Historisches Codeswitching mit Deutsch: Multilinguale Praktiken in der Sprachgeschichte 9783110752717, 9783110752793, 9783110752830, 2021943632

Multilingualism and language contact have shaped European history up to the present day. After intensive research into m

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German Pages 478 Year 2021

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Table of contents :
Inhalt
Historisches Codeswitching mit Deutsch: Eine Einleitung
Aspekte des Codeswitchings im mittelalterlichen England
Codeswitching in der deutschen Sprachgeschichte: Erscheinungsformen und Erkenntniswert
Codemixing und Codeswitching: Volkssprachige Inserte in Rechtsquellen des Frühmittelalters
„Als wolte ich in amplissima illa materia … ein Tractat beschreiben“
Codeswitching und Language-Mixing in ostmitteldeutschen Stadtbüchern
Lateinisch-deutsches Codeswitching in mittelalterlichen Bibelhandschriften
Codemixing in den Lüneburger Frauenklöstern
Multilingualität in den frühneuzeitlichen Protokollen zur Revision der Lutherbibel
Hidden Functions of Code-switching mit Deutsch in some of the Academic Texts from the Early Modern Academia Dorpatensis (1632–1710)
„Buntschäkkigte Universitätsprache“ und „gelehrt scheinender Mischmasch“
Vormittags rien fait quj vaille
Codeswitching bei süddeutschen Schreibern des 19. Jahrhunderts
Codeswitching und seine „Geschwister“
Developing a structural template for historical code-switching
Handschriftenübersicht
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Historisches Codeswitching mit Deutsch: Multilinguale Praktiken in der Sprachgeschichte
 9783110752717, 9783110752793, 9783110752830, 2021943632

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Historisches Codeswitching mit Deutsch

Studia Linguistica Germanica

Herausgegeben von Christa Dürscheid, Andreas Gardt und Oskar Reichmann

Band 140

Historisches Codeswitching mit Deutsch Multilinguale Praktiken in der Sprachgeschichte Herausgegeben von Elvira Glaser, Michael Prinz und Stefaniya Ptashnyk

Studia Linguistica Germanica Begründet von Ludwig Erich Schmitt und Stefan Sonderegger

ISBN 978-3-11-075271-7 e-ISBN (PDF) 978-3-11-075279-3 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-075283-0 ISSN 1861-5651 Library of Congress Control Number: 2021943632 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Inhalt Elvira Glaser, Michael Prinz und Stefaniya Ptashnyk Historisches Codeswitching mit Deutsch: Eine Einleitung  1 Herbert Schendl Aspekte des Codeswitchings im mittelalterlichen England  13 Arend Mihm Codeswitching in der deutschen Sprachgeschichte: Erscheinungsformen und Erkenntniswert  37 Vincenz Schwab Codemixing und Codeswitching: Volkssprachige Inserte in Rechtsquellen des Frühmittelalters  75 Andreas Deutsch „Als wolte ich in amplissima illa materia … ein Tractat beschreiben“ Zur Rolle von Codeswitching in Rechtsbüchern aus der Rezeptionszeit des römischen Rechts in Deutschland  91 Luise Czajkowski Codeswitching und Language-Mixing in ostmitteldeutschen Stadtbüchern Zur Abgrenzung von Sprachwandel und Sprachwechsel  113 Claudia Wich-Reif Lateinisch-deutsches Codeswitching in mittelalterlichen Bibelhandschriften  139 Timo Bülters und Simone Schultz-Balluff Codemixing in den Lüneburger Frauenklöstern  175 Christine Ganslmayer Multilingualität in den frühneuzeitlichen Protokollen zur Revision der Lutherbibel  211 Kaidi Kriisa Hidden Functions of Code-switching mit Deutsch in some of the Academic Texts from the Early Modern Academia Dorpatensis (1632–1710)  269

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 Inhalt

Michael Prinz „Buntschäkkigte Universitätsprache“ und „gelehrt scheinender Mischmasch“ Codeswitching und language mixing in akademischen Vorlesungen der Frühen Neuzeit   303 Joachim Peters und Sabrina Freund Vormittags rien fait quj vaille Codeswitching im Fürstentagebuch Christians von Anhalt-Bernburg (1599– 1656)  331 Markus Schiegg und Monika Foldenauer Codeswitching bei süddeutschen Schreibern des 19. Jahrhunderts  367 Stefaniya Ptashnyk Codeswitching und seine „Geschwister“ Zur Typologie der historischen multilingualen Schreibpraktiken (am Beispiel der Lemberger Zeitungen des 19. Jahrhunderts)  403 Mareike Keller Developing a structural template for historical code-switching  437 Handschriftenübersicht  465 Register  467

Elvira Glaser, Michael Prinz und Stefaniya Ptashnyk

Historisches Codeswitching mit Deutsch: Eine Einleitung Die europäische Geschichte ist bis in die heutige Zeit geprägt von Mehrsprachigkeit und Sprachkontakt, die somit wichtige Faktoren auch für die Sprachgeschichte Europas darstellen (vgl. vom Deutschen aus gesehen etwa Bergmann 2006; Greule 2006; Mihm 2010). In zahlreichen Textzeugnissen sind mehrsprachige Schreibpraktiken der Vergangenheit auch unmittelbar dokumentiert (vgl. etwa Trotter 2000; Bergmann 2003; Ganslmayer 2016; Schmid 2017; Pahta et al. 2018). Das Spektrum der Überlieferung ist dabei äußerst breit, was allein schon an der großen Anzahl Sprachen liegt, die in verschiedenen Zeiten in Kontakt miteinander standen. Dazu kommt die herausragende Rolle des Lateinischen als der im westlichen Europa dominierenden, überdachenden Schrift- und Bildungssprache (vgl. Putzo 2011). Besonders der lateinische Einfluss auf die Volkssprachen ist in der Vergangenheit ausgiebig untersucht worden, vor allem unter dem Paradigma der Entlehnungsforschung (vgl. z. B. Betz 1949). Latein ist jedoch nicht nur eine der zentralen Quellen für lexikalische Europäismen (vgl. Kirkness 2001), sondern zugleich ein zentraler Baustein für eine „vergleichende europäische Sprachgeschichte“ (Pörksen 1999/2020; vgl. auch Mattheier 2010 sowie systematisierend Reichmann 2001). Frühmittelalterlicher Sprachkontakt wird schließlich auch als Grundlage für die Entstehung des europäischen Sprachbundes, des sogenannten Standard Average European angenommen (Haspelmath 2001: 1506–1507), das verschiedene grammatische Europäismen vereint. Mehrsprachigkeit und Sprachkontakt können darüber hinaus in ganz unterschiedlichen situativen und textuellen Konstellationen, von Gebrauchstexten bis hin zu Theater und Literatur vorkommen und aus verschiedenen Perspektiven, z. B. von den Ergebnissen her oder mit Blick auf den aktuellen Gebrauch, betrachtet werden. Ein zentrales Konzept für die Beschreibung bestimmter Erscheinungsformen individueller Mehrsprachigkeit ist das sog. Codeswitching (CS), der Wechsel zwischen verschiedenen Sprachen oder Varietäten innerhalb eines Gesprächs, eines Elvira Glaser: Universität Zürich, Deutsches Seminar, Tel. +41 44 634 25 62, E-Mail: eglaser@ ds.uzh.ch. Michael Prinz: Uppsala Universitet, Department of Modern Languages (German), Tel. +46 18471 1346, E-Mail: [email protected]. Stefaniya Ptashnyk: Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Deutsches Rechtswörterbuch, Tel.: 06221-543465, E-Mail: [email protected]. https://doi.org/10.1515/9783110752793-001

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Texts, einer Äußerung o. Ä. Codeswitching wurde forschungsgeschichtlich erst relativ spät, nämlich im Kontext der vermehrten Beschäftigung mit mündlicher Kommunikation intensiver in den Blick genommen und systematisch untersucht. Während der Sachverhalt in dem kontaktlinguistischen Standardwerk von Weinreich (1953: 73f.) nur kurz erwähnt wird – der linguistische Terminus selbst existierte damals noch gar nicht –, hat die moderne Forschung insbesondere seit den siebziger Jahren das Codeswitching zum Gegenstand umfangreicher soziolinguistischer, gesprächsanalytischer und grammatischer Untersuchungen gemacht (vgl. etwa Poplack 1980; Gumperz 1982; Auer 1983; Myers-Scotton 1993a/b; Auer 1998) und mittlerweile zu einer unüberschaubaren Fülle an Publikationen zu verschiedensten Aspekten und Sprachen- bzw. Varietätenkonstellationen geführt. Deutlich seltener und später erst wurden dagegen CS und andere multilinguale Praktiken anhand schriftlicher Texte (vgl. dazu Sebba 2012) und insbesondere anhand der historischen Schriftlichkeit untersucht. Zwar widmete sich bereits eine der frühesten CS-Studien – freilich ebenfalls noch ohne den Terminus zu verwenden – historischem CS mit Deutsch: Die Stockholmer Dissertation der leider kürzlich (2020) verstorbenen Germanistin Birgit Stolt aus dem Jahr 1964 über die Sprachmischung in Luthers Tischreden gilt heute als eine bedeutende Pionierleistung auf dem Gebiet der sprachhistorischen CS-Forschung. Es war aber schließlich die anglistische Sprachgeschichtsforschung, die, inspiriert durch die Arbeiten zum modernen CS, eine Vorreiterrolle bei der Erforschung des historischen CS einnahm (vgl. Schendl 2000). Hier sind insbesondere die von Herbert Schendl und Laura Wright vorgelegten umfangreichen Studien und Sammelbände zur historischen Kopräsenz von Englisch, Latein und Französisch im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen England (vgl. Schendl 2015; Schendl & Wright 2011 und Skaffari & Mäkilähde 2014) zu nennen. Auch in der germanistischen Linguistik stößt das multilinguale Schreiben seither auf wachsendes Interesse. In den letzten zwei Jahrzehnten sind mehrere Arbeiten zum Sprachkontakt mit Deutsch anhand historischer Texte entstanden. Ein wichtiger Schwerpunkt dieser Studien ist die lateinisch-deutsche Schriftlichkeit, die verschiedene Textsorten aus unterschiedlichen Epochen umfasst: Das Nebeneinander von Deutsch und Latein war schon das Thema der bereits genannten Studie von Birgit Stolt (1964) zu Luthers Tischreden, in der grundlegende Mechanismen des deutsch-lateinischen CS aufgedeckt sind, worauf in den hier versammelten Beiträgen immer wieder Bezug genommen wird. Ferner sind hier die Arbeiten von Georges Lüdi (1985; 1989) zur Koexistenz des Lateinischen, Deutschen und Französischen im (spät)mittelalterlichen Freiburg/Fribourg zu nennen, die allerdings in der Germanistik erst verzögert rezipiert wurden. Einen bedeutenden Aufschwung erfuhr die Erforschung gemischtsprachiger Texte mit Deutsch nach 2000 mit den Studien von Nicola McLelland (2004) über CS bei



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Schottelius, von Carmen Kämmerer (2006) über mehrsprachige Predigten des 15. Jahrhunderts, von Michael Prinz (2010; 2019) über Inserte in lateinischen Urkunden, von Elvira Glaser (2016) über das Nebeneinander von Latein und Althochdeutsch bei Notker III. von St. Gallen sowie von Vincenz Schwab (2017) zu volkssprachigen Wörtern in der Lex Alamannorum. Diese Liste ist bei weitem nicht vollständig. Gleichzeitig wurde die Forschung auf andere Sprachkombinationen ausgeweitet, beispielsweise auf Deutsch mit Französisch, Polnisch, Ukrainisch, Dänisch u. v. m. (vgl. etwa Beyer 2016; Schiegg & Sowada 2019; Moliner/Ziegler 2017; Mende 2020, Ptashnyk 2016; Wolbersen 2015). Dennoch besteht hier weiterhin ein großer Forschungsbedarf, nicht nur bezüglich zahlreicher einschlägiger Texte, die in der älteren Forschung oft abwertend als Mischmasch bewertet wurden (vgl. Glaser 2016: 36–37), sondern insbesondere auch hinsichtlich der Identifizierung der zentralen Fragen und Methoden der historischen CS-Forschung im internationalen Kontext. Der Fokus der vorliegenden Publikation wurde daher innerhalb des skizzierten Forschungskomplexes auf die Analyse mehrsprachiger Sprachpraxis in historischen Textzeugnissen unter Beteiligung des Deutschen gerichtet. An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Idee der vorliegenden Publikation sowie die meisten in diesem Band vorgelegten Forschungsergebnisse auf die Tagung „Codeswitching mit Deutsch“ zurückgehen, die im November 2017 mit freundlicher Unterstützung der Heidelberger Akademie der Wissenschaften von den Bandherausgebern veranstaltet wurde. Die Tagung verfolgte das Ziel, die Rolle von CS in der Geschichte der deutschen Sprache näher zu beleuchten und zugleich eine theoretische, methodische und empirische Bestandsaufnahme der verstreuten Forschungsansätze in diesem Bereich zu liefern und dadurch die historische CSForschung in der Germanistik als modernen Forschungszweig in einem interdisziplinären Kontext stärker zu etablieren. Zusätzlich zu ausgewählten Tagungsbeiträgen sind für die Publikation noch zwei weitere Texte aufgenommen worden, die sich mit historischen multilingualen Praktiken beschäftigen (von Luise Czajkowski bzw. Joachim Peters & Sabrina Freund). Der Band vereint insgesamt vierzehn Beiträge, die unterschiedliche Perspektiven auf das Thema einnehmen. Eröffnet wird er mit zwei Überblicksartikeln. Zunächst gibt der Wiener Anglist Herbert Schendl, wie erwähnt einer der Begründer der historischen CS-Forschung, einen gründlichen Einblick in die Entstehung und Entwicklung der anglistischen Forschungen in den letzten Jahrzehnten. Dabei fasst er die bisherigen Ergebnisse zum historischen Codeswitching zusammen, welche illustrieren, dass historisches CS durchaus mit dem aus der heutigen Sprach­praxis bekannten Phänomen vergleichbar ist. Aus forschungspraktischen Gründen plädiert er dafür, bei der Analyse historischer Texte zunächst von einem

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„weitgefasste[n] Terminus Codeswitching“ (S. 17) auszugehen. In diesem Rahmen diskutiert er schließlich die Problematik der Einzelwort-Switches. Der zweite Beitrag stammt von Arend Mihm (Duisburg-Essen) und leitet in die Thematik des CS mit Deutsch ein. Mihm beschäftigt sich seit Jahren mit der Mehrsprachigkeit im deutschsprachigen Raum und richtet hier einen spezifischen Blick auf Quellen, die CS-Prozesse mit den verschiedenen nichtlateinischen Kontaktsprachen dokumentieren, was bislang kaum Beachtung gefunden hat. Für das Deutsche ist ein umfangreicher Bestand an teilweise nur wenig bekannten multilingualen Texten seit dem Frühmittelalter verfügbar, deren Auswertung sich nicht nur als eine wertvolle Erkenntnisquelle für historische Mehrsprachigkeitskonstellationen, sondern auch für die Sprachentwicklung des Deutschen generell erweist. Die weiteren Beiträge decken insgesamt eine breite Palette von Textsorten ab, in denen multilinguale Schreibpraktiken präsent sind, von literarischen Texten über Ego-Dokumente bis hin zu akademischem Schriftgut. Einen deutlichen Schwerpunkt bilden dabei Rechtstexte: Vincenz Schwab (München) analysiert die Einbettungsstrukturen und Funktionen unterschiedlich stark integrierter volkssprachiger Inserte in den mittellateinischen Handschriften der Leges Barbarorum. Andreas Deutsch (Heidelberg) betitelt seinen Beitrag mit einem einschlägigen Beispiel: „Als wolte ich in amplissima illa materia … ein Tractat beschreiben“. Darin untersucht er lateinische Formulierungen in deutschsprachigen Rechtsbüchern aus der Rezeptionszeit des römischen Rechts und arbeitet deren Funktionen heraus. Er weist außerdem darauf hin, dass die Phänomene der Gemischtsprachigkeit Konsequenzen für die praktische Lexikographie haben. Da die Grenze zwischen CS und Entlehnung nicht immer klar zu ziehen ist, stellt sich für die Wörterbuchbearbeiter und -bearbeiterinnen die wichtige Frage, welche Wortvorkommen als Lemmakandidaten für ein Wörterbuch zu werten sind. Luise Czajkowski (Leipzig) untersucht ein Textkorpus aus ostmitteldeutschen Stadtbüchern und geht dabei einerseits auf lateinisch-deutsches Codeswitching mit wechselnder Matrixsprache sowie andererseits auf die Abgrenzung von niederdeutsch-hochdeutschem Codeswitching und dem generell ablaufenden Schreibsprachenwechsel zum Hochdeutschen ein. Mehrsprachige Schriftzeugnisse stammen vielfach auch aus dem kirchlichen bzw. klösterlichen Umfeld, in dem das Lateinische eine zentrale Rolle einnimmt. Claudia Wich-Reif (Bonn) diskutiert die Ausprägungen des lateinisch-deutschen CS in mittelalterlichen Bibelhandschriften, insbesondere dem Essener Evangeliar, wobei sie lateinische und altsächsische Elemente in interlinear und marginal eingetragenen Kommentaren analysiert und dabei eine Abgrenzung von gewöhnlicher Glossierung und CS als gängigen Verfahren der Texterschließung entwirft. Timo Bülters (Bonn) & Simone Schultz-Balluff (Bonn/Rostock) präsentieren vielge-



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staltige Zeugnisse lateinisch-niederdeutschen Sprachgebrauchs in spätmittelalterlichen Handschriften aus Beständen der Lüneburger Frauenklöster, die als Beleg für die schriftliche Sprach- und Textsortenkompetenz der Nonnen in beiden Sprachen gelten können. In einer detaillierten sprachlichen und inhaltlichen Analyse erbringen sie den Nachweis eines funktionalen, situativ gebundenen CS. Christine Ganslmayer (Erlangen-Nürnberg) wertet die Protokolle der Arbeitssitzungen aus, in denen unter Luthers Leitung die Überarbeitung der Bibelübersetzung diskutiert wurde, wobei sich auch die Frage der Wiedergabe des mündlichen Gebrauchs stellt. In ihrem Korpus dominiert das intersententielle CS, womit sich die Protokolle zwischen den Lutherschen Tischreden und Predigtnachschriften einordnen lassen. Die Texte erweisen sich als eindrucksvolles Beispiel für die multilinguale Sprachverwendung in der frühneuzeitlichen Gelehrtenkultur. Ab dem 17. Jahrhundert sind multilinguale Phänomene auch in der akademischen Schriftlichkeit verstärkt anzutreffen, bedingt durch die allmähliche Loslösung von der rein lateinischen Schreibkultur in dieser Zeit. Kaidi Kriisa (Tartu) weist auf der Basis eines umfangreichen Korpus akademischer Texte darauf hin, dass im 17. Jahrhundert an der Universität Dorpat neben dem Lateinischen als Unterrichtssprache auch Schwedisch, Deutsch, Hebräisch, Altgriechisch, seltener Französisch, Finnisch, Estnisch und Italienisch verwendet wurden, sodass sich die Academia Dorpatensis als hochgradig mehrsprachig erweist. Sie unterzieht einige Beispiele mit vornehmlich lateinisch-deutschem CS einer genaueren Analyse und zeigt, dass die Mehrzahl der untersuchten Fälle dem intrasententiellen CS zuzurechnen ist. Der Beitrag von Michael Prinz (Uppsala) beschäftigt sich vor dem Hintergrund des Sprachenwechsels in der akademischen Domäne mit multilingualen Praktiken in der Mündlichkeit des Hörsaals und beleuchtet am Beispiel des Historischen Vorlesungskorpus (HiVoKo) die „buntschäkkigte Universitätssprache“ in Vorlesungen des 18. Jahrhunderts. Auch in der privaten Schriftlichkeit spielt multilinguales Schreiben eine bedeutende Rolle, wie Joachim Peters & Sabrina Freund (Erlangen-Nürnberg) anhand des Fürstentagebuchs von Christian von Anhalt-Bernburg (1599–1656) zeigen: Das Tagebuch enthält reichhaltige Beispiele v. a. für deutsch-französisches Codeswitching, wobei für die verschiedenen im Tagebuch verwendeten Sprachen mit Hilfe einer aufwändigen Annotationsmethode bestimmte „triggering topics“ herausgearbeitet werden. Überwiegend dem Bereich der privaten Schriftlichkeit ist auch das Untersuchungskorpus von Markus Schiegg & Monika Foldenauer (Erlangen-Nürnberg) zuzuordnen: Es besteht aus Briefen , Lebensgeschichten und Tagebüchern aus der Feder süddeutscher Schreiber und Schreiberinnen, die einen Wechsel zwischen Dialekt und Standard oder zwischen unterschiedlichen Sprachen aufweisen. Diese Texte wurden im 19. Jahrhundert in psychiatrischen Anstalten verfasst und lassen teilweise eine ausgeprägte Vari-

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etätenkompetenz und ein reflektiertes sprachliches Bewusstsein erkennen, was die Verfasser in zahlreichen Einzelanalysen verschiedener sprachlicher Ebenen herausarbeiten. Eine breite Palette multilingualer Schreibpraktiken lässt sich auch in historischen Pressetexten beobachten. So zeigt Stefaniya Ptashnyk (Heidelberg), dass in Zeitungen aus der Stadt Lemberg im 19. Jahrhundert ein intensives Nebeneinander von Deutsch, Polnisch, Ukrainisch, Latein und Hebräisch herrscht. Diese Mehrsprachigkeit erweist sich als besonders komplex, da sie zugleich von Mehrschriftigkeit begleitet wird, nämlich dem Nebeneinander des lateinischen, kyrillischen und hebräischen Schreibsystems. Die Erscheinungen des CS werden hierbei in eine Typologie multilingualer Schreibpraktiken eingebettet. Eine theoretisch-methodische Ergänzung zu den genannten Einzelanalysen konkreter historischer Mehrsprachigkeitskonstellationen bietet der abschließende Beitrag von Mareike Keller (Mannheim) zur grammatischen Modellierung struktureller Charakteristika gemischtsprachiger Texte aus der Sprachgeschichte des Deutschen und Englischen. Die Autorin evaluiert dabei Myers-Scottons (2002) Matrix Language-Frame Model hinsichtlich seiner Tauglichkeit für die Anwendung auf historische Quellen mit häufig problematischen Einzelwort-Switches und zeigt dabei strukturelle Parallelen in den CS-Daten aus unterschiedlichen Epochen auf. Insgesamt berücksichtigen die im Band vertretenen Studien multilinguale Schreibtraditionen aus mehreren historischen Phasen und diversen geographischen Regionen, in denen Deutsch präsent war bzw. ist. In ihrer Gesamtheit zeigen die Beiträge deutlich, dass bezüglich des Vorkommens des Deutschen neben Latein, Französisch, Polnisch, Ukrainisch und anderen Sprachen vom 8. bis zum beginnenden 20. Jahrhundert sehr unterschiedliche Sprachkonstellationen zu finden sind, dass sich aber zugleich – trotz der historischen Breite – eine erstaunliche thematische Kohärenz ergibt. Zu den rekurrenten Themen, die bestehende Forschungsdesiderate aufzeigen, gehört die Problematik der terminologischen Unterscheidung von Codeswitching, Codemixing und Entlehnung, die in den einzelnen Beiträgen unterschiedlich vorgenommen wird. Wir haben darauf verzichtet, hier eine einheitliche Definition vorzugeben, was weder angesichts der allgemein weiterhin strittigen Abgrenzungen (vgl. etwa Clyne 2003: Kap. 3.2; Poplack 2004; Gardner-Chloros 2009: 10-13) noch in der vorliegenden Situation einer ersten Bestandsaufnahme des weit gesteckten Feldes sachgerecht gewesen wäre. Während manche eher dem Modell der Matrixsprache nach Myers-Scotton folgen, lehnen sich andere an die Terminologie von Muysken an oder nehmen Konzepte Auers auf. Alle Beiträger und Beiträgerinnen sollten ihre Position und Terminologie explizit machen, wodurch es zwar zu gewissen Wiederholungen kommt, womit aber auch die Einordnung der Ergebnisse erst ermöglicht wird.



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So sollte es mit der nötigen Umsicht möglich sein, aufgrund der Arbeitsdefinition und der Positionierung, die die Autoren und Autorinnen jeweils innerhalb der CS-Forschung vornehmen, ihre Ausführungen und Ergebnisse zu vergleichen, etwa wenn es darum geht, den Anteil der Switches zu quantifizieren. Auch die Unterscheidung von intersententiellem und intrasententiellem Codeswitching scheint eine gemeinsame methodische Basis darzustellen. Intrasententielles CS wird insgesamt am häufigsten genannt. Darüber hinaus kann die unterschiedliche Bewertung bestimmter Erscheinungen bzw. Konzepte (wie Einwortswitches, Zitate, Adaptationen und Interferenzen) auch dazu dienen, den eigenen Gegenstandsbereich schärfer zu fassen. Die frühere Rede von – oft negativ konnotierten  – Mischsprachen kann so allmählich einer analytischen Betrachtung der historischen Texte weichen, in der Formen und Funktionen herausgearbeitet werden. Die einzelnen Beiträge bieten dazu eine Fülle an Beispielen, die zum Vergleich und zu weiterer Forschung anregen. Wiederkehrende Fragen in allen zeitlichen Epochen und Textsorten sind außerdem solche nach der textuellen Markierung von CS, nach dem bewussten oder unbewussten Einsatz der multilingualen Praktiken und nach ihren Funktionen in bestimmten soziohistorischen Konstellationen, Textsorten oder auch an bestimmten Positionen im Text (Textgrenzen, direkte Rede u.Ä.). Gemeinsam ist auch allen Untersuchungen, dass sie mit den Beschränkungen eines historischen Korpus umgehen müssen, das keine Nachfrage oder Experimente erlaubt. Dafür müssen die Analysen des vorgegebenen Materials nachvollziehbar plausibilisiert werden, weshalb die Offenlegung methodischer Prinzipien und Entscheidungen eine wichtige Voraussetzung für die weitere Forschung darstellt. Dazu gehört auch die Frage, inwiefern es sich beim schriftlich dokumentierten CS um ein Abbild der Mündlichkeit handelt oder ob ein eigenes Phänomen vorliegt, das dem mündlichen CS zwar ähnelt, aber dennoch besonderen Regeln folgt. Ein Zusammenhang mit mündlichen CS-Verfahren wird in verschiedenen Beiträgen thematisiert, vgl. Mihm, Schwab, Czajkowski, Bülters & Schultz-Balluff, Ganslmayer, Schiegg & Foldenauer und Prinz. Mit diesem Band soll den Lesern und Leserinnen eine erste Standortbestimmung vorgelegt werden, die aktuelle Bemühungen zur Erforschung der multilingualen Schriftlichkeit der Vergangenheit widerspiegelt, an der das Deutsche beteiligt war. Terminologie und Methoden werden in Auseinandersetzung insbesondere mit der anglistischen sprachgeschichtlichen Tradition und allgemein-linguistischen Untersuchungen zum modernen CS entwickelt. Die linguistische Per­ spektive, die in den Detailanalysen zum Tragen kommt, baut dabei zumeist auf umfassenden (eigenen oder fremden) philologischen Vorarbeiten paläographischer, editorischer, lexikographischer und korpuslinguistischer Art auf. Hierbei

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und bei der Analyse der CS-Funktionen wird darüber hinaus das interdisziplinäre Potential und Interesse an der CS-Forschung erkennbar. Abschließend möchten wir allen Autorinnen und Autoren für ihren Beitrag zum Gelingen dieses Bandes danken ebenso wie der Heidelberger Akademie der Wissenschaften für das Bereitstellen der Infrastruktur bei der Ausrichtung der Tagung. Daniel Gietz und Carolin Eckardt danken wir für die Unterstützung von Seiten des Verlags und ganz besonders Andi Gredig für die Erstellung der Druckvorlage.

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 Elvira Glaser, Michael Prinz und Stefaniya Ptashnyk

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Historisches Codeswitching mit Deutsch: Eine Einleitung 

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Herbert Schendl

Aspekte des Codeswitchings im mittelalterlichen England 1 Einleitung Die in vielen europäischen Sprachengemeinschaften belegte Mischung der jeweiligen Volkssprache(n) mit dem Lateinischen in älteren Texten ist in den letzten Jahrzehnten auch von der historischen Sprachwissenschaft als interessantes linguistisches Phänomen entdeckt worden. Zunehmend setzte sich dabei die Einsicht durch, dass es sich bei dieser Sprachmischung um die schriftliche Form des in der modernen Linguistik breit diskutierten Codeswitchings handelt und dass Forschungserkenntnisse zum Codeswitching in lebenden Sprachen auch zur Beschreibung und Erklärung dieses Phänomens in historischen Mischtexten herangezogen werden können. Sprachmischung in geschriebenen Texten wurde als eine weit verbreitete Diskursstrategie mehrsprachiger Gesellschaften des Mittelalters und der Neuzeit erkannt, die in einer Vielzahl von Domänen, Textsorten bzw. Genres anzutreffen ist, aber auch in der klassischen Antike belegt ist. Die Breite der behandelten Forschungsfragen erweitert sich ständig, obwohl die Beschäftigung mit historischem Codeswitching in den verschiedenen Einzelphilologien noch unterschiedlich ausgeprägt ist. Besonders im Zusammenhang mit der Mehrsprachigkeit des englischen Mittelalters hat sich das Studium des historischen Codeswitchings zu einem dynamischen Forschungsgebiet entwickelt, dem internationale Konferenzen, Sammelbände, wissenschaftliche Projekte sowie zahlreiche Einzelpublikationen gewidmet sind. Es erscheint daher vertretbar, am Beginn dieses Beitrags kurz die Anfänge der Forschung in diesem Bereich aus der Sicht des Anglisten zu skizzieren, ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit (Kapitel 2). Daran anschließend werden einige zentrale Fragen der Forschung im Bereich des historischen Codeswitchings und ihr Bezug zur Erforschung des modernen Codeswitchings diskutiert (Kapitel 3).1 Im abschließenden Kapitel 4 wird die schwierige Frage

1 ‚Modernes Codeswitching‘ wird hier für Codeswitching in lebenden Sprachen verwendet, ‚historisches Codeswitching‘ für Sprachmischung in historischen Texten. Herbert Schendl: Universität Wien, Institut für Anglistik und Amerikanistik, E-Mail: herbert. [email protected]. https://doi.org/10.1515/9783110752793-002

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Codeswitching oder Entlehnung anhand altenglischer Daten diskutiert und ein Lösungsvorschlag vorgestellt. Da das Altenglische ähnlich dem Althochdeutschen eine ausgebildete Nominal- und Verbalflexion aufweist, sollte dieser empirische Teil auch für die historische Germanistik von Interesse sein.

2 Z  u den Anfängen der historischen Code­ switching-Forschung Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden vor allem nicht-literarische Mischtexte des englischen Mittelalters überwiegend negativ beurteilt und als sprachlich korrumpiert angesehen. So bezeichnet etwa Chambers (1932: lxxxii) den aus einem mittelalterlichen juristischen Mischtext stammenden Satz Il jecte un graund brickbat que narrowly mist als „no language at all“ und auch gemischtsprachige lateinische Texte waren meist negativ konnotiert. Noch 1976 wird ein frühes dreisprachiges Londoner Firmeninventar (Latein-FranzösischEnglisch) als wahrscheinliches Produkt ausländischer Arbeiter, also als Resultat ungenügender Sprachkompetenz erklärt (siehe Schendl & Wright 2011b: 16–17). Auch literarische Mischtexte wie sogenannte makkaronische Gedichte wurden teilweise als nicht ganz ernstzunehmende stilistische Spielereien angesehen. Solche Einstellungen waren einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit historischer Sprachmischung mit Sicherheit nicht förderlich. Erst mit dem steigenden Interesse an der historischen Mehrsprachigkeit Europas in den letzten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts änderte sich langsam auch die Einstellung zu gemischtsprachigen Texten des mittelalterlichen Englands in Mediävistik und historischer Sprachwissenschaft.2 Dies wurde besonders durch Einflüsse der modernen Linguistik auf die historische Sprachwissenschaft und teilweise auch auf die Mediävistik gefördert, vor allem aus der Sprachkontaktforschung, der Soziolinguistik, Pragmatik sowie der modernen Codeswitching-Forschung. Ein wichtiges Instrument für die Erforschung der Mehrsprachigkeit des mittelalterlichen Englands schufen lexikographische Großprojekte wie das Middle English Dictionary (MED), das AngloNorman Dictionary (AND), das Dictionary of Medieval Latin from British Sources (DMLBS) sowie die Neubearbeitung des Oxford English Dictionary (OED), in jüngerer Zeit ergänzt durch das im Erscheinen befindliche Dictionary of Old English

2 Von historisch-mediävistischer Seite finden sich allerdings schon früher einzelne wichtige Beiträge zur Mehrsprachigkeit, so besonders Richter (1979).



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(DOE). Es ist kein Zufall, dass sich zwei Herausgeber des Anglo-Norman Diction­ ary, William Rothwell und David Trotter, in zahlreichen Arbeiten mit der Lexik des Anglo-Französischen und seiner engen Verschmelzung mit dem Mittelenglischen und Lateinischen in gemischtsprachigen Texten beschäftigten, auch Laura Wrights frühe Arbeiten zu gemischtsprachigen Verwaltungstexten (z. B. Wright 1992) stehen in dieser Tradition. Aus dem Bereich der Mediävistik sind besonders die Arbeiten von Linda E. Voigts zur mittelenglischen Wissenschaftssprache zu erwähnen (z. B. Voigts 1989). Rückblickend brachte das Jahr 1994 einen deutlichen Anstieg von Studien zur Sprachmischung im mittelalterlichen England: Die Mediävisten Siegfried Wenzel und Alan Fletcher veröffentlichten Arbeiten zu mehrsprachigen Predigten, in denen auch auf Ähnlichkeiten dieser Texte mit dem modernen Codeswitching hingewiesen wurde. Tim Machan interpretierte die zahlreichen lateinischen und französischen Einschübe im mittelenglischen Piers Plowman als Codeswitches mit spezifischen Funktionen. William Rothwell veröffentlichte eine wichtige Arbeit zur Dreisprachigkeit in Chaucers Epoche. Laura Wright und Herbert Schendl präsentierten 1994 bei einer Konferenz zum historischen Sprachkontakt Beiträge zu mehrsprachigen mittelalterlichen Verwaltungstexten bzw. Gedichten, in deren Titel bereits der Terminus codeswitching verwendet wurde (erschienen: Schendl 2001, Wright 2001). Weitere Aktivitäten von Wright und Schendl wie ein Vortrag zu „Codeswitching in the history of English“ (Valencia 1995) und ein Workshop zum historischen Codeswitching (Helsinki 2000) folgten. Seit der Jahrtausendwende erschienen mehrere Sammelbände zur mittelalterlichen Mehrsprachigkeit Europas bzw. Englands, die teilweise auf früheren Konferenzen beruhten (z. B. Trotter 2000, basierend auf einer 1997 in Aberystwyth abgehaltenen Tagung; Braunmüller & Ferraresi 2003; Baldzuhn & Putzo 2011; Tyler 2011; Jefferson & Putter 2013).3 Diese Bände dokumentieren sehr gut die Breite der Forschung zur historischen Mehrsprachigkeit und enthalten teilweise Arbeiten zum historischen Codeswitching sowie Beiträge mit anderen theoretischen Zugängen zu gemischtsprachigen Texten. Mit Code-Switching in Early English (Schendl & Wright 2011a) erschien der erste Sammelband, der sich ausschließlich der Sprachmischung in Texten des englischen Mittelalters und der frühen Neuzeit aus der theoretischen Warte des Codeswitchings widmet; er zeigt aber auch die Schwierigkeiten der Abgrenzung von Codeswitching zu anderen Formen der lexikalischen Sprachmischung.

3 Zum Vordringen der Volkssprachen in Texten des europäischen Mittelalters von der Warte der historischen Soziolinguistik siehe auch Peersman (2012) mit weiteren Literaturhinweisen.

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Die letzten Jahre brachten eine große Zahl von z.T. noch laufenden Projekten und Publikationen, auf die nicht näher eingegangen werden kann. Es sei hier besonders auf Pahta, Skaffari & Wright (2018) verwiesen, mit Beiträgen einer Tagung zum historischen Codeswitching (Tampere 2014), sowie auf das Programm der Tagung Multilingualism in Medieval Sermons (Wien 2018). Die Fokussierung dieses kurzen Überblicks auf das mittelalterliche England soll in keiner Weise die Bedeutung von Projekten und Veröffentlichungen in anderen Philologien mindern, in denen teilweise schon früh mit unterschiedlichen Ansätzen zu gemischtsprachigen älteren Texten geforscht wurde. Birgit Stolts Studie zu Luthers zweisprachigen Tischreden (1964) stellt zweifellos eine Pionierleistung dar, ähnlich auch Georges Lüdis Arbeiten zur Mehrsprachigkeit in den Stadtsprachen des (spät)mittelalterlichen Freiburgs/Fribourgs (1985, 1989). Auf wichtige Arbeiten zur klassischen Antike (z. B. Adams 2003), aus der Romanistik (Trotter 2006; Bériou 2000) sowie in jüngerer Zeit der irischen Philologie (Bisagni 2014, Stam 2017) kann hier nur kurz hingewiesen werden. Die einschlägige Forschung in der Germanistik ist im vorliegenden Band ausführlich dokumentiert.

3 Z  entrale Aspekte der historischen Code­ switching-Forschung In diesem Kapitel werden einige wichtige Aspekte der historischen Codeswitching-Forschung angeschnitten, so Terminologie und Definition (3.1.), Bezug zur modernen Codeswitching-Forschung (3.2.), Abgrenzbarkeit von Sprachen (3.3.) sowie Codeswitching und Textsorten (3.4.). Dabei ist anzumerken, dass die Erforschung des historischen Codeswitchings in verschiedenen linguistischen Teildisziplinen verankert ist, so besonders in der Sprachkontaktforschung (Matras 2009; Skaffari & Mäkilähde 2014; für das Englische siehe Schendl 2012a), der historischen Soziolinguistik (Schendl 2012b), der Grammatikforschung (Halmari & Regetz 2011; Ingham 2011; Keller in diesem Band) sowie der Psycholinguistik (Gardner-Chloros 2009: 117–141).

3.1 Terminologie und Definition Die terminologische Vielfalt im Bereich der Sprachmischung ist besonders in der englischsprachigen Sekundärliteratur beträchtlich (siehe Gardner-Chloros 2009: 10–13), und Termini wie code(-)switching, code-mixing, language mixing, mixed



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language, bilingual speech, language alternation, language insertion werden für zum Teil idente, zum Teil unterschiedliche Formen der Sprachmischung verwendet und teilweise auch in das Deutsche übernommen. Der in meinen Arbeiten seit den frühen 1990er Jahren als Oberbegriff verwendete Terminus Codeswitching wird hier sehr breit als ‚das Nebeneinander von zwei oder mehr Sprachen innerhalb eines kommunikativen Aktes‘ definiert, wobei kommunikativer Akt mit dem geschriebenen Text (oder Sub-Text) gleichgesetzt ist, aber auch für gesprochene Sprache anwendbar ist. Für die Erforschung historischer Mehrsprachigkeit, bei der in keiner Philologie eine vollständige Erfassung, noch viel weniger eine Analyse aller gemischtsprachigen Texte vorliegt, würde eine enge Definition den vielfältigen Formen historischer Mischtexte nicht gerecht und den Untersuchungsgegenstand unnötig einschränken. Eine weitere terminologische Differenzierung für spezifische Formen des Codeswitchings, wie z. B. code-mixing für ‚intrasententielle‘ Sprachmischung (Insertion) ist allerdings häufig sinnvoll oder notwendig, soll aber hier nicht diskutiert werden. Dieser weitgefasste Terminus Codeswitching impliziert für mich dreierlei: erstens, die unterschiedliche Mehrsprachigkeit der Textproduzenten, die jedoch zumindest für die Produktion verständlicher Texte ausreichen muss; zweitens, dass historische Sprachmischung generell das gleiche Phänomen darstellt wie Codeswitching in lebenden Sprachen (siehe näher 3.2.); somit betont der Terminus die historische Kontinuität dieser kommunikativen Strategie multilingualer Sprachbenutzer, die in England vom frühen Altenglischen bis zur Neuzeit in verschiedenen Formen, Funktionen und Textsorten belegt ist. Drittens unterstreicht der Terminus den linguistischen Forschungszugang bzw. die Orientierung an modernen Theorien des Codeswitchings, sowohl soziolinguistischer bzw. funktional-pragmatischer als auch grammatisch-syntaktischer Ansätze. Die Erforschung des historischen und des modernen Codeswitchings stehen nach dieser Ansicht in einer ähnlichen Beziehung wie historische Pragmatik zu moderner Pragmatik oder historische Soziolinguistik zu moderner Soziolinguistik.

3.2 Historisches und modernes Codeswitching Die in 3.1. vertretene Ansicht, dass historisches und modernes Codeswitching die gleiche sprachliche Erscheinung darstellt, ist wiederholt kritisiert worden. Besonders in der Frühzeit der modernen Codeswitching-Forschung wurde – in Übereinstimmung mit einigen soziolinguistischen Grundannahmen im Gefolge Labovs (Gardner-Chloros 2018: 21–22) – die Beschränkung auf Daten spontan produzierter gesprochener Sprache gefordert und gefilterte, nicht spontane, bewusste Sprachmischung, wie sie auch beim historischen Codeswitching häufig

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(aber keineswegs immer) vorliegt, als nicht relevant von der Forschung abgelehnt.4 Dagegen gilt in der historischen Soziolinguistik seit längerem die Grundannahme, dass gesprochene und geschriebene Sprache dasselbe Phänomen Sprache, wenn auch in unterschiedlichen Kanälen, repräsentieren und für alle Erscheinungen von Sprache dieselben methodischen Verfahren anwendbar sind (Romaine 1982: 14–21), eine auch in der modernen Soziolinguistik zunehmend vertretene Ansicht. Auch die moderne Codeswitching-Forschung beschäftigt sich zunehmend mit geschriebenem Codeswitching in unterschiedlichen Textsorten und mit unterschiedlichem Grad von Spontaneität bzw. Nähe zu gesprochener Sprache; so zum Beispiel in literarischen Prosatexten (Callahan 2004, MontesAlcalá 2012), E-Mails (Hinrichs 2006), SMS-Textmitteilungen (Lexander 2012), Diskussionsforen und Blogging im Web (Kytölä 2012; Montes-Alcalá 2007) sowie als Erscheinung der linguistic landscape, also das Auftreten von Mehrsprachigkeit im urbanen öffentlichen Raum. Der von Sebba, Mahootian und Jonsson herausgegebene Sammelband Language Mixing and Code-Switching in Writing (2012) dokumentiert sehr gut diese Neuorientierung. In seiner Einleitung fordert Sebba (2012: 2) die Entwicklung spezifischer Modelle für geschriebenes Codeswitching, nicht zuletzt da die visuelle Gestaltung multilingualer Texte ein integraler Bestandteil ihrer Interpretation sei. Besonders im Bereich des historischen Codeswitchings gibt es bereits verschiedentlich Ansätze, den visuellen Kontext gemischtsprachiger Texte in historischen Handschriften in die Analyse einzubeziehen, so z. B. Seitenlayout, Schriftart, Schriftgröße, Unterstreichung, Einrahmung und besonders Tintenfarbe (Machan 2011; Jefferson 2013). Dabei stellt Machan (2011) fest, dass verschiedene Manuskripte desselben Textes die visuelle Markierung von Codeswitching sehr unterschiedlich durchführen. Dadurch wird allerdings eine variable, von Manuskript zu Manuskript unterschiedliche Interpretationsebene eingeführt, die meist auf den jeweiligen Schreiber eines Manuskripts und nur selten auf den Textproduzenten zurückgeht. Umfangreichere Modelle für die Einbeziehung der multimodalen Dimension in die Analyse historischer mehrsprachiger Texte werden in Kopaczyk (2018) sowie Skaffari (2018) vorgestellt. Eine Sonderform der Visualisierung stellt die von Laura Wright in mehreren Arbeiten ausführlich beschriebene systematische Verwendung von Abkürzungsund Auslassungszeichen in mittelalterlichen administrativen Texten dar (Wright 2011). Die in diesen mehrsprachigen Texten verwendeten Symbole stehen nicht

4 Im Gegensatz zu Spontaneität spielt die schwer festzustellende Intentionalität kaum eine explizite Rolle in dieser Diskussion.



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für eine bestimmte Einzelsprache, so dass derart markierte Wörter nicht mehr eindeutig einer Sprache zugeordnet werden können, sondern unterschiedlich z. B. als Latein oder Englisch interpretiert werden können (Wright 2000: 150–151; 2002). Solche visuelle Diamorphe (“visual diamorphs“, Wright 2011: 203) erleichterten das Lesen mehrsprachiger Dokumente, da keine genaue Kenntnis der Morphologie der einzelnen Sprachen erforderlich ist und der Fokus auf den Wortstämmen liegt. Dies ist wohl einer der Hauptgründe für den jahrhundertelangen Erfolg dieser gemischtsprachigen Textsorte vor der Entwicklung einer englischen Standardsprache (siehe Wright 2018). In einem Korpus mittelalterlicher irischer Texte weisen ter Horst & Stam (2018: 228) nach, dass 75% der in ihrem Korpus belegten Codeswitches nach visuellen Diamorphen auftreten, somit also sprachlich neutrale Formen den Sprachwechsel begünstigen. (Zu visuellen Aspekten in historischen Mischtexten vgl. auch die Beiträge von Kriisa und Keller im vorliegenden Band.) Da auch in modernen gesprochenen Sprachen solche sprachneutrale homophone Diamorphe das Auftreten von Sprachwechsel begünstigen (Muysken 2000: 133; ter Horst & Stam 2018: 226), liegt hier eine interessante Parallelität zwischen modernem und historischem Codeswitching vor. Trotz der erwähnten Fortschritte in der Einbeziehung multimodaler Faktoren in die historische Codeswitching-Forschung wurde der Großteil der bisherigen linguistisch orientierten Analysen älterer Mischtexte auf der Basis von Theorien durchgeführt, die für moderne gesprochene Texte entwickelt wurden. Aufgrund der vorliegenden Ergebnisse kann die Frage, ob moderne Theorien bzw. Modelle des Codeswitchings für die Analyse historischen Codeswitchings anwendbar sind, klar positiv beantwortet werden. Dabei sind natürlich die besonderen historischen Gegebenheiten historischer Texte ebenso wie die Einschränkungen durch unzureichende sprachliche und außersprachliche Daten zu berücksichtigen, die eine angemessene Adaptierung von modernen Theorien erforderlich machen, was allerdings für die moderne historische Sprachwissenschaft allgemein zutrifft. Besonders soziolinguistische bzw. funktional-pragmatische Ansätze wurden häufig zur Analyse von historischem Codeswitching angewendet.5 Dagegen ist die Zahl von grammatisch-syntaktischen Arbeiten zum historischen Codeswitching noch gering. Oberflächensyntaktisch ausgerichtete Studien sind Wenzel (1994) zu mittelalterlichen Predigten und Schendl (2000) mit einem Vergleich mittelenglischer Daten mit modernen Daten.6 Wrights Arbeiten haben interessante dia-

5 Siehe u. a. Davidson (2005); Diller (1997/98); Machan (1994); Mäkilähde (2018); Nurmi & Pahta (2004); Putter (2011); Schendl (2011). Zur Anwendung der sozialen Netzwerkanalyse für die Sprachmischung in mittelalterlichen Londoner Zunftbüchern siehe Alcolado Carnicero (2013). 6 Die auf einem kleinen Korpus beruhenden Ergebnisse zeigen, dass die syntaktischen Unter-

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chrone Veränderungen der syntaktischen Struktur des Codeswitchings in mittelalterlichen administrativen Texten gezeigt (Wright 2011: 200–207). Ingham (2011) sowie Halmari & Regetz (2011) analysieren Restriktionen im Codeswitching im Rahmen unterschiedlich definierter syntaktischer Rektionsbeziehungen (government relations). Eines der am weitesten entwickelten theoretischen Modelle des Codeswitchings, das Matrix Language Frame Modell, das mit der Definition von Systemmorphemen auch psycholinguistische Aspekte einbezieht, wird von Keller (in diesem Band) auf ein Korpus zweisprachiger Predigten angewendet. Das in diesem Modell zentrale Konzept der Matrixsprache wird allerdings von GardnerChloros (2018: 24–27) mit Hinweis auf die zahlreichen ambivalenten Formen sowie die starke Variabilität in gemischtsprachigen Äußerungen als weder für modernes noch für historisches Codeswitching konsistent anwendbar abgelehnt. Nur wenige historische Analysen basieren bisher auf elektronischen Korpora, so Pahta & Nurmi (2006) auf dem Helsinki Corpus, Nurmi & Pahta (2013) auf dem Lampeter Corpus sowie Nurmi et al. (2018) auf dem Corpus of Late Modern English Texts. Obwohl diese Korpora als einsprachige englische Korpora konzipiert sind, enthalten sie doch eine Vielzahl anderssprachiger Einschübe, die interessante Ergebnisse zulassen. Allerdings bleibt die bereits in Schendl & Wright (2011b: 34) aufgestellte Forderung nach der Kompilation von gezielt gemischtsprachig konzipierten elektronischen Korpora weiterhin aktuell.

3.3 Abgrenzbarkeit der Sprachen im Codeswitching Definitionen von Codeswitching implizieren meist die Existenz abgrenzbarer Sprachsysteme, eine Annahme, die sowohl in der modernen als auch in der historischen Codeswitching-Forschung wiederholt kritisiert bzw. relativiert wurde (siehe Gardner-Chloros 2009: 167–170). So existieren nicht nur zahlreiche homophone bzw. visuelle Diamorphe, die mehr als einer Sprache zugeordnet werden können und die Codeswitching erleichtern können,7 sondern auch in anderen Bereichen existieren Grauzonen zwischen verschiedenen Sprachen. Gardner-Chloros (1995) berichtet von Schwierigkeiten mehrsprachiger Informanten, einzelne Codeswitches eindeutig einer Sprache zuzuordnen. Auch im Bereich des historischen Codeswitchings gibt es, abgesehen von den erwähnten visuellen Diamorphen,

schiede zwischen modernem und mittelalterlichem Codeswitching vor allem quantitativer und weniger qualitativer Natur sind, doch sollte dies noch an einem repräsentativen mehrsprachigen Korpus untersucht werden. 7 Siehe 3.2. sowie Gardner-Chloros (2009: 108, 169) zu sogenannten bivalenten Elementen.



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Anzeichen dafür, dass mittelalterliche Schreiber ähnliche Zuordnungsschwierigkeiten hatten. So weist Hunt (2011) wie schon andere vor ihm darauf hin, dass in mittelalterlichen Mischtexten oder Glossen die Übersetzung einer lateinischen Wortform durch ein englisches oder französisches Wort manchmal durch ein vorangestelltes anglice oder gallice sprachlich spezifiziert ist, diese Zuordnung vom Standpunkt des modernen Analysten jedoch vielfach falsch ist. Für Hunt spricht dies dafür, dass mittelenglische Schreiber nur zwischen Latein und Volkssprache unterschieden, nicht jedoch zwischen den beiden Volkssprachen Englisch und Französisch, ähnlich auch Trotter (2011), siehe Schendl (2015), Wright (2015). Obwohl derartige Analysen wichtige Einsichten in bestimmte Strategien des mittelalterlichen Codeswitchings ermöglichen, sollte dabei der unterschiedliche Status und Erwerb der drei mittelalterlichen Schriftsprachen Englands nicht außer Acht gelassen werden. So war Latein immer, Französisch etwa ab dem späten 14. Jahrhundert eine unterrichtete Sprache, und zahlreiche mittelalterliche Texte enthalten Hinweise auf bzw. Klagen über die Mehrsprachigkeit Englands (Richter 1979). Mönche und später besonders berufliche Schreiber waren außerdem regelmäßig mit der Produktion bzw. dem Kopieren sowohl von monolingualen Texten in den verschiedenen Schriftsprachen als auch mit dem Verfassen gemischtsprachiger Texte beschäftigt (Schendl & Wright 2011b). Als Folge davon kann meiner Ansicht nach bei der Mehrzahl der schriftkundigen Mehrsprachigen des englischen Mittelalters zumindest eine abstrakte, gewissermaßen prototypische Vorstellung verschiedener Sprachen angenommen werden, was jedoch nicht bedeutet, dass mehrsprachige Textproduzenten und -rezipienten auch eindeutige sprachliche Zuordnungen jedes Lexems vornehmen konnten. Für die konkreten Analysen würde das bedeuten, dass wir weiterhin mit Begriffen wie Latein, Französisch und Englisch an mehrsprachige historische, im besonderen mittelalterliche Texte herangehen können, jedoch code-überschreitenden bzw. code-neutralisierenden Erscheinungen besonderes Augenmerk widmen sollten.

3.4 Codeswitching und Textsorten Die Mehrzahl der Studien zum historischen Codeswitching fokussiert auf eine bestimmte Textsorte wie z. B. Verwaltungstexte, literarische Texte, Briefe, medizinische Texte oder Predigten. Dies ist sinnvoll, da sich Textsorten häufig hinsichtlich ihres Grades an Spontaneität bzw. Formalität unterscheiden, was sich auch in syntaktischen Strukturen und pragmatischen Funktionen widerspiegeln kann. So finden sich klare Unterschiede in der syntaktischen Struktur von gemischtsprachigen Predigten einerseits und administrativen Texten andererseits, ebenso auch häufig zwischen gemischtsprachigen Testamenten und den dazugehörigen

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Inventarlisten. Codeswitching in literarischen Texten ist von Natur aus weniger spontan und kontrollierter als z. B. die Sprachmischung in den topographischen Aufzeichnungen eines Reisenden im späten 15. Jahrhundert. Die bekannten gemischtsprachigen Briefe an Heinrich IV. aus dem frühen 15. Jahrhundert unterscheiden sich von solchen in den Paston-Briefen. Allerdings erscheint es auch sinnvoll, das synchrone Nebeneinander gemischtsprachiger Textsorten in bestimmten Epochen zu erheben, um einen vertieften Einblick in die Mehrsprachigkeit bestimmter Zeitschnitte zu gewinnen (siehe Schendl 2013 zu den Verhältnissen in England um 1400). Neben den textsortenspezifischen Besonderheiten in funktionaler und/oder syntaktischer Hinsicht sind auch eventuelle diachrone Veränderungen innerhalb einer Textsorte von großem linguistischem Interesse, siehe die in 3.2. erwähnten Entwicklungen in administrativen Texten (Wright 2011). In allen diesen Bereichen sind weitere vergleichende Studien zwischen Textsorten wünschenswert. Der bei lebenden Sprachen beobachtete Zusammenhang zwischen dem verstärkten Auftreten von Codeswitching und einem stattfindenden Sprachwechsel (language shift) (Gardner-Chloros 2010: 190–191) scheint auch in einzelnen Fällen von historischem Codeswitching zu bestehen, wo der stattfindende Wechsel von Latein bzw. Französisch zu Englisch als dominierende bzw. unmarkierte Sprache in bestimmten Domänen bzw. Textsorten (Predigten, Briefe und medizinische Texte) mit dem vermehrten Auftreten von Codeswitching zu korrelieren scheint (Schendl 2012b: 524; vgl. auch Prinz im vorliegenden Band). Auch hier sind noch weitere Forschungen zur Stützung dieser Hypothese für historische Sprachzustände notwendig.

4 L ateinische Wortformen im Altenglischen: Codeswitching oder Entlehnung? Der Großteil der Studien zum Codeswitching im mittelalterlichen England behandelt die mittelenglische Periode, deren komplexe Mehrsprachigkeit zwischen Latein, Französisch und Englisch in zahlreichen Texten bzw. Textsorten reflektiert ist (Schendl & Wright 2011a, b). Jedoch auch in der altenglischen Periode ist Codeswitching zwischen Latein und Altenglisch besonders in religiösen, administrativen und wissenschaftlichen Texten belegt (Schendl 2004; 2011; 2018; Ti­mofeeva 2010). Dabei überwiegen in altenglischen Mischtexten im Allgemeinen



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längere Codeswitches wie Phrasen, (Teil)Sätze und Textpassagen, siehe Beispiel (1) aus einer Urkunde Oswalds von Worcester von 998.8 (1) quandam rurusculi partem, tres uidelicet, mansas et dimidiam. in loco. quem illius terrae soliculae Cloptun uocitant, 7 .vi. æcras mædwan for ongean ða mylne æt Eanulfes tune 7 healfe mylene æt Bluntesige into Cloptune, libenti concedo animo, […] Eadrico ‚ein bestimmter Teil eines kleinen Landguts, nämlich dreieinhalb „Hides“, in der Gegend, die die Bewohner dieses Landes Clopton nennen, und 6 Morgen von Wiesen gegenüber der Mühle in Alveston und eine halbe Mühle in Bluntesige nach Clopton, übertrage ich gerne […] an Eadric‘

In diesem Kapitel soll jedoch die in Schendl (2018) begonnene Diskussion über den Status von eingeschobenen lateinischen Einzelwörtern, die syntaktisch in altenglische Kontexte integriert sind, weitergeführt werden. Die Analyse solcher Formen in Konstruktionen wie heora confessionem don ‚ihre Beichte ablegen‘ ist eng mit der Abgrenzung zwischen Einzelwort-Codeswitch und Entlehnung verbunden, die in der Sprachkontaktforschung kontrovers diskutiert wird, während sie in Lexikologie und Lexikographie kaum thematisiert wird. Codeswitching und Entlehnung werden im Allgemeinen entweder (i) als unterschiedliche Phänomene oder (ii) als entgegengesetzte Pole auf einem Kontinuum angesehen (Haspelmath 2009: 40–42; vgl. auch Deutsch im vorliegenden Band zur vergleichbaren Problematik im Frühneuhochdeutschen). Nach der auch hier vertretenen zweiten Ansicht resultiert die Verbindung zwischen den beiden Polen aus dem diachronen Anstieg der Gebrauchsfrequenz neuer Wortformen (Matras 2009: 110), die als lexikalische Innovationen in der Sprachproduktion eines Sprechers/Schreibers beginnen. Diese Innovationen können sich ausbreiten und bei einer Sprechergruppe oder Sprachgemeinschaft als Lehnwörter Teil des lexikalischen Inventars werden, oder aber marginal bleiben und auch wieder verschwinden. Mit Haspelmath (2009) und anderen werden im Folgenden die Termini lexikalische Entlehnung (lexical borrowing) und Lehnwort (loan(word)) nur für einen abgeschlossenen Sprachwandel verwendet.9 Mit dem erwähnten Anstieg der Gebrauchsfrequenz steigt auch die lexikalische Variation zwischen konkurrierenden lexikalischen Elementen. Die verschiedentlich vertretene Meinung, dass lexikalische Innovationen häufig durch Codeswitches aus-

8 Zitiert nach Schendl (2011: 79). Die Urkunde wird von Sawyer (1968) als ‚S 1358‘ gelistet. Hier und im Folgenden Übersetzungen altenglischer und lateinischer Textpassagen vom Autor. 9 Zur hier auch relevanten Differenzierung zwischen „speaker-innovation“ und „linguistic change“ siehe Milroy (1992: 169–172).

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gelöst werden (Thomason 2003: 695; Matras 2009: 110), wird allerdings teilweise als nicht empirisch abgesichert kritisiert (so Haspelmath 2009: 41; Pahta 2012 für historische Texte). Die in diesem Kapitel präsentierten empirischen Ergebnisse unterstützen jedoch diese Ansicht zumindest teilweise. Die Differenzierung von Einzelwort-Codeswitch – lexikalischer Innovation – Lehnwort ist allerdings anhand eines einzelnen Textes kaum durchführbar, sondern, wenn überhaupt, nur auf der Basis eines umfangreichen Textkorpus und detaillierter Kontextanalysen aller im Korpus vorkommenden Wortformen eines Lexems. Für das Altenglische liegt mit dem Dictionary of Old English Web Corpus (2009, im Folgenden als OECorpus bezeichnet) ein elektronisches Korpus aller altenglischen Texte vor, das etwas über drei Millionen altenglischer Wörter umfasst, zusätzlich auch etwa eine Million lateinischer Wörter, die in engem Kontext mit altenglischen Texten stehen (Glossierungen, Übersetzungen, etc.) und somit wertvolle Zusatzinformationen zur Verwendung bestimmter altenglischer Lexeme bieten.10 Traditionelle Studien zu lateinischen Wortformen im Altenglischen klassifizieren teilweise alle in altenglischen Kontexten integrierten lateinischen Wortformen als Lehnwörter, unabhängig vom Grad ihrer sprachlichen Integration (so Kastovsky 1992: 299; Campbell 1959: 212), obwohl sich bereits bei Funke (1914) eine genauere Klassifizierung findet. In Bezug auf das im Erscheinen befindliche Dictionary of Old English (DOE, derzeit A-I) kritisieren Feulner (2000: 36-37) und Durkin (2014: 124–129), dass dieses keine expliziten und konsistenten Kriterien für die Aufnahme lateinischer Wörter als Haupteinträge verwende. Nach der Analyse mehrerer lateinischer Wortformen im Altenglischen verweist Durkin auch auf das mögliche Vorliegen von Einzelwort-Codeswitches in einzelnen Fällen (2014: 124) und betont, dass die Berücksichtigung moderner Erkenntnisse über Codeswitching und gemischtsprachige Texte für eine Neubewertung solcher Fälle notwendig sei (2014: 129), ohne diesen Ansatz aber weiter zu verfolgen. In Schendl (2018) wurde im Detail dargestellt, wie mithilfe des OECorpus und unter Heranziehung klar definierter Kriterien eine Anzahl lateinischer Wortformen in altenglischen Kontexten als lateinische Einzelwort-Codeswitches klassifiziert werden können.11 Derartige Analysen stellen gewissermaßen das Gegenstück zu den lexikologischen bzw. lexikographischen Analysen dar, deren Ziel das Auf-

10 Entgegen der Ankündigung der Herausgeber, dass alle lateinischen Wortformen im Corpus kursiv markiert sind, ist diese Information jedoch nicht konsistent vorhanden, siehe die folgende Diskussion einiger Beispiele. 11 Die analysierten spätaltenglischen Wortformen (confessio, absolutio, processio; punctus, zodiacus) stammen aus religiösen und aus wissenschaftlichen Texten.



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finden eindeutiger altenglischer Lehnwörter ist (siehe Durkin 2014: 129). Die hier verwendeten Kriterien basieren weitgehend auf Matras (2009: 110–114), der Codeswitching und Entlehnung mithilfe eines Bündels von sieben Kriterien unterscheidet, die jeweils auf einem Kontinuum angesiedelt sind, wobei er für bilinguale Sprecher eine Grauzone („fuzzy ground“) zwischen prototypischem Codeswitch und prototypischer Entlehnung annimmt. Die folgenden fünf Kriterien, von denen die ersten vier auf Matras basieren, sind auch für historische Sprachzustände anwendbar und bilden hier die Grundlage, um eingeschobene lateinische Wortformen als Codeswitches zu klassifizieren (siehe auch Schendl 2018: 49–50): (i) Mehrsprachigkeit des Autors. Diese kann häufig durch außersprachliche Informationen, durch die Textproduktion eines Autors oder durch weitere Belege für Codeswitching eines Autors bzw. Textes abgeleitet werden. (ii) Integration der lateinischen Wortform in die syntaktische Struktur des Altenglischen, d. h. die lateinische Wortform muss den syntaktischen Regeln des Altenglischen folgen. (iii) Geringe Frequenz und beschränkte textuelle Distribution aller lateinischen Wortformen eines Lexems im Korpus. (iv) Spezifische stilistische bzw. textuelle Funktionen von Codeswitches, im Gegensatz zu etablierten Lehnwörtern. (v) Erklärung einer lateinischen Wortform durch Synonyme oder Paraphrase. Dies wird häufig als Kriterium für den Status als Fremdwort (Funke 1914: 158– 160) bzw. als ‚nicht-altenglisch‘ (Feulner 2000: 40–41) verwendet, jedoch kritisieren Feulner (2000: 40) und Durkin (2014: 125) seine Anwendung für das OECorpus bzw. das DOE. In Verbindung mit den übrigen vier Kriterien kann es zwar die Klassifizierung als Codeswitch stützen, ist aber keineswegs ausreichend, da Erklärungen von Fachtermini auch in einsprachigen Texten vorkommen. Wie allgemein in der historischen Sprachwissenschaft sind natürlich nicht in allen Fällen die notwendigen Informationen für eindeutige Zuordnungen gegeben, doch wurde das vorrangige Ziel der Analysen, die Existenz eindeutiger Fälle für Codeswitching im altenglischen Korpus zu finden, eindeutig erreicht. Im Folgenden sollen in Ergänzung zu den Analysen in Schendl (2018) einige weitere interessante Fälle von Einzelwort-Codeswitches aus dem religiösen Wortschatz bzw. der Liturgie diskutiert werden. Von besonderem Interesse ist dabei der Fall von paradisus, anhand dessen der oben erwähnte Zusammenhang von Codeswitching, lexikalischer Innovation und Entwicklung zum Lehnwort illustriert wird, dessen empirischer Nachweis, wie erwähnt, wiederholt als Desideratum bezeichnet wurde.

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Relativ leicht fällt die Klassifizierung als Codeswitch in Fällen, in denen eine lateinische Wortform nur wenige Male oder nur in wenigen Texten syntaktisch in den altenglischen Kontext eingebettet belegt ist und andererseits ein relativ häufiges altenglisches Synonym existiert. Dies trifft zum Beispiel auf die lateinische Wortform mandatum ‚Gebot‘ zu, die nur zweimal in einem einzigen Text belegt ist, der auch weitere Codeswitches zeigt, siehe Beispiel (2). Andererseits findet sich im gesamten OECorpus sehr häufig das synonyme heimische Äquivalent bebod, sowohl in westsächsischen Texten als auch in anglischen Glossen, wo es regelmäßig das lateinische mandatum glossiert. Die beiden Wortformen erfüllen somit die Kriterien (i)–(iv) und können daher als Einzelwort-Codeswitches klassifiziert werden, obwohl sie im OECorpus nicht kursiv markiert sind.12 (2) [0034 (117)] Æfter þam gegæderedum þearfum on þæslicere stowe gan þa gebroðra oþþe þa geswysterna and heora mandatum gefremman, […] and wipian þara fet (RegC 1 (Zup), B10.5.1) ‚Nach der Versammlung der Armen an dem passenden Ort beginnen die Brüder oder Schwestern das Gebot auszuführen […] und die Füße der Armen zu reinigen‘

Weitere niederfrequente lateinische Wortformen, die aufgrund der Kriterien als Codeswitches klassifiziert werden können, sind die Formen von responsorium (3 Belege) sowie von lectio (5 Belege), die im folgenden Beispiel (3) miteinander koordiniert auftreten. Die insgesamt acht Belege dieser beiden Codeswitches sind jedoch im OECorpus wiederum nicht kursiv markiert. (3) [0152 (309)] Swa hwylc swa wile æt mæssetidum lectiones rædun oððe responsoria singan (Conf 1.1 (Spindler), B11.1.1) ‚Wer auch immer in der Messe die Lesung lesen oder die Antwort singen wird‘

Responsorium wird in zahlreichen altenglischen Glossen bzw. Übersetzungen, so auch in den Glossen zur altenglischen Benediktinerregel mit dem heimischen ræps ‚Antwort in der Messe‘ übersetzt, lectio mit ræding ‘Lesung‘. Dies zeigt, dass keine lexikalische Lücke die Verwendung der lateinischen Codeswitches erfor-

12 Alle folgenden altenglischen Zitate folgen der Schreibweise des OECorpus, ebenso die Konventionen für Titel und Stellenangabe. Die Kursivschreibungen, die im OECorpus lateinisches Material bezeichnen, sind ebenfalls von dort übernommen, auch wenn sie nicht immer der Meinung des Autors entsprechen. Die jeweils diskutierten lateinischen Codeswitches im altenglischen Kontext sind vom Autor zusätzlich fett markiert.



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derlich macht. Ähnlich wie in (3) treten auch im folgenden Glossenbeleg beide lateinischen Lexeme mit folgender altenglischer Übersetzung gemeinsam auf. (4) [0185 (11.41.2)] Post quos iterum legantur alie quattuor lectiones cum responsoriis ordine quo supra æfter þam eft beon geredde oðre feower rædinga mid repsum be endebyrdnesse swa swa we her bufon sædon. (BenRGl, C4) ‚Nach diesen werden wiederum die anderen vier Lesungen mit den Antworten in der obigen Ordnung gelesen danach werden dann die anderen vier Lesungen mit den Antworten gelesen in der Reihenfolge wie wir hier vorher sagten.‘

Komplexer und interessanter ist das folgende Beispiel paradisus, das zeigt, dass die Bildung lexikalischer Innovationen in Verbindung mit Codeswitching im altenglischen Korpus reflektiert ist, wobei diese Innovation als Vorstufe für die letztlich erfolgte Etablierung als modernes Lehnwort anzusehen ist, auch wenn nicht alle Zwischenstufen im Detail erfassbar sind. Das Altenglische hatte mit dem Kompositum neorxnawang ein etabliertes heimisches Lexem für das christliche Konzept des Paradieses.13 In der altenglischen Dichtung wird ausschließlich neorxnawang verwendet, ebenso in der Prosa bis zum Ende des 10. Jahrhunderts. Ende des 10. Jahrhunderts finden sich die ersten lateinischen Wortformen von paradisus in altenglischen Kontexten in drei etwa zeitgleichen Textgruppen, nämlich bei Ælfric (9x), Wulfstan (4x) sowie in der westsächsischen Übersetzung des Lukasevangeliums (1x).14 Nur in Ælfrics Texten findet sich dabei Variation zwischen heimischer Form und lateinischen Wortformen, wobei die folgende Textpassage aus dem Hexameron besonders gut illustriert, wie Ælfric die lateinischen Wortformen von paradisus als Codeswitch neu in altenglische Kontexte einführt.15 (5) [0110 (427)] God hi ða gebrohte binnan Paradisum, þæt we hatað on Englisc Neorxnawang […] hi wunodon þær […] and hæfdon ealles geweald […] buton anes treowes […] Wæs eac oðer treow on ælemiddan Paradisum, lignum uite gehaten, þæt is lifes treow […]. God þa het his engla werod healdan þa gatu æt þam ingange into Paradisum, and þam englum bebead: Behealdað þæt Adam ne ete of þam treowe þe is lignum uite […] And he […] awende þæt swurd of ðam wæge mid ealle þæt we inn moton gaan to ðam upplican Paradise, to ðam lifes treowe, þæt is se leofa Hælend (ÆHex, B1.5.13)

13 Aus heutiger Sicht ist das Kompositum semantisch nur teilweise transparent: im Gegensatz zu wang ‚Ort, Platz‘ ist die Bedeutung des ersten Bestandteils unbekannt. 14 Die genaue Datierung dieser Werke innerhalb des letzten Jahrzehnts des 10. Jahrhunderts ist kontrovers, sodass eine eindeutige Festlegung des Erstbelegs schwierig ist. 15 Das Hexameron, eine Homilie zur Genesis, wird ebenso wie Ælfrics Übersetzung der Genesis meist zwischen 992 und 998 datiert (Cubitt 2009: 166).

