»I love Budapest. I bike Budapest?«: Urbaner Radverkehr in der ungarischen Hauptstadt, 1980–2014 [1 ed.] 9783666310720, 9783525310724


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»I love Budapest. I bike Budapest?«: Urbaner Radverkehr in der ungarischen Hauptstadt, 1980–2014 [1 ed.]
 9783666310720, 9783525310724

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Katalin Tóth

»I love Budapest. I bike Budapest?« Urbaner Radverkehr in der ungarischen Hauptstadt, 1980–2014

© 2020 Vandenhoeck & Ruprecht | Brill Deutschland GmbH https://doi.org/10.13109/9783666310720 | CC BY-NC-ND 4.0

Schnittstellen Studien zum östlichen und südöstlichen Europa Herausgegeben von Martin Schulze Wessel und Ulf Brunnbauer Band 13

© 2020 Vandenhoeck & Ruprecht | Brill Deutschland GmbH https://doi.org/10.13109/9783666310720 | CC BY-NC-ND 4.0

Katalin Tóth

»I love Budapest. I bike Budapest?« Urbaner Radverkehr in der ungarischen Hauptstadt, 1980–2014

Vandenhoeck & Ruprecht © 2020 Vandenhoeck & Ruprecht | Brill Deutschland GmbH https://doi.org/10.13109/9783666310720 | CC BY-NC-ND 4.0

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Graduiertenschule für Ostund Südosteuropastudien der Ludwig-Maximilians-Universität München und des Schroubek-Fonds Östliches Europa.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. © 2020, Vandenhoeck & Ruprecht, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, Verlag Antike und V&R unipress. Umschlagabbildung: Donau-Radweg in Budapest mit Blick auf die Kettenbrücke © Foto: Eszter Wermeille, 2018. Satz: textformart, Göttingen | www.text-form-art.de Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2566-6614 ISBN (Print) 978-3-525-31072-4 ISBN (PDF) 978-3-666-31072-0 https://doi.org/10.13109/9783666310720

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Inhalt

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1.1 Einführung und Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1.2 Forschungsthema und -feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.3 Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.4 Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1.5. Quellen, Methoden und Selbstreflexion . . . . . . . . . . . . . . . 22 1.6. Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2. Die 1980er-Jahre: Radfahren in der sozialistischen Planwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2.1 Radfahren in der Autogesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2.2 Radwegebau als neue Planungsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2.3 Radverkehrsnetz für Budapest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2.4 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3. Die 1990er-Jahre: Radfahren als »grüne Vision« . . . . . . . . . . . . 55 3.1 Von der Luftverschmutzung zum Umweltschutz . . . . . . . . . . 55 3.2 Fahrradorganisationen in Budapest . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 3.3 Öffnung nach Europa: Förderung aus dem Ausland . . . . . . . . 71 3.4 Radewegebau: Neue Räume für den Radverkehr . . . . . . . . . . 75 3.5 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 4. Die 2000er-Jahre: Aus dem Underground zum Mainstream . . . . . 89 4.1 Radfahren als Job: die Szene der Fahrradkuriere . . . . . . . . . . 89 4.2 Radfahren als Protest: Critical Mass-Demonstrationen . . . . . . 99 4.3 Radfahren mit Breitenwirkung: Strategien, Ziele und Wirkung von CM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 4.4 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

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Inhalt

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5. Radfahren als bewusstes Statement im urbanen Alltag: Sichtbare Fahrradnutzung und Neustart der Interessenvertretung . . 119 5.1 Das Fahrrad als neues Verkehrsmittel der Wahl . . . . . . . . . . 119 5.2 Der Ungarische Fahrradclub: neuer Akteur im öffentlichen Raum 132 5.3 Radfahren als Konfliktherd: Kampagnen des Fahrradclubs . . . . 138 5.4 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 6. Was macht das Radfahren mit der Stadt? Infrastrukturen des Radverkehrs und Wandel des Verkehrsmanagements . . . . . . . 149 6.1 Verkehrspolitik im Umbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 6.2 Neue Radverkehrsplanung durch EU-Förderung . . . . . . . . . . 153 6.3 Das Budapester Verkehrszentrum: Integration des Radverkehrs in das Verkehrssystem der ungarischen Hauptstadt . . . . . . . . 161 6.4 Neue Infrastrukturen für den Radverkehr . . . . . . . . . . . . . . 167 6.5 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 7. Was macht das Radfahren mit der Gesellschaft? Kulturindustrie und kreative Mission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 7.1 Beispiel Velofetish: Kleinunternehmer des Radfahrens . . . . . . 186 7.2 »I bike Budapest«. Dokumentar- und Imagefilme des urbanen Wandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 7.3 »Eine Art gesellschaftliche Mission«: Ausstellungsarbeit zum urbanen Wandel . . . . . . . . . . . . . . 203 7.4 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 8. Fazit: »I love Budapest. I bike Budapest?« Deutung eines urbanen Umbruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Primärquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 © 2020 Vandenhoeck & Ruprecht | Brill Deutschland GmbH https://doi.org/10.13109/9783666310720 | CC BY-NC-ND 4.0

1. Einleitung

1.1

Einführung und Fragestellungen

Ende der 2000er-Jahre verkündete die ungarische Presse, dass sich eine »Fahrradrevolution« auf den Straßen Budapests abspiele. Das politisch-wirtschaftliche Wochenblatt Heti Világgazdaság [Wöchentliche Weltwirtschaft], eine der auflagenstärksten Zeitungen Ungarns, widmete Ende August 2008 − im Sommerloch − seine Sonderbeilage diesem neuen urbanen Trend. Vielleicht ist es Euch auch aufgefallen: Seit Neuestem fahren immer mehr Leute Fahrrad. Über die Gründe können wir nur rätseln. Ist es die Freude, sich durch die eigene Kraft fortzubewegen? Ist es die Unterbeweisstellung der eigenen körperlichen Leistungsfähigkeit? Weist es auf die Abwendung von den spritfressenden Monstern hin? Drückt es den Bedarf nach Lebensqualität aus? Was auch immer die Gründe sind, das Radfahren ist in Mode gekommen.1

Dieses Rätseln über die Gründe und die Freude über die Veränderung im Verkehrsverhalten bestimmte auch andere journalistische Darstellungen über die »Fahrradrevolution«. Zwar mischten sich vereinzelt polemische Stimmen in diese Beobachtungen, etwa über das verkehrswidrige Verhalten der neu aufgetauchten Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer, aber zumeist blieb der Ton wohlwollend, sogar begeistert. Nicht ohne Grund. Denn die Zunahme des Radverkehrs stellte tatsächlich eine Wende dar. Budapest ist bekannt für seine Thermalbäder, sein aus dem Monarchie-Zeitalter geerbtes imperiales Stadtbild, für sein Donaupanorama und sein lebendiges Kulturund Nachtleben. Ein Profil als Fahrradstadt gehörte nie zu diesem Image, nicht einmal für die hier Wohnenden. Ostmitteleuropäische Städte wie Budapest erlebten nach dem Zusammenbruch des Sozialismus auf dem Weg in die Marktwirtschaft ein enormes Verkehrswachstum. So bestimmten in den letzten zwei Jahrzehnten dröhnender Autoverkehr, zugeparkte Straßen und ein neuer Autobahnbahnring die öffentlichen Räume der ungarischen Hauptstadt. Dies sind Entwicklungen, die die Fahrradfreundlichkeit von urbanen Räumen grundsätzlich eher eindämmen als befördern. Auch stellen diese Entwicklungen den oben verkündeten urbanen Umbruch infrage 1 Löke, András: Kerékpározási trendek: városi közlekedési forradalom? [Fahrradtrends: Urbane Verkehrsrevolution?]. In: hvg.hu vom 30.8.2008, URL: http://hvg.hu/itthon/200​ 835_VARoSI_KoZLEKEDESI_FoRRADALoM_Biciklivalto (am 1.1.2017). 

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Einleitung

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Was ist der Wahrheitsgehalt der »Fahrradrevolution«? Ist es nur eine journalistische Übertreibung, inspiriert von einem Modephänomen anderer Städte? Oder ist die Zahl der Radfahrenden in der ungarischen Hauptstadt tatsächlich signifikant gestiegen? Lässt sich ein Einfluss des sozialistischen Erbes oder des EU-Beitritts im Jahr 2004 auf die Verkehrsentwicklung in Budapest ausmachen? Sind in der ungarischen Hauptstadt in den letzten Jahrzehnten Fahrradwege gebaut worden? Und: Noch einen Schritt zurück, gibt es überhaupt eine nachweisbare Tradition für Fahrradverkehr in Budapest? Diese Fragen bestimmen das Forschungsfeld vorliegender Promotionsarbeit, die nach dem Wandel des Stellenwerts des Radverkehrs zwischen 1980 und 2014 in Budapest fragt. Zwei Ereignisse markieren den Anfang und das Ende dieser historischen Analyse und veranschaulichen den zum Untersuchungsgegenstand gemachten Entwicklungssprung. In den 1980er-Jahren bildete sich im sozialistischen Ungarn die »Autogesellschaft« heraus, da immer mehr private Haushalte über ein eigenes Auto verfügten, was vor allem in Budapest immer schlechter werdende Voraussetzungen für das Radfahren zur Folge hatte. Knapp 30 Jahre später kam es zu einer sprunghaften Veränderung. Die Budapester Presse bejubelte 2014 nicht nur die »Fahrradrevolution«, sondern auch die Einführung eines neuen Radverleihsystems mit 1100 Leihrädern der städtischen Nahverkehrsgesellschaft.2 Ein Vergleich mit nord- und westeuropäischer urbaner Verkehrsgeschichte hilft, die möglichen Gründe für diesen Wandel besser zu verstehen und die Forschungsfrage zu konkretisieren. Denn obwohl es in Europa beachtliche Unterschiede in der Verkehrspolitik einzelner Städte gab, lässt sich eine allgemeine Tendenz erkennen: Die Rückkehr des Radverkehrs war in vielen der nord- und westeuropäischen Städte das Ergebnis eines Umdenkens in der kommunalen Politik der 1980er- und 1990er-Jahre.3 Die veränderte gesellschaftliche Atmosphäre, die das Fahrrad aus ökologischen Gründen populär machte, lässt sich zurückführen auf die Ereignisse der 1970er-Jahre, auf die aufkommende Umweltbewegung, den Ölpreisschock sowie die zunehmende Hinterfragung der autozentrierten Stadtplanung aufgrund von Platzproblemen und hoher Umweltbelastung. 2 Vgl. iho / zöldút: Hétfőn indul a Bubi! [Am Montag geht das Radverleihsystem BUBI los!]. In: iho.hu vom 5.9.2014, URL: http://iho.hu/hir/hetfon-indul-a-bubi-140905 (am 1.1.2017) vgl. Ohne Autor: Bringainvázió Budapesten – hamarosan indul a BuBi [Fahrradinvasion in Budapest  – bald startet das Radverleihsystem BUBI]. In: portfolio.hu vom 1.4.2014, URL: https://www.portfolio.hu/ingatlan/varos/bringainvazio-budapesten-hamarosan-indul-a-bubi.197020.html (am 1.1.2017). 3 Vgl. Carstensen, Trine Agervig / Ebert, Anne-Katrin: Cycling Cultures in Northern Europe: From »Golden Age« to ›Renaissance‹. In: Parkin, John (Hg.): Cycling and sustainability. Bingley 2012, 23–58.

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Forschungsthema und -feld 

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Gibt es Hinweise für ähnliche Entwicklungen in der Verkehrsgeschichte von Budapest? Oder spielten im Staatssozialismus der Individualverkehr und die ökologische Wende der 1970er-Jahre keine ausschlaggebende Rolle? Im staatssozialistischen Ungarn rückte der urbane Radverkehr erst später ins Bewusstsein der Öffentlichkeit als in nord- und westeuropäischen Gesellschaften. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich aber, dass der Ölpreisschock der 1970er-Jahre auch im Ostblock einen wesentlichen Einfluss auf die politische und wirtschaftliche Lage hatte und schließlich sogar seinen Zusammenbruch mitverursachte. Und obwohl die Umweltschutzfrage im Staatssozialismus eine andere Rolle spielte als in kapitalistischen Gesellschaften, wirkten sich ökologische Bedenken durchaus auf die Entwicklung der städtischen Verkehrsplanung aus. Der Naturschutz hatte in Ungarn eine über einhundertjährige Tradition, auch wenn zivilgesellschaftliche Bewegungen im Staatssozialismus lange Zeit nicht geduldet waren. Mit dem Tauwetter der späten Kádár-Ära formierten sich Ende der 1980er-Jahre jedoch neue ökologische Gruppen in Budapest, die die Luftverschmutzung der Brennmotoren sozialistischen Bautyps kritisch in den Blick nahmen.4 Aus diesen ersten Erkenntnissen ergeben sich die weiteren vertiefenden Forschungsfragen: Welcher Personenkreis initiierte den Radverkehr in der Großstadt, warum und mit welchen Mitteln? Welche Auswirkungen hatten der hohe Anteil des Personennahverkehrs und die stetige Zunahme des Autoverkehrs? Gab es ähnliche Konflikte wie in west- und nordeuropäischen Städten, die den Radverkehr aus ökologischen Gründen als Verkehrsalternative auf die Agenda setzten? Welche Politik verfolgte die Kommune bezüglich des Radverkehrs? Welche Rolle kam dem Einfluss aus Westeuropa und den dort aktiven Umweltschutzgruppen zu? Wie veränderte sich in der Verkehrswissenschaft die Einstellung zum Radverkehr und welche Auswirkung hatte das?

1.2

Forschungsthema und -feld

Das Forschungsthema des urbanen Radverkehrs markiert zugleich ein historisches und ein zeitgenössisches städtisches Phänomen. Der gegenwärtige Anstieg des Radverkehrs in Städten wird üblicherweise mit bewegungsarmem Lebensstil, der Krise der autozentrierten Stadt und mit Umweltschutzgedan4 Vgl. Musza, István: Levegő Munkacsoport [Clean Air Action Group]. In: Szabó, Máté (Hg.): Környezetvédelmi civil kezdeményezések Magyarországon 1988–1998. ­Tanulmányok [Zivilgesellschaftliche Umweltinitiativen in Ungarn 1988–1998. Studien]. Budapest 1999, 90–109, hier: 90.

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Einleitung

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ken erklärt. Urbanes Radfahren scheint eine Lebensstilentscheidung zu sein und wird durch die Revitalisierung von Innenstädten weiter befördert. Von San Francisco bis New York, von London, Paris und Wien bis Melbourne legen Städte Fahrradstrategien vor und stellen Fahrradinfrastrukturen und Radverleihsysteme bereit. Die Europäische Union vergibt im Rahmen ihrer Verkehrs- und Gesundheitspolitik Mittel für den Radverkehr in ihren Mitgliedsstaaten. Die Weltgesundheitsorganisation entwickelte sogar eine Berechnung, um den volkswirtschaftlichen Gewinn der Radverkehrsförderung aufgrund der Verlängerung der durchschnittlichen Lebensdauer in der Bevölkerung zu veranschaulichen.5 Städte wie Kopenhagen und Amsterdam, die als europäische Hauptstädte den höchsten Radverkehrsanteil haben, konkurrieren miteinander um den Titel der fahrradfreundlichsten Stadt und vermarkten ihre Radverkehrsexpertise durch Beraterfirmen.6 Das Zweirad ist in zwei Jahrzehnten zu einer urbanen Imagefrage, zum Inbegriff des zukunftsfähigen nachhaltigen Verkehrs geworden. Die verkehrshistorische Besonderheit des Radfahrens ist, dass es die erste für breite gesellschaftliche Schichten zugängliche Form des Individualverkehrs im 20. Jahrhundert darstellte. Radverkehr war in den europäischen Gesellschaften bereits in der Zwischenkriegszeit im Personen- und Gütertransport weit verbreitet.7 Seine Rolle in der Emanzipationsgeschichte der Frauen und als Vehikel der Arbeiterbewegung sind für den Zeitraum zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts bereits recht weit erforschte Themenbereiche der europäischen Sozialgeschichte.8 Eine weitere Besonderheit der Fahrradnutzung ist, dass sie zwar seit ihrer Verbreitung den Vorgaben der jeweiligen Straßenverkehrsordnung unterliegt, es aber im Gegensatz zum Autofahren bis heute in den meisten Ländern keiner Fahrerlaubnis und keiner Anmeldung der Fahrräder bedarf. Die Radfahrerinnen und Radfahrer sind durch die Vervielfachung ihrer Muskelkraft ihre eigenen Motoren. Es ist eine simple und gleichzeitig effiziente Technik, die die Wartung einfach und kostengünstig macht. Da es eine flexible und nieder-

5 Vgl. Word Health Organization: Health economic assessment tool (HEAT). URL: http:// www.heatwalkingcycling.org/ (am 17.6.2017). 6 Vgl. Copenhagenize. URL: http://copenhagenize.eu/ (am 18.6.2017); vgl. Amsterdamize. URL: https://amsterdamize.wordpress.com/ (am 18.6.2017). 7 Vgl. Oldenziel, Ruth: Bicycling & Driving in Europe. In: Oldenziel, Ruth (Hg.): Consumers, tinkerers, rebels. the people who shaped Europe. Houndmills 2013, 125–161; 336–341, hier: 145–152. 8 Vgl. Maierhof, Gudrun / Schröder, Katinka: Sie radeln wie ein Mann, Madame. Als die Frauen das Rad eroberten. Dortmund 1992; vgl. Ebert, Anne-Katrin: Radelnde Nationen. die Geschichte des Fahrrads in Deutschland und den Niederlanden bis 1940. Frankfurt am Main 2010, 321–355.

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Forschungsthema und -feld 

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schwellige Mobilität ermöglicht, ist das Fahrrad global gesehen das meist verbreitete Verkehrsmittel des Individualverkehrs.9 Seine gegenwärtige Beliebtheit in urbanen Räumen wird allerdings relativiert, wenn wir einen Blick auf die vielen Leerstellen in seiner Geschichte im 20. Jahrhundert in Europa werfen. Der Radverkehr war für die Verkehrsgeschichtsschreibung seit Mitte des 20. Jahrhunderts nur von geringer Bedeutung, weil das Automobil in die Modernisierungsperspektive rückte.10 Dies erklärt auch das oft wiederholte Narrativ in der Forschung, wonach die Motorisierung die Schuld am Niedergang des Fahrradverkehrs in den Städten trage. Abgesehen von einigen kleineren Publikationen gab es bisher keine Versuche, das Verschwinden und die Rückkehr des Fahrrads als Verkehrsmittel des urbanen Alltags in seiner Vielschichtigkeit zu untersuchen.11 Das trifft noch mehr für die ostmitteleuropäischen Städte zu, bei denen meistens nicht einmal die Anfänge der Motorisierung sowie die Stadt- und Verkehrsplanung unter den wechselnden politischen Systemen aufgearbeitet wurden. Die Vertreter der sogenannten Mobility Studies haben den geringen Stellenwert des Radfahrens in der Historiografie kritisch angemerkt und appellieren für die Integration des Radverkehrs in die Verkehrsgeschichte.12 Insofern bearbeitet die vorliegende Promotionsarbeit ein neues Forschungsfeld. Behandelt wird der sich wandelnde Stellenwert des Radverkehrs in Budapest zwischen 1980 und 2014. Dabei beschäftigt sich die Arbeit mit dem Fahrrad im Alltag und klammert Freizeitverkehr und Fahrradsport aus. Die Untersuchung des Fahrrads in seinem Übergang vom Verkehrsmittel des kleinen Mannes zum urbanen Trend und Sinnbild für Nachhaltigkeit macht es möglich, sowohl Verkehrsgeschichte als auch Stadtentwicklung aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Der Radverkehr berührt als Untersuchungsgegenstand sowohl Infrastruktur-, Planungs-, Konsum- und Kulturgeschichte und zeigt somit mannigfaltig die räumlichen, institutionellen, politischen und soziokulturellen Veränderungen im Urbanen auf. Der Untersuchungszeitraum von 1980 bis 2014 bietet zudem die Chance, den Wandel der urbanen Verkehrspolitik und Verkehrsmittelnutzung über die politischen Systeme hinweg zu untersuchen und damit den Akzent sowohl auf europäische als auch 9 Vgl. Oldenziel, Ruth / La Bruhèze, Adri Albert de: Cycling in a Global World: Introduction to the Special Section. In: Transfers 2/2 (2012), 22–30. 10 Stoffers, Manuel / Oosterhuis, Harry / Cox, Peter: Bicycle history as transport history: the cultural turn. In: Norton, Peter (Hg.): Mobility in history. Neuchatel 2011, 265–274, hier: 273. 11 Vgl. Kreuzer, Bernd: 1 Fahrrad = 0,25 PKW-Einheiten. Das Fahrrad im Stadtverkehr zwischen verpassten Chancen und gewollter Marginalisierung, Pfadabhängigkeit und Gestaltungspielräume. In: Pammer, Michael (Hg.): Erfahrung der Moderne. Festschrift für Roman Sandgruber zum 60. Geburtstag. Stuttgart 2007, 465–481, hier: 466. 12 Vgl. Stoffers / Oosterhuis / Cox, Bicycle history as transport history: the cultural turn, 266.

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Einleitung

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auf globale Gemeinsamkeiten und Verflechtungen der urbanen Verkehrsgeschichte in modernen Industrienationen zu legen. Den Rahmen für die Untersuchung stellt der Motorisierungssprung der europäischen Gesellschaften im 20. Jahrhundert dar, der die Stadträume und das städtische Leben in Europa grundlegend veränderte. Einerseits brachte das Auto im Alltag eine bis dahin unbekannte individuelle und flexible Bewegungsfreiheit und veränderte den Lebensstil vieler Menschen. Andererseits hatte der zunehmende Autoverkehr vielfältige Auswirkungen auf Städtebau und -planung und damit auf die urbane Umwelt und Lebensqualität.13 Die wechselhafte Rolle des Radverkehrs im Stadtleben war und ist bis zur Gegenwart eng an diese Verläufe gekoppelt, aber die Wechselwirkungen zwischen Fahrrad und Auto bedürfen einer näheren Betrachtung. Für eine möglichst umfangreiche und vielseitige Darstellung der Geschichte des urbanen Radfahrens in Budapest orientiert sich diese Arbeit an der jungen Forschungstradition zum Thema.14 Die niederländischen Verkehrshistorikerinnen und Verkehrshistoriker Adri de la Bruhèze and Frank Veraart benennen in ihrer vergleichenden Studie zur urbanen Radverkehrsgeschichte sechs Themenbereiche, an denen sich die Veränderung des Radverkehrsanteils über eine längere Periode hinweg untersuchen lässt:15 Die langfristige Entwicklung des urbanen Radverkehrs wird demnach beeinflusst von der Anzahl an Autobesitzerinnen und -besitzern, dem generellen Verkehrsangebot, der räumlichen Auslegung und Größe einer Stadt, einer den Radverkehr unterstützenden oder verhindernden Verkehrspolitik, der Stärke von Interessensvertretungen für das Radfahren und nicht zuletzt vom kulturellen Bild des

13 Vgl. Lundin, Per: Mediators of Modernity: Planning Experts and the Making of the »Carfriendly« City in Europe. In: Hård, Mikael (Hg.): Urban machinery inside modern European cities. Cambridge 2008, 257–280. 14 Vgl. Stoffers / Oosterhuis / Cox, Bicycle history as transport history: the cultural turn; vgl. Oldenziel, Bicycling & Driving in Europe; vgl. Kreuzer, 1 Fahrrad = 0,25 PKW-Einheiten. Das Fahrrad im Stadtverkehr zwischen verpassten Chancen und gewollter Marginalisierung, Pfadabhängigkeit und Gestaltungspielräume; vgl. de la Bruheze, Adri A. Albert /  Emanuel, Martin: European bicycling. The politics of low and high culture: taming and framing cycling in twentieth-century Europe. In: The Journal of Transport History 33/1 (2012), 64–66. 15 Diese fünf Aspekte wandte zuerst diese niederländische Studie für den Vergleich der Geschichte der Radnutzung und Radverkehrspolitik von neun Städten an. Vgl. de la Bruhèze, A.  Adri / Veraart, C. A.  Frank: Fietsverkeer in praktijk en beleid in de twintigste eeuw. Overeenkomsten en verschillen in fietsgebruik in Amsterdam, Eindhoven, Enschede, Zuidoost Limburg, Antwerpen, Manchester, Kopenhagen, Hannover en Basel [Praktiken und Politiken des Radverkehrs im 20. Jahrhundert. Gemeinsamkeiten und Differenzen in der Fahrradnutzung in Amsterdam, Einhoven, Enschede, Limburg, Antwerpen, Manchester, Kopenhagen, Hannover und Basel]. Eindhoven 1999.

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Theoretische Grundlagen 

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Radfahrens.16 Eine weitere Publikation zum Fallbeispiel Stockholm fügt diesen Aspekten die Rolle von Leitbildern in der Verkehrsplanung hinzu.17 Einige dieser Faktoren, etwa die Autonutzung in Städten, stieg durch den zunehmenden Wohlstand im 20. Jahrhundert in ganz Europa immer weiter an. Andere Aspekte, wie das in der Öffentlichkeit vorherrschende Bild oder die Mobilisierungskraft des urbanen Radverkehrs in der Gesellschaft, zeichnen sich durch Wechselhaftigkeit aus. Wiederum andere, wie die Verkehrsplanung und Verkehrspolitik, haben bis zur Gegenwart einen »Gestaltungsspielraum«, der von den Akteurinnen und Akteuren auf unterschiedliche Weise genutzt wird.18 Wohlgemerkt prägen all diese Faktoren auch den städtischen Radverkehr der Gegenwart. Zusammenfassend kristallisieren sich fünf zusammenhängende Untersuchungsfelder heraus: erstens die Verkehrspolitik, zweitens die räumliche Ausgangslage, drittens die damit zusammenhängende Infrastrukturplanung einer Stadt, viertens das Auftreten bestimmter Interessensvertretungen zur Förderung des Fahrradverkehrs und fünftens das Bild des Radverkehrs in der breiten Öffentlichkeit. Im Rahmen dieser fünf Untersuchungsfelder wird die Entwicklung des Radverkehrs in Budapest zwischen 1980 und 2014 im Folgenden analysiert. In einem ersten Schritt werden zunächst die theoretischen Grundlagen erläutert, auf die sich die vorliegende Arbeit stützt.

1.3

Theoretische Grundlagen

Die Arbeit baut auf einem interdisziplinären Zusammendenken verschiedener Ansätze der Mobility Studies, der Verkehrssoziologie, der historischen Planungs- und Infrastrukturforschung, der kritischen Kulturwissenschaften sowie der Stadtforschung auf. Sie alle verhelfen dazu, die gesellschaftlichen und planerischen Ordnungsvorstellungen und ihre Ergebnisse ebenso zu verstehen wie die Sinnentwürfe und Verortungen des Radverkehrs.

16 Vgl. Oldenziel, Ruth / de la Bruhèze, A. Adri: Europe: A Century of Urban Cycling. In: Oldenziel, Ruth / de la Bruhèze, A. Adri / Veraart, Frank / Emanuel, Martin (Hg.): Cycling Cities: The European Experience. Hundred Years of Policy and Practice. Eindhoven 2016, 6–13, hier: 8. 17 Vgl. Emanuel, Martin: Constructing the cyclist. Ideology and representations in urban traffic planning in Stockholm, 1930–70. In: The Journal of Transport History 33/1 (2012), 67–91, hier: 86. 18 Vgl. Kreuzer, 1 Fahrrad = 0,25 PKW-Einheiten, 469.

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Einleitung

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Definition der urbanen Mobilität Der Themenkomplex Mobilität berührt viele Aspekte dieser Arbeit. Mobilität führt den Begriff des Verkehrs weiter und kann als »entanglement of physical movement, representations, and practices« definiert werden.19 Das Verkehrsgeschehen ist in diesem Verständnis ein Prozess, der in Machtverhältnisse eingebettet ist und sowohl gesteuert wird als auch selbst Einfluss auf Handlungen und Erfahrungen haben kann. Die Verkehrssoziologin Jutta Deffner bezeichnet in einem weiteren Schritt die urbane Mobilität als eine Ansammlung von symbolischen und materiellen Praxisformen, welche »die Infrastruktur- und Raumgestaltung ebenso […] wie Leitbilder und verkehrspolitische Diskurse, das Verhalten der Verkehrsteilnehmer und die dahinter stehenden Mobilitätsund Lebensstilorientierungen« einschließt.20 Die Analyseebenen der Mobilität lassen sich zunächst nach ihren Handlungen und Diskursen, ihren Gestaltern und Nutzern sowie ihrer Materialität und Symbolik unterscheiden. Um den Radverkehr in dieses Gebilde einzuordnen, fügt die vorliegende Studie eine historische Dimension hinzu. Automobilität und urbanes Raumgefüge In den 2000er-Jahren begannen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, den Ausbau und die Stabilisierung von motorisierten Verkehrssystemen kritisch neu zu bewerten und theoretisch einzuordnen. Nicht zuletzt stand dabei die Frage im Vordergrund, welche Auswirkung diese Systeme auf Gesellschaft und Umwelt hatten und haben. Den Auftakt gab ein vielzitierter Aufsatz des britischen Soziologen John Urry über die Folgen der individuel­ len Motorisierung der Gesellschaft.21 Als ihr Ergebnis benannte Urry das global-hegemoniale System der Automobilität, das wegen seiner Bezüge zur Auto- und Ölindustrie, zu Konsum, Verkehrsinfrastrukturen, Raumplanung, Lebensstil und Sozialisation schnell dominant wurde und weltweit stets weiter expandiert.22 Die technischen Aspekte der Automobilität, wie ihre Motorisierung, setzten sich zuerst in den urbanen Räumen von Europa und den USA durch. Wegen der Dichte der Bebauung war es im Europa der Zwischenkriegszeit 19 Cresswell, Tim: Towards a politics of mobility. In: Environment and Planning D: Society and Space 28/1 (2010), 17–31, hier: 18. 20 Deffner, Jutta / Götz, Konrad / Schubert, Steffi: Schlussbericht zu dem Projekt »Nachhaltige Mobilitätskultur«. Entwicklung eines integrierten Konzepts der Planung, Kommunikation und Implementierung einer nachhaltigen, multioptionalen Mobilitätskultur. Frankfurt am Main 2006. URL: http://www.isoe.de/uploads/media/mobilitaetskulturbericht-2006.pdf (am 26.7.2016), 16. 21 Vgl. Urry, J.: The ›System‹ of Automobility. In: Theory, Culture & Society 21/4–5 (2004), 25–39. 22 Ebd., 27.

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eine Herausforderung, die Städte für den Autoverkehr geeignet zu machen. Diese Epoche, die in der Zeitgeschichte oft als Periode der Planungseuphorie bezeichnet wird, hatte dauerhafte Auswirkungen auf die Gestaltung der städtischen Räume.23 Begleitet wurde dieser Prozess von einer Verwissenschaftlichung von Verkehr und Planung. Die Experten der Verkehrsplanung waren von Anfang an international vernetzt, tauschten sich bei den Straßenkongressen des Welt-Straßenverbands über ihre Methoden und Erfahrungen aus und etablierten gemeinsame Standards für ihre Arbeit.24 Das motorisierte Vehikel diente als normative Grundeinheit für die Ordnung und Regelung des Straßenverkehrs. Seine Größe, Geschwindigkeit und seine Anforderungen an eine reibungslose Fortbewegung standen deshalb im Mittelpunkt aller verkehrsplanerischen Debatten. Die Neuordnung des Straßenverkehrs im Interesse des Autoverkehrs bedeutete, dass die Fachleute alle anderen Formen des Personen- und Gütertransports in europäischen Städten – etwa Schubkarren, unterschiedliche Fuhrwerke oder Fahrräder – in einen direkten Bezug zum motorisierten Verkehr setzten und alle alternativen Formen als langsam, behindernd und nicht-modern abwerteten bzw. sanktionierten. Die Motorisierung brachte eine tiefgreifende Rationalisierung, Homogenisierung und Standardisierung des Verkehrsraums in Form von Regel- und Zeichensystemen, Verhaltensnormen und räumlichen Infrastrukturen, wie etwa Fahrbahnen, Bürgersteigen, Parkplätzen und Schnellstraßen, mit sich.25 Nicht zuletzt bedeutete die Motorisierung eine Beschleunigung des Verkehrstempos und das Aufkommen von Sicherheitsfragen. Analysefeld: Gestaltung urbaner Mobilität Der im vorangegangenen Absatz beleuchtete historische Hintergrund zeigt zum einen, wie die Automobilität als hegemoniale Ordnung und als ein bis zur Gegenwart gültiger Deutungsrahmen für die Organisation und Planung des Verkehrsgeschehens etabliert wurde. Er verdeutlicht, dass Motorisierung und Automobilität kein Nullpunkt sind, sondern als ein sich ständig wandelnder Prozess begriffen werden können, der die entscheidenden Bedingungen für jede Weiterentwicklung des Stadtverkehrs darstellt. 23 Vgl. van Laak, Dirk: Planung, Planbarkeit und Planungseuphorie. In: Docupedia-Zeit­ geschichte vom 16.02.2010, URL: http://docupedia.de/zg/van_laak_planung_v1_de_2010 (am 10.01.2017), 1–24; vgl. Lundin, Mediators of Modernity: Planning Experts and the Making of the »Car-friendly« City in Europe. 24 Vgl. Mom, Gijs: Atlantic automobilism. Emergence and persistence of the car, 1895–1940. New York 2015, 565–634. 25 Als weiterführende Literatur. Siehe Vgl. Böhm, Steffen / Jones, Campbell / Land, Chris /  ­Paterson, Mat: Part One Conceptualizing Automobility. Introduction: Impossibilities of automobility. In: The Sociological Review 54 (2006), 1–16.

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Zum anderen zeigt der historische Abriss die Verwissenschaftlichung und Professionalisierung der Verkehrsgestaltung auf. Diese Prozesse betrafen nicht nur den Verkehr, sondern alle Felder des gesellschaftlichen Lebens. Der Soziologe Roland Hitzler bezeichnete »die modernen Gesellschaft« als »eine Expertengesellschaft«, da »klar und formal definierte Personengruppen verbindlich über mannigfaltige Probleme nicht nur des sozialen, sondern auch des persönlichen Lebens« entscheiden.26 Verkehrsexperten beanspruchten ab der Zwischenkriegszeit die Deutungshoheit und auch die Entscheidungsmacht über die Gestaltung der räumlichen Bedingungen für den städtischen Rad­verkehr. Zu Beginn des Jahrhunderts fielen diese Aufgaben in vielen europäischen Ländern noch den Fahrradorganisationen zu.27 Die Radverkehrsplanung als Teil der Verkehrswissenschaft lässt sich also auf diese frühe Periode datieren. Um die Prioritäten der Verkehrsexpertise und die Verortung des Radverkehrs darin besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick in die verkehrswissen­ schaftliche Fachsprache. Verkehrswissenschaft beruht, wie andere Technikund Ingenieurwissenschaften, auf mathematischem Wissen, Zahlen und Daten, durch die sie Objektivität und Autorität beansprucht und Glaubwürdigkeit herstellt.28 Ein tieferes Verständnis der Logik dieser Daten wird möglich, wenn ihre Entstehung und ihre Funktionen in den Blick genommen werden. Die Daten sind Realitätsausschnitte, die einer bestimmten Auswahl und Intention unterliegen und somit auch ein wichtiges politisches Mittel darstellen. Die wichtigsten Instrumente sind Verkehrszählungen, die in der Zwischenkriegszeit nach amerikanischem Vorbild in Europa eingeführt wurden, um die Verkehrsströme innerhalb von Städten zu messen.29 An den Zählkategorien, der Regelmäßigkeit und den Orten der Zählungen lassen sich Programme und verkehrspolitische Ziele ebenso ablesen wie an der Auswertung der Daten. Noch konkreter drücken sich die Ziele in den Leitbildern aus, die die Verkehrshistorikerin Barbara Schmucki als »Orientierungssysteme« beschreibt, auf 26 Hitzler, Ronald: Wissen und Wesen der Experten. Ein Annäherungsversuch – zur Einleitung. In: Hitzler, Ronald (Hg.): Expertenwissen. Die institutionalisierte Kompetenz zur Konstruktion von Wirklichkeit. Opladen 1994, 13–30, hier: 16. 27 Ruth Oldenziel und Adri Albert de la Bruhèze legen am Beispiel von Italien, Deutschland, Frankreich, Belgien, den Niederlanden und England dar, wie Verkehrsexperten in der Zwischenkriegszeit die Entscheidungsmacht über Fahrradinfrastrukturen von den Fahrradorganisationen übernommen haben. Vgl. Oldenziel, Ruth / de la Bruhèze, A. Adri: Contested Spaces: Bicycle Lanes in Urban Europe, 1900–1995. In: Transfers 1/2 (2011), 29–49, hier: 33–38. 28 Vgl. Porter, Theodore M.: Trust in numbers. The pursuit of objectivity in science and public life. Princeton, N. J. 1995. 29 Vgl. Oldenziel, Ruth: Utilitarian cycling as a research topic in Eastern European context. München 21.10.2013.

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denen politische Entscheidungen basieren.30 Zwar war das prägende Leitbild der Nachkriegszeit in westlichen und sowjetischen Einflussgebieten die autogerechte Stadt, doch hatte dieses Bild keine allgemeine Gültigkeit und wurde vor allem auf lokaler Ebene von weiteren Leitbildern abgelöst. Die Macht der Verkehrsplanung besteht in ihrer räumlichen Einflussnahme durch Infrastrukturen. Brian Larkin versteht Infrastrukturen als »built networks that facilitate the flows of goods, people, or ideas and allow for their exchange over space«.31 Diese baulichen Gebilde haben eine technische Seite, indem sie Bewegung kanalisieren. Gleichzeitig verkörpern sie semiotisch auch Raumvorstellungen und Zukunftsvisionen von Gesellschaften.32 Für diese Arbeit sind Verkehrsinfrastrukturen von entscheidender Relevanz, weil sie durch ihre Bauart langfristig die Nutzung von Verkehrsmitteln und den Verkehr im Ganzen bestimmen. Durch ihre Persistenz verankern diese Bauformen Leitbilder, wie etwa in den 1960er- und 1970er-Jahren den autogerechten Raum in europäischen Städten. Der Wandel der urbanen Mobilität in Europa wurde durch unterschiedliche Interessen bedingt, da nicht nur Verkehrsexperten an den Prozessen beteiligt waren, sondern auch zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der Politik, des Nahverkehrs, der Wirtschaft und, je nach Möglichkeit der politische Teilhabe, auch Bürgergruppen und interessierte Laien.33 Im Zentrum der vorliegenden Arbeit stehen damit nicht nur Verkehrsexperten, sondern die urbane Mobilität als politischer Aushandlungsprozess mit gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Die Diversität der Interessen nahm in den westeuropäischen Gesellschaften ab den 1960er- und 1970er-Jahren zu. Verkehrskollapse, Stillstand und Luftverschmutzung waren ab dieser Zeit krisenhafte Begleitphänomene der städtischen Automobilität, die es zu bekämpfen galt. Sie führten zum gegenwärtigen komplexen Mobilitätsmanagement im urbanen Verkehr, das den Personennahverkehr sowie den Fuß- und Radverkehr fördert und dabei mit unterschiedlichen Verkehrskonzepten für Verkehrsberuhigung, wie Shared-Space-Zonen, Fahrradstraßen oder Fußgängerzonen experimentiert. In Innenstädten erforderten diese Eingriffe, dass der Autoverkehr etwa durch Parkplatzmanagement, intelligente Ampelschaltungen, Einfahrtsbeschränkungen und -verbote, städtische Umweltzonen oder auch grüne Plaketten kontrolliert und beschränkt wurde. 30 Schmucki, Barbara: Der Traum vom Verkehrsfluß. Städtische Verkehrsplanung seit 1945 im deutsch-deutschen Vergleich. Frankfurt am Main 2001, 87. 31 Larkin, Brian: The Politics and Poetics of Infrastructure. In: Annual Review of Anthropology 42/1 (2013), 327–343, hier: 328. 32 Vgl. ebd., 329. 33 Vgl. Haefeli, Ueli: Verkehrspolitik und urbane Mobilität. Deutsche und Schweizer Städte im Vergleich 1950–1990. Stuttgart 2008; vgl. Schmucki, Der Traum vom Verkehrsfluß. Städtische Verkehrsplanung seit 1945 im deutsch-deutschen Vergleich.

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Die Integration des Radverkehrs ist − so die Ausgangsthese der Arbeit − durch die Herausbildung einer fahrradfreundlichen Stadtplanung als eine Korrektur früherer Verkehrsleitbilder zu verstehen, verbunden mit dem Versuch, seine Effektivität zu steigern. In der zunehmenden Fahrradnutzung ist damit die Krise der autozentrierten Stadtplanung und des Verkehrsmanagements erkennbar.

1.4 Forschungsstand Das gegenwärtige transnationale kultur- und sozialwissenschaftliche Interesse am Radfahren lässt sich an der Schnittstelle von Verkehrsgeschichte, Stadt- und Mobilitätsforschung, Science and Technology Studies, kritischer Geografie, Soziologie und Sozialanthropologie verorten. Diese Publikationen berühren auch Teilbereiche wie Wirtschafts- und Sportgeschichte, Gesundheitsforschung, Umwelt- und neue Sozialbewegungen, Tourismus, Subkultur­ forschung und Stadtforschung. Aus dieser Fülle an Literatur beschäftigen sich jedoch im engeren Sinne nur einige Beiträge mit der Geschichte des Rad­ verkehrs in europäischen Städten nach dem Zweiten Weltkrieg. Einer ist der bereits erwähnte Band der niederländischen Technikhistorikerinnern und -historiker und seine erweiterte englische Neuauflage, die eine vergleichende Perspektive auf Städte einnimmt und Antworten auf den schwankenden Anteil des Fahrrads im Stadtverkehr sucht.34 Ruth Oldenziel und Adri de la Bruhèze, die an dieser Studie beteiligt waren, haben weitere Publikationen vorgelegt, in denen sie Einzelaspekte der Fahrradgeschichte beleuchten, wie etwa die Geschichte der Fahrradsteuer und des Fahrradinfrastrukturbaus.35 Diese Aufsätze zeigen, dass es vielfältige Überschneidungspunkte und Gemeinsamkeiten zwischen einzelnen nationalen Entwicklun-

34 Vgl. de la Bruhèze, A. Adri / Veraart, C. A. Frank, Fietsverkeer in praktijk en beleid in de twintigste eeuw. Overeenkomsten en verschillen in fietsgebruik in Amsterdam, Eind­ hoven, Enschede, Zuidoost Limburg, Antwerpen, Manchester, Kopenhagen, Hannover en Basel [Praktiken und Politiken des Radverkehrs im 20. Jahrhundert. Gemeinsamkeiten und Differenzen in der Fahrradnutzung in Amsterdam, Einhoven, Enschede, Limburg, Antwerpen, Manchester, Kopenhagen, Hannover und Basel]; vgl. Oldenziel, Ruth / de la Bruhèze, A. Adri / Veraart, Frank / Emanuel, Martin (Hg.): Cycling Cities: The European Experience. Hundred Years of Policy and Practice. 35 Vgl. Oldenziel, Bicycling & Driving in Europe; vgl. de la Bruhèze, A.  Adri / Oldenziel, Ruth: Who Pays, Who Benefits? Bicycle Taxes as Tools of the Public Good, 1890–2012. In: Oldenziel, Ruth / Trischler, Helmuth (Hg.): Cycling and recycling. Histories of sustainable practices. New York 2015, 73–100; vgl. Oldenziel / de la Bruhèze, A. Adri, Contested Spaces: Bicycle Lanes in Urban Europe, 1900–1995.

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gen gibt, und gelten somit als Plädoyer für eine gemeinsame europäische Verkehrsgeschichte. Ein weiterer Aufsatz zur Geschichte des Radverkehrs in Wien und Linz orientiert sich an der niederländischen Vergleichsstudie und kommt zu dem Ergebnis, dass lokale Verkehrspolitiken den stärksten Einfluss auf den Radverkehr haben.36 Diese Ansichten vertritt auch Martin Emanuel in seinem Aufsatz über die Radverkehrspolitik von Stockholm zwischen 1930 und 1970. Demnach verschlechterten sich die infrastrukturellen Bedingungen für den Radverkehr aufgrund von Entscheidungen der Verkehrsplanerinnen und -planer der Nachkriegszeit, diese Verkehrsform als nicht zukunftsträchtig zu betrachten.37 Die thematisch für dieses Forschungsvorhaben relevante Sekundärliteratur ist damit bereits überblickt. In einem breiteren Rahmen ist die in den USA, in Großbritannien sowie in den nordeuropäischen Ländern in den 2000er-Jahren entstandene kritische, sozialwissenschaftlich orientierte Forschungsliteratur aber ebenfalls von Interesse.38 Ein Meilenstein der Fahrradforschung und das meistzitierte Grundlagenwerk zu diesem Thema ist die Veröffentlichung ­Cycling and Society des britischen Soziologen Dave Horton aus dem Jahr 2007.39 Dieser Band reißt eine Vielzahl von Themen an, wie Geschlechtergeschichte, emotionale Barrieren, die Raumwahrnehmung des Radfahrens, die Rolle der Subkultur von Fahrradkurieren sowie die kulturelle Konstruktion des Bildes vom Radfahrenden im britischen Kontext. Die an diesem Band beteiligten Forscherinnen und Forscher gehören oftmals aktivistischen Zirkeln in ihren Ländern an oder übernehmen staatliche Forschungsaufträge zur nachhaltigen Mobilität. Deshalb ist diese Literatur vor allem an der Anwendbarkeit der Forschungsergebnisse für die Förderung des städtischen Fahrradverkehrs orientiert.40 Für den US -amerikanischen Kontext sind vor allem die zuletzt erschienenen Arbeiten von Zack Furness und Luis Antonio Vivicano hervorzuheben.41 Beide Werke rekapitulieren die verkehrspolitische und kulturelle Neubetrachtung des Radverkehrs in den vergangenen zwei Jahrzehnten am Beispiel amerikanischer Städte. Sie verstehen diese als eine Infragestellung 36 Vgl. Kreuzer, 1 Fahrrad = 0,25 PKW-Einheiten. Das Fahrrad im Stadtverkehr zwischen verpassten Chancen und gewollter Marginalisierung, Pfadabhängigkeit und Gestaltungsspielräume, 469. 37 Vgl. Emanuel, Constructing the cyclist, 86. 38 Vgl. Oldenziel / La Bruhèze, Cycling in a Global World: Introduction to the Special Section. 39 Vgl. Horton, Dave (Hg.): Cycling and society. Aldershot 2007. 40 Vgl. Parkin, John (Hg.): Cycling and sustainability. Bingley 2012; vgl. Parkin, John: City cycling. In: Transport Reviews 33/2 (2013), 239–240. 41 Vgl. Furness, Zack: One less car. Bicycling and the politics of automobility. Philadelphia, Penn 2010; vgl. Vivanco, Luis Antonio: Reconsidering the bicycle. An anthropological perspective on a new (old) thing. New York 2013.

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des motorisierten Verkehrs als hegemoniale urbane Raumordnung und verorten ihre Herkunft in den Gegen- und Subkulturen sowie in den veränderten urbanen Lebensstilen einer langsam entstehenden nachhaltigkeitsorientierten urbanen Verkehrspolitik. Als letztes sollen Ostmitteleuropa und konkret Ungarn in den Blick genommen werden. Der osteuropäische Raum ist weder in der transnationalen Mobilitätsforschung noch in der Verkehrsgeschichte gut repräsentiert.42 In Ungarn fehlt es an Grundlagenforschung auf nationaler und städtischer Ebene. Die erste umfassende Quellensammlung zur Verkehrsgeschichte und -politik des Staatsozialismus wurde erst 2011 veröffentlicht.43 Ausnahmen sind einzelne Bücher, Aufsätze und populärwissenschaftliche Publikationen, beispielsweise zur Verkehrsgeschichte des Landes im Allgemeinen oder zur Autokultur der 1950er-Jahre, sowie Aufsätze und ein populärwissenschaftlicher Bildband zum urbanen Nahverkehr von Budapest.44 Die Geschichte der Verkehrszählungen in Ungarn ist bereits in einer Dissertation aufgearbeitet, die wertvolle Einsichten sowohl in die Geschichte der Verkehrswissenschaft als auch in die Verkehrspolitik gibt.45 Die ungarische Soziologie hat die Frage nach der Rolle von Verkehrsplanung und -politik in der Stadtentwicklung von Budapest bislang nicht aufgegriffen.46 Einzelne Aufsätze setzen sich mit der Motorisierung der ungari42 Vgl. Hefter, Tomas / Deffner Jutta: Sustainable mobility cultures: An approach for capacity development in Eastern Europe? In: 15th European Roundtable on Sustainable Consumtion and Production (15th ERSCP), 2012, May 2–4, Bregenz, Austria. URL: http://www. erscp2012.eu/upload/doc/ERSCP_Full_Papers/Hefter-Deffner_ERSCP_2012.pdf (am 8.8.2014); vgl. Canzler, Weert / Knie, Andreas: Auf dem Weg zur Autogesellschaft. Trends im Personen- und Güterverkehr Osteuropas. In: Osteuropa 58/4–5 (2008), 337–349. 43 Vgl. Frisnyák, Zsuzsa: Közlekedés, politika, 1945–1989 [Verkehr, Politik 1945–1989] Budapest 2011. 44 Vgl. Majdán, János: A  közlekedés története Magyarországon (1700–2000) [Geschichte des Verkehrs in Ungarn (1700–2000)]. Pécs 2014; vgl. Kalocsai, Péter: A  közlekedés szerepe a ­városi térhasználatban Szombathelyen (1945–1968) [Die Rolle des Verkehrs in der urbanen Raumnutzung in Szombathely (1945–1968)]. In: Korall 52 (2013), 113–144; vgl. Ocskay, Zoltán: Autózás az ötvenes években [Autofahren in den 1950er Jahren]. Budapest 2014; vgl. Pál, István: A budapesti közlekedés fejlesztése a politika napirendjén, 1959–1972 [Die Verkehrsentwicklung auf der Agenda der Politik 1959–1972]. In: Feitl, István (Hg.) Budapest az 1960-as években [Budapest in den 1960er Jahren], 109–129.; vgl. Legát, Tibor / Zsigmond, Gábor: Közlekedik a székesfőváros [Die Hauptstadt fährt]. Budapest 2014. 45 Vgl. Szalkai, Gábor: A közúti forgalom változása Magyarországon 1869–2006. Doktori értekezés [Die Veränderung des Straßenverkehrs in Ungarn, 1869–2006. Dissertation]. Budapest 2008. 46 Vgl. Kocsis, János Balázs: Városfejlesztés és városfejlődés Budapesten 1930–1985 [Urbane Entwicklungspolitik und Entwicklung in Budapest 1930–1985]. Budapest 2009; vgl. Csanádi, Gábor / Csizmady, Adrienne / Kocsis, János Balázs / Köszegy, Lea / Tomay, Kyra (Hg.): Város, tervező, társadalom [Stadt, Planer, Gesellschaft]. Budapest 2010.

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schen Gesellschaft aus einer kulturhistorischen Perspektive auseinander und verdeutlichen, welchen Status das Auto für die Elite und später für die breite Gesellschaft in der Konsumkultur des Spätsozialismus hatte.47 Zur Kultur- und Verkehrsgeschichte des Radfahrens in Ungarn liegen für das Ende des 19. Jahrhunderts einige Aufsätze vor.48 Sie gehen auf die Verbreitung des Fahrrads im Vereins- und Sportleben des Bürgertums ein. Eine volkskundliche Abschlussarbeit ist der bislang einzige Überblick, der sich mit der Verbreitung des Fahrrades als Transport- und Verkehrsmittel im ländlichen Alltag beschäftigt.49 Weiterhin liegt ein populärwissenschaftlicher Bildband zur Geschichte der Fahrradproduktion vor, in dem der größte Fahrradhersteller des Landes, die Firma Csepel, sowie sämtliche Rahmenbauer der Hauptstadt aus dem 20. Jahrhundert porträtiert werden.50 Der Anstieg des Fahrradverkehrs in Budapest in den 2000er-Jahren löste eine neue Welle von wissenschaftlichen Arbeiten in den Disziplinen der Sozial- und Verkehrswissenschaft sowie der Tourismusforschung aus. Dabei handelt es sich allerdings zumeist um Abschlussarbeiten an Hochschulen und Universitäten und nur selten um publizierte Aufsätze. Einen Schwerpunkt bilden dabei der Erfolg und die Anziehungskraft der Protestform Critical Mass in Budapest in den 2000er-Jahren.51 Weitere Schwerpunkte sind die Subkultur der Fahrradkuriere, die Unfallanalyse und die Möglichkeiten der Infra-

47 Vgl. Majtényi, György: Életstílus és szubkultúra. Az autózás története (1920–1960) [Lebensstil und Subkultur. Die Geschichte des Autofahrens (1920–1940)]. In: Korall 1/1 (2000), 101–118; vgl. Karlaki, Orsolya: Autó-mobil? Személygépkocsi-használat  a Kádár-korszakban [Auto-mobil?  PKW-Nutzung in der Kádár-Ära]. In: Múltunk 3 (2008), 84–97; vgl. Péteri, György: Streetcars of desire:  cars and automobilism in communist Hungary (1958–1970). In: Social History 34/1 (2009), 1–28. 48 Vgl. Frisnyák, Zsuzsa: A  kerékpározás kultúrájának kialakulása Magyarországon [Die Entstehung der Fahrradkultur in Ungarn]. In: A  Közlekedési Múzeum Èvkönyve 8. (1985–1987), 321–336; vgl. Balla, Loránd / B. Nagy, Anikó / Perényi, Roland: Két keréken. A városi biciklizés kultúrtörténete [Auf zwei Rädern. Die Kulturgeschichte des urbanen Radfahrens]. In: Múlt-kor 1 (2013), 108–111. 49 Vgl. Berkes, Katalin: A kerékpár elterjedése és használata Magyarországon, különös tekintettel a paraszti használat első évtizedeire (1930–1950) Szakdolgozat [Die Verbreitung und Nutzung des Fahrrades in Ungarn, mit besonderem Fokus auf die Nutzung im Kreise der bäuerlichen Bevölkerung (1930–1950). Magisterarbeit]. Eötvös Loránd Tudományegyetem Bölcsészettudományi Kar. Budapest 2001. 50 Vgl. Varsa, Endre: Magyar kerékpárok. A magyar kerékpárgyártás története [Die unga­ rischen Fahrräder. Geschichte von Ungarns Fahrradproduktion]. Budapest 2008. 51 Vgl. Udvarhelyi, Tessza Éva: Reclaiming the Streets – Redefining Democracy. The Politics of the Critical Mass Bicycle Movement in Budapest. In: Hungarian Studies 23/1 (2009), 121–145; vgl. Othon-Buckley, Lauren: Contested Streets, Contested Technology. The Appropriation of the Bicycle and the Perfomative Politics of Critical Mass in Budapest and Prague: A Case Study. Budapest 2010.

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strukturverbesserungen für den Radverkehr in Budapest.52 Es gibt bislang keine Veröffentlichung, die die historische und gegenwärtige Entwicklung des urbanen Radfahrens als ein ganzheitliches Phänomen der Stadt- und Verkehrsentwicklung in Budapest analysiert.

1.5. Quellen, Methoden und Selbstreflexion Die empirischen Grundlagen dieser Arbeit wurden über einen hermeneutischen Zugang erfasst. Das Aufspüren von relevanten Quellen kann nach Michel Foucault als Archäologie beschrieben werden, wonach die Auswahl der Quellen durch ihre Aussagekraft für den Diskurs erfolgt.53 Das Ziel war, explorativ möglichst viele und unterschiedliche empirische Materialien zu sammeln. Den Schwerpunkt der Empirie bilden schriftliche Materialien. Für die Bibliotheks- und Archivrecherche in Budapest dienten die Bestände der ­SzéchényiNationalbibliothek, der Budapest-Sammlung der Ervin-Szabó-Stadt­bibliothek, der Fachbibliothek des Instituts für Verkehrswissenschaft, der Bibliothek des Statistischen Amts sowie des Dokumentationszentrums des Lechner-Wissenszentrums. Die Erhebungen umfassten verkehrswissenschaftliche Fachliteratur, Zeitschriften für Verkehrswissenschaft und Stadt- und Verkehrsplanung sowie populärwissenschaftliche Publikationen. Weitere einbezogene Veröffentlichungen waren Fahrradmagazine, Publikationen von Fahrradorganisationen, städtische Verkehrsstrategien und -pläne, Verkehrsstatistiken, Regelwerke, Planungshilfen sowie Radverkehrspläne für Budapest. Eine wichtige Ressource war zudem die neue digitale Datenbank Arcanum, deren Inhalte im Forschungszeitraum online gestellt und stetig erweitert wurden. Diese Datenbank ermöglicht die schnelle Sichtung von digitalisierten Zeitungen, Zeitschriften sowie einiger Archivbestände aus der Zeit des Staatssozialis52 Vgl. Zelenák, Gábor: Biciklis futárok. Hitelesség, szubkulturális tőke és habitus. Szakdolgozat. [Fahrradkuriere. Glaubwürdigkeit, subkulturelles Kapital und Habitus. Magister­ arbeit]. Budapest Corvinus Egyetem. Szociológia és Társadalompolitikai Intézet. Budapest 2010; vgl. Felföldi, Péter: A budapesti kerékpáros balesetek vizsgálata 2011–2012-ben, javaslatok  a megelőzésre [Die Analyse der Budapester Fahrradunfälle in den Jahren 2011–2012. Empfehlungen für Prävention]. Budapest 2013; vgl. Gajárszki, Áron: A kerék­ páros közlekedés fejlesztése Budapesten. Kézirat [Das Fördern des Radverkehrs in Budapest. Manuskript]. Győr 2006; vgl. Bekker, Judit: Két keréken négy kerékkel Budapesten. A  budapesti kerépáros közlekedési rendszer (Bubi) bevezetésének feltételezett következményei nemzetközi példák alapján. Kézirat [Auf zwei Rädern mit vier Rädern in Budapest. Die prophezeiten Folgen der Einführung des Budapester Radverleihsystems BUBI anhand von internationalen Erfahrungen. Manuskript]. Budapest 2013. 53 Vgl. Foucault, Michel / Köppen, Ulrich: Archäologie des Wissens. 17. Frankfurt am Main 2015.

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mus, wie etwa Protokolle der Sitzungen der Exekutivkomitees des Budapester Staatsrates, der das zentrale Steuerungsorgan der Hauptstadt war. Im Archiv des International Institute of Social History, das in Amsterdam angesiedelt ist, konnten Forschungsberichte, Flyer und Korrespondenzen von niederländischen und ungarischen Nichtregierungsorganisationen gesichtet und ausgewertet werden, die in Ungarn noch nicht für die Forschung zugänglich sind. Eine weitere Quellengruppe waren Tageszeitungen, relevante Beiträge von Nachrichten- und Videoportalen, Blogs sowie der Internetauftritt und die Social-Media-Seiten verschiedener Fahrradorganisationen, der Budapester Nahverkehrsgesellschaft und relevanter Firmen. Ergänzend wurden zwischen 2013 und 2014 Veranstaltungen und Museumsausstellungen mit einem thematischen Bezug zum Forschungsvorhaben besucht. Die Quellen umfassen damit neben schriftlichen Materialien auch Film- und Fotodokumente, Ausstellungen und Videos. Diese Vielfalt ist dem Untersuchungszeitraum von 1980 bis 2014 geschuldet, der die sprunghafte Entwicklung der Telekommunikations- und Informationstechnologien mit sich brachte und die Kommunikations- und Darstellungsmöglichkeiten vervielfältigte. Bei dieser Entwicklung muss die Partikularisierung der öffentlichen Meinung und die Bildung von Teilöffentlichkeiten beachtet werden, die aus quellenkritischer Sicht einer begrenzten Reichweite dieser Inhalte entspricht. Neben den schriftlichen und multimedialen Inhalten wurden 26 leitfadengestützte Experteninterviews mit Verkehrsingenieurinnen und -ingenieuren, ehemaligen und weiterhin aktiven Fahrradaktivistinnen und -aktivisten, ehemaligen und weiterhin angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Budapester Verkehrszentrums sowie von Fahrrad- und Umweltschutzorganisationen geführt. Diese Gespräche erörterten die oft vielfältigen Rollen der Interviewten, ihre Arbeit und ihre subjektiven Wahrnehmungen und Deutungen zur Situation des Radverkehrs in Budapest. Aus der Perspektive der Oral History waren diese Gespräche, vor allem mit Blick auf die 1980er- und 1990er-Jahre, auch Erinnerungstexte, die vor dem Erwartungshorizont der gegenwärtigen Gesprächssituationen erzählt wurden.54 Die Auswertung der Quellen bestand in einer Dokumenten-, Inhalts- und Bildanalyse. Die geführten Experteninterviews nahmen hier eine ergänzende Rolle ein. Sie dienten als Gegenfolien zur Interpretation, Kontextualisierung und Einordnung der Tragweite der schriftlichen Quellenbasis und halfen dabei, Wendepunkte und Erzählstränge zu identifizieren, Abläufe und Gründe 54 Vgl. Assmann, Jan: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. 6. München 2007; vgl. Lehmann, Albrecht: Erinnern und Vergleichen. Flüchtlingsforschung im Kontext heutiger Migrationsbewegungen. In: Dröge, Kurt (Hg.): Alltagskulturen zwischen Erinnerung und Geschichte. Beiträge zur Volkskunde der Deutschen im und aus dem östlichen Europa. München 1995, 15–30.

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für Entscheidungen zu verstehen sowie Konflikten und unterschiedlichen Positionen der Akteurinnen und Akteure nachzuspüren. Die schriftlichen Materialien wiederum dienten dazu, die Widersprüchlichkeiten dieser Erzählungen aufzudecken. In diesem Prozess wurden »mit einem dem Gegenstand immer wieder neu angemessenen Methodenbündel« der Kulturanalyse auch Filme, Ausstellungen und Liedtexte sowie Abbildungen der Verkehrswissenschaft als Medien eingebunden.55 Schließlich wurden die Erkenntnisse in den ausgewählten Problemfeldern nach dem Verständnis Clifford Geertz’ als »selbstgesponnene Bedeutungsgewebe« dicht beschrieben.56 Der Untersuchungszeitraum von drei Jahrzehnten verlangt gleichermaßen eine diachrone Fokussierung in Bezug auf die 1980er- und 1990er-Jahre und eine synchrone Orientierung für die 2000er-Jahre. Im Sinne eines kulturanalytischen Zugangs bietet vorliegende Arbeit einen akteurszentrierten Blick, der »den Menschen als zentralen Protagonisten des kulturellen und sozialen Wandels voraussetzt«.57 Damit stehen die einzelnen Akteurinnen und Akteure sowie die Akteursgruppen, ihre Handlungen und ihre Wahrnehmungen im zeithistorischen und gegenwärtigen Kontext im Fokus. Wichtig dabei ist, ob sie eine aktive und mitgestaltende Rolle, also eine agency, hatten, und auf welche Weise sich diese ausdrückte.58 Diese individuelle Ebene der Akteurinnen und Akteure wird durch politische, institutionelle, ökonomische und persönliche Netzwerke ergänzt. Aufgrund der Quellenlage gewinnen die Akteure und Akteursgruppen in den 2000er-Jahren mehr Schärfe in der Beschreibung als in den 1980er- und 1990er-Jahren. Abschließend folgt eine kurze Reflexion zur eigenen Rolle bei dieser Forschungsarbeit. Wer heute über den Radverkehr akademisch denkt und schreibt, ist von der Aktualität und der hohen politischen Verwertbarkeit der Forschungsergebnisse in diesem Feld beeinflusst. Das betrifft sowohl das hier konkret ausgewählte Forschungsfeld als auch die vielen akademischen Netzwerke, in denen die Forschung angesiedelt ist. Die Politik der nachhaltigen und fossilfreien Verkehrszukunft benötigt wissenschaftliche Grundlagen und eine Neubewertung des Vergangenen. Viele Forscherinnen und Forscher kommen deswegen oftmals selbst aus der Aktivistenszene und sind eng in die verkehrspolitische Beratung eingebunden. Im deutschsprachigen Raum ist 55 Rolshoven, Johanna: Was bedeutet Kulturanalyse? Arbeitsmaterialien. Persönliche Webseite. Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie. URL: https://static. uni-graz.at/fileadmin/_Persoenliche_Webseite/rolshoven_johanna/Arbeitsmaterialien/ jr_kulturanalyse.pdf (am 19.6.2017). 56 Geertz, Clifford: Dichte Beschreibung. Frankfurt am Main 1983, 9. 57 Rolshoven, Was bedeutet Kulturanalyse? Arbeitsmaterialien. Persönliche Webseite. Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie, 1. 58 Vgl. Ahearn, Laura M.: Language and Agency. In: Annual Review of Anthropology 30/1 (2001), 109–137, hier: 112.

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Aufbau der Arbeit 

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noch Zurückhaltung zu beobachten, aber in der englischsprachigen Wissenschaftslandschaft propagieren viele Forscherinnen und Forscher Radfahren offen als alternativlose Verkehrsmethode der Zukunft. Diese Bedingungen des wissenschaftlichen Umfelds waren damit auf einer alltäglichen Basis herausfordernde Begleiter der Forschungsarbeit. Sie verlangten, in Abwägung der Forschungsliteratur eine eigene, wissenschaftlich vertretbare Position zu finden.

1.6. Aufbau der Arbeit Die Darstellung der Empirie folgt einer chronologischen Herangehensweise, in der ausgewählte Schlaglichter verschiedener Problemfelder beleuchtet werden. Die fünf Analysefelder – Verkehrspolitik, räumliche Ausgangslage, Infrastrukturplanung, Interessensvertretungen zur Förderung des Fahrradverkehrs und das Bild des Radverkehrs in der breiten Öffentlichkeit – werden in ihrer Prozesshaftigkeit zeithistorisch kontextualisiert. Das Einbeziehen unterschiedlicher Perspektiven in den einzelnen Kapiteln dient dazu, die verschiedenen Ebenen, Akteure und Ereignisse im Blick zu behalten, um die Querverweise und Widersprüchlichkeiten der Deutungen stärker herauszuarbeiten und damit die Diskontinuität des Wandels aufzudecken. Der urbane Wandel wird nicht als stringente Fortschritts- oder Entwicklungsgeschichte aufbereitet, sondern in seiner Vielfältigkeit analysiert und kontextualisiert. Das zweite Kapitel befasst sich mit der Massenmotorisierung der ungarischen Gesellschaft und dem Aufkommen des Konzepts der Verkehrssicherheit in den 1980er-Jahren und arbeitet die Folgen für den Radverkehr in der öffentlichen Wahrnehmung und für die weitere Verkehrsplanung in Ungarn heraus. Bestandteil dieses Kapitels ist auch ein knapper Rückblick auf die Rolle des Radverkehrs in der Stadtgeschichte. Das dritte Kapitel legt die Pluralisierung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in den 1990er-Jahren dar, die auch einen Einfluss auf die Idee des urbanen Radverkehrs hatten. Einerseits geht es um die ungarische Fahrradlobby, die mit niederländischer Unterstützung entstand und somit als Beispiel von transnationalem Wissenstransfer gelten kann. Andererseits werden die kommunale Politik und ihr Radwegebauprogramm als Folge der Demokratisierungsprozesse in Budapest untersucht. Da die 1980er- und 1990er-Jahre eher von Diskursen über den urbanen Radverkehr als von seiner tatsächlichen Relevanz im urbanen Alltag geprägt waren, rückt die Fahrradnutzung im engeren Sinne erst ab dem vierten Kapitel ins Blickfeld. Das vierte Kapitel nimmt die Szene der Fahrradkuriere, die in © 2020 Vandenhoeck & Ruprecht | Brill Deutschland GmbH https://doi.org/10.13109/9783666310720 | CC BY-NC-ND 4.0

Einleitung

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den 2000er-Jahren entstehende Fahrraddemonstration Critical-Mass-Budapest sowie deren gemeinsame Wirkkraft auf das öffentliche Bild des Radverkehrs in den Blick. Das fünfte Kapitel weitet diese Perspektive und beschäftigt sich mit dem Radfahren als rationale Verkehrsentscheidung im Kontext von unterschiedlichen Verkehrsangeboten. Daran anschließend beschreibt dieses Kapitel, wie eine neue Interessenvertretung, der Ungarische Fahrradclub, entsteht und agiert. Im sechsten Kapitel werden die Auswirkungen des Radfahrens auf die Stadt, und im Besonderen die Konfrontationen zwischen Verkehrspolitik und -planung und den Bedürfnissen der Radfahrenden untersucht. Das siebte Kapitel widmet sich schließlich den gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen des Radfahrens und umfasst unter anderem kulturelle Bedeutungszuschreibungen des Radverkehrs in der Mode, in Dokumentar- und Imagefilmen sowie Veränderungen in der Museumsarbeit.

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2. Die 1980er-Jahre: Radfahren in der sozialistischen Planwirtschaft

Im letzten Jahrzehnt der Kádár-Ära trat der Radverkehr als neue Idee der Verkehrsplanung immer stärker hervor. Vorliegendes Kapitel untersucht die Gründe hierfür und arbeitet die Ergebnisse dieser Entwicklung für den weiteren Geschichtsverlauf heraus. Zur besseren Einordnung ist der Analyse ein kurzer Überblick zur Fahrradnutzung vor 1980 in Ungarn vorangestellt.

2.1

Radfahren in der Autogesellschaft

Vom Luxusprodukt zum Massenverkehrsmittel Es stellt sich die Frage, ob es eine nachweisbare Tradition des Radverkehrs in Budapest und in der ungarischen Gesellschaft gegeben hat, die einen Ansatzpunkt für den Verlauf späterer Entwicklungen liefern könnte. Das Streben nach einer besseren Organisation des Verkehrs in den Städten und somit der Beginn der modernen Verkehrsplanung fiel auf die Zwischenkriegszeit. In der Verkehrsgeschichtsschreibung des Radverkehrs in Europa ist es heute Konsens, dass der Wandel des Stellenwerts des Radverkehrs vor allem in dicht bebauten Stadträumen seit dieser Periode kein natürlicher, sondern ein von der Verkehrsplanung und der Politik gesteuerter Vorgang war.1 In Budapest war die Zahl der Radfahrenden in den 1930er-Jahren schon einmal sprunghaft angestiegen. Das bezeugen die nach internationalem Vorbild zum ersten Mal durchgeführten Verkehrszählungen dieser Periode.2 Die sich aus den Verkehrserhebungen abzeichnende Zunahme des Radverkehrs unterscheidet sich kaum von anderen Großstädten. Neben Straßenbahnen und Fußverkehr war das Fahrrad europaweit in den damals noch kompakt angelegten Städten der Zwischenkriegszeit das wichtige Verkehrsmittel im Alltag. Den Anstoß für die Verbreitung des Radverkehrs gab in Europa, dass die industrielle Massenproduktion Fahrräder auch für weniger wohlhabende 1 Vgl. de la Bruheze, Adri A. Albert / Emanuel, Martin: European bicycling. The politics of low and high culture: taming and framing cycling in twentieth-century Europe. In: The Journal of Transport History 33/1 (2012), 64–66, hier: 65. 2 Vgl. Ruisz, Rezső: Az utcai forgalom fejlődése Budapesten [Die Entwicklung des Straßenverkehrs in Budapest]. In: Városi Szemle 27 (1941), 107–134, hier: 117.

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Die 1980er-Jahre: Radfahren in der sozialistischen Planwirtschaft

Schichten erschwinglich machte. Das Fahrrad war kein Luxusprodukt der gehobenen Schicht mehr, wie noch zu Beginn des Jahrhunderts der Fall. So entschieden sich auch in Budapest Beamtinnen und Beamte, urbane Arbeiterinnen und Arbeiter, Handwerker und Pendler aus nahgelegenen Dörfern dafür, mit dem Rad in die Arbeit zu fahren.3 Das hatte meist sehr pragmatische Gründe. Die Weltwirtschaftskrise hatte zu einer Erhöhung der Fahrpreise für Straßen- und Vorortbahnen geführt. Radfahren war im Vergleich dazu preiswerter und auch zuverlässiger.4 Allerdings stand der zunehmende Radverkehr im Widerspruch zum Vorhaben zeitgenössischer Verkehrsexperten, den Straßenverkehr der Großstadt zu ordnen und damit Platz für die als notwendig erachtete und künftig erwartete Motorisierung zu schaffen.5 Unter diesen Umständen war der schnelle Anstieg des Radverkehrs also nicht Teil des künftigen Verkehrsleitbildes, sondern wurde als »schwerwiegendes Pro­ blem« des Großstadtverkehrs eher als Gefährdung wahrgenommen.6 Der damalige Polizeikapitän von Budapest verbot den Radverkehr in den Hauptrouten der Innenstadt und auf den Brücken mit der Begründung der Unfallgefahr.7 Der Stadtrat ließ knapp vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nach Vorbild von Städten im nationalsozialistischen Deutschland einige kurze Radwege bauen, um etwas mehr Raum für den Radverkehr zu schaffen.8 Die Politik verstand den Radverkehr als sozialpolitische Frage, und so setzte sich vor allem die Sozialdemokratische Partei für den Radwegebau ein.9 Nach dem Zweiten Weltkrieg sahen die Verkehrsexperten nach wie vor keine Zukunft für das Fahrrad in der Großstadt. Boldizsár Vásárhelyi, der anerkannteste Verkehrswissenschaftler für Straßen- und Wegebau und Professor an der Technischen Universität Budapest, sprach sich 1949, im Jahr der kommunis3 Vgl. Fellner, Frigyes: Közlekedéspolitika II . A közlekedés megjelenési formái [Verkehrspolitik II . Die Erscheinungsformen des Verkehrs]. In: Statisztikai Közlemények 84/4 (1937), 11–217, hier: 183. 4 Vgl. Millok, Sándor: Csökkenő villamosforgalom, növekvő kerékpározás [Die Abnahme des Straßenbahnverkehrs, die Zunahme des Radverkehrs]. In: Népszava 159 vom 16.7.1941, 5. 5 Vgl. Ruisz, Az utcai forgalom fejlődése Budapesten [Die Entwicklung des Straßenverkehrs in Budapest], 120. 6 ui: A  kerékpár mint nagyvárosi forgalom egyik legsúlyosabb problémája [Das Radfahren als schwerwiegendes Problem des Großstadtverkehrs]. In: Városi Szemle 22/4 (1936), 605–610, hier: 605. Alle Übersetzungen wurden von der Autorin erstellt. 7 Vgl. Borsiczky, Sándor: A kerékpározás szabályainak zsebkönyve 1942: különös tekintettel Budapest székesfővárosra és környékére [Taschenbuch über die Regeln des Radfahrens 1942: Mit besonderer Rücksicht auf die Hauptstadt und ihre Umgebung]. Budapest 1942. 8 Vgl. Wohl, György: A kerékpárközlekedés és a kerékpárutak építése [Fahrradverkehr und der Bau von Fahrradwegen]. Budapest 1938. 9 Vgl. Több esélyt és határozott intézkedést a kerékpárosok érdekében. Szociáldemokrata interpelláció a főváros közgyűlésén [»Mehr Chancen und entschlossenes Handeln für die Interesse der Radfahrenden.« Appell der Sozialdemokraten im Stadtrat]. In: Népszava 45 vom 25.2.1937, 7.

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Abb. 1: Radfahrende warten in der Innenstadt auf der Straße an der Ecke Petőfi-Sándor-Straße und Ferenciek-Platz auf die freie Durchfahrt, 1939.

tischen Machtübernahme in Ungarn, entschieden gegen die Fortsetzung des Radwegebaus in der Innenstadt aus. Als Grund nannte er Platzmangel.10 Die Fahrverbote für den Radverkehr aus der Zwischenkriegszeit blieben weiterhin in Kraft. Damit verschwand der Radverkehr weitgehend aus der Innenstadt von Budapest. Im Sozialismus ab den 1960er-Jahren wurde der Schwerpunkt der Budapester Verkehrsentwicklung auf den öffentlichen Personennahverkehr gelegt.11 Das Fahrrad galt als eine überholte Verkehrsform, die nicht in die Großstadt, sondern auf das Land gehörte.12 In Budapest gab es deshalb in dieser Periode keine Erhebungen zum Radverkehr. Zehn Jahre später erwachte das Interesse am Radfahren erneut, was sich in der Presse beobachten ließ. Es ging um die Rolle dieser Verkehrsform im Alltag im ganzen Land. »Bei uns benutzen die Bewohner von Höfen und Dörfern das Fahrrad statt Kutschen, auch für die Mitarbeiter von Industriebetrieben, 10 Vgl. Vásárhelyi, Boldizsár: Kerékpárközlekedés és kerékpárutak [Fahrradverkehr und Fahrradwege]. In: Magyar közlekedés, mély- és vízépítés 1/7–8 (1949), 340–349. 11 Vgl. Ein umfassender Überblick über die Verkehrspolitik in Budapest im Sozialismus ist nach Abschluss des Manuskripts veröffentlicht worden. Pál, István / Szabó, Csaba: A budapesti közlekedés fejlesztése  a politika napirendjén 1957–1990 [Die Entwicklung des Budapester Verkehrs auf der Tagesordnung der Politik 1957–1990], Budapest 2017. 12 Vgl. Ohne Verfasser: Van-e jövője a kerékpárnak? [Hat das Fahrrad eine Zukunft?]. In: Népszava 149 vom 28.6.1963, 4.

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Die 1980er-Jahre: Radfahren in der sozialistischen Planwirtschaft

Abb. 2: Abgestellte Fahrräder auf dem Kossuth-Platz in Cegléd im Jahr 1974.

für Jugendliche und für Sport und Vergnügen ist es das Verkehrsmittel der Wahl.«13 So fasste es eine Journalistin in einem Gesamtüberblick im Jahr 1969 zusammen. Die Aufmerksamkeit der Journalistinnen und Journalisten für ein ländliches, gar als rückständig erachtetes Verkehrsmittel hatte vielfältige Gründe.14 Die Radfahrenden stellten in manchen Komitaten [Verwaltungseinheiten in Ungarn], etwa in der kleinen und großen Tiefebene, sogar die deutliche Mehrheit der Verkehrsteilnehmer dar. Die Radverkehrszählungen der Periode zeigen, dass die Städte der Tiefebenen Mitte der 1970er-Jahre einen beachtlichen Radverkehrsanteil von 50 bis sogar 70 Prozent aufwiesen.15 Dem Fahrrad als ein erschwingliches Verkehrsmittel kam für die Gesellschaft außerhalb der 13 Gál, Zsuzsa: Mit keresnek – mit kínálnak a kerékpár szaküzletekben? [Was suchen sie – was bieten sie in den Fahrradfachgeschäften?]. In: Népszava 48 vom 27.2.1969, 1. 14 Die Auswahl dieser Tageszeitung zur Analyse hatte forschungspragmatische Gründe. Im Digitalen Datenarchiv Arcanum ergaben sich hier die meisten Treffer mit den Suchwörtern »Radfahren«, »Radverkehr«, »Radfahrende«, und als größte Tageszeitung zu dieser Zeit kann sie als meinungsbildend betrachtet werden. 15 Vgl. »Anteil des Radverkehrs im Gesamtverkehr in 1975.« Quelle: Győr város kerékpáros közlekedése. Tanulmány. I. rész: Vizsgálatok [Fahrradverkehr in der Stadt Győr. Studie. Teil I.: Erhebungen]. Lechner Tudásközpont, A173318, 979/2–7.

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Großstadt eine Schlüsselfunktion in der alltäglichen Mobilität zu. Sein Anteil im Gesamtverkehrsaufkommen war ähnlich hoch wie beispielsweise in Städten der Fahrradnationen Niederlande und Dänemark. Ein weiterer wichtiger Anlass über die Lage des Radverkehrs in Ungarn zu berichten, war, dass in den höher motorisierten westlichen kapitalistischen Ländern von Amerika bis Japan das Fahrrad zu dieser Zeit wieder in Mode kam.16 Für die ungarische Volkswirtschaft bedeuteten die westliche Länder Absatzmärkte. Deshalb entschieden die Ökonomen ab Ende der 1960er-Jahre, höhere Produktionszahlen im Werk Csepel für Fahrräder zu erzielen.17 Der Export der Fahrräder brachte Deviseneinnahmen für Ungarn, die die kriselnde Planwirtschaft dringend benötigte. Im Vergleich zur Produktion von Bussen und Schienenfahrzeugen, die beispielsweise andere bedeutende Exportbereiche darstellten, fiel das Gesamtgewicht der Fahrradherstellung in der ungarischen Volkswirtschaft jedoch gering aus. Eine Folge des Fahrrad-Exports war allerdings, dass die heimischen Läden eine große Auswahl an Fahrrädern und Ersatzteilen dauerhaft im Angebot hatten. Das war in der sozialistischen Mangelwirtschaft noch zehn Jahre zuvor keine Selbstverständlichkeit gewesen. Seit den 1970er-Jahren stiegen die Verkaufszahlen deutlich an.18 Nicht nur im Alltag wurden die Fahrräder benutzt. Fahrradtouren spielten ab Ende der 1970er-Jahre eine zunehmend größere Rolle für den Tourismus in Ungarn.19 In den 1980er-Jahren erschienen die ersten Fahrradtourenführer und Fahrradkarten.20 Wegen der eingeschränkten Reisefreiheit und dem staatsozialistischen Wohlfahrtssystem wurde der inländische Tourismus staatlich gefördert. Die wichtigste Veränderung seit den 1970er-Jahren war aber nicht der Radverkehr, sondern der immer stärker wachsende Autoverkehr auf den Straßen des Landes.21 Diese Entwicklung bildete den Rahmen für die in den 1980er-Jahren einsetztende Neuverortung des Radverkehrs.

16 Vgl. Gál, Mit keresnek – mit kínálnak a kerékpár szaküzletekben? [Was suchen sie – was bieten sie in den Fahrradfachgeschäften?]; vgl. Szűts, Dénes: A bicikli reneszánsza [Die Renaissance des Fahrrades]. In: Népszava 113 vom 15.5.1971, 3. 17 Vgl. Varsa, Endre: Magyar kerékpárok. A magyar kerékpárgyártás története [Die ungarischen Fahrräder.] A magyar kerékpárgyártás története [Die ungarische Fahrräder. Geschichte der Fahrradproduktion in Ungarn]. Budapest 2008, 101. 18 Vgl. Püspök, István: Az országos kerékpárút-építési program [Landesweites Radwegebauprogram]. In: Városi Közlekedés 28/4 (1988), 182–183, hier: 183. 19 Vgl. Szy: Tények és kerekek [Fakten und Räder]. In: Népszava 69 vom 23.3.1983, 5. 20 Vgl. Kristóf, Karlovitz / Endre, Kiss / Ágnes, Padányi: Kerékpáros útikalauz magyarországi kerékpárutakkal [Fahrradreiseführer mit Fahrradwegen in Ungarn]. Budapest 1989. 21 Vgl. Tardos, János: Két keréken [Auf zwei Rädern]. In: Népszava 118 vom 21.5.1978, 4.

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Die 1980er-Jahre: Radfahren in der sozialistischen Planwirtschaft

Langsame Motorisierung der Gesellschaft »Mein Schwager wartet seit drei Jahren auf einen Trabant, und das ist sein einziger Wunsch, diesen Trabant zu haben. Was soll ich ihm sagen? Dass er nicht mehr auf die Straße passt?«22 Dieses Zitat fiel auf einer Sitzung des Exekutivkomitees des Budapester Stadtrates, dem zentralen Steuerungsorgan der Hauptstadt, während des Sozialismus. Es war das Jahr 1978. Das zitierte Mitglied des Komitees war sichtlich besorgt darüber, dass die Hauptstadt den Autoverkehr nicht mehr ausreichend organisieren kann. Dieses Problem beschäftigte die Machthaber und die Verkehrsfachleute seit Anfang der 1970erJahre, als der Verkehr auf den Straßen zu wachsen begann. Dabei war die Motorisierung der ungarischen Gesellschaft vergleichsweise langsam verlaufen. Dies war einerseits politisch gewollt, andererseits lag es daran, dass Ungarn keine eigene Autoindustrie hatte. Die Importe aus anderen sozialistischen Ländern innerhalb des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe kam dem Bedarf nicht nach. Der Autoimport und der Handel mit Gebrauchtwagen standen unter strenger staatlicher Aufsicht.23 Die Autokäuferinnen und Autokäufer mussten nach der Einzahlung des Kaufbetrags einige Jahre auf ihr Auto warten. Die Regelungen für den Autohandel wurden erst in den 1980er-Jahren gelockert, als dieser auch für Privatpersonen geöffnet wurde. So kann für Ungarn erst ab den 1980er-Jahren von einer echten Massenmotorisierung die Rede sein. Im Jahr 1983 waren 1,2 Millionen Pkw in Ungarn zugelassen, doppelt so viele als zehn Jahre zuvor.24 Bis dahin war der Autoverkehr im Land gering gewesen. Grund für den Zuwachs war eine politische Entscheidung in den 1970er-Jahren: Die politische Elite des Landes verfolgte nach der Revolution von 1956 eine Politik der Machtkonsolidierung. Durch Konsummöglichkeiten und eingeschränkte Reisefreiheiten versuchte sich die Führung, Frieden und politische Unterstützung zu erkaufen.25 In den 1950er-Jahren waren noch alle Personenkraftwagen des Landes in staatlichem Besitz. Das Autofahren war damit lange Zeit ein Privileg der Parteielite und einiger weniger Berufs22 1978. augusztus 2. – Budapest Főváros Tanácsa Végrehajtó Bizottsága üléseinek jegyzőkönyvei [2.8.1978  – Protokoll des Exekutivkomitees des Stadtrates von Budapest]. Budapest Főváros Levéltára, HU BFL XXIII .102.a.1, 1–260, 119, URL : http://library. hungaricana.hu/hu/view/HU_BFL_XXIII_102_a_1_1978-08-02, (am 5.5.2016). 23 Vgl. Valuch, Tibor: Hétköznapi élet Kádár János korában [Alltagsleben in Zeiten von ­János Kádár]. 4. Budapest 2012, 90 f. 24 Vgl. Frisnyák, Zsuzsa: Bevezetés [Einführung]. In: Frisnyák, Zsuzsa (Hg.): Közlekedés, politika, 1945–1989 [Verkehr, Politik, 1945–1989]. Budapest 2011, 3–108, hier: 81. 25 Vgl. Valuch, Tibor: Csepel bicikli, Caesar konyak, Symphonia, Trapper farmer. A fogyasztás és a fogyasztói magatartás változásai a szocialista korszakban [Csepel Fahrrad, Caesar Kognac, Symphonia, Trapper Jeans. Die Veränderung des Konsums und des Konsumverhaltens in der sozialistischen Ära]. In: Múltunk 3 (2008), 40–59, hier: 43 f.

