsrolle spreche sie sich jedoch dagegen aus und „er frage sich, welche Haltung sie einnehmen würde, käme sie plötzlich wieder an die Macht.“ 146 Angesichts der besonderen Freundschaft zwischen PSOE und SPD wird die Einschätzung Guerras, dass die SPD „ihre traditionelle Rolle als Orientierungspunkt für andere sozialistische Parteien […] so kaum spielen“ könne,147 dem Selbstbewusstsein des SED-Politbüros bei der Lektüre von Fischers Bericht besonders geschmeichelt haben. Dieser leitete daraus selbstbewusst ab, dass in Spanien „in dieser Situation der Politik der sozialistischen Staaten und insbesondere der DDR mit ihrem internationalen Gewicht große Beachtung geschenkt wird.“ 148 Zweitens wurde als „bemerkenswert“ festgehalten, dass Morán und Guerra die scharfe Kritik Fischers am „Konfrontationskurs der Reagan-Administration“ und an der Politik der USA gegenüber den westeuropäischen Staaten „mit merklicher Betroffenheit und ohne Widerspruch aufnahm[en].“ 149 Aus diesen „eigenständigen Elementen“ der spanischen Außenpolitik speiste sich die insgesamt überaus optimistische Bilanz des Berichts, dass „jetzt […] beiderseits interessierende Dinge in Fluss kommen [und] einen deutlichen Aufschwung der politischen […] Beziehungen“ zwischen Ost-Berlin und Madrid herbeiführen könnten.150 Dieser Optimismus war zu Beginn des Jahres 1984 insofern berechtigt, als einerseits die politischen Verhältnisse in Spanien und andererseits internationale Entwicklungen für die DDR günstig koinzidierten: Die außenpolitischen Vorstellungen der führenden Regierungsmitglieder Guerra und Morán kamen dem DDR-Interesse an einem international so weit wie möglich neutral agierenden Spanien entgegen, außerdem bestand mit dem angekündigten NATO-Referendum gar die vage Hoffnung auf einen spanischen Austritt aus dem Nordatlantikbündnis. Zugleich gelang es der DDR durch eine „geschickte[…] Ausnutzung“ des Interregnums, das in der Sowjetunion durch den Tod Breschnews und die kurzen Amtszeiten seiner Nachfolger Juri Andropow und Konstantin Tschernenko entstanden war, auf dem Gebiet der Sicherheits- und Entspannungspolitik einen „westpolitische[n] Durchbruch“ zu erzielen, indem sie eigene entspannungspolitische Ansätze entwickelte und sich als primäre Ansprechpartnerin im Osten gerierte.151
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MfAA, Minister für Auswärtige Angelegenheiten, Bericht über den offiziellen Besuch des Ministers für Auswärtige Angelegenheiten der DDR, Oskar Fischer, vom 12.–14. Januar 1984 in Spanien, 16. 01. 1984, in: SAPMO-BArch, DY 30/13498, Bl. 5–17, hier: Bl. 13–14. Ebenda, Bl. 9. Ebenda. Ebenda, Bl. 14. Ebenda, B.15. Ebenda, Bl. 8, 14. Weilemann, Zusammenfassung, S. 328–329.
2. Kultur- und Wirtschaftsbeziehungen in den 80er Jahren
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Diese für die DDR opportune Konstellation sollte jedoch nicht lange währen. Mit Michail Gorbatschows Amtsantritt im März 1985 übernahm die Sowjetunion wieder die Initiative in der Entspannungs- und Abrüstungspolitik des Ostblocks, sodass der Westen ohne Umwege über Ost-Berlin „wieder in Moskau selbst anläuten“ konnte.152 Hinsichtlich der Verhältnisse in Spanien erkannte außerdem bereits der Besuchsbericht Fischers, dass innerhalb der PSOE-Regierung „tief greifende[…] Differenzierungsprozesse[…] zwischen den Kräften um Regierungspräsident Gonzalez [sic!]“ und jenen, die „für eine weniger risikoreiche, sachlichere Politik gegenüber den sozialistischen Ländern eintreten“, bestanden.153 Im Verlauf der Jahre 1984/85 sollte sich diese Uneinigkeit innerhalb der Regierung zuungunsten eines NATO-Austritts und der politischen Interessen Ost-Berlins in Spanien entwickeln. Auf bilateraler Ebene stieß der Besuch Fischers zunächst jedoch einige konkrete Fortschritte in den Kultur- und Wirtschaftsbeziehungen an.
2. Kultur- und Wirtschaftsbeziehungen in den 80er Jahren 2.1 Kulturbeziehungen „Spürbar“ wurde die Intensivierung der Kulturbeziehungen laut MfAA mit der Unterzeichnung eines „Abkommens über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit“ und eines „Programms zur Entwicklung der kulturellen Beziehungen“ durch Fernando Morán und Oskar Fischer am 13. Januar 1984 in Madrid;154 beide Verträge wurden Anfang 1987 durch ein weiteres Kultur- und Wissenschaftsprogramm bis 1990 verlängert.155 Sie stellten eine Konkretisierung und Erweiterung des 1978 geschlossenen Kulturabkommens dar, das es der DDR während der Transición ermöglicht hatte, sich in Madrid und in einigen Provinzen Spaniens durchaus erfolgreich kulturpolitisch zu etablieren. Dieses Engagement führte die DDRBotschaft in den 80er Jahren fort, wobei ihr einige Achtungserfolge gelangen. Von diesen sollen im Folgenden diejenigen exemplarisch vorgestellt werden, an denen
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Ebenda, S. 328. MfAA, Minister für Auswärtige Angelegenheiten, Bericht über den offiziellen Besuch des Ministers für Auswärtige Angelegenheiten der DDR, Oskar Fischer, vom 12.–14. Januar 1984 in Spanien, 16. 01. 1984, in: SAPMO-BArch, DY 30/13498, Bl. 5–17, hier: Bl. 15. MfAA, Abteilung Westeuropa, Bericht über die Verhandlungen und die Unterzeichnung des „Programms für die kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und der Regierung Spaniens für die Jahre 1984, 1985 und 1986“ (Kulturarbeitsplan), undatiert, in: SAPMO-BArch, DY 30/13499, Bl. 16–20, hier: Bl. 16. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Bericht über die Verhandlungen zum Abschluss eines Programms für die kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und der Regierung Spaniens für die Jahre 1987, 1988 und 1989, März 1987, in: BArch, DQ 1/12478, unpag.
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IV. Die DDR und die junge spanische Demokratie (1982–1990)
sich einerseits grundlegende Aspekte und Probleme der auswärtigen Kulturpolitik der späten DDR aufzeigen lassen sowie andererseits das zunehmend gefestigte demokratische Selbstbewusstsein, mit dem Spanien auf die Initiativen aus Ost-Berlin reagierte. Die in der Transición bereits angelaufenen Hochschul- und Wissenschaftsbeziehungen konnten durch die neuen Abkommen ausgebaut werden. Ab 1984 fanden regelmäßige Konsultationen auf Staatssekretärsebene sowie zwischen dem spanischen „obersten Rat für wissenschaftliche Forschung“ und der Akademie der Wissenschaften der DDR statt.156 Außerdem gelang es der DDR laut bundesdeutscher Botschaft, durch die vereinbarte „praktische Ausfüllung“ von Universitätsvereinbarungen weiter „in die spanischen Universitäten einzudringen“.157 Neben der bereits bestehenden Hochschulvereinbarung zwischen der Humboldt-Universität zu Berlin und der Universidad Complutense in Madrid folgten Mitte der 80er Jahre weitere, u. a. zwischen der Karl-Marx-Universität Leipzig und der Fernuniversität UNED, den Universitäten in Rostock und Valencia sowie der TU Bergakademie Freiberg und der Bergbauhochschule der Polytechnischen Universität Madrid.158 Schwerpunkte des wissenschaftlichen Austauschs waren die Felder Medizin, Neurowissenschaften, Germanistik und Romanistik, im technischen Bereich Bergbau und Kohleindustrie sowie Chemie und Biotechnologie; die beiden letztgenannten entsprachen dem Fokus der Wirtschaftsbeziehungen in den 80er Jahren.159 Anlässlich der 750-Jahr-Feier Berlins 1987 stellte die DDR sämtliche akademischen Kontakte in einer großen Ausstellung an der renommierten Universität in Alcalá de Henares zur Schau. Sie wurde von Botschafter Spindler und Rektor Manuel Gala Muñoz eröffnet, von einem umfassenden Veranstaltungsprogramm begleitet und laut Angabe der Botschaft von mehr als achttausend Gästen besucht. Harry Spindler hob in seinem Bericht nach Ost-Berlin insbesondere die enge Zusammenarbeit mit der Germanistischen Abteilung in Alcalá hervor, die ihren Ausdruck darin gefunden habe, dass das neu geschaffene Deutschlektorat der Universität mit einem Wissenschaftler aus der DDR und nicht der Bundesrepublik besetzt worden sei. Auch eine umfassende und vorteilhafte Berichterstattung in der spanischen Presse sowie die Beflaggung der Universität mit DDR-Flaggen wertete er als Beleg für den „nachhaltigen Erfolg“ der DDR-Hochschulpolitik in
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„Consejo Superior de Investigación Científica“: Botschaft der DDR in Madrid, Zum Stand der bilateralen Beziehungen DDR-Spanien, 09. 04. 1984, in: SAPMO-BArch, DY 30/13554, Bl. 45–52, hier: Bl. 50. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Bericht betr. außenpolitische Aktivitäten der DDR im Gastland, 30. 08. 1983, in: PA AA, MADR 12682, unpag. MfAA, Abteilung Westeuropa, Einschätzung des Standes der Hochschulbeziehungen DDR/ Spanien, 11. 03. 1986, in: SAPMO-BArch, DY 30/13499, Bl. 21–23. Vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Positionspapier zum Stand der Beziehungen DDR-Spanien auf dem Gebiet des Hochschulwesens und Positionspapier zum Stand der Beziehungen DDR-Spanien auf dem Gebiet Wissenschaft und Technik, beide undatiert, in: PA AA, MfAA, MAV MADRID, ZR 2459/93, unpag.
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323
Spanien.160 Diese positive Bilanz des Botschafters ist einerseits mit Vorsicht zu betrachten, da sie gegenüber der Zentrale in Ost-Berlin auch als Nachweis über die eigene erfolgreiche Arbeit vor Ort dienen sollte. Andererseits wird sie durch ein Telegramm des spanischen Bildungsministeriums an die Botschaft in Madrid vom Juli 1990 insofern bestätigt, als die spanische Seite hinsichtlich des bereits ausgearbeiteten „Kulturarbeitsplans“ für die Jahre 1990 bis 1993 die Sorge äußerte, die akademische Zusammenarbeit und den „sehr intensiven Wissenschaftleraustausch“ mit der DDR möglicherweise bald nicht mehr fortführen zu können.161 Trotz der vertraglich und institutionell geregelten Wissenschaftsbeziehungen und den publikumswirksamen Erfolgen, die wie in Alcalá de Henares über die akademische Arbeitsebene hinausreichten, kann jedoch auch in den 1980er Jahren nicht von einem wirklichen „Austausch“ oder – wie von Spindler konstatiert – einer „nachhaltigen“, d. h. langfristig erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen ostdeutschen und spanischen Universitäten gesprochen werden.162 Eine solche war aufgrund des immanenten „Einbahnstraßen“-Charakters der auswärtigen Kulturpolitik der DDR nicht möglich: Nach wie vor blieben Westkontakte unerwünscht und Ausreisebestimmungen für ostdeutsche Wissenschaftler und Studierende daher äußerst restriktiv. Während in den Jahren der Transición zunächst ausschließlich spanische Studierende zu Sommerschulen in die DDR fuhren, konnten ab 1985 zwar auch DDR-Studierende die jährlich vom spanischen Außenministerium ausgeschriebenen Stipendien für Romanistik-Sommerschulen in Spanien abrufen, ihre Zahl blieb jedoch gering.163 Vor Ort hielt eine Informationsbroschüre die Gastwissenschaftler und Studierenden dazu an, „[g]egenüber Nicht-DDR-Bürgern keine Vertrauensseligkeit aufkommen zu lassen“ und „[a]ngesichts der hohen Konzentration von BRD-Bürgern besonders in Madrid, Barcelona und an der Mittelmeerküste alle unbedachten Äußerungen in der Öffentlichkeit zu vermeiden“.164 Diese von der Botschaft ausgearbeiteten „Warnhinweise“ konnten allerdings nicht verhindern, dass insbesondere in der zweiten Hälfte der 80er Jahre Kritik am SED-Regime, der Berliner Mauer und den fehlenden Freiheitsrechten in der DDR deutli-
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Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Botschafters Spindler ans ZK der SED/ Abteilung Internationale Verbindungen, LfV und MfAA, 29. 12. 1987, in: SAPMO-BArch, DY 30/13559, Bl. 96. Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm ans MfAA/Abteilung KAB, 12. 07. 1990, in: PA AA, MfAA, M 60, ZR 2664/14, unpag. Vgl. hierzu bezeichnenderweise, dass die zahlreichen institutionalisierten Universitätskontakte zwischen der DDR und Spanien in einem 2010 erschienen Sammelband zu „einem Jahrhundert deutsch-spanischer Wissenschaftsbeziehungen“ keine Erwähnung finden: Rebok (Hrsg.), Traspasar fronteras / Über Grenzen hinaus. 1984 nahmen elf spanische Studierende mit einem Stipendium an DDR-Sommerschulen teil, 1985 waren es neun. Aus der DDR dagegen konnten 1984 nur vier, 1985 nur ein Student nach Spanien reisen: vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Einschätzung des Standes der Hochschulbeziehungen DDR/Spanien, 11. 03. 1986, in: SAPMO-BArch, DY 30/13499, Bl. 21–23. Botschaft der DDR in Madrid, Hinweise für das Verhalten in Spanien, 28. 04. 1986, in: PA AA, MfAA, MAV MADRID, ZR 2550/93, unpag.
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cher und folglich auch von den wenigen Ostdeutschen in Spanien wahrgenommen wurde. Als Beispiel kann der Abschlussbericht einer Romanistikstudentin aus Leipzig über ihre Teilnahme an einem Sommerkurs in Salamanca im August 1988 dienen. Anders als der Leipziger Geschichtsprofessor Manfred Kossok, der zehn Jahre zuvor bei einer Kongressteilnahme in Barcelona als „einzige[r] Marxist“ das Interesse DDR-freundlicher akademischer Kreise erfahren hatte,165 berichtete die Romanistin, dass die Anwesenheit einer Teilnehmerin aus einem sozialistischen Land zwar ebenfalls „nicht wenig Erstaunen“ ausgelöst habe, sie jedoch insbesondere auf „Vorbehalte gegen die DDR-Reisepolitik“ gestoßen sei. Ihre Versuche, diese „abzubauen und das Interesse behutsam auf wichtigere politische Fragen zu lenken“, blieben laut ihrer Aussage jedoch erfolglos, was sie darauf zurückführte, dass die „westlichen Medien“ es auch in Spanien „stark […] und effektiv“ verstünden, „die DDR zu misskreditieren [sic!] und ihrem wachsenden Ansehen Schaden zuzufügen.“ Auch sei „[i]n besonderer Weise […] immer wieder die Persönlichkeit M. Gorbatschows gewürdigt“ und sie „sofort [mit] Gespräche[n] über Perestroika“ und „Fragen zur Haltung der DDR“ konfrontiert worden.166 Die Leipziger Studentin beschrieb damit ein Dilemma der DDR-Außen- und Kulturpolitik, das zwei Monate später beim offiziellen Besuch Erich Honeckers in Spanien auch auf höchster staatlicher Ebene evident werden sollte. Das Bemühen um ein eigenständiges Profil und Image als attraktive Partnerin im politischen Dialog und Kulturaustausch einerseits und die fehlende Offenheit und starke staatliche Reglementierung der Kulturbeziehungen andererseits führten auch im PSOE-regierten Spanien verstärkt zu einem „Glaubwürdigkeitsdefizit“ der DDR.167 Im Jahr 1987 hatte dies eine politische Zurückhaltung des spanischen Außenministeriums zur Folge: Bei den Verhandlungen zu einem „Folgekulturarbeitsplan“ für die Jahre 1987 bis 1989 zeigte die Delegation des MAE laut DDR-Bericht zwar ein „besonderes Interesse an naturwissenschaftlich-technischen Disziplinen“, lehnte es angesichts der evidenten Politisierung und ideologischen Instrumentalisierung der Kulturbeziehungen jedoch ab, erneut „gesellschaftswissenschaftliche Themen […] in die Vereinbarung aufzunehmen.“ 168 Ein weiteres Merkmal der politisierten auswärtigen Kulturpolitik der DDR blieb auch in den 80er Jahren das stark ausgeprägte Konkurrenzdenken gegenüber der Bundesrepublik, das in Spanien, wo die fest etablierten bundesdeutschen Kultureinrichtungen eine „Pole-Position“ innehatten, zunehmend hemmend wirkte. Hatte es aus Sicht der SED-Führung unmittelbar nach der internationalen Anerkennung der
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Vgl. Kap. III.5.1. Universität Leipzig, Direktorat für internationale Beziehungen, Textteil zum Reisebericht: Sommerkurs für spanische Sprache an der Universität Salamanca (Spanien, 3.–27. 8. 1988), 10. 09. 1988, in: UAL, DIB 397, Bl. 86–89, hier: Bl. 87. Weilemann, Zusammenfassung, S. 322. MfAA, Abteilung Westeuropa, Bericht über die Verhandlungen zum Abschluss eines Programms für die kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und der Regierung Spaniens für die Jahre 1987, 1988 und 1989, März 1987, in: BArch, DQ 1/12478, unpag.
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DDR verständlicherweise das primäre Ziel allen kulturpolitischen Engagements im Westen sein müssen, sich aus der „Rolle des ewigen Zweiten im Schatten der Bundesrepublik“ 169 zu befreien – beispielsweise durch die Verweigerung einer Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut in Madrid –,170 mutete die beinahe paranoide Abschottungspolitik Ende der 80er Jahre angesichts der eigenen vorzuweisenden kulturpolitischen Erfolge in Spanien jedoch wenig zeitgemäß an. Exemplarisch hierfür können MfS-Akten über eine gemeinsame „Komplexaktion“ der Liga für Völkerfreundschaft, der Freundschaftsgesellschaft „Guillermo Humboldt“ und der DDRBotschaft im Frühjahr 1988 in Madrid herangezogen werden. Sie dokumentieren den enormen Aufwand, mit welchem das MfS die „politisch-operative Sicherung“ der Veranstaltungen betrieb und dabei auffallend stark auf die Bundesrepublik fixiert war. Während der dreiwöchigen Ausstellung „Berlin heute – eine Begegnung mit der DDR“ im Madrider Kulturzentrum und des umfangreichen Begleitprogramms in weiteren Städten sollten erstens „Provokationen der BRD-Medien“ vermieden werden, zweitens „geeignete Personen“ aus der DDR entsandt werden, deren „positive“ politische Haltung eine „Abgrenzung von [der] BRD“ beinhaltete, und drittens „Störungen“ durch westdeutsche Besucher abgewendet werden, zu denen auch das Auslegen von Veranstaltungseinladungen bundesdeutscher Institutionen gezählt wurde.171 Dass Botschafter Spindler die Ausstellung und Veranstaltungsreihe vor diesem Hintergrund als „bedeutendes völkerverbindendes Ereignis“ 172 rühmte, verdeutlicht die Paradoxie der ostdeutschen Kulturpolitk. Zwar war die „Komplexaktion“ mit 120 000 Besucherinnen und Besuchern in Madrid und weiteren 70 000 in anderen spanischen Städten vermutlich der publikumswirksamste Erfolg des kulturellen Engagements der DDR in Spanien;173 der enorme Arbeitsund Zeitaufwand, die massive staatliche Lenkung und das hartnäckige Konkurrenzdenken gegenüber der Bundesrepublik lassen jedoch daran zweifeln, dass es Ost-Berlin langfristig hätte gelingen können, sich als dauerhaft präsente und potente Kulturgröße in Spanien zu etablieren. Die bundesdeutschen Kultureinrichtungen dagegen zeigten sich im Verlauf der 80er Jahre zunehmend gelassen gegenüber den ostdeutschen Aktivitäten in Spanien. 1983 hatte die Friedrich-Ebert-Stiftung noch eine große Karl-Marx-Ausstellung in Madrid organisiert, um in dessen hundertsten Todesjahr „dem HoneckerRegime zuvorzukommen“, das dem spanischen Kulturminister bereits ein Angebot für eine gemeinsame Veranstaltungsreihe unterbreitet hatte.174 Dagegen besuchten im Frühjahr 1989, als die DDR anlässlich ihres vierzigsten Jahrestags mit dem spanischen Ministerium für Öffentlichen Städtebau eine große Schinkel-Ar169 170 171 172
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Weilemann, Zusammenfassung, S. 321. Vgl. Kap. II.6. BStU, MfS, HA XX, Nr. 6380, Bl. 318–327, hier: Bl. 321, 327. Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Botschafters Spindler ans ZK der SED/Abteilung Internationale Verbindungen, LfV und MfAA, 07. 02. 1988, in: SAPMO-BArch, DY 30/ 13560, Bl. 35. Vgl. ebenda. Muñoz Sánchez, Franco-Diktatur, S. 232.
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chitekturausstellung in Madrid organisierte, der Direktor des Goethe-Instituts, der Kulturattaché der bundesdeutschen Botschaft sowie Mitglieder einer zeitgleich in Madrid weilenden Delegation des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker offiziell deren Eröffnung.175 Die DDR-Botschaft vermerkte in ihrem Bericht nach Ost-Berlin, dass sich die bundesdeutschen Vertreter „beeindruckt“ von der Ausstellung gezeigt und öffentlich zu deren Erfolg gratuliert hätten und die ARD über die Ausstellung berichtet habe.176 Darin schwang einerseits Stolz über die Anerkennung durch den westdeutschen „Konkurrenten“ mit, auf dessen „gutes Zeugnis“ 177 Ost-Berlin augenscheinlich Wert legte, andererseits Verunsicherung ob dessen demonstrativer Aufgeschlossenheit, die der eigenen Abgrenzungsmaxime zuwiderlief. Insbesondere die Aktivitäten des Goethe-Instituts wurden von der Botschaft auch Ende der 1980er Jahre nach wie vor minutiös beobachtet und diskreditiert, wobei Botschafter Spindler ausgerechnet deren vermeintlich politische Agenda kritisierte – was vor dem Hintergrund der maximalen staatlichen und politischen Durchdringung der eigenen Kulturarbeit freilich paradox war. Laut Spindler dienten die Aktivitäten des GI in erster Linie der „Fortsetzung des kulturellen Alleinvertretungsanspruchs“ und der Darstellung der Bundesrepublik „als ‚demokratischer Musterstaat‘“.178 Dabei schade das GI „anhaltend“ dem Ansehen der DDR, indem es versuche, „von der DDR abgekehrte[…] Künstler“ wie Günter Kunert und Reiner Kunze sowie Vertreter des „DDR-Kulturschaffens“ wie Christa Wolf für seine Zwecke zu gewinnen und eine „demgemäße Einflussnahme auf Regierungskreise und Bevölkerung“ in Spanien auszuüben.179 Im Gegensatz zu Spindlers Interpretation kann die Einladung Christa Wolfs durch das Goethe-Institut vielmehr als Zeichen einer zunehmend kooperativen bundesdeutschen Kulturarbeit in Spanien verstanden werden. Deren Notwendigkeit schien die DDR allerdings erst angesichts ihres eigenen drohenden Endes zu erkennen: In einem Entwurf des „Kulturarbeitsplans“ für die Jahre 1990 bis 1993 listete das MfAA neben zahlreichen Aktivitäten in Spanien zumindest die Möglichkeit gemeinsamer Buchvorstellungen mit der bundesdeutschen Botschaft oder dem Goethe-Institut.180 Im Juli 1990 fand außerdem erstmals ein Arbeitstreffen des DDR-Kulturattachés mit seinem bundesdeutschen Kollegen sowie dem Kulturreferenten des Goethe-Instituts statt. Dort wurden ebenfalls mögliche
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Botschaft der DDR in Madrid, Einschätzung zur Schinkel-Ausstellung, 01. 06. 1989, in: SAPMO-BArch, DY 30/13561, Bl. 36–42, hier: Bl. 36, 38. Ebenda. Ebenda, Bl. 39. Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Botschafters Spindler ans MfAA, 13. 07. 1987, in: SAPMO-BArch, DY 30/13558, Bl. 200–201. Zur Rolle des Goethe-Instituts in der auswärtigen Kulturpolitik der Bundesrepublik vgl. Kathe, Kulturpolitik, S. 284–289. Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Botschafters Spindler ans MfAA, 13. 07. 1987, in: SAPMO-BArch, DY 30/13558, Bl. 200–201. MfAA, Abteilung KAB, Kulturarbeitsplan-Entwurf Spanien 1990–1993, undatiert, in: PA AA, MfAA, M 60, ZR 2664/14, unpag.
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kulturpolitische Kooperationen der beiden deutschen Botschaften besprochen, etwa die Aufführung von Filmen, die in den 1960er Jahren in der DDR verboten gewesen waren, sowie gemeinsame „Diskussionsveranstaltungen“.181 In Anbetracht des absehbaren Endes der ostdeutsch-spanischen Beziehungen ging es in erster Linie jedoch bereits um die künftige „Sicherung [einer] angemessenen Repräsentanz [des] Gebiets der heutigen DDR“ in Spanien, insbesondere bei der für das Jahr 1992 anstehenden Olympiade in Barcelona und Weltausstellung in Sevilla. Dies war für den DDR-Kulturattaché insofern von Bedeutung, als für die Teilnahme der DDR an beiden Großveranstaltungen bereits seit Mitte der 80er Jahre Planungen liefen und mit der Stadt Barcelona bereits konkrete Verträge anberaumt worden waren.182 Daneben wurde die Möglichkeit einer Art „Patenschaft“ bzw. Übernahme der ostdeutsch-spanischen Kulturbeziehungen durch die bundesdeutsche Botschaft diskutiert,183 zumal der neue SPD-Staatssekretär im MfAA, Hans-Jürgen Misselwitz, ein Interesse daran zeigte, „dass der erreichte Stand der Zusammenarbeit durch die eintretende Staatennachfolge keinen Schaden nimmt“.184 Diese Bemühungen sowie der nicht mehr realisierte, jedoch äußerst ambitionierte „Kulturarbeitsplan“ für die frühen 1990er Jahre belegen einerseits einmal mehr, dass es der DDR trotz der bundesdeutschen Dominanz gelungen war, sich in Spanien kulturpolitisch zu etablieren. Zur „Ehrenrettung“ ihrer kulturpolitischen Erfolge zeigte sie sich im letzten Jahr der bilateralen Beziehungen sogar zu einer Öffnung gegenüber dem westdeutschen „Konkurrenten“ bereit. Andererseits lässt die immanente Selbstbeschränkung ihrer Kulturpolitik – exemplarisch aufgezeigt am „Einbahnstraßen“-Charakter der Wissenschaftsbeziehungen, am MfS-Engagement im Zuge der „Komplexaktion“ 1988 und an der Diskreditierung des Goethe-Instituts durch Botschafter Spindler im Jahr 1987 – daran zweifeln, ob diese „Öffnung“ langfristig zu einem kooperativen Nebeneinander zweier deutscher Kulturrepräsentanten in Spanien oder gar – wie im Fall Frankreichs und Finnlands – zu zwei deutschen Kulturinstituten hätte führen können.185
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Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Kulturattachés Ehlers ans MfAA/Abteilung KAB, 12. 07. 1990, in: PA AA, MfAA, M 60, ZR 2664/14, unpag. Ebenda. Zu konkreten Olympia-Planungen, etwa der Beteiligung ostdeutscher Sinfonieorchester beim Rahmenprogramm und dem Kauf eines Großplanetariums vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Botschafters Spindler ans MfAA, 28. 10. 1986, in: SAPMOBArch, DY 30/13557, Bl. 43. Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Kulturattachés Ehlers ans MfAA/Abteilung KAB, 12. 07. 1990, in: PA AA, MfAA, M 60, ZR 2664/14, unpag. MfAA, Staatssekretariat Misselwitz, Aide-Mémoire, 03. 05. 1990, in: PA AA, MfAA, MAV MADRID, ZR 2633/93, unpag. Zu Konkurrenz und kooperativen Ansätzen zwischen den bundesdeutschen und DDR-Kulturinstituten in Bulgarien, Finnland, Frankreich, Schweden, Syrien und Ungarn vgl. Schumacher, Ende der kulturellen Doppelrepräsentation.