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‚Dann brachte sie Gott in das Paradies, das wir in Englisch Neorxnawang nennen […] sie lebten dort […] und hatten Gewalt über alles […] ausgenommen über einen Baum […] Dieser Baum stand in der Mitte des Paradieses, und wurde lignum uite genannt, das heißt Baum des Lebens […]. Dann befahl Gott seinen Engeln, das Tor zum Eingang des Paradieses zu bewachen, und er sagte den Engeln: Achtet darauf, dass Adam nicht von dem Baum isst, der lignum uite ist […] Und er […] entfernte das Schwert aus dem Weg sodass wir in das himmlische Paradies eingehen können, zu dem Baum des Lebens, das ist der geliebte Heiland‘

Dem Erstbeleg der lateinischen Wortform paradisum im Text (und möglicherweise im Altenglischen) folgt die altenglische Erklärung þæt we hatað on Englisc Neorxnawang ‚das wir in Englisch Neorxnawang nennen‘. Kurz danach folgen zwei weitere Belege von paradisum, wobei alle drei lateinischen Wortformen syntaktisch im altenglischen Kontext integriert sind und in dieser frühen Epoche als Einzelwort-Codeswitches klassifiziert werden können, da sie Kriterien (i)–(iii) und (v), eventuell auch (iv) erfüllen. In derselben Textpassage finden sich mit der Phrase lignum uite noch zwei weitere Belege für lateinische Codeswitches, deren erstes Vorkommen mit þæt is lifes treow ‚das heißt Baum des Lebens‘ ebenfalls erklärt wird. Im letzten Satz von Beispiel (5), etwa fünfzehn Zeilen nach Beginn der Passage, führt Ælfric die morphologisch integrierte altenglische Form paradise ein, das erste Vorkommen dieser Wortform im OECorpus (to ðam upplican Paradise, to ðam lifes treowe). Diese integrierte Form ist als stilistisch begründete lexikalische Innovation anzusehen, mit der Ælfric, ein hervorragender Stilist, den Parallelismus zwischen den gepaarten lateinischen Codeswitches paradisum und lignum uite mit den folgenden zwei altenglischen Formen paradise und lifes treowe wieder aufnimmt. Insgesamt überwiegt bei Ælfric jedoch die heimische Form neorxnawang mit 32:9 Belegen deutlich über die lateinische, wobei nur drei von acht Texten, in denen auf das christliche Paradies referiert wird, eingeschobene lateinische Wortformen von paradisus verwenden.16 Die weitere Entwicklung der lexikalischen Varianten kann hier nur kurz angesprochen werden. Die Innovation paradis(e) breitete sich im späteren 11. Jahrhundert nur langsam aus und wurde neben der heimischen Form und verschiedenen lateinischen Wortformen verwendet, deren genauer Status nicht sicher bestimmbar ist. Im gesamten OECorpus überwiegt jedoch neorxnawang mit etwa 180 Belegen deutlich vor lateinischen Wortformen (30 Belege) und vor morphologisch altenglischen Wortformen von paradis- (11 Belege). Die schnelle

16 Der unedierte Text De Creatore et creatura, der eng dem Hexameron folgt, wird hier nicht mitgezählt.



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Durchsetzung von paradis(e) im Frühmittelenglischen ist wohl auf die Stützung durch die französische Form zurückzuführen, doch ist das völlige Fehlen von mittelenglischen Folgeformen von neorxnawang überraschend. Ælfrics Strategie nach der mehrmaligen Verwendung eines lateinischen Codeswitch eine darauf basierende lexikalische Innovation zu bilden findet sich ähnlich auch in Byrhtferths Enchiridion (c. 1010-1012), einem wissenschaftlichen Text mit zahlreichen Codeswitches in Form von Einzelwörtern, Phrasen, Sätzen und Textpassagen. Wie in Schendl (2018: 54) ausgeführt, werden lateinische Wortformen des lateinischen Fachterminus punctus ‚Viertelstunde‘ viermal syntaktisch in den lateinischen Text integriert, wobei dem ersten Beleg unmittelbar die altenglische Erklärung mit dem synonymen heimischen Terminus prican folgt; diese heimische Form wird im Text insgesamt häufiger verwendet als die lateinischen Wortformen (26:4). Da die lateinischen Wortformen von punctus ebenso wie die Formen von paradisus bei Ælfric den oben angeführten Kriterien entsprechen, wurden sie als Codeswitches klassifiziert. (6) [0729 (2.3.17)] Se dæg […] hæfð syx and hundnigontig punctos. Feower puncti (þæt synt prican) wyrcað ane tid on þære sunnan ryne (ByrM 1, Baker/Lapidge, B20.20.1) ‚Der Tag […] hat 96 Punkte. Vier Punkte (das sind Punkte) machen eine Stunde im Lauf der Sonne‘

Wenige Seiten nach dem Vorkommen des lateinischen Akkusativ Plurals punctos führt Byrhtferth jedoch einmal die morphologisch integrierte altenglische Form des Akkusativ Plurals punctas ein, die – wie Ælfrics paradise – als lexikalische Innovation anzusehen ist. Weder die lateinischen Wortformen noch die lexikalische Innovation setzten sich jedoch im Altenglischen durch, eventuell wegen der starken Position des heimischen prica. Die bei paradisus und punctus von den beiden Autoren angewandten multilingualen Strategien (Codeswitching und lexikalische Innovation) führten jedoch in diachroner Perspektive zu unterschiedlichen Ergebnissen, obwohl in beiden Fällen ein häufig belegtes heimisches Synonym existierte. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Undurchsichtigkeit von neorxnawang und die Unterstützung durch das französische paradise gemeinsam den Ausschlag dafür gaben, dass paradise seit dem Mittelenglischen als Lehnwort im englischen Wortschatz verankert ist, während punct marginal blieb und schließlich verschwand.17

17 Allerdings im Fall von paradise nach längerer Rivalität mit dem anglo-normanischen parais. Punct ist laut OED von ca 1398 bis 1601 einige Male als astronomischer Fachterminus (‚Viertel-

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Die in diesem Kapitel besprochenen lateinischen Wortformen in altenglischen Kontexten konnten als eindeutige Fälle von Codeswitching klassifiziert werden. Dies ist nicht nur für die historische Codeswitching-Forschung von Bedeutung, sondern auch für die altenglische Lexikologie und Lexikographie, die bisher dem Codeswitching keine Bedeutung zugemessen hat und dadurch vielfach unbefriedigende Zuordnungen einzelner lateinischer Wortformen im Altenglischen vorgenommen hat (Schendl 2018: 51–55).

5 Schlussbemerkungen Das in den letzten Jahrzehnten stark gestiegene Interesse an historischer europäischer Mehrsprachigkeit führte auch zunehmend zu Untersuchungen von gemischtsprachigen historischen Texten, die heute weitgehend als schriftliche Ausprägungen von Codeswitching interpretiert werden. In einer wachsenden Zahl philologischer Disziplinen hat sich das Studium des historischen Codeswitchings inzwischen als Teildisziplin der historischen Sprachwissenschaft gut etabliert. Damit verbunden wurden auch zunehmend Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen modernem und historischem Codeswitching thematisiert, wobei bisher vor allem die historische Codeswitching-Forschung offen gegenüber den Erkenntnissen der modernen Codeswitching-Forschung ist, während letztere leider noch zu wenig Notiz von den Erkenntnissen der historischen Forschung nimmt. Im empirischen Teil dieses Beitrags wurde gezeigt, wie auf der Basis des OECorpus und unter Berücksichtigung bestimmter Kriterien einzelne lateinische Wortformen in altenglischen Kontexten als Codeswitches klassifiziert werden können. Diese Einsichten sollten auch für die altenglische Lexikologie und Lexikographie von Bedeutung sein, die bisher das Phänomen Einzelwort-Codeswitch weitgehend vernachlässigt haben. Ebenso dürfte das von Interesse für die altgermanistische Forschung sein.

stunde; Augenblick‘) belegt, ohne sich durchzusetzen.



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Arend Mihm

Codeswitching in der deutschen Sprachgeschichte: Erscheinungsformen und Erkenntniswert 1 S  prachkontakte in der vormodernen Gesellschaft Der wechselnde Gebrauch von Elementen verschiedener Sprachen innerhalb ein und desselben Textes, der in der neueren Forschung als Codeswitching, abgekürzt als CS, bezeichnet wird,1 stellt ein linguistisch außerordentlich aufschlussreiches Phänomen dar, dessen systematische Erforschung bereits jetzt den Erkenntnishorizont der internationalen Linguistik in verschiedenen Bereichen erheblich erweitert hat. Gleichzeitig wurde deutlich, dass CS eine Sprachen und Kulturen übergreifende Erscheinung darstellt, die überall auftritt, wo verschiedene Sprachen aufeinanderstoßen, so dass es in ähnlicher Weise wie die menschliche Befähigung zur Mehrsprachigkeit als linguistische Universalie gelten kann (Jacobson 1998: 56-61). Dabei stellt der abwechselnde Gebrauch verschiedener Sprachen nicht nur ein Mittel zur Verständnissicherung bei partiellen Fremdsprachenkenntnissen dar, sondern erfüllt auch bei perfekter Zweisprachigkeit wichtige pragmalinguistische Funktionen, die die Bedeutung einer Äußerung modifizieren oder den Interaktionsverlauf steuern können (Gardner-Chloros 2009b; Myers-Scotton 1993). Darüber hinaus können jene Regelmäßigkeiten, die die Grammatiken der Einzelsprachen übergreifen, Aufschlüsse über die Architektur der menschlichen Mehrsprachigkeit geben und damit auch über die psycholinguistischen und kognitiven Grundlagen der menschlichen Sprachfähigkeit (Franceschini 2004). Bei all diesen Forschungen besteht gegenwärtig noch ein erheblicher Nachholbedarf, da das CS schon seit der frühen Neuzeit von Sprachpflegern und Grammatikern

1 Einen Überblick über Forschungsstand und die Literatur bieten: Bullock & Toribio (2009), Gardner-Chloros (2009a), MacSwan (2014) Muysken (2000), Myers-Scotton (2008). Der Begriff CS wird im Folgenden in einer weiten Bedeutung verwendet und bei Bedarf spezifiziert. Zu seinen Differenzierungen und Abgrenzungen: Ganslmayer (2016: 77–90), Glaser (2016: 37–39), Prinz (2019, 484–485), Schendl & Wright (2011: 1–4). Arend Mihm: Germanistik, Universität Duisburg-Essen, Tel.: 0203 379 2411, E-Mail: arend. [email protected]. https://doi.org/10.1515/9783110752793-003

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 Arend Mihm

als ‚Sprachmengerei‘ bekämpft wurde und daher weder seine Ursachen noch seine Erscheinungsformen als untersuchenswert erschienen. Da CS-Prozesse überall dort auftreten, wo gesellschaftliche Mehrsprachigkeit besteht, haben sie auch in der Sprachgeschichte eine bedeutende Rolle gespielt.2 Sie stellen daher für die sprachhistorische Forschung eine in mehrfacher Hinsicht wertvolle Quelle dar, insbesondere weil von ihnen ein entscheidender Einfluss auf den Sprachwandel ausgehen kann. Denn von der ad-hoc-Übernahme fremdsprachlicher Ausdrücke entstehen teilweise fließende Übergänge zur Entlehnung (borrowing), die dann unter bestimmten Umständen bis zu Mischsprachen (fused lects) führen. Sie können sogar bis zum radikalsten aller kontaktbedingten Sprachwandlungsprozesse, nämlich zum vollständigen Übergang zur Zweitsprache führen, der in der Kontaktlinguistik als language shift bezeichnet wird.3 Darüber hinaus stellen die CS-Erscheinungen eine wertvolle Erkenntnisquelle für die gesellschaftlichen Kommunikationsverhältnisse dar, da sie Aufschlüsse über pragmalinguistische Funktionen geben können, die sie für die interpersonale Verständigung erfüllten. Nicht zuletzt aber sind sie auch ein Indikator für die kultur- und gesellschaftsgeschichtlichen Verhältnisse, da sie enge Sprachkontakte bezeugen und damit Aufschlüsse über die damaligen Diffusionswege von kulturellen Innovationen geben. Als Grundlage für die Erforschung dieser Zusammenhänge hat man von der historischen Mehrsprachigkeit auszugehen, die in Mitteleuropa eine wesentlich bedeutendere Rolle gespielt hat, als allgemein angenommen wird. Sie bildete schon in vorliterarischer Zeit ein konstitutives Element für den Austausch zwischen den verschiedenen Ethnien, was durch die Quellen der Siedlungs- und Namenkunde reichlich bezeugt wird.4 Mit dem Einsetzen der lateinischen Schriftlichkeit, die seit der Völkerwanderungszeit die kulturelle Dachsprache über der Germania bildete, wird bereits ein volkssprachig-lateinisches CS sichtbar, das

2 In der Germanistik hat vor allem das CS mit dem Lateinischen eine intensive Untersuchung erfahren, wozu umfangreiche Einzelstudien vorliegen: Bergmann (2003), Glaser (2013, 2016), McLelland (2004), Prinz (2010), Schmid (2017), Stolt (1964), Stricker (2003), vgl. auch die Beiträge im vorliegenden Band von Schwab, Wich-Reif, Ganslmayer, Prinz und Kriisa. Beispiele für das CS mit kontemporären Volkssprachen bieten etwa Kämmerer (2006), Lüdi (1985, 1998) und Schludermann (1996). Systematisch wurde es bereits in der englischen Sprachwissenschaft erforscht, was durch die frühe französisch-englische Zweisprachigkeit der mittelalterlichen Oberschichten begünstigt wurde, dazu etwa Schendl (2000, 2002), Schendl & Wright (2011), Wright (2011). 3 Über die verschiedenen durch CS und Sprachkontakt ausgelösten Sprachwandlungsprozesse vgl. Auer (1999, 2014), van Coetsem (2000), Gal (1996), Riehl (2014), Thomason (2001), Winford (2008). 4 Dazu Braunmüller & Ferraresi (2003), Hüning, Vogl & Moliner (2012), Rutten (2017).



Codeswitching in der deutschen Sprachgeschichte 

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sich dann bis in die Neuzeit fortsetzt und zusammen mit anderen lateinischen Kontakterscheinungen ein eigenes Forschungsgebiet darstellt. Bald nach dem Aufkommen der volkssprachigen Schriftlichkeit werden dann schrittweise die Kontakte zu einzelnen Nachbarsprachen sichtbar und damit auch ein zweiter Typ von CS-Prozessen. Er beruht darauf, dass das damalige Sprachgebiet, das hier als Festlandsgermania bezeichnet wird,5 aufgrund seiner zentralen Lage schon um die Jahrtausendwende von mindestens 13 Nachbarsprachen umgeben war, zu denen im Norden das Dänische und das Englische gehörten, im Osten und Südosten das Polabische, Polnische, Sorbische, Tschechische, Slowakische, Ungarische und Slowenische, im Süden und Westen das Ladinische, Italienische, Provenzalische und Französische (Abb. 1). Mit ihnen bestanden

Abb. 1: Nachbarsprachen der Festlandsgermania um 1000 n. Chr.6

5 Der Terminus Festlandsgermania wird hier für die kontinentalwestgermanische Sprachregion des Mittelalters verwendet, aus der heute die deutsche, die luxemburgische und die niederländische Standardsprache hervorgegangen sind. 6 Kartographie der Abbildung: Harald Krähe, Entwurf vom Beitragsautor, der auch die folgenden Abbildungen, sofern sie nicht frei zugänglich sind, verantwortet.

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 Arend Mihm

jeweils enge Austauschbeziehungen, da es damals noch keine Sprachgrenzen im heutigen Sinne gab, sondern breite Übergangszonen, in denen die unterschiedlichen Ethnien häufig in friedlicher Symbiose nebeneinander siedelten, wobei die Mehrsprachigkeit den wirtschaftlichen und kulturellen Transfer gewährleistete. Nicht selten ging dabei die Zweisprachigkeit so weit, dass sie zu einer Destabilisierung der Erstsprache führte, die dann in einem Prozess des Sprachshifts den vollständigen Übergang ganzer Siedlungen zur Zweitsprache auslöste. So wechselten etwa in den romanischen Kontaktzonen des Sprachgebiets zahlreiche Dörfer zum Französischen oder Italienischen und noch häufiger gingen im östlichen Kolonialland ursprünglich slawische Siedlungen zum Deutschen über, was jeweils eine umfangreiche Phase des CS voraussetzt. Zusätzlich zu den Kontakten zu den Nachbarsprachen und zur lateinischen Dachsprache bestand damals ein dritter Typ von Mehrsprachigkeit, der vor allem bei Fernkaufleuten verbreitet war. Denn sie mussten sich oft jahrelang an auswärtigen Orten aufhalten, die im Norden von Skandinavien bis Russland reichten, im Süden von Portugal bis in den Orient.7 Ein vierter Typ war schließlich bei den fremdsprachlichen Minderheiten in Gebrauch, die schon damals innerhalb der Festlandsgermania lebten und ihre angestammte Sprache neben der des Gastlandes beibehielten. Bei all diesen Typen von Zweisprachigkeit ist mit entsprechenden CS-Prozessen zu rechnen, wobei man je nach der Kommunikationsdichte von einer ähnlichen Häufigkeit wie in der Gegenwart ausgehen kann. Angesichts dieser weiten Verbreitung, die man für das historische CS anzunehmen hat, erscheint der Umfang der direkten Belege, der in der schriftlichen Überlieferung sichtbar wird, als äußerst gering, so dass diese Disparität eine Erklärung verlangt. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass auch in der gegenwartsbezogenen CS-Forschung deutliche Unterschiede zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit bestehen, die sich neben der Häufigkeit der Belege auch auf ihre grammatische Form und ihre pragmalinguistischen Funktionen beziehen.8 Diese prinzipiellen Unterschiede und ihre möglichen Ursachen lassen sich an der folgenden Graphik veranschaulichen (Abb. 2). Dabei wird das Verhältnis von schriftlichem und mündlichem CS durch zwei sich überschneidende Kreise modelliert, von denen der blaue den schriftlichen und damit für das historische CS allein zugänglichen Bereich kennzeichnet, während der gelbe den

7 Dazu Mihm (2016: 32–34; 2019) und die dort verwendeten Abbildungen. 8 Für das CS in geschriebenen Sprachen der Gegenwart liegen im Unterschied zur gesprochenen Sprache nur wenige Untersuchungen vor, wie etwa McClure (1998), Montes-Alcalá (2000), Sebba (2000), Sebba, Mahootian & Jonsson (2012). Zum gegenwärtigen Forschungsstand auf diesem Gebiet vgl. Schendl in diesem Band, Kap. 3.2.



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dahinter stehenden wesentlich größeren Bereich der mündlichen CS-Praktiken repräsentiert, die immer nur partiell eine Entsprechung in der Schriftlichkeit finden konnten. Die Gründe dafür werden rechts und links in Stichworten erläutert. 1.) Während mündliches CS meist in einer face-to-face-Situation auftritt, findet schriftliches CS in Abwesenheit des Adressaten statt. 2.) Durch die Anwesenheit des Adressaten entsteht in der Mündlichkeit ein Kommunikationsdruck, der schnelle Entscheidungen verlangt, während in der geschriebenen Sprache Zeit zur Reflexion bleibt. 3.) Das ermöglicht es dem Schreiber, die Sprachenwahl in Hinblick auf den Wirkungseffekt zu treffen. 4.) Schriftliches CS setzt beim Autor wie beim Leser die Beherrschung von mindestens zwei graphematischen Systemen voraus, was einen höheren Bildungsgrad bei beiden Interaktionspartnern verlangt. 5.) In der Schriftlichkeit ergeben sich zusätzliche Möglichkeiten zur literarischen Überformung von CS-Effekten,9 während mündliches CS sich hauptsächlich auf die Augenblickskommunikation beschränkt.

Schriftliches CS

Mündliches CS

1. Adressat abwesend 2. Reflexionsmöglichkeit

1. Adressat anwesend 2. Kommunikationsdruck

3. arrangierbar 4. Zweischriftigkeit 5. literarisch überformbar

CS in der Schriftlichkeit

CS in der Mündlichkeit

3. spontan 4. schriftunabhängig 5. alltagsgebunden

Abb. 2: Generelle Differenzen zwischen schriftlichem und mündlichem CS

Neben diesen grundsätzlichen Unterschieden hat man beim historischen CS auch zu berücksichtigen, dass im Mittelalter die über das Lateinische hinausgehenden Sprachkenntnisse meist wenig Ansehen genossen und damit einen ähnlichen Status besaßen wie heute die Sprachkenntnisse bestimmter Einwanderergruppen (Putzo 2011; Moos 2008). Auch deshalb gelangte nur ein schmaler Ausschnitt der historischen CS-Erscheinungen in die Schriftlichkeit, der durchaus nicht als

9 Dazu zählen vor allem das Stilmittel der Barbarolexis und die makkaronische Poesie, die in Abschnitt 5 behandelt werden.

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 Arend Mihm

Spiegelbild der tatsächlichen Verhältnisse gelten kann. Das zeigt sich bereits an der ungleichen Verteilung der überlieferten CS-Belege auf die verschiedenen Zweitsprachen. Denn da in einigen Fällen Tausende von Belegen vorliegen, in anderen gar keine, müssen die damaligen Schreiber deutliche Prioritäten gesetzt haben. Die Schriftlichkeit ist daher als eine Selektionsinstanz zu verstehen, die bestimmte CS-Erscheinungen bevorzugte, so dass sich für die historische CS-Forschung die zusätzliche Aufgabe ergibt, die Kriterien dieser Selektion soweit wie möglich zu erfassen und für die Untersuchung fruchtbar zu machen. Die Aufgaben der historischen CS-Forschung erweisen sich damit als ein außerordentlich weites Erkenntnisfeld, so dass in dieser Pilotstudie nur Teilaspekte in den Blick genommen werden können. Dabei erscheint es als vordringlich, zunächst einen Überblick über die Belege aus den verschiedenen Bereichen der Mehrsprachigkeit zu gewinnen, soweit sie in den bisher veröffentlichten Quellen zugänglich sind. Vor diesem Hintergrund erschien es auch als sinnvoll, das CS mit dem Lateinischen zunächst nicht in die Betrachtung einzubeziehen, da es aufgrund seiner herausgehobenen Position und seiner langfristigen Verwendung ein komplexes eigenes Untersuchungsfeld darstellt. Es hat daher auch die bisher intensivste Bearbeitung gefunden, deren Ergebnisse hier dankbar verwendet werden, aber keine Erweiterung erfahren. Auch hinsichtlich der übrigen Zweitsprachen war eine Beschränkung auf wenige Hauptaspekte notwendig, so dass wichtige Probleme, die in der gegenwartsbezogenen CS-Forschung untersucht und diskutiert werden, nicht zur Sprache kommen. Bei der dadurch möglichen Konzentration auf wenige Hauptaspekte stehen vor allem die folgenden drei Fragestellungen im Vordergrund: 1) Welche pragmalinguistischen Funktionen erfüllte das historische CS für die damaligen Sprachbenutzer? 2) In welcher Weise und in welchem Umfang hat das historische CS den Sprachwandel und die langfristige Sprachentwicklung beeinflusst? 3) Inwieweit können die CS-Belege Aufschluss über die damaligen Sprachbewertungssysteme und Kommunikationsverhältnisse geben? Für den Untersuchungsgang dieser Studie erschien es sinnvoll, nach den bereits skizzierten Haupttypen der historischen Zweisprachigkeit vorzugehen, so dass nacheinander die Mehrsprachigkeit von sprachlichen Minderheiten, von Fernkaufleuten, von Grenznachbarn und von Literaten in den Blick genommen wird.



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2 Sprachliche Minderheiten Fremdsprachige Kaufleute und Gewerbetreibende haben sich schon früh in städtischen Zentren der Festlandsgermania angesiedelt, insbesondere in Köln, Regensburg und Mainz, wo sie teilweise in eigenen Wohngebieten zusammenlebten.10 Über ihren Sprachgebrauch ist allerdings nur ausnahmsweise etwas bekannt, da das Lateinische meist auch für sie einzige Schriftsprache war. Umso wertvoller sind daher die Sprachzeugnisse der jüdischen Minderheit, die ja seit alters literalisiert war und auch in den mittelalterlichen Städten die angestammte hebräische Schriftlichkeit beibehalten hatte.11 Diese Schrift wurde von der jüdischen Minderheit aber auch zur Aufzeichnung deutscher Texte benutzt, was nicht nur die Kenntnisse der Gastsprache bezeugt, sondern auch frühe Belege für deutsch-hebräisches CS liefert. Ein Beispiel dafür, das Erika Timm (2010: 17–21) ‫ אינד׳ בריכא אין בלט דט מיך זי‬/ ‫ דט איך גא אין אורין הוף‬/ ‫ויר הולדא גיט מיך אורלוף‬

Ver Holde, get mich orlof, / dat ich ga in uren hof / ind breche en blat, dat mich si got. /

Frau Holle, gebt mir Erlaubnis, dass ich in euren Hof gehe und ein Blatt breche, das für mich gut sei.

/ ‫ איר שלוגיט אורין ודיר אינד׳ אורין מודיר מיט בלודגן הנדן‬/ ‫ ״ויקצוץ הרצא בלט״‬/ ‫גוט‬ wajji kzoz herzeblat / ir sloget uren vader ind uren moder mit blodigen handen; /

Jetzt pflücke man ein Herzblatt. Ihr schluget euren Vater und eure Mutter mit blutigen Händen.

‫ אזא מושא‬/ ‫ אלר בוזא דינגש זי ור גשן‬/ ‫ דינגן זיך ויר משין‬/ ‫גינדר צו גרינגא דינקא לודא זשן‬

ginder zu geringe dinklude sasen, / dingen sich vermasen, / aller boses dinges si vergasen. Drüben saßen aber zu geringe Richter und vermaßen sich, Recht zu sprechen. Doch alles böse Urteil vergaßen sie.

‫ ון גודיש נמין אמן‬/ ‫ די מיך ארך וילן דון‬/ ‫אלא די דון‬

aso muse ale di don, / di mich arch velen don. / van godes namen amen.

Mögen ebenso alle die tun müssen, die mir Böses wollen. In Gottes Namen amen.

‫אוריאל המלאך יהא בﬠזרי ג פﬠמים‬

Uriel hamalach jehe beesri – gimel peamim.

Uriel der Erzengel möge mir helfen – dreimal sprechen.

Abb. 3: Ripuarisch-hebräisches Codeswitching in einem Zauberspruch um 1300

10 Zu den historischen Migrationsbewegungen vgl. Glück (2002: 146–158). Im mittelalterlichen Köln haben besondere Wohngebiete für Engländer, Franzosen, Italiener und Juden bestanden (Mihm 2016: 24–28), für Nürnberg sind neben Italienern und Juden auch Polen, Ungarn und Tschechen nachgewiesen (Mihm 2019). 11 Die Kölner Judengemeinde, die bereits für das 1. Jh. n. Chr. bezeugt ist, umfasste vor dem Pogrom 1349 etwa 900 Mitglieder (Schmandt 2002: 9–49).

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 Arend Mihm

vor kurzem veröffentlicht hat,12 wurde um 1300 in Köln auf der freien Seite eines Talmud-Wörterbuchs eingetragen, das man als „Kleinen Aruch“ bezeichnet. Dabei handelt es sich um einen ripuarischen Zauberspruch, der innerhalb der Judengemeinde Verwendung fand und bei dessen Wiedergabe mehrfach zwischen der Stadtsprache Kölns und dem Hebräischen gewechselt wird. Da im hebräischen Text der Sprachwechsel äußerlich nicht zu erkennen ist, wurde er hier durch Einrahmungen hervorgehoben. Die Transkription macht deutlich, dass es sich um einen Zauber handelt, der offensichtlich vor gerichtlichen Verurteilungen schützen sollte und der innerhalb der Judengemeinde Interesse gefunden hat. Im Text lassen sich mehrere Arten von CS unterscheiden, wobei es sich im ersten Fall („wajji kzoz…“ ‚Jetzt pflücke man…‘) um eine hebräische Regieanweisung an den Ausführenden des Zaubers handelt. Der unmittelbar folgende Wechsel zum ripuarischen Objektnomen „herzeblat“ könnte darauf zurückgehen, dass dem Schreiber der hebräische Name dieser Zauberpflanze nicht geläufig war.13 Der Übergang zum Hebräischen in der Schlusszeile lässt sich im ersten Teil im Sinne des Zitierens als Hervorhebung einer bekannten Gebetsformel erklären, im zweiten Teil als erneute Regieanweisung.14 In allen Fällen erfüllt das CS also pragmalinguistische Funktionen, die auch in den Gegenwartssprachen zu beobachten sind. Sie lassen eine vollständige Beherrschung des Ripuarischen in der Kölner Judengemeinde erkennen, die auch durch andere Zeugnisse bestätigt wird, insbesondere durch das neu aufgefundene ripuarische Epenfragment, das in hebräischen Lettern aufgezeichnet wurde (Timm 2013). Auch wenn die Sprachverhältnisse in den damaligen Judengemeinden nur mit Vorsicht zu verallgemeinern sind, kann man mit guten Gründen auch bei den italienischen, französischen, slawischen und englischen Minderheitssiedlungen mit einer dauerhaften Zweisprachigkeit rechnen, da einerseits ein alltäglicher Kontakt zu den Einheimischen bestand, andererseits die Verbindungen zu den Herkunftsländern oft über Generationen fortbestanden haben, was durch zahlreiche Nachrichten belegt wird. Unter diesen Voraussetzungen ist innerhalb dieser Minderheitsgruppen mit einer vielfältigen Verbreitung von CS-Prozessen

12 Für ihre sachkundigen Erläuterungen zu diesem Text bin ich meiner Kollegin Erika Timm sehr dankbar. Von ihr stammt neben der Lesung und Transkription auch die Übersetzung ins Neuhochdeutsche. Für die Übersetzungen der im Folgenden gegebenen Beispieltexte ist, sofern nichts anderes ausgewiesen, der Beitragsautor verantwortlich. 13 Damit ist offenbar das heutige Hexenkraut gemeint, botanisch Circaea lutetina (Timm 2010: 19). 14 Dieser pragmalinguistische CS-Gebrauch ist auch in der deutsch-lateinischen Zweisprachigkeit mehrfach belegt, etwa im niederdeutschen Taufgelöbnis des 9. Jahrhunderts oder im Bamberger Blutsegen (Braune 1994: 39, 90).

Codeswitching in der deutschen Sprachgeschichte 

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zu rechnen, die auch zu Entlehnungen aus den jeweiligen Stadtsprachen in die Minderheitssprachen geführt haben werden. Ein umgekehrter Einfluss auf die Sprache der einheimischen Bevölkerung ist dagegen weniger wahrscheinlich und dürfte auf Ausnahmen beschränkt geblieben sein.

3 Einheimische in fremden Ländern Unter der einheimischen Bevölkerung waren Fremdsprachkenntnisse vor allem bei den Berufsgruppen mit einer großräumigen Orientierung verbreitet, wozu neben Diplomaten und Militärs vor allem die Kaufleute zu rechnen sind, so dass bei ihnen auch das CS eine verbreitete Erscheinung gewesen sein muss.15 Das gilt insbesondere für jene Fernkaufleute, die sich Jahre lang in den Handelsniederlassungen außerhalb des Sprachgebiets aufhielten und dort mit ihren Geschäftspartnern erfolgreich verhandeln mussten. Da sich dieses CS jedoch hauptsächlich in der Mündlichkeit vollzogen hat, sind davon nur wenige Spuren in der Schriftlichkeit zu erkennen.

Ravensburg Milano

Zaragoza

Abb. 4: Niederlassungen der süddeutschen Handelsgesellschaften im Spätmittelalter (Kartenausschnitt aus Zorn 1955, Karte 29)

15 Ähnliches galt auch für Könige und Fürsten, bei denen Mehrsprachigkeit schon seit alters zum Herrscherideal gehörte (Mihm 2010: 16–18).

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 Arend Mihm

Eine große Ausnahme bietet jedoch die teilweise erhaltene Korrespondenz der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft, die von 1380 bis 1530 hauptsächlich im Mittelmeerhandel tätig war und dort ein dichtes Netz von Niederlassungen unterhielt, von denen die hier behandelten in Abb. 4 in größerer Schrift eingetragen sind. Die Kommunikation zwischen den Filialen und der Ravensburger Muttergesellschaft wurde dabei über ein firmeninternes Korrespondenzsystem geregelt, aus dessen überlieferten Beständen sich ein Bild vom Leben und Sprachverhalten der im Ausland tätigen deutschen Kaufleute gewinnen lässt (Schulte 1923). Die Beherrschung der jeweiligen Fremdsprachen wurde auch bei den Kaufmannsgehilfen als selbstverständlich angesehen, was zunächst als erstaunlich gelten muss, da im damaligen Schulunterricht Fremdsprachkenntnisse abgesehen vom Lateinischen nicht vermittelt wurden. Die notwendigen Fähigkeiten konnten daher nur nach der direkten Methode im Umgang mit Muttersprachlern erworben werden, wozu sich bei den Fernkaufleuten ein Verfahren bewährt hatte, bei dem man die Kinder und Lehrlinge schon früh zu auswärtigen Geschäftspartnern in die Lehre gab, wo sie sich neben den kaufmännischen Fähigkeiten auch die Landessprache aneigneten.16 In der Geschäftskorrespondenz der Ravensburger Handelsgesellschaft ist vor allem der Sprachgebrauch in jenen Briefen von Interesse, die aus den auswärtigen Niederlassungen an die Ravensburger Zentrale gerichtet wurden. Unter ihnen erweisen sich in Hinblick auf das CS einige Warenbestellungen aus Saragossa als besonders aufschlussreich,17 die der dortige Filialleiter 1479 aufgegeben hat und die zugleich die frühesten Belege einer deutsch-katalanischen Sprachmischung bieten (Schulte 1923, III: 115–119).

Item lyeben heren, diss guott machan uns bestellen von guottan maystarn. […] Ihr lieben Herren, diese Waren lasst für uns besorgen von guten Meistern. […] 1.) Item me 10 masos mit wiss faden fur guanters und das von la mas prima sort sig. […] Weiter 10 Bündel weißen Faden für Handschuhmacher, und dass es von der besten Sorte sei. […]

16 Das ist etwa für den Handel mit England, Frankreich, Italien, Russland und Spanien mehrfach belegt (Mihm 2001: 259–261). Die historischen Verfahren des Fremdsprachenerwerbs sind neuerdings ausführlich behandelt bei Glück (2002); Häberlein & Kuhn (2010); Glück, Häberlein & Schröder (2013). 17 Sie stammen von dem Kaufmann Hans Wigermann, der dieses CS besonders häufig in seine Briefe einfließen lässt. Er war von 1474 bis 1512 in der Firma tätig und zugleich Teilhaber der Gesellschaft (Schulte 1923, I: 205f.). Bei den übrigen 20 im Mittelmeerhandel tätigen Angestellten, die durch die Korrespondenz belegt werden, tritt das CS in unterschiedlichen Graden und in verschiedenen pragmalinguistischen Funktionen auf.



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2.) Item me dos crucefigssos magores soltan costan 12 ß la dotzena. […] Weiterhin zwei große Kruzifixe, sollten kosten 12 Schilling das Dutzend. […] 3.) Si konent nit den fast tuir sin al temps de la fruiten. Sie können nicht anders als sehr teuer sein zur Obstzeit.

Die CS-Formen, die in diesen Beispielen sichtbar werden, sind im Wesentlichen dadurch geprägt, dass nominale katalanische Ausdrücke, die hauptsächlich Verkaufsartikel, Maßangaben und Qualitätsbezeichnungen betreffen, in die Matrixsprache18 des Bodensee-Alemannischen eingefügt sind. Dies spiegelt offensichtlich eine Sprachmischung wider, die sich im mündlichen Verkehr unter den Filialmitarbeitern herausgebildet hatte und in der bereits erste Anzeichen einer Konventionalisierung zu erkennen sind. Denn ein beträchtlicher Teil der katalanischen Inserte wird auch in anderen Briefen verwendet und zudem sind bereits erste Anzeichen einer morphologischen Integration festzustellen. So ist etwa im Textbeispiel 3.) bei dem katalanischen Ausdruck für die Obstzeit al temps de la fruiten bereits die deutsche Flexionsendung -en verwendet, während es im Katalanischen al temps de la fruita heißen müsste (Kremer 2010: 193f.). Bemerkenswert erscheint aber auch, dass diese unter den Mitarbeitern der Auslandsfiliale offenbar gebräuchliche Sprachmischung auch in der Ravensburger Zentrale verstanden worden sein muss. Denn das setzt voraus, dass die dortigen Empfänger ebenfalls über vergleichbare Sprachkenntnisse verfügten, so dass man zumindest einen firmeninternen Sprachgebrauch anzunehmen hat, der sich möglicherweise durch die periodische Rotation der Angestellten erklären ließe. Es kommt aber durchaus auch die weitergehende Erklärung in Frage, nach der sich damals unter den deutschen Kaufleuten des Mittelmeerhandels bereits eine Mischvarietät im Sinne eines fused lect herausgebildet hatte (Schulte 1923, I: 355– 358). In ihr könnten die romanischen Elemente der vier Herkunftssprachen Italienisch, Spanisch, Katalanisch und Provenzalisch, die ja weitgehende Ähnlichkeiten untereinander aufwiesen (Krieger 1933: 63–70), zusammengeflossen sein, was angesichts der beobachteten CS-Konventionalisierung nicht unwahrscheinlich erscheint. Auch unter diesem Aspekt verdiente die umfangreiche Ravensburger Korrespondenz eine intensivere Untersuchung.

18 Unter Matrixsprache wird hier wie im Folgenden die in der Kommunikation dominante Sprache verstanden, unabhängig davon, ob sie Erst- oder Zweitsprache der Kommunikationspartner ist.

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4 Nachbarsprachen im Kontakt Eine wesentlich größere Verbreitung als bei sprachlichen Minderheiten und mobilen Oberschichten ist für jene CS-Prozesse anzunehmen, die sich aus der Kommunikation mit den angrenzenden Nachbarsprachen ergaben, da hier durch die Symbiose über Generationen hin ein kontinuierlicher Austausch bestanden hat, der entscheidend auf der jeweiligen Zweisprachigkeit beruhte. Die Belege dafür treten jedoch bei den 13 verschiedenen Kontaktsprachen in sehr unterschiedlichem Maße auf, obwohl die Intensität der Kontakte in den verschiedenen Grenzregionen vergleichbar gewesen sein muss. Auch in der Reihenfolge des Auftretens bestehen zwischen den verschiedenen Nachbarsprachen erhebliche Unterschiede, die auf jene eingangs erwähnte Selektionsfunktion der Schriftlichkeit deuten und offensichtlich durch die damals gültigen Stereotype der Sprachenbewertung bedingt waren. Sie verdienen daher Beachtung und dementsprechend folgt hier die Anordnung der Nachbarsprachen weitgehend dem zeitlichen Auftreten und der Häufigkeit der CS-Belege.

4.1 Der französische Einfluss Unter den nachbarsprachlichen Beziehungen tritt das französisch-deutsche CS nicht nur am frühesten auf, sondern wird auch am umfangreichsten belegt, da es vom Hochmittelalter bis weit in die Neuzeit in Gebrauch geblieben ist. Es stellt daher nach dem lateinisch-deutschen Sprachkontakt das ergiebigste Untersuchungsfeld dar und kann im Folgenden nur in drei verschiedenen Entwicklungsphasen in den Blick genommen werden. Für das frühe Auftreten in der Schriftlichkeit bieten zwei Belege aus Köln besonders interessante Beispiele, da sie das CS in stadtbürgerlichen Zusammenhängen zeigen. Denn in Köln wurden schon seit 1130 städtische Grundbücher geführt, die damals auf großformatigen Pergamentblättern, sogenannten Schreinskarten, eingetragen wurden, siehe Abb. 5.19 In ihnen finden sich innerhalb der lateinischen Matrixsprache neben zahlreichen deutschen Einschüben auch die beiden französischen Belege, die nach Abb. 5 aus Schreinskarten der Laurenzpfarre bzw. Severinspfarre wiedergegeben sind (Archivnachweise bei Groten 1995: 50). Dabei liegt im ersten Fall sogar ein doppeltes Switching vor, da der Schreiber den französischen Rechtsterminus saisiri für geeigneter hielt als das lateinische pignus capere, das er dann aber mit

19 Zum städtischen Schriftwesen Kölns im 12. und 13. Jahrhundert Groten (1995: 45–50), Mihm (1999: 157–160).



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Abb. 5: Die Kölner Schreinskarte St. Aposteln von 1180 (Rheinisches Bildarchiv Köln, RBA 055204, Ausschnitt) Se fecit saisiri id es geweldigin in ipsa domo. Er ließ es beschlagnahmen d. h. geweldigin in jenem Haus. Ki bien le fra, bien aura. Wer etwas vollständig bezahlt, soll es vollständig besitzen.

dem volkssprachigen Begriff geweldigin zusätzlich erläuterte. Hier füllt der französische Begriff offensichtlich eine lexikalische Lücke, was der vielfach belegten CS-Funktion der Verständnissicherung entspricht. Im zweiten Beispiel handelt es sich eigentlich um ein lateinisch-französisches Switching, das allerdings an Kölner Bürger gerichtet ist. Mit ihm wird ein juristischer Sachverhalt charakterisiert, der im Französischen eine besonders prägnante Formulierung gefunden hat und daher in der Originalsprache zitiert wird. Bei beiden Belegen wird die Kenntnis des Französischen beim Leser als selbstverständlich vorausgesetzt, was nur vor dem Hintergrund verständlich wird, dass damals die Kölner Studenten häufig französische Universitäten besuchten und die Kölner Kaufleute einen intensiven Handel in Frankreich betrieben.20 Derartige CS-Belege werden sich aber auch in der pragmatischen Schriftlichkeit anderer Städte finden lassen, sie sind jedoch bisher kaum beachtet worden und verdienten eine systematische Sammlung und Interpretation.

20 Einen frühen Beleg (um 1065) bietet Willirams Prolog zum Hohen Lied, der davon berichtet, dass viele Deutsche nach Frankreich gingen, um dort zu studieren. Um 1220 berichtet Caesarius von Heisterbach, dass Paris der beliebteste Studienort der Rheinländer sei (Groten 1995: 46).

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Die französisch-deutschen Kontakterscheinungen nehmen schon während der folgenden Jahrzehnte in erstaunlichem Maße zu, was besonders in den höfischen Dichtungen des Hochmittelalters zum Ausdruck kommt und bereits in umfangreichen Materialsammlungen dokumentiert worden ist (Suolahti 1929-1933, Öhmann 1974). Dabei wurden allerdings die Formen und Funktionen der CS-Prozesse kaum behandelt, obwohl dafür ein außerordentlich ergiebiges Untersuchungsmaterial zur Verfügung steht. Der Aussagewert dafür soll hier am Beispiel eines viel gelesenen Textes veranschaulicht werden, nämlich dem um 1210 entstandenen Epos Tristan und Isolde von Gottfried von Straßburg. Dort werden bei der ersten Begegnung zwischen König Marke von Cornwall und dem bretonischen Fürsten Tristan mehrere CS-Prozesse sichtbar (Ranke 1968: 3351–3356): Marke sach Tristanden an: „vriunt“ sprach er „heizestu Tristan?“ „Ja herre, Tristan, deu sal!“ „deu sal, beas vassal!“ „merci“ sprach er „gentil rois, edeler künic curnewalois“

Marke blickte Tristan an und fragte: „Freund, heißt du Tristan?“ „Ja, Herr, so heiße ich, Gott zum Gruße!“ „Gott zum Gruße, tüchtiger Held!“ „Sei bedankt“ sagte er, „hoher Herrscher, edler König von Cornwall.“

Dieses Begrüßungszeremoniell lässt verschiedene Funktionen des CS erkennen. Marke spricht Tristan in seiner eigenen Landessprache, dem Walisischen, an. Tristan, dessen Erstsprache das Bretonische ist, antwortet zunächst auf Walisisch, das er ebenfalls beherrscht, wechselt dann aber mit deu sal zum Französischen und gibt damit seine vornehme Herkunft zu erkennen. Das veranlasst auch den König zu einem freudigen Übergang zum Französischen, das dann beibehalten wird. Hier wird das CS im Munde von Königen und Fürsten in einer statusmarkierenden Funktion sichtbar, die darauf beruhte, dass das Französische damals den Rang einer europäischen Prestigesprache erlangt hatte. Unter diesen Voraussetzungen konnte das CS aber auch in verschiedenen anderen Funktionen verwendet werden. So sind allein im Tristan über 300 verschiedene französische Lexeme belegt, wobei in mehr als 30 Fällen längere Redewendungen einfließen, die bis zu 10 Wörter umfassen können (Ranke 1968: 2393-2396, 19408–19411). Si riefen hie si riefen dort niht anders da wan daz eine wort: „beâs Tristant, courtois Tristant, tun cors ta vie a dê commant.“ […] Daz er daz also gerne sanc: „Isôt ma drûe, Isôt m’amîe, en vûs ma mort, en vûs ma vîe,“ daz lockete ir herze allez dâr.

Sie riefen von hier und dort immer nur den einen Satz: „Tapferer Tristan, edler Tristan, dein Leib und Leben sei Gott befohlen!“ […] [Isolde rührte besonders,] dass er das so gerne sang: „Isolde meine Freundin, Isolde meine Liebe, in dir liegt mein Tod, in dir mein Leben,“ das bezauberte ihr Herz ganz und gar.“



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Diese französischen Einschübe, die weit über die Funktion der Statusmarkierung hinausgehen, lassen erkennen, dass sie damals dem Geschmack des literarischen Publikums entsprachen, dem sie meist durch Vorleser zu Gehör gebracht wurden (Lobedanz 1878: 10–21). Denn das Französische hatte vor allem in der Mündlichkeit der ritterlichen Gesellschaft einen festen Platz und gehörte zum Kanon höfischer Vollkommenheit. Bei Wolfram von Eschenbach findet dieses CS sogar im Monolog statt, also im Bereich der Gedanken. So wechselt etwa der einsame Parzival in der berühmten Szene, in der die drei Blutstropfen im Schnee ihn an seine zurückgelassene Ehefrau Condwiramurs erinnern, ins Französische (Lachmann 1952: 283, 7–9): […] Cundwîr âmûrs dem glîchet sich dîn bêâ curs: des enbistu niht erlâzen. […]

Condwiramurs, dies gleicht deinem schönen Aussehen, das musst du gelten lassen.

Diese Verinnerlichung des Französischen aber war nur möglich, weil der Adel damals keine Mühen scheute, um den Kindern durch französische Erzieher oder Frankreichaufenthalte die entsprechenden Sprachkenntnisse zu vermitteln (Bumke 2008: 112–119). Vor diesem Hintergrund entwickelte sich der Brauch, in die gehobene Redeweise französische Wörter und Wendungen einzuflechten, was als Zeichen einer kultivierten Ausdrucksweise galt. Es erfüllte damit die Funktion eines Sprachschmucks, wie er in der damaligen Rhetoriktheorie als ornatus für den sermo elegans beschrieben wurde. Unter diesem Aspekt wird dieses höfische CS auch in der Tugendlehre des französischkundigen Gelehrten Thomasin von Zerklaere behandelt, die er um 1215 unter dem Titel Der welsche Gast veröffentlicht hat. Dort bezeichnet er es als strîfeln, d. h. mit französischen Streifen versehen, und sieht darin durchaus einen Nutzen (Rückert 1852: 41–45): […] swer strîfelt sîne tiusche wol mit der welhsche sam er sol, wan dâ lernt ein tiusche man, der niht welhische kan, der spaehen worte harte vil,…

[Es missfällt mir keineswegs,] wenn jemand sein Deutsch angemessen mit französischen Streifen schmückt. denn dadurch lernt ein Deutscher, der kein Französisch kann, sehr viele feinsinnige Wörter,…

Thomasin selbst aber begründet seine Enthaltsamkeit gegenüber dem CS mit dem rhetorischen Argument, dass für den schlichten Sprachstil eines Lehrgedichtes der sermo humilis und die puritas zu gelten habe, und gibt damit zugleich zu erkennen, dass man sich damals der stilistischen Funktion des CS durchaus bewusst war.

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In der Literatur der höfischen Epoche geht der Umfang der französischen Einmischungen insgesamt weit über das im Tristan verwendete Ausmaß hinaus, was schon bei Wolfram von Eschenbach zu beobachten ist und erst recht bei den sogenannten Epigonen. So werden in den Dichtungen des 13. und 14. Jahrhunderts insgesamt über 2000 verschiedene französische Wörter verwendet,21 was die Intensität dieses Sprachkontakts sichtbar macht und die Folgerung zulässt, dass das CS in der gehobenen Mündlichkeit der höfischen Kreise einen noch wesentlich größeren Umfang gehabt hat. Von daher ist es nicht erstaunlich, dass diese in der adligen Gesellschaft dauerhafte Beliebtheit des Französischen einen tiefgehenden Einfluss auf die Sprachentwicklung des Deutschen gehabt hat. So blieb ein großer Teil der damals übernommenen französischen Wörter dauerhaft in Verwendung, so dass noch heute über 100 der damals entlehnten Lexeme zum Gebrauchswortschatz gehören und teilweise umfangreiche Wortfamilien um sich gebildet haben.22 In der älteren Forschung, die den Erscheinungen des CS meist ablehnend gegenüberstand und sie als Sprachmengerei stigmatisierte, wurde über den Zusammenhang zwischen CS-Prozessen und Entlehnungen meist hinweggesehen, wobei man den Lehnwörtern eine Sonderstellung gegenüber anderen fremdsprachlichen Einflüssen einräumte. Dazu deutete man sie bevorzugt als auf das Lexikon begrenzte Erscheinungen, die vor allem der notwendigen Wortschatz­erweiterung dienten. Demgegenüber erscheint es sinnvoll, diese Trennung vor dem Hintergrund der These von Gardner-Chloros (1995: 74) zu diskutieren „that every loan starts off life as a code-switch, and that some of these code-switches gradually become generalised and spread through the community.“23 Die sprachhistorischen Wirkungen des höfischen CS sind jedoch nicht auf das lexikalische Gebiet beschränkt geblieben, sondern haben auch den grammatischen Bereich beeinflusst. Das wird besonders auf dem Gebiet der Wortbildungsmorphologie deutlich, auf dem damals etwa die

21 Hier wie im Folgenden wird davon ausgegangen, dass auch fremdsprachliche Einzelwörter, die in die Matrixsprache eingefügt werden, als CS-Phänomene zu betrachten sind, was auch von der gegenwärtigen Forschung mehrheitlich vertreten wird (Lüdi 2004: 344 f., dort auch weitere Literatur, vgl. auch die Problematisierung bei Schendl im vorliegenden Band). Demgegenüber erscheint die von Poplack & Sankoff (1988: 1177) und anderen vertretene Auffassung, dass nur mehrgliedrige Ausdrücke dem CS zuzurechnen sind, problematisch, da sie auf sehr speziellen Begriffsdefinitionen beruht. 22 Nicht nur abstrakte Substantive wie Preis, Fest, Kummer, Reim, Abenteuer u. a. sind damals ins Deutsche übernommen wurden, sondern auch Konkreta wie Turm, Platz, Lampe, Pinsel, Flöte, Teller, Platte u. a. Ähnliches gilt für Adjektive wie rund, fein, falsch, matt, hurtig, klar und die Verben fehlen, tasten, prüfen, tanzen, kuppeln u. a. (Öhmann 1974: 328–335; Suolahti 1929–1933). 23 Zu diesem Fragenkreis auch die neueren Studien von Backus (2005) und Glaser (2016) sowie Schendl (im vorliegenden Band).



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Lehnsuffixe -ei, -erei, -elei und -ieren übernommen wurden, die heute frequente und selbstverständliche Elemente der deutschen Grammatik darstellen. Mit dem Ende der höfischen Epoche nehmen die Spuren des französischen Einflusses in der Schriftlichkeit deutlich ab, was den Rückgang der CS-Kultivierung und seiner statusmarkierenden Funktion in der Rittergesellschaft erkennen lässt. Doch bedeutete das nur eine vorübergehende Einschränkung des französischen Sprachprestiges und seiner Wirkung auf den Sprachwandel (Rosenquist 1943: 110–143). Denn seit 1550, also knapp zwei Jahrhunderte nach der höfischen Epoche, setzt bei den deutschen Oberschichten eine neue Faszination durch das Französische ein (von Polenz 2013: 83–88), die sich auch in der Schriftlichkeit deutlich abzeichnet. Diese erneute Wertschätzung, die im 18. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichte und bis weit ins 19. Jahrhundert andauerte, entfaltete eine noch weitgehendere sprachgeschichtliche Bedeutung als die des Mittelalters und führte beim Adel und beim städtischen Bürgertum teilweise sogar zu einer Destabilisierung der Erstsprache. Die bedeutende Rolle, die das CS bei diesem intensiven Sprachkontakt gespielt hat, ist in den letzten Jahrzehnten bereits ins Blickfeld der Forschung getreten, doch sind die Formen, Funktionen und Bedingungen seiner Verwendung noch keineswegs hinreichend geklärt. Die Unterschiede zu den mittelalterlichen CS-Prozessen sind allerdings schon deutlich erkennbar, was hier nur beispielhaft an der Korrespondenz des preußischen Ministers Freiherr vom Stein (1757–1831) skizziert wird, dessen Briefe zu einem Drittel in geschliffenem Französisch abgefasst sind, insbesondere wenn sie sich an seine Frau, seine Mutter oder an Höhergestellte richten. Für seinen Vater, seine Freunde und die Mitglieder des preußischen Königshauses bevorzugt er das Deutsche, doch scheut er sich durchaus nicht vor dem CS und seinen kommunikativen Ausdrucksmöglichkeiten:24 Peut-être que Votre Excellence voudrait s’intéresser pour unsern verwaisten Bergbau…

Vielleicht könnte sich Eure Exzellenz interessieren für unsern verwaisten Bergbau…

La santé de ma soeur est bien faible et abhängig von der Witterung…

Die Gesundheit meiner Schwester ist ziemlich geschwächt und abhängig von der Witterung…

In beiden Beispielen ist der Übergang von der französischen Matrixsprache zum Deutschen offensichtlich mit dem besprochenen Gegenstandsbereich verbunden, wobei für Redeinhalte der eleganten und gehobenen Lebenswelt das Französische

24 Zitiert nach von Polenz (2013: 76).

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als angemessener erscheint. Im Einzelnen bleiben beim Wechsel zwischen den beiden Sprachen in diesen Texten noch viele Fragen offen, lassen jedoch erkennen, dass das mit der frühen Neuzeit einsetzende deutsch-französische CS ein besonders ergiebiges Untersuchungsmaterial für die historische CS-Forschung bietet, insbesondere in Hinsicht auf seine pragmalinguistischen Funktionen.

4.2 Das Italienische als Zweitsprache Die Beziehungen zu Italien waren schon seit dem frühen Mittelalter aus politischen, religiösen und kulturellen Gründen besonders eng, so dass seit alters intensive Sprachkontakte dorthin bestanden haben müssen. Sie werden jedoch relativ spät in der Schriftlichkeit sichtbar, was möglicherweise dadurch bedingt ist, dass das Lateinische bei den italienischen Oberschichten noch in Gebrauch war und die vulgärlateinischen Dialekte nicht als aufzeichnenswert galten. Erst vom 14. Jahrhundert an tauchen in deutschen Texten häufiger italienische Wendungen auf, und zwar zunächst in der Kaufmannssprache. So findet sich etwa im Rechnungsbuch des Nürnberger Handelsherrn Hilpolt Kreß zum Jahr 1391 die Eintragung (Stromer 1967: 788): Item so han ich eingenomen von dato adi 16 di augusto 1389 pis 13 di augusto di 1391, in den 2 joren hon ich eingenommen summa lb 4776 ß 12.

Weiterhin habe ich eingenommen vom 16. August 1389 bis zum 13. August 1391, in den 2 Jahren habe ich eingenommen insgesamt 4776 Pfund und 12 Schilling.

Da Kreß neben dem Sprachwechsel zur Datumsangabe aber auch italienische Einschübe wie „pro resto“ (,an Restschuld‘) oder „che fu banchir“ (,der Bankier war‘) verwendet, lassen sich bei ihm bereits zwei unterschiedliche Auswirkungen des CS auf den Sprachwandel erkennen. Einerseits wird dabei der Weg zu Konventionalisierung und Entlehnung verdeutlicht, denn die italienische Datumsangabe hat sich über die Kaufmannssprache hinaus schnell weiterverbreitet, so dass auch Privatbriefe zwischen Einheimischen in oberdeutschen Städten über zwei Jahrhunderte hin mit „adi“ (‚am Tage‘) datiert wurden. Auch die Entlehnung von „pro resto“ ist zumindest bis ins 18. Jahrhundert in der deutschen Kaufmannssprache in Gebrauch geblieben, und eine Vielzahl der damaligen Entlehnungen aus dem Handels- und Finanzwesen, wie etwa Bank, Rest, Risiko, Provision, Kredit und Konto, ist bis heute in Gebrauch. In den ertragreichen Untersuchungen dazu (Christmann 1992; Kühebacher 1968; Öhmann 1974: 361–393) haben jedoch die dynamischen Prozesse der Konventionalisierung und die außersprachlichen Bedingungen, unter denen sie sich vollzogen, wenig Beachtung gefunden. So



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blieb unberücksichtigt, dass die damaligen CS-Prozesse wesentlich umfangreicher waren, als es die Lehnwörter erkennen lassen, was bereits an dem Beleg „che fu banchir“ sichtbar wurde. Es tritt noch deutlicher in der Mailänder Korrespondenz der Ravensburger Handelsgesellschaft zu Tage, wo mehrgliedrige Wendungen in die Briefe eingeschoben werden (Schulte 1923, III: 2, 283):

Ninte d mancko lauss wier uns nit gären also gantz dar aon finden … […] Nichts desto weniger lassen wir uns nicht gern so ganz damit abfinden … […] Dar zuo costend uns al waran mer den ell conschuetudo vetzion … […] Außerdem kosten uns alle Waren mehr als nach alter Gewohnheit … […] Das guott so man lad per Buk oder Marsella a folluntad nostra … Die Güter, die man verlädt über Bouc oder Marseille nach unserem Wunsch …

Diese Einschübe zeigen nur einen geringen Bezug zur Kaufmannsterminologie und haben keine bleibenden Spuren im deutschen Wortschatz hinterlassen, sondern stellen idiomatische Floskeln des alltäglichen Sprachgebrauchs dar. Sie verstärken damit den Eindruck, dass damals aus dem CS der oberdeutschen Handelsleute und aus seinen Konventionalisierungen bereits ein fused lect entstanden war. Daher liegt die Annahme nah, dass sich der heutige Lehnwortschatz erst im Laufe des lang anhaltenden Gebrauchs dieser Handelssprache herauskristallisiert hat. Ähnliches ist auch für den aus dem Italienischen übernommenen Wortschatz der Seefahrt anzunehmen, denn obwohl die Belege dafür weit über die bekannten Beispiele wie Kapitän, Pilot, Kompass, Golf oder Pirat hinausgehen, entsprechen sie kaum den umfangreichen Einschüben, die in jener Zeit üblich waren und wie sie etwa in dem um 1410 entstandenen Seefahrtslied Oswalds von Wolkenstein (Klein 2015: 17) an den CS-Wendungen „Cazza poggia! Carga!“ (‚Zieh das Tau an! Schnell!‘) oder „Cala vela! Eiola grosso!“ (‚Streich die Segel! Dorthin, Junge!‘) sichtbar werden. Sie müssen beim damaligen Publikum mindestens insoweit verständlich gewesen sein, dass sie ihre literarische Funktion erfüllen konnten und bestätigen damit die damalige Bedeutung des Italienischen. Als Voraussetzung für die umfangreiche Verbreitung des italienisch-deutschen CS in Oberdeutschland muss das hohe Prestige der italienischen Kultur gelten, das sich im Spätmittelalter nördlich der Alpen herausgebildet hatte. Es bewirkte zugleich eine Ausweitung der Italienischkenntnisse über den Kreis der Kaufmannschaft und Fernreisenden hinaus, so dass das CS auch bei den einheimischen Oberschichten in Briefwechseln, Tagebüchern und Memoiren bezeugt wird.25

25 Dazu ausführlich Mihm (2019: 45–48).

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Dafür bietet ein Brief Albrecht Dürers, den er 1506 aus Venedig an den befreundeten Nürnberger Humanisten und Italienischkenner Willibald Pirckheimer geschrieben hat, einen interessanten Beleg. Darin nimmt er den überzogenen Italienischgebrauch der Deutschen, die sich damals in Italien aufhielten, aufs Korn und gibt das von ihnen gesprochene Italienisch in Nürnberger Orthographie wieder (Rupprich 1956: 54–56): Hochgeachteter her Wilbolt Pirkhamer, Ewer vnderteniger diner Albrecht Dürer günt ewch heill, grosse vnd wirdige er. Cu diawulo tanto pella czansa chi te ne pare. Io vole denegiare cor woster, daz jr werd gedencken, jch sey awch ein redner von 100 partire…

Hochgeachteter Herr Willibald Pirckheimer, Euer untertäniger Diener Albrecht Dürer gönnt euch Heil, große und würdige Ehre. Beim Teufel! Soviel für das Geschwätz, als euch beliebt! Ich will euer Herz quälen, dass ihr denken sollt, ich sei auch ein Redner der 100 Möglichkeiten…

Die Kritik, die in diesem CS-Beleg Dürers an dem demonstrativen Italienisch zum Ausdruck kommt, war damals offenbar schon weit verbreitet, hat jedoch das wachsende Ansehen der italienischen Sprache im 16. und 17. Jahrhundert durchaus nicht beeinträchtigt. Denn die italienischen Einschübe, die von der Schriftlichkeit reflektiert werden, nehmen nicht nur ihrer Zahl nach, sondern auch in ihrem Umfang zu. Dabei ist allerdings ihre Funktion häufig nur schwer zu erkennen. Dafür bietet das Tagebuch des Augsburger Handelsherrn Philipp Eduard Fugger (1546–1619) ein anschauliches Beispiel, das er auf seiner Kavalierstour durch Frankreich und Italien geführt hat.26 Die große Variationsbreite, in der das CS bei seinen oft täglich gemachten Eintragungen auftritt, wird bereits an den ausgewählten drei Beispielen erkennbar (Bastl 1987: 45, 91, 221).

Ho avuto lettere dalla sorella Isabella wie Fraw Muetter schwanger wäre. […] Habe einen Brief erhalten von Schwester Isabella, dass unsere Mutter schwanger wäre […] Bin ich in ein anmacht gefallen nocte cenando duro ¼ hora […] Ich bin in eine Ohnmacht gefallen beim Abendessen, hat ¼ Stunde gedauert […] A Spira mettessimo sopra una sorte de carri che chiamo Rollwagen. Von Speyer aufgebrochen mit einer Kutsche, die wir Rollwagen nennen

Bei diesem CS lässt sich bemerkenswerterweise keine durchgehende Matrixsprache erkennen, wobei die Einschübe meist umfangreichere Satzteile umfassen. Der Wechsel findet zumindest bei längeren Einschüben an syntaktischen Einschnit-

26 Philipp Eduard Fugger gehörte dem Familienzweig „von der Lilie“ an und war ein Großneffe von Jacob Fugger dem Reichen (1459–1525).



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ten statt, gibt jedoch wenig Aufschluss über seine Verwendungsbedingungen. Da es sich um einen monologischen Text handelt, bei dem der Schreiber zugleich der Rezipient ist, wie das für das gegenwartsbezogene CS etwa bei Montes-Alcalá (2000) analysiert worden ist, entsteht bei Fugger nicht selten der Eindruck, dass es sich um eine Selbstvergewisserung seiner eigenen Fremdsprachenkenntnisse handelt. In jedem Fall aber können diese Belege den Aufstieg des Italienischen zu einer süddeutschen Bildungssprache belegen, durch den es dann zu einer kaum überschaubaren Zahl von CS-Belegen kam. Sie wurden sogar in der Schrift eigens hervorgehoben, indem man dafür die lateinische Antiqua verwendete statt der sonst üblichen deutschen Kurrentschrift (von Polenz 2013: 65).

4.3 Belege aus slawischen Nachbarsprachen Im Gegensatz zu den westlichen und südlichen Nachbarsprachen bieten die historischen Quellen für die des Nordens und Ostens bis zum Ausgang des Mittelalters nur sehr wenige CS-Belege. Da jedoch auch in diesen Grenzregionen Mehrsprachigkeit und CS weit verbreitet gewesen sein müssen, ist diese geringe Berücksichtigung im Wesentlichen auf die Selektionskriterien der damaligen Schreiber zurückzuführen. Sie richteten sich nach den Sprachbewertungssystemen ihrer Zeit und gaben bevorzugt CS-Prozesse mit jenen Sprachen wieder, die ein hohes Prestige besaßen. Das hat wohl auch dazu geführt, dass sich unter den sechs slawischen Nachbarsprachen nur für die beiden südlichen, nämlich für das Tschechische und Slowenische, frühe Belege finden lassen, die einen Eindruck vom CS mit diesen Sprachen und seinen Formen und Funktionen vermitteln können. Ein aufschlussreiches Beispiel für das Slowenische bietet bereits in höfischer Zeit der Minnesänger Ulrich von Lichtenstein (1200–1275), der in seinem autobiographischen Frauendienst über seinen Ritterzug berichtet, den er als Frau Venus verkleidet von Venedig nach Böhmen unternommen hat, um seiner Geliebten zu imponieren. Dabei schildert er, wie er 1227 in Kärnten von dem dortigen Herzog Bernhard von Spanheim in slowenischer Sprache begrüßt wurde (Spechtler 1987: 126): Der fürste und die gesellen sin mich hiezen willechomen sin, ir gruoz was gegen mir alsus: „buge waz primi, gralva Venus“, des neig ich zuhteclichen da.

Der Fürst und seine Gefährten hießen mich willkommen sein, dabei lautete ihr Gruß: „Gott grüße euch, königliche Venus“, dafür verneigte ich mich höflich.

Dieser CS-Beleg, der auch ein frühes Zeugnis für die Geschichte des Slowenischen ist, lässt erkennen, dass Slowenisch damals auch in der Kärntener Ober-

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schicht verwendet wurde, also zumindest eine Zweitsprache war. Es muss aber auch in weiten Kreisen Österreichs bekannt gewesen sein, da der Dichter es bei seinem Publikum voraussetzte. Bemerkenswert ist aber auch, dass diese slowenische Wendung einem Herzog in den Mund gelegt wird, was eine positive Bewertung der Sprache erkennen lässt. Offenbar diente das CS dem Dichter hier als ein realistisches Detail, mit dem er die Authentizität der feierlichen Empfangsszene verdeutlichen wollte, was einer Funktion entspräche, die auch beim gegenwartsbezogenen CS häufig zu beobachten ist. Wesentlich bekannter als diese Textstelle ist der früheste tschechische CSBeleg, der in der Verserzählung Meier Helmbrecht überliefert wird, die um 1250 im bayrisch-österreichischen Raum entstandenen ist. Dort begrüßt der Bauernsohn Helmbrecht, der sich als Ritter aufführen möchte, bei seiner Rückkehr ins Heimatdorf seine bäuerlichen Eltern in zwei verschiedenen Fremdsprachen (Panzer 1974: V. 725–734): si enphingen in beide âne zal. zem vater sprach er: „deu sal!“ zuo der muoter sprach er sâ bêheimisch: „dobra ytra!“ si sâhen beide einander an, beide daz wîp und der man. diu hûsfrou sprach: „herre wirt, wir sîn der sinne gar verirt. er ist niht unser beider kint: er ist ein Bêheim oder ein Wint.“

Sie (die Eltern) begrüßten ihn vielmals. Er sagte zum Vater: „Gott zum Gruß!“ zur Mutter sagte er dann: auf Tschechisch: „Guten Morgen!“ Da sahen sie sich einander an, beide die Frau und der Mann. Die Hausfrau sagte: „Lieber Mann, wir können nicht mehr bei Sinnen sein. Er ist gar nicht unser Sohn; er ist ein Tscheche oder ein Wende.

Die tschechische Begrüßung der Mutter zeigt zunächst, dass es damals zumindest im Südosten des Sprachgebiets eine deutsch-tschechische Zweisprachigkeit gegeben hat, die weit über die Grenznachbarschaft hinausreichte. Das CS tritt hier jedoch in einer ganz anderen Funktion auf als im slowenischen Beispiel. Denn während es dort um die Wirklichkeitsnähe der herzoglichen Begrüßung ging, dient es bei Helmbrecht zur Charakterisierung eines parvenühaften Großsprechers, der mit Fremdsprachen prunken möchte. Das zeigt, dass Fremdsprachkenntnisse zwar Ansehen als ritterliches Statussymbol genossen, doch im Verkehr der allgemeinen Bevölkerung als überheblich und unschicklich galten. Möglicherweise zeichnet sich auch daran, dass Helmbrecht den Vater auf Französisch, die Mutter aber auf Tschechisch begrüßt, bereits eine unterschiedliche Bewertung der beiden Sprachen ab, was nicht zuletzt dadurch nahe gelegt wird, dass die Mutter besonders wenig Verständnis für die tschechische Anrede zeigt. Der Vater, der seinen Sohn zunächst für einen Franzosen hält, hebt im Folgetext immerhin die Ähnlichkeit zwischen beiden hervor.



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Eine deutlich andere Funktion erfüllt das tschechisch-deutsche CS im Kleinen Lucidarius, einer Lehrdichtung, die um 1290 in Niederösterreich entstanden ist und meist als Seifried Helbling bezeichnet wird. Dort erscheint es in einem metasprachlichen Diskurs über die Verwendung fremder Sitten und Bräuche, in dem der Autor generell die als solche empfundene „Ausländerei“ missbilligt (Seemüller 1886: XIV, 20–31): […] der Bêheim sit uns niht vergie, daz wir jehen müezen, unser friunde grüezen ‚tobroytra‘ des morgens. dô was niht âne borgens: wir kunden unser lachen grôz bêheimisch machen. ich sag iu dem was alsô: ‚kurvysyne! ho ho ho!‘ dô was unser lachen ûz. ‚vitej pan, poppomûz!‘ daz gie zwischen uns entwer.

Den Brauch der Tschechen haben wir noch, dass wir, wenn wir morgens unsere Freunde begrüßen, gewöhnlich „Guten Morgen!“ sagen. Da ging nichts ohne geborgte Wörter: Wir konnten sogar unser Lachen auf Tschechisch vergrößern. Ich sage euch, das ging so: „Hurensohn, ha, ha, ha!“ Da war Schluss mit unserem Lachen: „Sei gegrüßt, Herr!“, „Viel Glück!“ Das ging in die Quere zwischen uns.

Wenn hier diese frühe Mahnung zur Sprachreinheit an tschechischen Beispielen verdeutlicht wird, so bezeugt das zunächst eine verbreitete Gewohnheit, tschechische Ausdrücke in die Rede einzuflechten und damit nicht nur die Kenntnis dieser Zweitsprache in Niederösterreich, sondern auch ihre partielle Verwendung in der Mündlichkeit. Daran aber, dass der Autor für seine Kritik am Fremdsprachengebrauch nicht das Französische herangezogen hat, das damals beim Adel weit verbreitet war, deutet sich bereits eine unterschiedliche Einschätzung der beiden Sprachen an. Verstärkt wird dieser Eindruck noch dadurch, dass der Autor für seine tschechischen Beispiele Wendungen aus einer rustikalen Sprachsphäre mit Flüchen und Missverständnissen gewählt hat. Das deutet insgesamt auf ein zeitgenössisches Sprachbewertungssystem, bei dem die westlichen und südlichen Nachbarsprachen ein höheres Ansehen besaßen als die östlichen und nördlichen. Diese Prestigeverteilung steuerte offenbar auch die Aufnahme fremdsprachlicher Einschübe in die Schriftlichkeit und macht damit verständlich, warum von den CS-Prozessen mit den sechs slawischen Zweitsprachen nur so wenige überliefert sind.