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gruppen.26 Ab den 1960er-Jahren öffneten die ungarischen Politikerinnen und Politiker den Zugang für alle. Das Auto wurde zu einem wichtigen Konsumgut mit großer Symbolkraft – und das Streben nach einem eigenen Pkw zu einer gesellschaftlichen Norm.27 Die Autonutzung veränderte den Lebensstil sowie das Freizeitverhalten der Bevölkerung und förderte den Tourismus. Lange Zeit galten das Fahrrad und das Motorrad als einzige Möglichkeiten des Individualverkehrs.28 Das Auto eröffnete die nächste Ebene der motorisierten Bewegungsfreiheit. Delikat war, dass der Autokauf die Einkommensunterschiede zwischen gesellschaftlichen Gruppen sichtbar machte – und das in einer Gesellschaft, in der der Ausgleich sozialer Unterschiede politisches Programm war.29 Autobesitzerinnen und Autobesitzer waren überdurchschnittlich häufig Teil der Mittelschicht und wohnten meist in der Hauptstadt.30 Der Staat hatte einige Herausforderungen zu bewältigen, etwa die Asphaltierung von Straßen sowie den Ausbau des landesweiten Schnellstraßennetzes für den Lasten- und Personenverkehr. Bezeichnenderweise ließ Parteisekretär János Kádár die erste Autobahnverbindung zwischen Budapest und dem Plattensee bauen, damit die Erholungssuchenden aus der Hauptstadt schneller zu ihren Ferienhäusern am See kamen.31 Weitere Hürden waren die Einrichtung eines flächendeckenden Netzes von Tankstellen und Werkstätten sowie eines Systems zum Vertrieb von Ersatzteilen.32 Die Bautätigkeit bedeutete eine Intensivierung des bereits in der Zwischenkriegszeit begonnenen Ausbaus zur Steuerung des motorisierten Verkehrs. Im ersten Jahrzehnt nach der kommunistischen Machtübernahme von 1948/49 26 Vgl. Péteri, György: Streetcars of desire: cars and automobilism in communist Hungary (1958–1970). In: Social History 34/1 (2009), 1–28. 27 Vgl. Karlaki, Orsolya: Autó-mobil? Személygépkocsi-használat  a Kádár-korszakban [Auto-mobil? PKW-Nutzung in der Kádár-Ära]. In: Múltunk 3 (2008), 84–97, hier: 84. 28 Vgl. Szalkai, Gábor: A  közúti forgalom változása Magyarországon 1869–2006. Doktori értekezés [Die Veränderung des Straßenverkehrs in Ungarn, 1869–2006]. Budapest 2008, URL : https://docplayer.hu/16310380-Szalkai-gabor-a-kozuti-forgalom-valtozasamagyarorszagon-1869-2006.html (am 1.1.2017), 83. 29 Péteri analysierte diese Widersprüchlichkeiten am Beispiel der Zeichnungen der Karikaturzeitschrift Ludas Matyi. Vgl. Péteri, Streetcars of desire: cars and automobilism in communist Hungary (1958–1970). 30 Vgl. Valuch, Tibor: A bőséges ínségtől az ínséges bőségig. A fogyasztás változásai Magyarországon az 1956 utáni évtizedekben [Von der reichlichen Bedürftigkeit zum bedürftigen Reichtum. Die Veränderung des Konsums in Ungarn in den Jahrzehnten nach 1956], 1–12, hier: 3. 31 Vgl. M7-es autópálya (Magyarország) [Autobahn M7 (Ungarn)], URL: https://hu.wiki​ pedia.org/wiki/M7-es_autopá1ya_(Magyarország) (am 5.5.2016). 32 Den bisher einzigen Überblick über die Automobilität im Sozialismus bot der Konferenzband von Lewis Siegelbaum. Vgl. Siegelbaum, Lewis H. (Hg.): The socialist car. Automobility in the Eastern Bloc. Ithaca 2011.

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Die 1980er-Jahre: Radfahren in der sozialistischen Planwirtschaft

war dieser Prozess vorübergehend unterbrochen, da die neuen Machthaber ihre Prioritäten auf die Schwerindustrie und die Kontrolle der Gesellschaft legten. Die konkrete Umsetzung der neuen Ordnungsvorstellung im Straßenverkehr erfolgte in den 1970er-Jahren durch die Verkehrsplanung und ihre entsprechenden Institutionen. Beispielsweise übernahm Ungarn 1975 das Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr, eine internationale Vereinbarung zur Straßenverkehrsordnung aus dem Jahr 1968.33 Die zunehmende Motorisierung veränderte die Spielregeln auf der Straße. Bereits Anfang der 1970er-Jahre stiegen die Geschwindigkeiten an, was zu einer steigenden Zahl von Unfällen führte.34 Anfang der 1970er-Jahre setzte die Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen Ungarn wegen seiner verhältnismäßig hohen Zahl an Unfällen verglichen mit dem relativ geringen Verkehrsaufkommen in einem Acht-Länder-Vergleich auf Platz sechs.35 Die hohe Zahl an Toten und Verletzten − in der Presse wurden 8000 Todesfälle und 16.000 Verletzte für eine sechsjährige Periode seit Mitte der 1960er-Jahre gezählt − war eine Folge der neuen, schnellen Fahrzeuge im Straßenverkehr.36 Zwar war die Massenmotorisierung ein politisch gewollter und von der Bevölkerung erwünschter Prozess. Dennoch war der menschliche und volkswirtschaftliche Schaden so hoch, dass die Politik gezwungen war, nach Lösungen zu suchen, um die Risiken zu begrenzen.37 Dabei konnte sie auf vielfältige internationale Erfahrungen zurückgreifen.38 Der stellvertretende Post- und Verkehrsminister Dezső Kiss bezeichnete im Jahr 1972 in einem offenen Brief den Verkehr als eine gesellschaftliche Frage und erklärte die Einhaltung von Verkehrsregeln und das sicherheitsbewusste Autofahren zu neuen gesellschaftlichen Werten.39 Die Verkehrssicherheit wurde in den 1970er-Jahren ein Schlüsselbegriff der Verkehrspolitik und der Presse in Ungarn. Zur Umsetzung gründete der Ministerrat im Jahr 1972 33 Vgl. M. Ime: A KRESZ története [Geschichte der Straßenverkehrsordnung], URL: http:// autovezetes.network.hu/blog/kozlekedes_klub_hirei/a-kresz-tortenete (am 5.5.2016). 34 Vgl. Ohne Verfasser: Növekedett a közúti balesetek száma [Die Anzahl der Verkehrsunfälle nahm zu]. In: Népszava 100 vom 30.4.1970, 1. 35 Vgl. 1975. október 29. – Budapest Főváros Tanácsa Végrehajtó Bizottsága üléseinek jegyzőkönyvei [29.10.1975 – Protokoll des Exekutivkomitees des Stadtrates von Budapest]. Budapest Főváros Levéltára, HU BFL XXIII .102.a.1, 1–534, URL: http://library.hungaricana. hu/hu/view/HU_BFL_XXIII_102_a_1_1975-10-29 (am 5.5.2016), 211. 36 Vgl. Kiss Dezső: Közlekedésünk – közügy [Der Verkehr – eine kollektive Sache]. In: Népszava 42 vom 19.2.1972, 11. 37 Vgl. Frisnyák, Zsuzsa: 33. Közúti balesetek [Verkehrsunfälle: 33.]. In: Frisnyák, Zsuzsa (Hg.): Közlekedés, politika, 1945–1989 [Verkehr, Politik, 1945–1989]. Budapest 2011, 264–271, hier: 264. 38 Siehe Per Lundins Vortrag zu Göteborg. Vgl. Tagungsbericht: Städtische Automobilität im Wandel / Urban automobility in transition. In: H-Soz-Kult, 1–3, URL: https://www. hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-6466 (am 1.1.2016), hier: 2. 39 Vgl. Kiss Dezső, Közlekedésünk – közügy [Der Verkehr – eine kollektive Sache].

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die Behörde Országos Közlekedésbiztonsági Tanács [Ausschuss für Verkehrssicherheit]. Diese Behörde wurde fortan zu einem zentralen Steuerungsorgan der Sicherheitsstandards und der Verkehrserziehung. Sie organisierte landesweite Veranstaltungen sowie Schulwettbewerbe und warb mit Verkehrs- und Lehrfilmen für mehr Regeltreue und Verantwortungsbewusststein im Straßenverkehr.40 Ein besonderer Akzent lag auf den Kindern.41 Sie stellten statistisch gesehen eine besonders gefährdete Altersgruppe dar. Die Verkehrshistorikerin Jennifer Bonham nannte diese Verkehrserziehungsmaßnahmen im Rückgriff auf Michel Foucault eine Disziplinierung der im Verkehr teilnehmenden Personen. »The body of the traveller  – motorist, pedestrian, child  – is not  a ›natural‹ body but  a body worked upon through relations of power and knowledge to conduct the journey in particular ways.«42 Als Grundlage dieser Vorgänge identifizierte Bonham die Entwicklung der Verkehrstechnologien, die seit Ende des 19. Jahrhunderts zu einem zunehmend objektivierten und rationalisierten Verständnis von Verkehr als Fortbewegung zwischen zwei Punkten führte.43 Die Priorisierung des motorisierten Verkehrs, so Bonham, war eine Folge dieser auf Effizienz ausgelegten universellen Denkweise. Diese Neuordnung der Mobilität im Interesse des motorisierten Individualverkehrs beschreibt der vom englischen Soziologen John Urry geprägte Begriff Automobilität.44 Nach seiner Definition ist letztere eine umfassende hegemoniale Ordnung, die auf Lebensstil, Raumplanung und Verkehrspolitik gleichzeitig einwirkt.45 Insofern ist die Geschichte der Massenmotorisierung in Ungarn Teil einer Entwicklung, die jenseits einzelner Nationalstaaten universell verlaufen ist, und überall von Politikerinnen und Politikern, Stadtplanungs- und Verkehrsfachleuten umgesetzt wurde. Die Folgen dieser tiefgreifenden Veränderung in Ungarn stellten den Radverkehr im Lande in ein neues Licht.

40 Moldován, Tamás: Május: Közlekedésbiztonsági hetek [Mai: Wochen für Verkehrssicherheit]. In: Népszava 108 vom 8.5.1976, 11; S. A.: Kerékpáron az iskolában [Auf dem Fahrrad in die Schule]. In: Népszava 57 vom 8.3.1980, 12. 41 Vgl. N. N.: A  gyermekbalesetek megelőzése  –  a felnőttek kötelezettsége. Nyilatkozik  a rendőr, az orvos, a tanár, a gyerek [Die Verhinderung von Kinderunfällen – Pflicht der Erwachsenen. Der Polizist, der Arzt, der Lehrer, das Kind äußern sich]. In: Népszava 204 vom 1.9.1973, 13–14. 42 Bonham, Jennifer: Part Two Governing Automobility. Transport: disciplining the body that travels. In: The Sociological Review 54 (2006), 55–74, hier: 57. 43 Vgl. ebd., 58. 44 Vgl. Urry, J.: The ›System‹ of Automobility. In: Theory, Culture & Society 21/4–5 (2004), 25–39. 45 Vgl, ebd., 27.

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Radfahren zwischen Freizeitvergnügen und Gefahr Das gestiegene Interesse der Presse am Radfahrenden in den 1970er-Jahren lag vor allem an der hohen Unfallgefahr. In der neu eingeführten Unfallstatistik landete das Radfahren direkt auf Platz zwei.46 Zur Vorbeugung von Unfällen plädierten die Zeitungen für ein Miteinander von Fahrrädern und Autos auf den Straßen, für mehr Toleranz sowie für mehr Schutz der schwächeren Verkehrsteilnehmer.47 Verkehrsfachleute, Vertreter von Radsportorganisationen und sogar Busfahrer sprachen sich in der Presse für den Bau von Radwegen aus.48 Ungarn schnitt hier im Vergleich zu anderen Ländern nämlich schlecht ab, wie ein Journalist kritisch bemerkte. Anfang der 1980er-Jahre gab es insgesamt nur 65 Kilometer separate Fahrradwege und 53 Kilometer Fahrradstreifen für die Radfahrenden im Land.49 Dies bedeutete einen großen Rückstand verglichen mit den Bemühungen anderer sozialistischer Länder, nicht zu reden von den über 22.000 Kilometer langen bundesdeutschen, 8.000 Kilometer langen niederländischen und 6.000 Kilometer langen französischen Radwegenetzen. Und sogar in Finnland waren insgesamt 4.500 Kilometer lange Fahrradwege gebaut worden.50

Diese Beispiele anderer sozialistischer oder kapitalistischer Staaten war für die Presse ein wichtiges Argument, ähnliche Programme auch in Ungarn einzufordern.51 Zu ihren Sympathiebekundungen für die schwächeren und schutzlosen Radfahrenden traten aber auch Schuldzuweisungen. Die Journalistinnen und Journalisten kritisierten den nicht verkehrsgerechten Zustand vieler Fahrräder – allen voran ihre fehlende Beleuchtung – sowie die fehlenden Grundkenntnisse der Radfahrenden zur gültigen Straßenverkehrsordnung.52 Noch kritischer sahen die Zeitungen die Nachlässigkeit und den Leichtsinn 46 Vgl. Petress, István: A kerékpárosok. Az élet előny [Die Radfahrenden. Leben ist von Vorteil]. In: Népszava 249 vom 21.10.1972, 11. 47 Vgl. Szabó, László: Kiszorított biciklisek [Die rausgedrängten Radfahrenden]. In: Népszabadság vom 4.9.1982, 5. 48 Vgl. Bencsik, András: Kerékre, magyar [Auf das Fahrrad, Ungar!]. In: Népszava 260 vom 3.11.1983, 1; vgl. B. A.: Hat milliméter kerékpárút [Sechs Minimeter Radweg]. In: Nép­ szava 229 vom 28.9.1983, 1; vgl. -ben-: Lakosonként tizenegy miliméter kerékpárút [Elf Millimeter Fahrradweg pro Einwohner]. In: Népszava 128 vom 1.6.1983, 12; vgl. Weidinger, László: Kerékpár − mellékutakon [Fahrrad − in den Seitenstraßen]. In: Népszava 126 vom 31.5.1981, 6. 49 Vgl. Szálka, Miklós: A kerékpáros közlekedés magyarországi problémái [Die Probleme des Radverkehrs in Ungarn]. In: Városi Közlekedés 24/2 (1984), 73–76, hier: 75. 50 Weidinger, Kerékpár − mellékutakon [Fahrrad − in den Seitenstraßen]. 51 Vgl. Moldován, Tamás: Közérdekű, időszerű közlekedési kérdésekről [Über gesellschaftsrelevante, aktuelle Verkehrsfragen]. In: Népszava 110 vom 25.4.1982, 11. 52 Vgl. V. Zs.: A szakszervezetek a közlekedés biztonságáért [Die Gewerkschaften für Verkehrssicherheit]. In: Népszava 103 vom 5.5.1979, 11; vgl. m.t.: A kerékpárosoknak is is-

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der Radfahrenden, namentlich Kinder, Frauen, ältere Menschen oder alkoholisierte Erwachsene.53 Als eine wichtige Aufgabe zur Prävention von Fahrradunfällen propagierten Presse und Fachleute deshalb die Verkehrserziehung der Radfahrenden.54 Der Ausschuss für Verkehrsicherheit ließ 1979 und 1983 zwei Lehrfilme für Radfahrende drehen.55 Diese Filme demonstrierten, wie sich der Radverkehr an den motorisierten Verkehr anpassen sollte. Dargestellt wurden besonders gefährliche Verhaltensformen der Radfahrenden, etwa das Fahren unter Alkoholeinfluss, die Missachtung von Vorfahrtsregeln und der Fahrtrichtung in Einbahnstraßen, die Nichtbeachtung der Radwegbenutzungspflicht, das Radiohören während des Radfahrens, das Loslassen des Lenkers, die Überladung des Fahrrades mit Gütern oder die Mitnahme von Zweitpersonen unterhalb der Altersbeschränkung von 18 Jahren. Besonders im Gedächtnis bleiben aus diesen Filmen zwei Interviewsequenzen, in denen eine ältere Dame und ein ärmlich gekleideter Landarbeiter, beide Radfahrende, ihr Unwissen über die Straßenverkehrsschilder offenbaren. Die im Anschluss eingeblendeten Aufnahmen über tödliche Fahrradunfälle auf Landstraßen erklären den Zuschauerinnen und Zuschauern, dass die Radfahrenden aufgrund ihrer fehlenden Kenntnisse der Verkehrsregeln eine Mitschuld an diesen Unfällen tragen. Deswegen sei die Verkehrserziehung durch diesen Film so wichtig. Da es damals nur zwei staatliche Fernsehkanäle gab, erreichten die Verkehrsfilme einen großen Bekanntheitsgrad. Die Lehrfilme sind einerseits wertvolle Zeitdokumente für eine vom Radverkehr geprägte Gesellschaft, in der das Fahrrad für viele im Alltag das einzige Mittel der individuellen Fortbewegung war. Hierzu wurden bereits die Verkehrsstatistiken der Städte der Ungarischen Tiefebene angeführt. Andererseits drücken die Lehrfilme die vorherrschende Einstellung der meinungsbildenden Gruppen zum Radverkehr aus: Radfahrende sind zu wenig geschützt, handeln aber auch selbst unverantwortlich. Auffallend an der journalistischen Berichterstattung und den Lehrfilmen ist, dass zumeist über die Radfahrenden, aber nur selten mit ihnen gesprochen wurde. Sie kamen kaum zum Wort – oder nur, um sie vorzuführen. Kinder, mernük kell  a KRESZ előírásait [Die Radfahrenden müssen auch die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung kennen]. In: Népszava 207 vom 2.9.1966, 1; vgl. Miklós, Dezső: Pedálos veszedelem [Pedalierende Gefahr]. In: Népszava 256 vom 29.10.1967, 1. 53 Vgl. Tardos, Két keréken [Auf zwei Rädern]. 54 Vgl. Petress, A  kerékpárosok. Az élet előny [Die Radfahrenden. Leben ist Vorteil]; vgl. Ohne Verfasser: Közlekedés kerékpárral, segédmotorral [Verkehr mit Fahrrad, Motorrad]. In: Népszava 19 vom 22.1.1978, 6. 55 Vgl. Országos Közlekedésbiztonsági Tanács: A biztonságos kerékpározásról [Über sicheres Radfahren] 1979, URL: http://youtu.be/kkbvqjc54uQ, (am 1.1.2017); vgl. dass.: Pedál példák [Beispiele des Pedalierens] 1983, URL: http://youtu.be/XKjVj-khXfg, (am 1.1.2017).

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Jugendliche oder ältere Menschen wurden so zu passiven, stimmlosen Figuren gemacht. Diese Perspektive basierte zum einen auf der Selbsverständlichkeit des motorisierten Verkehrs auf den Straßen, stellte zum anderen aber den Radverkehr als ernstzunehmende Form der alltäglichen Mobilität in Frage. Nicht zuletzt verletzte diese Form der Berichterstattung die Würde der Radfahrenden selbst. Zugegebenermaßen verwendeten die Lehrfilme zu dieser Zeit den gleichen paternalistisch bevormundenden Tonfall aber auch, um auf Fehler von Autofahrerinnen und Autofahrern im Alltagsverkehr aufmerksam zu machen. Diese Befunde zeigen, dass sich die ungarische Gesellschaft seit den 1970er-Jahren zu einer Autogesellschaft entwickelte  – und der Radverkehr infolgedessen zu einem Verkehrssicherheitsproblem. Als besonders dringlich erschien deshalb in den Augen der Zeitgenossen der Ausbau von Radwegen, um Unfälle zu vermeiden und um weiterhin Platz für die Autos auf den Straßen zu schaffen.

2.2 Radwegebau als neue Planungsaufgabe Gründe: Umweltschutz und Ölpreisanstieg? Das gestiegene Unfallrisiko war auch für die politische Beschäftigung mit den Themen Radverkehr und Radwegebau ausschlaggebend. Allerdings dürfte es nicht der einzige Grund gewesen sein. Die sogenannten Ölpreisschocks in den Jahren 1973 und 1979 waren in westeuropäischen Gesellschaften der Aus­ löser für zivilgesellschaftliche Gruppen, nach alternativen Verkehrsformen zu suchen und diese zu propagieren. Beispiele dafür waren die staatlich verordneten Autofreien Sonntage, die quer durch die westlichen Industrienationen durchgeführt wurden, um Sprit zu sparen.56 Als Nebeneffekt wurden diese Räume zumindest zeitweise für den Radverkehr in Städten freigegeben. In den 1970er-Jahren setzten Fahrradorganisationen und neu gegründete ökologische Gruppierungen in diesen Ländern das Fahrrad als umweltfreundliche und fossilfreie Alternative zum Automobil auf die Tagesordnung, und bald darauf begannen viele Städte mit dem Ausbau ihrer Radwegenetze.57 Dadurch rückte das Fahrrad in diesen, ansonsten hochgradig motorisierten Gesellschaften zurück ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Das Fahrrad wurde zum »grünen Verkehrsmittel« mit großer symbolischer Kraft. Diese historische Verbindung zwischen gesellschaftlichen Umweltbewegungen und dem Wan-

56 Vgl. Oldenziel, Bicycling & Driving in Europe, 161. 57 Vgl. ebd.

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del der städtischen Verkehrspolitik ist ein bislang noch ein wenig erforschtes Thema der Zeitgeschichte.58 Der Anstieg des Ölpreises und die sinkende Wettbewerbsfähigkeit aufgrund der Strukturkrise der Industrie brachten Ungarn zur gleichen Zeit in eine schwierige wirtschaftliche Situation. Ungarn bezog Öl zu günstigen Konditionen aus der Sowjetunion, ebenso wie andere staatsozialistische Länder in Osteuropa. Aber ab 1975 verlangte auch die Sowjetunion von den sozialistischen Bruderstaaten Weltmarktpreise für das Erdöl.59 In der Folge stieg auch in Ungarn der Benzinpreis zu Beginn der 1980er-Jahre deutlich an. Zwar dämpfte das Eingreifen des ungarischen Staates den »Ölpreisschock« für die Verbraucherinnen und Verbraucher im Land ab, allerdings trug diese Subventionierung weiter zur Verschuldung des Staates bei. Im Jahr 1982 bewahrte der Beitritt zum Internationalen Währungsfonds Ungarn nur knapp vor dem Staatsbankrott.60 Wichtig zu erwähnen ist an dieser Stelle, dass Sparpolitik oder Umweltinitiativen nicht von der Bevölkerung ausgingen, sondern vom Staat selbst gelenkt wurden. Die Volksrepublik Ungarn erließ in den 1970er-Jahren zeitgleich mit Westeuropa Umweltschutzgesetze, die auf die Initiative einzelner Akteure zurückgingen.61 Für die Einhaltung dieser Gesetze tat die ungarische Staatsführung allerdings wenig. Zu Beginn der 1980er-Jahre setzte in Ungarn eine verstärkte planungspolitische Beschäftigung mit dem Radverkehr ein. Ob es eine direkte Verbindung zwischen den dringend notwendigen Sparmaßnahmen, dem staatlich initiierten Umweltschutz und der neuerlichen Aufmerksamkeit für den Rad­ verkehr in Ungarn gab, muss noch weiter untersucht werden. Letztlich war der 58 Vgl. Reid, Carlton: Bike Boom: The Unexpected Resurgence of Cycling. Washington 2017; Reid, Carlton: Pedal-ins and car burials: what happened to America’s forgotten 1970s cycle boom? In: The Guardian vom 16.06.2017, URL : https://www.theguardian.com/ cities/2017/jun/16/pedal-ins-patchouli-bikeology-americas-forgotten-1970s-cycle-boom (am 16.6.2017). 59 Vgl. Perović, Jeronim / Krempin, Dunja: »The Key is in Our Hands«. Soviet Energy Strategy during Détente and the Global Oil Crises of the 1970s. In: Historical Social Research 39/4 (2014), 113–144, hier: 133. 60 Vgl. Romsics, Ignác: A Kádár-rendszer legitimitásvesztése az 1980-as években [Der Legitimitätsverlust des Kádár-Systems in den 1980er Jahren]. Elhangzott az Egy Emberibb Világért Alapítvány által szervezett pódiumbeszélgetésen. – Budapest, 2009. május 28. [Rede beim Podiumsgespräch der Stiftung Egy Emberibb Világért. Budapest am 28. Mai 2009]. URL : http://www.rubicon.hu/magyar/oldalak/a_kadar_rendszer_legitimitasvesztese_ az_1980_as_evekben/ (am 5.5.2016). 61 Vgl. Csutora, Mária: Környezeti kihívások és válaszok: Magyarország hozzájárulása  a világ környezeti problémáihoz, 1960–2005 [Herausforderungen der Umwelt und Antworten: Ungarns Beitrag zu den Umweltproblemen der Welt, 1960–2005]. In: Majtényi, György / Szabó, Csaba (Hg.): Rendszerváltás és Kádár-Korszak [Systemwechsel und die Kádár-Ära]. Budapest 2008, 375–398, hier: 376 f.

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Radverkehr volkswirtschaftlich betrachtet ein unbedeutendes Segment der ungarischen Verkehrspolitik. Restriktionen und fehlende Daten Die Radverkehrsplanung hatte keine erwähnenswerte Vorgeschichte in der ungarischen Verkehrswissenschaft. Die verkehrstechnische Regulierung des Radverkehrs bestand seit der Zwischenkriegszeit vor allem aus Verboten.62 Im Jahr 1972 kam ein weiteres hinzu. Der Parteibeschluss Nr. 2024/1972 untersagte auf 1947 Kilometern Landstraße den Radverkehr und den Verkehr landwirtschaftlicher Fahrzeuge wegen zu hohen Verkehrsaufkommens.63 Diese Vorschrift hatte zweierlei zum Ziel: Einerseits sollten Fahrradunfälle vermieden, andererseits hohe Geschwindigkeiten für Autos und Lastwagen ermöglicht werden.64 Darüber hinaus war es wichtig, strategische Routen für die militärische Verteidigung des Landes zu sichern. Die weiterhin steigende Zahl von Fahrradunfällen war für die Verkehrsfachleute und für die Politik ein Beleg dafür, dass das Fahrrad trotz der zahlreichen Restriktionen weiterhin im Alltag benutzt wurde – und deshalb eine verkehrsplanerische Lösung notwendig war. Ein grundlegendes Problem war, dass die Verkehrszählungen wenig Auskunft über den Radverkehr gaben. Da der Radverkehr im 20. Jahrhundert nicht Teil des Zukunftsbildes der ungarischen Verkehrsplanung war, tauchte er in den Verkehrszählungen nur selten als eigene Kategorie auf. So wurden Radfahrende oftmals gemeinsam mit den motorisierten Zweirädern mit einem maximalen Hubraum von 50 cm³ erfasst.65 In Budapest wurde die Kategorie der Radfahrenden nach 1963 sogar gänzlich aus den regelmäßigen Verkehrszählungen entfernt.66 Erst ab den 1980er-Jahren gab es in Budapest vereinzelt Radverkehrszählungen. Die Wiederaufnahme der Radfahrenden in die regelmäßigen Verkehrszählungen ließ bis ins 21. Jahrhundert auf sich warten. Die Koller-Tagung als internationaler Begegnungsraum Die ungarische Verkehrswissenschaft war seit ihrer Gründung in den 1920erJahren eine transnational ausgerichtete Disziplin, und ihre Vertreterinnen 62 Vgl. Koller, Sándorné: A hazai kerékpárosforgalom helyezet [Die heimische Lage des Radverkehrs]. Budapest 1982. 63 Vgl. Szálka, A kerékpáros közlekedés magyarországi problémái [Die Probleme des Radverkehrs in Ungarn], 75. 64 Vgl.Tóth, Katalin: Interview mit Gábor Balogh über die Arbeit als Verkehrsingenieur und über die Erfahrungen des Fahrradbundes. Budapest 26.6.2015. 65 Vgl. Szalkai, Gábor: A  közúti forgalom változása Magyarországon 1869–2006. Doktori értekezés [Die Veränderung des Straßenverkehrs in Ungarn, 1869–2006]. Budapest 2008, URL : https://docplayer.hu/16310380-Szalkai-gabor-a-kozuti-forgalom-valtozasamagyarorszagon-1869-2006.html (am 1.1.2017), 78. 66 Szalkai, Gábor: Persönliche Mitteilung per Email am 3.9.2015.

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und Vertreter verstanden sich als Mitglieder einer technokratischen Wissensgemeinschaft jenseits der Politik.67 Aufgrund der Verwissenschaftlichung und Mathematisierung des Fachs gab es eine gemeinsame mathematisch-technokratische Sprache über das Verkehrsgeschehen, was die Weitergabe von Zahlen, Grafiken, und Erfahrungen über Grenzen hinweg erleichterte. Das Thema Radverkehrsplanung zeigt exemplarisch, wie »der Westen« als Maßstab diente, wie die transnationalen Netzwerke der Verkehrswissenschaftler funktionierten und welche Argumentationsmuster und Planungskonzepte für den ungarischen Radverkehr übernommen wurden. Seine Expertise zur Radverkehrsplanung bezog Ungarn hauptsächlich aus dem Ausland.68 Einen Anlass zum Austausch bot die deutschsprachige Tagung Internationale wissenschaftliche Beratung für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik in Budapest im Jahr 1981, die als Auftaktveranstaltung für die Radverkehrsplanung in Ungarn betrachtet werden kann. Die Tagung wurde seit 1970 jährlich vom Közlekedéstudományi Egyesület [Verkehrswissenschaftlicher Verein] veranstaltet. Sándor Koller, Veranstalter und Leiter der Reihe, war Professor an der Technischen Universität Budapest und ein anerkannter Fachmann für urbane Verkehrsplanung. Für das ungarische Ingenieurswesen gaben die deutschsprachigen Länder, allen voran die Bundesrepublik Deutschland, eine wichtige Orientierung vor, weshalb die Tagung auf Deutsch abgehalten wurde. Während des Kalten Krieges bot diese Tagung eine der wenigen Möglichkeiten für fachlichen Austausch auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs und schuf die Grundlage für ein funktionierendes wissenschaftliches Netzwerk. Auch das Selbstbild des Faches als ideologiefreie Disziplin wurde dadurch bekräftigt.69 Die Themen des Treffens legte Sándor Koller persönlich fest. 1981 wählte er als Tagungsthema die Verbesserung des Fußgänger- und Radverkehrs in den Städten aus. Der gewöhnliche Ablauf dieser Tagungen sah vor, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre jeweiligen Stellungnahmen im 67 Vgl. Király, Kálmán: A milanói útügyi kongresszusról [Über den Internationalen Straßenkongress in Mailand]. In: Magyar Mérnök- és Építész-Egylet Közlönye [Offizielles Organ des Ungarischen Ingenieur- und Architekten-Vereins] 61/1–2 (1927), 1–8.; Király, Kálmán / Viola, Rezső: A müncheni nemzetközi útügyi kongresszus [Internationaler Straßenkongress in München]. In: Városi Szemle 21/3 (1935), 404–429. 68 Vgl. Koller, Sándorné: Javaslat a kerékpáros közelekedés fejlesztési programjára. Összefoglaló jelentés [Vorschläge für die Entwicklung des Radverkehrs. Zusammenfassung des Berichts]. Budapest 1984, 10. 69 Vgl. Toth, Katalin: Interview mit Miklós Szálka, Verkehrsingenieur der Firma Pro Urbe Kft. Budapest 16.6.2016; Barbara Schmucki zog in ihrer Forschung zum Planungsbild von Ingenieuren aus der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland dieselben Schlüsse. Vgl. Schmucki, Barbara: Der Traum vom Verkehrsfluß. Städtische Verkehrsplanung seit 1945 im deutsch-deutschen Vergleich. Frankfurt am Main 2001.

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Voraus einreichten und diese während der Tagung zum Erfahrungsaustausch dienten. Grundkonsens unter allen anwesenden Ingenieurinnen und Ingenieuren war, dass der Radverkehr trotz seiner Vorteile hinsichtlich Umweltschutz, Energieeinsparung und Gesundheit »verkehrsstörend« sei, weshalb spezielle Radinfrastrukturen benötigt würden.70 Das Protokoll der Tagung verdeutlicht den Wissensvorsprung und die Autorität der Ingenieurinnen und Ingenieure aus den Niederlanden und der Bundesrepublik Deutschland bei diesem Thema.71 So legten die Fachleute aus den Niederlanden die Geschichte des Radwegebaus im eigenen Land dar und begründeten damit den hohen Radverkehrsanteil von rund 40 Prozent in einer motorisierten Gesellschaft.72 Die Verkehrsfachleute aus der Bundesrepublik Deutschland stellten neue Richt­ linien zum Radwegebau vor. Dabei stand die Frage im Fokus, ab welchem Verkehrsaufkommen auf einer Straße ein getrennter Fahrradweg gebaut werden sollte. Zusammenfassend ging es um eine konflikt- und unfallfreie Integration des Radverkehrs in das Gesamtverkehrssystem – unter unangefochtener Priorität des motorisierten Verkehrs. Die Vertreterinnen und Vertreter der Ostblock-Länder konnten aufgrund der größeren Bedeutung des öffentlichen Personennahverkehr und der vergleichsweise geringen Motorisierung der Gesellschaft kaum Beiträge zum Thema leisten. Allerdings boten die dargelegten Konzepte aus dem Ausland Orientierung für die Zukunft. Instrumente und Grundsätze der Radverkehrsplanung Die Tagung zur »Verbesserung des Fuß- und Radverkehrs« gab den Startschuss für die Radverkehrsplanung in Ungarn. Nach 1981 gab es zahlreiche Veröffentlichungen in Zeitschriften sowie einige Studien und Planungshilfen zum Radverkehr, welche die Themen der Tagung aufgriffen.73 Die wichtigste 70 12. Budapester Internationale Wissenschaftliche Beratung für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik über Verbesserung des Fußgänger- und Radverkehrs. 22–24. April 1981. Budapest 1981, 44. 71 Ebd., 45–48. 72 Vgl. ebd., 45. 73 Vgl. Koller, Sándor / Koller, Sándorné: A kerékpár-közlekedés fejlesztésének indoka és lehetőségei [Argumente und Möglichkeiten für die Förderung des Radverkehrs]. In: Közlekedéstudományi Szemle 32/6 (1982), 260–265; vgl. Koller, Sándorné: A kerékpáros közlekedés Magyarországon [Radverkehr in Ungarn]. In: Közlekedéstudományi Szemle 34/7 (1984), 296–305; vgl. Koller, Javaslat a kerékpáros közelekedés fejlesztési programjára. Összefoglaló jelentés [Vorschläge für die Entwicklung des Radverkehrs. Zusammenfassung des Berichts]; vgl. Koller, Sándorné / Koller, Sándor: A kerékpáros közlekedés segítésének legújabb külföldi tapasztalatai és hazai feladatai [Die neusten internationalen Erfahrungen und heimischen Aufgaben zur Förderung des Radverkehrs]. In: Közlekedéstudományi Szemle 38/8 (1988), 371–380.

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Radwegebau als neue Planungsaufgabe 

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Frage lautete: Wie lassen sich Radverkehr und motorisierter Verkehr durch Planungsinstrumente so voneinander trennen, dass es zu weniger Unfällen kommt? In Ungarn waren gleich mehrere Institutionen des Verkehrsfachs und der Planungswissenschaft für die Radverkehrsplanung zuständig. Eine war Közlekedéstudományi Intézet [Verkehrswissenschaftliches Institut, KTI], die führende Forschungsstelle der Verkehrswissenschaften, und zuständig für die landesweite Verkehrsplanung. Eine weitere war das Planungsinstitut Városépítési Tudományos és Tervező Intézet [Wissenschaftliches Planungsinstitut für Städtebau, VÁTI], ein interdisziplinär organsiertes Büro der Stadtplanung, das auch Verkehrspläne für verschiedene Städte in Ungarn entwarf und an internationalen Planungswettbewerben teilnahm. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beider Forschungsinstitute veröffentlichten sowohl Artikel und Studien als auch Planungshilfen für die Radverkehrsplanung im Land.74 Der Auftraggeber war mehrheitlich das Közlekedési Minisztérium [Ministerium für Verkehr]. Zwei Beispiele machen die Arbeit der Verkehrsplaner greifbarer. 1982 erstellte das KTI eine umfangreiche Studie zur Lage des Radverkehrs in Ungarn.75 Ziel war es, passende Instrumente für die künftige landesweite Förderung des Radverkehrs zu finden und Planungsschritte zur Reduzierung der hohen Unfallzahlen zu definieren. Die Studie verdeutlicht, wie wichtig die von den westeuropäischen Ländern gesetzten Standards waren. Aufgrund fehlender Expertise und mangels eigener Daten bezogen sich die Autorinnen und Autoren geradezu selbstverständlich auf die infrastrukturellen Bedingungen und die Praxis des Radwegbaus in Westeuropa.76 Gleichzeitig kritisierten sie, dass Ungarn den Radwegebau verschlafe. Viele westliche, teilweise aber auch sozialistische Staaten verfügten zum damaligen Zeitpunkt über mehr Radwege als Ungarn. In ihrer Studie griffen die Autoren deshalb auf die gesellschaftlich verankerten Narrative der »osteuropäischen Rückständigkeit« im Ost-West-Kontext zurück. Dies war schließlich auch das Erklärungsmuster für die vielen Unfälle, woraus nur eine Lösung folgte: mehr Radwege = weniger Unfälle. Wie die Autorinnen und Autoren errechneten, betrug die Länge der Fahrradwege in Ungarn nur sechs Millimeter pro Einwohner.77 Diese Zahl

74 Vgl. Szálka, Miklós: A kerékpárforgalom sajátosságainak vizsgálata, összefüggései a városrendezési tervek készítésével [Besonderheiten des Radverkehrs im Zusammenhang mit der Stadtplanung]. 6. sz. Szakmai Tájékoztató Oktober, 1982; vgl. Szilháti, Sándor: Kerékpárforgalmi létesítmények. Tervezési segédlet [Radverkehrsanlagen. Planungshilfe]. Budapest 1986. 75 Vgl. Koller, A hazai kerékpárosforgalom helyezet [Die heimische Lage des Radverkehrs]. 76 Vgl. ebd., 6–8. 77 Vgl. ebd., 73.

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wurde in der Presse zu einem Symbol dafür, wie groß der Nachholbedarf beim Thema Radwegbau in Ungarn war.78 Das zweite Beispiel ist eine Planungshilfe vom Planungsbüro für Stadt- und Regionalplanung VÁTI aus dem Jahr 1982, verfasst vom Verkehrsingenieur Miklós Szálka. Er begann mit der Feststellung, dass das Fahrrad in den ungarischen Kleinstädten ein bedeutendes Alltagsvehikel sei und der Radverkehr fast die Hälfte des gesamten Verkehrsaufkommens ausmache.79 Ebendies verlange nach einer besseren Planung als bisher. Auch Szálka sah die vordinglichste Lösung im Bau getrennter Radwege. Ein gültiges Regelwerk hierfür gab es in Ungarn bereits seit 1973. Dieses schrieb den Ausbau getrennter Radwege vor, sobald das Verkehrsaufkommen 400 Personenkraftwagen pro Stunde und 500 Radfahrende pro Tag auf demselben Straßenabschnitt überstieg. Diese Zahlen waren mit hoher Wahrscheinlichkeit an Vorschriften aus der Bundesrepublik Deutschland angelehnt, die − wie der Autor bemerkt − ähnliche Zahlen vorgab.80 Zur Einhaltung dieser Regel fehlten bis in die 1980er-Jahre hinein allerdings sowohl das politische Interesse als auch die finanziellen Mittel zur Bereitstellung eines separaten Radwegenetzes.81 Folgende Abbildungen, sogenannte Lichtraumprofile im Straßenquerschnitt, verdeutlichen die vorherrschende konkrete Vorstellung eines Fahrradweges in Ungarn. Die Umgrenzungslinien der jeweiligen Fahrzeuge markieren deren spezifische Fahrräume. Angelehnt waren die Lichtraumprofile an eine Veröffentlichung der Berliner Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen zu Radverkehrsanlagen aus dem Jahr 1982.82 Radfahrende wurden anhand von Größe und Flächenverbrauch im Verhältnis zum motorisierten Verkehr erfasst und am Rande des Verkehrsgeschehens auf einem knapp einen Meter breiten Streifen verortet. Die Bildsprache und die innere Logik dieses Planungsdenkens knüpften an die Grundideen der modernen Verkehrsplanung an: Es ging darum, die verschiedenen Verkehrsarten und vor allem motorisierte und nicht-motorisiere Fahrzeuge voneinander zu trennen – mit dem Ziel, die Gesamtgeschwindigkeit des Verkehrs zu erhöhen. Dieser Ansatz entsprach dem politischen Willen, die Straßen als motorisierte Verkehrsräume zu verstehen und den Radfahren­ den darin nur einen begrenzten Platz zu reservieren. Damit übernahmen die ungarischen Ingenieurinnen und Ingenieure die Planungsstandards aus 78 Vgl. Lázár, István: Hat milliméternyi út [Sechs Millimeter Weg]. In: Budapest 22/2 (1984). 79 Szálka, A  kerékpárforgalom sajátosságainak vizsgálata, összefüggései  a városrendezési tervek készítésével [Besonderheiten des Radverkehrs im Zusammenhang mit der Stadtplanung], 23. 80 Ebd., 25. 81 Ebd., 25. 82 Vgl. Koller, A hazai kerékpárosforgalom helyezet [Die heimische Lage des Radverkehrs], 16.

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Radwegebau als neue Planungsaufgabe 

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Abb. 3: Überschrift: »Vorschriften zu Breitenangaben.« Lastwagen / Fahrrad; Personenkraftwagen / Fahrrad; Fahrrad / Fahrrad (von links nach rechts). Mit durchgehender Linie sind die Lichtraumprofile und mit gestrichelter Linie die Fahrräume gekennzeichnet.

dem Westen, mit dem Versprechen einer besseren Verkehrssicherheit für den Radverkehr. Der Start des landesweiten Radwegebauprogramms für die Komitate in den 1980er-Jahren bedeutete die Umsetzung dieser Vorstellungen. Das Programm veränderte letztlich wenig an den infrastrukturellen Bedingungen für den Radverkehr. Zwar wurde stets betont, dass die Radwege zu Netzwerken © 2020 Vandenhoeck & Ruprecht | Brill Deutschland GmbH https://doi.org/10.13109/9783666310720 | CC BY-NC-ND 4.0

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verknüpft werden sollten.83 Allerdings war im Staatsozialismus nie genügend Budget für den Radwegebau verfügbar, um diese Planungsvorstellungen systematisch, einheitlich und flächendeckend in Ortschaften und entlang von Landstraßen umzusetzen. Das Ministerium für Verkehr bot nur eine Teilfinanzierung für die Komitate an, den Rest mussten diese selbst aufbringen. In den Städten kamen Radwege nicht nur mangels Kapital, sondern auch aufgrund von Raumkonflikten – Parkplätze wurden oft bevorzugt – nicht in Frage oder wurden auf dem Gehweg eingerichtet. Das Radwegebauprogramm war Teil des letzten Fünfjahresplans im sozialistischen Ungarn, und größtenteils blieb es nur beim Plan. So richteten die einzelnen Komitate in den 1980er-Jahren im Rahmen des staatlich verordneten Radwegprogramms oft nur versprengte Radwege ein.84 Zusammenfassend lässt sich deshalb feststellen: Der Radwegebau im sozialistischen Ungarn hinkte nicht nur wegen fehlender Ressourcen hinterher, sondern auch wegen seines wenig differenzierten Planungsbildes. Die Planungssprache verwendete einzig den Ausdruck »Fahrradweg« als Infrastrukturform und gleichsam als einzige verkehrstechnische Lösung des Radverkehrs. Die Planungshilfen stellten indes auch andere Infrastrukturformen wie Fahrradspuren und Fahrradschutzstreifen auf der Fahrbahn vor.85 Diese Radverkehrsanlagen galten auch im Westen als progressiv, weil sie den Radverkehr von den getrennten Radwegen zurück auf der Fahrbahn holten. Die Planerinnen und Planer erachteten dies in einigen westeuropäischen Ländern für notwendig, weil getrennte Fahrradwege wegen der fehlenden Sicht zwischen Rad- und Autofahrenden in den Unfallstatistiken zu höheren Unfallzahlen führten. Insofern übernahmen die ungarischen Verkehrsfachleute in den 1980er-Jahren ein Planungsbild, das im Westen zu dieser Zeit bereits in die Kritik geraten war.

2.3 Radverkehrsnetz für Budapest Bedarf oder kein Bedarf? Mit dem Start des landesweiten Radwegebauprogramms stellte sich auch für die Hauptstadt Budapest die Frage, ob eine eigene Infrastruktur für den Radverkehr eingerichtet werden sollte. Die Stadt nahm wegen ihrer Größe und 83 Vgl. Koller, Javaslat a kerékpáros közelekedés fejlesztési programjára. Összefoglaló jelentés [Vorschläge für die Entwicklung des Radverkehrs. Zusammenfassung des Berichts], 34. 84 Vgl. dass., A hazai kerékpárosforgalom helyezet [Die heimische Lage des Radverkehrs], 217 f. 85 Ebd., 32–33.

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ihrer politischen, wirtschaftlichen, kulturellen, kommerziellen und touristischen Funktion eine Sonderstellung ein. Als Bühne des Landes wurden hier in den U-Bahn-Bau, das Prestigeprojekt der politischen Machthaber seit den 1960er-Jahren, bereits große Summen investiert. In den 1980er-Jahren setzte sich in der Urbanistik das neue Leitbild »lebbare Stadt« durch, welche sich die zeitgenössische Stadt- und Verkehrsplanung durch die Verkehrsberuhigung bestimmter Bereiche der Innenstadt erhoffte.86 Vorrangiges Ziel war es, die Bedingungen für Fußgänger zu verbessern. Die Diskussionen rund um den Radverkehr nahmen im Vergleich dazu einen überschaubaren Rahmen ein. In der Presse entspann sich eine Debatte darüber, ob Radverkehr und Radwege in der Zwei-Millionen-Stadt überhaupt vorstellbar oder gar nötig seien.87 Laut öffentlich verbreiteter Meinung sahen die Budapester die Dienstleistungen des Budapester Nahverkehrs mit einem gewissen Stolz auf Weltklasseniveau. Das engmaschige öffentliche Nahverkehrsnetz mit seinen U-Bahnen, S-Bahnlinien, Bussen, Trolleybussen und Straßenbahnen bediene die Verkehrsbedürfnisse bereits ausreichend, lautete die Argumentation. Die Journalistinnen und Journalisten fürchteten zwar große Gefahren für die Radfahrenden im Großstadtverkehr, plädierten aber dennoch für eine Förderung des Radverkehrs aus Umweltschutzgründen und zur Entlastung der Stadt vom Autoverkehr. Statt des kostspieligen Baus von separaten Radwegen schlug einer der Journalisten die Markierung von Radwegen auf den Gehsteigen vor.88 Einen offensichtlichen Bedarf an Radwegen erkannten die Medien bei den Tourenradfahrern. Diese standen in den 1980er-Jahren vor dem Problem, für Ausflüge kaum aus der Hauptstadt herausfahren zu können, da der Radverkehr auf vielen Hauptverkehrswegen verboten war.89 Diese medial generierte Aufmerksamkeit für den Radverkehr war für die Behörden irritierend. So warf der Abteilungsleiter des Fővárosi Tanács VB. Közlekedési Főigazgatóság [Verkehrsreferat des Stadtrates], Zoltán Kovács, der Presse vor, Radwege für Budapest zu fordern, ohne dass die Bevölkerung der 86 Vgl. Pál, István / Szabó, Csaba: A budapesti közlekedés fejlesztése a politika napirendjén 1957–1990 [Die Entwicklung des Budapester Verkehrs auf der Tagesordnung der Politik 1957–1990], Budapest 2017, 221–245. 87 Vgl. Kocsi, Tibor: Nincsenek nyeregben  a kerékpárosok [Die Radfahrenden sind nicht im Sattel]. In: Népszava 173 vom 25.7.1982, 12; vgl. Szabó, Gábor: Biciklistasors [Das Schicksal der Radfahrenden]. In: Budapest 20/9 (1982), 34–35; vgl. Kovács Zoltán: Hajrá, biciklisták! [Los gehts, Radfahrer!]. In: Budapest 22/1 (1984), 18–19; vgl. Lázár, István: Hat milliméternyi út [Sechs Millimeter Weg]. In: Budapest 22/2 (1984), 19; vgl. Müller, Biciklizni jó [Radfahren ist toll]; vgl. Szabó, Kiszorított biciklisek [Die rausgedrängten Radfahrenden]. 88 Vgl. Szabó, Biciklistasors [Das Schicksal der Radfahrenden], 35. 89 Vgl. Weidinger, Kerékpár -mellékutakon [Fahrrad – in den Seitenstraßen], 6.

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Hauptstadt überhaupt ein Interesse am Radfahren habe.90 Zwei Jahren später kündigte derselbe Abteilungsleiter großzügige Pläne zur Verbesserung der Bedingungen an: Von 1984 bis 1985 schaffen wir ein ›fahrradfreundliches Klima‹ in Budapest. Wir vermessen und benennen die urbanen Gebiete, die für den Radverkehr in Frage kommen. […] Zwischen 1985 und 1995 haben wir uns folgendes Ziel gesetzt: den kontinuierlichen, planmäßigen Ausbau des Budapester Radverkehrsnetzes im Rahmen der geplanten beziehungsweise schon begonnenen Projekte, anhand der Prognosen für den Radverkehr.91

Über die Hintergründe diese Kehrtwende kann nur spekuliert werden, da stichfeste Quellen fehlen. Für die Förderung des Radverkehrs in Budapest dürften drei Umstände durchaus eine Rolle gespielt haben: die Luftverschmutzung, die ökonomische Krise der Planwirtschaft – und nicht zuletzt die transnationalen Einflüsse. Anfang der 1980er-Jahre startete auch das Radwegebauprogramm in Wien, was sowohl Thema für die Presse als auch für die Verkehrsfachleute war und als beispielhaft herangezogen wurde. Wegen des gemeinsamen historischen Erbes war Wien noch immer eine wichtige Bezugsgröße für die ungarische Hauptstadt. Das Wiener Radwegebauprogramm bezeugte die Machbarkeit eines urbanen Radwegnetzes ohne eine vorherige, umfassende Fahrradkultur. Zoltan Kovács vom Verkehrsreferat der Stadt sah das Potenzial für die Zunahme des Radverkehrs in Budapest einerseits schlicht in der Anzahl der verfügbaren Fahrräder, andererseits vor dem Hintergrund möglicherweise weiter steigender Kraftstoffpreise, die viele Einwohner auf das Fahrrad umsteigen ließen.92 Das Vorhaben des Verkehrsreferats konzentrierte sich aber vor allem auf den Freizeitverkehr als »Einstieg« in die urbane Fahrradnutzung. Auch später prägte der transnationale Austausch die Ideen zum Radverkehr. 1987 nahmen ungarische Verkehrsfachleute bei der Velo-City-Konferenz im niederländischen Groningen teil.93 Die Velo-City-Konferenzreihe galt seit Anfang der 1980er-Jahre als bedeutendstes europäisches Forum für die urbane Radverkehrsplanung. Dort kamen die ungarischen Verkehrsfachleute mit Vertretern der urbanen Radverkehrsförderung und -planung in Kontakt. Basis dieses transnationalen Netzwerkes waren die Umweltbewegungen der westeuropäischen Länder und die Kritik am traditionell-technokratischen Denken des eigenen Fachs. Diese Konferenz machte den ungarischen Teilnehmern 90 Ebd., 34. 91 Kovács Zoltán, Hajrá, biciklisták! [Los geht’s, Radfahrer!], 19. 92 Vgl. ebd. 93 Vgl. Lukovich, Tamás: Beszámoló a Velo City 87 nemzetközi városi kerékpáros kongresz­ szusról [Bericht über die Velo City 87: urbaner Fahrradkongress]. In: Városi Közlekedés 28/1 (1988), 32–36.

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klar, dass Radverkehr auch als eine urbane Imagefrage zu verstehen ist – und nicht allein als ein verkehrstechnisch zu lösendes Problem. Datenerhebung in Budapest Die Ausgangslage in der Zwei-Millionen-Großstadt für die Planung war schwierig. Abgesehen von Verkaufsstatistiken gab es keine Daten über den Radverkehr. Seit 1963 wurde das Radfahren als Kategorie in den regelmäßigen Verkehrszählungen der Stadt nicht mehr erfasst.94 Es gab nur drei Fahrradwege entlang von größeren Zufahrtsstraßen auf der Pester Seite, die das Ergebnis einer kurzen Radwegebauwelle der 1930er und 1940er-Jahren waren und seitdem nicht mehr gewartet wurden. Die Wege hatten keine Verbindungen zueinander oder zu anderen Teilen der Stadt. Das größte Hindernis für den Radverkehr aber stellten die Donaubrücken dar. Auf der Petőfi-Brücke [erbaut zwischen 1933–37] und auf der Árpád-Brücke [fertiggestellt 1950] waren zwar ursprünglich Radwege vorhanden, allerdings hatte man diese im Zuge von Sanierungen 1979–80 auf der Petőfi-Brücke sowie 1982 auf der Árpád-Brücke zugunsten einer Kapazitätserhöhung für den Autoverkehr aufgelöst. Um Informationen für die anstehenden Planungsvorhaben zu sammeln, führte die Közlekedési és Távközlési Főiskola [Hochschule für Verkehr und Telekommunikation] 1983 eine Radverkehrszählung durch.95 Die Fachleute legten Orte und Zeiträume für die Zählung fest, zu denen sie ein Maximum an Radverkehr vermuteten. Gemessen wurde entlang der existierenden Fahrradwege, auf radial liegenden Zufahrtstraßen zu Erholungsgebieten, in Plattenbausiedlungen, auf Märkten, bei Markthallen, Schulen, Fabriken, Freibädern und Parkplätzen; insgesamt an 64 Orten. Die Fachleute wählten mit Absicht Tage mit sonnigen Wetterverhältnissen im August und September aus.96 Diese Vorauswahl verdeutlicht die Annahme der Planer, dass die Bewohnerinnen und Bewohner der Hauptstadt das Fahrrad vorrangig zur Erholung, zum Sport und zum Einkaufen nutzten.97 Die ausgewählten Außenbezirke und Erholungsgebiete waren zudem Räume, in denen sich das Fahrrad – trotz der Fahrverbote für den Radverkehr im Stadtzentrum – gut nutzen ließ. Neben der reinen Zählung wurden auch Befragungen der Radfahrenden zu ihren Zielorten durchgeführt. Ergebnis der Interviews war, dass sich der Radverkehr insgesamt eher auf kurze Strecken in der Nachbarschaft konzentrierte. Die 94 Mitteilung von Gábor Szalkai. 95 Vgl. Koren, Csaba / Petöcz, Mária / Tóth, Gábor: A budapesi kerékpárhasználat és baleseti adatok vizsgálata [Die Untersuchung der Fahrradnutzung und der Unfalldaten in Budapest]. Győr 1983. 96 Vgl. Barsiné Pataky, Etelka: Kerékpár-közlekedés a fővárosban [Der Radverkehr in der Hauptstadt]. In: Közlekedéstudományi Szemle 36/1 (1986), 20–26, hier: 22. 97 Vgl. Pausz Ferenc, A kerékpáros közlekedés újabb térhódításáról [Über die neue Verbreitung des Radfahrens], 96.

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Bevölkerung nutzte das Fahrrad im Alltag in den äußeren Bezirken mit ihren Einfamilienhäusern und der geringen Bebauungsdichte auf der Pester Seite, beispielsweise am Markt bei Sashalom und im traditionsreichen Arbeiterviertel Csepel im Süden, dem Standort der ungarischen Fahrradindustrie.98 Die Fachleute nahmen diesen Umstand positiv auf, machten ihn aber nicht zum Gegenstand weiterer Planungen. Die erhobenen Daten spiegelten insofern nur einen kleinen Ausschnitt zum Radverkehr in Budapest wider. Wie sich die Lage im gesamten Stadtraum darstellte, blieb weiterhin unklar. Neue Räume für den Radverkehr Das Verkehrsreferat vergab im Jahr 1982 einen Forschungsauftrag unter dem Titel Die Gestaltung des Fahrradwegenetzes der Hauptstadt an das Stadt­ planungsbüro Budapesti Városépítési Tervező Vállalat [BUVÁTI].99 1986 und 1990 folgten weitere, umfangreichere Pläne durch das landesweit tätige Stadtplanungsbüro VÁTI. Diese drei aufeinanderfolgenden Pläne enthielten immer komplexere Lösungsvorschläge, um den Radverkehr in ein Stadtgewebe mit sehr unterschiedlichen Bebauungen einzugliedern. Die stadt- und verkehrsplanerischen Arbeitsfelder der Zeit, wie das Parkplatzmanagement sowie das Einrichten von Fußgängerzonen in der Budapester Innenstadt, bestimmten den Planungsdiskurs und fielen insgesamt deutlich mehr ins Gewicht als das Randthema Radwegebau.100 Die Aufmerksamkeit der Planer blieb auf den weiterhin zunehmenden Autoverkehr in den teils engen Straßen der Innenstadt gerichtet. Übergeordnetes Ziel beim Radwegebau war es, die Stadtteile miteinander zu verbinden und die Radwege von den Fahrbahnen zu separieren. Allerdings hing die Umsetzung, wie es einer der Planer selbst betonte, von der Politik ab.101 Die Ingenieurin Etelka Barsiné Pataky, Zuständige für den ersten Plan, schlug vor, die städtischen Grünflächen [Volkspark, Stadtweide und Margarethen-Insel] miteinander zu verbinden.102 Pataky betonte, dass die hohen 98 Vgl. Barsiné Pataky, Etelka: Kerékpár-közlekedés a fővárosban [Der Radverkehr in der Hauptstadt], hier: 20. 99 Leider war von den Studien keine Kopie im Archiv des Planungsbüros verfügbar. Nur von der drei Jahre später vorgelegten Studie aus dem Jahr 1988 konnte das zweibändige Manuskript gefunden werden. 100 Vgl. Pál / Szabó: A budapesti közlekedés fejlesztése a politika napirendjén 1957–1990 [Die Entwicklung des Budapester Verkehrs auf der Tagesordnung der Politik 1957–1990], 221–245. 101 Vgl. Szálka, A kerékpárforgalom sajátosságainak vizsgálata, összefüggései a városrendezési tervek készítésével [Besonderheiten des Radverkehrs im Zusammenhang mit der Stadtplanung], 25. 102 Vgl. Barsiné Pataky, Kerékpár-közlekedés a fővárosban [Der Radverkehr in der Hauptstadt], 24.

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Unfallzahlen innerhalb der Hungária-Ringstraße ein Eingreifen dringend erforderlich machten. Zur Unfallvermeidung schlug die Ingenieurin sogar vor, den Radverkehr zwischen 7 und 18 Uhr zu verbieten.103 Der zweite Plan aus dem Jahr 1988 schlug Radverkehrsverbindungen zwischen verschiedenen Stadtteilen vor, und zwar sowohl auf der Pester als auch auf der Budaer Seite der Stadt.104 Der zweite Plan sprach Fragen nach der Finanzierung und den Verantwortlichkeiten auf kommunaler Ebene an. Der Autor schlug vor, den Radverkehr nicht nur verkehrstechnisch, sondern auch durch Imageverbesserung in den Medien und Verkehrserziehung an den Schulen zu fördern.105 Am umfassendsten war der dritte Plan aus dem Jahr 1990. Diese Studie sah das bereits erwähnte Radwegeprogramm von Wien als beispielhaft an und plädierte für einen ähnlichen und schnellen Ausbau in Budapest. Der Plan enthielt eine Liste von Routenvorschlägen für die einzelnen Bezirke und einen sehr detaillierten Stadtplan.106 Dazu hatten der Planer Miklós Szálka und zwei weitere beratende Verkehrsingenieure die Gebiete Straße für Straße vermessen.107 Diese Arbeit stand bereits im Zeichen der politischen Veränderungen und des wachsenden Einflusses von Umweltschutzgruppen. Umweltverschmutzung, verursacht durch Verbrennungsmotoren sozialistischer Bauart, wurde in der Studie offen angesprochen.108 Generell überwog bei den Planerinnen und Planern jedoch weiterhin die bereits erwähnte Vorstellung vom Radverkehr als Freizeitaktivität.109 Es ging nicht darum, die kürzeste Route zu wählen, sondern die schönste und bequemste, um die Radfahrenden vor Smog und Autoverkehr zu schützen. In den Augen der Verkehrsfachleute wäre es unverantwortlich gewesen, die Radfahrenden den Gefahren des motorisierten Verkehrs auszusetzen.110 Diese

103 Vgl. ebd., 24 f. 104 Vgl. Lukovich, Tamás / Barsiné Pataky, Etelka: A budapesti kerékpáros közlekedés továbbfejlesztési lehetőségeinek feltárása I. [Die Aufdeckung der Möglichkeiten für eine Weiterentwicklung des Budapester Radverkehrs Band I] 1988, 19 f. 105 Lukovich / Barsiné Pataky, A budapesti kerékpáros közlekedés továbbfejlesztési lehetőségeinek feltárása I. [Die Aufdeckung der Möglichkeiten für eine Weiterentwicklung des Budapester Radverkehrs Band I.], 10. 106 Vgl. Szálka, Miklós: Budapest kerékpárközlekedési tanulmánya [Studie zum Radverkehr in Budapest] 1990, 17–23. 107 Vgl. Tóth, Interview mit Gábor Balogh über die Arbeit als Verkehrsingenieur und über die Erfahrungen des Fahrradbundes; vgl. Tóth, Interview mit Miklós Szálka, Verkehrsingenieur der Firma Pro Urbe Kft. 108 Vgl. Szálka, Budapest kerékpárközlekedési tanulmánya [Studie zum Radverkehr in Budapest], 15. 109 Vgl. Pausz Ferenc, A kerékpáros közlekedés újabb térhódításáról [Über die neue Verbreitung des Radfahrens], 96. 110 Vgl. Tóth: Interview mit Gábor Balogh über die Arbeit als Verkehrsingenieur und über die Erfahrungen des Fahrradbundes.

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Auffassung bestimmte den Radwegebau in Budapest bis in die Mitte der 2000er-Jahre. Planungsdokumente und Bau Der zweite und dritte Plan forderten bereits die Verbindung des Radverkehrs mit dem öffentlichen Nahverkehr und schlugen Leitsysteme und Fahrradabstellplätze vor. Die Komplexität dieser Aspekte bei der Integration des Radverkehrs in das Verkehrssystem der Stadt verlangte in den Augen der Planerinnen und Planer den Einbezug dieses Verkehrsmittels in die Raumordnungspläne der einzelnen Bezirke sowie der Hauptstadt als Ganzes. In den Budapester Flächennutzungsplan des Jahres 1987 konnten die Ingenieurinnen und Ingenieure des VÁTI die Radverkehrsplanung bereits integrieren, da beide Entwürfe im Büro des VÁTI angefertigt wurden.111 Der Radverkehr wurde außerdem in den Verkehrsentwicklungsplan des Jahres 1987 mit aufgenommen.112 Damit fand das Fahrrad Eingang in die Planungsdokumente der Stadt, was auch nach der Wende so blieb. Diese Dokumente waren im Gegensatz zu den Radwegenetzplänen verbindlich. Somit wurde diese Verkehrsform ein dauerhafter Bestandteil des Planungsdiskurses und in der urbanen Verkehrsplanung verortet. Auf Grundlage dieser Pläne wurde 1989 ein Abschnitt des Donauradweges Richtung Szentendre gebaut. Weitere kurze Radwege wurden in Plattenbausiedlungen erstellt.113 Durch den Systemwechsel von 1989 wurden zwar viele Aspekte der Pläne obsolet, aber die Raumvorstellungen für den Radverkehr beeinflussten den Bau der Radverkehrsanlagen auch in den folgenden Jahrzehnten. Ein Grund dafür war nicht zuletzt die Kontinuität von Planungsvorstellungen der Verkehrsfachleute selbst, wie in einem der späteren Kapitel erläutert werden wird.

111 Budapest Főváros Tanácsa tanácsülési jegyzőkönyvei [Protokolle der Ratssitzungen des Stadtrates der Hauptstadt Budapest]: 1988. szeptember 13. HU BFL XXIII .101.a.1. URL: http://​ library.hungaricana.hu/hu/view/HU_BFL_XXIII_101_a_1_1988-09-13 (am 1.1.2017), 1–125. 112 Vgl. Ábrahám, Gyula / Berczik, András (Hg.): Budapest és agglomerációs kapcsolatainak távlati közlekedesfejlesztési terve 1987. Egyeztetett tervezet [Verkehrsentwicklungsplan für die Verkehrsverbindungen von Budapest und seinem Ballungsraum. Vereinbarter Entwurf] 1987. 113 Vgl. Tőkés, Balázs / Szálka, Miklós: A budapesti kerékpárforgalmi hálózat fejlesztése [Die Entwicklung des Budapester Radverkehrsnetzes]. In: Városi Közlekedés 6 (1993), 361–370, hier: 366.

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Zwischenfazit 

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2.4 Zwischenfazit Die zwei Wellen des Ölpreisanstiegs in den Jahren 1973 und 1979 bedeuteten in den westeuropäischen Gesellschaften den kurzfristigen Rückgang der individuellen Autonutzung sowie den Beginn der Suche nach Alternativen im Verkehr. Auch in Ungarn erhielt das Fahrrad als Verkehrsform in den späten 1970erund in den 1980er-Jahren immer mehr Aufmerksamkeit. Auslöser dafür war die Massenmotorisierung der Gesellschaft. Autobesitz war in der Kádár-Ära Teil des Programms zur politischen Konsolidierung. Das Auto bedeutete Prestige und individuelle Bewegungsfreiheit, genau wie im Westen. Es war ein mit Symbolik aufgeladenes Konsumgut, das den Traum der Moderne versprach. Zugleich war der wachsende Autoverkehr mit Gefahren verbunden, zu deren Lösung Politik und Verkehrswissenschaft das international bereits etablierte Konzept der Verkehrssicherheit für Ungarn übernahmen. Dies ließ das Gefährdungspotenzial der hohen Geschwindigkeit in den Hintergrund treten und schob die Verantwortung für die steigenden Unfallzahlen den am Verkehrsgeschehen beteiligten Protagonisten – den Autofahrerinnen und Autofahrern, den Fußgängerinnen und Fußgängern sowie den Radfahrenden – zu. In Ungarn war das Radfahren seit der Zwischenkriegszeit eine weit verbreitete, in manchen Gegenden die ausschließliche Form der Alltagsmobilität. Die Presse stellte die Radfahrenden in Bezug auf die Verkehrssicherheit als passive, unverantwortliche Personen dar, die sich selbst gefährden und deswegen zu bevormunden seien. Die in dieser Periode gedrehten Verkehrslehrfilme des Ausschlusses für Verkehrssicherheit konservierten den Drang nach Disziplinierung und das Bild eines Arme-Leute-Vehikels in ländlichen Gegenden. Am häufigsten berichtete die Presse über das hohe Unfallrisiko der Radfahrenden in der Autogesellschaft. Aber es gab auch andere Interpretationen des Radverkehrs. So wurden die Wiederentdeckung des Radfahrens im Westen nach der Ölkrise und die Idee des Radfahrens als reines Freizeitvergnügen zur Erholung in den Zeitungsartikeln durchaus positiv bewertet – wenngleich die ökologischen Vorteile des Radfahrens nur am Rande erwähnt wurden. Die ungarische Verkehrswissenschaft begann sich ab dem Jahr 1980 mit dem Radverkehr in den zwei bedeutendsten verkehrswissenschaftlichen Forschungsstellen des Landes zu beschäftigen. Die Etablierung der Radverkehrsplanung basierte wesentlich auf einem Wissenstransfer aus den deutschsprachigen Ländern und den Niederlanden und war eine Folge der transnationalen Einbindung des Verkehrsfaches. So gelangten internationale Leitbilder jenseits des Eisernen Vorhangs nach Ungarn. Die in Ungarn zuständigen Verkehrsfachleute suchten eine Lösung für das Verkehrssicherheitsproblem des Radverkehrs. Dafür setzten sie in ihren Plänen die ebenfalls international zu dieser © 2020 Vandenhoeck & Ruprecht | Brill Deutschland GmbH https://doi.org/10.13109/9783666310720 | CC BY-NC-ND 4.0

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Die 1980er-Jahre: Radfahren in der sozialistischen Planwirtschaft

Zeit übliche räumliche Trennung der unterschiedlichen Verkehrsformen um. Allerdings war dies für die finanziellen Verhältnisse des Staatsozialismus eine große Herausforderung. Die Radverkehrspläne fungierten als Machtinstrumente, die letztlich den Interessen der Motorisierung dienten, nämlich den Radverkehr von den Fahrbahnen auf getrennt verlaufende Fahrradwege zu verbannen. In den offiziellen Planungsdokumenten der Hauptstadt Budapest tauchte die Radverkehrsplanung bereits in den 1980er-Jahren auf. Jedoch bot die Großstadt wegen ihres hohen Verkehrsaufkommens, ihrer verschmutzten Luft und ihrer Bebauungsdichte ganz eigene Rahmenbedingungen. In ihren Studien bezogen sich die Verkehrsplanerinnen und Verkehrsplaner auf Wien, das sich wegen seiner Nähe und seiner ähnlichen urbanen Struktur von radialen Verkehrsachsen und Ringstraßen als Vorbild eignete. Sie erprobten auch die mögliche Kombination des Radverkehrs mit dem öffentlichen Personennahverkehr, der in diesem Jahrzehnt einem Verkehrsanteil von über 80 Prozent in Budapest entsprach. Insgesamt bedeuteten diese Planungsvorstellungen Schritte in Richtung einer planerischen Reintegration und symbolischen Anerkennung des Verkehrsmittels Fahrrad in den Großstadtverkehr bei gleichzeitiger räumlicher Zurückweisung: Das Radfahren sollte nur auf getrennten Radwegen und als Freizeit- und Sportbeschäftigung stattfinden. So sind das landesweite Radwegbauprogramm und die Radwegnetzpläne für Budapest nicht zuletzt Zeugnisse des letzten Jahrzehnts des Staatsozialis­ mus  – und damit einer Gesellschaft, die auf Planung basierte, ohne diese Planungsziele zu realisieren.

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3. Die 1990er-Jahre: Radfahren als »grüne Vision«

Vorliegendes Kapitel thematisiert, wie sich das Radfahren im Zuge des Systemwechsels zu einer grünen Idee wandelte und welchen Einfluss es auf gesellschaftliche Gruppen und politische Parteien nahm. Nach 1989 wurde Ungarn von den Turbulenzen des Transformationsprozesses erfasst, die den Rahmen für diesen Wandel bildeten: Demokratisierungsprozesse, Einführung der Marktwirtschaft, politisch-institutioneller Umbau und nicht zuletzt eine verstärkte Öffnung hin zur westlichen Welt. Dieser Umbruch stellt wichtige Weichen, erklärt aber nicht ausreichend die Dynamik des über ein Jahrzehnt andauernden Entwicklungsverlaufs zu den Bedingungen der Fahrradnutzung in Budapest.

3.1

Von der Luftverschmutzung zum Umweltschutz

Streben nach »Zivilgesellschaft« am Ende des Sozialismus Der Umweltschutz erwies sich in den 1990er-Jahren im Fall von Budapest als tragende Kraft und treibende Idee für alternative Verkehrsformen wie den Radverkehr. Ähnlich zu westlichen Industrieländern waren UmweltschutzGruppierungen ein Zündpunkt für kritisches Bewusstsein. Deshalb erfolgt in diesem Kapitel zunächst eine umfangreiche Ausführung zur Genese und zum Auftreten der umweltschutzorientierten gesellschaftlichen Gruppen in den 1980er-Jahren. Die im Folgenden dargelegten Entwicklungen beziehen sich auf die Einflüsse der globalen Umweltpolitik auf Ungarn ab dem Jahr 1970. Die offizielle Umweltpolitik und die Umweltschutzgesetzgebung in den staatssozialistischen Ländern nahmen ihren Anfang in den 1970er-Jahren und damit zeitgleich mit den westeuropäischen Staaten.1 Eine differenzierte Aufarbeitung dieser Vorgänge in einzelnen staatssozialistischen Ländern und deren Einordnung in globale Zusammenhänge stehen noch aus.2 Als gesichert 1 Vgl. Welfens, Maria J.: Umweltprobleme und Umweltpolitik in Mittel- und Osteuropa. Ökonomie, Ökologie und Systemwandel. Heidelberg 1993. 2 Vgl. Obertreis, Julia: Von der Naturbeherrschung zum Ökozid? Aktuelle Fragen einer Umweltzeitgeschichte Ost- und Ostmitteleuropas. In: Zeithistorische Forschungen / Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe 9 (2012), 115–122; vgl. Uekötter, Frank: Eine

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gilt jedoch, dass die Ökologie im Staatssozialismus eine Antwort auf die durch die Industriemoderne aufkommende Umweltverschmutzung war, weswegen Umweltpolitik als übergreifend und jenseits der politischen Systeme untersucht werden kann.3 Der ungarische Staat hielt sich in Bezug auf den Umweltschutz nicht an seine eigenen Vorgaben. Er sanktionierte weder die eigenen Umweltschutzvergehen noch veröffentlichte er Informationen zum Ausmaß der Verschmutzungen und den daraus resultierenden Gefahren für die Bevölkerung. In Ungarn gab es, wie in anderen Ländern des Ost-Blocks, eine über einhundertjährige Tradition des Natur- und Umweltschutzes. Mit der Lockerung der strengen staatlichen Überwachung der Gesellschaft am Ende der Kádár-Ära kam es zur allmählichen Formierung bürgerschaftlicher Gruppierungen, die diese Missstände anprangerten. Für die im Bereich des Natur- und Umweltschutzes Engagierten gab es somit immer mehr Möglichkeiten, sich außerhalb staatlicher Kontrollen zu treffen und zu organisieren.4 Die bürgerschaftlichen Umweltgruppen gingen teils aus älteren Netzwerken des Naturschutzes, teils aus Studentengruppen an den Universitäten hervor. Zudem waren sie ein Sammelbecken für Menschenrechts- und Friedensgruppen. Der Umweltschutz wurde bald zu einem der Leitgedanken der demokratischen Opposition in den 1980er-Jahren. Die Umweltschutzthemen dienten dazu, in indirekter Form Kritik am politischen System zu üben. In der umwelthistorischen Forschung ist hier in erster Linie die Gruppe Duna Kör [Donau Runde] zu nennen, eine informelle Verbindung von Umweltschützern, deren politischer Protest sich erfolgreich gegen das gemeinsame Staudammbauprojekt Ungarns und der Tschechoslowakei an der Donau richtete.5 Diese Initiative erhielt 1985 den Right Livelihood Award, einen Preis, der in seiner Tragweite einem Nobelpreis für Umweltpolitik gleichkommt.6 Die Mobilisierungskraft dieser Gruppe für Demonstrationen trug zum Systemwechsel unmittelbar bei. ökologische Ära? Perspektiven einer neuen Geschichte der Umweltbewegungen. In: Zeithistorische Forschungen / Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe 9/1 (2012), 108–114. 3 Vgl. Obertreis, Von der Naturbeherrschung zum Ökozid? Aktuelle Fragen einer Umweltzeitgeschichte Ost- und Ostmitteleuropas, 119. 4 Vgl. Illés, Zoltán / Medgyesi, Balázs: A környezet- és a természetvédelmi mozgalom szerepe a rendszerváltásban [Die Rolle der Umwelt- und Naturschutzbewegung im Systemwechsel]. In: Schmidt, Mária / Tóth, Gy. László (Hg.): Janus-arcú rendszerváltozás. Tanulmányok. [Der Janus-gesichtige Systemwechsel. Studien]. Szentendre 1998, 136–157, hier: 139 f. 5 Vgl. Fitzmaurice, John: Damming the Danube. Gabcikovo and post-Communist politics in Europe. Boulder 1996; vgl. Harper, Krista: »Wild Capitalism« and »Ecocolonialism«. A Tale of Two Rivers. In: American Anthropologist 107/2 (2005), 221–233. 6 Vgl. Wikipedia: Duna Kör [Donau Runde]. URL: https://en.wikipedia.org/w/index.php?​ oldid=706135699, (am 20.6.2017).

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Denn die Umweltschutzgruppen waren nicht nur Symptome für die Destabilisierung des politischen Systems in der Wende-Zeit; sie wurden schnell zu Projektionsflächen weiterer Zuschreibungen. Die ungarischen Dissidenten und westliche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sahen in diesen Gruppierungen unter anderem die Anfänge einer »Zivilgesellschaft« nach liberalen westlichen Wertvorstellungen, die zu Trägern der Demokratisierungsprozesse in der Gesellschaft werden können.7 Diese normative Projektion blendete die während des Sozialismus existierenden autonomen Gruppierungen in den Kirchen oder anderen gesellschaftlichen Nischen aus. Um diese ideologische Konnotation des Begriffs zu vermeiden, wird in späteren Aus­führungen deshalb gemäß des Vorschlags des Ethnologen Chris Hann von »bürgerschaftlichen« Organisationen und »Bürgergesellschaft« die Rede sein.8 Diese Begrifflichkeiten sind in der Sozialgeschichte Ungarns tief verwurzelt. Der Wunsch des Westens nach Entwicklung einer »Zivilgesellschaft« brachte einen entscheidenden finanziellen Vorteil für die Gruppierungen in Ungarn mit sich: Für westeuropäische und amerikanische Organisationen war die Umweltschutzfrage ein Einfallstor nach Ostmitteleuropa, da sie im Engagement der bürgerschaftlichen Organisationen ein Demokratisierungspotential sahen, das sie für förderungswürdig hielten. Aufgrund dieser finanziellen Hilfen aus dem Ausland boomten zahlreiche neue Stiftungen und Vereine für Umweltschutz in den 1990er-Jahren, aber nur wenige davon blieben bis zum Ende des Jahrzehnts bestehen. Die Umweltschutzorganisationen, die sich nach der Gründungszeit etablierten, waren meist Ableger internationaler Umweltorganisationen oder transnational besonders gut vernetzter, hochgradig professionalisierter Nichtregierungsorganisationen (NGO).9 Es entstand allerdings keine landesweite Umweltbewegung, wie etwa in der Bundesrepublik Deutschland oder in den Vereinigten Staaten.10 Die Entwicklung hin zur Professionalisierung führte dazu, dass diese Organisationen gesellschaftlich weniger verankert und akzeptiert waren. Die Darlegung dieser strukturellen Eigenheit der ungarischen NGO -Landschaft im Umweltbereich ist deswegen von Relevanz, weil hiervon in den 1990er-Jahren die Koordination des bürgerschaftlichen Engagements für den Radverkehr 7 Vgl. Hann, Chris: Zivilgesellschaft oder Citizenship? Skeptische Überlegungen eines Ethnologen. In: Hildermeier, M. / Kocka, J. / Conrad, C. (Hg.): Europäische Zivilgesellschaft in Ost und West: Begriff, Geschichte, Chancen. Frankfurt am Main 2000, 85–109, hier: 86–88. 8 Ebd., 88 f. 9 Beispielsweise: Ökoszolgálat (Ecoservice Foundation), The Regional Environmental Center for Central and Eastern Europe. 10 Zum ungarischen Umweltaktivismus nach 1989 hat die amerikanische Anthropologin Krista Harper das bisher umfassendste Buch vorgelegt. Vgl. Harper, Krista: Wild capitalism. Environmental activists and post-socialist political ecology in Hungary. Boulder 2006.

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ausging. Exemplarisch hierfür ist die Entstehung von Umweltschutzgruppen in ihrem Kampf für mehr Luftsauberkeit in der Hauptstadt. Smog wird politisch Mitte der 1980er-Jahre organisierten sich an der Technischen Universität Buda­ pest unter dem Namen Zöld Kör [Grüne Runde] und an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Eötvös-Loránd-Universität unter dem Name Természetvédelmi Klub [Klub für Naturschutz] zwei wichtige Umweltschutzgruppen. Diese zwei Gruppierungen beschäftigten sich mit unterschiedlichen gesundheitsschädlichen Formen der Umweltverschmutzung, dem Umgang mit radioaktivem Müll, der Nutzung von Pestiziden in der Landwirtschaft und der Verschmutzung von Gewässern. Was die Gruppen zusammenbrachte, war das Thema der Luftverschmutzung in Budapest. Diese war in der ungarischen Hauptstadt, ähnlich wie in anderen Großstädten, bereits in der Zwischenkriegszeit ein Problem. In den 1980er-Jahren bewirkten mehrere Faktoren eine immense Luftverunreinigung: die Lage industrieller Standorte im unmittelbaren Umkreis der Stadt, veraltete Heizungssysteme, die Zweitaktmotoren vieler Fahrzeuge sowie der hohe Bleigehalt des dafür notwendigen Benzins. Die Wissenschaftler der staatlichen Forschungsstelle Közlekedéstudományi Intézet [Verkehrswissenschaftliches Institut] wiesen bei Konferenzen und in Publikationen seit den 1970er-Jahren darauf hin, dass der motorisiere Verkehr in immer größerem Maße zur Luftverschmutzung in der Hauptstadt beitrug.11 Der Wissenschaftler László Tóth ging auf der Budapester Konferenz »Umweltverschmutzung durch Verkehr« 1985 auf die Gründe ein, warum trotz des Problembewusstsein des Staates die eigens aufgestellten Richtlinien für Luft- und Lärmverschmutzung seit den 1970er-Jahren nicht eingehalten wurden. Im Fokus stand die Kluft zwischen den aus Westeuropa adaptierten Richtlinien und den aus anderen sozialistischen Ländern importierten Fahrzeugen, deren Motoren schon im Neuzustand diesen Richtlinien nicht entsprach. Als weitere Ursachen benannte László Tóth die mangelnde Instandhaltung der Motoren aufgrund der Kapazitätsprobleme der Autowerkstätten und das allgemeine gesellschaftliche Desinteresse an der Umweltver11 Vgl. Tóth, László: Környezetvédelem  a közlekedésben [Umweltschutz im Verkehr]. In: Környezetvédelem a közlekedésben. Konferencia, Budapest, 1985. október 10–11. Közlekedéstudományi Egyesület. Előadások [Umweltschutz im Verkehr. Konferenz, Budapest, 10–11. Oktober 1985. Verkehrswissenschaftlicher Verein, Vorträge]. Budapest 1985, 1–15; vgl. Paár, István / Edelényi Péterné / Pallák Iván: A városi közlekedés okozta levegő szenynyezés vizsgálata és a megelőzés lehetőségei közlekedés tervezői szempontból [Analyse und Vorbeugung der vom urbanen Verkehr ausgehenden Luftverschmutzung aus der Perspektive der Verkehrsplanung]. Budapest 1974; vgl. Radecki, Wojciech / Rotko, Jerzey: Entwicklung des Natur- und Umweltschutzrechts in Mittel- und Osteuropa. BadenBaden 1991.

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träglichkeit dieser Fahrzeuge. Da Ungarn Mitte der 1980er-Jahre kurz vor dem Staatsbankrott stand, kam die Anschaffung der entsprechenden Messgeräte zur Hauptuntersuchung der Fahrzeugemissionen nicht in Betracht.12 Sowohl Experten auf staatlicher Seite als auch die Umweltschutzgruppen waren sich darin einig, dass die Zweitakt-Verbrennungsmotoren sozialistischen Typs über die Hälfte der Luftverschmutzung verursachten.13 Die Auswirkungen dieser Verschmutzung in der Hauptstadt ließen sich am Gesundheitszustand und an der Sterblichkeit der Stadtbevölkerung statistisch aufzeigen:14 Budapest hatte im Jahr 1984 die meisten Krebserkrankungen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner in ganz Ungarn, und die Anzahl der Lungenkrebstoten stieg zwischen 1965 und 1985 um das Siebenfache an.15 Die durch Luftverschmutzung verursachten Krankheiten waren damit eine der häufigsten Todesursachen, was allerdings in der Bevölkerung weitgehend unbekannt war. Das veränderte politische Klima der 1980er-Jahre gab den umweltbewuss­ten Gruppierungen, vor allem der Umweltschutzgruppe Grüne Runde, Gelegen­ heit, die Bevölkerung über diese Gefahren aufzuklären und zu sensibilisieren. In einem Briefwechsel von 1989 forderte die Grüne Runde den Stadtrat dazu auf, die Messdaten aller Messstationen sowie den Smogalarmplan zu veröffentlichen.16 Damals waren acht Einzelmessstationen in Betrieb, um die unterschiedlichen Schadstoffe in der Luft zu messen. Die Umweltschützerinnen und Umweltschützer argumentierten in diesen Briefen, dass die nötige Aufklärung der Bevölkerung zu umweltbewussterem Handeln führe.17 Sie hinterfragten die Vorschriften für Grenzwerte, das technische Niveau der Messgeräte sowie die Fähigkeiten und den Handlungswillen der zuständigen Behörden, die Luftreinhaltung zu überwachen und bei zu hoher Smogkonzentration Alarm zu schlagen.18 Zudem forderten sie weitere Maßnahmen: den Bau von Fahrradwegen in der Innenstadt, die regelmäßige Kontrolle von Fahrzeugmotoren und die Verhängung von Bußgeldern, wenn die Grenzwerte überschritten wurden, dazu die Erhöhung von Park- und 12 Tóth, Környezetvédelem a közlekedésben [Umweltschutz im Verkehr], 1–3. 13 Vgl. Murphy: Levegőt! [Luft!]. In: Kékbolygó. BME Zöld Klub kiadványa 1 vom 1987, 11. 14 Vgl. Csutora, Mária: Környezeti kihívások és válaszok: Magyarország hozzájárulása  a világ környezeti problémáihoz,1960–2005 [Herausforderungen der Umwelt und Antworten: Ungarns Beitrag zu den Umweltproblemen der Welt, 1960–2005]. In: Majtényi, György / Szabó, Csaba (Hg.): Rendszerváltás és Kádár-Korszak [Systemwechsel und die Kádár-Ära]. Budapest 2008, 375–398, hier: 380. 15 Vgl. Garamszegi, László: Szmog. In: Kékbolygó. BME Zöld Klub kiadványa 5 vom März 1989, 10–11. 16 Vgl. Zaja, Péter / Csikor / Zsolt: Levelek [Briefe]. In: Kékbolygó. BME Zöld Klub kiadványa 5 vom März 1989, 14–15. 17 Ebd., 14. 18 Vgl. Garamszegi, Szmog, 10.