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2.2 Wirtschafts- und Handelsbeziehungen Die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen Ost-Berlin und Madrid folgten einer ähnlichen Konjunktur wie die Kulturbeziehungen, wenngleich sie insgesamt auf einem niedrigen Niveau blieben. Die Grundlagen für eine „positive Entwicklung“ waren ebenfalls während der Transición geschaffen worden, insbesondere mit dem Handelsabkommen von 1979, seit dessen Abschluss die Außenhandelsumsätze beider Seiten merklich gestiegen waren.186 Mit dem Regierungsantritt der Sozialisten in Spanien erfuhren die Wirtschaftsbeziehungen eine weitere Belebung, wobei wichtige Impulse von den Begegnungen auf besuchsdiplomatischer Ebene ausgingen. Ein solch „neue[r] Impuls“ war im Oktober 1983 eine Wirtschaftsdelegation des MfA unter Leitung von Außenhandelsstaatssekretär Beil nach Spanien, in deren Zuge ein „Abkommen über wirtschaftliche und industrielle Zusammenarbeit“ unterzeichnet wurde.187 Dieses trug nach DDR-Einschätzung zu „wesentliche[n] Fortschritte[n]“ auf dem Gebiet der industriellen Kooperation bei, die bereits Anfang der 1980er Jahre unter Industrieminister Bayón angestoßen worden war.188 Konkret förderte und verstetigte es Kontakte des Ministeriums für Außenhandel und der handelspolitischen Abteilung der DDR-Botschaft ins spanische Wirtschaftsministerium, zum staatlichen Industrieverband INI und zum spanischen Unternehmerverband CEOE189 sowie zwischen der Deutschen Außenhandelsbank und einigen großen spanischen Banken.190 Außerdem kamen durch das Abkommen neue Geschäftsverbindungen zwischen ostdeutschen AHB und Unternehmen der spanischen Privatindustrie zustande, die durch einen verstärkten Besuchs- und Informationsaustausch ab 1983 verstetigt wurden.191 Da das MfA bis dato stets eine stärkere Präsenz Spaniens auf den Leipziger Messen angemahnt hatte, war außerdem die Zusage des Staatssekretärs aus dem spanischen Wirtschaftsministerium, Luis de Velasco Rami, und einer Delegation des CEOE zur
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Vgl. Tabelle „Außenhandel der DDR mit ausgewählten OECD-Ländern 1970–1987“ in: Veen/Weilemann (Hrsg.), Westpolitik, S. 336–337; o. V., Positive Entwicklung der Beziehungen DDR-Spanien, in: ND vom 03. 10. 1980, S. 2. Volkskammer der DDR, Arbeit der Interparlamentarischen Gruppe, Informationsmaterial und Gesprächsempfehlung zum Abschiedsbesuch des Außerordentlichen und Bevollmächtigten Botschafters des Königreichs Spanien in der DDR, Manuel Gómez-Acebo y de Igartua, 08. 07. 1985, in: BArch, DA 1/15720, unpag. Botschaft der DDR in Madrid, Zum Stand der bilateralen Beziehungen DDR-Spanien, 09. 04. 1984, in: SAPMO-BArch, DY 30/13554, Bl. 45–52, hier: Bl. 46. Confederación Española de Organizaciones Empresariales. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Zum Stand der bilateralen Beziehungen DDR-Spanien, 09. 04. 1984, in: SAPMO-BArch, DY 30/13554, Bl. 45–52, hier: Bl. 46. Für eine Übersicht über die Außenhandels- und Finanzkontakte und entsprechende Delegationen in den 80er Jahren vgl. KfA, Ausführungen von Genn. Inge Blechschmidt, Handelsattaché in der HPA der Botschaft der DDR in Spanien anlässlich der 2. Tagung des Komitees zur Förderung des Handels mit der Privatindustrie Spaniens, April 1985, in: BArch, DL 200/455, unpag. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Zum Stand der bilateralen Beziehungen DDR-Spanien, 09. 04. 1984, in: SAPMO-BArch, DY 30/13554, Bl. 45–52, hier: Bl. 46.
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Teilnahme an der Leipziger Frühjahrsmesse 1984 ein ebenso symbolischer wie konkret messbarer Erfolg von Beils Spanienbesuch. Im Herbst war in Leipzig dann auch erstmals der staatliche INI offiziell vertreten, was seitens der DDR mit dem Kauf von sechs Containerschiffen – und damit einem der größten Aufträge an westeuropäische Länder im Messejahr 1984 – gewürdigt wurde. Ebenso wurde anlässlich der spanischen Messepräsenz ein gemeinsames „Komitee zur Förderung des Handels DDR-Spanien“ gegründet, das sich aus Vertretern des CEOE und der Kammer für Außenhandel der DDR zusammensetzte und als erste Maßnahme die gegenseitige Vertragsbindung um mehr als dreihundert Prozent erhöhte.192 Der DDR diente die nunmehr verstetigte spanische Messebeteiligung insbesondere zur Steigerung ihres Exports von Werkzeug- und Landmaschinen und zur Gewinnung von Abnehmern für weitere Exportprodukte, etwa Leuchtmittel und Messtechnikinstrumente. Als „von entscheidender Bedeutung“ werteten beide Seiten zahlreiche neue Vertragsabschlüsse auf dem besonders „aussichtsreichen“ Sektor Kohle und Energie, darunter über Tagebauausrüstungen und Veredelungsanlagen sowie über technisch-wissenschaftliche Leistungen aus der DDR. Ferner wurde erstmals auch eine Zusammenarbeit bei der Produktion kompletter Industrieanlagen beschlossen.193 Wie auch auf der Ebene des „politischen Dialogs“ und der Kulturbeziehungen hatten an dieser erfolgreichen Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen in der ersten Hälfte der 1980er Jahre DDR-freundliche Kräfte in der spanischen Regierung Anteil. Beispielhaft kann hierfür eine Konkurrenzsituation zwischen der DDR und der Bundesrepublik stehen, bei der die SED laut bundesdeutschem Botschafter von ihren guten Kontakten ins spanische Außenministerium profitierte. Guido Brunner berichtete im März 1984 nach Bonn, dass die zum staatlichen Industrieverband INI gehörende Elektrizitätsgesellschaft Endesa einen Auftrag im Wert von über einhundert Millionen Deutsche Mark zum Bau von Großbaggern vermutlich an die DDR vergeben werde, obwohl der bundesdeutsche Konkurrent Krupp ein attraktiveres Angebot gemacht habe und daher vom Auftraggeber bevorzugt würde. Durch „politische Einflussnahme“ Beils und der ostdeutschen Botschaft auf das MAE gelinge es der DDR jedoch, „die Entscheidung über den Zuschlag immer wieder herauszuzögern“ und ihn „mit guten Chancen“ vermutlich zu erhalten.194 Wenngleich keine Dokumente über den Ausgang des Geschäfts 192
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194
Vgl. ebenda, Bl. 47; KfA, Ausführungen von Genn. Inge Blechschmidt, Handelsattaché in der HPA der Botschaft der DDR in Spanien anlässlich der 2. Tagung des Komitees zur Förderung des Handels mit der Privatindustrie Spaniens, April 1985, in: BArch, DL 200/455, unpag. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Zum Stand der bilateralen Beziehungen DDR-Spanien, 09. 04. 1984, in: SAPMO-BArch, DY 30/13554, Bl. 45–52, hier: Bl. 46. Für eine detaillierte Einschätzung des Wirtschafts- und Industrieabkommens und der spanischen Messebeteiligung durch die bundesdeutsche Botschaft vgl. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Telegramm ans AA betr. Abkommen zwischen Spanien und der DDR über wirtschaftliche und industrielle Zusammenarbeit, 09. 04. 1984, in: PA AA, MADRI, Bd. 36371, unpag. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Fernschreiben des Botschafters Brunner betr. Spaniens Beziehungen zur DDR, hier: wirtschaftlicher und wissenschaftlich-technologischer Austausch, 26. 03. 1984, in: PA AA, MADRI 36371, unpag.
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IV. Die DDR und die junge spanische Demokratie (1982–1990)
erhalten sind und damit ein politisch motivierter Wettbewerbserfolg der DDR gegenüber der Bundesrepublik nicht verifiziert werden kann, ist das GroßbaggerGeschäft insofern von Interesse, als es belegt, dass auch die bundesdeutsche Seite während der Amtszeit Moráns ein politisches Wohlwollen des sozialistischen Außenministeriums gegenüber der DDR wahrnahm. Auf der Ebene der Parteibeziehungen bedachte die SED diese Fürsprache mit einer Begünstigung von spanischen Außenhandelsfirmen, die durch den PSOE vertreten wurden. Seit 1984 importierte die DDR Trockenfrüchte und Gewürze verstärkt über das Außenhandelsbüro des PSOE, ab 1986 nahm außerdem dessen Anteil an Verkäufen spanischer Maschinen und Industrieanlagen in die DDR und am Import ostdeutscher Braunkohlebriketts zu.195 Das Handelsbüro des PCE, über das in den 70er Jahren die Hälfte aller in die DDR exportierten Zitrusfrüchte vertrieben worden war, beklagte Mitte der 80er Jahre einen Rückgang seiner Orangenexporte um fast vierzig Prozent zugunsten der PSOE-Firmen, was die Abteilung Handel, Versorgung und Außenhandel des ZK der SED mit einem Verweis auf „politische[…] Interessen“ unverhohlen bestätigte.196 Als Außenminister Oskar Fischer Anfang 1984 zu seinem ersten Staatsbesuch nach Spanien fuhr, waren bestehende Handelskontakte also bereits intensiviert und neue Formen der industriellen Zusammenarbeit initiiert worden. Dennoch gingen auch von seinem Besuch Impulse für die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen aus.197 Zum einen wurde der Stellenwert der Handelsbeziehungen erhöht, indem Fischer und Morán als Außenminister „mit Nachdruck“ ihr Interesse an einer „energische[n] und zielstrebige[n] Realisierung“ des Wirtschafts- und Industrieabkommens bekräftigten und Morán den Wunsch betonte, diesbezüglich „schneller voran[zu]kommen“, da Spanien bezüglich der DDR im Vergleich zu anderen sozialistischen Ländern einen „Rückstand aufzuholen“ habe.198 Zum anderen nahmen nach einem Treffen Fischers mit Staatssekretär Velasco Rami und dem Vizepräsidenten des INI erstmals die zwei neu gegründeten Arbeitsgruppen „Kohle/
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197 198
Vgl. ZK der SED, Abteilung Handel, Versorgung und Außenhandel, Stellungnahme zur dargelegten Situation der Zusammenarbeit zwischen Firmen der Kommunistischen Partei Spaniens und Außenhandelsbetrieben der DDR, undatiert, vermutlich Anfang 1986, in: SAPMO-BArch, DY 30/17807, unpag.; MfA, Bereich KIL, Stand und mögliche Schwerpunkte der weiteren Zusammenarbeit mit spanischen Parteifirmen, 12. 09. 1986, in: SAPMO-BArch, DY 30/17807, unpag. Vgl. Handelsbüro des PCE, Bericht, undatiert, vermutlich Anfang 1986, in: SAPMO-BArch, DY 30/17807, unpag. sowie ZK der SED, Abteilung Handel, Versorgung und Außenhandel, Stellungnahme zur dargelegten Situation der Zusammenarbeit zwischen Firmen der Kommunistischen Partei Spaniens und Außenhandelsbetrieben der DDR, undatiert, vermutlich Anfang 1986, in: SAPMO-BArch, DY 30/17807, unpag. Vgl. Morán, España, S. 267. KfA, Ausführungen von Genn. Inge Blechschmidt, Handelsattaché in der HPA der Botschaft der DDR in Spanien anlässlich der 2. Tagung des Komitees zur Förderung des Handels mit der Privatindustrie Spaniens, April 1985, in: BArch, DL 200/455, unpag.; MfAA, Abteilung Westeuropa, Positionspapiere zur Außenpolitik Spaniens, hier: Beziehungen Spanien-sozialistische Staaten, undatiert, in: PA AA, MfAA, MAV MADRID, ZR 2459/93, unpag.
2. Kultur- und Wirtschaftsbeziehungen in den 80er Jahren
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Energie“ und „Maschinenbau“ der gemischten Regierungskommission, die bereits im Zuge des Handelsabkommens von 1974 gebildet worden war, ihre Arbeit auf.199 Mit den Besuchen Beils und Fischers, die ein Jahr nach der Regierungsübernahme der Sozialisten und im Abstand von nur drei Monaten erfolgten, strengte die DDR eine wirtschaftspolitische Offensive in Spanien an. Diese war durch die Gewährung zweier Milliardenkredite aus der Bundesrepublik möglich geworden und knüpfte an die Imagepolitik an, die Botschafter Lorf bereits in Franco-Spanien betrieben und die handelspolitische Abteilung der Botschaft während der Transición fortgeführt hatte.200 Sie sollte erstens die DDR als potenten Industriestaat und „stabilen Wirtschaftspartner“ darstellen und schien zweitens mit Blick auf die von Ministerpräsident González angekündigte sozioökonomische Modernisierung Spaniens, dessen Wirtschaft zum Zeitpunkt der Regierungsübernahme durch den PSOE in einem desolaten Zustand war, besonders opportun.201 So fand das propagierte Image nicht nur in spanischen Unternehmerkreisen Anklang, sondern auch im Madrider Wirtschaftsministerium, das unter dem prominenten Minister Miguel Boyer eigentlich einen wirtschaftsliberalen Kurs verfolgte und dadurch im Konflikt mit der Gewerkschaft UGT und Vizepräsident Guerra stand.202 Aus zwei Gründen verwehrte sich Staatssekretär Velasco den ostdeutschen Außenhandelsoffensiven jedoch nicht: Erstens galt CEOE-Präsident José María Cuevas als Freund Felipe González’ und trug die Interessen seines Unternehmerverbands mitunter persönlich im Palacio de la Moncloa oder im Wirtschaftsministerium vor. Dazu gehörten auch Vertragsabschlüsse mit Handelspartnern aus der DDR, die seiner Meinung nach durch einen Staatsbesuch Honeckers in Begleitung einer ostdeutschen Wirtschaftsdelegation „konkret oder zumindest beträchtlich“ vorangetrieben werden könnten. Nach einem Treffen mit Außenminister Fischer in Madrid und Erich Honecker in Ost-Berlin appellierte Cuevas Anfang 1988 „wiederholt“ an das Wirtschaftsministerium und den Ministerpräsidenten, „so schnell wie möglich“ einen Termin für Honeckers Besuch in Spanien „zu konkretisieren“.203 Ein zweiter Grund war, dass die hochtönende DDR-Wirtschaftspropagan199
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Vgl. MfAA, Minister für Auswärtige Angelegenheiten, Bericht über den offiziellen Besuch des Ministers für Auswärtige Angelegenheiten der DDR, Oskar Fischer, vom 12.–14. Januar 1984 in Spanien, 16. 01. 1984, in: SAPMO-BArch, DY 30/13498, Bl. 5–17, hier: Bl. 9; Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Handelsrats Dr. Fischer ans MfA betr. Information über die Handelsund Wirtschaftsbeziehungen der DDR mit dem Königreich Spanien, 18. 09. 1990, in: PA AA, MADRI, Bd. 27720, unpag. Zum Einfluss der 1983 und 1984 gewährten bundesrepublikanischen Milliardenkredite auf den Westhandel der DDR vgl. Weilemann, Zusammenfassung, S. 322–323. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Zu den Beziehungen DDR-Spanien Stand 1987, undatiert, in: SAPMO-BArch, DY 30/13489, Bl. 52–56, hier: Bl. 53. Zur Lage der spanischen Wirtschaft Anfang der 80er Jahre vgl. Tusell, Spain, S. 340; Bernecker, Geschichte, S. 276–283. Vgl. Boyer Salvador, Miguel, in: Fundación Pablo Iglesias (Hrsg.), Diccionario Biográfico del Socialismo Español: https://fpabloiglesias.es/entrada-db/boyer-salvador-miguel/. Letzter Zugriff am 07. 11. 2022. Brief José María Cuevas Salvadors an Felipe González, 10. 06. 1988, abgelegt in: AGA, Fondo Presidencia de Gobierno, (09)0000, 64/3748, Exp. 3, unpag.
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IV. Die DDR und die junge spanische Demokratie (1982–1990)
da durchaus im politischen Sinne Boyers war, der mit dem Nachweis über ein intensiviertes und diversifiziertes bilaterales Beziehungsnetzwerk in Osteuropa die spanische Verhandlungsmasse im EG-Beitrittsverfahren zu erhöhen suchte.204 Ausdruck der erfolgreichen Imagekampagne der DDR war eine umfangreiche Sonderbeilage der Madrider Wirtschaftszeitschrift „El Nuevo Lunes“ im Oktober 1984, die auf Betreiben der Handelskammer Gijón und der DDR-Botschaft erschien und den Auftakt einer „DDR-Woche“ in Asturien anlässlich des 35. Jahrestags der DDR bildete.205 Auf siebzehn Seiten wurden die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen behandelt, Schwerpunkte des DDR-Außenhandels sowie der Messestandort Leipzig vorgestellt und in Spanien tätige ostdeutsche Kombinate und Außenhandelsbetriebe portraitiert. Ebenfalls erschienen Gastbeiträge der Außenhandelsstaatssekretäre Beil und Velasco sowie ein detaillierter Gesprächsbericht über eine „Expertenrunde“ aus Handelsrat, Handelsattaché und Presseattaché der DDR-Botschaft, zwei Vertretern des spanischen Wirtschaftsministeriums, einem Direktionsmitglied des INI und dem Präsidenten des gemeinsamen „Unternehmer-Komitees zur Förderung des Handels DDR-Spanien“. Der Grundtenor der Gastbeiträge und der „Expertenrunde“ war angesichts der 1983/84 „geschaffenen Grundlagen“ ein betont optimistischer, der den komplementären Charakter beider Volkswirtschaften und das daraus erwachsende „vielversprechende Potenzial“ des gegenseitigen Waren- und Technologieaustauschs wiederholt hervorhob. Fernando Gimeno, spanischer Präsident des neu gegründeten gemeinsamen „Unternehmerkomitees“, bestätigte das Bild der DDR als attraktive Handelspartnerin, deren „technisches Potenzial“ in Spanien „hinlänglich bekannt“ sei und die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen daher „zum Erfolg verdammt“.206 Trotz dieses Optimismus und des beiderseitigen Interesses an einer positiven Darstellung der Wirtschaftsbeziehungen ließen die Berichte der Sonderbeilage jedoch auch strukturelle Probleme des ostdeutsch-spanischen Handels erkennen. Diese wurden im Verlauf der 80er Jahre trotz einer deutlichen Steigerung des Warenaustauschs nicht gelöst und führten dazu, dass das niedrige Gesamtniveau der Handelsbeziehungen bis zum Ende des Jahrzehnts nicht signifikant angehoben werden konnte. Die DDR konnte ihren Außenhandelsumsatz mit Spanien von 23,6 Millionen US-Dollar im Jahr 1973 zwar auf 200 Millionen im Jahr 1989 erhöhen, ihr Anteil am spanischen Gesamthandelsumsatz blieb mit 0,14 Prozent beim Import und 0,22 Prozent beim Export im Jahr 1989 jedoch sehr gering.207
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207
Vgl. Niehus, Außenpolitik, S. 601. Vgl. Beilage „Especial España-R.D.A.“, in: El Nuevo Lunes Nr. 170 (1984). Zur „DDRWoche“ in Asturien vgl. Kap. III.5.1. O. V., Están asentadas las bases para una relación fructífera, in: El Nuevo Lunes Nr. 170 (1984), S. VIII–XII, hier: S. VIII: „[A]firmó que […] ‚el potencial técnico alemán es sobradamente conocido […]‘ y este aumento de las relaciones comerciales […]‚condenado al éxito‘ […].“ Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Handelsrats Dr. Fischer ans MfA betr. Information über die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen der DDR mit dem Königreich Spanien, 18. 09. 1990, in: PA AA, MADRI, Bd. 27720, unpag.
2. Kultur- und Wirtschaftsbeziehungen in den 80er Jahren
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Die Probleme bestanden erstens in den widerstrebenden Interessen beider Seiten, die eigenen Exporte zu erhöhen und Importe aus dem jeweils anderen Land zu reduzieren.208 Zweitens kritisierten sowohl die spanischen als auch die ostdeutschen Außenhandelsbetriebe unzureichende Kenntnisse über Markt- und Vertragsmechanismen im jeweiligen Partnerland.209 Drittens blieb der Warenaustausch zu wenig diversifiziert, weshalb Spanien fortdauernd ein Übergewicht von landwirtschaftlichen Erzeugnissen beim Export beklagte, während die DDR eine Fokussierung des spanischen Imports auf Kohle, Erdöl und Erzeugnisse des Maschinenbaus und der chemischen Industrie kritisierte und ein fehlendes Interesse an wissenschaftlich-technologischen Dienstleistungen aus der DDR bemängelte.210 Hinzu kam, dass die DDR-Botschaft sich noch bis in die späten 80er Jahre veranlasst sah, beim spanischen Wirtschaftsministerium die Aufhebung von Lizenz- und Importbeschränkungen für ostdeutsche Produkte anzumahnen, die ihres Erachtens den Absatz von Konsumgütern in Spanien behinderten.211 Außerdem belegen die monatlichen Berichte der handelspolitischen Abteilung der Botschaft das Fortbestehen von Qualitätsmängeln ostdeutscher Produkte, die sich in „Herstellungs- und Montagefehlern“, „ständigen Funktionsstörungen“ und „verzögerten Inbetriebnahmen“ äußerten. Sie führten wiederholt „zur Verärgerung der Kunden“, wirkten sich negativ auf „das Rufbild von DDR-Erzeugnissen bei der span[ischen] Industrie“ aus und machten es den ostdeutschen AHB mitunter „beinahe unmöglich, […] Nachfolgeaufträge […] zu platzieren.“ 212 Damit zeichnete sich bereits eine mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der DDRAußenwirtschaft in Spanien ab, die sich mit dem Beitritt Spaniens zur EWG ab 1986 verschärfte. Zwar beteuerte Außenminister Fernández Ordóñez gegenüber Hermann Axen, dass Spanien nach dem Beitritt weiter „am Ausbau des Handels mit der DDR vital interessiert“ sei und auch die Botschaft erwartete zunächst noch keine „unmittelbaren schwerwiegenden Veränderungen“, da die PSOE-Regierung gegenüber Brüssel relativ lange Übergangszeiten für die Übernahme der EWGHandelsbestimmungen ausgehandelt hatte.213 Langfristig verschlechterte sich jedoch die Konkurrenzposition der DDR: Der Anteil der EG-Länder am spanischen Außenhandelsumsatz stieg deutlich und angesichts westeuropäischer Investitionen in Spanien und dessen neu erworbenem Zugang zu Spitzentechnologien sank 208 209 210 211 212
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Vgl. o. V., Están asentadas las bases para una relación fructífera, in: El Nuevo Lunes Nr. 170 (1984), S. VIII–XII, hier: S. XI. Vgl. ebenda, S. IX–X; Botschaft der DDR in Madrid, HPA, Vermerk über ein Gespräch mit Fernando Gimeno Muntadas, 25. 05. 1989, in: BArch, DL 200/454, unpag. Vgl. o. V., Están asentadas las bases para una relación fructífera, in: El Nuevo Lunes Nr. 170 (1984), S. VIII–XII, hier: S. XI. Vgl. u. a. Botschaft der DDR in Madrid, HPA, Anlage zum Monatsbericht Februar 1985, 05. 03. 1985 und Monatsbericht August 1985, 04. 09. 1985, in: BArch, DL 2/12879, unpag. Botschaft der DDR in Madrid, HPA, Monatsbericht September 1985 (02. 10. 1985), Monatsbericht Oktober 1985 (04. 11. 1985), Monatsbericht Dezember 1985 (02. 01. 1986), in: BArch, DL 2/12879, unpag. Botschaft der DDR in Madrid, HPA, Spanien-EG (Fortschreibung), 03. 01. 1984, in: BArch, DL 2/12879, unpag.
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IV. Die DDR und die junge spanische Demokratie (1982–1990)
die ohnehin begrenzte Attraktivität des ostdeutschen Marktes.214 Dies äußerte sich konkret in der einseitigen Aussetzung des bilateralen Handelsabkommens durch Madrid im Dezember 1986, was den Handelsumsatz der DDR in Spanien bereits 1987 um dreißig Prozent sinken ließ.215 Außerdem konnte das spanische Wirtschaftsministerium die wiederholte Forderung Ost-Berlins nach einer Abschaffung der Kontingentierungen von DDR-Produkten nun mit dem Verweis auf langwierige Abstimmungsprozesse mit den zuständigen EWG-Organen zurückweisen.216 Anstatt also als Handelspartnerin vom spanischen Wirtschaftswachstum in der zweiten Hälfte der 80er Jahre zu profitieren, das der EG-Beitritt und die Modernisierungspolitik der PSOE-Regierung auslösten,217 geriet die DDR zunehmend ins Hintertreffen. Zwar bemühten sich einzelne ostdeutsche AHB Ende der 80er Jahre darum, „am derzeitigen Aufschwung in der spanischen Wirtschaft, insbesondere im Bauwesen, teilzuhaben“,218 konnten aber kaum attraktive Angebote machen. Der spanische Markt war zu „einem der begehrtesten Märkte in Europa“ geworden,219 für dessen Firmen sich Geschäfte mit den DDR-Außenhandelsbetrieben aufgrund „zu geringe[r] Wertvolumen“ oft nicht mehr lohnten.220 Außerdem wurde im Vergleich zu den EG-Handelspartnern die fehlende Innovationskraft der DDR-Außenwirtschaft immer evidenter: Fernando Gimeno kritisierte als Vertreter des spanischen Unternehmerverbands im Mai 1989 gegenüber Botschafter Spindler die fehlende Bereitschaft der ostdeutschen Partner, „neue Gebiete der Zusammenarbeit zu erschließen“. Auf Vorschläge des CEOE werde nicht oder „nur mit Worten und Erklärungen […] und prinzipiell zu langsam“ reagiert.221 Die Perspektiven für den ostdeutsch-spanischen Außenhandel waren Ende der 80er Jahre also keine guten. Als 1988 ein weiteres „Arbeitsprogramm zur Entwicklung der wirtschaftlichen und industriell-technischen Zusammenarbeit“ be-
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Vgl. ebenda. Zu den wirtschaftlichen Vorteilen des EG-Beitritts für Spanien vgl. Tusell, Spain, S. 343. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Handelsrats Dr. Fischer ans MfA betr. Information über die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen der DDR mit dem Königreich Spanien, 18. 09. 1990, in: PA AA, MADRI, Bd. 27720, unpag.; vgl. auch Tabelle „Außenhandel der DDR mit ausgewählten OECD-Ländern 1970–1987“ in: Veen/Weilemann (Hrsg.), Westpolitik, S. 336–337. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, HPA, Spanien-EG (Fortschreibung), 03. 01. 1984, in: BArch, DL 2/12879, unpag.; Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Handelsrats Dr. Fischer ans MfA betr. Information über die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen der DDR mit dem Königreich Spanien, 18. 09. 1990, in: PA AA, MADRI, Bd. 27720, unpag. Vgl. Bernecker, Geschichte, S. 292–294. AHB baukema Export/Import, Brief an die KfA/Vizepräsident Mönkemeyer betr. Verhandlungsergebnisse mit spanischen Firmen I/89, 20. 03. 1989, in: Barch, DL 200/454, unpag. Bernecker, Geschichte, S. 292. Kritik des CEOE-Vertreters Gimeno gegenüber Spindler: Botschaft der DDR in Madrid, HPA, Vermerk über ein Gespräch mit Fernando Gimeno Muntadas, 25. 05. 1989, in: BArch, DL 200/454, unpag. Ebenda.
3. Dialog und Entfremdung: Die DDR und Spanien 1986 bis 1990
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schlossen wurde, das eine Verdopplung des Warenaustauschs bis 1990 vorsah,222 bezweifelte CEOE-Vertreter Gimeno angesichts „fehlender neuer Ansatzpunkte für Geschäfte“ dessen Realisierbarkeit.223 Auch die „zahlreiche[n] Möglichkeiten, in der DDR zu investieren“, welche die spanische Industrie nach dem Fall der Berliner Mauer und der daraufhin einsetzenden rasanten Öffnung der DDR kurzzeitig sah und die von der Bundesrepublik unterstützt wurden – darunter etwa die Idee einer Ansiedlung spanischer Unternehmen in Ostdeutschland –,224 wurden mit dem Ende des SED-Regimes bereits nach kürzester Zeit hinfällig. Nach der Schließung der DDR-Vertretung in Madrid bemühte sich die bundesrepublikanische Botschaft, die bestehenden Geschäftskontakte zwischen spanischen Unternehmen und ehemaligen DDR-Außenhandelsbetrieben – sofern diese noch existierten – zu verzeichnen und den Umfang des Handelsaustauschs zu dokumentieren. Positive Rückmeldungen von spanischen Firmen, dass weiterhin Geschäftskontakte nach Ostdeutschland bestünden und langjährige persönliche Kontakte fortgeführt würden,225 konnten dabei nicht über die insgesamt magere Bilanz der ostdeutsch-spanischen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen auch unter den PSOE-Regierungen hinwegtäuschen. Die Erwartungen, die in der ersten Hälfte der 80er Jahre durch neue Impulse und einen daraus abgeleiteten Optimismus auf beiden Seiten geweckt worden waren, wurden spätestens ab 1986 nicht mehr eingelöst und blieben hinter den ambitionierten Verlautbarungen von ZK, MfA und KfA zurück. Dass sie auch „hinter ihrem Potenzial“ zurückblieben – wie zunächst noch beiden Seiten, seit 1986 meist nur noch DDR-Akteure erklärten –, muss angesichts ihrer geschilderten strukturellen Probleme, der grundsätzlichen Schwäche der DDR-Außenwirtschaft und der zunehmenden Asymmetrie zwischen der spanischen und ostdeutschen Wirtschaftskraft in der zweiten Hälfte der 80er Jahre stark bezweifelt werden.
3. Dialog und Entfremdung: Die DDR und Spanien 1986 bis 1990 Die Differenzen innerhalb der Regierung González, die beim ersten Besuch Oskar Fischers in Spanien bereits angeklungen waren, nahmen im Verlauf der Jahre 1984/85 zu und führten im Juli 1985 zum Ausscheiden Fernando Moráns aus dem
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Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, HPA, Spanien-EG (Fortschreibung), 03. 01. 1984, in: BArch, DL 2/12879, unpag. Botschaft der DDR in Madrid, HPA, Vermerk über ein Gespräch mit Fernando Gimeno Muntadas, 25. 05. 1989, in: BArch, DL 200/454, unpag. Gabinete de la Presidencia del Gobierno, Cumbre Hispano-Alemana Constanza, März 1990, in: AGA, Fondo Presidencia de Gobierno, (09)0000, 64/3754, Exp. 2, unpag. Vgl. Botschaft der Bundesrepublik in Madrid, Korrespondenz mit spanischen Außenhandelsfirmen, die mit DDR Handelsbeziehungen unterhielten, April 1992, in: PA AA, MADRI, Bd. 27720, unpag.