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4.4 Belege für das Englische Da die Beherrschung des Englischen schon für das Hochmittelalter in der norddeutschen Kaufmannschaft belegt ist, hat man auch mit einer frühen Verbreitung des CS zu rechnen, doch wird seine Existenz nur selten in der Schriftlichkeit bezeugt. Sie soll hier am Beispiel einer niederrheinischen Dichtung des 14. Jahrhunderts veranschaulicht werden, die als „Bruder Hansens Marienlieder“ bezeichnet wird. In ihrem Eingangsgedicht wechselt der Dichter in jeder Strophe dreimal zwischen einem deutschen, französischen, englischen und lateinischen Vers, so dass die 15 Strophen dieses Liedes insgesamt 45 Switches zum Englischen bezeugen und zwar in der Form, wie sie hier an der ersten Strophe verdeutlicht wird (Batts 1963: 1): Ave alpha du stercher god! Je diroy volentiers un mot Of that swete ladi deer Cuius venter te portavit. Ich meyn miin vrou dye alrebest, Qui dam de toutes dammes est. Thye in yr blisset woomb shy beer Et te dulci lacte pavit Et tam ardenter te amavit Daz ir myn dich cund neder zeen. Thier thu ars kinc schol se bi queen La noble fillie dou roye Davit.

Sei gegrüßt Alpha, du mächtiger Gott! Ich möchte gern eine Rede beginnen von jener herrlichen lieben Frau, deren Schoß dich trug. Ich meine damit meine oberste Herrin, die Frau über allen Frauen ist, die dich in ihrem gesegneten Leib trug, dich mit süßer Milch stärkte und dich so innig geliebt hat, dass ihre Liebe dich auf die Erde ziehen konnte. Wo du König bist, soll sie Königin sein, die edle Tochter des Königs David.

Die weite Verbreitung dieses Textes im 15. Jahrhundert macht zunächst deutlich, dass es damals eine Leser- und Zuhörerschaft gegeben hat, die diese englischen Einschübe verstehen und würdigen konnte. Zugleich ist an dem regelmäßigen Sprachwechsel bemerkenswert, dass das Englische hier mit dem Lateinischen und Französischen, also mit den damaligen Prestigesprachen, auf eine Stufe gestellt wird. In Hinblick auf seine Formen und Funktionen weicht dieses CS aber von allen vorhergehenden Beispielen ab und soll daher gesondert in Abschnitt 5 behandelt werden. Für den Gesamtverlauf der Sprachgeschichte wird man dieses spätmittelalterliche CS jedoch noch keineswegs als Anfangspunkt jener Entwicklung betrachten können, die das Englische zu seiner heutigen Stellung als einflussreichster Zweitsprache gebracht hat. Denn das zunehmende Prestige deutet sich erst in den frühen Entlehnungen des 17. Jahrhunderts an (von Polenz 2013: 112–114), so dass die neuzeitlichen CS-Belege in der Schriftlichkeit erst in der Folgezeit sichtbar werden. So fügte etwa der in Hannover lebende Arzt Paul Gottlieb Werlhof seit 1736 in seine Briefe an den Schweizer Albrecht von Haller



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zahlreiche englische Textpassagen ein, die offenbar der Geheimhaltung dienten (Furrer 2002: 318f.).

4.5 Der abwechselnde Gebrauch von Regionalsprachen Innerhalb der Festlandsgermania bestanden schon seit vorliterarischer Zeit unterschiedliche Regionalsprachen, die zwar genetisch und typologisch verwandt waren, zwischen denen jedoch teilweise so erhebliche Differenzen bestanden, wie heute zwischen dem Niederländischen und dem Schweizerdeutschen. Daher hatten sich für den überlandschaftlichen Verkehr schon früh Verständigungsverfahren ausgebildet, die von der Semikommunikation über Ausgleichssprachen bis zu einer binnensprachlichen Mehrsprachigkeit reichen konnten.27 Dort, wo Mehrsprachigkeit erforderlich war, müssen auch CS-Prozesse eine alltägliche Erscheinung gewesen sein, doch haben sie wegen ihrer geringen Auffälligkeit meist in der Schriftlichkeit keine Berücksichtigung gefunden. Eine Ausnahme davon bilden etwa die Belege im Meier Helmbrecht, wo der parvenühafte Bauernsohn auf die freundliche oberdeutsche Anrede seines Vaters mit der Wendung antwortet (Panzer 1974; V. 757–769): „ey waz snaket ir gebûrekîn“ (‚ei was redet ihr Bäuerlein‘). Dabei dient der Wechsel zum damals als vornehm geltenden Flämisch dem Dichter dazu, die Überheblichkeit Helmbrechts gegenüber seinem Vater zu kennzeichnen. Eine umfangreiche Berücksichtigung des binnensprachlichen CS in der Schriftlichkeit setzte erst im 15.–17. Jahrhundert bei der Übernahme des Hochdeutschen in Norddeutschland ein, die als bedeutendste Sprachveränderung der neueren Sprachgeschichte anzusehen ist. Dabei gewannen die südlichen Wörter und Formen zunächst einen zusätzlichen Prestigewert, der dazu führte, dass sie schon früh auch in der geschriebenen Sprache verwendet wurden. An der Zunahme der CS-Prozesse in den niederdeutschen Texten lassen sich auch ihre Folgeerscheinungen in Hinblick auf den Sprachwandel im Einzelnen beobachten.28 So wird beim diachronischen Vergleich verschiedener Entwicklungsphasen sichtbar, wie sich aus den Konventionalisierungen der CS-Prozesse allmählich Mischsprachen im Sinne von fused lects entwickeln. Sie zeigen bereits eine

27 Hierzu die neueren Untersuchungen zu Semikommunikation (Braunmüller 2002: 1–23) und Supraregionalisierung (Hickey 2003: 351–373). 28 Der gleiche Prozess wird auch beim ripuarischen Sprachwechsel zum Hochdeutschen in all seinen Teilschritten sichtbar (Mihm 2017: 282–306), vgl. auch Czajkowski (im vorliegenden Band).

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Destabilisierung der niederdeutschen Primärsprache an und führen schließlich zu einem language shift, also zum vollständigen Übergang in die Zweitsprache. Während dieses Überganges aber besteht eine Phase annähernder Gleichwertigkeit, so dass beide Sprachen auch in der Schriftlichkeit nebeneinander verwendet werden. Das wird hier an zwei Beispielen veranschaulicht, die nicht nur räumlich und zeitlich auseinander liegen, sondern auch unterschiedliche Formen und Funktionen des CS sichtbar machen. Aus dem östlichen Bereich des Niederdeutschen stammt die Autobiografie des lutherischen Humanisten Georg Torquatus (1513–1575), der in Magdeburg wirkte und der für seine wissenschaftlichen Schriften grundsätzlich das Lateinische verwendet hat. Für seine privaten Aufzeichnungen jedoch, die er in seinen letzten Lebensjahren verfasste, verwendete er eine Sprachform, die kontinuierlich zwischen hochdeutschen und niederdeutschen Partien wechselt. Dabei wird neben seiner vollständigen Beherrschung des Hochdeutschen auch seine Verbundenheit mit der niederdeutschen Primärsprache sichtbar. Das kommt im Abschlussgebet seines Buches deutlich zum Ausdruck (Loewe 1888: 18). Dein Wille, o Heere Gott, geschehe! Vollbringe das gute Werk, das du in mir angefangen hast; gif meck ock diene Gnad, dat eck dorch dines hilligen Geistes Hylpp de Sünne und meck, war eck dien find bin, hasse, angriepe und betwinge, und dir lebe mit Mund, Herz, und That, und in dir, lieber Herre Gott, sterbe.

Dein Wille, oh Herr Gott, geschehe! Vollbringe das gute Werk, das du in mir angefangen hast; gib mir auch deine Gnade, dass ich durch deines heiligen Geistes Hilfe die Sünde und mich selbst, wo ich dein Feind bin, hasse, angreife und bezwinge und dir lebe mit Mund, Herz, und Tat, und in dir, lieber Herr Gott, sterbe.

Der Wechsel zwischen den Sprachen findet hier zwar an der Satzgrenze statt, doch ist er kaum syntaktisch zu erklären, sondern verweist auf eine pragmalinguistische CS-Funktion, die unterschiedliche Bedeutungssphären in den Blick rückt. Während für die Anrufung Gottes am Anfang und Ende des Textes die neue Prestigesprache verwendet wird, bevorzugt Torquatus für den persönlichen und intimen Bereich, in diesem Fall für den Kampf gegen die eigene Sündhaftigkeit, das bodenständige Niederdeutsch. Für den Westen des Niederdeutschen bietet das Tagebuch des katholischen Priors Johannes Spick ein reiches Belegmaterial, in dem er 1558–1609 die Ereignisse des Klosters Marienfrede aufgezeichnet hat, das im klevisch-münsterländischen Grenzgebiet liegt. Er verwendet dabei drei Sprachen, nämlich neben dem für einen Geistlichen seines Standes selbstverständlichen Latein und der bodenständigen rheinmaasländischen Regionalsprache auch das neue, aus dem Süden übernommene Hochdeutsch. In dieser Kombination berichtet er von einer



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Erwachsenentaufe, die er 1604 bei dem Sohn von Wiedertäufern nach katholischem Ritus vorgenommen hat.29 Quinto die huius baptisavi adolescentem auss ursache dan sein elteren sturben et forte erant anabaptistae. Des er den offtmal beklagden tegen einen mit namen Johannes Karnebeck und quam also bij mij dit klagende. Haben wir also die seligkeit dises iungelings willen helpen und befurderen und haben wir ihm getaufft.

Am fünften des Monats habe ich einen jungen Mann getauft, weil seine Eltern gestorben waren, die Wiedertäufer gewesen sind. Darüber beklagte er sich mehrfach bei einem, der Johannes Karnebeck hieß, und kam auch mit dieser Klage zu mir. Wir haben daher bei der Erlösung dieses jungen Mannes behilflich und förderlich sein wollen und haben ihn getauft.

Unter grammatischem Aspekt ist bei diesem CS bemerkenswert, dass der Wechsel zwischen den drei Sprachen meist innerhalb eines Satzes stattfindet, wobei die Übergänge häufig nicht an syntaktischen Einschnitten oder an semantisch auffälligen Punkten liegen. Auch die pragmalinguistischen Funktionen, die mit den einzelnen Sprachwechseln verbunden sein können, treten keineswegs so klar hervor wie im Text des Torquatus. Doch lässt sich beim Heranziehen größerer Textpartien die Tendenz erkennen, dass das Rheinmaasländische bei der Behandlung alltäglicher Vorgänge und Sachverhalte überwiegt, während für hervorgehobene Inhalte das Hochdeutsche bevorzugt wird und das Lateinische als unmarkierte Basissprache den Hintergrund bildet (Peters 1999). In beiden Textbeispielen markiert das CS demnach verschieden gewichtete Inhaltsebenen und deutet damit bereits jene spätere Entwicklung an, bei der sich das Hochdeutsche als high variety zur alleinigen Schreibsprache durchsetzt, während das zur low variety gesunkene Niederdeutsch nicht mehr verschriftet wird.

5 Die artistische Verwendung Während in den zuletzt behandelten Beispielen der Sprachwechsel in wirklichkeitsnahen Kommunikationssituationen sichtbar wurde, zeigte sich in den Marienliedern des Bruder Hans bereits ein CS-Typ, der einem im Voraus geplanten Schema folgte und keine Spuren von Spontaneität aufwies. Vielmehr waren die vier dort verwendeten Sprachen Deutsch, Französisch, Englisch und Latein so

29  Zum weiteren Kontext dieses Berichts Zwart (1985: 126). Das Zitat ist hier verkürzt wiedergegeben.

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arrangiert, dass sie sich in jeder der 12 Strophen dreimal in einer bestimmten Reihenfolge abwechselten. Daran wurde unmittelbar deutlich, dass das CS dort als poetisches Stilmittel eingesetzt wurde, das einerseits als kostbare Verzierung des Textes der Ehre Marias dienen konnte, zugleich aber auch die Gelehrtheit und Kunstfertigkeit des Autors sichtbar machte. Für diesen CS-Typ, der hier als artistisches CS verstanden wird, lässt sich nur schwer eine direkte Entsprechung in der Mündlichkeit annehmen, vielmehr ist er in einer langen literarischen Tradition zu sehen, die auf antike Vorläufer zurückgeht und bereits im Althochdeutschen durch das um 1000 entstandene Lied De Heinrico bezeugt wird, dessen Verse jeweils lateinisch beginnen und in der Volkssprache enden (Schneider 2003: 306–310). Dieser literarisch-stilistisch verwendete CS-Typ, für den bereits in der lateinischen Rhetoriktheorie der Terminus Barbarolexis verwendet wurde,30 breitete sich in der Folgezeit über ganz Europa aus, wobei neben dem Lateinischen und der jeweiligen Volkssprache auch weitere Sprachen hinzutraten. So finden sich bereits im 12. Jahrhundert in den Carmina Burana mehrere dreisprachige Beispiele, etwa in dem Trinklied (Hilka 1995: 13a): Deu sal, misir, bescher de vin! Tunc eum osculamur Wir enachten niht uf den Rin, sed Baccho famulamur.

Grüß Gott! mein Herr, trag Wein auf! Dann küssen wir ihn. Wir missachten den Rhein [das Wasser], vielmehr sind wir dem Bacchus dienstbar.

Wie in diesem Beispiel hat die Barbarolexis in den Carmina Burana mehrfach auch einen komisch-satirischen Effekt (Beatie 1967; Sayce 1992), ist aber vor allem als geistreiches und gelehrtes Spiel unter mehrsprachigen Literaturkennern zu verstehen (Müller 1981: 103). Eine weitere Funktion der Barbarolexis zeigt sich in zahlreichen geistlichen Liedern, die seit dem 14. Jahrhundert durch einen lateinisch-deutschen Sprachwechsel gekennzeichnet sind und von denen das Weihnachtslied In dulci jubilo noch bis heute in Gebrauch geblieben ist (Kornrumpf 2000; Harzer 2006). In ihnen hatte das CS offensichtlich eine emphatische Funktion, die auf dem Kontrast zwischen der sakralen Wirkung der Kirchensprache und der Volkssprache beruhte. Im 15. Jahrhundert gelangte dieser stilistisch arrangierte Sprachwechsel dann zu einer neuen Blüte, was besonders an zwei Liedern Oswalds von Wolkenstein (1377–1445) deutlich wird, die systematisch zwischen einer Vielzahl von Sprachen

30 Im Allgemeinen galt Barbarolexis als Verstoß gegen die Sprachreinheit, doch wurde sie als Stilmittel von Rhetorikern wie Quintilian oder Victorinus ausdrücklich zugelassen. Vgl. dazu Lausberg (1960; 29, 257–260) und die älteren Sammlungen von Henrici (1913; 1914) sowie die Diskussion bei Ganslmayer (2016: 86–90).



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wechseln. So verwendet er etwa in einem Liebeslied an seine zukünftige Frau die Sprachen Slowenisch, Deutsch, Französisch und Latein nach einem vorher festgelegten Muster (Klein 2015: 119): Bog de primi! was dustu da? gra mersi ty sine cura. Ich fraw mich zwar, quod video te. cum bon amor jassem toge. Dut mi sperancz na te stroio, wan du bist glancz cum gaudeo. Opera mea ich dir halt na dobri si slusba baß calt.

Grüß dich Gott! Was tust du da? Vielen Dank dir ohne Sorge. Ich freue mich wirklich, dass ich dich sehe. In großer Liebe bin ich dein. Alle meine Hoffnung baue ich auf dich, denn du bist Glanz, an dem ich mich freue. Meine Taten widme ich dir mit guten und unablässigen Diensten.

In jedem Vers dieses dreistrophigen Liedes stoßen in der Regel zwei verschiedene Sprachen aufeinander, so dass in jeder Strophe mindestens 14-mal ein Wechsel zwischen den verschiedenen Sprachen stattfindet In einem anderen Lied (Klein 2015: 69) zieht Oswald zusätzlich noch das Ungarische, Italienische und Provenzalische heran, so dass sich insgesamt sieben Sprachen abwechseln.31 Dabei ist bemerkenswert, dass er neben den Prestigesprachen Latein und Französisch vor allem die Nachbarsprachen seiner österreichischen Heimat verwendet, so dass bei seinem Publikum durchaus eine Rezeptionsmöglichkeit bestanden haben kann. Zumindest aber lassen diese Texte eine Wertschätzung von Vielsprachigkeit erkennen, die in der damaligen Gesellschaft verbreitet gewesen sein muss, damit diese Montage von CS-Prozessen als Zeichen von Weltkenntnis und Kunstfertigkeit verstanden werden und damit auch der Selbstinszenierung des Autors dienen konnte. In der Epoche des Humanismus und des Barock nimmt die Freude am literarisch arrangierten Sprachwechsel noch weiter zu, wobei sich das Interesse nicht so sehr auf die Anzahl der verwendeten Sprachen richtet, sondern auf die Intensivierung ihrer Durchmischung (Gärtner 1975; Henrici 1913; 1914; Hess 1971). Besonders der morphologische Sprachwechsel innerhalb ein und desselben Wortes wurde nun zu einem konstitutiven Element, wobei mit Vorliebe deutsche Wortstämme mit lateinischen Flexionsendungen oder Wortbildungselementen versehen wurden, wie es etwa an dem bekannten Hexameter sichtbar wird: „Wachteri venerunt cum spissibus atque laternis“ (,Die Wächter kamen herbei mit Spießen und Laternen‘). Daraus entwickelte sich sogar eine eigene literarische Gattung, die man als makkaronische Poesie bezeichnet und in der vor allem spielerisch-

31 Zu diesen Liedern und ihrer Mehrsprachigkeit ausführlich Wachinger (1977), dessen Textfassung hier übernommen wurde.

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heitere oder satirisch-polemische Inhalte behandelt wurden (Blümlein 1900; de Boer 1996; Genthe 1836). Neben dieser makkaronischen Kultivierung des CS, die in Deutschland bis ins 19. Jahrhundert gepflegt wurde, behielt jedoch auch die Barbarolexis mit möglichst vielen Sprachen ihren literarischen Reiz, was etwa an einem Brief Mozarts an seine Schwester Nannerl aus dem Jahr 1787 deutlich wird:32 Cara sorella mia… Je say Dir veramente nihil mehr di scribere und dessentwegen je faisois un piccolo quodlibet.

Meine liebe Schwester… Ich weiß Dir wirklich nichts mehr zu schreiben und deswegen habe ich ein kleines Quodlibet gemacht.

Gerade an diesem Beispiel stellt sich die Frage, ob die spielerisch kultivierte Barbarolexis allein auf eine aus der Antike stammende autonome Literaturtradition zurückgeht oder ob nicht auch mit einer möglichen Polygenese zu rechnen ist. Letzteres würde die Annahme nahelegen, dass bei Gesprächspartnern, die über die gleiche Mehrsprachigkeit verfügen und sich dessen bewusst sind, ein gewisser Anreiz dazu ausgeht, auch ohne kommunikative Notwendigkeit von den Möglichkeiten der verschiedenen Sprachen spielerisch Gebrauch zu machen oder sogar damit zu jonglieren. Auf jeden Fall erscheint es bemerkenswert, dass diese CS-Kultivierung gerade in Kreisen mit gehobener sprachlicher Ausbildung immer erneut auftritt, obwohl sie schon bei den Grammatikern der Antike verpönt war und auch in Deutschland seit dem Aufkommen von Sprachpflege und Schulunterricht intensiv als Sprachmengerei bekämpft wurde (von Polenz 2013: 52–65, 129–143). Auch an dieser Resistenz könnte damit letztlich die Universalität des CS zum Ausdruck kommen.

6 Resümee und Ausblick Während der gesamten Sprachgeschichte des Deutschen hat das CS mit den jeweils beherrschten Kontaktsprachen eine bedeutende Rolle gespielt, indem es unterschiedliche kommunikative Funktionen in den verschiedenen Entwicklungsphasen erfüllte und zugleich den Sprachwandel maßgeblich beeinflusste. Das kann als ein Hauptergebnis dieser Pilotstudie gelten, die darauf ausgerichtet war, möglichst alle Kontaktsprachen, die in der vormodernen Sprachgeschichte in Gebrauch waren, in den Blick zu nehmen und ihren Spuren in der schriftli-

32 Zitiert nach von Polenz (2013: 73).



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chen Überlieferung nachzugehen. Dabei zeigte sich eine erstaunliche Vielfalt von CS-Prozessen, die in ihren Formen und Funktionen ein breites Spektrum erkennen ließen. Sie verdienen eine weitere und wesentlich systematischere Untersuchung, schon weil sie die Kenntnisse, die die gegenwartsbezogene CS-Forschung bereitstellt, erheblich erweitern können. Daneben zeigte dieser erste Überblick, dass die schriftliche Überlieferung nur einen geringen Teil der in der historischen Kommunikation verwendeten CS-Prozesse sichtbar macht, da die damaligen Schreiber nur jene Fälle aufzeichneten, die ihnen als bemerkenswert erschienen. Dadurch aber können die Selektionskriterien, die sie dabei anwendeten, als Indikatoren für die historischen Sprachbewertungssysteme fruchtbar gemacht werden. Die konkreten Belege der Überlieferung bieten daher nicht nur einen prominenten Ausschnitt aus der Gesamtheit der CS-Prozesse, sondern geben zugleich Aufschlüsse über die historischen Sprachbewertungen und ihre Maßstäbe. Weitere Forschungen auf diesem Gebiet stellen vor diesem Hintergrund eine ertragreiche Aufgabe dar, für die es sinnvoll erscheint, einige der bisherigen Befunde zusammenzufassen. 1. Das historische CS hat einen maßgeblichen Einfluss auf die sprachgeschichtlichen Entwicklungen genommen, da es zunächst als Ausgangspunkt für weitreichende Entlehnungen anzusehen ist, wie sie besonders deutlich am Beispiel der französisch-deutschen Sprachmischung beim höfischen Rittertum sichtbar wurden (dazu ausführlich Kap. 4.1.). Weitergehende Wirkungen kamen etwa in der Kaufmannssprache des Mittelmeerhandels in den Blick, wo sich die Entstehung eines fused lect abzeichnete. Darüber hinaus aber wurde CS auch als Ausgangspunkt für den radikalsten aller Sprachwandlungsprozesse sichtbar, nämlich für den language shift, den vollständigen Übergang in die Zweitsprache, was sich an der Übernahme der hochdeutschen Regionalsprachen in Niederdeutschland zeigte, was aber auch durch den historischen Sprachwechsel grenznaher Siedlungen vielfach belegt wird. Diese unterschiedlichen Grade des Sprachwandels verdienen auch deshalb eine genauere Untersuchung, weil sie nicht nur die außersprachlichen Konstellationen, unter denen er sich vollzog, erkennen lassen können, sondern auch den dynamischen Ablauf derartiger Prozesse. 2. Der Erkenntniswert des CS für die Kommunikationsgeschichte beruht zunächst auf der Vielfalt seiner Erscheinungsformen und Kontextbedingungen, die ein breites Spektrum von Möglichkeiten sichtbar machen, unter denen Sätze, Wendungen, Einzelwörter und grammatische Morpheme aus Zweitsprachen eingefügt wurden und die den beträchtlichen Umfang der damaligen Verständigungsmöglichkeiten erkennen lassen. Noch aufschlussreicher aber erscheinen die pragmalinguistischen Funktionen, bei denen einige Typen hervortraten, die in gegenwartsbezogenen Beschreibungen nur eine geringe Rolle spielen wie etwa die

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Statusmarkierung, die Kontrastierung von Lebenswelten, die Demonstration von Gelehrsamkeit, die Erzeugung von Wirklichkeitsnähe und der Sprachschmuck. Wertvolle Hinweise auf die damaligen Sprachbewertungen ergaben sich auch aus den Selektionskriterien, die die Schreiber bei der Aufnahme der CS-Prozesse in die Schriftlichkeit zugrunde legten. So zeichnete sich eine Prestigehierarchie der Kontaktsprachen ab, die vom Französischen und Italienischen angeführt wurde, während die Nachbarsprachen des Nordens und Ostens weniger Beachtung fanden. Daneben begünstigte ein hoher Sozialstatus der Sprecher die Aufnahme in die Schriftlichkeit und nicht zuletzt eine stilistische Auffälligkeit, bei der jene spielerischen und parodistischen Effekte bevorzugt wurden, aus denen schließlich die Literaturgattung der makkaronischen Dichtung hervorging. All dies macht die historische CS-Forschung auch für die historische Soziolinguistik zu einer ergiebigen Erkenntnisquelle, die es weiter zu erschließen gilt. 3. Eine systematische Untersuchung der historischen CS-Prozesse ist aber nicht zuletzt aus wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive von großer Bedeutung. Denn sie trägt einerseits zur Erweiterung der traditionellen auf die Nationalsprachen bezogenen Perspektive bei, indem sie die deutsche Sprachentwicklung in einen Zusammenhang mit den gesamteuropäischen Verhältnissen stellt und damit die einseitige Ausrichtung der älteren Forschung auf die Stammbaumtheorie und den sprachimmanenten Wandel überwinden hilft. Andererseits aber kann sie auch etwas zeigen, was heute nicht mehr als selbstverständlich gilt, nämlich dass Sprachgeschichtsforschung einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der gegenwärtig aktuellen Fragen und Verhältnisse leistet.

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Vincenz Schwab

Codemixing und Codeswitching: Volkssprachige Inserte in Rechtsquellen des Frühmittelalters Volkssprachige Wörter im Kontext überwiegend lateinischer Schriftzeugnisse, sogenannte Inserte,1 bilden die früheste Stufe einer schriftlichen Überlieferung des Deutschen. Sie gehen der Glossen- und der Textüberlieferung chronologisch voraus. Solche Inserte in lateinischen Texten begegnen z. B. in Kapitularien, Urkunden, Chroniken, Viten, Briefen und medizinischen Fachschriften (Seebold 2008: 113 und Prinz 2010: 294) sowie in den als Leges barbarorum bezeichneten germanischen Stammesrechten.2 Dieser Quellenkomplex reicht bis in eine Zeit zurück, aus der – außer vereinzelten Zeugnissen in Runeninschrift und der Überlieferung von Eigennamen (Stricker & Kremer 2018: 44) – kaum Dokumente auf uns gekommen sind. In absoluten Zahlen gesprochen setzt die Überlieferung der Leges barbarorum im 7. Jahrhundert ein und findet ihren Höhepunkt im 8. bis 10. Jahrhundert. Die Ursprünge der niedergeschriebenen Inhalte reichen allerdings noch weiter zurück und erstrecken sich bis in voralthochdeutsche Zeit, mit dem merowingischen Pactus Legis Salicae bis in das frühe 6. Jahrhundert und dem westgotischen Codex Euricianus sogar bis in das späte 5. Jahrhundert (Schwab & Kremer 2018: 244). Trotz ihres hohen Alters klafft in Bezug auf die Leges barbarorum eine Lücke dort, wo ein Gesamtnachschlagewerk für die Glossen und inzwischen in weiten Teilen für die Texte des Althochdeutschen zur Verfügung steht.3

1 Ein Überblick über die Begriffsbildung und Bezeichnungshistorie findet sich bei Schwab (2017, 11f.) 2 Weiterführende Informationen zu den Leges barbarorum, deren geschichtlichen Hintergründen, handschriftlicher Überlieferung und dem volkssprachigen Wortschatz darin liefert das Projekt „Digitale Erfassung und Erschließung des volkssprachigen Wortschatzes der kontinentalwestgermanischen Leges barbarorum in einer Datenbank“ (https://legit.germ-ling.uni-bamberg. de/), ein DFG-gefördertes Forschungsprojekt, das seit 2012 an der Universität Bamberg betrieben wird, um die Überlieferung volkssprachigen Wortschatzes innerhalb der westgermanischen Leges barbarorum in einer Datenbank zu erfassen und aufzubereiten. 3 Vor allem durch das Althochdeutsche Wörterbuch (AWB) sowie Steinmeyers Edition der althochdeutschen Glossen (StSG) und Schützeichels Althochdeutschen und altsächsischen Glossenwortschatz (GW). Vincenz Schwab: Bayerisches Wörterbuch, Bayerische Akademie der Wissenschaften, Tel.: +4989-230311180, E-Mail: [email protected]. https://doi.org/10.1515/9783110752793-004

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 Vincenz Schwab

Es fehlen Editionen, die den aktuellen philologischen Ansprüchen genügen würden, und in der grammatischen Erschließung sind bisher nur ausgewählte Teilaspekte berücksichtigt worden (vgl. Schwab 2017: 570, Anm. 199). Nachschlagewerke sparen bis auf einige wenige Ausnahmen4 die Legeswörter in Ermangelung philologisch genügender Editionen vollständig oder in weiten Teilen aus. Dabei verspricht die Erschließung dieses Wortschatzes und seine funktionale Auswertung Erkenntnisse für die Sprachwissenschaft, die durch keine vergleichbar alten Dokumente zu gewinnen sind. Im Folgenden wird dies aus sprachsoziologischer Perspektive unternommen, um Formen und Funktionen des Code-Switching und -Mixing in den frühmittelalterlichen Stammesrechten zu beleuchten, wie sie Pieter Muysken in seiner Typology of Code-mixing (2000) klassifiziert.

1 Formen des Sprachenwechsels „Language interaction phenomena“ (Muysken 2000: 23) begegnen in den Leges barbarorum in unterschiedlicher Gestalt. Dabei werden linguistische Einheiten wie Stämme, Flexive, Wörter oder Phrasen aus zwei unterschiedlichen grammatischen Systemen innerhalb eines Satzes oder Gesprächs verwendet. Für diesen intrasententiellen Sprachenwechsel ist in der Forschung die Bezeichnung des Code-Mixing gewählt worden (Bhatia & Ritchie 2013: Kap. 15, sowie Stell & Yakpo 2015: 2), um eine Abgrenzung zu Code-Switch-Prozessen zu profilieren, die nach dem hier gewählten Verständnis einen intersententiellen Sprachenwechsel an der Bruchstelle einzelner Äußerungen aufweisen. Neben zahlreichen weiteren Möglichkeiten kann auch hinsichtlich pragmatischer Salienz unterschieden werden: Dann sind Bruchstellen des Code-Mixing und Switch-Punkte kaum bis überhaupt nicht markiert, wohingegen Sprecher beim Code-Switching ein Bewusstsein der Code-Alternation zweier strukturell unterschiedlicher Codes zeigen. Entscheidend für eine Differenzierung sind in jedem Fall der syntaktische Anschluss sowie die Einbettung volkssprachiger Elemente und eine etwaige Ankündigung des nachfolgenden Sprachenwechsels.

4 Hervorzuheben sind hier besonders das Deutsche Rechtswörterbuch (DRW) und das Altsächsische Wörterbuch (ASH), die auf ausgewählte Quellen frühmittelalterlichen Stammesrechts zurückgreifen.



Volkssprachige Inserte in Rechtsquellen des Frühmittelalters 

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1.1 Unmarkiertes Code-Mixing: Insertion Als Insertion im eigentlichen Sinne werden Fälle bezeichnet, bei denen fremdsprachige lexikalische Einheiten aus einem grammatischen System in den Kontext einer demgegenüber dominierenden Matrixstruktur überführt werden: (1) LLan C Tit. XX. 2: Si quis res suas alii tingare voluerit non absconse, sed ante liberos homines ipsum garetinx faciat, quatenus qui tingat et qui gisel fuerit, liberi sint, ut nulla in posterum oriatur intentio.5 (MGH LL IV: 253) Wenn jemand einem anderen sein Vermögen öffentlich ausdingen will, soll er aber das Speergedinge in Gegenwart freier Männer verrichten, bis derjenige, der ausdingt und derjenige, der als Geisel fungiert, Freie sind, damit sich danach kein Streit erhebt.6

Rund 85% der volkssprachigen Elemente in den bislang im LegIT-Projekt erfassten Stammesrechten werden nach diesem Verfahren in den lateinischen Matrixtext eingeflochten, also inseriert. Der Sprachenwechsel vollzieht sich unmittelbar und ohne vorherige Indikation; syntaktisch übernehmen die Wörter die Funktion eines Satzgliedes innerhalb des lateinischen Rahmentextes. Dabei kann eine Anpassung an die Matrixstruktur stattfinden, wie es die lateinische Verbalableitung tingare aus dem Deutschen thing (AWB 2, 464–483) zeigt; gisel und garetinx entbehren dagegen einer solchen flexionsmorphologischen Integration. Ungeachtet der unterschiedlich starken Adaption an die Matrixstruktur werden alle vergleichbaren Elemente mit einer germanischen Wortgeschichte im mittellateinischen Kontext als Inserte bezeichnet. Für diesen Quellenkomplex waren zunächst andere Bezeichnungsvorschläge wie Einschiebsel (Henkel & Palmer 1992: 16) und Einsprengsel (Seebold ChWdW8, 62) gemacht worden, doch konnte sich die Bezeichnung Insert für diese Überlieferungsform etablieren (Prinz 2010).

1.2 M  arkiertes Codeswitching: Alternation (id est, hoc est usw.) Eine Möglichkeit, den bevorstehenden Sprachenwechsel explizit kenntlich zu machen, bilden einleitende lateinische Formeln wie id est, hoc est, usw. Dabei wird die semantische Relation der lexikalischen Äquivalenz durch die formelhafte Ankündigung des Sprachenwechsels bereits vorweggenommen. Das volksspra-

5 https://db.legit.ahd-portal.germ-ling.uni-bamberg.de/passages/2814 [26.6.2019]. 6 Hier und im Weiteren eigene Übersetzung.

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 Vincenz Schwab

chige Element ist in einem untergeordneten Nebensatz nachgeschaltet, Wörter lateinischen Ursprungs werden darin vernakulärsprachig paraphrasiert. So kann entweder das sprachliche Defizit auf Seiten von Sprechern ohne ausreichende Kenntnis des jeweils anderen Codes behoben oder ein Rechtsterminus durch eine entsprechende Legaldefinition expliziert werden (Schwab 2017: 557–562). (2) LBai Tit. XVI, 17: Si causa fuerit inter illos pugnae, dicat ille qui wadium suscepit: Iniuste territorium meum alteri firmasti, id est farsuuirotos, ipsum mihi debes reddere et cum XII sol. conponere.7 (MGH LL nat. Germ. I,5,2: 444) Wenn die Sache zwischen jenen zum Kampf ausarten sollte, spreche jener, der das Pfand an sich genommen hat: Wider das Gesetz hast du mein Land einem anderen zugesichert, das bedeutet falsch geschworen, und eben das musst du mir zurückerstatten und mit zwölf Schillingen büßen.

Solche Zusätze eines fakultativen, peripheren Ausdrucks (Poplack 1980: 581– 618), der kein Satzglied im Matrixsatz bildet, können als Sprachalternation bezeichnet werden. Häufig sind sie syntaktisch in Form einer Apposition realisiert; eine Struktur, die auch die Malbergischen Glossen im salfränkischen Recht als erste breit angelegte und systematische Verschriftlichung der Volkssprache zeigen.8 Dort wird der rechtliche Terminus technicus durch die Einleitungsformel mallobergo ‘bei Gericht …ʼ angekündigt (Olberg 1991: 235). (3) PLSal §9: Si quis hominem mortuum, antequam in terra mittatur, in furtum expoliauerit, cui fuerit adprobatum, mallobergo chreomosido sunt IVM denarios qui faciunt solides C culpabilis iudicetur. (MGH LL nat. germ. 4,1: 68) Wenn einer heimlich einen Leichnam plündert, bevor dieser zu Grabe gelassen wird, bei Gericht ‚Leichen-Beraubung‘, und es wird ihm nachgewiesen, dann sei er 100 Schillinge schuldig.

Auch hier ist der vernakuläre Zusatz fakultativ: Er steht außerhalb der Syntax und überträgt appositionell einen zuvor lateinisch benannten Rechtstatbestand.

7 https://db.legit.ahd-portal.germ-ling.uni-bamberg.de/passages/155 [26.6.2019]. 8 Zu Formen und Funktionen von Codeswitching in Gestalt althochdeutscher und altsächsischer Glossen vergleiche Wich-Reif im vorliegenden Band.



Volkssprachige Inserte in Rechtsquellen des Frühmittelalters 

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1.3 Durch Verba dicendi markiertes Codeswitching 1.3.1 Verba dicendi der ersten Person Als weitaus häufigste Indikatoren für den Sprachenwechsel werden Verba dicendi wie dicere, vocare oder appellare verwendet. Auch sie weisen – trotz einer zum Teil augenscheinlichen graphisch-phonologischen Differenz zwischen lateinischem Text und deutschem Wort – explizit auf Codeswitching hin. Stehen diese in der ersten Person (quem/quam/quod … dicimus/vocamus/appellamus), charakterisieren sie ein inseriertes volkssprachiges Wort als dem eigenen Sprachgebrauch zugehörig (Beyerle 1956: 100f. und Schwab 2014). Auf morphosyntaktischer Ebene handelt es sich ebenfalls um inserierte Satzglieder. Auch in diesem Fall wird keine syntaktische Funktion im Matrixtext substituiert, sondern in einem restriktiven oder appositiven Relativsatz der lateinische Kopf der Struktur erläutert. Dabei ist die Relation zwischen Bezugswort und Insert ungefähr symmetrisch, bezeichnetes Designat oder die Proposition sind in beiden Sprachen identisch. (4) LAla (B10) Tit. LXIX, 2: Et si ille talem equum involaverit, quem nos marach vocamus, sic eum solvat sicut et illum amissarium.9 (MGH nat. Germ. I,5,1: 131) Und wenn jener ein solches Pferd entwendet, zu dem wir ‚Ross‘ sagen, so büße er dafür wie für den Deckhengst.

1.3.2 Verba dicendi der dritten Person ohne Nomen gentis Die Verba dicendi der dritten Person Plural (quem/quam/quod/hoc dicunt/vocant/ appellant …) kündigen ebenfalls Codeswitching zur Volkssprache an; im Unterschied zum inklusiven Sprechen der ersten Person wird allerdings durch diese Einleitungsformen eine Distanzstellung erzeugt und ein Perspektivenwechsel vorgenommen, eine beinahe despektierlich anmutende Abgrenzung zu der Sprechergruppe, der die Kompilatoren ausdrücklich nicht angehören – sozusagen vom Richtenden hin zu denen, über die gerichtet wird (Rindler-Schjerve 1989: 3).

9 https://db.legit.ahd-portal.germ-ling.uni-bamberg.de/passages/629 [26.6.2019].

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(5) LFris Add. sap., Cap. 35: Si brachium aut crus percussum fuerit et ex ipsa percussione decrescerit a sua grossitudine, quam prius habuerit, quod smelido dicunt, ter IIII solid(is) comp(onatur).10 (MGH LL VIII: 86) Wenn ein Arm oder Bein geschlagen wird und sein Umfang durch diesen Schlag im Vergleich zu früher abnimmt, was sie ‚Zusammenschrumpfung‘ nennen, wird dies mit dreimal vier Schillingen entschädigt.11

Vergleichbar sind solche Einbettungsstrukturen mit den in anderen Quellen häufigen „vulgo/vulgariter … dicitur“-Formulierungen, deren negative Konnotation seit Quintilian bereits an anderer Stelle nachgewiesen wurde (Müller 2001: 146). In den Leges barbarorum ist eine solche Abwertung für das Codeswitching zwischen Latein und den Barbarismen durch den Verweis auf die Sprache des populus ausgedrückt: (6) LBai Tit. IV, 1 (A2/L): Si quis liberum per iram percusserit, quod populus slac dicunt, I sold. donet.12 (MGH LL nat. germ. I,5,2: 316) Wenn jemand einen Freien im Zorn schlägt, wozu das Volk ‚Schlag‘ sagt, der zahle einen Schilling.

1.3.3 Verba dicendi der dritten Person mit Nomen gentis Inserte, die durch Nennung eines Gentilnomens eingeleitet werden, haben in der Forschung bisher die größte Aufmerksamkeit erfahren13. Das Insertionsverfahren mit Verweis auf eine bestimmte Sprechergruppe ist nur für die Lex Alamannorum, Baiuvariorum, Saxonum und Thuringorum belegt (Schwab 2017: 561). Sie bilden in den jeweiligen Stammesrechten allerdings nur bis zu 10% aller volkssprachigen Bestandteile. Die Markierung nach diesem Muster bringt gentiles Bewusstsein zum Ausdruck und grenzt ein Volksrecht deutlich von anderen ab (Elspaß 2010: 65). So kommt bei den „quod XY … dicunt“-Einschüben Regionalsprachlichkeit und Arealität zum Ausdruck. Durch einen sprachgruppenspezifischen Termi-

10 https://db.legit.ahd-portal.germ-ling.uni-bamberg.de/passages/3749 [26.6.2019]. 11 Das Insert smelido ist ein Verbalabstraktum mittels -do zu afr. smel(i)a ‚schmälern‘ (Niederhellmann: 293). 12 https://db.legit.ahd-portal.germ-ling.uni-bamberg.de/passages/187 [26.6.2019]. 13 So zum Beispiel in den Untersuchungen von De Rosa (2001) und Haubrichs (2017) zu den quod Alamanni dicunt-Wörtern und Tiefenbach (2004) zu Inserten, die durch Quod Paiuuarii dicunt-Ankündigung eingeleitet werden.



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nus wird auch hier in einem untergeordneten Nebensatz lexikalische Kongruenz erzielt (Schwab 2014). Das Insert steht satzgliedwertig in einer lateinischen Umrahmung. (7) LAla B Tit. LX, 3: Si enim medietatem auris absciderit, quod orscardi Alamanni dicunt, cum 6 solidis conponat.14 (MGH nat. Germ. I,5,2: 118) Wenn er aber das halbe Ohr abschlägt, wozu die Alemannen ‚Ohrenscharte‘ sagen, büße er mit sechs Schillingen.

2 Funktionen des Sprachenwechsels Bei den germanischen Völkerschaften hatte bereits lange vor der Abfassung der Leges barbarorum für viele Bereiche eine normative Ordnung bestanden, die in mündlichem Gewohnheitsrecht überliefert wurde. Alltägliches Leben, und das schließt das Rechtsleben mit ein, spielte sich in einer romanischen oder germanischen Volkssprache ab (Buchner 1953: 3). Schriftkulturelle Dokumente waren dagegen über das gesamte Mittelalter und weit darüber hinaus der Lingua Franca Latein vorbehalten. Indem die ehemals orale germanische Rechtskultur in Schriftsprache überführt wurde, fanden nun vereinzelt auch deutsche Wörter Einzug in den lateinischen Rahmentext (Dilcher 2006: 37). Allerdings erzielen „Ausdrucksweisen, die offensichtlich nicht in einen bestimmten Text ,hineingehören‘“ immer auch stilistische Effekte (Eroms 2014: 23). Anders als in der gegenwartssprachlichen Forschung der gesprochenen Sprache, in der Sprünge zwischen zwei sprachlichen Codes zum Teil als unbewusstes Phänomen charakterisiert werden,15 ist in einer konzeptionell schriftlichen Gattung wie dem Gesetzestext davon auszugehen, dass die Kopräsenz von Latein und Deutsch ganz bewusst gewählt ist. Zu klären bleibt die Frage, wie diese Sprachvermengung funktional motiviert ist.16

14 https://db.legit.ahd-portal.germ-ling.uni-bamberg.de/passages/791 [26.6.2019]. 15 Ein Phänomen, das sich aus situativen Faktoren, sozial-emotionaler Bindung, Themen- oder Gesprächsteilnehmerwechsel, Sprachdominanz, systemischem Mangel an Ausdrucksmöglichkeit oder individuellem Mangel an Einträgen im mentalen Lexikon ergibt (sieh v. a. Albrecht 2006: 23–52 und Auer 1998). 16 Eine Typisierung möglicher Intentionen und Funktionen der „Sprachsprünge“ im Frühmittelalter über die in dieser Hinsicht als Sonderform zu deklarierende Quellengattung der Rechtstexte hinaus gibt Schmid (2017: 3–4).

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2.1 Defizithypothese Es darf als gesichert gelten, dass die sprachlichen Register Latein und Deutsch von der schriftkundigen, bilingualen Elite des Mittelalters auf einem Niveau beherrscht wurden, das eine einheitliche Ausdrucksweise einer Äußerung in beiden der Codes zugelassen hätte (Müller 2016: 117). Codeswitching und -mixing mit Deutsch ergeben sich folglich nicht sprecher-, sondern sprachenbedingt, nicht durch asymmetrische Sprachkompetenz der Sprecher in zwei unterschiedlichen grammatischen Systemen (Muysken 2000), sondern in Ermangelung adäquater Ausdrucksmöglichkeiten in einem der Systeme. Da die grammatischen Strukturen des Lateinischen und Althochdeutschen nicht übereinstimmen, stand ein lateinischer Ausdruck häufig einfach nicht oder nicht in ausreichender Weise zur Verfügung (Tiefenbach 2009: 960). Davon betroffen sind in erster Linie nominale Komposita, denn mittels der seit jeher hochgradig produktiven Zusammensetzung konnten schon in der Frühphase des Deutschen komplexe Sachverhalte durch einen prägnanten Begriff sprachlich realisiert werden (Fruscione 2006: 171). (8) PLSal § 14: Si quis puella sponsata dructe ducente ad maritum et eam in uia aliquis adsallierit et cum ipsa uiolenter moechatus fuerit, mallobergo gangichaldo, sunt denarii VIIIM qui faciunt solidos CC culpabilis iudicetur. (MGH LL nat. Germ. 4,1: 63) Wenn jemand einem verlobten Mädchen bei ihrem Hochzeitszug folgt, und diese gerade auf dem Weg zu ihrer Vermählung ist, er sie auf der Straße angreift und sie gewalttätig zum Sex zwingt, bei Gericht gangi-chaldo (*Gangaufhaltung?), dann sei er 8000 Denare schuldig, die 200 Schillinge ergeben.

In der Zusammensetzung *ganga-haldō ist mehr Information enthalten, als die Überführung der Kompositionsglieder in ihre phonologischen Fortläufer der Gegenwartssprache unter Berücksichtigung der morphologischen Struktur bietet: „Gangaufhaltung“, wie bei Köbler zu lesen ist17, wird dem beschriebenen Sachverhalt jedenfalls nicht gerecht und ist nicht einmal ein deutsches Wort, zumindest nicht, wenn man die geläufigen Wörterbücher der Gegenwartssprache als Maßstab nehmen möchte. Verbunden ist mit dem Kompositum ausdrucksstarke Bildsprache: Der vernakuläre Begriff für den sexuell motivierten ‚Hinterhalt beim Brautzug‘ (ChWdW8: 353) ist ebenso wenig mit der lateinischen Paraphrase deckungsgleich. Eine Übertragung der einzelnen Bestandteile in die Matrixsprache Latein unter Beibehaltung der morphologischen Struktur wäre

17 http://www.koeblergerhard.de/anfrk/4A/anfrk_nhd.html [26.6.2019].



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überhaupt nicht möglich. Diese hochartifizielle germanische Terminologie steht einem Mangel adäquater lateinischer Entsprechungen gegenüber; für die aus einer präliterarischen Rechtskultur überkommenen Begrifflichkeiten (SchmidtWiegand 1978: 172) und die rohe Gewalttat, die sich realiter dahinter verbarg, kannte die lateinische Rechtssprache schlichtweg nichts Vergleichbares.

2.2 Fachsprache Damit ist ein zweiter Aspekt bereits benannt: Bei den vernakulären Wörtern handelt es sich in weiten Teilen um Ausdrücke aus der Rechtskultur und mit diesen frühesten Nachweisen für eine Rechtssprache auch um die ältesten Dokumente einer deutschen Fachsprache überhaupt: Ein volkssprachiger Rechtsausdruck benennt schlagwortartig den für einen Rechtsgang gültigen Begriff (Tiefenbach 2009: 960). Diese Ausdrücke sind alltagssprachlichen Ursprungs, werden in den Rechtskontext transferiert (See 1964: 2) und etablieren dort eine fachsprachliche Präzisierung und Differenzierung. Sie zeigen einen hohen Grad an Lexikalisierung, sodass es sich im Unterschied zur Alltagssprache um Sondersprache, genauer gesagt um Trümmerteile (Untermann 1989) aus einer oder mehreren Fachsprachen handelt. Dabei begegnen neben den juristischen Begrifflichkeiten auch Wörter aus den Bereichen Medizin, Flora und Fauna, Tierwelt und Architektur.18 Bei vielen Inserten gerade aus dem Rechtswesen ist zu vermuten, dass sie eine terminologische Verbindlichkeit besaßen und ihre Nennung bei Gericht verpflichtend war – durch sie vollzog sich ein Urteilsspruch, der allen Anwesenden bei solchen Gerichtsversammlungen verständlich und vertraut war (See 1964: 20).

2.3 Pragmatischer Effekt: Gruppenidentität Zuletzt dürfen soziolinguistische Faktoren nicht außer Acht gelassen werden (Myers-Scotton 1993): Der einleitend beschriebene Stileffekt des Codemixing und -switching mit deutschen Wörtern in den Leges barbarorum ist sicher auch im bewussten Festhalten an alten Formen zu sehen (Sonderegger 2003: 137). Diese Perseveration von Wörtern ist als ideologische Positionierung der Völkerschaften zu lesen, die gegen eine „Überfremdung des eigenen germanisch-deutschen

18 Eine thematische Gliederung des Wortschatzes findet sich unter https://db.legit.ahd-portal. germ-ling.uni-bamberg.de/topics [26.6.2019].

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Rechts- und Werteempfindens“ (Siems 2006: 231) an den althergebrachten Begrifflichkeiten des Identifikationsvolkes, also der eigenen Vorfahren, festhielten. Nach der frühmittelalterlichen Auffassung von personalem Recht stand jede Person (im Gegensatz zum heute gültigen territorialen Gesetz) unter dem Schutz seines „Stammesrechts“; gentiler Stolz drückt sich auch darin aus, dass Alemannen, Bayern oder Ribuarier in ihrem Stammesrecht jeweils bevorzugt behandelt werden müssen. Sprachlich eignen sich besonders die Verba dicendi der ersten Person (quem/quam/quod/ … dicimus/vocamus) zu diesem Zweck; sie bilden eine „Kartusche für provinzielle Ausdrücke, bei der es Sache der Kanzlei sein mochte, das jeweils zutreffende Wort einzusetzen“ (Beyerle 1956: 100f.). Auf diese Weise eingebettete Ausdrücke stellen einen zeitpersistenten Spiegel eigener regionaler Sprachvarietät dar (Schwab 2014: 269–272).

3 Die Leges barbarorum als Mischtext Zu klären bleibt, wie sich diese intensive Durchdringung der mittellateinischen Leges barbarorum durch germanisch-volkssprachiges Wortgut bewerten lässt und wie die dargestellten Formen des Codemixing und -switching von Entlehnungsprozessen zu unterscheiden sind (Poplack 2001: 2062–2065, vgl. auch Schendl im vorliegenden Band). Von Christine Ganslmayer (2016) sind in diesem Zusammenhang die Leges-Quellen als ein Mischtext aus Sprachkombination und Sprachmischung bezeichnet worden, dessen formaler Fremdheitsgrad sich nach vordefinierten Parametern eruieren ließe. Ein Mischtext weist dabei einen umso höheren Fremdheitsgrad auf, je häufiger nicht-native Strukturen auftreten und je weniger diese an das native System angepasst sind; dazu kommen Häufigkeit und Markierung der Sprachkombination und -mischung, wobei häufige, unmarkierte Wechsel sowie nicht-integrierte und hybride Konstruktionen als prototypisch für Mischtexte erachtet werden (Ganslmayr 2016: 84). Rein volkssprachige Wörter (wie die durch Verba dicendi angekündigten Begriffe) bilden in dieser Hinsicht den einfachsten Fall: Es handelt sich keineswegs um Integrate, denn trotz ihres Satzgliedstatus entbehren diese einer morphosyntaktischen Adaption an ihre lateinische Umgebung. Insofern sind Vertreter dieser Gruppe auch als „Zitatwörter“ klassifiziert worden (Schützeichel 1986), als Nennung fremdsprachiger Wörter, ohne diese dabei in der Zielsprache etablieren zu wollen. Es liegt eine Sprachkombination aus zwei unterschiedlichen grammatischen Systemen vor. Problematischer gelagert ist die Sprachmischung der Legestexte mit phonologisch und/oder morphologisch integrierten Hybriden. Einige von diesen wie



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mallum, fredum und weregeldum waren über die gesamte Germania verbreitet, weisen keine strukturellen Indikatoren mehr für eine Fremdheit auf und dürfen als vollständig in das Mittellateinische integriert gelten. Dennoch tragen sie wegen ihrer germanischen Wortgeschichte als Inserte zum Mischtextcharakter der Leges barbarorum bei; und ihres fremdsprachigen Ursprungs sind sich die Sprecher der Zeit auch bewusst gewesen (Karg-Gasterstädt 1937: 264), denn schließlich bedeuten die Wörter inhaltsseitig Rechtsinstitute aus nicht-römischem Kulturkreis – mallum mit dem Malberg den ‚Versammlungsort des Gerichts‘ und fredum sowie weregeldum das ‚Friedensgeld‘ und ‚Manngeld‘ als Sühneleistung an den oder die Geschädigten. Nachweisen lässt sich die Wahrnehmung dieser sprachlichen Fremdheit zumindest für die Jahrtausendwende, wenn Notker in seiner De arte rhetorica über volkssprachige Wörter in den Leges-Handschriften klagt: (9) Dicendum est quoque de uitiis elocutionis, quae cauenda sunt […] et quae non sunt idonea […] ut sunt barbara, corrupta, inpropria, antiquata, turpia, differenta […] plurima leguntur […] et uueregeldum et fredum […] et omnes barbarismi. (Notker I, 676). Erwähnt werden müssen auch stilistische Fehler, die zu vermeiden sind […] und die gänzlich ungeeignet sind […], das sind volkssprachige Wörter, Verderbtes, Unpassendes, Veraltetes, Hässliches und Abweichungen, […] wie sie häufig zu lesen ist, zum Beispiel uueregeldum und fredum […] und all diese Barbarismen.

Als umso bemerkenswerter muss daher gelten, dass trotz möglicher Formulierungsalternativen in der Matrixsprache (Ganslmayr 2016: 84), die beispielsweise im Falle von mallum durchaus verfügbar gewesen wären (Schwab 2017: 380), Wörter mit germanischer Etymologie Einzug in den lateinischen Text gefunden haben.

4 Zusammenfassung Die Leges barbarorum liefern einen Mischtext, der einer lateinischen Matrixstruktur volkssprachige deutsche Elemente beimengt. Der Sprachenwechsel vollzieht sich intrasententiell und ist formal als (unmarkiertes) Codemixing durch Insertion oder (markiertes) Codeswitching durch Alternation zu beschreiben (Muysken 2000). Morphosyntaktisch begegnen in sämtlichen Einbettungssituationen unterschiedlich stark integrierte Elemente mit germanischer Etymologie; von Einheiten, die ausdrucksseitig nach einem halben Jahrtausend lateinischer Wortgeschichte bereits nicht mehr als fremdsprachig zu erkennen sind, bis hin zu Zitatwörtern, die jeglicher Adaption entbehren und beispielsweise durch Lautverschiebungsprodukte oder deutsche Flexive in deutlicher Disparität zum

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lateinischen Kontext stehen. Inserte, die unangekündigt im lateinischen Text aufscheinen, meist in Gestalt mittellateinischer Hybride, konstituieren die Leges barbarorum als einen Mischtext durch Sprachmischung (vgl. Stricker & Kremer 2014: 241). Die Aufnahme volkssprachiger Wörter in ihrer ursprünglichen Form kennzeichnet die Stammesrechte als Mischtext durch Sprachkombination.19 Als Motivation für den Sprachenwechsel zu Deutsch wurde ein Defizit in den Ausdrucksmöglichkeiten des Lateinischen identifiziert: Der deutsche Rechtsausdruck ist primär; wegen der abweichenden Strukturen der beteiligten Sprachen konnte eine Entsprechung in der Rahmensprache gar nicht gefunden werden. Die Wörter der Volkssprache entstammen zwar allesamt einer Alltagssprache, hatten aber über ihre usuelle Verwendung in spezifischen Kontexten eine Sonderbedeutung entwickelt und somit Fachsprachencharakter ausgebildet. Ihre Verwendung dürfen wir auch als Urteilsspruch betrachten, der vor Gericht geäußert werden musste und somit den Fortbestand in einer durch die lateinische Sprache beherrschten Domäne sicherte. Nicht zuletzt wirkte die Kontinuität solcher althergebrachten Begrifflichkeiten auch identitätsstiftend (Schwab 2014: 269f.): In Phrasen, die eine Rechtsgemeinschaft als Sprechergruppe benennt, kommt gentiles Bewusstsein zum Ausdruck und schärft das Zugehörigkeitsgefühl zu einer gemeinsamen, exklusiven Sprachsozietät.

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19 So die jüngst durch Ganslmayr (2016: 89) vorgeschlagene Terminologisierung.



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Andreas Deutsch

„Als wolte ich in amplissima illa materia … ein Tractat beschreiben“ Zur Rolle von Codeswitching in Rechtsbüchern aus der Rezeptionszeit des römischen Rechts in Deutschland Teütsch red ich mit lateinischer zungen / Darumb hab man der wort wol acht / Die uß latein seind Teütsch gemacht / Die seind (so vil möglich gewesen) / Verteütscht das yeder die mag lesen.1

Diese Worte legte Sebastian Brant 1516 dem sog. „Klagspiegel“ in den Mund. Sie stammen aus Brants Reimvorrede zu einer Neuauflage jenes um 1436 verfassten Rechtsbuchs (Heyden um 1436/1516), das als erstes seiner Art römisch-rechtliche Inhalte in möglichst allgemeinverständlicher deutscher Sprache darstellte, mithin lateinische Gedanken in deutsche Worte fasste (Stintzing 1867: 405–407; Deutsch 2004: 337–437 u. 523–610). Die Kernzüge des römischen Rechts, das bis dahin nur an den Universitäten gelehrt wurde, sollten so den Rechtspraktikern (Richtern, Schöffen, Anwälten usw.) vermittelt werden, die damals in ihrer großen Masse noch unstudiert und vielfach lateinunkundig waren. Nach Erfindung des Buchdrucks entstanden derartige praxisorientierte Rechtshandbücher in großer Zahl, sie sorgten für eine allgemeine Verbreitung römisch-rechtlicher Inhalte auch jenseits der Universitäten und leisteten damit einen maßgeblichen Beitrag für die sogenannte Rezeption des römischen Rechts in Deutschland, welche das Recht Mitteleuropas bis heute nachhaltig prägt (Deutsch 2011 u. 2017: 98; Wittmann 2015: 87–95). Die Hauptleistung der Autoren dieser Rechtsbücher der RezeptionsAnmerkung: Das Zitat im Titel stammt aus Bemel (1587: Bl. iij v.), vollständig abgedruckt ist es unten sub 4 f. 1 Sebastian Brant, Reimvorrede zu: Heyden (um 1436/1516), Bl. A viij r. In diesem und allen folgenden Quellenzitaten ist die u- und v-Schreibung den heutigen Lesegewohnheiten angepasst, z. B. „uß“ statt „vß“, außerdem werden Umlaute statt mit hochgestelltem „e“ in der heute üblichen Form (als ä, ö, ü) dargestellt. Statt Virgeln sind Kommas oder Punkte gesetzt. Andreas Deutsch: Deutsches Rechtswörterbuch, Heidelberger Akademie der Wissenschaften, E-Mail: [email protected]. https://doi.org/10.1515/ 9783110752793-005

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zeit lag neben der möglichst einfachen Darstellung und didaktischen Aufbereitung des Stoffes in der Übersetzung des lateinischen (oder seltener griechischen) Textes, denn der verfügbare deutsche Rechtswortschatz reichte noch lange nicht hin, um alle rechtlichen Sachverhalte sinnvoll zu fassen (Deutsch 2013: 55–61; Schumann 2013). Bisweilen wirken die Rechtsbücher der Rezeptionszeit daher wirklich so, als ob sie deutsch mit ausländischer Zunge sprechen würden, wenn etwa ganz unvermittelt lateinische oder gar griechische Wörter in den deutschen Text eingeschoben werden. Zumeist allerdings geschieht ein solcher Sprachwechsel höchst planmäßig – wie dies für zahlreiche Texte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit typisch ist (vgl. etwa Stolt 1964, Lüdi 1985, Kämmerer 2006; allgemein: Adams 2003, Bergmann 2003, Schendl 2012: 523 mit weiteren Nachweisen). Die unterschiedlichen Arten und Formen fremdsprachiger Einschübe in den Rechtsbüchern der Rezeptionszeit sollen im Folgenden aus dem Blickwinkel des Rechtshistorikers dargestellt und nach Möglichkeit kategorisiert werden. Wie sich zeigen wird, sind die Übergänge zwischen Lehnwortgebrauch und Codeswitching hierbei fließend (vgl. dazu auch Schendl im vorliegenden Band).

1 Codeswitching Die Soziolinguistik bezeichnet mit Codeswitching den – oft mehrfachen – Wechsel von einem Sprechcode (Sprache, Dialekt) zu einem anderen innerhalb eines Textes. So erklärt Monica Heller (1988: 1) „Codeswitching“ sei „the use of more than one language in the course of a single communicative episode“. Lesley Milroy und Pieter Muysken definieren (1995: 7) „Code-switching: the alternative use by bilinguals of two or more languages in the same conversation“. Und Janine Treffers-Daller (2005: 1469) beschreibt „Code-Switching“ als „the alternation of two or more languages in discourse“.2 Bei einem genaueren Blick3 weichen die Auffassungen der Linguisten jedoch oft deutlich voneinander ab. Muysken (1995: 189-191) etwa sieht unter anderem dann kein Codeswitching für gegeben an, wenn nur einzelne fremdsprachige Wörter in einen Text eingeschoben sind, wenn eine morphologische oder syntaktische Anpassung stattfand, wenn die eingeschobenen Wörter als Bestandteil der Matrixsprache empfunden werden oder in

2 Vgl. ferner beispielsweise Myers-Scotton (1997: 217); Lüdi (2004: 341 ff.) 3 Deutlich abweichend erscheint allerdings Veith (2005: 111), der Codeswitching nicht nur als „Varietätenwechsel“ beschreibt, sondern auch als die Fähigkeit, die „Codes“ nach Bedarf zu wechseln.



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ihrer Verwendung einen Bedeutungswandel durchmachen. Shana Poplack und Marjory Meechan (1995: 200) stellen demgegenüber vor allem darauf ab, ob die Einschübe den morphologischen und syntaktischen Regeln der zweiten Sprache folgen oder angepasst sind. François Grosjean (1995: 263) hält Codeswitching auch bei Einfügung einzelner fremdsprachiger Wörter oder kurzer Wendungen für möglich und sieht ein Lehnwort nur dann für gegeben an, wenn die eingefügten Elemente in die Matrixsprache integriert, also adaptiert und inkorporiert wurden. Und Herbert Schendl (2012: 523) genügt schlicht „the use of more than one language in a specific communicative event“. Poplack (2004: 589) kommt daher zum Ergebnis: „There is little consensus in the literature over which aspects should be subsumed under the label code-switching.“ (ähnlich: Adams 2003: 18f.). Vor diesem Hintergrund wäre es vermessen, wenn ein Rechtshistoriker versuchen würde, hierzu eigene Kriterien aufzustellen, die bestehenden Kriterien zu bewerten oder auch nur auf den – dem Fachfremden nur begrenzt zugänglichen  – wissenschaftlichen Diskurs der Linguisten näher einzugehen. Im Folgenden sollen daher nur verschiedene Formen lateinischer Einschübe in die deutschsprachigen Rechtsbücher vorgestellt werden.

2 DRQEdit als Quellensammlung und Hilfsmittel Erschlossen sind die Rechtsbücher der Rezeptionszeit über die frei zugängliche Onlinebibliothek DRQEdit (= Deutschsprachige Rechtsquellen in digitaler Edition, www.drqedit.de), die aus einem DFG-Projekt hervorgegangen ist, an welchem neben der Forschungsstelle Deutsches Rechtswörterbuch an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften das Frankfurter Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte und die Professur für Historisch-Kulturwissenschaftliche Informationsverarbeitung der Universität zu Köln beteiligt waren. In DRQEdit sind die wichtigsten deutschsprachigen juristischen Druckwerke vom Beginn des Buchdrucks bis ans Ende des 16. Jahrhunderts als digitale Faksimiles und zum großen Teil auch als elektronisch durchsuchbare Volltexte zusammengestellt. Das Corpus umfasst rund 450 Werke mit zusammen etwa 90.000 Druckseiten. Viele der Frühdrucke sind heute äußerst selten und waren bislang nur schwer zugänglich (zum Projekt: Bedenbender 2018: 26–42; dies. 2013). Da sich die genannten rund 150 Jahre des Projektzeitraums mit der zentralen Phase der Vollrezeption des römischen Rechts in Deutschland decken, enthält das Corpus (neben anderen Quellen, etwa Stadt- und Landrechten) annähernd alle hier untersuchten Rechtsbücher der Rezeptionszeit. Über die Wortsuchfunktion lassen sich Schlüsselbegriffe wie etwa latein oder teutsch spielend auffinden. Die

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Strukturen einzelner Texte lassen sich durch die beigefügte – ebenfalls durchsuchbare – Gliederungsansicht klarer verstehen. Dies – und weitere, im Folgenden noch anzusprechende Funktionen in DRQEdit – erleichtern eine Analyse der Sprachwechsel in den Quellen von DRQEdit.

3 Der Klagspiegel als Ausgangsbeispiel Selbst in einem einzigen Text können die fremdsprachigen Einschübe sehr unterschiedlichen Zwecken dienen und – zum Teil selbst bei einem einheitlichen Zweck – sehr verschieden ausgestaltet sein, wie sich etwa am eingangs erwähnten „Klagspiegel“ illustrieren lässt. Manche Passagen lesen sich darin wie ein bunter Mischmasch aus Deutsch und Latein, wobei sich jedenfalls in frühen Drucken nicht einmal anhand der Groß- und Kleinschreibung unterscheiden lässt, ob der Autor die fraglichen Wörter als deutsche Fremdwörter oder lateinischen Text begreift. Auch die mal lateinische, mal deutsche Flexionsendung scheint oft eher zufällig. Manchmal ist am Ende eines Wortes vom Drucker auch nur ein Abkürzungszeichen gesetzt, sodass der Leser selbst entscheiden muss, ob er das Wort mit einer deutschen oder lateinischen Endung lesen will. Hier ein zufällig ausgewählter Ausschnitt aus Titel 172 des dem Zivilrecht gewidmeten Ersten Traktats (Heyden um 1436/um 1475, Bl. 168v. der handschriftlich ergänzten Seitenzählung): Es ist aber ein ander constitutz gemacht worden von dem keyser justinianus, die auch violentz gewalt strafft, und heyst in latein meminerint, und wil wie offt einer von eins rescripts wegen oder von eyns richters urteyl wegen den besitz einer hab mit seim gewalt occupirt hat. In disem casus wurt gestrafft der, der occupirt oder auß getrieben hat, wan er muß den besitz widergeben, und das recht, das er hat, sol er verliesen, und das ist die ursach, war umb das sey, das die clage smehe iniuriarum in latein, do her nit kommen do die recht her kommen, und darnach spricht die selb constitutz, wo tutores seu curatores, das sein formund, solichs thun, uff das, dz sie die weysen oder die andern, die noch nit zu iren tagen kommen, schedigen, ist gesatzt, das sie den besitz wider sollen geben, und umb die missethat der formund hab all gemeyn geurteylt werden, publicatis omnibus bonis perpetuo deportabuntur, und sollen ewiglich vertrieben werden.

Der zunächst handschriftlich verbreitete Klagspiegel, der nach Erfindung des Buchdrucks insgesamt 24 Druckauflagen erlebte und bis ins 17. Jahrhundert hinein immer wieder neu aufgelegt wurde, gilt als Werk von Conrad Heyden (um 1385–1444), der als Stadtschreiber in der damals bedeutenden Reichsstadt Schwäbisch Hall fungierte, das heißt, die dortige Stadtkanzlei leitete (Deutsch 2004). Heyden war also u. a. für die Ausfertigung offizieller Schriftstücke, die Vorberei-



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tung wichtiger Gerichtsurteile und den Entwurf städtischer Satzungen zuständig; seine Position erforderte mithin vertiefte rechtliche Kenntnisse. Dennoch hatte er, wie die allermeisten seiner Kollegen im 15. Jahrhundert keinen juristischen Studienabschluss, hatte nur kurze Zeit in Erfurt studiert. Er gehörte also selbst zu jenen halbgebildeten Rechtspraktikern, an die sich der Klagspiegel richtete (Deutsch 2004: 113–219). Die Übertragung der lateinischen Rechtsinhalte stellte für Heyden vielfach eine erhebliche Herausforderung dar, zumal ihm fernab von allen Universitäten nur begrenzt Hilfsmittel (etwa Glossare) zur Verfügung standen. Manchmal musste er offen bekennen, dass er nicht in der Lage war, die Vorlagen zu verdeutschen. So räumte er in Titel 13 des Ersten Traktats ein: ich kan diese clage nyt volkommelich in teutzsch setzen (Heyden um 1436/um 1475 Bl. 6v.). Und in Titel 118 des Ersten Traktats („De conditione indebiti“, Bl. 114r.) schrieb er: Wan eyner bezalt, das er nit schuldig ist, dem wirt geholffen mit dieser clage. In der sich mancherley geburt, Als rofredus und Azo schreiben, die zu schwere sein zu teutsch czu machen […].

4 F ormen der Verwendung fremdsprachigen Textes in den Rechtsbüchern 4.1 Sprachwechsel wegen Unübersetzbarkeit Bisweilen schrieben die Verfasser der Rechtsbücher der Rezeptionszeit lateinische Sätze oder Satzteile, die sie nicht voll erfassten und daher nicht übersetzen konnten, einfach aus ihren Vorlagen ab und ließen sie in der Originalsprache mit abdrucken. So schob Conrad Heyden in Titel 168 des Ersten Traktats („Die terculianisch constitutz“, um 1436/um 1475: Bl. 160r.) einen ihm unklaren lateinischen Satz aus den „Libelli iuris civilis“ des Roffredus in seinen eigenen Text mit ein, damit der Leser nicht extra auf das – ihm vermutlich unzugängliche – Originalwerk zurückgreifen musste. Der lateinische Halbsatz ist mithin letztlich nichts anderes als ein bloßes (paraphrasierendes) Quellenzitat: Item du solt wissen, dz ein constitutz ist gemacht durch keyser fridericum den ersten, wo der minor verkaufft und swert do wider nymmer zu thun oder zu kommen, er wurt nymmer gehort wider den kauff, es geschee in gegenwertikeyt des richters oder formunds oder nit. und laut die selbe constitutz in latein als vil und ich ir gehabt han in Rofredo also, sacramenta puberum sponte facta super contractibus rerum super inviolabiliter custodiantur per vim vel metum a maioribus coacta seu extorta maxime ne querimo-

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niam maleficiorum faciant commissorum nullius sint momenti. die eyd die mit willen geworen seind von den die uber xiiii. iar sein in den contracten irer hab halben, sollen unverbrochenlich gehalten werden, aber die eyd die durch oder mit gewalt oder gezwungen oder durch forcht gesworen, so sie von denen die zu iren tagen kommen sein im rechten clagen und iren malefitz, die sie an yn begangen haben, sie sollen unkrefftig sein. ich han darumb das lateyn auch gesetzt, wan ich besorgt. das ich das teutsch so gar gerecht uff die latein nit gemachen konte, als sich geburt, dar umb bitte ich denen ders list, das er mirs nit in ubel uff neme, und nit allein alhie sunder in disem gantzen buch.