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Mautgebühren, die Verkehrsberuhigung der zentral liegenden Orte der Stadt sowie eine höhere Bezuschussung für den Nahverkehr.19 Die Antwort der zuständigen Abteilung im Stadtrat auf wiederholtes Nachfragen der Grünen Runde war, dass sie mit ihren Argumenten Angst und Schrecken in der Bevölkerung verbreiteten, wofür absolut kein Grund bestehe.20 Aus einem internen Bericht geht jedoch hervor, dass dem Stadtrat das Versagen der Geräte und das von der Luftverschmutzung ausgehende Gesundheitsrisiko sehr wohl bewusst waren.21 Aufgrund der finanziellen Lage des Landes war aber ein Ersatz der alten Geräte durch neuere und genauere Modelle nicht möglich, hieß es. Die Umweltschutzgruppen starteten mehrere Aktionen im öffentlichen Raum, um auf die vom Staat verschwiegenen Gefahren aufmerksam zu machen. Sie verwendeten dabei die etablierte Bild- und Symbolsprache der Aktionsformen westlicher Umweltbewegungen, um Umweltrisiken öffentlichkeitswirksam darzustellen. Zur bekanntesten und medial wirksamsten Aktion zählte eine gemeinsame Demonstration auf der Margarethen-Ringstraße auf der Budaer Seite im Jahr 1989 mit den dortigen Anwohnerinnen und Anwohnern.22 Anlass für den Protest war ein ärztliches Gutachten, das in den Blutproben dort lebender Kinder Bleiwerte festgestellt hatte, die um ein Mehrfaches über dem erlaubten Grenzwert lagen. Das Schwermetall Blei galt als besonders gesundheitsgefährdend für Kinder und Jugendliche, da es die geistige wie auch körperliche Entwicklung beeinträchtigte. Ursache war die vom Verkehr verschmutze Luft, weil viele Fahrzeuge mit stark bleihaltigem Benzin angetrieben wurden. An diesem Straßenabschnitt der Innenstadt war die Luft am stärksten belastet.23 Der Auftritt auf der Margarethen-Ringstraße hatte ein zusätzliches Echo, weil hier die geistige und körperliche Entwicklung von Kindern in den Mittelpunkt gestellt wurde. Dadurch wurde ein abstraktes, unsichtbares und schwer verständliches Umweltrisiko an einen konkreten Punkt im Stadtraum gebunden, und die Opfer der verschmutzen innenstädtischen Luft bekamen ein Gesicht. 19 Zaja / Csikor / Zsolt, Levelek [Briefe]. 20 Vgl. Illés / Medgyesi, A környezet- és a természetvédelmi mozgalom szerepe a rendszerváltásban [Die Rolle der Umwelt- und Naturschutzbewegung im Systemwechsel], 139. 21 Vgl. Budapest Főváros Tanácsa tanácsülési jegyzőkönyvei [Protokolle der Ratssitzungen des Stadtrates der Hauptstadt Budapest]: 1989. február 10. HU BFL XXIII.101.a.1. URL: https:// library.hungaricana.hu/hu/view/HU_BFL_XXIII_101_a_1_1989-02-10 (am 31.10.2016), 1–501, 374. 22 Vgl. Mán-Várhegyi, Réka: Hiszünk abban, amit csinálunk [Wir glauben an das, was wir tun]. In: Lélegzet März (2008), URL: http://www.lelegzet.hu/archivum/​2008/03/3537.hpp. html (am 1.1.2017). 23 Vgl. Booklet on the activities and plans of The Talento Foundation and the Action Group on Air Pollution. Budaörs. Milieukontakt Oost-Europa Archives. International Institute of Social History, 392, 4.

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Dass die Mütter der von der Luftverschmutzung betroffenen Kinder ebenfalls mit auf die Straße gingen, untermauerte die Glaubwürdigkeit der Proteste. Zwar führte diese Demonstration nicht zur unmittelbaren Lösung des Problems, da das Verbot einer Beimischung von Blei im Benzin in Ungarn erst 1999 durchgesetzt wurde.24 Jedoch brachten diese und weitere Aktionen im öffentlichen Raum Ende der 1980er-Jahre das Umweltschutzthema erfolgreich an die Öffentlichkeit. Die staatlichen Behörden wurden dabei in ein schlechtes Licht gerückt. Das stellte sowohl das staatliche Meinungsmonopol als auch die staatssozialistische Fürsorge weitgehend in Frage. Die Zulassung von Demonstrationen seitens der Staatsmacht zeigte, dass sich der Staatsapparat im Krisenmodus befand. Die Grenze des Sagbaren hatte sich verschoben, was diese Gruppen zu nutzen wussten. Nicht zuletzt führten die Auftritte zur Entstehung der bislang einflussreichsten Umweltschutzorganisation, der Dachorganisation Levegő Munkacsoport [Clean Air Action Group].25 Dass hauptsächlich Studentinnen und Studenten sowie die Bildungselite der genannten Umweltschutzgruppen aus den Universitäten daran beteiligt waren, bewirkte eine schnelle Professionalisierung.26 Die Clean Air Action Group wurde zum wichtigsten vom Staat unabhängigen Wissensproduzenten der Umweltpolitik und koordinierte als Dachorganisation die Zusammenarbeit der Umweltschutzorganisationen innerhalb Ungarns.27 Über die Umweltschäden des Autoverkehrs zu informieren und Alterna­ tiven zum Auto vorzuschlagen, war bereits in den 1980er-Jahren Teil der Aufklärungskampagnen der Clean Air Action Group. Die Organisation empfahl das Radfahren, die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs und das Zu-Fuß-Gehen als emissionsfreie und umweltfreundliche Fortbewegungsformen. Die Clean Air Action Group erweiterte ihr Profil über den Schutz von sauberer Luft hinaus auch auf andere Themen, wie Stadtentwicklung oder die Planung des Staatshaushaltes, blieb aber der wichtigste Thinktank für umweltfreundliche und kritische Verkehrspolitik in Ungarn.28 Sie führte die politische Lobbyarbeit gegen die autoabhängige Verkehrs- und Raumplanung an, beispielsweise beim Bau von Einkaufzentren. 1999 war sie es, die die Aktion 24 Vgl. Origo: A Mol megszünteti  a 91-es benzin forgalmazását [MOL nimmt das Benzin 91 aus dem Angebot]. In: Origo vom 31.01.2004, URL: http://www.origo.hu/gazdasag/ hirek/20040131amol.html (am 1.1.2017). 25 Vgl. Musza, István: Levegő Munkacsoport [Clean Air Action Group]. In: Szabó, Máté (Hg.): Környezetvédelmi civil kezdeményezések Magyarországon 1988–1998 [Zivilgesellschaftliche Umweltinitiativen in Ungarn 1988–1998]. Tanulmányok. Budapest 1999, 90. 26 Mán-Várhegyi, Hiszünk abban, amit csinálunk [Wir glauben an das, was wir tun]. 27 Europaweit ist die Organisation durch den englischen Name Clean Air Action Group bekannt, deswegen wird hier diese Benennung anstatt der deutschen Übersetzung verwendet. 28 So bereiteten sie etwa vor dem EU-Beitritt Ungarns einen Vergleich der ungarischen und europäischen Verkehrspolitik vor. Vgl. Kiss, Károly / Lukács, András: Uniós csatlakozás – közlekedés – környezet [Beitritt in die Union – Verkehr – Umwelt]. Budapest 2003.

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Autofreier Tag nach Ungarn holte und diese ab 2002 mit der Fővárosi Önkormányzat [hauptstädtische Kommune] gemeinsam veranstaltete.29 Im Folgenden wird dargelegt, wie der Radverkehr zunehmend gesellschaftliche Gruppen anzog, die sich die Förderung dieses Verkehrsmittels zum Ziel setzten. Die Clean Air Action Group blieb die Dachorganisation für diese Gruppierungen.

3.2 Fahrradorganisationen in Budapest Das Fahrrad wird grün Zu Beginn der 1990er-Jahre wurde der urbane Radverkehr in Budapest zum Vorhaben neuer gesellschaftlicher Gruppen aus dem Umweltschutzbereich. Diese problematisierten den Verkehr in der Stadt in Zeitungsartikeln etwa so: Der Stadtverkehr ist Tag für Tag eine Katastrophe. Neue und immer weitere Implantationen von Verkehrsadern, Ober- und Unterführungen und kleeblattförmige Verkehrsknotenpunkte zerschneiden die Stadt bis zur Unkenntlichkeit. Lärmschutzwände und nie endende Autokonvois bauen Mauern auf zwischen den Stadtbewohnern. Und das alles nennt man Entwicklung. […] Es ist überflüssig, weitere überzeugende Beispiele und Zahlen [zu den bereits genannten Argumenten – Bemerk. K. T.] anzuführen, die belegen, dass der Radverkehr ein gutes Instrument sein kann, um unsere Städte von den Fesseln des Autoverkehrs zu befreien. Viele beginnen schon heute, dieses zum Sportgerät degradierte Verkehrsmittel aus der Abstellkammer zu holen, um es seiner ursprünglichen Bestimmung gemäß zu verwenden.30

Der Umweltschützer und Journalist Zoltán Barabás wiederholt in diesen Zeilen die Kritik an der nach Funktionen geteilten Stadt, wie sie bereits der deutsche Psychoanalytiker und Stadtkritiker Alexander Mitscherlich, die amerikanische Soziologin Jane Jacobs und der ebenfalls amerikanische Soziologe Lewis Mumford Jahrzehnte zuvor formuliert hatten.31 Demnach schwindet durch die von der modernen Stadtplanung propagierte Funktionstrennung die Lebensqualität, soziale Räume veröden und die Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner entfremden sich voneinander. Die Kritiker verfolgten deshalb ein neues dezentralisiertes Stadtideal, wonach die Funktionen Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Mobilität wieder vermischt werden sollten. Würde 29 Vgl. Mán-Várhegyi, Hiszünk abban, amit csinálunk [Wir glauben an das, was wir tun]. 30 Barabás, Zoltán: Autózni muszáj – élni nem szükséges? [Autofahren muss man − aber Leben ist überbewertet?] In: Élet és tudomány 43 (1990), 1369. 31 Die genannten Autoren sind die Vordenker der Umweltschutzliteratur. Vgl. Mitscherlich, Alexander: Die Unwirtlichkeit unserer Städte, München 1992; vgl. Jacobs, Jane: The death and life of great American cities. New York 1961; vgl. Mumford, Lewis: The highway and the city. London 1964.

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man darin die vielfältige städtische Nutzung öffentlicher Räume einbinden, so die Überlegung, könnte der öffentliche Raum insgesamt wiederbelebt und sicherer gemacht werden. Als wesentliche Voraussetzung dafür betrachteten sowohl die drei erwähnten Vordenker als auch der zitierte Umweltschützer die Überwindung der Hegemonie des Autoverkehrs. Zwar war das Fahrrad nicht das einzige Instrument dieser grünen Stadtvision, aber dasjenige, das am besten den angestrebten Tempowechsel, die Entschleunigung und die Aufwertung von Straßen als soziale Räume zum Ausdruck brachte. Zu dieser international verbreiteten Idee fanden die ungarischen Umweltschützerinnen und Umweltschützer insofern leicht Anschluss, als das Radfahren in Ungarn während des Sozialismus, mit Ausnahme von Budapest, zum Alltag gehörte. Nur in der Hauptstadt war das Radfahren kaum verbreitet und galt sogar als gefährliches Unterfangen. So schlossen sich bald Umweltschützer und weitere gesellschaftliche Gruppen zusammen, um den Radverkehr voranzubringen. Die Gründung der Fahrradfördergruppen im Jahr 1990 Als ein Erbe der demokratischen Opposition der 1980er-Jahre stand das Thema Umweltschutz relativ weit oben auf der Agenda der neugegründeten politischen Parteien. Jedoch nahm nur die Partei Fiatal Demokraták Szövetsége [Verbund der Jungen Demokraten, FIDESZ] das Thema Radverkehr in ihr bezüglich Umweltthemen recht fortschrittliches Programm aus dem Jahr 1990 auf. 32 Die Jungen Demokraten galten als antikommunistisch, offen, mutig, europaorientiert, demokratisch und zukunftsgerichtet. Ein Beleg für das damalige grüne, oppositionelle Image des Fahrrads war es, dass die Politikerinnen und Politiker des FIDESZ sich in der Öffentlichkeit als Fahrradsympathisanten zeigten. Mitglieder der Parlamentsfraktion, wie Viktor Orbán und Tamás Deutsch, ließen sich am Tag der Erde 1991 auf dem Fahrrad vor dem Parlament unter einem hochgehaltenen Banner mit der Aufschrift »Diese Partei liebt das Fahrrad!« fotografieren.33 Einige der Parlamentarier gründeten Zöld Frakció [die grüne Fraktion], aus der im November 1991 eine Stiftung für die Förderung des Radverkehrs mit dem Namen Kerékpárosan Szép az Élet [Auf dem Zweirad ist das Leben schön] hervorging. Der Name der Stiftung war ein Wortspiel, das die Schönheit des Lebens zu zweit und auf dem Zweirad lobt. Für die fachliche Beratung hatte die Stiftung mit dem Ingenieur Miklós Szálka eine prominente Figur in ihr Kuratorium geholt: Er hatte 1990 den letzten Radwegeplan für Budapest 32 Vgl. Gaal, Gyula / Török, Ádám: A politika hatása Budapest közlekedésfejlődését meghatározó egyes elemekre 1990-től napjainking [Einfluss der Politik auf die Verkehrsentwicklung von Budapest von 1990 bis heute]. In: TÉT 24/4 (2010), 185–194, hier: 191. 33 Ez a párt szereti a kerékpárt [Diese Partei liebt das Fahrrad]. In: cyclechic.hu vom 15.4.2012, URL: http://cyclechic.blog.hu/2012/04/15/ez_a_part_szereti_a_kerekpart (am 1.1.2017).

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entworfen. Die FIDESZ -Stiftung Kerékpárosan Szép az Élet formulierte 1991 als generelles Ziel »die Fahrradkultur in Ungarn« zu verbreiten, wofür die Stiftung jede Art von Unterstützung willkommen hieß, die bei der Bekanntmachung der Vorteile dieser Verkehrsform behilflich sei.34 Konkretere Pläne hatten sie aber nicht. 1993 wurde die Stiftung Teil einer größeren Fahrradinitiative. Dennoch war die Stiftung ein Beleg dafür, dass das Interesse am Radverkehr als ein innovatives Element des Stadtverkehrs von der demokratischen Opposition und der sich neu herausbildenden politischen Elite anfangs mitgetragen wurde. Eine weitere bekannte Organisation mit einer Pro-Radverkehr-Einstellung fernab der Parteipolitik war der Túrakerékpárosok Szövetsége [Verbund der Tourenradfahrer]. Dieser sprach für die vielen Radfahrenden, die sich bessere Bedingungen für das Radfahren in der Freizeit wünschten, und konnte so auf eine große gesellschaftliche Basis zurückgreifen. Fahrradtouren innerhalb Ungarns mit Übernachtung auf Campingplätzen oder in Privatunterkünften waren in den 1980er-Jahren aufgrund der Reiseeinschränkungen besonders beliebt. In diesem Jahrzehnt war es trotz der Mangelwirtschaft in Ungarn möglich, die Ausstattung für Fahrradtouren anzuschaffen und entsprechende Reiseführer zu kaufen.35 Die Gründung der Bewegung Országos Kerékpár Körtúra [Landesweite Fahrradrundtour] zeigt, dass das Radfahren ab den 1980er-Jahren zu einer weit verbreiteten Freizeitbeschäftigung wurde.36 Um die Organisation und Koordination der Touren zu verbessern, gründeten die Veranstalterinnen und Veranstalter 1982 einen Verband. Dieser pflegte bei seinen jährlichen Sommertreffen Kontakte zu Organisationen aus anderen europäischen Ländern. Die Arbeitsgruppe Bringa und die Freunde des Urbanen Radfahrens Ein Meilenstein für die Budapester Fahrradinitiativen war, dass die bisher genannten Gruppierungen – Clean Air Action Group, die Umweltschutzgruppen der Universitäten, der Verbund der Tourenradfahrer sowie die Stiftung von FIDESZ  – 1992 eine informelle Arbeitsgruppe mit dem Namen Bringa Munkacsoport [Arbeitsgruppe Fahrrad] gründeten. Eine zentrale Rolle spielte dabei die niederländische Umweltorganisation Milieukontakt Oost-Europa. 34 Kerékpárosan Szép Az Élet. In: Karikatúra 13 (März 1992), 16–17. 35 Vgl. Tóth, József: Kerékpáros túrázók zsebkönyve [Taschenbuch der Fahrradtourenfahrer]. Gyál 1983; vgl. Kristóf, Karlovitz / Endre, Kiss / Ágnes, Padányi: Kerékpáros útikalauz magyarországi kerékpárutakkal [Fahrradreiseführer mit Fahrradwegen in Ungarn]. Budapest 1989. 36 Vgl. Máthé, Tamás: A kerékpáros térképek fejlődése Magyarországon. Kartográfiatörténet – Szemináriumi dolgozat [Die Entwicklung der Fahrradkarten in Ungarn. Geschichte der Kartographie – Hausarbeit]. URL: http://lazarus.elte.hu/~zoltorok/oktat/2000/mathe/ mathe.htm, (am 1.1.2017).

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Sie war als späterer Geldgeber ein wichtiger Katalysator für den Zusammenschluss der am Radverkehr interessierten Gruppierungen.37 Martin Abma, ein niederländischer Mitarbeiter von Milieukontakt OostEuropa, war als Koordinator für Ungarn zuständig. Er nahm auch am Widerstand gegen den Gabcikovo-Nagymaros-Staudamm teil und unterstützte die Atomkraftgegner in Ungarn. Die Vorbereitungen für das neue Umweltgesetz interessierten ihn ebenso wie ein umweltverträglicher Konsum. Die erste Sitzung des späteren Bringa Munkacsoport fand auf seine Initiative hin während eines Besuchs in Budapest am 16. Mai 1991 statt.38 Er schlug vor, dass in Ungarn eine Fahrradinteressenvertretung ähnlich wie in den Niederlanden aufgebaut werden sollte. Bei dieser Tagung war der Vertreter des PHARE-Programms [Hilfsprogramm für die Umgestaltung der Wirtschaft in Polen /  Ungarn] anwesend, ein potenzieller Träger von Fahrradprojekten. Dieser Vertreter gab den Umweltschutzgruppen das klare Signal, dass ein Voranbringen des Radverkehrs aus westeuropäischer Perspektive förderungswürdig sei.39 Die explizit für die Koordination der Fahrradlobby gegründete Arbeitsgruppe Bringa bestand knapp zwei Jahre lang. Sie war zwar nur eine lose Versammlung, aber sie hatte engagierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer und zwischen 1991 und 1994 eine von Milieukontakt Oost-Europa bezahlte Vollzeit-Koordinatorin (Andrea Nagy). Hier fanden sich sowohl Ingenieurinnen und Ingenieure, die sich für Radverkehrsplanung interessierten, als auch Umweltschützerinnen und Umweltschützer sowie Tourenradfahrerinnen und Tourenradfahrer unter dem Motto »für eine bessere Luft in Budapest« zusammen.40 Es war ein kleines Sammelbecken für Menschen, die sich der Gruppe entweder aus Begeisterung für den Umweltschutz oder in der Hoffnung auf spätere Arbeitsaufträge anschlossen. Die niederländische Expertise beim Thema Radverkehrsmanagement, gute Finanzierungsmöglichkeiten und das baldige Interesse des Europäischen Fahrradverbandes an den neuen ostmitteleuropäischen Mitgliedern waren weitere Bausteine für den Erfolg der Kooperation. Für Martin Abma lag das Poten37 Diese Organisation war seit 1988 in Budapest durch eine lokale Ansprechpartnerin (Zsu­zsanna Foltányi) präsent. Vgl. Circulat letter 1992–2 (Draft). Milieukontakt OostEuropa Archives. International Institute of Social History, 389. 38 Vgl. Summary »Bringa« meeting. 16th may 1991, Budapest. Milieukontakt Oost-Europa Archives. International Institute of Social History, 416. 39 Die Literatur zu sozialen Bewegungen beschäftigt sich ausführlich mit den Auswirkungen der Fördergelder für den Aufbau und die Wirkkraft der NGOSs in der Region. Jacobsson, Kerstin / Saxonberg, Steven: Introduction:  The Development of Social Movements in Central and Eastern Europe. In: Jacobsson, Kerstin / Saxonberg, Steven (Hg.): Beyond NGO -ization. The Development of Social Movements in Central and Eastern Europe. Burlington 2013, 1–25, hier: 6 f. 40 Nagy, Andrea: Kerékpározás helyzete Budapesten [Die Situation des Radfahrens in Budapest]. In: Kerék Hírek. A Bringa Munkacsoport Lapja 1/1 (1992), 3–4, hier: 3.

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zial einer solchen Fahrradinitiative in der Vernetzung bereits bestehender Buda­pester Umweltschutzgruppen. Parallel stufte er den zunehmenden Autoverkehr und die autofreundlich eingestellte Verkehrspolitik in Budapest als besorgniserregend ein.41 Westliche Umweltschutz- und Verkehrsfachleute wie er selbst warnten bereits in den 1980er-Jahren in einer etwas paternalistisch klingenden Prognose davor, in Osteuropa hinsichtlich der Motorisierung der gesamten Bevölkerung die gleichen Fehler zu begehen wie im Westen.42 Internationale Impulse begleiteten die Institutionalisierung der Budapester Fahrradlobby in den 1990er-Jahren weiter: 1991 nahmen einige Ingenieure und Fahrradaktivisten aus Budapest, unterstützt durch Reisebeihilfen von Milieukontakt, an der vom Europäischen Fahrradverband in Mailand organisierten Fahrradkonferenz Velo-City teil.43 Damit fanden die ungarischen Fahrradlobbyisten Anschluss an ein europäisches Netzwerk. Die Konferenzreihe Velo-City galt seit Anfang der 1980er-Jahre als wichtigster Raum zur Vernetzung und inspirierte die Radverkehrsplanung in Ungarn bereits in den 1980er-Jahren. Ein Treffen mit der mailändischen Fahrradorganisation Ciclobby während des Besuchs der Konferenz bewegte einige ungarische Teilnehmerinnen und Teilnehmer 1992 nach eigener Aussage zur Gründung eines neuen Vereins mit dem Namen Városi Biciklizés Barátai [Freunde des Urbanen Radfahrens, VBB].44 Er entstand aus einem Verbund bisheriger Gruppierungen, wie der Fahrradstiftung der Partei FIDESZ und der Arbeitsgruppe Bringa. Ab 1993 war der Verein Freunde des Urbanen Radfahrens offiziell eingetragen und vertrat in der Öffentlichkeit relativ konstant bis Anfang der 2000er-Jahre das Thema des urbanen Radfahrens mittels Demonstrationen und anderer Aktionen. Die Arbeit der Vereine Die ausländischen Kontakte spielten zwar hinsichtlich Orientierung und Finanzierung eine wichtige Rolle, ersetzen aber nicht den nötigen Idealismus, mit dem diese Gruppierungen trotz begrenzter Ressourcen und gegen gesellschaftlichen Widerstand kontinuierlich über zehn Jahre hinweg für urbanes Radfahren in der ungarischen Hauptstadt warben. Der folgende Überblick widmet sich eben diesem Idealismus, den Zielen und dem Verständnis derer, die den urbanen Radverkehr in dieser Zeit voranbrachten. 41 Vgl. Draft project bicycle route network Budapest. Milieukontakt Oost-Europa Archives. International Institute of Social History, 416, 2. 42 Vgl. Kovács Zoltán: Hajrá, biciklisták! [Los geht’s, Radfahrer!]. In: Budapest 22/1 (1984), 18–19, hier: 18. 43 Vgl. Letter to Martin Abma about FIDESZ participants for Velo City in Milan. Milieukontakt Oost-Europa Archives. International Institute of Social History, 418. 44 Vgl. Bóday, Pál Péter: Kedves budapesti biciklis!  [Liebe Budapester Radfahrende!]. In: Lélegzet Juli (1992), URL: http://www.lelegzet.hu/archivum/1992/07/1936.hpp.html (am 1.1.2017).

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Abb. 4: Titelbild der populärwissenschaftlichen Zeitschrift Élet és Tudomány, der die neue Fahrradkarte ankündigte.

Das Vereinsleben der Fahrradorganisationen in Budapest wurde bestimmt von wöchentlichen Treffen, die offen für Neuankömmlinge und Interessierte waren, aber die Zahl der Mitwirkenden blieb beschränkt. Der Leiter des Vereins Freunde des Urbanen Radfahrens erinnerte sich, dass 47 Teilnehmer der Vereinsgründung 1992 beiwohnten. Bis zum Jahr 2000 stieg die Zahl der Mitglieder dann auf 2000.45 Die Mehrheit der Fahrradfreunde in Budapest nutzte das Fahrrad vor allem in der Freizeit. Der Verein der Freunde des Urbanen 45 Vgl. Legát, Tibor: »Az autózás káros az egészségre« – Kőhalmi István, a Városi Biciklizés Barátainak elnöke [»Autofahren ist gesundheitsschädlich« −István Kőhalmi, Präsident der Freunde des Urbanen Radfahrens]. In: Magyar Narancs 20 vom 18.5.2000, URL: http://magyarnarancs.hu/belpol/az_autozas_karos_az_egeszsegre_kohalmi_istvan_a_ varosi_biciklizes_baratai_egyesuletenek_elnoke-58517 (am 1.1.2017).

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Radfahrens und die Gruppe der Tourenradfahrer waren eigentlich Freundeskreise Gleichgesinnter, die längere Fahrradtouren oder Tagesausflüge über Budapest hinaus unternahmen. Dass man gemeinsam seine Freizeit verbrachte, war wohl auch der ausschlaggebende Grund für den langjährigen Bestand dieser Vereine. Erklärtes Ziel der Gruppen war es, die Fahrradfreundlichkeit des urbanen Raums zu fördern, damit sich der Freizeitverkehr zum Berufsverkehr entwickeln konnte. Ein detaillierteres Handlungsprogramm dazu formulierte der Verein Freunde des Urbanen Radfahrens 1993.46 Für die Tätigkeit dieser Gruppen war es wichtig, dass die Hauptstadt seit 1992 in ihrem Haushalt kontinuierlich einen Etat für ein Fahrradwegebauprogramm festlegte. Da die Fővárosi Önkormányzat Közlekedési Ügyosztálya [Verkehrsabteilung des Amts des Oberbürgermeisters] generell über wenig geeignetes Personal für diese Aufgabe verfügte und nur begrenzte Informationen zur aktuellen Situation des Radverkehrs hatte, waren Impulse von Seiten der Fahrradorganisationen durchaus willkommen. Ein Projekt mit großem Symbolgehalt war die Zusammenstellung und Veröffentlichung eines Fahrradstadtplans.47 Die erste Ausgabe erschien 1993 in Zusammenarbeit mit der Verkehrsabteilung des Amts des Oberbürgermeisters.48 Auf dem Plan waren einerseits die bereits gebauten oder geplanten Radwege eingezeichnet, andererseits hatten die Macher von aktiven Radfahrenden Routenvorschläge eingesammelt und aufgenommen, die über Schleichwege in der Großstadt informierten.49 Für weniger Geübte und für Interessierte bot dieser Stadtplan eine wichtige Orientierung und bewies, dass der Radverkehr in der Stadt möglich war, denn letztlich gab es dazu nun offiziell veröffentlichte Pläne. Die Erschließung der Stadt für Radfahrende mithilfe dieses Plans war ein wichtiges Marketingmittel. Der Fahrradstadtplan generierte Aufmerksamkeit für die Freunde des Urbanen Radfahrens und wurde in den 1990er Jahren mehrmals erweitert und neu aufgelegt.50 Darüber hinaus versuchten die Fahrradinitiativen, die breitere Öffentlichkeit durch Herausgabe einer eigenen Zeitung zu erreichen, denn für den Aus46 Vgl. A »Városi Biciklizés Barátai« Egyesület Alapszabálya [Satzung des Vereins »Freunde des Urbanen Radfahrens«]. In: Lélegzet Juli–August (1993), URL: http://www.lelegzet.hu/ archivum/1993/07/1653.hpp.html (am 1.1.2017). 47 Vgl. Barabás, Zoltán: Szerintem…[Meiner Meinung nach…] In: Élet és tudomány 48 (1993), 2. 48 Vgl. Kartográfiai Vállalat / FRIGORIA GMK : Budapest kerékpárútjai [Budapester Radwege]. Országos Széchényi Könyvtár, Térképtár. Budapest 1992. 49 Vgl. Tóth, Katalin: Interview mit Andrea Nagy über Fahrradaktivismus, Milieukontakt Oost-Europa, die Arbeitsgruppe Bringa und den Verein Freunde des Urbanen Radfahrens. Gödöllö 22.6.2015. 50 Vgl. Simon, Zsuzsa / Balogh, Gábor: Kerékpárral Budapesten [Budapest mit Fahrrad]. Or­ szágos Széchényi Könyvtár, Térképtár. Budapest 1999.

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bau eines Unterstützerkreises war es wichtig, Informationen über die eigene Arbeit in Umlauf zu bringen. Diese Initiativen waren jedoch nicht von langfristigem Erfolg gekrönt. So blieb es mit den Kerék Hírek [Radnachrichten] bei einer Beilage in der monatlich erscheinenden Umweltzeitschrift Lélegzet [Atem] der Clean Air Action Group, die bis Mitte der 2000er-Jahre erschien. Fahrraddemonstrationen und Aktionen im öffentlichen Raum wurden in den 1990er-Jahren ein immer wichtigeres Instrument des Fahrradaktivismus. Der Verein der Freunde des Urbanen Radfahrens richtete Ende der 1990er-Jahre jeden zweiten Donnerstag die regelmäßige Fahrraddemonstration Kerékpárral a Városért [Mit dem Rad für die Stadt] aus. Die Route verlief meistens auf dem 1996 eingerichteten innerstädtischen Fahrradweg vom Heldenplatz bis zum Vörösmarty-Platz in der Innenstadt. Die Idee dafür ging auf einen fahrradbegeisterten Schweizer Stadtplaner zurück, der im Amt des Oberbürger­ meisters in Budapest ein Referendariat absolvierte.51 Er organisierte die Fahrten zusammen mit einem Mitarbeiter der Clean Air Action Group. Allerdings zogen diese Fahrten nie mehr als etwa 60 bis 200 Leute an.52 Jedoch konnten die Organisatoren für diese Fahrten prominente Politikerinnen und Politiker, wie den Oberbürgermeister Gábor Demszky oder einen seiner Stellvertreter gewinnen.53 Ein weiteres Programm mit dem Titel Bringázz munkába meg iskolába [Mit dem Rad in die Arbeit und in die Schule] startete der Verein der Freunde des Urbanen Radfahrens, um die alltägliche Nutzung des Fahrrades zu popularisieren. Diese Aktion ging auf die Idee der kalifornischen Fahrradorganisation People Power in der US -amerikanischen Stadt Santa Cruz zurück.54 Der Verein Freunde des Urbanen Radfahrens übernahm die Initiative und bot im Rahmen des Programms und in Kooperation mit einer Fastfoodkette Frühstück an unterschiedlichen Orten der Innenstadt für diejenigen an, die mit dem Fahrrad ankamen. Von dem stärker umweltorientierten Teil der Gruppe wurde dies intern kritisiert.55 Allen Veranstaltungen gemeinsam war, dass sie niederschwellig angelegt waren, ausländische Vorbilder hatten und darauf abzielten, sich im öffentlichen Raum zu zeigen und durch öffentlichkeitswirksame Aktionen mehr Menschen für das Radfahren in der Stadt zu gewinnen. 51 Udvarhelyi, Tessza Èva: Reclaiming the Streets  – Redefining Democracy. The Politics of the Critical Mass Bicycle Movement in Budapest. In: Hungarian Studies 23/1 (2009), 121–145, hier: 124. 52 Vgl. Tóth, Interview mit Andrea Nagy über Fahrradaktivismus, Milieukontakt OostEuropa, die Arbeitsgruppe Bringa und den Verein Freunde des Urbanen Radfahrens. 53 Vgl. ebd. 54 Vgl. Isé, Zsuzsanna: Emberi erővel! [Mit menschlicher Kraft!]. In: Lélegzet Oktober (1993), URL: http://www.lelegzet.hu/archivum/1993/10/1712.hpp.html (am 1.1.2017). 55 Vgl. Tóth, Interview mit Andrea Nagy über Fahrradaktivismus, Milieukontakt OostEuropa, die Arbeitsgruppe Bringa und den Verein Freunde des Urbanen Radfahrens.

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Errungenschaften der Freunde des Urbanen Radfahrens Es war weniger das taktische Handeln der Fahrradorganisationen, sondern vielmehr die Einbettung ihrer Mitglieder in die hauptstädtischen politischen Elitenetzwerke, die – trotz des eher geringen gesellschaftlichen Stellenwerts des Radfahrens  – zu einigen Errungenschaften für den Radverkehr in der Stadt führte. Der Vorsitzende des Vereins Freunde des Urbanen Radfahrens, István Kőhalmy, hatte beispielsweise gute Beziehungen zu Führungseliten des Verkehrsunternehmens Magyar Állam Vasutak [Ungarische Staatsbahn], der Budapesti Közlekedési Vállalat [Budapester Verkehrsgesellschaft] und zum Oberbürgermeister selbst. István Kőhalmy war in derselben Partei wie Oberbürgermeister Gábor Demszky.56 Ein Ergebnis dieser Kontakte war, dass die Budapester Verkehrsgesellschaft ab Mai 1992 auf einer der drei Vorortbahn­ linien und auf der Fogaskerekű [Zahnradbahn] die Fahrradmitnahme einführte und dafür spezielle Abteile einrichtete.57 Später wurde die Fahrradmitnahme in den Fernzügen der Ungarischen Staatsbahn und auf den beiden anderen hauptstädtischen Vorortbahnen eingeführt. Die Budapester Fahrradorganisationen der 1990er-Jahren prägten durch ihre Demonstrationen und Aktionen im öffentlichen Raum nachhaltig die Formen des Fahrradaktivismus und schufen – beispielsweise durch die Fahrradmitnahme in den Vorortbahnen – Möglichkeiten zur Freizeitnutzung des Fahrrads außerhalb der Stadt. Trotz dieser Bemühungen verschlechterten sich die Voraussetzungen für das Radfahren in der Periode zwischen 1990 und 2000 in der Hauptstadt deutlich.58 Grund dafür war der wachsende Autoverkehr und die damit steigende Fahrgeschwindigkeit. Der Autoverkehr wurde ganz konkret als Motor der Wirtschaft und generell als Sinnbild für wirtschaftliche Prosperität betrachtet – sowohl in der Bevölkerung als auch von der Politik. Deshalb erhielten die Autoindustrie und die privaten Autobesitzer viele staatliche Begünstigungen, etwa in Form von Steuererlassen.59

56 Vgl. Tóth, Katalin: Interview mit Gábor Balogh über die Arbeit als Verkehrsingenieur und über die Erfahrungen des Fahrradbundes. Budapest 26.6.2015. 57 Vgl. Bősze, Sándor: Kerékpárszállítás a BKV járművein [Fahrradmitnahme in den Fahrzeugen der Budapester Verkehrsgesellschaft]. In: Kerék Hírek. A Bringa Munkacsoport Lapja 1/1 (1992), 11–13. 58 Vgl. Kőhalmi, István: Bringával Budapesten [Mit dem Fahrrad in Budapest]. In: Lélegzet Juli–August (2004), URL: http://www.lelegzet.hu/archivum/2004/07/3059.hpp.html (am 1.1.2017). 59 Die Opel-Fabrik und ein Suzuki-Werk haben beide 1991 ihre Tore in Ungarn geöffnet. Vgl. Szentgotthárdi Opel gyár. Történetünk [Die Opel Fabrik in Szentgotthárd. Unsere Geschichte]. URL : http://www.opel.hu/opel-elmeny/szentgotthardi-opel-gyar/ tortenetunk.html (am 6.1.2017) Suzuki Magyarországon. Történelem [Suzuki in Ungarn. Geschichte]. URL : http://www.suzuki.hu/pages/display/magyar_suzuki_zrt./korabbi/ vallalat/tortenelem/cikk:a_suzuki_magyarorszagon (am 6.1.2017).

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Öffnung nach Europa: Förderung aus dem Ausland 

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István Kőhalmy, der Präsident des Vereins Freunde des Urbanen Radfahrens, beschrieb die Arbeit des Vereins in einem Zeitschriftenaufsatz rückblickend als einen vergeblichen Kampf gegen Windmühlen.60 Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass der urbane Radverkehr – bei einem verhältnismäßig geringen Anteil am Gesamtverkehr und unter recht wechselhaften Rahmenbedingungen – in den 1990er-Jahren ein Arbeitsfeld bürgerschaftlichen Engagements bedeutete.

3.3 Öffnung nach Europa: Förderung aus dem Ausland Eine Reise in die Niederlande Für die ungarischen Fahrradaktivisten, Umweltschützerinnen und Umweltschützer und Verkehrsfachleute mit Interesse am Radverkehr boten die ausländischen – und darunter vor allem die niederländischen – Kontakte in den 1990er-Jahren eine Chance, neue Formen der Radverkehrsplanung und der Radverkehrspolitik kennenzulernen. Für die ungarische Seite war eine Reise nach Amsterdam im Sommer 1992 folgenreich. Diese Fahrt wurde von der Stadt Amsterdam und vom großen niederländischen Fahrradverband Fietsersbond ENFB sowie dem Milieu­kontakt Oost-Europa finanziert und organisiert.61 An dieser Reise nahmen einige Personen teil – Beamtinnen und Beamte, Aktivistinnen und Aktivisten sowie Fachleute der Verkehrsplanung –, die später über die Radverkehrsplanung in Budapest entschieden. Martin Abma, ein strategisch denkender Mitarbeiter von Milieukontakt Oost-Europa, suchte Kontakt zur Verkehrsabteilung des Amts des Oberbürgermeisters und lud einen Mitarbeiter der Verkehrsabteilung, Balázs Tőkés, nach Amsterdam ein.62 Ein weiterer Teilnehmer war der Verkehrsingenieur Kálmán Pej, der als ehemaliger Mitarbeiter der staatlichen Planungsfirma Fővárosi Mélyépítési Tervező Vállalat [Hauptstädtische Planungsfirma für Tiefbau, FŐMTERV] bereits in den 1980er-Jahren Radverkehrsanlagen in Budapest plante. Die Erfahrungsberichte von Balázs Tőkés und des Verkehrsingenieurs Kálmán Pej zeugen von einschneidenden Erlebnissen in der niederländischen

60 Vgl. Kőhalmi, Bringával Budapesten [Mit dem Fahrrad in Budapest]. 61 Vgl. A study tour on bicycle policy. Hungarians visit Amsterdam. 13–17 July 1992. Report by Martin Abma, Milieukontakt Oost-Europa. Milieukontakt Oost-Europa Archives. International Institute of Social History, 418. 62 Vgl. Letter to Balázs Tőkés. Invitation to a study tour on bicycle use in The Netherlands, 13–17.07.1992. Milieukontakt Oost-Europa Archives. International Institute of Social History, 418.

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Die 1990er-Jahre: Radfahren als »grüne Vision«

Hauptstadt.63 Kernpunkt ihrer Beobachtungen ist die Benennung des unterschiedlichen gesellschaftlichen Stellenwerts des Radverkehrs in beiden Ländern. In Ungarn hatte der Radverkehr »a significance only because of road safety, as cyclists disturb car traffic«, in den Niederlanden hingegen galt der Radverkehr als eine »supported solution for transport and environmental problems«.64 Sowohl Balázs Tőkés als auch Kálmán Pej waren später zentrale Gestalter des Radverkehrs in Budapest. Balázs Tőkés war für den Radwegebau in der Verkehrsabteilung des Amts des Oberbürgermeisters zuständig und Kálmán Pej machte sich in den 1990er-Jahren selbständig, um mit seinem Ingenieurbüro Tandem die Fachrichtung der Radverkehrsplanung für Ungarn fast im Alleingang zu entwickeln. Das Interesse der Ungarn an Europa traf mit der Öffnung der niederlän­ dischen Organisationen in Richtung Ostmitteleuropa zusammen. Die Kontakte waren für die fahrradinteressierten Fachleute auf ungarischer Seite wegen der Reisemöglichkeiten, dem Erfahrungsaustausch und dem Wissenstransfer besonders attraktiv. Durch diesen Austausch bekamen ihre Bemühungen um Förderwürdigkeit des Radverkehrs symbolische Rückdeckung. Zu den niederländischen Absichten hinter dieser Kontaktaufnahme lässt sich vermuten, dass neben den ideellen Zielen Investitionen und Aufträge für niederländische Firmen in Ungarn eine Rolle spielten. Dazu wird später ein von ungarischen und niederländischen Verkehrsplanern gemeinsam bearbeitetes Pilotprojekt analysiert. KEROSZ: Der Dachverband der ungarischen Fahrradorganisationen 1996–2001

Die Förderung des Radverkehrs wurde in den folgenden Jahren zum Gegenstand eines intensiven niederländisch-ungarischen Austausches. Hierfür entstand eine Beraterstelle für Radverkehr als neue Organisation. Der Verein der Freunde des Urbanen Radfahrens warb dafür mit Unterstützung von Milieukontakt Oost-Europa beim niederländischen Umweltministerium 1994 erfolgreich für eine Förderung. Der Europäische Fahrradverband, zu dem Martin Abma enge Arbeitskontakte pflegte, war ebenfalls Anfang der 1990er-Jahre an neuen ostmitteleuropäischen Mitgliedsorganisationen interessiert und unterstütze diesen Antrag.65

63 Vgl. Summary of the experiences of the study-tour »Cycling in Amsterdam« 13–17 July 1992. Milieukontakt Oost-Europa Archives. International Institute of Social History, 418 Vgl. Bicycle Study Trip in Amsterdam. Milieukontakt Oost-Europa Archives. International Institute of Social History, 418. 64 Summary of the experiences of the study-tour »Cycling in Amsterdam« 13–17 July 1992. Milieukontakt Oost-Europa Archives. International Institute of Social History, 418, 1. 65 Vgl. Summary »Bringa« meeting. 16th may 1991, Budapest. Milieukontakt Oost-Europa Archives. International Institute of Social History, 416.

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Ziel des bewilligten Fahrradprojekts war es, einen zentralen Dachverband für die Fahrradlobby in Ungarn zu schaffen, den der traditionsreiche niederländische Fahrradverband Fietsersbond ENFB unterstützen sollte. Aufgabe dieses Verbandes sollte es sein, einen Perspektivenwechsel bei den Entscheidungsträgern vor Ort zu bewirken. So entstand der neue Dachverband mit dem Namen Kerékpárral Közlekedők Országos Szövetsége [Landesweiter Dachverband für Radfahrende, KEROSZ], der mit Vollzeitmitarbeitern besetzt wurde.66 Einer von ihnen war der Verkehrsingenieur Gábor Balogh, ein ehemaliger Mitarbeiter des staatlichen Planungsbüros FŐMTERV, und Sekretär der Freunde des Urbanen Radfahrens.67 Aufgabe von KEROSZ waren der Aufbau und die Pflege internationaler Kontakte, die Durchführung von Aktionen und Programmen zur Radverkehrsförderung sowie Lobby-Arbeit. 1996 hielt der Europäische Fahrrad­ verband seine Mitgliederversammlung auf Initiative von KEROSZ in Budapest ab. Der Besuch vieler renommierter ausländischer Fachleute trug dazu bei, dass der Oberbürgermeister Gábor Demszky und der Verkehrsminister die Veranstaltung besuchten.68 KEROSZ organisierte mit Fördergeldern von Milieukontakt außerdem Studienreisen in die Niederlande von Ministeriumsmitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Bezirksbürgermeisterinnen und Bezirksbürgermeistern sowie Fahrradaktivistinnen und Fahrradaktivisten, aber auch von Schulkindern, damit diese den urbanen Radverkehr als selbstverständlichen Bestandteil des europäischen Stadtlebens kennenlernen konnten.69 Ein weiteres Projekt war die Zusammenstellung von Fachliteratur zur Radverkehrsplanung und -förderung sowie deren Übersetzung ins Ungarische.70 Ein Meilenstein für die Radverkehrsplanung war die ungarische Veröf­ fentlichung des Buchs Straßen zum Radfahren, herausgegeben von Mitarbeitern des Verkehrsclubs Österreich (VCÖ). Dieses Werk lieferte eine Zusammenfassung der Methoden der integrierten fahrradfreundlichen Verkehrsplanung und wurde später zur »Bibel« der Fahrradaktivisten.71 Da es 66 Vgl. Balogh, Gábor / Kelemen, Zoltán: 2. A. A kerékpáros mozgalom története [2. A. Die Geschichte der Fahrradbewegung ]. In: Kelemen, Zoltán (Hg.): Kézikönyv kerékpáros mozgalmárok számára [Handbuch für Fahrradbefürworter]. Vác 1998, 12–16, hier: 14. 67 Vgl. Tóth, Interview mit Gábor Balogh über die Arbeit als Verkehrsingenieur und über die Erfahrungen des Fahrradbundes. 68 Vgl. ebd., 15. 69 Vgl. ebd. 70 Vgl. Rauch, Wolfgang: Utak  a kerékpározáshoz [Straßen zum Radfahren]. Budapest 1999; Kelemen, Zoltán (Hg.): Kézikönyv kerékpáros mozgalmárok számára [Handbuch für Fahrradbefürworter]. Vác 1998; Kelemen, Zoltán (Hg.): Kerékpáros kézikönyv önkormány­zatok számára [Fahrradhandbuch für Selbstverwaltungen]. Vác 2001. 71 Vgl. Tóth, Katalin: Interview mit Gábor Kürti über die Firma Hajtás Pajtás, die Rolle als Critical-Mass-Organisator und über die ehrenamtliche Mitarbeit im Ungarischen Fahrradclub. Budapest 19.6.2015.

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unter den Fachleuten und Entscheidungsträgern an Fremdsprachkenntnissen mangelte, waren diese Bücher wichtige Medien, um neue Verkehrskonzepte zu verbreiten. KEROSZ konnte sich nach dem Auslaufen der Fördergelder aus den Niederlanden nur schwer über Wasser halten. Die zweijährige Förderung war aus Sicht von Milieukontakt kein Erfolg gewesen, da es fortdauernd Probleme in der Kommunikation mit der ungarischen Seite gab.72 Den ungarischen Mitarbeitern fehlte es an Fremdsprachenkenntnissen, Erfahrungen in der Projektarbeit und bei Verwaltungsaufgaben sowie an Zuverlässigkeit gegenüber dem Geldgeber. KEROSZ hätte zwischen kleineren Fahrradorganisationen und der Politik vermitteln, den Wissenstransfer aus dem Ausland abwickeln und eine Zukunftsstrategie entwerfen sollen, war aber in den Augen der Geldgeber mit diesem Multitasking oft überfordert und lieferte nicht die gewünschten Ergebnisse.73 2001 erfolgte daher ein Profilwechsel und aus KEROSZ wurde der Magyar Kerékpárosklub [Ungarischer Fahrradclub].74 Ziel war es, nach dem Modell des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs [ADFC] eine Interessenvertretung für die Förderung des Radverkehrs zu etablieren, die sich über Mitglieds­ beiträge finanzieren und Dienstleistungen für ihre Mitglieder anbieten sollte. Sie wurde vom Europäischen Fahrradverband und vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub ins Leben gerufen.75 Doch dieser Rahmen erwies sich als ebenso wenig lebensfähig. Mitte der 2000er-Jahre war der Fahrradclub wegen zu geringer Mitgliederzahlen nicht mehr funktionsfähig. Beide Organisationsformen waren Versuche, westeuropäische Modelle der Fahrradinteressenvertretung zu übernehmen, aber beide konnten in Ungarn keine gesellschaftliche Basis generieren. Für das »founding game«, das Einwerben von Mitteln ausländischer Geldgeber, für das Projektmanagement und die Fortführung fehlte es an Personal mit Erfahrung.76 Das bürgerschaftliche Engagement zur Förderung des Radverkehrs schaffte den Sprung zur Professionalisierung in den 1990er-Jahren nicht. Es initiierte aber – unterstützt von der Förderpolitik der niederländischen Geldgeber  – einen Wissenstransfer 72 Vgl. Letter to Gábor Balogh on bad cooperation with Fietrsersbond ENFB. Milieukontakt Oost-Europa Archives. International Institute of Social History, 420. 73 Vgl. Minutes of the meeting of the board of Kerosz. Milieukontakt Oost-Europa Archives. International Institute of Social History, 420. 74 Vgl. Balogh, Gábor: Új szervezet a biciklizőkért [Neue Organisation für die Radelnden]. In: Lélegzet Mai (2002), URL: http://www.lelegzet.hu/archivum/2002/05/0126.hpp.html (am 1.1.2017). 75 Vgl. Tóth, Interview mit Gábor Balogh über die Arbeit als Verkehrsingenieur und über die Erfahrungen des Fahrradbundes. 76 Jacobsson / Saxonberg, Introduction:  The Development of Social Movements in Central and Eastern Europe, 6.

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Radewegebau: Neue Räume für den Radverkehr 

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und Erfahrungsaustausch zur Radverkehrsplanung und -förderung. Die Radverkehrsförderung als »westliche« Idee bedeutete zudem eine Öffnung in Richtung Europa.

3.4 Radewegebau: Neue Räume für den Radverkehr Die Rolle der hauptstädtischen Kommune Das Radwegebauprogramm wurde 1992 von der Fővárosi Önkormányzat [hauptstädtische Kommune] initiiert.77 Die Hauptarbeit für das Programm ging von dem Ingenieur Miklós Szálka aus, der nicht nur als Berater der bereits erwähnten FIDESZ -Stiftung mit ihrem Fahrrad-Schwerpunkt tätig war und den Radwegenetzplan vorbereitet hatte, sondern seit 1990 auch ein Mandat der FIDESZ in der Stadtratsversammlung der hauptstädtischen Kommune innehatte.78 Die Etablierung des Radwegebauprogramms war keine Selbstverständlichkeit. Aber der demokratische Neuanfang öffnete nicht nur neuen Akteurinnen und Akteuren den Weg in die Politik, sondern sorgte in der ersten Wahlperiode für eine politische Atmosphäre, die offen war für neuartige Impulse. Nach den ersten freien Wahlen wurde die hauptstädtische Kommune von der linksliberalen Partei Szabad Demokraták Szövetsége [Freier Demokratischer Verbund, SZDSZ] geleitet. Die Abgeordneten von FIDESZ bildeten damit im Stadtrat die Opposition. Der neugewählte amtierende Oberbürgermeister Gábor Demszky von der SZDSZ war kein ausgesprochener Gegner des Radverkehrs, nahm gelegentlich an Programmen der Fahrradinteressenvertretungen teil und unterstützte deren Ideen.79 Der Umweltschutz war Teil des europaorientierten Wertesystems der ehemaligen demokratischen Opposition der 1980er-Jahre, der er und seine Partei entstammten. Das Programm zum Radwegebau wurde in der Stadtratsversammlung bewilligt – mit einer Vereinbarung im Hintergrund, dass die Opposition im Gegenzug ein Vorhaben der regierenden SZDSZ unterstützen sollte.80 Das Programm lief mit sinkenden 77 Vgl. A budapesti kerékpáros közlekedés fejlesztése közép- és hosszútávú programja, és  a kerékpárközlekedés fejlesztés II . üteme beruházási célja [Mittel- und langfristiges Programm für die Förderung des Radverkehrs in Budapest und Investitionsziele in der zweiten Etappe]. Milieukontakt Oost-Europa Archives. International Institute of Social History, 420, 1–15, 1. 78 Miklós Szálka wurde für die Kommunalwahlen von der Partei FIDESZ angefragt und sagte ja. Vgl. Tóth, Interview mit Miklós Szálka, Verkehrsingenieur der Firma Pro Urbe Kft. 79 Vgl. Demszky, Gábor: Elveszett szabadság. Láthatatlan történeteim [Verlorene Freiheit. Meine unsichtbaren Geschichten] Budapest 2013, 253. 80 Vgl. Tóth, Interview mit Miklós Szálka, Verkehrsingenieur der Firma Pro Urbe Kft.

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Budgets bis in die 2000er-Jahre.81 Sein Ziel war, wie der Verlängerungsantrag von 1996 es formuliert, folgendes: Die Zunahme des Autoverkehrs zu begrenzen, gar zu stoppen, liegt im grundsätzlichen Interesse der Stadt. Dafür werden alle Verkehrsarten, die anstelle des PkwVerkehrs in Frage kommen, gefördert. Neben dem öffentlichen Nahverkehr sind der Radverkehr und eine Kombination aus beiden geeignet, diese Rolle zu übernehmen. Dass der Radverkehr hierfür in der Lage sei, zeigen sowohl die internationalen Erfahrungen als auch die Verkehrserhebungen aus Budapest. Als Zielmarke kann ein Anteil des Radverkehrs von 5 % am Gesamtverkehr bis 2010 genannt werden.82

Die Daten entstammen Haushaltsbefragungen aus den Jahren 1992 und 1994, die im Rahmen einer umfassenden Verkehrserhebung in der Hauptstadt durchgeführt wurden.83 Diese Befragungen ergaben, dass 30 Prozent der Budapester gelegentlich Fahrrad fuhren und der Radverkehr einen Anteil von 1,2 Prozent an allen täglich unternommenen Fahrten hatte.84 90 Prozent der zurückgelegten Wege blieben dabei unterhalb von vier Kilometern. Das neue Radwegebauprogramm verfolgte deshalb das Ziel, die Bedingungen für die Fahrradnutzung auf kurzen Strecken zu verbessern. Denn die Luftverschmutzung durch den Autoverkehr war nach wie vor ein Problem. Inspiriert war das Vorhaben von ähnlichen Bestrebungen im benachbarten Österreich und in Deutschland. Die ungarischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger bedienten sich zudem des Vokabulars einer nachhaltigen Verkehrswende, welche sich in dieser Periode in Westeuropa als neues Leitbild einer urbanen Verkehrspolitik etablierte. Jedoch betrug das Budget für den Radverkehr 1994 und 1995 pro Jahr weniger als ein Prozent der Gesamtausgaben der Hauptstadt für Verkehr. Der Blick auf die Finanzierung hilft dabei, die genannten Zielsetzungen und die Aufnahme des Radverkehrs in den Haushaltsplan der Stadt zu kontextualisieren: Der Radwegebau wurde nur pro forma als neue Kategorie im Budget für Verkehr und Mobilität aufgenommen.

81 Vgl. Linder, Bálint: Budapest és a kerékpározás: Aszfaltba döngölve [Budapest und das Radfahren: in den Asphalt gequetscht]. In: Magyar Narancs 26 (2001), URL : http:// magyarnarancs.hu/sport/budapest_es_a_kerekparozas_aszfaltba_dongolve60964 (am 1.1.2017). 82 A budapesti kerékpáros közlekedés fejlesztése közép- és hosszútávú programja, és a kerékpárközlekedés fejlesztés II . üteme beruházási célja [Mittel- und langfristiges Programm für die Förderung des Radverkehrs in Budapest und Investitionsziele in der zweiten Etappe]. Milieukontakt Oost-Europa Archives. International Institute of Social History, 420, 1–15, 8. 83 Vgl. Budapesti kerékpározási szokások [Verkehrsgewohnheiten der Budapester Radfahrenden]. Budapest. Milieukontakt Oost-Europa Archives. International Institute of Social History, 420, 1. 84 Vgl. ebd., 2.

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Aber verglichen mit den Verkehrsausgaben für den Autoverkehr und den öffentlichen Nahverkehr zur gleichen Zeit kam ihm keine Bedeutung zu. Die Situation des Verkehrs in Budapest war damals die gleiche wie in vielen anderen Großstädten des ehemaligen Ost-Blocks: Der Systemwechsel führte überall zur Abnahme des öffentlichen Nahverkehrs und zur Ausbreitung des motorisierten Individualverkehrs.85 Als Folge der Lobbyarbeit des Abgeordneten Zoltán Bogárdi von der Regierungspartei Magyar Demokrata Fórum und der Fahrradorganisationen im Ungarischen Parlament wurden zusätzliche Fördermittel für den Bau von Radwegen ab 1993 aus dem Útalap [Straßenfonds] des öffentlichen Haushalts bewilligt.86 Der Parlamentsabgeordnete Bogárdi war ein wichtiger Verbündeter der Fahrradgruppen.87 Auf Fördermittel aus diesem Fonds konnten sich landesweit Kommunen und die Budapester Bezirke bewerben. 88 Dennoch war die Unterfinanzierung des Radwegebaus ein großes Problem. Planungsvorstellungen und Baumaßnahmen Im Budapest der 1990er-Jahre ging es zunächst darum, den Radverkehr in der Großstadt als Verkehrsform für die Freizeit einzuführen. Da es im Alltag keinen sichtbaren Radverkehr auf den Straßen der Stadt gab, argumentierten die Planerinnen und die Planer, dass zur Verbreitung der Einstieg über den Freizeitverkehr gelingen könne.89 Miklós Szálka war einer der Personen, die die Radverkehrsplanung und die politische Lobbyarbeit in den 1990er-Jahren miteinander verbanden. Er war ab 1990 Abgeordneter im Stadtrat und hatte zuvor den Radwegenetzplan aus dem Jahr 1990 entworfen. Er gehörte zu der Gruppe von Ingenieurinnen und Ingenieuren, die sich in den 1980er-Jahren mit der Radverkehrsplanung beschäftigten, für Kontinuität innerhalb der Planungsdiskurse zum Radverkehr standen und ihre Überzeugungen mit Leidenschaft vertraten. Nach seiner Zeit als Abgeordnete kehrte er in die Planung zurück. 85 Vgl. Canzler, Weert / Knie, Andreas: Auf dem Weg zur Autogesellschaft. Trends im Personen- und Güterverkehr Osteuropas. In: Osteuropa 58/4–5 (2008), 337–349. 86 Der Straßenfonds war ein Jahr früher für den Bau und die Instandhaltung der Straßeninfrastruktur geschaffen worden und speiste sich aus Einnahmen aus der Benzinsteuer. Vgl. 1992. évi XXX . törvény az Útalapról [Gesetz XXX . 1992 über den Strassenfonds]. URL: http://mkogy.jogtar.hu/?page=show&docid=99200030.TV (am 17.8.2016). 87 Vgl. Végh, Oszkár: Megvalosuló álom [Der erfüllte Traum]. In: Pedál 2/2 (1993), 3; vgl. Végh, Oszkár: Ismét a kerékpárutakról. Beszélgetés Bogárdi Zoltán MDF-es országgyű­ lési képviselővel [Erneut über die Radwege. Gespräch mit dem Parlamentsabgeordneten Zoltán Bogárdi der Partei MDF]. In: Pedál 2/7 (1993), 3. 88 Nagy, Andrea: Az Útalap-vita már soha nem ér véget?  [Die Diskussion über den Straßenfonds geht nie zu Ende?]. In: Lélegzet Februar (1993), URL: http://www.lelegzet.hu/ archivum/1993/02/1535.hpp.html (am 1.1.2017). 89 Vgl. Szálka, Miklós: A kerekpáros közlekedés középtávú fejlesztési terve [Mittelfristige Entwicklungspläne für Radverkehr]. In: Városi Közlekedés 36/6 (1996), 378–383, hier: 379.

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Die bereitgestellten Gelder reichten nur für wenige Kilometer Fahrradinfrastruktur, da die kostspieligste Variante aller Radverkehrsanlagen gebaut wurde: nämlich separat verlaufende Radwege oder Fuß- und Radverkehrswege.90 Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist, dass die ungarischen Planerinnen und die Planer andere Radverkehrsanlagen und verkehrstechnische Lösungen zur Verkehrsberuhigung aus den deutschsprachigen Ländern und aus den Niederlanden kannten, die teils günstiger ausgefallen wären.91 Diese hätten aber den Radverkehr auf der Fahrbahn geführt. Die Wahl von separat zur Fahrbahn verlaufenden Radwegen geschah aus Überzeugung und Zwang zugleich. Die Radverkehrsplanung war in Ungarn noch immer ein junges Feld der Verkehrswissenschaften. Miklós Szálka und andere Ingenieurinnen und Ingenieure betrachteten die schlechte Luft und den zunehmenden Autoverkehr auf den Straßen als wichtigste Hindernisse für die Etablierung des Radverkehrs in Budapest. Das Interesse des Radverkehrs gegenüber der sich noch im Aufbau befindlichen Autogesellschaft zu vertreten und Raum auf der Straße für den Radverkehr zu beanspruchen, schätzen sie als besonders schwierig ein. Zudem spielte die international zu dieser Zeit einflussreiche Überzeugung eine Rolle, die einen kausalen Zusammenhang zwischen der Länge der Radwege und dem Radverkehrsanteil herstellte.92 Anfang der 1980er-Jahre gab es in Budapest noch so gut wie keine Radwege. Bis 1997 erreichte das Fahrrad­ wegenetz schließlich eine Länge von 100 Kilometern.93 Verglichen mit Wien, wo innerhalb von einem Jahrzehnt in den 1980er-Jahren 600 Kilometer Radweg gebaut wurden, wurde in Budapest wenig für den Radverkehr getan. Der Fahrradstadtplan von 1999 zeigt, dass diese Radwege hauptsächlich parallel zu Hauptverbindungswegen entlang von Einfahrtstraßen verliefen, aber

90 Da neben dem Bau auch Kosten für Planung und Genehmigung anfielen, kostete ein Kilometer Radweg 1993 zirka 3 Millionen Forint. Vgl. Bóday, Pál Péter / Nagy, Andrea /  Kőhalmi, István: Kerékpársávokat  a fővárosban!  [Radfahrstreifen für die Hauptstadt!]. In: Lélegzet März (1993), URL: http://www.lelegzet.hu/archivum/1993/03/1558.hpp.html (am 1.1.2017). 91 Vgl. Szálka, Miklós: A kerékpárforgalom sajátosságainak vizsgálata, összefüggései a városrendezési tervek készítésével [Besonderheiten des Radverkehrs im Zusammenhang mit der Stadtplanung]. 6. sz. Szakmai Tájékoztató Oktober, 1982; vgl. Szilháti, Sándor: Kerékpárforgalmi létesítmények. Tervezési segédlet [Radverkehrsanlagen. Planungshilfe]. Budapest 1986. 92 Vgl. Knoflacher, Hermann: A  kerékpárosbarát település [Die fahrradfreundliche Siedlung]. In: Városi Közlekedés 32/3 (1993), 138–141, hier: 138; vgl. Szálka, A kerékpárforgalom sajátosságainak vizsgálata, összefüggései a városrendezési tervek készítésével [Besonderheiten des Radverkehrs im Zusammenhang mit der Stadtplanung], 13. 93 Háner, János Ferenc: Kerékpárutak és -létesítmények Budapesten ’98 [Fahrradwege und -anlagen in Budapest ’98]. In: Pedál 7/5 (1998), 21.

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nicht miteinander verbunden waren.94 Eine zentrale Nord-Süd-Verbindung in der Innenstadt war der Donauradweg entlang des Bürgersteiges der oberen Uferstraße auf der Budaer Seite. Dieser Radweg verkörperte die Planungsvorstellung der Zeit, bequeme und im Auge der Planerinnen und Planer sichere Bedingungen für den Freizeitverkehr zu schaffen. Um andere Varianten als getrennte Radwege auf Bürgersteigen auszuprobieren, fehlte es an politischer Unterstützung, an Planungserfahrung sowie angesichts des zunehmenden Autoverkehrs an Platz auf der Fahrbahn. Die Andrássy-Straße: die historische Allee erhält einen Fahrradstreifen Der für den Radverkehr symbolträchtigste Weg in den 1990er-Jahren wurde vom Amt des Oberbürgermeisters 1996 auf der Andrássy-Straße eingerichtet. Dieser wird hier wegen seiner zentralen Lage gesondert vorgestellt, denn die Andrássy-Straße ist eine der repräsentativsten, zweimal zweispurigen Hauptverkehrsrouten der Innenstadt. Sie führt entlang der Oper und historischer Paläste aus der Zeit der K.u.K.-Monarchie und verbindet die Innenstadt mit dem Heldenplatz. Unter der Straße verläuft die älteste U-Bahn des Kontinents, erbaut 1896. Anlass einer Erneuerung der Andrássy-Straße war die Feier zum 1000-jährigen Jubiläum der Staatsgründung Ungarns 1996. Oberbürgermeister Gábor Demszky entschied hier, eine Mischung aus Fahrradstreifen und eigenem Radweg anlegen zu lassen. Der für den Radfahrende markierte Bereich verlief auf dem ersten Abschnitt der Andrássy-Straße zwischen der Bürgersteigkante und den parkenden Autos auf der Fahrbahn. Daran anschließend wurde der Radweg auf dem breiten Bürgersteig, dem ehemaligen Reiterweg, Richtung Heldenplatz weitergeführt. Auf beiden Abschnitten waren die Radelnden vom übrigen Verkehr getrennt. Der Grund dieser Separierung auf dem zweimal zweispurigen Weg war, so brachte es Gábor Balogh, der Leiter der Fahrradorganisation KEROSZ , auf den Punkt, »dass die Radfahrenden die Geschwindigkeit des Verkehrs nicht zu sehr drosseln sollten«.95 Die Errichtung dieses Radweges war wichtig, da er als eine der wenigen diagonalen Verbindungen zwischen der Innenstadt und den außerhalb der Großen Ringstraße liegenden Außenbezirken fungierte. Der Radweg endete bei der großen Grünanlage Városliget [Stadtweide], einem im Sommer beliebten Erholungs- und Ausflugsziel. Wie der Donauradweg war er für den urbanen Radverkehr wegen seiner zentralen Lage und seiner öffentlichen Sichtbarkeit wichtig. Die Informationsbroschüre zur neuen Verkehrsordnung auf der Andrássy-Straße schrieb folgendes: »Mit der Unterstützung des Radverkehrs folgt 94 Siehe Liste mit Baujahr. Tőkés, Balázs / Szálka, Miklós: A  budapesti kerékpárforgalmi hálózat fejlesztése [Die Entwicklung des Budapester Radverkehrsnetzes]. In: Városi Közlekedés 6 (1993), 361–370, hier: 366. 95 Tóth, Interview mit Gábor Balogh über die Arbeit als Verkehrsingenieur und über die Erfahrungen des Fahrradbundes.

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Budapest dem Beispiel anderer Großstädte wie Wien, Berlin und München. Mit Ihrer Hilfe und Unterstützung leisten Sie einen Beitrag dazu, dass Budapest lebenswerter und die Luft in der Stadt sauberer wird.«96 Die neue Fahrradinfrastruktur war sozusagen ein materialisierter Beweis für den gestiegenen Stellenwert des Radverkehrs. Die Legitimation dafür lieferten Umweltschutzargumente und westeuropäische Vorbilder. Dass die Entscheidung zum Bau dieses Radweges direkt einer Anordnung von oberster Stelle folgte, zeigt, dass die Stadtpolitik den Radverkehr durch vereinzelte politische Entscheidungen berücksichtigte. Aus dem alltäglichen Geschäft der Verkehrsorganisation blieb der Radverkehr dennoch ausgeklammert und wurde als ein eigenes, zusätzliches Aufgabenfeld behandelt. Das Amt des Oberbürgermeisters führte in den 1990er-Jahren in seinem Zuständigkeitsbereich noch einige solcher Vorzeigeprojekte auf den Hauptverkehrswegen durch. Neben dem genannten Donauradweg kann die Fahrradinfrastruktur auf der 1995 fertiggestellten Lágymányosi-Brücke angeführt werden: Der dort über den Bürgersteig geführte Radweg schuf im Süden der Stadt eine Verbindung über die Donau. Das einstige Vorzeigeprojekt Andrássy-Radweg wurde später mit Blick auf Sicherheitsaspekte neu bewertet: In den 2000er-Jahren geriet der Andrássy mit dem wachsenden Radverkehr immer mehr in Verruf als gefährliche und unbequeme Radverkehrsanlage und wurde bald zum meist verspotteten Radweg der Stadt. Rechtsabbiegende Autofahrerinnen und Autofahrer und das Öffnen von Autotüren auf der Beifahrerseite in Richtung Radweg führten zu schweren Unfällen, weil hier oft nicht mit Radfahrern gerechnet wurde.97 Zusätzlich problematisch war, dass parkende Touristenbusse, Autos und anliefernde Lastwagen regelmäßig den Radfahrenden den Weg versperrten. Eine Großstadtlegende, die in den 2000er-Jahren in ungarischen Blog­ einträgen gerne kolportiert wurde, zeigt wohl am besten, wie die Budapester Radfahrenden mit zunehmendem Selbstbewusstsein diesen Radweg als überholt und rückständig betrachteten: Demnach seien Studierende des Fachs Verkehrsplanung aus den Niederladen regelmäßig für eine Feldstudie nach Budapest eingeflogen worden, um möglichst viele Planungs- und Baufehler entlang des Radweges auf der Andrássy-Straße zu finden. Den Rekord soll dabei der niederländische Ingenieurstudent J. van der Berg halten, der 2007 insgesamt

96 Fővárosi Önkormányzat: Új forgalmi rend az Andrássy úton [Neue Verkehrsordnung auf der Andrássy-Straße] 1996, Milieukontakt Oost-Europa Archives. International Institute of Social History, 420, 2. 97 Vgl. Földes, András / Spirk, József: Az Andrássyn ingyen lehet elütni a biciklist? [Auf der Andrássy kann der Radfahrende umsonst überfahren werden?]. In: kerekagy.blog.hu vom 3.1.2010, URL : http://kerekagy.blog.hu/2010/01/03/bicikliuton_kozlekedni_nem_ eletbiztositas (am 1.1.2017).

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172 Fehler in der Planung und in der Ausführung aufzählte.98 Wichtiger als der Wahrheitsgehalt dieser Geschichte ist ihre Botschaft: die rückwirkende Infragestellung einer in den 1990er-Jahren gebauten Radverkehrsanlage. Die spätere Bewertung des in den 1990er-Jahren entstandenen Radwegenetzes stellte einen wichtigen Ausgangspunkt für die Arbeit der Fahrradinteressenvertretungen dar. Die Rolle der Bezirke im Radwegbau Auch die Verwaltungsstruktur der Stadt hatte direkten Einfluss auf den unzusammenhängend angelegten Bau des Budapester Fahrradwegenetzes in den 1990er-Jahren. Die neue Zuständigkeit der Stadtbezirke beim Straßenbau spielte eine enorme Rolle, ob und auf welche Art und Weise in verschiedenen Ecken der Großstadt ein markierter Raum für Radverkehr entstand. Da diese Struktur bis in die Gegenwart hinein politische Entscheidungsprozesse zum Infrastrukturbau in Budapest prägt, wird sie hier im Detail besprochen. Nach dem starken staatlichen Zentralismus und der Kontrolle des Sozia­ lismus entschied sich das Parlament 1990 für die lange gewünschte Dezentra­ lisierung der Verwaltung und die Stärkung der untersten Ebene. Dies realisierte sich in Budapest nach 1990 in einem zweistufigen Verwaltungssystem. Die Verwaltungen der 22 Bezirke der Stadt erhielten große Entscheidungs­ befugnisse in ihren kommunalen Aufgabenbereichen, so auch in der Verkehrsorganisation und im Verkehrsmanagement auf ihrem Bezirksgebiet.99 Davon bildeten nur die Hauptverkehrswege eine Ausnahme. Die Bezirksverwaltungen sind bis zur Gegenwart mit der hauptstädtischen Kommune gleichgestellt, der eine Koordinationsrolle mit wenig Eigenmacht zukommt. Diese Neustrukturierung der Verwaltung bedeutete Entscheidungsfreiheit, Selbstbestimmung und die Chance, auf der untersten Ebene der Verwaltungsbehörde auf lokale Aufgaben einzugehen. Es führte aber auch zu einer unkoordinierten Stadtentwicklung in vielen kommunalen Bereichen. Dafür war der Bau von Fahrradinfrastrukturen in diesem Jahrzehnt ein Musterbeispiel. Die Verkehrsabteilung des Amts des Oberbürgermeisters war die zentrale Schlüsselorganisation für den Radwegebau. Jedoch war es eine Entscheidung der Bezirke, ob sie mit der Verkehrsabteilung des Amts des Oberbürgermeisters beim Radwegebau kooperierten oder andere Interessen verfolgten. Nicht ohne Grund beklagten die Fahrradinteressenvertretungen, dass die Autonomie der Bezirke neben der Finanzierung das zweitgrößte Hindernis für einen zügigen 98 Vgl. pata: Egyedülállóan különleges magyar bicikliutak [Außergewöhnliche ungarische Radwege]. In: criticalmass.hu vom 30.7.2009, URL: http://criticalmass.hu/blogbejegyzes/​ 20090730/egyedulalloankulonlegesmagyarbicikliutak (am 1.1.2017). 99 Vgl. 1990. évi LXV. törvény a helyi önkormányzatokról [Gesetz LXV. 1990 über die Kommunalverwaltungen]. URL : https://mkogy.jogtar.hu/?page=show&docid=99000065.TV (am 21.6.2017).

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Ausbau der Fahrradinfrastrukturen darstelle.100 So begründete Balázs Tőkés, der für Radwegebau zuständige Referent der Verkehrsabteilung des Amts des Oberbürgermeisters, in einem Interview die Verzögerung eines Baus 1998 wie folgt: Die Verwirklichung dieses Plans geht nun ins vierte Jahr, was mehrere Gründe hat. Der wichtigste ist, dass die Bezirksverwaltungen andere Interessen verfolgen, wenn sie z. B. Tankstellen oder Einkaufszentren über bereits für den Radverkehr markierte Abschnitte bauen lassen. In manchen Fällen nimmt es viel Zeit in Anspruch, die Eigen­tumsverhältnisse zu klären.101

Auf Bezirksebene hing es oft von den Interessen der Fachleute und der Bezirksverwaltungen ab, ob sie sich um die Umsetzung der Pläne bemühten. Von den 22 Bezirken der Stadt bewarben sich in den 1990er-Jahren nur drei beim Straßenfonds der Hauptstadt um eine Finanzierung des Radwegebaus.102 Dies waren der 2. Bezirk auf der Budaer Seite, ein bürgerlich geprägtes Viertel mit vielen Grünflächen, sowie auf der Pester Seite der 21. und 22. Außenbezirk im Süden. Diese Bezirke bestanden vornehmlich aus Wohngebieten, die seit der Zwischenkriegszeit wegen ihrer Bebauung mit Einfamilienhäusern entlang ruhiger Nebenstraßen mit wenig Durchfahrtsverkehr ideale Bedingungen zum Radfahren boten. Szálka spricht über einen statistisch nachweisbaren kontinuierlichen Radverkehr seit der Zwischenkriegszeit auch in den anderen Pester Außenbezirken, im 15., 16., 17. und 18. Bezirk im Norden und Osten der Stadt, die traditionell Arbeiterviertel waren.103 Es wurden zwar hier keine Radverkehrszählungen durchgeführt, aber eine gewisse Kontinuität im Radverkehr ist anzunehmen. Wie entscheidend die Einstellung der lokalen Verwaltung zum Radverkehr war, zeigte das Scheitern der Einrichtung eines Radwegenetzes für den Stadtteil Káposztásmegyer im Bezirk von Újpest im Nordosten der Stadt.104 Dieses als Pilotprojekt aufgezogene Vorhaben war das Ergebnis einer niederländisch-ungarischen Zusammenarbeit, initiiert durch die niederländische Umweltschutzorganisation Milieukontakt-Oosteuropa. Hierbei entwarfen niederländische und ungarische Verkehrsfachleute ausgehend von lokalen Be100 Vgl. Toth, Interview mit Gábor Balogh über die Arbeit als Verkehrsingenieur und über die Erfahrungen des Fahrradbundes. 101 Háner, Kerékpárutak és -létesítmények Budapesten ’98 [Fahrradwege und -anlagen in Budapest ’98]. 102 Vgl. Balogh, Gábor: Kerékpárutak, kerékpártárolók [Fahrradwege, Fahrradabstellplätze]. In: Lélegzet September (1993), URL : http://www.lelegzet.hu/archivum/1993/09/1683. hpp.​html (am 1.1.2017). 103 Vgl. Szálka, A kerekpáros közlekedés középtávú fejlesztési terve [Mittelfristige Entwicklungspläne für Radverkehr], 379. 104 Vgl. Tóth, Interview mit Miklós Szálka, Verkehrsingenieur der Firma Pro Urbe Kft.

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fragungen ein engmaschig angelegtes Radwegenetz für den ausgewählten Stadtteil innerhalb des Bezirkes.105 Das Amt des Oberbürgermeisters unterstützte das Vorhaben aufgrund seines Innovationscharakters und weil es die Erschließung eines Bezirksteils Straße für Straße zum Ziel hatte. Derartiges fehlte bisher in Budapest. Die oben erwähnten Radwegebauprojekte in den Bezirken waren jeweils nur ein Ausbau von Hauptverbindungswegen und schufen kein engmaschiges Netz. Das mit Plattenbauten großzügig bebaute Wohngebiet Káposztásmegyer mit seinen breiten mehrspurigen Straßen und Bürgersteigen hätte viel Raum für eine gute Integration des Radverkehrs geboten. Schließlich war es aber der Widerstand des langjährigen Bezirksbürgermeisters Tamás Derce, der diesen Plan stoppte. Er war ein ausgesprochener Gegner des urbanen Radverkehrs und konnte aufgrund der dezentralisiert angelegten Verwaltung die endgültige Entscheidung treffen, den Plan nicht umzusetzen.106 So bestimmte das Desinteresse der Mehrheit der Budapester Verwaltungen den schleppenden Verlauf des Radwegebaus. Es blieb somit die Verkehrsabteilung des Amts des Oberbürgermeisters, die mit vereinzelten Vorzeigeprojekten für den Freizeitverkehr die Initiative für die Radverkehrsförderung in dieser Periode ergriff. Lobby-Arbeit von unten Welche Rolle spielten die Fahrradinteressenvertretungen innerhalb dieser Bauprozesse und wie bewerteten sie die Ergebnisse? Es wurde bereits erwähnt, dass eine wesentliche Arbeit dieser Gruppen darin bestand, sich bei der Politik für bessere Finanzierungsmöglichkeiten einzusetzen. Dies erschien in dieser Periode eine besonders wichtige Angelegenheit zu sein, da in der Wende-Zeit der kommunale Haushaltsplan noch keine festgefahrene starre Struktur hatte und die neue, demokratisch orientiere Atmosphäre entsprechenden Initia­ tiven zuträglich war. Die bereits erwähnte Lobby-Arbeit von Miklós Szálka im Stadtrat und von Zoltán Bogárdi im Parlament verdeutlicht dies. Sie beide galten durch ihre Eingebundenheit in die Netzwerke der Fahrradorganisationen als Teil der Interessenvertretung. Ein weiteres Anliegen der Fahrradorganisationen war es, Art und Form der gebauten Fahrradinfrastrukturen zu beeinflussen. Da sie nicht unmittelbar Teil des politischen Systems waren, hatten sie im gesellschaftlichen Diskurs zum Radwegebau größere Redefreiheit. In dieser Hinsicht waren sie gegenüber den Verkehrsfachleuten privilegiert: Diese hatten vor allem die von der Politik vorgelegten Planungsaufträge zu erfüllen.107 105 Vgl. Bicycle Network Planning in Budapest. Újpest Pilot Project. Missionreport number 1. Amersfoort. Milieukontakt Oost-Europa Archives. International Institute of Social History, 417. 106 Vgl. Tóth, Interview mit Miklós Szálka, Verkehrsingenieur der Firma Pro Urbe Kft. 107 Vgl. ebd.

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Ein kritischer Impuls ging zum Beispiel vom Verein Freunde des Urbanen Radfahrens aus, als die Vereinsmitglieder 1993 in einem offenen Brief an den Leiter der Verkehrsabteilung des Amts des Oberbürgermeisters eine neue Form von Radverkehrsanlagen forderten.108 Der Vorschlag war, am Rande der Fahrbahn entlang der Hauptverkehrsrouten gelb markierte Fahrradstreifen zu etablieren. Dabei argumentierte der Verein mit Erfahrungen aus dem Ausland, die bewiesen hätten, dass diese Bodenmarkierungen einfacher und günstiger waren als der Bau separater Radwege. Das war den ungarischen Radverkehrsplanern durchaus bekannt. Aber für eine Umsetzung fehlte, wie bereits beschrieben, die politische Durchsetzungskraft gegenüber den Interessen des Autoverkehrs. Für solche Fahrradstreifen am Fahrbahnrand gab es in Budapest bis dato nur ein Beispiel, auf der Göncöl-Straße, einer Nebenstraße im 13. Bezirk.109 Die Fahrradinteressenvertretungen brachten die Probleme, die sich bei der Nutzung der Radverkehrsanlagen zeigten, in der Zeitschrift Lélegzet der NGO Clean Air Action Group an die Öffentlichkeit: Bei den auf Gehwegen geführten Radwegen ergaben sich viele Konflikte mit Fußgängerinnen und Fußgängern. Im Falle von separaten Fahrradwegen wichen die Spazierenden oftmals auf diese aus, wenn Bürgersteige fehlten.110 So etwa beim Fahrradweg entlang der Donau im Norden beim sogenannten Római Part [dem Römischen Ufer], einem beliebten Promenadeweg entlang von Bootshäusern und Fischständen. 1993 fasste Zoltán Barabás, ein langjähriger Fahrradbefürworter, seine Einschätzung dazu in der Zeitschrift Élet és Tudomány so zusammen: Wie sind diese Radwege? Die Abschaffung des Fuß- und Radweges auf der Budaer oberen Uferstraße habe ich selbst vorgeschlagen. Seit der Begehung mit den Zuständigen und den Planern im letzten Herbst besserten diese keine ihrer selbst eingesehenen Fehler aus. Der Asphaltstreifen auf dem Römischen Ufer ist alles, aber kein Fahrradweg. Der Zustand des Weges [Fahrradweges – Bemerk. K. T.] auf der Kerepesi-Straße ist schlechter als vor dreißig Jahren. Wir können wahrscheinlich nur die Stephania [Fahrradweg auf der Stephania-Straße – Bemerk. K. T.] für ihre einfache Lösung einer schönen gelben Linie loben.111

Diese Aussage zeigt, dass es Versuche gab, durch Treffen und gemeinsame Begehungen auf mancherlei Planungs- und Ausführungsfehler aufmerksam zu machen. Die Ausbesserung erfolgte aber, wenn überhaupt, nur mit großer 108 Vgl. Bóday / Nagy / Kőhalmi, Kerékpársávokat  a fővárosban!  [Fahrradstreifen für die Hauptstadt!]. 109 Vgl. Tóth, Interview mit Gábor Balogh über die Arbeit als Verkehrsingenieur und über die Erfahrungen des Fahrradbundes. 110 Vgl. Balogh, Gábor: Bringás morgás. In: Lélegzet Juni (1993), URL: http://www.lelegzet. hu/archivum/1993/06/1626.hpp.html (am 1.1.2017). 111 Barabás, Zoltán: Szerintem… [Meiner Meinung nach…] In: Élet és tudomány 48 (1993), 2.

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Verzögerung. Die gebauten Radwege waren, wie das Zitat verdeutlicht, oftmals von schlechter Bauqualität und boten insofern nur unzureichende Voraussetzungen für ein bequemes Radfahren. Der gesamtgesellschaftliche Stellenwert der Fahrradorganisationen ermöglichte ihnen die Teilnahme an den Gremien, aber ihre politische Durchsetzungsfähigkeit gegenüber den zahlenmäßig überlegenen, gegensätzlichen Interessen von Baulobby, und Befürwortern der neuen Freiheiten des Autoverkehrs war begrenzt. Die Fahrradorganisationen wurden in jene Ausschüsse der zuständigen Ministerien und des Stadtrates eingeladen, die konkret über die Anträge auf Fördergelder für Radverkehrsanlagen entschieden. Den Fahrradorganisationen wurde in diesen Planungsbesprechungen aber eher eine passive, formelle Rolle zugeschrieben; ihre Vorschläge fanden keinen Eingang in die Pläne.112 Die Dachorganisation KEROSZ setzte sich 2001 vor dem Hintergrund der bis dato beim kommunalen Radwegebauprogramm gewonnenen Erfahrungen für neue Standards bei Radverkehrsanlagen ein – leider mit wenig Erfolg.113 Der Leiter des Vereins Freunde des Urbanen Radfahrens rechnete 2004 mit einer deutlich desillusionierten Aussage mit seiner Arbeit ab: »Ich behaupte, dass heute in Budapest alles allein darauf ausgerichtet ist, den Autoverkehr zu fördern.« 114

3.5 Zwischenfazit Das vorliegende Kapitel untersuchte die 1990er-Jahre in Budapest aus einer doppelten Perspektive. Beschrieben wurde, wie urbanes Radfahren zu einer bürgerschaftlichen und grünen Initiative wurde, und aus welcher Motivation heraus und mit welchen Mitteln die haupstädtische Kommune und einige Stadtbezirke ein mehr als 100 Kilometer umfassendes Radwegenetz in der Zwei-Millionen-Großstadt bauten. Diese parallel zueinander verlaufende »von unten« gestartete bürgerschaftliche Arbeit und der »von oben« aus der Politik finanzierte Infrastrukturbau hatten ihre Bewegründe stärker in der politischen Atmosphäre der Wendezeit als in dem auf den Straßen der Haupstadt sichtbaren Radverkehr. Wie sind diese Entwicklungen zu verstehen und in den internationalen Kontext einzuordnen? Während der Wendezeit wurde die politische Bedeutung des Umweltschutzes zur mobilisierenden Idee  – und erlangte zumindest auf Ebene der 112 Kőhalmi, Bringával Budapesten [Mit dem Fahrrad in Budapest]. 113 Vgl. Linder, Budapest és a kerékpározás: Aszfaltba döngölve [Budapest und das Radfahren: in den Asphalt gequetscht]. 114 Vgl. Kőhalmi, Bringával Budapesten [Mit dem Fahrrad in Budapest].