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IV. Die DDR und die junge spanische Demokratie (1982–1990)
Amt des Außenministers und damit einer ersten Veränderung zuungunsten der ostdeutschen Interessen in Spanien. Außerdem veränderten der spanische EGBeitritt und insbesondere die endgültige Entscheidung über den Verbleib in der NATO die Vorzeichen für das bilaterale Verhältnis erheblich, weshalb spätestens ab 1986 eine zweite Phase in den Beziehungen zwischen der DDR und dem sozialistisch regierten Spanien ausgemacht werden kann. Im Folgenden werden mit dem ersten Besuch eines spanischen Außenministers in der DDR 1986 und dem Staatsbesuch Erich Honeckers in Spanien 1988 die beiden herausragenden Begegnungen dieser zweiten Phase besprochen. Zuvor sollen knapp die zentralen politischen Entwicklungen der Jahre 1984 und 1985 in Spanien vorgestellt werden, die das für die DDR günstige Klima der ersten Phase veränderten.
3.1 Der außenpolitische Pragmatismus Fernández Ordóñez’ Von entscheidender Bedeutung war der allmähliche Kurswechsel der PSOERegierung in der Frage der spanischen NATO-Mitgliedschaft. Obwohl die Sozialisten ihren Wahlsieg von 1982 auch ihrem klaren Bekenntnis zum Austritt Spaniens aus dem Nordatlantikbündnis verdankten, deuteten manche zeitgenössischen Beobachter bereits die erste Regierungserklärung Felipe González’ als Absage an den strikten Anti-NATO-Kurs.226 Bis zu einer endgültigen Festlegung folgten ambivalente Aussagen und widersprüchliche Positionierungen von Regierungs- und Parteivertretern, angesichts derer Tusell den Weg des PSOE vom Anti-NATOWahlkampf 1982 bis zur „Verbleib“-Kampagne im Referendumswahlkampf 1986 treffend als „verworren, fragwürdig und lang“ charakterisiert.227 Dabei können drei Hauptgründe für den Schlingerkurs der Sozialisten ausgemacht werden: Erstens sah sich das große Anti-NATO-Lager innerhalb der Partei einem wachsenden Lager von NATO-Befürwortern entgegen.228 Zweitens hatte der NATO-Beitritt, den die bereits taumelnde UCD-Regierung im Dezember 1981 „auf den letzten Drücker“ angebahnt hatte, die von Fernando Morán zuvor entworfene Vision einer Neutralitäts- und Spielraumaußenpolitik für Spanien weitgehend obsolet gemacht.229 Die Sozialisten hatten darauf mit dem Wahlkampfversprechen eines Referendums über den Verbleib im Bündnis reagiert, das sie nach ihrem Wahlsieg von 1982 in eine Sackgasse manövrierte.230 Drittens nahm mit der Regierungsverantwortung der internationale Druck auf die Sozialisten zu: Der Parteiveteran Tierno Galván schätzte nach der Bildung des ersten Kabinetts González ein, dass dieses „unter starkem Druck der BRD und USA“ stehe und daher
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Vgl. Powell, Cambio de régimen, S. 440. Tusell, Spain, S. 342; vgl. zeitgenössisch Felix Bayon, El decálogo puso fin a una etapa confusa, in: El País vom 28. 02. 1986. Vgl. Soria Pastor, El PSOE y el referéndum, S. 104–110. Vgl. Powell, Cambio de régimen, S. 439–440. Vgl. Val Cid, Opinión, S. 213.
3. Dialog und Entfremdung: Die DDR und Spanien 1986 bis 1990
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„verstärkt mit einem Nachgeben bestimmter Führungskreise gerechnet werden“ müsse. Tierno machte insbesondere Wirtschaftsminister Boyer als einen der Regierungsvertreter aus, die mit „Zugeständnissen“ in der NATO-Frage das Ziel einer schnellstmöglichen EWG-Integration Spaniens erreichen wollten.231 Auch DDR-Botschafter Walkowski beobachtete ein halbes Jahr nach der Regierungsübernahme des PSOE, dass sich „[u]nter massivem Druck insbesondere der USA und der BRD“ zunehmend „jene Kräfte in der spanischen Regierung durch[setzten], die von der umfassenderen Einbindung in den Konfrontationskurs [der NATO] Vorteile für den EG-Beitritt des Landes“ erwarteten.232 Zwar war eine EGZugehörigkeit Spaniens nie Bedingung für den NATO-Beitritt gewesen, doch stimmte die Einschätzung, dass beide Mitgliedschaften eng zusammenhingen; selbst die NATO-Gegner innerhalb des PSOE rechneten für den Fall eines NATOAustritts mit negativen Folgen für die spanische EG-Integration.233 Dabei spielte auch der konservative Regierungswechsel in Bonn im Herbst 1982 eine Rolle. Helmut Kohl erklärte bei seinem ersten Staatsbesuch in Spanien im Mai 1984 unmissverständlich, dass die Zugehörigkeit zum gemeinsamen Markt der EG und zur NATO für ihn „zwei Seiten derselben Medaille“ seien und er, falls ein Referendum stattfinden sollte, „volles Vertrauen in das Verantwortungsbewusstsein des Volkes und der Regierung Spaniens“ habe.234 „Ya“ sprach von einem „Holzhammer“, mit dem die Bundesregierung ihre Haltung in der spanischen NATO-Frage deutlich mache.235 Die PSOE-Regierung machte die Verknüpfung von EWG-Marktzugang und NATO-Verbleib denn auch zum Hauptargument ihres Kursschwenks: Im Oktober 1983 stellte González erstmals öffentlich einen Zusammenhang zwischen spanischer NATO- und EG-Mitgliedschaft her.236 Ein Jahr später präsentierte er in einer Kongressdebatte zur Lage der Nation einen Katalog („decálogo“), der zehn „Verteidigungsbedürfnisse“ Spaniens listete und letztlich die Festlegung der Regierung auf einen Verbleib im Nordatlantikbündnis darstellte.237 Da González spätestens mit dem „decálogo“ seine eigene Partei, das Parlament und die öffentliche Meinung für eine außenpolitische Kursänderung zu gewinnen begann, macht Powell darin die „Geburtsurkunde einer neuen Verteidi-
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Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Walkowski an den stellvertretenden Außenminister Nier, 03. 06. 1983, in: PA AA, MfAA, M 44, ZR 1862/86, unpag. Vgl. auch Boyer, in: Diccionario Biográfico del Socialismo. Botschaft der DDR in Madrid, Brief des Botschafters Walkowski an den stellvertretenden Außenminister Nier, 14. 07. 1983, in: SAPMO-BArch, DY 30/13553, Bl. 140–148, hier: Bl. 144. Vgl. Tusell, Spain, S. 342. Alberto Míguez, Kohl reitera que en Europa economía y seguridad – CEE y OTAN – son inseparables, in: ABC vom 19. 05. 1984, S. 19. O. V., Los Alemanes continúan dando con el mazo en el asunto de la OTAN, in: Ya vom 26. 02. 1986. Vgl. Román Marugán, Cronología, S. 597. Zur zeitgenössischen Einschätzung des „decálogo“ vgl. Morán, España, S. 369–375; Felix Bayon, El decálogo puso fin a una etapa confusa, in: El País vom 28. 02. 1986. Zu seiner historischen Bedeutung vgl. Powell, Cambio de régimen, S. 439–440; Sanz Díaz, Apertura, S. 790.
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gungs- und Sicherheitspolitik für Spanien“ aus.238 Das Institut für Internationale Beziehungen in Babelsberg schätzte treffend ein, dass der „decálogo“ zwar einerseits die endgültige Absage an eine neutralistische Außenpolitik Spaniens im Sinne Moráns war, andererseits mit dem Festhalten am NATO-Referendum auch ein Zugeständnis an die linken Kräfte des PSOE enthielt. Dazu zählte es die Gewerkschaft UGT, den Jugendverband JSE und die spanische Friedensbewegung, die alle zum Kontaktkreis der DDR-Botschaft in Madrid gehörten.239 Daneben deutete die Botschaft eine hochrangige Delegation, die der PSOE unter José María „Txiki“ Benegas, Generalsekretär des baskischen Parteiverbands und Mitglied des Bundesexekutivkomitees, während der Referendumskampagne Ende 1985 in die DDR entsandte, als Versuch der sozialistischen Parteiführung, „auf ihr beträchtliches linkes Wählerpotential mäßigend einzuwirken.“ 240 Fernando Moráns Rolle im NATO-Kursschwenk der Sozialisten war ambivalent. Obgleich ein Gegner der spanischen Mitgliedschaft, spielte er bei der Ausarbeitung des neuen „atlantischen Konsenses“ eine entscheidende Rolle.241 Laut „El País“ hatte er persönlich einen Entwurf des „decálogo“ verfasst, den er allen Kabinettsmitgliedern zur Debatte vorlegen und als „höchstvertraulich“ behandelt wissen wollte. Dass González das Papier um eigene Ideen ergänzte und unbesprochen im Kongress vorstellte, habe zu einem ernsten Konflikt zwischen Ministerpräsident und Außenminister in der NATO-Frage geführt.242 Dennoch bestätigte Morán dem sowjetischen Außenminister Gromyko bei dessen Besuch in Madrid im März 1985, also ein Jahr vor dem Referendum, dass der Verbleib Spaniens in der NATO bereits „beschlossene Sache“ sei.243 Die Erinnerung Moráns, dass Gromyko – den er von seinen Besuchen in der UdSSR persönlich kannte, dem er großes außenpolitisches Gewicht zusprach und dessen Besuch er nach eigener Aussage gemeinsam mit dem sowjetischen Botschafter Dubinin sorgfältig vorbereitet hatte – den Kursschwenk der spanischen Sozialisten „vorbehaltlos“ akzeptiert habe,244 kann insofern als glaubwürdig gelten, als die Sowjets bereits seit dem Besuch Juan Carlos’ in der UdSSR ein halbes Jahr zuvor von einem Verbleib Spaniens in der NATO ausgegangen waren.245 Weniger glaubhaft scheint dagegen Moráns nachträgliche Versicherung, dass es in diesem Punkt „keinerlei Diskrepanzen“ zwischen dem Palacio de Santa Cruz und dem Palacio de la Moncloa gegeben
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Powell, Cambio de régimen, S. 444; vgl. auch Val Cid, Opinión, S. 213. Vgl. Institut für Internationale Beziehungen der DDR, Königreich Spanien 1984, undatiert, vermutlich Anfang 1985, in: SAPMO-BArch, DY 30/13554, Bl. 1–10, hier: Bl. 1, 9–10. Büro Axen im ZK der SED, Bericht über den Aufenthalt einer Delegation der Spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) vom 9. bis 11. Dezember 1985 in der DDR, 16. 12. 1985, in: SAPMO-BArch, DY 30/69741, Bl. 1–7, hier: Bl. 2–3. Powell, Cambio de régimen, S. 444. Felix Bayon, El decálogo puso fin a una etapa confusa, in: El País vom 28. 02. 1986; vgl. Morán selbst zum Entwurf des „decálogo“: Morán, España, S. 369–375. Niehus, Außenpolitik, S. 603–604; Morán, España, S. 421–422. Morán, España, S. 421–422. Vgl. Niehus, Außenpolitik, S. 604–605; Sanz Díaz, Apertura, S. 790.
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habe.246 Tusell geht im Gegenteil davon aus, dass der Außenminister „nie die Gelegenheit erhalten“ habe, dem Ministerpräsidenten seine NATO-Position detailliert zu erläutern und schließt daraus, dass zwischen den beiden Sozialisten „absolute Funkstille“ geherrscht haben müsse.247 Dies würde erklären, warum González im Juni 1985, als die EG-Beitrittsverhandlungen abgeschlossen waren, an deren günstigem Ausgang Morán erheblichen Anteil gehabt hatte, diesen aus dem Amt des Außenministers entließ.248 Ersetzt wurde er durch Francisco Fernández Ordóñez, der nach seiner Amtszeit als Justizminister von 1980 bis 1981 und dem Austritt aus der UCD zunächst die sozialdemokratische „Partei der Demokratischen Aktion“ (PAD) gegründet hatte und nach deren Integration in den PSOE im Jahr 1983 zu einem führenden Vertreter des sozialdemokratischen Flügels geworden war.249 Im Gegensatz zum „intellektuellen Idealisten“ Morán verstand er Außenpolitik als ein Feld „schmaler Grade und begrenzter Möglichkeiten“, das in besonderer Weise „realistische Anstrengungen“ und „Pragmatismus“ erfordere.250 Den NATO-Kursschwenk des PSOE erklärte er damit, dass die Regierung „verstanden habe, dass es sehr schwer ist, gleichzeitig ein aktives, loyales und leistungsfähiges Mitglied der EG, nicht aber der Atlantischen Allianz zu sein.“ 251 Die Botschaft der DDR sah im Austausch Moráns durch Fernández Ordóñez einen „deutliche[n] Rechtsruck“ der PSOE-Regierung.252 Frustration herrschte insbesondere darüber, dass Morán seinen noch für denselben Monat angekündigten Gegenbesuch in der DDR nicht mehr realisieren konnte.253 Als Beleg für eine tatsächliche Sympathie des ersten sozialistischen spanischen Außenministers gegenüber der DDR kann in diesem Kontext ein Brief Moráns gelten, in dem er sich angesichts seines Ausscheidens aus dem MAE an Botschafter Walkowski wandte, um „meine persönliche Wertschätzung und meine Dankbarkeit für Ihre wirkungsvolle Zusammenarbeit während meiner Zeit als Außenminister zur noch stärkeren Vertiefung der zwischen unseren beiden Ländern bestehenden Beziehungen“ auszudrücken und es „außerordentlich“ zu bedauern, „dass es mir leider 246 247 248 249
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Morán, España, S. 421–422. Tusell, Spain, S. 342. Vgl. Juliá, Siglo, S. 240; Pereira Castañares, Morán, S. 250–253. Zum Verdienst Moráns um die spanische EG-Integration vgl. Tusell, Spain, S. 342. Partido de Acción Democrática. Zum parteipolitischen Profil Fernández Ordóñez’ und seinem Verhältnis zu UCD und Sozialdemokratie vgl. Delgado Fernández/Sánchez Millas, Ordóñez, S. 243–285; zu Amtsverständnis und -tätigkeit als Außenminister vgl. ebenda, S. 291– 342. Zitiert in ebenda, S. 293: „La política exterior […] exige un esfuerzo tenaz, realista y esperanzado. Desde luego, requiere un pragmatismo que consiste en saber que en política exterior, más que en ninguna otra parte, los caminos son estrechos y los medios limitados.“ Zitiert in Powell, Cambio de régimen, S. 444. Botschaft der DDR, Telegramm ans MfAA, 05. 07. 1985, in: SAPMO-BArch, DY 30/13555, Bl. 79. Vgl. Morán, España, S. 274; Volkskammer der DDR, Arbeit der Interparlamentarischen Gruppe, Informationsmaterial und Gesprächsempfehlung zum Abschiedsbesuch des Außerordentlichen und Bevollmächtigten Botschafters des Königreichs Spanien in der DDR, Manuel Gómez-Acebo y de Igartua, 08. 07. 1985, in: BArch, DA 1/15720, unpag.
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nicht möglich war, Ihnen meine freundschaftliche Verbundenheit persönlich übermitteln zu können“.254 Zusätzlich habe laut Botschaftsakten auch Moráns Sekretärin ausrichten lassen, dass sich der ausgeschiedene Außenminister „persönlich sehr enttäuscht“ über den nicht stattgefundenen Besuch in der DDR gezeigt habe.255 Für die besuchsdiplomatischen Ambitionen der DDR bedeutete die ausgefallene Reise Moráns einen Dämpfer, da von ihr tatsächlich ein weiterer Impuls zur Intensivierung der politischen Beziehungen zu erwarten gewesen wäre. Noch mehr aber bedeutete das Ausscheiden Moráns aus dem MAE einen „Terrainverlust“ der DDR im sozialistisch regierten Spanien, zumal auch Vizepräsident Guerra in der NATO-Frage „kippte“ und sich – auch aus Sorge um einen Rücktritt González’ – während der Referendumskampagne entgegen seiner Überzeugung für eine Fortsetzung der spanischen Bündnismitgliedschaft aussprach.256 Dennoch führte der Ausgang des Referendums am 12. März 1986, bei dem sich 52 Prozent der Wählerinnen und Wähler für den Verbleib in der NATO aussprachen,257 weder zu einer grundlegenden Redefinition der spanischen Ostpolitik noch zu einer völligen Neukonzeption der Spanienpolitik der DDR. Für Spanien, das seit dem Ende der Franco-Diktatur seine Beziehungen zum Ostblock als „komplementäre Europapolitik“ und Beitrag zu einer demokratischen Außen-, Sicherheits- und Entspannungspolitik bei grundsätzlicher Westorientierung verstanden hatte, waren NATO-Mitgliedschaft und volle Westintegration „kein Hindernis“ auf dem Weg zu engeren bilateralen Beziehungen zur UdSSR und den sozialistischen Ländern, darunter auch der DDR.258 Deren Botschafter Spindler konstatierte seinerseits zwar eine „neue Etappe“ in der Außenpolitik Spaniens, sah jedoch „weiterhin gute Anknüpfungspunkte“ für die Beziehungen zur PSOERegierung, die aufgrund der geostrategischen Lage Spaniens und der US-Militärbasen im Land „stark“ an der Friedens- und Entspannungspolitik der DDR interessiert sein müsse.259 Mit einer „Konzeption für die Entwicklung der Beziehungen der DDR zum Königreich Spanien“ für die Jahre 1986 bis 1990 legte das MfAA nach dem erfolgten spanischen Beitritt zur EG und abgehaltenen NATOReferendum denn auch eine detaillierte und weitestgehend realistische Analyse der veränderten außenpolitischen Position Spaniens vor. Darin justierte es die eigenen Ziele verhältnismäßig flexibel nach: Es müsse nun in erster Linie darum gehen, „das Bestreben Spaniens zu stimulieren, sich innerhalb der NATO und der EG-Gruppierung außenpolitischen Handlungsspielraum zu erhalten und eine ei-
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Botschaft der DDR, Telegramm des Botschafters Walkowski ans MfAA, 23. 07. 1985, in: SAPMO-BArch, DY 30/13555, Bl. 83. Ebenda. Vgl. José María Brunet, El ingreso en la OTAN, el referéndum más arriesgado, in: La Vanguardia vom 12. 03. 2016. Vgl. Pereira Castañares/Neila Hernández/Moreno Juste (Hrsg.), Atlas, S. 186; Tusell, Spain, S. 343–344. Niehus, Außenpolitik, S. 605. Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Botschafters Spindler ans MfAA und ZK der SED, 03. 10. 1986, in: SAPMO-BArch, DY 30/13557, Bl. 38.
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genständige […] Außenpolitik durchzusetzen“ sowie die „Abhängigkeit von den USA“ zu verringern. Außerdem gelte es, „[e]ventuelle negative Auswirkungen“ des spanischen EG-Beitritts auf die DDR „offensiv abzuwehren.“ 260 Als vorteilhaft für das Ziel, mit Spanien die „linke Flanke“ der NATO und des Westens zu stärken, erachtete das MfAA insbesondere die im Referendum „fixierten besonderen Bedingungen“ der spanischen NATO-Mitgliedschaft, d. h. die Nichtintegration in die Militärstruktur der NATO, die Kernwaffenfreiheit des spanischen Territoriums und das Bekenntnis zum schrittweisen Abbau der US-amerikanischen Militärpräsenz.261 Insgesamt müsse, so die Einschätzung Ost-Berlins, bei der Umsetzung der neu justierten Ziele zwar „davon ausgegangen werden, dass die DDR aus spanischer Sicht […] nicht zu den vorrangigen außenpolitischen Schwerpunkten gehört“, aber trotz der Vollendung der spanischen Westintegration „von wachsendem Interesse ist.“ 262 Auf der Ebene der Besuchsdiplomatie bewahrheitete sich zunächst der erste Teil dieser Einschätzung, d. h. die Zweitrangigkeit der DDR für das außenpolitisch nun endgültig gefestigte Spanien. Nach der kurzen „Blütezeit“ der DDR als „bevorzugte[r] politische[r] Ansprechpartner im Ostblock“ 263 in den Jahren 1984 und 1985 wäre aus MfAA-Perspektive ein Besuch des spanischen Königspaars in der DDR von „außerordentlich große[r] politische[r] Bedeutung“ gewesen.264 Daher musste es die SED als besondere Provokation empfinden, dass Juan Carlos im Februar 1986, unmittelbar nach dem Beitritt Spaniens zur EG, während eines Besuchs in der Bundesrepublik nach West-Berlin fuhr, vom Balkon des Reichstags einen Blick über die Mauer nach Ost-Berlin warf und öffentlich „an die Politiker in West und Ost“ appellierte, die Teilung Deutschlands zu überwinden und sich für das „völlige[…] Verschwinden“ der Berliner Mauer einzusetzen.265 Dies entsprach nicht dem von der SED propagierten Bild der DDR als international „souveräner und handlungsfähiger zweiter deutscher Staat“,266 weshalb Botschafter Spindler mit einem Aide-Mémoire im spanischen Außenministerium vorstellig wurde und darauf verwies, dass West-Berlin nach dem Viermächteabkommen „kein Bestandteil“ der Bundesrepublik sei und Juan Carlos mit seinem dortigen Aufenthalt die
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MfAA, Abteilung Westeuropa, Konzeption für die Entwicklung der Beziehungen der DDR zum Königreich Spanien 1986–1990, undatiert, vermutlich Mitte 1986, in: SAPMO-BArch, DY 30/13498, Bl. 77–105, hier: Bl. 94, 99. Ebenda, Bl. 79. Ebenda, Bl. 95. Weilemann, Zusammenfassung, S. 330. MfAA, Abteilung Westeuropa, Brief des stellvertretenden Außenministers Nier ans ZK der SED, Schlussfolgerungen aus der Berichterstattung Walkowskis in MfAA-Kollegiumssitzung am 29. 10. 1985, 01. 11. 1985, in: SAPMO-BArch, DY 30/13553, Bl. 30–33, hier: Bl. 31. Ständige Vertretung der DDR in Bonn, dpa-Presseausschnitt über den Besuch Juan Carlos’ in West-Berlin, 27. 02. 1986, in: SAPMO-BArch, DY 30/13556, Bl. 105; Ständige Vertretung der DDR in Bonn, Telegramm ans MfAA betr. Besuch spanischen Königs Juan Carlos in BRD, 27. 02. 1985, in: SAPMO-BArch, DY 30/13556, Bl. 106. Kuppe, Außenpolitik, S. 318.
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IV. Die DDR und die junge spanische Demokratie (1982–1990)
„widerrechtliche BRD-Position“ in dieser Frage vertreten habe.267 An der Reaktion des MAE zeigte sich, dass die spanischen Diplomaten auch nach dem Ausscheiden Moráns um gute Beziehungen zum SED-Regime bemüht waren: Osteuropadirektor Jorge Fuentes versicherte Spindler, dass das sozialistisch geführte Außenministerium erstens von einem Besuch Juan Carlos in West-Berlin abgeraten habe und zweitens, da der Königspalast anders entschieden habe, die Visite protokollarisch nicht als „Bestandteil“, sondern als „Pause“ im offiziellen Besuch des Königs in der Bundesrepublik auffasse, damit sie „kein[en] Verstoß“ gegen das Viermächteabkommen über Berlin darstelle.268 Da das Außenministerium unter Fernández Ordóñez von Beginn an die Reformpolitik Gorbatschows begrüßte und die DDR zu diesem Zeitpunkt noch als enge Verbündete der UdSSR schätzte,269 dürfte bei der entgegenkommenden Reaktion des MAE auch eine Rolle gespielt haben, dass der sowjetische Botschafter in Madrid ebenfalls gegen den WestBerlin-Besuch Juan Carlos’ protestiert hatte. Zwei Monate später bemühte sich die SED denn auch darum, den Besuch Francisco Fernández Ordóñez’ in der DDR im April 1986 als Beleg für den zweiten Teil der MfAA-Einschätzung zu werten: dass die DDR eine „wachsende Bedeutung“ für Spanien habe und gar eine „neue Phase in den Beziehungen“ beginne.270 Die erste offizielle Delegation eines spanischen Außenministers in die DDR stellte nach dem ausgefallenen Besuch Moráns und der Empörung über die West-BerlinVisite Juan Carlos’ tatsächlich einen erneuten Erfolg auf besuchsdiplomatischer Ebene dar, weshalb die gesamte Ost-Berliner Politprominenz zu offiziellen Gesprächen mit Fernández Ordóñez zusammenkam.271 Laut ZK der SED verdeutlichte der Zeitpunkt der Reise unmittelbar nach dem NATO-Referendum, „dass Spanien bemüht ist, seinen gewachsenen außenpolitischen Spielraum auch für den Ausbau der Ost-West-Beziehungen zu nutzen“.272 Auch „das bemerkenswert brei267
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Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Botschafters Spindler ans MfAA betr. Besuch der spanischen Könige in Westberlin, 14. 02. 1986, in: SAPMO-BArch, DY 30/13556, Bl. 37– 38, hier: Bl. 37. Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Botschafters Spindler ans MfAA, 20. 02. 1986, in: SAPMO-BArch, DY 30/13556, Bl. 40. Vgl. Delgado Fernández/Sánchez Millas, Ordóñez, S. 356–358; ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Zu den Beziehungen DDR-Spanien Stand 1987, undatiert, in: SAPMO-BArch, DY 30/13489, Bl. 52–56, hier: Bl. 53. MfAA, Abteilung Westeuropa, Konzeption für die Entwicklung der Beziehungen der DDR zum Königreich Spanien 1986–1990, undatiert, vermutlich Mitte 1986, in: SAPMO-BArch, DY 30/13498, Bl. 77–105, hier: Bl. 95. Zur Berichterstattung über den Besuch vgl. o. V., Außenminister Spaniens in der DDR herzlich begrüßt, in: ND vom 07. 04. 1986, S. 1; o. V., Erich Honecker empfing Außenminister Spaniens, in: ND vom 08. 04. 1986, S. 1; o. V., Außenminister der DDR und Spaniens begannen Gespräche, in: ND vom 08. 04. 1986, S. 2. Zu den wichtigsten Gesprächspartnern Fernández Ordóñez’ zählten Honecker, Stoph, Fischer und Beil: vgl. MfAA, Abteilung Westeuropa, Vorlage für das Politbüro des ZK der SED betr. offizieller Besuch des Ministers für Auswärtige Angelegenheiten des Königreiches Spanien, Francisco Fernández Ordónez [sic!], in der DDR vom 6. bis 8. 4. 1986, 14. 04. 1986, in: SAPMO-BArch, DY 30/13498, Bl. 28–51. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Zu den Beziehungen DDR-Spanien Stand 1987, undatiert, in: SAPMO-BArch, DY 30/13489, Bl. 52–56, hier: Bl. 53.
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te und gute Echo in allen Massenmedien Spaniens“ zeige, „welches Gewicht dem Besuch für die stärkere Entwicklung der Beziehungen mit der DDR […] beigemessen wird.“ 273 Einer solchen Interpretation, die der Ost-Berlin-Reise Fernández Ordóñez’ mehr politische Bedeutung beimaß als die einer überfälligen Einlösung des von Morán versprochenen Gegenbesuchs, entsprach auf spanischer Seite die Berichterstattung der großen Madrider Tageszeitung „ABC“, die darin den Beginn einer „Annäherungsoffensive“ und vertrauensbildenden Maßnahme der PSOERegierung gegenüber den sozialistischen Ländern nach dem NATO-Entscheid ausmachte.274 Auch mochte Ost-Berlin einige Äußerungen Fernández Ordóñez’, der als nüchterner Politiker galt,275 als ein Hinausgehen über die üblichen Höflichkeitsformeln und Anerkennungsbekundungen diplomatischer Besuche gedeutet haben. Im Gespräch mit Honecker etwa erklärte er, dass es „eine große Ehre für ihn [sei], mit einer so bekannten Persönlichkeit der deutschen Arbeiterbewegung und einem Kämpfer für den Frieden in der Welt sprechen zu können.“ 276 Nimmt man dagegen Häufigkeit und Dauer politischer Treffen als Indikatoren für die Qualität bilateraler Beziehungen an,277 muss die politische Bedeutung von Fernández Ordóñez’ DDR-Besuch relativiert werden. Der Außenminister zeichnete sich durch eine besonders rege Reisetätigkeit aus, die ihn in sieben Jahren über sechshundert Mal ins Ausland führte, davon lediglich zwei Tage in die DDR.278 Auch, wenn man wie Aschmann der Häufigkeit und dem Verlauf bilateraler Treffen „nur begrenzt“ Aussagekraft über die Qualität politischer Beziehungen zugesteht und zur Ermittlung deren „tatsächliche[r] Intensität“ vielmehr „das Realisierte mit dem potentiell Möglichen“ vergleicht,279 stehen in der Bilanz der ostdeutsch-spanischen Beziehungen dem einmaligen Besuch Fernández Ordóñez’ in der DDR der nicht mehr verwirklichte Besuch Moráns gegenüber sowie die zwar mehrfach zugesicherten, jedoch ebenso wenig eingelösten Besuche Juan Carlos’ und Felipe González’. Gegen eine allzu starke Betonung der politischen Bedeutung des Besuchs spricht außerdem, dass Fernández Ordóñez’ Biografen in ihm einen frühen Befürworter von Perestroika und Glasnost in Spanien sehen, der bereits die
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MfAA, Abteilung Westeuropa, Vorlage für das Politbüro des ZK der SED betr. offizieller Besuch des Ministers für Auswärtige Angelegenheiten des Königreiches Spanien, Francisco Fernández Ordónez [sic!], in der DDR vom 6. bis 8. 4. 1986, 14. 04. 1986, in: SAPMO-BArch, DY 30/13498, Bl. 28–51, hier: Bl. 41. Zur spanischen Berichterstattung über den Aufenthalt Fernández Ordóñez’ in der DDR vgl. Lorenzo Contreras, La „Ostpolitik“ del Felipismo, in: ABC vom 09. 04. 1986, S. 22; Felix Bayon, Fernández Ordóñez intenta en Alemania Oriental intensificar las relaciones con la Europa del Este, in: El País vom 07. 04. 1986. Lorenzo Contreras, La „Ostpolitik“ del Felipismo, in: ABC vom 09. 04. 1986, S. 22. Vgl. Delgado Fernández/Sánchez Millas, Ordóñez, S. 293. MfAA, Abteilung Westeuropa, Niederschrift über ein Gespräch des Generalsekretärs des ZK der SED und Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Genossen E. Honecker, mit dem Außenminister des Königreiches Spanien, Herrn Francisco Fernández Ordónez [sic!], am 7. 4. 1986 im Sitz des Staatsrates, 14. 04. 1986, in: SAPMO-BArch, DY 30/13498, Bl. 44–51, hier: Bl. 44. So neben weiteren Faktoren Biermann, Freundschaftliche Verbundenheit, S. 204. Vgl. Delgado Fernández/Sánchez Millas, Ordóñez, S. 464. Aschmann, Treue Freunde, S. 250.