Solche lateinischen Einschübe aus bloßer Verlegenheit sind indes – auch im Klagspiegel – sehr selten. Hiervon ist der Fall zu unterscheiden, dass für einzelne Fachtermini schlichtweg kein auch nur halbwegs passendes deutsches Übersetzungsäquivalent zur Verfügung stand, wie beispielsweise in dieser Passage aus dem Titel 42 „Unde vi“ im Ersten Traktat des Klagspiegels (Heyden um 1436/um 1475: Bl. 27v.): Diese clage geburt auch dem lehen man. und andern, die yn latein usufructarius, emphiteota seu donatarius superficiarius genant werden.

Weder für den Usufructuarius (heute: Nießbraucher), noch für den Emphyteuta (Erbpächter, Inhaber eines Erblehens), noch für den Donatarius superficiarius (Schenkungsempfänger eines Erbpachtgrundstücks) bot der deutsche Rechtswortschatz zur Entstehungszeit des Klagspiegels sinnvolle Entsprechungen, weshalb Conrad Heyden auf die lateinischen Fachtermini auswich. Bemerkenswert ist, dass er sie mit einem „seu“ anstelle von „oder (auch)“ miteinander verband, was zeigt, dass der gesamte Einschub von ihm lateinisch gedacht war, die Vokabeln also nicht als Fremdwörter verwendet wurden.

4.2 Lateinische Quellenangaben in der Randglosse Sehr viele Rechtstexte des Untersuchungszeitraums enthalten Marginalien (Randglossen) mit Quellenangaben. Weil sich diese zumeist auf lateinische Vorlagen beziehen, sind sie typischerweise ebenfalls in Latein, selbst wenn der Haupttext deutsch ist. Da die wichtigste Referenz für römisch-rechtliche Werke naturgemäß das römische Recht selbst ist, verweisen die meisten Quellenangaben auf das Corpus Iuris civilis, die vom spätrömischen Kaiser Justinian in den Jahren 528 bis 534 n. Chr. verbindlich eingeführte Gesetzessammlung, bestehend aus Digesten (auch Pandekten genannt, 50 Bücher), Codex (12 Bücher), Institutionen und Novellen. Bekanntlich mussten die Juristen seit der Rezeptionszeit das römische Recht sprichwörtlich „aus dem FF beherrschen“; vermutlich handelt es sich bei dem FF um eine falsche Lesart für den griechischen Buchstaben Pi



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(,Π‘), mit welchem das Wort Pandekten regelmäßig abgekürzt wurde. Die angehenden Juristen lernten im Studium, jeden Abschnitt des Corpus iuris anhand der (oft abgekürzten) Anfangsworte des jeweiligen Titels (titulus), Einzelgesetzes (lex) und Paragraphen zu erkennen. Dementsprechend kryptisch wirken die Quellenangaben der Marginalien in vielen Fällen. So finden sich, um nur ein zufällig gewähltes Beispiel herauszugreifen, im weit verbreiteten „RechtenSpiegel“ (Gobler 1550) des aus St. Goar stammenden promovierten Juristen und erfolgreichen Publizisten Justin Gobler (1503–1567; vgl. Deutsch 2012) auf Bl. 30v. folgende zwei Marginalien. Die abgekürzten Fundstellenangaben sind in der eckigen Klammer aufgelöst und um die moderne Zitierweise ergänzt, wobei D. für Digesten steht, C. für Codex: [Marginalie:] l Cum à reo. ff. de fideiuss. [= Lex „cum … a reo“ in: Digesta Iustiniani, Titulum „De fideiiussoribus et mandatoribus“ = D. 46,1,14]. [Marginalie:] l. 1. ff. de societ. [= Lex 1, in: Digesta Iustiniani, Titulum „Pro socio“ = D. 17,2,1].

Da die lateinischen Quellenangaben in den Randglossen stehen, kann in derlei Fällen sicherlich nicht von Codeswitching im engeren Sinne gesprochen werden.

4.3 Lateinische Quellenangaben im Text In zahlreichen anderen Fällen sind die lateinischen Quellenangaben aber in den Text hineingezogen. Manchmal mag dies drucktechnische Gründe gehabt haben, sehr oft dürfte aber schon der Autor eine Quellenangabe unmittelbar an der betreffenden Textstelle vorgezogen haben; so sicherlich auch Conrad Heyden in seinem Klagspiegel, in dessen älteren Druckausgaben es keine Marginalien gibt. Auch hieraus sollen drei Beispiele von einer willkürlich herausgegriffenen Seite folgen (Heyden um 1436/um 1475: Bl. 28r.): […] wurde er beyde besitz verliern ff. e. possideri. § quoque servus et l. pe¨gre. [= peregre]. [= Lex „Possideri autem possunt“, § „Servus quoque“ und Lex „Peregre profecturus“ in: Digesta Iustiniani, Liber 41, = D. 41,2,3, D. 41,2,34,2 und D. 41,2,44]. […] daz such C. de acquirenda et amittenda possessione. [= Titulum „De adquirenda et retinenda possessione“ in: Codex Iustinianus, = C. 7,32].

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[…] ich verbiet mit einem wort oder mit einem klein stein wurff oder lege hant an ff. e. vim facit in prin. § prohibitus [= § „Prohibitus autem“ in: Digesta Iustiniani, am Anfang der Lex „Vi facit“, = D. 43,24,20,1]

Auch wenn diese Fundstellenangaben stark abgekürzt sind, ist ihre Sprache unzweifelhaft Latein. Wie das zweite Beispiel deutlich zeigt, sind sie häufig nicht nur zusammenhangslos zwischen deutsche Satzteile geschoben, sondern stehen mit diesen in direktem Bezug.

4.4 Erklärung lateinischer Fachtermini im deutschen Fließtext Oft finden sich in den Rechtsbüchern einzelne lateinische Wörter ganz gezielt in den deutschen Fließtext eingefügt, weil sie der Autor seinen Lesern als Fachtermini vertraut machen und erklären will. Manchmal sind die Wörter mit einer deutschen Flexionsendung versehen, was dafür spricht, dass sie der Verfasser als Fremdwörter aufgefasst hat. So erläutert der Pforzheimer Stadtschreiber Alexander Hugen (oft fälschlich Huge genannt, um 1450/55–1530; hierzu: Deutsch 2008) in seinem vielgedruckten Formularbuch „Rethorica unnd Formularium Teütsch“ (Hugen 1528: Bl. 87v.): Die gemein form und wesenliche stuck yeder klag: Ein yede klag oder zůspruch, zu latein genannt das libell, soll haben fünff weselichen stuck.4

Sehr oft behalten die lateinischen Einschübe aber ihre ursprüngliche Endung; so heißt es etwa im Klagspiegel in den Erläuterungen zur Klage „De rei vendicatione que datur emphiteote“ (Heyden um 1436/um 1475: Titel 98 Erstes Traktat, Bl. 64v.): […] und daz wort emphiteosis ist kriechisch und heist in latein melioratio, das ist besserung zů teutsch, und geschicht diser contract alleyn umb das erdtrich.

Ist die Endung lateinisch, spricht viel dafür, dass der Autor das Wort auch als fremdsprachigen Einschub verstanden hat. Wie ist es jedoch, wenn das betreffende Wort in der lateinischen Grundform abgebildet wird und es sich um ein Wort handelt, dessen Endung bei einer möglichen Eindeutschung unverändert

4 Bemerkenswert ist hier immerhin, dass Hugen ausdrücklich „zu latein“ voranstellt. Will er das Wort also trotz der fehlenden Endung als fremdsprachig ansehen?



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bleibt? So etwa in folgendem Beispiel (Heyden um 1436/um 1475: Titel 56 Ander Teil, Bl. 223r.): wer und durch wenn sollen die streych unnd wunden beschawt unnd angesehen werden? sprich durch den artzet […] wan man sol zu dem zuflucht haben, der die selben kunst kan, […] als auch gesprochen wurt von dem undergenger agrimessor in latein.

Untergänger war das damals übliche Wort für einen Grenz- und Feldvermesser. Derlei Einschübe lateinischer Fachtermini zu deren Einführung und Erklärung sind in den unterschiedlichsten Texten des untersuchten Corpus nachweisbar. Besonders häufig finden sie sich im 1509 erstmals gedruckten und 1511 in erweiterter Ausgabe erschienenen „Laienspiegel“ des Höchstädter Landvogts Ulrich Tengler (um 1445–um 1522; vgl. Deutsch 2011), hier etwa – in diesem Fall mit deutschen Endungen – zur Erklärung eines Kodizills (Tengler 1511: Bl. 113v.): Von Codicillen: Etwo so würdet yemands von nödten gehindert, das es kain ordenlich testament von seiner sachen wegen machen kan nach seinem willen. So macht es ain Codicill, das ist ain brieff oder schrifft, darinn es seinen willen antzaigt, und bedarff kainer sölchen solennitet als die testament, sonder allain desselben außgedruckten willen anzuzaigen.

Erwähnt sei auch die „Summa Rolandina“ des Münchener Hofrichters und herzoglichen Rats Andreas Perneder (um 1500–1543; vgl. Luig 2001), wo es beispielsweise heißt (Perneder 1544: Bl. 18r.): Legatum inn Latein, inn unser Sprach Geschäfft oder Beschaidung, ist nichts anders dann ain Schanckung oder Gab, die jemandt von ainem Verstorbnem verlassen ist unnd durch des Verstorbnens Erben gegeben und zůgestelt soll werden.

Elegant führt ferner der Braunschweiger Rechtsanwalt Georg Schwartzkopff in seinen „Differentiae iuris civilis et Saxonici“ (1586: I 30, Bl. F ij r.) in die Fachterminologie – hier der Verwandtschaftsverhältnisse – ein: […] obwol alda unter den Freunden, so vom Mänlichen Geschlechte herrühren und zu Latein agnati, in Deutscher sprach aber die Schwertmagen geheissen werden, und unter den Freunden so vom Weiblichen Geschlechte herkommen, cognati oder die Spielmagen genennet, ein underscheid gemachet wird.

Wie ein Wörterbuch liest sich eine Liste lateinischer Fachtermini, die dem 1536 erstmals gedruckten Rechtshandbuch „Gerichtlicher Prozeß“ vorangestellt ist, welches ebenfalls dem oben erwähnten Justin Gobler zugeschrieben wird (Gobler 1536: Bl. 3v.); hieraus zur Illustration ein kurzer Ausschnitt:

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Ordinarij, Ordenliche Richter, seind die so haben hohe Oberkeyt und frei eygen Gerichtszwang, als Bapst, Keyser, Künige, Ertzbischoffe, Churfürsten, Fürsten und andere. Iudex Ordinarius est, qui habet potestatem iudicandi à se iure suo, hoc ipso quòd est talis, ut Episcopus Præses. De libert. cum nobis. Delegati, Nachgesatzte Richter, sein die sich eins andern oder frembden Gerichts zwang gebrauchen, und nit für sich selbst oder von jrer eygen gerechtigkeyt wegen, als da seind die von Bapst, Keyser, Chůrfürsten, Fürsten etc. an jrer stat die sachen zuverhören, Recht zu sprechen und zu richten befelch haben. Delegatus, qui habet potestatem de causa aliqua cognoscendi ab aliquo commissam. De off. deleg. c. super questione. ff. de off. eius. cui mand. est Iuris. l. 1. in fi.

Die nachgeschobenen lateinischen Absätze sind in kleinerer Schrift gesetzt, womit zusätzlich zum Ausdruck gebracht wird: Diese fremdsprachigen Sätze dienen der Zusatzinformation, namentlich dem Quellennachweis. Sie gaben dem Werk einen gewissen intellektuellen Anspruch, konnten aber vom Lateinunkundigen getrost übersprungen werden, ohne dass ihm für sein Grundwissen Wesentliches entgangen wäre. Ein ähnliches Verfahren begegnet auch in einem anderen Buch Justin Goblers, dem 1553 erstmals gedruckten „Statuten-Buch“, das genauso wie die anderen Werke Goblers rechtliche Inhalte in vereinfachter Form einem deutschsprachigen Publikum zu vermitteln suchte (Gobler 1553: Bl. 24 r.): Item so ein Freiheyt oder Concession auß ursachen beschehen, und dieselben ursachen auffghört hetten, ist die freiheyt gefallen. Nam ceßante causa ceßat effectus. l. sancimus generaliter. C. de Epis. & cle. & l. ij. §. fin ff. de donationib. Freiheyten werden auch durch unbrauch inn verlegung gebracht. l. i. ff. de nundinis. Item so sich iemands seiner erlangten freiheyten mißbrauchet. Auth. ut iudices sine quoquo suffragio. §. ante pen. Col. ij. Durch Maleficisch verbrechen werden die freiheyten auch verwirckt. Reatus enim omnem honorem excludit. l. i. C. ubi Senatores, vel clarißimi. & l filio. C. de ritu nuptiarum.

Der lateinische Text dient auch hier jeweils zur Begründung der vorangehenden deutschsprachigen Aussagen. Das Latein suggeriert eine höhere Wissenschaftlichkeit und Autorität der Angaben; der (möglicherweise lateinunkundige) Leser kann die lateinischen Informationen aber unbeachtet lassen, ohne auf inhaltliches Wissen verzichten zu müssen.

4.5 V  erwendung lateinischer Fachtermini im deutschen Fließtext Nachdem sich die römisch-rechtlichen Fachtermini als Teil des gemeineuropäischen Ius commune im 16. Jahrhundert in Juristenkreisen allgemein etabliert



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hatten, gingen immer mehr Verfasser von Gebrauchsliteratur dazu über, die lateinischen Fachbegriffe und fachspezifischen Redewendungen (samt entsprechender Quellenangaben) mehr oder weniger unkommentiert in die deutschsprachigen Texte einzuschieben. Bei ausgesprochenen Praktikern, wie dem einstigen Notar, württembergischen Vogt zu Böblingen und Stadtschreiber von Lauffen am Neckar Friedrich Stumphart, entstammt dieser spezielle ‚Zungenschlag‘ recht eindeutig der eigenen beruflichen Gewohnheit. Stumpharts häufig gedruckter „Teutscher Process weltlichs Burgerlichs Rechtens“ ist ausweislich der Vorrede eine Quintessenz der eigenen Berufspraxis. Die eingeschobenen Fachausdrücke werden darin durch (lateinische) Paraphrasen bzw. Zusammenfassungen der römisch-rechtlichen Quellen ergänzt, wie folgende Passage illustriert (1541, Bl. 24 r. und v.): Also ist es in allen fällen, da rechtmessig vermůttungen für die kläger sind, wölche die beklagten understanden, zůwiderfechten, müssen sie gůte und gnůgsame beweisung darwider haben, Als so ein Tochter jr můtter (so sie sich anderwerts verhyrat) umb die erbteilung, nach ländtlicher gewonheit, mit recht fürnimpt, und die můter antwurt, per negativam qualitatis sagende, die tochter sey nit eelich, und deßhalben des erbs nit fähig etc. in disem faal würdt für die tochter vermůt, das sie eelich sey (wie dann ein yedes mensch vermůt würdt, gůt, eelich, und geschickt, es werd dann das wider spil bewisen.) Negativam enim qualitatis (ut si diceres ille non est idoneus, legittimus, vel solvendo fidelis) debes probare, quia qui libet homo præsumitur, bonus, legittimus & idoneus, nisi contrarium probetur, extra de præsum. dudum & de secu. in or. faci. c. i.

Aufgrund ihrer häufigen Wechsel zwischen Latein und Deutsch in einigen Passagen aus moderner Sicht schon beinahe unleserlich ist die „Liberey“ des seinerzeit berühmten Doktors beider Rechte und Kurpfälzischen Hofrats Noë Meurer (1525/28–1583; vgl. Kern 1994), wie sich bereits an folgender kurzer Passage ablesen lässt (Meurer 1582: II, Bl. 32 r.; fett gedruckt sind ausschließlich die im Druck in Antiquaschrift gesetzten Passagen): Wiewol aber solchs ein Schein und Ansehen, ist doch diß die beständiger Meinung, daß wider den andern Käuffer rei vendicatio nicht statt, dieweil ex pacto de retrovendendo, kein Action realis entspringt, sed tantùm personalis, ex empto vel præscriptis verbis, per textum expressum in l. 2. C. de pact. inter empt. & vend. l. rebus. C. de rer. permut. l. si sterilis. §. si tibi. ff. de act. empt. Dieser Meinung seyndt auch deß Cammergerichts Beysitzer gewesen, folgt derwegen daß der erst Verkäuffer wider den ersten Käuffer oder seine Erben, ad Interesse und nicht wider den dritten Besitzer & singularem successorem rei vendicatione zu agiern, vide latius. D. Geyl. obser. 16. pract. observa. lib. 2.

Ohne sichere Lateinkenntnisse und wenigstens Grundwissen im römischen Recht – namentlich hinsichtlich der Zitiergewohnheiten – konnte ein solches Werk nicht nutzbringend zu Rate gezogen werden. Mithin musste nun nicht nur der

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Textverfasser, sondern auch der Leser bilingual sein. Zugleich unterstrich Meurer mit seiner Art des permanenten Sprachwechsels einen gewissen wissenschaftlichen Anspruch. Etwas anders liegt der Fall, wenn in praxisnahen Texten (etwa Testamenten, Verträgen) oder hierzu gedachten Textvorlagen lateinische Fachtermini oftmals kommentarlos in den deutschen Fließtext hineinrutschten. Ein typisches Beispiel findet sich unter den Mustervorlagen für rechtliche Texte, die Alexander Hugen (1528: Bl. 194v.) in seinem Formelbuch abdrucken ließ. Es handelt sich um das Formular für einen speziellen Schuldvertrag, die Forma eins gültbrieffs umb hundert guldin zu zwey zilen von hauptverkauffern und mitgülten von Edeln lewten mit jren eefrawen, auch vonn Burgern mit yeder verkauffer verzeihungen in bester form. Am Ende dieses Mustervertrags wird die Verbindlichkeit aller Vereinbarungen hervorgehoben und das Formular zählt die verschiedensten Klauseln auf, die keinesfalls gegen den Vertrag geltend gemacht werden dürfen: […] kein gemein oder sonder exemption oder preexemption bäpstlich oder Keyserlich beneficien, restituten, noch moraten, noch sonnderlich das beneficium geistlichs rechten, zu latein gemempt [!]: Nova constitutio de pluri. re. deben., damit nemlich die schuldner oder gülten sich wider jre verschreibung behelffen mögen, yegklicher allein sein anzal zugeben, noch sonderlich das Keyserlich beneficium juris ypothecarum, damit wir die frawen vor gerechtigkeit haben mögen zu unserer eelicher gemahel gütter, all dieweil wir von jnen unserer Eestewre widerlegung nit gnůgsam versorgt und versichert seind, was dasselb beneficium sonnderlich zůgibt den obgemelten frawen kaufferin, Nemlich das jnen unser obgenannten der hauptgülten manßnamen unnd frawen gütter seind verschweiglich oder benanntlich verunderpfandet, das zu krefften besteen unnd bleiben soll, Noch das Keyserlich beneficium senatus consulti velleiani, damit weiplich geschlecht für den gemeinen man verfreyet ist, sich für jne verschreiben oder fürzusteen mit krafft […].

Die lateinischen Passagen dürften hier vornehmlich zu einem Zweck bestimmt gewesen sein: Der Text sollte ,juristisch‘ klingen und Respekt erzeugen, um die Einhaltung des Inhalts auf diese Weise zusätzlich abzusichern. Das Wortgeklingel konnte freilich zugleich dazu dienen, den Notar, der einen Vertrag nach solch einem Muster niederschrieb, vor seiner Mandantschaft als belesen und kundig erscheinen zu lassen.

4.6 L ateinische Einschübe als „eitler Beleg“ von Gelehrsamkeit Druckschriften, in welchen ein Sprachwechseln ins Lateinische augenscheinlich nur als eitler Beleg der Gelehrsamkeit des Autors fungieren sollte, häufen sich im Corpus der Rechtsliteratur hingegen erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts. Da es



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weiterhin als unwissenschaftlich galt, in der Volkssprache zu schreiben, scheint es nun für manche Verfasser geradezu zum guten Ton gehört zu haben, wenigstens durch wiederholte lateinische Nebenbemerkungen auf ihre fundierten Lateinkenntnisse hinzuweisen. Ein eindrückliches Beispiel liefert der Augsburger Doktor der Rechte Georg Bemel mit seinem „Tractatus ad Formulam Testamenti“, worin die Vorred an den günstigen Leser wie folgt beginnt (Bemel 1587: Bl. jii v.): Demnach, Günstiger Leser, Ich mir fürgenommen, wegen Nutzbarkeit der materi, ein formulam testamenti mit einer Gloss, wie man pflegt zusagen, zu illustriren, und nach anleitung deß Texts, was in Auffrichtung der Testament, und anderm diesem anhangenden Puncten, zu wissen, denck und nothwendig ist, einzuführen und zuerklären, in solchem aber aller Handt arduæ und zweiffelhafftige quæstiones eingefallen, darüber die Doctores bißweilen dermassen differenter und ungleicher opinion unnd Meynung seynd, daß schwerlich zu erkennen, welchem rechtmessiger Beyfall zuthun. So habe ich mich insonderheit befliessen, die autores, bey welchen angedeute jrrige quæstiones tractiert und auß Rechtsgründen decidiert werden, so viel mir deren bewust, und ich gelesen hab, trewlich zu allegieren und anzuziehen, solche auch hernach verzeichnet setzen lassen wöllen, Auff daß der wolmeynende Leser darauß erhohlen unnd erstatten köndte, in welchem er jhme nicht gnug geschehen seyn, vermeynte. Es wölle aber darbey der guthertzige Leser erjnnert seyn, daß ich dieses Werck fürgenommen, nit der intention, Als wolte ich in amplissima illa materia testamentaria ein solennen unnd außführlichen Tractat beschreiben, Dann ich mich darzu in eruditione & iudicio viel zu gering erachte, sonder allein ingenij exercendi gratia, und darmit ich mich dessen in fürfallenden Sachen mit geringerer Mühe hette zugebrauchen, war auch endtliches Willens, dieses Werck bey andern meinen lucubrationen inter privatos parietes mir allein zum besten zubeschliessen.

Es scheint, als versuche Bemel mit diesem Schreibstil den nachhaltigen Erfolg seiner Studienjahre an den Universitäten von Tübingen und Heidelberg unter Beweis zu stellen. Die Hervorhebungen im Zitat folgten in diesem Fall übrigens vollständig jenen des Drucks (wobei im Original ein Wechsel der Schriftart stattfindet und lateinische Wörter in Antiqua gesetzt sind).

5 Z  ur Markierung fremdsprachiger Einschübe durch den Drucker Anders als in modernen Texten wird ein Sprachwechsel zwischen Deutsch und Latein in den Drucken namentlich des 16. Jahrhunderts häufig durch eine Änderung der Schriftart sichtbar gemacht: Während deutscher Text in Fraktur gedruckt wurde, erscheint lateinischer Text dann in lateinischer Schrift (Antiqua mit rundbögigen Buchstaben), die zum Teil auch etwas kleiner gesetzt ist.

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Der Schriftartenwechsel gibt in diesen Fällen somit recht gut Auskunft darüber, ob – aus Sicht der Entstehungszeit des Drucks – ein Sprachwechsel vorliegt. Dies ist nicht so sehr in Bezug auf längere fremdsprachige Einschübe von Interesse, die ohne weiteres als solche erkennbar sind, sondern vor allem in Bezug auf einzelne Wörter, bei denen möglicherweise nicht klar ist, ob sie der Verwender (schon) als deutsches Fremdwort aufgefasst hat, oder aber (noch) als fremdsprachiges Einsprengsel. Als Beispiel möge nochmals eine Textstelle aus Bemels Traktat (1587: 34) dienen (anstelle der Fraktur ist der Text in Normalschrift gesetzt, anstelle von Antiqua fett, Unterstreichungen ergänzt): Es solle die Erbsatzung in einem Testament keines wegs unterlassen werden, Dann ohne dieselbige were das Testament, vermög der Recht, krafftloß unnd nichtig. §. ante. Instit. de legat. l. 1. §. fin. & iurib. ibi allegatis, per gloss. fin. & DD. D. de vulgari & pupillari subst. Doctores in Auth. ex causa. C. de lib. præterit. Und mögen die Erben mit allerley Wort benannt und eingesetzt werden. Iedoch daß dadurch verstanden werden möge, der Testator habe angezeigte Personen in seiner gantzen substants, oder zum theil für Erben haben wöllen. Derentwegen wann der Testierer anfangs viel legata verschaffet, unnd nach vollendung derselbigen ferrners diese Wort setzet: Das ubrig alles, so ich verlaß, soll N. oder N. und N. folgen und werden, und nicht eben (wie es sich gleichwol gebürte) hinzugesetzt, Und darinnen meine rechten Erben seyn, etc. und dergleichen, so würd es dennoch für ein Institutio und Erbsatzung gehalten.

Testament und Testierer sind hier in Fraktur gedruckt, werden mithin als deutsche Wörter aufgefasst; Testator und Institutio erscheinen hingegen in Antiqua, folglich als lateinische Vokabeln, ebenso Substanz („substants“) und Legat(um), wobei diese beiden Wörter zudem – wie im Lateinischen üblich – klein geschrieben sind; Legat(um) wird im Übrigen auch lateinisch flektiert („legata“). Noch kompliziertere Differenzierungen begegnen in anderen Büchern. Im erwähnten „Statuten-Buch“ von Justin Gobler (1553) etwa wird unterschieden zwischen Majuskelschrift (Wörter in Großbuchstaben, für bestimmte Überschriften bzw. Lemmata, vgl. etwa Bl. 7), Frakturschrift (für deutschen Text – inklusiv Fremdwörtern) und Antiqua (für lateinischen Text – im Beispielausschnitt fett gedruckt), wobei die lateinischen Fundstellenangaben hiervon nochmals unterschieden sind, indem sie zusätzlich kursiv gesetzt sind (hier unterstrichen), so etwa auf Bl. 27r.: Das alles unnd iedes mag der Richter durch underredliche erkantniß und Beiurtheyl wie sich gebürt, entscheyden, secundum Iura vulgaria. Und was also der Richter mit vorgehender erkantniß in den Zůfelligen irrungen entscheydet, das wirt für ein Beiurtheyl gehalten. l. ex stipulat. C. de sent. & interloc. om. iud.



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In den elektronischen Volltexten von DRQEdit sind diese Schriftartenwechsel im Übrigen ausgezeichnet: Die Antiquaschrift wird als Kursive wiedergegeben, ist daher leicht aufzufinden.

6 Lexikographische Fragestellungen Für die lexikographische Arbeit – etwa bei der Erstellung des Deutschen Rechtswörterbuchs (DRW) – sind die erarbeiteten Besonderheiten der Rechtsbücher der Rezeptionszeit in mehrfacher Hinsicht von Relevanz. Das DRW erläutert als Großwörterbuch zur historischen Rechtssprache den rechtlich relevanten Wortschatz des Deutschen (und Westgermanischen) vom Beginn der schriftlichen Aufzeichnung in der Spätantike bis ins frühe 19. Jahrhundert. Neben reinen Rechtstermini werden auch Wörter der Allgemeinsprache mit aufgenommen, wenn sie – etwa in den beschriebenen Rechtshandbüchern – in einer spezifisch rechtlichen Verwendung oder mit einer besonderen rechtlichen Bedeutung begegnen (Deutsch 2016: 272–274). Sucht man nach präzisen Worterklärungen für in den Texten verwendete deutsche Termini, so kann es hilfreich sein, wenn von den Autoren ein lateinisches Äquivalent mit beigegeben ist. Wie oben dargelegt, handelt es sich bei eingeschobenen lateinischen Wörtern oft um etablierte Fachausdrücke des römisch-kanonischen Rechts, sodass sich dann die Bedeutung auch des deutschen Äquivalents präzise eruieren lässt. Auch wenn keine direkte Übersetzung vorliegt, kann der beigegebene lateinische Fachterminus in vielen Fällen als Verständnishilfe für die deutschen Wörter herangezogen werden – so im folgenden Beispiel aus dem „Laienspiegel“ für die Wörter Träger, Versorger, Verschwender und mönisch (Tengler 1511: Bl. 12v.; Unterstreichungen durch den Verfasser): Von tragern und vormunden: Es werdenn in menigerlay gestalt vormunder unnd trager … es werden ettwo den minderiäringenn vormunder durch des altvaters testament, zů zeiten vom richter unnd ettwo durch die nächsten freünd, gesatzt. zů latein genannt Tutores oder beschirmer … Es werden auch solh vormunder, curatores oder versorger, nitt allain den kindern sonder auch den synnloßen, Torn, auch den verswentern jrer hab zů latein genannt prodigis, auch den mönischen zů latein genannt lunaticis oder mentecaptis, den taubenstummen, ungehörenden, die nit vollige vernunfft haben, auch mit ewiger kranckhait oder leger beladen sein.

Sehr oft haben die Verfasser der Rechtsbücher der Rezeptionszeit durch die von ihnen entwickelten Übersetzungen die Rechtssprache – zum Teil bis in unsere Zeit – nachhaltig beeinflusst. Manchmal allerdings wurden die Wortschöpfungen von damals irgendwann durch andere Termini ersetzt; dann kann sich die Ermittlung der Wortbedeutung schwierig gestalten, wenn es nicht möglich ist,

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auf solche frühen Belege zuzugreifen, in denen die Intention des Übersetzers (und damit womöglich Wortschöpfers) deutlich zutage tritt. Seit einer Reform im Jahre 1971 werden ins Deutsche Rechtswörterbuch auch Fremdwörter aufgenommen (Deutsch 2010: 41; Lemberg & Speer 1997), sodass für die moderne Wörterbucharbeit auch (ursprünglich) lateinische Termini relevant werden, sobald sie eingedeutscht sind. Wenngleich unter umgekehrten Vorzeichen, stellt sich mithin auch hier die Frage, ob (schon) ein deutsches Fremdwort vorliegt oder nur ein – für das Wörterbuch nicht zu beachtender – Einschub in fremder Sprache, also ein Fall von Codeswitching. Die hierbei angewandten Kriterien sind von Quelle zu Quelle verschieden. Wichtig ist auf jeden Fall die Flexionsendung, allerdings kann auch bei lateinischer Flexion noch von einem deutschen Wort ausgegangen werden, wenn das Wort im Übrigen wie ein deutsches Wort behandelt wird, zumal in späteren Jahrhunderten und insbesondere in Texten mit gelehrtem Anspruch eine lateinische Flexion auch der Fremdwörter verbreitet war. Als weitere Argumente können etwa dienen: die Großschreibung eines Substantivs, die Voransetzung von deutschen Artikeln oder Adjektiven und die Frakturschrift, wenn lateinische Einschübe sonst in Antiqua gedruckt sind. Wie folgendes Beispiel zeigt, werden gelegentlich auch Grenzfälle ins Wörterbuch mit aufgenommen, um den – zum Teil holprigen – Weg eines Wortes ins Deutsche anzudeuten. Es handelt sich um den Artikel „Spurius“ aus dem Deutschen Rechtswörterbuch (2017: Bd. 13, Sp. 1083): Spurius m., auch lat. flektiert; uneheliches Kind ohne gewissen Vater; da idR. aus Ehebruch oder Prostitution hervorgegangen rechtlich besonders benachteiligt; bdv.: Hurenkind (I); vgl. Schlafkind. bastart, spury oder manseres genant das sind kinder die von ledigen frauwen, die sich nit zu einem mann allein halten, sonder dan einen dan den andern zulassen, geborn werden; dieselben die vss einer mutter erben einander auch irer mutter güter mitsampt irn elichen gebornen kinderen 1498 WormsRef. IV 4, 5, 12. aber in der mutter gütter, wo sie sunst kein eheliche kinder hett, werden spurien oder bastarten inn testament vnd on testament zugelassen 1550 Gobler,Rsp. 39r. von spurien, bastarden vnd hurenkindern … inn keiserlichen vnd bäbstlichen rechten 1556 Lose,Erbsch. 13v. 1597 Meurer,Liberey II 210. geschiehet es aber, daß ein spurius nur von einem oder dem andern reichs-fürsten ehrlich gemacht wird, so ist er nur in dessen reichs-fürsten-land ehrlich, nicht aber in dem ganzen reich 1746 Hermann,AnfRGel. 125. eine mater illustris erbt ihren spurium, wenn sie gleich eheliche kinder hat, da doch der spurius in diesem falle ihr nicht succedirt 1803 Höpfner,KommHeineccInst. 746.



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7 Fazit Zweck der Rechtsbücher der Rezeptionszeit war, das römisch-kanonische Recht in deutscher Sprache darzustellen. Hauptzielgruppe waren die im ausgehenden Mittelalter und in der Frühneuzeit noch zum größten Teil nichtstudierten und oft auch lateinunkundigen, aber des Lesens mächtigen und für den Kauf von Büchern hinreichend wohlhabenden Rechtspraktiker. Das Niveau und der Anspruch der Werke war zwar unterschiedlich, in jedem Fall aber entstanden sie in deutlicher Abgrenzung zur wissenschaftlichen Fachliteratur der Juristen, die europaweit in Lateinisch und Griechisch kommunizierten. Dennoch enthielten auch die deutschen Rechtshandbücher lateinischen (und selten griechischen) Text, wechselten zum Teil permanent zwischen Deutsch und Latein hin und her. Ob es sich dabei jeweils um Codeswitching handelt, wird nach den unterschiedlichen, in der Soziolinguistik hierzu erarbeiteten Definitionen von Fall zu Fall unterschiedlich zu beurteilen sein. Da Latein nicht nur die Sprache des Rechts, sondern allgemein jene der höheren Bildung war, lassen sich die Texte indes ohne Weiteres dem sog. „elite bilingualism“ (Adams 2003: 9; Schendl 2012: 523f.) zuordnen, wenngleich der Wechsel vom Deutschen ins Latein in den meisten Fällen durchaus nicht (nur) zur Illustration der eigenen Gelehrtheit dienen sollte. Die Gründe hierfür waren vielmehr sehr unterschiedlich: Oft gebrauchte man das Latein schlicht zur Angabe von Quellen, da die Zitation aus dem Corpus Iuris Iustiniani und weiteren wichtigen Texten des römisch-kanonischen Rechts unter Juristen auf standardisierte Art in Latein erfolgte. Manchmal wurden weitere Begründungen in lateinischer Sprache hinzugesetzt, wobei manch ein Autor wohl davon ausging, dass diese Ausführungen dem gewöhnlichen Leser unzugänglich blieben und nur die Glaubwürdigkeit und damit Autorität des Textes stärkten. Bisweilen wechselten die Autoren ins Lateinische, weil es ihnen unmöglich schien, bestimmte Wörter oder Sätze auf Deutsch zu formulieren oder weil schlicht ein deutsches Äquivalent fehlte. Sehr oft wurden lateinische Fachtermini oder juristische Redewendungen in Latein abgedruckt, um sie anschließend dem deutschsprachigen Publikum zu erläutern; manchmal ist hierbei der Übergang zum (gegebenenfalls auch neu etablierten) Fremdwort fließend. Einige Drucke aus dem beschriebenen Corpus markierten allerdings einen Wechsel der Sprache, indem Deutsch in Frakturschrift, Latein aber in Antiqua gesetzt wurde. Ob ein Wort vom Verfasser als deutsch oder lateinisch aufgefasst wurde, lässt sich im Übrigen gegebenenfalls anhand der jeweiligen Flexionsendung, unter Umständen auch anhand der Groß- oder Kleinschreibung eruieren. Unabhängig davon, ob nun einzelne Passagen oder Wörter lateinisch waren – die Hauptleistung der Autoren lag freilich in der (weitgehend) deutschsprachi-

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gen Ausformulierung der römisch-rechtlichen Inhalte. Dies diente nicht zuletzt der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden, wie Thomas Murner (1519) in der Reimvorrede zu seiner Institutionenübersetzung betonte: Darumb lůg zů und hab gůt acht Diß büchlin ist dir deutsch gemacht Des sich ein yeder behelffen mag In allen hendlen alle tag.

8 Quellen und Literatur 8.1 Quellen Bemel, Georg (1587): Tractatus ad Formulam Testamenti, Das ist: Grünndlicher Bericht und vollkommene Beschreibung darin die gantze Materia Testamentaria … erkläret wirdt. Frankfurt/Main: Spieß. Gobler, Justin (1536): Gerichtlicher Proceß ausz grund der Rechten und gemeyner übung zum fleissigsten in drei theyl verfasset. Frankfurt/Main: Egenolff. Gobler, Justin (1550): Der Rechten Spiegel: Ausz den beschribenen Geystlichen, Weltlichen, Natürlichem und andern gebreuchlichen Rechten Auch gemeynen im Heiligen Reich Teutscher Nation Constitutionen und übungen zůgericht. Frankfurt/Main: Egenolff. Gobler, Justin (1553): Statuten Bůch: Gesatz, Ordnungen und Gebräuch Kaiserlicher, Allgemainer und etlicher Besonderer Land und Stett Rechten. Frankfurt/Main: Egenolff. Heyden, Conrad (um 1436/um 1475): [Klagspiegel:] Klagen und nützliche Lehre aus gemeinen beschriebenen Rechten der kaiserlichen Gesetze. [Mainz (?)]: [Printer of the ,Darmstadt‘Prognostication (?)] (GW M16331). Heyden, Conrad (um 1436/1516): Der Richterlich Clagspiegel. Ein nutzbarlicher begriff wie man setzen und formieren sol nach ordenung der rechten ein yede clag, antwort und ußzesprechene urteylen, gezogen uß geistlichen und weltlichen rechten … Durch doctorem Sebastianum Brandt wider durchsichtiget unnd zům teyl gebessert. Straßburg: Hüpfuff. Hugen, Alexander (1528): Rethorica unnd Formularium Teütsch, der gleich nie gesehen ist, bey nach all schreyberey betreffend, von vilerley Episteln, under und überschrifften, allen Geistlichen und Weltlichen … Ein gantz gerichtlicher proceß … Darauß die jungen beinach alle schreyberey leichtlich lernen und die erfarnen … wol underweisen moͤ gen. Tübingen: Morhart. Meurer, Noe (1582): Liberey Keyserlicher, Auch Teutscher Nation Landt und Statt Recht. Das ist: Ordentliche und gantz nützliche Beschreibung, Erstlichen, der gemeinen Keyserlichen Recht. Zum andern, Wie an dem Hochlöblichen Keyserlichen Cammergericht gemeinlichen geurtheilt … worden. Und dann zum dritten, Wie es etliche ansehenliche Chur-Fürsten, Graffen und Freye Reichs Stätt, nach jren eygnen, wolangerichten LandRechten, Reformationen und Statuten angeordnet und zu halten pflegen. Heidelberg: Spies.



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Murner, Thomas (1519): Jnstituten, ein warer ursprung unnd fundament des Keyserlichen rechtens … verdütschet und uff der hohen schul Basel in syner ordenlichen lectur offenlich mit dem latin verglichet. Basel: Petri. Perneder, Andreas (1544): Summa Rolandina. Das ist ein kurtzer bericht von allerhand Contracten unnd Testamenten … Jtem ein Tractat der Regeln oder kurtzen schluszreden gemayner Recht … Bartholomei Soccini. Beides durch … Herrn Andreas Perneder, des Fürstlichen Hoff zů München Rath und Obristen Secretarien, zierlich verteütscht. Ingolstadt: Weißenhorn. Schwartzkopff, Georg (1586): Differentiae iuris civilis et Saxonici, Das ist Underscheide der Keiserlichen und Sechsischen Rechte mennichlichen zu nutz und guten in die Deutsche Sprach vorsetzet. Helmstedt: Lucius. Stumphart, Friedrich (1541): Teutscher Process, weltlichs, Burgerlichs Rechtens, mit allen notturfftigen Formen der klagen, antwurten, und aller anderer furträge, von der Citation an, biß uff die Excution … allen Procuratorn, Gerichtsschreibern und zeugen verhörern gantz lustig unnd dienlich. Tübingen: Morhart.

8.2 Literatur Adams, James Noel (2003): Bilingualism and the Latin Language. Cambridge: Cambridge University Press. Bedenbender, Almuth (2013): Fassungen des Kalumnieneides in frühneuhochdeutschen Rechtstexten: eine Untersuchung auf der Basis von Quellen in DRQEdit. In: Andreas Deutsch (Hrsg.), Historische Rechtssprache des Deutschen (Schriftenreihe des Deutschen Rechtswörterbuchs). Heidelberg: Winter, 315–340. Bedenbender, Almuth (2018): Wörtliche Übereinstimmungen und Übernahmen in frühneuhochdeutschen Rechtstexten. Erkennung und Auswertung. http://kups.ub.uni-koeln.de/id/ eprint/7696 (03.09.2018). Bergmann, Rolf (Hrsg.) (2003): Volkssprachig-lateinische Mischtexte und Textensembles in der althochdeutschen, altsächsischen und altenglischen Überlieferung. Heidelberg: Winter. Deutsch, Andreas (2004): Der Klagspiegel und sein Autor Conrad Heyden – Ein Rechtsbuch des 15. Jahrhunderts als Wegbereiter der Rezeption. Köln, Weimar: Böhlau. Deutsch, Andreas (2008): Die „Rethorica und Formulare teütsch“ des Pforzheimer Stadtschreibers Alexander Hugen – ein juristischer Bestseller des 16. Jahrhunderts. In: Neue Beiträge zur Pforzheimer Stadtgeschichte 2, 3–75. Deutsch, Andreas (2010): Von „tausend Wundern“ und einem „gewaltigen Zettelschatz“ – Aus der Geschichte des Deutschen Rechtswörterbuchs. In: Ders. (Hrsg.), Das Deutsche Rechtswörterbuch – Perspektiven. Heidelberg: Winter, 21–45. Deutsch, Andreas (2011): „Laienspiegel“. In: Historisches Lexikon Bayerns. http://www. historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Laienspiegel (03.09.2018). Deutsch, Andreas (2012): „Gobler, Justin“. In: Albrecht Cordes et al. (Hrsg), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte II. 2. völlig überarb. u. erw. Aufl. Berlin: ESV, Sp. 438–440. Deutsch, Andreas (2013): Historische Rechtssprache des Deutschen – Eine Einführung. In: Ders. (Hrsg.), Historische Rechtssprache des Deutschen. Heidelberg: Winter, 21–80. Deutsch, Andreas (2016): Zur Symbiose zwischen „Zettelkasten“ und „Datenbank“ bei der Artikelerstellung im Deutschen Rechtswörterbuch. In: Anja Lobenstein-Reichmann & Peter

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Luise Czajkowski

Codeswitching und Language-Mixing in ostmitteldeutschen Stadtbüchern Zur Abgrenzung von Sprachwandel und Sprachwechsel

1 Codeswitching in ostmitteldeutschen Quellen Die Erforschung von Codeswitching und Language-Mixing in historischen und damit nur schriftlich erhaltenen Quellen hat sich in den vergangenen Jahren als durchaus ergiebig erwiesen. Das breite Spektrum der untersuchten Textsorten zeigt, dass insbesondere Codeswitching zwischen Volkssprache und Latein in allen Bereichen der Schriftlichkeit des Mittelalters und der Frühen Neuzeit üblich war (vgl. Depnering 2015; Glaser 2016; Schmid 2017; Stolt 1964). Auch verwaltungsschriftliche Quellen wie Urkunden, Stadtbücher, Urbare, Testamente u. v. m. bilden hier keine Ausnahme. Dass nicht nur zwischen Deutsch und Latein, sondern auch zwischen den verschiedenen Varietäten des Deutschen gewechselt wurde, haben beispielsweise Stolt (1964) für Luthers Tischreden und Schmid (2006) für deutsche Inschriften nachgewiesen. Im vorliegenden Beitrag richtet sich nun der Blick auf die verschiedenen Ausformungen von Sprachwechselerscheinungen in Stadtbüchern aus dem ostmitteldeutschen Raum. Dabei soll auch ergründet werden, welche Rolle diese Sprachwechselerscheinungen bei dem Schreibsprachwandel im niederdeutsch-ostmitteldeutschen Übergangsraum spielen. Durch seine zentrale Lage zwischen dem Oberdeutschen im Süden und dem Niederdeutschen im Norden, aber auch durch die enorme Gebietserweiterung aufgrund der Neubesiedlung östlich der Saale seit dem 10. Jahrhundert ist der ostmitteldeutsche Sprachraum in den folgenden Jahrhunderten von stetigem Sprachkontakt geprägt worden. Nach Lerchner (2003: 2755) lassen sich deshalb die Grenzen dieses Sprachraums bis ins 14. Jahrhundert hinein kaum beschreiben. Seiner Meinung nach besteht „keine andere Möglichkeit, als von einem regiolektalen Transferraum zu sprechen“ (Lerchner 2003: 2755). Ähnliche Begriffe – Interferenzraum (Wiesinger 1983: 825), Mischlandschaft (Siebenhaar 2019: 411) oder auch Staffellandschaft (Rocholl 2015: 27) – verweisen auf den Umstand, dass „sich das Ostmitteldeutsche in lautlicher Hinsicht als durch eine Vielzahl von IsoLuise Czajkowski: Universität Leipzig, Institut für Germanistik, Tel.: +49 341 9737 372, E-Mail: [email protected]. https://doi.org/10.1515/9783110752793-006

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glossen stark zerklüftetes Gebiet“ erweist (Siebenhaar 2019: 421). Dass dies auch im Mittelalter nicht anders war, haben kleinräumige Studien (u. a. Bischoff 1935; 1957; 1967; Seibicke 1957; Tümpel 1880) bereits gezeigt. Selbst die vermeintlich feste Lautverschiebungsgrenze kann nicht als stabile Grenze angesehen werden. Vielmehr verschiebt sich selbst diese bis heute weiter gen Norden. Die Verdrängung des Niederdeutschen im Norden des ostmitteldeutschen Sprachgebiets zeigt sich auch deutlich in den spätmittelalterlichen Quellen des Sprachraums (vgl. Czajkowski 2011; 2021). Inwiefern sich historisches Codeswitching und Language-Mixing in gerade diesen Quellen nachweisen und vom generellen Prozess des Schreibsprachenwechsels im Zuge der Verdrängung des Niederdeutschen durch das Hochdeutsche unterscheiden lässt, wird konkret anhand folgender Quellen untersucht: Schöffenbuch der Stadt Aken (SchöB Aken) (1265–1462, 15150 word tokens), Magdeburg, LASA, Cop., Nr. 405a; München, BSB, Cgm 5250(46 Stadtbuch Alsleben (StB Alsleben) (1451–1490, 8099 word tokens), Halle (Saale), Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, 27 B 19 Stadtbuch Bernburg (StB Bernburg) (1401–1420, 10174 word tokens), Leipzig, Universitätsbibliothek, Ms 1583, online verfügbar unter https://digital.ub.uni-leipzig.de/object/ viewid/0000010626 (letzter Zugriff: 19.04.2021) Wetebuch der Schöffen zu Calbe (1381–1462, 36995 word tokens), Magdeburg, LASA, Cop. Nr. 406b-d Stadtbuch Calbe (Willkür) (StB Calbe) (1445–1475, 5902 word tokens), Stadtarchiv Calbe, o.S. (das Stadtbuch beinhaltet eine Willkür aus der Mitte des 15. Jahrhunderts) Handelsbuch Eisleben (StB Eisleben) (1460–1461, 983 word tokens), Magdeburg, LASA, Cop., Nr. 427i Schöffenbuch der Stadt Halle (SchöB Halle) (1266–1325, 2406 word tokens; nur die nach Jülicher 1925 datierbaren Einträge aus dem 1. Schöffenbuch), Halle (Saale), Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Yd 2° 31 (1).

Die Stadtbücher sind allesamt Kopiare und überliefern überwiegend Quellen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, d. h. es geht um den Verkauf von Grundstücken und Häusern, um Stiftungen für Altäre, um Verträge und Bürgschaften, um Urfehden usw. (vgl. Fedders 1988: 63). Schreiberhände können zwar durchaus voneinander unterschieden, nicht jedoch identifiziert werden; es lässt sich somit nur spekulieren, ob sich hinter der schreibenden Hand eine im Niederdeutschen oder im Hochdeutschen sozialisierte Person verbirgt.



Codeswitching und Language-Mixing in ostmitteldeutschen Stadtbüchern 

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Die Sprache der Quellen ist meist niederdeutsch. Je jünger die Quellen, desto häufiger wechselt die Schreibsprache aber zum Hochdeutschen. Natürlich finden sich auch lateinische Textstellen. Der Vollständigkeit halber wird nachfolgend zunächst der Sprachwechsel zwischen Deutsch und Latein näher beleuchtet. Danach werden die verschiedenen Ausformungen des Sprachwechsels zwischen Hochdeutsch und Niederdeutsch beschrieben. Aufgrund der recht großen terminologischen Vielfalt wird aber zuerst eine Übersicht über den hier angewendeten Codeswitching-Begriff vorangestellt.

2 C  odeswitching, Language-Mixing und niederdeutsch-hochdeutscher Schreibsprachenwechsel Codeswitching wird im vorliegenden Beitrag ein Wechsel zwischen mindestens zwei Codes innerhalb eines Textes genannt, bei dem sich der eine Code als Matrixsprache und der andere in Form einer untergeordneten Sprache (embedded language) identifizieren lässt (vgl. Myers-Scotton 2002). Dabei müssen die Codes nicht unbedingt Sprachen sein, „they may also be ‚dialects‘ or other varieties“ (Auer 1999: 313). Zu unterscheiden sind Alternation, bei dem sich die verschiedenen Codes abwechseln können, und Insertion, bei dem nur ein einzelnes Wort des einen Codes in die Sprachumgebung des zweiten Codes eingebettet ist (vgl. Auer 1999: 313–314). Beim Language-Mixing wechseln sich die verschiedenen Codes ab, ohne dass ersichtlich ist, welcher Code als Matrixsprache fungiert. Hier ist die syntaktische Verlinkung der beiden Codes sehr viel enger als beim Codeswitching (vgl. Auer 1999: 315). Im Gegensatz dazu verwendet Muysken den Begriff Mixing als Überbegriff für die verschiedenen Formen von intrasententieller Zweisprachigkeit, während der Begriff Codeswitching weniger geeignet sei, da er vor allem „something like alternation“ suggeriere, damit in Opposition zur Insertion stehe und Erscheinungen wie Entlehnung ausschließe (vgl. Muysken 2000: 3f.). Hier wird deutlich, dass eine einheitliche Verwendung der Begrifflichkeiten noch aussteht (vgl. Glaser 2016: 37). Language-Mixing wird im Folgenden im Auerschen Sinne verwendet, also im Falle von stärkerer Verwebung der Einzelsprachen als es beim Codeswitching (Alternation und Insertion) der Fall ist, wobei der Übergang zwischen inserierendem Codeswitching und alternierendem LanguageMixing fließend ist (vgl. Auer 1999: 321). Dieser von Auer (1999) beschriebene fließende Übergang von einerseits Codeswitching über Language-Mixing bis hin zu fused lects lässt sich auch anhand der Sprachwechselerscheinungen in den spät-

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mittelalterlichen Stadtbüchern, insbesondere in Bezug auf das Nebeneinander von Hochdeutsch und Niederdeutsch, zeigen. Fusion (und die damit verbundene Emergenz eines neuen Systems) zeigt sich dabei allerdings nicht,1 da die Variation letztlich in einem nd.-hd. Schreibsprachenwechsel mündet. Dieser findet im mittelniederdeutschen Sprachraum seit dem 16. Jahrhundert, im niederdeutschostmitteldeutschen Übergangsraum schon seit dem 14. Jahrhundert statt. Grund für das frühere Einsetzen des Schreibsprachenwechsels ist hier vor allem ein auch in mündlicher Sprache vollzogener Sprachwandel von niederdeutschen zu hochdeutschen Formen. Vor dem Hintergrund des Sprachwandels ist neben Codeswitching und Language-Mixing für die Beschreibung von Mehrsprachigkeit in historischen Quellen auch das gut erforschte Konzept der Entlehnung (Borrowing) und die damit verbundene Integration fremdsprachlicher Merkmale (vgl. dazu Matras 2000: 506508) relevant. In sonst einsprachiger Textumgebung kommen fremdsprachige Lexeme oder Wendungen vor, die zwar über eine bilinguale Zwischenstufe eingeführt wurden, dann aber fest in den Wortschatz integriert und grammatisch angepasst werden. „Usually, borrowings fill lexical gaps arising from imported concepts […]“ (Mahootian 2006: 513). Entlehnung bzw. Integration wird im vorliegenden Beitrag immer dann angesetzt, wenn (hier überwiegend) Lateinisches usualisiert (i. S. v. häufig in Gebrauch) ist und dabei die aufnehmende Sprache – meist lexikalisch – erweitert wird (vgl. Schendl im vorliegenden Band).

3 Intention Darüber hinaus ist der von Treffers-Daller (2009: 73) geforderte Fokus auf die Intention von Sprachwechseln auch für der Erforschung des historischen Codeswitchings gewinnbringend. Auf der einen Seite steht die Möglichkeit, dass ein Sprachwechsel unbewusst, also nicht-intendiert vollzogen wird. Lange Zeit wurde Codeswitching als sprachliches Defizit angesehen, doch mittlerweile verbreitet sich die Meinung, „code switching is in fact a natural consequence of competence in more than one language“ (Mahootian 2006: 512; vgl. auch Matras 2009: 74). In spätmittelalterlichen Texten häufig auftretende Hyperkorrekturen sind demnach vor allem ein Zeichen von Bilingualität und können durchaus als Indizien für nicht-intendiertes Codeswitching interpretiert werden. Insbesondere

1 Ich danke Peter Auer für die entscheidenden Hinweise zur Identifikation von Fusion bzgl. des vorliegenden Materials.



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an Varietätengrenzen ist von Mehrsprachigkeit und somit auch von Sprachmischung auszugehen, wobei die Sprachmischung vor allem aus einer „Dialektunsicherheit“ resultiert und somit eher unbewusst ist (vgl. Mitzka 1952: 79). Das andererseits bewusste, intendierte Codeswitching verfolgt Strategien, wie etwa das Anzeigen von Themen- oder Rezipientenwechseln (vgl. Mahootian 2006: 512). Dieser Aspekt wird vor allem in Bezug auf Adressatenorientierung von mittelalterlichen Texten noch wichtig sein. Auch der Wechsel zu einer hochdeutschen Schriftlichkeit im mittelniederdeutschen Sprachraum bei gleichzeitig erhaltener niederdeutscher Mündlichkeit ist intendiert. Beim Wechseln zwischen Deutsch und Latein ist zudem auch das Vorhandensein eines fachsprachlichen Inventars nicht zu unterschätzen, das in der Volkssprache so nicht existierte und daher weiterhin auf Latein produziert wurde. Matras (2009: 105) stellt fest, that language alternation is not entirely arbitrary, but that it is driven by varous levels of control over language-processing. Both insertional and alternational switches may be motivated by difficulties of retrievability of adequate means of expression in one of the languages.

Inwiefern der Mangel an äquivalenten Alternativen als Ursache für das Code­ switching in historischen Stadtbüchern gelten kann und welche Rolle dabei auch die Formelhaftigkeit der spätmittelalterlichen Verwaltungssprache spielt, soll im Folgenden näher beleuchtet werden.

4 D  eutsch-lateinische Sprachwechsel­ erscheinungen Die Sprache von Rechts- und Verwaltungstexten ist bereits im Spätmittelalter durch Formelhaftigkeit geprägt. Hünecke (2013) hat anhand eines Vergleichs verschiedener Einträge aus Geschäftsbüchern gezeigt, dass diese Formelhaftigkeit nicht nur bezogen ist auf „wiederkehrende Anreden, Titulaturen, Grußformeln und Datierungen“, sondern dass „darüber hinaus ganze Texte oder zumindest Teile davon „schablonenhaft“ immer wieder verwendet“ werden (Hünecke 2013: 68). Der Aufbau der Stadtbucheinträge ist also häufig sehr ähnlich. Das hat den Vorteil, dass für eine sprachliche Analyse zahlreiche immer wiederkehrende Elemente miteinander verglichen werden können. Gerade diese stark formalisierten Teile der Stadtbucheinträge sind für Sprachwechselerscheinungen mit Latein besonders offen.

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Die folgende Aufzählung der verschiedenen Formen von Sprachwechselerscheinungen ist keineswegs vollständig, zeigt aber bereits die große Breite der Möglichkeiten mittelalterlicher bilingualer Schriftlichkeit.

4.1 Lateinische Datumsangaben In mittelalterlichen Stadtbüchern wurden fortlaufend – unter der Angabe eines Datums, zumindest aber unter Angabe einer Jahreszahl – verschiedenste Verwaltungsakte festgehalten. Oftmals sind Stadtbücher Kopiare, in denen mehrere Einträge aus einer gewissen Zeitspanne gesammelt worden sind. Aus diesem Grund kommt es nicht selten vor, dass die Datumsangaben in den Stadtbüchern nicht chronologisch geordnet sind. Nichtsdestotrotz lassen sich die jeweiligen Einträge zumindest annähernd in ein Jahr datieren.2 Der Wechsel zum Lateinischen bei den Datumsangaben hatte in verwaltungsschriftlichen Quellen des Spätmittelalters Tradition. Es ist somit nicht überraschend, dass er in den untersuchten Stadtbüchern nahezu die Regel ist. Ausnahmen finden sich in den Einträgen aus dem Alslebener Stadtbuch, dem Stadtbuch aus Calbe und in den Hallischen Schöffenbüchern, in denen neben den lateinischen Angaben auch deutsche oder zumindest lateinisch-deutsch-gemischte, voran- oder auch nachgestellt, zu finden sind. Eine diachrone Entwicklung lässt sich nicht feststellen: Deutsche Einträge finden sich schon in den Hallischen Schöffenbüchern aus dem Jahr 1275 (etwa zur gleichen Zeit (1272) in Aken: lateinisch), lateinische aber noch in Einträgen aus dem Eislebener Handelsbuch aus dem Jahr 1461 (zeitgleich in Alsleben: deutsch).3 (1) Anno d(o)m(ini) (etc) lxqui(n)to Wy Radmann(en) Baltzar(e) rock Johann(es) kampstorp Tile Ernß(e)(n) (et) lame korr(e)n hebb(e)n genomen vnd(e) geborget by Joha(n)nes Rademaker(e) vnd(e) Gertrud(e) siner(e) můter(e) hundert guld(e)n jerlikes dar vp to geuen(e) ix guld(e)n vp martinj dewyle se beyde leuen […]

2 Eine Ausnahme bilden hier die Hallischen Schöffenbücher, in denen über viele Seiten hinweg keine Jahresangaben gemacht sind. 3 Anmerkung zur Transkription aller nachfolgenden Beispiele: Die Transkription erfolgt diplomatisch, Schaft-s wird als dargestellt, Abbreviaturen sind in runden Klammern aufgelöst.



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‚Im Jahr des Herrn (etc.) 65 Wir Ratmänner Baltzar Rock, Johannes Kampstorp, Tile Ernßen und Lame Korren haben für Johannes Rademaker und seine Mutter Gertrud 100 Gulden versichert und verbürgt und geben dafür jährlich neun Gulden am Martinstag, solange sie beide leben […]‘4 (StB Calbe, fol. 82, 1465)

(2) Anno d(o)m(ini) m°cccclxxij° fer(ia) t(er)tia p(ro)xj(ma) p(ost) mi(sericordi)a d(o) m(ini) js facius jans mit Margareta(n) syner Elichgen husfrowen i(n) hus vnd(e) hoff gewiset mit richte vnd(e) Rechte Nemelich dat pet(er) rodiger(e) selige(n) gewest is […] ‚Im Jahr 1472, am folgenden Dienstag nach Misericordia [zweiter Sonntag nach Ostern], ist Facius Jans mit seiner Ehefrau Margareta Haus und Hof gerichtlich zugewiesen worden, und zwar das, das dem seligen Peter Rodiger gehört hatte […]‘ (StB Alsleben, fol. 16v, 1472) (3) (Secunda) f(er)ia p(ost) epiphanie Roͤ le van hondorp het mit r(e)chte erwuͦ rff(e)n dat dyͤ buͮ r van gesere eme wedder duͦ n schull(e)n den schad(e)n den eme oͤ re vehe ghedan het(e) an zine(m) korne op dem velde […] ‚Am Montag nach Epiphanie [6. Januar]: Roͤ le van Hondorp hat vor Gericht erreicht, dass Geses Bauer ihm den Schaden wiedergutmachen soll, den ihm ihr Vieh an seinem Getreide auf dem Feld verursacht haben […]‘ (Wetebuch der Schöffen zu Calbe, fol. 12a, 1399) (4) Item eod(em) anno hebben wy vorgeschr(euen) Radmann(en) Baltasar roͤ k hentze hau(er) korn […] ‚Im gleichen Jahr haben wir zuvor erwähnten Ratsmänner Baltasar Roͤ k, Hintz Haferkorn […]‘ (StB Calbe, fol. 77, 1455) (5) we borg(er)meyst(er) vnd(e) radtman als hen(n)igh stey(n) Tylema(n)ne(n) schop vnd(e) vnße medeku(m)pe(n) (etc) beke(n)ne(n) ope(n)bar(e) dat Steffe(n) bolti(n)gh het gekoft mit wete(n) d(er) gemeyne zyne hofestede gelege(n) harde by Cla(us) Ernste Anno d(o)m(ini) millesio(n) quadri(n)ge(n)tesio(n) septuagesio(n) septio(n) i(n) warhayt diss(es) stadt bokes ‚Wir Bürgermeister und Ratsmänner, nämlich Henning Steyn, Tylemann Schop und unsere Mitgenossen etc. erklären öffentlich, dass Steffen Boltingh mit Wissen der Gemeinde seine Hofstätte, gelegen nahe bei Claus Ernst, gekauft hat; im Jahr des Herrn 1477 in Vereidigung dieses Stadtbuches‘ (StB Alsleben, fol. 15r, 1477)

4 Hier und im Folgenden die Übersetzung von der Autorin.

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(6) Koneke gerewig kam in geheget ding mit erfgeloue vn(de) begaueten eren hof vor L. M(arc) ku(n)zen kloneloke vn(de) brode vn(de) konen magerkole to dren iaren. […] Dit ist geschen jn deme iare vo(n) godes geburt ouer M CCC xviij° jar post oct(avam) pasche ‚Koneke Gerewig kam mit Zustimmung der Erben vor Gericht und überließ für drei Jahre Kunze Kloneloke und Brode und Kone Magerkole gegen [eine Zahlung von] 50 Mark ihren Hof. […] Dies ist geschehen in dem Jahr ab Gottes Geburt nach 1318 Jahren nach dem OsterOktavtag [achter Tag nach Ostern]‘ (Hallische Schöffenbücher, fol. 84a, 1318) (7) Anno d(o)m(ini) M° (etc.) Jn dem lij jare sind genomen by Balthazar roucho(n) […] ‚Im Jahr des Herrn 1000 (etc.) Im Jahr 52 sind von Balthazar Rouchon genommen […]‘ (StB Calbe, fol. 73, 1452) (8) hinr(ik) keseling hefft v(or)latin vt sine(m) erue in der nyenstad twene rinssche gulden yerlikis tinsis vp pu(r)ificacio(nis) dem p(ri)or(i) vnd(e) dem cappittele gemeyne to Nyenb(or)g ‚Hinrik Keseling hat dem Prior und der Capitelversammlung zu Nienburg aus seinem Erbe in der Neustadt zwei Rheinische Gulden jährlich an Purificationis [Maria Lichtmess; 2. Februar] [zu zahlenden] Zinses überlassen‘ (StB Bernburg, fol. 10rb, 1416)

Die Beispiele (1) bis (8) zeigen verschiedene Möglichkeiten der lateinischen Datumsangaben. In (1) ist das für alle nachfolgenden Einträge geltende Datum in Form einer Überschrift vorangestellt. In (2) ist die nur für einen Eintrag geltende, vorangestellte Datumsangabe in den Satz integriert; in (3) ist die vorangestellte Datumsangabe verkürzt, die Jahresangabe fehlt, da diese bereits in einem vorangehenden Eintrag genannt worden war. Noch kürzer fällt der direkte Verweis auf die zuvor genannte Angabe in (4) aus; in (5) steht die Angabe am Ende des Eintrags (vor einer Schlussformel). In allen diesen fünf Fällen lässt sich von alternierendem Codeswitching sprechen. In (6) ist zwar die Jahresangabe deutsch, das genaue Datum aber lateinisch. Die Datumsangabe ist demnach mischsprachlich, was für ein Language-Mixing spricht. In (7) sind Latein und Deutsch schon bei der Jahresangabe gemischt, demnach liegt auch hier Language-Mixing vor. In (1) und (8) finden sich die lateinischen Datumsangaben martinj (für den Martinstag) und pu(r)ificacio(nis) (für Maria Lichtmess). Auch wenn es sich hier nicht um Ausstellungsdaten handelt, können diese beiden Formen vor dem Hintergrund, dass Datumsangaben in spätmittelalterlichen Quellen generell häufig lateinisch wiedergegeben werden, zunächst als inserierendes Codeswitching deklariert werden. Im Laufe der Sprachgeschichte etablieren sich diese Formen jedoch, sodass hier von einer Entlehnung in die deutsche Sprache ausgegangen werden muss: Martini (die sancti Martini) ist bis heute in manchen Gegenden noch geläufig, so wie auch der lateinische Genitiv in Christi Himmelfahrt im alltäglichen Sprachgebrauch üblich ist. Das katholische Purificationis (Mariae) war zumindest in der Zeit vor Luthers Bibelübersetzung sowohl unter dem lateini-



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schen wie auch unter dem deutschen Namen bekannt und geläufig. In (9) stehen sogar sowohl die deutsche als auch die lateinische Bezeichnung Vrawen lichtmissen und purificationis nebeneinander. Die damit verbundene Differenzierung (vgl. Matras 2000, 508f.) zwischen den beiden Sprachen wird somit bewusst eingesetzt: (9) ok so hebbe we uns de macht beholden, dat we dussen jarliken tins […] wedder mogen afkopen […] na Christi gebord unsers leven heren veyrteynhundert jar darna in deme achte unde veyrtigesten jare, ame avende unser leven Vrawen lichtmissen oder purificationis. ‚auch haben wir uns das Recht bewahrt, dass wir diesen jährlichen Zins wieder abkaufen dürfen […] 1400 Jahre in dem 48sten Jahr nach Christi Geburt unseres lieben Herren, am Abend unserer lieben Frauen Lichtmess oder Purificationis‘ (Schmidt 1879: UB Halberstadt II, Nr. 957)

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich schon allein bei den Datums­ angaben in spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Stadtbüchern verschiedene Formen von Sprachwechselerscheinungen finden: alternierendes und inserierendes Codeswitching, Language-Mixing sowie Integration und damit einhergehende Entlehnung von fremdsprachigem Material im weiteren zeitlichen Verlauf.

4.2 Einleitende Partikel Item Die Stadtbucheinträge werden aber nicht immer durch Zeitangaben eingeleitet, sondern bisweilen auch durch die satzverknüpfende Partikel item (vgl. dazu auch Graf 2019: 473f.). Sie findet sich seit der Mitte des 13. Jahrhunderts in deutschsprachigen Texten (vgl. DRW online), taucht als Einzelwort auch in sonst ausschließlich deutschsprachigem Kontext auf und ist in den untersuchten Stadtbüchern vielfach belegt. Allerdings fällt auf, dass sich diese Belege erst ab Ende des 14. Jahrhunderts finden lassen: im Wetebuch der Schöffen zu Calbe ab 1387 (13 Tokens), in den deutschsprachigen Einträgen des Akener Schöffenbuchs ab 1394 (97 Tokens), im Alslebener Stadtbuch ab 1451 (15 Tokens), im Stadtbuch aus Calbe ab 1453 (14 Tokens). Im Bernburger Stadtbuch, in den Hallischen Schöffenbüchern und im untersuchten Ausschnitt des Eislebener Handelsbuchs sowie in den frühen Akener Schöffensprüchen aus dem 13. Jahrhundert kommt item hingegen nicht vor. Erst bei späteren Einträgen im Akener Schöffenbuch, wenn sich deutsche und lateinische Einträge abwechseln, erscheint item auch in deutschen Einträgen. Da item vor allem dann häufig auftritt, wenn auch andere formelhafte Teile des Stadtbucheintrages in lateinischer Sprache erscheinen, wie in (10), ist von intendiertem Codeswitching auszugehen.

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(10) It(em) sand(er) hed dingplichtich maket mest(er) nickel he dat he vt sinem(e) dinste gink xiijj. d. dat he achtede up viij sex. r(espond)it ne(gati)ue pax ‚Auch Sand(er) hat Meister Nickel vor Gericht gezwungen, weil er 14 Tage aus seinem Dienst ausgetreten war, wofür er 8 Schock5 berechnet; negativ beschieden, beschlossen‘ (Wetebuch der Schöffen zu Calbe, 30va, 1426)

Das Auftreten des in der Volkssprache alternativlosen item scheint demnach in engem Zusammenhang mit der beginnenden Formelhaftigkeit der Verwaltungssprache zu stehen.