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medialen Öffentlichkeit zunehmend Aufmerksamkeit. Umweltbewusstsein und eine Sensibilität für Umweltrisiken gelangten als europäische Werte in den Blick der urbanen Bildungsschicht in Budapest und anderer Städten in Ungarn. Die Gründungsmitglieder einer Reihe von gesellschaftlich wenig verankerten, aber transnational vernetzten Umweltschutzgruppen rekrutierten sich hauptsächlich aus Professionellen und Studierenden aus diesen Teilen der Gesellschaft. Sie importierten die Ideen und Aktionsformen des transnationalen Umweltaktivismus nach Ungarn. Die Wende-Zeit war generell von einer Pluralisierung geprägt, verbunden mit der Intensivierung globaler Einflüsse. Etablierte Großkonzerne mit ihrer Warenvielfalt und Werbung ermöglichten mehr Konsum. Aber auch die in der westlichen Welt zunehmende Kritik an Konsumorientierung und Umweltverschmutzung gelangte durch die neue Populärkultur nach Ungarn. Das sichtbarste Beispiel dafür war die ersten Veranstaltungen zum Tag der Erde, die fortan zu einer Tradition wurden. Der urbane Radverkehr als erstrebenswertes Stadtentwicklungsziel der 1990er-Jahre gelangte durch transnationalen Austausch der ungarischen Umweltschutzgruppen nach Ungarn. Der konkrete Grund für die Vereinigung und die Institutionalisierung verschiedener Umweltschutzgruppen in Budapest war die Luftverschmutzung, die im Staatssozialismus von den Behörden lange ignoriert worden war. Die Gruppen hatten bereits in den 1980er-Jahren für Alternativen zum Autoverkehr geworben, der mehrheitlich die Schuld an der Verschmutzung trug. Eine Fahrradlobby formte sich nach der Wende entlang persönlicher Netzwerke aus den Mitgliedern der Umweltschutzgruppen und anderer gesellschaftlicher Gruppierungen, wie dem Verbund der Tourenradfahrer, begleitet und finanziell unterstützt von der niederländischen Umweltschutzorganisation Milieukontakt-Oosteuropa. Die Radverkehrsförderung als bürgerschaftliche Initiative der 1990er-Jahre in Budapest war ein transnational Anschluss bietendes Feld, das für die Beteiligten Aussicht auf lange ersehnte Reisemöglichkeiten und den Austausch über ökologische Lebensstile in Westeuropa bot. Der Idealismus der ungarischen Fahrradbefürworterinnen und Fahrradbefürworter und ihre Suche nach beruflichen Perspektiven führte zur Gründung der Arbeitsgruppe Bringa 1992. Milieukontakt-Oosteuropa leitete weitere Vernetzungsmöglichkeiten für die ungarischen Fahrradgruppen über das Netzwerk des Europäischen Fahrradverbandes in die Wege. Konferenz- und Städtebesuche trugen schließlich dazu bei, dass der Verein der Freunde des Urbanen Radfahrens gegründet wurde und eine eigene Agenda entwickelte. Dennoch blieb die Fahrradbefürwortung ein gesellschaftliches Randphänomen. Es spielte sich vorwiegend innerhalb persönlicher Netzwerke ab und war auf gemeinsame Freizeitaktivitäten hin ausgerichtet. Dies zeigt beispielhaft der lange bestehende Verein der Freunde des Urbanen Radfahrens, der um die Führungspersönlichkeit István Kőhalmy organisiert war und gemeinsame © 2020 Vandenhoeck & Ruprecht | Brill Deutschland GmbH https://doi.org/10.13109/9783666310720 | CC BY-NC-ND 4.0

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Fahrradtouren außerhalb Budapests unternahm. Das entstehende bürgerschaftliche Engagement für den urbanen Radverkehr der 1990er-Jahre war von einer Gegensätzlichkeit geleitet, da der Autoverkehr in dieser Periode rasant zunahm. Einerseits sprach die Luftverschmutzung für eine Förderung von Alternativen zum Auto; gleichzeitig wurde das Radfahren durch den Anstieg des Autoverkehrs als zunehmend gefährlich eingestuft. Sowohl der Verein der Freunde des Urbanen Radfahrens als auch die Dachorganisation KEROSZ hatten nicht genügend Mittel, um dieses Bild in der Öffentlichkeit umfassend zu verändern. Zu den Erfolgen des Vereins der Freunde des Urbanen Radfahrens zählte die Einführung der Fahrradmitnahme in den Vorortbahnen Budapests und in den Fernzügen landesweit. Ihre Fahrraddemonstrationen und Kampagnen fungierten als Vorbilder für die Massenveranstaltungen in der zweiten Hälfte der 2000er-Jahre. Die Rolle von Milieukontakt-Oosteuropa als Förderer in den 1990er-Jahren zeigt, dass die Fahrradlobby auch auf der Agenda niederländischer Entwicklungspolitik stand. Der persönliche Austausch und der Wissenstransfer führten dazu, dass der Grundstein für eine den Radverkehr integrierende Verkehrsplanung in Ungarn gelegt wurde. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Gründe für die Entstehung der Fahrradlobby sowohl in idealistischen umweltschutzpolitischen Zielen und einer beruflichen Orientierung der Akteurinnen und Akteure zu suchen sind als auch in der Übernahme von Thematiken und Formen von Bürgerinitiativen aus dem Westen und der Schaffung von Gemeinschaftlichkeit rund um das Radfahren. Ohne die finanzielle Förderung und die Erfahrungen von Milieukontakt-Oosteuropa hätten diese Gruppen wenig politischen Druck ausüben können. Die Geschichte der Dachorganisation KEROSZ und des später gegründeten Ungarischen Fahrradclubs machen deutlich, dass diese aus dem Ausland finanzierten, von oben geschaffenen Fahrradinteressenvertretungen künstliche Organismen waren, die von der Gesellschaft nicht getragen wurden. Eine Parallele zu diesen Initiativen bedeutete das 1992 begonnene Radwegebauprogramm, in dessen Rahmen in zehn Jahren ein über 100 Kilometer langes Radwegenetz gebaut wurde. Das Programm zeigt exemplarisch, dass verkehrspolitische Ziele über den politischen Systemwechsel hinaus von Akteurinnen und Akteuren weitergetragen wurden. Die Signalfunktion lag darin, dass es nun sichtbare Wege für den Radverkehr im öffentlichen Raum gab. Die errichteten Fahrradinfrastrukturen ergaben jedoch bis Ende der 1990erJahre kein zusammenhängendes Radwegenetz. Das hatte mehrere Gründe. Die Interessenkonflikte zwischen Hauptstadt und Bezirken, der Mangel an Erfahrung bei der Radverkehrsplanung und bei der Fahrradnutzung unter urbanen Bedingungen sowie fehlende finanzielle Mittel spielten allesamt eine Rolle. Gleichsam hatten die Fahrradorganisationen weder die nötige Erfah© 2020 Vandenhoeck & Ruprecht | Brill Deutschland GmbH https://doi.org/10.13109/9783666310720 | CC BY-NC-ND 4.0

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rung noch die politische Kraft, um gegenzulenken. Nicht zuletzt war der Bau von Fahrradwegen nicht in die Straßen- und Verkehrsplanung integriert. Unter diesen Bedingungen etablierte sich eine Planungs- und Baupraxis von auf dem Bürgersteig verlaufenden gemeinsamen Fuß- und Radwegen. Darin kam zum Ausdruck, dass sie vor allem für Sport und Erholungszwecke an den Wochenenden gebaut wurden und nicht zur Alltagsnutzung gedacht waren. Trotz deren symbolischer Bedeutung konservierten die baulich meist vom Verkehr getrennten Radwege die räumliche Marginalisierung des Radverkehrs. Nichtsdestotrotz waren die 1990er-Jahre ein wichtiger Meilenstein für die Radverkehrspolitik in Budapest, da sie als offizielles Anliegen der Stadtpolitik erkannt wurde. In vielerlei Hinsicht aber waren die politische Unterstützung, die Finanzierung und der Ausbau dieser Radwege pro forma und bildeten, mit Ausnahme weniger Akteurinnen und Akteure, für den Großteil der Verwaltung keine Priorität. Die rückwirkende Infragestellung dieser Infrastrukturen leitete eine neue Ära der Fahrradinteressenvertretungen ein.

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4. Die 2000er-Jahre: Aus dem Underground zum Mainstream

Die Zahl der Radfahrenden stieg von 1994 bis 2014 in den innerstädtischen Bezirken um das Zehnfache an.1 Wie lässt sich dieser Anstieg erklären? In diesem Kapitel verschiebt sich die Perspektive von der Planung, dem kommunalen Handeln und der Arbeit der Interessengruppen auf die Akzeptanz und das Image des Radverkehrs in der ungarischen Gesellschaft und somit auf die alltägliche Nutzung dieses Verkehrsmittels in Budapest. Das Kapitel beleuchtet zunächst die Entstehung der städtischen Fahrradkurierdienste und klärt, welche Rolle sie für die neue Bedeutung des Radverkehrs in den 2000er-Jahren spielten. Des Weiteren wird dargelegt, wie die Fahrraddemonstrationen von Critical Mass Budapest zwischen 2004 und 2013 mit immer größeren Teilnehmerzahlen die Fahrradnutzung im öffentlichen Raum zu einem niederschwelligen Angebot machten. Der Titel dieser Protestbewegung galt in den 2000er-Jahren eine Zeit lang als Synonym für urbanes Radfahren. Deshalb widmet sich der letzte Teil des Kapitels der Einflusskraft von Critical Mass auf das öffentliche Bild des Radverkehrs in Budapest.

4.1

Radfahren als Job: die Szene der Fahrradkuriere

Kurierarbeit als urbaner Trend Die Berufsgruppe der Fahrradkuriere gilt weltweit als Initiator und Trendsetter im Bereich des urbanen Radfahrens.2 Fahrradkuriere fungieren vor allem in Städten als Vorbilder, in denen die Förderung des Radverkehrs nicht Teil der Verkehrspolitik ist oder war. Von 1900 bis in die Zwischenkriegszeit waren diese Fahrradlieferdienste Teil des Stadtbildes US -amerikanischer und europäischer Großstädte, bis die Motorisierung sie einholte und überflüssig 1 Vgl. Bencze-Kovács, Virág / Bereczky, Ákos / Ábel, Melinda: A kerékpáros forgalom elemzése Budapesten [Analyse des Radverkehrs in Budapest]. In: Útügyi lapok Frühling (2015), URL : http://utugyilapok.hu/cikkek/a-kerekparos-forgalom-elemzese-budapesten/ (am 1.1.2017), 1–20. 2 Vgl. Culley, Travis Hugh: The immortal class. Bike messengers and the cult of human power. New York 2002; vgl. Kidder, Jeffrey L.: Urban flow. Bike messengers and the city. Ithaca 2011.

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machte. Die Verlangsamung des motorisierten Verkehrs bis hin zum häufigen Stillstand in den 1980er-Jahren eröffnete erneut einen Markt für Lieferungen mit dem Fahrrad. Das Geschäft boomte zuerst in den zentralen Geschäftsvierteln amerikanischer Großstädte. Die Arbeit als Kurier in den 1980er-Jahren hatte Ähnlichkeit mit der Arbeit in der Zwischenkriegszeit: Es war eine adrenalingeladene, schwere körperliche Arbeit, deren Entlohnung selbst im Dienstleistungssektor als niedrig galt und keinen Anspruch auf Sozial- und Krankenversicherung beinhaltete. Aufgrund der schwierigen Beschäftigungsverhältnisse entwickelte sich innerhalb dieser Berufsgruppe schnell eine starke Solidarität, die zur Gründung von Gewerkschaften beispielsweise im New York der 1990er-Jahre und zu einer Verbesserung der Arbeitsumstände führte.3 In der soziokulturellen Wahrnehmung gingen die Fahrradkuriere als wagemutige Helden des innerstädtischen Verkehrs in die amerikanische Populärkultur ein. So inszenierte etwa der amerikanische Film Quicksilver aus dem Jahr 1986 die Kurierarbeit als unverwechselbare Subkultur der Großstadt, die für den Protagonisten trotz seines prekären Verdienstes eine Chance darstellt, sich von den Zwängen gesellschaftlicher Erwartungen und einer »Normalbiographie« zu befreien.4 Die schlichten Rennräder der Marke Raleigh, der Kleidungsstil, die Kameraeinstellungen und die adrenalingeladenen Fahrten durch die Barrieren des Straßenverkehrs schufen eine besondere Ästhetik des Radfahrens als reizvolle Extremsportart im Großstadtverkehr. Das amerikanische Bild dieser Arbeit und seiner Trägerinnen und Träger ging in die globalisierte urbane Kultur ein und bot Orientierung auch für Kuriere in europäischen Städten wie Budapest. Da die tägliche Arbeit auf dem Fahrrad eine funktionale Kleidung erforderte, trugen die Fahrradkuriere in den amerikanischen Großstädten eine besondere, leicht zu erkennende Montur. Die äußeren Merkmale – leichte und schlichte Stahlrahmenräder, große, schräg über der Schulter getragene Fahrradtaschen für den Transport von Gütern, Fahrradschuhe, Stoffmützen wie bei den Rennradfahrern der 1970er-Jahre und an die Hüfte gekettete Fahrradschlösser – prägten das Erscheinungsbild und wurden Teil der globalisierten urbanen Kultur. Die Fahrradkurierarbeit leistete damit einen Beitrag zur neu aufkommenden Mode des urbanen Radfahrens im Großstadtverkehr. Kurierfirmen in Bu}dapest 1993 wurde mit Hajtás Pajtás [Pedaliere Kumpel] der erste Kurierdienst in Budapest gegründet. Bald darauf folgten weitere Firmengründungen. Es w ­ urden 3 Vgl. Castro, Isabel: Messengers, exploited workers, seek unionization: Pt I.  In: New York Amsterdam News vom 24.11.1994, URL: http://www.messarchives.com/messville/ NYUNION4.HTM (am 1.1.2017). 4 Vgl. Donnelly, Tom: Quicksilver 1986.

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in den 1990er-Jahren auch Lieferdienste gegründet, die mit dem Motorrad oder mit dem Auto im Stadtgebiet unterwegs waren. Die Straßennetzstruktur Budapests mit Radial- und Zufahrtsstraßen war jedoch so angelegt, dass die wichtigsten Routen grundsätzlich durch die Innenstadt führten. Anfang der 2000er-Jahre sank die Durchschnittgeschwindigkeit im Autoverkehr in den innenstädtischen Bezirken auf unter 15 Kilometer pro Stunde.5 Damit blieben die Fahrradlieferdienste ein weiterhin expandierendes Geschäft. Der größte Fahrradkurierdienst war Anfang der 2000er-Jahre die Firma Hajtás Pajtás mit über 100 angestellten Kurieren. Viele der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der später gegründeten kleineren Kurierdienste hatten zuvor bei Hajtás Pajtás gearbeitet. Schätzungen zufolge gab es 2002 in Budapest insgesamt 150 Kuriere, die zu 90 Prozent männlich und zwischen 19 und 29 Jahre alt waren.6 Ein Teil von ihnen konnte nach ihrer Ausbildung oder nach dem Hochschulabschluss keinen Job finden, ein anderer Teil war zwar offiziell als Studentin oder Student immatrikuliert, nutzte aber ein Urlaubsemester, um zu jobben.7 Das für die US -amerikanische Großstadt typische Prekariat unter den Kurieren traf für Budapest weniger zu. Der höhere Anteil an Studierenden zeigt, dass es eher eine freie als eine wirtschaftlich erzwungene Entscheidung war, als Fahrradkurier zu arbeiten. Dennoch war die Arbeit üblicherweise oft nur als Job auf Mindestlohnniveau ohne soziale Abgaben gemeldet. Das Alleinstellungsmerkmal, mit dieser Form des Lieferdienstes gegen Luftverschmutzung anzutreten und »grün« zu sein, war eine Profilierungsmöglichkeit, die die erste Kurierfirma auf dem Budapester Markt als Firmenphilosophie nutzte. Die Firma Hajtás Pajtás und seine zwei Gründer László Géresi und Zoltán Tóth erhielten 1993, im Jahr der Unternehmensgründung, wegen der Originalität ihrer Idee viel mediale Aufmerksamkeit.8 Sie inszenierten sich bei diesen Auftritten als berufene Umweltschützer. Während 5 Vgl. Erhart, Szilárd: A budapesti közlekedési dugók okai és következményei [Gründe und Folgen des Verkehrsstaus in Budapest]. In: Közgazdasági Szemle 54 (2007), 435–458, hier: 435. 6 Vgl. Barabás, Máté: Biciklis futárvilág  a 20. században. A kerékpáros futártársadalomés kultúra antropológiai értelmezése. Szakdolgozat. ELTE BTK Kulturális Antropológia Szakcsoport. Kézirat [Fahrradkuriersubkultur im 20. Jahrhundert. Die kulturanthropologische Analyse der Fahrradkuriergesellschaft und -kultur. Magisterarbeit. Manuskript]. Eötvös Loránd Tudományegyetem Bölcsészettudományi Kar Kulturális Antropológia Szakcsoport. Budapest, 15. 7 Vgl. Zelenák, Gábor: Biciklis futárok. Hitelesség, szubkulturális tőke és habitus. Szakdolgozat. [Fahrradkuriere. Glaubwürdigkeit, subkulturelles Kapital und Habitus. Magisterarbeit]. Budapest Corvinus Egyetem. Szociológia és Társadalompolitikai Intézet. Budapest 2010, 6. 8 Vgl. Simon, Andrea: A közösbe bedobott lóvé. In: Kreativ Online Juli-August 2011, 11.8.2011, URL: http://www.kreativ.hu/kreativ_magazin/cikk/a_kozosbe_bedobott_love (am 1.1.2017).

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eines Interviews im staatlichen Fernsehen teilten sie mit, mit dem erwirtschafteten Profit Fahrradwege bauen zu wollen. Ein andermal ließen sie sich in Atemmasken neben ihren Fahrrädern fotografieren, um auf die gesundheitsschädliche Luft in der Großstadt aufmerksam zu machen.9 Von einer radikalen »grünen« Einstellung waren die beiden dennoch weit entfernt. In den 2000er-Jahren erweiterten László Géresi und Zoltán Tóth ihr Firmenprofil und nahmen auch Auto- und Motorradlieferungen in den Leistungskatalog mit auf. Andere Fahrradkurierdienste in Budapest schafften es nicht, die stabile Marktposition, Größe und Bekanntheit von Hajtás Pajtás zu erreichen. Eine Szene entsteht Typischerweise versuchten sich in Budapest jüngere Leute, darunter vorwiegend Männer, als Kuriere, die auch in ihrer Freizeit gerne außerhalb der Stadt Fahrrad fuhren.10 Das Fahrrad wurde infolgedessen auch außerhalb der Arbeitszeiten in der Stadt benutzt. Die große Fluktuation bei den Kurierfirmen führte dazu, dass immer mehr ehemalige Kurierfahrer im Straßenverkehr unterwegs waren.11 Wer sich aufgrund seiner Arbeit einmal daran gewöhnt hatte, mit dem Fahrrad durch die Stadt zu fahren, stieg auch danach nicht mehr vom Sattel.12 Die entsprechende Szene etablierte sich schnell.13 Ein Fahrradkurier schrieb im Jahr 2000 auf der Nachrichtenseite index.hu folgendes über das Leben als Kurier: »[…] Fahrradkurier zu sein bedeutet viel mehr als Pakete zuzustellen. Das ist ein Lebensstil, dessen wichtiger Teil Musik, Partys, Kleidung und die unendliche Liebe zu Fahrrädern ist.«14 Diese Beschreibung gibt im Wesentlichen die Erkennungsmerkmale der Szene wieder: die Kleidung, eine Mischung aus Funktionalität und Mode, Treffpunkte und Musikgeschmack; ergänzen lassen sich noch der eigene Wortschatz und die Vergemeinschaftung der Kuriere auf den Straßen von Budapest. Der Zuruf »Rakd meg!« [Pack’s an!] an vorbeiradelnde Kolleginnen und Kollegen

9 Vgl. Sinka, Károly: Spenót és Lackó 1993 [Spenót und Lackó 1993]. URL : http://csr. mandiner.hu/cikk/20120911_sinka_karoly_spenot_es_lacko_1993 (am 21.3.2014); vgl. Simon, A közösbe bedobott lóvé. 10 Vgl. Tóth, Katalin: Interview mit Gábor Kürti über die Firma Hajtás Pajtás, die Rolle als Critical-Mass-Organisator und über die ehrenamtliche Mitarbeit im Ungarischen Fahrradclub. Budapest 19.6.2015. 11 Vgl. ebd. 12 Vgl. ebd. 13 Der Begriff Szene wird in dieser Arbeit als »eine Form von lockerem Netzwerk; einem Netzwerk, in dem sich unbestimmt viele beteiligte Personen und Personengruppen vergemeinschaften« verstanden. Hitzler, Ronald / Niederbacher, Arne: Leben in Szenen. Formen juveniler Vergemeinschaftung. 3. Wiesbaden 2010, 15. 14 Serpa: Futárhistória. In: index.hu vom 23.3.2000, URL: http://index.hu/exit/ketkereken/ aszfaltk/futarhist/ (am 1.1.2017).

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in der Stadt oder bei Wettkämpfen zwischen Fahrradkurieren drückte diese Solidarität aus. Károly Sinka, der spätere Geschäftsführer von Hajtás Pajtás, erinnerte sich in einem Interview auf einem Onlineportal an die Anfangszeit: »Wir dachten, die Stadt gehört uns, wir waren schrecklich eingebildet.«15 Die Arbeit als Kurier bedeutete nicht zwangsläufig die Teilnahme an der mit dieser Arbeitsform verbundenen Szene, aber die Möglichkeit zur Vergemeinschaftung durch den Beruf war gegeben und sie war, wie jede andere Zugehörigkeit auch, verbunden mit Anerkennung und Abgrenzung. Die Kurierarbeit spiegelte die Züge der postfordistischen Arbeitswelt wider: die Vermischung von Arbeit und Freizeit sowie eine hohe Identifikation mit der eigenen Tätigkeit. Für diese fließenden Übergänge sind die Alleycat-Wettbewerbe ein gutes Beispiel. Die Alleycats wurden, wie viele weitere Phänomene der Budapester Fahrradkurierszene, aus der US -amerikanischen Fahrradkurierkultur übernommen. Bei Alleycats handelt es sich um regelmäßig stattfindende spielerische Schnitzeljagden auf dem Fahrrad. Sie wurden im Internet auf der Seite A ­ lleycat. hu angekündigt. Dabei stellten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer herausfordernden Aufgaben an verschiedenen Checkpoints in der Stadt. Letztlich unterschieden sich diese Schnitzeljagden wenig vom Arbeitsalltag der Kurierarbeit. Der Journalist András Földes, der als Erster auf verschiedenen Nachrichtenportalen über die Fahrradkurierszene berichtete, stellte deswegen die Frage nach der Motivation: »Warum erholen sich die Kuriere auf dieselbe Art und Weise wie sie arbeiten?«16 Ähnlich wie in anderen Großstädten fand auch in Budapest der Lebensstil des Kuriers schnell eine Anhängerschaft von Akteurinnen und Akteuren, die zwar nicht selbst als Kuriere arbeiteten, sich aber so kleideten und am Szeneleben teilnahmen.17 In der Anfangszeit der 1990er- und frühen 2000er-Jahre blieb die Szene dennoch recht geschlossen. Die Fahrradkuriere beeinflussten die Mode des urbanen Radfahrens in Budapest wesentlich. Das belegt eine Fotoreportage im Wochenendmagazin einer großen Tageszeitung aus dem Jahr 2009. Fünf Männer, alle um die 20, posieren mit ihren Rennrädern in voller Montur, mit Kuriertasche, Fahrradschuhen, Handschuhen, kurzen Hosen, Mützen und atmungsaktiven T-Shirts, 15 Horváth, Bence: Húszéves a családi vállalkozás, ami felforgatta Budapestet [Ein zwanzigjähriger Familienbetrieb, der die Stadt auf dem Kopf gestellt hat]. In: 444.hu vom 24.10.2013, URL: http://444.hu/2013/10/24/65538/ (am 1.1.2017). 16 Földes, András: Intergalaktikus futárverseny Budapesten [Intergalaktische Kurier-Wettrennen in Budapest]. In: Index vom 13.10.2004, URL: http://index.hu/kultur/eletmod/ futar1013/ (am. 1.1.2017). 17 Für diese Figuren hat sich im urbanen Slang der Ausdruck Fakinger durchgesetzt. Vgl. Mander, Adrien: #fakinger. In: urban dictionary vom 17.6.2006, URL: http://www.urban​ dictionary.com/tags.php?tag=fakinger, (am 1.1.2017).

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obwohl nur einer von ihnen tatsächlich als Fahrradkurier tätig ist. Die Reportage verdeutlicht, wie der beliebte und zugleich funktionale Kleidungsstil der Kuriere übernommen wurde und zur selbstverständlichen Alltagskleidung mutierte.18 Der kulturelle Einfluss dieser kleinen Gruppe im Stadtleben war enorm. Er beschränkte sich nicht nur auf den Kleidungsstil und die Fahrräder, sondern wirkte sich auch auf die Freizeitaktivitäten, die Musik und das Nachtleben aus. Es gab Orte in der Stadt, die durch die Kuriere zu wichtigen Treffpunkten des Nachtlebens wurden. Einer davon war beispielsweise die 1896 erbaute Sportanlage und Radrennbahn Millennium Velodrom, umgangssprachlich liebevoll »Milli« genannt.19 Bei Veranstaltungen oder auch nur in der Kneipe des Velodroms kamen Fahrradkuriere, die Bahnradfahrer-Szene und andere Fahrradsportbegeisterte zusammen. Als eine der ältesten Radrennbahnen des Kontinents war es ein mit Nostalgie beladener Schauplatz für die Sportgeschichte des Radfahrens. Die Rolle von »Milli« wurde 2006 durch die erfolgreiche Lobbyarbeit der Fahrradszene noch verstärkt, die später auch die Schließung der Anlage verhinderte.20 Aus Fahrradwerkstätten wurden aufgrund der ständig benötigten Reparaturen – und der Freude daran, Fahrräder selbst zu bauen – wichtige Szenetreffs: Hier wurden gebrauchte Ersatzteile gesammelt, das nötige Know-how eingeholt und die Freizeit der Kurierszene organisiert.21 Die Fahrräder der Kuriere hatten ebenfalls Vorbildfunktion. Typisch waren nicht nur Rennräder oder Single-Speeds, also Räder ohne Gangschaltung, sondern auch Fahrräder mit einem starren Gang. Diese im internationalen Sprachgebrauch als Fixies bezeichneten Fahrräder ohne Bremsen werden eigentlich im Bahnradsport benutzt. Da sie keine Bremsen hatten, erforderte ihre Nutzung im Straßenverkehr eine zusätzliche Risikobereitschaft. Trotzdem verwendeten viele diese Fahrräder für ihre Arbeit, weil sie eine gleichmäßige Geschwindigkeit garantierten und für einen zusätzlichen Kick im Arbeitsalltag sorgten. 18 Vgl. Krulik, Ábel: Városi bringások [Urbane Radfahrer]. In: Magyar Nemzet Hétvégi Magazin vom 23.5.2013, 27. 19 Die Radrennbahn und Sportanlage Millenium Velodrom wurde im Rahmen der Mille­ nium-Feier, einer Feierlichkeit zum 1000-jährigen Staatsjubiläum Ungarns 1896, für Sportveranstaltungen gebaut und eingeweiht. In den 1920er-Jahren wurde sie umgebaut und besteht bis heute in dieser Form. 20 Vgl. Pignitzky, Ágota: 412 méter érv  a Milleneáris velodrom mellett. Feltáró kutatás a Milleneáris Velodrom értékeinek és lehetőségeinek megismerésére a létesítmény megőrzését támogató értintettek bevonásával. Szakdolgozat [412 Argumente für das Millenium Velodrom. Erforschung der Werte und Chancen des Millenium Velodroms mit Blick auf die Unterstützer seiner Erhaltung. Abschlussarbeit]. Budapest 2008. 21 Vor allem die von alten Fahrradkurieren eröffneten Läden besaßen das Spezialwissen und waren wichtige Treffpunkte der Fahrradszene. Ein Beispiel ist die Werkstatt Bajnok, die auch die Seite Alleycat.hu verwaltete oder die Werkstatt Recikli.

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Die Fixies waren unter Fahrradliebhabern aber auch beliebt, weil die Anschaffungskosten dieser Fahrräder vergleichsweise niedrig waren. Zum einem gab es genügend aus dem Ausland angeschaffte, gebrauchte Stahlrahmen. Zum anderen existierte ausreichend Know-how der noch lebenden älteren Generation von Fahrradmechanikern in Budapest. Ein solch legendärer Mechaniker war Pajti bá, Onkel Pajti, ein Fahrradschlosser, der als ehemaliger Radprofi die Fahrradrahmen für die ungarische Olympiamannschaft und andere Fahrradwettkämpfe nach Maß angefertigt hatte.22 Ältere Fahrradmechaniker wie er hatten sowohl die Materialkenntnisse als auch die Werkzeuge, um aus alten Stahlrahmen durch das Umlöten eines Bauteils Fixies mit starrem Gang zu bauen.23 Der Hype um die Fixies in Budapest war kein Ausnahmephänomen. Das Wissen und das Handwerk des Rahmenbauens, vor allem rund um den Stahlrahmen, gewann durch den neuen Trend des urbanen Radfahrens weltweit wieder an Bedeutung.24 Die Afterpartys und die Konzerte nach den Alleycats mit in der Szene beliebten Musikerinnen und Musikern, wie dem Rapperinnenduo Ludditák oder dem Rapper Buppa, wurden zu Identifikationsorten der Fahrradszene und ihrer Anhängerschaft. An den alternativen Orten des urbanen Kulturkonsums in der Stadt gehörten die Fahrradkuriere seit den 2000er-Jahren zum Gesamtbild dazu. Die sogenannten Ruinenkneipen, saisonal in brachliegenden Altbauten und Bürogebäuden der Innenstadt eröffnete Gaststätten, waren besonders beliebt, weil sie mit ihrer sperrigen Einrichtung als Freiräume galten. Im zentral gelegenen 6. und 7. Bezirk der Budapester Innenstadt wurde es zu einem lohnenden Investitionsmodell, solche Gaststätten zu eröffnen, bis von den Inhabern über die Weiternutzung der renovierungsbedürftigen Gebäude entschieden wurde. Die Namensgebung der Ruinenkneipen geht auf die mit wenig Aufwand durch Streetart und Kunst gestalteten Innenräume mit günstigen Getränkepreisen zurück. In den 2000er-Jahren riefen sie eine eigene Budapester Version der Gentrifizierung hervor.25 Für die Fahrradkuriere, deren Arbeitsplatz die Innenstadt war, wurden diese Kneipen wegen ihrer zentralen Lage zu Orten für Treffen und Veranstal­ 22 Vgl. HBalage: A vázépítő Pajti bácsi [Onkel Pajti, der Rahmenbauer]. In: Bikemag.hu vom 7.9.2009, URL: http://bikemag.hu/magazin/interju/avazepitopajtibacsi (am 1.1.2017). 23 Vgl. Tóth, Katalin: Interview mit dem Filmemacher und Firmeninhaber von Csajbringa, Viktor Kádár. Budapest 15.8.2013. 24 Vgl. Hajtás Pajtás: Csajozni bringával kell!  – HP cikk az ELLE magazinban [Frauen aufreißen mit dem Rad  – HP Artikel in der Magazin ELLE]. In: hajtaspajtas.hu vom 3.11.2008, URL : http://hajtaspajtas.hu/blog/csajozni-bringaval-kell-hp-cikk-az-ellemagazin​ban (am 1.1.2017). 25 Vgl. Lugosi, P. / Bell, D. / Lugosi, K.: Hospitality, Culture and Regeneration. Urban Decay, Entrepreneurship and the »Ruin« Bars of Budapest. In: Urban Studies 47/14 (2010), ­3079–3101.

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tungen, wodurch ihre Popularität weiter stieg.26 Ein bekanntes Gesicht der Szene, Károly Sinka von der Kurierfirma Hajtás Pajtás, erinnerte sich im Interview an diese Zeit: […] das ganze Phänomen hat einen größeren Knall hervorgerufen als gerechtfertigt gewesen wäre. Was steckte dahinter? An einigen Freitagabenden sind vielleicht zehn Kuriere in Budapest zusammen weggegangen, trotzdem hat jeder in der nächsten Woche nur noch darüber gesprochen. […] und in einer Phase galt als Messwert einer gelungenen Party, ob da eine Horde von Fahrradkurieren aufgetaucht ist.27

Den Betreibern dieser Lokale war schnell klar, dass es eine progressive Sache sei, den Radverkehr zu fördern, der nebenbei gute Kundschaft bringt. Da das sichere Parken der Fahrräder aufgrund fehlender Fahrradparkplätze und der hohen Zahl von Fahrraddiebstählen im öffentlichen Raum ein Problem war, wurden auch Fahrradabstellräume zur Verfügung gestellt. Diese wurden jedoch wegen der regelmäßigen Kontrolle der einzuhaltenden Brandschutzmaßnahmen nach einiger Zeit wieder abgeschafft. Viele der leerstehenden, temporär genutzten Häuser waren nur vorübergehend »warme Nester« der Fahrradszene. Andere entwickelten sich wirtschaftlich so gut, dass sie zu Dauernutzungen wurden, wie etwa die Szimpla Kert [Szimpla Garten].28 Der Einfluss der Fahrradkuriere auf das öffentliche Bild des Radverkehrs Die Fahrradkurierszenen in den verschiedenen Städten waren zu dieser Zeit gut miteinander vernetzt. Die Budapester Szene wurde durch die digitalen Kommunikationskanäle Ende der 1990er-Jahre in die transnationale Szene mit eingebunden. Bereits 2001 hatten die ungarischen Kuriere die neunte Weltmeisterschaft der Fahrradkuriere in Budapest veranstaltet.29 Dabei lösten die vergleichsweise günstigen Preise sowie das alte Velodrom als Veranstaltungsort unter den aus Europa und den USA angereisten Teilnehmerinnen und Teilnehmern große Begeisterung aus.30 Aufgrund der guten Erfahrungen 26 Vgl. Somlyódy, Nóra: Szimpla-történelem: Romkocsmák az éjszakában [Szimpla-Geschichte: Ruinenkneipen in der Nacht]. In: Magyar Narancs 6 (2007), URL : http:// magyarnarancs.hu/konyv/szimpla-tortenelem_romkocsmak_az_ejszakaban-66707, (am 1.1.2017). 27 Horváth, Húszéves a családi vállalkozás, ami felforgatta Budapestet [Ein zwanzigjähriger Familienbetrieb, der die Stadt auf den Kopf gestellt hat]. 28 Vgl. Somlyódy, Szimpla-történelem: Romkocsmák az éjszakában [Szimpla-Geschichte: Ruinenkneipen in der Nacht]. 29 Vgl. Földes, András: A tökéletes országimázs [Das perfekte Staatsimage]. In: Index vom 1.8.2001, URL: http://index.hu/exit/dzsumbuj/imazs/ (am 1.1.2017); vgl. Földes, András: Biciklis lázadók Világbajnoksága [Weltmeisterschaft der Fahrradrebellen]. In: index.hu vom 26.7.2001, URL: http://www.index.hu/exit/ketkereken/aszfaltk/lazadok/ (am 1.1.2017). 30 Vgl. Urhegyi, Tamás: Biciklisfutár világbajnokság 2001 Budapest messenger worldcup. In: youTube.com vom 3.3.2009, URL: https://youtu.be/QP84C-ocYM8 (am 1.1.2017).

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wurde der europäische Wettkampf der Fahrradkuriere 2010 erneut in Budapest, diesmal auf dem alten Industriegelände der Fabrik Csepel, veranstaltet.31 Die Initiative dazu hatten allerdings die vormaligen Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Ausland ergriffen. Die ungarische Gruppe hatte sich nicht um das Veranstaltungsrecht beworben. Dieser äußere Einfluss war wichtig zur Stärkung des Selbstverständnisses der Budapester Kurierszene und ihrem zugrundeliegenden Arbeitsethos.32 Ähnlich jener Faszination, die der Film Quicksilver aus den USA ausgelöst hatte, waren auch die jungen ungarischen Filmemacher schnell inspiriert von dieser, für die Budapester Bevölkerung zu Beginn recht geschlossenen Szene. So zeigt etwa der Abschlussfilm von Regisseur Ferenc Török die transnationalen Verbindungen. Seine Themenwahl begründete Török damit, dass das Büro des Fahrradkurierdienstes gegenüber der Filmhochschule lag und er selbst viele Freunde hatte, die bei dieser Firma arbeiteten – was ihm den Einstieg in die Szene erleichterte. Die knapp 30-minütige Dokufiktion mit dem Titel Hajtás Pajtás menni Amerika [Hajtás Pajtás gehen nach Amerika] aus dem Jahr 1999 erzählt, wie eine Gruppe ungarischer Fahrradkuriere an der Weltmeisterschaft in Washington D. C. mit einem Abstecher nach New York teilnimmt. Den Regisseur bewegte das Zusammenhörigkeitsgefühl seiner Protagonisten. In seinem Film zeigte er, wie durch die Atmosphäre der Wettkämpfe und der Partys die Verbundenheit innerhalb der Szene transnational entsteht und gelebt wird. Die Szene wurde umgangssprachlich stets als »Fahrrad-Subkultur« beschrieben, die sich irgendwo in der Stadt  – bei illegalen Wettbewerben, auf Partys oder auf für die Mehrheitsgesellschaft nicht sichtbaren Bühnen – abspielte. Die Kuriere veränderten nicht nur das öffentliche Bild der Verkehrsform, sondern wurden selbst zu erkennbaren urbanen Figuren, identifizierbar durch ihr äußeres Erscheinungsbild und ihre Fahrräder. Dennoch blieben sie zunächst unter sich. Den selbstverliebten Blick auf sich und die Kollegen beschrieb ein Kurier wie folgt: Rote Haare, coole Sonnenbrille, drei, vier Ohrringe, old-school Trainingsjacke vom Secondhand-Laden, eine unter dem Knie abgeschnittene Anzugshose und auf dem 31 HBalage: ECMC 2010 – Buliztak avagy versenyeztek az európai bringás futárok Budapesten? [ECMC 2010 – Haben die europäischen Fahrradkuriere in Budapest am Wettkampf teilgenommen oder gefeiert?]. In: Bikemag.hu vom 1.6.2010, URL: http://bikemag.hu/ magazin/esemeny/ecmc-2010-buliztak-avagy-versenyeztek-az-europai-bringas-futarokbudapesten (am 1.1.2017); Földes, András: Akaratunk ellenére Magyarországon lesz  a futár EB [Gegen unseren Willen wird die Europäische Kuriermeisterschaft in Budapest veranstaltet]. In: kerekagy.blog.hu vom 2.6.2009, URL : http://kerekagy.blog.hu/2009/​ 06/02/akaratunk_ellenere_magyarorszagon_lesz_a_futar_eb (am 1.1.2017). 32 Horváth, Húszéves a családi vállalkozás, ami felforgatta Budapestet [Ein zwanzigjähriger Familienbetrieb, der die Stadt auf den Kopf gestellt hat].

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Rücken eine Tasche in nicht identifizierbarer Form – das alles auf einem Fahrrad voll mit Stickern. Und er kommt mit Vollgas von der Fahrspur gegenüber. Was ist das??? Ein durchgedrehter Rennradfahrer oder ein devianter lebensmüder Postbote? Keiner von denen!33

Das Radfahren wurde zu urbaner Arbeit unter extremen Bedingungen, die vorwiegend von Männern ausgeübt wurde und Risikobereitschaft und spezielle Ausrüstung erforderte. Darüber hinaus waren mit dem Job als Fahrradkurier Kontroversen und Konflikte verbunden. Die Kuriere hatten den Ruf, die Straßenverkehrsordnung, vor allem rote Ampelsignale, notorisch zu ignorieren. Als Vorbilder eigneten sie sich daher nur für einige wenige, nicht aber für die breite Gesellschaft. Als »Subkultur« standen sie dennoch stets im Fokus, wenn es um die mögliche Verbreitung des urbanen Radverkehrs ging. Die unbestrittene Errungenschaft der Fahrradkuriere war es, dass sie den Traum der Fahrradorganisationen aus den 1990er-Jahren in die Tat umsetzten und die bislang für den Radverkehr nicht zugänglichen mehrspurigen Fahrbahnen selbstverständlich für ihre Fahrten nutzten. Die hohe Konzentration der Fahrradkurierfirmen in Budapest und die durch die Kurierfirmen entstandene urbane Subkultur schufen neue Voraussetzungen für die Interessenvertretungen des Fahrradfahrens. Die Kurierfirmen befürworteten den Radverkehr, da er für sie Alltag und tägliches Geschäft war, weshalb ihre Meinung dazu als »authentisch« und glaubwürdig in der Öffentlichkeit galt. Gleichzeitig schlugen die Kuriere als Vertreter des urbanen Undergrounds einen rebellischen, konfrontativen Ton an, was den bislang kraftlos agierenden Interessenvertretungen des Radfahrens eine neue Dynamik verlieh. Die Firma Hajtás Pajtás als Marktführer und ihre Beschäftigten übernahmen die Rolle der Pioniere des urbanen Radfahrens. Mitte der 1990er-Jahre nahm sie Kontakt mit Kerékpárosok Országos Szövetsége [Landesweiter Verbund der Radfahrenden] und dem Verein Városi Biciklizés Barátai [Freunde des Urbanen Radfahrens] auf, aber diese Allianzen gewannen erst in den 2000er-Jahren an Dynamik – nämlich in Form der CM-Proteste, um die es im folgenden Kapitel geht.34

33 Vgl. Serpa, Futárhistória. 34 Vgl. Tóth, Katalin: Interview mit Gábor Balogh über die Arbeit als Verkehrsingenieur und über die Erfahrungen des Fahrradbundes. Budapest 26.6.2015.

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Radfahren als Protest: Critical Mass-Demonstrationen 

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4.2 Radfahren als Protest: Critical Mass-Demonstrationen In den 2000er-Jahren wurde das mediale Bild des Radfahrens nicht mehr allein von den Fahrradkurieren in Budapest bestimmt, sondern auch von Fahrraddemonstrationen, die sich – im Vergleich zu den 1990er-Jahren – immens vergrößert hatten. Das Symbol dieses Protests wurde vielfach abgelichtet, gefilmt und in den sozialen Medien geteilt: mehrere zehntausend Menschen mit hoch über den Kopf gehaltenen Fahrrädern. Für ein besseres Verständnis dieser Demonstrationsform geht es im Folgenden zunächst um die US -amerikanische Critical Mass. Critical Mass als Protestform Fahrräder als Mittel von Demonstrationen in Städten sind keine neuartigen Phänomene. In zahlreichen europäischen Großstädten gab es während des gesamten 20. Jahrhunderts Umzüge und Proteste mit unterschiedlichen politischen oder gesellschaftlichen Zielsetzungen, an denen Menschen auf dem Fahrrad teilnahmen. Beispielsweise waren Umzüge von Arbeitervereinigungen und Gewerkschaften am 1. Mai ohne Fahrräder in der Zwischenkriegszeit in den europäischen Städten undenkbar. Demonstrationen für das Radfahren fanden nach den Energiekrisen in den 1970er- und 1980er-Jahren statt, als sich Umweltschützerinnen und Umweltschützer in den europäischen Städten für eine neue Agenda im Stadtverkehr einsetzten.35 Nicht nur in den westeuropäischen Ländern, sondern auch in der DDR , nämlich in Ost-Berlin, fanden 1982 Fahrraddemonstrationen gegen Umweltverschmutzung statt.36 Die politische Einflusskraft dieser Proteste auf die lokale Verkehrspolitik ist noch Gegenstand der Forschung, da dies für die aufkommenden Umwelt­bewegungen nur einer von mehreren Schwerpunkten war. Critical Mass (CM) als Protestform ist ein US -amerikanischer Import nach Europa und wurde häufig von den Aktivistinnen und Aktivisten selbst als neue soziale Bewegung erforscht.37 CM geht zurück auf die Fahrradaktivistenszene in San Francisco.38 Die erste Veranstaltung fand dort 1992 unter dem 35 Vgl. de la Bruhèze, A. Adri / Veraart, Frank: Basel: Bikes compete in a Hub City. In: Oldenziel, Ruth / de la Bruhèze, A. Adri / Veraart, Frank / Emanuel, Martin (Hg.): Cycling Cities: The European Experience. Hundred Years of Policy and Practice. Eindhoven 2016, 124– 135, hier: 133. 36 Vgl. Fahrraddemo, Berlin (Ost) (4. Juli 1982). URL: http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/ print_document.cfm?document_id=2834 (am 20.4.2017). 37 Vgl. Leibetseder, Bettina: Critical Mass. Eine neue soziale Bewegung. In: Kontraste 2 (2009), 15–21. 38 Die englische Bezeichnung Critical Mass wird als feststehender Begriff im wissenschaftlichen und populären Diskurs verwendet.

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Abb. 5:. Das symbolische Hochheben der Räder als Protestgeste am Ende der CriticalMass-Demonstration am Tag der Erde am 19.04.2009.

Namen Commute clot statt und zog eine Gruppe von weniger als einhundert Leuten an.39 Diese Art von Treffen etablierte sich in der Folge als regelmäßige Fahrradtour durch die Stadt, und zwar immer am letzten Freitag des Monats. Ziel war es, durch eine kollektive, aber friedliche Gruppenfahrt mehr Raum, Aufmerksamkeit und Akzeptanz für die urbane Fahrradnutzung im Alltag einzufordern. Einer der Slogans der Bewegung »Wir stören nicht den Verkehr, wir sind der Verkehr« verdeutlicht dies. Die Aktivistinnen und Aktivisten fanden bereits ab der zweiten gemeinsamen Fahrt einen neuen Namen für sich, nämlich CM, in Anlehnung an den Fahrrad-Dokumentarfilm »Return of the Scorcher« von Ted White, der ebenfalls ein Fahrradaktivist war.40 Der Film zeigt Aufnahmen aus China, wo Radfahrer eine Kreuzung ohne Ampel selbstverständlich überqueren, sobald ihre Zahl eine kritische Masse gegenüber dem motorisierten Verkehr erreicht. Die Organisation der CM-Proteste verlief »von unten« und zwar in einer einfachen Form: Zeit- und Treffpunkte wurden über Flyer bekannt gegeben, 39 Vgl. Carlsson, Chris: Introduction. In: Carlsson, Chris (Hg.): Critical mass. Bicycling’s defiant celebration. Edinburgh 2002, 5–8, hier: 6. 40 Vgl. Pomerantz, Joel: San Francisco Critical Mass Glossary. In: Carlsson, Chris (Hg.): Critical mass. Bicycling’s defiant celebration. Edinburgh 2002, 231–234, hier: 232.

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Radfahren als Protest: Critical Mass-Demonstrationen 

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über die ausgewählten Routen entschieden die Teilnehmer gemeinsam vor Ort nach dem Zufallsprinzip.41 Diese Fahrten hatten in den US -amerikanischen Städten einen gegenkulturellen, oft anarchistischen Unterton, der den Anspruch des motorisierten Verkehrs im Straßenraum in Frage stellte. Die Demonstrationsform CM machte in den letzten Jahrzehnten weltweit große Karriere.42 Nicht zuletzt deshalb, weil ihre Durchführung mit wenig Aufwand verbunden war und als Form der Gegenkultur aus den USA eine Faszination auf Fahrradaktivistinnen und -aktivisten auch jenseits des Atlantiks ausübte. In Europa taugte das Fahrrad als Protestmittel vor allem in Gesellschaften, in denen das Fahrrad ein weniger akzeptiertes urbanes Verkehrsmittel war. Die Demonstranten verknüpften mit CM die Forderung nach neuen zukunftsfähigen Verkehrskonzepten für ihre Stadt. Fahrraddemonstrationen vor dem CM-Protest Die in den 2000er-Jahren so erfolgreiche Massendemonstration in Budapest hatte zahlreiche Vorgänger in den 1990er-Jahren. Die erste Aktion nach dem Vorbild von CM in Budapest ging vom Schweizer Stadtplaner Francois Panchard aus, der von März bis Dezember 1998 ein Praktikum im Amt des Oberbürgermeisters gemacht hatte.43 Zu dieser Zeit gab es bereits das im vorherigen Kapitel beschriebene Radwegebauprogramm. Dieses beschränkte sich allerdings auf den Ausbau von Infrastrukturen  – und beinhaltete keinerlei Werbemaßnahmen für den Radverkehr. Francois Panchard erklärte diese Aufgabe zu seiner Mission.44 Er brachte als erster Aktivist in Budapest den Begriff CM ins Spiel und begann, zusammen mit einigen anderen Umweltschützern der Clean Air Action Group, eine Fahrraddemonstration im Stile von CM zu organisieren.45 Als Ankündigung wurden entlang der Fahrradwege Plakate aufgehängt. Dennoch zogen die ersten Fahrten nur wenige Leute an, ein Echo 41 In der Regel wurden die Fahrten auch nicht bei den Behörden gemeldet. Wie ein Flyer aus der Anfangszeit zeigt, verstand man diese Fahrten als »a non-affiliated, non-confrontational, unorganized coincidence«. Boothroyd, Sarah: Spraypaint Slingers, Celebration, and Tidal Wave of Outrage. In: Carlsson, Chris (Hg.): Critical mass. Bicycling’s defiant celebration. Edinburgh 2002, 23–30, hier: 27. 42 Vgl. criticalmass.wikia.com: Crtitical Mass. List of rides. URL: http://criticalmass.wikia. com/wiki/List_of_rides (am 21.3.2014). 43 Vgl. Tóth, Katalin: Interview mit Péter Lenkei, ehemalige Vorstandsmitglied der Freunde des Urbanen Radfahrens und Büroleiter der Levegő Munkacsoport Környezeti Tanácsadó Iroda [The Clean Air Action Group Enviromental Consulting Office]. Budapest 1.10.2013. 44 Vgl. François Panchard. URL: https://ch.linkedin.com/pub/fran%C3 %A7ois-panchard/​ 64/193/6a1 (am 2.5.2017). 45 Vgl. Tóth: Interview mit Péter Lenkei, ehemalige Vorstandsmitglied der Freunde des Urbanen Radfahrens und Büroleiter der Levegő Munkacsoport Környezeti Tanácsadó Iroda [The Clean Air Action Group Enviromental Consulting Office].

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Die 2000er-Jahre: Aus dem Underground zum Mainstream

in den Medien gab es nicht. Als Erinnerung daran, dass diese Fahrten überhaupt stattgefunden hatten, dient  – abgesehen von den Erinnerungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer  – ein Foto, das die zweimal zweispurige Elisabeth-Brücke mit einer kleinen Gruppe von Radfahrenden, verteilt über beide Spuren, zeigt.46 Etwas mehr Erfolg hatten die Fahrraddemonstration und das Fahrradfilmfestival OFF Pedálszemle [OFF Pedalschau]. Diese Veranstaltungsreihe fand drei Jahre nacheinander zwischen 1998 und 2001 statt und vermischte die Gefühlslage der Sub- und Jugendkultur mit Gedanken des Umweltschutzes.47 Die Veranstaltungen fand jeweils im Anschluss an andere Events am 21. April, dem Tag der Erde, statt. Die angemeldete Fahrraddemonstration startete auf der Buda-Seite vom Tabán aus, einer Parkanlage, die bereits im Sozialismus ein Treffpunkt der Jugendkultur war. Von dort fuhren die Radfahrenden über die Donau und durch die Budapester Innenstadt. 2001 organisierten Fahrradkuriere der Firmen Hajtás Pajtás und City Cycle Banditos diese Fahrt und wurden von einem DJ begleitet, der auf einem Lastwagen Musik auflegte.48 Endstation war das Kultiplex, ein linkes Kulturzentrum mit Programmkino, wo anschließend Anti-Globalisierungs-Filme gezeigt wurden. Die musikalische Begleitung und das Abschlussprogramm an einem der wichtigsten linksautonomen Veranstaltungsorte der 2000erJahre zeigen, dass die Organisatoren ihr Zielpublikum im Kreis der jüngeren, linksalternativen Generation und unter den Umweltsympathisantinnen und -sympathisanten suchten. Dass die Fahrten einen starken Festival-Charakter aufwiesen, ist aber auch damit zu erklären, dass es sich um Events im öffentlichen Raum handelte – mit dem Fahrrad als sinnstiftendes Symbol. Die Teilnehmerzahl dieser Veranstaltungen war dennoch nie höher als 2000 bis 3000. Im Forum des Nachrichtenportals index.hu beklagten sich mehrere Budapester unter der Rubrik Off Pedálszemle darüber, dass die Initiative zwar genial sei, aber wegen fehlender Werbung zu wenige Besucherinnen und Besucher angezogen habe.49 46 Vgl. ebd. Vgl. Tóth: Interview mit Gábor Balogh über die Arbeit als Verkehrsingenieur und über die Erfahrungen des Fahrradbundes. 47 Vgl. Földes, András: Értelmetlenül nem kell Critical Mass [Wir brauchen keine sinnlose Critical Mass]. In: Kerékagy.blog vom 10.9.2012, URL: http://kerekagy.blog.hu/2012/09/​ 10/ertelmetlenul_nem_kell_critical_mass (am 1.1.2017). 48 Vgl. Rsüni: Ünnepelnek  a környezetvédők: idén tizedik alkalommal rendezik meg hazánkban a Föld napját. Népszabóság Budapest melléklet. Részlet. In: index.hu » Fórum » Politika, közélet » PoliDili » Off-Pedálszemle vom 21.4.2000, URL: http://forum.index.hu/ Article/jumpTree?a=16519005&t=9016006 (am 1.1.2017). 49 Vgl. Martinshort: 3 kérdés. In: index.hu » Fórum » Politika, közélet » PoliDili » Off-Pedálszemle vom 20.4.2000, URL: http://forum.index.hu/Article/jumpTree?a=19237325&t​ =9016006 (am 1.1.2017).

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Radfahren als Protest: Critical Mass-Demonstrationen 

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Einen Neustart läutete ein Zeitungsartikel im Jahr 2004 ein, mit einem Bericht über die Entscheidung des amtierenden Oberbürgermeisters Gábor Demszky, den Autofreien Tag im Rahmen der Europäischen Mobilitätswoche, der eigentlich für den 21. September geplant war und damit auf einen Mittwoch fiel, auf den darauffolgenden Sonntag zu verlegen.50 Demszky war der Meinung, dass eine Fahrraddemonstration an einem Mittwoch den Berufsverkehr stören würde. Dies ließ er seinen Pressesprecher in einem Interview mit dem Nachrichtenportal Index unterstreichen: In Brüssel oder Amsterdam kann man es sich erlauben, an einem Wochentag einen Autofreien Tag zu veranstalten, weil die Menschen dort anders sind. Denken Sie mal daran, wie hier die Autofahrerinnen und Autofahrer reagieren würden. […] Die Stadtverwaltung kann nicht gegen die Bürgerinnen und Bürger vorgehen.51

Die eigentliche Idee hinter der von der Europäischen Union initiierten Kampagne, nämlich die Bevölkerung für andere Mobilitätsformen als das private Auto zu sensibilisieren, wurde in Budapest offensichtlich von der Angst vor einem eventuellen Verlust von Wählerstimmen überlagert. Zum Neustart der Fahrraddemonstrationen in Budapest 2004 übernahmen die Fahrradkuriere die Organisation. Sie verfügten über kulturelles Kapital, galten sie doch als Vorbilder des urbanen Radfahrens und waren im Nachtleben bereits als Trendsetter und »Partymacher« bekannt. Kürti Gábor, Spitzname Kükü, der 2004 einer der Hauptorganisatoren war, erklärte in einem Interview, dass die Fahrradkuriere »sauer« über die Entscheidung des Oberbürgermeisters gewesen waren und deshalb beschlossen hätten, einen »echten« Autofreien Tag an einem Wochentag, und zwar am 22. September 2004, zu feiern.52 Sie verabredeten sich in einem Club im Stadtzentrum, um die Aufgaben zu verteilen. Anwesend waren hauptsächlich Fahrradkuriere und ihre Bekannten aus der Presse. Im Gegensatz zur internationalen Praxis nicht angemeldeter CMs entschieden sich die Organisatoren bewusst für eine non-konfrontative Form. Die Protestfahrt wurde bei der Polizei angemeldet, und auch die Route der Demonstration vorab festgelegt und bekannt gegeben. 2004 dienten den Veranstaltern frühere Veranstaltungen, wie die erwähnten OFF Pedálszemle und die Demonstrationen Kerékpárral a Városért [Mit dem Rad für die Stadt] vom Verein Freunde des urbanen Radfahrens, als Vorbilder. 50 Vgl. Földes, András / Rácz, Johanna: Demszky vasárnap, Persányi szerdán teker [Demszky radelt am Sonntag, Persányi am Mittwoch]. In: index.hu vom 17.9.2004, URL: http:// index.hu/kultur/eletmod/amn0917/ (am 1.1.2017). 51 Ebd. 52 Vgl. Földes, Értelmetlenül nem kell Critical Mass [Wir brauchen keine sinnlose Critical Mass].

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Die 2000er-Jahre: Aus dem Underground zum Mainstream

Die neuen digitalen Kommunikationskanäle vereinfachten und beschleunigten den Informationsaustausch und die Werbung. Die Kommunikation verlief beispielsweise über die Fahrradkurier-Homepage alleycat.hu und über das damals sehr aktive ungarisch-sprachige soziale Netzwerk iwiw.hu. Bald pflegte die Gruppe zudem eine eigene Webseite (criticalmass.hu). Im Gegensatz zu ihren Vorgängern waren die Organisatoren in der Stadt besser vernetzt und erreichten mehr potenzielle Teilnehmerinnen und Teilnehmer, darunter auch Journalistinnen und Journalisten.53 Sie plakatierten in den linksalternativen Clubs und in den Ruinenkneipen des 7. Bezirks, die bereits durch die Fahrradkuriere und ihre Nachahmer als Treffpunkte der Fahrradszene galten. Durch Kontakte brachten sie im wöchentlich erscheinenden kostenfreien Kulturprogramm der Stadt eine eigentlich kostspielige Werbung kostenlos unter. Károly Sinka, der zweite bekannte Organisator mit Spitznamen Sinya, erzählt in einem Interview rückblickend über Vorbereitungen: Jeder hat seine Beziehungen spielen lassen. Ich bin mit dem Rad in die Redaktion von Pesti Est [wöchentliches Programmheft der Stadt] gefahren, damit sie Werbung für uns veröffentlichen. Wir kontaktieren unsere Freunde, die Journalisten und Grafiker sind. Und am Tag selbst sind wir zum Heldenplatz gefahren, da waren so 200 bis 300 Menschen. Wir verteilten die Handsprechfunkgeräte, besprachen das Organisatorische und dann blickten wir noch mal hoch, und da war auf einmal der Promenadeweg Olof Palme voll mit Menschen. Die Polizei war auch aufgeregt, sowas haben sie noch nie gesehen. Das waren so etwa 3000 Menschen. Wir waren selbst überrascht.54

Das Erscheinen einer unerwartet großen Zahl an Radfahrern und die eigene Überraschung über diesen Erfolg nannten die Organisatoren immer wieder als Motivation, ihren Protest in den nächsten Jahren fortzusetzten. Damit kamen gleichermaßen Aufmerksamkeit und eine öffentliche Rolle mit Macht und Deutungsmöglichkeiten auf sie zu. Bis dahin haben sich die Zeitungen nicht mit uns beschäftigt, obwohl jeder von uns eine Pressemitteilung und seine Handynummer geschickt hatte. Als wir vom Heldenplatz losrollten, haben sie uns bereits angerufen. So ab dem Platz Kodály Körönd sind wir mit den Handys am Ohr weitergeradelt. Sie hatten keine Ahnung, was das hier ist. Nur, dass eine Horde von Radfahrern losgefahren ist, vielleicht würde es Unruhen geben. Natürlich wussten wir selbst nicht, was daraus werden würde. Am nächsten Tag mussten wir ins Fernsehstudio gehen, um zu erklären, was das eigentlich war.55 53 Hier ist nicht nur die Szene der Fahrradkuriere hervorzuheben, sondern auch die Fahrrad-Profisportlerszene, die sich teilweise um das Events des Millennium-Velodroms, eine Radrennbahn aus dem Jahr 1896, gebildet hat. Vgl. Tóth, Katalin: Interview mit dem ehemaligen Mitarbeiter des Budapester Verkehrszentrums. Budapest 23.6.2015 54 Földes, Értelmetlenül nem kell Critical Mass [Wir brauchen keine sinnlose Critical Mass]. 55 Ebd.

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Radfahren mit Breitenwirkung: Strategien, Ziele und Wirkung von CM 

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Bei der nächsten Protestfahrt am Tag der Erde, dem 22. April 2005, waren nach Schätzungen der Polizei bereits 10.000 Teilnehmer dabei.56 Weitere Umwelt- und Fahrradorganisationen schlossen sich nun auch offiziell an, und CM wurde bald zur Pflichtveranstaltung aller grüner Organisationen, wie Levegő Munkacsoport [Clean Air Action Group], Greenpace Hungary und Zöld Fiatalok [Grüne Jugend] der Stadt. Ab diesem Zeitpunkt fanden die Veranstaltungen halbjährlich statt: am Autofreien Tag im September, auch wenn dieser auf einen Wochentag fiel, und im April, jeweils am Wochenende nach dem Tag der Erde. Die Teilnehmerzahl wuchs rasant, 2008 wurde die 80.000-Teilnehmer-Marke geknackt und 2013 nahmen schließlich 100.000 Personen teil.57 Zögerlich kam es auch seitens der Politik zu Reaktionen auf den Druck der Menge und deren Forderungen. Auch in anderen Städten innerhalb und außerhalb Ungarns schlossen sich Aktivistinnen und Aktivisten der Bewegung an und organisierten parallel zu der Budapester Veranstaltung eigene Demonstrationen.58 Bis zur kontrovers diskutierten Entscheidung der Organisatoren im Jahr 2013, die Protestfahrten bis auf weiteres zu beenden, wurde der CM zum Mythos eines revolutionären Umbruchs. Auf den Straßen der Stadt gab es immer mehr Radfahrende. Wie konnte CM Budapest zu einer solchen Popularität gelangen und welchen direkten Einfluss hatte die Bewegung auf die Verbreitung des urbanen Radverkehrs?

4.3 Radfahren mit Breitenwirkung: Strategien, Ziele und Wirkung von CM Die Budapester Fahrraddemonstrationen sprachen sich über die Jahre bei Fahrradaktivistinnen und -aktivisten auf der ganzen Welt herum. Das geschah vor allem durch Bilder: Foto- und Videoaufnahmen tausender emporgehobener Fahrräder am Ende der gemeinsamen Demonstrationen wurden 56 Vgl. index.hu: Tízezer ember, húszezer kerék [Zehntausend Menschen, Zwanzigtausend Räder]. In: index.hu vom 22.4.2005, URL: http://index.hu/kultur/eletmod/bring0422/ (am 1.1.2017). 57 Die Teilnehmerzahlen wurden anhand der von den Teilnehmern belegten Fläche geschätzt und spiegeln nur die Größenordnung der Veranstaltung wider. Vgl. Kürti, Gábor: Critical Mass Budapest – external funds vs. internal activism. Vortrag im Rahmen des Workshops Volunteers of Cycling Academy. Klub Gödör 19.4.2013. 58 Auf der Homepage criticalmass.hu haben Aktivisten aus folgenden Städten Untergruppen gebildet: Gödöllő, Nyíregyháza, Veszprém, Kecskemét, Érd, Gyöngyös, Berettyóújfalu, Székesfehérvár, Baja, Eger, Sopron, Százhalombatta, Szeged, Miskolc, Orosháza, Kaposvár, Pécs, Debrecen, Győr. Vgl. critical mass: criticalmass.hu / városok [ciritcalmass.hu /  Städte]. URL: http://criticalmass.hu/varosok (am 2.5.2014).

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in Internetportalen und in der internationalen Presse veröffentlicht.59 Die Online- und Printmedien in Budapest deuteten die CM-Bewegung wiederholt als die erfolgreichste gesellschaftliche Bewegung der Nach-Wende-Zeit in Ungarn, die zur Verbreitung des Radfahrens in Budapest führte.60 Deswegen stieß auch die Entscheidung der Organisatoren im Jahr 2013, die Demonstrationen einzustellen, auf großes Unverständnis. Wirkung und Struktur von CM Budapest Die Wirkung der Veranstaltungsreihe war vielfältig und wird in ihrer Funktionsweise im Folgenden näher beschrieben. Die CM-Bewegung lebte vom Einfluss einer kleinen Gruppe von Akteurinnen und Akteuren und von der Verbreitung ihrer Botschaften über digitale Kanäle. Im Mittelpunkt standen die beiden Hauptorganisatoren Károly Sinka und Gábor Kürti. Die Entstehung der CM als mediales Ereignis machte sie zu den Stimmen und Gesichtern des Radfahrens in Budapest. Bei öffentlichen Auftritten stilisieren sie sich als gegensätzliches Paar: der eine ein angepasster Familienvater mit zwei Töchtern, der ab und zu auch mal selbst mit dem Auto fährt, der andere ein Punksänger und radikaler Aktivist in Fahrradkurier-Kleidung. Zusammen ergaben sie nach eigener Beschreibung »eine explosive Mischung«.61 Ihr Ziel war es, eine große Brandbreite von Menschen anzusprechen. Dennoch waren sie über den Erfolg der Demonstrationen, das ungebrochene Engagement der Radfahrenden und die jedes Jahr weiter steigenden Teilnehmerzahlen stets aufs Neue überrascht. Der große Einfluss dieser beiden zentralen Führungspersönlichkeiten stellt die weit verbreitete Überzeugung, dass CM Budapest eine Graswurzelbewegung gewesen sei, in Frage. Sinka und Kürti waren die Schlüsselfiguren eines Netzwerks, dessen interner Kreis eine Beratergruppe von circa zwanzig Perso59 Vgl. Picture This: Crtitical Mass. In: Spiegel Online vom 21.4.2008, URL: http://www. spiegel.de/international/picture-this-critical-mass-a-548787.html (am 21.3.2014); Caird, Jo: Happy birthday Critical Mass! So how has changed over the 20 years? URL: http:// www.theguardian.com/environment/bike-blog/2012/sep/28/critical-mass-cycling-move​ ment-birthday (am 21.3.2014); o. N.: Budapest Critical Mass with up to 30,000 people. URL: http://www.indymedia.org/en/2005/09/825163.shtml (am 29.4.2014). 60 Vgl. Földes, András: Critical Mass az illegalitástól a sztárságig [Critical Mass: Von der Illegalität zum Starstatus]. In: index.hu vom 22.9.2012, URL: http://index.hu/nagykep/​ 2012/09/22/critical_mass_az_illegalitastol_a_sztarsagig/ (am 1.1.2017); vgl. Uj, Péter: Az önkritikus tömeg [Die selbstkritische Masse]. URL: http://nol.hu/velemeny/20120912-az_ onkritikus_tomeg-1331865 (am 21.3.2014); vgl. Kükü and the Critical Mass Budapest Community: We Have Changed Our City Forever. In: Carlsson, Chris / Elliott, Lisa Ruth / ​ Camarena, Adriana (Hg.): Shift happens. Critical mass at 20. San Francisco 2012, 171. 61 Bihari, László: Szabad-e megbénítani a várost? [Darf man die Stadt lahmlegen?]. In: Népszabadság Online vom 11.1.2008, URL : http://nol.hu/archivum/archiv-477231-278841 (am 1.1.2017).

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nen namens Vének Tanácsa [Rat der Älteren] begleitete.62 Dennoch trug sich die Initiative auch nach der 2012 verkündeten Entscheidung der beiden, keine Demonstrationen mehr zu organisieren, erst einmal weiter. Ein wichtiges Organisationsprinzip war nicht nur die persönliche Kommunikation innerhalb der zentralen Gruppe, sondern auch die Veröffentlichung und nochmalige Verhandlung der diskutierten Themen auf www.criticalmass. hu. Die einfach zu bedienende Kommentarfunktion der Seite ermöglichte einen schnellen Austausch. Über die Website wurde nach Organisatorinnen und Organisatoren gesucht, zur Flyerverteilung aufgerufen und für die jeweilige Protestfahrt mobilisiert. Interessierte konnten sich hier auch für den Newsletter Riadóhiradó [Alarmnachrichten] eintragen. Die Wirkkraft und Bekanntheit dieser Seite belegt die Tatsache, dass sie einen halben Tag vor der Protestfahrt am 22. April 2006 circa 12.000 Mal aufgerufen und damit zum Erliegen gebracht wurde. Der Entwickler der Homepage, der Fahrradaktivist Ninja, erklärt im Rückblick, wie wichtig die Austauschfläche beispielsweise für das Drucken und Verbreiten von Plakaten war: Es hat sich auch schon ergeben, dass jemand am Abend einen Entwurf für einen Flyer hochgeladen hat, und am nächsten Tag war bereits eine Werbefläche damit plakatiert. Langfristig ist das Ziel, dass der Critical Mass ganz unabhängig von einzelnen Personen wird. Beim ersten größeren Critical Mass mussten wir das Geld für Plakate und Sticker noch zusammenlegen. Und jetzt, da der 22. September kommt, stellen die Leute online, was sie bisher gemacht haben. Letztes Mal hat ein Typ seine Entwürfe für Plakate und Sticker hochgeladen und jemand, der eine Druckerei besitzt, hat dann bei der Kommentarspalte mit ihm besprochen, dass er sie in Druck gibt.63

Die dezentralen, nicht-institutionellen Strukturen des Internets sorgten dafür, dass sich alle Beteiligten verantwortlich für das Gelingen der Veranstaltung fühlten. So kündigte der Plakattext aus dem Jahr 2008 an: »CM gehört Dir, Du veranstaltest es für Dich. Wir werden so viele sein, wie Du einlädst. Der Einfluss wird so groß sein wie die Menge.«64 Mit dieser Strategie wurden auch im weiteren Umfeld der Bewegung Aktivisten angeworben, die wiede-

62 Eine ausführlichere Analyse über den strukturellen Aufbau der Critical Mass Budapest liegt bereits vor. Vgl. Tordai, Zsolt: Kritikus tömegek kétkeréken és online [Kritische Mengen auf dem Zweirad und Online]. Társadalmi mozgalom- és internetes közösségszervezés  a magyar Critical Mass példájan [Organisation von Sozialbewegungen und Internetcommunities am Beispiel des ungarischen Critical Mass]. Budapest 2008. 63 Hojtsy, Gábor: Interjú a Critical Mass honlap készítőivel [Interview mit den Machern der Homepage von Critical Mass]. URL : http://drupal.hu/hirek/20060904/cminterju (am 1.5.2014). 64 Szajci: Automentes napra plakát [Plakat für den Autofreien Tag]. URL: http://commons. wikimedia.org/wiki/File%3A080922_cm_sticker2.jpg (am 1.5.2014).

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rum selbst tatkräftig mitwirkten.65 Die wachsende Teilnehmerzahl verlangte nach vielen Organisatorinnen und Organisatoren, um den nahtlosen Ablauf der Fahrt zu garantieren, aber auch um Flyer zu drucken und zu verteilen und Plakate in den verschiedenen Bezirken der Stadt, an öffentlichen Institutionen, Schulen, Universitäten, Kneipen und Clubs aufzuhängen. In der neunjährigen Geschichte der Demonstrationen gab es einen steten Wechsel der freiwilligen Helferinnen und Helfer. Ziele, Inhalte und die Marke CM Ziel und somit Inhalt der Demonstrationen war es, für das Fahrrad als Alltagsverkehrsmittel in der Stadt zu werben. Das Spektrum der Diskussionen auf ciritcalmass.hu spiegelt wider, wie komplex dieses Vorhaben aus Sicht der aktiven Fahrradnutzerinnen und Fahrradnutzer letztlich war. Die Diskussionen befassten sich unter anderem mit den als akut wahrgenommenen Problemen bei der Wegeführung, mit dem schlechten Zustand der Fahrradwege, den Vorund Nachteilen von Fahrradinfrastrukturen sowie dem Verhältnis zwischen Autoverkehr, Fußgängern und anderen Radfahrenden. Ein gewisser Grad an Selbstreflexion der Gruppe zeigte sich darin, dass auch typische Verkehrssünden von Radfahrenden online aufgelistet wurden.66 Die Internetseite gab Raum für Gegenexpertisen zur offiziellen Stadt- und Verkehrsplanung und ermöglichte einen schnellen Austausch. Erfahrene Verkehrsplanerinnen und Verkehrsplaner wie auch interessierte Laien diskutierten hier, wie die Straßenverkehrsordnung und der Infrastrukturbau der Kommune aus fachlicher Perspektive zu beurteilen sei.67 Die Botschaft der Demonstrationen blieb über die Jahre unverändert: Das Fahrrad sollte nicht länger Freizeitgerät, Sport- und Kinderspielzeug sein – wie es allgemein in Budapest vor der Bewegung wahrgenommen wurde –, sondern zu einem alltäglichen urbanen Verkehrsmittel werden. Als Argument galten nicht die Begrenzung des Autoverkehrs, sondern die Vorzüge des Verkehrsmittels Fahrrad an sich. So wurde zur Demonstration vom 22. September 2008 folgender Text plakatiert: Ziel von Critical Mass Budapest ist es, dass Budapest zu einer Fahrradstadt wird. Erst einmal nur für einen Tag, später das ganze Jahr über. Wir möchten, dass die Wege 65 Vgl. Kürti, Critical Mass Budapest – external funds vs. internal activism. Vortrag im Rahmen des Workshops Volunteers of Cycling Academy. 66 Vgl. Cseya: Bringások szégyenfala IV. Negyedik rész – örökzöld téma. In: criticalmass.​ hu vom 7.12.2010, URL: http://www.criticalmass.hu/forum/20101207/bringasok-szegyen​ fala-iv (am 1.1.2017). 67 Eine Liste dieser Diskussionen bietet das Forumsthema Verkehrskultur und Sicherheit auf der Homepage. Vgl. critical mass: Közlekedési kultúra, biztonság [Verkehrskultur, Sicherheit]. URL: http://criticalmass.hu/forum/685 (am 14.4.2017).

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auch mit dem Fahrrad befahrbar werden, dass auf den Straßen Fahrradstreifen und Abstellanlagen angelegt werden und viele Radfahrerinnen und Radfahrer die Stadt füllen. Wir möchten, dass die 400.000 Fahrradbesitzerinnen und Fahrradbesitzer nicht nur Sport machen, sondern auch im Alltag fahren und dass die aktuelle Stadtführung die Bedingungen dafür schafft – und zwar nicht so wie bisher. Das Fahrrad verpestet und verschmutzt nicht die Stadt, macht keinen Lärm und ist günstig und schnell. Budapest kann mit uns nur gewinnen!68

Dieser Text macht deutlich, dass die Protestfahrt selbst als ein Mittel betrachtet wurde, das Ideal einer fahrradfreundlichen Stadt temporär umzusetzen. Ein Teilnehmer berichtete über sein Erlebnis während dieser Fahrten, auch im Unterschied zu anderen politischen Demonstrationen des Landes: Der Schauplatz dieses Freiheitsgefühls wurde vor allem der Tunnel. [Der Tunnel verbindet unter der Burg die Budauer Stadtseite mit der Kettenbrücke]. Als man durch den Tunnel radelte, dann schrie, johlte, pfiff man aus vollem Hals, das machte einem Gänsehaut. […] Es gab Kreuzungen, wo sie [die Polizei] die Radfahrenden stoppte, damit der Verkehr in die andere Richtung ein bisschen durchgelassen werden konnte. Da haben sich dann viele Radfahrende versammelt. Und dann wurden sie immer lauter, schrien immer mehr, und wenn die Polizei wieder den Weg frei machte, dann war das Ganze wie eine Welle, die durch die Menge ging. Eine unglaubliche Stimmung. […] So eine positive Sache hat in diesem Land in den vergangenen 20 Jahren niemals eine so große Menge bewegt. Eher negative politische Ereignisse haben die Leute auf die Straße geholt und brachte sie zum Schreien: ›Wir hassen Dich, trete ab, trete ab, fick dich!‹. Aber dieses hier, diese positive Sache, wie gut, dass wir zusammen radeln, es ist eine Befreiung, ihr sollt auch radeln! Das ist in Ungarn ganz einmalig.69

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nutzten während der Touren Routen, auf denen sie wegen des starken Verkehrsaufkommens ansonsten wenig oder gar nicht geduldet waren.70 Die Protestfahrten waren Anlass dazu, im öffentlichen Raum Verkehrsutopien performativ-kollektiv aufzuzeigen und der Frage nachzugehen, wie sich die Stadt verändern könnte, wenn die vier- oder sechsspurigen innerstädtischen Verkehrsachsen auch für den Radverkehr zugänglich wären. Die Forderungen der Online-Chats und Offline-Demonstrationen, die bestehenden Zustände zu verbessern, beeinflussten die automobilorientierte

68 Szajci, Automentes napra plakát [Plakat für den Autofreien Tag]. URL: http://commons. wikimedia.org/wiki/File%3A080922_cm_sticker2.jpg (am 1.1.2017). 69 Tóth, Katalin: Interview mit Museumsmitarbeiter Márton Kemény über das Radfahren als alltägliche Verkehrsform und Protest. Budapest 22.4.2013. 70 So beispielsweise die Elisabethbrücke [Erzsébet híd], auf welcher die zentrale Verkehrsader, der Rákóczi-Weg liegt, und die Kettenbrücke, auf der zwischen den 1920er Jahren und 2012 der Radverkehr mit dem Argument der engen Fahrbahn verboten war.

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Abb. 6: Das Plakat von der Demonstration am 22. September 2009, der Autofreie Tag.

Verkehrspolitik der Kommune dennoch nur wenig. Trotz der Demonstrationen änderten sich Planung und Raumaufteilung bei späteren Brücken- und Straßenbauprojekten nicht. Sie gaben fortwährend einen Anlass, die nächste Protestfahrt zu veranstalten. Der CM Budapest blieb stets ein gemeinnütziges Projekt. Die Finanzierung der Veranstaltung erfolgte durch den Verkauf von T-Shirts, auf denen das CM-Logo abgedruckt war. Diese wurden von Freiwilligen, die die Route sicherten, gekauft oder gegen eine Spende von 2000 Forint [zirka 8 EUR] an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer verteilt. Die Initiative wurde nie als offizielle NGO eingetragen und hatte nie Sponsoren aus Wirtschaft oder Industrie. Die zwei Führungsfiguren berichteten regelmäßig in Interviews, dass sie Angebote aus der freien Wirtschaft für die Übernahme der Veranstal© 2020 Vandenhoeck & Ruprecht | Brill Deutschland GmbH https://doi.org/10.13109/9783666310720 | CC BY-NC-ND 4.0

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tung bekamen, diese aber immer abgelehnt hätten.71 Dass das Fahrrad nicht durch kommerzielle Interessen »verraten« wurden, hat die Glaubwürdigkeit der Demonstrationen als idealistisches Projekt aufrechterhalten und weiter bestärkt. Wichtig zu betonen ist aber auch, dass die Bewegung ohne die starke Allianz mit einer Fahrradkurierfirma vermutlich frühzeitig gescheitert wäre. Die Hauptorganisatoren waren beide Mitarbeiter der Kurierfirma Hajtás Pajtás. Zwar benutzte die Firma das CM-Event nie als Werbefläche, aber die Verbindung war ein offenes Geheimnis.72 Auch deshalb bedankten sich beide Organisatoren, als sie 2012 das Ende ihrer Demonstrationsreihe ankündigten, bei ihren Vorgesetzten für die langjährige Unterstützung: Diese hatten ihnen die Übernahme der organisatorischen Aufgaben zum CM während der Arbeitszeit und die Nutzung der firmeneigenen Infrastruktur erlaubt.73 Der Marktwert von CM war im Wesentlichen seine Bekanntheit, da es ein progressives, populärkulturelles Event des Stadtlebens war. Den progressiven Charakter drückte das Logo der Veranstaltung aus: eine ikonografische Figur mit einem über den Kopf gehobenen Fahrrad – ein Sinnbild für den heroischen, konfrontativen Kraftakt zur Verfolgung eines idealistischen Ziels. Die Figur fand sich auf Plakaten, Aufklebern und T-Shirts wieder und wurde in der gesamten Stadt als Werbesymbol auf das Pflaster gesprüht. Die Zeichnung hatte der Grafiker Zsigmond Bernáthy für das erste Plakat 2004 entworfen. Er ließ sich dazu von der Fahrradkurierweltmeisterschaft 2001 inspirieren, als die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf ihrer Fahrt zum Campingplatz auf der Árpád-Brücke anhielten, ihre Fahrräder über die Köpfe hoben und schrien »Budapest is the best«.74 Das Hochheben des Fahrrads im öffentlichen Raum, das sogenannte »bike lift«, ging auf Fahrradaktivisten aus Chicago zurück und setzte sich später als Symbol des Protests weltweit durch.75 Bei den Budapester Demonstrationen entwickelte es sich zu Beginn und zum Ende der Fahrten zu einem festen Ritual. Das Hochheben deutete Gábor Kürti als ein wichtiges Überzeugungsmoment, eine kollektive Handlung mit großer Ausstrahlungskraft, was die Teilnehmerinnen und Teilnehmer elektrisierte. 71 Vgl. Tóth, Katalin: Interview mit Gábor Kürti über die Firma Hajtás Pajtás, die Rolle als Critical-Mass-Organisator und über die ehrenamtliche Mitarbeit im Ungarischen Fahr­ radclub. 72 Vgl. ders.: Felvonulunk, tehát vagyunk. Interjú Kürti Gábor főszervezővel [Wir marschieren auf, also es gibt uns. Interview mit Gábor Kürti, Hauptorganisator]. In: Pedál 3/3 (2005), 13–14. 73 Vgl. critical mass: Hogyan is kezdődött [Wie es begann]. In: criticalmass.hu vom 13.9.2012, URL: http://criticalmass.hu/blogbejegyzes/20120913/hogyan-kezdodott (am 1.1.2017). 74 Földes, A tökéletes országimázs [Das perfekte Staatsimage]. 75 Criticalmass.wikia.com: Chicago hold-up. URL : http://criticalmass.wikia.com/wiki/ Chicago_hold-up (am 7.5.2014).

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Eine Filmaufnahme von Gábort Kürti im Videoportal Youtube hält diesen Moment am Autofreien Tag am 22.09.2007 auf der Városliget [Stadtweide] fest. Die nicht ganz scharf gestellte und etwas wackelige Aufnahme zeigt den anderen Hauptorganisator auf einem Transporter kniend, wie er den Countdown zählt und dann ruft: »Das sieht unglaublich aus! Fahrräder blühen überall im Stadtwäldchen. Critical Mass 2007!«.76 Die Kamera streift anschließend über ein Meer laut rufender und jubelnder Menschen, die ihre Fahrräder hochheben. Bis zum Horizont sind Menschen und ihre hochgehobenen Fahrräder zu sehen. Die über 79.000 Aufrufe dieses Videos und seine mehrmalige Verwendung für Illustrationen der englischsprachigen Wikipedia-Seite der CM-Bewegung zeigen, dass die Symbolik auch als Videoaufnahme seine Wirkung entfaltete und das Selbstverständnis des transnationalen Aktivismus widerspiegelte.77 Verhältnis zur Parteipolitik und zur hauptstädtischen Kommune Zum politischen Kontext des CM-Phänomens gehörten die wiederholten Versuche, die CM in das linksliberale politische Lager einzuordnen.78 Diese Etikettierung war insofern problematisch, als sie einerseits einen gewissen Wahrheitsgehalt hatte, andererseits aber die Integrität der CM-Community gefährdete. Die Wertvorstellungen der Gruppierung, wie Umweltbewusstsein, Orientierung am Gemeinwohl, gesellschaftliche Verantwortung, Basisdemokratie und eine pro-europäische Orientierung, lassen sich als eher politisch links einordnen. Gleichzeitig passten diese Vorstellungen in den 2000er-Jahren auf keine der politischen Parteien im Parlament uneingeschränkt. Das Verhältnis zwischen der alten linken Partei und den Rechtskonservativen war um das Jahr der Parlamentswahlen 2006 sehr angespannt, und sowohl die Hauptstadt als auch das ganze Land waren politisch gespalten. Die Größe der Proteste hatte eine enorme Ausstrahlungskraft, die sowohl Wirtschaft als auch Politik zu nutzen versuchten. Es gab mehrere Versuche von politischen Parteien, die Bewegung für sich zu vereinnahmen, wie beispielsweise von der neugegründeten grünen Partei Lehet Más A Politika [Politik Kann Anders Sein] im Jahr 2010.79 Dies wussten die Gemeinschaft und die zwei Führungsfiguren jedoch stets zu verhindern. 76 Vgl. Kürti, Gábor: Critical Mass Budapest 20070922 Carfree Day. Videoaufname auf youtube.com, hochgeladen am 22.9.2007. URL: http://youtu.be/6Q_45HGoo2w (am 7.5.2014). 77 Vgl. Wikipedia: Critical Mass (cycling). URL : http://en.wikipedia.org/wiki/Critical_ Mass_%28cycling%29 (am 7.5.2014); vgl. Conor: Critical Mass Organising Meeting. In: indymedia.ie vom 14.8.2009, URL: http://www.indymedia.ie/article/93530 (am 1.1.2017). 78 Vgl. Tóth: Interview mit Gábor Kürti über die Firma Hajtás Pajtás, die Rolle als CriticalMass-Organisator und über die ehrenamtliche Mitarbeit im Ungarischen Fahrradclub. 79 Vgl. Kiss, Brigitta: Kürti Gábor: A bringások már ott vannak az úton [Die Radfahrer sind bereits auf der Straße]. In: kerekpar.mandiner.hu vom 19.4.2013, URL: http://kerekpar. mandiner.hu/cikk/20130419_kurti_gabor_critical_mass_interju (am 1.1.2017).

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Lediglich die Teilnahme des damaligen Staatspräsidenten László Sólyom bei der Frühlingsfahrt am 22. April 2006 und die damit einhergehende mediale Aufmerksamkeit wurden von den Organisatoren begrüßt.80 Der dama­ lige Staatspräsident hatte sein Amt dem Engagement der Zivilgesellschaft zu verdanken, da er als ehemaliger Juraprofessor von der bürgerschaftlichen Organisation Védegylet [Schutzverein] für das Amt vorgeschlagen worden war. Als überzeugter Umweltaktivist wollte er die Fahrraddemonstrationen durch das Ansehen seiner Person unterstützen.81 Seine Teilnahme verlieh der Fahrradbewegung Seriosität nach außen, da die Fahrraddemonstration dadurch zum ersten Mal im Nachrichtenmagazin des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders erwähnt wurde.82 Die CM-Bewegung verfolgte die Strategie, ihre Legitimität durch von außen einbezogene Persönlichkeiten und angesehene Institutionen zu steigern. Auf Anfrage der Organisatoren übernahm der Botschafter des Königreichs der Niederlande ab dem Jahr 2010 die Patenschaft für die Protestfahrt.83 Die niederländische und die dänische Botschaft unterstützten die Veranstaltung zudem oftmals mit Spenden. 2006 vergab der Oberbürgermeister an die Organisatoren »als Anerkennung ihrer Bemühungen zur Verbreitung des urbanen Radfahrens als Verkehrsalternative und zur Verbesserung der Verkehrskultur der Hauptstädter« die Auszeichnung Budapestért díj [Für Budapest].84 Die CM-Community bewertete den Preis kritisch. Ihrer Meinung nach diente er dazu, die Veranstaltung durch Lob zum Schweigen zu bringen, anstatt auf ihre Forderungen nach Alternativen im Stadtverkehr einzugehen.85 Die zwei Sprecher der CM grenzten sich bewusst von der Parteipolitik ab. Sie verorteten die imaginäre Gemeinschaft der Radfahrenden als eine Bewegung von unten.86 In Interviews kritisierten sie stets die »Anderen«: die in80 Ebd. 81 Es war öffentlich bekannt, dass er 2003 den gesellschaftlichen Widerstand gegen den Aufbau einer NATO -Radaranlage in einem Umweltschutzgebiet in Südungarn offen unterstützt hat. 82 Vgl Tóth: Interview mit Gábor Kürti über die Firma Hajtás Pajtás, die Rolle als CriticalMass-Organisator und über die ehrenamtliche Mitarbeit im Ungarischen Fahrradclub. 83 Vgl. kirk kapitány: Meghalt  a budapesti biciklizést támogató holland nagykövet [Der niederländische Botschafter, Unterstützer des Radfahrens in Budapest, ist gestorben]. In: Kerékagy vom 21.8.2012, URL: http://kerekagy.blog.hu/2012/08/21/meghalt_a_buda​ pesti_biciklizest_tamogato_holland_nagykovet (am 1.1.2017). 84 Kürti, Gábor: Budapestért Díj. In: criticalmass.hu vom 2.11.2006, URL: http://critical​ mass.hu/blogbejegyzes/20061102/budapestert-dij (am 1.1.2017). 85 Vgl. Magyar Kerékpárosklub / Hungarian Cyclist’s Club: Bike movement in Budapest: the story. From the beginnings to 2013. URL: https://prezi.com/xqt1umlom7ri/copy-of-bikemovement-in-budapest-the-story/ (am 22.12.2016). 86 Siehe Interview mit Gábor Kürti und Károly Sinka. Vgl. Kresalák, Dávid: Riporter drótszamáron [Reporter auf dem Drahtesel]. Budapest 2010.