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IV. Die DDR und die junge spanische Demokratie (1982–1990)
„kleinsten Zeichen“ einer Distanzierung von Gorbatschows Reformpolitik scharf kritisierte.280 Laut Alonso Álvarez de Toledo, dem spanischen Botschafter in der DDR zum Zeitpunkt des Besuchs, war Fernández Ordóñez daher von Beginn an wesentlich skeptischer gegenüber der SED-Führung eingestellt als sein Vorgänger Morán und versah mit seiner Visite in der DDR eine rein diplomatisch-repräsentative Pflicht.281 Insgesamt war der Grundtenor der ostdeutschen Gesprächsberichte schließlich zwar weiterhin optimistisch, jedoch zurückhaltender als die Besuchsprotokolle der zwei vorherigen Jahre. So wurde etwa kritisch vermerkt, dass Fernández Ordóñez häufiger als Morán auf die Westbindung Spaniens verwiesen und gleich zu Beginn seines Gesprächs mit Außenminister Fischer betont habe, dass ein „offener Meinungsaustausch“ gerade deshalb besonders wichtig sei, „weil Spanien und die DDR verschiedenen Bündnissen angehörten.“ 282 Gegenüber Honecker habe er außerdem den rhetorischen „Trick“ angewandt, „das deutsche Volk“ und „die deutsche Arbeit“ im Allgemeinen zu würdigen und damit einer expliziten Anerkennung der „Errungenschaften“ des ersten deutschen Arbeiter- und Bauernstaats und des Sozialismus in der DDR auszuweichen.283
3.2 Die Spanienbesuche Axens und Honeckers 1987 und 1988 Unterhalb der staatlichen Ebene führte das Jahr 1987 zu einer weiteren Annäherung zwischen SED und PSOE, die in der Rückschau als Höhepunkt der Parteibeziehungen markiert werden kann. Der entscheidende Impuls hierfür ging von einer Delegation unter ZK-Sekretär Hermann Axen nach Madrid zu Beginn des Jahres aus, die auf Einladung des PSOE erfolgte. Die spanischen Sozialisten wollten ihre internationale Parteiarbeit ausweiten, die nach der Regierungsübernahme erheblich zurückgefahren worden war. Da zahlreiche Parteifunktionäre zentrale oder regionale Regierungs- und Staatsämter übernommen hatten, war die Pflege bilateraler Parteikontakte ins Ausland zum Teil fast gänzlich zum Erliegen gekommen.284 Die SED nutzte die Gelegenheit und ließ Hermann Axen erstens ein persönliches Schreiben Honeckers an Generalsekretär Felipe González übergeben und zweitens ein Vorschlagspapier „über die konkrete Zusammenarbeit“ auf Par-
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Delgado Fernández/Sánchez Millas, Ordóñez, S. 357. Vgl. Interview mit Alonso Álvarez de Toledo, 04. 06. 2018. MfAA, Abteilung Westeuropa, Vorlage für das Politbüro des ZK der SED betr. offizieller Besuch des Ministers für Auswärtige Angelegenheiten des Königreiches Spanien, Francisco Fernández Ordónez [sic!], in der DDR vom 6. bis 8. 4. 1986, 14. 04. 1986, in: SAPMO-BArch, DY 30/13498, Bl. 28–51, hier: Bl. 34. Ebenda, Bl. 44. Vgl. Botschaft der DDR in Madrid, Zur Lage und Politik der Spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei, 13. 11. 1985, in: SAPMO-BArch, DY 30/13555, Bl. 111–120, hier: Bl. 117. Vgl. auch Labarta Rodríguez-Maribona, Diálogo.
3. Dialog und Entfremdung: Die DDR und Spanien 1986 bis 1990
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teiebene an das Exekutivkomitee des PSOE.285 Obgleich die Abteilung Internationale Verbindungen im ZK der SED es als großen Erfolg feierte, dass González mit Axen erstmals einen hohen SED-Vertreter empfing, machen die Gesprächsvermerke deutlich, dass es 1987 nach wie vor in erster Linie Vertreter des linken PSOE-Flügels waren, denen an einer Intensivierung der Parteibeziehungen zur SED gelegen war. So trat Vizegeneralsekretär und -ministerpräsident Guerra im Gespräch mit Axen erneut als DDR-Sympathisant auf, der „noch viele ungenutzte Möglichkeiten“ der Parteizusammenarbeit sah und versicherte, „die SED und die DDR könnten auf die PSOE ‚als Freunde und Genossen‘ zählen“.286 Während er sein Interesse bekundete, „die DDR persönlich kennenzulernen“,287 dankte González seine erneute Einladung zwar mit einem Antwortschreiben an Honecker, ging auf konkrete Terminvorschläge zu deren Realisierung jedoch nicht ein.288 Mit Elena Flores, Sekretärin für Internationale Beziehungen des PSOE-Exekutivkomitees, traf Axen eine weitere DDR-freundliche Gesprächspartnerin, die sich bereits während der Transición für Parteibeziehungen nach Ost-Berlin ausgesprochen hatte.289 Sie begrüßte den Vorschlag „einer internen Verbindung“ zwischen SED und PSOE, sodass als Ergebnis der Delegation eine offizielle „Vereinbarung über Zusammenarbeit“ geschlossen wurde.290 Im Nachgang der Besuchs bekräftigte sie gegenüber Botschafter Spindler, dass „die Politik der SED heute in der Parteiführung [des PSOE] gut bekannt“ sei und auch Generalsekretär González „eine wohlwollende Meinung“ bezüglich einer engeren Zusammenarbeit mit der SED habe. Für eine solche empfahl sie die Reaktivierung der bereits Ende der 70er Jahre von der parteinahen Pablo-Iglesias-Stiftung angeregten Kontakte. Dabei differenzierten
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ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Vermerk über ein Gespräch von Hermann Axen, Mitglied des Politbüros und Sekretär des ZK der SED, mit dem Generalsekretär der Spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei und Ministerpräsidenten Spaniens, Felipe González, im Regierungssitz Moncloa am 18. Febr. 1987, 04. 03. 1987, in: SAPMO-BArch, DY 30/13489, Bl. 185–188, hier: Bl. 185; ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Informationsmaterial über die Spanische Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE), Stand Februar 1987, undatiert, in: SAPMO-BArch, DY 30/13489, Bl. 159–169, hier: Bl. 169. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Bericht über den Aufenthalt einer Delegation des ZK der SED unter Leitung von Hermann Axen, Mitglied des Politbüros und Sekretär des ZK der SED, vom 17. bis 23. Februar 1987 in Spanien, 04. 03. 1987, in: SAPMOBArch, DY 30/13489, Bl. 170–184, hier: Bl. 174. Ebenda. Vgl. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Vermerk über ein Gespräch von Hermann Axen, Mitglied des Politbüros und Sekretär des ZK der SED, mit dem Generalsekretär der Spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei und Ministerpräsidenten Spaniens, Felipe González, im Regierungssitz Moncloa am 18. Febr. 1987, 04. 03. 1987, in: SAPMO-BArch, DY 30/13489, Bl. 185–188, hier: Bl. 185. Vgl. außerdem Brief Felipe González’ an Erich Honecker, 22. 05. 1987, mit deutscher Übersetzung abgelegt in: SAPMO-BArch, DY 30/13558, Bl. 161–166. Vgl. Kap. III.4.3. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Vereinbarung über die Zusammenarbeit zwischen der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) und der Spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE), Februar 1987, in: SAPMO-BArch, DY 30/13489, Bl. 234–235.
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Flores und ihr baskischer Kollege Txiki Benegas, der 1985 die DDR besucht hatte, explizit zwischen den offiziellen staatlichen und den Parteibeziehungen. Sie rieten Spindler, letztere strikt von der Zusammenarbeit mit dem spanischen Botschafter Álvarez de Toledo in Ost-Berlin zu trennen, da dieser zwar „ein guter Diplomat“ sei, dem PSOE jedoch „nicht vertrauensvoll“ gegenüberstehe.291 Dagegen vermengte die SED, die in erster Linie an repräsentativen Beziehungen interessiert war, die Kontakte auf Partei- und Regierungsebene: Den Brief González’, den dieser in seiner Funktion als PSOE-Generalsekretär an Honecker gerichtet hatte, wertete sie als „Ausdruck guter staatsmännischer Beziehungen“.292 Gegenüber dem Vertreter eines galicischen Kulturverbands, der Interesse an der Gründung einer regionalen Freundschaftsgesellschaft zeigte, betonte Botschaftssekretär Diehl kurz nach dem Spanienbesuch Axens, dass die SED als „Regierungspartei“ prioritär an „Beziehungen zur Regierungspartei PSOE“ interessiert sei; insofern müsse „das Ziel der Tätigkeit einer Freundschaftsgesellschaft auch in einer beständigen Festigung der Zusammenarbeit zwischen beiden Staaten“ bestehen.293 Nicht nur die Parteibeziehungen zu den spanischen Sozialisten erreichten im Jahr 1987 ihren qualitativen Höhepunkt, sondern nach einer langen Phase der ideologischen Entfremdung auch die zur kommunistischen „Bruderpartei“. Nachdem sich das Verhältnis zum PCE seit 1984 mit dessen allmählicher Abkehr vom Eurokommunismus bereits schrittweise verbessert hatte, fand im Januar 1987 eine endgültige Aussöhnung statt. Beim offiziellen Besuch von PCE-Generalsekretär Gerardo Iglesias in Ost-Berlin gestand dieser „offen und überall […] viele Fehler“ ein, welche die spanischen Kommunisten unter Carrillo begangen hätten, darunter „eine simplifizierte und unproportionale“ und damit „vollkommen sinnlos[e] Kritik an den Ländern des Sozialismus“.294 Im Gespräch mit Honecker entschuldigte er sich bei den ostdeutschen Genossen „für das, was euch Carrillo angetan hat“, versprach „Schluss mit der Kritik und dem Gegeifere“ gegenüber der „Bruderpartei“ und proklamierte einen „Neuanfang“ in den Beziehungen. Dass dieser auch finanzieller Natur sein sollte, drückte Iglesias mit der Bitte um „materielle[…] Soforthilfe“ aus, die er u. a. damit begründete, dass der PCE im Handel mit der DDR ins Hintertreffen gegenüber dem PSOE geraten sei.295 Durchaus brisant war, dass er daneben um Vermittlungshilfe der SED für sein Vorhaben bat, das Vertrauen der KPdSU in den PCE wiederzugewinnen.296 Die Bitte um ostdeutsche 291 292 293
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Ebenda, Bl. 197. Ebenda. Botschaft der DDR in Madrid, Aktennotiz an die Abteilung Internationale Verbindungen im ZK der SED, LfV und MfAA, 14. 04. 1987, in: SAPMO-BArch, DY 30/13558, Bd. 7, Bl. 136– 137, hier: Bl. 137. ZK der SED, Büro Honecker, Niederschrift über das Gespräch des Genossen Erich Honecker mit Genossen Gerardo Iglesias, Generalsekretär der KP Spaniens, am 15. 1. 1987, 15. 01. 1987, in: SAPMO-BArch, DY 30/2486, Bl. 59–85, hier: Bl. 70. Ebenda. Zum Spanienhandel der DDR über die Parteihandelsbüros von PCE und PSOE vgl. Kap. IV.2.2. ZK der SED, Büro Honecker, Niederschrift über das Gespräch des Genossen Erich Honecker mit Genossen Gerardo Iglesias, Generalsekretär der KP Spaniens, am 15. 1. 1987, 15. 01. 1987, in: SAPMO-BArch, DY 30/2486, Bl. 59–85, hier: Bl. 70.
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Fürsprache in Moskau zeugt von einer gewissen anachronistischen Einschätzung der Stärke und Position der SED im Ostblock: Während die spanische Regierung und insbesondere das Außenministerium unter Fernández Ordóñez die DDR, deren Führung die Reformen Gorbatschows stur ablehnte, seit Mitte der 80er Jahre immer weniger als enge Verbündete Moskaus und als Brücke in den Osten wahrnahmen, setzte der PCE-Chef auf die Vermittlungskompetenz Ost-Berlins. Die SED jedoch verspielte mit ihrer Verweigerungshaltung gegenüber den Umgestaltungen in der Sowjetunion nicht nur die Chance, für die Regierung in Madrid eine relevante außenpolitische Funktion zu übernehmen, sondern signalisierte auch gegenüber der spanischen „Bruderpartei“, dass ihr wenig daran gelegen war, mit einer Vermittlung zwischen PCE und KPdSU dazu beizutragen, „die Politik Gorbatschows in Spanien noch glaubwürdiger [zu] machen.“ 297 Die Haltung der DDR zu Gorbatschow und den einsetzenden Transformationen im Ostblock waren für die spanische Seite denn auch von besonderem Interesse beim Staatsbesuch Erich Honeckers in Spanien im Oktober 1988, der die erste Visite eines sozialistischen Staatschefs seit dem Besuch Ceauşescus im Jahr 1979 darstellte. Dies lag auch daran, dass sich die spanisch-sowjetischen Beziehungen seit der Regierungsübernahme des PSOE verbessert und im Jahr 1987 mit vermehrten gegenseitigen Besuchen eine neuerliche Intensivierung erfahren hatten.298 Bereits Hermann Axen hatte bei seinem Besuch beklagt, dass die Redaktion von „El País“ im Interview mit ihm einen unverhältnismäßig starken Fokus auf „Fragen zur Sowjetunion“ gelegt und diese „an die Spitze des Interviews gesetzt“ habe. Auch die Überschrift „Las reformas de Gorbachov afectarán a sus aliados, reconoce un responsable de la RDA“, die ihm in den Mund legte, dass sich Gorbatschows Reformen auf alle Verbündeten der UdSSR auswirkten, sei gegen seinen Willen gewählt worden.299 In gleicher Weise seien laut Botschafter Spindler im
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ZK der SED, Büro Axen, Vermerk über das Gespräch von Genossen Hermann Axen, Mitglied des Politbüros und Sekretär des ZK der SED, mit der Vorsitzenden der KP Spaniens, Dolores Ibárruri, und dem Generalsekretär der KPS, Gerardo Iglesias, am 23. Febr. 1987, 23. 02. 1987, in: SAPMO-BArch, DY 30/69741, Bl. 39–43, hier: Bl. 43. Der PCE begrüßte Perestroika und Glasnost als „Fortsetzung der Revolution von 1917“: ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Stellung der Kommunistischen Partei Spaniens zu den Umgestaltungen in der UdSSR, undatiert, vermutlich 1988, in: SAPMO-BArch, DY 30/13494, Bl. 42–43, hier: Bl. 42. Für eine Einschätzung der spanisch-sowjetischen Beziehungen und bilateralen Begegnungen durch Ost-Berlin vgl. Botschaft der DDR in Moskau, Telegramm ans ZK der SED/Abteilung Internationale Verbindungen und MfAA, 15. 03. 1989, in: SAPMO-BArch, DY 30/13561, Bl. 21–23. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Interview des Genossen H. Axen für die auflagenstärkste Tageszeitung Spaniens „El Pais [sic!]“ vom 23. Febr. 1987, undatiert, in: SAPMO-BArch, DY 30/13489, Bl. 228. Eine vollständige deutsche Übersetzung des Interviews unter der Überschrift „Die Reformen Gorbatschows werden sich auf die Verbündeten auswirken, erklärt ein Verantwortlicher der DDR“ ist abgelegt in: SAPMO-BArch, DY 30/ 13489, Bl. 229–233. Für das Interview im Original vgl. Andrés Ortega, Las reformas de Gorbachov afectarán a sus aliados, reconoce un responsable de la RDA, in: El País vom 23. 02. 1987, S. 4.
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zweiseitigen Interview, das „El País“ anlässlich des Staatsbesuchs mit Erich Honecker führte und das die „bisher bedeutsamste Darstellung [von] DDR-Positionen in spanischen Medien“ sei, die Fragen vor Abdruck so umgestellt worden, dass sich „eine stärkere Betonung“ des Verhältnisses Ost-Berlin-Moskau ergeben habe und „Perestroika ein Hauptthema“ geworden sei.300 Dies musste den Interessen Honeckers widerstreben, der nicht zum politischen Austausch über Perestroika, Glasnost oder die deutsche Frage nach Spanien gefahren war. Im Gegenteil berichtete „El País“ 2015 unter Berufung auf eingesehene Akten der HV A des MfS, dass er in Madrid den Versuch habe unternehmen wollen, die Regierung González als „Verbündete“ gegen Gorbatschow zu gewinnen. Ziel sei es gewesen, noch vor dem Staatsbesuch des Kreml-Chefs in Spanien, den dieser für das Jahr 1989 angekündigt hatte, das „Terrain zu markieren“.301 Falls SED und MfS mit der Reise Honeckers tatsächlich eine solch weitreichende politische Agenda verfolgt haben sollten, wäre sie in jedem Fall streng vertraulich behandelt und keinesfalls öffentlich kommuniziert worden. Da die zitierten Akten im BStU-Archiv jedoch nicht ermittelt werden konnten und von der „El País“-Redaktion nicht herausgegeben werden, lässt sich eine solche Zielsetzung der DDR nicht verifizieren. Die Behauptung des Autors, dass das MfS Vizepräsident Guerra und PSOE-Bundesexekutivkomiteemitglied Txiki Benegas am ehesten „zugänglich“ für eine solche „AntiGorbatschow-Allianz“ gehalten habe, ist vor dem Hintergrund deren geschilderter DDR-Sympathie jedoch nicht unrealistisch. Für Außenminister Fernández Ordóñez, der sich von Beginn an empfänglich für die Reformen Gorbatschows zeigte, kann sie dagegen kaum gültig sein.302 Honecker stilisierte seine hochrangigen Treffen mit Juan Carlos, Felipe González, Außenminister Fernández Ordóñez und spanischen Unternehmervertretern zum besuchsdiplomatischen „Höhepunkt“ der bilateralen Beziehungen und Beleg für das internationale Prestige der DDR.303 Hierfür bot Spanien insofern eine opportune Bühne, als sich die SED erstens von dessen enorm „gewachsene[m] Gewicht und Prestige“ 304 einen eigenen Imagegewinn versprach und zweitens eine „Empfehlung“ an die Regierung in Madrid mit Blick auf die spanische EG-Ratspräsidentschaft ab Januar 1989 nicht schaden konnte. Laut „ABC“ hoffte die DDR, nachdem sie im August 1988 offizielle Beziehungen zur EWG aufgenommen hatte,
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Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Botschafters Spindler betr. Exklusivinterview Gen. Honecker „El Pais [sic!]“, 02. 10. 1988, in: SAPMO-BArch, DY 30/13494, Bl. 9. Für das Interview im Original vgl. Marilo Ruiz de Elvira, Una relación sensata entre ambos Estados alemanes es un elemento estabilizador para Europa, in: El País vom 02. 10. 1988, S. 4–5. Cristian Segura, La RDA quiso a Felipe González de aliado, in: El País vom 23. 08. 2015. Ebenda. O. V., Staatsbesuch in Spanien weltweit stark beachtet, in: ND vom 06. 10. 1988, S. 4. „Neues Deutschland“ schlachtete Honeckers Besuch propagandistisch aus und widmete in den Ausgaben vom 4. und 6. Oktober fünft Seiten ausschließlich seinen Begegnungen in Spanien: vgl. ND vom 04. 10. 1988, S. 1–3; ND vom 06. 10. 1988, S. 1–4. MfAA, Abteilung Information, Beziehungen Spanien-USA, Januar 1988, abgelegt in: BStU, MfS, HA II, Nr. 34474, Bl. 21–22, hier: Bl. 21.
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auf eine „Bürgschaft“ Spaniens während dessen Ratspräsidentschaft.305 Die hochrangige Begleitdelegation Honeckers, der neben Außenminister Oskar Fischer und dem Leiter der Abteilung Internationale Verbindungen im ZK der SED, Günter Sieber, auch ZK-Wirtschaftssekretär Günter Mittag sowie Außenhandelsminister Gerhard Beil angehörten, zeigt die große Bedeutung, welche die DDR dem Besuch beimaß. Von spanischer Seite wurde der SED-Chef während seines dreitägigen Aufenthalts in Madrid und Barcelona durch eine „Ehrengarde“ begleitet, zu welcher der Protokollchef des MAE, der spanische Botschafter in der DDR, Alonso Álvarez de Toledo, ein Brigadegeneral der spanischen Luftwaffe und ein Adjutant des Königs zählten.306 Diese Entourage sowie das umfangreiche Besuchsprogramm, die hochrangigen Gesprächspartner und die repräsentativen Schauplätze der Begegnungen reihten sich vorteilhaft in die Diplomatie des „roten Teppichs“ ein,307 die Honecker mit seinem Besuch in der Bundesrepublik ein Jahr zuvor eingeläutet und seitdem mit Staatsbesuchen in Belgien, den Niederlanden und Frankreich fortgesetzt hatte, stets mit lautstarker propagandistischer Begleitmusik und „floskelhaften Beschwörungen“ 308 der guten Beziehungen zum jeweiligen Gastgeber.309 Die Toasts, die er beim Galadinner im Königspalast und während eines offiziellen Mittagessens mit Felipe González aussprach, stellten keine realistische Bilanzierung des ostdeutsch-spanischen Verhältnisses dar,310 sondern dienten einerseits der schematischen Beweisführung über Qualität und politische Relevanz der Beziehungen sowie andererseits dem Nachweis über das internationale „Schwergewicht“ der DDR. Gleiches gilt für seine Ansprachen vor Senatoren und Kongressabgeordneten, im Madrider Rathaus und im Sitz der katalanischen Autonomieregierung („Palau de la Generalitat“) in Barcelona. Gegenüber Juan Carlos definierte er „guten Willen“, „ernsthaften politischen Dialog“ und „gegenseitiges Verständnis, Vertrauen und Zusammenarbeit“ als Merkmale der Beziehungen, vor dem Parlament betonte er die „freundschaftlichen Gefühle“, die Spanien und die DDR verbänden, und im Gespräch mit Felipe González konstatierte er „mit Zufriedenheit eine stetige Aufwärtsentwicklung“ und künftige „Möglichkeiten und Potenzen“ der bilateralen Kontakte.311 305 306 307 308 309
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O. V., Honecker quiere que España avale a la RDA durante la presidencia de la CEE, in: ABC vom 04. 10. 1988, S. 24. Vgl. Gabinete de la Presidencia del Gobierno, Visita oficial de Erich Honecker, 3–5 de octubre 1988, undatiert, in: AGA, Fondo Presidencia de Gobierno, (09)0000, 64/3748, Exp. 3, unpag. Labarta Rodríguez-Maribona, Diálogo. Aschmann, Treue Freunde, S. 250. Vgl. beispielsweise eine übertrieben ausladende Beschreibung von Honeckers Empfang beim Galadinner im spanischen Königspalast in Madrid: Werner Micke/Reiner Oschmann/Günter Stechow, Begrüßung Erich Honeckers durch Juan Carlos I. Dialog über Friedenssicherung und Zusammenarbeit, in: ND vom 04. 10. 1988, S. 1. Dies entspricht in der Regel dem diplomatischen Protokoll von Staatsbesuchen: vgl. Aschmann, Treue Freunde, S. 250. Werner Micke/Reiner Oschmann/Günter Stechow, Begrüßung Erich Honeckers durch Juan Carlos I. Dialog über Friedenssicherung und Zusammenarbeit, in: ND vom 04. 10. 1988, S. 1.; o. V., Begegnung in der Residenz mit Spaniens Regierungspräsident, in: ebenda. Vgl. auch ZK der SED, Büro Honecker, Toast des Generalsekretärs des Zentralkomitees der SED
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Neben dem „Dialog auf höchster Ebene“ und der Einladung zur Rede in den spanischen Cortes erhielt Honecker ferner in einigen symbolisch-öffentlichkeitswirksamen Akten die Gelegenheit, sich als Staatsmann zu inszenieren. Einen propagandistischen Höhepunkt stellte die Verleihung der „Ehrenmedaille“ („Medalla de Honor“) der Universität Complutense an Honecker am 3. Oktober dar, anlässlich derer er in Anwesenheit des sozialistischen Bildungsministers Javier Solana eine Rede zur Eröffnung des akademischen Jahres hielt.312 Die einschlägigen Akten zur universitären Entscheidungsfindung im Vorfeld der Verleihung liefern keine Hinweise auf die Gründe, die Rektor Gustavo Villapallos dazu bewegten, den Staatschef der DDR mit einer universitären Ehrung auszuzeichnen. Die 2017 von „ABC Historia“ angestellte Mutmaßung, dass es sich um einen politisch motivierten „Gegenakt“ der traditionell als „links“ geltenden „Complutense“ zur Verleihung der Ehrendoktorwürde an Michail Gorbatschow durch die Universität Autónoma im selben Jahr gehandelt habe, muss Spekulation bleiben.313 Dafür spräche die Einladung von Vizepräsident und DDR-Sympathisant Alfonso Guerra zur Zeremonie, der seine Teilnahme jedoch kurzfristig absagte, möglicherweise zur Vermeidung eines allzu evidenten politischen Akts.314 Wenig Aufschluss gibt auch die Laudatio des stellvertretenden Rektors de Bustos Tovar, der Honecker allgemein als einen „Staatsmann“ würdigte, der Wissenschaft und Forschung fördere, sich in seinem Land für die Entwicklung von Universitäten und die Unterstützung der Studierendenschaft einsetze sowie einen Beitrag zu internationalem Frieden und Zusammenarbeit leiste.315 Ungeachtet der Motive stellte die Auszeichnung Honeckers für die SED eine symbolische Krönung ihrer kultur- und bildungspolitischen Arbeit in Spanien dar und eine Würdigung der bis dato erzielten Erfolge in den ostdeutsch-spanischen Universitätsbeziehungen, die, so Honecker in seiner Dankesrede, „beispielgebend“ seien und „nicht nur zur Vertiefung fachlicher Kenntnisse“ beitrügen, sondern „weit über den akademischen Rahmen“ hinausgingen.316
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und Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Erich Honecker, während des Essens anlässlich seines Staatsbesuchs im Königreich Spanien, gegeben von Felipe González, Regierungspräsident Spaniens, am 4. Oktober 1988 in Madrid, 04. 10. 1988, in: SAPMO-BArch, DY 30/2486, Bl. 156–171; ZK der SED, Büro Honecker, Ansprache des Generalsekretärs des Zentralkomitees der SED und Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Erich Honecker, anlässlich der Begegnung mit Senatoren und Angeordneten der Cortes Generales des Königreichs Spanien am 4. Oktober 1988, 04. 10. 1988, in: SAPMO-BArch, DY 30/2486, Bl. 172–184. Vgl. o. V., Goldene Ehrenmedaille verliehen, in: ND vom 04. 10. 1988, S. 1; o. V., Hohe Würdigung für Leben und Wirken des DDR-Staatsoberhauptes, in: ebenda, S. 2. Für die spanische Presse vgl. o. V., Apertura de curso con la Medalla de Honor a Erich Honecker, in: ABC vom 04. 10. 1988, S. 65. Vgl. César Cervera, El dictador comunista al que homenajeaba la Complutense en vísperas de caer el Muro de Berlín, in: ABC Historia vom 11. 01. 2017. Vgl. o. V., Apertura de curso con la Medalla de Honor a Erich Honecker, in: ABC vom 04. 10. 1988, S. 65. Ebenda. Zitiert in o. V., Hohe Würdigung für Leben und Wirken des DDR-Staatsoberhauptes, in: ND vom 04. 10. 1988, S. 2.