4.3 Lateinische Schlussformeln Wie im Wetebuch der Schöffen zu Calbe (10) finden sich auch in den anderen deutschsprachigen Stadtbucheinträgen lateinische Schlussformeln. Diese unterscheiden sich allerdings von Stadtbuch zu Stadtbuch, es gibt zwischen den Stadtbüchern kaum Übereinstimmungen. Das Spektrum reicht von Feststellungen der Übereinkunft (11, 12), über die konkrete Entscheidung (r(espond)it ne(gati)ue, vgl. 10) bis hin zu einer schlichten Apprecatio, also einem abschließenden Segenswunsch (13). Bisweilen stehen diese lateinischen Schlussformeln im Zusammenhang mit schon früher im Stadtbuch verzeichneten deutschsprachigen Konzepten, wie die Beispiele (11) bis (13) illustrieren: (11) Oltze iu(n)gen heft wu(n)nen op Hinr(ic) culbitz i lot vn(de) (½) schep(e)l weyt(es) pax f(ir) mata ‚Oltze Jungen hat von Hinric Culbitz 1 Lot und ½ Scheffel Weizen erstritten, vertraglich beschlossen [wörtlich: Frieden wurde gegründet]‘ (Wetebuch der Schöffen zu Calbe, fol. 7a, 1387)

Alde ghiseke dy scal betale(n) den buͦ ren van tornicz eyne m(a)rk br(a)nd(enburgisch) sulue(re)s bynne(n) verteyndaghen dar ene eyn vrede ouer warcht ‚[Die] alte Ghiseke soll den Bauern von Tornicz eine Mark brandenburgischen Silbers innerhalb von vierzehn Tagen bezahlen, darüber ist ein Vertrag [„Frieden“] erwirkt worden‘ (Wetebuch der Schöffen zu Calbe, fol. 3a, 1383)



Wenslawes muͦ len heft ghewuͦ nnen oppe rodale ene buͦ te alse drittech schilli(n)ghe vor missehandelinghe dar is en vrede ouer gan ‚Wenslaw Mühle hat von Rondal eine Buße von dreißig Schillingen für die Übeltat erstritten, darüber ist ein Vertrag [„Friede“] ergangen‘ (Wetebuch der Schöffen zu Calbe, fol. 4a, 1383)

5 Lat. sexagena = dt. Schock = 60 Groschen.



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Gertrud brugesol(e)n hadde dingplichtich maket hans smed jorer sust(er) man vor xviij sex(agenis) dy he jor bekantte vnd(e) is befredet ‚Gertrud Brugesolen hatte Hans Smed, den Mann ihrer Schwester, vor Gericht gebracht wegen 18 Schilling, die er ihr zusicherte, und [der Streit] ist beendet [befriedet]‘ (Wetebuch der Schöffen zu Calbe, fol. 30a, 1426)

(12) Hans P(er)sik hed van sines wifes wegin gelecht eyn radelewe anna(n) yenkens dat d(er) erg(ena)nt(en) anna(n) an gestorue(n) is van der hans p(er)sik(e)n dar hed oͤ n beid(er)sijt an genug(et) (et) d(ederun)t p(acem) s(uam) ‚Hans Persik hat wegen seiner Frau eine Hinterlassenschaft von Anna Yenkens bestimmt, die die genannte Anna Yenkens von Hans Persik geerbt hat, damit waren sie beide einverstanden, und sie haben ihren Frieden gegeben [diktiert]‘ (SchöB Aken, fol. 78a, 1434–38)

Mathias cluͤ cz hed genome(n) ey(n) her geweide . dat oͤ m an gestorue(n) is va(n) h(er)ma(n) cluͤ cze sine(n) vedde(re)n vn(de) hebb(e)n dar vp gegeue(n) ore(n) vrede ‚Mathias Cluͤ cz hat Rüstung und Gerätschaft genommen, die er von Herman Cluͤ cz, seinem Vetter, geerbt hat und [sie] haben darauf ihren Frieden gegeben‘ (SchöB Aken, fol. 77b, 1433)

(13) kathe(r)ina Tyle zcirwistkyns wedewe dye hed gegeue tuͦ dem altar tuͦ der spende vnd tuͦ deme kalande dye houe yn der aldin stad vu(lt) (esse) p(otens), q(uam) diu vix(er)it ‚Katherina Tyle, die Witwe Zcirwistkyns, die hat zu dem Altar, zu der Spende und zu dem Kaland [hier: Trinkgelage] den Hof in der Altstadt gegeben, es gilt, solange sie gelebt haben wird‘ (SchöB Aken, fol. 67a, 1394)

hans doring dye het geue(n) Bethin syne(n) wybe all(es) daz her had vnd vmbir wynd eyn h(er) re wil her daz syn dye wile her lebt ‚Hans Doring, der hat seiner Ehefrau Bethin alles das gegeben, das er hatte und den Besitz umfasst; das will er, solange er lebt‘ (SchöB Aken, fol. 1a, 1265)



Vor gertrut vo(n) waldale. de is come(n) in geheget di(n)g. vor de(n) richt(er)e. vn(de) vor de schepene(n). vn(de) gaf mit erve(n) gelove irer dochter an deme hove bi s(ancte) nycolause leget. drittich mark. siv wil av(er) dar inne sin al de wile dat siv levet ‚Vor Gertrut von Waldal. Diese ist vor das Gericht, vor den Richter und vor die Schöffen getreten und gab ihrer Tochter mit Zustimmung der Erben [einen Anteil in Höhe von] dreißig Mark an dem Hof, der bei St. Nicolaus gelegen ist. Sie will aber darin bleiben, solange sie lebt‘ (SchöB Halle, fol. 2a, 1266–71).

In (14) werden sowohl die deutsche Version als auch die lateinische nacheinandergestellt, was für einen bereits formelhaften Gebrauch der lateinischen Fügung spricht.

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(14) Jacob roͤ le hed yesen sin(er) elik(e)n husfraw(e)n gegeue(n) al dat he hed vnd(e) v(m)mer gewi(n)t telen sij kinder der schal dij helffte sin is des nicht we oͤ er leng(er) leuet dat it des al sij (et) vu(l)t e(ss)e p(otens) q(uam) d(iu) v(ivit) vt genomen vt den reydesten guͤ dern schal den iungen kind(er)n xii alde schog (et dedit pacem suam) ‚Jacob Roͤ le hat seiner Ehefrau Yese all das gegeben, das er hat und das den Besitz umfasst; teilen sie sich Kinder, soll denen die Hälfte gehören; es [gelte] das nicht, [wenn] einer von ihnen länger lebt, [dann] sei es alles dessen allein und es gilt, solange er lebt, herausgenommen werden aus den beweglichen Gütern sollen den jungen Kindern 12 alte Schock; beschlossen‘ (SchöB Aken, fol. 81b, 1439–42)

Diese lateinischen Schlussformeln sind aber nicht nur inhaltlich, sondern auch lexikalisch sehr variabel. D. h. es sind „in der Regel keine festen Formeln im strengen Sinne […]. Vielmehr sind diese durch hohe „variatio“ der Lexeme bzw. Lexembestandteile gekennzeichnet und phraseologisch noch nicht vollständig verfestigt“ (Ganslmayer 2012: 51). Was Ganslmayer für die Urkundensprache des 13. Jahrhunderts konstatiert, trifft auch auf die per Codeswitching in deutschsprachige Stadtbucheinträge eingebaute lateinische Apprecatio zu. (15) zeigt verschiedene Varianten aus dem Akener Schöffenbuch: (15) […] vu(l)t e(ss)e p(otens) q(uam) diu vix(er)it ‚es gilt, solange er gelebt haben wird‘ (SchöB Aken, fol. 67a, 1394) […] vu(l)t e(ss)e potens (quam) diu vivit ‚es gilt, solange er lebt‘ (SchöB Aken, fol. 67a, 1394) […] vu(l)t e(ss)e p(otens) ‚es gilt‘ (SchöB Aken, fol. 67a, 1394) […] (et) vu(l)t e(ss)e p(otens) q(uam) d(iu) v(ivit) (et) d(edi)t p(acem) s(uam) ‚und es gilt, solange er lebt, und es ist beschlossen [„sein Friede gegeben“]‘ (SchöB Aken, fol. 78a, 1434–38) […] (et) vu(l)t e(ss)e p(otens) q(uam) d(iu) i(n) v(ita) (et) d(edi)t p(acem) s(uam) ‚und es gilt, solange er am Leben ist und es ist beschlossen‘ (SchöB Aken, fol. 80a, 1439–42) […] (et) vu(l)t e(ss)e p(otens) q(uam) d(iu) i(n) p(otestate) (et) d(edi)t p(acem) s(uam) ‚und es gilt, solange er an der Macht ist und es ist beschlossen‘ (SchöB Aken, fol. 81a, 1439–42)



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Festzuhalten bleibt, dass die Einbettung von lateinischen Schlussformeln in deutschsprachige Stadtbucheinträge ab dem 14. Jahrhundert durchaus üblich war, dass die lateinischen Schlussformeln deutschsprachige Äquivalente haben und dass die vermeintlich festen Formeln lexikalisch noch sehr variabel waren. Da die Formeln syntaktisch unabhängig vom restlichen Eintrag sind, ist hier von alternierendem Codeswitching auszugehen.

4.4 Weitere Einschübe Die Liste der verschiedenen lateinischen Einschübe (zum Begriff siehe Glaser 2016: 40) in den ostmitteldeutschen Stadtbüchern ließe sich nun noch erheblich fortsetzen. Es finden sich zahlreiche lateinische Einzelwörter (16), aber auch lateinische Halbsätze kommen vor (17). In den meisten Fällen handelt es sich um Codeswitching, wobei sich in den verschiedenen Einzelfällen streiten lässt, ob eher Alternation oder Insertion vorliegt. (16) Relicta Petri molres Jacob vnde hintzke ore sone hebbe(n) or erue vorlate(n) Matties(e) polen dat erue gifft hy vort vnd(e) alle(n)t dat hy hefft vnd(e) v(m)mer gewynt alheid(en) sin(er) eliken husfrowe(n) vnd(e) sine(n) kinde(re)n sulue(n) weldich. daryn(ne) behelt s(anc)t(u)s nycola(us) xv g(rossen) vp meynde(n) vnd(e) dy perner xv g(rossen) vp meynden ‚Die Hinterbliebene Petri Molres [und] Jacob und Hintzke, ihre Söhne, haben Matties Polen ihr Erbe überlassen; dieses Erbe und alles, das er hat und je erreicht, gibt er eigenmächtig weiter an Alheid, seine Ehefrau, und seine Kindern. Davon behält Sankt Nicolaus 15 Groschen [zu zahlen] in der Gemeinwoche [Woche nach Michaelis] und der Pfarrer 15 Groschen [zu zahlen] in der Gemeinwoche‘ (StB Bernburg fol. 9rb, 1414) (17) hincze smed hed wu(n)nen mit r(e)chte vnd(e) utclaget alle der sake vnd(e) tosprake dy he hadde vnd(e) hebb(e)n mach tyg(e)n albr(echt) hincz(e)n wonhafftich to czorbeke (quod) sibi scandula (et) minuto(r)ia v(erb)a i(m)posuit vnd(e) is befredet ‚Hincze Smed hat mit Recht erreicht und in auswärtigen Gerichten erklagt alle die Rechtsangelegenheiten und Beschwerden, die er hatte und haben darf gegen Albrecht Hinczen, wohnhaft zu Zörbig, was er ihm mit anstößigen und herabsetzenden Worten auferlegt hat, und [der Streit] ist beendet [befriedet]‘ (Wetebuch der Schöffen zu Calbe, fol. 31b)

Zwei weitere Fälle sollen dennoch vorgestellt werden, da sie für die noch zu besprechenden deutsch-deutschen Sprachwechselerscheinungen relevant sein werden. Sie stammen aus dem Stadtbuch von Alsleben, und zwar aus dem in Bezug auf Codeswitching wohl interessantesten, zweiten Teil des Stadtbuchs. Dieser umfasst eine kopiale Sammlung von insgesamt 17 Magdeburger Schöffensprüchen (datierbar auf das Jahr 1451, eine Hand). Diese haben (bis auf wenige

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Auslassungen) jeweils den gleichen Aufbau: Überschrift, Intitulatio (schepen to Magdeborch; in verschiedenen graphischen Abwandlungen), Salutatio (Vnsin fru(n)liken grut touorn(e); in verschiedenen graphischen Abwandlungen), Inscriptio (Ersa(m)men besu(n)d(er)n guden fru(n)de; o.ä.), Arenga (Gi hebben vns v(m)me Recht gevraget), Narratio, Promulgatio (Hir vp spreke we Schepen to Magdeborch ey(n) recht; in verschiedenen Abwandlungen, inhaltlich aber immer gleich), Dispositio, Corroboratio (Besegelt mit vnßem(e) jnges(egil)). Matrixsprache der Schöffensprüche (SSP) ist das Niederdeutsche, was nicht weiter verwunderlich ist, da Magdeburg im niederdeutschen Sprachgebiet liegt und der Schreibsprachenwechsel vom Niederdeutschen zum Hochdeutschen in der städtischen Kanzlei Magdeburgs erst 1520 einsetzt (vgl. Gabrielsson 1983: 149). In zwei Schöffensprüchen wechselt der Text aber jeweils einmal zum Lateinischen. In SSP 11 (18) ist die Salutatio lateinisch, wobei der lateinische Text auch hier – wie schon bei den lateinischen Schlussformeln beschrieben – dem sonst deutschsprachigen Muster der anderen Schöffensprüche folgt: (18) Ey(n) Recht wu eyns ma(n)nes rechte broder kint vnde rechte suͤ st(er) kint nach syme dode Erffe(n) sy(n) gut vnde ganz to lyker deili(n)ge ey(n) is so na als dy ander(e) Fauorosa salutac(i)o(ne) p(rae)missa Vns hebbe(n) gevraget hans lange vnde hintze Care juwe medeb(or)ger(e) […] ‚Ein Recht, dass das rechtmäßige Kind des Bruders eines Mannes und das rechtmäßige Kind der Schwester nach seinem Tod sein Gut erben und zwar zu gleichen Teilen, [denn] der eine ist so nah wie die andere. Unseren freundlichen Gruß zuvor. Uns haben gefragt [um Urteil gebeten] Hans Lange und Hintze Care, Eure Mitbürger […] (StB Alsleben, SSP 11, fol. 12r–12v, 1451)

In SSP 14 (19) hingegen entfällt die Salutatio; stattdessen wird nach der Überschrift die sonst eher allgemein gehaltene Inscriptio (leven fru(n)de) ersetzt durch eine konkrete Personennennung und die nachgestellte Intitulatio: (19) Ey(n) Recht af ymand vnweri(n)gis etzwes an vye swyn(e) adder ander(e) gud vnd(e) meynde it were syn jn neme w(er)de schuldig(et) Stre(n)nuis militibus, d(omi)no hinrik de kokstede, At d(omi)no Tilen duhs, necno(n) d(omi)no bussen schoͤ nehals om(n) ib(us)q(ue) famulis famo(labus) i(n) Casto Alsleubin co(n)mora(n)tib(us), Schabini ciuitat(is) Magdeborch s(er)uiciu(m) Vor vns hebbe(n) gewest de bescheiden(e) luͤ de peter Teresak, vnde Tile betker(e) vnde hebbe(n) vns bericht, dat ey(n) orer Boͤ rgere hebbe gegrepe(n) eyne(n) hamel vt der harde […] ‚Ein Recht über einen, der unversehens etwas an Vieh, Schweinen oder anderen Gütern [hat] und meinte, es sei seine Einnahme, werde von aktiven Soldaten angeklagt, [hier speziell:] Herr Hinrik de Kokstede, hingegen nicht Herr Tilen Duhs, auch nicht Herr Busse Schoͤ nehals und alle Diener und Dienerinnen, die sich in der Stadt Alslebin aufhalten, die Schöffen im Dienst der Stadt Magdeburg. Vor uns sind gewesen die weisen Leute [Ratsmänner] Peter



Codeswitching und Language-Mixing in ostmitteldeutschen Stadtbüchern 

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Teresak und Tile Betker und haben uns berichtet, dass einer ihrer Bürger einen Hammel aus der Herde gegriffen hat‘ (StB Alsleben, SSP 14, fol. 10r–10v, 1451)

Das bisher beschriebene, immer wiederkehrende Muster, dass der Sprachwechsel zum Lateinischen in ostmitteldeutschen Stadtbüchern überwiegend nicht willkürlich, sondern an Textstrukturen gebunden ist, zeigt sich auch hier. Die Stadtbucheinträge bestehen aus verschiedenen formalen Textteilen, die unabhängig voneinander lateinisch eingetragen werden können. Der Sprachwechsel zwischen Latein und Deutsch stellt dabei keinerlei Hürde dar. Vielmehr war das Lateinische seit dem 15. Jahrhundert in allen Bereichen der Bildung allgegenwärtig, wie auch Stolt (1964: 9) ausführt. Der Anteil an lateinischem Wortmaterial am Gesamttext variiert – sowohl diachron als auch textabhängig. Von gänzlich niederdeutschen Stadtbuchteilen über Texte mit stark lateinisch formalisierten Anteilen bis hin zu Matrixsprachwechseln zum Lateinischen ist vieles möglich – und üblich.

4.5 Matrixsprachwechsel Von den untersuchten Stadtbüchern ist das Akener Schöffenbuch aber das einzige, in dem die Matrixsprache der Einträge zum Lateinischen hin wechselt. Bis 1272 (fol. 5v) sind die Einträge deutschsprachig, bis auf die Zeitangaben ohne nennenswerte lateinische Anteile. Ab fol. 6a sind die Einträge lateinisch, mit wechselnden Händen. Erst ab fol. 13a (1330) finden sich wieder vereinzelte deutsche Einträge zwischen den lateinischen, auch innerhalb einer Schreiberhand. Ab fol. 33b (1394) ist der überwiegende Anteil der Einträge des Schöffenbuches wieder deutschsprachig, allerdings mit verschiedenen lateinischen formelhaften Elementen, wie Eingangspartikeln und Schlussformeln. Ab fol. 81b (1442) finden sich dann auch vereinzelte lateinische Einträge zwischen den deutschen, bis etwa ab Mitte des 15. Jahrhunderts die Matrixsprache endgültig zum Deutschen wechselt. Die verschiedenen Einträge müssen als Einzeltexte angesehen werden, die auf Grundlage nicht erhaltener Vorlagen ins Schöffenbuch kopiert wurden. Selbst wenn ein Schreiber den Code innerhalb einer Niederschrift wechselt und man versucht ist, von alternierendem Codeswitching zu sprechen, muss doch darauf verwiesen werden, dass zunächst die Vorlage die Schreib- und damit Matrixsprache bestimmte und weniger der Schreiber. Es gibt vielmehr keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass ein Schreiber zwischen die vielen lateinischen Einträge aus der Zeit von 1272 bis 1394 mit Absicht deutsche Einträge gestreut hat oder andersherum

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im 15. Jahrhundert lateinische zwischen die deutschen. Von Codeswitching kann hier demnach keine Rede sein.

4.6 Lateinische Abbreviaturen Wie bei der Partikel item handelt es sich auch bei den lateinischen Abbreviaturen um zumeist alternativlose Schreibungen. Sie stehen allerdings nicht im Zusammenhang mit formelhaftem Sprachgebrauch. Vielmehr handelt es sich um eine Zeit sowie Material sparende, usualisierte Verwendung von Kürzungen häufig vorkommender Formen (vgl. dazu auch Czajkowski 2018: 84). Dabei sind die in deutschen mittelalterlichen Handschriften verwendeten Zeichen „fast ausschließlich von den für die lateinischen Schriften entwickelten Abbreviaturen übernommen“ (Schneider 2014: 86). Die häufigsten Abbreviaturen sind daher auch die heute als standardisiertes Diamorph anzusehende, im Mittelalter aber noch äußerst variable Ligatur & für lat. et ‚und‘, sowie verschiedene Abkürzungen für etcetera (vgl. Capelli 1912: 408f.). Ebenfalls zahlreich sind Abkürzungen von lateinischen Währungseinheiten wie sexagena (Schock = 60 Groschen) oder fertionem (Ferto = Viertelpfennig) (20), sowie die Kürzung der zeitlichen Bezugnahme Anno domini ‚im Jahr des Herrn‘ bzw. von Jesus Christus (21): (20) Anno d(o)m(ini) (etc.) lx (primo) Hebbe(n) wy Radma(nnen) Joh(annes) arnstey(n) mathe(us) glor(e) (etc.) genome(n) by Gerard(us) mit der stelte(n) vn(de) sin(er) husfrowe(n) to or(e) beyder liue C (sexagena) gr(oschen) jerlik(es) in dar vpp to geue(n) tho twen tide(n) […] vj (sexagena) vpp winacht(en) vn(de) vj (sexagena) vpp Jute(n) iho(hann)es baptiste(n) dach ‚Im Jahr des Herrn etc. 61 haben wir Ratsmänner Johannes Arnsteyn, Matheus Glore etc. von Gerardus mit der Stelten und seiner Ehefrau zu ihrer beider Lebensunterhalt 100 Schock Groschen [6000 Groschen] genommen, um ihnen jährlich dafür zu zwei Zeiten [Geld] zu geben, 6 Schock an Weihnachten und 6 Schock am Johannestag‘ (StB Calbe, S. 80f., 1461) (21) In dem jare alzo scribet(e) nach (iesus Christus domini) gebort virczenhunderte jar dar nach in d(e)m lxvij ja(r)e […] ‚In dem Jahr, das [man] schreibt nach der Geburt des Herrn Jesus Christus 1400 Jahre danach in dem 67sten Jahr […]‘ (StB Alsleben, fol. 14r, 1467)

Auch wenn die Abbreviaturen in den Beispielen (20) und (21) überwiegend auf ursprünglich lateinische Bezeichnungen zurückzuführen sind, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie im deutschsprachigen Kontext nicht auch als Kürzung



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der jeweiligen deutschsprachigen Äquivalente zu lesen sind und damit gar kein Sprachwechsel vorliegt. Aufgrund fehlender volkssprachlicher Abbreviaturen ist somit von einer Integration der fremdsprachlichen Abbreviaturen auszugehen.

4.7 Deutsch-lateinisches Language-Mixing Neben diesen in die Sprache integrierten lateinischen Formen wurden bisher überwiegend Beispiele für lateinisch-deutsches Codeswitching aufgeführt. Language-Mixing, also das Wechseln zwischen den Codes ohne erkennbare Matrixsprache, konnte nur sehr begrenzt innerhalb gemischtsprachiger Datumsangaben nachgewiesen werden. Im Wetebuch der Schöffen zu Calbe finden sich nun in großer Zahl Stadtbucheinträge mit einer starken Durchmischung von lateinischer und deutscher Sprache. In (22) zeigt sich nochmals inserierendes Codeswitching mit der Matrixsprache Deutsch, in (23) Codeswitching mit der Matrixsprache Latein. (22) hans aldendorp jmpec(iit) de destorpschem synes wiues mutter vmb v sex(ag.) ip(s)a dixit se hedde on vornoget mit eyne(m) huß des se sik toch an syne witschop jp(s)e ne(gauit) cu(m) iur(amento) ‚Hans Aldendorp verklagt die Destorpsche, die Mutter seiner Ehefrau, auf 5 Schock; sie selbst hat gesagt, sie hätte ihn mit einem Haus ausgezahlt, das sie sich seines Wissens angeeignet hat, sie selbst leugnet das unter Eid nicht‘ (Wetebuch der Schöffen zu Calbe, fol. 38a, 1457) (23) hans poyencrantz jmpet(iit) valenti(n) scurmest(er) tho(ma)s cam(er)meist(er) (et) laur(entz) hane vmb eyne(n) kane(n) p(ro) (iv½) sex(ag.) r(eco)g(noue)ru(n)t soluu(n)t p[ax] ‚Hans Poyencrantz verklagt Valentin Scurmester, Thomas Camermeister und Laurentz Hahn auf 4,5 Schock wegen eines Kahns; anerkannt, bezahlt, beschlossen‘ (Wetebuch der Schöffen zu Calbe, fol. 38b, 1458)

Bei den Beispielen (24) und (25) hingegen ist nicht mehr eindeutig zu entscheiden, welche Sprache Matrixsprache ist. Hier liegt ein Language-Mixing vor. (24) Diderik lede jnpecijt drewes hunde v(m)me iiij schok g(rossen) non (com)pa(ra)uit am(e) ma(n)taghe vor m(er)[tini] ‚Diderik Lede verklagt Drewes Hund auf 4 Schok Groschen, ohne Vergleich, am Montag vor Martini‘ (Wetebuch der Schöffen zu Calbe, fol. 36b, 1452)

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(25) De pep(er)sche jnpeczijt dy Concze beckersche(n) Respondit ei negatiua v(m)me j schogk pax ‚Die Pepersche verklagt die Concze Beckersche; diesem [wird] ablehnend beschieden [zum Preis von] einem Schock, beschlossen‘ (Wetebuch der Schöffen zu Calbe, fol. 32b, 1446)

Im Gegensatz zu den oben beschriebenen verschiedenen Formen des formelhaften Gebrauchs des Lateinischen in der (sonst überwiegend deutschen) Verwaltungssprache des 14. und vor allem 15. Jahrhunderts, wie etwa bei der Datumsangabe und der beschließenden Formel am Ende der Stadtbucheinträge, zeigen diese letztgenannten Beispiele des Language-Mixings, dass das Lateinische durchaus auch außerhalb von festen, vorgegebenen Strukturen parallel zur Volkssprache verwendet wurde. Der nicht-intendierte, sondern nahezu willkürlich scheinende Gebrauch des Lateinischen verdeutlicht die Stellung des Lateinischen im 15. Jahrhundert als zweite Sprache in einer deutsch-lateinischen Bilingualität der Schreiber.

5 N  iederdeutsch-hochdeutsche Sprachwechsel­ erscheinungen In den ostmitteldeutschen Stadtbüchern zeigen sich aber nicht nur lateinischdeutsche Sprachwechselerscheinungen, sondern auch Wechsel zwischen deutschen Varietäten, erwartungsgemäß zwischen dem Niederdeutschen und dem Hochdeutschen. Die Städte Aken, Alsleben, Bernburg, Calbe, Eisleben und Halle liegen alle im Grenzraum zwischen den beiden Varietäten. Die Stadtbücher aus diesen Städten entstanden alle zu einer Zeit, in der sich noch keine schreibsprachliche Norm herausgebildet hatte: Weder Luthers Bibelübersetzung noch Gutenbergs Buchdruckerfindung konnten schon wirken; die „Vertikalisierung des Varietätenspektrums“ (Reichmann 1988, insb. 175), also die Orientierung an sich herausbildenden Leitvarietäten, setzte erst im 16. Jahrhundert ein. Vielmehr zeichnen sich die vormodernen Schreibsprachen bis etwa 1500 durch einen relativ hohen Anteil von dialektbezogenen Schreibungen aus (vgl. Skála 1995). Dementsprechend ist ohnehin zu erwarten, dass in den untersuchten Stadtbüchern sowohl niederdeutsche als auch hochdeutsche Einträge nebeneinander stehen. Die untersuchten Stadtbücher sind aber, abgesehen von den verschiedenen lateinischen Textteilen, überwiegend niederdeutsch geschrieben, während der Anteil des Hochdeutschen noch relativ gering ist. Im Folgenden sollen diese wenigen hochdeutschen Textteile in niederdeutscher Umgebung eingehender betrachtet werden.



Codeswitching und Language-Mixing in ostmitteldeutschen Stadtbüchern 

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5.1 Schreibsprachenwechsel aufgrund von Schreiberwechsel Stadtbücher wurden normalerweise über einen längeren Zeitraum und somit auch von verschiedenen Schreibern geführt. Diese Schreiber zu identifizieren, ist eine kaum lösbare Aufgabe. Selbst die Trennung allein von unterschiedlichen Schreiberhänden ist aufgrund der hohen Anzahl verschiedener Hände nur mit sehr großem Aufwand zu betreiben, zumal der Erkenntniswert, den die Identifikation eines Schreibers mit sich bringt, gering ist, wenn über die Heimat, die Ausbildungsstätte oder den Schreibusus wenig bis nichts bekannt ist (vgl. Schützeichel 1974: 12). Im Zusammenhang mit dem Matrixsprachwechsel vom Deutschen zum Lateinischen in den Akener Schöffenbüchern ist bereits erwähnt worden, dass vor allem die Vorlage der gesammelten Eintragungen ins Schöffenbuch über die Schreibsprache im Stadtbuch bestimmte, vor allem dann, wenn es sich offensichtlich nur um eine Schreiberhand handelt. Aber erwartungsgemäß kann auch ein Schreibsprachenwechsel mit einem Schreiberwechsel einhergehen. Dies zeigt sich beispielsweise im Stadtbuch Alsleben. Der dritte Teil dieses Stadtbuches umfasst 42 im Zeitraum von 1451 bis 1490 niedergeschriebene Einträge mit privatrechtlichem Inhalt. Diese wurden von mindestens neun Schreibern nicht chronologisch eingetragen, wobei sich die unterschiedlichsten Schreibsprachen präsentieren. Die Beispiele (26) bis (28) zeigen Einträge von drei verschiedenen Schreibern: (26) We bartolt pri(n)tz borg(er)mester(e) vnd(e) gesworne schepen(e) beke(n)nen in vnser stad boke dat Michel scharren vnde Jlse syn Elike husfrowe si(n)t ingewiset mit richte vnd(e) mit rechte in hus vnd(e) in hoff des si(n)t we sitten(e) ind on beiden beka(n)t vnd(e) betuge(n) dat mit vnser stadboke wur on des not is Anno d(o)m(ini) (etc) lix d(o)m(ini)ca i(n)fra octaua(s) visitaco(nis) ma(r)ie ‚Wir, Bürgermeister Bartold Printz und die geschworenen Schöffen, bekennen in unserem Stadtbuch, dass Michel Scharren und seine Ehefrau Ilse gerichtlich und mit Recht in Haus und Hof eingewiesen worden sind, dies haben wir Ausführende ihnen beiden mitgeteilt und bezeugen das mit unserem Stadtbuch, so ihnen das ein bedürfnis ist, [eingetragen] im Jahr des Herrn (etc.) 59, am Sonntag nach dem achten Tag nach Maria Heimsuchung [2. Juli]‘ (StB Alsleben, fol. 19v, 1459) (27) Wir burgermeist(er) bartolt printcz clawes ernst vn(de) syne ku(m)pan bekennen vn(de) beczugen jn vnßerm stad buͤ che das heynrich molweyde vn(de) seyne eliche husfrawe sint ingeweyßet yn huͤ ß vn(de) yn hoff mit richte vn(de) mit rechte des nehesten dinstag(es) noch der gebort vnßer liebin frawen jn dem(e) lxx ia(r)e ‚Wir, Bürgermeister Bartold Printcz, Clawes Ernst und seine Kollegen bekennen und bezeugen in unserem Stadtbuch, dass Heynrich Molweyde und seine Ehefrau gerichtlich und mit Recht in Haus und Hof eingewiesen worden sind, am Dienstag nach der Geburt unserer lieben Frau [Maria Geburt, 8. September], in dem 70. Jahr‘ (StB Alsleben, fol. 16v, 1470)

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(28) Wir burgermeister pertorlth princz lorentz fricz pauel grothe hanß keswigk ore mite kom(m) pan(n) bekenne(n) vnd beczug(e)n mit vnßer(e)n stad buche das peter bethe mit teahan syner elichen hauß frauen ist yn ge wist yn clawß crist buth mit richte vnd mit mit rechte In sontage vn scheffir tage In deme iare vnßers her(e)n ih(es)u (christus) duszenth veherhunderth vnd jn deme veher vnd achtzichsten iare ‚Wir, Bürgermeister Pertorlth Princz, Lorentz Fritz, Pauel Grothe, Hanß Kesewigk, ihre Kollegen, bekennen und bezeugen mit unserem Stadtbuch, dass Peter Bethe mit seiner Ehefrau Tea, gerichtlich und mit Recht in die Bude von Claus Crist eingewiesen worden ist, am Sonntag und Schöpfertag, in dem Jahr unseres Herrn Jesus Christus 1400 und in dem vierundachzigsten Jahr‘ (StB Alsleben, fol. 16r, 1484)

In den Beispielen sind sprachliche Äquivalente unterstrichen: In (26) sind die Formen niederdeutsch, in (27) und (28) hochdeutsch. Beispiel (28) weist zudem oberdeutsche Merkmale auf, auch zeigt sich hier schon die frühneuhochdeutsche Diphthongierung. In der Gesamtschau auf die Einträge wird deutlich, dass die später datierten Einträge im Alslebener Stadtbuch häufiger hochdeutsche Merkmale zeigen als die früher datierten (vgl. hierzu auch Czajkowski 2015). Das Niederdeutsche wird vom Hochdeutschen verdrängt. Es handelt sich also nicht um Codeswitching oder Language-Mixing, sondern um einen (sukzessiven) Schreibsprachenwechsel, der auf – im ostmitteldeutschen Sprachraum auch in mündlicher Sprache vollzogenem – Sprachwandel (language-shift) beruht.

5.2 Niederdeutsch-hochdeutsches Codeswitching Im Gegensatz dazu findet sich der wohl bemerkenswerteste Fall von einem niederdeutsch-hochdeutschem Codeswitching in ostmitteldeutschen Stadtbüchern ebenfalls im Alslebener Stadtbuch und zwar in den schon vorgestellten Schöffensprüchen. Im dritten Schöffenspruch ist die Matrixsprache niederdeutsch, die Invocatio aber ist hochdeutsch: (29) hir hefet sik an Eyn Rechtbriff […] Schepen to Magdeborch Vnßin fru(n)dlichin grußs zcuuorn(e) Ersamen besu(n)d(er)n gude(n) fru(n)des So gi vns v(m)me Recht hebben gefraget i(n) dissen nageschrefen(e) worde(n) […] Hir vp Spreke we Schepen to Magd(eborch) vor Recht […] So is soda(n)ne gud als dat kind na syme dode gelaten het, mit beterem(e) rechte vp syne Muder(e) gefalle(n) wen vp des kindes vedder(e) vnd(e) de vedder(e) mach sij dar ane nicht hinder(e)n vo(n) rechtes wegen vors(igelet) ‚Hier beginnt ein Rechtsbrief […] [der] Schöffen zu Magdeburg, [wir senden Euch] zuvor unseren freundlichen Gruß [eines] ehrenwerten besonders guten Freundes, da Ihr uns um eine Rechtssprechung hinsichtlich der hier nachstehenden Sachverhalte gebeten habt […] Hierauf urteilen wir Schöffen zu Magdeburg […] So ist das Gut, das das Kind nach seinem



Codeswitching und Language-Mixing in ostmitteldeutschen Stadtbüchern 

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Tod hinterlassen hat, mit besserem Recht an seine Mutter gefallen als an den Vater des Kindes und der Vater darf sie daran nicht rechtlich hindern [es anzunehmen], besiegelt‘ (StB Alsleben, SSP 3, fol. 3v–4v, 1451)

Grund für diesen Varietätenwechsel ist ganz offensichtlich eine Adressatenorientierung: Der Schreiber sendet freundliche Grüße und kommt dabei dem – vermeintlich hochdeutschen – Empfänger in seiner Sprache entgegen. Danach kehrt der Schreiber in seine niederdeutsche Schreibsprache zurück. Ein so eindeutiger Fall von deutsch-deutschem Codeswitching kommt im untersuchten Material sonst nicht vor. Sehr wohl finden sich ähnliche adressatenorientierte Wechsel in anderen Schöffensprüchen, doch weisen diese im anschließenden Textverlauf ein dem Hochdeutschen sehr nahes, aber dennoch mit niederdeutschen Elementen versehenes Language-Mixing auf.

5.3 Niederdeutsch-hochdeutsches Language-Mixing Im fünften Alslebener Schöffenspruch (30), wie auch in SSP 7 und 13, hat der Schreiber nach der niederdeutschen Überschrift und der niederdeutschen Intitulatio den gesamten restlichen Text an die Empfängersprache angepasst (einzelne Gegensätze sind unterstrichen, der Beginn des hochdeutschen Textes ist fettgedruckt): (30) Al hir heft sik an ey(n) ander(e) vtgeschrefen Recht af lude krigen worden na doderhand af ey(n) ma(n) syn Elike wif begiftiget hedde mit der he doch vmbekindet were […] Schepen to Magdeborch Vnß(er)n fru(n)dlichin grußs zcuuor(n) […] Hir vff spreche wir Schepe(n) czu magdeborgk vor Recht Wes hans kok an standen eygen liggenden gru(n)den vnd(e) an and(er) n erblichin gut(er)n bij synem(e) leben gehat hat, dar mete her Ilse(n) kokes sine elichin husfrowen nach der Stad Alsleube wilkor(e) gesettze vnde wonheit in kraftihaftig(er) stad bij synen gesu(n)den leben(e) begiftiget vnde begabet had, […] ‚Schon hier beginnt ein anderes abgeschriebenes Recht, ob Leute nach dem Tod Güter bekommen, da ein Mann seine Ehefrau beschenkt hatte, mit der er jedoch keine Kinder hatte […] [wir] Schöffen zu Magdeburg [senden] zuvor unseren freundlichen Gruß […] Hierzu urteilen wir Schöffen zu Magdeburg: Was Hans Kok an festen eigenen liegenden Gründen und an anderen erblichen Gütern in seinem Leben gehabt hat, womit er zu (gesunden) Lebzeiten seine Ehefrau Ilse Kok nach der Willkür, dem Gesetz und der Gewohnheit der Stadt Alsleben rechtskräftig beschenkt und zugetragen hat, […]‘ (StB Alsleben, SSP 5, fol. 6r–7r, 1451)

Doch der hochdeutsche Anteil des Schöffenspruchs erinnert an eine schlechte Übersetzung: Hir vff spreche wir weist endungslosen, niederdeutschen Präsens­ plural auf, zeigt aber hochdeutsche Grapheme; für nd. begiftiget stünde hochdeutsch eigentlich belenet; die eigentlich nd. Formel begiftiget und begauet, wie sie beispielsweise in den Halleschen und Zerbster Schöffenbüchern vorkommt

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 Luise Czajkowski

(vgl. DRW online, Stichwort begiftigen), wird nur graphematisch ins Hochdeutsche umgesetzt (begabet); dar mete hat nd. Vokalismus. In SSP 7 (StB Alsleben, fol. 7v–8v, 1451) begegnet darüber hinaus vplouff neben vflouͮ ft und Vnßin fru(n)liken grus zcuuorn(e) mit unverschobenem fru(n) liken und verschobenem grus zcuuorn(e). Andersherum findet sich in SSP 13 (StB Alsleben, fol. 11v–12r, 1451) Vnßin fru(n)dlich(e)m grut (etc). Gegen die vermeintliche Annahme, dass der Sprachwechsel auch auf Übertragungsfehler des Kopisten zurückzuführen sein könnte, spricht, dass die Schreiberhand der Schöffensprüche identisch ist mit der Hand des ersten Teils des Alslebener Stadtbuchs, der – niederdeutsch geschriebenen – Wonheid. Auch die anderen Schöffensprüche sind niederdeutsch. Ebenso sind die im dritten Teil des Stadtbuchs, in dem im Zeitraum von 1451 bis 1490 einzelne städtische Angelegenheiten niedergeschrieben wurden, in den frühen Teilen niederdeutsch. Die Stadtsprache und die Sprache des Alslebener Schreibers war also zum Zeitpunkt der Niederschrift im Jahr 1451 niederdeutsch. Somit sind die Sprachwechsel eher den Magdeburger Schreibern der Vorlage zuzurechnen. Eine Adressatenorientierung war in großen Kanzleien des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit durchaus üblich. Bemerkenswert ist aber, dass eine niederdeutsche Kanzlei in Magdeburg an eine niederdeutsche Stadtkanzlei in Alsleben überhaupt Textteile ins (wenn auch fehlerhafte) Hochdeutsche setzt. Möglicherweise verorteten die Magdeburger Schreiber das auf der Grenze zwischen dem Niederdeutschen und dem Hochdeutschen liegende Alsleben im hochdeutschen Sprachgebiet und richteten ihre Antwort auf den vermeintlich hochdeutschen Adressaten aus. Das Ergebnis ist ein – wenn auch so nicht gewolltes – niederdeutsch-hochdeutsches Language-Mixing.

5.4 L anguage-Mixing als Kennzeichen für Sprachwandel im ostmitteldeutschen Raum Ähnliche Fälle in anderen Stadtbüchern müssen etwas anders bewertet werden. So finden sich im Akener Schöffenbuch innerhalb eines Eintrages (31) verschiedene Realisierungen von germ. ƀ: für den erhaltenen stimmhaften Reibelaut in weuer und gaue(n) steht neben hd. in erbe und lebe: (31) [h(er)ma(n)] die weuer vn(de) sin wif gaue(n) ioh(ann)es irme swag(er) vn(de) mette [ir] docht(er) ein erbe swelk ir le(n)g(er) lebe dat des si ‚Hermann der Weber und seine Frau gaben Johannes, ihrem Schwager, und Mette, ihrer Tochter, ein Erbe, welcher von ihnen länger lebe, dem gehöre es‘ (SchöB Aken, fol. 1a, 1265)



Codeswitching und Language-Mixing in ostmitteldeutschen Stadtbüchern 

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Währenddessen sind in einem anderen Eintrag erue und leue zwar in der niederdeutschen Entsprechung, aber wiederum wibe und silberes mit hd. zu finden: (32) Hinric van parleue . vn(de) co(n)rat . vn(de) bernart . gaue(n) Henrke(n) schelen vn(de) aleyde sime wibe die rosmole(n) vn(de) dat erue. swelk ir lenger leue dat it des si . vn(de) her hinric gaf sin deil des silberes conrn vn(de) bernarde selk [!] ir leger [!] lebe dat des si ‚Heinrich von Barleben und Conrad und Bernard gaben Henrik Schelen und seiner Frau Aleyd die Pferdemühle und das Erbe; welcher von ihnen länger lebe, dem gehöre es. Und Herr Heinrich gab seinen Teil des Silbers Conrad und Bernard; welcher von ihnen länger lebe, dem gehöre es‘ (SchöB Aken, fol. 3a, 1266)

Im Hallischen Schöffenbuch (33) steht nd. to neben hd. zu; nd. ouer neben nd./ hd. ober und nd. pinkest weke neben hd. winachten: (33) Ku(n)ne querenu(r)den husv(ro)we qua(m) in geheget ding mit erfgeloue vn(de) begauete ioha(n)nese bruni(n)ge tw M(arc) geldes uf dem berline to eyner settu(n)ge vor xvi M(arc) de sal se losen of se wil zu pinkestens ob(er) eyn iar swen de pinkest weke uz geit, ne loset se ir nicht so solen se sin wesen Diz ist vo(n) godes gebort ou(er) M ccc iar vn(de) xix iar to winachten ‚Die Ehefrau Kunne Querenurdens kam mit Zustimmung der Erben vor Gericht und überließ Johannes Bruning [gegen] eine Zahlung von zwei Mark [die Pfändung] des Berlin [Großer Berlin, Halle] zu einem Pfand von 16 Mark. Diesen soll sie zu Pfingsten im nächsten Jahr, am Ende der Pfingstwoche, einlösen. Löst sie den Pfand nicht ein, soll es [das Land] ihm gehören. Dies ist von Gottes Geburt nach 1319 Jahren zu Weihnachten [geschrieben worden]‘ (SchöB Halle, fol. 85b, 1319)

In den Beispielen (30) bis (33) zeigt sich, dass Language-Mixing in den ostmitteldeutschen Stadtbüchern nicht lexikalisch gebunden vorkommt. Das heißt, dass nicht immer die gleichen Lexeme einen Wechsel zur anderen Varietät initialisieren, dass nicht immer die gleichen Lexeme in einer bestimmten Varietät realisiert werden, sondern dass die verschiedenen Varianten des historisch gleichen Graphems (wie germ. ƀ) wechselhaft in dem einen oder anderen Lexem erscheinen und dass selbst innerhalb eines Textes ein Lexem durchaus auch in verschiedenen Realisierungen zu finden ist. Anhand dieser engen graphematischen Verwebung der beiden Varietäten lässt sich zeigen, dass der Schreibsprachenwechsel im niederdeutsch-ostmitteldeutschen Übergangsraum nicht als intendierter, nur die Schriftsprache betreffender Sprachwechsel anzusehen ist, sondern auf einem (wohl auch in mündlicher Sprache) vollzogenen Sprachwandel beruht. In einer Übergangsphase kommt es zur Vermischung der Varietäten und damit auch zur Zunahme der (vor allem graphematischen) Varianten, bevor schließlich die hochdeutsche Schreibsprache an Geltung gewinnt und die niederdeutschen Formen verdrängt werden.

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Es ist demnach zu unterscheiden zwischen einerseits einem dem Sprachwandel zuzuordnenden wohl eher nicht-intendierten und daher auch unvollständig vollzogenem Wechsel zum Hochdeutschen auf graphematischer Ebene bei gleichzeitiger Beibehaltung der niederdeutschen Morphologie, Lexik und Syntax, und andererseits einem klar intendierten und durchgängig vollzogenem Codeswitching auf allen sprachlichen Ebenen (Sprachwechsel). Die klare Zuweisung in die eine oder andere Kategorie lässt sich aber bisweilen nicht eindeutig entscheiden. Vielmehr findet sich eine Reihe von verschiedenen möglichen Formen von Sprachmischung und Sprachwechselerscheinungen an der Grenze zwischen zwei Varietäten, die auf nachfolgenden Ausgleich oder gar Sprachwandel hindeuten können – aber nicht müssen. Insbesondere die Fälle von niederdeutsch-hochdeutschem Language-Mixing erinnern aber letztlich an den eingangs beschriebenen „regiolektalen Transferraum“, der das Ostmitteldeutsche noch heute ausmacht.

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Claudia Wich-Reif

Lateinisch-deutsches Codeswitching in mittelalterlichen Bibelhandschriften 1 Latein und Volkssprache im Mittelalter Lateinisch-volkssprachige Texte der althochdeutschen Sprachperiode wurden schon mehrfach in Bezug auf Codeswitching untersucht. Lateinisch-volkssprachige Glossierungen wurden mit Codeswitching in Verbindung gebracht; eine systematische Analyse sowie eine theoretische Fundierung stehen hingegen noch aus. Dafür notwendig ist es, typische Glossen, die aus einem lateinischen Textwort als Lemma und einer kontextspezifischen bzw. allgemeinen Übersetzung in die Volkssprache bestehen, von Glossen abzugrenzen, die von Eins-zueins-Übersetzungen abweichen. Auf eine knappe Einführung in den Sprachgebrauch im mittelalterlichen Kloster und einen kursorischen Forschungsüberblick zu lateinisch-althochdeutschem bzw. altsächsischem Codeswitching werden eine mit Codeswitching in Verbindung gebrachte Glossenhandschrift und verwandte Überlieferungsträger näher in den Blick genommen, um in einem ersten Schritt zu verifizieren, dass es um Codeswitching geht und in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob bzw. wie sich diese Vorkommen klassifizieren lassen. Im Mittelalter ist die Alltagssprache ein volkssprachiger Dialekt. Die Sprache der Geistlichkeit, der Gelehrten, und zwar sowohl im Schriftlichen als auch im Mündlichen, ist Latein, also eine Fremdsprache. Diese wird im klösterlichen Umfeld erlernt.1 Lehr- und Lernprozesse können wir in mittelalterlichen Codices nachvollziehen, üblicherweise in Form von lateinischen und auch volkssprachigen Glossen. Auf eine besondere Form der Glossierung macht Ernst Hellgardt im Essener Evangeliar (Essen, Münsterschatzkammer Hs. 1, BStK-Nr. 149) aufmerksam: Er beschreibt volkssprachige Einheiten am Ende lateinischer Kommentierungen, die satzförmig sind und inhaltlich den Schluss des lateinischen Textes

1 Es handelt sich also um eine andere Form von Sprachkontakt als den, der in lateinischen Texten beobachtet wird, in denen (nicht selten) ins Griechische, also in eine zweite Fremdsprache gewechselt wird (vgl. z. B. Mullen 2015). Claudia Wich-Reif: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Abteilung für Germanistische Linguistik, Tel.: +49 228 73 7712, E-Mail: [email protected]. https://doi.org/10.1515/9783110752793-007

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paraphrasieren und fortführen.2 Hellgardt (1998: 43) sieht darin die Vorform einer deutsch-lateinischen Mischsprache3, wie sie bei Notker III. von St. Gallen oder Williram von Ebersberg vorkommt. Mit modernem Codeswitching („situational“ code-switching) wird Notkers III. Sprachwechsel im Jahr 2006 von Anna A. Grotans in Verbindung gebracht (2006: 152f.), die sich an Sonja Glauchs funktionaler Zuweisung der Sprachwechsel Notkers in der Martianus-Capella-Bearbeitung (2000) orientiert. Elvira Glaser erweitert die Perspektive, indem sie eine „kontaktlinguistisch inspirierte grammatische Analyse der von Notker verwendeten lateinischen Elemente“ (2016: 37) vornimmt. Einleitend legt sie dar, wie bzw. inwiefern der Terminus Codeswitching auf den Wechsel zwischen Latein und Deutsch, den wir in mittelalterlichen Handschriften in spezifischen Kontexten und auch zwischenzeilig und marginal zu einem Text beobachten können,4 anwendbar ist. Eine Analyse der lateinischen Kommentare mit volkssprachigen Glossen im Essener Evangeliar und der Blick in Handschriften mit ebensolchen volkssprachigen Einträgen5 soll zeigen, ob sich in den Glossierungen Muster von Codeswitching mit spezifischen Funktionen ermitteln lassen. Daneben soll beleuchtet werden, inwiefern die Strategien der Schreiberinnen der Exzerpte aus Bibelkommentaren und/oder der lateinischen und/oder altsächsischen Glossierungen im Essener Evangeliar allgemein bekannte bzw. anerkannte Strategien der Texterschließung waren. Damit stellt sich dann die grundsätzliche Frage der Reichweite des Terminus Codeswitching in der althochdeutschen Sprachperiode, also ob er über die althochdeutsche und altsächsische Textüberlieferung hinaus auch auf Glossen gewinnbringend angewendet werden kann.

2 Vgl. auch Tiefenbach (2013: 78f.): „Die Eintragungen belegen ein intensives Textstudium anhand der Standardkommentare der Zeit. Bemerkenswert ist das Bemühen, nicht nur bloße Wortfür-Wort-Übersetzungen zu liefern, sondern auch in der Volkssprache den Sinn des Textes zu erschließen, bisweilen unter Verwendung kleiner Syntagmen […].“ 3 Zu diesem Terminus und seiner Bewertung vgl. Glaser (2016: 36f., 53). 4 Damit grenzt sich der Untersuchungsgegenstand von Einschüben/Einsprengseln/Inserten, wie sie in Leges-Texten oder Rezepten beobachtbar sind, ab. 5 Für den Hinweis auf die Handschrift, die im Archiv des Bistums Augsburg unter der Signatur Hs. 6 aufbewahrt wird (BStK-Nr. 14), danke ich Markus Schiegg sehr herzlich (vgl. auch Schiegg 2015). Wie das Essener Evangeliar zeigen ihre volkssprachigen Glossen Gemeinsamkeiten mit den in Abschnitt 4.1. genannten Codices.



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2 C  odeswitching und historische Sprachwissenschaft Zum Codeswitching liegt mittlerweile eine breite Palette an Literatur vor, insbesondere zu Fragen der Theorie und Methodik, der Grammatik, der Funktionen, des Spracherwerbs sowie der sozialen und kulturellen Gegebenheiten, die Codeswitching evozieren. Chad Nilep (2006: 1) identifiziert in seinem Beitrag zum „‚Code-Switching‘ in Sociocultural Linguistics“ alleine in der Linguistics and Language Behaviour Abstracts database im Jahr 2005 1.800 Artikel „in virtually every branch of linguistics“. Herbert Schendls Publikationen zum historischen Codeswitching (z. B. 2004; vgl. auch Schendl/Wright 2011) in früheren Sprachstufen des Englischen haben in vielfältiger Weise und mit unterschiedlicher Perspektive gezeigt, dass das Thema für sprachgeschichtliche Fragestellungen nutzbar gemacht werden kann und dass Sprachwechsel ganz charakteristisch für bestimmte Textsorten und normalerweise auch mit ganz spezifischen Funktionen verbunden ist. Codeswitching wird also ganz bewusst als Strategie eingesetzt (Schendl/Wright 2011: 22). Diese Feststellung ist auch zutreffend für die Verwendung volkssprachiger Glossen in mittelalterlichen lateinischen Handschriften neben lateinischen Glossen, die die Schreiberinnen und Schreiber der Codices oder aber spätere Benutzerinnen und Benutzer zum Teil nur sporadisch, zum Teil ganz extensiv eingetragen haben, um lateinische Texte zu erschließen. Herbert Schendl und Laura Wright halten dezidiert fest: Medieval mixed-language texts are typically not the product of incompetent […] authors or scribes, but rather reflect the – often very high – multilingual competence of the authors and scribes who wrote or copied them. (Schendl & Wright 2011: 20)

Auch bei der Untersuchung von glossentragenden Bibelhandschriften ist zu erwarten, dass es nicht immer eine einzige und eindeutige Lösung bei der Einordnung der Elemente der zweiten Sprache als Bestandteil der syntaktischen Struktur der ersten Sprache gibt. Gerade wenn es sich um einzelne Wortformen handelt, ist zwischen den Kategorien Switching (Wechseln) […] und Borrowing (Entlehnen)6 zu entscheiden (Glaser 2016: 37f.).7 Switching und Borrowing wird im Sinne der modernen Codeswitching-Forschung (Schendl & Wright 2011: 24)

6 Mullen (2015: 220) bringt den Aspekt der Spontaneität mit ins Spiel, der beim Codeswitching, nicht aber beim Borrowing gegeben ist. 7 Code-Shifting ist ein weiterer Terminus, der u. a. von Silva-Corvalán (1983: 85) gebraucht wird (zur Terminologie vgl. auch Földes 2005).

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nicht im Kontrast zueinander gesehen: Switching gilt als der eine, Borrowing als der andere Pol auf einem Kontinuum. Letzterer ist erreicht, wenn eine sprachliche Einheit der Geber- in die Nehmersprache integriert ist, wenn also monolinguale Sprachbenutzer die Einheit ebenso verwenden wie bilinguale Sprachbenutzer. Ich folge Herbert Schendl und Laura Wright und differenziere nicht zwischen Switching und Mixing: „ the term code-switching will subsume different types of language mixing, from the insertion of single words to the alternation of languages for larger segments of discourse“ (Schendl & Wright 2011: 23; vgl. auch Schendl in diesem Band). Alex Mullen (2015: 215), der sich mit lateinisch-griechischem Codeswitching (in Texten und nicht innerhalb von Glossierungen) beschäftigt hat, unterscheidet funktional sieben Vorkommen von Codeswitching: 1. Beschreibung, 2. Ausruf, 3. bessere Eignung des griechischen Wortes, 4. Anweisung/Forderung, 5. Scherz/ Wortspiel, 6. metasprachliche Bezeichnung und 7. Zitat. Für lateinisch-volkssprachiges Codeswitching in Glossierungen ist anzunehmen, dass nur die Fälle 1 und 3 von Relevanz sind: Eine volkssprachige Glosse beschreibt ein lateinisches Bezugswort, indem sie mehr Information bietet als der lateinische Bezugstext bzw. sie ist besser geeignet, weil sie entweder allgemeiner ist und gegebenenfalls etwas zusammenfasst oder weil sie präziser und damit pointierter ist. Die Fälle 2 und 4 bis 7 werden mit dem Terminus Glosse nicht erfasst.

3 U  mfangreichere volkssprachige Glossierungen in der althochdeutschen Sprachperiode Von besonderem Interesse für historisches Codeswitching können umfangreichere volkssprachige Glossierungen zu einer lateinischen Textstelle oder aber innerhalb eines lateinischen Kommentars sein. Sie sind, anders als Einzelwörter, eindeutig als Codeswitching-Fälle klassifizierbar, und erlauben gegebenenfalls eine sicherere Einschätzung bei Einzelwortglossierungen. In der Glossenüberlieferung sind Mehrwortglossierungen vergleichsweise selten. Eine Suche in der „Ahd. und as. Glossenhandschriftendatenbank“ (BStK Online) liefert für die Suche nach dem Muster „aus x (Einzel)Wörtern“, das in der Datenbank dafür verwendet wird, um Mehrwortglossierungen zu beschreiben, 64 Treffer aus 1.477 glossentragenden Handschriften. Für das Essener Evangeliar lautet die Beschreibung beispielsweise „453 Glossen mit über 1050 Einzelwörtern“8. Eine

8 BStK Online (https://glossen.germ-ling.uni-bamberg.de/pages/1) (20.10.2018).



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entsprechende Information ist nicht systematisch eingegeben; dennoch können die 64 Treffer einen Eindruck davon vermitteln, wo im lateinischen Umfeld volkssprachige Mehrworteinträge vorkommen können. Bei der Durchsicht erwiesen sich einige Handschriften für die vorliegende Fragestellung als vernachlässigbar: 1. wenn die Mehrworteinträge in Worterklärungen bzw. in Wörterverzeichnissen stehen und somit keine Bestandteile von Texten sind, 2. wenn es sich um Windund/oder Monatsbezeichnungen handelt, 3. wenn sich in der Handschrift nur eine Mehrwortglossierung befindet, 4. wenn es nicht um eine Mehrwortglossierung geht, sondern um mehrere isolierte Glossierungen, die hintereinander stehen. Den Weg in eine der Handschriften können volkssprachige Mehrwortglossierungen genau wie Einwortglossierungen finden. Claudine Moulin fasst das wie folgt zusammen: Die Eintragungen können im Zuge der Einzellektüre geschehen oder als kollektiver Glossierungsakt, simultan oder in unterschiedlich langen Zeitintervallen aufeinander folgend, unter Heranziehen von Hilfsmitteln wie Wörterbüchern oder Kommentaren, oder selbstständiger Formulierung. (Moulin 2010: 19)

Die Mehrwortglossen zeigen sich, wie schon angedeutet, bevorzugt in Glossaren und auch in Kommentaren, die entweder als Kommentar-Ganztexte innerhalb des Schriftspiegels stehen oder aber als Exzerpte auf die Ränder eingetragen sind und so den im Rahmen der Texterschließung zu kommentierenden Text direkt ergänzen. Dass die volkssprachigen Mehrwortglossen gerade in Textsorten erscheinen, in denen Wörter bzw. Sachverhalte erläutert werden, leuchtet ein und ist auch in Wörterbüchern in der Gegenwart(ssprache) noch gut nachvollziehbar; auch da ist der Interpretament-Bereich zum Teil mit bedeutungsähnlichen, auch entlehnten Wörtern gefüllt.

4 Das Essener Evangeliar: wohl kein Einzelfall 4.1 Codeswitching?! Mit den Kommentaren des Essener Evangeliars bekommen wir einen Einblick, eine Ahnung davon, wie im Mittelalter Kommunikationssituationen, in denen zwischen dem Lateinischen und einer Volkssprache gewechselt wurde, ausgestaltet gewesen sein können. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die interlinearen und marginalen Kommentierungen und Glossierungen einschließlich der volkssprachigen Elemente im 10. Jahrhundert von mehreren Schreiberin-

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nen im Essener Damenstift eingetragen wurden (Tiefenbach 2013: 78)9, und zwar in mehreren Glossierungsgängen (Hellgardt 1998: 37f. u. ö.).10 Wie aus der Edition von Elias von Steinmeyer und Eduard Sievers (StSG 4) und weiterer einschlägiger Literatur hervorgeht, zeigt der Codex mehr oder weniger das ganze Spektrum, das die Glossenüberlieferung vorzuweisen hat: – Art: Federglossen, Griffelglossen – Schriftraum: interlinear überzeilig, ganz gelegentlich unterzeilig zum Text, marginal zum Text, interlinear überzeilig und marginal zu Kommentaren, im Kontext von Kommentaren – Sprachen: Latein (lat.) und Altdeutsch, genauer Altsächsisch (as.) Insgesamt sind in dem Codex über 450 Federglossen mit über 1.050 Einzelwörtern (fol. 31r–169v) überliefert. Das heißt, dass im Durchschnitt jede as. Glosse aus 2,3 Wortformen besteht. Die bei weitem meisten der volkssprachigen Glossen sind zum Matthäus-Evangelium überliefert,11 laut BStK Online 187 Glossen (fol. 31r–67v).12 27 Glossen (fol. 74r–89r) sind zum Markus-Evangelium eingetragen, 148 (fol. 99v–136v) zum Lukas-Evangelium und 91 (fol. 140v–169v) zum JohannesEvangelium.13 Andreas Nievergelt hat,14 einem Hinweis von Bernhard Bischoff (1937: 175) folgend, zudem an die 100 as. Griffelglossen zu den Evangelien entdeckt. Diese sind noch nicht ediert; sie sind aber für die vorliegende Fragestellung wohl vernachlässigbar, da sie als sogenannte grammatische Glossen zu charakterisieren sind, die helfen, die syntaktischen Strukturen des lateinischen Textes zu verstehen.

9 Vgl. auch BStK Online zu Nr. 149 und weiterweisende Literatur. 10 Wenige as. Glossen fallen auf, weil sie in sehr großer und grober Schrift eingetragen sind, so ne antsakodi zu lat. ne crimen diluens dimitteruntur auf fol. 65v interlinear überzeilig in einem marginal links stehenden Kommentar zu Mt 27,12. 11 Ein Befund, der auch dem in anderen Codices, die die Evangelien überliefern, entspricht; vgl. z. B. Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 6 (BStK-Nr. 14). 12 Die Abweichung von 14 Glossen zu den im vorliegenden Beitrag analysierten Glossen ist darin begründet, dass hier jede Glossierung möglichst einzeln beschrieben wurde. Mit der Zählung nach StSG, an der sich der BStK orientiert, werden etwa Interlinear-, Marginal- und Kontextglossen in marginal zum Text stehenden Scholien/Kommentaren unter Marginalglossen (in Relation zum Text) erfasst. 13 StSG 4: 286–293 (Nr. CCCLXVIII Nachtr.: Matthäusevangelium), 294f. (Nr. CCCLXXVI Nachtr.: Markusevangelium), 296–300 (Nr. CCCLXXX Nachtr.: Lukasevangelium), 301–304 (Nr. CCCLXXXVIII Nachtr.: Johannesevangelium); Gallée (1894: 29–86); Wadstein (1899: 48–61); Zusammenstellung der Differenzen zwischen StSG und Wadstein bei Steinmeyer (1900: 204f.); Berichtigungen bei Tiefenbach (1985: 119–121). 14 Ihm danke ich sehr herzlich für diese Auskunft.



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Das Essener Evangeliar zeigt enge Bezüge zu einer heute als verschollen geltenden Handschrift aus dem dritten Viertel des 10. Jahrhunderts. Es handelt sich um ein Evangeliar, das sich im Privatbesitz des Freiherrn Maximilian Lochner von Hüttenbach (1859–1942) in Lindau befand (BStK-Nr. 385). Auch die as. Glossen sind (wohl) im 10. Jahrhundert eingetragen worden.15 Auf die enge Verwandtschaft zwischen dem Essener und dem Lindauer Evangeliar weist schon Johan H. Gallée (1894: 22) hin; zudem macht er aber auch darauf aufmerksam, dass jede Ähnlichkeit mit dem Ende des Matthäus-Evangeliums abbricht (Gallée 1894: 23). Einen entsprechenden Befund liefert der Vergleich mit vier weiteren Handschriften, die Evangelien-Glossen überliefern, nämlich:16 – Brüssel, Bibliothèque Royale Albert 1er 18723 (bei StSG irrig: 18725) (BStKNr. 84), bei StSG Sigle c, 1. Viertel 9. Jahrhundert, volkssprachige Glossen 10. Jahrhundert, – Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek Cod. germ. 1a (früher Cod. hist. 17) (BStK-Nr. 271)17, bei StSG Sigle f, 3. Viertel 9. Jahrhundert, volkssprachige Glossen etwa 9./10. Jahrhundert, – Karlsruhe, Badische Landesbibliothek Aug. CLXXVIII (BStK-Nr. 309), bei StSG Sigle d, wohl Anfang 11. Jahrhundert, volkssprachige Glossen 11. Jahrhundert, – Mainz, Stadtbibliothek Hs. II 3 (BStK-Nr. 427), bei StSG Sigle a, 10./11. Jahrhundert, Eintrag der volkssprachigen Glossen unbestimmt. Die Lindauer Handschrift, die wohl in Essen geschrieben wurde und später nach Elten gelangte, enthält zum Matthäus-Evangelium nur 31 Glossen (fol. 16r–34v), also nur knapp 17 % des Bestandes des Essener Evangeliars.18 Das Markus-, das Lukas- und das Johannes-Evangelium sind, soweit bekannt, gar nicht volkssprachig glossiert. Der Glossierungsort ist auf das südliche Westfalen festgelegt (BStK). Im Folgenden werden die Glossierungstypen anhand der Belege im MatthäusEvangelium des Essener Glossars präsentiert, wobei stets die Frage gestellt wird, ob bei der jeweiligen Glossierung von Codeswitching gesprochen werden kann und wenn ja, wie dieses zu klassifizieren ist. Dass die altsächsischen Glossen von mehreren Händen eingetragen wurden (Gallée 1894: 23), soll für die Analyse keine Rolle spielen. Die Codeswitching-Prozesse werden vom „fertigen“ Produkt

15 Vgl. StSG 1: 708–719, Sigle e. 16 Steinmeyer zeigt dies durch die gemeinsame Edition der Glossen an (StSG 1: 708–719). 17 Hierbei handelt es sich um ein Fragment. 18 Edition bei StSG (1: 708–710, Nr. CCCLXVIII); Wadstein (1899: 46f.).

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aus beurteilt, also aus einer Rezipientenperspektive. Es ist nicht sehr häufig nachweisbar, dass volkssprachige Glossen Originalglossierungen sind; oft stehen sie in jahrhundertelangen Überlieferungstraditionen. Damit kann es also auch gar nicht um das gehen, was für die gegenwartssprachliche Codeswitching-Forschung, aber etwa auch für Texte Notkers des Deutschen relevant ist, nämlich dass die Produzenten hinsichtlich ihrer Sprachkompetenz beurteilt werden. Die Analyse erfolgte stets auf der Basis der Editionen von Gallée 1894, Steinmeyer/Sievers (StSG) 1898 und Wadstein 1899. In den Editionen bei StSG und Gallée wird die enge Verwandtschaft des Essener mit dem Lindauer Evangeliar sehr deutlich. Es erscheint sinnvoll, auf Gemeinsamkeiten und Abweichungen aufmerksam zu machen, wobei eine systematische und synoptische Darstellung zu allen verwandten Evangeliar-Handschriften erst in Abschnitt 4.3. erfolgt. Die in den Editionen genannten Stellen wurden anhand von Fotografien der Originalseiten überprüft. In vielen Fällen ist die Beschreibung der Positionen der unterschiedlichen Einträge recht kompliziert, was in keiner der Editionen systematisch abgebildet ist.19 Schwierig ist bei allen drei an sich sehr verdienstvollen Werken auch, dass die Glossen nicht systematisch gezählt werden:20 So werden gerade in den Kommentaren miteinander überlieferte, interlinear und/oder im Kommentar stehende Glossen teilweise als eine Einheit aufgefasst, was eine gut vergleichbare Darstellung erschwert. Wie schon die ersten Glossierungen zeigen, geht es sowohl um Codeswitching zwischen dem lateinischen Evangelientext und altsächsischen Glossierungen als auch zwischen lateinischen Kommentaren und altsächsischen Glossierungen sowie lateinischen Glossierungen und altsächsischen Glossierungen. Mit dem ersten Beispiel, der ersten volkssprachigen Glosse im Essener Evangeliar (fol. 31r, zu Mt 1,18), ist auch die Komplexität mittelalterlicher Glossierung

19 Beispielsweise wirkt es bei StSG (4: 19f.) so, als sei auf fol. 50r as. sihis direkt neben lat. considerans eingetragen: Der Blick in die Handschrift zeigt, dass es sich aber nicht um eine Kontextglosse handelt, denn die as. Wortform steht über dem lat. Kommentarwort. Ferner handelt es sich um eine Marginalglosse, wie das die runden Klammern grundsätzlich bei StSG signalisieren, aber nur im weiten Sinne: Zwar steht der Kommentar marginal zum Text (und damit auch die as. Glosse), aber auch die Kommentare als Texte auf Seiten als (Schrift-)Räumen eröffnen die Möglichkeit, sowohl im Kontext als auch marginal und interlinear (wie im vorliegenden Fall) zu glossieren. – Ich danke den MitarbeiterInnen beim Domschatz in Essen sehr herzlich für die prompte Bereitstellung der Fotografien (© Domschatz Essen, Foto: Dirk Ferlmann, Köln). 20 Dazu kommt, dass die Editionen hinsichtlich der Glossenanzahl i. e. S. voneinander abweichen: Bei StSG (1898) ist nicht alles gebucht, was Gallée (1894) hat; manchmal verlassen sich Steinmeyer und Sievers „blind“ auf ihn (so StSG 4: 19 Anm. 11). Als besonders verlässlich erweist sich die ein Jahr jüngere Edition von Wadstein, wie eine Überprüfung aller Belege anhand des ASH zeigt.



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und Kommentierung und damit mögliche Erschließung eines Textes illustriert (vgl. dazu Moulin 2009, 2010; Schiegg 2015: 92–124):

Abb. 1: Mt 1,18, fol. 31r, Ausschnitt

Die lat. Textstelle, die näher erläutert wird, lautet CUM ESSET DISPONSATAM · MATER EIUS MARIA JOSEPH · ‚Als seine Mutter Maria mit Josef verlobt war‘ (vgl. StSG 4: 286). Über EIUS ist ihesu eingetragen, über dem letzten Buchstaben von JOSEPH A ·. Über den Buchstaben A · ist der Text mit einem Exzerpt aus Bedas Kommentar zum Lukas-Evangelium am rechten äußeren Rand verbunden:21 (1) A·credimus ex iiii causis esse gestum quod Christus ex illa uirgine nasci uoluit que uiro desponsata erat primum hoc quando maria ad egyptum fugeret filium secum ducens solatium ministerii haberet ex ioseph · Alterum fuit hoc ne quasi adultera lapidaretur cum filium haberet et virum non haberet Tercium erat hoc quia genus domini ex ioseph computari debuit · nam ab abraham usque ad ioseph numerabitur nam ioseph propinquus erat mariae quartum ut diabolum christi natiuitates lateret qu[i?] semine illum natum aestimauit · ‚Wir glauben, dass das aus vier Gründen geschehen ist, dass Christus von jener Jungfrau geboren werden wollte, die mit einem Mann verlobt war. Zum einen, dass, als Maria nach Ägypten floh und dabei ihren Sohn mit sich führte, von Joseph den Trost der Hilfe hatte. Zum anderen, dass sie nicht als Ehebrecherin gesteinigt wurde, auch wenn sie einen Sohn hatte, aber keinen Ehemann. Zum dritten, dass das Geschlecht des Herrn ab Joseph gezählt

21 Hier und im Folgenden werden die Abkürzungen aufgelöst und diese durch Kursivierung kenntlich gemacht. Übersetzungen von der Verfasserin des Beitrags.

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werden sollte, denn von Abraham bis Joseph wird aufgezählt werden, denn Joseph war der Nächste Marias. Zum vierten, dass dem Teufel die Geburt Christi verborgen bleibt, der (?) meinte, dass jener aus Samen geboren würde.

Über (1a) numerabitur ist tellian scal22

eingetragen. Das as. Syntagma ist gleichbedeutend mit dem lat. Lemma (‚es wird erzählt werden‘). In diesem Fall geht es nicht um Codeswitching. Vielmehr liegt ein ganz üblicher Fall einer interlinearen Glossierung vor, wobei die lateinische synthetische Tempusform in eine altsächsische analytische Form übersetzt werden muss.23 Bei der folgenden as. Glossierung (Beispiel 2, fol. 31r, zu Mt 1,18) handelt es sich um ein Textwort in einem Kommentar, der überzeilig zu in utero eingetragen ist: (2) scilicet. a ioseph · quia ille eam curiosius aliis seruauit · ‚von Joseph, da der diejenige besorgter als andere behütet hat‘

Über curiosius ‚besorgter‘ steht die as. Wortform niutlikor ‚nützlicher‘, die formal kongruent als Komparativ realisiert ist, semantisch aber vom lat. Ausgangswort abweicht und als Präzisierung und damit als Codeswitching interpretiert werden kann, geht man davon aus, dass das überzeilig eingetragene Interpretament nach dem zugehörigen Lemma rezipiert wird. Bei der (3) as. Glosse gimehlidun zum Textwort coniugem (Mt 1,20)

handelt es sich um eine typische volkssprachige Interlinearglosse, die das lateinische Textwort grammatisch-semantisch übereinstimmend wiedergibt (StSG 4: 286). Mit der folgenden Textstelle (fol. 31v, zu Mt 1,25) liegt ein neuer Fall vor:

22 Die Beispielfälle sind durchnummeriert. Mit diesen Nummern – ohne folgende Kleinbuchstaben, die hier die Zusammengehörigkeit der Stellen anzeigen – wird in Tabelle 4 in Abschnitt 4.3 auf sie Bezug genommen. 23 Vergleichbar verhält es sich mit der interlinearen Glossierung zu Mt 3,2 (vgl. StSG 4: 287), die insofern vom Ausgangstext abweicht, als ein Possessivpronomen in der 2. Pers. Pl. ergänzt wird: lat. Paenitentiam agite wird mit hreuuod iuua sundia übersetzt.