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ländischen Politiker, die ihre Eigeninteressen verfolgen, sowie die kommunale Bürokratie, die sie als selbsterhaltendes System ohne Blick für die Bedürfnisse der Bevölkerung bezeichneten. Der über mehrere Wahlperioden von 1990 bis 2010 amtierende Oberbürgermeister Gábor Demszky von der linksliberalen Partei stand besonders in der Kritik, da er in der Stadt langfristige Veränderungen hätte bewirken können, dies aber nicht tat. Im Gegensatz zu den »Anderen« entstand schließlich das »Wir«, bestehend aus den Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohnern und den Radfahrenden, die die Arbeit selbst in die Hand nahmen. Dieses Selbstverständnis artikulierte sich im Ausdruck »Fahrradbewegung«. Die CM verkörperte eine fast schon utopische Gemeinschaft, die Menschen aus verschiedenen politischen Richtungen mobilisierte.87 Die mediale Wahrnehmung von CM Die Großdemonstrationen von Radfahrenden wurden in Budapest unterschiedlich aufgenommen. Die Palette reichte von stillem Desinteresse bis hin zu offenem Argwohn. Die Demonstranten verursachten bei der oftmals auf einen Wochentag fallenden Herbstdemonstration am Autofreien Tag eine Verkehrsblockade in der Innenstadt. Besonders viele Vorwürfe gab es 2005, als aufgrund einer fehlerhaft geplanten Route der erste Teil der Radfahrenden den hinteren Teil einholte und damit die gesamte Innenstadt umschloss. Die Störung des Alltagverkehrs hätte die Mehrheitsbevölkerung eher hingenommen, wenn die Zielsetzung der Veranstaltungen auf allgemeines Verständnis gestoßen wäre. Dies war aber anfangs nicht der Fall. Fernsehen und Presse griffen die durch den Protest hervorgerufenen Irritationen in der Bevölkerung auf. Erst nach 2008 setzte in der medialen Berichterstattung über den CM-Protest ein Wandel ein. In den ersten zwei Jahren war so gut wie gar nicht über das Event berichtet worden. Danach zwar mehr, jedoch mit Vorbehalten. Die berühmteste Negativ-Kampagne lieferten zwei Moderatoren im Morgenprogramm des größten kommerziellen Hörfunksenders Sláger Rádió im Herbst 2005. Sie riefen aufgrund der angekündigten Demonstration ihre Hörerinnen und Hörer, hauptsächlich Autofahrerinnen und Autofahrer, scherzhaft dazu auf, demonstrierende Radfahrerinnen und Radfahrer zu überfahren, Drahtseile auf der Route zu spannen oder sie zu vergasen, da Radfahren schließlich nicht in eine Metropole gehöre.88 Vor allem wegen der Verletzung der Opfer der Shoa, aber auch wegen der offenen Anstiftung gegen eine Min87 Vgl. Udvarhelyi, Tessza Èva: Reclaiming the Streets – Redefining Democracy. The Politics of the Critical Mass Bicycle Movement in Budapest. In: Hungarian Studies 23/1 (2009), 121–145. 88 Vgl. Földes, András: Biciklisek elgázosítására szólított fel Boros és Bochkor. In: index.hu vom 21.9.2005, URL: http://index.hu/kultur/media/slager0921/ (am 1.1.2017).

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derheit musste der Sender eine Strafe zahlen und an einem Januartag 2008 seine zehnminütige Sendung ausfallen lassen.89 Für die Demonstrationen selbst bedeutete diese fahrradfeindliche Positionierung einen Zugewinn an öffentlicher Aufmerksamkeit. Ein paar Tage, nachdem die Beleidigungen von den Moderatoren geäußert worden waren, wurden die Fahrradaktivisten vom Sender als Geste der Versöhnung zu einem über einstündigen Gespräch eingeladen. In den folgenden Jahren ging die Zahl der polemisierenden Artikel in der Presse zurück. Stattdessen begannen Journalistinnen und Journalisten, sich in den Fahrradblogs der großen Nachrichtenportale über das gesamte politische Spektrum hinweg zum Thema urbanes Radfahren auszutauschen.90 Damit war der urbane Radverkehr nicht länger für die CM-Bewegung oder für manche aktivistisch agierenden Journalisten reserviert, sondern wurde zu einem Modethema in den Medien. Von konfrontativen Forderungen zum Massen-Event: Auflösung der CM Die Forschungsliteratur ordnet die CM-Bewegung in die Kategorie der neuen sozialen Bewegungen ein.91 Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie im Gegensatz zu früheren sozialen Bewegungen vor 1968 nicht mehr durch Solidarität innerhalb einer gesellschaftlichen Schicht entstehen, sondern von gemeinsamen Wertvorstellungen und einem ähnlichen Lebensstil getragen sind. Die Soziologin Bettina Leibetseder benannte für die Zuordnung nach den Politikwissenschaftlern Donatelle della Porta und Mario Diani drei Kriterien.92 Erstens die gemeinsame »Konflikthaltung« gegen eine auto-orientierte, urbane Verkehrspolitik. Zweitens die »dichten informellen Netzwerke« sowie drittens das von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern geteilte Zusammenhörigkeitsgefühl, das dazu motivierte, die bestehenden Verhältnisse zu verändern.93 Weitere Aspekte der CM-Fahrten, etwa die Tatsache, dass sie zunehmend karnevalistische Züge zeigten und immer größer wurden, weisen darauf hin, dass sie auch als Partyevents des Stadtlebens genossen wurden – 89 Vgl. N. N.: Elnémul  a Sláger Rádió  – nem kellett volna beszólni  a bicikliseknek. In: Világ­gazdaság Online vom 30.1.2008, URL : http://www.vg.hu/vallalatok/vg_online/ vallalatok_-_belfold/080130_slager_206395 (am 1.1.2017). 90 Diese sind beispielsweise. Vgl. Kerékpár. Mandiner [Fahrrad. Mandiner]. URL: http:// kerekpar.mandiner.hu/; vgl. Kerékagy [Radgehirn]. URL: http://kerekagy.blog.hu/ (am 5.5.2017); vgl. Küllőnélő. Magyar Nemzet Online [Speichel. Ungarische Nation Online]. URL: http://mno.hu/kullonelo (am 1.5.2017). 91 Vgl. Blickstein, Susan / Hanson, Susan: Critical mass: forging a politics of sustainable mobility in the information age. In: Transportation 28/4 (2001), 347–362; vgl. Leibetseder, Critical Mass. 92 Vgl. Leibetseder, Critical Mass, 16. 93 Ebd., 17.

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Die 2000er-Jahre: Aus dem Underground zum Mainstream

ohne hinter der ursprünglichen politischen Intention der Organisatoren zu stehen. Viele der Mitfahrenden verkleideten sich für die Protestfahrt, schmückten ihre Fahrräder und nahmen auf dem Gepäckträger Soundanlagen mit. Es bildeten sich karnevalistische Untergruppen, wie beispielsweise die Critical Miss, die Frauensektion, Gyilkos Lódarazsak [Tödliche Hornissen] oder die Critical Macesz, eine Bezirksgruppe aus dem jüdischen Viertel.94 Entlang der Demonstrationsroute gab es unterschiedliche Auftritte und Performances, eine Gruppe von Trommlern, diverse Tanzgruppen, einen Barpianisten, Gaukler, Artisten und Straßenmusiker. Die Verkaufsstände mit Soft-Drinks und Brezeln, die laute Musik und die große Menschenmenge am Ziel der Protestfahrt im Stadtwäldchen schienen bald nichts anderes als ein Volksfest zu sein, mit dem einzigen Unterschied, dass jeder mit dem Fahrrad gekommen war. Das Erfolgsrezept der über neun Jahre anhaltenden Attraktivität der Veranstaltung bestand vermutlich auch darin, dass sein Charakter als erlebnisreiche Großveranstaltung das politische Projekt des CM überdeckte. Den Wandel der Veranstaltung vom politischen Auftritt einer Interessensgemeinschaft hin zu einer städtischen Eventveranstaltung beobachteten die Organisatoren mit Unmut, weil sie das Verschwinden ihres ursprünglichen Ziels befürchteten.95 Ihre Nachricht an die anderen Aktivisten über die endgültige Beendigung der Protestfahrten stieß im September 2012 auf der Internetseite criticalmass.hu auf großen Widerstand und viel Ablehnung.96 Die von Gábor Kürti und Károly Sinka genannten Gründe lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Protestfahrt habe nur als Mittel gedient, um Aufmerksamkeit zu erzielen. Jetzt helfe sie aber nicht mehr bei dem angestrebten Ziel, eine bessere und lebenswertere Stadt zu schaffen. Heute sei es nicht mehr die Bewegung, die »die Leute zum Radfahren bringt, sondern sie folgen dem Beispiel von Verwandten, Kollegen und Freunden«.97 Statt ihre Kraft und Arbeit in eine Großveranstaltung zu investieren, auf der ein paar zehntausend Menschen in einem festivalartigen Rahmen das Fahrrad feiern können, sahen es die Initiatoren als wichtiger an, die offizielle Interessenvertretung Magyar Kerékpáros Klub [Ungarischer Fahrradclub] ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu stellen und zu fördern. Der Ungarische Fahrradclub existierte nämlich im Schatten seines großen Bruders CM, übernahm aber die eigentliche Arbeit der 94 Vgl. Bardóczi, Sándor: CM à la Budapest. In: Építészfórum vom 23.4.2008, URL: http:// epiteszforum.hu/cm-a-la-budapest (am 1.1.2017). 95 Vgl. Földes: Értelmetlenül nem kell Critical Mass [Wir brauchen keine sinnlose Critical Mass]. 96 Vgl. Kürti, Gábor: A  hordozórakétákat nem lehet  a Holdra vinni [Die Trägerraketen kann man nicht mit auf den Mond nehmen]. URL: http://criticalmass.hu/blogbejegyzes/​ 20120905/hordozoraketat-nem-lehet-holdra-vinni (am 21.3.2014). 97 Ebd.

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Zwischenfazit 

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Interessenvertretung. Die Entscheidung der Veranstalter war endgültig. Im Frühling 2013 wurde schließlich die letzte CM-Fahrt veranstaltet.

4.4 Zwischenfazit In diesem Kapitel wurde untersucht, welche Rolle den Fahrradkurierdiensten von Budapest und den CM-Demonstrationen beim Wandel des Stellenwerts des Radverkehrs in den 2000er-Jahren zukam. Aus den Kurierdiensten heraus entwickelte sich eine Szene mit starkem Zusammenhörigkeitsgefühl. Von dieser Fahrrad-Szene ging eine kulturelle Wirkkraft aus, wodurch sich eine neue Mode des Radfahrens in der Stadt verbreitete. Die Kurierarbeit, ein globales urbanes Phänomen, war in Budapest damit der Ausganspunkt für die Verbreitung des urbanen Radfahrens. Die Koalition dieses Netzwerkes mit anderen am Radverkehr interessierten gesellschaftlichen Gruppen schuf ein gemeinsam auftretendes Kollektiv, aus dem die neun Jahre lang existierenden CM-Demonstrationen hervorgegangen sind. Die Demonstrationen forderten die Integration des Radverkehrs in die Verkehrsordnung und in die Verkehrspolitik. Die Proteste und die Onlinekanäle waren wichtige Vergesellschaftungs- und Vergewisserungsräume der Radfahrenden. Das Fahrrad diente als Vehikel für die Aneignung und die Eroberung des öffentlichen Raums und für die Forderungen nach Mitsprache. Über die Jahre wurden die CM-Demonstrationen zu festivalartigen, eupho­ rischen Großstadtevents, die eine steigende kulturelle Akzeptanz dieses Verkehrsmittels zum Ergebnis hatten. Das langfristige Bestehen basierte auf der erfolgreichen Mobilisierung und der strategischen Abgrenzung von Wirtschaft und Parteipolitik. Die Plakate für die Demonstration hingen in angesagten Clubs, Kneipen und Szenetreffs, und im Internet kursierten die Einladungen über die Nachrichtkanäle der sozialen Netzwerke. Die CM-Fahrten waren Teil des zentralen Pulsschlags der sich schnell wandelnden Stadt. Trotz des abrupten Endes der Demonstrationen prägte der CM Budapest ein ganzes Jahrzehnt in Budapest und formte die Stadt um. Die Demonstrationen erzeugten eine Zusammengehörigkeit, machten das Radfahren sichtbar, jung, urban, cool und zu einer möglichen und erstrebenswerten Verkehrsalternative für eine ganze Generation von Budapesterinnen und Budapestern. Die Bedeutung des Phänomens CM lag also darin, das Radfahren in den Bereich des Möglichen zu bringen, es kulturell aufzuwerten und Anlass und Raum für die Radfahrenden zu bieten, auf den Straßen der Innenstadt zu fahren. Damit waren diese Fahrten das Ergebnis eines Bedarfs, ausdrückt in der Sprache der zeitgenössischen urbanen Populärkultur: als Event, Erlebnis und mediales Ereignis. © 2020 Vandenhoeck & Ruprecht | Brill Deutschland GmbH https://doi.org/10.13109/9783666310720 | CC BY-NC-ND 4.0

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Die 2000er-Jahre: Aus dem Underground zum Mainstream

Die durch das Internet ermöglichte Vernetzung dieser Gemeinschaft schuf eine Grundlage für eine schlagkräftigere Fahrradinteressenvertretung. Sie schöpfte aus den Groß-Demonstrationen und den Erfahrungen Argumente und Wissen für politische Forderungen. Für die zunehmende Fahrradnutzung im städtischen Raum sprachen neben den CM-Demonstrationen aber noch weitere Gründe. Auf sie geht das folgende Kapitel näher ein.

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5. Radfahren als bewusstes Statement im urbanen Alltag: Sichtbare Fahrradnutzung und Neustart der Interessenvertretung

Dieses Kapitel untersucht im ersten Schritt, wie aus dem Freizeitgerät Fahrrad ein Verkehrsmittel des urbanen Alltags in Budapest wurde. Zweitens beschäftigt sich das Kapitel damit, wie sich in den 2000er-Jahren eine neue Stimme für den Radverkehr entwickelte und eine Interessenvertretung entstand, die stärker und politisch erfolgreicher war als ein Jahrzehnt zuvor. Drittens geht das Kapitel der Frage nach, welche Folgen das Zusammenspiel von steigender Fahrradnutzung und der marginalen Position des Radverkehrs im Stadtverkehr hatten und welche Maßnahmen die Befürworterinnen und Befürworter des urbanen Radverkehrs infolgedessen ergriffen. Die Teilnahme an einer im vorangegangenen Kapitel beschriebenen Fahrraddemonstrationen reicht als singuläre Erklärung für den Umstieg auf das Fahrrad keineswegs aus. Welche weiteren Gründe sprechen also für die Wahl des Fahrrads als neues Verkehrsmittel im Alltagsverkehr? Dieser Frage geht das vorliegende Kapitel nach.

5.1

Das Fahrrad als neues Verkehrsmittel der Wahl

Individuelles Verkehrsverhalten als Forschungsproblem Das Radfahren als Metapher für Freude, Freiheit und Rebellentum zieht sich quer durch die europäische und amerikanische Literatur, Kunst und Populär­ kultur des 20. und 21. Jahrhunderts. Diese positiven Zuschreibungen, wie die Freude an der Beschleunigung, am Fahrtwind, am vorbeiziehenden Pano­ rama sowie die Flexibilität, werden nicht nur mit dem Fahrrad, sondern auch mit anderen Verkehrsmitteln wie beispielsweise dem Auto oder dem Zug verbunden. Sie rücken im Zuge des »cultural turns« neuerdings bei Verkehrshistorikern, aber auch bei Verkehrssoziologen in den Blick. Letztere begründen solche Verkehrsentscheidungen über rationale Gründe hinaus mit subjektiv-individuellen Präferenzen.1 Die kultur- und sozialwissenschaftlichen 1 Vgl. Götz, Konrad: Mobilitätsstile. In: Schöller, Oliver (Hg.): Handbuch Verkehrspolitik. Wiesbaden 2007, 759–784, hier: 763; vgl. Kopper, Christopher: Rezension zu: Neubert,

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Radfahren als bewusstes Statement im urbanen Alltag

Ansätze ermöglichen einen Blick auf das Individuum und öffnen damit die »blackbox« der Verkehrsmittelwahl in der Verkehrsforschung. Die Verkehrssoziologie erkennt in den subjektiv-individuellen Gründen, die für die Fahrradnutzung sprechen, wichtige Einflussfaktoren für nachhaltige verkehrspolitische Entscheidungen in europäischen Gesellschaften. Dazu kommen noch objektiv-rationale Gründe der Verkehrsmittelwahl. In der urbanen Radverkehrsforschung werden verkehrssoziologische Modelle angewendet, um urbanes Radfahren als ein von mehreren Faktoren beeinflusstes Phänomen zu verstehen.2 Wie attraktiv ist das Fahrrad im Vergleich zu anderen Verkehrsangeboten in der Stadt? Sind Fahrräder verfügbar und bezahlbar? Wie gut eignen sich die vorhandenen Infrastrukturen für die Nutzung? Können die Leute überhaupt Rad fahren? Welche klimatischen Bedingungen herrschen vor und welches Bild wird in der Öffentlichkeit von diesem Verkehrsmittel gezeichnet? Erst die Einbeziehung von sowohl subjektiven als auch rationalen Gründen ermöglicht es, den Umstieg auf das Fahrrad in den 2000er-Jahren in Budapest nicht als zufällig entstandenes, isoliertes Modephänomen zu betrachten, sondern als Teil des Stadtwandels nachzuvollziehen. Unter Berücksichtigung der rationalen und subjektiven Faktoren wird im Folgenden die gestiegene Attraktivität des Radfahrens zunächst im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln untersucht und gesellschaftlich-generationellen Einstellungen gegenübergestellt. Dadurch lassen sich Wendepunkte in der Veränderung des Stellenwerts des Fahrrads in Budapest markieren. Als Ausgangspunkt wird zunächst die Verkehrslage in Budapest in den 2000er-Jahren beschrieben. Krise des motorisierten Individualverkehrs in Budapest Der Verkehr in Budapest steht heute kurz vor dem Kollaps. Der stockende Verkehr in morgendlichen und nachmittäglichen Spitzenzeiten beginnt sich auch auf die Zwischenzeiten auszubreiten. Ein unerwartetes Verkehrsereignis kann zum Stillstand des Verkehrs in ganzen Stadtteilen führen. Das alles wirkt sich natürlich auch auf den öffentlichen Personennahverkehr aus, der größtenteils nicht getrennt vom Autoverkehr geführt wird.3 Christoph; Schabacher, Gabriele (Hg.): Verkehrsgeschichte und Kulturwissenschaft. Analysen an der Schnittstelle von Technik, Kultur und Medien. Bielefeld 2013. In: H-SozKult vom 3.5.2013, URL: http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-20309 (am 1.1.2017), 1–3. 2 Zuletzt vgl. Oldenziel, Ruth / de la Bruhèze, A. Adri: Europe: A Century of Urban Cycling. In: Oldenziel, Ruth / de la Bruhèze, A. Adri / Veraart, Frank / Emanuel, Martin (Hg.): Cycling Cities: The European Experience. Hundred Years of Policy and Practice. Eindhoven 2016, 6–13. 3 Tosics, Iván / Ekés, András / Gertheis, Antal: A  hatékony közlekedés menedzsment Budapesten. A fővárosi behajtási díj indokoltságának, bevezethetőségének és zónarendszerének

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Das Fahrrad als neues Verkehrsmittel der Wahl 

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Mit dieser Schwarzmalerei beginnt die Studie von Városkutató Kft. [Stadtforscher GmbH] aus dem Jahre 2007. Die Experten schrieben im Auftrag der Verkehrsabteilung des Amts des Oberbürgermeisters eine Arbeit über die Möglichkeiten zur Einführung eines Mautsystems in Budapest. Die Gefahr eines möglichen Verkehrskollapses in der Hauptstadt, die in mahnenden Worten beschrieben wird, war Folge einer längerfristigen Entwicklung. In den 2000er-Jahren waren Autos kein Privileg mehr, sondern Konsumgüter für jedermann.4 Bis zur Wirtschaftskrise 2008 waren Autos aufgrund der günstigen Kreditkonditionen und der Gebrauchtwagenimporte fast jedem zugänglich. Bis in die Gegenwart hinein stellt das Auto ein wichtiges Statussymbol dar und gilt, nach Immobilien, als wichtigster Ausdruck von stabilen Einkommensverhältnissen und gesellschaftlicher Stellung. Gleichzeitig spiegelte der Trend hin zu mehr motorisiertem Individualverkehr die Stadtentwicklung in Budapest nach 1989 wider. Die Suburbanisierung erreichte in Budapest erst Anfang der 2000er-Jahre ihren Höhepunkt.5 Im Ballungsraum von Budapest wurde der Pendelverkehr zwischen den Vororten und der Stadt in dieser Zeit fast ausschließlich über den motorisierten Individualverkehr abgewickelt. Infolgedessen sank die Durchschnittsgeschwindigkeit des Autoverkehrs in der Stadt auf unter 15 Kilometer pro Stunde.6 Das Bild des expandierenden Autoverkehrs war für die öffentlichen Räume der Großstädte der ehemaligen Ost-Block-Länder charakteristisch.7 Dabei war Budapest nicht einmal das auffälligste Beispiel. Die baltischen Hauptstädte brachten in kürzester Zeit noch mehr Autos im Verhältnis zu ihrer Bevölkerung auf die Straßen.8 In Ungarn stand der Stadtraum von Budapest für die auch anderswo zu beobachtende paradoxe Pfadabhängigkeit der Automobilität: Je mehr bereits in den Jahrzehnten vor 1989 in die Verkehrsinfrastrukturen des motorisierten vizsgálata [Das wirkungsvolle Verkehrsmanagment in Budapest. Die Untersuchung von Begründung und Einführbarkeit des Zonensystems und der Mautgebühr in der Hauptstadt] 2007, 5. 4 Die Anzahl der Personenkraftwagen in Budapest stieg von 241 pro 1000 Einwohner im Jahr 1990 auf 355 im Jahr 2004. Vgl. Tosics, Iván: Spatial restructuring in post-socialist Budapest. In: Tsenkova, S. / Nedović-Budić, Zorica (Hg.): The Urban Mosaic of Post-socialist Europe. Space, Institutions and Policy. Heidelberg 2006, 131–150, hier: 139. 5 Ebd. 6 Vgl. Erhart, Szilárd: A budapesti közlekedési dugók okai és következményei [Gründe und Folgen des Verkehrsstaus in Budapest]. In: Közgazdasági Szemle 54 (2007), 435–458, hier: 435. 7 Vgl. Canzler, Weert / Knie, Andreas: Auf dem Weg zur Autogesellschaft. Trends im Personen- und Güterverkehr Osteuropas. In: Osteuropa 58/4–5 (2008), 337–349. 8 Vgl. Grava, Sigurd: Urban Transportation in the Baltic Republics. In: Stanilov, Kiril (Hg.): The Post-socialist City. Urban Form and Space Transformations in Central and Eastern Europe after Socialism. Dordrecht 2007, 313–346.

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Radfahren als bewusstes Statement im urbanen Alltag

Verkehrs investiert worden war, desto mehr Platz verlangte dieser in der Stadt und stieß wegen dieses Anspruchs schnell an die Grenzen des innerstädtischen Raums. Der ungarische Verkehrswissenschaftler Tamás Fleischer gab die Schuld daran der eigenen Verkehrswissenschaft, die mit ihrer traditionellen Auffassung am motorisierten Individualverkehr festhielt, anstatt durch Konzentration auf strukturelle Fragen einen Ausweg aus dieser Pfadabhängigkeit zu finden.9 In manchen Fachgutachten, wie der eingangs zitierten Studie zum Mautsystem, wurde dieses Problem offen benannt. Globale und lokale Kräfteverhältnisse untermauerten die Dominanz des Autoverkehrs in der urbanen Verkehrspolitik – in Ungarn ebenso wie anderswo. Da eine ausführliche Beschreibung dieser Kräfteverhältnisse den Rahmen der vorliegenden Arbeit überdehnen würde, werden einige Aspekte hier nur skizzenhaft angerissen. In Ungarn wurde die Verkehrspolitik vor allem von der lokalen Bau-Lobby gelenkt, für die 2004 mit dem Beitritt zur Europäischen Union hohe finanzielle Mittel zum Ausbau der Straßen- und anderer Verkehrsinfrastrukturen frei wurden. Paradoxerweise bedeutete der Beitritt zur Europäischen Union mit der Übernahme eines nachhaltigen Mobilitätsleitbildes keineswegs eine Einschränkung der Automobilität durch strengere Vorschriften zum Umweltschutz. Vielmehr wurden der Wohlstand und neue Infrastrukturen für den Autoverkehr gefördert, was zu weiteren Autokäufen führte.10 2008 ermahnte die Europäische Kommission Ungarn wegen der Überschreitung der Tagesgrenzwerte für Feinstaub.11 Der Feinstaub, das typische Problem des Autoverkehrs in europäischen Großstädten, stellte auch in Budapest in den Wintermonaten ein großes Gesundheitsrisiko dar. Allerdings wurden auch nach der Ermahnung aus Brüssel, abgesehen von Aufrufen einiger NGOs, seitens der ungarischen Politik nur pro-forma-Maßnahmen ergriffen. Die bereits erwähnten Überlegungen zur Einführung einer innerstädtischen Maut sind ein Beispiel für einen komplexen Lösungsversuch dieses Problems. Das Kabinett des Oberbürgermeisters zog eine City-Maut in den 2000er-Jahren kurzzeitig in Erwägung, verschob die Pläne dann jedoch mit der Begründung der hohen Ausbaukosten.12 Die Last einer unpopulären Entscheidung wollte das Kabinett des Oberbürgermeisters nicht tragen, da dies 9 Vgl. Fleischer, Tamás: Budapest közlekedésének néhány kérdéséről [Über einige Fragen des Verkehrs in Budapest.]. In: Városi Közlekedés 5 (1993), 288–298, hier: 294. 10 Vgl. Peters, Deike: Planning for a Sustainable Europe? EU Transport Infrastructure Investment Policy in the Context of Eastern Enlargement. Berlin 2006. 11 Vgl. Farkas Csamangó, Erika: A szálló por környezetjogi szabályozása [Die umweltrechtliche Regulierung des Feinstaubes]. In: Agrár- és környezetjog 16 (2014), 85–94, hier: 85. 12 Vgl. Erhart, Szilárd: Prágában dugódíj – Budapesten füstgyár [In Prag Mautgebühren – in Budapest Rauchfabrik]. In: Népszabadság Online vom 14.7.2008, URL: http://www.nol. hu/archivum/archiv-498785 (am 1.1.2017).

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eventuell Wählerstimmen gekostet hätte. Auf Ebene der Bezirke, die in Budapest eine relativ große Autonomie genießen, sprachen sich Lokalpolitiker gegen die Eindämmung des Autoverkehrs und den damit einhergehenden Ausfall von Einnahmen durch Parkgebühren aus. Viele Bezirksverwaltungen finanzierten sich nämlich größtenteils über Parkgebühren auf ihrem Gebiet. So waren es letztlich keine politischen Entscheidungen, sondern die Weltwirtschaftskrise im Jahr 2008, die sich verschlechternden Lebensverhältnisse und die Verteuerung des Autofahrens, die einen Einschnitt für den Autoverkehr bedeuteten.13 Nach 2008 stieg der Anteil des Autoverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen nicht mehr weiter an. Krise des öffentlichen Nahverkehrs in den 2000er-Jahren Der hohe Stellenwert des Autos relativierte in Budapest die bedeutende Rolle des öffentlichen Personennahverkehrs. Die Budapester Stadtbevölkerung war es seit dem Sozialismus gewohnt, die gelben Straßenbahnen, die blauen Busse ungarischer Produktion, die roten Oberleitungsbusse und die drei U-Bahn-Linien zu nutzen, die das Stadtgebiet zu einem günstigen Preis flächendeckend und mit einer dichten Taktfrequenz erschlossen. 2008 betrug der Anteil des öffentlichen Personennahverkehrs in Budapest 61,4 Prozent, was im europäischen Vergleich bemerkenswert war.14 In den 1980er-Jahren lag die Zahl allerdings noch bei 85 Prozent, so dass sich in die 2000er-Jahre bereits ein deutlicher Rückgang verzeichnen lässt. Was waren die Gründe hierfür? Die Nahverkehrsgesellschaft Budapesti Közlekedési Vállalat [Budapester Verkehrsgesellschaft, BKV] war in kommunalem Besitz. Allerdings war die Nahverkehrsgesellschaft seit Mitte der 1980er-Jahre nicht mehr ausreichend finanziert worden. Die BKV hatte wegen der wiederkehrenden negativen Schlagzeilen ein immer größeres Imageproblem. Grund für die negative Berichterstattung war, dass der Fuhrpark der BKV ein hohes Durchschnittsalter hatte und nicht angemessen gewartet wurde, was immer wieder zu Ausfällen im täglichen Betrieb führte.15 Dazu kamen Korruptionsskandale unter der linksliberalen Stadtführung und Preiserhöhungen. Vor allem aber konnte die BKV die neuen Ansprüche einer wachsenden Großstadt nach besseren Verbindungen zwischen Stadtzentrum und Vororten nicht bedienen. Die Pläne für einen gemeinsamen Verkehrs- und Tarifverbund zwischen Nahverkehrsgesellschaften und Bahn- und Busgesellschaften bedeuteten keine Kooperation in der Verkehrs13 Vgl. Pogány, Aurél / Kocsis, Tamás / Hadnagy Attila János: Budapest környezeti állapotértékelése 2012 [Evaluierung des Umweltzustands von Budapest] 2012, 15. 14 Vgl. ebd. 15 Vgl. Gaal, Gyula / Török, Ádám: A politika hatása Budapest közlekedésfejlődését meghatározó egyes elemekre 1990-től napjainking [Einfluss der Politik auf die Verkehrsentwicklung von Budapest von 1990 bis heute]. In: TÉT 24/4 (2010), 185–194, hier: 191.

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organisation, sondern lediglich die Einführung eines gemeinsamen Abonnements im Jahr 2005.16 Eine Interviewpartnerin im Rahmen der Forschung brachte eine weitere Nach-Wende-Anomalie des Nahverkehrs wie folgt auf den Punkt: Schauen wir uns doch die Verkehrsmittel des Nahverkehrs an. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass du die Leute an Busse und Trams gewöhnen kannst? Sie sind voll mit Obdachlosen, weil sie alle Obdachlosenheime zugemacht haben. Wo kann der Arme noch unterkommen? Im Nahverkehr! Der Kontrolleur lässt sie sowieso nicht aussteigen. Die Tram 4–6 ist voll mit Wohnungslosen. Was können wir machen? Jedenfalls macht das dem Angestellten der gehypten Büros in der Innenstadt keine Lust, sein Auto stehen zu lassen, um mit der Straßenbahn, die im Zwei-Minuten-Takt fährt zu einer drei Minuten entfernten Haltestelle zu gelangen.17

Tatsächlich hielten sich in den Verkehrsmitteln, an den Haltestellen und in den Wartehallen viele wärme- und schutzsuchende Obdachlose auf. Dadurch verfestigte sich das Bild, dass die Dienstleistungen der BKV nur noch von denjenigen in Anspruch genommen werden, die wegen ihres Alters oder ihrer Einkommenssituation keine Wahl haben und sich für den öffentlichen Nahverkehr entscheiden müssen: Kinder, Arme und Rentnerinnen und Rentner, die ab 65 Jahren ohnehin seit Längerem umsonst fahren durften. Nichtsdestotrotz war dieses medial generierte Bild, das sich aus der überwiegend negativen Berichterstattung speiste, übertrieben. Verkehrsmittelwahl aus Pragmatismus Das Fahrrad war in den 1990er-Jahren für die Stadtbevölkerung ein Freizeitgerät. Die wenigen verfügbaren Radverkehrszählungen wiesen für dieses Jahrzehnt einen Trend der Fahrradnutzung an Wochenenden und Feiertagen nach.18 Wichtige Erkenntnisse über die Einstellungen zum Radverkehr lieferte eine im Jahr 2005 durchgeführte Meinungsumfrage mit einem ausgewählten, repräsentativen Sample von dreihundert Befragten.19 Die Studie identifizierte viele potenzielle Fahrradnutzerinnen und Fahrradnutzer, die über ein Fahrrad verfügten und auch eine Bereitschaft zum Radfahren äußerten. Allerdings gaben sie an, dass sie die fehlende Infrastruktur, die Angst vor dem Verkehr 16 Vgl. Wikipedia: Budapesti Közlekedésszervező Nonprofit Kft. URL: https://hu.wikipedia. org/w/index.php?oldid=16972219 (am 8.3.2017). 17 Vgl. Tóth, Katalin: Interview mit der Museumskuratorin und Ethnologin Zsófia Frazon. Budapest 27.3.2013. 18 Vgl. Bencze-Kovács, Virág / Bereczky, Ákos / Ábel, Melinda: A kerékpáros forgalom elemzése Budapesten [Analyse des Radverkehrs in Budapest]. In: Útügyi lapok Frühling (2015), URL : http://utugyilapok.hu/cikkek/a-kerekparos-forgalom-elemzese-budapesten/, (am 1.1.2017) 1–20, hier: 8. 19 Der Anlass der Umfrage war vermutlich der neue Anlauf des kommunalen Radwegbaus.

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und die fehlende soziale Akzeptanz vom Radfahren abhielten.20 Die Frage ist, ob sich Wendepunkte erkennen lassen oder ob sich Faktoren benennen lassen, die erklären, wann und warum diese statistisch erfasste Gruppe von potenziell Radelnden ab den 2000er-Jahren schließlich den Umstieg auf dieses Verkehrsmittel wagte. Wie wurde das Radfahren zu einer bewussten und gegenüber anderen Verkehrsmitteln konkurrenzfähigen Verkehrsentscheidung? Mit den Vorteilen des Personenkraftwagens, darunter Stauraum, Schnelligkeit und Schutz vor Witterung sowie seinem Charakter eines semi-öffentlichen Rückzugsraumes, konnte das Fahrrad auf langen Distanzen keinesfalls konkurrieren. Aber die Verlangsamung des Stadtverkehrs und die Schwierigkeit, einen Parkplatz zu finden, ließen das Radfahren mit seiner Beweglichkeit und Flexibilität in den 2000er-Jahre in der Innenstadt eindeutig zur besseren Wahl gegenüber dem Auto werden. Es ist zwar anzunehmen, dass auch einige Autofahrende umgestiegen sind. Trotzdem ist es wenig wahrscheinlich, dass die ehemaligen Autofahrenden die Initiatoren dieses Umstiegs waren. Eine 2014 im Frühling, Sommer und Herbst durchgeführte repräsentative Befra­ gung der Radfahrenden untermauert diese Annahme. Die größte Gruppe der befragten Radfahrenden, circa 45 Prozent, gaben Kostengründe für ihre Verkehrsentscheidung an.21 Darüber hinaus war der Anteil von Nahverkehrsabonnements in dieser Gruppe am geringsten. Es ist davon auszugehen, dass die vom Autoverkehr verstopften Straßen und eine Verkehrspolitik, die dafür keine Lösungen anbieten konnte, den Rahmen für die Zunahme des Radverkehrs boten. Der Auslöser für den definitiven Umstieg aufs Fahrrad war hingegen die abnehmende Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs. Dafür geben zwei Streiktage des öffentlichen Nahverkehrs im April 2008 ein anschauliches Beispiel. Wegen angekündigter Entlassungen und Fahrplanänderungen trat die Belegschaft der Verkehrsgesellschaft an zwei nicht aufeinanderfolgenden Wochentagen in Streik. Diese Streiks erfuhren eine große Medienresonanz, da es sich um die ersten Arbeitsniederlegungen in der Geschichte des Budapester Personennahverkehrs handelte, bei denen es zum flächendeckenden Betriebsausfall kam  – von einem Streiktag ein Jahr zuvor einmal abgesehen. Die Fahrradinteressenvertretungen machten schon 20 Vgl. Studio Metropolitana Urbanisztikai Kutató Központ Kht.: Biciklivel Budapesten! Kerékpározással kapcsolatos attitűdök és szokások a fővárosban. A Studio Metropolitana Kht. és a Double Decker közvélemény-kutatása. Sajtóanyag [Mit dem Rad in Budapest! Attitüden und Gewohnheiten bezüglich des Radfahrens in Budapest. Die Meinungsumfrage von Studio Metropolitana und Double Decker. Pressemitteilung]. Budapest 21.6.2005, 6. 21 Berki, Zsolt / Monigl, János: Kerekpárosforgalom elemzése Budapesten 2014. évében. Mód­ szertan, mérési eredmények feldolgozása [Analyse des Radverkehrs in Budapest im Jahr 2014. Methodologie und Aufarbeitung der Messungen]. Manuskript. Budapest 2014, 128.

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im Voraus Werbung für das Radfahren und argumentierten, dass damit Smog und Stau zu vermeiden seien.22 Am ersten Streiktag, einem Montag im April, kam es wegen des stärkeren Autoverkehrs zu großen Staus. Nach diesen Erfahrungen zeigte Tag zwei des Streiks, dass sich viele für das Fahrrad entschieden hatten anstatt in die Arbeit zu laufen oder mit dem Auto im Stau zu stehen.23 Auffällig war, dass die Radfahrenden aufgrund ihrer Unerfahrenheit mehrheitlich auf dem Bürgersteig fuhren.24 Die Fahrradnutzung im Ausnahmezustand hätte durchaus eine einmalige Entscheidung bleiben können, woraus kein dauerhafter Umstieg auf das Fahrrad folgen musste. Allerdings kamen zu den Streiktagen weitere Probleme des öffentlichen Personennahverkehrs hinzu. Die kontinuierlichen Preiserhöhungen erreichten 2008, im Jahr der Wirtschaftskrise, einen kritischen Punkt. Ab 1. Januar 2008 stieg der Preis für die Volltarif-Monatskarte auf 8250 Forint, das heißt auf mehr als zehn Prozent des gesetzlich festgelegten Netto-Mindestlohns, der damals 69.000 Forint betrug.25 Da das Tarifsystem nicht auf einer Zonenaufteilung des Stadtraumes basierte, bedeutete dies, dass viele, die nur einen geringen Teil der Infrastruktur nutzten, trotzdem für das ganze Netz bezahlen mussten. Im Nahverkehr war zudem das Schwarzfahren verbreitet – schätzungsweise zahlten um die 30 Prozent der Fahrgäste nicht für die genutzte Dienstleistung.26 Auch dagegen begann die Nahverkehrsgesellschaft in diesen Jahren härter vorzugehen. 22 Vgl. OS: A BKV-sztrájk idején pattanjunk bringára és ne autóval közlekedjünk! [Während der BKV-Streiks sollten wir uns auf das Fahrrad setzen und nicht mit dem Auto fahren!] In: ma.hu vom 17.4.2008, URL: http://www.ma.hu/belfold/11210/A_BKVsztrajk_ idejen_pattanjunk_bringara_es_ne_autoval_kozlekedjunk (am 1.1.2017); TuRuL_2k2: BKV-sztrájk + kerékpár-ajánló [BKV-Streik + Fahrradempfehlung]. In: mandiner.blog.hu vom 5.4.2008, URL: http://mandiner.blog.hu/2008/04/05/kerekpar_ajanlo_bkv_sztrajk_​ idejere (am 1.1.2017); Kürti, Gábor: Bringáraaaaaa!  – BKV sztrájk pénteken [Auf das Faaaaahraaad!  – Streik der Budapester Nahverkehrsgesellschaft am Freitag]. In: critical​mass.hu vom 16.4.2008, URL: http://criticalmass.hu/blogbejegyzes/20080416/bringa​ raaaaaa-​bkv-sztrajk-penteken (am 1.1.2017). 23 Vgl. PRL: Rengeteg bicajos az utakon [Viele Radfahrende auf den Straßen]. In: indavideo. hu vom 18.4.2008, URL : http://indavideo.hu/video/Rengeteg_bicajos_az_utakon (am 1.1.2017). 24 Prof.gruppetto.hu: Kerékpáros Budapest = Járdán kerékpározás? [Radfahrende in Buda­pest = Radfahren auf dem Bürgersteig?]. In: criticalmass.hu vom 8.4.2008, URL: http://www. criticalmass.hu/blogbejegyzes/20080408/kerekparos-budapest-jardan-kerekparozas (am 1.1.2017). 25 Vgl. Központi Statisztikai Hivatal: 2.1.50. Minimálbér (1992–) [2.1.50. Mindestlohn (1992-)]. URL : https://www.ksh.hu/docs/hun/xstadat/xstadat_eves/i_qli041.html (am 10.2.2017); Menetjegyek, bérletek [Fahrten, Monatskarten]. URL: http://www.delpesti​ busz.hu/jegy.html#2008 (am 10.2.2017). 26 Vgl. zoom.hu: Tovább szigorítana a BKV [BKV würde noch strenger vorgehen]. In: securifocus.hu vom 8.7.2008, URL: https://www.securifocus.com/portal.php?pagename=hir_​ obs_reszlet&i=21258 (am 1.1.2017).

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Insofern waren es vor allem junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Arbeitssuchende und Studierende, für die die Attraktivität des Radfahrens auf kurzen Strecken in der Innenstadt aus finanziellen Gründen zunahm.27 Die Arbeitslosigkeit war in Ungarn  – ähnlich wie in anderen europäischen Ländern – in der Altersgruppe der Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger am höchsten.28 Das Radfahren als Mode-Statement der Jugendlichen in der Großstadt verschleierte damit die ansonsten äußerst prekären Lebensverhältnisse in dieser Altersgruppe. Die Einkommensverhältnisse machten auch das Radfahren zu einer Generationenfrage. Unsere Generation, oder besser gesagt mein Freundenskreis, der die Uni bereits absolviert hat und meistens einer sinnvolle Arbeit nachgeht, wir könnten uns die Abos [für den Nahverkehr] kaufen […]. Aber wir leben und arbeiten in der Innenstadt und brauchen es [das Abo] nicht, es ist total offensichtlich, dass wir es nicht brauchen. Mit ein paar Fahrtkarten kommst du echt besser durch, als wenn du ein Abo kaufen würdest. So lohnt sich das Radfahren auch finanziell.29

Diese Aussage steht exemplarisch für die Revitalisierung der innerstädtischen Viertel, was auch das Radfahren begünstigte. Der 6., 7. und 8. Bezirk wurden wegen ihrer Bezahlbarkeit als Wohn- und Arbeitsorte in den 2000er-Jahren immer attraktiver. Die renovierungsbedürftigen Häuser in diesen Vierteln zogen immer mehr einkommensschwächere, aber über kulturelles Kapital verfügende gesellschaftliche Gruppen an, wie junge Erwachsene und Studierende, und später auch Touristen. In den Leerständen richteten sich Gastwirtschaften, unter anderem die bereits erwähnten Ruinenkneipen, ein. In unterschiedlichem Maße und mit unterschiedlicher Intensität folgte die kulturelle Aufwertung dieser Viertel den auch aus anderen Städten bekannten Mustern der Gentrifizierung. Weil die Straßennetze hier weniger Durchgangsverkehr zuließen und die Distanzen innerhalb dieser Viertel kurz waren, wurden das Spazierengehen und das Radfahren zu günstigeren und praktischeren Alternativen zum öffentlichen Personennahverkehr. Das Radfahren als eine vergleichsweise sparsame Verkehrsform führte auch dazu, dass sich eine Reihe von Fahrradwerkstätten und -händlern in Budapest auf den Handel mit günstigen Gebrauchträdern spezialisierten.30 Der Gebrauchtwarenhandel mit Ware hauptsächlich aus Deutschland und Österreich prosperierte seit den 1990er-Jahren in Ungarn. Diese etablierten Handelsnetzwerke brachten günstige Gebrauchträder ins Land. Viele ehemalige Fahrrad27 Vgl. Tóth, Interview mit der Museumskuratorin und Ethnologin, Zsófia Frazon. 28 Vgl. Központi Statisztikai Hivatal: Magyarország 2009 [Ungarn 2009]. Budapest 2010, 14. 29 Tóth, Katalin: Interview mit Volkswirtin und Radfahrerin Petra Gáspár. Budapest 3.4.2013. 30 Vgl. Mesterházy, Fruzsina: Testre szabott bringák – Műhelyek és igények [Maßgeschneiderte Fahrräder – Werkstätte und Bedarf]. In: Magyar Narancs Online 23 vom 5.6.2014, URL: http://magyarnarancs.hu/sport/testre-szabott-bringak-90380/ (am 1.1.2017).

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kuriere eröffneten Fahrradwerkstätten im 6., 7. oder 8. Bezirk. Die Bastler und Tüftler in diesen Werkstätten wussten, dass das Kaufargument für ihre Räder der Preis und die günstige Wartung durch alte Ersatzteile war.31 »Du kaufst dir für 10.000–20.000 Forint [zirka 40 bis 80 Euro] ein Fahrrad und wohnst im 6., 7., 8., 9. oder 10. Bezirk, wo die Unis und die Kultorte sind«, stellte eine Radfahrerin im Interview fest.32 Mit der Verteuerung des öffentlichen Personennahverkehrs zahlte sich die Investition in ein gebrauchtes Fahrrad in wenigen Monaten aus. Weil die Preise weiter stiegen und sich die Streiks in den folgenden Jahren mehrmals wiederholten, blieb das Fahrrad saisonal von Frühling bis Herbst eine bewährte und konkurrenzfähige Option. Insofern sprachen in den 2000er-Jahren gleich mehrere Gründe dafür, das Fahrrad als Verkehrsmittel zu wählen: Die Fahrräder waren in den Haushalten verfügbar oder zu einem bezahlbaren Preis leicht zu erwerben. Die kurzen Distanzen innerhalb der Innenstadt machten das Radfahren zunehmend attraktiv. Zum dritten ließen sich prekäre Einkommensverhältnisse durch die neue Mode des Radfahrens geschickt verschleiern, und auch diejenigen, die sich die Nutzung eines anderen Verkehrsmittels hätten leisten können, nahmen den Spareffekt der Fahrradnutzung gerne mit. Wie umfangreich der Radverkehr tatsächlich war und wo er präsent war, lässt sich aufgrund fehlender Daten für den gesamten Stadtraum nur bis zu einem gewissen Punkt rekonstruieren. Regelmäßige Radverkehrszählungen wurden in Budapest erst ab 2010 eingeführt. Dies bestätigt wiederum das geringe verkehrspolitische Interesse am Radverkehr. Schließlich stellt die Verkehrszählung ein wichtiges politisches und planerisches Instrument der Verkehrswissenschaft dar. Die seit 1994 stattfindenden Zählungen erfolgten nicht regelmäßig, aber an sechs Punkten der Stadt gab es kontinuierlich vergleichbare Daten zum Radverkehr. An diesen Messpunkten wurde eine Zunahme registriert, wie die steigende Kurve in der folgenden Abbildung veranschaulicht.33 Die Standorte dieser Zählungen zeigen eine Konzentration der Fahrradnutzung an der Kleinen Ringstraße [Kiskörút] und an der Großen Ringstraße [Nagykörút], also in der Innenstadt. Außerdem war die Fahrradnutzung an Werktagen höher als am Wochenende. Insofern weisen die Zahlen auf eine Kehrtwende in den 2000er-Jahren hin, wonach das Fahrrad nicht mehr nur ein Freizeitgerät für die Wochenenden in der Stadt darstellte. Vielmehr war das Fahrrad zu einem Verkehrsmittel des städtischen Alltags geworden und präsentierte sich als sichtbarer Bestandteil des Straßenverkehrs in der Innenstadt. 31 Vgl. ebd. 32 Vgl. Tóth: Interview mit der Museumskuratorin und Ethnologin Zsófia Frazon Budapest 27.3.2013. 33 Vgl. Bencze-Kovács / Bereczky / Ábel, A kerékpáros forgalom elemzése Budapesten [Analyse des Radverkehrs in Budapest], 2.

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Abb. 7: »Die Veränderung des Radverkehrs, ausgehend vom Jahr 1994, anhand des Durchschnitts von sechs Standorten, Zählungen an einem Wochentag im Frühling«34.

Radfahren als subjektiv-individuelle Verkehrsentscheidung Neben den beschriebenen pragmatischen Gründen beeinflussten auch Emotionen der Akteurinnen und Akteure die Wahl des Verkehrsmittels, die über die Medien in die Öffentlichkeit transportiert wurden. Und eines Morgens, als du in der Menge mit anderen Menschen unterwegs bist, siehst du, dass da, auf der anderen Seite der Straße, schön in einer Reihe Radfahrende fahren, und alle grinsen oder sind wenigstens gut gelaunt. Und dann geht dir ein Licht auf, dass du das auch machen könntest. Am nächsten Tag setzt du dich auf den Sattel und fährst los. Keine Menschenmengen, kein Warten, nichts. Nur du, der Morgen, der frische Geruch der Donau. Du merkst gar nicht, wie die Zeit verfliegt, und schon bist du an deinem Arbeitsplatz angekommen. Während der Fahrt am Morgen begleitet dich das Zwitschern der Vögel, und im Sommer kommen dir flirtende Mädchen auf dem Fahrrad entgegen. Braucht man noch mehr?35

Dieses Statement eines Mannes mittleren Alters bewertet den Umstieg auf das Fahrrad als eine Alltagsbereicherung: Die unmittelbare Nähe zur Natur, die 34 Ebd. 35 Hanner, Zsolt: Hogy lettem bringás? Nem tudom, egyszerűen megtörtént! [Wie wurde ich zum Radfahrenden? Ich weiß es nicht, es ist einfach passiert!]. In: bringazzamunkaba. cafeblog.hu vom 18.10.2013, URL: http://bringazzamunkaba.cafeblog.hu/2013/10/18/455/ (am 1.1.2017).

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Flexibilität und das Gemeinschaftsgefühl mit anderen Radfahrenden sind für ihn Gründe, sich bewusst für das Rad zu entscheiden. Dieses Bekenntnis steht für viele andere unter dem Motto »Wie wurde ich zum Radfahrenden?« [Hogy lettem bringás?]. Den Wandel hin zur alltäglichen Nutzung des Fahrrads begleiteten in Ungarn unzählige Beiträge in Zeitungen, Zeitschriften und auf Fahrradblogs im Internet. So befragte beispielsweise die kurzlebige Budapester Fahrradzeitschrift ­Pedál bereits 2003 und 2004 bekannte Persönlichkeiten, Radiomoderatoren und Schauspieler, warum sie in Budapest im Alltag auf das Fahrrad umgestiegen waren.36 Die Rubrik »I ♥ riding my city« der nicht mehr veröffentlichten amerikanischen Fahrradzeitschrift »Urban Velo«, worin Radfahrende ihre Liebesbekenntnisse zum Radfahren weltweit beschrieben, zeigt, dass es sich hier um ein globales urbanes Phänomen handelte. Ein Budapester schrieb 2006 in dieser Rubrik: »Riding totally changed my life. Every thought is around bikes, building bikes. I go everywhere by bike, no matter if it is winter cold, raining or summer hot. This way I can be a little bit of an outsider from this gray society. It makes my days colorfull.«37 All diese Erzählungen folgen einem ähnlichen Muster: Sie bewerten die körperliche Aktivität, den Umstieg auf das Fahrrad und dessen subversive Kraft als eine große Bereicherung im Alltag im Gegensatz zu den bislang genutzten Verkehrsmitteln. In diesen Sinngebungen auf der individuellen Ebene ging es weniger um Pragmatismus als vielmehr um die Fahrradnutzung als Unterscheidungsmerkmal, Identifikationsangebot und zugleich sinnvolle emanzipatorische Idee der urbanen Gesellschaft. Der Genuss, das Vergnügen und das neue Lebensgefühl durch die alltägliche Fahrradnutzung wurden zu entscheidenden Argumenten dafür, wie der urbane Raum und die Gesellschaft erlebt wurden. Dazu passt die vom Soziologen Gerhard Schulze eingeführte Theorie der »Erlebnisgesellschaft«, die Erlebnis und Genuss als zentrale Werte und Beweggründe der gegenwärtigen Gesellschaft erklärt. Der beschriebene große kulturelle Einfluss der Fahrradkuriere in Budapest und die festivalartigen Veranstaltungen der CM-Proteste waren Ausdruck dieser Euphorie.

36 Vgl. Németh, Tamás: A bringázás mint helyváltoztató életforma A pontból Z pontba… Till Attila és az ő »lova« [Radfahren als Lebensform des Ortswechsels vom Punkt A zum Punkt Z… Attila Till und sein »Pferd«]. In: Pedál 1/1 (2003), 18–21; vgl. Németh, Tamás: »Nincsenek egyeztetett álláspontjaink…« Pikó András és Pálinkás-Szűts Róbert. A »Reggeli gyors«  (Klubrádió) műsorvezetői [»Wir haben keine vereinbarten Standpunkte«. Die Leiter András Pikó und Róbert Pálinkás-Szűts der Sendung »Schneller Morgen« (Klubrádió)]. In: Pedál 5 (2004), 7–9; vgl. Németh, Tamás: »Az orvosom kötelezővé tette számomra a biciklizést…« Szabó Győző színművész [»Mein Arzt hat mich zum Radfahren verpflichtet.« Schauspieler Győző Szabó]. In: Pedál 3/2 (2005), 6–9. 37 Neszetibor: I love riding in the city. In: Urban Velo 16 (November 2009), 22, hier: 22.

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Die Kollektivität dieses Phänomens drückt am augenfälligsten die Metapher »Fahrradrevolution« aus, die sich schnell als Etikette für diesen Wandel durchsetzte. Wie bereits in der Bewertung der CM-Proteste dargelegt, transportierten die Medien sowohl Argwohn als auch viele den Radverkehr unterstützende Stimmen.38 Das Jahr des Durchbruchs war 2008, als Artikel unter Überschriften wie diesen erschienen: »Ungarn im Sattel oder die Fahrradrevolution«, »Budapest setzt sich auf das Fahrrad« oder »Urbane Verkehrsrevolution?«39 Der Bezeichnung »Revolution« war stark überspitzt und damit geeignet, die aktivistische Agenda der Fahrradsympathisantinnen und -sympathisanten auszudrücken. So schrieb ein Journalist 2013: »Die Budapester Fahrradrevolution zeichnet sich besonders durch die Schnelligkeit der Veränderung aus. Keine andere europäische Großstadt konnte eine über zehnprozentige jährliche Zunahme bei der Anzahl der Radfahrenden erreichen.«40 Sie deuteten mit diesem Begriff die Veränderung des Verkehrsverhaltens als revolutionären Umbruch in der Stadt und feierten den Wandel als neues Selbstbild – ebenso wie ihre eigenen Leistungen innerhalb der Gemeinschaft der Radfahrenden. Die Berichte über die »Fahrradrevolution« waren damit eine Mischung aus Stolz und Überraschung. »Wenn wir sagen, dass wir damit wieder nähergekommen sind – wenn auch nur einen kleinen Schritt – zum glücklicheren und erfolgreicheren Teil Europas, […] es gibt dann sicherlich welche, die das übertrieben finden […]«41 − bemerkte die Zeitschrift »Budapest« in ihrem Editorial an die Leser im Mai 2008. Aber sowohl die Journalistinnen und Journalisten als auch die Aktivistinnen und Aktivisten nutzen den Anlass, um das Narrativ der osteuropäischen Rückständigkeit auszudifferenzieren und in Vergleichen mit dem »Westen« auch in der eigenen Entwicklung progressive und wegweisende Prozesse zu erkennen. Trotz der widrigen Umstände blüht die ungarische Fahrradkultur auf eine in Europa einzigartige Art und Weise. Das nimmt schon solche Ausmaße an, dass der Verkehr in der Innenstadt grundlegend verändert wird, und die Wirkung der Fahrradrevolution macht sich auch im äußeren Stadtgebiet zunehmend bemerkbar. […] Der Umbruch im 38 Unter Medien sind hier hauptsächlich die Presselandschaft von Budapest ab Mitte der 2000er-Jahre bestimmenden Nachrichtenportale gemeint. Aus forschungspragmatischen Gründen nimmt die Arbeit primär diese Nachrichtenportale in den Blick. 39 HVG: Nyeregben a magyar, avagy a biciklis forradalom [Ungarn im Sattel – die Fahrradrevolution]. In: hvg.hu vom 27.8.2008, URL : http://hvg.hu/itthon/20080827_biciklis_ melleklet_hvg_trend (am 1.1.2017); Ohne Verfasser: Budapest kerékpárra pattant… [Budapest setzte sich auf das Fahrrad…]. In: Budapest 31/5 (2008), 1; Löke, András: Kerékpározási trendek: városi közlekedési forradalom? [Fahrradtrends: Urbane Verkehrsrevolution?]. In: hvg.hu vom 30.8.2008, URL: http://hvg.hu/itthon/200835_VARoSI_Ko​ ZLEKEDESI_FoRRADALoM_Biciklivalto (am 1.1.2017). 40 Zsuppán, András: Csapás a biciklis forradalomra? In: valasz.hu vom 31.7.2013, 1–4, URL: http://valasz.hu/reflektor/csapas-a-biciklis-forradalomra-66688 (am 1.1.2017). 41 Ohne Verfasser, Budapest kerékpárra pattant… [Budapest setzt sich auf das Fahrrad…].

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Radverkehr läuft hier und jetzt. Der Critical Mass verfolgt immer noch das Ziel, dass die Hauptstadt diesen verkehrshistorischen Moment erkennt. Dass sie erkennt, dass die bürgerschaftlichen Organisationen Gold gefunden haben. Viele westeuropäische Städte forcieren diesen Perspektivenwechsel von oben, der bei uns von unten selbst heranwächst.42

Diese Bedeutungszuweisungen veränderten die Voraussetzungen für die Interessensvertretungen des Fahrradfahrens. Es dauerte es nicht lange, bis im Zuge von CM die Frage nach einer Neuorganisation der Fahrradinteressenvertretungen laut wurde. Welche Veränderungen konkret einsetzten, wird im Folgenden genauer analysiert.

5.2 Der Ungarische Fahrradclub: neuer Akteur im öffentlichen Raum Der Fahrradkurier Gábor Kürti, einer der Hauptorganisatoren der CM-De­ monstrationen, schlug nach der Protestfahrt im April 2006 auf seinem Blog vor, eine Art »Autoclub für Radfahrende« zu gründen.43 Kürtis Meinung nach müsse die »Fahrradbewegung« eine Vertretung mit bezahlten Angestellten haben, die die Amtssprache beherrschen und in der Lage wären, am Verhandlungstisch professionell und souverän aufzutreten.44 Der Magyar Kerékpáros Klub [Ungarischer Fahrradclub] als Organisationform war noch Anfang der 2000er-Jahre gegründet worden, aber bis auf den eingetragenen Namen waren wenige bis gar keine Strukturen vorhanden. Nach seiner Neugründung im Jahr 2006 blieb der Fahrradclub zunächst unbeachtet, dennoch verlief die Geschichte anders als die von früheren Interessenvertretungen. Der Ungarische Fahrradclub entwickelte sich bis zum Ende der 2000er-Jahre zum zentralen und nahezu einzigen Sprachrohr für die Interessen der Radfahrenden. Wie und warum die Organisation an Kraft und Einfluss gewinnen konnte, zeigt folgender Überblick. Der Weg zur Neugründung des Ungarischen Fahrradclubs Wegen der Größe der CM-Demonstrationen war das Amt des Oberbürgermeis­ ters bereit, schon ein Jahr nach dem Beginn der Proteste Zugeständnisse 42 Rajcsányi, Gellért: Kritikus tömegen túl. In: mandiner.blog.hu vom 20.4.2011, URL : http://mandiner.blog.hu/2011/04/30/kritikus_tomegen_tul (am 1.1.2017). 43 Kürti, Gábor: A HOGYAN TOVÁBB… -hosszú, de fontos! [Das »Wie soll es weiter gehen«… – lang, aber wichtig!]. In: criticalmass.hu vom 25.4.2006, URL: http://criticalmass. hu/blogbejegyzes/20060425/a-hogyan-tovabb-hosszu-de-fontos (am 1.1.2017). 44 Vgl. ebd.

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zu machen. Das erste war, dass die hauptstädtische Verwaltung 2005 die Vertre­ter der Fahrradgruppen bei der Planung der Erneuerung der Bajzsy-Zsilinszky-Straße, einer zentralen Verkehrsachse der Innenstadt, an den Verhandlungstisch lud. Das Ergebnis war ein auf dem Bürgersteig geführter Zweirichtungsradweg, ein Kompromiss, den die Fahrradgruppen mit der Verwaltung in der Hoffnung auf eine weitere Zusammenarbeit geschlossen hatten. Bald jedoch bereuten die damals bei der Verhandlung anwesenden Vertreterinnen und Vertreter diese Lösung.45 Das Problem, das auch international längst bekannt war: Ein auf dem Bürgersteig geführter Radweg führt zu unnötigen Konflikten der Radfahrenden mit Fußgängerinnen und Fußgängern und rechtsabbiegenden Autofahrerinnen und Autofahrern. Es gab noch weitere Anlässe, zu denen Vertreter der CM-Gruppe an den Verhandlungstisch gebeten wurden, aber auch hier brachten die Gespräche keine für die Fahrrad-Lobby zufriedenstellenden Ergebnisse.46 Diese Erfah­ rungen zeigten, dass für eine starke Interessenvertretung ein organisierter Auftritt, Wissen zur Radverkehrsplanung, eine gemeinsame Position sowie Kenntnisse des bürokratischen Systems notwendig sind. In der Folge kam es deshalb zur Neugründung des Ungarischen Fahrradclubs. Die Aufrufe zum Beitritt wiederholten die Organisatoren in den kommenden Jahren mehrmals auf den CM-Demonstrationen. Ihr Argument: Erst durch eine Mitgliedschaft könne die Arbeit finanziert werden, die zur Verbesserung der Bedingungen des Radverkehrs in Budapest nötig sei. Führungsfigur, Organisationsform und Expertise Der neue Vorstand des Vereins bestand aus Organisatoren und Teilnehmern der Fahrraddemonstrationen. Damit waren der Fahrradclub und die CMGruppen zwei Seiten derselben Medaille. Ebenso wie die CM-Bewegung verfügte der Ungarische Fahrradclub über eine gesellschaftliche Basis. Ähnlich zu den Ablegern der CM-Demonstrationen außerhalb von Budapest entstanden bald auch lokale Gruppen des Fahrradclubs in Eger, Debrecen, Pécs, Győr und Szeged. Wie jede gesellschaftliche Initiative beruhte auch der Fahrradclub auf dem Engagement einzelner Personen. Hinter der Wiederbelebung des Fahrradclubs stand János László, der bereits in den CM-Protesten aktiv gewesen war. Er übernahm 2006 die Position von Gábor Balogh, dem vorherigen Präsidenten 45 Vgl. Kürti, Gábor: A Bajcsy kerékpárút története [Die Geschichte des Fahrradweges in der Bajcsy]. In: criticalmass.hu vom 26.10.2006, URL: http://criticalmass.hu/blogbejegyzes/​ 20051026/a-bajcsy-kerekparut-tortenete (am 1.1.2017); Tóth, Katalin: Interview mit ­Gábor Balogh über die Arbeit als Verkehrsingenieur und über die Erfahrungen des Fahrradbundes. Budapest 26.6.2015. 46 Vgl. Kürti, A HOGYAN TOVÁBB… -hosszú, de fontos! [Das »Wie soll es weiter gehen«… – lang, aber wichtig!].

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des Fahrradclubs. Nach einem langjährigen Arbeitsaufenthalt in Wien setzte sich János László in seinem Ruhestand ehrenamtlich für den Budapester Radverkehr ein, um die Infrastruktur auf das Niveau von Wien oder Berlin zu bringen. Bis zu seiner Erkrankung 2014 war er eine Schlüsselfigur des Fahrradclubs. János László war der bekannteste Repräsentant aus dem Vorstand der Organisation. Er ließ keine Möglichkeit für Werbung in den Medien aus. Er war finanziell unabhängig und hatte gute Kontakte zur Politik aufgebaut, weswegen er eine offensivere Verhandlungsposition als sein Vorgänger Gábor Balogh einnahm.47 János László prägte ein neues Bild vom Radfahrenden, eines vom »alten weißen Mann«. Mit grauem Haar, Bart, sympathischer Redegewandtheit, Intellekt und bequemer Straßenkleidung warb er auf einem City-Bike für das Radfahren als normale alltägliche Verkehrsentscheidung in der Stadt. Dieses Image verlieh dem Radfahren eine Form von Normalität, im Gegensatz zur rebellischen Aura der Kuriere, womit das urbane Radfahren in Budapest bis dahin hauptsächlich in Verbindung gebracht worden war. Der Ungarische Fahrradclub entwickelte Expertise für Radverkehrsplanung und stellte sie der hauptstädtischen Kommune, verschiedenen Institutionen und an Beratung interessierten Bezirksverwaltungen zur Verfügung. Sie waren stets bei den wichtigen transnationalen Fahrradkonferenzen, wie der VeloCity-Konferenzreihe, und bei den heimischen Veranstaltungen präsent, um dort die Perspektive der Radfahrenden in Verkehrsfragen einzubringen. Die Organisation bestand aus einem Vorstand, den Arbeitsgruppen für Verkehr sowie Marketing und Kommunikation, einem Büro mit einigen bezahlten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und aus verschiedenen Bezirksgruppen.48 Die Bezirksgruppen bildeten sich je nach Bereitschaft der Mitglieder auf lokaler Ebene. Sie stellten eine Verbindung zur Bezirkspolitik her. Die Präsenz auf der Bezirksebene in Budapest war wegen der auf zwei Ebenen verteilten Verwaltungsstruktur der Stadt besonders wichtig. Für die Integration des Radverkehrs ins Stadtleben musste auf allen Ebenen Überzeugungsarbeit geleistet werden. Der Aufbau ist auch deshalb von Belang, weil so die Gruppierungen beleuchtet werden können, durch deren Fachwissen der Fahrradclub in einigen Fällen erfolgreich seine Interessen bei der Etablierung von Standards in der Radverkehrsplanung und im Infrastrukturaufbau einbringen konnte. Die konkrete Lobby-Arbeit wird später noch Thema sein. Die fachliche Arbeit im Fahrradclub leisteten eine eigens vom Fahrradclub angestellte 47 Tóth, Interview mit Gábor Balogh über die Arbeit als Verkehrsingenieur und über die Erfahrungen des Fahrradbundes. 48 A szervezet felépítése. Magyar Kerékpárosklub [Die Aufbau der Organisation. Ungari­ scher Fahrradclub]. URL: http://kerekparosklub.hu/rolunk/tevekenysegunk (am 3.2.2017).

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Verkehrsingenieurin sowie weitere Verkehrsfachleute, die die Amtssprache beherrschten und über das notwendige Hintergrundwissen verfügten, was Gábor Kürti in seinem eingangs erwähnten Blogbeitrag als notwendige Voraussetzungen für eine effektive Interessenvertretung bezeichnet hatte. Es war eine Gruppe von etwa 20 bis 30 Ingenieurinnen und Ingenieuren und anderen Verkehrsfachleuten sowie interessierten Studierenden, die die Radverkehrsplanung als ihre Herzensangelegenheit betrachteten und sich im Fahrradclub engagierten.49 Sie diskutierten aktuelle Themen per Mail und erarbeiteten einen gemeinsamen Standpunkt. Für weitere strategische Entscheidungen und Planungen war der Vorstand zuständig, der von der jährlich stattfindenden Mitgliederversammlung kontrolliert wurde. Image, Kommunikation und Finanzierung Die Stärke des Fahrradclubs war seine bewusste Kommunikation nach außen. Für die Aufgaben der Kommunikation und des Marketings war die gleichnamige Arbeitsgruppe zuständig. Diese bestand, ähnlich wie die zweite Arbeitsgruppe für Verkehr, aus Freiwilligen, die hauptberuflich in der Marktforschung, bei Werbeagenturen und in Grafikstudios tätig waren.50 Ihr Erfahrungsschatz und ihre Netzwerke in der freien Wirtschaft führten dazu, dass der Fahrradclub auch ohne Budget für Öffentlichkeitsarbeit immer bekannter wurde und ein professionelles Image aufbauen konnte. Beispielsweise führte die Marktforschungsagentur TNS Hoffmann seit 2010 vierteljährlich eine Telefon-Umfrage zur Fahrradnutzung für den Fahrradclub durch und die Ergebnisse wurden auf der Homepage veröffentlicht.51 Aufgrund dieser Befragungen bot eine weltweit agierende Marketingfirma dem Fahrradclub 2010 eine kostenlose Beratung zum Branding an, um der Organisation zu noch mehr Mitgliedern zu verhelfen.52 Die Erkennbarkeit der Interessenvertretung als eigene Marke wurde durch ein neues Logo und ein farblich passendes, einheitliches Erscheinungsbild erreicht. Dazu kam die Nutzung der digitalen Kommunikationskanäle, der Homepage und der sozialen Medien, die bereits im Falle der CM-Bewegung eine wichtige Rolle bei der Mobilisierung gespielt hatten. Der professionelle Inter49 Tóth, Katalin: Interview mit Gábor Kürti über die Firma Hajtás Pajtás, die Rolle als Critical-Mass-Organisator und über die ehrenamtliche Mitarbeit im Ungarischen Fahrradclub. Budapest 19.6.2015. 50 Tóth, Katalin: Interview mit Emese Dormán, Mitarbeiterin des Ungarischen Fahrradclubs und Mitglied der Arbeitsgruppe Kommunikation und Marketing. Budapest 24.6.2015. 51 Vgl. TNS -Hoffmann. Magyar Kerékpárosklub [TNS  Hoffmann. Ungarischer Fahrradclub]. URL: http://kerekparosklub.hu/category/cimkek/tns-hoffmann (am 3.2.2017). 52 Vgl. Moroncsik, Emese: Kerékpározást népszerűsítő szervezetek, mozgalmak tevékenységei és hatásai  a Budapesten élők biciklihasználati szokásaira. Szakdolgozat [Handeln und Wirkkraft der Fahrradorganisationen und Fahrradbewegungen auf die Fahrradnutzung der Stadtbewohner von Budapest. Abschlussarbeit]. Budapest 2011, 14.

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netauftritt mit einer regelmäßig aktualisierten Homepage vereinfachten die fachliche Arbeit des Fahrradclubs, das Einholen von praktischen Informatio­ nen und das Engagement weiterer Interessierter. Die Aktivistinnen und Aktivisten waren als Ansprechpartner bei Veranstaltungen im öffentlichen Raum mit weißem Zelt und Flagge präsent, sei es bei grünen Veranstaltungen, Messen, Kampagnen oder landesweiten Musikfestivals. Die Kommunikation und die öffentliche Präsenz führten auch zu einem allmählichen Anstieg der Mitgliederzahlen des Fahrradclubs. Trotzdem reichten die Mitgliedsbeiträge zur Finanzierung der Arbeit keineswegs aus. Umso wichtiger war das gemischte Finanzierungsmodell des Fahrradclubs, wobei die Erfahrungen und der Pragmatismus des ehemaligen Unternehmers János László eine zentrale Rolle spielten. Das gemischte Finanzierungsmodell setzte sich aus Projektarbeit, gefördert durch die Europäische Union, der staatlichen Finanzierung für Nichtregierungsorganisationen, der »Ein-Prozent-Spenden« der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler aus der jährlichen Einkommenssteuer und aus den Mitgliedsbeiträgen zusammen. Es gab für die Durchführung von Kampagnen regelmäßig Spenden aus der Wirtschaft sowie von unabhängigen Geldgebern und den Botschaften. Gesellschaftlicher und politischer Kontext Im Rückblick auf die bereits beschriebenen, vorangegangenen Jahrzehnte stellt sich die Frage, warum sich eine Fahrradinteressenvertretung als eigenständige Stimme und sichtbare Organisation gerade in den 2000er-Jahren etablieren konnte. Waren die Bedingungen für den Ausbau einer stabilen Fahrradinteressenvertretung in den 2000er-Jahren günstiger als noch ein Jahrzehnt zuvor? Mindestens drei Gründe sprechen dafür. Erstens sprach das Radfahren ein gesellschaftliches Bedürfnis an, was sich in den Demonstrationen ausdrückte und eine neue Basis zur Mobilisierung von Unterstützerinnen, Unterstützern und Freiwilligen für den Fahrradclub schuf. Die Organisation wurde zu einem Sprachrohr der Budapester Radfahrenden, da sie die tagtäglichen Konflikte und die verkehrspolitischen Spannungen thematisierte, die die Nutzerinnen und Nutzer dieses Verkehrsmittels erlebten  – welche Stadt und Behörden aus unterschiedlichen Gründen missachteten. Zweitens spielten Europäisierungsprozesse in der Gesellschaft eine wichtige Rolle. Die Fahrradbefürwortung als ein Feld für gesellschaftliches Engagement zeigt exemplarisch, welchen Einfluss der sich intensivierende europäische Austausch auf die Hauptstadt hatte. Die Finanzierung und die fachliche Hilfe aus westeuropäischen Ländern, hauptsächlich aus den Niederlanden, war schon in den 1990er-Jahren für die Vorgängerorganisation des Fahrradclubs eine wichtige Ressource gewesen. Nach dem Beitritt zur Europäischen Union 2004 eröffnete sich für den Fahrradclub die Möglichkeit, im Rahmen © 2020 Vandenhoeck & Ruprecht | Brill Deutschland GmbH https://doi.org/10.13109/9783666310720 | CC BY-NC-ND 4.0

Der Ungarische Fahrradclub: neuer Akteur im öffentlichen Raum

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von ausgeschriebenen Projekten der EU mit nicht-staatlichen Organisationen in anderen Mitgliedsstaaten in Austausch zu treten.53 Noch wichtiger waren die Biografien der Fahrradbefürworterinnen und Fahrradbefürworter. Das durch Billigfluggesellschaften erleichterte Reisen, der freie europäische Binnenarbeitsmarkt sowie europäische Austauschprogramme als selbstverständlicher Teil der Schul- und Universitätsbildung trugen zur Europäisierung und zur Transnationalisierung der Lebensläufe eines Gutteils der Bevölkerung bei. Die Beispiele der west- und nordeuropäischen urbanen Radverkehrsförderung bildeten seit mehr als einem Jahrzehnt wichtige Bezugspunkte für die Interessenvertretungen in Budapest. Die Budapester konnten bei ihren Aufenthalten im Ausland – in Amsterdam, Kopenhagen, Paris oder Wien – die Maßnahmen zur Fahrradförderung, die sie vorher nur als Schlagwörter oder Fotoaufnahmen wahrgenommen hatten, persönlich erfahren. In Interviews und Gesprächen betonten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die eng vernetzten ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer des Fahrradclubs, wie stark sich die Aufenthalte in anderen europäischen Staaten auf die eigene Motivation ausgewirkt haben.54 Die Europäisierung der Lebensläufe bedeutete folglich ein großes »Humankapital« für die Radverkehrsförderung. Drittens kamen der neuen Interessenvertretung die schlechten Zustände in den Verwaltungsebenen der Stadt entgegen. Zwei Jahrzehnte nach der Wende boten die Kommunalverwaltung und ihre Institutionen viel Angriffsfläche, weil sie mit der progressiven Energie einer dynamischen Hauptstadt und dem Wettbewerbsgeist der freien Wirtschaft nicht mithalten konnten. Dieser Widerspruch gab auch den Ansporn für eine Lobby-Gruppe des öffentlichen Nahverkehrs. Sowohl die informelle CM-Bewegung als auch der Fahrradclub als Denkraum wurden von diesem Kontext stark geprägt. Verkehrsfachleute und die jungen Kreativen waren motiviert zu handeln. Für eine dauerhafte Interessenvertretung war bereits eine Führungsgruppe etabliert, die sich durch die seit 2004 stattfindenden Demonstrationen zusammengefunden hatte und handlungsbereit fühlte. Politisch wurde die Arbeit der Interessenvertretung in dem Moment, als sie auf die seit der Wende-Zeit erstarrten Verwaltungsstrukturen und deren unübersichtliche Entscheidungsmechanismen Einfluss nahm 53 Zum Beispiel das Projekt Volunteers of Cycling Academy mit Fahrradorganisationen aus zwölf Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Vgl. Magyar Kerékpáros Klub: VOCA . URL: http://kerekparosklub.hu/voca (am 8.3.2017). 54 Vgl. Tóth, Interview mit Gábor Kürti über die Firma Hajtás Pajtás, die Rolle als CriticalMass-Organisator und über die ehrenamtliche Mitarbeit im Ungarischen Fahrradclub; vgl. Tóth, Katalin: Interview mit dem Präsidenten des Ungarischen Fahrrad Clubs, J­ ános László. Budapest 18.3.2013.; vgl. Tóth: Interview mit Emese Dormán Mitarbeiterin des Ungarischen Fahrradclubs und Mitglied der Arbeitsgruppe Kommunikation und Marketing.

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und begann, Kontrolle darüber auszuüben. Damit war mit der Befürwortung des Radfahrens gleichzeitig der Kampf um gesellschaftliche Partizipation und Mitspracherechte verbunden. In den 2000er-Jahren kam es zu einem Kulmina­tionspunkt all dieser Faktoren. Dies bereitete den Boden für eine Institutionalisierung der Interessenvertretung und die endgültige Etablierung des Ungarischen Fahrradclubs. Fortan war der Club ein wichtiger Akteur, der bei Fragen des Radverkehrs zu berücksichtigen war.

5.3 Radfahren als Konfliktherd: Kampagnen des Fahrradclubs Konflikte rund um die Fahrradnutzung Das mediale Bild der Fahrradnutzung in den 2000er-Jahren war widersprüchlich. Eine einflussreiche Position nahmen die Zeitungsbeiträge ein, die diese Veränderung als einen Angriff auf die gesellschaftliche Ordnung begriffen. Diese Position rührte daher, dass ein Teil der meinungsbildenden Kommentatoren den Radverkehr nicht als einen gleichberechtigten Teilnehmer im Großstadtverkehr sah. So klagte ein Politologe in der konservativen landesweiten Tageszeitung: Wir sind heute nicht einmal auf dem Bürgersteig in Sicherheit. Inzwischen gibt es immer mehr Radfahrende; es ist ein Trend geworden, sich als UFO -artige Wesen verkleidet, auf einem Metallrahmen-ähnlichen Ding zu bewegen, dessen Inhaber nicht mal identifizierbar sind. So fahren sie jeden an, den sie wollen, und befördern ihn ins Jenseits. Die Radfahrenden betrachten sich als Helden der modernen Ära, aber sie sind nur Ausscheidungen einer schlecht organisierten Gesellschaft. […] Natürlich, die durch die linksliberalen, auf Freizügigkeit fokussierten Medienmanipulatoren bearbeitete Öffentlichkeit steht dem Radfahren positiv gegenüber, da dieses auch eine alternative Bewegung ist – und anders als der organisierte Verkehr in der Weltstadt Budapest. Und was anders ist, ist immer besser als das, was da ist. Deshalb tolerieren die Radfahrenden keine Regelungen: Sie kommen auf einen zu, von der Seite, von hinten, auf der Fahrbahn, auf dem Bürgersteig, auf den Brücken, in den Unterführungen, auf den Überführungen und auf Spielplätzen. Und da es schon sehr viele gibt, werden sie immer aggressiver.55

Dieser Beitrag steht exemplarisch für die verbreitete Meinung, dass im Radfahren Wertekonflikte der ungarischen Gesellschaft kulminieren. Abwer55 Tóth, Gy. László: Critical Mass, azaz a kritikus tömeg. Budapest közlekedésének problémája  a tömegközlekedés átszervezésével és az autós forgalom biztosításával oldható meg [Critical Mass, also die kritische Masse. Die Verkehrsprobleme von Budapest können durch die Umorgansation des Nahverkehrs und die Ermöglichung des Autoverkehrs gelöst werden]. In: Magyar Nemzet Online vom 9.6.2011, URL: http://mno.hu/migr_1834/ critical_mass_azaz_a_kritikus_tomeg-182533 (am 1.1.2017).

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tende, oft auch antisemitische Bemerkungen von Autoren, die im urbanen Radverkehr eine Erfindung der »Linksliberalen«, der »Grünen« und der »Judenkinder« sahen, tauchten häufig in Blogbeiträgen und in Kommentarspalten auf.56 Zwar war die Beobachtung zutreffend, dass urbanes Radfahren zunächst an linksalternativen Veranstaltungsorten wie dem Kultiplex und an anderen Orten des Nachtlebens sowie in den Ruinenkneipen der Stadt sichtbar geworden war. Aufgrund der späteren Verbreitung des Radfahrens durch alle Gesellschaftsschichten hindurch ließ sich diese Behauptung aber nicht mehr halten. Fast in jeder Redaktion sowohl rechtskonservativer als auch linker Tageszeitungen sowie Fernseh-, Radio- und Nachrichtenportalen gab es Journalistinnen und Journalisten, die selbst zu den Fahrradsympathisantinnen und -sympathisanten zählten und für Ausgleich sorgten.57 Die Vorwürfe sagten letztendlich wenig über die politische Einstellung der Fahrradbefürworter oder Fahrradkritiker selbst aus. Vielmehr spiegelten die Debatten zum Radfahren vor allem die starke Politisierung und den Rechtsruck im öffentlichen Leben in Ungarn wider. Gleichzeitig verdeutlicht das einführende Zitat den unklaren Platz und die fehlende Regulierung des Radverkehrs im öffentlichen Raum. Das unerwartete Auftauchen der Radfahrenden überraschte, störte oder erschreckte anfangs sowohl die Autofahrenden als auch die Fußgängerinnen und Fußgänger. Grundlage der aufkommenden Klagen war die fehlende Erfahrung von Fußgängern und Autofahrenden mit dem Radverkehr in der Großstadt, da in der Innenstadt von Budapest ja seit den 1950er-Jahren kaum mehr Fahrrad gefahren worden war. Ebenso fehlte es an Erfahrung bei den Radfahrenden, sich im Großstadtverkehr zurechtzufinden. Manche dieser Konflikte verschwanden deshalb mit zunehmender Erfahrung und Routine wieder. Dies belegen auch die Unfallstatistiken in der Hauptstadt, deren Zahlen nach dem Auftauchen einer neuen Gruppe von Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern nicht gestiegen waren. Allerdings blieben andere Konflikte, die auf infrastrukturellen Bedingungen basierten, unverändert. Streitpunkt war unter anderem das Radwegenetz, das in den 1990er-Jahren auf den Bürgersteigen ausgebaut worden war, die Stadt aber mit einer Länge von 56 Vgl. Anyaország: Végre rájöttek a Critical Masst összecsődítő zsidógyerekek, hogy nincs értelme folytatni a fővárost megbénító bicikliemelgetést [Die Judenkinder, die die Critical Mass zusammengerufen haben, haben endlich realisiert, dass es keinen Sinn macht, die Hauptstadt mit Fahrradheben lahmzulegen]. In: kuruc.info vom 5.9.2012, URL: https:// kuruc.info/r/2/100914/ (am 1.1.2017); vgl. Legin, István / Bögös, Sándor: Megelégelték az autósok  a Critical Masst szervező zsidók ámokfutását [Den Autofahrern reichte der Amoklauf der Juden-Organisatoren der Critical-Mass]. In: kuruc.info vom 28.4.2011, URL: https://kuruc.info/r/2/78258/ (am 1.1.2017). 57 Tóth: Interview mit Gábor Kürti über die Firma Hajtás Pajtás, die Rolle als CriticalMass-Organisator und über die ehrenamtliche Mitarbeit im Ungarischen Fahrradclub.

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170 Kilometern nicht ganz abdeckte.58 Die Probleme dieser Infrastrukturform wurden bereits in den vorangegangenen Kapiteln dargelegt. Die Verkehrsfachleute wollten die Radfahrenden mit diesen getrennten und umständlich geführten Radwegen vor dem Autoverkehr und der verschmutzten Luft entlang der Straßen schützen. Allerdings verursachte diese Infrastrukturform in der alltäglichen Praxis viele Konflikte. Mit dem Anstieg des Radverkehrs waren die Radwege zu schmal geworden.59 Ein weiteres Problem war das unerwartete Aufeinandertreffen von Radfahrenden und rechtsabbiegenden Pkw. Eine Analyse der Unfallstatistiken aus den Jahren 2011 und 2012 empfahl eindeutig den Rückbau dieser Infrastrukturen.60 Positiv hervorzuheben ist, dass die Radwege unsicheren Radfahrenden eine Einstiegshilfe boten. Zudem wurde ihre Beibehaltung entlang der stark befahrenen Ausfallstraßen in die äußeren Stadtbezirke weiterhin befürwortet. Die Vorwürfe gegen die Radfahrenden ergaben sich auch aus der Möglichkeit, mit dem Fahrrad flexibel zwischen Fahrbahn und Bürgersteig hin und her zu wechseln.61 Im stockenden Straßenverkehr klagten Ende der 2000er-Jahre Autofahrerinnen und Autofahrer, dass sich Radfahrende und Rollerfahrende im Stau nach vorne schlängeln würden.62 Radfahrende hingegen beschwerten sich darüber, dass sie von Autofahrenden nur knapp und mit hoher Geschwindigkeit überholt und somit gefährdet würden.63 Für beide Streitpunkte waren die fehlenden gesetzlichen Regulierungen und Kontrollen des Radverkehrs sowie das fehlende Beweismaterial bei Unfällen oder Streitigkeiten ein enor-

58 Vgl. Gaal / Török, A  politika hatása Budapest közlekedésfejlődését meghatározó egyes elemekre 1990-től napjainking [Einfluss der Politik auf die Verkehrsentwicklung von Budapest von 1990 bis heute], 192. 59 Vgl. Origo: »Egyszer biztos elütök egyet« [»Einmal werde ich einen überfahren«]. In: origo. hu vom 20.9.2007, URL: http://www.origo.hu/itthon/20070919-utcai-harcok-budapestengyalogosok-biciklisek-es-autosok.html (am 1.1.2017). 60 Vgl. Felföldi, Péter: A budapesti kerékpáros balesetek vizsgálata 2011–2012-ben, javaslatok a megelőzésre [Die Analyse der Budapester Fahrradunfälle in den Jahren 2011–2012. Empfehlungen für Prävention]. Budapest 2013, 89. 61 Folgende Abschlussarbeit analyisierte dieses Verhalten der Radfahrenden mittels Verkehrsbeobachtung in Budapest. Vgl. Gaugecz, Ádám: A városi kerékpározás etnometo­ dológia elemzése. Kézirat [Die ethnomethodologische Analyse des urbanen Radfahrens. Manuskript] 2005. 62 Vgl. Lencsés, Csaba: Nehéz fellépni a szabálytalan kerékpárosokkal szemben [Es ist schwierig, gegen die Ordnungswidrigkeiten der Radfahrenden vorzugehen]. In: origo.hu vom 14.6.2010, URL : http://www.origo.hu/auto/www.origo.hu/auto/20100603-szabalytalankerekparosok-gyalogosok-es-motorosok.html (am 1.1.2017). 63 Vgl. Kerékpáros Közlekedés: Centizés után, avagy »Elestél? Nem? Hát akkor?« [Knappes Überholen oder »Bist du hingefallen? Nicht?  Was dann?«]. In: minimalmass.hu vom 3.9.2014, URL: http://www.minimalmass.hu/centizes-utan-avagy-elestel-nem-hatakkor/337, (am 1.1.2017).