3. Dialog und Entfremdung: Die DDR und Spanien 1986 bis 1990
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Als weitere Gelegenheit zur staatsmännischen Inszenierung nutzte Honecker einen Empfang im Madrider Rathaus, bei dem er sich ins „Goldene Buch“ eintrug und den „Goldenen Schlüssel“ der Stadt entgegennahm. Dabei verwies er auf die „enge Freundschaft“ zwischen Madrid und Ost-Berlin sowie insbesondere auf den DDR-Freund und „unvergessenen Bürgermeister Tierno Galván“. Auch hob er in einiger Selbstüberschätzung das von Carl Zeiss Jena in Madrid gebaute Großplanetarium und die zu Beginn des Jahres im Kulturzentrum der Stadt gezeigte Ausstellung „Berlin heute“ als „Beiträge“ der DDR „zum Charakter Madrids als einer pulsierenden Weltstadt“ hervor.317 In Barcelona verewigte er sich ebenfalls im „Ehrenbuch“ der Stadt und ließ sich vom katalanischen Regierungschef Jordi Pujol die Bauarbeiten für die Olympischen Sommerspiele des Jahres 1992 zeigen. Dabei versicherte er seinen Gesprächpartner eines besonderen Engagements der DDR, die als Sportnation „das ihre für ein gutes Gelingen dieses Festes des Sport und der freundschaftlichen Begegnung tun“ werde.318 Neben dieser Pflege der staatlichen, politischen, parlamentarischen und kommunalen Beziehungen in Madrid und Barcelona zelebrierte er in Katalonien außerdem die historisch-ideellen Beziehungen der DDR zu Spanien, die in erster Linie nostalgischen Symbolwert hatten. Auf dem städtischen Friedhof des Montjuïc, dem Hausberg Barcelonas, besuchte Honecker eine Gedenkstätte für republikanische Opfer des spanischen Bürgerkriegs und der franquistischen Repression sowie für gefallene Interbrigadisten. Am Grab Hans Beimlers, der als politischer Kommissar des „Thälmann-Bataillons“ der XI. Internationalen Brigade 1936 in Madrid gefallen war und in der DDR als antifaschistischer Held verehrt wurde, legte er rote Rosen nieder und schritt „eine einzigartige Front von Spanienkämpfern ab“, die aus mitgereisten ostdeutschen Bürgerkriegsveteranen und Mitgliedern des katalanischen Regionalverbands der Nationalen Freundschaftsgesellschaft DDR-Spanien bestand.319 Als Beleg für eine vorgeblich auch 1988 noch wache „gemeinsame antifaschistische Tradition“ würdigte er außerdem eine Gedenktafel, die die katalanische Freundschaftsgesellschaft 1986 zu Beimlers 50. Todestag hatte errichten lassen.320 Während die DDR-Presse Honeckers Besuch auf 317
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ZK der SED, Büro Honecker, Erwiderung des Generalsekretärs des Zentralkomitees der SED und Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Erich Honecker, auf die Begrüßung des Oberbürgermeisters von Madrid, Juan Barranco, anlässlich der Begegnung am 4. Oktober 1988, 04. 10. 1988, in: SAPMO-BArch, DY 30/2486, Bl. 205–214. ZK der SED, Büro Honecker, Toast des Generalsekretärs des Zentralkomitees der SED und Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Erich Honecker, während des Essens anlässlich seines Staatsbesuches Königreich Spanien, gegeben vom Präsidenten der Generalität Kataloniens, Jordi Pujol i Soley, in Barcelona am 5. Oktober 1988, 05. 10. 1988, in: SAPMO-BArch, DY 30/ 2486, Bl. 224–233, hier: Bl. 232–233. Vgl. auch die vorteilhafte Berichterstattung der Sportzeitung „El Mundo Deportivo“: o. V., Erich Honecker visitó el anillo de Montjuïc, in: El Mundo Deportivo vom 06. 10. 1988, S. 40. O. V., In der Gedenkstätte auf dem Montjuic wird Schwur der Antifaschisten wachgehalten, in: ND vom 06. 10. 1988, S. 3. Zu Hans Beimler als zentraler Figur des „Interbrigadenkults“ in der DDR vgl. Uhl, Mythos, S. 413–440. O. V., Ehrung in Barcelona für den Antifaschisten Hans Beimler, in: ND vom 02. 12. 1986, S. 5. Vgl. auch KdAW, Sektion Spanienkämpfer, Dankesbrief an die NFG Katalonien über die
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dem Montjuïc mit emotionaler Rhetorik und symbolträchtigen Bildern inszenierte, ließ sie eine zuvor in Madrid erfolgte Kranzniederlegung am „Monument für die für Spanien Gefallenen“ („Monumento a los Caídos por España“) bezeichnenderweise unerwähnt.321 Da am nationalen Kriegsdenkmal allen jemals „für Spanien“ Gefallenen gedacht wird, auch den Bürgerkriegsopfern des putschenden franquistischen Lagers, fügte sich der vom Besuchsprotokoll vorgeschriebene Akt nicht in die Erzählung der „gemeinsamen antifaschistischen Tradition“ Spaniens und der DDR.322 Dennoch dürfte die sozialistische Regierung erleichtert darüber gewesen sein, dass Honecker sich bei den offiziellen Anlässen in Madrid sämtlicher Referenzen auf Bürgerkrieg und Franco-Diktatur enthielt und der ideologisch-nostalgische Programmpunkt „antifaschistisches Gedenken“ erst nach seiner offiziellen Verabschiedung durch Juan Carlos und Felipe González fernab der spanischen Hauptstadt stattfand. Schließlich blieb auch in den 80er Jahren, in denen die junge spanische Demokratie mit dem Wahlsieg des PSOE, der endgültigen Integration in den Westen sowie einer prosperierenden Wirtschaft und zunehmendem Wohlstand der Bevölkerung konsolidiert schien, das Interesse an der eigenen jüngeren Vergangenheit gering. Felipe González, der den spanischen Bürgerkrieg am 50. Jahrestag seines Ausbruchs im Jahr 1986 als ein nicht „erinnerungswürdiges Ereignis“ bezeichnet und Gedenkveranstaltungen – darunter eine von der Friedrich-Ebert-Stiftung vorgeschlagene Ausstellung – mit der Begründung abgelehnt hatte, keine „alten Wunden aufreißen“ zu wollen, dürfte an Honeckers nostalgisch-emotionaler Beschwörung vergangener Zeiten kaum ein Interesse gehabt haben.323 Die SED wiederum hatte freilich kein Interesse an der Kritik, die unterschiedliche spanische Gesprächspartner gegenüber Honecker äußerten. Da sie das SEDGrenzregime, die deutsche Teilung und die Menschenrechtsverletzungen in der DDR zum Gegenstand der Beziehungen machten, fanden sie in der ostdeutschen Presseberichterstattung keine Erwähnung. Dennoch zeugten sie von einem wachsenden Interesse der Spanier an den Entwicklungen in Osteuropa und einer veränderten Wahrnehmung der kommunistischen Diktatur in Ostdeutschland. War die Illegitimität des SED-Regimes in der ersten Hälfte der 1980er Jahre in Spanien öffentlich selten explizit verurteilt worden, nahmen ab Mitte des Jahrzehnts kritische Äußerungen zu. Zum 25. Jahrestag des Mauerbaus 1986 etwa veröffentlichte
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Errichtung einer Grabplatte am Grab Hans Beimlers zu dessen 50. Todestag, 12. 01. 1987, in: SAPMO-BArch, DY 57/986, unpag. Der dortige Besuch wird nur von den spanischen Quellen erwähnt: vgl. Gabinete de la Presidencia del Gobierno, Visita oficial de Erich Honecker, 3–5 de octubre 1988, undatiert, in: AGA, Fondo Presidencia de Gobierno, (09)0000, 64/3748, Exp. 3, unpag.; o. V., Segunda jornada de Honecker en Madrid, in: ABC vom 05. 10. 1988, S. 9. Zur Einweihung des Monuments durch Juan Carlos 1985 in Anwesenheit von Bürgerkriegsveteranen beider Lager vgl. Lola Galán, El rey inaugura el monumento a los caídos por España en presencia de ex combatientes de los dos bandos, in: El País vom 23. 11. 1985. Birgit Aschmann, Zwei Spanien, in: FAZ vom 25. 03. 2019, S. 6; Muñoz Sánchez, FrancoDiktatur, S. 232.
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die Wochenzeitschrift „Cambio 16“, die im franquistischen Spanien ein Kontaktmedium der DDR-Botschaft gewesen war,324 eine mehrseitige Reportage über das Leben im geteilten Berlin, die einen Gastbeitrag Hans-Jochen Vogels enthielt, dem ehemaligen Regierenden Bürgermeister von West-Berlin und Parteivorsitzenden der SPD.325 Sein Beitrag war für die SED deshalb ein Ärgernis, weil er zum einen die Berliner Mauer als „noch immer schmerzhafte Wunde“ und „Anomalie“ verurteilte, die dem „gegenseitigen Verständnis“ schade.326 Zum anderen führte das Erscheinen von Vogels Gastkommentar der SED das Glaubwürdigkeitsdilemma vor Augen, in das sie durch ihr Auftreten als internationale „Dialogpartnerin“ einerseits, ihre völlige Immunität gegenüber Kritik andererseits zunehmend geriet und gegen das sich ihre bisherige Politik der Abschottung als unwirksam erwies. Als etwa „Cambio 16“ für die Berlin-Reportage auch ein Interview mit Erich Honecker anfragte, musste Botschafter Spindler dies auf Weisung des MfAA ablehnen. Da er jedoch ein „vermehrte[s] Interesse“ der spanischen Öffentlichkeit am Verhältnis der beiden deutschen Staaten und der „Mauer“ feststellte, sah er sich veranlasst, in Ost-Berlin um grundsätzliche Weisung zur „Behandlung solcher Anträge“ zu erbeten.327 Ein halbes Jahr später, als sich ein spanischer Fernsehjournalist in der Botschaft über die restriktive Einreisepolitik der DDR beklagte und mit einer Weitergabe von „Negativinformationen“ über das sozialistische Deutschland an die spanische Presse drohte, riet Spindler dem ZK und MfAA „dringend“, bei einer erneuten Visumsentscheidung das eigene „Image“ in Spanien „zu berücksichtigen“.328 Honeckers hochrangige Gesprächspartner gingen ein halbes Jahr später über die Kritik an der Visapolitik der DDR hinaus. Ohne die Mauer in Berlin explizit zu benennen, äußerte der Präsident des Abgeordnetenhauses, Felix Pons, unmissverständliche Kritik an ihr, indem er dazu aufrief, „die physischen und geistigen Mauern, die die Angst zwischen uns errichtet hat, einfach ein[zureißen]“ und „jedem Europäer die Möglichkeit zu geben, […] dieses kleine Fleckchen Erde [Europa] persönlich kennenzulernen.“ 329 Auch Juan Carlos drückte beim Galadinner
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Vgl. Kap. II.5.1.2. Vgl. Ricardo Herren, Hace 25 años que nació el muro que rompe Berlín en dos, in: Cambio 16 vom 04. 08. 1986, S. 77–82. Hans-Jochen Vogel, Una herida dolorosa, in: ebenda, S. 83. Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Botschafters Spindler ans MfAA, 21. 07. 1986, in: SAPMO-BArch, DY 30/13557, Bl. 31. Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Botschafters Spindler ans ZK der SED/Abteilung Internationale Verbindungen und MfAA, 12. 02. 1987, in: SAPMO-BArch, DY 30/ 13558, Bl. 66. Visita del excelentísimo señor Presidente del Consejo de Estado de la República Democrática Alemana (don Erich Honecker) a las Cortes Generales, celebrado el martes, 4 de octubre de 1988, en el Palacio del Congreso de los Diputados, 04. 10. 1988, in: Diario núm. 137 de Sesiones del Congreso de los Diputados, Pleno, S. 8037–8039: „Derribemos los muros, físicos y mentales, que el miedo ha erigido entre nosotros. Facilitemos a todos los europeos la posibilidad de conocer personalmente […] este pequeño rincón del mundo.“ http://www.congreso. es/public_oficiales/L3/CONG/DS/PL/PL_137.PDF. Letzter Zugriff am 09. 11. 2022.
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zu Ehren Honeckers den Wunsch aus, im Jahr 1992 bei den Olympischen Spielen in Barcelona und auf der Weltausstellung in Sevilla „zahlreiche Landsmänner“ Honeckers begrüßen zu können. Dafür müssten allerdings „die für den Kontakt zwischen den Völkern bestehenden Hindernisse allmählich verschwinden.“ 330 Den pointiertesten Appell richtete ein Abgeordneter des Madrider Stadtparlaments und Mitglied der konservativen Alianza Popular an Honecker, als er während des Empfangs vom Balkon des Madrider Rathauses „Weg mit der Mauer“ („fuera el muro“) rief.331 Schließlich klang selbst bei der feierlichen Verleihung der „Ehrenmedaille“ der Universität Complutense Kritik am Staatssozialismus der DDR und deren Verletzung von Bürger- und Menschenrechten an. Der Soziologieprofessor Salustiano del Campo Urbano wählte als unmissverständlich provokatives Thema für seine Eröffnungsrede „das Verschwinden der Arbeiterklasse“, wobei er den Marxismus für gescheitert erklärte und fehlende Rechtsstaatlichkeit und Wohlstand in den sozialistischen Ländern beklagte. In der Tatsache, „dass man eine Mauer bauen muss, um die Bevölkerung am Davonlaufen zu hindern“, sah er „den schlagenden Beweis“ dafür erbracht.332 Auch Inocencio Arias, langjähriger Staatssekretär und Sprecher des spanischen Außenministeriums, verurteilte – wenngleich ein Vierteljahrhundert später und im Wissen um das Scheitern der SED-Diktatur – in seinen Memoiren die Würdigung Honeckers durch die Complutense als „paradox“ und „beschämendes Kapitel“.333 Kritik und Appelle von Honeckers Gesprächspartnern zeigen, dass die DDR das Kapital, welches sie sich bis Mitte der 80er Jahre als „Ansprechpartnerin“ im Osten erarbeitete hatte und welches Außenminister Morán, Vizepräsident Guerra und König Juan Carlos bei den vorherigen Begegnungen durchaus anerkannt hatten, Ende 1988 verspielt zu haben schien.334 Dabei bestand das Dilemma der SEDFührung darin, dass der ersehnte „Dialog auf höchster Ebene“ und die Diplomatie des „roten Teppichs“ ihren westlichen Gesprächspartnern eben auch Gelegenheit boten, Kritik am kommunistischen Regime und seiner Verweigerung gegenüber jedweden Öffnungsbestrebungen zu üben. Das Nebeneinander von Besuchsdiplo-
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Brindis de Su Majestad el Rey en la cena de gala en honor del Presidente del Consejo de Estado de la República Democrática Alemana, Sr. Erich Honecker, 03. 10. 1988, in: Ministrio de Asuntos Exteriores, Dirección General de la Oficina de Información Diplomática (Hrsg.), Actividades, S. 86: „[…] nuestro deseo de que un gran número de vuestros compatriotas nos visiten en esas fechas […] [y de] que vayan desapareciendo los obstáculos para el contacto entre los pueblos“. O. V., Segunda jornada de Honecker en Madrid, in: ABC vom 05. 10. 1988, S. 9. Universidad Complutense Madrid (Hrsg.), La sociedad de clases medias, S. 11: „[…] al quedar claro que en Occidente se han alcanzado no solamente mayor prosperidad y mayor libertad, sino también más justicia que en los países comunistas, o del socialismo real. El contundente argumento, nada teórico, desde luego, de tener que construir un largo muro para que la población no se escape, es capaz de desalentar incluso a los más fanáticos de este sistema.“ Arias, Diplomáticos, S. 292–293: „[…] Honecker, autor del Muro […] y, ¡oh, paradoja!, al que la Universidad Complutense le había entregado su medalla de oro ya en plena Transición española. Una página bochornosa.“ So grundsätzlich für die Westpolitik der DDR Weilemann, Zusammenfassung, S. 330.
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matie und Reformunwilligkeit vergrößerte nicht etwa Legitimität und Ansehen des SED-Regimes, sondern im Gegenteil sein Glaubwürdigkeitsdefizit. Die wiederholten Referenzen der spanischen Gesprächspartner auf fehlende Freiheitsrechte, Mauer und deutsche Teilung zeigen, dass das außenpolitische Profil der DDR und ihre Wahrnehmung als bilaterale Partnerin zunehmend von der Reaktion der SED-Führung auf die Proteste im eigenen Land und von der Entwicklung der innerdeutschen Beziehungen abhingen.
3.3 Friedliche Revolution, deutsche Einheit und das Ende der Beziehungen Dies bestätigen die Erinnerungen von Alonso Álvarez de Toledo, der seit 1985 Botschafter Spaniens in der DDR war. Laut seinem Tagebuch begann sich das Außenministerium in Madrid ab Spätsommer 1989 verstärkt „für die DDR zu interessieren“ und „Neuigkeiten zu wittern“.335 Angesichts der Nachrichten über massenhafte Ausreisen, Gründungen von Oppositionsgruppen und Massendemonstrationen in Leipzig und Ost-Berlin erhielt er die Weisung, vermehrt Bericht über die innenpolitische Entwicklung in der DDR und die Reaktion der SEDFührung zu erstatten. Nach eigener Aussage rapportierte er ab September beinahe täglich ausführlich ans MAE, was seinen Posten als Botschafter in Ost-Berlin – der bis dato aufgrund der „inhaltsleeren“ ostdeutsch-spanischen Beziehungen und der Kontaktarmut westlicher Botschafter in der DDR „monoton und frustrierend“ gewesen sei – zu einer „einzigartigen und spannenden“ Stellung aufgewertet habe.336 Wenngleich in dieser Einschätzung eine Betonung bzw. Aufwertung der eigenen historischen Zeitzeugenschaft mitschwingt, ist die Behauptung, dass seine Arbeit in Ost-Berlin an Relevanz gewann, nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Neben dem gesteigerten Interesse des MAE an seinen Berichten erinnert Álvarez de Toledo, dass im Oktober 1989 zwei DDR-Bürger Zuflucht in der spanischen Botschaft und damit den Schutz eines westlichen Staates suchten, um „straffrei in den Westen“ zu gelangen.337 Im selben Monat seien außerdem Vertreter einer Arbeitsgruppe an ihn herangetreten, die unter dem Druck zu Reformen von der Staats- und Parteiführung mit der Überarbeitung des Pressegesetzes beauftragt worden war, darunter Mitglieder des staatlichen Verbands der Film- und Fernsehschaffenden der DDR. Sie hätten sich für die „rechtlichen Erfahrungen“ interessiert, die Spanien während der Transición auf diesem Gebiet gemacht habe.338 Dass auch Vertreter der Bürgerrechtsbewegung Kontakte zur spanischen Botschaft suchten, um Erfahrungen des demokratischen Übergangs in Spanien zu erfragen, erinnert dagegen weder Álvarez de Toledo noch finden sich in der archivarischen Überliefe-
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Álvarez de Toledo, En el país, S. 25. Ebenda, S. 13–15; Interview mit Alonso Álvarez de Toledo, 04. 06. 2018. Vgl. Álvarez de Toledo, Nachrichten, S. 37–38. Ders., En el país, S. 55.
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rung Hinweise darauf. In anderen sozialistischen Ländern hingegen interessierten sich demokratische Akteure „bereits sehr früh“ für Spanien. Die Biografen Francisco Fernández Ordóñez’ zeigen etwa, dass insbesondere in Polen, Ungarn und der ČSSR den „Praktiken und Ergebnissen“ der Transición ein „paradigmatischer Charakter“ zugeschrieben wurde.339 Auch Müller geht davon aus, dass das spanische Beispiel, „dass ein Systemwandel auch ohne Blut und Tränen möglich ist, […] von einiger Bedeutung“ für das Ende der Diktaturen im Ostblock war.340 Álvarez de Toledo macht die historische Relevanz seiner Rolle als spanischer Botschafter für die Friedliche Revolution in der DDR insbesondere in seiner Anwesenheit als westlicher Diplomat bei der Öffnung der Berliner Mauer am 9. November 1989 aus. Da er sich mit einem spanischen Kamerateam, das zur Dokumentation der politischen Entwicklungen nach Ost-Berlin gereist war, am Grenzübergang Bornholmer Straße unweit der spanischen Botschaftsresidenz aufhielt und als einer der ersten Passanten die Grenze nach West-Berlin überquerte,341 mutmaßt er in seinen Memoiren, „ein bisschen zur Öffnung der Mauer beigetragen“ zu haben.342 Harald Jäger, der als diensthabender Leiter der Grenzübergangsstelle Bornholmer Straße die Personenkontrollen einstellen ließ, bestätigte 2012 in einem Briefwechsel mit Álvarez de Toledo, dass „[s]icherlich die dort anwesenden Fernsehkameras, genauso wie die Journalisten anderer Medien, zur Öffnung der Mauer beigetragen“ hätten, jedoch die „Anwesenheit“ Álvarez de Toledos selbst „viel wichtiger“ gewesen sei bzw. „der Umstand, dass wir den [regulären] Grenzübertritt der in der damaligen DDR akkreditierten Diplomaten nicht mehr sicherstellen konnten.“ 343 Er habe dies an seine Vorgesetzten im MfS, darunter den stellvertretenden Minister für Staatssicherheit, gemeldet und die „lapidare“ Anweisung erhalten, „die Diplomaten an andere Grenzübergangsstellen“ zu schicken.344 Da eine Anwesenheit weiterer Angehöriger des diplomatischen Corps am Grenzübergang Bornholmer Straße nicht ermittelt werden konnte, trifft die Bestätigung Jägers tatsächlich auf die Person des spanischen Botschafters zu. Am 20. November wurde Álvarez de Toledo im MfAA vorstellig, um in Erfahrung zu bringen, wie sich die Grenzöffnung und die unmittelbar zuvor erfolgte Regierungsbildung unter Hans Modrow auf die weitere Entwicklung der DDR und ihrer Außenbeziehungen auswirken würde. Nach der EG-Ratspräsidentschaft im
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Delgado Fernández/Sánchez Millas, Ordóñez, S. 355. Müller, Beziehungen, S. 119. Vgl. Álvarez de Toledo, Notas, S. 179–185. Als Frage formuliert an Harald Jäger in: ebenda, S. 185: „Cree usted que la presencia de las cámaras de televisión en el puente de Bornholmer contribuyó un poco a la apertura del Muro?“ Zitiert in ebenda, S. 186: „Ciertamente, las cámaras de televisión allí presentes, así como periodistas de otros medios, contribuyeron a la apertura del Muro. […] Una importancia mucho mayor tuvo su propia presencia; el hecho de que, en ese punto y hora, no pudiéramos garantizar ya más el paso por la frontera de los diplomáticos acreditados en la entonces RDA.“ Zitiert in ebenda, S. 186.
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ersten Halbjahr 1989, aus der Spanien außenpolitisch gestärkt hervorgegangen war,345 ging es dem MAE insbesondere um mögliche Auswirkungen auf den europäischen Integrationsprozess.346 Wenngleich kein Gesprächsvermerk überliefert ist, ist davon auszugehen, dass das MfAA zu diesem Zeitpunkt jede Nachfrage zu einer möglichen deutschen Einheit zurückwies und nach wie vor galt, was Hermann Axen im Interview mit „El País“ deutlich gemacht hatte: „In der DDR spricht man nicht von der Wiedervereinigung“.347 Dies spiegelte auch der Arbeitsplan der ostdeutschen Botschaft in Madrid für das erste Halbjahr 1990 wider, der eine „aktive[…] Erweiterung und qualitativ neue […] Gestaltung der bilateralen Beziehungen zu Spanien“ vorsah, „um die günstigsten äußeren Bedingungen für die komplizierten Erneuerungsprozesse in der DDR zu schaffen.“ 348 Dabei komme es „[a]ngesichts der entstandenen Lage in der DDR und ihrer Widerspiegelung im Gastland“ darauf an, „möglichst breiten politischen Kräften in Spanien die Erkenntnis zu vermitteln, dass der gesicherte Fortbestand der DDR mit ihren gegenwärtigen gesellschaftlichen Grundstrukturen ein stabilisierender Faktor im Zentrum Europas ist, an den [sic!] auch Spanien interessiert sein sollte. Es ist vor allem darzulegen, dass die Einheit beider deutscher Staaten nicht auf der Tagesordnung steht […].“ 349
Laut Otto Pfeiffer, der seit 1981 die Abteilung Auslandsinformation im MfAA leitete, versuchten das ZK der SED und das MfAA in den ersten Monaten nach dem Mauerfall, „Weichen […] für Prozesse“ zu stellen, die bald „nicht mehr steuerbar waren“.350 Einiges spricht dafür, dass sie zunächst tatsächlich noch davon ausgingen, die bilateralen Beziehungen zu Spanien weiter ausbauen zu können. Im Dezember 1989 etwa reiste der stellvertretende Außenminister Nier nach Spanien und übergab dem MAE einen „Kulturarbeitsplan“, der umfassend und detailliert zahlreiche Vorhaben der Botschaft in Madrid listete.351 Auch am „politisch-diplomatischen Vorhaben“ eines Besuchs von Felipe González in der DDR wurde festgehalten.352 Dieser mochte dem MfAA insofern nicht unrealistisch erschienen
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Vgl. Sánchez Millas, Europa, S. 3, 250–253. Vgl. Álvarez de Toledo, Nachrichten, S. 105. ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, Interview des Genossen H. Axen für die auflagenstärkste Tageszeitung Spaniens „El Pais [sic!]“ vom 23. Febr. 1987, undatiert, in: SAPMO-BArch, DY 30/13489, Bl. 228. Das Interview im Original: Andrés Ortega, Las reformas de Gorbachov afectarán a sus aliados, reconoce un responsable de la RDA, in: El País vom 23. 02. 1987, S. 4. Botschaft der DDR in Madrid, Arbeitsplan der Botschaft für das 1. Halbjahr 1990, 11. 01. 1990, in: PA AA, MfAA, MAV MADRID, ZR 2617/3, unpag. Ebenda. Zitiert in o. V., Mauerfall 1989. Überraschung und Enttäuschung für DDR-Diplomaten, in: Sputnik Deutschland vom 24. 11. 2019. Zu außenpolitischen Vorstellungen der Parteien und Opposition im Herbst 1989 und zur Außenpolitik der Regierung Modrow vgl. Lehmann, Außenpolitik, S. 27–81. Vgl. MfAA, Abteilung KAB, Kulturarbeitsplan-Entwurf Spanien 1990–1993, undatiert, in: PA AA, MfAA, M 60, ZR 2664/14, unpag. Botschaft der DDR in Madrid, Arbeitsplan der Botschaft für das 1. Halbjahr 1990, 11. 01. 1990, in: PA AA, MfAA, MAV MADRID, ZR 2617/3, unpag.
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sein, als erstens das spanische Königspaar im Januar 1990 Pläne für einen Besuch in der DDR bekannt gab und zweitens Botschafter Spindler aus dem „überdurchschnittliche[n] Echo“ auf Honeckers Besuch in Spanien geschlussfolgert hatte, dass die PSOE-Regierung ein großes Interesse daran habe, „sich mit [dem] Verhältnis beider deutscher Staaten und Perspektiven [der] Beziehungen RGW/DDR-EG vertraut“ zu machen.353 Diese Einschätzung Spindlers traf durchaus zu, allerdings entgegen den Interessen der außenpolitisch Verantwortlichen in Ost-Berlin. Da Ministerpräsident González und Außenminister Fernández Ordóñez in der deutschen Wiedervereinigung einen „möglichen Impuls für die europäische Einheit“ sahen, unterstützten sie diese von Beginn an und beabsichtigten, sie als „ohnehin unvermeidbar[e]“ Entwicklung auch nach dem Ende der spanischen EG-Ratspräsidentschaft „angemessen und in einer für alle Seiten gewinnbringenden Weise zu lenken“.354 Voraussetzung hierfür war die nach dem EG-Vorsitz gestärkte Stellung Spaniens unter den zwölf europäischen Mitgliedsstaaten. Nach dem langen Prozess der außenpolitischen Selbstverortung fühlte sich die PSOE-Regierung im Herbst 1989 „den Ereignissen gewachsen“ und legte eine „engagierte Aktivität zugunsten der Vereinigungssache“ an den Tag.355 Dass sie diese trotz eigener Vorbehalte gegenüber der deutschen Einheit entwickelte – etwa der Sorge vor einem Abfluss von EG-Strukturhilfen und einem Bedeutungsverlust der Süd- und Mittelmeerländer innerhalb der EG –,356 ist insbesondere auf die Beziehungen Madrids zu Moskau und Bonn bzw. Felipe González’ zu Michail Gorbatschow und Helmut Kohl zurückzuführen. Der spanische Ministerpräsident hatte Gorbatschows Reformpolitik von Beginn an begrüßt, nach Einschätzung einiger zeitgenössischer Beobachter die UdSSR gar erst mit der Perestroika „entdeckt“.357 Daraus erwuchsen nicht nur Kreditzusicherungen an den Kreml-Chef, sondern laut Fernández Ordóñez auch eine „Freundschaft von großer politischer Qualität“.358 Als Gorbatschow Ende Januar 1990 gegenüber der Regierung Modrow erklärte, dass die UdSSR eine Vereinigung Deutschlands nicht mehr grundsätzlich ablehne,359 dürfte dies González
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Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm des Botschafters Spindler betr. Einschätzung Berichterstattung zum Staatsbesuch Genosse Honecker in Spanien, in: SAPMO BArch, DY 30/ 13494, Bl. 12–13, hier: Bl. 12 mit Rückseite. Zum Besuchsvorhaben des spanischen Königspaars vgl. Ignacio Cembrero, Los Reyes viajarán este año a Alemania Oriental y Bulgaria, in: El País, 18. 01. 1990. Delgado Fernández/Sánchez Millas, Ordóñez, S. 354. Ebenda, S. 354. Vgl. Aschmann, Mein Freund Felipe, S. 650–661; Bernecker, España y Alemania, S. 164. Zeitgenössisch vgl. Ignacio Cembrero, Fernández Ordóñez: „La reunificación de Alemania no está en el orden del día“, in: El Pais vom 16. 11. 1989. Delgado Fernández/Sánchez Millas, Ordóñez, S. 356; vgl. auch o. V., Honecker quiere que España avale a la RDA durante la presidencia de la CEE, in: ABC vom 04. 10. 1988, S. 24. Zitiert in Delgado Fernández/Sánchez Millas, Ordóñez, S. 357. Zu den spanisch-sowjetischen Beziehungen am Ende des Kalten Kriegs vgl. Garrido Caballero, España y la Unión, S. 112–123. Vgl. Muth, DDR-Außenpolitik 1989–1990, S. 32.