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Abb. 2: Mt 1,25, fol. 31v, Ausschnitt

Am linken Rand steht dazu: (4) ne uuas mit iru · ne ualctimo sia:

Abb. 3: Mt 1,25, fol. 31v, Ausschnitt

Es gibt also einen lateinischen Grundtext: (4a) Et non cognoscebat eam · donec peperit filium suum primo genitum et uocauit nomen eius ihesum · ‚Doch hatte er keine geschlechtliche Gemeinschaft mit ihr, bis sie ihren Sohn geboren und ihm den Namen Jesus gegeben hat.‘

Und dieser Grundtext ist interlinear überzeilig lateinisch kommentierend glossiert: (4b) nec ante nec post eam cognoscebat · ita ut cum ea esset ‚Weder vorher noch nachher erkannte er sie‚ also dass er mit ihr gewesen war.‘

Es handelt sich um eine hypotaktische Struktur mit den Verbformen cognoscebat (3. Pers. Sg. Ind. Imp. aktiv) und esset (3. Pers. Sing. Konj. Perf. aktiv). Marginal links erfolgt zu der lateinischen Interlinearglossierung ein volkssprachiger Eintrag:

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(4c) ne uuas mit iru · ne ualctimo24 sia ‚weder war er mit ihr noch nahm er sie zu sich/hatte er Beischlaf mit ihr‘

Sowohl die syntaktischen Strukturen als auch die Verbformen (uuas wie ualcta sind Formen in der 3. Pers. Sg. Ind. Prät. – zu wesan bzw. zu felgian mit enklitischem Pronomen imo) sind im Lateinischen und im Altsächsischen andere. Hier handelt es sich um einen klaren Fall von Codeswitching: Die lateinische Erläuterung der Stelle erscheint noch nicht präzise genug, die Phrase wird mit einer volkssprachigen Phrase wieder aufgenommen und dann durch eine as. Phrase, in deren Zentrum das treffende Lexem felgian steht, interpretierend präzisiert. Hier könnte man inhaltlich eine Parallele zu den Leges ziehen, in denen Vergehen mit einem treffenden volkssprachigen Lexem bezeichnet werden (wie etwa lammi25 für den Diebstahl eines saugenden Lammes; vgl. dazu Schwab im vorliegenden Band). Die folgende (5) as. Glosse alet

ist zur Wortform depulso eines marginal stehenden Exzerpts eines AugustinusKommentars eingetragen. Mit Mt 2,16 ist dieser nur über das Verweiszeichen F · verknüpft. Das AWB (5: 687) bucht die Form als verstümmeltes Part. Prät. Dat. Sg. F. unter dem Lemma ir-lâzan mit der Bedeutung ‚befreien‘, Ernst Hellgardt (1998: 39) sieht in ihr die einzige gekürzte volkssprachige Glosse in dem Codex.26 Die nächste ausführlicher vorgestellte Textstelle (fol. 32r, zu Mt 2,18) ist von der Anlage her mit Beispiel 1 vergleichbar:

24 felgen, as. felgian (AWB 3: 720). 25 Si quis agnum lactantem furaverit et ei fuerit adprobatum mal. lammi hoc est […] ‚Wenn einer ein saugendes Lamm stiehlt und es ihm nachgewiesen wird, ist das mal. lammi […]‘ (vgl. WichReif 2014: 285). 26 Ein Blick in das Digitalisat zeigt, dass durchaus Raum gewesen wäre, um eine dem Lindauer Evangeliar vergleichbare Form einzutragen; dort nach Gallée (1894: 94) und StSG (1: 709) arlazenaru bzw. arlanenarv, nach Hellgardt (1998: 29) aletenaru.



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Abb. 4: Mt 2,18, fol. 32r, Ausschnitt

Der lateinische Text lautet: (6) Vox In rama audita est ploratus et ululatus multus rachel plorans filios suos et noluit consolari quia non sunt ‚Eine Stimme wurde in Rama gehört und viel Wehklage. Rahel beweinte ihre Söhne und wollte sich nicht trösten lassen, weil sie nicht mehr sind.‘

Interlinear überzeilig zwischen non und sunt ist ein Verweiszeichen eingetragen, das auf einen Kommentar am rechten Rand verweist: (6a, 7) R · De rachel natus est beniamin · in cuius tribu non est betleem · sed quia iudae et beniamin tribus coniunctae erant · et (?)27 tesamnagimerkta · crede… (?)28 est · quando iussum est pueros occidi in finibus betleem · persecutionem in tribum etiam inde peruenisse biquamun […] ‚Von Rachel ist Benjamin geboren, in dessen Stamm Bethlehem nicht ist. Aber weil die Stämme Iudas und Benjamins verbunden waren, Verbundene. Es wurde angenommen (?), weil befohlen wurde, die männlichen Kinder in den Grenzen von Bethlehem zu töten, durch die Verfolgung in die Tribus gelangten, sie kamen […]‘

27 (?) steht für eine unsichere Lesung. – Hier setzt Wadstein (1899: 48) et an, Gallée (1894: 29) zeigt eine unleserliche Stelle an. 28 Gallée (1894: 29) setzt hier die Form addenum an, was sich m.E. so nicht entziffern lässt.

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Bei der as. Form tesamnagimerkta29 (Beispiel 6) handelt es sich um ein Part. Prät., das aus dem Adverb tisamne und dem sw. Verb merkian gebildet ist und lat. con­ iunctae erläutert, bei biquamun um eine formal und funktional adäquate Übertragung von lat. peruenisse. Das as. Lexem tesamnagimerkian drückt eine spezielle Form der Verbundenheit aus, die nur für diesen Kontext geltend gemacht werden kann. Dafür spricht die nur genau für diese Textstelle vorhandene Überlieferung des Lexems, das sonst nur noch im Lindauer Evangeliar belegt ist. Im zweiten Fall (Beispiel 7; lat. peruenisse, as. biqueman) handelt es sich bei dem as. Verb um eine Art Verallgemeinerung, folgt man Wolfgang Pfeifer (2014: 118), der für ahd. biqueman die Bedeutung ‚kommen‘ angibt. Ließe sich vor der as. Form klar lat. et lesen, wäre das bisher der eindeutigste Fall von Codeswitching. Nach Gallée (1894: 22) geht es in beiden Fällen schlicht um ganz typische lat.-as. Glossierungen.30 Mit dem interlinear überzeilig eingetragenen (8) as. Satz hreuuod iuua sundia zu Mt 3,2 (et dicens) paenitentiam agite

wird mit dem as. Possessivpronomen iuua gegenüber dem lat. Ausgangstext eine Präzisierung vorgenommen (Beispiel 8).31 Eine sehr komplexe Kommentierung und Glossierung liegt zu Mt 3,4 vor. Die Textstelle lautet: (9) […] Esca autem eius erat lucustae · et mel silvestre ‚[…] und seine Speise waren Heuschrecken und wilder Honig.‘

Über lucustae steht das Verweiszeichen O, das auf mehrere Kommentierungen am linken Rand verweist:32

29 Vgl. StSG (4: 287); tesamna-merkian (AWB 6: 490). 30 Gallée (1894: 22) geht von ursprünglich interlinearen Glossierungen wie in der Lindauer Handschrift aus, die beim Abschreiben in den lateinischen Kommentartext integriert wurden. 31 StSG (1: 709) nennt die volkssprachige Glossierung auch für das Lindauer Evangeliar, mit zu giua entstelltem iuua, bei Gallée (1894) fehlt sie. 32 Die vor dem Text stehenden Evangelienkonkordanzen werden durch Linien in Tinte abgegrenzt.



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Abb. 5: Mt 3,4, fol. 32v, Ausschnitt

(9a) congruus habitatori solitudinis · ensetlion est · 33 ‚stimmig zu einem Bewohner der Einöde. Er ist ein Einsiedler‘.

Im Kommentar wird ohne eine Kennzeichnung vom Lateinischen ins Altsächsische gewechselt. Die as. Wortform ensetlion (Beispiel 9a) ist interpretierend-präzisierend; zusammen mit dem wohl nachgetragenen lat. est bildet das as. Substantiv im Essener Evangeliar einen gemischtsprachigen Satz.34 Der lateinische Text geht erläuternd weiter:

33 StSG (4: 287); ahd. einsedalo, as. ensetlion (AWB 3: 213). 34 Auch diese Glosse ist in der verschollenen Lindauer Handschrift parallel überliefert; sie steht da interlinear über habitatori.

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(10, 11) est cibus · ut non delicias ciborum · sed tantum necessitatem humanae carnis expleret · ‚Es ist eine Speise, die nicht die Lust auf Speisen, sondern lediglich ein notwendiges Bedürfnis des menschlichen Fleisches befriedigt.‘

Interlinear überzeilig zu ciborum steht ni geroda (Beispiel 10), interlinear überzeilig zu expleret gilauodi (Beispiel 11).35 Das negierte Verb geroda steht in der 3. Pers. Sg. Ind. Prät. Es stimmt mit keiner Form der lateinischen Hypotaxe überein, sondern interpretiert diese in Bezug auf Johannes, um den es in Mt 3,4 geht: ‚Er begehrte nicht.‘ Die lat. Form expleret in der 3. Pers. Sg. Konj. Imp. aktiv ‚sie sättigte‘ wird durch die as. Form gilauodi ‚sie labte/stärkte‘ in der 3. Pers. Sg. Konj. Prät. erläuternd in Form einer ganz typischen Glosse ergänzt.36 Eine weitere Erläuterung der Textstelle, die aus Beda V,2 schöpft37, wird durch Majuskel vom Vorausgehenden abgegrenzt:38 (12) Locustae modum digiti tenent · et bonae ad manducandum habent uolatum · sed cito deciduum · quae in maritimis solent manere · sed a uento raptae in campum sparsae hae significant · doctrinam Johannis bonam esse oboedientibus etc. […] ,Die Heuschrecken haben das Maß eines Fingers und sie sind gut zu verzehren: Sie haben die Fähigkeit zu fliegen, aber rasch abfallend. Diese halten sich gewöhnlich am Meer auf, aber sie werden vom Wind in das Feld fortgeschleppt und ausgestreut. Das bedeutet, dass die Lehre des Johannes gut ist für Gehorsame etc. […]‘

Die Beda-Stelle ist durch einen weiteren Kommentar unterbrochen. Am Ende desselben, bevor der Beda-Text wieder einsetzt, sind interlinear zwei as. Formen eingetragen (Beispiel 12). Über die Präpositionalphrase a uento und die Form raptae als F. Nom. Pl. Part. Perf. passiv ‚sie werden vom Wind fortgeschleppt‘ ist die 2. Pers. Pl. Ind. Präs. aktiv uuerthad und das Part. Prät. Nom. Pl. gidrivana (ASH: 59)39 ‚ihr werdet Ausreißende‘ eingetragen. Die-/derjenige, die/der den Kommentar in das Essener Evangeliar eingetragen hat, setzt mit den beiden as. Formen den Kommentar fort, indem sie/er einen Rat ableiten.

35 StSG (4: 287); ahd. gilabôn, as. gilavon (AWB 5: 571). 36 Schon Gallée (1894: 30) weist dieses Kommentartext-Exzerpt Hieronymus in der Bearbeitung des Hrabanus Maurus (IV, 13) zu. 37 Beda Venerabilis (1850: 15): „Locusta modum digiti tenet, et est bona ad manducandum  : habet alacrem volatum, sed cito dedicuum ; haec ostendit doctrinam Ioannis bonam esse obedientibus, opereque eam perficientibus : sed cito veniente eminentiore doctrina Christi timendam. Porro mel silvestre folia sunt arboris mirae dulcedinis . quod doctrinae Ioannis nimiam suavitatem ostendit.“ – (vgl. auch Gallée 1894: 30). 38 Das lateinische Kommentar-Exzerpt steht auch im Lindauer Evangeliar, eine volkssprachige Ergänzung fehlt. 39 Die Stellenangaben bei Tiefenbach beziehen sich jeweils auf die Edition von Wadstein (1899).



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Eine der umfangreichsten volkssprachigen Glossierungen liegt auf fol. 33v zu Mt 4,17 (nach StSG 4: 287) bzw. 4,22 (nach Gallée 1894: 30) vor. Marginal links und durch ein Verweiszeichen mit dem Text verbunden steht, wobei der altsächsische Text direkt an den lateinischen anschließt, (Beispiel 13): (13) Regnum caelorum nulli pecuniae potest comparari iam tanti ualet quantum habet · it mag tho giuúnnian uuérthan so mid mínneron so mid méron so man hauid40 ,Das Himmelreich kann nicht mit Geld aufgewogen werden. Es gilt soviel, für wieviel man es hält. Es kann da (= im selben Augenblick) gewonnen werden, ob mit weniger oder mit mehr, was man hat.‘

Marginal rechts zum Kommentar, der nach Gallée (1894: 30) aus Gregors des Großen Homilien (I, V, 2) stammt, sind aus Platzmangel untereinander die drei Wortformen des folgenden as. Satzes eingetragen (Beispiel 14): (14) nemag giuuertherid41 uuerthan42 ,Es kann nicht verglichen werden.‘,

der sich auf das negierte potest comparari bezieht. Die volkssprachigen Eintragungen zu Mt 10,16 sind insofern interessant, als es sich um mehrere Typen von Glossierung handelt. Auf fol. 40v ist zur (15) lat. Adjektivform im Nom. Pl. M. prudentes interlinear überzeilig die formal und inhaltlich entsprechende Form as. glauua des Adjektivs glau ‚klug‘ (ASH: 131)

eingetragen; hier handelt es sich um eine ganz typische Glosse. Am Rand links ist zu dem Vers ein Kommentar eingetragen, der laut Gallée (1894: 32) aus dem Beda-Kommentar stammt. Zur (16a) lat. Form squamas ‚Schuppen‘ im Akk. Pl. ist interlinear das präzisere as. sluk ‚Schlangenhaut‘

und das allgemeinere (16b) as. hud ‚Haut‘,

40 AWB (4: 532). 41 werthirian (ASH: 456). 42 Nach Gallée (1854: 30) stehen die letzten drei volkssprachigen Wortformen zu lat. non potest comparari, nach StSG (4: 287 Anm. 11) neben Regnum bis habet.

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beides im Nom. Sg., eingetragen.43 Die beiden Glossierungen haben damit unterschiedliche Funktionen. Ein weiterer Fall, der als ein klarer Fall von Codeswitching klassifiziert werden kann, weil die Bedeutung des volkssprachigen Interpretaments von der des lateinischen Lemmas abweicht, ist die Stelle Mt 10,27 auf fol. 41r. Sie lautet: (17) Quod dico uobis In tenebris · dicite In lumine & quod In aure auditis praedicate super tecta ‚Was ich euch im Dunkeln sage, darüber redet im Licht, und was euch ins Ohr geflüstert wird, das verkündigt auf den Dächern.‘

Über die Phrase In aure auditis ist (17a) tuohrunoda · in paruo loco iudaee ‚zugeflüstert. in einen kleinen Ort Iudaeas‘ (ASH: 318)

eingetragen:

Abb. 6: Mt 10,27, fol. 41r, Ausschnitt

Die volkssprachige Textglossierung wird mit einer Erläuterung in lateinischer Sprache fortgeführt. Damit ist dieses Beispiel mit Beispiel 4 vergleichbar. Eine der seltenen Verallgemeinerungen (s. o., Beispiel 7) liegt mit der Glossierung zu Mt 11,21 vor. Zu der Ortsangabe in Tyro et Sidone ist auf fol. 42v marginal links ein Kommentar nach Hrabanus Maurus (vgl. Gallée 1894: 33) eingetragen (Beispiel 18): (18) i. thes landscepias I · ciuitatis · phenic is quae apostolis crediderunt (mit Kürzungsstrich über r) ‚in phönizischen Städten, welche den Aposteln glaubten‘

43 Nach ASH (354) und bei Pfeifer (2014: 1208) bedeutet sluk ‚Schlangenhaut‘. Während in ASH (185) hud mit ‚Haut, Fell, Schuppenhaut, Außenhaut (Rinde)‘ ins Neuhochdeutsche übertragen wird, findet sich bei Pfeifer (2014: 517) nur die allgemeine Übersetzung ‚Haut‘.



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Die as. Nominalphrase thes landscepias (Beispiel 18) steht im Gen. Sg. F., während lat. ciuitatis phenicis eine Phrase im Akk. Pl. F. ist, sodass angenommen werden muss, dass sich der Eintrag in der Volkssprache direkt und grammatisch „locker“ auf die Textstelle bezieht und die Städte Tyrus und Sidon im geographischen Raum als ‚Gegend, Landschaft‘ zusammengefasst werden.44 Die Stellen, die mit dem Phänomen des Codeswitching in Verbindung gebracht werden können, zeigen fünf Funktionen. Am häufigsten handelt es sich um ganz typische lateinisch-volkssprachige Glossierungen: Ein Interpretament, oft einfach eine Übersetzung, erklärt ein lateinisches Lemma. In Bezug auf Codeswitching lassen sich vier Fälle identifizieren: 1. Der volkssprachige Anteil ist als Wortform zentraler Bestandteil eines lateinischen Satzes, 2. der volkssprachige Anteil, der satzförmig sein kann, dient der Präzisierung des vorausgehenden lateinischen Text(teil)s, 3. der volkssprachige Anteil, der satzförmig sein kann, dient der Verallgemeinerung des vorausgehenden lateinischen Text(teil)s, 4. der volkssprachige Anteil ist satzförmig und führt eine Erläuterung, die in lateinischer Sprache begonnen wurde, fort. Manche Fälle lassen sich nicht klar zuordnen, z. B. die as. Glossierung fardragan scal zu lat. paciar (Mt 17,16). Die analytische Verbform bedeutet Zukünftiges und bezieht sich auf eine lateinische Form im Konj. Präs., d. h., es könnte als einfache, formal inkongruente, aber funktional adäquate Glosse eingeordnet werden. Allerdings hat die Person, die die Glosse eingetragen hat, beim Futur zwischen as. skulan und willian wählen können und damit durch die Wahl des Hilfsverbs eine Präzisierung hinsichtlich der Modalität vorgenommen.45 Aus der Perspektive der scientia interpretandi lassen sich die Glossen den Stufen der lectio,46 der

44 Im strengen Sinn könnte man die Übertragung der grammatischen Form als Fehler bewerten. Vor der Folie aller anderen volkssprachigen Einträge neige ich dazu, auch diese Stelle als durchdacht glossiert zu bewerten. Später (fol. 48v, Mt 15,21) werden Tyros und Sidon zusammengefasst als stedi ‚Stätten‘ bezeichnet. Hier handelt es sich nicht um ein Codeswitching der Schreiberin, sondern um die bloße Übersetzung einer lat. Kommentarstelle. 45 Zur Diskussion von Zeitlichkeit und Modalität beim Tempus Futur vgl. z. B. Hennig (2000, bes. S. 36f. mit Anm. 68). 46 Hierzu gehören auch grammatische Glossen, die im vorliegenden Codex nur in Form von Griffelglossen vorliegen (vgl. Abschnitt 4.1.) und für Fragen des Codeswitchings keine Rolle spielen.

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enarratio und des iudicium zuordnen.47 Die zweisprachigen Glossierungen unterscheiden sich von den einsprachig lateinischen durch den Sprachwechsel, nicht aber in ihren Funktionen. Insgesamt enthält das Matthäus-Evangelium 201 Stellen, in denen die Sprache gewechselt wird. Diese verteilen sich folgendermaßen auf die einzelnen Kapitel des Evangeliums: Tab. 1: Typische volkssprachige Glossen vs. Codeswitching zu Mt im Essener Evangeliar Kapitel

Gesamtzahl as. Glossen

Anzahl typische Glossen

Anzahl Glossierungen mit Codeswitching (Mt-Stellen)

1

3

1/33,3 % (1,18)

2/66,7 % (1,18; 1,25)

2

3

1/33,3 % (2,16)

2/66,7 % (2,18 (2-mal))

3

5

1/16,7 % (3,4)

5/83,3 % (3,2; 3,4 (3-mal); 3,11)

4

4

3/75,0 % (4,13; 4,17; 4,21)

1/25,0 % (4,17 %)

5

16

6/37,5 % (5,5; 5,17 (2-mal; 5,18 (2-mal); 5,42)

10/62,5 % (5,2; 5,19; 5,33 (2-mal); 5,38 (2-mal); 5,39; 5,40; 5,44; 5,46)

6

2

1/50,0 % (6,17)

1/50,0 % (6,16)

7

0

0/0 %

0/0 %

8

5

3/60,0 % (8,12; 8,17; 8,18)

2/40,0 % (8,12; 8,18)

9

5

3/60,0 % (9,12; 9,15; 9,16)

2/40,0 % (9,16; 9,33)

10

15

11/73,0 % (10,16; 10,17; 10,23; 10,25; 10,26; 10,27; 10,29 (2-mal); 10,37; 10,38; 10,42)

4/27,0 % (10,16 (2-mal); 10,22; 10,27)

11

2

0/0 %

2/100 % (11,14; 11,21)

12

6

6/100 % (12,1; 12,16; 12,18; 12,30; 12,38; 12,47)

0/0 %

13

11

7/64,0 % (13,25; 13,26; 13,28; 13,30 (3-mal); 13,41)

4/36,0 % (13,26; 13,30; 13,47; 13,52)

47 Typische, ein bis zwei, ganz gelegentlich drei Wortformen umfassende volkssprachige Glossen kommen bei der lectio bzw. der enarratio zum Einsatz, präzisierende und verallgemeinernde Glossen in der enarratio, volkssprachige Erläuterungen eines Kommentars im iudicium. Zu den vier Stufen des Textstudiums vgl. auch Hehle (2002).



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Tab. 1 (fortgesetzt) Kapitel

Gesamtzahl as. Glossen

Anzahl typische Glossen

Anzahl Glossierungen mit Codeswitching (Mt-Stellen)

3/60,0 % (14,7; 14,24; 14,26)

2/40,0 % (14,2; 14,30)

14

5

15

12

8/66,7 % (15,2; 15,3; 15,4; 15,6 (2-mal); 15,12; 15,21; 15,27)

4/33,3 % (15,4; 15,11 (2-mal); 15,17)

16

9

5/55,6 % (16,4; 16,5; 16,19; 16,24; 16,26)

4/44,4 % (16,5; 16,22; 16,23 (2-mal))

17

15

10/66,7 % (17,4; 17,10; 17,14 (2-mal); 17,15; 17,23 (3-mal); 17,24 (2-mal))

5/33,3 % (17,12; 17,16 (2-mal); 17,23; 17,26)

18

4

2/50 % (18,10; 18,15)

2/50 % (18,16; 18,18)

19

1

1/100 % (19,10)

0/0 %

20

3

1/33,3 % (20,18)

2/66,7 % (20,20; 20,24)

21

8

4/50 % (21,12; 21,29; 21,33; 21,41)

4/50 % (21,10; 21,17; 21,33 (2-mal))

22

0

0/0 %

0/0 %

23

19

14/73,7 % (23,5 (3-mal); 23,15; 23,16; 23,23 (4-mal); 23,24 (2-mal); 23,25; 23,26; 23,27)

5/26,3 % (23,1; 23,15 (2-mal); 23,16; 23,31)

24

10

8/80 % (24,6; 24,7; 24,18; 24,19; 24,20 (2-mal); 24,31; 24,32)

2/20 % (24,5; 24,10)

25

2

2/100 % (25,9; 25,21)

0/0 %

26

18

12/66,7 % (26,9; 26,15; 26,25; 26,39; 26,41 (2-mal); 26,47; 26,52; 26,55; 26,64; 26,65; 26,73)

6/33,3 % (26,2; 26,6; 26,21; 26,31; 26,56; 26,68)

27

15

7/46,7 % (27,1; 27,7; 27,10; 27,13; 27,15; 27,27; 27,29)

8/53,3 % (27,4; 27,12; 27,19 (2-mal; 27,25; 27,36; 27,37; 27,65)

28

2

1/50 % (28,2)

1/50 % (28,2)

121 (60,2 %)

80 (39,8 %)

201 (100 %)

160 

 Claudia Wich-Reif

Mit einem Anteil von etwas über einem Drittel aller Glossierungen ist Codeswitching innerhalb der lateinisch-volkssprachigen Glossierung im Essener Evangeliar relevant. Die bloßen Zahlen sind recht wenig aussagekräftig, zieht man in Betracht, dass die einzelnen Kapitel sich teilweise deutlich in der Länge unterscheiden, gleichermaßen geben sie aber eine Tendenz zur Glossierungsdichte – und zwar nicht nur zur lateinisch-volkssprachigen, sondern auch zur rein lateinischen wieder – und lassen auch gewisse Rückschlüsse zu, mit welchen Inhalten und auch in welcher Form sich Rezipientinnen bzw. Rezipienten auseinandergesetzt haben, indem sie volkssprachige und auch lateinische Spuren auf dem Pergament hinterlassen haben.48 So lässt sich aus den Angaben zu Kapitel 23 – das von den Schriftgelehrten und Pharisäern handelt – mit einem Anteil von 19 (auch) volkssprachigen Glossierungen, die innerhalb des Kapitels ungleich verteilt sind, ablesen, dass es zuerst v. a. um das Textverständnis ging. Ein Blick in den Bibeltext zeigt, dass elf der Glossen (davon acht ganz typische Glossen) zu fünf Versen (15, 16, 23, 25, 27) eingetragen sind, die jeweils mit vae vobis ‚Weh euch‘ eingeleitet sind: Es geht darum, sehr deutlich zu machen, was passiert, wenn man sich wie ein Schriftgelehrter oder Pharisäer verhält. Über die Codeswitching-Phänomene ist wenig abzulesen; dazu müsste insbesondere expliziert werden, ob die volkssprachigen Einträge zum Bibeltext oder zu Kommentaren erfolgen, was hier nicht geleistet werden kann. Die folgenden Grafiken, Tabellen und Ausführungen sollen diese Phänomene relationieren und nach der qualitativen Analyse die quantitativen Verhältnisse etwas transparenter machen. Die Grafik veranschaulicht die Vorkommenshäufigkeit spezifischer Typen von Codeswitching in Relation zu typischen Glossierungen:

48  Mit der Einschränkung, dass im Essener Evangeliar die Glossierungsdichte von vorne nach hinten abnimmt, bei den Evangelienglossen insbesondere, wenn man über das Matthäus-Evangelium hinausgeht und die Glossierungsdichte im Markus-, Lukas- und Johannes-Evangelium in den Blick nimmt. Dieser Befund zeigt sich auch in anderen glossierten Codices, z. B. in den mit der Essener Handschrift verwandten Handschriften (siehe Tabelle 5 in Abschnitt 4.3).



Lateinisch-deutsches Codeswitching in mittelalterlichen Bibelhandschriften 

 161

Typische Glossen 27 (13,4 %)

5 (2,5 %)

Bestandteil Satz Präzisierung Verallgemeinerung

42 (20,9 %)

Erläuterung Kommentar 120 (59,7 %)

7 (3,5 %)

Abb. 7: Typische volkssprachige Glossen vs. Codeswitching (+ Typen)

Tab. 2: Codeswitching-Typen im Essener Evangeliar

Stellen

zentraler Bestandteil eines lat. Satzes

Präzisierung

Verallgemeinerung

volksspr. Erläuterung eines Kommentars

3,4; 10,27; 15,11 (2-mal); 17,16; 23,1; 26,21

1,18; 1,25; 2,18; 3,2; 3,4; 3,11; 5,2; 5,19; 5,39; 5,44; 8,18; 9,16; 9,33; 10,16; 10,22; 11,21; 13,26; 13,47; 13,52; 14,30; 15,4; 15,17; 16,5; 16,22; 16,23 (2-mal); 17,12; 17,16; 17,23; 18,16; 20,24; 21,10; 21,17; 21,33 (2-mal); 23,31; 26,2; 26,6; 26,31; 26,68; 27,12; 27,36

2,18; 3,4; 10,16; 11,21; 27,37

4,17; 5,33 (2-mal); 5,38 (2-mal); 5,40; 5,46; 6,16; 8,12; 11,14; 13,30; 14,2; 17,26; 18,18; 20,20; 23,15 (2-mal); 23,16; 24,5; 24,18; 26,56; 27,4; 27,19 (2-mal); 27,25; 27,65; 28,2

162 

 Claudia Wich-Reif

Es überrascht nicht, dass ein sehr großer Anteil präzisierenden Glossen zugerechnet werden kann und die Anteile für Volkssprachiges als Bestandteil eines lateinischen Satzes und Verallgemeinerung vergleichsweise gering ausfallen. Die letztgenannten Phänomene setzen ein tieferes Textverständnis voraus, während Präzisierung erst zu einem tieferen Textverständnis führt. Glossierungen, die Erläuterungen von Kommentaren sind, kommen zumeist in Satzform vor, wobei der lateinische Kontext selbständige volkssprachige Sätze erfordert oder von einem übergeordneten lateinischen Satz abhängige Sätze ermöglicht. Von den 27 volkssprachigen Erläuterungen sind 23 (85,2 %) Sätze bzw. satzartige Infinitivkonstruktionen und vier Einzelwörter bzw. Phrasen (14,8 %). Die Sätze haben einen Umfang von einer bis zu 14 Wortformen: Tab. 3: Umfang volkssprachiger Erläuterungen von Kommentaren Sätze: Anzahl an Wortformen 1

Stellen 24,10

2

Einzelwörter und Phrasen

Stellen

1

5,38 (2-mal); 18,18

2

23,15

3

5,33; 6,16; 8,12; 23,15

3



4

5,33; 17,26

4



5

26,56; 27,4

5



6

27,19

6



7

5,40; 14,2; 20,20; 27,19

7



8

5,46; 27,25; 27,65

8



9

11,14; 28,2

9



10

23,16; 24,5

10



14

4,17; 13,30

14



Besonders hervor stechen hier die Glossierungen zur Bergpredigt (Kapitel 5,1–7,29 mit 7 Stellen) und zum Tod Jesu (Kapitel 27 mit 4 Stellen).



Lateinisch-deutsches Codeswitching in mittelalterlichen Bibelhandschriften 

 163

4.2 V  ergleich der Ergebnisse mit der Analyse von Hellgardt (1998) In einem nächsten Schritt werden die Ergebnisse von Hellgardt (1998), den die Verhältnisse zwischen Text, Scholien und Glossen interessieren (vgl. Hellgardt 1998: 36), mit dem Blick auf Codeswitching vorgestellt und mit den vorausgehenden verglichen. Einleitend weist Hellgardt darauf hin, dass sich die lateinischen Scholien als „freie, d. h. nicht wörtliche, sondern auf sprachliche Vereinfachungen abzielende Exzerpte aus karolingischen und vorkarolingischen Evangelienkommentaren (besonders Beda) bestimmen lassen.“ (Hellgardt 1998: 34). Es geht also nicht um die genaue Wiedergabe des jeweiligen Kommentars, vielmehr werden die Exzerpte mit Blick auf das Ziel verändert, und dieses ist das optimale Verständnis des jeweiligen Evangelientextes. Bezieht man die as. Wortformen mit ein, so könnte man die Hypothese aufstellen, dass der Text mit seinen Ergänzungen und Erläuterungen so aufbereitet werden sollte, dass sich jemand ohne Hilfe einer gelehrten Mitschwester den Text erschließen können sollte. Für seine Analysen nimmt sich Hellgardt die Blätter 35r (p. 66) und 58r (p. 112) vor. Er hebt die volkssprachigen Glossierungen hervor, die am Ende von Scholien eingetragen sind und „sprachlich regelmäßig“ (Hellgardt 1998: 38) an die Schlusspassage des vorangegangenen Textes anknüpfen, sie aufnehmen oder fortführen, „so daß der Eindruck einer deutsch-lateinischen Mischsprache entsteht“ (Hellgardt 1998: 38). Das erste Vorkommen volkssprachigen Wortmaterials auf fol. 35r liegt zu Mt 5,38 vor (Beispiele 19 und 20).

Abb. 8: Mt 5,38, fol. 35r, Ausschnitt

Zu oculum pro oculo et dentem pro dente ist interlinear ut steca[n] bzw. ut slaha[n] eingetragen (vgl. Hellgardt 1998: 40). Unbenommen der Tatsache, dass die as. Wortformen nicht im Kontext stehen, ergänzen und erweitern sie einen solchen und rufen dabei zudem das Alte Testament, genauer Lev 24,20, auf. Es handelt sich nicht um eine Übersetzung, sondern um eine Erläuterung (vgl. auch Hellgardt 1998: 41).49 Zu Mt 5,39 ist das as. Interpretament in einem begleitenden Kommen-

49 Die Stellen sind auch im Lindauer Evangeliar vergleichbar altsächsisch glossiert.

164 

 Claudia Wich-Reif

tartext eingetragen. Hellgardt beschreibt das Verhältnis zwischen Lemma und Interpretament als „Auflösung eines lateinischen metaphorischen Ausdrucks“50 (Hellgardt 1998: 42). Zu Mt 5,40 ist eine ausführlichere, rein volkssprachige Glossierung überliefert, die mit Beispiel 4 zu Mt 1,25 vergleichbar ist. Sie führt, angeschlossen mit endi (‚und‘), eine lateinische Glossierung zu einem Kommentarexzerpt sowohl inhaltlich als auch semantisch fort. Bei der Glossierung zu Mt 5,42 handelt es sich um eine inhaltlich präzisierende, formal inkongruente, aber funktional adäquate Übertragung vom Lateinischen ins Deutsche (also eine Glosse i. e. S.). Zu Mt 5,44 wird nicht nur ein lateinisches Textwort, sondern der gesamte umgebende Satz wie auch eine lateinische Glossierung dazu durch eine as. Glosse fortgeführt (Hellgardt 1998: 46f.). Zu Mt 5,46 gibt es eine umfangreichere as. Glossierung, die eher paraphrasierend als übersetzend ist. Zu Mt 23,16 liegen zwei as. Glossierungen vor: Die erste übersetzt ein lat. Lemma recht frei, die zweite Glosse greift eine lat. Glossierung wieder auf und setzt sie syntaktischsemantisch fort. Im Fall von Mt 23,23 geht es sowohl formal als auch inhaltlich um eine ganz typische Domäne volkssprachiger Glossierungen: drei Kräuterbezeichnungen werden in die Volkssprache übertragen.51 Die letzte von Hellgardt in den Blick genommene as. Glossierung erfolgt zu Mt 23,24. Die erste Glosse übersetzt das nicht sehr geläufige lat. Lexem excolare mit dem nur hier belegten as. ut flotiad (‚ausfluten‘), ist also eine Präzisierung, während die zweite Glosse als ganz typische volkssprachige Glosse, also eine Eins-zu-eins-Übersetzung des lateinischen Lemmas, einzuordnen ist. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Beobachtungen Hellgardts den im vorausgehenden Abschnitt angestellten Analysen entsprechen. Man kann die weiter oben beschriebenen CodeswitchingVerfahren somit als typisch und musterhaft beschreiben. Dass nicht selten ein Typ von Codeswitching-, aber auch Glossierungsverfahren der Auslöser für die folgenden volkssprachigen Übertragungen ist, also eben als Muster für die folgenden Glossen dient, lässt sich sehr gut mit Mt 5,38 (vgl. Abb. 6) zeigen, aber auch mit dem folgenden Beispiel. Hier geht es darum, dass ein spezifisches Verfahren unmittelbar wiederholt wird: Nachdem einmal ein lateinischer Satz in eigenständiges, vom Lateinischen syntaktisch vollkommen und lexikalisch soweit nötig gelöstes Altsächsisch übertragen worden ist, folgt ein weiterer:

50 Lat. nec […] rependas (2. Pers. Sg. Konj. Präs. aktiv) ,du wiegest ab‘ wird mit as. niuurekas ‚du rächst‘ präzisierend erläutert (Beispiel 21). – Wieder ist eine vergleichbare Form im Lindauer Evangeliar überliefert. 51 Vgl. dazu Anm. 54.



Lateinisch-deutsches Codeswitching in mittelalterlichen Bibelhandschriften 

 165

Abb. 9: Mt 16,22-23, fol. 50r, Ausschnitt

Lat. non erit tibi hoc · wird interlinear überzeilig mit ne giburia thi nio sulig · ‚Es geschehe dir nicht solches.‘ ins Altsächsische übertragen, lat. scandalum mihi es · mit thu bist mi errislo ·. ‚Du bist mir ein Ärgernis‘. Vorausgehend (zu Mt 16,19) ist eine ganz typische formal und inhaltlich kongruente as. Übersetzung zu einem lat. Textwort eingetragen. Die von Hellgardt beschriebenen Phänomene, der eine eingehende Analyse von zwei Handschriftenseiten bietet, sind stimmig zu den mit Abschnitt 4.1 vorgelegten Analysen. In Kapitel 4.3. werden die Befunde zum Codeswitching im Matthäus-Evangelium des Essener Evangeliars mit Handschrift 6 des Archivs des Bistums Augsburg, die im älteren Teil ebenfalls die Evangelien überliefert, verglichen. Interessant erscheint der Vergleich deshalb, weil die beiden Handschriften noch nicht explizit miteinander in Bezug gesetzt wurden.

4.3 Vergleich mit verwandten Evangeliar-Handschriften Die Verwandtschaft des Essener Evangeliars mit weiteren mittelalterlichen Evangeliar-Handschriften wurde bereits in Abschnitt 4.1 thematisiert. Der besseren Übersicht halber werden sie nun zusammen mit dem Essener Evangeliar kurz mit dem Fokus auf den volkssprachigen Glossen (in alphabetischer Reihenfolge) vorgestellt, bevor gezeigt wird, welche Stellen im Matthäus-Evangelium in vergleichbarer Weise mit Hilfe des Codeswitching-Verfahrens erschlossen wurden. Die Zahlen sind aus BStK Online übernommen, wo die Orientierung an StSG erfolgt52; demzufolge sind sie nur so präzise, wie sich das aus StSG ablesen lässt. Für den Vergleich ist das unproblematisch, da es in der Gesamtzahl um Tendenzen und beim Vergleich um einzelne Textstellen geht:

52 Der angemessenen Vergleichbarkeit halber auch für das Essener Evangeliar.

166 

 Claudia Wich-Reif

Tab. 4: Übersicht zu den verwandten Evangeliar-Handschriften Augsburg Brüssel

Essen

Hamburg

Karlsruhe Lindau

Mainz

BStKSigle

14

84

149

271

309

385

427

StSG/-Sigle

5

1/c

4

1/f

1/d

1/e

1/a

Glosseneintrag Jh.

10.

10.

9./10.

etwa 9./10.

11.

wohl 10. Jh.

frühestens 10./11.

Evangelien

Mt, Mk, Lk, Joh

Mt, Mk, Lk, Joh

Mt, Mk, Lk, Joh

(Fragment) Mt

Mt, Mk, Lk, Joh

Mt, Mk, Lk, Joh

Mt, Mk, Lk, Joh

Gesamtzahl volksspr. Glossen

251 (100 %)

297 (100 %)

453 (100 %)

[7 (100 %)]

205 (100 %)

[31 (100 %)]

241 (100 %)

volksspr. Glossen zu Mt

218 (86,9 %)

218 187 [7 (73,4 %) (41,3 %) (100 %)]

171 (83,4 %)

[31 (100 %)]

206 (85,5 %)

Das Hamburger Fragment und die Lindauer Handschrift sind insofern Sonderfälle, als sie nur einen Bruchteil der volkssprachigen Glossen zum MatthäusEvangelium überliefern. Im Hamburger Fragment sind zwei Codeswitching-Stellen von insgesamt sieben volkssprachig glossierten Stellen überliefert (zu Mt 17,16 und 17,23), die das Fragment als verwandt mit den Handschriften ausweisen. Die volkssprachigen Glossen in der Lindauer Handschrift brechen mitten im Matthäus-Evangeliar ab. Von den insgesamt 31 sind 16 Codeswitching-Stellen. Bis auf eine Ausnahme (zu Mt 1,25; vgl. Abschnitt 4.1, Beispiel 4) sind sie in der Essener und in der Lindauer Handschrift exklusiv überliefert.53 Deshalb sind in die folgende Tabelle neben der Essener Handschrift nur die Augsburger, die Brüsseler, die Karlsruher und die Mainzer Handschrift mit den Codswitching-Stellen aufgenommen, die in der Essener Handschrift vorkommen und in mindestens einer weiteren Handschrift in vergleichbarer Form enthalten sind. Bei der Analyse wird insbesondere der Versuch unternommen, die Abweichungen zu erklären:54

53  Zu Mt 1,18; 1,25; 2,18 (2-mal); 3,2; 3,4 (3-mal); 3,11; 5,2; 5,19; 5,33; 5,38 (2-mal); 5,39; 6,16. 54  Weitere Gemeinsamkeiten und Unterschiede werden außer Acht gelassen, so z. B. die gemeinsamen Glossierungen der Gewürzkräuter ‚Minze‘, ‚Dill‘ und ‚Kümmel‘, die im Essener Evangeliar ohne Verschlüsselung, im Augsburger Evangeliar z.T. in bfk-Schrift vorkommen (vgl. dazu Schiegg 2015: 253). – Auch hier wird für das Essener Glossar auf die Informationen bei StSG zurückgegriffen; damit wird in Kauf genommen, dass die Darstellung der Belege in den vorausgehenden Abschnitten zwar handschriftengetreu erfolgt, in der Tabelle aber nach der Edition.



Lateinisch-deutsches Codeswitching in mittelalterlichen Bibelhandschriften 

 167

Tab. 5: Übersicht zu den volkssprachigen Glossierungen der verwandten Evangeliar-Handschriften Augsburg

Brüssel

Essen

Mt 1,25 (vgl. Bsp. 3)

NeuuasmitIro. neualchta imo sie (fol. 31r)

niuuas midiro (fol. 19v)

ne uuas mit iru. ne ualctimo sia (fol. 31v) vgl. (4)

Mt 5,44

scadonten (fol. 36r)

scadonden (fol. 24v)

(in rebus) scathod (fol. 35r)

scadonten (fol. 9v)

scadpndfn (fol. 18v)

Mt 9,16

plez. keheftida (fol. 41v)

plez (fol. 31r)

plescilin (fol. 39r)

plez. kehefitida (fol. 15v)

plez (fol. 24r)

Mt 9,33

Indisimo lante (fol. 42r)

Mt 15,17

Ferdeuuit uuirdit (fol. 52v)

fertheuuuit uuirthit (fol. 44v)

uuerthid fertheuuid (fol. 48v)

uirdeuuit uirdit (fol. 29v)

fprdpuukt uuirdit (fol. 35v)

Mt 16,22

ni geburit dir suslih (fol. 54v)

negeburitthir thuslich (fol. 47r)

ne biburia thi nio sulig (fol. 50r)

nigeburitdir sulich (fol. 32r)

ni gk bxr kt dkr sxlkh (fol. 37v)

irritha bistu mir (fol. 47r)

thu bist mi errislo (fol. 50r)

mihi zirrido bistumir (fol. 32r)

irridobistumir (fol. 38r)

Mt 16,23

Karlsruhe

Mainz niualcta imosia (fol. 13r)

anthesemo lante (fol. 40r)

Mt 17,16

Vuolang trago ih ivuuih (fol. 55v)

Uuio lango dragoichiuuuich (fol. 48r)

fardragan scal (fol. 51r)

VVIOLANGO TRAGVIHIVIH (fol. 39r)

Mt 17,23

nigiltit den cins (fol. 56r)

negildit then cins (fol. 48r)

negiltit den cins (fol. 51r)

nigiltit dencins (fol. 34r)

negildit then cins (fol. 39r)

Mt 17,26

Daz uuir sia nerfellen anen uns (fol. 56r)

that uuir sie neruellen ana uns (fol. 48v)

an uns ne arfellian (fol. 51r)

dazuuirsianeruellen anenuns (fol. 34r)

daz uuirsie nerfellen aneuns (fol. 39v)

Mt 18,16

thuuingennes uberchobo (fol. 56v)

Mt 26,2

fone hivto uber zuúena taga (fol 69v)

fonehiuto uberzuuenetaga (fol. 51r)

fonehiutu ober zuuenedaga (fol. 55r)

githuinges (fol. 52r) fane hiutoubar zuenedaga (fol. 65r)

fon hiutu ufar zuena daga (fol. 63r)

168 

 Claudia Wich-Reif

Tab. 5 (fortgesetzt) Augsburg

Brüssel

Essen

Karlsruhe uuwazcalunsderscaz (fol. 55r)

Mt 27,4

Uuaz scal uns der scaz (fol. 73r)

uuat scal us the scat (fol. 65v)

Mt 27,19

ne uerdvo dih anen demó gvoten man (fol. 73v)

ne uer duo thi antesamo guoden manna (fol. 65v)

Mt 27,19

Uilo uuntres gesah ih hinat duruh troum (fol. 73v)

Mt 27,25

div sculd sines plvotes daz nemen uúir uber unsih (fol. 74r)

Mt 27,36

namen sin govma (fol. 74r)

filo uunderes kesach ich thurach then (fol. 70r)

namon sin gouma (fol. 70v)

filu vundere gisah ik thuru ina (fol. 65r)

Mainz

uilo vunderes gesah ih duruuh inan (fol. 59r)

thia sculd sines bluotes nemen uui ouer unsik (fol. 66r)

diu sucld sines pluotes. daznemen uuir uber unsich (fol. 56v)

diusculd sines bludes. daz nemen ober unsih (fol. 60r)

namun is guoma (fol. 66v)

namensingoumen (fol. 57r)

namun sin gouma (fol. 60v)

Wie die Tabelle veranschaulicht, ist auch bei einer alleinigen Betrachtung der lateinisch-volkssprachigen Glossen, die als Codeswitching-Stellen identifiziert wurden, deutlich zu erkennen, dass die Codices unterschiedliche Verwandtschaftsgrade zeigen. Diese werden je nach Ort der Eintragung der volkssprachigen Glossen offenbar, in der Phonologie/Graphematik, aber auch in den morphologisch-syntaktischen Strukturen. Um ein Beispiel zu nennen: Beim volkssprachigen Eintrag zu Mt 16,22 im Essener Evangeliar (StSG 4: 289) und in der Augsburger Handschrift (StSG 5: 14) unterscheiden sich die Codices nicht nur hinsichtlich der Lautung/Schreibung, sondern auch darin, dass das Essener Evangeliar im Gegensatz zur Augsburger Handschrift das Adverb nio ‚nie(mals)‘ als zweites Negationselement enthält. Die volkssprachige Glosse zu Mt 5,44 ist nur in der Essener Handschrift ein Codeswitching-Fall: Während sich die Schreiberin hier von der lateinischen Form löst und eine Form in der 3. Pers. Pl. Ind. Präs. eingetragen ist (vgl. auch die Interpretation von Hellgardt, Abschnitt 4.2), entspricht in allen anderen Handschriften das volkssprachige Interpretament dem lateinischen Lemma. Gleich die erste Glossierung deutet an, dass es offenbar Codeswitching-Muster gibt, auf die für bestimmte Formen der Texterschließung zurück-



Lateinisch-deutsches Codeswitching in mittelalterlichen Bibelhandschriften 

 169

gegriffen werden kann, und gleichzeitig, dass die Schreiberinnen und Schreiber bei Bedarf variieren. Fünf der sieben Handschriften überliefern zu Mt 1,25 etwas Volkssprachiges. Die Essener Handschrift hat eine Entsprechung in der Augsburger und auch in der Lindauer Handschrift, während in der Brüsseler Handschrift nur der erste volkssprachige Satz überliefert ist (niuuas midiro, fol. 19v), in der Mainzer Handschrift nur der zweite (niualcta imosia, fol. 13r). Auch zu Mt 15,17 gibt es eine grundsätzliche Gemeinsamkeit, nämlich die analytische Verbform. Die Wortstellung weicht im Essener Evangeliar ab, die graphische Darstellung in der Mainzer Handschrift, die für die vorliegenden Fälle öfter bfk-Geheimschrift aufweist als die anderen Handschriften. Nimmt man Mt 27 (Tod Jesu) aus der Betrachtung heraus, in dem es nur satzförmige Codeswitching-Stellen gibt, die vergleichsweise dicht hintereinander erscheinen, fällt auf, dass die gemeinsamen Glossen abnehmen; in den Kapiteln 19 bis 25 gibt es keine. Wie die Editionen zeigen (StSG 1, 4, 5), entspricht dies den Gemeinsamkeiten bzw. Abweichungen bei den typischen Glossen. Neben mehreren Fällen von Präzisierung finden sich auffällig viele Fälle volkssprachiger Erläuterungen eines Kommentars und es gibt auch einen gemeinsamen Fall der volkssprachigen Wortform als Bestandteil eines lateinischen Satzes (zu Mt 17,16). Wesentlich für alle Codices ist zudem, dass sie jeweils auch volkssprachige Glossierungen enthalten, die in keiner der anderen Handschriften vorkommen, auch besonders umfangreiche (in der Augsburger Handschrift z. B. auf fol. 73v zu Mt 27,19 und auf fol. 74r zu Mt 27,24, in der Karlsruher Handschrift auf fol. 39r zu Mt 20,20 und in der Mainzer Handschrift auf fol. 38r zu Mt 16,24). Zu der hier näher in den Blick genommene EvangeliarTradition, die sich dadurch auszeichnet, das sie reich interlinear und marginal kommentiert und nur lateinisch, lateinisch-volkssprachig bzw. nur volkssprachig glossiert ist, gehört Codeswitching dazu. Dabei gibt es Codeswitching-Stellen, die in einer Überlieferungstradition stehen, und zwar dann, wenn sie gleich bzw. ähnlich in mehrere Evangeliar-Handschriften eingetragen sind. Zudem gibt es Codeswitching-Stellen, die singulär in nur eine Handschrift eingetragen sind. Diese Stellen belegen, dass Codeswitching als Verfahren der Verständnissicherung und Interpretation in mittelalterlichen Klöstern gängig war.

5 Ergebnisse Ausgangspunkt der vorliegenden Betrachtungen war eine Bemerkung Hellgardts (1998), der die von den typischen lateinisch-volkssprachigen Glossierungen abweichenden Verfahren näher in den Blick genommen hat. Hellgardt (1998) spricht von einer Vorform einer deutsch-lateinischen Mischsprache. Das Phä-

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 Claudia Wich-Reif

nomen als solches ist damit erfasst: Es geht jeweils um einen Wechsel von der lateinischen Sprache in die Volkssprache, die sich offenbar an einigen Stellen in lateinischer Umgebung besser zur Erklärung eignet als das umgebende Latein, und zwar inter- wie intrasentential. Ob hier von einer Mischsprache gesprochen werden sollte, bleibt zu diskutieren, wobei die Einordnung als „Vorform“ nicht nur für den vorliegenden Fall etwas unglücklich ist: Texte, in denen die Sprache gewechselt wird, sind schon weit vor der althochdeutschen Sprachperiode überliefert, und es ist auch nicht neu, dass Latein und Volkssprache nebeneinander gebraucht werden, einander dienen bzw. in bestimmten sprachlichen Situationen in Konkurrenz zueinander stehen. Wie für das Codeswitching in der aktuellen Mehrsprachigkeitsforschung, aber auch bezogen auf ältere Sprachen in früheren Sprachstufen lassen sich in der althochdeutschen Sprachperiode für die Kommentierung und Glossierung von Evangeliar-Handschriften vier Typen des Codeswitchings ausfindig machen, in absteigender Reihenfolge 1. Präzisierung gegenüber dem lateinischen Text, 2. volkssprachige Erläuterungen eines lateinischen Kommentars, 3. zentraler Bestandteil eines lateinischen Satzes sowie 4. Verallgemeinerung. Auffällig ist, dass die besonders umfangreichen volkssprachigen Glossierungen oft die jeweilige Glossierung beenden, seltener überzeilig interlinear, häufig im Kontext, was Hellgardt (1998: 38 u. ö.) dazu veranlasst, sie als „Endglossen“ zu kategorisieren. Dass das Ende von Äußerungseinheiten affin für den Sprachwechsel ist, zeigt sich auch heute, und es lässt sich gut mit dem Aufsatztitel „Sometimes I’ll Start a Sentence in Spanish Y TERMINO EN ESPAÑOL“ (Poplack 1980) illustrieren, wobei auch in der althochdeutschen Sprachperiode der Wechsel an einer Teilsatzgrenze liegen kann. Die Analyse einer einzelnen der verwandten Evangeliar-Handschriften mag den Eindruck erwecken, dass die Glossatorin bzw. der Glossator ziemlich eigenständig und auch innovativ war, unter anderem, weil viele der volkssprachigen Glossierungen keine typischen Glossen sind. Eine vergleichende Analyse relativiert diesen Eindruck. Auch viele dieser Glossierungen gehören zu einer Tradition. Sie weichen im üblichen bekannten Maß phonologisch-graphematisch und morphologischsyntaktisch voneinander ab, sind aber in ihrer Lexik und ihrer grundsätzlichen Struktur so ähnlich, dass sie auf einer musterhaften Vorlage beruhen müssen und keine spontanen Eintragungen sind. Mittelbar bestätigt wird die Annahme, dass die Glossierungen nicht spontan sind, etwa durch Pádraic Moran (2015: 17), der für die Sankt Galler Priscian-Glossen annimmt, dass es spontane Fälle von „language mixing“ nicht gibt. Ähnlich sieht das Jacopo Bisagni (2014: 50), wenn er Glossen aus Würzburg analysiert und nur etwa ein Fünftel davon als spontan einordnet. Dies passt genau zu dem Eindruck, den der Vergleich der mit dem Essener Evangeliar verwandten Handschriften macht. Die Glossatorinnen und Glossatoren haben Vorlagen, die sie übernehmen oder an denen sie sich



Lateinisch-deutsches Codeswitching in mittelalterlichen Bibelhandschriften 

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zumindest orientieren. Gleichermaßen üben sie sich in verschiedenen Arten der Glossierung bzw. werden darin geschult, sodass sie auch eigenständig mehr oder weniger umfangreiche volkssprachige Glossierungen produzieren, wenn ihnen dies für die Texterschließung nötig erscheint.

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 Claudia Wich-Reif

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Timo Bülters und Simone Schultz-Balluff

Codemixing in den Lüneburger Frauenklöstern […] dat ik sponsum electum leff hebbe vnde eme dene qui me dilexit et vocavit per gratiam suam (Brief; KlA Lüne, Hs 15, Lage 31, fol. 8r) ‚[…] dass ich den erwählten Bräutigam lieb habe und ihm diene, der mich geliebt und durch seine Gnade gerufen hat‘1

1 Einleitung 1528 verfasst eine junge Nonne in dem im niedersächsischen Lüneburg gelegenen Kloster Lüne einen Dankbrief an ihren Onkel. Darin bringt sie ihre Zuneigung zu Jesus Christus zum Ausdruck und beschreibt seine Zuwendung ihr gegenüber. Realisiert wird dies in einer Mischung aus deutschen und lateinischen Versatzstücken: In den niederdeutschen eingeleiteten Nebensatz ist die Phrase sponsum electum ‚den erwählten Bräutigam‘ implementiert, der sich anschließende Relativsatz, der sich auf das lateinische Insert bezieht, ist ganz in lateinischer Sprache abgefasst. Eine solche Mischung zweier Sprachen und zweier syntaktischer Systeme ist nicht ungewöhnlich für Briefe aus dem Kloster Lüne und findet sich auch in den Schwesterklöstern der Lüner Benediktinerinnen. Die Lüneburger Frauenklöster (Ebstorf, Isenhagen, Lüne, Medingen, Walsrode und Wienhausen) zeigen sich am Übergang zur Frühen Neuzeit als bilinguale

1 In allen Textbeispielen wurden zur besseren Lesbarkeit alle vorkommenden tachygraphischen Kürzungszeichen mit spezifischer Bedeutung (Nasalstriche, kontrahierte Kürzungszeichen etc.) sowohl im Niederdeutschen als auch im Lateinischen stillschweigend aufgelöst. Das im handschriftlichen Befund vorzufindene Schaft-s wurde durch ein rundes ‹s› ersetzt. – Alle Übersetzungen stammen von den Autoren. Timo Bülters: Timo Bülters: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Abteilung für Germanistische Mediävistik, Tel. +49 228 73 60038, E-Mail: [email protected]. Simone Schultz-Balluff: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Abteilung für Germanistische Mediävistik, Tel. +49 228 73 60038, E-Mail: [email protected]. https://doi.org/10.1515/9783110752793-008

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 Timo Bülters und Simone Schultz-Balluff

Gemeinschaften, die sowohl die lateinische als auch die niederdeutsche Sprache beherrschen. Nicht nur in Briefen, Urkunden und Rezepten wird diese Kompetenz wie selbstverständlich zum Ausdruck gebracht, sondern auch in Texten für den Schulunterricht oder für die Klosterverwaltung. Die von den Nonnen genutzte Sprach­mischung wirkt auf den ersten Blick zwar wie ein „Ineinander und Durcheinander, ein Missingsch und Kauderwelsch“2 (Pörksen 1994: 69). Auf den zweiten Blick zeigt sich aber in diesem aktiven Wechselspiel, dass hier zwei Sprachen nicht nur koexistieren, sondern von den Schreiberinnen so souverän miteinander ‚vermischt‘ werden, wie dies nur bei einer außerordentlichen Kenntnis beider Sprachen der Fall sein kann. Die Sprachmischung in den schriftlichen Quellen der Lüneburger Frauenklöster ist durchgängig immer wieder bemerkt (Schlotheuber 2004, 2006) und an ausgewählten Beispielen vertiefend herausgestellt worden (Lähnemann 2014 zu Gebetbüchern), eine konsequent an sprachlichen Parametern orientierte Untersuchung erfolgte bislang noch nicht. Daher ist es das Ziel des vorliegenden Beitrags, die schriftsprachlichen Verfahrensweisen norddeutscher Nonnen bei der von ihnen betriebenen Sprachmischung entlang linguistischer Parameter zu systematisieren, Kompetenzgrade herauszuarbeiten und schließlich vor dem Hintergrund der Theorien zum Codeswitching bzw. Codemixing zu verorten. Es wird sich schnell zeigen, dass bestehende Modelle Anpassungen erfordern, sodass schließlich ein auf die historische Textsituation zugeschnittenes CodemixingModell skizziert werden soll. Im Folgenden wird zunächst ein kurzer Überblick über die bisherige kontaktlinguistische Forschung zur Mehrsprachigkeit als Sprachkontaktphänomen gegeben. Insbesondere sollen unterschiedliche Terminologien vorgestellt werden, auf deren Basis eine Positionierung für die Auswertungen der Textbeispiele aus den Frauenklöstern erfolgen kann. Es folgen grundlegende Ausführungen zur Sprachkompetenz (Lateinisch und Niederdeutsch) der Nonnen in den untersuchten Klöstern und die Skizzierung des Untersuchungsgegenstands. Im Kern erfolgt eine systematisierende Analyse von ausgewählten Beispielen aus unterschiedlichen Textsorten, deren Urheberschaft ziemlich sicher bei den Konventualinnen selbst angenommen werden kann. Abschließend wird herausgestellt, inwiefern schriftliche Mehrsprachigkeit als Indikator für die Sprachkompetenz der norddeutschen Nonnen herangezogen werden kann.

2 Pörksen bezieht sich hier auf die lateinisch-deutsche Vorlesungssprache von Paracelsus.



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2 C  odemixing vs. Codeswitching?! – Definition und Positionierung In den letzten Jahrzehnten hat Mehrsprachigkeit als Sprachkontaktphänomen vermehrt die Aufmerksamkeit der Kontaktlinguistik auf sich gezogen. Das in deren Folge entstandene Terminologiesystem versucht unterschiedliche Formen dieses Sprachkontakts zu beschreiben und zu differenzieren, aber insbesondere im Bereich der Codeswitching- und Codemixing-Forschung bestehen nach wie vor terminologische Unschärfen und insgesamt wird die „confusing terminology“ beklagt (Schendl & Wright 2011: 23). Eine erste frühe Definition von Codeswitching liefert Weinreich, der im Bilingualismus „the practice of alternately using two languages“ (Weinreich 1953: 1) erkennt und damit den alternierenden Gebrauch zweier Sprachen als grundlegendes Merkmal definiert. Einen strukturellen Aspekt hebt Gumperz hervor, der Codeswitching als „the juxtaposition within the same speech exchange of passages of speech belonging to two different grammatical systems or subsystems“ (Gumperz 1982: 59) definiert. Myers-Scotton entwickelt diese Überlegungen weiter und legt den zwei oder mehr in einer Kommunikation nebeneinander verwendeten Sprachen ein Hierarchieverhältnis zugrunde: Codeswitching sei „the selection by bilinguals or multilinguals of forms from an embedded variety (or varieties) in utterances of a matrix variety during the same conversation“ (Myers-Scotton 1993: 3). Damit geht Myers-Scotton von einer Matrixsprache aus, die den grammatischen Rahmen der sprachlichen Äußerungen einer Konversation vorgibt, und in die dann eine zweite oder mehrere andere Sprachen ‚eingebettet’ werden. Muysken setzt bei einer gegenüberstellenden Definition von Codeswitching und Codemixing an und versucht beide Termini zu definieren und damit voneinander abzugrenzen: Während er Codeswitching als „rapid succession of several languages in a single speech event“ (Muysken 2000: 1) definiert, liege Codemixing demgegenüber bei all den Fällen vor, „where lexical items and grammatical features from two languages appear in one sentence“ (Muysken 2000: 1). Der kommunikative Rahmen, den Muysken beiden Phänomenen zuschreibt, ist hier unterscheidendes Merkmal: Der Terminus Codeswitching meint die schnelle Aufeinanderfolge verschiedener Sprachen in einem Sprechereignis, der Terminus Codemixing das Vorkommen lexikalischer Elemente und grammatischer Merkmale innerhalb einer syntaktischen Einheit, vgl. dazu mit etwas anderer Interpretation Czajkowski (im vorliegenden Band). Mahootian differenziert zwischen der Ebene der gesprochenen und der geschriebenen Sprache; sie definiert Codeswitching als „systematic use of two or more languages or varieties of the same language during oral or written discourse“ (Mahootian 2006: 511). Als Unterschei-

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dungsmerkmal setzt Mahootian an, dass der Terminus Codemixing häufig auf „intrasentential switching“, der Terminus Codeswitching hingegen auf „intersentential switching“ (Mahootian 2006: 512) bezogen werde.3 Trotz einiger plausibler Definitionsansätze fehlt noch immer eine klare Abgrenzung des Codeswitching-Phänomens von dem des Codemixings (vgl. Glaser 2016: 37), unklar bleiben auch die jeweiligen Bezugsgrößen, sei es auf textueller (intra- vs. intersententiell) oder medialer (mündlich vs. schriftlich) Ebene, sodass fallweise argumentiert werden muss. Im Anschluss an Muysken (2000) erscheint für das vorliegende Material der Begriff Codeswitching weniger geeignet, da dieser sich auf einen schnellen (vermutlich verstanden als ‚häufigen‘) Wechsel in der mündlichen Kommunikation bezieht (inwiefern dabei ein ‚unbewusstes‘ ad hoc-Switchen gemeint ist, muss offenbleiben, ein geplanter, stilistisch oder rhetorisch motivierter Sprachwechsel kann aber wohl ausgeschlossen werden). Der Begriff des Codemixing bietet sich hingegen an, da der Fokus auf der mehrsprachigen Strukturiertheit der syntaktischen Einheit liegt; diese bildet auch den Zugriffspunkt für die folgende Analyse der mehrsprachigen schriftsprachlichen Kon­strukte. Darüber hinaus erscheint das Modell, das Muysken vorgelegt hat und mit dem sich unterschiedliche Verfahrensweisen des Codemixings unterscheiden lassen, für die hier zugrunde liegenden historischen Schriftstücke als anschlussfähig: In dem Modell wird auf der intrasententiellen Ebene zwischen Insertion, Alternation und kongruenter Lexikalisierung unterschieden (Muysken 2000: 3). Bei der Insertion werden Konstituenten (Wörter bis hin zu komplexeren Einheiten) einer Sprache B in eine Sprache A eingebettet (Muysken 2000: 7). Da Sprache A die Grammatik vorgibt, kann diese, mit Myers-Scotton, als matrix language ‚Matrixsprache‘ bezeichnet werden, Sprache B als embedded language ‚Einbettungssprache‘ (Myers-Scotton 2002: 20f.). Nach Pörksen handelt es sich, bildlich gesprochen, um eine „Fachwerksprache“ (Pörksen 1994: 65), bei der ein „Fachwerk“ (Sprache A) mit „Lehmziegeln“ (Sprache B) befüllt wird (Pörksen 1994: 64).

3 Dieses unterscheidende Merkmal ist nicht sehr überzeugend, zumal Poplack bereits 1980 Codeswitching als „alternation of two languages both between and within sentences“ definiert (1980: 581).



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insertion A

B

..... a .....

A

..... b .....

..... a .....

Abb. 1: Darstellung der Insertion, nach Muysken (2000: 7)

Bei der Alternation bleiben die grammatischen und lexikalischen Strukturen der Sprachen A und B trotz des Wechsels von einer in die andere Sprache jeweils erhalten. Die Satzstruktur wird zunächst von Sprache A und dann von Sprache B bestimmt (Muysken 2000: 7). Es kommt daher zu einem Wechsel der Matrixsprache. A

..... a .....

B

alternation

..... b .....

Abb. 2: Darstellung der Alternation, nach Muysken (2000: 7)

Die kongruente Lexikalisierung zeigt sich insbesondere bei nah verwandten Sprachen und zeichnet sich dadurch aus, dass beide Sprachen eine gleiche bzw. ähnliche grammatische Struktur haben, die beliebig und mehr oder weniger problemlos mit Elementen aus sowohl der einen als auch der anderen Sprache gefüllt werden kann (Muysken 2000: 8). Laut Bechert  &  Wildgen dient häufig „ein in beiden Sprachen ungefähr gleichlautendes und gleichbedeutendes Wort […] als ,Gelenk‘, als Überleitung von der einen zur anderen Sprache“ (Bechert & Wildgen 1991: 67). Da die Satzstruktur von beiden Sprachen bestimmt wird, ist es in diesem Fall schwierig, eine Matrixsprache zu bestimmen.

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A/B

..... a .....

..... b .....

congruent lexicalization

..... a .....

..... b .....

Abb. 3: Darstellung der kongruenten Lexikalisierung, nach Muysken (2000: 7)

Als Anknüpfungspunkte für die folgende Analyse bieten sich Insertion und Alternation als Erstzugriffe an, da sie in zahlreichen Texten und verschiedenen Textsorten aus den norddeutschen Frauenklöstern begegnen. Mehrsprachigkeit ist im klösterlichen Kontext das gesamte Mittelalter hindurch eine feste Größe und sowohl für den mündlichen als auch für den schriftsprachlichen Bereich anzunehmen (das Lateinische gilt als gesprochene lingua franca, vgl. Mihm 2010: 24). Mihm differenziert dahingehend, dass er neben die (mündliche) Mehrsprachigkeit die ‚Mehrschriftigkeit‘ stellt und plädiert dafür, „den Bereich der mündlichen Kontakterscheinungen und den der schriftlichen […] als getrennte Systeme zu betrachten“ (Mihm 2010: 29). Diese mediale Trennung spielt in den gängigen Theorien zum Codeswitching bzw. -mixing keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Konsens ist aber, dass für historische Texte nicht geklärt werden kann, „ob diese Konstruktionen Abbild eines mündlichen Gebrauchs sind oder ob es auch ein spezifisch schriftliches Codeswitching gibt“ (Glaser 2016: 56). Die schriftsprachliche Beherrschung des Lateinischen bildet den Ausgangspunkt für die Mehrschriftigkeit, denn schriftsprachliche Kompetenzen werden erst sekundär auf regionale Schreibsprachen übertragen. Diese Mehrschriftigkeit bezieht sich bei Mihm (2010: 29) zwar nur auf die Kompetenz, Texte als Ganze in mehreren Sprachen abzufassen, und nicht auf das Prinzip der Mischung von Sprachen in einem Text, die Ausführungen sind jedoch insofern relevant, als dass angenommen werden kann, dass jeder mittelalterliche Schreiber und jede Schreiberin (mindestens) zwei Sprachen in der schriftlichen Form beherrschte. Betrachtet man nun also gemischtsprachige Texte als schriftliche Kontakterscheinungen, dann vor dem Hintergrund einer hohen mehrschriftigen Kompetenz. Diese mehrschriftige Kompetenz äußert sich schließlich – so die Unterteilung bei Ganslmayer (2016) – einerseits in Texten mit lateinisch-deutscher Sprachkombination und andererseits in Texten mit lateinisch-deutscher Sprachmischung.



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In Texten mit Sprachkombination werden „die beiden Sprachen im Text kombiniert, jedoch getrennt verwendet, also ohne dass ausdrucksseitig im Bereich der Morphologie und Syntax eine gegenseitige sprachkulturelle Beeinflussung erkennbar ist“ (Ganslmayer 2016: 79); dies liegt beispielsweise bei Interlinearversionen vor. In Texten mit Sprachmischung hingegen wird „eine Sprache von einer anderen quasi infiltriert“ und „Hybridisierungsprozesse auf verschiedenen Strukturebenen“ (Ganslmayer 2016: 78) sind die Folge. Beide ‚Mischtextformen‘ bieten jeweils eine „kohärente Texteinheit […], deren inhaltliches Konzept unter Rückgriff auf formale Strukturen unterschiedlicher Sprachen […] realisiert ist“ (Ganslmayer 2016: 78). Diese sind aufgrund von „Exklusivität und Domänenbindung“ entstanden und „institutionell an die Bereiche Kirche, Schule und Universität sowie Verwaltung (Kanzleien)“ (Ganslmayer 2016: 80f.) gebunden.4 Bei der Analyse von mehrsprachigen Texten sollten daher auch die Produktions- und Rezeptionsbedingungen rekonstruiert werden, um zu ermitteln, warum Sprachen schriftlich nebeneinander zusammengebracht werden und „wie bewusst der Textproduzent welche Formen der Sprachkombination und -mischung wie häufig einsetzte“ (Ganslmayer 2016: 84). Die Unterteilung in Sprachkombination und Sprachmischung bietet für die Analyse des Textbestands der norddeutschen Frauenklöster ein grundlegendes Unterscheidungsmerkmal. Die folgende Analyse von Texten aus dem geschlossenen klösterlichen Kulturraum und hier insbesondere aus der Gruppe der zum ehemaligen Fürstentum Lüneburg gehörenden norddeutschen Frauenklöster möchte insbesondere nach den sprachlichen Verfahrensweisen fragen, wie in ganz unterschiedlichen in der Klausur rezipierten und angefertigten Texten die deutsche mit der lateinischen Sprache in Zusammenspiel gebracht wird. Um diese zumeist auch aus Frauenhand stammenden Texte mit Blick auf die schriftsprachlichen Kompetenzen der Sanktimonialen genauer beschreiben und einer differenzierteren Bewertung zuführen zu können, werden wir das oben skizzierte, grundlegende Beschreibungsmodell um Aspekte erweitern, die vor allem dazu geeignet erscheinen, abschließende Bewertungen der Codemixing-Kompetenz jener schreibenden Frauen zuzulassen, denen am Übergang zur frühen Neuzeit von der Forschung lange Zeit kein hohes Bildungsniveau zugesprochen wurde (hierzu zusammenfassend Gerchow & Marti 2005). Dieses Bild hat sich inzwischen zwar recht grundlegend gewandelt (vor allem Schlotheuber 2004, 2006, 2009), aber dennoch fehlt

4 Bisher liegen einige Untersuchungen vor, die das Phänomen der Sprachmischung in historischen Texten in den Blick nehmen: Stolt (1964), Pörksen (1994), Grotans (2006), Kämmerer (2006), Stricker (2009), Prinz (2010), Mihm (2010), Depnering (2015), Glaser (2016), Ganslmayer (2016), Schendl & Wright (2011), Wich-Reif (2016).

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 Timo Bülters und Simone Schultz-Balluff

es an Untersuchungen, die genauer nach der sprachlichen Kompetenz fragen und hierfür konkret Verfahrensweisen im Prozess der gemischtsprachlichen Textproduktion zugrunde legen. Da es sich nicht nur um Sprache reproduzierende, sondern um aktiv Sprache formende Verfahren handelt, die sich über linguistische Kriterien fassen lassen, liegt unseres Erachtens hier ein lohnenswerter Zugriff, der es schließlich ermöglicht, über eine Engführung von sprachlichen und kulturhistorischen Aspekten tragfähige Aussagen über das Bildungsniveau in norddeutschen Frauenklöstern zu formulieren.