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mes Problem.64 Beispielsweise fand sich in der ungarischen Straßenverkehrsordnung keine Vorgabe für einen sicheren Seitenabstand beim Überholen von Radfahrenden. Um diesen Konfliktsituationen, die beim Manövrieren zwischen den im Stau stehenden oder zu schnell fahrenden Autos entstanden, zu entgehen, wichen viele Radfahrende auf den Bürgersteig aus, der aber für den Radverkehr nicht freigegeben war.65 Dies passierte besonders auf den Brücken der Stadt, auf denen mehrheitlich keine Fahrradinfrastruktur neben schnellen Verkehrsströmen auf schmalen Fahrbahnen vorhanden war. Die zwei in der Öffentlichkeit augenfälligsten Verkehrswidrigkeiten der Radfahrenden waren die nicht erlaubte Benutzung der Bürgersteige und die Missachtung von roten Verkehrsampeln. Diese Verstöße wurden von der Polizei nicht verfolgt. Vereinzelt wurden immer wieder Forderungen nach Nummernschildern für Radfahrende gestellt, damit diese identifizierbar werden.66 Die Initiativen zur rechtlichen Klärung kamen teilweise von den Radfahrenden selbst. In Konfliktfällen oder nach einem Unfall zogen sie vor Gericht, um eine gültige Rechtsprechung zu erwirken. Beispielsweise gab es 2012 dank der immer günstiger werdenden Fahrradhelmkameras in Budapest einen Präzedenzfall, in dem ein Radfahrender dank seiner Kameraaufnahme und trotz ungenauer Vorschriften ein Bußgeld für einen ihn zu knapp überholenden Autofahrer bei der Polizei erwirkte.67 Mehr Rücksicht auf die Eigenheiten des Radverkehrs sowohl in der Straßenverkehrsordnung als auch bei den Infrastrukturformen zu erreichen, entwickelte sich zu einem wichtigen Aufgabenfeld für den Ungarischen Fahrradclub.68 Kampagnen zwischen Selbstdisziplinierung und Marketing Dem Fahrradclub kam daher seit seiner Neugründung ein Doppelmandat zu, nämlich die Öffentlichkeit für die Perspektive der Radfahrenden im Straßenverkehr zu sensibilisieren und die Radfahrenden durch Kampagnen zu 64 Vgl. Lencsés, Nehéz fellépni a szabálytalan kerékpárosokkal szemben [Es ist schwierig, gegen die Ordnungswidrigkeiten der Radfahrenden vorzugehen]. 65 Vgl. critical mass: Járdázás [Benutzung des Bürgersteigs]. In: criticalmass.hu vom 18.9. 2009, URL: http://www.criticalmass.hu/blogbejegyzes/20090918/jardazas (am 1.1.2017); vgl. Magyar Kerékpárosklub: Ne bringázz  a járdán [Fahre nicht auf dem Bürgersteig]. URL: http://kerekparosklub.hu/kisokos/ne-bringazz-jardan (am 23.2.2017). 66 Vgl. Lencsés, Csaba: Rendszám nem, biztosítás mehet a kerékpárokra [Kein Kennzeichen, aber Versicherung für Fahrräder]. In: origo.hu vom 30.4.2011, URL: http://www.origo.hu/ auto/20110420-kerekparos-felelosseg-biztositas.html (am 1.1.2017). 67 Vgl. Saját zsíron: Egy sisakkamerás sikertörténet [Die Erfolgsgeschichte der Helmkameras]. In: Saját zsíron. Városi bringás életképek HD -ben vom 27.4.2012, URL: http:// sajatzsiron.blog.hu/2012/04/27/egy_sikertortenet_1 (am 1.1.2017). 68 Vgl. Gaugecz, A városi kerékpározás etnometodológia elemzése. Kézirat [Die ethnomethodologische Analyse des urbanen Radfahrens. Manuskript].

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disziplinieren.69 Die Schwierigkeit dieser Doppel-Aufgabe belegt eine Aussage von János László, Präsident des Ungarischen Fahrradclubs. Er betonte, dass die Missachtung der roten Verkehrsampel oft der eigenen Sicherheit der Radfahrenden diene, weil diese dann nicht gleichzeitig mit den Autos losfahren. Zudem seien die Ampeln ja auf die Geschwindigkeit des Autoverkehrs abgestimmt.70 Manche Verkehrsverstöße der Radfahrenden bedeuteten ein enormes Problem für das Image des Radverkehrs. Ein wichtiges Aufgabengebiet des Fahrradclubs war es deshalb, die Radfahrenden über die gültigen Verkehrsregeln zu informieren, was durch Kampagnen, Programme, Workshops und weiteres Infomaterial erfolgte. Beispielsweise veranstalteten freiwillige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seit 2009 das kostenfreie Programm Bebiciklizés [Einradeln], um Anfängerinnen und Anfängern theoretisches und praktisches Training im Rahmen einer gemeinsamen Tour anzubieten.71 Ziel war es, ihnen in diesem Zusammenhang auch das Fahren auf dem Bürgersteig abzugewöhnen. Ein grundlegendes Anliegen der Aktivistinnen und Aktivisten war es, der Stigmatisierung der Radfahrenden entgegenzuwirken. Formulierungen wie der »Autofahrer-Radfahrer-Krieg« oder »Busfahrer-Radfahrer-Krieg«, die auf Nachrichtenportalen oftmals gedankenlos fielen und überspitzt die Verfeindung der Verkehrsteilnehmer implizierten, bekämpfte die Interessen­ vertretung mit aller Kraft.72 Das Widersprüchliche an der Situation für die Fahrradbefürwortenden war, dass sie sich selbst als eine aktivistisch eingestellte Minderheit im Stadtverkehr sahen, die den anderen durch ihre Progressivität und Innovationskraft auch moralisch überlegen war.73 Gleichzeitig mussten sie, um die Gemüter nicht weiter zu erhitzen, das Radfahren als eine plausible pragmatische, ja sogar neutrale Entscheidung im Stadtverkehr propagieren.74 69 Kürti, Gábor: A kerékpározás veszélyessége [Radfahren ist immer weniger gefährlich]. In: Magyar Nemzet Online vom 9.6.2011, URL: http://mno.hu/migr_1834/critical_mass_ azaz_a_kritikus_tomeg-182533 (am 1.1.2017). 70 Lencsés, Nehéz fellépni a szabálytalan kerékpárosokkal szemben [Es ist schwierig, gegen die Ordnungswidrigkeiten der Radfahrenden vorzugehen]. 71 Vgl. Magyar Kerékpáros Klub: Bebiciklizés Projekt [Projekt Einradeln]. URL: https:// www.facebook.com/pg/bebiciklizes/about/ (am 8.3.2017). 72 Király, Dávid: Biciklivel a buszsávban – egy buszvezető véleménye [Mit dem Fahrrad in der Busspur – Meinung eines Busfahrers]. In: bkvfigyelö.reblog.hu vom 5.11.2012, URL: http://reblog.hu/belepes/?ref=bkvfigyelo.reblog.hu%2Fbiciklivel-a-buszsavban-​egy-​busz​ vezeto-velemenye (am 1.1.2017); vgl. Origo: »Eldurran az agyuk« – bringa-autó háború a gyakorlatban [»Ihr Gehirn platzt!« – Fahrrad-Auto-Krieg in der Praxis]. In: origo.hu vom 12.8.2007, URL: http://www.origo.hu/itthon/20070809-a-kerekparos-sza​balytalanaz-auto-tilosban-parkol-kozlekedesi-haboru-budapesten.html (am 1.1.2017). 73 Vgl. Tóth, Interview mit Gábor Kürti über die Firma Hajtás Pajtás, die Rolle als CriticalMass-Organisator und über die ehrenamtliche Mitarbeit im Ungarischen Fahrradclub. 74 Ein Beispiel dafür ist der TEDTalk des Fahrradaktivisten und Vorstandsmitglieds des Ungarischen Fahrradclubs, Áron Halász. Vgl. Halász, Áron: Biciklisták márpedig nin­

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Ein Slogan des Fahrradclubs war, dass es nicht darum gehe, eine spezifische Identität der Radfahrenden oder Autofahrenden zu betonen, sondern darum, Menschen zusammenzuführen, die unterschiedliche Verkehrsmittel nutzen. Die Kampagne Együtt Közledünk [Zusammen im Verkehr], die ab 2011 zusammen mit dem Magyar Autósklub [Ungarischen Autoclub] und der Kommission ORFK-Balesetmegelőzési Bizottság [Kommission für Verkehrsprävention der Ungarischen Polizei] durchgeführt wurde, propagierte in diesem Sinne die gegenseitige Rücksichtnahme im Straßenverkehr, unabhängig von der Verkehrsmittelwahl.75 Erfolgskampagne Mit dem Rad in die Arbeit Ein weiteres Ziel der Kampagnen des Fahrradclubs bestand darin, mehr Menschen für das Fahrrad zu gewinnen und zu zeigen, dass Radfahren nicht gefährlich ist. Der Club betonte stets, dass auch die Budapester Verkehrsstatis­ tiken die transnationale Erfahrung bestätigen, wonach die Wahrscheinlichkeit von Unfällen sinkt, je mehr Leute Fahrrad fahren. Der Grund hierfür sei die Routine in bestimmten Verkehrssituationen.76 Hinzu kam, dass sowohl der Fahrradclub als auch die Organisatoren von CM in ihrer Kommunikation nach außen Nachrichten über tödliche Unfälle, die vom Radfahren hätten abschrecken können, schlicht nicht erwähnten.77 Die Radfahrenden mit einem Fahrradhelm oder einer Leuchtweste wurden aus der Bildsprache des Fahrradclubs bewusst ausgeklammert.78 Hier hielt man sich an die im transnationalen Fahrrad-Aktivismus bekannte These, dass die positiven Auswirkungen des Radfahrens auf die Gesundheit das Unfallrisiko langfristig mehrfach übertreffen.79 Die bekannteste Kampagne des Fahrradclubs war die seit 2007 laufende Biciklizz Munkába [Mit dem Rad in die Arbeit, BAM], die mit einem Wettbewerb unter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern für die Fahrradnutzung im Berufsverkehr warb.80 Die Kampagne mobilisierte über die Jahre viele csenek [Radfahrende gibt es aber nicht]. Budapest 18.11.2011, URL: https://youtu.be/74​ ExAoqh2Qw (am 1.1.2017). 75 ORFK- OBB: Kerékpáros ellenőrzés áprilisban [Radverkehr-Kontrolle im April]. In: baleset-megelozes.eu vom 29.3.2011, URL: http://www.baleset-megelozes.eu/cikk.php?id=432 (am 1.1.2017). 76 Kürti, A kerékpározás veszélyessége [Die Gefährlichkeit des Radfahrens]. 77 Tóth, Interview mit Gábor Kürti über die Firma Hajtás Pajtás, die Rolle als CriticalMass-Organisator und über die ehrenamtliche Mitarbeit im Ungarischen Fahrradclub. 78 Ebd. 79 Vgl. Dekoster, Jan / Schollaert, Ulric: Fahrradfreundliche Städte: Vorwärts im Sattel. Brüssel 1999, 34. 80 Spencer, Greg: A long-lasting Bike-to-Work campaign in Hungary. Case Study. In: E ­ LTIS – The urban mobility portal vom 17.11.2011, URL : http://www.eltis.org/discover/casestudies/long-lasting-bike-work-campaign-hungary (am 1.1.2017).

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Budapester, saisonal mit dem Fahrrad zu ihren Arbeitsplätzen zu fahren. 2007 hatte BAM rund 1800 registrierte Teilnehmende, 2013 bereits 7000.81 Die BAM warb mittels Testimonials für die urbane Fahrradnutzung: Bekannte Gesichter übernahmen die Schirmherrschaft für die Kampagne, darunter die Vizepräsidentin der Ungarischen Notenbank oder Prominente der Musik- und Filmbranche. An einem Aktionstag bot der Fahrradclub an unterschiedlichen Orten in der Stadt Frühstück für die vorbeifahrenden Radfahrenden an. Im Rahmen dieser Kampagne wurden auch Werbespots geschaltet.82 Ein Kranfahrer im karierten Holzfällerhemd und mit Bierbauch tritt gut gelaunt in die Pedale in Richtung Baustelle, ein Pfarrer auf einem Herrenrad rollt im Sonnenuntergang glücklich schreiend von einer Kapelle den Berg hinunter, ein gelangweilter Büromitarbeiter balanciert kurz vor Feierabend auf einem Fixie neben dem Fotokopierer und ein Rentnerpaar verbringt nach einer ausgiebigen Fahrradtour ein leidenschaftliches Schäferstündchen miteinander.83 Die Bildsprache dieser hauptsächlich durch Videoportale verbreiteten Filme stellte das Radfahren, entgegen der üblichen Vorstellung einer jungen hippen Großstadtmode als genussvollen Teil des Alltags von Durchschnittmenschen dar. Damit erntete die Kampagne internationales Lob.84 Die BAM war die erfolgreichste und wirkmächtigste aller Kampagnen des Fahrradclubs, weil sie tatsächlich zum Begriff wurde. Die BAM bot den Firmen in Budapest eine

81 Vgl. Ohne Verfasser: Bringázz a Munkába kampány a kerékpáros Magyaországért [Fahre mit dem Rad in die Arbeit: Kampagne für Radfahrende Ungarn]. In: velo.hu vom 11.9.2007, URL: http://www.velo.hu/bringazz-a-munkaba-kampany-a-kerekparos-magyaorszagert. html (am 1.1.2017); vgl. Nemzeti Fejlesztési Minisztérium Kommunikációs Főosztály: 110 oktatási intézmény csatlakozott a Bringázz a Munkába! kampányhoz [Soweit schlossen sich 110 Bildungsinstitutionen der »Mit dem Rad in die Arbeit« Kampagne an]. URL: http://www.kormany.hu/hu/nemzeti-fejlesztesi-miniszterium/hirek/110 (am 11.11.2013). 82 Ursprünglich hatte das Ministerium für Wirtschaft und Verkehr (ung. Gazdasági és Közlekedési Múzeum) die Kampagne 2007 im Rahmen des EU-Förderprogramms Kerék­ páros Magyarország (Radelndes Ungarn) gestartet. Die Kampagne erhielt auch Gelder für die Sensibilisierung durch Werbespots. Vgl. Földes, András: Öregszexszel reklámozza a bringázást a GKM [Mit Sex zwischen Älteren wirbt das Verkehrs- und Wirtschaftsministerium für das Radfahren]. In: kerekagy.blog.hu vom 18.4.2008, URL: http://kerekagy. blog.hu/2008/04/18/oregszexszel_reklamozza_a_bringazast_a_gkm (am 1.1.2017). 83 Vgl. Gács, Tamás: Bringázz  a munkába [Bike to work]. URL: https://youtu.be/3DA2evbyFY (am 23.2.2017); vgl. Bringázz a munkába! Az atya [Mit dem Rad in die Arbeit! Der Pfarrer]. URL: https://youtu.be/wlJga4HZ8yM (am 23.2.2017); vgl. Csáki, László: Bringázz a munkába [Mit dem Rad in die Arbeit]. URL: https://youtu.be/Wf1lNzsGQHg (am 23.2.2017); vgl. kerekparosfilmek: Bringázz inkább te is [Fahr lieber auch du Rad]. In: youTube.com vom 14.4.2008, URL: https://www.youtube.com/watch?v=ZM_HTdpgcRE (am 15.12.2016). 84 Vgl. Colville-Andersen, Mikael: Hungarian Bike to Work Campaign. In: The blog. By Copen­hagenize Design Co. vom 23.2.2010, URL: http://www.copenhagenize.com/2010/​ 02/hungarian-bike-to-work-campaign.html (am 1.1.2017).

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Radfahren als Konfliktherd: Kampagnen des Fahrradclubs

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Abb. 8: Logo der Kampagne Mit dem Rad in die Arbeit.

Möglichkeit zur Profilierung als fahrradfreundliche grüne Arbeitgeber an, die ihre Belegschaft zum Sport animieren. Zudem bewirkte die Kampagne, dass die Wirtschaft das Imagepotenzial des Radfahrens schneller für eigene Zwecke nutzte als die hauptstädtische Kommune oder die Bezirksverwaltungen. So starteten die in Budapest ansässigen multinationalen Firmen ab Ende der 2000er-Jahre auch selbstständig Kampagnen für das Radfahren und unterstützen regelmäßig den Ungarischen Fahrradclub.85 Die Unternehmen waren, neben den Vertretern der Kulturindustrie (Kapitel 7) die wichtigsten Verbündeten der Fahrradinteressen85 Die Fastfoodkette McDonald’s startete die Fahrradkampagne »Bringamánia«, die Bank K&H hatte ebenfalls fahrradbezogene Veranstaltungen, und die ungarische Ölfirma und Tankstellenkette MOL bot für Radfahrende Servicepunkte mit kostenlosen Reparaturen und Pumpen an.

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Radfahren als bewusstes Statement im urbanen Alltag

vertretungen, auch wenn sie eine andere Agenda verfolgten: Sie wollten ihr Firmenimage mit Umweltfreundlichkeit und sozialer Verantwortung in der Öffentlichkeit aufpolieren. Hungarian Cycle Chic – Aktivismus durch Mode Neben der Kampagne Mit dem Rad in die Arbeit suchten die Aktivisten des Fahrradclubs auch andere Wege, um auf die Öffentlichkeit einzuwirken. Das Guerilla-Marketing war im Fahrradaktivismus eine schon länger bewährte Methode. Eine solche Initiative war die 2010 gestartete Blogseite Hungarian Cycle Chic mit dem Motto »Stilvolle Radfahrende. Stile des Radfahrens«.86 Die Grundidee des Blogs war es, durch die bewusste Auswahl von Fotos modisch gekleideter Frauen und Männern ein neues Image des Radfahrens als Stilfrage zu kreieren. Die Fotos der Radfahrenden schossen die Blogbetreiberinnen und Blogbetreiber ohne Erlaubnis oder Nachfrage auf den Straßen von Budapest und stellten diese online. Das Auswahlkriterium war nicht nur ein ästhetisches Erscheinungsbild der Radfahrenden, sondern es wurde auch darauf geachtet, dass die Fotografierten keine Sicherheitsweste und keinen Helm trugen. Der Blog wollte darauf aufmerksam machen, dass bei jedem Wetter und in jeder Kleidung Fahrrad gefahren werden kann und dies nicht gefährlich ist. Die Bloggerinnen und Bloger betrieben dies nur als Nebentätigkeit, eine von ihnen war auch im Vorstand des Ungarischen Fahrradclubs. Die Inspiration dafür kam vom dänischen Fahrradmodeblog Cycle Chic, das der Fotograf Mikael Colville-Andersen 2008 gestartet hatte und später eine ganze Marketingfirma mit dem Namen Copenhagize aufbaute. Colville-Andersen organisierte europaweit Treffen für die Cycle-Chic-Bloggerinnen und Cycle-Chic-Blogger und verstand sich als Botschafter des als Lifestyle begriffenen urbanen Radfahrens. Sein Rezept, die Verbindung von Fahrrad und Mode, hatte Wirkung auf das junge Publikum in Budapest, wie eine Umfrage der Blogseite zeigte.87 Mikael Colville-Andersen besuchte 2009 auch seinen Budapester Ableger und war vom Erfolg des Blogs Hungarian Cycle Chic, das er als Flaggschiff seiner Bewegung bezeichnete, überrascht.88 Fortan würdigte er in seinen Blogbeiträgen des Öfteren die Nachrichten über den Fahrrad­ aktivismus in Budapest.89 86 Hungarian Cycle Chic. URL: http://cyclechic.blog.hu/ (am 8.3.2017). 87 Vgl. dass.: Cyclechic.hu olvasói felmérés: budapesti, régóta bringázó, divatérzékeny fiatalok [Cyclechic.hu Leserbefragung:  die Budapester, seit Längerem fahrradfahrende, mode­ bewusste Jugendliche]. In: cyclechic.hu vom 18.7.2012, URL: http://cyclechic.blog.hu/​ 2012/07/18/felmeres_659 (am 1.1.2017). 88 Vgl. Tóth, Katalin: Interview mit Áron Halász, Mitarbeiter des Ungarischen Fahrradclubs über den Fahrradaktivismus in Budapest. Budapest 4.4.2013. 89 Vgl. Colville-Andersen, Mikael: From Critical Mass to Cycle Chic in Budapest. In: copenhagencyclechic.com vom 8.9.2012, URL: http://www.copenhagencyclechic.com/2012/09/

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Zwischenfazit

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Die Bloggerinnen und Blogger veranstalteten auch zahlreiche »Offline«Events, Fototermine, Fahrradmodewettbewerbe und Filmprojekte.90 Dafür waren Modezeitschriften, Modefotografen und Marken wichtige Partner. Das Phänomen Cycle Chic war eine neue Form des Fahrradaktivismus, eine Überzeugungskampagne durch die Hintertür, die mit den Fotos modebewusster Radfahrerinnen und Radfahrer zugleich Nachrichten über neugebaute Infrastrukturen, Demonstrationen und fahrradrelevante Events verbreitete.91 Im Kern griff Cycle Chic Individualismus und Narzissmus auf und nutzte beide, um für seine Mission zu werben. Die europa- und weltweit aktiven Cycle-ChicBlogs veröffentlichten schließlich 2012 einen gemeinsamen Bildband, in den auch einige Bilder von Radfahrenden aus Budapest aufgenommen wurden.92

5.4 Zwischenfazit Das vorliegende Kapitel ging der Frage nach, wie aus einem Underground-Phänomen, nämlich der Fahrradnutzung im Alltagsverkehr, in den 2000er-Jahren eine rationale Verkehrsentscheidung wurde. Diese Entscheidung beleuchtete das Kapitel zunächst im Zusammenhang mit anderen Verkehrsmitteln in Budapest. Die Preiserhöhung des öffentlichen Nahverkehrs und der hohe Platzanspruch des Autoverkehrs riefen in den 2000er-Jahren massive Probleme im Stadtverkehr hervor, in deren Zuge das Radfahren zu einer logischen und pragmatischen Entscheidung wurde. Generell war der steigende Radverkehr damit die Folge einer Verkehrskrise in Budapest. Er erzeugte in der ungarischen Hauptstadt eine ähnliche Situation wie in anderen Städten, in denen die from-critical-mass-to-cycle-chic-in.html (am 1.1.2017); vgl. Colville-Andersen, Hungarian Bike to Work Campaign. 90 Vgl. cyclechic.hu: Vasárnap éjfélig nevezhetsz  a kifutóra! [Bis Sonntag kannst du dich für den Laufsteg bewerben]. In: cyclechic.hu vom 11.4.2013, URL: http://cyclechic.blog. hu/2013/04/11/vasarnap_ejfelig_nevezhetsz_a_kifutora (am 1.1.2017); vgl. cyclechic.hu: Cycle Chic Design Night  a spiccben [Cycle Chic Design Night in der Café Spicc]. In: cyclechic.​hu vom 27.10.2012, URL: http://cyclechic.blog.hu/2012/10/27/cycle_chic_design​ _​night_a_spiccben (am 1.1.2017). 91 Vgl. cyclechic.hu: Mitől lesz jobb Budapest?  – TEDxYouth@Budapest & Cyclechic.hu klubest [Wovon wird Budapest besser? – Klubabend TEDxYouth@Budapest & Cyclechic. hu]. In: cyclechic.hu vom 9.8.2012, URL: http://cyclechic.blog.hu/2012/08/09/mitol_ ​lesz_ jobb_budapest_tedxyouth_budapest_cyclechic_hu_klubest_osszefoglalo (am 1.1.2017); vgl. cyclechic.hu: Most dől el, hogy biciklis város lesz-e Budapest [Jetzt entscheidet sich, ob Budapest ein Fahrradstadt wird]. In: cyclechic.hu vom 17.11.2013, URL: http://cyclechic. blog.hu/2013/11/17/most_dol_el_hogy_biciklis_varos_lesz-e_budapest (am 1.1.2017); vgl. cyclechic.hu, Tiétek az új Andrássy út! [Der neue Andrássy-Weg gehört Euch!]. 92 Vgl. Colville-Andersen, Mikael: Cycle chic. New York 2012.

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Radfahren als bewusstes Statement im urbanen Alltag

Verkehrsnot einen Umbau der Verkehrsorganisation nach sich zog. Im Vergleich mit diesen Städten sticht hervor, dass das Überdenken der Budapester Verkehrsorganisation in den 2000er-Jahren von bürgerschaftlichen Organisationen ausging. Diese hielten bis 2010 ein politisches Spannungsverhältnis aufrecht. Nach den kommunalen Wahlen 2010 kam es zu einer Kehrtwende in der Verkehrspolitik. Die Inszenierung des Radfahrens als Mode, die gesundheitlichen Vorteile, aber auch die prekäre Lebenslage jüngerer Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner hatten das Fahrrad zu einem attraktiven urbanen Verkehrsmittel gemacht. Gleichzeitig bestand das Angebot fort, das Radfahren im Rahmen der CM-Proteste als emanzipatorische progressive Idee zu verfolgen, mit dem Ziel, die bestehenden Verhältnisse durch alltägliches Handeln zu hinterfragen. Die Bezeichnung »Fahrradrevolution« ist ein zugespitzter Ausdruck für dieses Angebot an das Kollektiv der Radfahrenden, trifft aber dennoch den Nerv dieser Zeit. Das gemeinschaftliche Handeln gab der Interessenvertretung neue Kraft für politische Initiativen. Die unzureichende Unterstützung des Fahrradfahrens seitens der Politik und die steigende Zahl der Radfahrenden begünstigten die Neuaufstellung der Interessenvertretung. Am Beispiel des neugegründeten Ungarischen Fahrradclubs wurden die Funktionsmechanismen und Ressourcen der Interessenvertretung sowie die enge Verbundenheit mit der Wirtschaft und europäischen Einflüssen deutlich. Durch das Engagement von jungen Experten professionalisierte sich die Interessenvertretung, adaptierte Methoden aus der Wirtschaft und wurde zu einer bekannten und schlagkräftigen Marke in der ungarischen Verkehrspolitik. Abschließend nahm das Kapitel die zwiespältige Wahrnehmung des Radfahrens in den Medien in den Blick: auf der einen Seite als gelobter Hoffnungsträger und urbane Innovation, auf der anderen Seite als Gefährder des Gemeinwohls und Unterwanderer der bestehenden, auf den motorisierten Verkehr ausgelegten Verkehrsordnung. Die Dominanz des Autoverkehrs, die fehlenden Erfahrungen mit dem Radverkehr, die unzureichenden Infrastrukturen und die fehlenden Regelungen und Kontrollen gaben somit die Aufgabenfelder für die Interessenvertretungen des Radverkehrs vor. Der Fahrradclub leistete gezielte Arbeit, um für die gerechte Teilung der Straße und für mehr Verkehrsdisziplin seitens der Radfahrenden zu werben. Ab 2008 wurde die »Fahrradrevolution« auch von Kampagnen wie Mit dem Rad in die Arbeit und ab 2010 dem Fahrradmodeblog Hungarian Cycle Chic getragen, der neue visuelle Bilder des urbanen Radverkehrs schufen. Getragen wurde die Entwicklung des Radverkehrs in den 2000er-Jahren von bürgerschaftlichen Gruppierungen von unten. Unterstützung kam von der Wirtschaft. Sehnsüchte und Vorbilder wurden in dem Wunsch, den Stadtverkehr zu modernisieren und zu europäisieren, zum Ausdruck gebracht und trieben den Wandel weiter voran. © 2020 Vandenhoeck & Ruprecht | Brill Deutschland GmbH https://doi.org/10.13109/9783666310720 | CC BY-NC-ND 4.0

6. Was macht das Radfahren mit der Stadt? Infrastrukturen des Radverkehrs und Wandel des Verkehrsmanagements

Verkehrsinfrastrukturen gestalten den Verkehr und werden gleichzeitig gestaltet. Damit steht ihr Wandel auch für Veränderungen von Verkehrsleitbildern in der Stadt. In der zweiten Hälfte der 2000er-Jahre erzwangen der zunehmende Radverkehr in Budapest und die daraus resultierenden Spannungen neue Verhandlungen über fahrradfreundliche Infrastrukturen im Zentrum der ungarischen Hauptstadt. Vor diesem Hintergrund fragt das vorliegende Kapitel danach, welche Infrastrukturvorstellungen in der Fachöffentlichkeit diskutiert wurden und auf welche Widerstände ihr Ausbau stieß. Erörtert wird zudem die Rolle der Europäischen Union als finanzieller und ideeller Förderer des Radverkehrs ab 2004 sowie die Auswirkungen des politischen Machtwechsels in Ungarn und auch in Budapest im Jahr 2010.

6.1

Verkehrspolitik im Umbruch

Die Rolle des Radverkehrs in der Verkehrspolitik Der Radverkehr spielte in der Verkehrspolitik von Budapest in den 2000er-Jahren eine ambivalente Rolle. Die Förderung des Radverkehrs als verkehrspolitisches Ziel wurde in den 2000er-Jahren in den Verkehrs- und Stadtentwicklungsstrategien und in den Verkehrsplänen explizit benannt. Radverkehr galt als Voraussetzung für einen effizienteren urbanen Verkehr und lebenswerte urbane Räume.1 Typisch für diese Texte war deren pro-europäische Orientierung, die sich in der Übernahme von Formulierungen wie »die Entwicklung

1 Vgl. Balogh, Eszter u. a.: Budapest Főváros Integrált Városfejlesztési Stratégiája [Strategie der Integrierten Stadtenwicklung von Budapest]. Budapest 2008, 53; vgl. FKT Urb Konzor­cium: Budapest Közlekedési Rendszerének Fejlesztési Terve [Entwicklungsplan des Verkehrssystems von Budapest] 2008, 5; vgl. Budapest Fővárosi Önkormányzat Főpolgármesteri Hivatal Főépítészeti Iroda: Budapest Városfejlesztési Koncepció. Összefoglaló [Budapest Stadtentwicklungskonzept. Eine Zusammenfassung]. Budapest 2003, 52.

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Was macht das Radfahren mit der Stadt?

des umweltfreundlichen Verkehrs« zeigte.2 Die inhaltliche Anlehnung an die urbane Mobilitätsstrategie der Europäischen Union stellte eine wichtige Grundlage für die Beantragung von EU-Fördergeldern dar. Im Widerspruch zu den hochgesteckten verkehrspolitischen Zielen stand jedoch das Radwegebauprogramm, das unter mehreren Problemen litt und nur langsam voranging. Seit 1996 lief das Programm unter Leitung der Verkehrsabteilung des Amts des Oberbürgermeisters. Pro Jahr wurden jedoch nur drei Kilometer Radweg gebaut. Als Erste benannte die Presse dieses Problem. Vor dem Hintergrund der immer größer werdenden Fahrraddemonstrationen der CM-Bewegung berichteten die ungarischen Medien immer wieder über die vernachlässigten Radwege und die fehlende Bereitschaft der hauptstädtischen Kommune, die schlechten infrastrukturellen Bedingungen für den Radverkehr zu verbessern.3 Fünf Missstände bemängelten die Fahrradorganisationen und die Presse konkret. Erstens war das Planungsdokument, das noch auf die 1980er-Jahre zurückging, veraltet. Zweitens wurden Radwege nur im Rahmen anderer Sanierungsmaßnahmen angelegt, da die Verkehrsbehörde der Hauptstadt der Meinung war, dass separate Radwegebauprojekte zu kostspielig seien.4 Die Straßenbauarbeiten waren Teil der lange aufgeschobenen und dringend notwendigen Erneuerung der Gas-, Wasser- und Stromleitungen sowie weiterer Versorgungsanlagen. Drittens waren die Zuständigkeiten diffus und unklar. Der Radwegenetzplan stellte keine verbindliche Vorgabe für die Straßenbauarbeiten dar. Die Entscheidungsmacht darüber, ob auch Radverkehrsanlagen gebaut wurden, lag nicht alleine bei der zuständigen Verwaltung als Auftraggeber, sondern auch bei den planenden Ingenieurbüros, bei den Genehmigungsbehörden und schließlich bei den Baufirmen selbst. Viertens kämpfte das Programm mit Geldproblemen. Beispielsweise betrug die Finanzierung für Radwege weniger als ein Prozent des Gesamtbudgets der Verkehrsausgaben im Jahr 2005.5 Und fünftens gab es keine Verantwortlichkeiten und nicht genügend Interesse an der Instandhaltung des bereits existierenden 178 Kilometer umfassenden Radwegenetzes. 2 Balogh, u. a., Budapest Főváros Integrált Városfejlesztési Stratágiája [Strategie der Inte­ grierten Stadtentwicklung von Budapest], 53. 3 Vgl. Visnovitz, Péter: »Akkor már inkább  a biciklisávot foglaljuk el«  –  a semmibe vett szabály [»Dann okkupieren wir lieber den Fahrradweg«  – Die missachtete Regelung]. In: origo.hu vom 7.8.2007, URL: http://www.origo.hu/itthon/20070803-sokszor-szabaly​ talanul-auto-parkol-a-kerekparsav-helyen-budapesten.html (am 1.1.2017); vgl. Bárkay, Tamás: Pusztuló bicikliutak, tehetetlen civilek [Schwindende Radwege, machtlose Zivil­ gesellschaft]. In: Népszabadság Online vom 8.7.2005, URL: nol.hu/archivum/archiv-​369​ 207-183119 (am 1.1.2017). 4 Vgl. Borsos, Roland: Háromszáz kilométer bicikliút hiányzik [Es fehlen dreihundert Kilo­meter Radwege]. In: Népszabadság Online vom 23.4.2005, URL: nol.hu/archivum/ archiv-359806-174299 (am 1.1.2017). 5 Vgl. ebd.

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Verkehrspolitik im Umbruch

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Dies zeigt, dass es Mitte der 2000er-Jahre viele strukturelle Gründe dafür gab, weshalb nur wenige Radverkehrsanlagen geplant, gebaut oder instand­ gehalten wurden. Diese Situation kritisierten nicht nur die Journalistinnen und Journalisten, sondern auch die Verkehrsfachleute, die in der bereits erwähnten Verkehrsstrategie folgendes Fazit zogen: In Budapest begann der Radwegebau in den 1990er-Jahren. Das lange Zeit geltende Mittel der Wahl war der Bau von segregierten Fahrradinfrastrukturen – und keine fahrradfreundliche Umgestaltung der verfügbaren Infrastrukturen. Das aktuelle Netz ist 178 Kilometer lang, aber sowohl quantitativ als auch qualitativ lässt es zu wünschen übrig. Die Abschnitte bilden kein Netz. 37 Prozent der Radwege sind mit den Fußgängern gemeinsam genutzte Flächen, aber auch der Rest wurde mit Einschränkungen für Bürgersteige oder Grünflächen gebaut. Die Oberflächenqualität der Radwege ist charakteristischerweise schlecht. An vielen Stellen wurden schon beim Bau unzureichende Technologien gewählt. An anderer Stelle war die Instandhaltung der Anlagen ein Problem.6

Kehrtwende in der Beziehung zwischen Politik und Aktivistengruppen Angesichts dieser Missstände vereinten der neu gegründete Ungarische Fahrradclub, die CM-Demonstrationen und andere bürgerschaftliche Initiativen zum Radverkehr in den 2000er-Jahren ihre Kräfte und übten gemeinsam Kritik an dem nur langsam vorankommenden Radwegebau. Generell wurde das Fahrrad in den 2000er- und in den 2010-er Jahren stark genutzt, was mit vielen Konflikten im städtischen Raum verbunden war. Die Fahrradinteressenvertretungen warben deshalb für verkehrstechnische Eingriffe und ein Umdenken bezüglich der Prioritäten im Stadtverkehr. Als wichtigstes Ziel benannten die Interessenvertretungen nicht allein den Bau von Infrastrukturen, sondern eine langfristige Perspektive zur Integration des Radverkehrs in die Verkehrsströme von Budapest. Für die Benachteiligung des Radverkehrs gab es gleich mehrere strukturelle Gründe. 2008 erstellte der Lehrstuhl für Straßen- und Eisenbahnbau der Technischen Universität Budapest in Zusammenarbeit mit dem Ungarischen Fahrradclub ein Konzept namens Kerékpáros Budapest koncepció [Konzept Radelndes Budapest].7 Dieses Programm war eine Ansammlung von Vorschlägen, wie ein Perspektivwechsel in der Öffentlichkeit und in der Verkehrsplanung bewirkt werden könnte. Das Konzept wurde zwar vom Stadtrat nicht beschlossen, aber einiges aus seinem Inhalt fand Eingang im Verkehrs6 Balogh u. a., Budapest Főváros Integrált Városfejlesztési Stratágiája [Strategie der Inte­ grierten Stadtentwicklung von Budapest], 52. 7 Vgl. Kisgyörgy, Lajos / Ungvárai, Ádám / Bencze-Kovács, Virág / Németh, Ders: Kerékpáros Budapest Koncepció. Vitaanyag [Konzept Radelndes Budapest. Material für Diskussion]. Budapest 2008.

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Was macht das Radfahren mit der Stadt?

entwicklungsplan von 2008.8 Ein grundsätzliches Problem zu dieser Zeit war, dass es keine einzige zufriedenstellende Fahrradinfrastruktur gab, die als Vorbild für künftige Bauprojekte hätte dienen können. So lag das Problem der Fahrradinteressenvertretungen weniger darin, Politikerinnen und Politiker zu finden, die ihre Unterstützung für die Radfahrenden bekundeten, sondern zu erreichen, dass diese ihre Sympathie auch in die Tat umsetzten.9 Schon 2005 hatte Zsolt Tiba, der Obernotar der hauptstädtischen Kommune, große Versprechungen zur Beschleunigung des Radwegebaus gemacht.10 Zur Einhaltung dieser Versprechungen nutzten die Interessenvertretungen den Druck der Öffentlichkeit. So schlossen sich die Fahrradinteressenvertretungen und die Umweltschutz­ organisationen unter der Leitung des Ungarischen Fahrradclubs im Jahr der Parlamentswahlen 2006 zu öffentlichkeitswirksamen Aktionen namens Tour de Voks und Retour de Voks zusammen, um politische Unterstützung für den Radverkehr einzuholen.11 Sie besuchten vor den Wahlen alle antretenden Parteien und nach den Wahlen die Wahlsieger. In den Forderungen der Lobbygruppen standen nicht die Infrastrukturen im Fokus, sondern der Wunsch nach einem Perspektivwechsel – das programmatische Schlüsselwort der Fahrradinteressenvertretungen zu dieser Zeit.12 Mithilfe ihrer Aktionen gelang es ihnen, den Radverkehr als Wahlkampfthema zu setzen und die politischen Parteien zu einer Positionierung zu zwingen. Eine Veränderung in der Beziehung zwischen Politik und Fahrradinteressenvertretungen war bereits ein Jahr zuvor eingetreten. Dieser Wandel wird von Fahrradaktivistinnen und -aktivisten gerne mit einem medienwirksamen Ereignis verbunden: Im Rahmen des Autofreien Tages hatte János László, Präsident des Ungarischen Fahrradclubs, den ungarischen Wirtschafts- und Verkehrsminister János Kóka auf seinem Tandemfahrrad vor laufenden Kameras 8 Vgl. Kerékpáros Budapest-koncepció | Criticalmass.hu. URL : http://criticalmass.hu/ blogbejegyzes/20090718/kerekparos-budapest-koncepcio (am 4.2.2017). 9 Vgl. Bárkay, Tamás: Remélik, nem politikai lufi [Sie hoffen, kein politisches Luftballon]. In: Népszabadság Online vom 25.8.2005, URL: nol.hu/archivum/archiv-374785-188163 (am 1.1.2017). 10 Vgl. ebd., 1. 11 Vgl. livebird: Tour de Voks [Tour de Voks]. In: criticalmass.hu vom 1.3.2006, URL: http:// criticalmass.hu/node/326 (am 1.1.2017); vgl. Kürti, Gábor: Retour de Voks felvonulás szombaton! [Demonstration Retour de Voks am Samstag!]. In: criticalmass.hu vom 27.11. 2006, URL : http://criticalmass.hu/blogbejegyzes/20061127/retour-de-voks-felvonulasszombaton (am 1.1.2017). 12 Unter diesem Schlagwort wurde mehr staatliche und kommunale Zuwendung für den Radverkehr, die Integration des Radverkehrs in die schulische Erziehung und eine mehr auf den Radverkehr ausgelegte Verkehrsorganisation subsummiert. Vgl. Kürti, Gábor: A Tour de Voks petíció teljes szövege [Der gesamte Text der Petition Tour de Voks]. In: criticalmass.hu vom 11.3.2006, URL: http://criticalmass.hu/blogbejegyzes/20060311/ a-tour-de-voks-peticio-teljes-szovege (am 1.1.2017).

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Neue Radverkehrsplanung durch EU-Förderung

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entführt, um ihn auf der abgesperrten Andrássy-Straße zu einem Treffen mit den Fahrradinteressensvertretungen zu bringen.13 Als Ergebnis ernannte Kóka noch 2005 einen Fahrradbeauftragten auf Ministeriumsebene: Ádám Bodor, der fortan die Arbeit zwischen den einzelnen Ministerien koordinierte.14 Die Schaffung dieses Amtes war das Signal, dass der Radverkehr als Thema der landesweiten Verkehrspolitik anerkannt worden war. Allerdings wurde der Posten des Fahrradbeauftragten wegen eines Ministerwechsels 2008 wieder abgeschafft. Danach wurde die Kommission Kerékpáros Tárcaközi Bizottság [Zwischenministerielle Kommission für Radverkehr] gebildet.15 Der ehemalige Minister János Kóka richtete kurz vor den Wahlen 2009 auch eine Arbeitsgruppe für Radverkehr im Parlament ein.16 Die ab Mitte der 2000er-Jahre zu beobachtende graduelle Veränderung in der Einstellung der Politik zum Radverkehr war einerseits dem steigenden Druck der Öffentlichkeit geschuldet. Ein weiterer Grund waren die von der Europäischen Union zur Verfügung gestellten Fördergelder. Der EU-Beitritt im Jahr 2004 schuf einen neuen institutionellen Rahmen, der Chancen für die Neubewertung des Radverkehrs in der ungarischen Verkehrsplanung eröffnete.

6.2 Neue Radverkehrsplanung durch EU-Förderung Auswirkungen des Programms Kerékpáros Magyarországért 2007–2013 Das erste von der Europäischen Union finanzierte Fahrradprogramm Kerék­ páros Magyarországért 2007–2013 [Für ein Radelndes Ungarn] bedeutete den Beginn eines neuen Zeitalters für den Radverkehr, wenngleich dieses Pro-

13 Vgl. Halász, Áron: Bicikliző Budapest – Egyre inkább nyeregben [Radfahrende in Budapest – Immer mehr im Sattel]. In: Magyar Narancs Velo Világ vom 14.4.2015, URL: https:// magyarnarancs.hu/sport/egyre-inkabb-nyeregben-93903 (am 1.1.2017). 14 Vgl. Linder, Bálint: »Az elején sokat kóvályogtam a folyosókon« – Bodor Ádám, volt kerékpárügyi miniszteri megbízott [»Am Anfang verirrte ich mich oft in den Gängen«. – Ádám Bodor, ehemaliger Fahrradbeauftragter der Ministerien]. In: Magyar Narancs 27 vom 3.7.2008, URL: http://magyarnarancs.hu/belpol/az_elejen_sokat_kovalyogtam_a_ folyosokon_-_bodor_adam_volt_kerekparugyi_miniszteri_megbizott-69044 (am 1.1.2017). 15 Vgl. Információ – Kerékpáros Tárcaközi Bizottság [Informationen – Zwischenministeriale Kommission für Radverkehr]. URL: http://www.kertam.hu/?oldal=tarcakozi_bizottsag (am 30.3.2017). 16 Vgl. Kürti, Gábor: Meghívó, és válasz a kerékpáros parlamenti képviselőcsoport alakítására [Einladung und Antwort – Gründung einer Abgeordnetengruppe für Radverkehr]. In: criticalmass.hu vom 7.10.2009, URL: http://criticalmass.hu/blogbejegyzes/20091007/ meghivo-es-valasz-kerekparos-parlamenti-kepviselocsoport-alakitasara (am 1.1.2017).

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Was macht das Radfahren mit der Stadt?

gramm auch vielfach Kritik erntete.17 Der Förderrahmen beinhaltete die in der Geschichte des Landes bis dahin höchste Fördersumme für den Radverkehr, nämlich 56 Milliarden Forint.18 Das Ziel von Für ein Radelndes Ungarn war, die Fördergelder der Europäischen Union landesweit für den Radwegebau zu verwenden und so den Tourismus und den Berufsverkehr auf dem Fahrrad zu fördern.19 Das Programm wirkte sich auf den Budapester Radverkehr sowohl direkt als auch indirekt aus. Zu den direkten Auswirkungen zählte die Umsetzung der Programmziele, worunter die Förderung der Ingenieursausbildung zum Thema Radverkehrsanlagen, die Erneuerung von Planungs­ standards sowie verschiedene Aufklärungskampagnen fielen. Das Programm beeinflusste den Budapester Radverkehr aber auch indirekt, indem es eine gewisse Dynamik freisetzte und den Rahmen für die künftige Zusammenarbeit zwischen Behörden, Verkehrsfachleuten und den Vertretern der Radfahrenden festlegte. In Budapest trafen die am Prozess beteiligten Behörden und Ministerien und die stärksten Fahrradinteressenvertretungen aufeinander. Das Programm wurde von dem bereits erwähnten Ádám Bodor, einem ehemaligen Mitarbeiter des Ungarischen Fahrradclubs, koordiniert.20 Aus Sicht der Interessenvertretungen war es ein wichtiger Erfolg, dass sie sowohl in die Konsultationen zur Vorbereitung des EU-Förderprogramms als auch in die Umsetzung mit einbezogen waren. All das hatte nachhaltige Konsequenzen für die Situation des Radverkehrs in der Hauptstadt. Entstehung einer Fachöffentlichkeit zur Radverkehrsplanung Das sichtbarste Ergebnis des Programms Für ein Radelndes Ungarn war die staatliche Kampagne Mit dem Rad in die Arbeit, die ab 2007 in Budapest lief.21 Die Durchführung des bis heute existierenden Programms gab das Ver17 Vgl. Gazdasági és Közlekedési Minisztérium: Kerékpáros Magyarországért Programm 2007–2013 [Für Radelndes Ungarn 2007–2013]. 18 Vgl. Civil-Budapest Hírlevél: Hírek – 56 milliárd jut a kerékpáros programra. In: nonprofit.hu vom 30.8.2007, URL: http://www.nonprofit.hu/hirek/56-milliard-jut-kerekparosprogramra (am 1.1.2017); vgl. Földes, András: Öregszexszel reklámozza  a bringázást a GKM [Mit Sex zwischen Älteren wirbt das Verkehrs- und Wirtschaftsministerium für das Radfahren]. In: kerekagy.blog.hu vom 18.4.2008, URL ; http://kerekagy.blog.hu/​ 2008/04/18/oregszexszel_reklamozza_a_bringazast_a_gkm (am 1.1.2017). 19 Dieses Programm wurde als Teil des größeren siebenjährigen europäischen Entwicklungs­ programms für Ungarn, den Plan Új Magyarország Fejlesztési Terv (dt. Entwicklungsplan Neues Ungarn] angekündigt. Vgl. Gazdasági és Közlekedési Minisztérium, Kerékpáros Magyarországért Programm 2007–2013 [Für ein Radelndes Ungarn 2007–2013], 2. 20 Vgl. origo.hu / MTI: Miniszteri megbízott a biciklisekért [Beauftragter des Verkehrsminis­ teriums für die Radfahrer]. In: origo.hu vom 13.11.2005, URL : http://www.origo.hu/ itthon/20051113miniszteri.html (am 1.1.2017). 21 Vgl. Spencer, Greg: A long-lasting Bike-to-Work campaign in Hungary. Case Study. In: ELTIS – The urban mobility portal vom 17.11.2011, URL: http://www.eltis.org/discover/ case-studies/long-lasting-bike-work-campaign-hungary (am 1.1.2017).

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Neue Radverkehrsplanung durch EU-Förderung

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kehrs- und Wirtschaftsministerium an den Ungarischen Fahrradclub weiter. Die breite Wirkung des Programms auf das mediale Bild wurde bereits im vorangegangenen Kapitel ausführlich beschrieben. Noch bedeutender als die mediale Rezeption war jedoch die Verhandlung neuer Ansätze in der Verkehrswissenschaft. Im Rahmen des Programms hielten die zuständigen Verkehrsinstitutionen Közlekedésfejlesztési Koor­ dinációs Központ [Koordinationszentrum für Verkehrsentwicklung, KKK] und die Fachgesellschaft der Verkehrsingenieure, die Magyar Útügyi Társaság [Ungarische Gesellschaft für Straßenwesen], eine Reihe von Workshops und Konferenzen zum Thema Radverkehrsplanung ab, was eine neue, speziell am Radverkehr interessierte Fachöffentlichkeit hervorbrachte.22 Die Tatsache, dass die Gelder für den Bau von Radverkehrsanlagen landesweit ausgeschrieben wurden, weckte das Interesse der Verkehrsfachleute an der Radverkehrsplanung und motivierte sie, sich zu informieren und an den Veranstaltungen teilzunehmen.23 Darunter vor allem solche, die auf Aufträge in diesem Bereich hofften oder in deren Zuständigkeit die Genehmigung und Kontrolle dieser Projekte fiel. Es kamen aber auch junge Verkehrsingenieurinnen und -ingenieure sowie Studierende, die Interesse am Thema hatten.24 Da die Radverkehrsplanung kein expliziter Teil des klassischen universitären curriculums des Verkehrs- und Straßenbauwesens war, hatten diese Veranstaltungen Fortbildungscharakter für die Fachleute.25 Ziel war es, einen wissenschaftlichen Dialog zur Fahrradinfrastrukturplanung anzustoßen und den Teilnehmenden tiefere Kenntnisse über die Radverkehrsplanung zu vermitteln.

22 Vgl. Közlekedésfejlesztési Kordinációs Központ: II . Kerékpáros Tervezési Konferencia [II . Konferenz für Radverkehrsplanung]. Budapest 28.5.2008, URL: http://www.kertam. hu/?oldal=dokumentumok (am 1.1.2017); vgl. Közlekedésfejlesztési Kordinációs Központ: III . Kerékpáros tervezési Konferencia [III . Konferenz für Radverkehrsplanung]. Budapest 28.01.2009, URL : http://www.kertam.hu/?oldal=dokumentumok (am 1.1.2017); vgl. Magyar Útügyi Társaság / Közlekedési Kordinációs Központ / Kerékpáros Magyaror­ szág Program: Kerékpáros tervezési konzultáció [Konsultation zur Radverkehrsplanung]. Buda­pest 06–07.12.2007, URL: http://www.maut.hu/Home/Tartalom/1/1?U=23e8b136-5c​ 6f-4675-afb6-4a029ab74796 (am 1.1.2017); vgl. Közlekedésfejlesztési Kordinációs Központ / ​Kerékpáros Magyarország Program: IV. Kerékpáros Tervezési Akadémia [IV. Akademie der Radverkehrsplanung]. Budapest 30.3.2010, URL : http://www.kertam.hu/​?​ oldal=dokumentumok (am 1.1.2017). 23 Vgl. Tóth, Katalin: Interview mit Zsolt Kilián über die Arbeit als Verkehrsingenieur und das Engagement als Fahrradaktivist beim Ungarischen Fahrradclub. Budapest 25.3.2013. 24 Vgl. ebd. 25 Vgl. Közlekedés Munkacsoport: Miért készül annyi használhatatlan kerékpárút még ma is? [Warum werden auch heute noch so viele unbrauchbare Fahrradwege gebaut?]. In: kerekparosklub.hu vom 25.1.2012, URL: http://kerekparosklub.hu/miert-keszul-annyi-​ hasz​nalhatatlan-kerekparut-meg-ma-is (am 1.1.2017).

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Zu diesen Workshops und Konferenzen waren Referentinnen und Referenten des Ungarischen Fahrradclubs und des Vereins Bringaút [Verein Radweg] eingeladen. Ihre Rolle bestand darin, Beispiele von unpassenden oder gefährlichen Radverkehrsinfrastrukturen vor der Fachöffentlichkeit zu präsentieren. Sie wollten damit auf die gesellschaftliche Verantwortung der Planer aufmerksam machen und die Perspektive der Radfahrenden in die Debatten integrieren.26 Die Zusammenarbeit war nicht konfliktfrei und zeigte im Wesentlichen, zu welcher Irritation es führen kann, wenn in technisch geführte Diskussionen Erfahrungen und Argumente aus dem Alltagsleben einfließen. So beschwerte sich beispielsweise ein älterer Ingenieur vom KKK, einer der mitveranstaltenden Institutionen, in der Projektevaluation über die Konflikte mit den bürgerschaftlichen Organisationen während der Workshops: Ihre − die Interessen der paar hundert ›coolen‹ Radfahrer widerspiegelnde − Ansicht, dass ›das Fahrrad ein Verkehrsmittel sei, und sein Platz deswegen auf der Straße zwischen anderen Fahrzeugen sei‹, ist verkehrspolitisch eine problematische Sache. Diese Denkweise ist bei urbanen, verkehrsberuhigten Straßen tatsächlich sinnvoll, aber die allgemeine Berufung darauf birgt im Kontext der ungarischen Verkehrskultur und Verkehrsinfrastruktur Unfallgefahren und schließt jüngere und ältere Generationen vom sicheren Radverkehr aus. Bei manchen Autofahrern trifft diese sich immer mehr durchsetzende Auffassung auf Zustimmung, aber es gibt unter ihnen noch wesentlich mehr gegensätzliche, Konflikte generierende Meinungen. Die Betonung dieses Grundsatzes hat bereits in kleineren Gemeinden zu gefährlichen Projektideen geführt.27

Die Aussagen des Ingenieurs spielen auf den in der Hauptstadt ansässigen Ungarische[n] Fahrradclub mit seinen jungen Aktivistinnen und Aktivisten als Vertretung der »coolen« Radfahrenden an. Das Adjektiv »cool« steht in diesem Kontext zunächst einmal für eine pejorative Einordnung der neuen Mode des urbanen Radfahrens, da die »coolen« Radfahrenden sich in der Wahrnehmung des hier zitierten Verkehrsexperten mit ihren realitätsfernen 26 Vgl. László, János: Kerékpáros létesítmények megfelelő típusának kiválasztása. Előadás [Die Auswahl der passenden Radverkehrsanlage. Vortrag]. Kerékpáros tervezési konzultáció [Konsultation zur Radverkehrsplanung]. Budapest 6.12.2007, URL: http:// www.maut.hu/MAUTDATA /akademiak/13/5.pdf (am 1.1.2017); vgl. Olah, György: Civil kerékpárosok vitaindító észrevételei. Dicsőségtábla − szégyenfal. Előadás. [Bemerkungen der Radfahrenden aus der Bürgergesellschaft für den Start der Diskussion. Ehrenwand und Liste der Schanden. Vortrag]. Kerékpáros tervezési konzultáció [Konsultation zur Radverkehrsplanung]. Budapest 6.12.2007, URL: http://www.maut.hu/MAUTDATA / akademiak/13/3.pdf (am 1.1.2017). 27 Sztaniszláv, Tamás: A kerékpározás témájában 2006–2010 között végzett feladatok [Die erledigten Aufgaben im Themenbereich Radverkehr 2006–2010]. URL: http://kerekparozz. hu/uploads/docs/2/25/252/Ker%C3 %A9kp%C3 %A1ros%20feladatok_2006_2010.pdf (am 18.5.2017).

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Ansprüchen über andere stellen. Zudem zeigt sich in der Aussage, worum es in dem Konflikt grundsätzlich ging, nämlich um die Frage, wo das Fahrrad im Verkehr hingehört und wer diese Entscheidung treffen darf. Die Konfliktlinie lässt sich hier nicht nur zwischen staatlichen Institutionen und bürgerschaftlichen Organisationen ziehen, sondern auch zwischen einer älteren und einer jüngeren Ingenieursgeneration sowie zwischen traditionellen und progressiven Planungsvorstellungen zum Radverkehr. Planungsvorstellungen im Umbruch Auf den Konferenzen und Workshops der 2000er-Jahre stand stets eine Reform der Planungsvorstellungen des Radverkehrs im Zentrum der Diskussion. Worin bestand der Unterschied zwischen der geforderten Revision und der traditionellen Auffassung in diesem Feld? Die traditionelle Planungsvorstellung, welche auch der zitierte Verkehrsingenieur vertrat, betrachtete das Automobil als Grundkonstante aller Planungen und beurteilte den Radverkehr anhand technokratischer Kategorien, wie Sicherheit, Durchschnittsgeschwindigkeit auf den Straßen und Verkehrsaufkommen, stets vor dem Hintergrund der Interessen des motorisierten Verkehrs. Diese Auffassung geht zurück auf die Zwischenkriegszeit, als getrennte Radwege als modern galten.28 Vorbild der ungarischen Verkehrsplanung in der Zwischenkriegszeit war der Radwegebau des NS -Staates, der sich an den Vorgaben der Studiengesellschaft für Automobilstraßenbau [StufA] orientierte.29 Als die Radverkehrsplanung in den 1980er-Jahren erneut verhandelt wurde, orientierte sich die ungarische Verkehrswissenschaft am Nachfolger der StufA, der in Berlin ansässigen Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, die Standards für den Radwegebau festlegte.30 Die juristischen und bauplanerischen Vorschriften für getrennten Fahrradwegebau prägten die erste Generation von ungarischen Verkehrsingenieuren, die in den 1980er-Jahren begann, sich mit Radverkehrsplanung zu beschäftigen und in den 2000er-Jahren noch beruflich aktiv war. In den deutschsprachigen Ländern hatte bereits in den 1990er-Jahren ein Umdenken stattgefunden – und der getrennte Radwegebau war wegen großer Sicherheitsrisiken in Wohngebieten für die Radfahrenden in die Kritik geraten.31 Grund dafür war die Auswertung von Unfallstatistiken, die zeigen, 28 Vgl. Oldenziel, Ruth / de la Bruhèze, A. Adri: Contested Spaces: Bicycle Lanes in Urban Europe, 1900–1995. In: Transfers 1/2 (2011), 29–49. 29 Vgl. K. E.: Kerékpárutak [Fahrradwege]. In: Városi Szemle 15/2 (1929), 418–419, hier: 418. 30 Vgl. Koller, Sándorné: A hazai kerékpárosforgalom helyezet [Die heimische Lage des Radverkehrs]. Budapest 1982, 16. 31 Eine Tagung, bei der diese Aspekte das zentrale Thema bildeten, war die Tagung Velo Secur in Salzburg im Jahr 1990. Die Organisation übernahm die Wiener Fahrradinteressenvertretung ARGUS . Vgl. Argus. Arbeitsgemeinschaft umweltfreundlicher Stadtverkehr

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dass getrennte Radwege in Wohngebieten ein vielfach höheres Unfallrisiko bedeuteten als auf der Fahrbahn geführte Fahrradinfrastrukturen. Diese neue Perspektive und das Ziel der Förderung des Radverkehrs aus Umweltschutzgründen prägten die jüngere Generation von Ingenieurinnen und Ingenieuren auch in Ungarn und brachten auch einige ältere Vertreter zum Umdenken. Die jüngeren Verkehrsingenieure waren häufig Teil des aktivistischen Netzwerks des Ungarischen Fahrradclubs gewesen. Ihr Hauptanliegen war die Verortung des Radverkehrs im Zentrum der Planungen und dessen Integration in die urbane Verkehrsorganisation, was sie durch die fahrradfreundliche Umgestaltung der bereits vorhandenen Straßeninfrastruktur mit verkehrstechnischen Mitteln erreichen wollten. Als Vorbilder dienten westeuropäische Städte, wo der Radverkehr auf der Fahrbahn geführt wurde, und die im Rahmen der Konferenzen und Workshops als progressive Beispiele benannt wurden.32 Dass es schließlich zu einer Erneuerung der Planungsstandards kam, zeigt, dass die jüngere, reformorientierte Generation an Überhand gewann und die Planungen zum Radverkehr in Ungarn fortan deutlich differenzierter erfolgten. Neue Planungsstandards und die Straßenverkehrsordnung Die Urheber des Programms Für ein Radelndes Ungarn sahen vor, dass gültige Planungsstandards überarbeitet und erneuert werden. Die Überarbeitung der Planungsvorschriften für Radverkehrsanlagen, welche auch Grundlage für die Straßenverkehrsordnung waren, betrachteten die aktivistisch eingestellten Verkehrsingenieurinnen und Verkehrsingenieure als wichtige Chance, ihre Ansichten in die Verwaltungspraxis einfließen zu lassen. Auch deshalb widmete sich ein Teil von ihnen dieser Arbeit in einem ehrenamtlichen Arbeitskreis, der nur eine geringe Aufwandsentschädigung erhielt.33 In diesem Arbeitskreis fanden sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zwei bedeutendsten Verkehrsplanungsbüros mit Schwerpunkt Radverkehrsplanung, aber auch eine Verkehrsingenieurin des Fahrradclubs wieder. Die Reform der Vorschriften sowie der Straßenverkehrsordnung hatten die Fahrradinteressenvertretungen bereits seit mehr als zehn Jahren gefordert. Die damals gültige Straßenverkehrsordnung, welche in der Öffentlichkeit präsenter war als die Planungsvorschriften, war in bekannten Fahrradblogs oftmals kritisiert worden. Nach Ansicht der Blogger waren beide Verordnungen nicht (Hg.): Velo Secur ’90. Sicherheit rund ums Radfahren. Internationale Fahrrad-Sicherheits-Tagung 2. bis 5. Mai 1990. Wien 1991. 32 Dalos, Péter: Kerékpárutak műszaki megoldása, nyomvonal-kialakítás [Die technische Lösung der Fahrradwege, Wahl der Wegeführung]. Budapest 6.12.2007, URL: https:// docplayer.hu/32925331-I-workshop-kerekparutak-moszaki-megoldasa-nyomvonal-kiala​ kitas-1-kerekparos-tervezii-konzultacio.html (am 1.1.2017). 33 Tóth: Interview mit Zsolt Kilián über die Arbeit als Verkehrsingenieur und das Engagement als Fahrradaktivist beim Ungarischen Fahrradclub.

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für die aktuellen Probleme des Radverkehrs ausgelegt.34 So wurden etwa die fehlenden Polizeikontrollen, die in den Augen der Medienöffentlichkeit zu den weit verbreiteten Verkehrsverstößen der Radfahrenden führten, in den meinungsbildenden Blogbeiträgen damit begründet, dass die Einhaltung der Regeln nicht einmal für die Polizei einen Sinn ergeben würde.35 Die neuen Regelungen zum Radverkehr wurden schließlich im Jahr 2010 in die Planungsvorschriften und in die Straßenverkehrsordnung übernommen.36 Neuerungen waren beispielsweise rot leuchtende Radfahrstreifen auf der Fahrbahn, gemeinsame Bus- und Fahrradspuren sowie für den Radver­kehr in beide Richtungen geöffnete Einbahnstraßen. Zudem sahen die Vorschriften vor, das bis dato als ordnungswidrig eingestufte Verhalten der Radfahrenden zu legalisieren.37 Darunter fielen beispielsweise die Mitbenutzung von Busspuren, das Überholen von stehenden Autos an roten Ampeln, die Nicht-Benutzung von Fahrradwegen auf Bürgersteigen sowie das Fahren gegen die Fahrtrichtung in engen Einbahnstraßen der Innenstadt. Eben diese Verhaltensweisen waren unter den Radfahrenden zur Erhöhung der eigenen Geschwindigkeit, aber auch der eigenen Sicherheit sowie zur besseren Sichtbarkeit im Verkehr weit verbreitet gewesen. Die Autoren der Fahrradblogs begrüßten es, dass sich die Straßenverkehrsordnung endlich der Realität annäherte, vor allem weil die Anzahl der Radfahrenden im Verkehr weiter wachsen würde.38 Dennoch war die Reform zunächst nur juristisch relevant. Denn die Regelungen für die Nutzung traten erst in Kraft, sobald die Anlagen gebaut oder verkehrstechnische Eingriffe durchgeführt und mit Verkehrsschildern versehen worden waren. Allerdings blieb die bauliche Umsetzung vorerst aus. Der Ungarische Fahrradclub sah den Grund hierfür darin, dass die neuen 34 Vgl. kirk kapitány: Nálunk  a Tour de France is csak 40-nel mehetne [Bei uns könnte auch die Tour de France nur mit 40 fahren]. In: kerekagy.blog.hu vom 12.8.2009, URL: http://kerekagy.blog.hu/2009/08/12/a_kerekparozas_szuntelen_harc_a_kresz_szerint (am 1.1.2017). 35 Vgl. ebd. 36 Vgl. Nr. ÚT 2–1.203 Kerékpárforgalmi létesítmények fajtái és tervezési szabályai [Formen und Planungsregeln von Radverkehrsanlagen] 2010; vgl. Hima, Tamás: A közúti közlekedés szabályainak változása a forgalombiztonság és a környezetvédelem javulása érdekében [Die Veränderung der Verkehrsregelungen für die Verbesserung der Verkehrssicherheit und des Umweltschutzes]. URL : http://www.kti.hu/index.php?mact=News, cntnt01,print,0&cntnt01articleid=321&cntnt01showtemplate=false&cntnt01returnid=79 (am 31.5.2017). 37 Vgl. Ka: Futár gázolás tárgyalás [Umfahren eines Kuriers – Prozess]. In: criticalmass.hu vom 18.5.2006, URL: http://criticalmass.hu/forum-tema/20060518/futar-gazolas-targyalas (am 1.1.2017). 38 Vgl. lumina: A tipikus szabálytalanságokat építenék  a KRESZ -be [Sie wollen typische Regelverletzungen in die Straßenverkehrsordnung einbauen]. In: kerekagy.blog.hu vom 6.9.2010, URL : http://kerekagy.blog.hu/2009/09/06/az_uj_kresz_megmentheti_a_bicik​ lisek_becsuletet (am 1.1.2017).

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Planungsstandards in vielen Fällen nur empfohlen wurden, aber nicht explizit vorgeschrieben waren.39 Bei den von der Europäischen Union mitfinanzierten Projekten waren die Planungsstandards indes Pflicht. Ein weiterer Grund für die verhaltene Umsetzung war die Tatsache, dass die Unterlagen zu den Planungsstandards nur kostenpflichtig von der zuständigen Behörde, der Ungarische[n] Gesellschaft für Straßenwesen, zur Verfügung gestellt wurden.40 Auch deshalb planten viele Fachleute weiterhin vor dem Hintergrund ihres an den Universitäten erworbenen, traditionellen Verständnisses zum Radverkehr. Reaktion der Öffentlichkeit Anders als die Planer reagierte die Presse auf die neu aufgenommenen Standards sofort.41 Allerdings sorgten ihre Kommentare für Verwirrung in der Bevölkerung, in deren Auge die Radfahrenden ohnehin im Ruf standen, sich ordnungswidrig zu verhalten. Die neuen Regelungen – so die mediale Interpretation – würden nur dafür sorgen, dass Radfahrende von offizieller Seite eine Berechtigung für ihr Fehlverhalten erhielten, um den Straßenverkehr zu sabotieren. So könnten Radfahrende möglicherweise die Busse auf den gemeinsamen Bus- und Fahrradspuren aufhalten oder in Einbahnstraßen Unfälle mit ordnungsgemäß fahrenden Autos provozieren.42 Ein Journalist der Tageszeitung Népszabadság fasste seine Einschätzung wie folgt zusammen: Bis heute interpretieren viele die in der neuen Straßenverkehrsordnung eingeführten Veränderungen falsch, und dies führt zu immer mehr Konflikten auf den Straßen. Die sich ordnungswidrig verhaltenden Radfahrenden interpretieren die Regeln nämlich so, dass sie seit der Novellierung in jede Einbahnstraße entgegen der Fahrtrichtung einfahren können, obwohl dies in Wirklichkeit nicht so ist. Es ist nur dort möglich, wo dies mit Hilfe eines Schildes erlaubt wird. Trotzdem verletzen die Radfahrenden diese Regel oft und schwerwiegend und es hängt nur von der Aufmerksamkeit der Autofahrer ab, dass es zu keinen ernsthaften Unfällen kommt.43

39 Vgl. Közlekedés Munkacsoport, Miért készül annyi használhatatlan kerékpárút még ma is? [Warum werden auch heute noch so viele unbrauchbare Fahrradwege gebaut?], 1 f. 40 Vgl. ebd., 1. 41 Vgl. Nyusztay, Máté: Fordul a kormány – bringabarát lesz a KRESZ [Dreht sich der Lenker  – die Straßenverkehrsordnung wird fahrradfreundlich]. In: Népszabadság Online vom 10.10.2009, URL: http://nol.hu/belfold/20091010-z-378911 (am 1.1.2017). 42 Vgl. kirk kapitány: Tilosba lehet behajtani szabályosan [Freigabe von Einbahnstraßen für Radfahrende laut Regelungen]. In: kerekagy.blog.hu vom 24.4.2010, URL: http://kerekagy. blog.hu/2010/04/24/tilosba_lehet_behajtani_szabalyosan (am 1.1.2017); vgl. Kálmán, Attila: Nyeregben érezhetik magukat a bringások [Die Radfahrenden können sich sicher im Sattel fühlen]. In: Népszabadság Online vom 13.4.2011, URL: http://nol.hu/belfold/ nyeregben_erezhetik_magukat_a_bringasok-1039771 (am 1.1.2017). 43 Kálmán, Nyeregben érezhetik magukat a bringások [Die Radfahrenden fühlen sich sicher im Sattel], 1.

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Auch viele andere Berichte schilderten mögliche Horrorszenarien, die nun eintreten könnten. Das Nachrichtenportal origo.hu fasste derartige Meinungen knapp so zusammen: »Laut Vertretern der Auto- und Busfahrer werden mit der Erfüllung dieser Wünsche ›Leichen‹ produziert.«44 Solche Aussagen belegen die weiterhin großen Vorbehalte gegenüber dem Radverkehr in weiten Teilen der ungarischen Gesellschaft. Und sie zeigen, dass der Radverkehr im Verkehrsgeschehen in Budapest nicht verwurzelt war, was zusätzliche Ängste schürte. Zu selten wurde in den Medien darauf hingewiesen, dass es mit solchen Verkehrsanlagen im Ausland überwiegend positive Erfahrungen gab  – und keineswegs eine solch hohe Anzahl an Verkehrstoten zu beklagen war wie von den ungarischen Medien kolportiert. Die Reformen zielten ja darauf ab, die Sichtbarkeit zwischen Auto- und Radverkehr zu verbessern. Dafür, dass sich diese positiven Erfahrungen auch in Ungarn bestätigen würden, konnten allerdings weder die Interessenvertretungen noch die Planungsbehörden eine Garantie aussprechen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Programm Für ein Radelndes Ungarn einen Rahmen schuf, in dem die Radverkehrsplanung zwischen Verkehrswissenschaftlern sowie unter Einbeziehung der Fahrradinteressenvertretungen neu verhandelt wurde – wodurch eine neue Fachöffentlichkeit zur Radverkehrsplanung entstand. Die im Rahmen von EU-Förderungen geforderten Standards boten die Chance, veraltete Vorschriften zum Radverkehr neu aufzusetzen und in offiziellen Dokumenten zu implementieren. Allerdings wurde die Einführung der Neuerungen nicht zuletzt durch die überwiegend negative Berichterstattung der Medien zunächst erschwert.45

6.3 Das Budapester Verkehrszentrum: Integration des Radverkehrs in das Verkehrssystem der ungarischen Hauptstadt Politischer Kontext der Neuorganisation des Verkehrsmanagements 2010 feierten sowohl bei den Parlaments- als auch bei den Kommunalwahlen konservative Kräfte den Sieg. Nach 20 Jahren linker Führung bekam Budapest einen Oberbürgermeister der Partei FIDESZ . István Tarlós, der neue Oberbür44 Lencsés, Csaba: »Felrepült a bringás a szélvédőre« [»Der Radfahrende ist auf die Windschutzscheibe geflogen«]. In: origo.hu vom 18.6.2009, URL: http://www.origo.hu/auto/​ 20090618-a-kerekparosok-forgalomiranyitasi-elkepzelesei.html (am 1.1.2017). 45 Vgl. Tóth, Katalin: Interview mit dem ehemaligen Direktor des Budapester Verkehrszen­ trums, Dávid Vitézy, über die urbane Radverkehrspolitik. Budapest, Közlekedési Múzeum 2.4.2016.

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germeister, beauftragte Dávid Vitézy, den Sprecher des Vereins Városi és Elővárosi Közlekedési Egyesület [Freunde des Nah- und Vorstadtverkehrs, VEKE], mit der Neuorganisation des Stadtverkehrsmanagements. So bedeutete der Machtwechsel 2010 auch eine neue Ausgangslage zur Einführung neuer Planungsstandards für Fahrradinfrastrukturen in Budapest. Der Verein VEKE hatte sich in den Medien bereits einen Namen gemacht, weil er mit konkreten Vorschlägen die Neuorganisation des Budapester Nahverkehrs angestoßen hatte. Dennoch stieß die Ernennung von Dávid Vitézy zunächst auf viel Skepsis, weil er mit nur 25 Jahren und frisch von der Hochschule bereits eine Führungsposition mit viel Verantwortung erhielt. Seine Aufgabe war es, eine zentrale Führungsebene für das Management und die Instandhaltung aller Verkehrs- und Straßeninfrastrukturen in Budapest aufzubauen.46 So entstand unter seiner Leitung aus der zerstückelten Landschaft der für den kommunalen Verkehr zuständigen Abteilungen ein neues zentrales Organ der Verkehrskoordination, das Budapest Közlekedési Központ [Budapester Verkehrszentrum]. Die Struktur des Budapester Verkehrszentrums basierte auf dem Organisationsmodell von Transport for London, des Verkehrsmanagementbetriebs der britischen Hauptstadt. Mit diesem Neuanfang wurden viele Aktivistinnen und Aktivisten des Vereins VEKE Teil der Belegschaft des Budapester Verkehrszentrums. Die jungen Managerinnen und Manager mit Auslandserfahrung sowie die vielen jungen Hochschulabsolventinnen und -absolventen lieferten neue und vielfältige Perspektiven auf die kommunale Verkehrsgestaltung.47 Paradox ist der Fakt, dass die Erneuerung der Verkehrsorganisation durch eine Generation junger, europaorientierter und zivilgesellschaftlich engagierter Personen letztlich durch eine konservative politische Wende in der Hauptstadt ermöglicht wurde. Das Budapester Verkehrszentrum hatte einen starken Innovationscharakter. Zu den neuen Ansätzen gehörte die Erneuerung und Förderung des öffentlichen Nahverkehrs sowie des Fuß- und Radverkehrs. Angebot und Image der alten Budapesti Közlekedési Vállalat [Budapester Verkehrsgesellschaft] mussten deutlich verbessert werden. Die Tätigkeit des Budapester Verkehrszentrums begann damit, das Dienstleistungsniveau der Nahverkehrsgesellschaft zu verbessern, um den Nahverkehr wieder attraktiver zu machen. Die Erneuerung des Fuhrparks, ein schnell reagierender Kundendienst sowie eine große Marketingabteilung, die für Vorzeigeprojekte warb und über soziale Medien aktuelle Informationen veröffentlichte, prägten die europaweit be-

46 Ebd. 47 Vgl. Tóth, Katalin: Interview mit einem ehemaligen Mitarbeiter des Budapester Verkehrszentrums. Budapest 23.6.2015.; vgl. Tóth, Katalin: Interview mit Verkehrsingenieure und Mitarbeiter des Budapester Verkehrszentrums. Budapest 4.4.2013.

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kannte Marke des Budapester Verkehrszentrums.48 Die Aufwertung des Nahverkehrs in der Verkehrsorganisation hatte auch zur Folge, dass die bisherigen Privilegien des Autoverkehrs beschnitten wurden. Dies ließ sich an konkreten Maßnahmen, wie etwa der Neuprogrammierung der Ampelschaltungen für die Vorfahrt der Straßenbahnlinien vier und sechs auf der Großen Ringstraße, ablesen.49 Dávid Vitézy und viele seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatten sich zuvor in einem bürgerschaftlichen Verein zusammengefunden, dessen Erneuerungsgedanke in einer Mischung aus Unzufriedenheit über Korruptionsfälle und Missmanagement des Nahverkehrs und der nostalgischen Sehnsucht nach dessen vergangenen Glanzzeiten wurzelte.50 Diese jüngere Generation war stark davon geprägt, dass Ungarn noch in den 1970er-Jahren eine bedeutende Straßenbahn- und Busproduktion hatte.51 Das Zukunftsbild eines nachhaltigen, vernetzten, urbanen Nahverkehrs, wie auf europäischer Ebene sichtbar, hatte auch mit dem Wunsch nach Wiederbelebung des Nahverkehrs aus Traditionsgründen auf lokaler Ebene zu tun. Diese Ansätze trafen im Buda­pester Verkehrszentrum zusammen. Neuverortung des Radverkehrs im Verkehrsmanagement Für die Fahrradinteressenvertretungen bedeuteten die veränderten Kräfteverhältnisse im Verkehrsmanagement die lange erhoffte Aufwertung des Radverkehrs. Das Thema Radverkehr war bereits ein politisierter Bereich, der zwar einen vergleichsweise kleinen und unbedeutenden Teil des Stadtverkehrs ausmachte, aber dennoch große öffentliche Aufmerksamkeit genoss. Dávid Vitézy leitete schnell Schritte ein, die im Interesse des Radverkehrs standen. Zuerst warb er die beim Ungarischen Fahrradclub beschäftigte Verkehrsingenieurin Virág Kovács ab und stellte sie als Koordinatorin der Fahrradstrategie im Verkehrszentrum ein.52 Ihre Aufgabe war es, bei jeglichen Besprechungen zu Straßen- und Infrastrukturerneuerungsmaßnahmen präsent zu sein und die Interessen der Radfahrenden während des Planungs- und Bau48 Vgl. Tóth: Interview mit einem ehemaligen Mitarbeiter des Budapester Verkehrszen­ trums. 49 Das Verkehrszentrum argumentierte damit, dass die Straßenbahn im Berufsverkehr pro Stunde 8000 Menschen in einer Richtung transportiere, aber in den Autos stündlich nur 3000 Menschen in einer Richtung fahren. Vgl. Budapesti Közlekedési Központ: Sikeresen működik az új villamosbarát lámpaprogram a Nagykörúton. URL: http://www.bkk.hu/​ 2012/02/nagykorut_120202/ (am 23.12.2016). 50 Vgl. Tóth: Interview mit Verkehrsingenieure und Mitarbeiter des Budapester Verkehrszentrums. 51 Ebd. 52 Vgl. Tóth: Interview mit dem ehemaligen Direktor des Budapester Verkehrszentrums, Dávid Vitézy, über die urbane Radverkehrspolitik.

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Was macht das Radfahren mit der Stadt?

prozesses zu vertreten. Diese Position war ein Zeichen dafür, dass der Radverkehr nicht mehr nur bei Einzelprojekten durch externe Interessenvertretungen repräsentiert wurde, sondern integraler Bestandteil des täglichen Geschäfts in der Budapester Verkehrsorganisation war.53 Zur Fahrradstrategie des BKK gehörte auch die Entwicklung eines eigenen Fahrradkonzepts bis 2013, in dem Grundsätze und konkrete Schritte für die fahrradfreundliche Umgestaltung der Innenstadt enthalten waren.54 Es war ein eindeutiger Imagegewinn für das Budapester Verkehrszentrums, den Radverkehr zu unterstützen. Dávid Vitézy, der viel Erfahrung als früherer Pressesprecher bei VEKE hatte, signalisierte durch Ankündigungen an die Fahrrad-Community mehrmals den veränderten Stellenwert des Radverkehrs im kommunalen Verkehrsmanagement.55 So vermeldete er 2012 während einer Podiumsdiskussion zum Thema Wodurch wird Budapest besser? im Rahmen der Veranstaltungsreihe TEDxYouth, dass das Verkehrszentrum plane, zehn Busspuren für Radfahrende freizugeben.56 Da diese Maßnahme von einer staatlichen Institution ohne vorherigen Druck der Fahrradinteressenvertretungen ausging, wurde dieser Schritt von der Fahrrad-Community besonders bejubelt.57 Auch die neu eingeführten Regeln zu Radverkehrsanlagen wurden nun tatsächlich angewendet und ausprobiert, worauf im Folgenden noch genauer eingegangen wird. Auf der Homepage des Verkehrszentrums wurde für unterschiedliche Straßenabschnitte der Ausbau von Fahrradinfrastrukturen angekündigt.58 2013 folgte die Nachricht, dass in einigen Fahrzeu-

53 Vgl. ebd. 54 Vgl. Budapesti Közlekedési Központ: A budapesti kerékpáros közlekedés fejlesztési koncepciója [Entwicklungskonzept des Radverkehrs in Budapest] 2013, URL: https://molbubi. bkk.hu/docs/BKK_kerekparos_koncepcio_2013_majus.pdf (am 1.1.2017). 55 Vgl. Tóth: Interview mit dem ehemaligen Direktor des Budapester Verkehrszentrums, Dávid Vitézy, über die urbane Radverkehrspolitik. 56 Vgl. TEDxYouth: Mitől lesz jobb Budapest? [Wie wird Budapest besser?] 28.7.2012, URL: https://youtu.be/5AEm4WISo6E (am 1.1.2017). 57 Vgl. Magyar Kerékpárosklub: Elértük: 10 buszsáv nyílik meg a bringásoknak augusztusban [Wir haben es erreicht: 10 Busspuren werden für den Radverkehr im August geöffnet]. In: kerekparosklub.hu vom 1.8.2012, URL: http://kerekparosklub.hu/elertuk-10-buszsavbicikli-augusztus-bkk (am 1.1.2017). 58 Vgl. Budapest Közlekedési Központ: Fejlesztés Kőbányán – Újabb kerékpárút készült el Budapesten. URL: http://www.bkk.hu/2012/06/fejlesztes-kobanyan-%E2 %80 %93-ujabbkerekparut-keszult-el-budapesten/ (am 28.2.2017); vgl. Budapest Közlekedési Központ: Fejlesztés Óbudán – Befejeződtek a III . kerületi Bécsi út – Nagyszombat utcai kerékpárút munkálatai. URL: http://bkk.hu/2012/10/obuda-kerekparut/ (am 28.2.2017); vgl. Budapest Közlekedési Központ: Újabb kerékpárút szakasz készült el Budapesten a XXI . kerü­ letben [Eine neue Fahrradwegstrecke wurde im 21. Bezirk fertiggestellt]. URL: http:// bkk.hu/2012/10/ujabb-kerekparut-szakasz-keszult-el-budapesten-a-xxi-keruletben/ (am 28.2.2017).

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Das Budapester Verkehrszentrum

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gen des Nahverkehrs die Fahrradmitnahme, ein lange gehegter Wunsch der Fahrradinteressenvertretungen, im Testlauf eingeführt werden soll.59 Außerdem wurde 2012 ein Radverkehrszähler pro Fahrtrichtung auf der AndrássyStraße installiert.60 Im Rahmen der regelmäßigen Verkehrszählungen der Stadt wurde so nach jahrzehntelanger Pause auch der Radverkehr wieder als eigene Kategorie erfasst. Das Verkehrszentrum schlug einen innovativen Ton in der Radverkehrsplanung und im Radverkehrsmanagement an, was allerdings nicht bedeutete, dass die Interessen der Radfahrenden schlagartig zur ersten Priorität wurden. Virág Kovács, die Koordinatorin der Fahrradstrategie, wurde vom geschäftsführenden Direktor zwar unterstützt, doch ihre Arbeit bestand darin, als Einzelkämpferin mühsame Kompromisse im institutionellen Rahmen des Verkehrszentrums zu suchen, die nicht immer von Erfolg gekrönt waren.61 Die zwischen Fahrradbefürworterinnen und -befürwortern sowie Gegnerinnen und Gegnern geführten Diskussionen auf anderen Ebenen spielten sich im Kleinen auch im Verkehrszentrum ab. Virág Kovács beschrieb die Kräfteverhältnisse und ihre eigene Rolle in der Planungsvorbereitung im Interview so: […] die Gleichberechtigung [der Radfahrer], wenn ich das sage, führt zur Ablehnung bei der anderen Seite. Auf der einen Seite haben sie ja das Gefühl, dass die Bedürfnisse der Radfahrenden überrepräsentiert wären. Gleichzeitig wäre es für die Stadt besser, wenn der Verkehr langsamer wäre und mehr Radfahrende da wären. Und diese zwei Aspekte stehen zueinander in einem Spannungsverhältnis. Manchmal muss ich dabei die Bedürfnisse des Radverkehrs überbetonen, um überhaupt irgendetwas zu erreichen. Das ist meine Taktik. Und die ist schwierig.62

Diese Taktik blieb nicht unbemerkt. Andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter warfen Virág Kovács und anderen Fahrradsympathisanten fehlende Kompromissfähigkeit und Maßlosigkeit vor, da sie bei Verhandlungen stets übertriebene Forderungen stellen würden.63 Das Radfahren und die Auffassung über dessen Rolle im Zukunftsbild der Stadt waren selbst im Budapester Ver59 Vgl. Budapest Közlekedési Központ: Tovább bővítjük  a kerékpárszállítási lehetőséget a budapesti tömegközlekedési hálózaton [Wir erweitern die Möglichkeit der Fahrradmitnahme im Verkehrsnetz von Budapest]. In: bkk.hu vom 17.9.2013, URL: http://www.​bkk. hu/2013/09/tovabb-bovitjuk-a-kerekpar-szallitasi-lehetoseget-a-budapesti-tomegkozleke​ desi-halozaton/ (am 1.1.2017). 60 Vgl. Földes, András: Titkos bringaszámláló az Andrássy úton [Der geheime Radzähler auf der Andrassy-Straße]. In: kerekagy.blog.hu vom 10.10.2012, URL: http://kerekagy.blog. hu/2012/10/10/titkos_bringaszamlalo_az_andrassy_uton (am 1.1.2017). 61 Tóth, Katalin: Interview mit Zita Virág Kovács über die Arbeit als Koordinatorin für Radverkehrsstrategie beim Budapester Verkehrszentrum. Budapest 26.3.2013. 62 Vgl. ebd. 63 Tóth: Interview mit einem ehemaligen Mitarbeiter des Budapester Verkehrszentrums.

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kehrszentrum umstritten: Die Mehrheit identifizierte sich nicht mit dem geforderten höheren Stellenwert für den Radverkehr. Vielmehr wurden die Verfechterinnen und Verfechter des Radverkehrs als Radikale abgestempelt. Die Aussagen eines ehemaligen Mitarbeiters des Verkehrszentrums belegen das. […] ich habe sehr oft gesagt, okay, dann nehmen wir die Fahrradinfrastruktur hier, da und dort [aus den Plänen – Bemerk. K. T.] raus, weil am einfachsten auf sie verzichtet werden kann. Obwohl ich selber Fahrrad fahre, habe ich dann gesagt, ja, die Fahrbahn ist ja auch noch [für die Radfahrenden – Bemerk. K. T.] da. Das ist ebenso eine Infrastruktur wie der Fahrradstreifen und die Bodenmarkierung mit Fahrradzeichen. Natürlich ist die Fahrbahn nicht nur dem Radverkehr vorbehalten und deswegen nicht so bequem, und mit Kleinkind auf dem Fahrrad fährt man nicht [auf der Straße – Bemerk. K. T.]. Was soll’s! In Bezug auf die ganze Stadt ist das [die Fahrradinfrastruktur – Bemerk. K. T.] sicherlich immer noch am einfachsten zu entbehren, als wenn der Verkehr, der da durchgehen sollte, nicht durchgehen kann.64

Das Zitat verdeutlicht, dass die Meinungsverschiedenheiten oftmals um die Verwendung des knappen Raumes kreisten, genauer um die Frage, nach welchen Prioritären Verkehrsraum geplant und reguliert werden sollte. Die neuen Kräfteverhältnisse brachten es mit sich, dass die Fahrradinteressenvertretungen weniger Energie in die politische Lobby-Arbeit investierten. Virág Kovács wurde vom Ungarischen Fahrradclub als Vorposten im Verkehrszentrum betrachtet, weshalb andere Themen mit weniger Aufmerksamkeit verfolgt wurden.65 Ein Beispiel für das abflauende Engagement war beispielsweise die Neugestaltung des zentralen Budaer Verkehrsknotenpunktes Széll Kálmán tér [Széll-Kálmán-Platz], bei dem schließlich die Vorschläge von Virág Kovács zur Wegeführung des Radverkehrs gestrichen wurden.66 Für die Fahrradinteressenvertretungen war die Umbaumaßnahme nicht relevant gewesen, weil weder die genauen Pläne noch der Zeitpunkt bekannt waren, sodass gegen die Streichung nicht rechtzeitig interveniert werden konnte.67 Insofern wird auch am neu entstandenen Verkehrszentrum deutlich, dass der Radverkehr eine personenbezogene Aufgabe war, die in der Hierarchie der Interessen stets neu verhandelt wurde. Die Debatten über die Rolle des Radverkehrs, die bislang über verschiedene Abteilungen hinweg geführt worden waren, wurden im Verkehrszentrum zwar in einem neuen institutionellen Rahmen verortet – aber auch hier nicht gelöst. 64 Ebd. 65 Vgl. Tóth, Katalin: Interview mit Orsolya Liptay über das Engagement beim Ungarischen Fahrradclubs und über die Gründung von Bringakonyha. Budapest 3.9.2014. 66 Tóth: Interview mit Zita Virág Kovács über die Arbeit als Koordinatorin für Radverkehrsstrategie beim Budapester Verkehrszentrum. 67 Ebd.