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in seinem Kurs bestätigt haben. Noch enger und damit wichtiger war das „Freundschaftsband“ zwischen Madrid und Bonn, das nicht nur „historisch, institutionell und persönlich“ gesichert war,360 sondern mit der bundesdeutschen Unterstützung der spanischen EG-Ratspräsidentschaft für „exzellente[…] Beziehungen“ im Jahr 1989 sorgte.361 Damit stellte es zum entscheidenden Zeitpunkt sicher, dass Helmut Kohl laut eigener Aussage „keine Minute einen Zweifel“ an der Solidarität seines „Freundes Felipe“ haben musste.362 Dieser rief denn auch unmittelbar in der Nacht des 9. November bei Helmut Kohl an, um zum Mauerfall zu gratulieren und ihm die uneingeschränkte Unterstützung Spaniens bei der Gestaltung der Wiedervereinigung zuzusichern.363 Zwei Tage später wies er Fernández Ordóñez an, dem Außenminister Frankreichs, das seit 1. Juli den EG-Ratsvorsitz innehatte, „dringend“ die Einberufung eines EG-Sondergipfels anzuraten. Als Roland Dumas ablehnend reagierte, wandte sich González persönlich an Staatspräsident François Mitterand, der einwilligte und auf Initiative Spaniens die zwölf Mitgliedstaaten der EG am 18. November zum Sondergipfel in Paris lud.364 In dessen Vorfeld kündigte Fernández Ordóñez an, die Wiedervereinigung, sofern von „den Deutschen“ mittelfristig angestrebt, nicht behindern zu wollen. Er räumte zu diesem Zeitpunkt jedoch noch ein, dass sie „vorerst nicht auf der Tagesordnung“ stehe.365 Bereits zwei Wochen später war Spanien auf dem turnusgemäßen EG-Gipfel in Straßburg am 8. Dezember neben Irland das einzige Land, das einer Einheit der beiden deutschen Staaten ungeteilt zustimmte. Da es zu diesem Zeitpunkt zusammen mit Frankreich und Griechenland die Troika bildete, spielte diese demonstrative Zustimmung auf europäischer Ebene eine durchaus „gewichtige Rolle“.366 Die Auswirkungen des deutschen Vereinigungsprozesses auf die ostdeutschspanischen Beziehungen und die Arbeit der Botschaften in Ost-Berlin und Madrid sind äußerst spärlich dokumentiert. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass das MfAA vor seiner Abwicklung die Auslandsvertretungen anwies, ihre Akten zu vernichten.367 Zum anderen dürfte die dünne Überlieferungslage auch dem Umstand geschuldet sein, dass die ostdeutschen und spanischen Außenapparate selbst von der Öffnung der Grenze und den darauffolgenden Entwicklungen überrascht worden waren. Mit Blick auf die Handlungsfähigkeit des Politbüros und der
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Aschmann, Mein Freund Felipe, S. 646. Helmut Kohl im Februar 1989, zitiert in Botschaft der DDR in Madrid, Telegramm ans MfAA betr. BRD-Kanzler in Spanien, 08. 02. 1989, in: SAPMO-BArch, DY 30/13561, Bl. 8– 9, hier: Bl. 9. Zitiert in Aschmann, Mein Freund Felipe, S. 639. Vgl. Helene Zuber, Ihr könnt auf mich zählen. Interview mit Felipe González, in: Spiegel Geschichte vom 28. 09. 2010; Álvarez de Toledo, Nachrichten, S. 92. Vgl. Delgado Fernández/Sánchez Millas, Ordóñez, S. 354; Helene Zuber, Ihr könnt auf mich zählen. Interview mit Felipe González, in: Spiegel Geschichte vom 28. 09. 2010. Ignacio Cembrero, Fernández Ordóñez: „La reunificación de Alemania no está en el orden del día“, in: El Pais vom 16. 11. 1989. Sánchez Millas, Europa, S. 262; Helene Zuber, Ihr könnt auf mich zählen. Interview mit Felipe González, in: Spiegel Geschichte vom 28. 09. 2010. Vgl. o. V., Große Bereicherung, in: Der Spiegel Nr. 5 (1991), S. 173–178, hier: S. 178.
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Abteilung Internationale Verbindungen im ZK der SED zeigte sich bald, dass der DDR eine „solide ökonomische Basis und relativ stabile innere Positionen“ fehlten, um noch eine „den eigenen Interessen entsprechende Außenpolitik“ betreiben zu können.368 Hinzu kamen Informationsmangel und Ungewissheit im MfAA, das bis zu den Parlamentswahlen im März 1990 nach wie vor von Außenminister Oskar Fischer geleitet wurde, der dem Politbüro und damit dem engeren Entscheidungszirkel nicht angehörte. Entsprechend erhielten die Auslandsvertretungen nur wenige konkrete Informationen über die politische Lage in der DDR und die in Ost-Berlin akkreditierten ausländischen Botschafter wurden bei ihren Besuchen im MfAA weitgehend im Unklaren gelassen.369 Dies führte zu der paradoxen Situation, dass die DDR-Botschaft dem ostdeutschen Außenministerium riet, bei Alonso Álvarez de Toledo „Informationen über Möglichkeiten […] für die Entwicklung der bilateralen Beziehungen“ einzuholen, nachdem die in den sozialistischen Ländern akkreditieren spanischen Botschafter am 8. und 9. Januar in Madrid zu einem „Akuttreffen“ über die Lage im Ostblock zusammengekommen waren.370 Die Ausführungen des spanischen Botschafters sind in keinem Gesprächsvermerk überliefert. Angesichts des rasanten Machtverfalls der SED, dem offensiven Eintreten González’ für eine deutsche Einheit sowie einer hohen Zustimmung für diese auch in der spanischen Bevölkerung ist jedoch anzunehmen, dass er keinen allzu langen Fortbestand der ostdeutsch-spanischen Beziehungen prognostizierte.371 Aufseiten der DDR brachte schließlich die Bildung der Koalitionsregierung unter Ministerpräsident Lothar de Maizière und die Übernahme des MfAA durch Markus Meckel im April 1990 inhaltliche Klarheit in der Frage, worin das Ziel der DDR-Außenpolitik und damit die Aufgabe ihrer Botschaften bestehen sollte. In den Koalitionsvereinbarungen wurde als „Hauptaufgabe“ die auch von der spanischen Regierung angestrebte „Einbettung des Prozesses der deutschen Einigung in den gesamteuropäischen Einigungsprozess“ formuliert.372 Entsprechend sandte das MfAA Anfang Mai eine „Argumentation zu Fragen der Staatennachfolge in bilaterale Verträge der DDR für den Fall der Vereinigung der beiden deutschen Staaten“ an Botschafter Spindler. Außerdem wurde er angewiesen, ein AideMémoire über die Fortführung von Verträgen mit Spanien persönlich im MAE
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Muth, DDR-Außenpolitik 1989–1990, S. 38. Vgl. die Einschätzung Otto Pfeiffers in o. V., Mauerfall 1989. Überraschung und Enttäuschung für DDR-Diplomaten, in: Sputnik Deutschland vom 24. 11. 2019. MfAA, Abteilung KAB, Kulturarbeitsplan-Entwurf Spanien 1990–1993, undatiert, in: PA AA, MfAA, M 60, ZR 2664/14, unpag. Im April 1990 war die Zustimmung der spanischen Bevölkerung zur deutschen Einheit mit 81 Prozent die höchste in der EU und deutlich höher als in den USA (61 Prozent): vgl. Europäische Kommission (Hrsg.), Eurobarometer 33. Einen Monat nach erfolgter Wiedervereinigung war sie mit 73 Prozent noch immer sehr hoch: vgl. Aschmann, Mein Freund Felipe, S. 660. Muth, DDR-Außenpolitik 1989–1990, S. 336.
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abzugeben und dabei die Interessen der spanischen Regierung zu sondieren.373 Da sichergestellt werden sollte, „dass der erreichte Stand der Zusammenarbeit durch die eintretende Staatennachfolge keinen Schaden nimmt“,374 bemühte sich die Botschaft um die Weitergabe einiger kultur- und wissenschaftspolitischer Projekte an die bundesdeutsche Vertretung.375 Deren Botschafter Guido Brunner gab diesbezüglich gegenüber „El País“ an, dass Spindler seit Ende 1989 mit ihm kooperiert und die Schließung der DDR-Botschaft vorbereitet habe.376 Muth erklärt diese „letzten“ Bemühungen der DDR-Auslandsvertretungen und das „korrekt[e] und konstruktiv[e]“ Erledigen der ihr übertragenen Aufgaben trotz eines absehbaren Endes der DDR-Außenpolitik damit, dass während der Amtszeit Meckels „noch immer Hoffnungen auf einen gleichberechtigten Beitritt“ der DDR zur Bundesrepublik bestanden hätten. Nach Meckels Ausscheiden im August 1990 sei dann versucht worden, einen „fairen Übergang [des] bisherigen Aufgabenbereichs in den außenpolitischen Apparat des vereinigten Deutschland“ zu gewährleisten.377 In Spanien gelang dies auf einigen Feldern, etwa mit dem Beschluss der gemischten deutsch-spanischen Kommission für wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit vom November 1990, einige der erfolgreichen ostdeutsch-spanischen Projekte auf diesem Gebiet zu übernehmen; er wurde auf dem ersten gemsamtdeutsch-spanischen Gipfel im Mai 1991 auf Lanzarote bestätigt.378 Während die Übernahme des MfAA durch Markus Meckel zumindest inhaltliche Klarheit für die Akteure der ostdeutsch-spanischen Beziehungen brachte, wurden Probleme auf der Arbeitsebene nicht behoben. Meckel misstraute als Sozialdemokrat und ehemaliger Oppositioneller der „vorhandenen Mitarbeiterschaft“ im Außenministerium „grundsätzlich“ und versuchte, „ein alternatives Beratergremium zu installieren“, dem auch Beamte des Auswärtigen Amts aus Bonn angehörten.379 Laut Otto Pfeiffer, der als „alter“ Funktionär im MfAA dem neuen Minister ebenso skeptisch gegenüberstand, führte dies zu Kompetenzstreitigkeiten, Kommunikationsproblemen und verschlechterten Arbeitsbedingungen;380 Meckel selbst bestätigt im Rückblick „manche[s] Durcheinander“ und „peinliche[…] Kompetenzlücken“.381 Für die Botschaft der DDR in Madrid bedeuteten die mitunter chaotischen Zustände in der Ost-Berliner Zentrale zunächst noch keine Ver-
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MfAA, Staatssekretariat Misselwitz, Aide-Mémoire und Argumentation zu Fragen der Staatennachfolge in bilaterale Verträge der DDR für den Fall der Vereinigung der beiden deutschen Staaten, 03. 05. 1990, in: PA AA, MfAA, MAV MADRID, ZR 2633/93, unpag. Ebenda. Zur Erhaltung einiger kulturpolitischer Projekte der DDR in Spanien vgl. Kap. IV.2.1. Vgl. o. V., La Embajada de la RDA cierra sus puertas, in: El País vom 03. 10. 1990. Muth, DDR-Außenpolitik 1989–1990, S. 40. Vgl. Gabinete de la Presidencia del Gobierno, Cumbre Hispano-Alemana Lanzarote, Mai 1991, in: AGA, Fondo Presidencia de Gobierno, (09)0000, 64/3755, unpag. Meckel, Zeiten, S. 339, 343, 345. Vgl. o. V., Mauerfall 1989. Überraschung und Enttäuschung für DDR-Diplomaten, in: Sputnik Deutschland vom 24. 11. 2019. Meckel, Zeiten, S. 347.
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änderung. Zwar schwebte Meckel vor, „dass die neue, demokratische DDR und ihre Politik auch von neuen Personen repräsentiert“ werden sollte, doch aufgrund des Mangels an politisch loyalem Personal mit Auslandserfahrung war „überhaupt nicht daran zu denken“, sämtliche Botschafter und Botschaftsmitarbeiter auszutauschen.382 So blieb die Belegschaft der Madrider Botschaft bis zu ihrer Schließung unverändert, freilich auch, weil Spanien auch nach fünfzehn Jahren bilateraler Beziehungen nicht zu den prioritären internationalen Partnern der DDR gehörte. Erst als mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik am 3. Oktober 1990 das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten abgewickelt wurde, trat die Mehrzahl seiner ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter das Madrider Botschaftspersonal, in einen „gesetzlichen Wartestand“; von 235 Diplomaten, die sich beim Auswärtigen Amt bewarben, wurden lediglich dreizehn übernommen.383 Im Vergleich zu anderen Bundesministerien betrieb das AA damit die „rigorose[ste] personelle Abwicklung des DDR-Staatsapparates“.384 Für viele „in die Arbeitslosigkeit“ 385 entlassene ehemalige MfAA-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verstärkten sich die negativen Erfahrungen des „Karriereknicks“ dadurch, dass das Auswärtige Amt zwar nicht für sie, jedoch für den Besitz des außenpolitischen Apparats der DDR Verwendung fand, darunter Liegenschaften, Immobilien, Fahrzeuge und Inventar.386 Für die DDR-Vertretung in Madrid traf dies nicht zu, da die Bundesrepublik mit ihrer zentral gelegenen und repräsentativen Botschaft kein Interesse an der Übernahme des Mietvertrags für die ehemaligen ostdeutschen Botschafts- und Residenzgebäude hatte. Gleiches galt für den Bestand der Botschaftsbibliothek, den das Goethe-Institut mehrheitlich als „wertlos“ für die eigene Arbeit erachtete.387 Vor einer beruflichen „Wertlosigkeit“ fürchtete sich auch ein DDR-Diplomat, der vor seiner Abreise aus Madrid gegenüber „El País“ anonym angab, Sorge um seine Existenz im vereinigten Deutschland zu haben. Dabei schätzte er realistisch ein, dass seine beruflichen Möglichkeiten „beinahe bei Null“ lägen.388 Im selben Artikel erklärte der bundesdeutsche Botschafter, sich vergeblich um die Vermittlung seines Amtskollegen Harry Spindler an eines der in Spanien tätigen bundesdeutschen Unternehmen bemüht zu haben.389 Wenngleich dies nachträglich nicht zu verifizieren ist, kann davon ausgegangen werden, dass den ehemaligen Mitarbeitern der Madrider DDR-Botschaft
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Ebenda, S. 350. Ausgetauscht wurden lediglich die Botschafter der Alliierten des Zweiten Weltkriegs und der mitteleuropäischen Nachbarn. Vgl. Muth, DDR-Außenpolitik 1989–1990, S. 39–40. Ebenda, S. 40. Lehmann, Außenpolitik, S. 354. Philipp Maußhardt, Botschafter der Vergangenheit, in: Die Zeit Nr. 24 vom 10. 06. 1994; Lehmann, Außenpolitik, S. 337. Für quantitative Angaben zu den Übernahmen durch das AA vgl. o. V., Große Bereicherung, in: Der Spiegel Nr. 5 (1991), S. 173–178, hier: S. 173. So der bundesdeutsche Botschafter Guido Brunner: zitiert in o. V., La Embajada de la RDA cierra sus puertas, in: El País vom 03. 10. 1990. Ebenda. Vgl. ebenda.
3. Dialog und Entfremdung: Die DDR und Spanien 1986 bis 1990
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zumindest der Weg in den öffentlichen Dienst der Bundesrepublik verwehrt blieb. Die vier in Spanien akkreditierten Außerordentlichen und Bevollmächtigten Botschafter Peter Lorf, Gerhard Korth, Ernst Walkowski und Harry Spindler hatten beim späteren Rentenbezug als ehemalige „Staatsdiener in leitender Funktion“ möglicherweise außerdem einen „Strafabschlag“ zu leisten.390 Die Überlieferungslage für die letzten Monate und die Abwicklung der spanischen Botschaft in der DDR ist ebenfalls äußerst dünn. Dies ist einerseits der strikten Sperr- und Klassifizierungspolitik der staatlichen spanischen Archive für neuere diplomatische Dokumente geschuldet. Zum anderen geht Álvarez de Toledo davon aus, dass aus der sehr späten Phase ohnehin nur wenige Akten aus dem spanischen Außenministerium und der Ost-Berliner Vertretung erhalten sind. Aufgrund von Personalmangel in der Osteuropa-Abteilung des MAE habe er kaum Instruktionen zur Schließung der Botschaft erhalten und diese daher in enger Zusammenarbeit mit dem spanischen Konsul in West-Berlin vorbereitet. Am letzten Tag seiner Amtszeit, dem 2. Oktober 1990, habe er ein Telegramm mit dem Hinweis nach Madrid gesandt, dass er beim Ausbleiben anderslautender Weisungen eigenmächtig „abziehe“; das MAE habe darauf nicht reagiert.391 Nimmt man tatsächlich eine solche „Vernachlässigung“ der Botschaftsabwicklung in Ost-Berlin an, wäre diese eine logische Konsequenz aus der klaren Positionierung der spanischen Regierung im deutschen Vereinigungsprozess – mit dem frühen Bekenntnis zur deutschen Einheit hatte Madrid von Beginn an auch gegen den Fortbestand der DDR votiert. Dem entspricht die Meldung von „El País“, dass das MAE bereits am 1. Oktober, während die DDR noch existierte und Botschafter Álvarez de Toledo auf Instruktionen wartete, eine Delegation nach West-Berlin entsandte, die das stark kriegsbeschädigte historische Botschaftsgebäude Spaniens im Tiergarten als künftigen Sitz des spanischen Generalkonsulats im vereinigten Berlin inspizieren sollte.392 Dagegen kann die Tatsache, dass Botschafter Álvarez de Toledo nach seiner Rückkehr aus Ost-Berlin zum Protokollchef der spanischen Regierung ernannt wurde, als Anerkennung seiner Tätigkeit im letzten Jahr der ostdeutschspanischen Beziehungen gedeutet werden und damit als ein gewisses nachträgliches Relevanzzugeständnis an die Botschaft Spaniens in der DDR.393
390 391 392
393
Philipp Maußhardt, Botschafter der Vergangenheit, in: Die Zeit Nr. 24 vom 10. 06. 1994. Álvarez de Toledo, Notas, S. 219; Interview mit Alonso Álvarez de Toledo, 04. 06. 2018. Vgl. José María Marti Font, Los diplomáticos se despiden de la RDA, in: El País vom 02. 10. 1990. Das Gebäude im Botschaftsviertel wurde nach einer Sanierung (1998–2003) zum Hauptsitz der diplomatischen Vertretung Spaniens in Deutschland: vgl. Landesdenkmalamt Berlin, Spanische Botschaft: https://denkmaldatenbank.berlin.de/daobj.php?obj_ dok_nr=09050276. Letzter Zugriff am 10. 11. 2022. Für seine Zeit als Protokollchef vgl. Álvarez de Toledo, Notas, S. 223–229. Im Interview führte Álvarez de Toledo seine Ernennung zum Protokollchef auch auf ein angebliches Interesse Felipe González’ an seinem Tagebuch aus den Tagen der Friedlichen Revolution zurück, das in Spanien bereits im März 1990 erschienen war: vgl. Interview mit Alonso Álvarez de Toledo, 04. 06. 2018.
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IV. Die DDR und die junge spanische Demokratie (1982–1990)
4. Zwischenbilanz In den diplomatisch-politischen Beziehungen zwischen der DDR und dem sozialistisch regierten Spanien lassen sich zwei Phasen unterscheiden, die beinahe deckungsgleich mit der ersten und zweiten Amtszeit des PSOE zusammenfielen. Außenpolitisch wurden sie erstens durch den Ministerwechsel von Fernando Morán zu Francisco Fernández Ordóñez im Jahr 1985 markiert sowie zweitens durch die Vollendung der spanischen Westintegration mit EG-Beitritt und endgültigem NATO-Verbleib im Jahr 1986. Als weitere Zäsur, insbesondere für die Arbeit der DDR-Botschaft in Madrid, wirkte außerdem der Tod des Madrider Oberbürgermeisters und DDR-Sympathisanten Enrique Tierno Galván im Februar 1986. Die erste Phase war auf beiden Seiten von Optimismus geprägt. Die Volkskammer der DDR und der spanische Senat etablierten offizielle Parlamentsbeziehungen und auf Regierungsebene kam es zu einigen Vertragsabschlüssen. In den Handelsund Kulturbeziehungen konnten Kontakte und Projekte fortgeführt, verstetigt und intensiviert werden, die bereits in der Transición geknüpft und etabliert worden waren. Persönliche Arbeitskontakte und gegenseitige Delegationen wurden häufiger. Dies galt insbesondere auf kommunaler Ebene, wo sich beispielsweise die Handelskammer und die regionale Freundschaftsgesellschaft in Gijón zu verlässlichen Partnern der DDR-Botschaft entwickelten oder aber die Städtepartnerschaft zwischen Ost-Berlin und Madrid institutionalisiert wurde. Letztere war nicht nur für die ostdeutsche Repräsentanz und praktische Botschaftsarbeit in der spanischen Hauptstadt von großer Bedeutung, sondern mit der Fürsprache Tierno Galváns auch für die Verbindungen der SED in die Führungszirkel des PSOE und damit in oberste Regierungskreise. Hier trugen die Kontaktbemühungen, welche die DDR seit 1978 gegenüber den spanischen Sozialisten angestrengt hatte, insofern Früchte, als DDR-freundliche Genossen nun zentrale Regierungsämter innehatten; die prominentesten waren Vizepräsident Alfonso Guerra und Außenminister Fernando Morán. Moráns außenpolitisches Modell einer „sozialistischen Alternative“ war ein weiterer Grund für die optimistische „Aufbruchstimmung“ auf beiden Seiten. Im Streben nach „Spielraum“ räumte es den spanischen Beziehungen zum Ostblock einen größeren Stellenwert ein und bediente damit außenpolitischen Anspruch und Bedürfnis der DDR, die als internationale „Dialogpartnerin“ wahrgenommen werden wollte und diese Rolle staatsmännisch-repräsentativ unter Beweis zu stellen suchte. Im Klima gegenseitigen Interesses und Aufgeschlossenheit wurden die Delegationen des spanischen Senatspräsidenten José Federico de Carvajal, des Volkskammerpräsidenten Horst Sindermann und des Ost-Berliner Bürgermeisters Erhard Krack in den Jahren 1982 und 1983 sowie der erstmalige Besuch Oskar Fischers in Spanien 1984 zu besuchsdiplomatischen Erfolgen. Dazu trug auch die nach wie vor nicht endgültig vollzogene Westintegration Spaniens bei. Angesichts der stockenden EG-Beitrittsverhandlungen konnte die DDR hierbei erstens von der „Hebelfunktion“ profitieren, die den spanischen Ostbeziehungen zusätzlich zur Bedeutungszuschreibung durch Morán zukam. Zweitens sorgten die Verpflichtung der Sozialisten auf ein NATO-Referendum und ein großes Anti-NATO-Lager in-
4. Zwischenbilanz
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nerhalb des PSOE bei der SED für nicht unbegründete Hoffnungen auf einen Ausstieg Spaniens aus dem westlichen Bündnis. Nachdem dieser ausblieb und auch der EG-Beitritt Spaniens Anfang 1986 vollzogen war, justierte die SED die Ziele ihrer Spanienpolitik zunächst flexibel nach und setzte darauf, dass mit Spanien die „linke Flanke“ des Westens gestärkt würde und die sozialistischen Staaten eine wohlgesinnte Stimme in NATO und EG gewönnen. Auch der neue Außenminister Francisco Fernández Ordóñez, für den gute Beziehungen zum Ostblock die Westzugehörigkeit Spaniens komplettierten, vollzog keinen grundlegenden Kurswechsel gegenüber der DDR. 1986 stattete er ihr als erster spanischer Außenminister den ersehnten und von Morán in Aussicht gestellten offiziellen Besuch ab, dessen politische Bedeutung vor dem Hintergrund seiner regen Reisetätigkeit jedoch nicht überbewertet werden darf. Im Gegenteil: Auch durch den ausbleibenden Besuch Juan Carlos’ wurde zunehmend evident, dass eine weitere Intensivierung der bilateralen Beziehungen, die bis 1985/86 durchaus möglich erschienen war, ausbleiben würde. Dafür waren neben der Absage an die „sozialistische Alternativaußenpolitik“ Moráns und der vollendeten Westintegration Spaniens in erster Linie die Reformpolitik Gorbatschows und die damit einsetzenden Veränderungen im Ostblock verantwortlich. Die PSOE-Regierung, die Gorbatschows Reformen von Beginn an begrüßte, beurteilte die Rolle der DDR als internationale Akteurin und bilaterale Partnerin zunehmend nach der Haltung der SED-Führung gegenüber den Liberalisierungstendenzen im Osten und der Kritik an ihrem Regime. In der Folge beklagte Hermann Axen bei seinem Spanienbesuch 1987 eine zu starke Fokussierung der Spanier auf die Reformen der Perestroika und Erich Honecker sah sich bei seinem Staatsbesuch 1988 deutlicher Kritik unterschiedlicher Gesprächspartner ausgesetzt. Seine Visite brachte zwar hochrangige Gespräche und repräsentative Bilder hervor und zeugte zweifellos von einer gewissen diplomatischen Akzeptanz der DDR im Westen, konnte jedoch deren Legitimitätsdefizit weder ausgleichen noch darüber hinwegtäuschen. Spätestens ab 1989 verspielte die SED durch ihre Reformunwilligkeit und Kritikresistenz auch in Spanien den Kredit, den sie sich als „Dialogpartnerin“ bis Mitte der 80er Jahre – unter den erleichterten Bedingungen der Fürsprache Guerras, Moráns und Tierno Galváns – erarbeitete hatte. So endeten die ostdeutsch-spanischen Beziehungen denn auch im Schatten des frühzeitigen und engagierten Eintretens Felipe González’ für die deutsche Einheit. Das MfAA unter Markus Meckel und die Botschaft in Madrid bemühten sich um Wahrung und Verwaltung des ohnehin dürftigen Vermächtnisses. Diese Bemühungen gingen in den rasanten Entwicklungen seit dem Fall der Berliner Mauer jedoch fast vollständig unter und stießen aufseiten Spaniens und der bundesdeutschen Botschaft, die ab dem 3. Oktober 1990 wieder die alleinige deutsche Repräsentanz in Spanien sein sollte, weitgehend auf Desinteresse.
V. Schlussbetrachtung Während der kaum mehr als fünfzehn Jahre, die die diplomatischen Beziehungen zwischen der DDR und Spanien währten, sahen sich die außenpolitischen Akteure Ost-Berlins unterschiedlichen politischen Systemen, Bedingungen und Partnern in Madrid gegenüber. Dabei waren die ersten zweieinhalb Jahre von der besonderen Brisanz geprägt, die sich aus dem Interagieren zweier ideologisch antagonistischer Diktaturen ergab. Nach einer eineinhalbjährigen Unterbrechung der diplomatischen Kontakte und dem Tod Francisco Francos wiedereröffnete die DDR-Botschaft im Spanien der Transición. Hier fungierte sie als Messstation Ost-Berlins im spanischen Demokratisierungsprozess und als Sprachrohr des SED-Regimes gegenüber den unterschiedlichen Akteuren der politischen und gesellschaftlichen Neuorientierung Spaniens. Die letzte und längste Phase der Beziehungen trug sodann die „Signatur des 20. Jahrhunderts“ 1: Mit der Konsolidierung der spanischen Demokratie und dem Regierungsantritt der Sozialisten unter Felipe González wurde insbesondere in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre der Systemgegensatz zwischen kommunistischer Diktatur und westlicher Demokratie zum evidenten Merkmal der ostdeutsch-spanischen Beziehungen. Um zu erklären, weshalb die Zeitgenossen die Herstellung diplomatischer Beziehungen zwischen Ost-Berlin und Madrid als exzeptionell und in einigen Fällen gar als skandalös wahrnahmen, ist zunächst deren Vorgeschichte dargestellt worden. Dabei wurden drei Dimensionen ausgemacht, die offizielle Kontakte zwischen der DDR und dem franquistischen Spanien zwei Jahrzehnte lang unmöglich gemacht hatten. Hierzu zählte erstens eine historische, die auf die Beteiligung deutscher Kommunisten im spanischen Bürgerkrieg zurückging und durch dessen Rezeption und Mythologisierung in der DDR geprägt war. Zweitens tabuisierten Antifaschismus und Antikommunismus als identitätsstiftende Gründungssnarrationen der DDR bzw. Franco-Spaniens jegliche Form offizieller Beziehungen zum jeweils anderen, dessen radikale Ablehnung konstitutiv für die eigene Legitimität war. Drittens waren die Handlungsspielräume beider Regime durch ihren Status als internationale „Underdogs“ und den damit einhergehenden außenpolitischen Abhängigkeiten eingeschränkt. Im Fall Ost-Berlins verhinderte die grundsätzliche Feindschaft zwischen der Sowjetunion und Franco-Spanien offizielle Beziehungen, im Fall Madrids dessen Hallstein-Loyalität gegenüber der Bundesrepublik. Anhand der internationalen Emanzipation der DDR und des Franco-Regimes wurde gezeigt, dass es die politische Dimension der Unmöglichkeit offizieller Kontakte war, die in den Konjunkturen des Kalten Kriegs aufgeweicht wurde. So ermöglichten letztlich das globale Klima der Détente und die deutsch-deutsche Annäherung den Botschafteraustausch zwischen Ost-Berlin und Madrid. Da beide Partner ihre ideologischen Traditionsbestände mit in die Beziehung brachten, nahm die Behandlung deren erster Phase bis 1975 schwerpunktmäßig
1
Wentker, Forschungsperspektiven, S. 29.