3 M  ittelniederdeutsch und Latein: Sprachkompetenz in norddeutschen Frauenklöstern Weitaus später als im mittel- und oberdeutschen Sprachraum bilden sich die regionalen Varietäten des Niederdeutschen als Schriftsprachen heraus, sodass bis in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts ein – bisweilen konkurrierendes – Nebeneinander von lateinischer und mittelniederdeutscher Schriftlichkeit die Regel ist (Peters 2008a: 15). Die Überlieferung der in mittelniederdeutscher Sprache abgefassten Textsorten steigt im 15. Jh. sprunghaft an und vor allem das städtische Verwaltungsschrifttum, aber auch andere städtische Textsorten wie z. B. Chroniken, werden bald überwiegend niederdeutsch abgefasst (Peters 2008a: 16). Als „Sprache der Kirche und der Gelehrsamkeit“ (Peters 2008a: 17) hat das Lateinische jedoch Bestand und ist dementsprechend in den Stiften und Klöstern allgegenwärtig, wenngleich zunehmend auch das Niederdeutsche verwendet und in einigen Textsorten sogar maßgeblich wird (hier sei nur auf die zahlreichen Gebetbücher, aber auch Urkunden und Briefe hingewiesen). Da zu Beginn des zweiten Drittels des 16. Jahrhunderts der Schreibsprachenwechsel zum Frühneuhochdeutschen hin beginnt (Peters 2008a: 20f.), zeigt sich für die städtischen Kontexte ein vom Lateinischen relativ losgelöster und vom Hochdeutschen noch kaum beeinflusster mittelniederdeutscher Sprachgebrauch lediglich in einem engen Zeitfenster vom Ende des 14. Jahrhunderts bis um 1520/1530 (Peters 2008b: 1420). Im klösterlichen Sprach- und Kulturraum wird weiterhin überwiegend das Lateinische verwendet, der Gebrauch des Mittelniederdeutschen erfolgt jedoch parallel und mit zunehmender Tendenz – anders als in den Städten hat es in den Klöstern zu keinem Zeitpunkt einen ‚rein mittelniederdeutschen‘ Sprachgebrauch gegeben. Die im Zusammenhang mit der Hanse stehenden Aspekte – d. h. die „zunehmend gegliederte Verwaltung, Ausbau der Arbeitsteilung, Ausdeh-



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nung der kommunikativen Distanzen“ (Meier & Möhn 2008: 1471), über die die Hanse als ‚Produktionsraum‘ konturiert wird, in dem die Anforderungen an die Sprache und damit verbunden an die schriftlichen Realisate wuchsen –, können grundsätzlich auch für den, wenn auch in sich vergleichsweise geschlossenen, klösterlichen Raum angenommen werden. Die lang andauernde Dominanz des Lateinischen und das anschließende Nebeneinander mit dem Mittelniederdeutschen spiegelt sich deutlich in den Textbeständen der niederdeutschen Frauenklöster wider: Beide Sprachen finden in einem vergleichsweise breiten Textsortenspektrum gleichermaßen Verwendung und zeugen von einer entsprechenden Rezeptions- und Textproduktionskompetenz.5 Dabei wirken sowohl lateinische Texttraditionen als auch schriftsprachliche Gewohnheiten auf die vernakulärsprachlichen Textzeugnisse (Meier & Möhn 2008: 1476, Lähnemann 2014: 317).6 Die Kompetenz im aktiven Umgang mit beiden Sprachen führt nicht zuletzt zu Mischformen in fast allen Textsorten und vor allem im 15. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts begegnen diese auf allen Ebenen der Buchund Textproduktion7: Die Mischung von lateinischen und niederdeutschen Texten, Textteilen und sogar auch Sätzen und Satzteilen stellt vor allem für den klösterlichen Kulturraum mehr eine Selbstverständlichkeit als eine Ausnahme dar, zumal die Bildungs- und Ausbildungssprache in den Klöstern nach wie vor das Lateinische ist. Für die norddeutschen Frauenklöster lässt sich sowohl eine souveräne Rezeption als auch Produktion lateinischer Texte belegen (zur Lateinkompetenz vgl. Schlotheuber 2004, 2006, 2009, 2014). Dies hat seinen Ursprung in einer sehr guten und kontinuierlichen Lateinausbildung, die in den norddeutschen Klöstern im Zuge der Reformen des 15. Jahrhunderts intensiviert wurde. Da auch das Abfassen von Texten in lateinischer Sprache Teil des Unterrichts in der Kloster-

5 Einmal mehr betont Schlotheuber die „linguistic competence and ability not only to passively understand but also to work independently with texts“ (Schlotheuber 2014: 343). 6 Lähnemann stellt für ausgewählte Gebetbücher aus den Lüneburger Klöstern heraus, dass „Latin and Low German […] traditions are merged and mixed“ (Lähnemann 2014: 317). Im Fokus ihrer Untersuchung stehen die Strategien auf textlicher und kodikaler Ebene bei der Übersetzung, Übertragung und Anpassung der lateinischen Texte. 7 Meier & Möhn verweisen auf das „Zusammentreffen von lat. Texten und volkssprachlich definierten Gebrauchssituationen“ (Meier & Möhn 2008: 1476), sodass „der in der Klosterexistenz ständig präsente lat.-nd. Sprachkontakt“ (Meier  &  Möhn 2008: 1476) als typisch für die klösterliche Textsituation angesehen werden muss. Hierzu resümiert Lähnemann: „This particular fusion is the result of the development in the 15th century of devotional writing in the vernacular alongside the continuation of a strong Latin monastic tradition“ (Lähnemann 2014: 317).

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schule war8, wurde die aktive Sprachkompetenz bei den jungen Klosterschülerinnen also bereits früh herausgebildet.9 Die Fähigkeit zum schriftsprachlichen Gebrauch des Lateinischen gehörte damit zum Alltag der Mädchen und Frauen und wurde aktiv genutzt, wie einige eindeutig aus der Hand von Konventualinnen stammende Bücher und der briefliche Schriftverkehr belegen.10 Die aktive schriftsprachliche Kompetenz der norddeutschen Nonnen im Lateinischen ist also als vergleichsweise hoch einzuschätzen (anders ist dies in süddeutschen Frauenklöstern, dort genügten vielfach Grundkenntnisse, um die lateinischen Texte richtig aussprechen zu können, vgl. Schlotheuber 2004: 182).11 Die Studien von geschichtswissenschaftlicher Seite haben in den vergangenen eineinhalb

8 Dabei handelt es sich um die schriftliche Ausdeutung biblischer und theologischer Texte; allgemein ging es um „die aktive und die passive Beherrschung der lateinischen Sprache, die die Schülerinnen in die Lage versetzte, lateinische Texte zu verstehen, auszudeuten und selbstständig zu formulieren“ (Schlotheuber 2004: 180; vgl. auch Schlotheuber 2006: 79f.). 9 Die Mädchen kamen im Kindesalter ins Kloster, die Schulausbildung begann nach einem Jahr und umfasste in der Regel fünf oder sechs Jahre (vgl. Schlotheuber 2006: 72; 2009: 22). Am Beispiel des Dominikanerinnenkloster St. Katharina St. Gallen arbeitet Mengis die Schulausbildung der dortigen Novizinnen heraus, die neben dem „Erlernen des Lesens und Singens (in lateinischer Sprache) […] als Grundvoraussetzung zur Verrichtung des Chordienstes“ auch das „Sticken, Spinnen, Nähen […] [und das] Herstellen von Handschriften“ vorsah (Mengis 2013: 63). Im Kontext der Herstellung von Chorbüchern gehörte auch das „Schreiben von Texten und Noten sowie die Illuminierung von Manuskripten“ (Mengis 2013: 65), aber auch das „Korrigieren von Manuskripten“ (Mengis 2013: 66) zum monastischen (Schul-)Alltag. 10 So z. B. das von der Lüner Sakrista Ende des 15. Jahrhunderts verfasste Amtsbuch und die im Kloster Lüne entstandene Chronik; Hinweise auf die hohe Lateinkompetenz in norddeutschen Frauenklöstern finden sich immer wieder, vgl. hierzu die Beispiele in Schlotheuber 2004: 187. 11 Mengis kann bspw. für das Dominikanerinnenkloster St. Katharina St. Gallen – also für ein Frauenkloster im süddeutschen Sprachraum – herausarbeiten, dass eine „Hebung der lateinischen Sprachkenntnisse (v. a. in den Frauenklöstern) […] kein Ziel der Ordensreform“ (Mengis 2013: 70) war, sondern die Sprachsituation sich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts „durch nachlassende Lateinkenntnisse der Schwestern“ (Mengis 2013: 70) auszeichnete. Auch wenn in den Frauenklöstern gerade von den Postulantinnen elementare Lateinkenntnisse erwartet wurden, ging damit jedoch nicht das „Erlernen einer aktiven Beherrschung der lateinischen Sprache“ (Mengis 2013: 71) einher. Vielmehr genügte „zur Erfüllung der elementaren liturgischen Erfordernisse, welche mit dem Chorgebet den monastischen Alltag der Nonnen bestimmten, […] dank des formelhaften Charakters ein passives Memorieren, sprich: ›Auswendig-Dahersagen‹; ein intellektuelles Verstehen des Gelesenen war wohl in den wenigsten Fällen gegeben“ (Mengis 2013: 71f.). Wenn überhaupt waren es die im Skriptorium tätigen Konventualinnen, die über „Lateinkenntnisse auf gut durchschnittlichem Niveau verfügten, während andere bereits mit Grundanforderungen des Latein-Verständnisses an Grenzen stiessen“ (Mengis 2013: 74). Auch Noeske hebt hervor, dass in Süddeutschland die „Lateinkenntnisse im Verlaufe des späten Mittelalters unter den Nonnen abnahmen“ (Noeske 2009: 39).



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Jahrzehnten vor allem dazu beigetragen, das Bildungsniveau norddeutscher Sanktimonialen nicht mehr vor dem Hintergrund althergebrachter Stereotype zu sehen (Gerchow & Marti 2005); vor allem steht die Betonung der Lateinkompetenz im Vordergrund und dient als Ausweis eines hohen Bildungsgrades. Wie sich allerdings die schriftsprachliche Kompetenz im Bereich der Vernakulärsprache herausbildete und welches Niveau hier den Schreiberinnen zuzusprechen ist, wurde bisher nicht eingehender untersucht, ebenso wurde bislang keine systematische Untersuchung der Sprachmischung entlang linguistischer Parameter in schriftlichen Quellen unternommen. In der Forschung zum Mittelniederdeutschen steht eine systematische Untersuchung von Sprachmischung indes aus – Meier & Möhn (2008: 1476) verweisen auf ein lateinisch-niederdeutsches Osterorationale aus Neukloster (Buxtehude), das von einer Nonne verfasst wurde – aber weder sind bislang Codices, die lateinische und niederdeutsche Texte enthalten, noch gemischtsprachig abgefasste Texte unter der Perspektive des Codemixings untersucht worden.12 Das selbstverständliche Nebeneinander von mittelniederdeutschen und lateinischen Texten zeigt sich vor allem in Codices, die im 15. und 16. Jahrhundert aus älteren Buchteilen neu zusammengestellt wurden.13 In diesen Fällen liegt keine traditionsbedingte Mischung aus lateinischen und deutschen Texten vor, sondern eine bewusst konzipierte und produzierte Kombination. Dies trifft z. B. auf eines der Wienhäuser Gebetbücher (KlA Wienhausen, Hs 8) und das Wienhäuser Liederbuch (KlA Wienhausen, Hs 9) zu, aber auch auf die dem Kleiderregister vorangestellte Sammlung lateinischer und mittelniederdeutscher Farbrezepte (KlA Wienhausen, Hs 12). Nicht zuletzt zeugt auch die Zusammenstellung von lateinischen, niederdeutschen und gemischtsprachigen Briefen zu Konvoluten im Kloster Lüne (KlA Lüne, Hs 15, Hs 30 und Hs 31) von einem selbstverständlichen Neben- und Miteinander der in unterschiedlichen Sprachen abgefassten Texte. Für die im Lateinischen ausgebildeten und in beiden Sprachen versierten Frauen ist eine Sprachbarriere also nicht anzunehmen. Die folgende, die Lüneburger Klöster und die darin entstandenen Textsorten übergreifende, systematische und strukturierende Analyse stellt die Verknüpfung beider Sprachen in den Mittelpunkt, da davon ausgegangen wird, dass diese

12 Anders sieht dies für die Gemischtsprachigkeit in Texten der frühmittelalterlichen Zeit aus. Hier sei nur die umfängliche Befassung mit Glossierungen oder Interlinearversionen in Erinnerung gebracht, die überwiegend von sprachhistorischer Seite erfolgt. 13 Mit der Fokussierung des Sammelns untersuchen Hascher-Burger und Kruse zwei Rapiarien aus dem Stift Steterburg, in denen nicht nur die Mischung lat. und nddt. Texte, sondern auch von Textsorten (diverse Gebete, Lieder) und Andachtsbildchen selbstverständlich ist (HascherBurger & Kruse 2013: 91–98).

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ein hohes Maß an Versiertheit im Bereich der schriftsprachlichen Produktivität voraussetzt, die schließlich als Indikator für den Grad der Bildung der Verfasserinnen Geltung beanspruchen kann.

4 Codemixing in den Lüneburger Frauenklöstern Die gemischtsprachigen Textzeugen aus den Lüneburger Frauenklöstern zeigen als Matrixsprache entweder Latein oder Niederdeutsch oder in gleichem Maß Latein und Niederdeutsch (d. h. häufig lässt sich für einzelne Absätze oder Sätze keine eindeutige Matrixsprache festlegen). Die Texte mit Latein als Matrixsprache sollen in diesem Beitrag nicht weiter verfolgt werden, Gegenstand der Untersuchung sind – Textabschnitte mit Niederdeutsch als Matrixsprache, – Texte und Textabschnitte mit alternierender Matrixsprache. Nicht eindeutig zu entscheiden sind Fälle, in denen auf der Satzebene Alternation vorliegt, d. h. Teilsätze folgen mal der einen, mal der anderen Sprache; hier kann graduell unterschieden werden, ob der Hauptsatz lateinisch oder deutsch ist und davon ausgehend kann dann der Schwerpunkt bestimmt werden. Es soll ein Klärungsversuch dahingehend unternommen werden, inwiefern es auf grammatischer Ebene zu einer Beeinflussung oder zu einem konsequenten Beibehalten der Regeln der jeweiligen Matrixsprache kommt. Der Matrixsprache Niederdeutsch werden auf der Satzebene solche Fälle zugeordnet, bei denen der Hauptsatz oder Hauptsatz und Nebensatz gegenüber lediglich einem lateinisch verfassten Nebensatz niederdeutsch abgefasst sind, d. h. das Gerüst ist deutlich der niederdeutschen Sprache zuzuordnen. Auf der Phrasen- und Wortebene handelt es sich um in einen grundsätzlich niederdeutsch abgefassten Satz implementierte lateinische Versatzstücke, wie z. B. feststehende Bezeichnungen und Wendungen, Namen und Anreden, Nominalphrasen, adverbiale Bestimmungen und Prädikate. Über die grammatische Verortung hinausgehend, wird in diesen Fällen auch nach den Phrasen und Wortarten sowie dem Inhalt gefragt, um schließlich mögliche Intentionen für das bewusste Vermischen und Zusammensetzen zweier Sprachen herauszustellen.



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Der Auswertung werden Transkriptionen der Originalquellen14 zugrunde gelegt, die eindeutig dem jeweiligen Kloster zugeordnet werden können.15 Dabei gibt es zwei Abstufungen die Texte betreffend: Eine Gruppe bilden Texte, die mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit im Kloster entstanden und damit von den Nonnen selbst verfasst worden sind – hierzu zählen Briefe und Urkunden sowie marginale Textformen. Eine weitere Gruppe bilden Texte, die nachweislich im Kloster verwendet wurden und die möglicherweise auch dort entstanden sind, vermutlich durch Abschrift – hierzu zählen Grammatiken, medizinische Rezepte und Texte, Gebetbücher, Ordnungen und Regeltexte.

4.1 Codemixing am und im Text 4.1.1 Codemixing auf der paratextuellen Ebene Der Sprachwechsel zwischen dem Lateinischen und dem Niederdeutschen zeigt auf der paratextuellen Ebene zwei Ausprägungen: Zum einen gibt es Übertragungen, die interlinear, linear oder marginal platziert sind; diese haben als Paratexte Textstatus, zeigen jedoch einen deutlichen Bezug zur Ausgangssprache und zum Ausgangstext. Zum anderen finden sich lateinische Überschriften, die einem niederdeutschen Text vorgeschaltet sind und nicht übersetzt werden. In der nur fragmentarisch überlieferten lateinischen Ars minor des Aelius Donatus aus dem Kloster Wienhausen (Hs 17) ist eine mittelniederdeutsche Übertragung interlinear eingefügt (1). Diese ist äquivalent zum lateinischen Text formuliert, jedoch soweit selbständig, dass sie syntaktisch und textuell eigenständig funktioniert und grundsätzlich losgelöst vom lateinischen Ausgangstext rezipiert werden kann. Allerdings zeigt der mittelniederdeutsche Text eine für Interlinearversionen markante Eigenheit, die die Rezeption des interlinearen Textes eng an die des primären Textes bindet: Es erfolgt die Angabe von zwei Interpretamenten – für oracio werden redde und muntlike vtsprake (1) angegeben –, die zudem mit lat. vel verbunden sind, hier wird also eindeutig auf ein Verfahren aus den früh-

14 An dieser Stelle sei dem Archivar der Lüneburger Klöster Wolfgang Brandis ganz herzlich gedankt: für den Zugang zu den Originalquellen und den Digitalisaten, für die Einsicht in die bisher noch nicht veröffentlichten Beschreibungen zu den Wienhäuser Handschriften sowie das Interesse an unserer Forschung und den regen Austausch darüber. 15 Bisher beschränkte sich „most empirical work on historical code-switching […] on printed editions“, während Untersuchungen „based on the transcription and analysis of original manuscripts“ (Schendl & Wright 2011: 25) nur selten erfolgt sind (beispielsweise Wright 2011).

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mittelalterlichen Interlinearversionen rekurriert, dessen Sinnhaftigkeit sich erst im Zusammenspiel mit dem Ausgangstext entfaltet: (1) Wo vele dele sint / der redde vel der muntli Quod partes sunt. / oracio= ken vtsprake / achte / welker / dat nis. – – octo. que. Nomen del des namen […] (Aelius Donatus ‚Ars minor‘; KlA Wienhausen, Hs 17, fol. 1v) ‚Wie viele Bestandteile hat die Rede oder die mündQuod partes sunt. / oracio= liche Aussprache? Acht! Welche? Den nis. – – octo. que. Nomen Bestandteil des Nomens […]‘

Wenngleich also der niederdeutsche Text aufgrund seiner Kohärenz durchaus selbständig zu rezipieren ist, bleibt fraglich, ob eine eigenständige Rezeption des interlinearen Textes überhaupt intendiert ist und mit Blick auf die Textintention ‚sinnvoll‘ erfolgen kann. Unklar ist, zu welchem Zeitpunkt in der didaktischen Vermittlung des lateinischen Textes der mittelniederdeutsche Text zum Einsatz gekommen ist, zudem muss offen bleiben, ob die Übertragung eine Eigenleistung der Rezipientinnen im Kloster ist oder von einer Vorlage stammt. Textsemantisch müssen der lateinische Primärtext und der interlineare Paratext zusammen rezipiert werden. Das lateinische Insert vel hat insofern eine Kopplungsfunktion, weil es die alternativen niederdeutschen Interpretamente an das lateinische Ausgangslexem bindet. Das aus einer lateinischen Grammatik aus dem 16. Jahrhundert (KlA Wienhausen, Hs 15) stammende Paradigma zur lateinischen Konjugation des Verbs legere (2) bietet neben der grammatischen Form im Lateinischen die äquivalente mittelniederdeutsche Wortform linear im Anschluss: (2) legebam ik las legebamus wy lesen legebas du lesest legebatis gy lesen legebat he lasz egebant se lesen (Lateinische Grammatik; KlA Wienhausen, Hs 15, fol. 41v) ‚legebam ich las legebamus wir lasen legebas du lasest legebatis ihr last legebat er las legebant sie lasen‘

Die entstehenden Phrasen, die entweder jede für sich genommen oder insgesamt als textuelle Einheit verstanden werden können, sind ebenfalls grammatisch



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eigenständig und können grundsätzlich unabhängig vom lateinischen Konjugationsparadigma rezipiert werden. Noch deutlicher als beim vorigen Beispiel ist hier allerdings, dass die Textfunktion und damit die -intention sich erst durch die gleichzeitige Rezeption von primärem Text und sekundärer Eintragung erfüllt. Da hier das Ziel verfolgt wird, das lateinische Paradigma zu legere zu erlernen, hat die in der bekannten Sprache gebotene Form erläuternde Funktion; die bloße Rezeption des mittelniederdeutschen Paradigmas führt für die Lateinlernende nicht zu einer Erkenntniserweiterung. – Bei den eindeutig in didaktischem Gebrauch stehenden Texten ist eine Rezeption der Texte sowohl in der Ausgangsals auch in der Zielsprache unerlässlich, wenn das Ziel der Sprachvermittlung erreicht werden soll. Anders zu bewerten ist das lateinische Insert (3) in einer grundsätzlich niederdeutschen Passionsbetrachtung aus einer Sammelhandschrift aus dem 15. Jahrhundert (KlA Ebstorf, Hs VI 10). Auf den ersten Blick scheint das linear platzierte lateinische Insert aufgrund der verwendeten Inquit-Formel secht de leue Gregorius notwendig zu sein, da es eine Valenzstelle (Akkusativobjekt) des Verbs seggen besetzt: (3) hir vmme secht de leue Gregorius Nolite fratres elemosinam uerbi subtrahere proximis vestris leuen brodere gi scollet nicht vnderten de almisse der guden lere yuwen euenen (Passionsbetrachtungen; KlA Ebstorf, Hs VI 10, fol. 57v)

‚deshalb sagt der gnädige Gregorius: Brüder, entzieht euren Nächsten nicht das Almosen der Worte. Liebe Brüder, ihr sollt euren Nächsten nicht das Almosen der guten Worte vorenthalten‘

Es handelt sich um ein beinahe wörtliches Zitat aus den Predigten zu den Evangelienperikopen Gregors des Großen: Nolite ergo, fratres, proximis vestris eleemosynam verbi subtrahere (Patrologia Latina 76, 1098C). Auf das Zitat folgt eine wörtliche Übersetzung, d. h. Zitat und Übersetzung sind linear hintereinandergeschaltet und sollen auch in dieser Reihenfolge rezipiert werden: zuerst der lateinische Text mit deutlichem Autoritätsbezug, dann die niederdeutsche Übersetzung.16 Es kann davon ausgegangen werden, dass der lateinische Text Gregors der gut ausgebildeten Schreiberin bekannt war, zumindest aber kann sie aufgrund ihrer soliden Lateinkompetenz den Satz ohne Probleme rezipieren. Aus

16 Lähnemann kann diese „almost complete translation into German of the Latin elements“ (Lähnemann 2014: 319) auch für die Andachtsbücher aus dem Kloster Medingen nachweisen, vgl. zu Übersetzungen auf der Wortebene als eine Kategorie der Sprachmischung in historischen Texten auch Depnering 2015: 478–480.

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Verstehensgründen ist also keine Übersetzung in die Vernakulärsprache notwendig. Diese macht nur vor dem Hintergrund des Niederdeutschen als Matrixsprache Sinn, d. h. es soll ein syntaktisch vollständiges Gebilde in niederdeutscher Sprache geformt werden. Das lateinische Zitat besetzt damit keine für die niederdeutsche syntaktische Einheit grammatisch obligatorische Position – der niederdeutsche Satz ist auch ohne dieses syntaktisch vollständig – und entfaltet erst auf der Sinn­ebene seinen Mehrwert: Es handelt sich wohl um einen Authentizitätsbeweis der Übersetzerin für die Richtigkeit des Übersetzten.17 Die Schreiberin verfolgt hier die Produktion eines kohärenten niederdeutschen Textes. Lateinische Inserte finden sich auch in einer Handschrift aus dem 15. Jahrhundert, die eine grundsätzlich mittelniederdeutsche Version der Regula Benedicti überliefert (KlA Ebstorf, Hs VI 28). Am linken Seitenrand von fol. 1v hat eine Ebstorfer Nonne Exsurgamus tandem ergänzt (4). Damit wird auf eine Textstelle im Prolog der lateinischen Version der Regula Benedicti verwiesen: Exurgamus ergo tandem aliquando excitante nos scriptura ad dicente […] (RB, Kap. Prolog, 8; Die Benediktsregel 2009: 6): (4) Exsurga Hyrvmme we ichteswanne schullen vpstan mus tandem (‚Regula Benedicti‘; KlA Ebstorf, Hs VI 28, fol. 1v) ‚Stehen wir doch einmal auf!‘

‚Deshalb sollen wir einmal aufstehen‘

Dieser Zusatz bietet für die Rezeption der Benediktinerregel auf der Makroebene einen bedeutenden Mehrwert. Da an den Seitenrändern der Handschrift immer wieder ähnliche lateinische Verweise vorkommen, wird dadurch der Regeltext strukturiert und eine gezielte, an inhaltlichen Aspekten orientierte Rezeption des Textes möglich gemacht. Das Insert fungiert damit als ein zusätzlich bereitgestelltes Mittel der Text- und Rezeptionsorganisation; dies setzt aber voraus, dass bei einer ad hoc-Orientierung über das Lateinische eine sehr gute Kenntnis nicht nur der lateinischen Sprache an sich, sondern auch des lateinischen Ausgangstextes der Regula Benedicti vorliegt. Die Inserte fungieren daher auch als Querverweise zur lateinischen Version der Benediktinerregel, die dem Rezipienten einen systematischen Vergleich zwischen mittelniederdeutschem und lateinischem Regeltext ermöglichen. – Mit der Passionsbetrachtung und der Benediktinerregel liegen kohärente niederdeutsche Texte vor, die grundsätzlich

17 In derselben Handschrift gibt es noch weitere Belege für die Insertion lateinischer Zitate zwischen Inquit-Formel und Übersetzung, die für die syntaktische Einheit nicht obligatorisch sind.



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ohne Rezeption der lateinischen Paratexte verstanden werden können. Die lateinischen Zitate rekurrieren auf autoritäre Texte, ihre Entschlüsselung bietet ein tiefergehendes Verständnis des vorliegenden Textes in seiner Genese, im Fall der Referenzierung auf die Predigten Gregors des Großen wird z. B. ein theologischer Verständnishorizont definiert.18 Wenngleich für die bisher vorgestellten Paratexte aufgrund ihrer syntaktischen Unabhängigkeit und textlichen Eigenständigkeit eine Rezeption nicht zwingend ist, hat die inhaltliche Analyse gezeigt, dass erst ihr Einbezug die gesamte Textfunktion (für die grammatischen Werke) und auch die Verweisfunktion auf andere Texte (hier hinsichtlich der Erweiterung des Verstehenshorizonts) offenlegt. Unabdingbar ist die Rezeption der anderssprachigen Paratexte hingegen, wenn diese nicht übersetzt oder übertragen werden, sich aber an exponierter Stelle befinden und die grundsätzliche Orientierung am oder im Text leiten; dies trifft z. B. auf (Zwischen-)Überschriften zu. Über die lateinisch abgefasste Überschrift erfolgt auf makrostruktureller Ebene der Erstzugriff auf den Text. Es handelt sich dabei um Phrasen, die keine komplexe syntaktische Struktur zeigen und der Funktion einer Überschrift entsprechend plakativ sind, indem sie Schlagworte bzw. zentrale Begriffe enthalten. Da die Überschriften als Einstieg in den Text dienen, muss eine solide Kenntnis der lateinischen Sprache vorausgesetzt werden. An der lateinischen Rezepttradition und -überlieferung orientiert ist das grundsätzlich niederdeutsch verfasste Rezept (5), das sich auf dem Umschlag eines Faszikels einer Sammelhandschrift aus dem 15. Jahrhundert befindet (KlA Wienhausen, Hs 4): (5) Ad vocem Nym knüflock salueygen ysopen ruden fennecolt […] (Medizinisches Rezept; KlA Wienhausen, Hs 4, fol. 39v) ‚Für die Stimme Nimm Knoblauch, Salbei, Ysop, Raute, Fenchel […]‘

In der lateinischen Überschrift wird das heilkundliche Indikationsgebiet des herzustellenden Heilmittels benannt, die sich anschließenden Angaben zur Prä-

18 Lähnemann schlussfolgert, dass in „each case these forms of reference unlock a particular field of literary […] and cultural allusions, a process of translation not just between languages“ (Lähnemann 2014: 320).

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paration und Anwendung erfolgen in mittelniederdeutscher Sprache.19 Für eine korrekte Anwendung ist es unerlässlich, beide Sprachen zu beherrschen. Einen Sprachwechsel auf der paratextuellen Ebene zeigt auch eine Propstwahlordnung des 16. Jahrhunderts (6) aus dem Benediktinerinnenkloster Lüne (KlA Lüne, Hs 25). Dem Text, der – bis auf einige lateinische Incipits von liturgischen Gesängen (bspw. Te deum laudamus) – in mittelniederdeutscher Sprache verfasst wurde, ist eine lateinische Überschrift vorangesetzt: (6) Ordo ad eligendum prepositum in Lune Wanne de Bygrafft des prouestest lychames ghedan is […] (Propstwahlordnung; KlA Lüne, Hs 25, fol. 1v) ‚Ordnung für die Propstwahl in Lüne Sobald die Bestattung des Leichnams des Propstes stattgefunden hat […]‘

Die Überschrift bietet hier nicht nur eine Gattungseinordnung (Ordo), sondern gleichzeitig auch eine knappe Inhaltsangabe des folgenden Textes. Auch in Texten mit religiösem Inhalt zeigen sich Sprachwechsel auf der paratextuellen Ebene, etwa innerhalb eines grundsätzlich niederdeutschen Liedes20 (7), das in einem fragmentarisch überlieferten Responsoriale des 15. Jahrhunderts auf einem eingelegten Doppelblatt tradiert ist (KlA Wienhausen, Hs 35; vgl. Classen 2002: 107): (7) Benignitas ad iram Vertorn ick spreke ouer lüt/ gij syn wol ein snoder krüth […] (Lied; KlA Wienhausen, Hs 35, eingelegtes Doppelblatt, fol. 1r) ‚Güte gegen Zorn Erzürnt spreche ich über Leute, ihr seid doch ein nutzloses Kraut […]‘

19 In dem Rezept wird lediglich bei der Aufzählung der zu verwendenden Arzneidrogen der Bockshornklee mit seiner lateinischen Bezeichnung fenumgrecum angeführt, während die übrigen Kräuter mit ihren vernakulärsprachlichen Bezeichnungen genannt werden. Grund dafür ist vermutlich das Fehlen eines eindeutig mittelniederdeutschen Pflanzennamens für den Bockshornklee. Das Mittelniederdeutsche Handwörterbuch bietet für die Arzneidroge folgende Lemmaansätze, die jeweils deutlich als Entlehnungen aus dem Lateinischen bewertet werden können: fenûgrêc, fênigrec, fônugrêc (-greeck, -grez); auch das Lemma fîne grête oder der als Übersetzung aus dem Lateinischen zu bewertende Lemmaansatz grêkisch hou zeigen die starke Orientierung am Lateinischen. 20 Die letzte Strophe des Liedes ist vollständig in lateinischer Sprache verfasst.



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Jeder niederdeutschen Strophe ist eine einleitende lateinische Überschrift vorangestellt, die den Wirkungsbereich kurz skizziert (hier ‚Güte gegen Zorn‘) und die einzelnen Strophen makrostrukturell voneinander abgrenzt. Dieses hier exemplarisch skizzierte Verfahren ist auch in weiteren Texten der Lüneburger Frauenklöster belegt.21 Bei den Sprachwechseln zwischen Paratext und Text werden an die klösterlichen Rezipientinnen hohe Anforderungen gestellt. Der Erstzugriff erfolgt auf der paratextuellen Ebene und damit über das Lateinische, wenngleich die Ausfaltung in der Vernakulärsprache vorgenommen wird. Die Rezipientinnen müssen beide Sprachen so gut beherrschen, dass sie nicht nur Paratext und Text übergangslos verstehen, sondern auch deren Zusammenwirken zielgerichtet und – insbesondere im Bereich der Heilkunde, wo falsche Medikationen über Leben und Tod entscheiden – korrekt entschlüsseln können. Die Analyse der Texte mit Sprachkombination zeigt, dass zwar beide verwendeten Sprachen keine gegenseitige sprachstrukturelle Beeinflussung zeigen, dass aber deren gemeinsame Rezeption mindestens intendiert, in bestimmten Fällen auch unerlässlich ist. Die Intention von Mischtexten mit Sprachkombination, eine kohärente Texteinheit zu schaffen (Ganslmayer 2016: 78), kann daher nicht nur für die grammatische, sondern auch für die inhaltliche Ebene angesetzt werden.

4.2 Codemixing auf der intrasententiellen Ebene Auf der intrasententiellen Ebene können in den Texten aus den Frauenklöstern lateinische Inserte in grammatisch obligatorischer Position von solchen Implementen unterschieden werden, die grammatisch optional sind.

21 Hs 4 des Klosters Wienhausen enthält noch weitere Rezepte, die auf paratextueller Ebene Sprachmischung zeigen, und auch das Fragment eines Arzneibuchs (KlA Wienhausen, Hs 10) zeigt Sprachwechsel auf der paratextuellen Ebene: Bei der Auflistung unterschiedlicher medizinischer Destillate sind die Bezeichnungen dieser jeweils lateinisch, die nachfolgenden Indikations- und Anwendungsinformationen jedoch mittelniederdeutsch abgefasst, wie z. B. Aqua scabiosa et tormentilla de krude gebrant vnde dat water gedruncken nochteren (p. 20), ‚Destillat aus Acker-Skabiose und Blutwurz. Diese Kräuter destilliert und das Destillat nüchtern getrunken‘.

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4.2.1 Lateinische Inserte ohne syntaktische Notwendigkeit Insbesondere die sowohl im Kloster Wienhausen als auch im Kloster Lüne reich überlieferten grundsätzlich niederdeutschen Briefe zeigen zahlreiche Sprachwechsel auf der intrasententiellen Ebene. Die lateinischen Inserte werden dabei in funktionierende syntaktische Einheiten mit geschlossenem Sinn eingebettet, d. h. die Sätze sind ohne die anderssprachigen Inserte syntaktisch vollständig und grundsätzlich auch ohne diese verständlich. Vor allem Präpositionalphrasen werden in die syntaktischen Einheiten eingebettet und übernehmen dort die Funktion von valenzfreien Adverbialen. In einem Brief einer ehemaligen Zisterzienserin des Klosters Wienhausen an die Wienhäuser Äbtissin Katharina Remstede aus dem Jahr 1539 (8) betont die Schreiberin mit der lateinischen Phrase ex corde libentissime ‚von Herzen hocherfreut‘ die Art und Weise, wie sie die Informationen aus einem vorausgegangenen Brief ihrer (Brief-) Korrespondentin aufgenommen hat: (8) Ich habes ex corde libentissime gehort aus schripten M. v. […] (Brief; KlA Wienhausen, Hs 24, Brief 50, fol. 73r)

‚Ich habe es von Herzen hocherfreut vernommen aus den Briefen von M. v. […]‘

Syntaktisch handelt es sich um ein Modaladverbial, das lateinische Insert ex corde libentissime bietet eine empathisch-emotionale Komponente und konturiert damit die innere Haltung der Schreiberin. Der Zusatz kann damit als Nachweis der aufrichtigen und herzlichen Beziehung von Schreiberin und Empfängerin verstanden werden. Im folgenden Beispiel (9) wenden sich die Lüner Benediktinerinnen in einem Brief (16. Jahrhundert) aufgrund der großen Holzknappheit des Klosters an die Räte in Celle und hoffen auf deren Unterstützung: (9) Vns bord alle jars in quatuor temporibus dat hus vul holtes nu krighe wy dat nicht ens vul des jares vnde wy lydet ittzundes so grote nott van holte (Brief; KlA Lüne, Hs 30, Brief 841, fol. 270r)

‚Uns steht jedes Jahr in allen vier Jahreszeiten ein Schuppen voll mit Holz zu; nun bekommen wir den dieses Jahr aber nicht ein einziges Mal voll und wir leiden zur Zeit große Not wegen des Mangels an Holz‘

Mit der lateinischen Präpositionalphrase in quatuor temporibus ‚in allen vier Jahreszeiten‘ wird der mit dem deutschen Temporaladverbial angegebene Zeitraum alle jars spezifiziert: Der Holzschuppen des Klosters werde für gewöhnlich jedes



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Jahr insgesamt vier Mal – und zwar pro Jahreszeit einmal – aufgefüllt, aufgrund der allgemeinen Holzknappheit konnte der Schuppen bislang jedoch nicht ein einziges Mal voll bestückt werden. Das Temporaladverbial ist auch hier syntaktisch nicht notwendig, auf der inhaltlichen Ebene bietet es jedoch eine zentrale Information, da es sich wohl um einen Anspruch des Klosters handelt, der hier geltend gemacht werden soll. Auch untereinander setzen die Konventualinnen in der klosterübergreifenden Kommunikation dieses sprachmischende Verfahren ein: Eine Nonne setzt im Jahr 1510 ihre Briefkorrespondentin darüber in Kenntnis, dass dem Brief zwei Gänseeier beigelegt seien (10). Bei den Gänseeiern handle es sich um ein Geschenk einer Mitschwester der Briefschreiberin an eine Klosterschwester der Adressatin. Die Schreiberin lobt die Schenkende in den höchsten Tönen und bezeichnet sie als das gottesfürchtigste Klosterkind in toto monasterio ‚im gesamten Kloster‘: (10) dat se jo so vram mote bliuen alse rede is wente se is dat vromeste kynt dat wy in toto monasterio hebbet (Brief; KlA Lüne, Hs 31, fol. 18v)

‚dass sie doch so gottesfürchtig bleiben möge, wie sie bereits ist, denn sie ist das gottesfürchtigste Kind, das wir im ganzen Kloster haben‘

Innerhalb der syntaktischen Einheit ist die lateinische Präpositionalphrase als valenzfreies Lokaladverbial zu bewerten. Mit der adverbialen Ergänzung wird auf der inhaltlichen Ebene auf das Kloster hin spezifiziert und die schenkende Nonne wird mit Bezug auf die definierte klösterliche Gemeinschaft besonders hervorgehoben. In allen Fällen wird die lateinische Präpositionalphrase grammatisch vom niederdeutschen Satz bestimmt. Inhaltlich besteht insofern ein Bezug, als die lateinische Phrase eine verstehensrelevante zusätzliche Information zu einem einzigen Aspekt des niederdeutschen Satzes bietet. Durch die sichtbare Anderssprachigkeit wird zwar nur die lateinische Phrase markiert, dadurch dass sie aber inhaltlich mit einem weiteren Aspekt korrespondiert, wird die gesamte Einheit – lateinisches Insert und niederdeutsche Phrase, auf die referiert wird – exponiert.22

22 Vor allem die Briefüberlieferung aus den Klöstern enthält zahlreiche weitere Beispiele, in denen lateinische Präpositionalphrasen die Sätze erweitern oder angesprochene Sachverhalte ausfalten bzw. betonen, sie haben dabei – wie in den angeführten Beispielen – zumeist modale, lokale oder temporale Bedeutung. Modaladverbial – es ist my ock ex cordis fundo leyt (KlA Wienhausen, Hs 24, Brief 50, fol. 73r), ‚es tut mir auch vom Grund meines Herzens leid‘; Lokal-

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Neben Präpositionalphrasen in der Funktion von Adverbialen werden noch weitere lateinische Inserte ohne syntaktische Notwendigkeit in grundsätzlich deutschsprachige Sätze implementiert. Mit der Interjektion prochdulor (lat. pro dolor) ‚ach Weh/leider‘ liegt eine emotionale Äußerung vor: Die Lüner Nonne (11) äußert ihre Betrübnis darüber, nicht mehr als die beiden Klosterkäse als Geschenke nach Ebstorf senden zu können (nenerleye exhibicione don), und bringt dies mit der Interjektion expressiv zum Ausdruck: (11) ik kan juw prochdulor anders so nenerleye exhibicione don (Brief; KlA Lüne, Hs 31, fol. 59r)

‚ich kann euch – ach leider! – ansonsten keinerlei Geschenk machen‘

Darüber hinaus kann die Verwendung der Interjektion wohl als ein Indiz für die „Gesprächsersatzfunktion“ (Wand-Wittkowski 2000: 74) von Briefen gewertet werden, mit der die Schreiberin hier beim Verfassen ganz bewusst Mündlichkeit und damit möglicherweise auch eine gewisse emotionale Nähe zu simulieren versucht. Über das Genitivattribut sororrum nostrorum ‚unserer Schwestern‘ wird die Urheberschaft des Schriftstückes spezifiziert (12). Die Bezeichnung der Konventualinnen erfolgt, wie es für die Ämterbezeichnung häufig erfolgt, in lateinischer Sprache (dies stützt auch die im folgenden Nebensatz verwendete Amtsbezeichnung predicator ‚Prediger‘): (12) wye ich hor vnd lese aus dem bribe sororrum nostrorum dan sie haben den predicatori io nichts gedan (Brief; KlA Wienhausen, Hs 24, Brief 50, fol. 73v)

‚wie ich höre und lese aus dem Brief unserer Schwestern, haben sie dem Prediger keinesfalls etwas getan‘

Die Phrasen sind syntaktisch sinnvoll platziert und korrekt flektiert. Dies weist die Verfasserinnen als in der mittelniederdeutschen und der lateinischen Schriftsprache versiert aus: Sie beherrschen beide Sprachen so sicher, dass die Inserte in erforderlichem Maß angepasst und eingesetzt werden.

adverbial – dat wy nicht vele in manibus hebbet (KlA Lüne, Hs 31, fol. 27v); ‚dass wir nicht viel in den Händen halten‘; Temporaladverbial – dat heft se a festo pasce fere omni die ghedan (KlA Lüne, Hs 31, fol. 27v), ‚das hat sie seit dem Osterfest beinahe jeden Tag getan‘.



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Die syntaktisch nicht zwingend notwendigen lateinischen Inserte bieten Zusatzinformationen, die den grundsätzlich niederdeutsch abgefassten Satz auf inhaltlicher Ebene ergänzen, die Anderssprachigkeit markiert diese Ergänzungen zusätzlich. Wenngleich die lateinische Phrase nicht unmittelbar notwendig für das Verständnis der Gesamtaussage des Satzes ist, liefert sie jedoch wertvolle, zum Teil auch verstehensrelevante Zusatzinformationen. Auch wenn bei mangelnder oder nicht vorhandener Lateinkompetenz die Inhalte der jeweiligen Schriftstücke erfasst werden können, ist eine zusätzliche Entschlüsselung und ein inhaltliches In-Bezug-Setzen der lateinischen Inserte für eine vollständige Durchdringung unbedingt notwendig. Lateinische Inserte werden sowohl im intermonastischen (zwischen einzelnen Klöstern) als auch im extramonastischen (zwischen Kloster und Stadt) Schriftverkehr und zudem in der Kommunikation unter den Sanktimonialen (horizontal) sowie mit geistlichen und weltlichen Würdenträgern (vertikal) eingesetzt.23

4.2.2 Lateinische Inserte mit syntaktischer Notwendigkeit Neben syntaktisch nicht obligatorischen Inserten gibt es Inserte, die innerhalb des grundsätzlich niederdeutschen Satzes grammatisch obligatorische Positionen besetzen. Deren Notwendigkeit besteht dabei insbesondere in syntaktischer Hinsicht, auf inhaltlicher Ebene handelt es sich um unerlässliche Komponenten für das Gesamtverständnis der syntaktischen Einheit. Insbesondere die inhaltliche Relevanz soll im Folgenden herausgestellt werden. In geistlichen Anweisungen an die Nonnen des Klosters Ebstorf vom Ende des 15. Jahrhunderts (13) lassen sich lateinische Inserte belegen, die für die syntaktische Struktur notwendig sind: sanctissimus pater noster Benedictus ‚unser ehrwürdiger Vater Benedikt‘ und regula ‚Regel‘ sind sowohl für den Hauptsatz als auch für den durch dat eingeleiteten Konsekutivsatz notwendige Nominalphrasen (Subjekte), die die gesamte syntaktische Einheit erst funktionabel machen:

23 Schlotheuber weist ausdrücklich auf die Kommunikation der Lüner Nonnen mit hohen geistlichen Würdenträgern als Ausdruck ihrer Unabhängigkeit hin (Schlotheuber 2014: 362). Der für das Kloster Lüne bereits herausgestellte weite Kommunikationsradius und die hohe Kommunikationsqualität kann daher auch für die anderen der Lüneburger Klöster gelten: „Together with the nuns’ letters, these internal texts provide evidence not only of the high quality of expression in the foreign language that was Latin, but also of an intense written exchange between convents both during and after the reform. […] However, the nuns’ linguistic competence also had a not inconsiderable effect outside the convent“ (Schlotheuber 2014: 353f.).

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(13) Alsze vnsz sanctissimus pater noster Benedictus ock vorghifft in prologo regule / jn der vorrede / dat de regula / de he szettende wird / scholle weszen eyn schole des godliken deynstes […] (Anweisungen an die Ebstorfer Benediktinerinnen; KlA Ebstorf, Hs VI 11, p. 84)

‚Auch wenn uns unser heiliger Vater Benedikt im Prolog seiner Klosterregel, in der Vorrede, darlegt, dass die Regel, die er verfassen wird, eine Lehre des göttlichen Dienstes sein solle […]‘

Es handelt sich in beiden Fällen um Referenzen auf die für das Klosterleben uner­ lässliche Regel Benedikts, deren Kenntnis in der lateinischen Sprache durchaus vorausgesetzt werden kann. Dass für die im selben Satz verwendete Phrase in prologo regule das niederdeutsche Äquivalent jn der vorrede angegeben wird, ist möglicherweise ein Hinweis auf eine gewollte, bewusst produzierte Engführung von lateinischer Bezeichnung und niederdeutscher Entsprechung (aus Ebstorf sind zwei mittelniederdeutsche Benediktinerregeln erhalten). In dem bereits genannten Brief an die Wienhäuser Äbtissin Katharina Rem­ stede wird neben der lateinischen Präposition ad die Nominalphrase gaudium super gaudium ‚Freude über Freude‘ eingefügt. Exponiert wird hier die emotio­ nale Verfasstheit der Schreiberin in Erwartung eines in Aussicht gestellten Wie­ dersehens: (14) wolt gott das ich nhu balt noch eynmall ad M. v. kumen das solt myr gaudium super gaudium seyn (Brief; KlA Wienhausen, Hs 24, Brief 50, fol. 73r–74r)

‚erlaube Gott, dass ich jetzt bald noch einmal zu M. v. käme, das sollte mir Freude über Freude sein‘

In den lateinischen Phrasen werden zumeist Sachverhalte oder Bezeichnun­ gen aus dem abstrakten geistlichen Bereich oder dem konkreten klösterlichen Zusammenleben formuliert, wie auch ein 1508 verfasster Brief zeigt (15), der – vermutlich aus einem der anderen Lüneburger Frauenklöster – an das Kloster Lüne gesendet wurde. Die Schreiberin bittet ihre Adressatin um die Möglichkeit, zusammen mit einer weiteren Nonne nach Lüne kommen zu dürfen: (15) so valle ik reuerendam dominacionem vestram an humiliter precatu gy my des willen ghunnen amore Ihesu christi ik dar mote kamen ad domum vestram cum eadem iam dicta sorore (Brief; KlA Lüne, Hs 31, fol. 27v–28r)



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‚so ersuche ich eure Ehrwürdigkeit unterwürfig mit der Anfrage, dass ihr mir zugestehen mögt – durch die Liebe Jesu Christi – dorthin kommen zu dürfen, in euer Kloster, mit der bereits genannten Klosterschwester‘

Die Ansprache an die Amtsträgerin (dominacionem vestram ‚eure Ehrwürdigkeit‘), der Bezug auf die Liebe Jesu (amore Ihesu christi ‚durch die Liebe Jesu Christi‘) und die Bezeichnung des Klosters als Zielpunkt der Reise (ad domum vestram ‚in euer Kloster‘) werden lateinisch wiedergegeben. Auch in den im Kloster abgefassten Rechtstextsorten (hier: Urkunden) werden lateinische Bezeichnungen und Phrasen implementiert, markant ist vor allem die Verwendung von Termini mit fachspezifischer Semantik.24 In einer auf den 4. August 1500 datierten Urkunde des Klosters Wienhausen wird ein Rechtsgeschäft mit der Wienhäuser Äbtissin Susanna Pottstock festgehalten. Bei den lateinischen Inserten concepto (Dativobjekt), contractum und puncta (Akkusativ­ objekte) handelt es sich um Termini der mittelalterlichen lateinischen Rechtssprache, auf die hier ganz bewusst zurückgegriffen wird: (16) So wy ock vindet in vnseme concepto vnde breue (Urkunde; KlA Wienhausen, Hs 24, Urk. 595/Nr. 13)

‚Wie wir auch in unserem Entwurf und unserer Urkunde finden‘

(17) Dar tho wy Susanna vorbenompt bekennen in dusseme contracto dat wy dar tho beden honorabilem virum et dominum thidericum ghenteman plebanum de eynem vnde hermen rouer to bethmer den olden de dussen contractum hulpen besluten […] Eck thidericus ghenteman bekenne myt myner hantscrifft dusse puncta myner werdigen fruwen van winhusen aller sampnunghe vorhandelt synt (Urkunde; KlA Wienhausen, Hs 24, Urk. 595/Nr. 13)

‚Dazu bekennen wir, die vorgenannte Susanna, in diesem Kontrakt, dass wir den ehrenwerten Mann und Herrn Dietrich Ghenteman, Pleban25 von Eimen, und Hermann Rover aus Bettmar, den Alten, hinzubitten, die diesen Kontrakt zu beschließen helfen. […] Ich, Dietrich Ghenteman, bezeuge mit meiner Unterschrift diese Vertragspunkte meiner edlen Jungfrauen von Wienhausen, des gesamten Konvents, verhandelt zu haben‘

Mlat. contractus bezeichnet ein „durch übereinstimmende Willenserklärungen zweier oder mehrerer geschäftsfähiger Personen zustandegekommenes Rechtsgeschäft“ (DRW, s. v. Kontrakt). Durch die Verwendung dieses lateinischen

24 Zum Sprachwechsel auf der Ebene des Fachvokabulars vgl. auch Depnering 2015: 480f. 25 Mlat. plebanus/mnddt. plêbân ‚einer christlichen Gemeinde vorstehender Weltgeistlicher‘.

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Lexems erfährt die ausgestellte Urkunde eine Spezifikation: die Bezeichnung als contractus weist die Urkunde als Vertragsurkunde aus, die ein auf gegenseitigem Einverständnis beruhendes Rechtsverhältnis festhält. Ähnliche fachspezifische Bedeutungen haben auch die beiden anderen lateinischen Inserte: Lat. conceptus bezeichnet den „Entwurf eines Schriftstücks, der das Original (insbesondere in den Akten) vertreten kann“ (DRW, s. v. Konzept); lat. punctum ist als „Abschnitt eines gegliederten (Rechts-)Textes“ (DRW, s. v. Punkt) definiert. In der Urkunde werden also ganz bewusst aus der lateinischen Urkundentradition stammende Fachtermini verwendet, um die eigene, grundsätzlich niederdeutsch abgefasste Urkunde in diese Tradition zu stellen und ihre Rechtswirksamkeit zu unterstreichen. Dass lateinische Inserte auch rhetorisch genutzt werden, zeigt ein aus dem Jahr 1514 stammender Brief aus dem Kloster Lüne (18): Die Schreiberin erkundigt sich bei ihrer Briefpartnerin danach, ob die zwei in der Vergangenheit geschriebenen Briefe zugestellt worden seien, da sie keine Antworten auf diese erhalten habe. Neben einer lateinischen Präpositionalphrase zur Bezeichnung eines Heiligenfestes (a festo visitacionis ‚seit Mariä Heimsuchung‘) werden zwei lateinische Phrasen für eine polarisierende Darstellung verwendet: (18) Ik hebbe juw a festo visitacionis jo screuen bynis vicibus doch eyn weyt ik nicht wer juk ok de breffe gheworden synt wente ik en hebbe dar nullum responsum wedder vpp recipiert (Brief; KlA Lüne, Hs 31, fol. 23r)

‚Ich habe euch seit Mariä Heimsuchung (2. Juli) fürwahr zwei Mal geschrieben, doch weiß ich nicht, ob euch die Briefe auch erreicht haben, denn ich habe keine Antwort darauf bekommen‘

Der das zweimalige Schreiben betonenden Phrase bynis vicibus ‚zwei Mal‘ (hier adverbiale Ergänzung) wird die mangelnde Antwort der Adressatin mit nullum responsum ‚keine Antwort‘ (hier Akkusativobjekt) gegenübergestellt. Lateinsprachige valenznotwendige Akkusativobjekte in grundsätzlich mittelniederdeutschen Sätzen sind in den Texten aus den Lüneburger Frauenklöstern besonders häufig belegt, lateinische Prädikate begegnen demgegenüber seltener. Die Verbform recipiert ist wohl vom lat. recipere abgeleitet; da die gängigen mittelniederdeutschen Wörterbucher kein mnddt. Lemma recipieren führen, handelt es sich hier vermutlich um eine eigenständige morphologisch integrierte Verbform, mit dem Lehnsuffix -ieren.26 Auch die Partizipialform tribuleret aus einem weiteren

26 Es lässt sich diskutieren, ob es sich in diesen Fällen, bei denen ein Wort morphologische



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Brief an das Kloster Lüne bewegt sich zwischen lateinischer Ausgangssprache und Anpassung an das Mittelniederdeutsche: (19) Ok so do ik juw klechliken witlick dat vns de leue Ihesus ghans ser tribuleret heft dorch krancheyt vnser werdighen vnde alderleuesten dompne (Brief; KlA Lüne, Hs 30, Brief 19r)

‚Ebenso teile ich euch klagend mit, dass uns der liebe Jesus sehr stark geplagt hat durch die Krankheit unserer würdigen und allerliebsten Äbtissin‘

Zusammen mit dem ebenfalls mittelniederdeutschen Auxiliarverb hebben bildet tribuleret das Prädikat. Der Stammauslaut /a/ des lateinischen Verbs (lat. tribulare) ist zu /e/ abgeschwächt und das Verb zeigt eine niederdeutsche Flexionsendung.27 Als Teil einer grundsätzlich niederdeutschen analytischen Verbform mit lautlicher und grammatischer Anpassung zeigt das lateinische Insert hier eine größtmögliche morphologische Integration, allein der semantische Wert lässt sich nur von der Ausgangssprache her ermitteln. Das gezielte Einsetzen anderssprachiger Phrasen oder Wörter in grammatisch obligatorischen Positionen erfordert – gegenüber der durchaus schon beachtlichen Kompetenz im Umgang mit den fakultativen Elementen – eine ungleich höhere Kompetenz in beiden Sprachen. Von der korrekten Platzierung im syntaktischen Gefüge, über die mit dem Sprachwechsel verbundene adäquate grammatische Form in der anderen Sprache bis hin zur Assimilation anderssprachiger Elemente an die Matrixsprache offenbaren sich die Schreiberinnen als äußerst sichere Textproduzentinnen. Die lateinischen Inserte an syntaktisch obligatorischen Positionen zeigen sich vielfältig, lassen aber Prinzipien erkennen: Es handelt sich hauptsächlich um Nominalphrasen und Präpositionalphrasen, daneben Prädikate. Sowohl Phrasen als auch Einzelwörter behalten in der Regel ihre lateinische (Flexions-) Form. Eine Ausnahme bilden die Verbformen, die, vermutlich weil sie das syntak-

Anpassungen an eine andere Sprache zeigt, um Codemixing oder nur um Entlehnungen (borrowing) handelt. Während von der früheren Forschung hierbei „two different and discrete phenomena“ angenommen wurden, gebe es „now a growing tendency to see them as situated on a continuum and thus as not being fundamentally different“ (Schendl & Wright 2011: 24). Vgl. dazu auch Schendl (im vorliegenden Band). 27 Die Texte aus den Frauenklöstern zeigen häufiger assimilierte Formen von lateinischen Verben: ik denne dar mochte enen doctorem torstede voceren (KlA Lüne, Hs 31, fol. 27v–28r), ‚ich aber möchte einen Doktor hierhin rufen‘; so kan ik se / bauen vormogent nicht molesteren / vnde graueren (KlA Ebstorf, Hs VI 11a, fol. 4a), ‚so kann ich sie trotz Amtsgewalt nicht stören und belasten‘.

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tische Zentrum des Satzes bilden, an die Matrixsprache angepasst werden (lautlich bzw. graphisch und grammatisch). Die Inserte werden in unterschiedlichste Textsorten eingefügt, insbesondere in Textsorten zur unmittelbaren Kommunikation (Briefe), in Regeltexte und Rechtstexte. Auf semantischer Ebene werden abstrakte Sachverhalte aus dem geistlichen bzw. religiösen Bereich, konkrete Sachverhalte des klösterlichen Zusammenlebens und rechtliche Sachverhalte bezeichnet. Sie dienen auch zum Ausdruck emotionaler Befindlichkeit; hierzu ist der gezielte rhetorische Einsatz zu zählen, wenn zwei lateinische Inserte mit polarisierender Semantik zum Ausdruck der Enttäuschung der Briefschreiberin verwendet werden. Sowohl auf grammatischer und syntaktischer als auch auf semantischer Ebene liegt eine kunstvolle Verzahnung der beiden Sprachen vor, die mit Blick auf Satzaussage und Textintention bewusst konzipiert und produziert wird. Neben der Verzahnung offenbart vor allem die Assimilation einzelner Formen (hier der Verbformen) die Versiertheit der Textproduzentinnen in beiden Sprachen.

4.2.3 Codemixing auf der intersententiellen Ebene Neben dem Codemixing auf der kodikalen, der paratextuellen und der intrasententiellen Ebene findet sich Sprachmischung auch auf der intersententiellen Ebene. Zugrunde liegen hier komplexere syntaktische Einheiten. In einem grundsätzlich mittelniederdeutsch abgefassten Brief vom Anfang des 16. Jahrhunderts wendet sich eine Lüner Benediktinerin an eine Nonne aus einem Nachbarkloster (Ebstorf?). Die Schreiberin bittet ihre Briefpartnerin darum, doch zusammen mit ihrer Klosterschwester Elisabeth Bockes (EB) nach Lüne zu kommen: (20) […] dat se dar nene noth mer van hebbet Ergo peto attente ut Reuerentia vestra propter deum dignetur ad nos venire vnde wolden sororem EB myd juw bringhen (Brief; KlA Lüne, Hs 30, Brief 273)

‚[…] sodass sie deswegen keine Not mehr leiden. Deshalb bitte ich aufrichtig, dass eure Herrlichkeit um Gottes willen zu uns kommen und die Klosterschwester EB mit euch bringen wolle‘

An den lateinischen Hauptsatz (Ergo peto attente) wird hier ein durch ut eingeleiteter Konsekutivsatz angeschlossen; dieser ist durch die Konjunktion vnde zweigeteilt: Der erste Teilsatz ist in lateinischer Sprache als AcI (propter deum dignetur ad nos venire) konstruiert, der zweite Teilsatz weist dieselbe Satzkonstruktion auf, ist aber von der Schreiberin in mittelniederdeutscher Sprache verfasst. Inner-



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halb der syntaktischen Einheit sind die vorgenommenen Sprachwechsel deutlich markiert: Während der lateinische Teilsatz durch eine lateinische Konjunktion eingeleitet wird, erfolgt der Anschluss des mittelniederdeutschen Teilsatzes mit einer deutschen Konjunktion, d. h. der Sprachwechsel verläuft hier direkt an den (Teil-)Satzgrenzen. In einer weiteren Briefkommunikation setzt die Schreiberin ihre Adressatin darüber in Kenntnis, dass im Kloster eine Nonne schwer erkrankt sei und sich häufiger übergeben müsse. Mit vestre reuerencie querule insinuo liegt ein lateinischer Hauptsatz vor, an den in diesem Fall ein komplexer mittelniederdeutscher Konsekutivsatz angeschlossen wird. Auch hier verwendet die Schreiberin für den deutschen Nebensatz mit dat eine deutschsprachige Konjunktion und markiert damit den Sprachwechsel an der Nebensatzgrenze28: (21) […] vestre reuerencie querule insinuo dat wy hir vnam sororem hebbet de de seer krenclick is vnde heft de passien dat se sick frequenter vomert (Brief; KlA Lüne, Hs 31, fol. 27v–28r) ‚[…] ich teile euer Ehrwürden klagend mit, dass wir hier eine Klosterschwester haben, die da sehr kränklich ist und das Leiden hat, dass sie sich häufig übergibt‘

Auch bei Relativsätzen erfolgt Sprachwechsel, so z. B. in dem Brief der Priorin des Altklosters in Buxtehude, Gerburg Tymme, an eine Benediktinerin des Klosters Lüne aus dem Jahr 1564 (22). In den grundsätzlich mittelniederdeutschen Hauptsatz wird, markiert durch das Relativpronomen qui, ein lateinischer Relativsatz implementiert: (22) […] vnde kan des nummer reverentiam vestram wedder vorschulden, sunder dominus deus qui est retributor omnium bonorum schal juw dat dupliciter wedder gheuen (Brief; KlA Lüne, Hs 31, 160r)

‚[…] und ich kann das eurer Hochwürdigkeit niemals wiedergutmachen, aber der Herrgott, der ein Belohner alles Guten ist, soll euch das doppelt zurückgeben‘

Der Relativsatz ist dabei attributiv und vom Subjekt (dominus deus) des deutschsprachigen Hauptsatzes abhängig. Auffällig ist, dass das Bezugssubstantiv des

28 Umgekehrt wird eine lateinische Konjunktion gewählt, wenn ein komplexer lateinischer Konzessivsatz an einen deutschsprachigen Hauptsatz angeschlossen wird: wens dei voluntas werr so wolt ich libentissime Infirmaria M. v. seyn sed heu heu non potest fieri (KlA Wienhausen, Hs 24, Brief 50, fol. 73r), ‚Wenn es der Wille Gottes wäre, würde ich sehr gerne die Krankenpflegerin von M. v. sein, aber das ist – leider, leider! – nicht möglich‘.

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attributiven Relativsatzes ebenfalls in lateinischer und nicht in deutscher Sprache realisiert ist. Dieses Phänomen einer ‚Sprachkongruenz‘ – verstanden als eine Harmonisierung von schriftsprachlichen Einheiten aus unterschiedlichen Sprachen – zwischen attributivem Relativsatz und zugehörigem Substantiv findet sich in den Texten aus den Lüneburger Frauenklöstern häufig.29 Die Sprachwechsel an den Teilsatzgrenzen weisen die Schreiberinnen als äußerst kenntnisreich in den komplexen syntaktischen Strukturen des Lateinischen und des Deutschen aus. Der Wechsel in das Lateinische erfolgt einerseits schematisch an der Teilsatzgrenze, z. B. sind nebensatzeinleitende Konjunktionen entsprechende Marker. Andererseits zeigt sich in der zusätzlichen Implementierung lateinischer Phrasen als Bezugsworte, auf die sich die lateinischen Teilsätze schließlich beziehen, gleichsam eine kunstvolle Verschränkung der beiden Sprachen. Die Sprachwechsel sind also nicht im Sinn einer Abgrenzung zu verstehen, sondern offenbaren vielmehr ein virtuoses Wechselspiel.

5 C  odemixing als Indikator für schriftsprachliche Kompetenz Ausgehend von den im Codemixing relevanten Verfahren der Insertion und der Alternation konnten für die zugrunde gelegten Quellen aus den Lüneburger Frauenklöstern folgende Spezifikationen vorgenommen werden: 1. Insertion (Matrixsprache Mittelniederdeutsch, Konstituenten: Lateinisch) a. Valenzunabhängige Inserte b. Valenzabhängige Inserte 2. Alternation a. Ebene der Paratexte: Wechsel zwischen Paratext (lat.) und Haupttext (nddt.) b. Satzebene: Sprachwechsel an Teilsatzgrenzen (Wechsel der Matrixsprache) Neben dem Vorkommen in ‚Reinform‘ (nur Insertion, nur Alternation), konnten vielfach auch Mischformen beobachtet werden (z. B. wenn ein Teilsatz und das

29 Eya we trute et exules homines qui nescimus nullam consolationem sive te percipere biddet dat we wan dere wruwedde begafet werdden (KlA Wienhausen, Hs 40, fol. 2r), ‚Eya, wir lieben und verbannten Menschen, die wir keinen Trost kennen und dich nicht begreifen können, bitten, dass wir von der Jungfrau beschenkt werden‘.



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Bezugswort für diesen lat. sind). Die lateinischen Inserte sind in den Schriftstücken zumeist nicht singulär, sondern finden sich über den Text verteilt. Dies lässt die Vermutung zu, dass es sich um einen bewussten und Prinzipien folgenden Einsatz handeln könnte.30 Neben der sprachstrukturellen Analyse hat sich der Einbezug der inhaltlichen Ebene als weiterführend erwiesen, zumal die durchgeführte Untersuchung vor dem Hintergrund einer kulturhistorischen Fragestellung erfolgte. Der durchgängige Einbezug des Inhalts der anderssprachigen Elemente und von deren Intention hat sich insofern als Mehrwert erwiesen, als dass die Versiertheit der Schreiberinnen in den folgenden Bereichen zusätzlich herausgearbeitet werden konnte: – Rhetorik (z. B. (18), (23)), – Register, d. h. Bedienung diverser Kommunikationsebenen und -stile (z. B. (15), (16), (17), (20), (21), (22)), – Referenzierung von Texten, die zum Wissensbestand des Klosters gezählt werden können (z. B. (4), (13)). Anhand klar definierter sprachlicher Aspekte und über eine strukturierte und systematisierende Detailanalyse der gemischtsprachigen Texte konnten Kompetenzprofile der Sprachbenutzerinnen herausgearbeitet werden. Darauf aufbauend konnte gezeigt werden, dass die mehrsprachige Kompetenz sowohl in der Form der Sprachkombination (Beispiele (1) bis (7)) als auch in der der Sprachmischung (ab Beispiel (8)) unmittelbar mit der Fähigkeit verknüpft ist, mit den über diese Sprachen codierten Wissensbereichen umzugehen; diese Beispiele lassen erkennen, wie monastisches Wissen an Sprachkompetenz gebunden ist.31

30 Für die vorliegende Analyse wurde exemplarisch und an den Phänomenen orientiert ausgewählt, sodass auf dieser Basis bezüglich durchgängig angewandter Prinzipien keine valide Aussage gemacht werden. Eine Analyse geschlossener textlicher Einheiten könnte hier erhellende Ergebnisse liefern. 31 Hier greifen wir Noeskes (2009) Kritikpunkt auf: Sie vermisst bei vielen beschreibenden Einzeluntersuchungen zum kulturellen Handeln von Frauen im Kloster klare Fragestellungen und die Formulierung eines Erkenntnisinteresses. Zwar betont sie den Wert zahlreicher detaillierter Einzeluntersuchungen, diese lassen jedoch einen gewissen Mangel erkennen: „Oft nämlich scheint unklar zu sein, vor dem Hintergrund welcher Fragestellungen und mit welchem Erkenntnisinteresse jene Quellen ausgegraben und die verschiedenen Geschichten erzählt werden. Dieser Mangel sticht umso mehr ins Auge, als nicht allein Phänomene, sondern gleichermaßen die ‚Struktur‘ jener Phänomene ins Blickfeld geraten müssen, will man etwas darüber erfahren, was die Welt im Innersten zusammenhält“ (Noeske 2009: 31f.).

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Gemischtsprachige Texte bieten einen hervorragenden Ausgangspunkt, um Indikatoren für die Versiertheit im Umgang mit Schriftsprachlichkeit herauszufiltern (wie z. B. korrekte Anpassungen). Mit der vorliegenden Analyse konnte auf morphologischer und syntaktischer, aber auch auf inhaltlicher und textlicher Ebene Souveränität der Schreiberinnen im Umgang mit zwei schriftsprachlichen Systemen nachgewiesen werden. Eine qualitative und quantitative Aspekte verbindende Studie könnte weiterführend herausstellen, inwiefern es graduelle Abstufungen z. B. zwischen Texten mit nur wenigen lateinischen Inserten und Texten mit vielen Sprachwechseln auf Satzebene gibt. Das deutlich zutage tretende ‚Schreiben mit beiden Sprachen‘ kennzeichnet die hohe Textproduktionskompetenz der Sanktimonialen in den Lüneburger Frauenklöstern und offenbart eine „very productive form of communication within a religious network that uses Latin and vernacular codes to best effect“ (Lähnemann 2014: 321). Das dieser Kompetenz inhärente ‚Denken in beiden Sprachen‘ lässt sich an den im Wortsinn aus zwei Sprachen ‚gewebten‘ Schriftstücken (in Anlehnung an lat. textus ‚Gewebe‘) sehr klar ablesen.32 Die schriftsprachliche Codemixing-Kompetenz wird zugleich kunstvoll und auch spielerisch eingesetzt, wie ein abschließender Blick auf ein Begleitschreiben zur Übersendung eines Schweins verdeutlichen möchte: (23) Mitto vnum porcum dat is e regione longinqua to vnsem closter komen et forte ex despolicione pauperum mach dat den vyenden entkomen syn it heft mik totam cellam meam vmme wolet so duchte mik dat id juw mochte nutte syn to enem guden vetten sywns braden (Brief; KlA Lüne, Hs 15, Lage 8, fol. 13r) ‚Ich schicke Euch ein Schwein, das ist aus entfernter Gegend in unser Kloster gekommen, und vielleicht bei einer Plünderung der Armen mag es den Feinden entkommen sein. Es hat mir meine gesamte Zelle umgewühlt; also dachte ich, dass es Euch nützlich sein möge zu einem guten, fetten Schweinebraten.‘

Mit dem lateinischen Hauptsatz Mitto vnum porcum ‚ich schicke ein Schwein‘ eröffnet das Begleitschreiben in formalem, offiziellem Duktus. Das erste lateinische Insert ist syntaktisch nicht notwendig, die Phrase e regione longinqua ‚aus entfernter Gegend‘ wird in den niederdeutschen Relativsatz dat is to vnsem closter komen implementiert. Inhaltlich spiegeln die in unterschiedlichen Spra-

32 Lähnemann spricht von einem „interweaving of Latin and the vernacular“ (Lähnemann 2014: 319), das „meeting of two linguistic worlds and two cultures“ hat zur Folge, dass „Latin and Low German religious traditions are merged and mixed“ (Lähnemann 2014: 318).



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chen formulierten Phrasen auch polarisierende Inhalte wider (‚entfernte Gegend‘ – ‚unser Kloster‘). Bezugnehmend auf die entfernte Gegend, aus der das Schwein möglicherweise stammt, wird der sich auf diese lateinisch formulierte Phrase beziehende Teilsatz entsprechend eingeleitet mit et forte ex despolicione pauperum ‚und vielleicht bei einer Plünderung der Armen‘, der Satz wird niederdeutsch beendet: mach dat den vyenden entkomen syn. Auch der folgende Hauptsatz zeigt Sprachmischung: In den grundsätzlich niederdeutschen Hauptsatz wird zur Hervorhebung des Durcheinanders, dass das Schwein angerichtet hat, die lateinische Phrase totam cellam meam implementiert. Der sich steigernde Bericht vom wandernden und wühlenden Schwein mündet schließlich in eine Empfehlung zum Umgang mit demselben: so duchte mik, dat id juw mochte nutte syn to enem guden vetten swyns braden. Zwischen dem formalen, lateinisch formulierten Einstieg – inhaltlich handelt es sich um das Überreichen eines Geschenks mit dem eine Änderung im Besitzverhältnis einhergeht – und dem am Ende des Schreibens vernakulärsprachlich realisierten und vor Augen geführten guden vetten swyns braden spannt sich sichtbar der virtuose Einsatz zweier Sprachen und ihrer Systeme auf. Schriftsprachliche Souveränität macht auch ein einfaches Begleitschreiben mit einem sehr grundlegenden Inhalt zu einem Nachweis für den kreativen Gestaltungsraum, den das Spiel mit zwei Sprachen formal und inhaltlich eröffnet.