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Bezogen auf das Verkehrsmanagement des Stadtverkehrs bleibt festzuhal­ ten, dass die 2010 neu geschaffene und allein verantwortliche Institution die Aushandlungsprozesse wesentlich vereinfachte und durch ihre innovative Führung auch Pilotprojekten zum Erfolg verhalf. Ungeachtet der internen Debatten gelang es den Verantwortlichen des Budapester Verkehrszentrums – wie es die Fahrradinfrastrukturen späterer Jahre zeigen werden –, eine fahrradfreundliche urbane Verkehrsplanung sowie ein professionelles Radverkehrsmanagement in Budapest zu etablieren.

6.4 Neue Infrastrukturen für den Radverkehr Am deutlichsten zeigt sich der Wandel des Verkehrsleitbildes in der Stadt an konkreten Bauprojekten. Einige Projekte werden im Folgenden deshalb genauer dargestellt. Fahrradabstellplätze Zu den Infrastrukturen für den zunehmenden Radverkehr gehörten auch sichere Abstellmöglichkeiten für Fahrräder. In den 1900er-und frühen 2000erJahren zeigte sich der Underground-Charakter des Radfahrens nicht nur an fehlender Rücksicht für Radverkehr im Straßenverkehr und in vernachlässigten Fahrradwegen, sondern auch an fehlenden Fahrradstellplätzen im öffentlichen Raum. Lange Zeit hieß es, dass illegale Partys und die angesagtesten Clubs in der Innenstadt durch an Zäune, Straßenlaternen, Verkehrsschilder und Fenstergitter angekettete Fahrräder leicht zu finden seien. Einige der Ruinen­kneipen der Innenstadt, wie Szimpla Kert [Szimpla Garten] und ­Fogasház [Zahnhaus], stellten in den 2000er-Jahren eine Zeitlang eigene Fahrradabstellräume zur Verfügung – bis diese wegen fehlender Brandschutzmaßnahmen wieder abgeschafft wurden.68 Ansonsten waren im öffentlichen Raum im Gegensatz zu deutschen, österreichischen oder niederländischen Städten keine abgestellten Fahrräder in größerem Umfang zu sehen. Die Fahrradnutzung war und blieb ein junges Phänomen. Die große Diebstahlgefahr zwang die Radfahrenden meist dazu, ihre Fahrräder nicht auf der Straße stehen zu lassen, sondern auf Balkons, in Treppenhäusern oder in Innenhöfen anzuschließen und abzustellen. Bei

68 Vgl. Fogasház [Zahnhaus]. URL: http://kocsma.blog.hu/2011/08/21/fogashaz_6 (am 27.4. 2017); vgl. pilóta: kerékpár(os)barát szórakozóhely [Fahrradfreundliche Kneipen und Clubs]. In: criticalmass.hu vom 17.9.2008, URL: http://criticalmass.hu/forum/20080​917/ kerekpar-os-barat-szorakozohely (am 1.1.2017).

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einer Meinungsumfrage im Jahr 2000 gaben die Befragten unter anderem die fehlenden Abstellplätze und die Angst vor Diebstahl als einen Grund an, weswegen sie das Fahrrad nicht in der Stadt nutzen wollten.69 Die Errichtung von Fahrrad-Stellplätzen beim Bau von Wohnhäusern oder öffentlichen Gebäuden war ja im Gegensatz zu den vorgeschriebenen Autoparkplätzen keine Bauvorschrift. Als der Radverkehr in der Innenstadt graduell zunahm, wurde das Parken ein immer größeres Problem. Öffentliche Institutionen, Einkaufszentren, Firmen und Sportanlagen begannen, Abstellmöglichkeiten für Radfahrende einzurichten. Allerdings fehlten hierfür praktische Erfahrungswerte. Der Ungarische Fahrradclub bot Geschäften, Gaststätten und Bürohäusern Beratung an, wie sie Fahrradabstellanlagen planen, genehmigen und bauen lassen könnten und welche Bauformen sich am besten dafür eigneten.70 Pionier in diesem Feld war abermals die Fahrradkurierfirma Hajtás Pajtás im 7. Bezirk. Für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollte sie offizielle Abstellplätze ausweisen, da die Firma von Anwohnern wegen angeketteter Fahrräder mehrmals angezeigt worden war.71 Der Direktor und Fahrradaktivist Gábor Kürti konnte mit seinem Antrag erreichen, dass vor dem Büro ein Fahrradabstellplatz anstelle eines Autoparkplatzes eingerichtet wurde und gegen eine Nutzungsgebühr zur Verfügung stand.72 Die Dokumentation des insgesamt sechsmonatigen Vorgangs mit der Bezirksverwaltung stellte er als Ermutigung für ähnliche Anträge ins Netz. Noch größere Aufmerksamkeit erntete jedoch die Bezirksverwaltung des 7. Bezirks. 2008 folgte auf die Fahrrad-Stellplatz-Initiative der Kurierfirma die Kontaktaufnahme seitens des Bürgermeisters György Hunvald, der auf öffentlichem Grund ebenfalls Fahrradstellplätze ausweisen lassen wollte.73 Die einzelnen Bezirksverwaltungen in Budapest genossen große Autonomie und Entscheidungsmacht, wie bereits die Initiativen der 1990er-Jahre gezeigt hat69 Vgl. Horvátth, Balázs, Dr. Moingl, János / Berki, Zsolt: Kerékpározási szokások vizsgálata Budapesten [Analyse der Gewohnheiten der Radfahrenden in Budapest]. URL: http:// transman.hu/Projektek/Kerszok.pdf (am 27.4.2017). 70 Vgl. Magyar Kerékpárosklub: Kerékpárparkolók létesítése [Errichten von Fahrradabstellanlagen]. In: kerekparosklub.hu, URL: http://kerekparosklub.hu/navigacio/kozlekedes/ kerekpartarolas (am 1.1.2017). 71 Vgl. Földes, András: Kerékpáros város lehet Budapestből? [Kann aus Budapest eine Fahr­ radstadt werden?]. In: index.hu vom 4.5.2008, URL: http://index.hu/belfold/budapest/​ kpt0430/ (am 1.1.2017). 72 Vgl. Kürti, Gábor: Egy autóval kevesebb – így telepíthetsz biciklitárolót [Ein Auto weniger – so kannst du einen Fahrradabstellplatz bauen]. In: criticalmass.hu vom 26.2.2008, URL: http://criticalmass.hu/blogbejegyzes/20080226/egy-autoval-kevesebb-igy-tele​pithetsz​ -biciklitarolot (am 1.1.2017). 73 Vgl. Földes, Kerékpáros város lehet Budapestből? [Kann aus Budapest eine Fahrradstadt werden?].

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ten, und so ließ sich das Ansinnen des Bürgermeisters leicht umsetzen. Ende 2008 wurden circa 500 Fahrradstellplätze geschaffen, wofür 30 Autoparkplätze wegfielen.74 Damit war der 7. Bezirk der erste, der Autoparkflä­chen im Interesse des Radverkehrs abschaffte. Zu den Gründen für diese Entscheidung gelangten keine Informationen an die Öffentlichkeit. Ein Grund war vermutlich die schnelle Revitalisierung des Bezirks durch Gastronomie und Tourismus. Die engen Innenstraßen mit wenig Autoverkehr führten unter anderem zu einem Anstieg des Radverkehrs in diesem Bezirk. Andere Bezirke folgten dem Beispiel bald nach.75 Nach der Gründung des Budapester Verkehrszentrums kamen der systematische Ausbau dieser Stellflächen und der Bau von Bike-and-Ride-Parkplätzen an Bahnhöfen dazu.76 Die Verbreitung der Fahrradstellplätze lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen. Erstens auf die Vorgaben der Europäischen Union, die in der Förderung von infrastrukturellen Maßnahmen die Errichtung von Fahrradstellplätzen explizit mit vorsah.77 Zweitens spielten Einzelinitiativen wie im 7. Bezirk eine Rolle. Und drittens war die Expertise des Fahrradclubs wegweisend, der auf die Bedürfnisse der Radfahrenden aufmerksam machte. Insgesamt führte der Ausbau der Abstellplätze zur Aufhebung der Informalität des Parkens. Brücken als Konfliktzonen: Beispiel Kettenbrücke Da Brücken kostspielige und auf Dauer angelegte Verkehrsinfrastrukturen sind, konservieren sie auch die während ihres Baus vorherrschenden Verkehrsvorstellungen.78 Die Budapester Brücken wurden schnell zu speziellen Verkehrshindernissen für den wachsenden Radverkehr in den 2000er-

74 Vgl. FA: 502 bicikli 31 autó helyén a 7. kerületben [502 Fahrräder anstelle von 31 Autos im 7. Bezirk]. In: index.hu vom 2.10.2008, URL: http://index.hu/belfold/tarolo1002/ (am 1.1.2017). 75 Vgl. Földes, András: Szégyelli  a bicikliseket  a hatodik kerület [Der 6. Bezirk schämt sich für Radfahrende]. In: kerekagy.blog.hu vom 29.4.2010, URL: http://kerekagy.blog. hu/2010/04/29/szegyelli_a_bicikliseket_a_hatodik_kerulet (am 1.1.2017); vgl. ­Flicka: Végre! – kerékpártárolók Újbudán [Endlich! – Fahrradabstellplätze in Újbuda]. In: kerek​ parosklub.hu vom 18.1.2012, URL: http://kerekparosklub.hu/del-buda/hirek/vegre-kerek​ partarolok-ujbudan (am 1.1.2017). 76 Vgl. Budapest Közlekedési Központ: P+R és B+R a fővárosi vasútállomások közelében [P+R és B+R in der Nähe der hauptstädtischen Bahnhöfe]. URL: http://www.bkk.hu/parkolas/ pr-parkoloink/fovarosi-vasutvonalak-menten/ (am 1.5.2017). 77 Vgl. K. A. I.: Budapest örül: P+ és B+R-ek uniós pénzen [Budapest freut sich: P + und B+ R aus Geldern der Union]. In: Népszabadság Online vom 8.6.2010, URL: http://nol.hu/ belfold/budapest_orul__p__es_b_r-ek_unios_penzen-693811 (am 1.1.2017). 78 Vgl. Emanuel, Martin: Monuments of Unsustainability: Planning, Path Dependence and Cycling in Stockholm. In: Oldenziel, Ruth / Trischler, Helmuth (Hg.): Cycling and recycling. Histories of sustainable practices. New York 2015, 101–124.

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Jahren.79 Offizielle Radwege existierten nur auf der Rákóczi-híd [RákocziBrücke] im Süden, der Árpád-híd [Árpád-Brücke] im Norden und der ­Északi Vasúti-összekötő-híd [Nördlichen Eisenbahnbrücke]. Auf allen anderen Brücken wichen die Radfahrenden in den 2000er-Jahren vor den Autos auf die Bürgersteige aus, wo sie wiederum den Fußverkehr störten. Dies führte, je nach Breite der Bürgersteige, zu sporadischen oder auch häufigen Ausein­ andersetzungen. Besonders konfliktbeladen war die Situation auf der historisch bedeut­ samen, aber engen Széchenyi-Lánchíd [Kettenbrücke], welche die Innenstadt und die Burg miteinander verbindet und somit auch ein touristischer Hot-Spot mit großer Besucherzahl ist. Dort war der Radverkehr auf der Fahrbahn seit 1927 verboten.80 Dies führte dazu, dass Touristengruppen den durch Durchgänge zusätzlich verwinkelten und beengten Bürgersteig mit den Radfahren­ den teilen mussten. Die Verkehrsbehörden und die Polizei hatten wiederholt versucht, die Radfahrenden durch Restriktionen zu disziplinieren. Vor allem gab es Probleme, als die Szabadság-híd [Freiheitsbrücke] 2007 und die Margit-híd [Margerethen­ brücke] zwischen 2009 und 2010 renoviert wurden und während der Bauarbeiten keine Durchfahrt für den gerade in dieser Periode schnell wachsenden Radverkehr gewährt wurde.81 Nur Fußverkehr war auf den Bürcken erlaubt. Trotzdem fuhren auch die Radfahrenden mehrheitlich durch. Um auf die unhaltbaren Zustände auf den Brücken aufmerksam zu machen, führten Fahrradaktivisten in den 2000er-Jahren Guerillaaktionen durch. Auf der Freiheitsbrücke sprühten Aktivisten in einer Nacht-und-Nebel-Aktion im Jahr 2011 Bodenmarkierungen mit einem Symbol für eine Fahrradspur auf.82 Manche Radfahrende wählten daraufhin statt des Bürgersteigs die Fahrbahn, was letztlich das Ziel der Aktivistinnen und Aktivisten gewesen war. Auf der 79 Vgl. Gruber, Gergely: Áthidaló megoldások – kerékpárral a Duna felett. Kerékpárral a hidakon – ellenfél az autós? [Überbrückende Lösungen – mit dem Rad über die Donau. Mit dem Rad auf Brücken – Autofahrer als Feind?]. In: autonavigator.hu vom 27.9.2012, URL: https://www.autonavigator.hu/sztori/kerekparral_a_hidakon_-_ellenfel_az_autos-​ 8624 (am 1.1.2017). 80 Vgl. Ohne Verfasser: A Lánchíd forgalmának újabb szabályozása [Erneute Regulierung des Verkehrs auf der Kettenbrücke]. In: Népszava 117 vom 24.5.1927, 8. 81 Vgl. László, János: Megbeszélés a Szabadság híd forgalomkorlátozásáról / Újabb hírek [Besprechung über die Verkehrseinschränkung auf der Freiheitsbrücke / Neue Nachrichten]. In: kerekparosklub.hu vom 23.8.2007, URL : http://kerekparosklub.hu/szabadsag-hidepitese-lesz-megbeszeles (am 1.1.2017). 82 Vgl. Tóth: Interview mit Gábor Kürti über die Firma Hajtás Pajtás, die Rolle als CriticalMass-Organisator und über die ehrenamtliche Mitarbeit im Ungarischen Fahrradclub; vgl. mVik: Szabadság-híd kerékpáros nyom [Bodenmarkierung mit dem Sinnbild Fahrrad auf der Freiheitsbrücke]. In: criticalmass.hu vom 18.7.2011, URL: http://criticalmass.hu/ blogbejegyzes/20110718/szabadsag-hid-kerekparos-nyom (am 1.1.2017).

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Kettenbrücke drehten die zwei Sprecher der CM-Gruppe 2009 einen Kurzfilm, worin einer das Verbotsschild für den Radverkehr auf der Auffahrt zur Brücke abschrauben will, letztlich aber von seinem Begleiter davon überzeugt wird, stattdessen am Autofreien Tag beim stellvertretenden Bürgermeister einen offiziellen Antrag zu stellen.83 Bei den Aktionen handelte es sich lediglich um Versuche, die Behörden herauszufordern und zu weiteren Schritten zu bewegen. Letztere führte 2010 zum Erfolg, als das Verbotsschild tatsächlich abgenommen wurde.84 Wie die folgenden Verkehrserhebungen zeigten, zogen viele Radfahrende dennoch auch weiterhin die Fahrt auf dem Bürgersteig vor.85 Nach 2010 forderten die Fahrradinteressenvertretungen die Sperrung der Kettenbrücke für den Autoverkehr, damit der Radverkehr in der Innenstadt eine sichere Querungshilfe erhält und als touristischer Raum vom Autoverkehr entlastet wird.86 Die verkehrsberuhigte Kettenbrücke hätte die Nutzung anderer Brücken teilweise ersetzten können. Auf diesen Vorschlag ging die kommunale Politik aber nicht ein. Noch wichtiger wurde der Vorschlag in Folge der nicht umgesetzten Forderungen der Fahrradinteressenvertretungen im Fall der Margarethenbrücke. Brücken als Konfliktzonen: Beispiel Margarethenbrücke Eine Verbesserung für den Radverkehr auf legalem Weg zu erreichen, bot sich mit dem Umbau der Margarethenbrücke 2009 an. Die Margarethenbrücke ist die Verlängerung der Großen Ringstraße samt Straßenbahnlinie über die Donau hinweg und sichert den Zugang zur Margit-sziget [Margaretheninsel], dem einzigen Erholungspark der Innenstadt. Der Fahrradclub erreichte 2007 und 2008 durch seine Lobbyarbeit, dass auf der Brücke übergangsweise an den Wochenenden eine vom Verkehr abgetrennte Fahrradspur auf der Fahrbahn in Richtung Insel eingerichtet wurde.87 Der Ungarische Fahrradclub hatte 83 Vgl. hepaj: Bringázni akarok a Lánchídon [Ich will Rad fahren auf der Kettenbrücke]. In: youTube.com vom 6.9.2009, URL: https://youtu.be/SyGZ5r0Z65U (am 1.1.2017). 84 Vgl. Törzsmókus: Bréking! Miénk a Lánchíd!! [Breaking! Die Kettenbrücke gehört uns!!]. In: criticalmass.hu vom 25.8.2012, URL: http://criticalmass.hu/blogbejegyzes/20120825/ breking-mienk-lanchid#comment-505181 (am 1.1.2017). 85 Vgl. Bencze-Kovács, Virág / Bereczky, Ákos / Ábel, Melinda: A kerékpáros forgalom elemzése Budapesten [Analyse des Radverkehrs in Budapest]. In: Útügyi lapok Frühling (2015), URL: http://utugyilapok.hu/cikkek/a-kerekparos-forgalom-elemzese-budapesten/ (am 1.1.2017), 18. 86 Vgl. Angyal, Gábor: Politikusok  a bringázásról. A  rossz tanuló felel [Politiker übers Radfahren. Der schlechte Schüler antwortet]. In: Népszabadság Online vom 23.9.2010, URL: http://www.nol.hu/belfold/politikusok_a_bringazasrol__a_rossz_tanulo_fele (am 1.1.2017). 87 Vgl: SZ . I. M.: A bicikliseknek adják az egyik sávot a Margit hídon [Sie geben den Radfahrenden eine Spur auf der Margarethenbrücke]. In: index.hu vom 14.6.2007, URL: https:// index.hu/belfold/budapest/margsas363/ (am 1.1.2017); vgl. lumina: Megint kapunk egy sávot  a Margit hídon [Wir bekommen wieder ein Spur auf der Margarethenbrücke].

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während des Planungsprozesses mit der Verwaltung eine akzeptable Lösung für die Wegeführung des Radverkehrs über die Brücke ausgehandelt, die sowohl auf der Südseite als auch auf der Nordseite Radwege vorsah.88 Diese über die Bürgersteige geführten Radwege waren zwar aus Sicht des Fahrradclubs nicht ideal, bedeuteten aber den einzigen Kompromiss, der sowohl Platz für die Straßenbahngleise als auch für zwei Fahrbahnen pro Fahrtrichtung auf der Brücke ließ. Diese Lösung hätte sowohl von Donauufer zu Donauufer als auch zur Insel eine barrierefreie Fahrt auf dem Fahrrad bedeutet. Die Stadtverwaltung, ihre Beratergruppe sowie die Planungs- und Baufirma vertraten dagegen die Ansicht, dass ein für beide Richtungen offener Radweg auf der Nordseite ausreichen würde. Dem hoffnungsvollen Beginn folgte eine bittere Enttäuschung, als 2009 öffentlich bekannt wurde, dass die Fahrradinfrastrukturen bis auf einen Radweg auf dem nördlichen Bürgersteig von der Stadtverwaltung hinter verschlossenen Türen gestrichen worden waren.89 Die geänderten Pläne waren zu diesem Zeitpunkt bereits von den Behörden für den Bau freigegeben worden. Die Margarethenbrücke wurde daraufhin zum Schauplatz eines symbolischen Kampfes um die Gleichberechtigung des Radverkehrs in Großbauprojekten. Konkret forderten die Fahrradinteressenvertretungen den Bau des Radweges auf der Südseite, der in den ursprünglichen Plänen noch vorhanden war. Durch Demonstrationen, offene Briefe und Aktionen auf der Brücke setzte sich der Fahrradclub für diese Lösung ein.90 Das Amt des Oberbürgermeisters hielt den Forderungen entgegen, dass man der Fahrradinteressenvertretung bereits entgegengekommen sei, indem man den Bürgersteig auf der Nordseite der denkmalgeschützten Brücke unter In: kerekagy,blog.hu vom 5.6.2008, URL: https://kerekagy.blog.hu/2008/06/05/megint_ kapunk_egy_savot_a_margit_hidon (am 1.1.2017). 88 Vgl. László, János: Mi lesz veled Margit híd? Újabb hírek! Talán jók is… [Was passiert mit Dir, Margarethenbrücke? Neue Nachrichten! Vielleicht auch gute…]. In: kerekparosklub. hu vom 4.11.2008, URL: http://kerekparosklub.hu/mi-lesz-veled-margit-hid-ujabb-hirektalan-jok-is (am 1.1.2017). 89 Vgl. Bajomi, Bálint: Küzdelem a Margit-híd körül [Der Kampf um die Margarethenbrücke ist rum]. In: greenfo.hu vom 19.8.2009, URL: http://greenfo.hu/hirek/hirek_item. php?hir=22220 (am 1.1.2017). 90 Vgl. Magyar Kerékpárosklub: A Margit hídi csata folytatása. Mit akarunk, és miért? [Fortsetzung der Schlacht auf der Margarethenbrücke. Was wollen wir und warum?]. In: kerekparosklub.hu vom 13.8.2009, URL: http://kerekparosklub.hu/nyilt-level-hagyomiklos-budapesti-fopolgarmester-helyettesnek-a-margit-hid-ugyeben-0 (am 1.1.2017); vgl. Margit hídi felhajtás: szimbolikus rámpát helyezett el  a Magyar Kerékpárosklub. Magyar Kerékpárosklub sajtóközleménye. [Der Umstand der Margarthenbrücke: der Ungarische Fahrradclub hat eine symbolische Rampe hingelegt. Pressemitteilung des Ungarischen Fahrradclubs]. In: Bikemag.hu vom 13.5.2011, URL : http://bikemag.​hu/​ magazin/hirek/margit-hidi-felhajtas-szimbolikus-rampat-helyezett-el-a-magyar-kerek​ paros​k lub (am 1.1.2017).

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Abb. 9: »Die geplanten Querschnittsmaßen der Margarethen­ brücke.« Auf der Südseite links wurde ein einspuriger Radweg auf dem Bürgersteig, auf der Nordseite rechts wurde ein ZweiRichtungs-Radweg eingeplant.

schwierigsten Bedingungen für den Zwei-Richtungs-Radweg verbreitert habe.91 Trotz der Aktionen und Demonstrationen setzte das Amt des Oberbürgermeisters die Pläne schließlich um.92 Die Fahrradaktivistinnen und -aktivisten berichteten danach detailliert über die zahlreichen Planungs- und Baufehler des gebauten Radweges. Erstens beklagten sie, dass der Bürgersteig für die Fußgängerinnen und Fußgänger nicht ausreiche, weshalb diese auf den bereits wegen den Schutzgittern Richtung Fahrbahn eng angelegten Radweg ausweichen würden. Zweitens waren die Anfahrt und Abfahrt zum Radweg zwischen Bürgersteig und Fahrbahn verkehrstechnisch gefährlich und für den Radverkehr unbequem gelöst.93 Den Fahrradweg auf der Margarethenbrücke stempelte der Ungarische Fahrrad­club schließlich als »institutionalisiertes Verkehrschaos« für Radfahrende ab. Seine Nutzung war äußerst umständlich und es symbolisierte Nachlässigkeit, Dilettantismus sowie eine verpasste Chance für eine fahrrad91 Vgl. Ohne Verfasser: Nincs változás a tervekben: lesz kerékpárút a Margit hídon [Keine Veränderungen in den Plänen:  es wird einen Radweg auf der Margarethenbrücke geben]. In: épülettar.hu vom 14.8.2009, URL : http://epulettar.hu/cikk/nincs-valtozas-atervekben-lesz-kerekparut-a-margit-hidon. 92 Vgl. DW1, Biciklis tüntetés  a Margit hídi bicikliútért [Fahrraddemonstration für den Fahrradweg auf der Margarethenbrücke]. In: index.hu vom 13.8.2009, URL: http://index. hu/kerekagy/2009/08/13/biciklis_tuntetes_a_margit_hidi_bicikliutert/ (am 1.1.2017). 93 Vgl. iho / zöldút: Újrafestik a Margit híd kerékpáros-piktogramjait [Die Fahrradsymbole der Margarethenbrücke werden auf der Fahrbahn erneuert]. In: iho.hu vom 28.3.2012, 1, URL: http://iho.hu/hir/ujrafestik-a-margit-hid-kerekparos-piktogramjait-120328 (am 1.1.2017).

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freundliche Stadt.94 Dieser Meinung war auch die Pro-Radfahren eingestellte Medien­öffentlichkeit.95 So beklagte ein Journalist: Wir hätten eine wunderschöne Brücke haben können, auf der der Verkehr wirklich auf europäischem Niveau organisiert wäre. Wir hätten viele neue Radfahrende haben können, wir hätten die Autonutzung in der Innenstadt eingrenzen können. Die Realität ist aber leider, dass die Autofahrenden die Brücke immer noch als Schnellstraße betrachten (darin spielt die unberechtigterweise hohe Straßenkante und ein Gitter, das die Fahrbahn zum Kanal macht, eine Rolle) […].96

In den folgenden Jahren wurden aufgrund der zahlreichen Beschwerden Ausbesserungen auf der Brücke vorgenommen, etwa Bodenmarkierungen für eine Radspur auf den Fahrbahnen.97 Die Fahrradinteressenvertretungen begrüßten zwar diese Maßnahme, blieben aber bei ihrer Sicht, dass es sich nur um späte Verbesserungsversuche einer verpfuschten Fahrradinfrastruktur handele.98 Das Beispiel zeigt das Vorenthalten von öffentlichen Informationen und die Undurchsichtigkeit der Entscheidungsfindung in der Budapester Verwaltung beispielhaft auf. Gleichzeitig verweist es auf die Mobilisierungskraft der Fahrradinteressenvertretungen auch außerhalb der zweimal jährlich veranstalteten CM-Demonstrationen. Zudem betrachteten die Fahrradinteressenvertretungen die zahlreichen Planungs- und Baufehler der Radwege auf der Brücke als eine Bestätigung ihres Wissensvorsprungs in der Radverkehrsplanung. Im Endeffekt bedeutete dies, dass sie sich noch konsequenter und mit größerem Druck für Transparenz beim Infrastrukturbau einsetzten. Umkämpfte Fahrradstreifen oder »der rote Teppich« für den Radverkehr Unter den Fahrradaktivisten gelten die auf der Fahrbahn eingerichteten Fahrradstreifen gemeinhin als Symbol für innovative Radverkehrsanlagen. Diese Infrastrukturform war eine der Radverkehrsanlagen, die 2010 in die neuen Vorschriften für den Straßenbau aufgenommen worden waren. Sie stellen 94 Vgl. ebd. 95 Kovács, Bálint: Kerékpárral a Margit hídon – De kit érdekelnek a bringások? [Mit dem Rad auf der Margarethenbrücke  – Wen interessieren die Radfahrenden?]. In: Magyar Narancs Velo Világ vom 11.9.2014, URL: http://magyarnarancs.hu/velovilag/kerekparrala-margit-hidon-de-kit-erdekelnek-a-bringasok-91712, (am 1.1.2017). 96 Baki, Ádám: Margit-híd: a kihagyott ziccer [Margarethenbrücke: die verpasste Chance]. In: mozgasvilag.hu vom 20.5.2011, URL: https://www.mozgasvilag.hu/kerekpar/hirek/ margit-hid-a-kihagyott-ziccer (am 1.1.2017). 97 Vgl. Halász, Áron: Sűrű bringajelekkel lett tele a Margit -híd [Die Margarethenbrücke ist mit Fahrradsymbolen voll geworden]. In: cyclechic.hu vom 28.3.2012, URL: http:// cyclechic.blog.hu/2012/03/28/suru_bringajelekkel_lett_tele_a_margit_hid (am 1.1.2017). 98 Vgl. CMHungary: Ez már  a mi sikerünk!  [Das ist schon unser Erfolg!]. In: facebook. com/CMHungary vom 13.7.2011, URL: https://www.facebook.com/CMHungary/posts/​ 219902124712157?match=bWFyZ2l0IGjDrWQsbWFyZ2l0 (am 1.1.2017).

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sozusagen das Gegenbild zum getrennten Fahrradweg auf dem Bürgersteig dar. Ihre Beliebtheit unter den Fahrradlobbyisten geht darauf zurück, dass die rotgefärbten, breiten Streifen Raum auf der Fahrbahn für Radfahrende reservieren und den Radverkehr wegen des möglichen Blickkontakts zwischen Rad- und Autofahrern sicherer machen. Die Auswertung der Unfallstatistik aus dem Jahr 2010 in Budapest hatte ergeben, dass die auf dem Bürgersteig oder gänzlich getrennt geführten Radwege ein mehr als zwölffaches Unfallrisiko gegenüber dem Radverkehr auf der Fahrbahn aufwiesen.99 Allerdings barg die Errichtung von Fahrradstreifen Konfliktpotenzial, da die Maßnahme den Wegfall von Fahrspuren oder Parkplätzen implizierte. Die Einführung von Fahrradstreifen auf der Kiskörút [Kleine Ringstraße] war deshalb ebenfalls umkämpft. Die innerstädtische Verkehrsachse entlang der Universitäten und des Nationalmuseums verbindet die Freiheitsbrücke mit dem Stadtzentrum. Im Rahmen der Bauarbeiten zur vierten U-Bahnlinie nutzte die Stadt die Chance, den Straßenkörper der Kleinen Ringstraße zu erneuern. Die mit der Planung beauftragte Baufirma hatte schon 2007 empfohlen, keinen Fahrradstreifen einzuplanen, da dafür Parkplätze wegfallen würden und Bäume gefällt werden müssten.100 Das Planungsbüro war der Meinung, dass der Radverkehr durch die Nebenstraßen geführt werden sollte. Die Fahrradinteressenvertretungen argumentierten dagegen für Fahrradstreifen in beiden Fahrtrichtungen, auch wenn dadurch Platz für den Autoverkehr und Parkplätze wegfallen würden. Sie beriefen sich auf den von der Europäischen Union finanzierten Revitalisierungsplan für die Innenstadt, Budapest Szíve Programm [Herz der Innenstadt-Programm], das auch Verkehrsberuhigungsmaßnahmen beinhaltete und für diese Strecke einen Fahrradstreifen vorsah.101 Nach Verhandlungen mit dem Amt des Oberbürgermeisters, Protestaktio­ nen der CM-Gruppierung und eingereichten Empfehlungen von Seiten des Fahrradclubs gaben der Oberbürgermeister Gábor Demszky und sein Verwaltungsapparat letztlich nach und änderten die Pläne.102 An die Öffentlichkeit gelangten keine näheren Informationen zu den Hintergründen dieses Ent99 Vgl. Felföldi, Péter: A budapesti kerékpáros balesetek vizsgálata 2011–2012-ben, javaslatok a megelőzésre [Die Analyse der Budapester Fahrradunfälle in den Jahren 2011–2012. Empfehlungen für Prävention]. Budapest 2013, 82 f. 100 Vgl. Kovács, Áron: Nem akar bringautat a tervező a Kiskörútra [Der Planer will keinen Fahrradweg auf der Kleinen Ringstraße]. In: origo.hu vom 20.7.2007, URL: http://www.origo.hu/ itthon/20070719-a-tervezok-szerint-folosleges-a-kiskoruti-kerekparut.html (am 1.1.2015). 101 Vgl. ders.: Rángatják a bringások bajszát Demszkyék [Demszky ärgert die Radelnden]. In: origo.hu vom 29.5.2007, URL: http://www.origo.hu/itthon/20070528rangatjak.html (am 1.1.2015). 102 Vgl. critical mass: Mi történt ma a kiskörút ügyében? [Was passierte heute in Bezug auf die Kleine Ringstraße?]. In: criticalmass.hu vom 29.5.2007, URL: http://criticalmass.hu/ blogbejegyzes/20070529/mi-tortent-ma-kiskorut-ugyeben (am 1.1.2015).

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gegenkommens. Als Vorbereitung auf die Wahlkampagne galt das Bauprojekt nicht, weil der Oberbürgermeister nach zwei Jahrzehnten nicht erneut kandidierte. Am plausibelsten erscheint die Erklärung, dass die Fahrradinteressenvertretungen Ende der 2000er-Jahre eine nicht mehr leicht zu übergehende, bürgerschaftliche Kraft darstellten, deren Stimme Druck auf die Politik ausübte und Veränderungen bewirken konnte. Weitere Konflikte entstanden dadurch, dass Anwohner, Ladeninhaber sowie die Organisation Emberibb Parkolásért Mozgalom [Bewegung für menschengerechtes Parken] wegen der abgeschafften Autoparkplätze Klage bei Gericht einreichten und die Wiederherstellung der Parkplätze forderten.103 Um mehr Präsenz zu zeigen, wurden die neu errichteten Fahrradstreifen Anfang Dezember 2009 von der Bewegung für menschengerechtes Parken im Rahmen einer Demonstration besetzt.104 Dieser Protest wurde von Fahrradaktivistinnen und Fahrradaktivisten in ihren Blogs und Videos als rückständige und intolerante Aktion einer kleinen Gruppe älterer Männer kritisiert. Klage und Demonstration der Bewegung blieben erfolglos. In der Folge wurde der rote Fahrradstreifen auf der Kleinen Ringstraße von den Aktivisten als Beweis dafür gefeiert, dass zeitgemäße Fahrradinfrastrukturen auch auf Wegen mit enormem Verkehrsaufkommen umsetzbar sind, und der Durchbruch als »unser Stalingrad« bezeichnet.105 Radverkehrszähler der Kleinen Ringstraße Vor diesem Hintergrund war eine auf die Eröffnung der Fahrradstreifen folgende Aktion ein mit Bedacht gewählter weiterer symbolischer Akt. 2010 weihten der Ungarische Fahrradclub und die CM-Community einen aus Spenden finanzierten automatischen Radverkehrszähler ein.106 Dieser war der erste seiner Art in der Hauptstadt.

103 Vgl. MTI- OS: Perben követelik vissza a parkolóikat a Kiskörúton [Durch Prozess fordern sie ihre Parkplätze an der Kleine Ringstraße zurück]. In: noplaza.hu vom 21.10.2010; Ohne Verfasser: Torokra ugranak az autóimádók [Die Autoliebhaber gehen uns an die Gurgel]. In: indy.media.hu vom 16.11.2009, URL: http://tozsde.noplaza.hu/hirek/2010/10/21/per​ benkovetelikvisszaparkoloikatakiskoruton/ (am 1.1.2015). 104 Vgl. kirk kapitány: Újabb offenzívát indított a bringásfasisztázó autós szervezet [Die Organisation hat mit dem Vorwurf des Fahrradfaschismus eine neue Offensive gestartet]. In: kerekagy.blog.hu vom 10.12.2009, URL: https://kerekagy.blog.hu/2009/12/10/ujabb_ offenzivat_inditott_a_bringasfasisztazo_autos_szervezet (am 1.1.2017). 105 Halász, Bicikliző Budapest – Egyre inkább nyeregben [Radfahrende in Budapest – Immer mehr im Sattel]; vgl. critical mass: Happy Mass a kiskörúti bringasávon [Happy mass auf den Fahrradstreifen der Kleinen Ringstraße]. In: greenfo.hu vom 18.5.2011, URL: http:// greenfo.hu/programok/2011/05/18/happy-mass-a-kiskoruti-bringasavon (am 1.1.2017). 106 Vgl. Kilian, Zsolt: A számlálóról [Über den Zähler] (am 2.3.2017), URL : https:// kerekparosklub.hu/szamlalo/cimlap (am 1.1.2017).

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Abb. 10: János László, Präsident des Fahrradclubs, steht auf der Radfahrspur auf der Kleinen Ringstraße neben dem Radverkehrszähler.

Das Aufstellen dieses Zählers an einer repräsentativen Stelle vor dem Nationalmuseum bedeutete für den Radverkehr einen weiteren Schritt aus der Informalität heraus. Die Daten ermöglichten den Fahrradorganisationen, ihre Forderungen mit Zahlen zu untermauern. Diese waren auch wichtige Voraussetzung für die Planbarkeit des Radverkehrs. Die Messungen zeigten, dass der Radverkehr exponentiell anstieg, machte aber auch saisonale Schwankungen zwischen Sommer und Winter sichtbar. Der Ungarische Fahrradclub veröffentlichte regelmäßig die in Grafiken aufbereiteten Daten und machte sie auf der Website frei zugänglich.107 Sobald der Zähler eine neue Marke überschritten hatte, feierten die Aktivisten des Fahrradclubs dies in öffentlichkeitswirksamen Videos, die sie über soziale Netzwerke verbreiteten.108 In den Videos ging es darum, Beweismittel für die »Fahrradrevolution« zu sammeln

107 Vgl. Magyar Kerékpárosklub: Mérési adatok  – Számláló. Megmutatjuk, hogy sokan vagyunk! [Messdaten  – Zähler. Wir zeigen, dass es viele von uns gibt!]. URL: http:// kerekparosklub.hu/szamlalo/adatok (am 2.5.2017). 108 Vgl. hepaj: Százezer bringás a Kiskörúton [Hunderttausend Radfahrende auf der Kleinen Ringstraße]. In: youTube.com vom 22.11.2010, URL : https://youtu.be/GzTyGTcU7po (am 1.1.2017); vgl. RickyTerror: Félmillió bringás a Kiskörúton! [Anderthalb Millionen Radfahrende auf der Kleinen Ringstraße!]. In: kerekagy.blog.hu vom 24.10.2013, URL: https://kerekagy.blog.hu/2013/10/24/felmillio_bringas_a_kiskoruton (am 1.1.2017).

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und damit an die Öffentlichkeit zu treten. Im Sommer 2013 übergab der Fahrradclub den Zähler an das Budapester Verkehrszentrum. Das Radverleihsystem BUBI und das Budapester Verkehrszentrum In der Radverkehrspolitik der Hauptstadt schlug das Budapester Verkehrszentrum ab 2010 wie beschrieben ein neues Kapitel auf. Es setzte die 2010 eingeführten Planungsstandards für Radverkehrsanlagen in seinem Organisationsrahmen um und besserte die von den Interessenvertretungen wegen ihrer Unfallgefahr lange kritisierten Fahrradinfrastrukturen der 1990er-Jahre aus.109 Im Falle der Andrássy-Straße und Bajzsy-Zsilinszky-Straße bedeutete das die Verlegung des Radverkehrs auf die Fahrbahn, was Vertreter des Fahrradclubs vorgeschlagen hatten. Fest verankert wurde der Radverkehr im Stadtbild letztlich durch das Fahrradverleihsystem Budapest Bicycle [BUBI]. Seit 2008 gab es immer wieder Medienberichte darüber, dass der Fővárosi Közgyűlés [Stadtrat] Vorbereitungen unternahm, ein Fahrradverleihsystem nach dem Vorbild anderer Städte aufzubauen. Die Idee eines Fahrradverleihsystems wurde stets von Skepsis begleitet. Es war fraglich, ob es überhaupt gebaut werden sollte, ob es genutzt werde oder schnell durch Vandalismus beschädigt würde. Im September 2009 beschloss die Regierung schließlich die Verwirklichung des Projekts Kerék­páros közösségi közlekedési rendszer [Öffentliches Radverkehrssystem], was trotz des Machtwechsels 2010 unverändert vorangetrieben wurde.110 85 Prozent der Fördergelder flossen über die Europäische Union. Das Radverleihsystem war eine Art Katalysator, der die Bezirke und das Verkehrszentrum dazu veranlasste, die für die Verbesserung des Radverkehrs nötigen verkehrstechnischen Eingriffe gemeinsam anzugehen. Diese Zusammenarbeit war deswegen bedeutsam, weil es die bisherige Zergliederung im Radwegebau zwischen den Verwaltungen auf Bezirksebene und der hauptstädtischen Ebene beendete. 109 Vgl. Budapesti Közlekedési Központ: Elkészült az új, biztonságos és kerékpárosbarát forgalmi rend az Andrássy út belső szakaszán [Die neue sichere fahrradfreundliche Verkehrsordnung wurde auf der innenstädtischen Seite der Andrássy-Straße eingeführt]. In: bkk.hu vom 29.5.2012, URL: http://bkk.hu/2012/05/elkeszult-az-uj-biztonsagos-​eskerekparosbarat-forgalmi-rend-az-andrassy-ut-belso-szakaszan/ (am 1.1.2017); vgl. Halász, Áron: Ne legyen elszalasztott lehetőség a Bajcsy-Zsilinszky út átalakításából! [Es sollte keine verpasste Chance beim Umbau der Bajzsy-Zsilinszky-Straße werden!]. In: kerekparosklub.hu vom 28.5.2013, URL: http://kerekparosklub.hu/ne-legyen-elszalasztottlehetoseg-a-bajcsy-zsilinszky-ut-atalakitasabol (am 1.1.2017). 110 Vgl. COWI Magyarország – Parking Kft.: Kerékpáros közösségi közlekedési rendszer kialakítása Budapesten. II . fázisú Megvalósíthatósági tanulmány költség-haszon elemzés [Ausbau des öffentlichen Radverkehrssystems in Budapest. Studie über die Verwirk­ lichung in zwei Phasen und Analyse der Finanzen und Nutzen]. Budapest Juli 2010, URL: https://molbubi.bkk.hu/docs/KKKR_MT2.pdf (am 1.1.2017).

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Diese Abbildung zeigt die schon gebauten und noch geplanten Fahrrad­ infrastrukturen zwischen den Standorten des Verleihsystems. Das sogenannte Maßnahmenpaket, das eine Bedingung des Verleihsystems war, beinhaltete die Öffnung von Einbahnstraßen, Bodenmarkierungen mit einem Symbol für Fahrradspuren, vorgeschobene Aufstellflächen für Linksabbieger und sogar die Veränderung der Parkordnung. Es bedeutete jedoch nicht, dass alle in den Augen der Interessenvertretungen nötigen Schritte umgesetzt worden wären. Auf der Großen Ringstraße oder auf der Rákoczi-Straße, zwei für den Rad­ verkehr gefährlichen Routen [mit Pfeilen markiert], waren keinerlei Eingriffe erfolgt.111 Die Koordination des Vorhabens übernahm das Verkehrszentrum, welches 2014 schließlich ein Radverleihsystem mit über 1100 Fahrrädern und 76 Stationen der Öffentlichkeit übergab.112 Das Team, das beim Verkehrszentrum an der Einführung des Radverleihsystems arbeitete, bestand aus Verkehrsfachleuten, die zur jungen, europaorientierten Generation gehörten und die Arbeit die Fahrradinteressenvertretungen fachlich begleiteten.113 Das Radfahren mit den apfelgrünen Fahrrädern des Verleihsystems wurde schlagartig Teil des kommunalen Verkehrsangebots. Die Integration bedeutete, dass die Ausleihorte in der Nähe der Haltestellen des Nahverkehrs lagen, was den nahtlosen Umstieg vom Fahrrad in den Personennahverkehr oder umgekehrt ermöglichte. Das Fahrradverleihsystem basierte nicht wie in vielen anderen Städten auf dem Geschäftsmodell der Public-Private-Partnership, sondern wurde als ein rein kommunales Projekt aufgebaut. Der ungarische Ölkonzern Magyar Olaj übernahm die Werbeflächen auf den Fahrrädern durch einen Werbevertrag, sodass die Fahrräder offiziell MOL-BUBI heißen. Die Einführung spiegelte einen transnationalen Trend, da zeitgleich in zahlreichen europäischen Großstädten ähnliche Systeme aufgebaut wurden. Zugleich wurde das Radverleihsystem als ein einfach zu verstehendes Aushängeschild der Bemühungen um eine nachhaltige Verkehrswende genutzt. Aus Sicht der Interessenvertretungen bedeutete die Einführung des Radverleihsystems BUBI die Vollendung ihrer verkehrspolitischen Hoffnungen. Erstens setzte das Projekt ein Zeichen, dass Radfahren ein nicht mehr wegzudenkender Teil des Stadtverkehrs war. Nun gab es im gesamten Stadtgebiet Fahrräder zum Ausleihen. Es bedeutete also eine verkehrspolitische Wende, die verglichen mit der Situation des Radverkehrs Mitte der 2000er-Jahre einen 111 Vgl. Budapest Közlekedési Központ: Kerékpárosbarát beavatkozások Budapesten 2013– 2014. [Maßnahmen für mehr Fahrradfreundlichkeit in Budapest]. URL: http://www.bkk. hu/apps/docs/bkk_kerekparosbarat_2014.pdf (am 12.4.2017). 112 Vgl. dass.: Elindult a MOL BUBI! [MOL BUBI ist gestartet]. In: bkk.hu vom 8.9.2014, URL: http://www.bkk.hu/2014/09/elindult-a-mol-bubi/ (am 1.1.2017). 113 Vgl. Tóth, Katalin: Interview mit Péter Dalos über die ungarischen Radverkehrsplanung und über das Fahrradverleihsystem BUBI. Budapest 29.08.2014.

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enormen Fortschritt darstellte. Zweitens war der Aufbau des Leihradsystems auch mit sehr konkreten verkehrstechnischen Eingriffen verbunden, da fahrradfreundliche Verkehrsbedingungen Voraussetzung für das Verleihsystem waren. Davon profitierten schließlich alle Radfahrenden der Stadt, nicht nur die Nutzerinnen und Nutzer der BUBI-Fahrräder. Das Verkehrszentrum begann, eine strategisch-komplexe und den Radverkehr integrierende Verkehrsplanung zu betreiben, was sich die Fahrradinteressenvertretungen schon lange gewünscht hatten. Und viertens war das Radverleihsystem eine Projektidee zur Radverkehrsförderung, die kommunale Politikerinnen und Politiker, Verkehrsfachleute und die bürgerschaftlichen Gruppen zumindest kurzzeitig vereinte. Dennoch traten kurz nach der Einführung Ende 2014 auch unversöhnliche Gegensätze zwischen dem Verkehrszentrum und Oberbürgermeister Tarlós an die Oberfläche, worauf im Folgenden näher eingegangen wird. Epilog: Konflikt Vitézy versus Tarlós Die infrastrukturellen Eingriffe − mit Ausnahme der Situation auf den Brücken − zeichneten Anfang der 2010er-Jahre das Bild einer immer fahrradfreundlicheren Verkehrsorganisation. Der institutionelle Rahmen dafür wurde vom Budapester Verkehrszentrum gelegt, das zwischen 2010 und 2012 im Rekordtempo entstand und nach 2012 mit hoher Geschwindigkeit die Prioritäten im Verkehr nach seinem Leitbild änderte. Dieser in vielerlei Hinsicht radikale Umbruch auf der institutionellen sowie personellen Ebene lässt sich auf das lange Zeit kaum beachtete Bündel an Problemen in der Verkehrsorganisation zurückführen, das dazu führte, dass der Handlungsbedarf immens groß geworden war. In diesem Prozess wurden aber auch viele Interessen verletzt, es kam zu Verteilungskämpfen um Macht und Raum auf den Straßen. Der Wandel der Verkehrsinfrastrukturen löste Widerstände in den autofreundlich eingestellten Teilen der Gesellschaft aus. 2008 erreichte die Anzahl der Autos pro 1000 Einwohner in Budapest einen Höhepunkt. In der regierenden politischen Klasse waren diejenigen in der Überzahl, die durch ihre generationelle Zugehörigkeit autofreundlich eingestellt waren. Im November 2013 warf der Oberbürgermeister in einem offenen Brief dem Verkehrszentrum die Benachteiligung des Autoverkehrs zugunsten des öffentlichen Nahverkehrs vor.114 Einige der im Brief enthaltenen 20 Kritikpunkte, etwa die Einführung von Busspuren oder die Neuprogrammierung der Ampelschaltungen zugunsten der Straßenbahnlinie 4–6 auf der Großen

114 Vgl. Origo: Tarlós 20 pontos feladatlistát adott Vitézy Dávidnak [Tarlós hat eine 20 Punkte umfassende Aufgabenliste für Dávid Vitézy herausgegeben]. In: origo.hu vom 6.11.2013, URL : http://www.origo.hu/itthon/20131106-tarlos-20-pontos-feladatlistatadott-vitezy-davidnak.html (am 1.1.2017).

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Ringstraße, waren in den Augen des Oberbürgermeisters übertriebene Schritte zum Nachteil der Autofahrerinnen und Autofahrer. Auf diese Kritik reagierten die Umweltschutzorganisationen und die Fahrradorganisationen mit Bestürzung.115 Ihrer Auffassung nach stellten die Bevorzugung des Nahverkehrs und die Begrenzung der individuellen Autonutzung die einzigen Möglichkeiten dar, den verkehrspolitischen Rückstand zu anderen europäischen Städten aufzuholen. Der sich langsam entfaltende Meinungsunterschied über Verkehrsfragen zwischen dem konservativen Oberbürgermeister István Tarlós und dem Leiter des Verkehrszentrums, Dávid Vitézy, lag laut Einschätzungen der Presse aber auch an Eifersüchteleien seitens des Oberbürgermeisters auf den Erfolg des von ihm ernannten und wesentlich jüngeren Vitézy.116 Die Konfrontation zwischen dem Leiter des Verkehrszentrums und dem Oberbürgermeister führte ein Jahr später dazu, dass Tarlós Dávid Vitézy aus dem Amt entließ.117 Danach entschied sich der Oberbürgermeister für die Aufteilung der Verantwortlichkeiten des Verkehrszentrums.118 Die vom Verkehrszentrum in Eile ausgebauten Projekte wurden verlangsamt oder gar gestoppt. Dies betraf auch den Radverkehr. Der urbane Radverkehr als ein besonders erkennbarer und zum Symbol der Progressivität erklärter Bereich des einen Lagers wurde damit erneut zur Zielscheibe des anderen. Ende 2014 kam es damit erneut zu einem Richtungswechsel in der kommunalen Verkehrspolitik und zum Ende der zuvor beschriebenen Epoche. Wie dieser jüngste Konflikt zeigt, waren die urbane Verkehrspolitik und das Verkehrsmanagement in den 2010er-Jahren stark umkämpfte Bereiche, in denen verschiedene politische und generationelle Konflikte ausgetragen wurden.

115 Vgl. Dormán, Emese: Nyílt levél Tarlós István Főpolgármester Úrnak [Offener Brief an Herrn István Tarlós, Oberbürgermeister]. In: kerekparosklub.hu vom 8.11.2013, URL: http://kerekparosklub.hu/nyilt-level-tarlos-istvan-fopolgarmester-urnak (am 1.1.2017). 116 Vgl. Szily, László: ​Itt van az első Fidesz-káder, akiért kiállnak a civilek [Hier der erste ­Fidesz-Kader, für den sich die Zivilgesellschaft einsetzt]. In: cink.hu vom 24.11.2014, URL : http://cink.hu/itt-van-az-elso-fidesz-kader-akiert-kiallnak-a-civile-1662522703 (am 1.1.2017); vgl. Magyarósi, Csaba: A bringások megvédenék a BKK-t a fővárostól [Die Radfahrenden würden den BKK  vor der hauptstädtischen Kommune verteidigen]. In: varosban.blog.hu vom 25.11.2014, URL : http://varosban.blog.hu/2014/11/25/a_bringa​ sok_megvedenek_a_bkk-t_a_fovarostol (am 1.1.2017). 117 Vgl. Lengyel, Tibor: Leváltják Vitézyt, megvan az utódja is [Vitézy wird seines Amtes enthoben, sein Nachfolger steht bereits fest]. In: origo.hu vom 2.12.2014, URL: http://www. origo.hu/itthon/20141202-levaltjak-vitezyt-megvan-az-utoda-is.html (am 1.1.2017). 118 Vgl. Ohne Verfasser: Fővárosi Közgyűlés: döntés a városigazgatósági koncepcióról [Stadtrat: Entscheidung über die Konzepte der Stadtverwaltung]. In: budapest.hu vom 26.11. 2014, URL: http://budapest.hu/Lapok/Fővárosi-Közgyűlés-döntés-a-városigazgató​ságikoncepcióról.aspx (am 1.1.2017).

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Was macht das Radfahren mit der Stadt?

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6.5 Zwischenfazit Verkehrsinfrastrukturen sind keineswegs neutrale Bauten, sondern ideologiebeladene Objekte, deren Ausformung planerische Denkweisen und das den Verkehrshierarchien zu Grunde liegende Ordnungsdenken offenlegt. Dieses Kapitel hat gezeigt, dass die »Fahrradrevolution« zu manchen Veränderungen in der Verkehrsinfrastruktur von Budapest in der Periode zwischen 2006 und 2014 geführt hat. Der Ausgangspunkt dieses Kapitels waren die entstehenden Spannungen, die sich an dem Widerspruch zwischen den alten Radverkehrsbauten und der steigenden Nachfrage nach zeitgemäßen Fahrradinfrastrukturen für städtische Alltagsnutzung entzündeten. Der Ungarische Fahrradclub setzte sich ab Mitte der 2000er-Jahre für die Deckung dieses Bedarfs politisch ein, inszenierte sich als neue Autorität im Fahrradinfrastrukturbau und übte Druck auf die Politik aus. Die Fördergelder der Europäischen Union brachten in den späten 2000erJahren Dynamik in diesen bis dahin unterfinanzierten Infrastrukturbereich. Im Zuge der mit dem Förderprogramm verbundenen administrativen und rechtlichen Veränderungen kam es auch zu einer graduellen Revision der Planungsvorschriften und der Straßenverkehrsordnung. Die Grundlage zur Überarbeitung lieferten bürgerschaftliche Netzwerke, die sich an westeuropäischen Vorbildern orientierten. Eine zentrale Rolle spielte die sich um den Ungarischen Fahrradclub herum versammelnde junge Ingenieursgeneration, die eine auf die Integration des Radverkehrs bedachte Denkweise in den Planungsvorschriften durchsetzte und damit die autozentrierte Sicht der älteren Generation herausforderte. Die größte Aufgabe für die Fahrradsympathisanten bestand darin, für die bauplanerische Umsetzung beziehungsweise für die Widerspiegelung der neuen, fahrradfreundlichen Planungsstandards in den Infrastrukturen zu sorgen und als Impulsgeber zu fungieren. Bis 2010, unter Oberbürgermeister Gábor Demszky, wurde die Situation des Radverkehrs in der Verkehrspolitik von zufälligen Entscheidungen geprägt. Der Umbau der Margarethenbrücke war ein Beweis dafür, dass der Radverkehr trotz steigender Fahrradnutzung keine Priorität bei einem fast 77 Millionen Euro teuren Verkehrsprojekt hatte.119 Vor allem die Schaffung von Fahrradstreifen auf der Kleinen Ringstraße hatte eine symbolische Bedeutung für die Fahrradinteressenvertretungen, weil das erste Mal eine zentrale Verkehrs119 Vgl. Spencer, Greg: Bike-Path Removal Violates Aid Contract. In: cyclingsolution. blogspot.de vom 28.8.2009, URL: http://cyclingsolution.blogspot.de/2009/08/bike-pathremoval-violates-aid-contract.html (am 1.1.2017).

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Zwischenfazit

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achse fahrradfreundlich umgestaltet wurde. Damit wurden ein Vorbild und ein positiver Bezugspunkt für spätere Projekte geschaffen. Beide Entscheidungen schienen willkürlich zu sein und verdeutlichten die fehlende Transparenz bei Entscheidungsprozessen. Der politische Machtwechsel 2010 brachte einen institutionellen Umbau des Budapester Verkehrsmanagements mit sich, der sich auch auf den Radverkehr auswirkte. Die Gründung des Budapester Verkehrszentrums leitete eine innovative Radverkehrspolitik in die Wege. Das Vorzeigeprojekt dafür war der Ausbau des Radverleihsystems BUBI und die damit verbundene fahrradfreundliche Umgestaltung der Innenstadt. Die neue Institution integrierte den Radverkehr in die Verkehrsorganisation der Stadt, aber intern blieb die Radverkehrsfrage ein personenbezogenes Interesse und war nicht allgemein akzeptiert. Damit wiederholten sich die bereits in der medialen Öffentlichkeit geführten Debatten, welche im Radverkehr kein allgemeines Stadtentwicklungsziel sahen, sondern das offen zur Schau gestellte Interesse einer Minderheit. Der breitere Kontext verdeutlicht, dass es im gleichen Zeitraum zur langsamen Erosion der in den 1970er-Jahren etablierten autozentrieten Verkehrsordnung in der Innenstadt kam. In den 2000er-Jahren wurden zahlreiche Fußgängerunterführungen eingeschüttet, Zebrastreifen auf mehrspurigen Straßen errichtet, Fußgängerzonen und verkehrsberuhigte Gebiete geschaffen. Der im Zentrum dieser Arbeit stehende Radverkehr und seine Interessengruppen sind somit nur Beispiele für den Wandel der Verkehrsräume in der Innenstadt. Die Motoren dieses Wandels waren das sich langsam durchsetzende Umweltbewusstsein, propagiert durch seine institutionellen Vertreter. Dazu zählen die Umweltschutzorganisationen in den 2000er-Jahren, aber auch der Verein VEKE , einige Ingenieure und Fachleute und ab 2010 das neu gegründete Verkehrszentrum. Die von der Europäischen Union gewährte finanzielle Förderung war ein weiterer Einflussfaktor, der Verkehrsberuhigungsmaßnahmen und das konfliktbeladene Umdenken der Raumverteilung auf die Agenda setzte. Die Autonutzung in der Stadt war ein fest verankerter, wenig hinterfragter Teil des urbanen Alltags, der für viele erst nach der Wende möglich wurde. So löste die Einschränkung des Rechts auf Autofahren viele unmittelbare Gegenreaktionen aus. Die Konflikte des regierenden Bürgermeisters und des Direktors des Verkehrszentrums standen stellvertretend für einen größeren generationellen Konflikt bezüglich der Prioritäten im Stadtverkehr. Zusammenfassend lässt sich der Bau der Fahrradinfrastrukturen als ein zwischen verschiedenen Interessen ausgehandelter Veränderungsprozess betrachten, bei dem es zwischen 2006 und 2014 zu einem sprungartigen Wandel kam. Die Entwicklung war kein eindeutig in eine Richtung und geradlinig verlaufender, sondern ein von Widersprüchen geprägter Prozess. Während sich © 2020 Vandenhoeck & Ruprecht | Brill Deutschland GmbH https://doi.org/10.13109/9783666310720 | CC BY-NC-ND 4.0

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Was macht das Radfahren mit der Stadt?

in einigen Vorzeigeprojekten wie dem Fahrradstreifen der Kleinen Ringstraße und dem kommunalen Radverleihsystem BUBI ein Wandel hin zur Integration des Radverkehrs in der Stadt zeigte, mussten die Fahrradinteressenvertretungen bei anderen, gleichzeitig angestoßenen Projekten wie der Margarethenbrücke Rückschläge hinnehmen. Wie die Ausführungen in diesem Kapitel verdeutlichten, hielten Ansätze einer fahrradfreundlichen Verkehrsplanung als neue Norm in Budapest ab Anfang der 2010er-Jahre zwar Einzug in die offiziellen Planungen, blieben jedoch umstritten. Da der urbane Radverkehr keine strukturell verankerte und auf breitem gesellschaftlichen Konsens beruhende Idee in der Stadtentwicklungspolitik war, blieb das Spannungsverhältnis zwischen Befürwortern und Gegnern des Radverkehrs weiterhin erhalten. Die neugebauten Infrastrukturen des Radverkehrs gingen auf die Impulse der bürgerschaftlichen Vertretung zurück, doch einen entscheidenden Einfluss auf den Ausbau hatten aktuelle politische Interessen, Zufall und Willkür, die die Radverkehrspolitik prägten und die zu sprunghaften, unberechenbaren und teilweise widersprüchlichen Entwicklungen führten.

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7. Was macht das Radfahren mit der Gesellschaft?Kulturindustrie und kreative Mission

Im Mittelpunkt des vorliegenden Kapitels steht die Neubewertung des Radverkehrs durch kulturelle Bedeutungszuschreibungen in den 2000er-Jahren. Der Blick richtet sich darauf, welche Motivationen und Interessen hinter der symbolischen Aufladung des Radfahrens durch die Kulturschaffenden stehen. Von besonderem Interesse ist dabei nicht nur die Frage, wie diese Aufwertung stattfand, sondern auch, welche Verbindungen die Akteurinnen und Akteure zum Fahrradaktivismus hatten. Das Kapitel beleuchtet die Auseinandersetzung mit dem Thema Radverkehr in drei Bereichen des Stadtlebens: in der Mode, in Image- und Dokumentationsfilmen sowie in der Museumsarbeit. Die Auswahl dieser Bereiche erfolgte anhand des gesammelten Materials.1 Eine Prämisse für die Analyse bilden die Überlegungen des Kulturtheoretikers Andreas Reckwitz zur Rolle des Kulturellen im gegenwärtigen spätkapitalistischen Stadtleben: »›Kultur‹ ist hier nicht nur eine Beobachtungskategorie […], sondern ein Schema, das die soziale Realität, hier die Realität der Stadt, in ihren unterschiedlichen Akteursgruppen auf sich selbst anwendet.«2 Dieser Zugang richtet den Blick auf die Kulturalisierung von urbanen Phänomenen und darauf, wie diese auf vielfältige Weise ökonomisch genutzt werden. Das führt zum genannten Selbstbezug in der Stadtkultur. Bezogen auf den urbanen Radverkehr in Budapest nahmen Kulturschaffende, insbesondere aus den drei gewählten Bereichen, eine aktive Rolle bei der Förderung des Radverkehrs ein und wurden damit zu zentralen Vermittlungsfiguren des urbanen Radverkehrs als progressive Idee.

1 Diese Felder werden unter dem Begriff Kulturindustrie von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno verordnet, die sie für den Wandel von der Produktion und der Funktion von Kultur im Kapitalismus einführten. Vgl. Stefan_K: Kulturindustrie. In: Glossar­ begriffe aus der Akademie Kulturarbeit vom 15.6.2008, URL: https://glossare.wordpress. com/2008/06/15/kulturindustrie-2/ (am 1.1.2017). 2 Reckwitz, Andreas: Die Selbstkulturalisierung der Stadt. In: eurozine (2009), URL: http:// www.eurozine.com/articles/2009-05-20-reckwitz-de.html (am 1.1.2017), 1–19, hier: 1.

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7.1

Was macht das Radfahren mit der Gesellschaft?

Beispiel Velofetish: Kleinunternehmer des Radfahrens

Radfahren als lokale Mode Ungarn hatte im Sozialismus eine eigene exportfähige Fahrradindustrie. Ab den 1990er-Jahren wuchs auch die Anzahl der Unternehmen im Bereich Fahrrad und Fahrradbekleidung, und die Geschäfte nahmen internationale Fahrradmarken und fahrradgerechte Markenkleidung in ihr Sortiment mit auf. Trotz dieses bereits existierenden, breiten Warenangebots kam es in den 2000er-Jahren mit dem steigenden Radverkehr in Budapest zu einer Gründungswelle von Mikrounternehmen und kleinen Modelabels in eben diesem Bereich. Die Bezeichnung »Fahrradmode« wurde in den Zeitungen und Zeitschriften der 2000er-Jahre ein gängiger Begriff. Mode wird im Folgenden in der Definition von Rainer Weinrich verwendet. Er bezeichnet Mode als eine »kulturelle Praxis«, die sich zwischen Alltag, Konsum und Kunst gestaltet.3 Somit hat sie sowohl eine materielle als auch eine diskursive Seite. Wie lässt sich das Fahrrad als Modephänomen im Kontext von Budapest deuten und beschreiben? Den Anfang macht eine Ausstellung im Berliner Collegium Hungaricum, dem ungarischen Kulturinstitut. Hier zeigte die Waschmaschinengruppe, ein Künstlerduo aus Budapest, im Jahr 2014 eine temporäre Ausstellung mit dem Titel Balkantango  – Velofetish. Auf der Homepage des Instituts stand dazu folgende Beschreibung: Die Balkantango Popup Galerie präsentiert zeitgenössische urbane Fahrradkultur aus Ungarn: Diese nimmt auf das weit verbreitete Phänomen des urbanen Radfahrens und dessen Auswirkungen auf Kunst und Objektkultur Bezug. […] Die Ausstellung bringt ethnographische Fotografien, persönliche Erinnerungen auf Filmen, Alltagsgegenstände und Fetisch-Skulpturen zusammen, also alles, was diese neue Art des Stadtlebens symbolisiert.4

Die Installationen vor dunkelgrauem Hintergrund waren eine Präsentation von Produkten von Kleinunternehmerinnen und Kleinunternehmern sowie von Künstlerinnen und Künstlern aus Ungarn. Die Themenbereiche »Consume Less«, »Fetish«, »Adventure«, »Tradition«, »Urban Art« sowie »Cycle Chic« ordneten das Ausgestellte und interpretierten Radfahren als einen für die

3 Wenrich, Rainer: Die Medialität der Mode. Kleidung als kulturelle Praxis: Perspektiven für eine Modewissenschaft. Bielefeld 2015, 14. 4 berlin_Erlebach: 20.3.2014, 18:00. VERNISSAGE Balkantango Velofetish – Bicycle Culture Berlin–Budapest. URL: http://www.berlin.balassiintezet.hu/de/programm/archiv/747-20-​ 03-18-00-vernissage-balkantango-velofetish-bycicle-culture-berlin-budapest/ (am 17.1.2017).

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Beispiel Velofetish: Kleinunternehmer des Radfahrens

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Stadt bedeutungsvollen nachhaltigen Lebensstil.5 Die Ausstellung Velofetish stellte somit eine Lesart der »zeitgenössischen urbanen Fahrradkultur« dar.6 Einerseits ist die Verwendung des Begriffs »Kultur« in der Ausstellungsbeschreibung ein charakteristisches Beispiel für die in der Einführung erwähnte Kulturalisierung eines Phänomens, in diesem Fall einer lokalen Ökonomie mit Nachhaltigkeitsbezug. Die Kuratorin Ipek Füsun ist selbst Designerin, deren Designerstücke, etwa eine aus Fahrradschläuchen genähte Abendgarderobe, prominent positionierte Objekte waren.7 Damit ließ sich die Ausstellung auch als Werbemöglichkeit für künftige Kundschaft verstehen. Viele der ausstellenden Unternehmerinnen und Unternehmer verkauften bereits vor dieser Ausstellung ihre Produkte – Rucksäcke, Taschen, Kleidung, Geldbeutel und Schmuck, oftmals aus wiederverwendeten Materialien – über das Internet in deutschsprachige und andere westeuropäische Länder, da diese mehr Kaufkraft als Ungarn besitzen.8 Andererseits war das Ausstellen von Designprodukten aus Budapest im Zentrum von Berlin auch eine Werbung für die ungarische Hauptstadt. Budapest wurde in der Ausstellung als ein innovativer, kreativer und fortschrittlicher Raum präsentiert, in dem durch die Verbreitung des Radfahrens im urbanen Leben zahlreiche Initiativen, kommerzieller oder nicht-kommerzieller Art zustande kamen. Die Kuratorin Ipek Füsun band auch Videoreportagen, Musikvideos und Dokumentarfilme unterschiedlicher Künstlerinnen und Künstler sowie Gruppierungen mit ein, die das urbane Radfahren auf die eine oder andere Art thematisierten, förderten oder positiv darstellten. Offen blieb indes die Frage, wie die Ausstellung und das dort Ausgestellte mit der steigenden Fahrradnutzung in Budapest zusammenhingen. Wie begann das Phänomen Velofetish in Budapest? Was trieb die Kleinunternehmerinnen und Kleinunternehmer an, Produkte in diesem Bereich herzustellen? Im Folgenden werden einige dieser Unternehmen vorgestellt. Bagaboo, die Kuriertaschenmarke In der Ausstellung Velofetish hing eine abgenutzte Fahrradtasche der Marke Bagaboo an einer Wand. Hinter dieser Marke stand der junge ehemalige Radkurier Tamás Tűhegyi, der das Unternehmen 2005 in Budapest gegründet 5 Balkantango: Velofetish Kiállítás – CHB BERLIN 21.03–06.04.2014. URL: http://balkantango.ch/index.php?site=velofetish_exhibition&v=2 (am 19.1.2017). 6 berlin_Erlebach, 20.3.2014, 18:00. VERNISSAGE Balkantango Velofetish – Bicycle Culture Berlin–Budapest. 7 Sie produziert unter dem Label Balkantango Portemonnaies und Taschen aus recycelten Fahrradschläuchen. Vgl. Balkan Tango: Termékek [Produkte]. URL: http://balkan-tango. com (am 19.1.2017). 8 Vgl. Tóth, Katalin: Gruppeninterview mit Ipek Füsün, Bálint Liptay, János László nach der Veranstaltung Cycling Affairs. Budapest 17.5.2014.

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hatte. Eine Videoreportage des Nachrichtenportals index.hu aus dem Jahr 2013 stellte die Entstehungsgeschichte seines Unternehmens als »zufällig« dar: Tűhegyi arbeitete als Fahrradkurier, konnte sich keine Kuriertasche leisten, hatte aber eine konkrete Vorstellung, wie diese aussehen sollte. Also ließ er eine solche Tasche von seiner Mutter nähen.9 Diese eine Tasche hat dann einer meiner damaligen Kollegen gesehen und meinte: ›Ah, ich will auch eine haben.‹ Und dann habe ich mich an die Nähmaschine gesetzt und habe ihm eine Tasche genäht. […] Dann konnte man sehen, dass das auch als Geschäft funktionieren konnte, und dann habe ich eine ganz einfache Internetseite gebastelt, habe begonnen, Sticker entlang der Fahrradwege anzubringen, [mit der Aufschrift – Bemerk. K. T.], mit Taschen und mit einer Telefonnummer. Dann ist das Ganze vorangekommen. Die Bestellungen sind gekommen und das liegt schon etwa acht Jahre zurück. Ungefähr gleichzeitig mit Critical Mass haben wir damit begonnen und sind damit gewachsen.10

Am Anfang kamen für die Unternehmensgründung einige Auslöser zusammen: die handwerklichen Fähigkeiten der Mutter, die Suche nach einer eigenen günstigen Kuriertasche und schließlich das Interesse von Kolleginnen und Kollegen, weil Kuriertaschen aus dem Ausland für sie nicht bezahlbar waren. Begünstigt wurde die Entwicklung außerdem dadurch, dass – vor dem Hintergrund der wachsenden CM-Demonstrationen – der Kleidungstil der Fahrradkuriere für viele ein Vorbild war. Die Kuriertaschen waren aus wasserresistentem, strapazierfähigem Material mit großem Packraum gefertigt. Sie konnten schräg über eine Schulter gehängt und eng auf den Rücken geschnallt werden. Sie hatten gegenüber Rucksäcken den Vorteil, dass sie nicht umständlich vom Rücken genommen werden mussten, um etwas darin zu verstauen oder herauszunehmen, denn man konnte sie dafür einfach nach vorne ziehen. Zwar tragen Kuriere statt solcher Umhängetaschen auch Rucksäcke, aber die schräg auf dem Rücken befestigte Taschenform ist ein prägendes Element des Fahrradkurier-Stils. Dies spart Zeit im hektischen Alltag der Kuriere. Im weiteren Verlauf des oben zitierten Interviews kam der Inhaber von Bagaboo schließlich darauf sprechen, dass der eigentliche Absatzmarkt nicht in Budapest lag, sondern das Geschäft vor allem von Onlinebestellungen aus ganz Europa und auch Japan profitierte.11 Die bezahlbaren und in einem kleinen Betrieb produzierten Taschen, deren Farben und Muster die Kunden mit 9 Vgl. IndexVideo: Ezt Kínában sose fogjuk gyártani [Wir werden das nie in China produzieren]. URL: http://index.hu/video/2013/09/16/ezt_kinaban_sose_fogjuk_gyartani/ (am 17.1.2017). 10 Ebd. 11 Vgl. IndexVideo, Ezt Kínában sose fogjuk gyártani [Wir werden das nie in China produzieren].

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Beispiel Velofetish: Kleinunternehmer des Radfahrens

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Hilfe eines Online-Konfigurators selbst auswählen konnten, trafen einen Nerv. Obwohl der Hauptabsatzmarkt im Ausland lag, war Bagaboo seit seiner Gründung eine Marke, die in der Fahrradkurier-Szene in Budapest als etwas Eigenes betrachtet wurde. Bagaboo wurde zuerst von ungarischen Kurieren und in deren sozialem Umfeld getragen. Im Video zu dem in der Szene gefeierten Song Royal Fixie Club vom Rapper Buppa kämpft sich ein Kurier auf einem Fixie durch den Budapester Verkehr, durch Tunnel und auf mehrspurigen Straßen. Dabei trägt er eine Bagaboo-Tasche mit erkennbarem Logo um die Schulter.12 So schrieb die von ehemaligen Kurieren gestartete Bajnok Szervíz [Werkstatt Bajnok] stolz auf ihrer Homepage: »Die Bajnok-Straße war das warme Nest der Budapester ›Fahrradsubkultur‹. Von hier aus wurden alleycat.hu und Bagaboo gestartet.«13 Die Internetseite Alleycat.hu war die erste Homepage der Fahrradszene in Budapest. Die Alleycat-Wettbewerbe, eine Art Schnitzeljagd per Fahrrad für Fahrradkuriere, wurden oft vor dieser Werkstatt gestartet. Die in der Werkstatt Bajnok verkauften Bagaboo-Taschen wurden so zu einem wichtigen Emblem, das Szene-Zugehörigkeit signalisierte. Die Marke verdankte ihre Bekanntheit dieser Szene und der dadurch generierten neuen Aufmerksamkeit für das Radfahren in der ungarischen Öffentlichkeit. So erklärte eine ungarische Nachrichtenseite 2014, Bagaboo mit seinen sechs Angestellten sei eines der erfolgreichsten ungarischen Startups überhaupt und habe auch das Stadtbild von Budapest geprägt, da »die halbe Stadt diese Fahrradtaschen trägt«.14 Der urbane Kleidungsstil des Radfahrens war und ist also nicht mehr nur den Radfahrenden vorbehalten. Gleichzeitig waren Tamás Tűhegyi und seine Firma Teil eines Netzwerkes von Fahrradmodeherstellerinnen und -herstellern, und so stand auch er in engem Kontakt mit dem Ungarischen Fahrradclub. Für Tűhegyi und den Fahrradclub war es freilich vorteilhaft, dass immer mehr Leute das Fahrrad im Alltag als Verkehrsmittel wählten. Bei den Mit-dem-Rad-in-die-ArbeitProgrammen des Ungarischen Fahrradclubs und weiteren Fahrradveranstaltungen wurden oftmals Bagaboo-Fahrradtaschen als Gewinne angeboten.15 12 Vgl. Nagy, László: Buppa – Royal Fixi Club. In: youTube.com vom 3.6.2011, URL: https:// youtu.be/LeBtleAKaUc (am 1.1.2017). 13 Bajnok fixed gear, singlespeedshop Budapest. URL: http://hercehurca.hu/Bajnok. 14 UA: Magyar sikersztori: a bringástáska, amit fél Budapest hord [Die ungarische Erfolgsgeschichte: Die Fahrradtaschen, die halb Budapest trägt]. In: nyugat.hu vom 24.1.2014, URL: http://www.nyugat.hu/tartalom/cikk/bagaboo_magyar_sikersztori (am 1.1.2017). 15 Vgl. Programajánló [Programmempfehlung]. In: origo.hu vom 17.4.2010, URL: http:// www.origo.hu/kultura/20100417_programajanlo.html (am 1.1.2017); vgl. szabi: a Maraton 1. napja  – 06.08.  – pénteki beszámoló [Der 1. Tag des Marathons  – 08.06.  – der Freitagsbericht]. In: hirek.tilos.hu vom 7.6.2012, URL: http://hirek.tilos.hu/?m=201206 (am 1.1.2017); vgl. Bringázz a munkába! videópályázat [Mit dem Rad in die Arbeit! Videowettbewerb]. In: palyazatok.org vom 14.10.2013, URL: http://palyazatok.org/bringazz-amunkaba-videopalyazat/ (am 1.1.2017).

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Insgesamt ist die Marke Bagaboo ein gutes Beispiel dafür, wie aus der speziellen Arbeitsausstattung der Kuriere – einer strapazierfähigen, sehr funktional orientierten Tasche – ein Modeaccessoire für alle wurde. Fahrradkappen Neben den Taschen waren Fahrradkappen ein anderes charakteristisches Merkmal der urbanen Mode des Radfahrens. Diese aus Stoff genähten, mit dem Schild nach oben geklappten Mützen waren ursprünglich funktionale Teile der Radsportbekleidung im 20. Jahrhundert. Sie fingen den Schweiß an der Stirn auf und hielten den Kopf im Fahrtwind warm. Vor allem der Kultstatus der französischen und italienischen Radsportteams und ihrer berühmten Marken brachten die Kappen als ironisch-nostalgisches Elemente zurück in die Mode.16 Die ungarische Designerin Serin ist mit solcherart handgemachten Fahrradkappen bekannt geworden. Sie schreibt auf ihrer Webseite zu den Anfängen ihres Geschäfts folgendes: I have been clicked on the bike for about 7 years. The whole thing happened because of  a guy, and my first, beautiful bike. […] Then I had the idea that there are these messenger caps, they are great, but they are not unique, why is there only the same dozen of everything? […] I also make caps for teams, and I made the popular Budapest messenger caps.17

Die Fahrradkappen waren durch die Fahrradkuriere bereits Teil der urbanen Mode. Sie sind  – ähnlich wie T-Shirts mit Aufdrucken und Schrift­ zügen  – stellvertretende Identifikationszeichen für die Zugehörigkeit zur Fahrradszene. Die Kappen mit der Aufschrift »Budapest« wurden von Serin seit 2010 in Budapest verkauft und sind seitdem nicht nur in der eigentlichen Fahrradszene, sondern auch bei anderen Fahrradsympathisantinnen und -sympathisanten sehr beliebt.18 Die Fahrradaktivistinnen und -aktivisten brachten der Designerin für deren Gestaltung und individuelle Anpassung der Kappen viel Anerkennung entgegen. Allerdings erschließt sich die gesamte Bedeutung der Kappe nur den eingeweihten Fahrradsympathisantinnen und -sympathisanten, die auch die subkulturelle Dimension des urbanen Radfahrens und die sporthistorischen Aspekte kennen. Die Motivation der Designerin Serin, Kappen und Fahrradmode zu entwerfen und zu verkaufen, war wie auch bei Bagaboo eine biografische. Beide 16 Vgl. abi: Trendspionage. Cycling Caps. In: hilker-berlin.de vom 25.8.2011, URL: http:// hilker-berlin.de/de/lifestyle/mode/trendspionage-1 (am 1.1.2017). 17 Serin: About. URL: http://www.serin.hu/?page_id=135 (am 1.1.2017). 18 Vgl. Serin: már világot is lát  a budapestes sapka:] [Sinya és barátai] [Die Budapester Mütze ist schon sofort auf die Welt gekommen:] [Sinya und seine Freunde]]. URL: https:// serinstyle.blogspot.hu/2010/03/mar-vilagot-is-lat-budapestes-sapka.html (am 1.1.2017).

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gehörten zu der Generation in Budapest, die begonnen hatte, das Fahrrad auch im Alltag zu nutzen. Und beide hatten daraus auch eine Geschäftsidee und -tätigkeit geschaffen.19 Urban Legend In der Velofetish-Ausstellung wurden auch die Entwürfe der Designerin Zsófia Geréby gezeigt. Ihre Kleidungsmarke Urban Legend gründete sie 2001 gemeinsam mit einem weiteren Geschäftspartner mit dem Ziel, eine »urban cyclewear made in budapest« für Frauen zu schaffen.20 Ihre Gründungsidee war von ihren eigenen Erfahrungen als Radfahrerin geprägt: Weil sie keine bequeme, wasserresistente und trotzdem modische Kleidung für das Radfahren bei schlechtem Wetter gefunden hatte, stellte sie diese Artikel nun selbst her.21 Als Radfahrende sprach sie im Rahmen des ersten TedxYouth-Events im November 2011 in Budapest über die Philosophie, die hinter ihre Marke Urban Legends steht.22 TedxYouth-Event ist ein aus Kalifornien stammendes Konferenzformat mit weltweiten lokalen Ablegern. Die Kurzvorträge bei den TedTalks stellen die kreative Vision und Leidenschaft einzelner Unternehmer als Inspiration für das Publikum in den Mittelpunkt. In ihrer Präsentation stellte Zsófia Geréby die moderne Stadt als ein Konstrukt dar, das auf Erfahrungen beruht und durch Narration Kontinuität und Vertrautheit erhält.23 Niemand erlebe die Stadt so unmittelbar wie Radfahrende, die auf diese Weise täglich Wissen über die Eigenheiten des städtischen Raumes und deren Nutzerinnen und Nutzer sammeln. So erklärte sie auch den Markennamen Urban Legends und ihre Geschäftsidee: Die Marke soll das Lokale und den Stadtbezug von urbanen Legenden verkörpern, die durch QR-Codes in der Kleider »lebendig« werden. Die Legenden der Stadt leben in der Kleidung weiter und sorgen für ein Fortbestehen von Zugehörigkeit. Das Marketing mit QR-Codes gab der Marke ein Alleinstellungsmerkmal. Das Design allein nämlich war nicht unbedingt einzigartig, sondern geprägt von schlichter, funktionaler, exklusiver 19 Serin, About. 20 Urban Legend: Designer cyclewear made in Budapest. URL: http://urbanlegend.cc/ (am 19.01.2017). 21 Vgl. Séllei, Lilla: Bringás divat Budapestre szabva. Az Urban Legend tervezőjével beszélgettünk, és megtudtuk, hogyan jutott el a szemetes zsáktól a biciklis öltözékekig [Fahrradmode auf Budapest zugeschnitten. Wir führten Gespräche mit der Designerin von Urban Legend, um zu erfahren, wie sie von den Mülltüten zur fahrradgerechten Kleidung gekommen ist]. In: hg.hu vom 23.7.2011, URL: http://hg.hu/cikkek/design/12349-bringasdivat-budapestre-szabva (am 1.1.2017). 22 TedxYouth-Event ist eine aus Kalifornien stammendes neues Konferenzformat, dem Innovation als persönlich motivierte Vision zugrunde liegt und das weltweit lokale Ableger hat. 23 Vgl. Geréby, Zsófia: Legendákkal a kabátzsebünkben indulunk el [Wir gehen mit Legenden in unseren Manteltaschen los]. URL: https://youtu.be/spK4_EJjWhs (am 19.1.2017).

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Was macht das Radfahren mit der Gesellschaft?

Abb. 12: Werbeplakat von Urban Legends aus dem Jahr 2011.

und trotzdem austauschbarer Straßenmode für Frauen, die sich in dieser Form auch in anderen Städten finden lässt. Die »Legenden«, von denen sich einige auf der Homepage des Online-Shops finden, sind Anekdoten über Sehenswürdigkeiten von Budapest, die gerne während Stadtführungen erzählt werden.24 Da auch die Kundinnen und Kunden von Urban Legend mehrheitlich aus dem Ausland stammen, stellen diese Geschichten letztlich Reisesouvenirs aus der ungarischen Hauptstadt dar.25 Die ungarischen Frauenmagazine klassifizierten die Modemarke Urban ­Legends ähnlich wie die vorherigen Beispiele als »Fahrradmode«. Urban ­Legends ist ein weiteres Beispiel dafür, wie das Erlebte, in diesem Fall die Nutzung des urbanen Verkehrsmittels Fahrrad, zum kommerziellen Produkt umgedeutet wird. Genauso wie es die vorherigen Marken zeigen, ist auch das Design von Geréby vom Erfahrungsraum und Lebensort Budapest geprägt, und die Marke nimmt explizit Bezug darauf. Csajbringa und Merényi Bicycles Der neue ästhetische Anspruch an die Fahrräder führte auch zur Gründung von Labels, die für eine individuelle Fahrradproduktion stehen. Diese Labels 24 Vgl. Urban Legend: The statue of eternal fidelity. Városi legendák [Urbane Legenden]. URL: http://urbanlegend.cc/urban-legends (am 21.1.2017). 25 Vgl. ebd.

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Beispiel Velofetish: Kleinunternehmer des Radfahrens

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wurden in der Velofetish-Ausstellung in Foto- und Videoreportagen erwähnt. Im Folgenden werden zwei der bekanntesten ungarischen Beispiele vorgestellt. Schöne Damenfahrräder zu finden, war im Budapest der 2000er-Jahre eine Herausforderung. Es gab entweder austauschbare Kaufhaus-Fahrräder, die die individuellen Vorstellungen der jüngeren Bewohnerinnen der Stadt nicht bedienten, oder alte Gebrauchträder, die aus Westeuropa importiert wurden. Einer der Gründer der Fahrradmarke Csajbringa [Mädchenräder] arbeitete im Nebenjob als Fahrradkurier, der andere war begeisterter Fixie-Fahrer. Im Bekanntenkreis wurden sie damals oft nach Damenfahrrädern gefragt.26 So entstand die Geschäftsidee, alte Damenräder zu reparieren und zu restaurieren. Als dies schließlich nicht mehr rentabel war, fing die Firma an, neue Damenfahrräder im nostalgischen Stil zu bauen. Die Firma, die exklusive Damenräder in individueller Ausführung auf den Markt brachte, wurde durch Reportagen als eine der wichtigsten Vertreterinnen für »Fahrradmode« aus Ungarn bekannt.27 Dies gelang auch durch Wohlfühl-Imagefilme, die einer der Eigentümer von Csajbringa drehte und auf Videoportalen hochlud.28 In der Selbstpräsentation der Firma setzten die Gründer von Anfang an auf das Image einer atmosphärischen Fahrradmanufaktur, die sie gerne auch bei Events öffentlich zugänglich machten. Sie posteten regelmäßig individuell angefertigte, farbenfrohe Fahrräder auf Facebook, die sie aufgrund der Lackierung mit Kosenamen wie Kiwi, Milchkaffee, Erdbeere oder Marienkäfer versahen.29 Über den Kundenkreis berichtete einer der Eigentümer im Interview wie folgt: Grundsätzlich sind es Mütter zwischen 30 und 40 Jahren, deren Mann gut verdient. Oft sind sie zu Hause mit einem Kleinkind. Auf sie setzen auch die Webshops. Die Frauen verlieben sich im Internet in ein Produkt, in ein Lebensgefühl. Sie kaufen unsere Fahrräder und ich weiß ganz genau, dass mindestens die Hälfte oder noch mehr von ihnen, sich jährlich nur drei- oder fünfmal draufsetzen wird. Aber sie kaufen sich das einfach. […] Sie planen es, sie sehnen sich danach und dann wird ihr Traum erfüllt.30 26 Vgl. Tóth, Katalin: Interview mit dem Filmemacher und Firmeninhaber von Csajbringa, Viktor Kádár. Budapest 15.8.2013. 27 Vgl. Csajbringa: Csajbringa a Marie Clair-ben :) [Mädelsrad in Marie Clair :)]. In: facebook.com vom 6.9.2010, URL: https://www.facebook.com/csajbringa/photos/a.1380998​ 02870476.26080.128793117134478/158512867495836/ (am 1.1.2017). 28 Vgl. Kádár, Viktor: Csajbringa Nyár [Mädelsrad Sommer]. URL : https://youtu.be/ kShdgNfCXuE (am 21.1.2017). 29 Vgl. Csajbringa: Kiwi. In: facebook.com / csajbringa vom 14.5.2013, URL: https://www. facebook.com/csajbringa/photos/a.13809980287047​6.26080.128793117134478/64627650​ 20​52801/ (am 1.1.2017). 30 Tóth, Katalin: Interview mit dem Filmemacher und Firmeninhaber von Csajbringa, Viktor Kádár.