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V. Schlussbetrachtung
Aushandlungsprozesse auf den Feldern Ideologie und Politik in den Blick. Als besonders lohnenswert erwies sich hierfür eine genaue Untersuchung des offiziellen Diskurses des SED- bzw. Franco-Regimes über die Beziehungsaufnahme sowie ihres jeweiligen Umgangs mit Kritik. Es konnte gezeigt werden, dass beide Regime einen großen argumentativen Aufwand in Rechtfertigung und Legitimation des Botschafteraustauschs betrieben, was wiederum belegt, dass sie dessen inhärente Brisanz und ideologische Widersprüchlichkeit durchaus als Bedrohung ihrer Legitimität wahrnahmen. Die SED, deren Außenpolitik weniger stark entideologisiert war als die des Spätfranquismus und die sich außerdem mit der Emotionalität des „Mythos Spanien“ konfrontiert sah, bemühte sich um eine Versachlichung des Diskurses. Dabei versuchte sie mit dem Rekurs auf die flexible Konfrontationsund Kooperationsformel der „friedlichen Koexistenz“ eine argumentative Quadratur des Kreises: Das Leninsche Prinzip sollte einerseits die Pragmatik ihrer Spanienpolitik ideologisch legitimieren und andererseits deren Vereinbarkeit mit der eingeübten Aggression gegen das „faschistische Terrorregime“ Francos erklären. Für die spanische Seite brachte die Untersuchung von offiziellem Diskurs und Gegendiskurs die einigermaßen überraschende Erkenntnis, dass die Regierung in der argumentativen Beweisführung ihrer ideologischen Glaubwürdigkeit Unterstützung durch rechte Falangekreise erhielt. Diese trugen als loyale Anhänger Francos die Entscheidung zu diplomatischen Beziehungen mit der DDR mit, begnügten sich jedoch nicht mit dem entideologisierten Legitimationsdiskurs des technokratischen Außenministers López Bravo. Entsprechend lieferten sie die als notwendig empfundenen ideologischen Argumente nach, um zu belegen, dass es sich keinesfalls um eine Untergrabung des spanischen Antikommunismus handele. Als weitere überraschende Erkenntnis des zweiten Kapitels und als Beleg für die ausgesprochen pragmatische Funktionsweise der ostdeutschen und spätfranquistischen Außenpolitik kann außerdem festgehalten werden, dass sich beide Regime ausgerechnet am jeweiligen ideologischen Gegenspieler gleich mehrfach international emanzipierten – dies sowohl durch Ablehnung als auch durch Anerkennung. Indem sich die DDR in den 1960er Jahren als Vorreiterin des weltweiten Protests gegen Franco-Spanien gerierte und mit ihrer scharfen anti-spanischen Rhetorik die nötige Aufmerksamkeit innerhalb des Weltgewerkschaftsbundes erhielt, gelang es ihr einerseits, sich moralisch zu einem gewissen Grad aus der internationalen Isolation zu befreien. Andererseits scheute sie, um das primäre Ziel der völkerrechtlichen Anerkennung zu erreichen, 1973 nicht den ideologischen Tabubruch der Beziehungsaufnahme mit ebendiesem Spanien. Im Werben um Botschafter für Ost-Berlin warf die SED ideologische Bedenken über Bord bzw. versuchte sie argumentativ auszuräumen. Auf spanischer Seite erwies sich der Antikommunismus des Franco-Regimes zunächst als vorteilhaft für die Überwindung der internationalen Isolation und wirkte im Kalten Krieg der 1950er und 60er Jahre integrativ gegenüber dem Westen. Als diese Integration ab Ende der 60er Jahre stockte, reagierte das spätfranquistische Spanien, während es innenpolitisch zunehmend repressiv agierte, außenpolitisch besonderes pragmatisch. Eine eigenständige Ostpolitik sollte als Hebel bzw. „Back-up“ gegenüber dem Westen dienen und das
V. Schlussbetrachtung
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kommunistische Deutschland als „Pilotprojekt“ López Bravos die Tür in den Osten aufstoßen. Die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen im Frühjahr 1977 erfolgte in mehrfacher Hinsicht unter den Bedingungen eines Neustarts. Es bot sich daher an, für diese Phase besonders nach Flexibilitäten und Anpassungsfähigkeiten der jeweiligen Außenpolitiken, insbesondere jedoch der SED-Spanienpolitik zu fragen. Erstens hatten sich die internationalen Rahmenbedingungen seit der Aufnahme der Beziehungen verändert: War diese ein Kind der Détente gewesen, interagierten die DDR und das nach seinem Platz in der Welt suchende Spanien bald im angespannten Klima des „Zweiten Kalten Kriegs“ und die DDR mit der Hypothek des Misskredits, in welchen der Ostblock unter anderem durch die sowjetische Invasion in Afghanistan geraten war. Zweitens musste die ostdeutsche Botschaft in Madrid nicht nur personell bei Null anfangen, sondern sah sich auch in ihrer Kontaktarbeit neuen Bedingungen und Akteuren gegenüber. Dies eröffnete einerseits neue Optionen, etwa durch die Legalisierung der spanischen Kommunisten und Sozialisten. Andererseits stellte es die SED vor die Herausforderung, sich im internationalen Selbstverortungsprozess der jungen spanischen Demokratie als Partnerin anzubieten und auf diesen sowie auf die politisch-gesellschaftliche Neuorientierung in ihrem Sinne Einfluss zu nehmen. Diese ohnehin diffizile Aufgabe wurde zum einen dadurch erschwert, dass das postfranquistische Spanien keinesfalls eine gänzlich neue, leere Spielwiese darstellte, sondern das politische Terrain zu weiten Teilen bereits abgesteckt war. Zum anderen stießen wesentlich potentere internationale Akteure – insbesondere die Bundesrepublik – in sich neu eröffnende Räume vor. Vor diesem Hintergrund und nach eingehender Analyse der ostdeutschen Kontaktarbeit gegenüber unterschiedlichen Akteuren der spanischen Demokratisierung kann der SED-Spanienpolitik für diese Phase durchaus die Fähigkeit attestiert werden, die vorgefundenen Bedingungen, Kräfteverhältnisse und möglichen Entwicklungsszenarien realistisch eingeschätzt und die ihr signalisierte Aufgeschlossenheit einzelner Akteure opportun und langfristig vorteilhaft für sich genutzt zu haben. So zog die SED auf Basis der gut informierten und zutreffenden Einschätzung, dass ein revolutionäres Szenario wie in Portugal im postfranquistischen Spanien unwahrscheinlich war, zunächst die Herstellung pragmatischer Arbeitsbeziehungen zu den bürgerlichen Übergangsregierungen der Monarchie vor, während sich die spanische Linke in der Opposition konsolidieren sollte. Dabei profitierte die SED von den neutralistischen Tendenzen und dem KSZE-Engagement Adolfo Suárez’ und Marcelino Orejas und legte im Interesse ihrer bilateralen Ziele – dem Abschluss staatlicher Verträge und einer Intensivierung der Regierungsbeziehungen – etwaige ideologische Scheuklappen ab. Angesichts des Westschwenks der Regierung Calvo-Sotelo und des Endes der spanischen Blockungebundenheit durch den vollzogenen NATO-Beitritt lenkte sie ihr „Störfeuer“ gegen die Westintegration Spaniens um und unterstützte die NATO-kritischen Stimmen im Werben um einen Austritt aus dem Bündnis. Des Weiteren zeigten sich die außenpolitisch Verantwortlichen in ZK, MfAA und Botschaft flexibel genug, opportune Gelegenheiten auszuloten und entsprechende Schwerpunktsetzungen ihrer Arbeit gegenüber Spanien vorzunehmen.
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V. Schlussbetrachtung
Diese bestanden im Ausbau der Kultur- und wissenschaftlich-technischen Beziehungen, in einer forcierten Imagepolitik in den Handelsbeziehungen und in der Hinwendung zu den spanischen Sozialisten. Letztere wurde durch zwei Faktoren ideologisch erleichtert: erstens durch den Konflikt mit der „Bruderpartei“ PCE um deren Eurokommunismus, zweitens durch einen gegenüber der DDR aufgeschlossenen marxistischen Flügel des PSOE und dessen zu diesem Zeitpunkt noch stark ideologisch geprägtes außenpolitisches Programm, das Anknüpfungspunkte für die Außenpolitik Ost-Berlins bot. Beides stellt die Fähigkeit der SED-Spanienpolitik zu pragmatisch-flexibler Anpassung während der Transición nicht in Abrede: Zum einen konnte die Analyse der Auseinanderersetzungen um das PCE-Engagement für Rudolf Bahro und Robert Havemann deutlich machen, dass die Entfremdung zwischen den kommunistischen „Bruderparteien“ nicht nur ideologisch-programmatisch motiviert war, sondern auf innen- und außenpolitischem Machtkalkül Santiago Carrillos beruhte sowie auf der frühen und realistischen Einschätzung der SED, dass die Kommunisten kaum eine Rolle im spanischen Demokratisierungsprozess spielen würden. Zum anderen konnte die SED die „Westernisierung“ des PSOE zwar nicht verhindern, bereitete durch ihre konsequente Umgarnungspolitik und hartnäckigen Kontaktinitiativen jedoch das Feld für eine Intensivierung des ostdeutschspanischen Verhältnisses vor, die mit dem Wahlsieg der Sozialisten Ende 1982 endlich auch auf Regierungsebene einsetzen sollte. Besondere Bedeutung kamen dabei denjenigen Kontaktebenen zu, die erst während der Transición geschaffen wurden: Neben den kommunalen Beziehungen und der Kulturarbeit in den Provinzen waren dies insbesondere persönliche Beziehungen zu linksgerichteten spanischen Kulturschaffenden und führenden Sozialisten, allen voran zum Madrider Oberbürgermeister Enrique Tierno Galván. Die Übernahme der alleinigen Regierungsverantwortung durch den PSOE brachte schließlich die von Ost-Berlin ersehnte Bewegung in die bilateralen Beziehungen. Nicht nur dem Namen nach gaben die beiden sozialistischen Regierungsparteien, die de facto freilich Kommunisten und Sozialdemokraten waren, zunächst ein gutes Paar ab: Persönliche Begegnungen setzten nun auch auf Parlaments- und Regierungsebene ein und wirkten als Impulse für zahlreiche staatliche Vertragsabschlüsse. 1984 wurde DDR-Außenminister Fischer erstmals in Spanien empfangen, 1986 kam Francisco Fernández Ordóñez zum Gegenbesuch in die DDR. Höhepunkt des „politischen Dialogs“ war 1988 Erich Honeckers Spanienbesuch, bei dem er in Madrid staatsmännisch „freundschaftliche Gefühle“ sowie „Möglichkeiten und Potenzen“ der ostdeutsch-spanischen Beziehungen zelebrierte und in Barcelona den Mythos einer „gemeinsamen antifaschistischen Tradition“ pflegte. Förderlich für die Intensivierung der Partei- und Regierungsbeziehungen wirkte dabei, dass die Kontakte der SED zu den spanischen Kommunisten, die sich seit 1983 zwar allmählich verbesserten, von solch geringer politischer Bedeutung waren, dass sie das offiziell-staatliche Verhältnis zu keiner Zeit belasteten. Um die Besuchsdiplomatie der 80er Jahre auf ihren politischen Gehalt und ihre Aussagekraft hinsichtlich der Qualität der Beziehungen zu überprüfen, galt es, zunächst die Grundzüge der Außenpolitik des PSOE, dessen Haltungsänderung in der NATO-Frage und den Außenministerwechsel von Fernando Morán zu Francisco Fernández Ordóñez zu skizzieren. Daraus ergab sich
V. Schlussbetrachtung
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das Bild zweier qualitativ unterschiedlicher Phasen im Verhältnis der Regierungsparteien SED und PSOE und damit in den bilateralen Beziehungen. Diese waren bis 1985/86, also während der Amtszeit Moráns und bis zur endgültigen Integration Spaniens in EG und NATO, auf beiden Seiten von Aufgeschlossenheit und Optimismus geprägt. Das positive Klima entsprang erstens der „sozialistischen Alternativaußenpolitik“ Moráns und – auch dies ein einigermaßen überraschender Befund – einer potenten Troika aus DDR-Sympathisanten: Enrique Tierno Galván in der Madrider Stadtverwaltung, Fernando Morán im Außenministerium und Alfonso Guerra als Vizepräsident im Regierungspalast Moncloa boten der SED genau jene Bühne, die sie international für sich beanspruchte. Zweitens trug die kurzzeitige Rolle der DDR als primäre Ansprechpartnerin im Ostblock, die sie während der zeitweiligen Führungsschwäche der Sowjetunion übernahm, zum guten Beziehungsklima und Erfolg der gegenseitigen Delegationen bei. So kann die Arbeit begründet behaupten, dass bis zur Mitte des Jahrzehnts tatsächlich die Aussicht bestand, die ostdeutsch-spanischen Beziehungen könnten sich zu vorbildlichen Modellkontakten der DDR in den Westen entwickeln. Die begrenzten Erfolgsaussichten dieser Möglichkeit aufzeigend wurde jedoch zugleich darauf hingewiesen, dass im Dialog zwischen Ost-Berlin und dem sozialistisch regierten Madrid zu keinem Zeitpunkt primär bilaterale, sondern überwiegend internationale Themen und Interessen verhandelt wurden, was die Beziehungen in besonderem Maße von internationalen Faktoren abhängig machte. So waren es neben dem Tod Tierno Galváns und dem Ausscheiden Moráns aus dem Außenministerium in erster Linie die durch Gorbatschows Reformpolitik ausgelösten Transformationsprozesse im Ostblock, die ab 1985 den bilateralen Optimismus dämpften und zu einer Ernüchterung insbesondere auf spanischer Seite führten. Die Schwerpunktsetzung des vierten Kapitels auf persönliche Begegnungen brachte hier die Erkenntnis, dass in der zweiten Hälfte der 80er Jahre nicht deren erfolgreicher Verlauf zum Prüfstein des ostdeutsch-spanischen Verhältnisses wurde, sondern vielmehr die (Un-)Fähigkeit der SED, opportun auf die Liberalisierungstendenzen im Osten und Kritik im Innern zu reagieren. Ihre Verweigerungshaltung führte auch im sozialistisch regierten Spanien zu einem zunehmend negativen Bild der DDR, das bei den für das SED-Regime so wichtigen prestigeträchtigen Treffen als deutliche Kritik verbalisiert wurde. So konnte am Beispiel Spaniens besonders überzeugend das grundsätzliche Dilemma der späten DDR-Außenpolitik vor Augen geführt werden: Ausgerechnet die Anerkennung als gleichberechtigte Dialogpartnerin, welche die SED auf den roten Teppichen des Westens suchte und mit der sie ihr Legitimitätsdefizit im Innern aufzuwiegen suchte – und die ihr das erste Kabinett González’ durchaus zubilligte –, bot ihren Dialogpartnern die Gelegenheit, ebendieses Defizit anzuprangern. Als einigermaßen paradoxe Erkenntnis für die Gesamtentwicklung der bilateralen Beziehungen kann in diesem Zusammenhang außerdem festgehalten werden: Während die DDR seit Ende der 1960er Jahre sowohl von strategisch als auch von programmatisch-ideologisch motivierten Fokussierungen der spanischen Außenpolitik auf den Osten profitiert hatte – von López Bravos Ostpolitik, Adolfo Suárez’ Neutralismus-Flirt und Moráns
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V. Schlussbetrachtung
„sozialistischer Alternativaußenpolitik“ –, wirkte sich das wachsende Interesse der spanischen Sozialisten am Osten, das mit dem Amtsantritt Gorbatschows einsetzte, erstmals nachteilig für die DDR aus. Es sensibilisierte Madrid für die politischen Entwicklungen in Osteuropa, entlarvte die Illegitimität des SED-Regimes und brachte sie schließlich auf die Tagesordnungen der bilateralen Treffen. Dies wiederum führte dazu, dass am Ende der ostdeutsch-spanischen Beziehungen, die im Schatten des frühzeitigen und engagierten Eintretens Felipe González’ für den deutschen Vereinigungsprozess abgewickelt wurden, das Kräfteverhältnis zwischen Ost-Berlin und Madrid kaum asymmetrischer hätte sein können. Während die EGRatspräsidentschaft das internationale Renommee der PSOE-Regierung zusätzlich stärkte und die Sozialisten im Oktober 1989 zum dritten Mal als stärkste Kraft aus den spanischen Parlamentswahlen hervorgingen, brachten der Wandel im Ostblock und die Friedliche Revolution in der DDR das SED-Regime zu Fall. Die Betrachtung der ostdeutsch-spanischen Wirtschafts- und Kulturkontakte zeigte, wie sehr die SED in ihren Außenbeziehungen eine Verflechtung von Politik, Wirtschaft und Kultur betrieb. Um ihre außenpolitische Instrumentalisierung je nach Beziehungskonstellation und situativen Interessen Ost-Berlins aufzuzeigen, wurden sie für jede Phase der Beziehungen gesondert in den Blick genommen. Eine gemeinsame Betrachtung der Felder Wirtschaft und Kultur erwies sich insofern als sinnvoll, als beiden die Funktion zukam, die jeweiligen außenpolitischen Interessen Ost-Berlins zu untermauern bzw. durchzusetzen. Dabei lassen sich in den Wirtschaftsbeziehungen für die gesamte Dauer der bilateralen Kontakte zwei Konstanten ausmachen: Erstens überbetonte die DDR handelspolitische Interessen zu jedem Zeitpunkt der Beziehungen, was dazu führte, dass der tatsächliche Außenhandel stets hinter ihren eigenen Erwartungen und hinter denen der spanischen Handelspartner zurückblieb. Dass er nicht auch hinter einem vermeintlichen, formelhaft beschworenen „Potenzial“ zurückblieb, lag in seiner Strukturschwäche begründet. Zwar war ein erfolgreicher Außenhandel wichtig für die Existenz der DDR, insbesondere, als sie 1977 in eine ernste Versorgungskrise geriet und nach neuen Absatzmärkten und Rohstoffquellen außerhalb der Sowjetunion suchte. Da die ostdeutsche Wirtschaft jedoch an einem konstanten Mangel an Devisen krankte, dementsprechend noch in den 1980er Jahren auf Kompensationsgeschäfte bestand und ihre Exportprodukte außerdem Qualitätsmängel aufwiesen, wurde sie selbst für Spanien zunehmend unattraktiv. Dies zeugt insofern von einem besonders eklatanten Scheitern der DDR-Handelspolitik gegenüber Spanien, als das bereits vom ersten DDR-Botschafter Peter Lorf propagierte Image der DDR als wirtschaftsstarkes Industrieland dort zunächst auf fruchtbaren Boden gefallen war. Sowohl das späte Franco-Regime als auch die junge spanische Demokratie hatten einen enormen industriellen Aufholbedarf – ersteres als Spätfolge der gescheiterten Autarkiepolitik Francos, zweitere angesichts einer eklatanten Wirtschaftskrise – und hätten außerdem als Exporteure von Agrarprodukten und Rohstoffen zu durchaus komplementären Handelspartnern der DDR werden können.
V. Schlussbetrachtung
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Eine zweite Konstante der ostdeutsch-spanischen Wirtschaftsbeziehungen war für beide Seiten gleichermaßen deren Legitimations- und Argumentationsfunktion im politischen Diskurs. Für die erste Phase der Beziehungen wurde nachgezeichnet, wie sowohl SED als auch Außenminister López Bravo die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen mit dem Argument einer wirtschaftlichen Notwendigkeit rechtfertigten, obwohl der gegenseitige Warenaustausch verschwindend gering war. In der Transición konnte der spanische Industrieminister Ignacio Bayón bilaterale Kooperationsprojekte auf dem Gebiet der Industrie anstoßen, weil der innenpolitisch geschwächten UCD-Regierung jeder Nachweis über die Förderung des spanischen Exports willkommen war. Und nicht zuletzt dienten die hochtönende DDR-Wirtschaftspropaganda und der Nachweis über erfolgreiche Vertragsabschlüsse mit Ost-Berlin dem sozialistischen Wirtschaftsminister Miguel Boyer als Verhandlungsmasse im stockenden EG-Beitrittsverfahren. Diese und weitere skizzierte Beispiele lassen den Schluss zu, dass die Bedeutung der ostdeutsch-spanischen Wirtschaftsbeziehungen hauptsächlich in deren politischer Instrumentalisierung lag, womit sie sich nicht von anderen Handelsbeziehungen der DDR in den Westen unterschieden. Noch evidenter ließen sich politische Verquickungen in den ostdeutsch-spanischen Kulturbeziehungen nachweisen. Um diese nachzuvollziehen, wurde die grundsätzliche „Einbahnstraßen“-Konzeption der auswärtigen DDR-Kulturpolitik an ausgewählten Beispielen für alle Phasen der Beziehungen dargestellt. Sie belegten allesamt eine maximale staatliche und politische Durchdringung der ostdeutschen Kulturarbeit in Spanien und zeigten im Einzelnen situationsbedingte, unterschiedliche Zielsetzungen auf. So lehnte die SED im prinzipiellen Verständnis und der auch nach der internationalen Anerkennung gängigen Praxis, kulturellen Austausch entweder zu verhindern oder durch zentrale Lenkung politisch opportun zu kanalisieren, zunächst jegliche Erweiterung der rein kommerziellen und äußerst sporadischen Kulturkontakte mit dem Franco-Regime ab. Bereits 1974 gab sie diese Verweigerungshaltung jedoch auf, um erstens im Bemühen um staatliche Vertragsabschlüsse auf anderen Gebieten ihre Staatlichkeit unter Beweis zu stellen und sich zweitens über das Feld der Kulturpolitik von der Bundesrepublik abzugrenzen. Letzterem maß die SED besondere Bedeutung bei, da die Bundesrepublik in Spanien eine kulturpolitisch starke Stellung innehatte. In der Konsequenz blieben bis zum Ende der Beziehungen sämtliche kulturpolitische Aktivitäten der DDR in Spanien einer beinahe paranoiden Abgrenzungsmaxime unterworfen. Die Eingleisigkeit als weiteres Merkmal der ostdeutschen Kulturpolitik wurde unter anderem am Beispiel der gegenseitigen Besuchsdelegationen aufgezeigt, die ab Ende der 1970er Jahre über die Liga für Völkerfreundschaft einsetzten. Deren ein- und ausreisende Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden von der LfV in Zusammenarbeit mit dem MfS sorgfältig nach politisch-ideologischer Zuverlässigkeit ausgewählt und ihr Handlungs- und Bewegungsspielraum vor Ort stark eingeschränkt. Trotz dieser konsequenten Behinderung eines tatsächlichen Austauschs diente die Tätigkeit der LfV dazu, die 1975 mit der Schlussakte von Helsinki unterzeichnete Verpflichtung der DDR auf ebendiese Freizügigkeit praktisch
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V. Schlussbetrachtung
unter Beweis zu stellen, was Paradoxie und Doppelbödigkeit der auswärtigen Kulturarbeit Ost-Berlins in besonderem Maße evident macht. Nicht zuletzt – und dies ist neben dem hartnäckigen Konkurrenzdenken gegenüber der Bundesrepublik ein zweites länderspezifisches Merkmal der SED-Kulturpolitik gegenüber Spanien – wurde auf der Ebene der Kulturbeziehungen auch der Konflikt zwischen den „Bruderparteien“ SED und PCE ausgetragen. Indem diese sich gegenseitig vorwarfen, die Nationale Freundschaftsgesellschaft „Wilhelm von Humboldt“ ideologisch zu unterwandern und zu instrumentalisieren, behinderten sie bis in die Mitte der 80er Jahre eine effektive Arbeit deren Madrider Zentrale. Obgleich der Bruderzwist mit dem PCE und das besonders ausgeprägte Konkurrenzverhalten gegenüber der Bundesrepublik der ostdeutschen Kulturarbeit in Spanien eher im Weg standen als dienten, fällt deren abschließende Bilanz positiv aus und die Arbeit argumentiert, dass die Kulturbeziehungen das erfolgreichste Wirkungsfeld der SED in Spanien waren. Dabei macht sie fünf Faktoren aus, die eine erfolgreiche kulturpolitische Etablierung des „anderen Deutschland“ seit den späten 70er Jahren ermöglichten: Erstens profitierte die DDR von einem undifferenzierten spanischen „Goodwill“ gegenüber dem Gütesiegel „deutsch“. Zweitens hatte die DDR-Botschaft bereits im franquistischen Spanien und dann vermehrt während der Transición einflussreiche Fürsprecher unter spanischen Kulturschaffenden und -politikern. Dazu zählten in seiner Funktion als Kulturförderer der Madrider Oberbürgermeister Enrique Tierno Galván sowie kommunistische oder den Kommunisten nahestehende Intellektuelle und Theaterschaffende. Letztere spielten neben den regionalen Freundschaftsgesellschaften eine wichtige Rolle beim Kontaktaufbau und der Realisierung von kulturpolitischen Aktivitäten in den Provinzen. Hier erwies sich die Strategie der Botschaft, neben Madrid den Schwerpunkt ihrer Kulturarbeit auf die Provinzen zu legen, insofern als opportun, als sie dort mitunter günstige Voraussetzungen und eine ideologische Aufgeschlossenheit vorfand – etwa die historisch starke Stellung des Marxismus und Sozialismus in Asturien, die Brechtrezeption in Katalonien oder die Ablehnung des Madrider Zentralismus in Galicien. Daneben kamen der Kulturarbeit der DDR viertens auch ganz praktische Aspekte zugute: In der reformbedürftigen Bildungslandschaft des postfranquistischen Spaniens konnte sie mit einem kostengünstigen Angebot an Deutschunterricht und Sommersprachkursplätzen das Bildungsmonopol der Bundesrepublik zu einem gewissen Grad aufweichen. Deren zunehmende Gelassenheit gegenüber dem Kulturengagement der DDR in Spanien – die sowohl in der eigenen starken Stellung gründete als auch im Wissen um die immanenten Schwächen der ostdeutschen Kulturarbeit – war fünftens ein weiterer Faktor, der den Erfolg Ost-Berlins auf diesem Gebiet ermöglichte. Als übergeordnete Betrachtungsfolie der ostdeutsch-spanischen Beziehungen diente der Kalte Krieg. Dieser stiftete nicht nur deren zeitlichen Kontext und spannte einen Rahmen über die unterschiedlichen Phasen der Beziehungen, sondern prägte sie in außergewöhnlichem Maße. In Gestalt der Détente wirkte er zugleich als Voraussetzung und Motivation bei der Herstellung diplomatischer Beziehungen zwischen der DDR und Franco-Spanien: Er verschob die internationa-
V. Schlussbetrachtung
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len Koordinaten dahingehend, dass die beiden außenpolitischen Underdogs eine Chance gekommen sahen, durch die Normalisierung ihres Verhältnisses ihr jeweiliges internationales Gewicht zu mehren. Obgleich die DDR und Spanien zu keinem Zeitpunkt exponierte Akteure des Kalten Kriegs waren, nahm dessen internationale Dimension immer wieder Einfluss auf ihre außenpolitischen Interessen und Optionen und dementsprechend auf die Gestaltung ihrer bilateralen Kontakte. Dabei wirkten seine Konjunkturen mal hemmend, mal anregend für das ostdeutsch-spanische Verhältnis und wurden von den Akteuren selbst als bestimmende Größe wahrgenommen. Nach der Wiederaufnahme der Beziehungen etwa führten die betonte Zugehörigkeit des postfranquistischen Spaniens zum demokratischen Westen, die nach dem Ende der fast vierzigjährigen Franco-Diktatur nicht nur eine politische, sondern auch eine emotionale Positionierung war, sowie die erhöhte Krisen- und Bedrohungswahrnehmung im „Zweiten Kalten Krieg“ zur politischen Zurückhaltung Madrids gegenüber Ost-Berlin. Zwei Jahre später, als die Blockzugehörigkeit Spaniens mit dem NATO-Beitritt tatsächlich vollzogen war, machten Horst Sindermann und Alfonso Guerra dagegen als Gemeinsamkeit ihrer Staaten deren besondere Verantwortung als „kleinere Länder“ im Entspannungsprozess aus und leiteten daraus übereinstimmende Interessen und eine Vermittlungsfunktion zwischen den Blöcken ab. Ab Mitte der 80er Jahre wiederum, als der Wille zur Verständigung zwischen den Großmächten das internationale Klima prägte, wurden die Teilung Deutschlands und die Existenz der Berliner Mauer als evidente Manifestationen des Kalten Kriegs zum Gegenstand der bilateralen Beziehungen und die DDR für Spanien das „deutlichste Zeichen“ für dessen Fortbestand.2 Angesichts dieser Befunde muss die allgemeine Feststellung, dass die DDR „weitaus mehr als andere Staaten von den Konjunkturen der internationalen Politik abhängig“ war,3 auf ihre Beziehungen zu Spanien ausgeweitet, ja für diese zugespitzt werden. In ihnen traf das anerkennungshungrige SED-Regime zunächst auf das ebenfalls außenpolitisch emanzipationsbedürftige späte FrancoRegime und nach dessen Tod auf eine junge Demokratie, die ihren Platz im internationalen Gefüge erst finden, dann institutionalisieren und sich schließlich darin behaupten musste. In der Folge potenzierte sich die Wirkmächtigkeit internationaler Faktoren, sodass die bilateralen Beziehungen zu jedem Zeitpunkt und in besonderem Maße den Konjunkturen des Kalten Kriegs unterworfen waren. Eng damit verbunden ist als weitere Besonderheit der ostdeutsch-spanischen Beziehungen deren starke Fokussierung auf die Bundesrepublik. Entsprechend wurde bei ihrer Betrachtung das deutsch-deutsche Verhältnis als Analysekategorie und weiterer Subtext der Beziehungen durchgängig berücksichtigt. Ihre Darstellung entgeht damit der Gefahr, ohne Vergleichsgröße letztlich relativ zu bleiben.4
2 3 4
Martín de la Guardia/Pérez Sánchez (Hrsg.), Europa del Este, S. 134. Wentker, Außenpolitik in engen Grenzen, S. 563. Diese Gefahr bilateraler Studien formuliert Aschmann und fordert für ein „endgültige[s] Urteil über die Qualität“ [bilateraler] Kontakte Vergleichsgrößen: Aschmann, Treue Freunde, S. 453.
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V. Schlussbetrachtung
Für die erste Phase der Beziehungen wurde gezeigt, dass die Bundesrepublik sowohl für Ost-Berlin als auch für Madrid zentrale außenpolitische Referenz war und erst die Unterzeichnung des Grundlagenvertrags zum entscheidenden Durchbruch bei den Verhandlungen über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen in Warschau führte. Während der Transición wurde die Bundesrepublik zur wichtigsten internationalen Patin der spanischen EG-Bewerbung und die SPD zur übermächtigen Konkurrentin der SED im Werben um die spanischen Sozialisten. Ende der 80er Jahre schließlich unterstützte Bonn Spanien während dessen erster EG-Ratspräsidentschaft und Felipe González stellte sich in der Frage der deutschen Wiedervereinigung früh und bedingungslos an die Seite seines Freunds Helmut Kohl. Nicht zuletzt musste sich die DDR-Botschaft beim Versuch, zumindest einen Teil ihres Vermächtnisses in Spanien zu retten, an die bundesdeutsche Konkurrenz wenden. Obgleich die „Pole-Position“ der Bundesrepublik in Spanien durch die Präsenz der DDR zu keinem Zeitpunkt gefährdet war, beobachtete Bonn das Ost-Berliner Engagement aufmerksam und registrierte sämtliche Wettbewerbserfolge, die das SED-Regime auf politischem, kulturellem und wirtschaftlichem Gebiet erzielen konnte. Zu nennen seien als Beispiele die minutiöse Beobachtung der handelspolitischen Imagepolitik des ersten DDR-Botschafters Peter Lorf im franquistischen Spanien, die Feststellung, dass die DDR ab Ende der 70er Jahre erfolgreich in spanische Universitäten vordrang sowie einige wirtschaftliche Achtungserfolge des SED-Regimes in der ersten Hälfte der 80er Jahre, welche die bundesdeutsche Botschaft auf politische Kontakte Ost-Berlins zurückführte. Es ist also ein durchaus überraschendes Ergebnis der Arbeit, dass die Bundesrepublik auch nach der Anerkennung der DDR und trotz der Gewöhnung der internationalen Gemeinschaft an die Existenz zweier deutscher Staaten den Aktivitäten Ost-Berlins in Spanien nie gleichgültig gegenüberstand. Ebenfalls überraschend konnte festgestellt werden, dass die Sowjetunion als weitere wichtige Referenzmacht in den Beziehungen der DDR weitgehend freie Hand in Spanien ließ. Ihre Haltung und Positionierung im Kalten Krieg gaben zwar die grundsätzlichen Koordinaten vor, innerhalb derer Ost-Berlin agieren konnte, jedoch griff die KPdSU zu keinem Zeitpunkt direkt in die Spanienpolitik der SED ein. Dementsprechend operierte diese relativ eigenständig gegenüber Madrid und forderte lediglich während des Beziehungsabbruchs und nach dem Tod Francos ein gemeinsames Vorgehen der sozialistischen Staaten gegenüber den Übergangsregierungen in Madrid. Dabei war ihr Appell an eine „koordinierte sozialistische Außenpolitik“ von der offensichtlichen Sorge geleitet, hinter den „Bruderstaaten“ zurückzubleiben, die nach dem Ende des Franco-Regimes allesamt Botschaften in Spanien eröffneten. Zwar waren die Vertretungen der sozialistischen Länder dort gut vernetzt und nahmen auf der Arbeitsebene gemeinsame Lageeinschätzungen vor – etwa nach den Parlamentswahlen von 1977 und 1982 –, ein tatsächliches koordiniertes Vorgehen Moskaus und der sozialistischen Regierungen gegenüber Spanien ließ sich jedoch selbst in der zentralen Frage der spanischen NATO-Mitgliedschaft nicht feststellen.
V. Schlussbetrachtung
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Während die DDR-Politik Spaniens von gänzlich unterschiedlichen politischen Akteuren und entsprechend mit wechselnden Zielsetzungen gestaltet wurde, waren die steten Architekten der ostdeutschen Spanienpolitik Erich Honecker als Generalsekretär des ZK der SED und Hermann Axen als ZK-Sekretär für internationale Verbindungen und Leiter der Außenpolitischen Kommission beim Politbüro des ZK. Ihre Staatsbesuche in Spanien 1987 bzw. 1988 waren für die SED nicht nur von repräsentativ-propagandistischer Bedeutung, sondern zeugen von der Wichtigkeit, die Ost-Berlin den Beziehungen zum sozialistischen Spanien beimaß, das linker Flügel Westeuropas und der NATO sein sollte. Als Ansprechpartner der Madrider Botschaft sowie der spanischen Botschaft in Ost-Berlin prägten außerdem Herbert Plaschke als Leiter der Abteilung Westeuropa im MfAA und ab 1984 sein Nachfolger Werner Fleck sowie der stellvertretende Außenminister Kurt Nier die Beziehungen auf Arbeitsebene. Außenminister Oskar Fischer war, obgleich er zweimal nach Spanien reiste und dort hochrangig empfangen wurde, eine blasse Figur in den ostdeutsch-spanischen Beziehungen, freilich auch, weil er nicht Mitglied des Politbüros war. Von den nach Spanien entsandten Diplomaten konnten Botschafter Peter Lorf und der Erste Sekretär bzw. zeitweilige Geschäftsträger Otto Pfeiffer insofern am meisten Einfluss auf die Beziehungsgestaltung nehmen, als beide nach dem Abbruch der diplomatischen Kontakte im MfAA tätig waren und dort mit dem Abfassen einiger zentraler Positionspapiere und Konzeptionen für die Entwicklung der Beziehungen zum postfranquistischen Spanien betraut wurden. Eine konkrete Einflussnahme ehemaliger Spanienkämpfer auf die Entscheidungen des außenpolitischen Apparats der DDR ist kaum nachzuweisen. Aufgrund der Aussagen Otto Pfeiffers und angesichts der Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Beziehungsaufnahme vier Bürgerkriegsveteranen im Politbüro saßen sowie mit den stellvertretenden Ministern Ernst Scholz und Georg Stibi zwei weitere im MfAA vertreten waren, können SED-interne Auseinandersetzungen für die erste Phase der Beziehungen angenommen werden, die jedoch der Parteidisziplin untergeordnet werden mussten. Zumindest im Kontext des Beziehungsabbruchs konnte plausibel argumentiert werden, dass dieser durch innerparteilichen Protest gegen die Kontakte zum Franco-Regime mindestens befördert, wenn nicht entscheidend motiviert worden war. Nach der Wiederaufnahme der Beziehungen zum demokratischen Spanien und dem Ende des „axiomatischen Gegensatzes ‚Rechtsdiktatur versus Linksdiktatur‘“ 5 nahmen der antifaschistische Diskurs und damit der ideologische Gehalt der DDR-Spanienpolitik deutlich ab. Ostdeutsche und spanische Bürgerkriegsveteranen engagierten sich in den Freundschaftsgesellschaften und traten damit hauptsächlich als Akteure der kulturpolitischen und kommunistischen Parteibeziehungen in Erscheinung. Zum Nachzeichnen der ostdeutsch-spanischen Beziehungskonjunkturen erwies es sich als lohnenswert, für den gesamten Betrachtungszeitraum den Gebrauch des
5
Niehus, Außenpolitik, S. 605.
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V. Schlussbetrachtung
Begriffs „Freundschaft“ zu verfolgen. Dies ermöglichte es erstens, in den jeweiligen Momenten, in denen er Verwendung fand, die Wahrnehmung der Beziehungen durch die Akteure sowie deren situative Interessen aufzuzeigen. Hier kann als Ergebnis festgehalten werden, dass mit „Freundschaft“ nur selten der Istzustand der ostdeutsch-spanischen Beziehungen beschrieben wurde, sondern entweder ein Sollzustand formuliert oder die Relevanz der Beziehungen zu belegen versucht wurde. Letzteres wurde am Beispiel des Spanienbesuchs Honeckers aufgezeigt: Die von ihm betonten „freundschaftlichen Gefühle“ können angesichts der Kritik seiner spanischen Gesprächspartner am SED-Regime nicht als üblicher diplomatischer Code für störungsfreie Beziehungen gelesen werden, sondern müssen als Beweisführung für vermeintliche politische Relevanz und internationales Gewicht der DDR dechiffriert werden. Zweitens konnten durch die diskursive Analyse des Freundschaftsbegriffs die unterschiedlichen Beziehungsebenen und deren Bedeutung für das bilaterale Verhältnis sichtbar gemacht werden. So schwang zu Beginn der Beziehungen auf offiziell-staatlicher Ebene durchaus noch Feindschaft zwischen ostdeutschem Antifaschismus und spanischem Antikommunismus mit, etwa, als sich ein MfAA-Vertreter dem Lob des franquistischen Diplomaten auf die „traditionelle[…] Freundschaft zwischen dem spanischen und dem deutschen Volk“ verwehrte und stattdessen von „sachlichen Beziehungen“ sprach.6 Die Beziehung zwischen der DDR und dem Franco-Regime lassen sich daher am ehesten als Zweckfreundschaft kategorisieren: „absichtsvoll“ und „interessengeleitet“ motiviert, aus „Nützlichkeitsüberlegungen“ abgeschlossen,7 ideologisch widersprüchlich und daher von beiden Seiten auf Sparflamme gehalten. In den „Bruderbeziehungen“ zwischen SED und PCE trat der Freundschaftsbegriff besonders häufig auf, was einerseits dessen formelhafter Verwendung im sozialistischen Sprachgebrauch entsprach. Andererseits zeigten gegenseitige Vorwürfe einer Abwesenheit von „Freundschaft“ bzw. „freundschaftlichem“ Verhalten in der Tat immer Momente der verschärften Auseinandersetzung und Entfremdung zwischen den „Bruderparteien“ an, etwa im Konflikt um die Herstellung diplomatischer Beziehungen 1973 oder im Streit um das PCE-Engagement für DDR-Regimekritiker während der Transición. Die Institutionalisierung von „Freundschaft“ durch die Gründung der „Nationalen Freundschaftsgesellschaft“ im Jahr 1979 und die „Vereinbarung über Zusammenarbeit und Freundschaft“ zwischen Ost-Berlin und Madrid im Jahr 1983 lässt für sich genommen noch keine Aussage über die Qualität der Beziehungen zu. Beide Institutionen (sowie weitere Städtepartnerschaften) waren jedoch zentral für die Erweiterung der Beziehungen um die fruchtbare Ebene der kommunalen Kontakte. Diese wiederum waren dort am politisch ertragreichsten, wo sie mit persönlichen Freundschaften einhergingen, wie am Beispiel Erhard Kracks und Enrique Tierno Galváns gezeigt werden konnte. Zwar waren solche persönlichen Freundschaften bzw. Sympathiebeziehungen im ost6 7
Vgl. Kapitel II.5.2. Kategorisierungskriterien von „Zweckfreundschaften“ nach Cohen: Cohen, Social Structure, S. 210.
V. Schlussbetrachtung
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deutsch-spanischen Verhältnis äußerst selten, jedoch nicht minder von politischer Bedeutung, wie an den negativen Folgen deutlich gemacht werden konnte, die Tierno Galváns Tod und Fernando Moráns Ausscheiden aus dem Außenministeramt für die weitere Entwicklung der Beziehungen hatten. Sollen die ostdeutsch-spanischen Beziehungen an konkreten Erfolgen gemessen werden, muss ihre Bilanz bescheiden ausfallen – dies gilt umso mehr, wenn man als Kriterium nachhaltige Erfolge bzw. Kontinuitäten heranzieht. In der Staatsbibliothek zu Berlin fallen der aufmerksamen Leserin bzw. dem aufmerksamen Leser zuweilen spanischsprachige Bücher aus dem Bestand der Universität Complutense in die Hand, deren Stempelung sie als „Schenkungen der Botschaft Spaniens in der Deutschen Demokratischen Republik“ ausweist. Umgekehrt und in ebenso bescheidenem Maße gilt dies für die Bestände mancher Germanistischen Seminare in Spanien. Auch die Deutschkenntnisse einiger spanischer Germanistinnen und Germanisten gehen darauf zurück, dass sie Goethe in den 80er Jahren nicht in Frankfurt, Göttingen oder Heidelberg studierten, sondern in Halle, Weimar, Leipzig oder Ost-Berlin. Da nur wenige Menschen aus der DDR alltagsweltliche Erfahrungen in Spanien machen konnten, beschränken sich ostdeutsche Erinnerungen – wenn nicht durch spätere Spanienreisen überzeichnet – überwiegend auf die Namen bekannter Spanienkämpfer, das populäre Kampflied „Spaniens Himmel“ 8 und spanische Orangen zu Weihnachten. Im Madrider Stadtviertel Chamartín ist das Gebäude der ehemaligen Botschaft der DDR heute ein unauffälliges Wohnhaus, von dem sich zwei Kilometer entfernt der „Parque de Berlín“ befindet. Dort wird nicht etwa an die Städtefreundschaft zwischen Ost-Berlin und Madrid erinnert, sondern mit einer Gedenktafel und drei Fragmenten der Berliner Mauer an deren „Abriss“ 9 und damit auch an das Scheitern der DDR. Deren Beziehungen zu Spanien waren zwar keinesfalls so potent oder von freundschaftlichen Gefühlen getrieben wie Erich Honecker bei seinem Staatsbesuch im Oktober 1988 verlautbarte, doch sie sagen – dies sollte angesichts der hier umrissenen Ergebnisse evident geworden sein – einiges über ihre Akteure und deren Zeit aus. Ihre historiografische Relevanz wurde insofern unter Beweis gestellt, als an ihnen erstens zentrale Phasen der jüngeren spanischen Geschichte aus außenpolitischer Perspektive neu beleuchtet werden konnten; zweitens dient die Folie „Spanien“ zum Verständnis der Funktionsweise der überwundenen kommunistischen Diktatur in Ostdeutschland. Nicht zuletzt wird mit der vorliegenden Darstellung die deutsch-spanische Geschichte um ein weiteres Kapitel komplettiert.
8 9
Vgl. Aschmann, Spaniens Himmel. „En memoria del derribo del Muro de Berlín. Parte de él queda aquí. Madrid 9 de Noviembre de 1990.“ Vgl. auch o. V., ¿Por qué hay tres bloques del Muro de Berlín en el centro de Madrid?, in: ABC Viajar vom 07. 11. 2014.
Abkürzungen AA äABO AAPD ADN AGA AHB AHPCE AMAE AP AWA BArch BE Betr. BOE BRD BStU CAFFO CC.OO. CD CDU CEDI CEOE ČSSR CSU DAAD DAV DDR DFD DGB DIA DKP EG ETA EU EWG FAZ FDGB FDJ FDP
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382 FES FPI FRAP GEMA GI HA HPA HV A IM IML INI IPW JSE KAB KAS KdAW KfA KIL KP KPdSU KPF KPI KSZE LfV LS MAE MAH MAI MAW MfA MfAA MfG MfJ MfK MfS MID NATO ND NFG NVA NZZ
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384 UN UNO Unpag. VdN VEB VEH VRP VVN ZK
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Archivo General de la Universidad Complutense, Madrid Documentación del acto académico de la apertura del curso 1988–1989
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Robert Havemann Gesellschaft — Archiv der DDROpposition, Berlin Nachlass Robert Havemann RH 140 OV „Leitz“
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Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde (SAPMO) DY 9, Friedensrat der DDR DY 13, Liga für Völkerfreundschaft der DDR (LfV) DY 24, Freie Deutsche Jugend (FDJ) DY 30, Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) Abteilung Handel, Versorgung und Außenhandel im ZK der SED Abteilung Internationale Verbindungen im ZK der SED Abteilung Wissenschaften im ZK der SED, Institut für Internationale Beziehungen Büro Axen im ZK der SED Büro Honecker im ZK der SED Politbüro des ZK der SED Sekretariat des ZK der SED (Arbeits- und Reinschriftenprotokolle) DY 31, Demokratischer Frauenbund Deutschlands (DFD) DY 34, Bundesvorstand des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) DY 57, Komitee der Antifaschistischen Widerstandskämpfer der DDR (KdAW) NY 4072, Nachlass Franz und Käte Dahlem NY 4246, Nachlass Georg Stibi
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Personenregister Abrassimow, Pjotr 192 Alberti, Rafael 231 Almeida, Cristina 265 Álvarez de Toledo, Alonso 12, 20, 160, 211, 344, 346, 349, 355, 356, 357, 359, 360, 363 Ana, Marcos 236, 245, 246 Andreotti, Giulio 309 Areilza, José María de 187, 190, 191, 205, 208, 230 Arias Navarro, Carlos 18, 137, 152, 162, 174, 187, 200, 207, 208, 217, 219, 230 Axen, Hermann 1, 25, 26, 40, 85, 86, 89, 90, 92, 94, 100, 112, 131, 153, 176, 192, 242, 252, 257, 333, 344–347, 357, 365, 377 Azcárate, Manuel 93, 108, 236, 265 Bahr, Egon 68 Bahro, Rudolf 242, 243, 244, 263, 292, 370 Bayón, Ignacio 289, 290, 293, 328, 373 Beil, Gerhard 70, 78, 163, 166, 287, 289, 293, 305, 315, 328, 329, 331, 332, 342, 349 Beimler, Hans 351 Beladiez Navarro, Emilio 74, 78–86, 122 Benegas, José María 338, 346, 348 Berenguer, Dámaso 53, 61 Biermann, Wolf 178, 228, 243, 244, 265 Bock, Siegfried 83, 153 Boyer, Miguel 331, 332, 337, 373 Brandt, Willy 61, 62, 68, 70, 74, 77, 144, 214, 221, 254, 314 Brecht, Bertolt 53–55, 78, 173, 205, 209, 374 Breschnew, Leonid 74, 81, 320 Brunner, Guido 261, 295, 305, 306, 329, 361, 362 Bueno, José Miguel 247, 248 Busquets, Julio 257, 259, 263 Calvo-Sotelo, Leopoldo 18, 200, 201, 207, 210–212, 215, 224, 225, 284, 289, 292, 297, 299, 303, 304, 369 Camacho, Marcelino 77, 105, 117, 200, 240, 241, 311 Carrero Blanco, Luis 18, 30, 116, 121, 124, 136, 137, 161, 162 Carrillo, Santiago 9, 22, 35, 39, 40, 93, 102, 104, 106, 109, 111–113, 124, 127, 129, 140, 152, 153, 179, 180, 208, 220, 222, 226, 231, 233, 235–240, 242–246, 248, 264, 265, 280, 292, 295, 311, 313, 346, 347, 370
Carvajal, José Federico de 253, 255, 305– 307, 315, 364 Caso Ridaura, Germán de 193, 195, 196, 208, 285, 288 Castro, Fidel 201 Ceauşescu, Nicolae 347 Chruschtschow, Nikita 25, 64 Cortina Mauri, Pedro 125 Cremer, Fritz 26, 27 Cunhal, Álvaro 151, 152 Dahlem, Franz 23–26, 40 Diehl, Stephan 262, 346 Dubinin, Yuri 95, 298, 338 Ebert, Friedrich 140, 171, 218, 259, 325, 352 Ebert junior, Friedrich 27 Fernández Ordóñez, Francisco 12, 18, 304, 333, 336, 339, 342, 344, 347, 348, 356, 358, 359, 364, 365, 370, 381 Fischer, Oskar 172, 176, 181, 191, 195, 223, 289, 305, 317–321, 330, 331, 335, 342, 344, 349, 360, 364, 370, 377 Flores, Elena 259, 263, 345, 346 Fraga Iribarne, Manuel 26, 218 Franco, Francisco 1, 2, 5, 6, 9, 11, 13, 15, 21–23, 29–32, 34, 36, 41–43, 47, 52, 57, 59, 61–68, 85, 86, 89, 92–94, 99, 103, 107–110, 115–118, 121–126, 129, 133– 136, 138, 140, 148, 154–156, 159, 161, 162, 171, 174, 175, 177, 178, 180, 184, 186–191, 194, 196, 198, 203–206, 208, 213, 214, 216–217, 219, 221, 225–229, 231, 233, 238, 244, 247, 249, 256, 266, 269, 275–277, 281, 291, 295, 367, 368, 372, 376 Fuchs, Jürgen 265–270 Gallego, Ignacio 239, 240, 311–313 Gámir Prieto, Carlos 125, 153, 155, 156, 158–160, 162, 163, 167, 168, 176 García Lorca, Federico 53 Genscher, Hans-Dietrich 177, 206 Gimbernat Ordeig, Enrique 16, 20, 228, 264, 266–271 Glücksmann, Anselm 52, 279, 280 Gómez-Acebo y de Igartua, Manuel 216, 271, 279, 289 González, Felipe 3, 11, 13, 18, 140, 218, 221, 247–249, 251, 253–257, 293, 295–297,
404
Personenregister
299–304, 311, 314, 316, 319, 321, 331, 335–340, 343–346, 348, 349, 352, 357– 360, 363, 365, 367, 371, 372, 376 Gorbatschow, Michail 3, 5, 296, 300, 308, 321, 324, 342, 344, 347, 348, 350, 358, 365, 371, 372 Grimau, Julián 25, 26, 30 Gromyko, Andrei 64, 65, 81, 210, 298, 338 Grotewohl, Otto 36 Guerra, Alfonso 248, 256, 303, 304, 307– 309, 316, 318–320, 331, 340, 345, 348, 350, 354, 364, 365, 371, 375 Gutiérrez Mellado, Manuel 202, 244 Guttmann, Rudolf 102, 103 Hager, Kurt 24, 273 Haile Selassie I., Kaiser von Äthiopien 89 Havemann, Robert 16, 20, 228, 243, 244, 263–271, 292, 370 Hitler, Adolf 22, 23, 29, 31, 33, 92, 109, 154, 247 Höcker, Friedemann 193, 195, 246–248, 250, 251, 254, 255, 259, 278 Honecker, Erich 18, 75–77, 82, 88, 90, 92– 94, 98, 100–101, 108, 109, 111, 112, 131, 152, 153, 162, 165, 179, 187, 192, 208, 242, 243, 257, 268, 283, 296, 305, 308, 324, 325, 331, 336, 342–354, 358, 365, 370, 377–379 Hormigón, Juan Antonio 142, 173, 277– 279, 281 Humboldt, Wilhelm von 274, 278–282, 284, 293, 322, 325, 374 Ibárruri, Dolores 35, 37, 40, 42, 102, 180, 222, 226–228, 231, 313 Iglesias, Gerardo 9, 246, 312, 313, 346 Jäger, Harald 256 Juan Carlos I., Kg. von Spanien 11, 136, 138, 180, 187, 188, 195, 198, 199, 203, 205, 208, 213, 215, 219–222, 225, 229, 231, 244, 245, 286, 302, 307–309, 311, 316–319, 338, 341–343, 349, 352–354, 358, 365 Kardinal Bengsch, Alfred 162 Kiesinger, Kurt Georg 61, 62 Kohl, Helmut 214, 297, 303, 304, 314, 337, 358, 359, 376 Koniecki, Dieter 250, 251 Korth, Gerhard 3, 89, 90, 95, 193, 198, 202, 204, 223, 234, 242, 246, 255, 271, 285– 287, 363 Kossok, Manfred 274, 275, 324
Krack, Erhard 261, 305, 313–316, 364, 378 Krepp, Siegfried 27 Lahn, Lothar 193, 204, 252, 253, 271 Lastra Rueda, Antonio de la 33 Lenin 25, 39, 90–92, 108, 114, 233, 237, 239–249, 258, 262, 312, 368 Lilienfeld, Georg von 2, 115, 149–153, 166, 173–174, 177, 191, 193, 213, 225 Líster, Enrique 40, 41, 104, 105, 227, 239 Lombardo-Radice, Lucio 265 López Bravo, Gregorio 2, 44, 62, 63, 65, 66, 69, 71, 72, 80, 84, 86, 95, 109, 114–124, 126–128, 130, 153, 155, 186, 190, 368, 369, 371, 373 López Rodó, Laureano 12, 124, 125, 135, 155, 159, 170 Lorf, Peter 34, 58, 77, 104, 125, 126, 131– 137, 139–144, 146, 147, 149–152, 156, 165, 166, 168–172, 175–178, 181, 183– 185, 188, 190, 192, 193, 196, 204, 220, 230, 290, 331, 363, 372, 376 Luis de Velasco Rami 169, 328, 330, 331, 332 Manneberg, Werner 235, 245, 262 Manuel, Víctor 226 María Castiella, Fernando 62–65 Markowski, Paul 85, 86, 251 Martín-Artajo, Alberto 43 Marx, Karl 30, 39, 53, 55, 92, 140, 237, 239, 342, 245, 247, 249–251, 253–256, 258, 259, 261–264, 270, 274, 275, 305, 312, 314, 322, 324, 325, 354, 370, 374 Meckel, Markus 360–362, 365 Meyer-Lindenberg, Hermann 2, 72, 80, 84, 116, 117, 127, 128, 130, 137, 141, 144, 150 Mielke, Erich 24, 267, 268 Mistral, Nati 55 Modrow, Hans 8, 356–358 Moral Sandoval, Enrique 249, 250 Morán, Fernando 205, 206, 259, 263, 297– 304, 307, 308, 315–321, 330, 335, 336, 338–340, 342–344, 354, 364, 365, 370, 371, 379 Morodo, Raúl 140, 205, 260, 261 Mussolini, Benito 31, 92 Neugebauer, Werner 280 Neumann, Alfred 24 Nier, Kurt 161, 162, 169, 198, 199, 204, 223, 224, 247, 261, 272, 315, 357, 377 Nixon, Richard 81, 92
Personenregister Oeser, Ingo 154 Oreja Aguirre, Marcelino 12, 190, 194, 195, 198, 201, 205, 208–210, 214, 223, 252, 253, 292 Ortiz García, Antonio 12, 20, 44, 157, 178, 194–196, 206, 318 Pan de Soraluce y Olmos, Emilio 1, 2, 21 Pastor Martínez, Manuel 254, 255, 263, 264, 266, 270 Paul, Otfried 133, 261 Peces-Barba, Gregorio 307, 319 Pérez Gómez, Joaquín 154, 155, 164, 166, 175, 181 Pérez-Llorca, José Pedro 211, 212, 223, 224, 236, 301, 302 Perschon, Kurt 131–133, 138, 182 Pfeiffer, Otto 1, 2, 12, 17, 20, 21, 86, 89, 92, 94, 95, 97, 100, 101, 115, 116, 120, 125, 131–133, 137, 140, 142, 144, 145, 147, 148, 150, 152, 166, 175, 177, 178, 180, 181, 184, 192, 193, 220, 276, 357, 360, 361, 377 Piñar, Blas 66, 121, 122, 125 Plaschke, Herbert 165, 171, 192, 195, 202, 269, 377 Politzer, Manfred 133, 167–169, 182–183, 192, 193, 202, 220 Pons, Felix 253 Primo de Rivera, Miguel 52, 53, 61 Pujol i Soley, Jordi 140, 351 Rettmann, Fritz 104 Roßmeisl, Rudolf 74, 78–83, 85, 86, 117, 122, 127 Ruiz-Giménez Cortés, Joaquín 266, 268 Rupérez, Javier 54, 73, 78, 79, 205, 209 Sartorius, Nicolás 264–266 Scheel, Walter 69–72, 79, 80, 87, 126, 127, 130, 213, 214 Schmidt, Helmut 200, 213–215, 230, 297 Scholz, Ernst 23, 24, 70, 75, 83, 85, 153, 155, 377 Schwabe, Ernst-Otto 98, 100, 123 Sieber, Günter 234–236, 258, 312, 349
405
Sindermann, Horst 34, 271, 272, 285, 305, 307–309, 311, 312, 316, 317, 364, 375 Sofía, Königin von Spanien 11, 214, 221, 302, 308, 317, 318, 341, 358 Sölle, Horst 79, 167 Spindler, Harry 134, 282, 322, 323, 325– 327, 334, 340–342, 345–347, 353, 358, 360–363 Stalin, Josef 42, 90, 148, 164 Stibi, Georg 23, 24, 36, 88, 91, 95, 99, 101, 377 Stoph, Willi 75, 82, 125, 135, 187, 342 Suárez, Adolfo 9, 18, 188, 190, 195, 196, 199–201, 204–212, 214, 215, 219, 222– 224, 226, 229–231, 244, 248, 252, 253, 257, 285, 289, 292, 302–304, 369, 371 Suharto, Haji Mohamed 89 Thälmann, Ernst 351 Tierno Galván, Enrique 140, 144, 154, 186, 205, 254, 259–263, 377, 283, 293, 301, 303, 304, 314–316, 336–337, 351, 364, 365, 370, 371, 374, 378, 379 Torrente Secorun, José Vicente 1, 2, 115 Ulbricht, Walter 24, 33, 35, 68, 69, 71, 75, 76, 127, 136, 148 Urquijo y Landecho, Luis de 37, 46, 48 Velasco Rami, Luis de 169, 328, 330 Verner, Paul 24 Villegas y Urzaiz, Luis de 154, 158 Virgili, Carmina 249–251 Walkowski, Ernst 166, 202, 209, 212, 215, 216, 221, 224, 225, 234–236, 238–240, 243, 245, 246, 255–258, 260, 261, 264, 268–269, 282, 283, 289, 297–299, 306, 310, 312, 315, 317, 318, 337, 339, 363 Weigel, Helene 54 Winkelmann, Egon 243 Winkelmann, Hans-Hugo 27 Winzer, Otto 81, 82, 85, 86, 131, 170, 191 Wolf, Christa 326 Yáñez, Luis
250–253