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Was macht das Radfahren mit der Gesellschaft?

Dieses Zitat zeigt, dass die neu hergestellten Fahrräder letztlich über der Preisspanne lagen, die jüngere Erwachsene in Budapest für ein Fahrrad ausgeben konnten. So konnte die Firma ihr ursprünglich intendiertes Zielpublikum, die Durchschnittsverbraucherin und den Durchschnittsverbraucher in der Hauptstadt, immer weniger erreichen.31 Der zweite exemplarische Fahrradhersteller ist Merényi Bicycles. Der bekannteste der drei Firmeninhaber ist der Rahmenbauer Dániel Merényi, der als ehemaliger Werbefachmann eine Ausbildung bei dem italienischen Rahmenbauer Dario Pegoretti absolviert hatte. Zudem war er der Öffentlichkeit seit längerem durch seine Comic-Kolumne auf der Nachrichtenseite index.hu unter dem Pseudonym Grafitember [Grafitmensch] bekannt.32 Auch er hatte einen starken Bezug zum ehemaligen Fahrrad-Underground. Er gehörte zu den ersten Nicht-Kurieren, die Ende der 1990er-Jahre in die recht geschlossene subkulturelle Fahrrad-Szene in Budapest aufgenommen wurden.33 Auch Merényi Bicycles fand seine Kundschaft vorwiegend im Ausland, da die nach Maß gefertigten und individuellen Wünschen lackierten Fahrräder jeweils über eintausend Euro kosteten.34 Deshalb nahm Merényi Bicycles auch an Fahrradmessen im Ausland teil. Das Unternehmen konzentrierte sich auf den Bau von maßgefertigten Stahlrahmen-Fahrrädern. Dieser Fahrradtypus wurde sowohl im Freizeitradsport als auch in der Alltagsnutzung in den 2000er-Jahren wiederentdeckt. Stahlrahmen-Fahrräder wirken mit ihren dünneren Rohren eleganter als jene mit Aluminiumrahmen und bieten beim Fahren durch niedriges Gewicht und hohe Elastizität mehr Komfort. Dabei ist ein Stahlrahmen weniger teuer und empfindlich als beispielsweise ein Carbonrahmen. Zur Selbstdarstellung der Firma gehörte eine anspruchsvoll gestaltete Homepage, die das Image der Fahrradmanufaktur und die exklusive handwerkliche Arbeit noch unterstrich.35 Obwohl der Firmensitz im Nordosten des Landes liegt, waren die Mitarbeiter von Merényi Bicycles bei Fahrradevents in der Hauptstadt Budapest oftmals als Vertreter der neuen ungarischen kreativen Fahrradwirtschaft eingeladen.36 31 Vgl. ebd. 32 Vgl. Grafitember: Napirajz [Tageszeichnung]. URL: http://index.hu/napirajz/ (am 7.3.2017). 33 Freundliche Mitteilung von Márton Horváth am 9.9.2013. 34 Vgl. Arthur, David: Merényi Bicycles to present at Bespoked Bristol. In: road.cc vom 10.4.2013, URL: https://road.cc/content/news/80674-merenyi-bicycles-present-bespoked-​ bristol (am 1.1.2017); vgl. Molnár, Csaba: Miskolctól a világhírig – kilenc kerékpárral [Aus Miskolc zum Weltruhm – mit neun Fahrrädern]. In: hvg.hu vom 11.6.2013, URL: http:// hvg.hu/kkv/20130611_Bicikliepiteszek_kerekpart_a_garazsvallal (am 1.1.2017). 35 Vgl. Egyedi kerékpárok  – Merényi Bicycles. URL : http://www.merenyi.eu/hu/ (am 7.3.2017). 36 Vgl. Merényi Bicycles: Korábbi események [Frühere Events]. In: facebook.com, URL : https://www.facebook.com/pg/merenyibicycles/events/ (am 1.1.2017).

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Beispiel Velofetish: Kleinunternehmer des Radfahrens

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Merényi Bicycles wie auch Csajbringa profitierten beide vom gewachsenen öffentlichen Interesse am Fahrradfahren. Beide Marken wurden gleichermaßen mit hochwertiger, individueller Fahrradproduktion aus Ungarn verbunden, weshalb sie regelmäßig als Vertreter des Nischenbereichs individuell angefertigter Fahrräder im Rampenlicht standen. Darüber hinaus stehen beide für einen veränderten urbanen Geschmack, neue ästhetische Maßstäbe, Individualismus und Exklusivität sowie für einen international erweiterten Kundenkreis.37 Unternehmergeist und die Aufwertung des Lokalen Was verbindet die drei vorgestellten Modemarken und die zwei Fahrradmanufakturen mit dem Radfahren in Budapest? Augenfällig ist, dass in allen Fällen die Fahrradnutzung als biografische Erfahrung zur Geschäftsidee und Unternehmensgründung führte. Alle genannten Kleinunternehmerinnen und Kleinunternehmer begannen ihre Arbeit zu der Zeit, als das Interesse am Radverkehr in Budapest stieg. Zwar unterscheiden sich die einzelnen Modemacherinnen und Modemacher sowie die Fahrradhersteller hinsichtlich der Gründe, die zum Start des eigenen Labels oder der eigenen Manufaktur führten, also ob die Gründung strategisch geplant oder eher zufällig vonstattenging. Ein gemeinsames Muster ist jedoch, dass durch den zunehmenden Radverkehr ein sichtbarer Bedarf an unterschiedlichen Gütern entstanden war. Die Unternehmensidee der genannten Kleinunternehmer bestand darin, diesen Bedarf nach eigenen ästhetischen Vorstellungen zu befriedigen. Augenscheinlich standen diese Unternehmensgründungen für einen neuen Geschmack, der im Radfahren nicht mehr nur sportliche Aktivität erkannte, sondern das Radfahren als Teil eines urbanen Alltags betrachtete, wofür entsprechende Fahrräder und ein passender, modisch-städtischer, aber doch funktionaler Kleidungsstil sowie weitere Alltagsgegenstände benötigt wurden. In vielerlei Hinsicht handelte es sich bei diesen Waren um urbane Lifestyle-Objekte, bei denen nicht nur der vordergründige Bezug zum Radfahren entscheidend war, sondern auch die Bedürfnisbefriedigung einer urbanen Schicht, die individuell und qualitativ hochwertig konsumieren wollte. Bislang nicht erwähnt wurden die vielfältigen Kunstobjekte und Alltagsgegenstände aus Fahrradschläuchen, -reifen und anderen Bauteilen, die nicht nur ästhetisch, sondern auch nachhaltig gestaltet waren. Da die meisten der vor37 Vgl. Ginter, Zsófia: Tudjuk, min tekersz idén tavasszal [Wir wissen, auf was du diesen Frühling pedalieren wirst]. In: hg.hu vom 17.3.2012, URL: http://hg.hu/cikkek/design/​ 13877-tudjuk-min-tekersz-iden-tavasszal (am 1.1.2017); vgl. Mesterházy, Fruzsina: Testre szabott bringák – Műhelyek és igények [Maßgeschneiderte Fahrräder – Werkstätten und Bedarf]. In: Magyar Narancs Online 23 vom 5.6.2014, URL: http://magyarnarancs.hu/ sport/testre-szabott-bringak-90380/ (am 1.1.2017).

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Was macht das Radfahren mit der Gesellschaft?

gestellten Marken auch von britischen, amerikanischen oder französischen Zeitschriften sowie Online-Zeitungen vorgestellt wurden, profitierten die Unternehmen auch von einer entgrenzten urbanen Konsumkultur, die sich teilweise in der digitalen Sphäre der Webshops Bahn brach.38 Die Produkte der ungarischen Start-ups machten das Radfahren zu einem konsumierbaren urbanen Lebensstil, der wiederum weitere Menschen anzog und inspirierte. So wurden immer mehr Menschen für das Radfahren in Budapest begeistert, und Budapest wurde immer wieder neu als urbaner Raum und alltäglicher Lebensort beschworen. Die Unternehmerinnen und Unternehmer kooperierten mit den Fahrradorganisationen und nahmen an Veranstaltungen teil, bei denen die Förderung des Radverkehrs im Mittelpunkt stand.39 In ihren digitalen Kommunikationskanälen nahmen die Kleinunternehmerinnen und Kleinunternehmer regelmäßig Bezug auf den Fahrradaktivismus, auf die Entwicklung des Radverkehrs in Budapest und auf die infrastrukturellen Veränderungen. Diese Haltung, Verantwortung für das Lokale zu übernehmen, macht auch deutlich, dass sich die Gruppe der Fahrradakteurinnen und -akteure als gesellschaftlicher Vermittler sah. So gibt es eine klare Verbindung zwischen der in dieser Generation typischen Idee vom Radfahren als nachhaltiger Vision und Vehikel zur Weltverbesserung und dem durch den Radverkehr ermöglichten Aufbau der eigenen Existenz.

7.2 »I bike Budapest«.40 Dokumentar- und Imagefilme des urbanen Wandels In den 2000er- und 2010er-Jahren wurden von den Budapester Fahrradsympa­ thisantinnen und -sympathisanten einige Dokumentar- und Imagefilme ge38 Vgl. Arthur, Merényi Bicycles to present at Bespoked Bristol; Presseschau von Urban Legends.; vgl. Hungarian Succes Stories | Hírek. Urban Legend. URL: http://urbanlegend.cc/ press/article/hungarian-succes-stories (am 19.1.2017). 39 Vgl. CSB Csajbringa: Juhé:] Már az Alkotáson is. [Cool:] Schon auch auf der AlkotásStraße]. In: facebook.com vom 12.7.2013, URL: https://www.facebook.com/csajbringa/​ photos/a.138099802870476.26080.128793117134478/677230925624025/ (am 1.1.2017); vgl. UrbanLegend by ZsófiaGereby: Végrevégre!  [EndtlichEntlich!]. In: facebook.com vom 8.8.2012, URL: https://www.facebook.com/zsofigereby/posts/211603565635973 (am 1.1. 2017); vgl. CSB Csajbringa: Egy átlagos hétköznapon 18:30-kor 216 bringás halad át 10 perc leforgása alatt a Gellért téren [An einem Durchschnittswochentag fahren um 18.30h in zehn Minuten 216 Radfahrende am Gellért-Platz durch]. In: facebook.com / csajbringa vom 12.9.2012, URL: https://www.facebook.com/csajbringa/posts/466809183340876 (am 1.1.2017). 40 cyclechic.hu: I love Budapest. I bike Budapest. URL: https://vimeo.com/33189970 (am 6.3.2017).

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»I bike Budapest«. Dokumentar- und Imagefilme des urbanen Wandels

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dreht, die aus unterschiedlichen Perspektiven die Zunahme des Radverkehrs in der Stadt beleuchteten. Die im vorherigen Teilkapitel erwähnte Velo­fetishAusstellung in Berlin ließ einige dieser Filme auch in die Installation mit einfließen. Die Dokumentarfilme sind als kulturelle Produkte von Interesse, weil sie besonders deutlich die Intentionen ihrer Macherinnen und Macher enthüllen. Diese werden sichtbar durch die Auswahl der Wirklichkeitsausschnitte, die sie als Wahrheiten in den Raum stellen. Den Imagefilmen hingegen geht es in erster Linie ums Marketing. Die für diese Arbeit ausgewählten Filme zeigen, wie die Fahrradnutzung in der Stadt durch bewegte Bilder gedeutet wurde. Dokumentarfilm über urbanes Radfahren Der Filmemacher Dávid Kresalák drehte 2010 einen einstündigen Dokumentarfilm mit dem Titel Riporter drótszamáron [Reporter auf dem Drahtesel]. In der Einstiegsszene des Filmes wird eine Therapiesitzung gezeigt, in der der Filmemacher sich als »Radfahrender« vorstellt. Dies suggeriert, dass diese Rolle eine Besonderheit sei, ja sogar einen zu therapierenden pathologischen Zustand darstelle. Dies kann man als eine ironische Selbstreflexion darüber interpretieren, dass die urbane Fahrradnutzung stellvertretend für eine Art Riss in der Gesellschaft stand: Denn das Radfahren war für die eine Seite ein Trend, für die andere Seite aber eine Störung, die abgelehnt wurde. Die individuellen Erfahrungen des Filmemachers auf dem Fahrrad flossen in die Erzählung des Films ebenso ein wie die Geschichten der auf der Straße angesprochenen Radfahrenden. Der Radfahrende tritt durch diese Einzelgeschichten als heroische Figur hervor, die trotz der Umstände, der Boshaftigkeit der Mitmenschen, der Diebstähle, Unfälle und des starken Verkehrs im Sattel bleibt und aufgrund des befreienden Gefühls des Radfahrens weiterfährt. Das dadurch entstehende Zusammengehörigkeitsgefühl einer Schicksalsgemeinschaft, die sich ein Stück weit durch ihren Idealismus von der feindseligen Umgebung absondert, fängt der Film in einem Dialog mit einem Protagonisten ein: Gibt es so was in Budapest, so was wie eine Fahrradgemeinschaft? Oder wer sind die Radfahrenden? Steht der Begriff für ein lebendiges Kollektiv? – Ja, ja, es gibt das. Aber das ist keine abgegrenzte Sache, es ist nicht so benannt wie eine Organisation. Die Fahrradgemeinschaft funktioniert so, dass die Radfahrenden einander in die Augen schauen, nicken, lächeln, wie die Hippies. In der Hippiewelt geht es auch darum, da gibt es auch so eine Ausstrahlung. Wir haben Licht in unseren Herzen und das sehen wir einander an. Du bist auch so weit gekommen, dass du was dafür machst. Ok, das ist cool, es freut mich, dass es so ist, meine Ehre, meinen Segen und meinen Frieden.41

41 Kresalák, Dávid: Riporter drótszamáron [Reporter auf dem Drahtesel]. Budapest 2010.

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Was macht das Radfahren mit der Gesellschaft?

Trotz vieler O-Töne von Radfahrenden versucht der Film in einigen Momenten auch einen dokumentarisch-objektiven Blick auf die Gesamtsituation des Radfahrens zu werfen und stellt in einem Streifzug die Vertreterinnen und Vertreter der Fahrradorganisationen, der Auto-Lobby und einen Beamten der Budapester Verwaltung vor. Zwar kommentiert der Film die Aussagen seiner Protagonistinnen und Protagonisten nicht, aber diese sprechen für sich. Die zornige Verstimmtheit der Fahrradinteressenvertretungen über nicht erfüllte kommunale Ziele und die gleichzeitige Feinstaubverschmutzung oder der detaillierte Bericht des Beamten darüber, wie die absurden bürokratischen Vorschriften der Verwaltung den Infrastrukturaufbau für Radverkehr verhindern, zeigen ohnehin an, dass der Film Partei für den Radverkehr ergreift. Die ausgewählten Schauplätze der Interviews runden das Bild weiter ab. Die Protagonisten der Fahrrad-Lobby werden im Grünen, in Parkanlagen oder entlang der Fahrradrouten an der Donau befragt und die Kamera beobachtet, wie sie ihre Demonstrationen organisieren oder ausführen. Im Gegensatz dazu beantworten die Vertreter der Auto-Lobby, der Organisation Emberibb Parkolásért Mozgalom [Bewegung für Menschliches Parken] die Fragen des Reporters in einer austauschbaren, beliebigen Tiefgarage bei greller Beleuchtung und mit Geräuschen von ein- und ausparkenden Autos im Hintergrund. Sie werden dadurch an den Pranger gestellt, dass sie voller Selbstsicherheit in einem dem Radfahren gegenüber positiv eingestellten Film über ihre Abneigung gegen das Fahrrad als Verkehrsmittel und die vermeintliche Aggressivität der Nutzerinnen und Nutzer berichten. Die zwei älteren Herren, die mit ihrer Kleidung, ihrem Sprechstil und ihren Ansichten eigentlich die Durchschnittsbürger der ungarischen Gesellschaft darstellen, stehen in diesem Film als Vertreter der »Gegner« da. Das Loblied des urbanen Radfahrens, das in diesem Film angestimmt wird, marginalisierte somit die eigentliche Mehrheit. Das Zielpublikum war damit eindeutig nicht der Durchschnittsbürger, sondern die imaginierte »Fahrradgemeinschaft«, die sich mit dem Reporter identifizieren kann. Insofern ist der Film ein Beleg dafür, dass die Prozesse der Meinungsbildung zu neuen Hegemonien führten – wobei die Autozentriertheit als abnormal dargestellt wird. Der Film wurde im Rahmen des Budapest Biciklis Fesztivál [Budapester Fahrradfestival], einem Filmfestival im Budapester Kino Toldi, ausgestrahlt.42 Die Kritiken wiesen darauf hin, dass der Film Fragen und Problemlagen aufgreift und darstellt, aber nicht lösungsorientiert denkt.

42 Vgl. Libor, Anita / Venesz, Roland: BuBi: Riporter drótszamáron [BuBi: Reporter auf dem Drahtesel]. In: film.hu vom 4.9.2010, URL: magyar.film.hu/filmhu/magazin/bubiriporter-drotszamaron-bicik (am 1.1.2017).

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»I bike Budapest«. Dokumentar- und Imagefilme des urbanen Wandels

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Portraits der Radfahrenden Eine weitere dokumentarische Portraitreihe über Radfahrende aus Budapest wählte eine andere Strategie, um über den Radverkehr zu berichten. Die aus vier Kurzfilmen bestehende Dokumentarfilmreihe von Viktor Kádár mit dem Titel A város lekerekítve [Die Stadt abgeradelt] nahm verschiedene Radfahrende in den Blick.43 Der Macher der Reihe ist der Mitbegründer des bereits beschriebenen Mikrounternehmens Csajbringa. Die vier Kurzfilme stellen in der Bevölkerung verankerte Sterotype in Frage. Der Anwalt im Anzug entscheidet sich ebenso für das Fahrrad wie die Bankmitarbeiterin. Sie kündigt schließlich ihren Job und startet das GastroStart-up Kétker-Étkem [Zweirad-Essen]. Ihr selbstgekochtes Essen liefern Fahrradkuriere in der Innenstadt aus – im Pfandgeschirr. Ein weiterer Protagonist, ein älterer Herr, fährt mit seinem alten Käfer zum Vergnügen an den Wochenenden in die Natur, ansonsten benutzt er in der Stadt ein Fahrrad mit Korb, in dem er seinen Hund transportiert, den er aus dem Tierheim geholt hat. Die Verkehrsform Fahrrad tritt hier als Verkehrsmittel einer jungen und offen gebliebenen urbanen Mittelschicht auf. Die Protagonisten entscheiden sich bewusst für das Fahrrad, das für sie Freiheit, Flexibilität und ein neues Lebensgefühl in der Stadt bedeutet. Radfahren stellt immer noch ein Unterscheidungsmerkmal im sozialen Umfeld der Protagonisten dar und ist somit jedes Mal wieder eine Entscheidung und eine bewusste Auseinandersetzung mit der Mehrheitsmeinung. Generell beschreibt die Portraitreihe ein konfliktfreies Bild des Radfahrens: Es werden keine Unfälle, keine unbequemen Infrastrukturen, kein Diebstahl und keine Auseinandersetzungen mit anderen Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern gezeigt, sondern nur, wie diese überwunden wurden. Die Intention des Machers war damit das Werben: »Durch individuelle Geschichten stellen wir dar, warum es gut ist, Fahrrrad zu fahren. Und vielleicht machen wir denjenigen Lust darauf, die bisher den aufkommenden inneren Drang mit irgendeiner Ausrede unterdrückt haben.«44 Da die Dreharbeiten zwar eine Zeit lang durch einen Sportdiscounter gefördert wurden, dieser aber später aus dem Projekt ausstieg, wurde das Ergeb43 Vgl. Kádár, Viktor: A város lekerekítve – Teaser 1 – Bori [Die Stadt abgeradelt – Teaser 1 – Bori]. Budapest 2012, URL: https://youtu.be/N_n3vJL4He8 (am 1.1.2017); vgl- Kádár, Viktor: A város lekerekítve – Teaser 2 – Tamás [Die Stadt abgeradelt – Teaser 2 – Tamás] 2012, URL: https://youtu.be/jE9onvV9Rpw (am 1.1.2017); vgl. Kádár, Viktor: A város lekerekítve – Teaser 3 – Ágó [Die Stadt abgeradelt – Teaser 3 – Ágó] 2012, URL: https:// youtu.be/HQIV2bV5npg (am 1.1.2017); vgl. Kádár, Viktor: A város lekerekítve – Teaser 4 – Kiskádár [Die Stadt abgeradelt – Teaser 4 – Kiskádár]. Budapest 2013, URL: https:// youtu.be/nA2YsCuvpWU (am 1.1.2017). 44 Ferenc, Bakró-Nagy: Város Lekerekítve [Die Stadt abgeradelt]. In: index.hu / kerekagy vom 26.4.2013, URL: http://index.hu/kerekagy/2013/04/26/varos_lekerekitve/ (am 1.1.2017).

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Was macht das Radfahren mit der Gesellschaft?

nis nicht kommerziell vertrieben.45 In den Fahrradblogs wurden die online veröffentlichten Kurzfilme mit Begeisterung aufgenommen. Die Kurzfilme erhielten auch im Videoportal YouTube eine für einen Nischenfilm nicht unerhebliche Zahl an Klicks.46 Letztendlich erreichte der Film aber keine große Öffentlichkeit und wurde nur im Kreis der Fahrradsympathisanten bekannt. Das Projekt ist ein weiteres Beispiel für den Idealismus, Radverkehr aus Eigeninitative zu fördern. Einnahmen bedeutete das Projekt für den Filmemacher nicht. I bike Budapest: Werbung fürs Radfahren Die Sprache des Films wurde auch in anderen Bereichen für aktivistische Zwecke genutzt. Ein Beispiel ist das dreiminütigen Kurzvideo I love Budapest. I bike Budapest aus dem Jahr 2012.47 Diese Hommage an Budapest zeigt eine Frau mit Hut, blumengemustertem Kleid und einen Herren im Anzug mit Fliege, wie sie unabhängig voneinander mit Freude auf dem Fahrrad in der Morgendämmerung durch die menschenleere Innenstadt fahren. Der Titel verwendet den popkulturellen Referenzpunkt I ♥ NY, den Ende der 1970er-Jahre eine Stadtmarketingagentur für New York gewählt hatte. Diese Text-Bild-Marke ist nicht nur der Archetyp für Stadtmarketing generell, sondern versinnbildlicht auch den Prozess, wie ganze Städte als Ikonen stilisiert werden – und in Konkurrenz zueinander treten. Dieses Logo hatte bereits die dänische Hauptstadt Kopenhagen in ihrer 2008 ins Leben gerufenen Marketingkampagne I bike CPH auf das Radfahren umgemünzt.48 Der Radverkehr wurde in den 2000er-Jahren immer mehr zu einer urbanen Imagefrage – und betraf insofern auch Budapest. Gleichzeitig ist das Video I bike Budapest ein besonderes Beispiel, da hier das Fahrrad als Instrument des Stadtmarketings durch eine »von unten« kommende Initiative eingesetzt wurde. Macher des Kurzfilms war das Cycle Chic Team, gegründet von den Bloggern des bereits erwähnten Fahrradmode-

45 Vgl. Tóth: Interview mit dem Filmemacher und Firmeninhaber von Csajbringa, Viktor Kádár. 46 Vgl. Urbanplayer: A város lekerekítve: bringás dokumentumfilm készül Budapest pedálozóiról [Die Stadt umrundet: Über die Pedalierenden in Budapest wurde ein Fahrraddokumentarfilm gedreht]. In: urbanplayer.hu vom 7.5.2013, URL: http://urbanplayer.hu/​ utca/a-varos-lekerekitve-bringas-dokumentumfilm-keszul-budapest-pedalozoirol/ (am 1.1.2017); vgl. Lokaladmin: Felnőtt fejjel is el lehet kezdeni biciklizni [Auch als Erwachsener kann man radeln]. In: kerekpar.mandiner.hu vom 7.5.2013, URL: http://kerekpar. mandiner.hu/cikk/20130507_felnott_fejjel_is_el_lehet_kezdeni_biciklizni (am 1.1.2017). 47 Vgl. cyclechic.hu: I love Budapest. I bike Budapest. URL: https://vimeo.com/33189970 (am 6.3.2017). 48 Vgl. Fahrradportal: I bike CPH . URL: https://nationaler-radverkehrsplan.de/de/praxis/ibike-cph (am 12.2.2017).

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»I bike Budapest«. Dokumentar- und Imagefilme des urbanen Wandels

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blogs Hungarian Cycle Chic. Den Blog ins Leben gerufen hatte ein Aktivist des Ungarischen Fahrradclubs, um neue Wege in der Fahrradförderung zu gehen. Eine klare Intention des Films war es, Werbung zu machen und sein Publikum vom Radfahren zu überzeugen. So steht unter dem Kurzfilm der Text: »Ride your bike wherever you like to, however you like to. Feel that you own the city. Enjoy every piece of it, because every day is another experience. The bridges, the streets, the houses greet you every morning. […]«49 Das Team beabsichtigte mit diesen Bilderreihen, den Werbestil von Autowerbungen, die ausschließlich auf Erlebnis, Freude und Abenteuer setzen, auch für das Fahrrad zu nutzen.50 Atmosphärisch betrachtet ist das Kurzvideo eine stimmungsvolle, mit Musik begleitete Spiegelung eines Lebensgefühls von zwei etwas aus der Zeit gefallenen, stimmlosen Protagonisten. Der auf einem Videoverteilerportal hochgeladene Clip erreichte durch die transnationale digitale Öffentlichkeit sein Zielpublikum und hatte einen immensen Erfolg.51 In der kulturellen Deutungshoheit der Zuschauerinnen und Zuschauer stellte der urbane Radverkehr die allgemein erwünschte Verkehrsentscheidung dar – und wurde deshalb auch über die Kurzfilme kollektiv gefeiert. Cycle Me Home: Mit dem »Fixie-Gefühl« durch Europa Ein weiterer gefeierter Film mit dem Titel Cycle Me Home aus dem Jahr 2011 stammt aus der »Subkultur«, auch »Underground« genannten ungarischen Fahrrad-Szene der Fixie-Fahrerinnen, Fixie-fahrer und Fahrradkuriere.52 Die Nutzung von Fixies, Fahrrädern mit einem starren Gang, war zu dieser Zeit in ganz Europa ein Modephänomen und bildete die Grundlage für diesen Film. Der Film ist ein Fahrrad-»Road Movie«, das erzählt, wie der ungarische Filmstudent Levi nach seinem Auslandssemester in Madrid auf einem Fixie und in Begleitung seiner Kumpels zurück nach Budapest fährt. Der Film basiert auf der Tradition der »Road Movies«. Zudem folgt er der Bildsprache der Kultfilme des Rennradsports, wie beispielsweise der dänischen Dokumentation A Sunday in Hell aus dem Jahr 1976, indem er auf die körperlichen Leiden seiner Figuren während der Reise eingeht.53

49 cyclechic.hu, I love Budapest. I bike Budapest. 50 Vgl. Halász, Áron: Blog. Hungarian Cycle Chic: examples of cycling activism. Vortrag im Rahmen des Workshops Volunteers of Cycling Academy. Gödör Klub. Budapest 19.4.2013. 51 Vgl. Birkholz, Tim: Der Einfluss des Internets auf den Radverkehr oder: I love Budapest. I bike Budapest. URL: https://www.urbanophil.net/urbane-mobilitat/der-einfluss-desinternets-auf-den-radverkehr-oder-i-love-budapest-i-bike-budapest/ vom 6.12.2011 (am 1.1.2017). 52 Vgl. Vérten, Daniel: Cycle me home 2011, URL: https://vimeo.com/42137035 (am 1.1.2017). 53 Vgl. Leth, Jørgen: A Sunnday in Hell 1976.

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Was macht das Radfahren mit der Gesellschaft?

Der Film porträtiert zugleich einen Teil der europäischen Jugendkultur, welche die Protagonisten während der Heimfahrt erleben. Die Freizeit­ gestaltung, das Feiern und der Sport, dieses Mal in Form des Radfahrens, bedeuten in dieser Altersgruppe grenzüberschreitende Vergemeinschaftungen, da das Szenenleben in Budapest, Barcelona und Madrid sehr ähnlich abläuft. An diese Orte ist das Team dann auch zur Vorführung des fertigen Films zurückgekehrt.54 Die Fixie-Liebhaber waren sowohl Protagonisten als auch Rezipienten des Films. Im Interview mit einem Nachrichtenportal äußerte der Hauptdarsteller seinen Wunsch, dass aus dem Film eine Art Bewegung entstehen möge, die das Reisen auf dem Fahrrad und das Filmemachen auch weiterhin miteinander verbinden soll.55 Die Filmpremiere von Cycle Me Home in Budapest war ein großer Event in der Fahrradszene, zu dem der italienische Techno-Produzent Dusty Kid, der die Filmmusik beigesteuert hatte, auflegte. Der Film richtete sich damit nicht an die Allgemeinheit, sondern an eine kleine, exklusive Gruppe von Interessierten. Wichtig ist auch ein Blick auf die ökonomischen Aspekte des Films. Die Sponsoren wurden während der Dreharbeiten entlang der Route rekrutiert. Den Film Cycle Me Home sponsorten unter anderem viele ungarische Firmen, Kleinunternehmer der Fahrradindustrie und Fahrradwerkstätten mit Ausrüstung, weshalb ihr productplacement häufig im Film erscheint. Die Hauptprotagonisten tragen eine Bagaboo-Tasche, ein Funktionsshirt und eine Fahrradmütze der Fahrradbekleidungsherstellerin Serin. Das Team hinter dem Film machte aus Cycle Me Home eine Marke mit eigenem Logo. So wurden auf der Homepage nicht nur neue Filmprojekte online gestellt, sondern es gab auch die Möglichkeit, Fahrradbekleidung in handgemachten, durchnummerierten, limitierten und mit eigenem Logo bedruckten Serien zu bestellen. Dies ist ein Beispiel dafür, wie das Lebensgefühl »You Will Never Ride Alone« konsumierbar wird. Die Filmsprache der »Fahrradrevolution« Die in unterschiedlichen Kontexten, mit unterschiedlicher Länge und Intention angefertigten Filme verbindet, dass sie die Fahrradnutzung in Budapest oder von Budapestern weltweit zum Thema haben. Die Filme sind in der Atmosphäre Budapests der 2000er- und 2010er-Jahren entstanden. Wie bereits im Teilkapitel zu den Fahrradkurieren veranschaulicht, waren für die Filme54 Vgl. Cycle me home: Madrid Srceening. URL: http://www.cyclemehome.com/madridscreening/ (am 1.6.2017). 55 Vgl. Ride4Life: Klára Levente: A Cycle Me Home nem csak egy film [Klára Levente: Cycle Me Home ist nicht nur ein Film]. In: kerekpar.mandiner.hu vom 4.4.2012, URL: http://​ kerekpar.mandiner.hu/cikk/20120404_klara_levente_a_cycle_me_home_nem_csak​_​ egy_film (am 1.1.2017).

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»Eine Art gesellschaftliche Mission«: Ausstellungsarbeit zum urbanen Wandel

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macherinnen und Filmemacher die mit dem Radfahren verbundenen Vergemeinschaftungsformen bereits in den 1990er-Jahren ein attraktives Thema, als es noch eine deutlich kleinere Gruppe von Radfahrenden gab. Sie verfolgten direkt den urbanen Wandel und den Umstieg auf das Fahrrad und wollten ihn beeinflussen oder die aus dem Wandel enstehenden, europaorientierten, jugendkulturellen Erlebnisse und die Reiselust der Szene dokumentieren. Zudem verbinden sich mit dem Fahrrad viele Ideen, die in der vom Soziologen Gerhard Schulze als Erlebnisgesellschaft charakterisierten Gegenwart einen zentralen Stellenwert einnehmen: Individualismus, Befreiung, Spontaneität und Genuss – also immaterielle Werte.56 Die Filme werden von den Fahrradbefürwortern genutzt, um auf über Bilder transportierte Emotionen Einfluss zu nehmen. Als kulturelle Produkte zeigen sie auf, wie durch filmische Mittel neue Repräsentationen und kulturelle Hegemonien erzeugt werden können. Dass Filme mehr und mehr an Einfluss gewannen, liegt auch an der Digitalisierung der urbanen Öffentlichkeit und am vereinfachten Zugang zu technischem Equipement. Die Filmsprache verlieh den Kulturschaffenden eine agency, also die Fähigkeit zu deuten. Auf Fahrradblogs und auf Nachrichtenseiten erreichten die Filme schnell einen hohen Bekanntheitsgrad, konnten aber bei der beschriebenen Velofetish-Ausstellung auch Abenteuer und Lebens­stil vermitteln.

7.3

»Eine Art gesellschaftliche Mission«57: Ausstellungsarbeit zum urbanen Wandel

Ein weiteres Feld der kulturellen Produktion, das die steigende Fahrrad­ nutzung im Stadtraum von Budapest zum Thema machte, waren die Museen. In den 2000er-Jahren hatte sich aufgrund der gekürzten staatlichen Zuschüsse eine Konkurrenz unter den kulturellen Institutionen herausgebildet. Gegenwartsbezug bei Ausstellungsthemen versprach hohe Besucherzahlen. Das museale Feld war deshalb für die steigende Fahrradnutzung sehr empfänglich. Andererseits waren es die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst, die einen Erneuerungswunsch der musealen Arbeit verspürten und sich für das Radthema begeisterten. Eine Museumkuratorin bringt dies im Interview im Rahmen der Forschung wie folgt auf den Punkt:

56 Vgl. Schulze, Gerhard: Die Erlebnisgesellschaft. Frankfurt am Main 1993. 57 Vgl. Tóth, Katalin: Interview mit der Museumskuratorin und Ethnologin Zsófia Frazon. Budapest 27.3.2013.

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Was macht das Radfahren mit der Gesellschaft?

[…] der Radverkehr in Budapest hat eine Art gesellschaftliche Mission, nämlich dass du dich auch mit der gesellschaftlichen Mission identifizierst. [….] Unter den Kollegen, die Rad fahren, ist das nur ein Teil, also eine kleine Teilmenge unter der Belegschaft. Ich würde sie nicht als Aktivisten bezeichnen, aber als Sympathisanten. Sie sympathisieren mit dem Aktivismus. Einige sind ein bisschen aktivistischer. Das hat auf jeden Fall eine Rolle gespielt. Und dass das sicher generationell ist, hier im Museum, sollte noch hinzufügt werden. Es ist unabhängig vom Geschlecht […].58

Die im Folgenden vorgestellten Ausstellungen waren nicht im traditionsreichen Közlekedési Múzeum [Verkehrsmuseum] kuratiert worden, das die größte Objektsammlung von Fahrrädern im Land besitzt, sondern gingen von zwei anderen Institutionen aus. FreeCikli 2010 eröffnete das Kiscelli Múzeum [Museum Kiscell], ein Stadtteilmuseum im Norden von Buda, die erste umfassende Fahrradausstellung mit dem Titel FreeCikli − A kerékpározás kultúrtörténete [FreeCikli − Eine Kulturgeschichte des Fahrrades].59 Da das Museum ein stadtgeschichtliches Profil hat, war der Erfolg der CM-Demonstrationen Anlass, über die Rolle des Radfahrens im Stadtleben eine Ausstellung zu gestalten. Der Ausstellungstitel FreeCikli war ein Wortspiel aus »Fahrrad« und »Freiheit«: Radfahren steht also für Befreiung und damit für Befähigung. Die drei Kuratorinnen und Kuratoren setzten sich zum Ziel, durch eine historische Herangehensweise Problemlagen des aktuellen Radverkehrs besser zu beleuchten.60 Die ausgestellten Materialien stellten anhand einer deskriptiven Entwicklungsgeschichte die Verbreitung des Fahrrads in Ungarn dar: zuerst als Sportart der Aristokratie und schließlich als Vehikel der Emanzipation der Frauen. Den Hauptteil der Ausstellung bildeten um die einhundert Fahrräder mit unterschiedlichem Design aus unterschiedlichen Jahrzehnten. Die gegenwärtigen Entwicklungen, die an die Fahrradkuriergemeinschaft angebundene urbane Szene sowie ihre Schauplätze, die CM-Demonstrationen und die Aktionen des Ungarischen Fahrradclubs wurden mittels Plakat- und Fotomaterial in die Ausstellung integriert. All dies bedeutete eine weitere Anerkennung seitens einer offiziellen kulturellen Institution für das Engagement dieser Gruppierungen. Zur Ausstellungseröffnung von FreeCikli hielt der renommierte Autor der ungarischen 58 Ebd. 59 Kiscelli Múzeum: FreeCikli. A  kerékpár kultúrtörténete. 2010 [FreeCikli. Die Kulturgeschichte des Fahrrades. 2010]. URL : http://www.kiscellimuzeum.hu/freecikli (am 10.1.2017). 60 Budapest Történeti Múzeum. Fövárosi Képtár – Kiscelli Múzeum: FreeCikli. A kerékpár kultúrtörténete [FreeCikli. Die Kulturgeschichte des Radfahrens]. URL : http://www. btmfk.iif.hu/freecili.html (am 10.2.2016).

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Gegenwartsliteratur, Pál Závada, die Eröffnungsrede, in der er über seine eigenen Erinnerungen an das Radfahren in der Kindheit sprach.61 Die Ausstellung wurde in den folgenden Jahren noch zwei weitere Male an anderen Orten gezeigt. Sie war als erste Fahrradausstellung ein Publikumserfolg und etablierte eine neue Tradition in der musealen Arbeit, nämlich, das Thema Radverkehr mit einem politischen Anspruch in Zusammenarbeit mit den Fahrradinteressensvertretungen anzugehen. Diese waren sehr offen für Kooperationen, da sie durch neue Partner eine Bühne für ihre Forderungen erhielten. Fahrradkultur als urbane Gegenwartskultur Das Néprajzi Múzeum [Ethnographisches Museum] war das Museum in Budapest, das das urbane Radfahren am stärksten in den Blick nahm. Der Grund war eine junge Gruppe von fahrradbegeisterten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die dieses Engagement bei der Museumsleitung durchsetzen konnte.62 Das stimmte insofern mit dem ursprünglichen Profil des Museums überein, als das Radfahren seit der Zwischenkriegszeit zum Alltag der bäuerlich-landwirtschaftlichen Bevölkerung gehörte und die Dokumentation dieser Lebensweise die wesentlichen Sammlungs- und Arbeitsgebiete des Museums darstellten. Gleichzeitig passte das Thema Radfahren aufgrund seiner Aktu­a lität zu einer 2003 begonnenen, neuen gegenwartsbezogenen Initiative des Museums  – Ma Dokumentációja [Dokumentation der Gegenwart, MaDok-Programm].63 Das MaDok-Programm hatte als Ziel, die Aufnahme der industriellen Massenproduktion und Konsumkultur ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert durch ein Netzwerk ungarischer Museen zu unterstützen. Aufgrund dieses Projekts eröffnete das Ethnographische Museum 2006 eine Ausstellung mit dem Titel Műnyag [Plastik], die einen von den 1950er- bis in die 1990er-Jahre reichenden Streifzug durch Plastikobjekte des ungarischen Alltags und der Konsumkultur bot. Dazu hatte die Co-Kuratorin Zsófia ­Frazon von der Fahrradkurierfirma Hajtás Pajtás auch synthetische Funktionskleidung der Kurierarbeit eingeworben. […] und das war so der erste Moment, als bei der Ausstellungseröffnung des Ethno­ graphischen Museums auf dem Eisengitter die Fahrräder wie Trauben hingen, weil Sinya [Spitzname für Károly Sinka – Bemerk. K. T.] die ganze Hajtás Pajtás-Gruppe 61 Závada Pál: FreeCikli kiállítás megnyitóbeszéde [Die Eröffnungsrede der Ausstellung Free​Cikli]. In: budapestmuzeum.blog.hu vom 23.10.2010, URL: http://budapestmuzeum. blog.hu/2010/10/23/zavada_pal_totkomlosi_bringas_tortenetei_2_resz (am 1.1.2017) 62 Vgl. Tóth: Interview mit der Museumskuratorin und Ethnologin Zsófia Frazon. 63 Vgl. Néprajzi Múzeum: Múzeumi jelenkutatás. A  MaDok-program [Die Gegenwartsforschung im Museum. Das MaDok-Programm]. URL: http://www.neprajz.hu/madok/ muzeumi-jelenkutatas/madok-program.html (am 12.1.2017).

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hergeholt hatte. Und ich denke, das war der erste Punkt, an dem wir interessant füreinander wurden. Also sie für uns und wir für sie.64

Die Firma Hajtás Pajtás ist die größte und älteste Kurierfirma in Budapest. Durch ihre organisatorische Rolle bei den CM-Demonstrationen galt sie als wichtigster Träger der Fahrradbefürworter im Unternehmensbereich, der noch dazu enge Kontakte in die Fahrrad-Szene hatte. Das Museum organisierte in den folgenden Jahren immer wieder Projekte, in denen das urbane Radfahren aufgegriffen wurde, und hielt deshalb den Kontakt zur Firma aufrecht. Die Arbeitsfelder, in denen sich die Museumswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler auf den Radverkehr bezogen, waren vielfältig. Sie reichten von der ethnographischen Dokumentation urbaner Mobilitätswege [Ethnomobil], über eine Modenschau zur Fahrradkleidung im Rahmen der DesignWoche [Recikli-Bicikli] bis hin zum Fotoshooting mit vorbeifahrenden Protestierenden vor einem nostalgischen Hintergrundbild im Rahmen der CMDemonstration vor dem Museumsgebäude.65 Der bekannteste Beitrag des Museums zur Budapester Fahrradkultur mag wohl der Taschenkalender namens Bringanaptár [Fahrradkalender] gewesen sein, den die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Museums erstmals für das Jahr 2009 herausbrachten. Nach seinem schnellen Ausverkauf veröffentlichten sie mit neuem Fotomaterial noch zwei weitere Jahrgänge. Die im Kalender versammelten Fotografien schlugen eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart – es handelte sich um Studioaufnahmen von Menschen in Tracht und mit Fahrrad, datiert um die Jahrhundertwende, wie auch um Fotos aus der Gegenwart, aufgenommen auf den Straßen von Budapest. Auf der CM-Webseite, dem wichtigstem Infoportal für Radfahrende, wurde für den Taschenkalender Werbung gemacht.66 Auf der Homepage begründeten die beiden Herausgeberinnen ihre Arbeit folgendermaßen:

64 Vgl. Tóth: Interview mit der Museumskuratorin und Ethnologin Zsófia Frazon. 65 Vgl. Vegha: Etnomobil – Mozgásban a kortárs kultúra [Ethnomobil – Gegenwartskultur in Bewegung]. In: criticalmass.hu vom 7.10.2009, URL: http://criticalmass.hu/blogbejegyzes/​ 20091007/etnomobil-mozgasban-kortars-kultura (am 1.1.2017); vgl. mummin: Reciklibicikli – Néprajzi Múzeum [Recikli – Fahrrad – Ethnographisches Museum]. In: szinhaz.hu vom 12.10.2009, URL : http://szinhaz.hu/2009/10/12/recikli_bicikli_ruhademonstracio​ _a_tap_szinhaz_kozremukodesevel_neprajzi_muzeum (am 1.1.2017); vgl. Halász, Áron: Vasárnapi programok [Programme am Sonntag]. In: citicalmass.hu vom 17.4.2009, URL: http://criticalmass.hu/blogbejegyzes/20090417/vasarnapi-programok (am 1.1.2017). 66 Vgl. Kürti, Gábor: Pop, bicaj, satöbbi  – Bringás naptár  a Néprajzi Múzeumtól [Pop, Fahrrad, usw. – Fahrradkalender des Ethnographischen Museums]. In: criticalmass.hu vom 10.12.2008, URL: http://criticalmass.hu/blogbejegyzes/20081210/pop-bicaj-satobbibringas-naptar-neprajzi-muzeumtol (am 1.1.2017); vgl. Frazon, Zsófia: keréknyom  –

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Abb. 13: Fahrradkalender aus dem Jahr 2009 von den Herausgebern Zsófia Frazon und Krisztina Sarnyai, Ethnographisches Museum.

Zur Produktion des Taschenkalenders des Ethnographischen Museums 2009 haben uns gemeinsame Erlebnisse bewegt: im alltäglichen Radverkehr verbrachte Jahre, die guten und die schlechten Erfahrungen, das urbane Radfahren, das Engagement für eine lebenswerte urbane Umwelt und natürlich auch der Wunsch nach Veränderung.67

Die letzte große Fahrradausstellung mit dem Titel Bicikliváros: Szabadka  – Budapest [Fahrradstadt: Subotica – Budapest] fand 2014 ebenfalls im Ethnographischen Museum statt. In dieser Ausstellung kam in Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum der nordserbischen Stadt Subotica ein vergleichender Blick hinzu.68 Die Ausstellung bestand aus einer Collage der bisher erwähnten Ausajánló [Radspur – Empfehlung]. In: varosimaz.blogspot.hu vom 13.12.2008, URL: http:// varosimaz.blogspot.hu/2008/12/kerknyom-ajnl.html (am 1.1.2017); vgl. Halász, Vasárnapi programok [Programme am Sonntag]. 67 Néprajzi Múzeum: Bringanaptár 2009 [Fahrradkalender]. URL: http://www.neprajz.hu/ kiadvanyok/madok-fuzetek/bringanaptar_2009.html (am 10.1.2017). 68 Vgl. Néprajzi Múzeum: Bicikliváros. Szabadka-Budapest [Fahrradstadt: SzabadkaBudapest]. URL: http://www.neprajz.hu/kiallitasok/idoszaki/2014/biciklivaros.html (am 1.6.2017).

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Was macht das Radfahren mit der Gesellschaft?

stellungen sowie der besprochenen Designprodukte und Filme. Das Ziel der Kuratorinnen und Kuratoren war es, einen umfassenden Überblick zu geben über die Verbreitung des Radfahrens, die ungarische Fahrradindustrie, die Radsportgeschichte Ungarns, aber auch zur Nutzung des Fahrrads in Alltag und Beruf sowie über die Budapester Fahrradmode des letzten Jahrzehnts. Die mehrere Monate währende Ausstellung wurde von zahlreichen Veranstaltungen und Führungen begleitet. Die Fahrradsympathisantinnen und -sympathisanten begrüßten sowohl diese als auch frühere Veranstaltungen, weil das Fahrradthema nicht nur an Orten wie dem imposanten Gebäude des Ethnographischen Museums gegenüber des Parlaments Einzug hielt, sondern weil die Fahrradinteressensvertretungen wichtige Partner und auch selbst Thema der Ausstellungsarbeit geworden waren. Jedoch führte das wiederholte Thematisieren des Radfahrens im Ethnographischen Museum schon früh zu Ressentiments. Einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch der Direktor selbst protestierten im Vorfeld zur Ausstellung 2014 dagegen, das Fahrradthema erneut zu behandeln.69 Radverkehr in den Museen Die Museen in Budapest erlebten in den 2000er-Jahren einen Wandlungsprozess. Der Legitimationsdruck, der Wettbewerb um Aufmerksamkeit und die Eventorientierung im kulturellen Leben führten dazu, dass Museen empfänglicher für aktuelle oder publikumswirksame Themen wurden. Das Thematisieren des Radfahrens in diesem Kontext der musealen Arbeit ist in zweierlei Hinsicht interessant. Einerseits war das Einbeziehen dieses Themas ein Reformversuch, um das Image der kulturellen Einrichtungen beispielsweise durch Aufnahme eines gesellschaftlich relevanten Themas neu zu beleben. Es ist klar erkennbar, dass der Anstoß dazu von persönlichen Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter herrührte. Diese Neupositionierung führte aber auch zu Widerständen, wie es das Beispiel des Ethnographischen Museums zeigt. Andererseits bedeuteten die Beschäftigung mit dem Fahrrad auch einen Imagegewinn und hohe Besucherzahlen, da es um ein Thema ging, das eine sehr gut vernetzte Community betraf, welche die Informationen schnell in Umlauf brachte. Die zu Beginn und zuletzt erwähnten Ausstellungen, Velofetish und die Fahrradstadt, sind gute Beispiele für eine große Medienresonanz.

69 Vgl. Tóth: Interview mit der Museumskuratorin und Ethnologin Zsófia Frazon.

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Zwischenfazit

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7.4 Zwischenfazit Die nach global-urbanem Geschmack ausgerichtete Fahrradmode hatte spezifische lokale Bezüge in Budapest. Die ungarische Presse porträtierte die Vertreterinnen und Vertreter von »Fahrradmode« und »Fahrraddesign« und brachte sie mit der steigenden Fahrradnutzung auf den Straßen der Hauptstadt in Zusammenhang. Deren Bezeichnung mit dem Etikett »Fahrradmode« meinte, dass das Radfahren etwas Besonderes und Nicht-Alltägliches sei, wofür ein spezifischer Kleidungsstil vermarktet wurde. Zwar geht es hier um einen Nischenbereich, dennoch hatten die Macherinnen und Macher dieser Mode durch die ihnen zugänglichen öffentlichen Bühnen eine enorme Überzeugungs- und Ausstrahlungskraft. Die Beteiligten waren untereinander sehr gut vernetzt und arbeiteten oftmals an gemeinsamen Projekten. Daneben spielen weitere Bereiche wie das filmische Darstellen und die museale Arbeit sowie Ausstellungen eine Rolle. Diese wurden in den letzten Jahren zu Scharnieren zwischen Fahrradnutzung, Unternehmerinnen und Unternehmern der Fahrradmode, Fahrradinteressenvertretungen und der Öffentlichkeit. Bei den meisten hier vorgestellten Akteurinnen und Akteuren spielten biografische Erfahrungen mit Fahrradbezug eine wichtige Rolle, was sie zu einer neuen Generation in Budapest werden lässt. Diese lässt sich mit dem Konzept des historischen Generationenbegriffs nach Karl Mannheim beschreiben. Durch die Sozialisierung und durch gemeinsame Erfahrungen entsteht die Vorstellung einer »Vergemeinschaftung«.70 Den groben Umriss dieser Generationsbeschreibung stellen Gemeinsamkeiten dar, wie der Einstieg ins Arbeitsleben, die Nachhaltigkeitsorientierung und die europäischen Erfahrungen bei gleichzeitigem Verantwortungsgefühl für die Gesellschaft und die Stadt. Die Akteurinnen und Akteuren hatten die Fähigkeit, eine agency auszuüben, ihre eigene Existenz aufzubauen, aber auch generationelle Selbst­ beschreibungen des Erlebten zu liefern und darüber hinaus politische Ziele zu verfolgen. Die Gestaltungslust und die Bereitschaft zu Initiativen und Unternehmensgründungen sowie der Zugang zu finanziellen Mitteln verdeutlichen, dass es sich um Mitglieder der urbanen Mittelschicht handelt, die kreativ tätig wurden. Die hier vorgestellten Akteurinnen und Akteure befürworteten den Radverkehr als urbane Innovation aufgrund ihrer biografischen Prägung, ihrer ökonomischen Interessen und einer verfestigten kollektiven Überzeugung, wonach die Förderung des Radverkehrs einer positiven Steigerung des urbanen Lebensgefühls dient. 70 Vgl. Jureit, Ulrike: Generation, Generationalität, Generationenforschung 2010. URL : https://docupedia.de/zg/Generation (am 7.3.2017).

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Was macht das Radfahren mit der Gesellschaft?

Das wiederkehrende Thematisieren von Budapest als Erlebnis- und Erfahrungsraum ist ein weiterer Punkt, der den räumlichen Bezugsrahmen für die Aufwertung des Radverkehrs bildet. Hier werden selbstreferentielle Aspekte sichtbar. Das Ineinandergreifen von Fahrradmode, Dokumentarfilmen und Ausstellungen führte zu vielen inhaltlichen Wiederholungen innerhalb des Diskurses darüber, wie und warum der Radverkehr für das Stadtleben relevant sei und wie die Wiederentdeckung des Fahrrads in Budapest in den 2000er-Jahren verlief. Mithilfe dieser Narrative erlangten diese Themen eine neue kulturelle Hegemonie in der städtischen Öffentlichkeit.

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8. Fazit: »I love Budapest. I bike Budapest?« Deutung eines urbanen Umbruchs

Der Radverkehr wurde in Ungarn lange Zeit verkehrspolitisch ignoriert. Dennoch prägte das Fahrrad das Land in den letzten 100 Jahren wie kein anderes Verkehrsmittel. Neben dem Radiogerät gehörten Fahrräder zu den wichtigsten Anschaffungen unter den langlebigen Konsumgütern der ungarischen Haushalte. Seit seiner Verbreitung in der Zwischenkriegszeit war das Fahrrad bis zur Privatmotorisierung in den 1980er-Jahren das niedrigschwelligste, jedem zugängliche Verkehrsmittel innerhalb des Individualverkehrs. Fahrräder ermöglichten einen größeren Radius für die tägliche Mobilität des Einzelnen, erleichterten das Pendeln zum Wochenmarkt, den Weg zum Acker, in die Fabrik, in die Kirche oder zum Bahnhof in den Nachbarort und machten den individuellen Transport von Waren möglich. Dies gleich einem Bild, das in manchen Gegenden an die »Fahrradnationen« Niederlande oder Dänemark erinnerte. Jedoch waren die Verbreitung und Nutzung des Fahrrads in Ungarn keineswegs die Folge gezielter Verkehrspolitik und gesellschaftlicher Akzeptanz. Im Gegenteil: Während das Fahrrad auf dem Land dabei half, die alltägliche Mobilität über Jahrzehnte hinweg aufrechtzuerhalten, war diese Verkehrsform in Budapest seit der Zwischenkriegszeit in der Innenstadt sogar verboten. Die Metropole schlug wegen ihres an die Wirtschaft gekoppelten Urbanisierungsgrades, seiner Flächengröße, seiner Bewohnerzahl und seiner Rolle als Hauptstadt in der Verkehrsentwicklung einen anderen Pfad als der Rest des Landes ein. In Budapest gab es bereits Ende des 19. Jahrhunderts einen öffentlichen Personennahverkehr. Im 20. Jahrhundert schritt dort die Motorisierung des Straßenverkehrs am schnellsten voran. Die Verkehrsfachleute und die Kommunalpolitik reagierten auf den massiven Anstieg des Radverkehrs in dieser Periode mit seiner Sanktionierung. Zur angestrebten Motorisierung nach dem Vorbild des deutschen NS -Staates und zum Erscheinungsbild einer modernen Weltstadt passte das Fahrrad in den Augen der damaligen Entscheider nicht. Das Verkehrsmittel galt als ländlich und gefährlich und wurde als geringgeschätztes Liefermittel der Arbeiterklasse verpönt. Die Argumente, dass das Radfahren den Verkehr in der Innenstadt und auf den Brücken störe, und dass es keinen Platz im urbanen Raum für Fahrradinfrastrukturen gäbe, hielten sich hartnäckig bis ins 21. Jahrhundert. Dennoch hat das Fahrrad die Innenstadt von Budapest in den 2000er-Jahren zurückerobert. Mit einem Anteil von über zehn Prozent des © 2020 Vandenhoeck & Ruprecht | Brill Deutschland GmbH https://doi.org/10.13109/9783666310720 | CC BY-NC-ND 4.0

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Fazit: »I love Budapest. I bike Budapest?«

Gesamtverkehrs im Jahr 2014 dominierte es zwar nicht den Verkehr, wurde aber in der Innenstadt zumindest ein relevanter Teil davon.1 Diese Entwicklung war nicht vorhersehbar und bedarf deshalb einer genaueren Analyse. Noch ein Jahrzehnt zuvor hätte niemand mit einer solchen Aufwertung des Fahrrads in der Innenstadt von Budapest gerechnet. Dass die Presse den Begriff der »Fahrradrevolution« wählte, um die Zunahme der Radfahrenden zu beschreiben, bringt diese Überraschung treffend zum Ausdruck. Die Veränderung der Verkehrspolitik und das Inbetrachtziehen des Fahrrads als sinnvolle Verkehrsentscheidung, die das Wort »Fahrradrevolution« impliziert, nahmen ihren Anfang bereits in den 1980er-Jahren, als die Luftverschmutzung in Budapest zum Gesundheitsrisiko wurde. Der veränderte Stellenwert der Fahrradnutzung im urbanen Alltagsverkehr zwischen 1980 und 2014 war Ausgangspunkt der vorliegenden Studie. Das Auftauchen der nachhaltigkeitsorientierten Mobilität als neues Leitbild − wofür das Radfahren exemplarisch steht − gewährt einen Einblick, wie sich das Umweltbewusstsein als neue Ordnungsvorstellung in der ungarischen Gesellschaft verbreitete und wie dieses an das urbane Leben gekoppelt war. Um diesen Wandel in seiner Vielschichtigkeit zu beleuchten und zu verstehen, war es notwendig, folgende Aspekte genauer zu analysieren: die Fahrradnutzung, seine öffentlich-mediale und verkehrspolitische Beurteilung, die Planung, die infrastrukturellen Bedingungen des Radfahrens sowie das Engagement verschiedener gesellschaftlichen Gruppen in diesem Feld. Im Folgenden werden die wichtigsten Thesen und Ergebnisse noch einmal zusammengefasst. Radfahren in Ungarn hatte keine Planungstradition. Zur politischen und planerischen Wiederbeachtung des Radverkehrs kam es paradoxerweise durch die Zunahme des Autoverkehrs in den 1980er-Jahren. Die ungarische Verkehrsplanung übernahm die damals vorherrschende westeuropäische Planungspraxis, den Radverkehr zu dessen eigener Sicherheit und im Interesse der Automobilität über getrennt verlaufende Radwege zu führen. Dieser planerische und verkehrspolitische Umgang mit dem Radverkehr in Budapest veränderte sich von 1980 bis 2014. Nach der räumlichen Segregation kam es zur Reintegration des Radverkehrs auf die Fahrbahn und ins städtische Nahverkehrsangebot in Form des Radverleihsystems BUBI. Die Ansätze dieser, den Radverkehr integrierenden Verkehrsplanung hielten ab Anfang der 2010erJahre Einzug in die offiziellen Vorschriften. Das neue Leitbild einer fahrradfreundlichen Verkehrsplanung seit den 2000er-Jahren lässt sich − so eine erste Erkenntnis dieser Studie − auf ein Bündel an verschiedenen Faktoren zurückführen: auf einen Generations1 Vgl. Bencze-Kovács, Virág / Bereczky, Ákos / Ábel, Melinda: A kerékpáros forgalom elemzése Budapesten [Analyse des Radverkehrs in Budapest]. In: Útügyi lapok Frühling (2015), 1–20, hier: 17.

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Fazit: »I love Budapest. I bike Budapest?«

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wechsel im Verkehrsfach, den institutionellen Wandel innerhalb der kommunalen Verkehrsorganisation, den Druck der bürgerschaftlichen Gruppen, die Be­achtung praktischer Erfahrungen zur Fahrradnutzung im Innenstadtbereich, auf Fördergelder der Europäischen Union sowie auf einen erfolgreichen Wissenstransfer aus nord- und westeuropäischen Städten. Die in den 2010erJahren gebauten Radverkehrsanlagen auf der Fahrbahn sind Beispiele dafür, wie es langsam zur Erosion der in den 1970er-Jahren etablierten autofreundlichen Verkehrsordnung in der Innenstadt kam. Die innovativen Radverkehrsanlagen blieben jedoch umstritten. So sind die Kontroversen und Widerstände ein Beleg dafür, dass die neue, nachhaltigkeitsorientierte Verkehrsorganisation sowie ihr Verkehrsleitbild letztendlich in der Kommunalpolitik und in der Gesellschaft nicht durchgehend tragfähig waren. Ein wahrer Boom des Radfahrens in Budapest setzte in den 2000er-Jahren ein. In den 1990er-Jahren war es noch ein gefährliches Unterfangen, sich mit dem Fahrrad durch die Stadt zu bewegen. Gleichzeitig war die Mehrheit der Budapesterinnen und Budapester durch Urlaube und Besuche bei der Verwandtschaft auf dem Land mit diesem Verkehrsmittel vertraut. Der Anstieg der Radelnden ein Jahrzehnt später − so ein zweiter Befund dieser Arbeit − war ebenfalls einer Kombination von vielfältigen Faktoren geschuldet: Steigende Kosten für den Nahverkehr bei gleichzeitiger Verschlechterung der Beschäftigungsverhältnisse durch die globale Finanzkrise, die Überzeugungskraft der Fahrradproteste, die Anziehungskraft des Radfahrens als neuer urbaner Trend, die Revitalisierung der innenstädtischen Bezirke sowie der Zugang zu bezahlbaren Fahrrädern machten das Radfahren in Budapest in den 2000er-Jahren populär. Nach der Überwindung erheblicher psychologischer Barrieren, im Großstadtverkehr in den Sattel zu steigen, war das Radfahren plötzlich praktisch, schnell und bezahlbar – und veränderte das Lebensgefühl in der Stadt. Keiner der genannten Gründe hätte allein dazu ausgereicht, dieser Verkehrsform im Alltagsverkehr zu mehr Bedeutung zu verhelfen. Erst durch die Multikausalität der angeführten Faktoren wurde aus einer Freizeit- und Sportaktivität eine alltägliche pragmatische Verkehrsentscheidung in Budapest. Insgesamt fehlen umfassende Befragungen und Statistiken über die Lebens- und Einkommensverhältnisse der Radfahrenden, ihre präferierten Routen, die zurückgelegten Strecken, saisonale Bedingungen sowie weitere Charakteristika. Es bedarf einer weiteren Untersuchung, ob die Entscheidung für das Radfahren größtenteils die jüngeren Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner betraf, und inwiefern deren Lebenssituation in Bezug auf Wohnen, Bildung und Einkommen vergleichbar war. Plausibel erscheint dieser Ansatz deshalb, weil nur eine ähnliche biographische Ausgangssituation den Umstieg auf das Fahrrad zu einem solchen Generationserlebnis machen konnte, wie es in den 2000er-Jahren in Budapest zu beobachten war. © 2020 Vandenhoeck & Ruprecht | Brill Deutschland GmbH https://doi.org/10.13109/9783666310720 | CC BY-NC-ND 4.0

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Fazit: »I love Budapest. I bike Budapest?«

Der urbane Radverkehr als Ziel für die Stadtentwicklung in Budapest war − so ein weiterer Befund − seit den 1980er-Jahren eine Idee, die »von unten«, also aus der Gesellschaft heraus gestaltet und getragen wurde – und gleichzeitig ein starkes Konfliktpotenzial in sich trug. Denn für einen Großteil der Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner war die Fahrradbefürwortung nicht nachvollziehbar, ja wurde sogar als Bedrohung des Privilegs der Autonutzung verstanden, welche große Teile der Gesellschaft erst seit der Wende von 1989 genießen konnten. Schon seit den 1980er-Jahren hatten sich ökologische Gruppen für das Fahrrad als wichtige alternative Verkehrsform eingesetzt, um gegen die Umweltprobleme in Budapest vorzugehen, die unter anderem vom Autoverkehr verursacht worden waren. Zwischen 1980 und 2014 veränderte sich die Fahrradbefürwortung in Budapest von einem gesellschaftlichen Randphänomen zu einer starken Lobby mit politischem Einfluss. Die Umweltschutzgruppen und Fahrradinitiativen waren zunehmend transnational vernetzt und übernahmen Formen und Inhalte des Aktivismus aus Westeuropa und den USA . Sie bewarben das Radfahren als praktisches, gesundes und sicheres Verkehrsmittel des urbanen Alltags. Diese Bestrebungen trugen in den 2000er-Jahren schließlich Früchte: mit der Gruppe Critical Mass Budapest entstand ein gemeinsam auftretendes Kollektiv, das sich in festivalartigen Großveranstaltungen mit immenser Wirkungskraft präsentierte. Auf welche Impulse die Kommunalpolitik einging, blieb dennoch dem Zufall überlassen oder war von aktuellen politischen Interessen einzelner Akteure geleitet. Die zugespitzten Debatten in der medialen Öffentlichkeit machten deutlich, dass ein beachtlicher Teil der Gesellschaft in der Radverkehrsförderung kein allgemeines Stadtentwicklungsziel sah. Vielmehr half das offen zur Schau gestellte Interesse einer Minderheit. In diesem Spannungsverhältnis kam dem Fahrradaktivismus seit den 2000er-Jahren eine wichtige gesellschaftspolitische Rolle zu. Das Engagement für das Radfahren galt gerade in einer stark politisierten und vom Rechtsruck geprägten Atmosphäre als kleinster gemeinsamer Nenner, um miteinander konstruktiv in den Dialog zu treten. Die sich langsam verbessernden Bedingungen für den Radverkehr galten als besondere Errungenschaften zivilgesellschaftlicher Bestrebungen zwischen den 2000er- und 2010er-Jahren. Maßgeblichen Einfluss auf die Verbreitung des Radfahrens in Budapest hatte zudem das öffentliche Bild, das in den 2000er-Jahren einen kulturellen Bedeutungswandel durchlief. Wie die vorliegende Studie zeigt, schuf die urbane Kultur ein Bedeutungsgewebe für den Radverkehr, in dem die immateriellen Werte der Erlebnisgesellschaft, die Europa-Orientierung, die Generationen-Zugehörigkeit und das gesellschaftliche Verantwortungsgefühl zusammenwirkten. Erste Anzeichen für eine neue urbane, auch den gesamten Lebensstil betreffende Bedeutung des Radfahrens kamen gegen Ende der © 2020 Vandenhoeck & Ruprecht | Brill Deutschland GmbH https://doi.org/10.13109/9783666310720 | CC BY-NC-ND 4.0

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1990er-Jahre aus dem subkulturellen Milieu der Fahrradkuriere. Später pluralisierte sich dieses anfangs rebellische Image. Nicht nur Kleinunternehmerinnen und Kleinunternehmer sowie Künstlerinnen und Künstler, sondern auch die Fahrradorganisationen förderten in den 2000er-Jahren das öffentlich-mediale Bild vom Radverkehr als Mode und Trend. Die kulturelle Aufwertung des urbanen Radfahrens als Ausdruck von Individualismus, Freiheit, Abenteuer und Flexibilität stand für ein neues urbanes Lebensgefühl. Den räumlichen Bezugsrahmen hierfür bot Budapest, verstanden als städtischer Erfahrungs- und Erlebnisraum. Die öffentlich diskutierten Fragen rund um die »Fahrradrevolution« führten zu vielen Wiederholungen im medialen Diskurs und erzeugten eine neue kulturelle Hegemonie in der städtischen Öffentlichkeit. Akteure, die sich als Träger dieser Entwicklung verstanden, bewerteten den Wandel als einen persönlichen Verdienst, mit dem sie einen gesellschaftlichen Beitrag zur Verbesserung des urbanen Lebens geleistet hätten. Innerhalb der Gesellschaft erhielten die Fahrradaktivisten dadurch eine Art öffentliche Bühne, was auch ihre Selbstwahrnehmung prägte. Anhand dieses Befunds und der zuvor genannten Ergebnisse lässt sich die zu Beginn formulierte Annahme der Studie bestätigen und fortführen: die Wiederkehr des Radfahrens in Budapest ist ein Ergebnis der Krise der autofreundlichen Stadtplanung und des Verkehrsmanagements und kann als eine Korrektur früherer Verkehrsleitbilder verstanden werden. Das Fahrrad als Inbegriff gelebter Nachhaltigkeit barg jedoch ein hohes Konfliktpotenzial im Kontext einer auto-orientierten Gesellschaft und verdeutlicht die vielschichtige Wechselwirkung zwischen Mobilität und gesellschaftlichem und urbanem Wandel. Das Radfahren hatte seit der Wende-Zeit die bislang langanhaltendste gesellschaftliche Mobilisierungskraft im öffentlichen Raum und trug sogar zur Revitalisierung der Bezirke in Budapest bei. Insofern zeigt die vorliegende Untersuchung zur Entwicklung des Radfahrens in Budapest, wie Europäisierung und Globalisierung sowohl »von unten« – entlang individueller Biographien, umweltschutzorientierter und subkultureller Milieus – als auch »von oben«  – über EU-Fördergelder und transnationale Einflussnahmen – auf den Bau von Fahrradinfrastrukturen im urbanen Raum und die lokale Stadtpolitik wirken. Zudem wurde der urbane Radverkehr in Budapest zu einer Signatur einer Generation, die den Wandel als Eigenleistung, gelebten Alltag und Aussicht auf eine bessere Zukunft feiert. Die urbane Verkehrsgeschichtsschreibung mit Fokus auf die Umbruchprozesse von 1989 und die EU-Erweiterung in Osteuropa steht noch am Anfang. Der Fokus der späteren Forschungen wird wohl mehrheitlich auf dem in dieser Periode expandierenden Auto- und Lieferverkehr, bei gleichzeitigem Rückgang des Schienen- und öffentlichen Personennahverkehrs liegen. Dabei verdeutlichen eben solche Hinweise auf die im Staatsozialismus gestarteten © 2020 Vandenhoeck & Ruprecht | Brill Deutschland GmbH https://doi.org/10.13109/9783666310720 | CC BY-NC-ND 4.0

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Radwegeprogramme − wie in dieser Studie am Beispiel Ungarns und Budapest gezeigt −, dass sich die Geschichte der Automobilisierung in Osteuropa nicht als geradlinige Fortschrittserzählung darstellen lässt. Zur Hinterfragung und Einbindung von Konflikten dieser zeithistorisch turbulenten Zeit eignen sich Nischenthemen wie der Radverkehr, da diese den von inneren Widersprüchlichkeiten geprägten Wandel im Spannungsfeld zwischen der Planung und der Aneignung urbaner Räume beleuchten. Dazu muss sich die Forschung aber an neuartige Fragestellungen zum Thema Mobilität herantrauen. Gerne schreiben Autoren in der übersichtlichen ungarisch-sprachigen verkehrshistorischen Fachliteratur das urbane Radfahren, nicht ohne Ressentiments, als aktuelle »Modererscheinung« ab.2 Ihre Haltung spiegelt damit das lange Zeit geltende gesellschaftliche Bild wider, das im Fahrrad eine technisch überholte Mobilitätsform sah, die keine Zukunft habe. Als Ausblick wirft die vorliegende Studie deshalb eine letzte Frage auf: Wird das Radfahren in den ostmitteleuropäischen Großstädten, die in den letzten 30 Jahren eine Ausbreitung und Intensivierung des Autoverkehrs erlebten, bald eine akzeptierte Lösung für die aktuellen Verkehrsprobleme sein? Sind die Befunde zur Veränderung des Stellenwerts des urbanen Radfahrens in Budapest die Regel oder die Ausnahme? Von Bratislava über Warschau, Prag, Belgrad, Zagreb und Tirana bis nach Bukarest finden sich seit Jahren Menschen zusammen und organisieren Critical-Mass-Fahrten, die ein paar hundert bis tausend Radfahrende anziehen. In ihrer Größe und Wirkkraft bleiben sie hinter den Demonstrationen in Budapest zurück. Aber sie weisen auf dasselbe Problem in ihren urbanen Räumen hin. Durch den Übergang in die Marktwirtschaft beklagen die Großstädte der Region einen expandierenden Autoverkehr mit hohem Platzanspruch und Schäden für Umwelt und Gesundheit. Seit der Nach-Wende-Zeit greifen diese Städte mit ihren Wohn- und Gewerbegebieten ins Umland aus, ohne langfristige kommunale Planung und die Entwicklung eines konkurrenzfähigen Nahverkehrssystems. Für die osteuropäischen Gesellschaften mag das Potenzial des Fahrrads nicht darin bestehen, dass es das Allheilmittel für städtische (Verkehrs-)Probleme wird, aber, dass es sich als leicht einzusetzendes politisches Protestmittel für ein besseres sozialeres und gesünderes urbanes Leben etabliert. Dafür ist Budapest Vorreiter und Vorbild zugleich. Unter dem Titel I bike Budapest veranstalteten Mitarbeiter des Ungarischen Fahrradclubs sowie Aktivistinnen und Aktivisten im April 2015 eine Fortsetzung der Critical-Mass-Proteste. An einem sonnigen Aprilsamstag radelten mehrere Zehntausend Menschen durch das für den Autoverkehr gesperrte 2 Pál, István / Szabó, Csaba: A budapesti közlekedés fejlesztése a politika napirendjén 1957– 1990 [Die Entwicklung des Budapester Verkehrs auf der Tagesordnung der Politik 1957– 1990], Budapest 2017, 9.

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Zentrum der Stadt. Mittlerweile findet dieser Event, ähnlich der Fahrradsternfahrt in Berlin, der größten Fahrraddemonstration Europas, jedes Jahr statt. Die Forderungen und das Ziel der Veranstaltung in der ungarischen Hauptstadt blieben seit der ersten Critical-Mass-Demonstration im Jahr 2004 unverändert: Gleichberechtigung für Radfahrende für eine bessere Zukunft für Budapest.

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Dank Diese Dissertation zu schreiben war eine Ehre, aber kein leichtes Unterfangen. Von der ersten Idee bis zum veröffentlichten Text haben mich viele Menschen inner- und außerhalb der Akademia mit Begeisterung und Interesse unterstützt. Es sei mir verziehen, dass ich an dieser Stelle nicht alle namentlich erwähnen kann. An erster Stelle gilt mein Dank Marie-Janine Calic und Irene Götz, meinen beiden Betreuerinnen, die mir aus historischer und kulturwissenschaft­ licher Perspektive mit Rat und konstruktiver Kritik beiseitestanden. Zweitens möchte ich mich herzlich bei Ruth Oldenziel bedanken, die mir als Expertin für mein Forschungsthema hinsichtlich der Einordung meines Fallbeispiels auf europäischer Ebene eine unentbehrliche Hilfe war. Nicht zuletzt schenkten mir meine Interviewpartnerinnen und -partner ihr Vertrauen, wofür ich mich bedanken möchte. Die der hier veröffentlichten Monographie zugrundeliegende Dissertation habe ich im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Graduiertenschule für Ost- und Südosteuropastudien (GS) an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) verfasst. Allen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen der Graduiertenschule möchte ich meinen Dank aussprechen. Besonders verpflichtet fühle ich mich den beiden Sprechern Martin Schulze Wessel und Ulf Brunnbauer. Ihnen bin ich für die Aufnahme in die Graduiertenschule, die mit einer großzügigen Förderung verbunden war, sowie für die Möglichkeit, in der Schriftenreihe »Schnittstellen« zu veröffentlichen, dankbar. Den erfolgreichen Abschluss der Arbeit ermöglichte auch ein dreimonatiges Abschlussstipendium des Graduate Center der LMU München. Neben der Unterstützung durch die GS erfolgte die Drucklegung mit großzügiger Unterstützung durch den Schroubek Fonds Östliches Europa. Die Korrekturen meines Textes übernahmen Anna Baumgartner, Sharon Brehm, Miriam Gutekunst, Clemens Hermann, Jutta Kriegsmann, Kathrin Leipold, Klaus Mayer, Henriette Reisner, Katja Schwengler, Darina Volf, Esther Wahlen sowie Maren Zeidler. Einen riesen Dank für Euren Einsatz! Besonders hervorheben möchte ich die Standhaftigkeit von Sophia Heyland, die mit ihrer gewissenhaften und sorgfältigen Art dabei half, das Manuskript in das vorliegende Buch zu verwandeln. Insbesondere standen mir jedoch mein Freund, Arnošt Štanzel, meine beiden Schwestern, meine Eltern und Nichten, meine breitere Familie und Freunde in Deutschland, Ungarn und der Schweiz zur Seite. Danke für Eure © 2020 Vandenhoeck & Ruprecht | Brill Deutschland GmbH https://doi.org/10.13109/9783666310720 | CC BY-NC-ND 4.0

Dank

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Geduld und Euren Zuspruch. Die Arbeit widme ich dem Gedenken an János László, den ehemaligen Präsidenten des Ungarischen Fahrradclubs in Budapest. Möge seine Vision über Budapest in Erfüllung gehen!

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Abkürzungen

ADFC BAM BKK BKV BUBI BUVATI CM FIDESZ FŐMTERV KEROSZ KKK KTI

Allgemeiner Deutscher Fahrradclub Mit dem Rad in die Arbeit Budapester Verkehrszentrum Budapester Verkehrsgesellschaft Budapest Bicycle Budapester Stadtplanungsbüro Critical Mass Verbund der Jungen Demokraten Hauptstädtische Planungsfirma für Tiefbau Landesweiter Dachverband für Radfahrende Koordinationszentrum für Verkehrsentwicklung Verkehrswissenschaftliches Institut Milli Millennium-Velodrom NGO Nichtregierungsorganisation PKW Personalkraftwagen StufA Studiengesellschaft für Automobilstraßenbau SZDSZ Freier Demokratischer Verbund VÁTI Wissenschaftliches Planungsinstitut für Städtebau VCÖ Verkehrsclub Österreich VEKE Freunde des Nah- und Vorstadtverkehrs

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Abb. 1: Radfahrende warten in der Innenstadt auf der Straße an der Ecke PetőfiSándor-Straße und Ferenciek-Platz auf die freie Durchfahrt, 1939. Quelle: Fortepan / Gali. 128963. URL: http://www.fortepan.hu/?tags=+&x=0&y=0&​ view=query&lang=hu&q=128963, am 2.2.2019 Abb. 2: Abgestellte Fahrräder auf dem Kossuth-Platz in Cegléd im Jahr 1974. Quelle: Fortepan / Tamás Urbán. 18717. URL: http://www.fortepan.hu/?tags​ =18717 %2C+&x=0&y=0&view=query&lang=hu&q=18717, am 1.1.2017. Abb. 3: Vorschriften zu Breitenangaben. Quelle: Koller, Sándorné: A hazai kerékpárosforgalom helyezet [Die heimische Lage des Radverkehrs]. Budapest 1982, 22. Országos Széchényi Könyvtár, Törzsgyűjtemény, MD 42.369. Abb. 4: Das Titelbild der populärwissenschaftlichen Zeitschrift Élet és Tudomány, mit dem eine Fahrradstadtkarte angekündigt wird. Quelle: Illés, Ádám: … csak kerékpártérkép e táj… Címlapkép. [Titelbild]. In: Élet és tudomány 35 vom 27.8.1993, URL: https://mandadb.hu/tetel/537346/Elet_es_Tudomany_​ 1993_35_szam, am 1.1.2017. Abb. 5: Das symbolische Hochheben der Räder als Protestgeste am Ende der Critical-Mass-Demonstration am Tag der Erde am 19.4.2009. Quelle: Schneider, Marion / Aistleitner, Christoph: Critical Mass in Budapest, April 19, 2009, URL: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6584705, am 1.1.2017, über Wikipedia Commons. Abb. 6: Das Plakat von der Demonstration am 22. September 2009, der Autofreie Tag. Quelle: Critical Mass: Critical Mass Budapest poster, 2009–09–22, https:// hu.wikipedia.org/wiki/F%C3%A1jl:Critical_Mass_Budapest-2009-09-22.png, am 1.1.2017, über Wikipedia Commons. Abb. 7: »Die Veränderung des Radverkehrs, ausgehend vom Jahr 1994, anhand des Durchschnitts von sechs Standorten, Zählungen an einem Wochentag im Frühling«. Quelle: Bencze-Kovács, Virág / Bereczky, Ákos / Ábel, Melinda: A kerékpáros forgalom elemzése Budapesten [Analyse des Radverkehrs in Budapest]. In: Útügyi lapok Frühling (2015), 1–20, URL: http://utugyilapok. hu/cikkek/a-kerekparos-forgalom-elemzese-budapesten/, am 1.1.2017. Abb. 8: Logo der Kampagne Mit dem Rad in die Arbeit. Quelle: Magyar Kerék­páros Klub: BAM plakátok [BAM Plakate]. In: facebook.com vom 16.9.2009, URL: https://www.facebook.com/MagyarKerekparosklub/photos/a.132722​284036 .107684.132720449036/132722719036/, am 1.1.2017. Abb. 9: »Die geplanten Querschnittsmaßen der Margarethenbrücke.« Quelle: Bajomi, Bálint: Küzdelem a Margit híd körül [Der Kampf um die Margarethenbrücke ist rum]. In: greenfo.hu vom 19.8.2009, 1–3, URL: http://greenfo.hu/ hirek/hirek_item.php?hir=22220, am 1.1.2017.

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Abb. 10: János László, Präsident des Fahrradclubs, steht auf der Radfahrspur auf der Kleinen Ringstraße neben dem Radverkehrszähler. Quelle: Halász, Áron: Kiruccantunk Koppenhágába [Machten heute einen Ausflug nach Kopenhagen]. In: cyclechic.hu vom 27.5.2011, URL: http://cyclechic.blog. hu/2011/05/27/kiruccantunk_koppenhagaba, am 1.1.2017, Fotograf: GaZe. Abb. 11: »Fahrradfreundliche Eingriffe in Budapest, 2013–2014«. Stadtplan zu den BUBI-Ausleihpunkten und die zwischen diesen Standorten bereits umgesetzten und geplanten Fahrradinfrastrukturen. Quelle: Budapester Verkehrszentrum. URL: http://www.bkk.hu/apps/docs/bkk_kerekparosbarat_2014. pdf, am 11.1.2017. Abb. 12: Werbeplakat von Urban Legends aus dem Jahr 2011. Quelle: Fotograf: An­ drea Gáldi-Vinkó, Urban Legend, 2011. Abb. 13: Fahrradkalender aus dem Jahr 2009. Quelle: Frazon, Zsófia / Sarnyai, Krisz­ tina: Bringanaptár [Fahrradkalender]. Néprajzi Múzeum, Budapest 2011. Grafik: Gábor Gerhes.

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Ortsregister

Alkotás-Straße 196 Amsterdam  10, 23, 71, 103, 137 Andrássy-Straße  79 f., 183 Árpád-Brücke  49, 111, 170 Barcelona 202 Bajzsy-Zsilinsky-Straße  133, 178 Berlin  44, 80, 99, 134, 157, 186 f., 197, 217 Belgrad 216 Bratislava 216 Brüssel  103, 122 Budapest, Bezirke –– 2. Bezirk  82 –– 6. Bezirk  25, 95, 127 f., 169 –– 7. Bezirk  95, 104, 127 f., 168 f. –– 8. Bezirk  127 f. –– 10. Bezirk  128 –– 13. Bezirk  84 –– 15. Bezirk  82 –– 16. Bezirk  82 –– 17. Bezirk  82 –– 18. Bezirk  82 –– 21. Außenbezirk  82, 164 –– 22. Außenbezirk  82 Budapest Hauptstadt  7–9, 11–13, 20–23, 25, 27–29, 32, 40 f., 46–52, 54 f., 58 f., 62–69, 71–73, 76–78, 80 f., 83–93, 95–99, 101–103, 105 f., 108 f., 111, 113 f., 117, 119–123, 125, 127 f., 130 f., 133 f., 136–139, 141, 143–149, 151, 154, 161 f., 164, 167 f., 169, 174 f., 180, 182–196, 198–217 Bukarest 216 Burg (Budapest)  109, 170 Chicago 111 Csepel  21, 31, 50, 97 Dänemark  31, 211

Debrecen  105, 133 Deutsche Demokratische Republik  99 Deutschland (Bundesrepublik)  41 f., 44, 57 Donau  7, 56, 80, 84, 102, 129, 171 f., 198 Donauradweg  52, 79 f. Eger  105, 133 Elisabeth-Brücke  102, 109 Fogasház (Zahnhaus)  167 Freiheitsbrücke  170, 175 Gabcikovo-Nagymaros-Staudamm 65 Göncöl-Straße 84 Große Ringstraße, Nagykörút  79, 128, 163, 171, 179 Große Tiefebene, Nagyalföld  30, 37 Győr  105, 133 Heldenplatz  69, 79, 104 Hungária-Ringstraße 51 Kalifornien 191 Káposztásmegyer, Stadteil  82 f. Kerepesi-Straße 84 Kettenbrücke, Lánchíd  109, 169–171 Kleine Ringstraße, Kiskörút  128, 165, 176 f., 182, 184 Kleine Tiefebene, Kisalföld  30 Kodaly-Körönd-Platz, Kodály Körönd 104 Kopenhagen  10, 137, 200 Kultiplex  102, 139 Lágymányosi-Brücke 80 Linz 18 London  10, 162

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Ortsregister

264 Mailand 66 Margarethenbrücke, Margit híd  171–173, 182, 184 Margarethen-Insel  50, 171 Margarethen-Ringstraße 60 Melbourne 10 Millennium-Velodrom  94, 104 Miskolc 58 München 80 New York  10, 90, 97, 200 Niederlande  16, 31, 42, 53, 65, 71–74, 78, 113, 136, 211 Nördliche Eisenbahnbrücke  170 Oper (Budapest)  79 Ost-Berlin 99 Ostmitteleuropa  19, 57, 72 Paris  10, 137 Pécs 133 Petőfi-Brücke 49 Plattensee, Balaton  33 Prag 216 Promenadeweg Olof Palme  104 Rákoczi-Brücke 170 Rákóczi-Weg 109 Reiterweg (ehemaliger)  79 Römisches Ufer, Római-part  84 Obere Uferstraße, Felső rakpart  79, 84 Österreich  76, 127

San Francisco  10, 99 Santa Cruz  69 Sashalom 50 Stadtweide, Városliget  50, 79, 112 Stadtzentrum  49, 103, 123, 175 Stephania-Straße 84 Stockholm  13, 19 Subotica 207 Szimpla Garten, Szimpla Kert  96, 167 Szeged  105, 133 Széll-Kálmán-Platz 166 Szentendre 52 Taban 102 Tirana 216 Toldi, Kino  198 Tschechoslowakei 56 Ungarn  19 f., 23, 25, 27, 29–32, 34–36, 39, 41, 43 f., 46, 53, 55–57, 59, 61–66, 72–74, 79, 86 f., 105 f., 109, 121 f., 127, 130 f., 139, 149, 153, 158, 161, 163, 186 f., 193, 195, 204, 208, 211 f., 216 Vereinigte Staaten, USA 57 Volkspark, Népliget  50 Vörösmarty-Platz 69 Washington D. C.  97 Westeuropa  9, 43, 58, 76, 86, 193, 214 Wien  10, 18, 48, 51, 54, 78, 80, 134, 137 Warschau 216 Zagreb 216

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