6 Quellen und Literatur 6.1 Quellen Die Benediktsregel. Lateinisch/Deutsch (2009). Hrsg. und übers. von P. Ulrich Faust OSB. Stuttgart: Reclam. Gregorius Magnus (1857): XL Homiliarium in Evangelia. Libri Duo. In: Patrologia Latina 76. Hrsg. von Jacques Paul Migne. Paris, 1076–1312. Klosterarchiv Wienhausen Hs 4 – Sammelhandschrift (Briefabschriften, Briefformeln, Rezepte, Fragment einer lat. Grammatik, Fragment eines Baumbuchs); 15. Jh. Hs 8 – Gebetbuch; 15. Jh. Hs 9 – Wienhäuser Liederbuch; um 1500 Hs 10 – Arzneibuchfragment; 15./16. Jh. Hs 12 – Kleiderregister; Anfang 16. Jh. Hs 15 – Lateinische Grammatik; Anf. 16. Jh. Hs 17 – Fragmente grammatischer Texte, u. a. Donatus; 16. Jh. Hs 24 – Copiarium (Urkundenabschriften und Originalbriefe); 1248-1517

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Hs 35 – Responsoriale (Fragment); 15. Jh. Hs 40 – Gebet- und Andachtsbüchlein; 15. Jh. Klosterarchiv Lüne Hs 15 – Briefbuch (Abschriften); 1462-1535 Hs 25 – Propstwahlordnung; nach 1506 Hs 30 – Briefbuch (Abschriften); ca. 1499-1540 Hs 31– Briefbuch (Abschriften); 1498/1490-1535 Klosterarchiv Ebstorf Hs VI 10 – Seelentrost, Büchlein der ewigen Weisheit, Exempla, Lieder, Gebete; 2. Hälfte 15. Jh. Hs VI 11 – Benediktinerregel, Anweisungen an die Klosterschwestern; 15./16. Jh. Hs VI 11a – Geistliche Anweisungen der Priorin an die Klosterschwestern; 16. Jh. Hs VI 28 – Regula Benedicti, Speculum artis bene moriendi; 2. Hälfte 15. Jh.

6.2 Literatur Bechert, Johannes & Wolfgang Wildgen (1991): Einführung in die Sprachkontaktforschung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Classen, Albrecht (2002): ‚Mein Seel fang an zu singen‘. Religiöse Frauenlieder der [sic!] 15.-16. Jahrhunderts. Kritische Studien und Textedition (Studies in Spirituality 6). Leuven, Paris: Peeters. Depnering, Johannes M. (2015): Stil und Struktur. Die Literarisierung der Predigten Bertholds von Regensburg und ihre materielle Reflexion in den Handschriften. In: Elizabeth Andersen et al. (Hrsg.), Literarischer Stil. Mittelalterliche Dichtung zwischen Konvention und Innovation. XXII. Anglo-German Colloquium Düsseldorf. Berlin, Boston: De Gruyter, 471–487. Długosz, Kamil (2017): Die Relation zwischen kognitiven Faktoren und Code-Switching im Fremdsprachenunterricht. Psycho- und neurolinguistische Dimensionen. In: Studia Niemcoznawcze. Studien zur Deutschkunde 59, 695–709. DRW = Deutsches Rechtswörterbuch. Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache. Hg. von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Weimar, 1914–fortlaufend. Online: www. deutsches-rechtswoerterbuch.de. Ganslmayer, Christine (2016): Sprachkombination und Sprachmischung in deutschlateinischen Mischtexten. Überlegungen zur Analyse, Formen und Funktionen. In: Claudia Wich-Reif (Hrsg.), Historische Sprachkontaktforschung (Jahrbuch für germanistische Sprachgeschichte 7). Berlin, Boston: De Gruyter, 76–115. Gerchow, Jan & Susan Marti (2005): »Nonnenmalereien«, »Versorgungsanstalten« und »Frauenbewegungen« – Bausteine einer Rezeptionsgeschichte der mittelalterlichen Religiosen in der Moderne. In: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn und Ruhrlandmuseum Essen (Hrsg.), Krone und Schleier. Kunst aus mittelalterlichen Frauenklöstern. Ruhrlandmuseum: Die frühen Klöster und Stifte 500-1200. Kunst- und Austellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn in Kooperation mit dem Ruhrlandmuseum Essen; anlässlich der Ausstellung „Krone und Schleier. Kunst aus mittelalterlichen Frauenklöstern“ vom 19. März bis 3. Juli 2005. München: Hirmer, 143–154.



Codemixing in den Lüneburger Frauenklöstern 

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Christine Ganslmayer

Multilingualität in den frühneuzeitlichen Protokollen zur Revision der Lutherbibel 1 Einleitung und Forschungsstand Der vorliegende Beitrag widmet sich der Sprachenverwendung in den sog. Bibelrevisionsprotokollen, die den Überarbeitungsprozess der Deutschen Bibel im Zusammenhang mit deren Neuausgaben durch Martin Luther und seine Mitarbeiter dokumentieren. Diese von Georg Rörer geschriebenen Texte aus den Jahren 1531 bis 1544 bilden gemeinsam mit den handschriftlichen Eintragungen Luthers in seine Handexemplare des Alten und Neuen Testaments eine besondere Textgruppe, die einen wichtigen Teil der Überlieferung zur Lutherbibel ausmacht und als umfangreiches, mehrere hundert Seiten umfassendes Quellenkorpus die Genese der Lutherbibel in Ausschnitten begleitet. Es handelt sich bei den Bibelrevisionsprotokollen um mehrsprachige wissenschaftliche Gebrauchstexte, die parallel zum Prozess der Edition eines Übersetzungswerkes entstanden sind. Dass derartige Texte, die in besonderer Weise einen Einblick in frühneuzeitliche Gelehrtenkultur zu bieten vermögen, überhaupt erhalten sind, ist ein überlieferungsgeschichtlicher Glücksfall und steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Autorität Martin Luthers und der Lutherbibel. Denn anders ist kaum zu erklären, dass Georg Rörer die Protokolle nach Abschluss der Edition und nach Luthers Tod aufbewahrt hat. Aus linguistischer Perspektive sind die Protokolle in vielerlei Hinsicht ein interessanter Forschungsgegenstand: Ihre Auswertung verspricht nicht nur variationslinguistische Erkenntnisse zu frühneuhochdeutschen lexikalischen und syntaktischen Varianten im Zusammenhang mit der Übersetzung des Bibeltextes; in kontrastlinguistischer Perspektive erhellen sie die Korrelationen zwischen ausgangssprachlichen Grundtexten und deutschem Zieltext, und in translationswissenschaftlicher Hinsicht sind sie Schlüsseldokumente für die Textgenese der Bibelübersetzung insgesamt. Darüber hinaus bieten sie als unmittelbare Reflexe eines frühneuzeitlichen wissenschaftlichen Diskussionsprozesses die Möglichkeit, Erkenntnisse über die alltägliche Praxis der mehrsprachigen frühneuzeitlichen Gelehrtenkultur zu gewinnen, wie sie infolge der Überlieferungssituation

Christine Ganslmayer: Department Germanistik und Komparatistik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Tel.: +49 9131 85 22912, E-Mail: [email protected]. https://doi.org/10.1515/9783110752793-009

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 Christine Ganslmayer

sehr selten sind. Auf diese soziopragmatische Perspektive konzentriert sich die vorliegende Darstellung. Das wissenschaftliche Potential der Protokolle wurde aus kirchengeschichtlicher und philologischer Perspektive sofort nach ihrer Wiederentdeckung in der Thüringischen Universitäts- und Landesbibliothek Jena 18941 erkannt, so dass sie im Rahmen der Weimarer Ausgabe (WA) der Deutschen Bibel (DB) in Band 3 (1911) und Band 4 (1923) ediert wurden. Man versprach sich von einer systematischen Auswertung der Protokolle nicht nur neue Erkenntnisse zur Geschichte der Bibelübersetzung und zur Biographie Luthers, sondern vor allem eine inhaltliche und sprachliche Klärung der Korrekturen der Lutherbibel in ihrem späteren Stadium der erneuten Überarbeitung durch Luther und seine Mitarbeiter sowie generelle Erkenntnisse zur Methodik der Bibelübersetzung Luthers (vgl. Reichert 1923: XVI). Der Bearbeiter Otto Reichert, der sich bereits im Rahmen seiner Dissertation (Reichert 1905) und darüber hinaus (Reichert 1907) mit den Wittenberger Bibelrevisionskommissionen beschäftigt hatte, formulierte 1911 folgende Forschungsthemen, die von Theologie und Germanistik infolge der Erschließung der Protokolle aufgearbeitet werden müssten: Entwicklungsgeschichte der Sprache Luthers; Luthers exegetische Entwicklung; Luther als Sprachformer; Luther in seinen ästhetischen und religiösen Urteilen über die Schrift; Luther im gelehrten Freundeskreis; Luther als Satiriker und Polemiker: Luthers Humor; Luther als Professor (Reichert 1911: XLVIII)

Obgleich nunmehr über hundert Jahre vergangen sind, wurde dieses Forschungsprogramm auch nicht annähernd erfüllt, geschweige denn mit aktuellen Forschungsparadigmen verknüpft. Jüngst wurden jedoch im Rahmen eines von der DFG zwischen 2008 und 2010 geförderten multimedialen Erschließungsprojekts in Kooperation zwischen der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena und dem Lehrstuhl für Kirchengeschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena (Prof. Dr. Volker Leppin) die Handschriften und Drucke Georg Rörers aufgearbeitet (vgl. Speer 2009). In diesem Kontext wurden auch die erhaltenen Bibelrevisionsprotokolle digitalisiert sowie kodikologisch und inhaltlich tiefenerschlossen,2 so dass nun in Verbindung mit der Weimarer Edition äußerst günstige Forschungsvoraussetzungen für eine wissenschaftliche Beschäftigung mit den Texten gegeben

1 Die erhaltenen Protokolle gelangten mit dem Nachlass Georg Rörers bereits 1557 in den Besitz der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena. In Rörers Sammlung sind die Protokolle mit „Annotationes in Biblia“ überschrieben (Buchwald 1894: 391; Michel 2012a: 43; Ott 2012: 229–233). 2 Vgl. (letzter Zugriff: 21.04.2021).

 Multilingualität in den frühneuzeitlichen Protokollen zur Revision der Lutherbibel 

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sind. Der Projektmitarbeiter Stefan Michel hat die Bibelrevisionsprotokolle nicht nur im Rahmen seiner aktuellen kirchengeschichtlichen Habilitationsschrift über Die Kanonisierung der Werke Martin Luthers im 16. Jahrhundert (Michel 2016) berücksichtigt, sondern diesen mit einem Fokus auf der letzten Revision des Römerbriefs 1544/45 einen eigenen Beitrag (Michel 2014) gewidmet. Dort bemängelt er den schlechten Forschungsstand zu den Bibelrevisionsprotokollen: Vorarbeiten für dieses Thema sind nur spärlich zu finden und beschränken sich auf ältere Arbeiten von Otto Reichert (1879-1950) […] und Hans Volz (1904-1978), die sich jedoch fast ausschließlich auf die Philologie konzentrieren und somit für eine historisch-theologische Beantwortung der Frage, was in Wittenberg im Rahmen der Bibelrevision geleistet wurde, wenig austragen. Deshalb kann dieser Beitrag nur eine Vorstudie für eine tiefere Auseinandersetzung mit den Revisionsprotokollen darstellen, die zukünftigen Forschungen vorbehalten bleiben muss. (Michel 2014: 83–84)

Von germanistischer bzw. linguistischer Seite erfolgte bislang zwar noch keinerlei Beschäftigung mit den Bibelrevisionsprotokollen, jedoch mit anderen mehrund gemischtsprachigen frühneuzeitlichen Textsorten aus dem Umkreis Martin Luthers. Birgit Stolt, die sich in ihrer breit rezipierten Dissertationsschrift mit der Sprachmischung in Luthers Tischreden (Stolt 1964) beschäftigt hat, widmet in einem kurzen Forschungsüberblick zur Luthersprachforschung dem Phänomen der lateinisch-deutschen Mischsprache immerhin einen eigenen Abschnitt und differenziert sogar zwischen mündlicher bzw. schriftlicher Mischung (Stolt 2000: 6–18). Stolt erhebt dort vermutlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, jedenfalls fehlt in diesem themenspezifischen Abschnitt eine Erwähnung der Bibelrevisionsprotokolle.3 Historische geschriebene Mischtexte, u. a. mit lateinisch-deutscher Sprachmischung, sind auch Thema der Dissertation von Carmen Kämmerer (2006), die eine empirische, korpusbasierte Arbeit zu Codeswitching in Predigten des 15. Jahrhunderts vorgelegt hat und für eine Typologisierung der Codeswitching-Konstruktionen ein konstruktionsgrammatisches Modell („modulares CS Konstruktionsmodell“) entwickelt hat. In einem einleitenden Abschnitt zu „Diglossie und Zweisprachigkeit“ bietet Kämmerer auch eine punktuelle Untersuchung von Mischtextpredigten Martin Luthers, die in Nachschriften Georg Rörers erhalten sind (Kämmerer 2006: 71–78). Die besondere Form der in diesen

3 Stolt (2000: 15–18) erwähnt unter „schriftlicher Mischung“ Rörers Predigtnachschriften sowie Notizen und Briefe Luthers. Im Kontext der Notizen Luthers beklagt auch sie den mangelhaften Forschungsstand zu diesem Thema: „Eine zusammenfassende sprachliche Auswertung der Notizen Luthers, beispielsweise seiner handschriftlichen Einträge ins AT, steht noch aus.“ (Stolt 2000: 17).

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 Christine Ganslmayer

Lutherpredigten zu beobachtenden deutsch-lateinischen Sprachmischung, die von derjenigen der Tischreden abweicht, wird bereits von Stolt (1964: 261–263) als „Telegrammstil“ charakterisiert, was Kämmerer (2006: 78) bestätigt. Als Ursache wird die erhöhte Geschwindigkeit bei der Predigtmitschrift vermutet: Da davon auszugehen sei, dass Luther vollständig deutsch gepredigt habe und eine Predigtnachschrift möglichst simultan angelegt sei, gingen die lateinischen Elemente auf eine Übersetzungsleistung des bilingualen Mitschreibers Georg Rörers zurück, da diese eine stärkere Kürzung während der Mitschrift erlauben (vgl. z. B. Pietsch 1898: V; Stolt 1964: 261; Zschoch 2012: 126). Die im Zusammenhang mit mehrsprachigen historischen Texten häufig gestellte Frage, ob die Sprachmischung den mündlichen Sprachgebrauch multilingualer Sprecher reflektiert oder nur in der Schriftlichkeit begegnet (vgl. Schendl 2013: 153f.), wird hier also eindeutig beantwortet: Die Sprachmischung in den Nachschriften von Predigten Martin Luthers durch Georg Rörer wird als Phänomen der Schriftlichkeit gewertet. Im Ergebnis begegnet eine deutsch-lateinische Mischsprache mit „volkssprachliche[r] Syntax in lat. Gewand“ (Kämmerer 2006: 78). Was nun die Bibelrevisionsprotokolle von Rörers Hand betrifft, so gilt es vor diesem Hintergrund zu überprüfen, welche Formen der Sprachmischung in dieser Textsorte überhaupt zu beobachten sind, um Aufschluss über eine nähere Einordnung zu gewinnen. In Entsprechung zu Michels Bemerkungen kann auch der vorliegende Beitrag lediglich eine erste Annäherung an den komplexen Gegenstand darstellen. Im Folgenden wird zunächst ein Überblick zu den Bibelrevisionen geboten, um die Protokolle in ihrem soziopragmatischen Kontext zu verorten (vgl. 2). Daran schließt sich die inhaltliche Beschreibung und textlinguistische Charakterisierung der Protokolle mit einem Fokus auf dem Phänomen der Mehrsprachigkeit (vgl. 3) an. Im letzten Abschnitt werden ausgewählte Protokolle der zuerst dokumentierten Psalterrevision 1531 einer exemplarischen linguistischen Analyse unterzogen, um im gegenseitigen Zusammenhang Motivationen, Formen und Funktionen der Sprachenverwendung und Sprachwechsel aufzuzeigen; in diesem Kontext wird auch der zugrunde gelegte Codeswitching-Begriff erörtert (vgl. 4).

2 D  ie Wittenberger Bibelrevisionen in ihrem soziopragmatischen Kontext Es darf als bekannt vorausgesetzt werden, dass Martin Luther gemeinsam mit ausgewählten Kollegen an der Bibelübersetzung über einen Zeitraum von mehr als zwanzig Jahren gearbeitet hat: Die systematische Übersetzung setzte 1522 mit

 Multilingualität in den frühneuzeitlichen Protokollen zur Revision der Lutherbibel 

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dem Neuen Testament ein und endete mit den alttestamentlichen Apokryphen, so dass die erste Vollbibel 1534 im Druck erschienen ist. Parallel zum Entstehungsprozess der Gesamtbibel wurden von Beginn an bereits im Druck erschienene Teile einer erneuten Überarbeitung unterzogen. Eine solche Durchsicht und Textkorrektur durch Luther persönlich ist bereits für das sog. Dezembertestament (NT 21522) belegt, das im Vergleich zum sog. Septembertestament (NT 1522, ed. princeps) über 570 Abweichungen aufweist. 1528 und 1531 erschienen stark überarbeitete Neuauflagen des Psalters (vgl. Volz 1972: 87*–92*), 1530 des NT (vgl. Volz 1972: 83*–87*) sowie 1541 und 1543 der Vollbibel (vgl. Volz 1972: 106*–111*). Die letzte, zu Luthers Lebzeiten im Druck erschienene Ausgabe 1545 erlangte als sog. „Ausgabe letzter Hand“ Berühmtheit und gilt als Ausgangspunkt für die Kanonisierung der Lutherbibel. Von Anfang an band Luther vertraute Kollegen der Universität Wittenberg, besonders Philipp Melanchthon und Matthäus Aurogallus, in den Übersetzungsprozess ein; er beriet sich mit ihnen über „schwierige“ Stellen und arbeitete übersetzte Passagen durch. Während die Anfänge dieser gemeinsamen Arbeit am Bibeltext nur indirekt bekannt sind (v. a. über Briefnotizen), ändert sich dies ab 1531: Mit einer zunehmenden Professionalisierung des Überarbeitungsprozesses ging einher, dass sich ein Revisionsbeirat unter Luthers Vorsitz zu Arbeitssitzungen in Wittenberg traf, die von Georg Rörer protokolliert wurden. Tab. 1: Die Wittenberger Bibelrevisionen und ihre Dokumentation Zeit

Inhalt

Dokumentation

Sommer 1528

Psalter-Revision zum Druck 31528

kein Protokoll

1529

NT-Revision zum Druck 1530

kein Protokoll

Mitte Jan. – 15.03.1531

Psalter-Revision zum Druck 4 1531

ThULB Jena Ms.Bos.o.17n, 1r-64v (vgl. WA DB 3, 1–166) + ThULB Jena, Ms.Bos.q.24r, 214r–222r (vgl. WA DB 3, XXX–XLII) (Reinschrift für Ps 4–18)

24.01.1534 – ca. 08.02.1534

Revision zum Druck Vollbibel 1534

Protokolle verloren

216 

 Christine Ganslmayer

Zeit

Inhalt

Dokumentation

17.07.1539 – 08.02.1541

Revision zum Druck Vollbibel 1540/41 und 21541

ThULB Jena, Ms.Bos.q.24c, 1r, 63r –202r (vgl. WA DB 3, 169–577; WA DB 4, 1–409) + Handexemplar AT 1538/39 mit Korrektureinträgen ThULB Jena, Ms. App. 24 (VD 16 B 2704)

Herbst 1544 + evtl. Frühjahr/ Sommer 1545

NT-Revision zum Druck Vollbibel 1546

ThULB Jena, Ms. Bos.q.24u, 30r–39r + Handexemplar NT 1540 mit Korrektureinträgen ThULB Jena, Ms. App. 25 (VD 16 B 4429)

Tab. 1 kann entnommen werden, wann diese Revisionen stattgefunden haben, welche Bibelteile jeweils revidiert wurden, welche Druckausgaben mit den Revisionen in Zusammenhang stehen und inwieweit die Revisionen mittels erhaltener Protokolle dokumentiert sind. Neben den erhaltenen Revisionsprotokollen gelten Luthers Handexemplare des Alten und Neuen Testaments mit handschriftlichen Korrektureinträgen durch Luther, Melanchthon und Rörer als ergänzende Quelle für die Rekonstruktion der Revisionen.4 Wie man sich eine solche Bibelrevisionssitzung in ihrem Ablauf vorzustellen hat, kann man einer detaillierten Schilderung in einer frühen Luther-Biographie entnehmen: Vermutlich hat Johannes Mathesius (1504–1565) während seines Studiums in Wittenberg als Gasthörer selbst an Sitzungen der Revision 1539–1541 teilgenommen. In der 13. Predigt der von ihm verfassten Historien / Von des Ehrwirdigen in Gott Seligen thewren Manns Gottes / Doctoris Martini Luthers / anfang / lehr / leben vnd sterben / Alles ordendlich der Jarzal nach / wie sich alle sachen zu jeder zeyt haben zugetragen findet sich zum Jahr 1540 folgende Beschreibung des „collegium Biblicum“ in Luthers Wittenberger Wohnhaus: Als nun erstlich die gantze Deutsche Bibel außgangen war / vn̄ ein tag lehret jmmer neben der anfechtung den andern / nimmet D. Luther die Biblien von anfang wider fuͤ r sich / mit grossem ernst / fleiß vnd gebete / vnd vbersihet sie durchauß / vnd weyl sich der Sohne Gottes versprochen hatte / er woͤ lle darbey seyn / wo jhr etlich in seinem namen zusammen kommen / vnnd vmb seinen Geist bitten / verordenet Doctor Martin Luther gleich ein eygen

4 Die in Tab. 1 gebotenen Informationen basieren auf Reicherts Einleitungen in WA DB 3 und WA DB 4 (Reichert 1911, 1923), auf Überblicksdarstellungen zu den Revisionen der Lutherbibel (vgl. Volz 1972: 83*–92*, 104*–111*; Michel 2014: 88–92) sowie auf den Beschreibungen der Handschriften auf der Homepage der Thüringischen Universitäts- und Landesbibliothek Jena: (letzter Zugriff: 21.04.2021).

 Multilingualität in den frühneuzeitlichen Protokollen zur Revision der Lutherbibel 

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Sanhedrim / vonn den besten Leuthen / so deßmals verhanden / welche woͤ chlich etlich stunden vor dem abend essen / in Doctors Kloster zusammen kamen / Nemlich / Doctor Johan Bugenhagen / Do. Justum Jonam / D. Creutziger / Magister Philippum / Mattheum Aurogallum / darbey M. Georg Roͤ rer der Corrector auch war / offtmals kamen frembde Doctorn vnnd gelehrte zu diesem hohen Werck / als Doctor Bernhard Ziegler / D. Forstemius. Wenn nun Doctor zuuor die außgangen Bibel vbersehen / vnd darneben bey Juͤ den vnd frembden sprachkuͤ ndigen sich erlehrnet / vnd sich bey alten Deutschen von gutten worten erfraget hatte / Wie er jhm etlich Schoͤ ps abstechen ließ / damit jhn ein Deutscher Fleischer berichtet / wie man ein jedes am Schaf nennete / Kam Doctor Martin Luther in das Consistorium / mit seiner alten Lateinischen vnnd newen Deutschen Biblien / darbey er auch stettigs den Hebreischen Text hatte / Herr Philippus bracht mit sich den Greckischen Text / Doctor Crutziger neben dem Hebreischen / die Chaldeische Bibel / Die Professores hatten bey sich jhre Rabinen / Doctor Pommer hett auch ein Lateinischen Text fuͤ r sich / darinn er sehr wol bekandt war / Zuuor hat sich ein jeder auff den Text geruͤ st / dauon man rahtschlagen solte / Greckische vnnd Lateinische / neben den Juͤ dischen außlegern vbersehen. Darauff proponirt dieser President ein Text / vnd ließ die stim̅ herumb gehen / vnnd hoͤ ret was ein jeder darzu zu reden hette / nach eygenschafft der Sprache / oder nach der alten Doctorn außlegung. Wunder schoͤ ne vnnd lehrhafftige reden / sollen bey dieser arbeyt gefallen seyn / welcher M. Georg etliche auffgezeichenet / vnnd die hernach als kleine gloͤ ßlein vnnd außlegung auff den rand zum Text gedruckt seyn. (Mathesius 1568: p. 151r-152r = Bl. p iijr–p iiijr)

Auch wenn im Detail nicht alle Aspekte dieses Berichts historisch überprüft sind (z. B. die Einbindung der genannten Textvorlagen), so wird er in der aktuellen historischen Forschung insgesamt als zuverlässig bewertet (vgl. Michel 2014: 88). Der situative Kontext, in dem die Protokolle entstanden sind, kann demnach folgendermaßen umrissen werden: – Ein Gelehrtenkreis traf sich in regelmäßigen Arbeitssitzungen zur Revision des Bibeltextes, der für eine Neuauflage durchgesehen und überarbeitet wurde. – Die Arbeitssitzungen fanden in vertrauter Atmosphäre im Wohnhaus Martin Luthers statt. – An den Sitzungen nahmen Professoren der Universität Wittenberg und andere theologische bzw. sprachliche Experten sowie mitunter Gasthörer teil. Die Professoren der Universität Wittenberg waren Martin Luther (Theologie), Philipp Melanchthon (Gräzistik), Matthäus Aurogallus (Hebraistik) und Caspar Cruciger d.Ä. (Theologie). Zum erweiterten Kreis (vgl. auch Michel 2014: 86f.) zählten die Theologen Johannes Bugenhagen und Justus Jonas sowie Veit Dietrich, Johann Forster und Bernhard Ziegler. Als Gasthörer sind Jakob Schenck, Anton Lauterbach und Johannes Mathesius belegt. Das Protokoll führte der Theologe Georg Rörer. – Die Sitzungen folgten einem festen Ablauf unter dem Vorsitz Martin Luthers („President“), der einen Text vorstellte bzw. eine Änderung vorschlug („pro-

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 Christine Ganslmayer

ponieren“ ʻvorstellen, vorlegenʼ, s. v. FWB 4, Sp. 1191) und dazu reihum die Meinung der anwesenden Kollegen einholte, und zwar in sprachlicher („nach eygenschafft der Sprache“) und theologisch-exegetischer Hinsicht („nach der alten Doctorn außlegung“). – Die Teilnehmer bereiteten sich individuell auf den für die Sitzung vorgesehenen Text vor und sahen dafür griechische, lateinische und hebräische Kommentare ein. – Besondere Erwähnung finden in Mathesius’ Bericht die Bücher der verschiedenen Experten, welche die Grundlage der Textarbeit bildeten: Im Zusammenhang mit Luther selbst werden seine Handexemplare der lateinischen und deutschen Bibel genannt sowie das der Biblia Hebraica. Philipp Melanchthon verfügte über eine Ausgabe der (griechischen) Septuaginta, Caspar Crutziger über den hebräischen und aramäischen („Chaldeische Bibel“)5 Bibeltext und Johannes Bugenhagen ebenfalls über den lateinischen Text. Zusätzlich zog man Textkommentare der jüdischen Schriftgelehrten heran („Die Professores hatten bey sich jhre Rabinen“). In sprachlicher Hinsicht kann von folgender Situation ausgegangen werden: Als gesprochene Sprachen während der Sitzungen begegnen infolge der bekannten frühneuzeitlichen Diglossie-Situation im theologischen und wissenschaftlichen Kontext nach verschiedenen Herkunftsregionen differenziertes Frühneuhochdeutsch (L 1) als Muttersprache der meisten Teilnehmer6 sowie humanistisch geprägtes Neulatein als domänengebundene, prestigereiche L 2; als geschriebene Sprachen begegnen die biblischen Grundsprachen Hebräisch, Griechisch, Latein und eventuell Aramäisch sowie Frühneuhochdeutsch als Sprache der deutschen Bibelübersetzung. Hinsichtlich der biblischen Grundsprachen Hebräisch, Griechisch und Aramäisch kann ein stark divergierendes Kompetenzniveau der Teilnehmer angenommen werden: Als Sprachexperte für Hebräisch darf insbesondere der Hebra-

5 Vermutlich sind hiermit aramäische Übersetzungen der hebräischen Bibel gemeint, die im 16. Jh. im Rahmen der sog. Rabbinerbibeln integriert waren. Für diesen Hinweis danke ich Dr. Gerhard Karner, Erlangen, herzlich. In Frage kommt zeitlich die sog. zweite Rabbinerbibel von Jakob Ben Chaijm, ed. pr. Venedig 1524/25: Bomberg (vgl. Volz 1972: 105*; Liss 2006). Raeder (1967: 92) weist darauf hin, dass Melanchthon bereits 1518 für die Universität Wittenberg zwei hebräische Bibeln – eine kommentierte und eine unkommentierte – aus Leipzig beschaffen ließ. Somit lag in Wittenberg nachweislich mindestens die erste Rabbinerbibel von Felix Pratensis, ed. pr. Venedig 1516/17: Bomberg, vor. 6 Für den aus Pommern stammenden Johannes Bugenhagen ist von Mittelniederdeutsch als L 1 auszugehen.

 Multilingualität in den frühneuzeitlichen Protokollen zur Revision der Lutherbibel 

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ist Matthäus Aurogallus gelten, als Experte für Altgriechisch der Gräzist Philipp Melanchthon. Unklar ist das Kompetenzniveau im Aramäischen. Hinsichtlich Luthers eigener fremdsprachlicher Kompetenzen geht man auf Basis der allgemeinen Diglossie-Situation in der Frühen Neuzeit grundsätzlich von einer hohen Sprachkompetenz im Lateinischen aus. Was Luthers hebräische Kenntnisse betrifft, ist Forschungsstand, dass er auf Basis von Reuchlins De Rudimentis Hebraicis (ed. pr. 1506) autodidaktisch erste Sprachgrundlagen erwarb und diese ab der ersten Psalmenvorlesung 1513–15 einbrachte (vgl. Raeder 1961, 1967, 1977, 2008; Volz 1972: 43*f.; Hermle 2008; Lange 2014; Blanke 2017: 298; Niggemann 2019). Wie hoch Luthers Sprachniveau im Hebräischen letztendlich war, gilt bis heute als nicht eindeutig zu beantwortende Frage. Noch weniger klar sind Luthers griechische Sprachkompetenzen. Vermutlich war Luther hier seinem Ordensbruder Johann Lang zu Dank verpflichtet, in jedem Fall aber stand ihm spätestens ab August 1518 mit Philipp Melanchthon ein Gräzist ersten Ranges als Gesprächspartner zur Verfügung (vgl. Volz 1972: 44*). Georg Rörers Aufgabe als Protokollant bestand vorrangig darin, die in der Sitzung entwickelten revidierten Varianten der Bibelübersetzung festzuhalten, um diese später bei der Drucklegung der Neuausgabe berücksichtigen zu können. Als „Corrector“ war Rörer Bindeglied zwischen Revisionskommission und Offizin und garantierte die Herstellung fehlerfreier Drucke. Bereits ab 1527 arbeitete er als Korrektor in verschiedenen Wittenberger Druckereien, ab 1537/38 war er oberster Korrektor in der Offizin von Hans Lufft. Er war für die Druckvorlage verantwortlich und prüfte die Probedrucke (vgl. Michel 2012b: 185–193; 2014: 85). Seit Beginn seiner Wittenberger Studienzeit hatte er sich einen Namen damit gemacht, Predigten, Vorlesungen und Tischreden Luthers systematisch zu dokumentieren (vgl. Michel 2012a: 12). Bekannt ist, dass Rörer für die rasche Mitschrift des mündlichen Vortrags eine eigene Kurzschrift entwickelt hat, bei der er usuelle Abbreviaturen der lateinischen Überlieferung mit selbstentwickelten Kürzungen kombinierte (vgl. Pietsch 1898: V–VII; 1904: XVI–XXIV).

3 D  ie Wittenberger Bibelrevisionsprotokolle aus linguistischer Perspektive 3.1 Rörers Abkürzungsschrift Von einem textlinguistischen Standpunkt aus betrachtet, handelt es sich bei Protokollen um eine Textsorte, deren „grundlegende Funktion“ darin besteht, „nach

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festgelegten Selektionskriterien ausgewählte Ereignisse in schriftliche und verbindliche Form zu überführen“ (Niehaus & Schmidt-Hannisa 2005: 7). Im Falle der Bibelrevisionsprotokolle von der Hand Georg Rörers liegen Protokolltexte vor, die durch die informellen Sitzungen zur Überarbeitung des Bibeltextes quasi institutionell veranlasst sind. Man kann davon ausgehen, dass Rörer von Martin Luther mit dem Amt des Protokollführers offiziell betraut wurde. Die Protokolle wurden von Rörer vorwiegend7 in „Echtzeit“, d. h. in „Kopräsenz“ zur „Aktion“ angefertigt (vgl. Niehaus & Schmidt-Hannisa 2005: 8). Formal findet dies eine unmittelbare Entsprechung in der Verwendung einer Abkürzungsschrift, die von Rörer als Notizschrift zur Beschleunigung des Schreibvorgangs eingesetzt wird (vgl. Tab. 2). Tab. 2: Beispiele für Rörers Abkürzungsschrift (1)

(Psalterrevision 1531, ThULB Jena Ms.Bos.o.17n, Bl. 64v) Appinquate deo 7 app / v̅o̅b / Ph de his q apo: Appropinquate deo et appropinquabit vobis Philippus de his qui apostataverunt (2)

(Psalterrevision 1531, ThULB Jena Ms.Bos.o.17n, Bl. 100r)

Schriftkürzung: – App → Appro – 7 → et – v̅o̅b → vobis – q → qui Schreibkürzung: – app → appropinquabit – Ph → Philippus – apo: → apostataverunt Schriftkürzung: – dʒ → daz Schreibkürzung: – V h G → Vnser herr Gott

Jch habs ſeer gern dʒ V h G ſo from iſt / Ich habs seer gern daz Vnser herr Gott so from ist /

7 Lediglich bei ThULB Jena, Ms.Bos.q.24r, Bl. 214r–222r handelt es sich um eine zeitlich spätere Reinschrift für die Protokolle zu Ps 4–18 (vgl. Reichert 1911: XLII).

 Multilingualität in den frühneuzeitlichen Protokollen zur Revision der Lutherbibel 

(3)

(Psalterrevision 1531, ThULB Jena Ms.Bos.o.17n, Bl. 57v) ſa̅ q̅n̅ dʒ l reg an gang werd ſie f–d sententia quando das liebe regnum an gangen werden sie finden

(4)

(Psalterrevision 1531, ThULB Jena Ms.Bos.o.17n, Bl. 54r)

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Schriftkürzung: – ſa̅ → sententia – q̅n̅ → quando – dʒ → daz – reg → regnum – gang → gangen – werd → werden – f–d → finden Schreibkürzung: – l → liebe Schriftkürzung: – dʒ → daz – E–̅a̅on → Euangelion – her–ach → hernach – ︣ → etc.

dʒ iſt dʒ heilige E–̅a̅on wie er her–ach ︣ das ist das heilige Euangelion wie er hernach etc. (5)

Schriftkürzung: – l–g → lingua – 9ſtia̅s ̅ → conscientias

(Psalterrevision 1531, ThULB Jena Ms.Bos.o.17n, Bl. 11v) ſub lingua / (korr. aus l–g) ledit 9ſtia̅s̅ sub lingua ledit conscientias

Den Anforderungen, wie sie sich bei der wörtlichen Mitschrift gesprochener Rede stellen und wie sie moderne Kurzschriftsysteme erfüllen (vgl. Kunkel & Kreßmann 2007: 103f.), kann Rörers Art der Kurzschrift jedoch zumindest nicht vollständig genügen, wie eine handschriftenbasierte Analyse zeigen kann: In seiner Kurzschrift finden sich zum einen Formen der „Schriftkürzung, d. h. die Wahl von besonderen Kurzzeichen“ (vgl. Kunkel & Kreßmann 2007: 103). Hier übernimmt Rörer bekannte Abbreviaturen der lateinischen Handschriftentradition, entwickelt aber auch eigene Abkürzungen, vor allem im Zusammenhang mit deutschen Wörtern. Eingesetzt werden beispielsweise gängige Abkürzungszeichen v. a. für grammatische Funktionswörter, Striche im und über dem Wort sowie hochgestellte Wortteile zur Markierung von Wortkürzungen oder langgezogene Auf- und Abstriche zur Kürzung von Wortteilen und Flexionsendungen, wie die Beispiele

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in Tab. 2 zeigen.8 Zum anderen gebraucht Rörer Formen der „Schreibkürzung, insbesondere das Auslassen bestimmter (gehörter) Laute, Wortteile oder Wörter“ (vgl. Kunkel & Kreßmann 2007: 103). Häufig kürzt Rörer Wörter durch das Weglassen von Buchstaben, teils mit, teils ohne Markierung der Abkürzung durch Interpunktionszeichen wie „:“ oder „/“ (vgl. Bsp. 1–3 in Tab. 2). Bei bekannten Kontexten (z. B. Bibelzitate, gängige Sprichwörter, aus dem Kontext erschließbare Argumentationen, Rekurrenz auf aktuelle Alltagsereignisse) können auch ganze Wörter ausgelassen sein, was in der Regel durch das Kürzungszeichen für „etc.“ markiert ist (vgl. Bsp. 4 in Tab. 2). Insgesamt ist festzustellen, dass Rörer die beschriebenen Kürzungsverfahren nicht vollständig systematisch einsetzt, sondern in einer an seine unmittelbaren Bedürfnisse adaptierten individualisierten Form, d. h. dass Wörter prinzipiell ausgeschrieben oder gekürzt sein können, was mitunter eine Entsprechung im rascheren Schriftduktus finden kann. Für die Unkonventionalität der Rörerschen Kurzschrift spricht weiterhin, dass er gelegentlich für ein besseres Verständnis seiner Mitschrift nachträglich Kürzungen durch Ergänzungen vereindeutigt hat (vgl. Bsp. 5 in Tab. 2; vgl. Pietsch 1904: XIXf.). Auch ist bekannt, dass Rörer zum besseren Verständnis seiner Mitschrift mitunter Reinschriften angefertigt hat.9 Die dargelegten Aspekte scheinen für eine Beurteilung der Mehrsprachigkeit in den Protokollen aus mehreren Gründen relevant: Zum einen kann nicht vollständig von einer 1:1-Umsetzung von gesprochener Rede in Schrift ausgegangen werden, wenngleich die Notation einzelner wörtlicher Aussagen nicht ausgeschlossen ist. Zum anderen sollte die bezüglich der Predigtmitschriften Rörers geäußerte These, dass er auch deutsche Redeinhalte lateinisch mitschrieb, da er in dieser Sprache auf ein vorhandenes Abkürzungssystem zurückgreifen konnte (vgl. 2), für die Bibelrevisionsprotokolle präzisiert werden: Sicher ist es richtig, dass für lateinische Formulierungen traditionell mehr Abkürzungen zur Verfügung standen als für die Wiedergabe deutscher Inhalte, und es mag sein, dass bilinguale Mitschreiber im 16. Jh. zu spontanen Sprachwechseln zwischen Deutsch und Latein während der Mitschrift befähigt waren. Setzt man jedoch die Abkürzungspraxis und den Sprachwechsel in den Bibelrevisionsprotokollen zueinander ins Verhältnis, so stellt man fest, dass dort auch lateinisch formulierte

8 Für die Auflösung der verwendeten Abkürzungen ist die Edition in der WA eine unabdingbare Hilfe. Da jedoch die meisten Abkürzungen dort ohne Kennzeichnung aufgelöst sind und die Interpunktion modernisiert wurde (vgl. Pietsch 1904: XXf.), ist eine Autopsie der Handschrift unerlässlich. Die Transkription der Beispiele in Tab. 2 auf Basis der Handschrift stammt von der Autorin des vorliegenden Beitrags. 9 Im Falle der Bibelrevisionsprotokolle existiert eine solche nachträgliche Reinschrift zur Revision von Ps 4–18 (= ThULB Jena, Ms.Bos.q.24r, 214r–222r, vgl. WA DB 3, XXX–XLII).

 Multilingualität in den frühneuzeitlichen Protokollen zur Revision der Lutherbibel 

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Inhalte nicht zwingend abgekürzt sind, und umgekehrt verwendet Rörer auch für deutsch fomulierte Inhalte reichlich Abkürzungen. Die Verwendung der Abkürzungsschrift als solche vermag im Falle der Protokolle also keinen eindeutigen Aufschluss darüber zu geben, ob die belegte Mehrsprachigkeit den mündlichen Sprachgebrauch reflektiert oder ein Phänomen der Schriftlichkeit darstellt. Um hier zumindest größere Klarheit zu gewinnen, sind präzisere Fragen zu stellen, nämlich mit welcher Häufung10 in den Bibelrevisionsprotokollen Abkürzungen überhaupt auftreten, welche Inhalte abgekürzt wiedergegeben sind und ob die Abkürzungen in einem (systematischen) Zusammenhang mit Sprachenverwendung bzw. Sprachwechseln stehen. Belegt ist jedenfalls ein breites Spektrum, das auf den ersten Blick ziemlich unsystematisch scheint (vgl. Tab. 3). So begegnen beispielsweise Fälle mit satzinternem Sprachwechsel DeutschLatein, bei denen nur grammatische Funktionswörter lateinisch geschrieben sind, die dabei teils abgekürzt, teils ausgeschrieben erscheinen (vgl. Bsp. 6 in Tab. 3). Gleichzeitig sind Stellen belegt, bei denen ausgeschriebenes deutsches „und“ neben abgekürztem lateinischem „et“ steht (vgl. Bsp. 7 in Tab. 3). In Bsp. 8 (vgl. Tab. 3) ist das deutsche Inhaltswort „fein“ in einer Zeile einmal abgekürzt, einmal nicht. Dagegen bietet Bsp. 9 (vgl. Tab. 3) einen längeren deutschen Kontext fast ohne jegliche Abkürzung. Es begegnet natürlich auch, dass Rörer in ansonsten ausschließlich deutschen Kontexten für grammatische Funktionswörter usuelle lateinische Abkürzungen wie „7“ für et ʻundʼ oder „ł“ für vel ʻoderʼ gebraucht (vgl. Bsp. 6 in Tab. 3).11

10 Es ist davon auszugehen, dass Rörer die Abkürzungsschrift nicht immer in gleichem Ausmaß verwendete. So wurde festgestellt, dass er im Zusammenhang mit dem Wechsel seiner Aufzeichnungen vom Oktav- ins Quartformat ab 1529 signifikant weniger Abkürzungen verwendete, woraus u. a. die Schlussfolgerung gezogen wurde, dass die Mitschrift nicht mehr unmittelbar gewesen sein konnte (vgl. Pietsch 1903: XIX). 11 Für unsere Fragestellung sind derartige grammatische Funktionswörter in der WA leider wenig glücklich unsystematisch aufgelöst, und zwar in Entsprechung zum unmittelbaren Kontext entweder deutsch oder lateinisch (vgl. Pietsch 1904: XVIII).

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Tab. 3: Beispiele für unsystematische Verwendung der Abkürzungsschrift (6)

Schriftkürzung: – 7 → et – tn → tamen

(Psalterrevision 1531, ThULB Jena Ms.Bos.o.17n, Bl. 14v) Sie haſſen mich 7. tn kein vrſach, ſed au̓s lau̓ter mu̓twillen 7 frevel \ Sie hassen mich et tamen kein ursach, sed aus lauter mutwillen et frevel (7)

(Psalterrevision 1531, ThULB Jena Ms.Bos.o.17n, Bl. 1r) […] 7 ſ. hab. tn w 7 brod (korr. aus b) ful vnd hul vmb 7 an da mit da […]

Schriftkürzung: – 7 → et – tn → tamen Schreibkürzung: – s. → si – hab. → habent – w → wein – b → brod

[…] et si habent tamen wein et brod ful vnd hul vmb et an da mit da […] (8)

(Psalterrevision 1531, ThULB Jena Ms.Bos.o.17n, Bl. 44r) Jſt e– f pſel–che– 7 d–ligo 7 ͡ trotʒt fein auff Gott […] Ist ein fein pselmichen et diligo et trotzt fein auff Gott […]

Schriftkürzung: – e– → ein – pſel–che– → pselmichen – 7 → et – d–ligo → diligo – 7 ͡ → et Schreibkürzung: – f → fein

 Multilingualität in den frühneuzeitlichen Protokollen zur Revision der Lutherbibel 

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Schriftkürzung: – reſponſorm → responsorium

(9)

(Psalterrevision 1531, ThULB Jena Ms.Bos.o.17n, Bl. 8r) […] Vorſingen / wie der Can̂ tor vnd prieſter einen vers oder epiſtel vorſin̂ gt vnd der Chor hernach drauff ſinget ein reſponſorm odder hale halelu̓ia / Amen / […] […] Vorsingen / wie der Cantor vnd priester einen vers oder epistel vorsingt vnd der Chor hernach drauff singet ein responsorium odder haleluia / Amen / […]

Die skizzierten Beispiele zeigen, dass Rörer die Abkürzungsmöglichkeiten nicht immer ausnutzt, und zwar weder in rein lateinischen noch in rein deutschen noch in gemischtsprachigen Kontexten. Zugleich wird ersichtlich, dass er infolge seiner Bilingualität zwischen den beiden Sprachen Latein und Deutsch unvermittelt wechseln kann. In bestimmten Fällen kann bei Abkürzungen die verwendete Sprache daher nicht immer eindeutig geklärt werden: So kann beispielsweise die Abkürzung „hab“ den lateinischen Verbstamm hab(ere) ebenso vertreten wie den deutschen hab(en). Unklar ist, ob und inwieweit derartige Sprachparallelen einen Sprachwechsel ausgelöst haben können. Um insgesamt über Rörers Vorgehensweise größeren Aufschluss zu gewinnen, wären tiefergehende, systematische Analysen notwendig, die versuchen, kognitive Aspekte der Textproduktion mit grammatischen Strukturanalysen, inhaltlichen Aspekten und topographischen Gegebenheiten der erhaltenen Manuskripte in größerem Umfang zu verbinden. Offen muss auch bleiben, inwieweit Rörer während des Protokollierens bei der Konzeption seiner Protokollmitschrift die Sprache gegenüber dem Gehörten gewechselt hat. Vermutlich ist auch in diesem Punkt nicht von einem einheitlichen Verfahren auszugehen. Ausgangspunkt der Analyse sind zunächst also mehrsprachige, schriftlich überlieferte historische Texte, bei denen häufige Sprachwechsel belegt sind.

3.2 Die Protokolle als Textsorte Für eine textsortenorientierte Analyse ist eine Funktionsbestimmung des Textes leitend, bei der die jeweiligen Akteure, also Textproduzenten und -rezipienten,

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einbezogen werden; dies ist wiederum von Belang für den hier fokussierten Themenkomplex „Multilingualität“. Eine Adressatenbestimmung der Bibelrevisionsprotokolle ist zumindest nicht vollständig möglich, da die weitere Verbreitung und längerfristige Verwendung der Protokolle nur ansatzweise bekannt ist.12 Vermutlich sind zeitlich unmittelbare und mittelbare Phasen der Rezeption zu unterscheiden. Fest steht jedenfalls, dass der Textproduzent Rörer als Bindeglied zwischen Revisionskommission und Offizin zugleich erster Adressat der Texte gewesen sein muss. Da die Drucklegung teilweise parallel zu den Revisionssitzungen erfolgte,13 war der zeitliche Abstand zwischen Produktion und Rezeption der Protokolle in dieser ersten Rezeptionsphase eher gering.

Abb. 1: Seitenstruktur der Protokollmanuskripte (links: Revision 1531, ThULB Jena Ms.Bos.o.17n, Bl. 91r; rechts: Revision 1539–41, ThULB Jena Ms.Bos.q.24c, Bl. 67r)

12 So weiß man immerhin, dass Rörer im Entziffern seiner Mitschriften spätere Abschreiber unterwiesen hat (vgl. Pietsch 1903: XIX; 1904: XIXf. mit Verweis auf Buchwald 1894: 379). Auch wurden Bände aus Rörers Sammlung mitunter verliehen: Zumindest waren die Protokolle zur Revision 1534, die bis heute verloren sind, ausgeliehen, als Rörers Handschriftensammlung 1557 in Jena eingereicht wurde (vgl. Reichert 1905: 18–20; Reichert 1923: XIXf.). 13 Dies gilt mindestens für die Psalterrevision 1531 (vgl. Reichert 1911: XXVI).

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Weitere, mit den Protokollen verbundene Intentionen lassen sich indirekt aus makro- und mikrostrukturellen Gegebenheiten erschließen. In makrostruktureller Hinsicht bieten die Protokolle wenig Orientierung für spätere Rezipienten; erschließende Paratexte fehlen beinahe vollständig. Lediglich zum Protokoll der Revision 1539–1541 existiert ein einseitiges Inhaltsverzeichnis,14 das von Rörer nachträglich angelegt wurde, als das ursprünglich eigenständige Protokollheft mit weiteren Schriften in einen Sammelband gebunden wurde. In diesem Inhaltsverzeichnis sind die revidierten Bücher der Bibel mit Blattzahlenverweis gelistet. Rörer ergänzte diese auf den Sammelband bezogene Foliierung in der Kopfzeile vermutlich gemeinsam mit den Buch- und Versverweisen (vgl. Abb. 1 rechts). Derartige erschließende Informationen in der Kopfzeile fehlen dagegen in den früheren Protokollen zur Psalterrevision vollständig, die sich aber auch nur auf ein einzelnes Buch der Bibel bezieht (vgl. Abb. 1 links).15 Jedenfalls war es wohl relevant, dass die Ausführungen zu einer bestimmten Bibelstelle auch längerfristig rasch auffindbar waren, was auf eine spätere Verwendung der Protokolle auch nach der Drucklegung des revidierten Bibeltextes rückschließen lässt. Gelegentlich beinhalten die Protokolltexte textimmanente Verweise, die im Falle der Psalterrevisionsprotokolle zeigen, dass Rörer ursprünglich eine Lagen- und Blattzählung zugrunde legte (vgl. Reichert 1911: XX). Den Protokollen zur Psalterrevision 1531 im Oktavformat stehen die Protokolle zur Revision der Vollbibel 1539–1541 im Quartformat gegenüber. In dieser Papierwahl zeigt sich eventuell eine zunehmende Professionalisierung und Wertschätzung des Protokollvorgangs. Denn für die frühere Revision verwendete Rörer gefaltete Quartblätter, die von ihm teils bereits beschrieben waren, so dass am Rand mitunter senkrecht inhaltlich irrelevante Textbausteine erscheinen (vgl. Reichert 1911: XIXf.). Grundsätzlich strukturierte Rörer die Seite, indem er für mögliche inhaltliche Notizen einen linken Rand stehen ließ (vgl. Abb. 1). Häufig sind am Rand Verweise auf im Text zitierte Bibelstellen wiederholt. Die interne Gliederung der Protokolle orientiert sich prinzipiell an den besprochenen Textabschnitten der Bibel. Entsprechend legt beispielsweise das Protokoll zur Psalterrevision (1531) als gliederndes Raster die Nummern der sukzessive besprochenen Psalmen zugrunde; diese sind durch einen größeren Schriftduktus und meist mittige Platzierung abgesetzt (vgl. Abb. 2 mit dem Anfang des Proto-

14 Ms.Bos.q.24c, Bl. 1r. Online: (letzter Zugriff: 21.04.2021). 15 Die Foliierung der Protokolle zur Psalterrevision 1531 stammt vermutlich erst aus dem 19. Jh., vgl. Werkbeschreibung zu ThULB Jena Ms.Bos.o.17n. Online: (letzter Zugriff: 21.04.2021).

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kolls zu Ps 25 im Anschluss an Ps 24). Folgende Variation lässt sich hier im Detail beobachten: Mitunter ist die Nummerierung marginal wiederholt (vgl. Abb. 2); die Verschriftung der Psalmennummern erfolgt vorwiegend mittels römischer Ziffern, mitunter mittels arabischer; vor den Zahlen steht teilweise die Textbezeichnung „psalmus“ bzw. häufiger auch die Abkürzung „p̅s“̅ , die Textbezeichnung kann aber auch fehlen.

Abb. 2: Protokollgliederung (Psalterrevision 1531, ThULB Jena Ms.Bos.o.17n, Bl. 14v)

Insgesamt zeigen die Protokolltexte von Rörers Hand also eher individuellen Mitschriftcharakter und sind in makro- sowie mikrostruktureller Hinsicht von einem gewissen Variationsspektrum geprägt. Dies fügt sich zu dem Faktum, dass Rörer als Textproduzent zugleich erster Rezipient der Protokolle gewesen ist. Trotz erkennbarer Formalisierungstendenzen unterscheiden sie sich von neuzeitlichen Protokollen, die als „hochformalisierte“ Textsorte beschrieben werden, um „Interpretationsspielräume [zu] verkleinern“ (Möller & Rehling 2016: 247–248). Ähnlich verhält es sich mit situationsdeiktischen Hinweisen, die für neuzeitliche Protokolle unerlässlich sind, bei Rörer jedoch nur gelegentlich erscheinen. Dies betrifft zum einen die Datierung der einzelnen Sitzungen, die nur mitunter am Rand vermerkt ist, wie z. B. „8. Marcii“ (vgl. Abb. 1 links; vgl. Reichert 1905: 3, 30f.; 1911: XXIf.; 1923: XXVIII–XXX). Zum anderen ist auch der an den Sitzungen teilnehmende Personenkreis nur über gelegentliche Verweise bekannt. Selten sind Personen textimmanent erwähnt; häufiger lassen sich die Teilnehmer dadurch erschließen, dass Rörer bei Diskussionen manchmal die Namen der jeweiligen Beiträger in abgekürzter Form hinzufügte (vgl. Tab. 4; vgl. Reichert 1905: 32–35; 1911: XLIVf.; 1923: XXX). Tab. 4: Verweise auf Redebeiträger (Psalterrevision 1531, ThULB Jena Ms.Bos.o.17n, Bl. 36v) PM dm∙ ßcat Pauli c–rſm / A ia P[hilippus] M[elanchthon]: significat Pauli cursum / d[octor] m[artinus]: A ia

 Multilingualität in den frühneuzeitlichen Protokollen zur Revision der Lutherbibel 

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Weiteren Aufschluss über die mit den Protokollen verbundenen Intentionen können die protokollierten Inhalte selbst geben. Hier lassen sich im Falle der früheren Protokolle zur Psalterrevision 1531 im Wesentlichen drei wiederkehrende Themenkomplexe inhaltlich differenzieren: 1. An erster Stelle sind Bibeltextpassagen zu nennen. Denn in Entsprechung zum Sitzungsanlass bestand der Hauptzweck der Protokolle darin, Änderungen im bisherigen deutschen Bibeltext zu fixieren, so dass diese bei der erneuten Drucklegung berücksichtigt werden konnten (vgl. 2).16 Der funktionale Schwerpunkt der Protokolle liegt somit in der Memorierungsfunktion, und zwar zunächst unmittelbar bibeltextbezogen. Vor allem in dieser Hinsicht ist der Protokollführer Rörer zugleich erster Adressat der Protokolle, da auch die anschließende Drucklegung in seinem Verantwortungsbereich lag. 2. Jedoch beinhalten die Protokolle nicht nur den biblischen Ausgangs- und neuen Zieltext, sondern darüber hinaus Übersetzungsvarianten und philologisch sowie theologisch-exegetisch basierte Diskussionen während der Textdurchsicht, so dass die Texte über ein reines Ergebnisprotokoll hinausgehen und sich passagenweise einem Verlaufsprotokoll annähern. Den Diskussionen wurde somit bereits beim Protokollieren „ein Eigenwert zugesprochen“, der ihre „möglichst umfassende Speicherung legitimiert“ (Niehaus & Schmidt-Hannisa 2005: 13). Sie bieten heute die Möglichkeit, den Prozess der Bibelüberarbeitung auch längerfristig nachzeichnen zu können und durch den Einblick in die Arbeit am Bibeltext zugleich die Reflexionen im Wittenberger Kreis nachvollziehen zu können. Ein Interesse an einer derartigen Dokumentation war vermutlich in mehrfacher Hinsicht gegeben: Zum einen wiederum konkret bibeltextbezogen, da die Fixierung der Diskussionen und Varianten zumindest teilweise in einem Zusammenhang mit Marginalglossen, d. h. kommentierenden Anmerkungen, in der gedruckten Bibel steht. Dies erlaubt die Schlussfolgerung, dass Luther eventuell selbst für spätere kommentierende Tätigkeiten und eigene Textarbeit auf die Protokolle zurückgreifen wollte. Zum anderen kann die Dokumentation der Diskussionen des Wittenberger Kreises und insbesondere die Aufzeichnung von Äußerungen Luthers im weiteren Kontext der Dokumentationstätigkeit Rörers gesehen werden, mit der ein allgemeineres historiographisches Ziel verfolgt wurde:

16 Im Zentrum der Textdurchsicht stand bei der Psalterrevision 1531 die verbesserte Umsetzung des Bibeltextes ins Deutsche. Auf diese zielsprachlich orientierte Ausrichtung wird auch auf Basis verschiedener metasprachlicher Äußerungen Luthers und Rörers immer wieder hingewiesen (vgl. z. B. Reichert 1905: 15–16 = 1907: 111–112; Reichert 1911: XXII–XXIII, XLII–XLIV; Volz 1972: 88*; Michel 2014: 89).

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Michel (2012a: 34) benennt als Hauptmotiv für dieses langjährige systematische Sammeln und Mitschreiben Rörers die „gedächtnissichernde“ Funktion für die Geschichte der Wittenberger Reformation und bezogen auf Luther eine persönliche „Verehrung“ dessen Person. Es erstaunt nicht, dass die Protokollierung der Bibelrevisionen in diese längerfristige Dokumentation der Tätigkeiten des Wittenberger Kreises einbezogen wurde, da gerade die Lutherbibel und Arbeit an diesem Text exklusiv dieser Gruppe vorbehalten war und daher für die Selbstdarstellung und intendierte Außenwirkung eine wichtige identitätsstiftende Rolle spielte. 3. Zuletzt können regelmäßig wiederkehrende Passagen differenziert werden, in denen Äußerungen bzw. Werturteile Luthers über den Bibeltext, dessen Verstehbarkeit und die Textarbeit festgehalten sind. Hier zeigt sich wieder einmal mehr die Konzentration Rörers auf Äußerungen Luthers, die besonders im Fokus der längerfristigen Dokumentation standen.17 Die späteren Protokolle unterscheiden sich inhaltlich von denjenigen der Psalterrevision, da Bibeltext- und Glossenvarianten nun in Luthers Handexemplare der Deutschen Bibel eingetragen wurden, so dass in diesem Fall Protokoll und Notizen in den Bibelausgaben zusammen eine Rekonstruktion der Revision ermöglichen.18

3.3 Sprachliche Charakteristika der Protokolle Diese skizzierten inhaltlich-thematischen Aspekte der Protokolltexte haben unmittelbare Auswirkung auf Sprachenverwendung sowie sprachliche Strukturen; in methodischer Hinsicht bedingen sie bestimmte analytische Anforderungen. Zunächst wenden wir uns den intertextuellen Bezügen der Protokolltexte zu. In Entsprechung zu usuellen Praktiken des Kommentierens von Texten ordnet Rörer die protokollierten Inhalte den jeweiligen Bibelstellen zu, indem er den

17 So bemerkt beispielsweise auch Zschoch (2012: 128) im Zusammenhang mit Rörers Predigtnachschriften, „dass Rörer zunehmend daran lag, die ipsissima vox Luthers aufzuzeichnen“. 18 Da im Folgenden die Psalterrevision im Mittelpunkt der Betrachtung steht, soll hier auf die Unterschiede nicht weiter eingegangen werden. Reichert (1923: XXXVII) bezeichnet aber Luthers Handexemplar als „ein getreues Spiegelbild des Protokolls“. Ausgehend von der Schilderung bei Mathesius (vgl. 2) differenziert Reichert (1923: XXXVIIf.) bei den Eintragungen von Luthers und Rörers Hand unterschiedliche Phasen wie „Luthers persönliche Präparation“, „Durcharbeitung“ während der Sitzung und „Nacharbeit“.

 Multilingualität in den frühneuzeitlichen Protokollen zur Revision der Lutherbibel 

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Protokolltext mit Zitatwörtern des Bibeltextes verbindet, ohne diese jedoch graphisch auszuzeichnen. Als Textvorlagen fungierten bei der Psalterrevision 1531 die vorangehende deutsche Druckfassung des Psalters (= 21528) sowie die biblischen Grundtexte (Biblia Hebraica, griechische Septuaginta, lateinische Vulgata) (vgl. Reichert 1911: XLVf.). Die textuellen Veränderungen infolge der Durchsicht und entsprechend Zitatwörter der Lutherbibel in verschiedenen Ausgaben lassen sich durch einen Abgleich des bisherigen deutschen Bibeltextes (= Psalter 21528) mit der nachfolgenden Druckfassung (= Psalter 31531) identifizieren (vgl. Reichert 1905: 6–15 = 1907: 103–111).19 Da in lateinischen, bibeltextbezogenen Passagen der Protokolle der Vulgata-Text bzw. auch mittelalterliche Bibel-Kommentare zitiert sein können, ist für eine korrekte Einordnung lateinischer Textpassagen ein entsprechender Abgleich notwendig. Diese Vorarbeit stellt die Voraussetzung dafür dar, frei formulierte Inhalte der Protokolle von zitierten Abschnitten differenzieren zu können. Insgesamt ist hinsichtlich der intertextuellen Verweise wiederum eine große Variationsbreite zu beobachten, da die Zitate nicht immer auf die gleiche Textgrundlage zu beziehen sind. Dies soll anhand einer zusammenhängenden Protokollpassage demonstriert werden: Zu Beginn des kurzen Protokolls zu Ps 117 (vgl. Tab. 5, Bsp. 10) wird ohne syntaktische Einbettung und abgesetzt durch eine Virgel der Verweis auf den biblischen Referenztext mittels des Zitats „Gnade vnd warheit“ hergestellt. Der Abgleich mit den Texten ergibt, dass sich dieses Zitat auf die Lutherbibel in ihrer neu intendierten Textgestalt bezieht; der folgende zweisprachige Satz greift mittels Rekurrenz das Lexem „gnade“ erneut auf und bietet hierzu eine Textdeutung („gehet uber“ ʻauf etw. gerichtet sein, sich auf etwas beziehenʼ, s. v. FWB 6, Sp. 575f.), die lateinisch formuliert ist („gratiam remissionis“). Hier findet sich nun indirekt die Begründung für die Änderung des Übersetzungstextes: Gnade entspricht lat. gratia, jedoch ist dies über die Grundtexte nicht gestützt, denn die Vulgata bietet an entsprechender Stelle „misericordia“ ʻBarmherzigkeitʼ, was der bisherigen Übersetzung „guete“ besser entspricht. Die neue Übersetzung dagegen bietet eine Interpretation, worin Gottes misericordia / Güte besteht, nämlich in der ʻGnade der Sündenvergebungʼ („gratia remissionis“). Zugleich wird mit Gnade ein Zentralbegriff der lutherischen Rechtfertigungslehre („sola scriptura“ – „sola fide“ – „sola gratia“ – „solus Christus“)

19 Eine Hilfestellung bietet hierbei die WA: In der WA-Edition sind „Worte und Sätze, die als neuer Text aus dem Protokoll in den Psalter 1531 übergehen, gesperrt; dagegen sind die Worte des oft als Grundlage für die Besprechung zitierten Psalters von 1528 in „. . . . .“ gesetzt“ (vgl. Reichert 1911: XXVII). Eine vergleichende Synopse der unterschiedlichen Druckfassungen des Psalters findet sich in WA DB 10.1, 106–587.

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unmittelbar in die Psalmenübersetzung eingeführt. Das kurze Protokoll zu Ps 117 beinhaltet somit zwei Teile: eine einleitende deutsche Phrase, die als Bibelzitat (neu intendierter deutscher Bibeltext) identifiziert wurde, sowie einen frei formulierten, zweisprachigen deutsch-lateinischen Satz. Das sich unmittelbar anschließende Protokoll zu Ps 118,1 (vgl. Tab. 5, Bsp. 11) beginnt erneut mit einem Bibelzitat, wobei der Nebensatz „daz er ſo freundlich iſt“ nun jedoch die bisherige Textfassung der deutschen Psalmenübersetzung zitiert. Im Anschluss an das Zitat finden sich linear und interlinear verschiedene lexikalische Varianten mit thematischem Bezug zum Adjektiv freundlich, und zwar deutsche, lateinische und eine griechische; keine dieser fremdsprachigen Varianten zitiert dabei den lateinischen oder griechischen Grundtext, so dass hier von einer unabhängig formulierten dreisprachigen Synonymensammlung auszugehen ist. Die dem Vergleich der Druckfassungen zu entnehmenden Änderungen des deutschen Bibeltextes sind in diesem Fall im Protokoll nicht verankert. Tab. 5: Intertextualität und Textorganisation am Beispiel von Ps 117f. (Psalter-Revision 1531) intertextuelle Bezüge zu Drucktexten der dt. Psalterübersetzung

Protokoll zur Psalterrevision 1531

intertextuelle Bezüge zur lat. Vulgata (iuxta LXX / Hebr.)

Psalter 21528 Denn ſeyne guete vnd trewe waltet vber vns […]

(10)

quoniam confirmata est super nos misericordia eius et veritas Domini manet in seculum / quia confortata est super nos misericodia eius et veritas Domini in aeternum (Ps. 116,2)

→ Psalter 31531 Denn ſeine gnade vnd warheit waltet vber vns […] (Ps. 117,2)

(Psalterrevision 1531, ThULB Jena Ms.Bos.o.17n, Bl. 100v) CXVII Gnade vnd warheit / gnad ghet vber gram re–ſ . dʒ ander vber cetera beneficia / […] CXVII Gnade vnd warheit / gnad ghet vber gratiam remissionis ∙ daz ander vber cetera beneficia /

 Multilingualität in den frühneuzeitlichen Protokollen zur Revision der Lutherbibel 

intertextuelle Bezüge zu Drucktexten der dt. Psalterübersetzung

Protokoll zur Psalterrevision 1531

Psalter 21528 Danckt dem HERRN das er ſo freundlich iſt, Vnd ſeyne guete ewiglich weret.

(11)

→ Psalter 31531 DAncket dem HERRN, denn er iſt freundlich, Vnd ſeine guͤ te weret ewiglich. (Ps 118,1) Psalter 21528 […] Vnd der HERR erhoͤ ret mich ym weytem rawm. → Psalter 31531 […] Vnd der HERR erhoͤ ret mich, vnd troͤ ſtet mich. (Ps 118,5) Psalter 21528 Der HERR iſt mit myr, ich fuͤ rchte mich nicht, Was myr der menſch thut. Der HERR iſt mit myr, myr ʒu helffen […]

 233

intertextuelle Bezüge zur lat. Vulgata (iuxta LXX / Hebr.)

Confitemini Domino quoniam bonus quoniam in saeculum misericordia (Psalterrevision 1531, ThULB Jena Ms.Bos.o.17n, eius Bl. 100v) / Confitemini Domino […] CXVIII dʒ er ſo freund: iſt / quoniam bonus guteg comodus philantropus quoniam in aetersuauis XρΗSοs num misericordia eius CXVIII daz er ſo freundlich iſt / suavis χρηστος (Ps 117,2) guteg comodus philantropus

(12)

(Psalterrevision 1531, ThULB Jena Ms.Bos.o.17n, Bl. 101r) in latitudine / .\∙ vn̂ d troſtet mich /

[…] et exaudivit me in latitudinem Dominus / […] et exaudivit me in latitudine Dominus (Ps 117,5)

in latitudine / id est vnd troſtet mich /

Dominus mihi adiutor non timebo quid faciat mihi (Psalterrevision 1531, ThULB Jena Ms.Bos.o.17n, homo Dominus mihi Bl. 101r) adiutor […] […] mcm̓ in au̓xilm mj͡ / Was knn͡en / Dominus meus es mir die menſchen thu̓n / […] non timebo quid → Psalter 31531 faciat mihi homo Der HERR iſt mit mir, mecum in auxilium mihi / Was kunnen mir die Dominus mihi auxilidrumb fuͤ rchte ich mich menſchen thun / ator […] nicht, Was koͤ nnen mir (Ps 117, 6f.) menſchen thun? Der HERR iſt mit mir, mir ʒu helffen […] (Ps 118,6f.) (13)

234 

 Christine Ganslmayer

intertextuelle Bezüge zu Drucktexten der dt. Psalterübersetzung

Protokoll zur Psalterrevision 1531

Psalter 21528 Es iſt beſſer auff den HERRN trawen, Denn ſich verlaſſen auff fuͤ rſten.

(14)

→ Psalter 31531 Es iſt gut auff den HERRN trawen, Vnd nicht ſich verlaſſen auff Furſten. (Ps 118,9)

intertextuelle Bezüge zur lat. Vulgata (iuxta LXX / Hebr.)

bonum est sperare in Domino quam (Psalterrevision 1531, ThULB Jena Ms.Bos.o.17n, sperare in principibus Bl. 101r) / […] Negatiue reddidi Es iſt gủt melius est sperare in Domino quam aủff ︣ Vnd nicht ſich verlaſſen auff den Kaiſer / sperare in princi[…] pibus (Ps 117,9) Negative reddidi Es iſt gut auff etc. Vnd nicht ſich verlaſſen auff den Kaiſer /

Die sich wiederum direkt anschließende Protokollpassage bezieht sich erst auf Ps 118,5 (vgl. Tab. 5, Bsp. 12). Der Bezug ist nun durch das lateinische Lexem „latitudine“ ersichtlich, das den Vulgata-Text aufgreift, und zwar in der am hebräischen Grundtext orientierten Fassung. Dem lateinischen Zitatwort wird mittels der Abkürzung „id est“ der neu intendierte deutsche Text zugeordnet, wobei die neue Übersetzung im Unterschied zur bisherigen Fassung 21528 so frei ist, dass kein inhaltlicher Bezug zum Grundtext mehr erkennbar ist; das lateinische Zitatwort dient hier nur als Stellenanzeiger für die Zuordnung der intendierten deutschen Textänderung. In dieser Protokollpassage findet sich kein frei formulierter Text. Die sich erneut direkt anschließende Protokollpassage bezieht sich auf Ps 118,6f. (vgl. Tab. 5, Bsp. 13). Dieser Bezug wird eindeutig durch das deutsche Bibelzitat „Was kunnen mir die menſchen thun“ (Ps 118,6) hergestellt, das dem neu intendierten Text entspricht. Vorher stehen allerdings vier lateinische Wörter, die am ehesten als ad hoc formulierte, lateinische Rückübersetzung der deutschen Luther-Übersetzung zu Ps 118,7 aufzufassen sind, wie der Abgleich der Textvorlagen ergibt. Hier folgt das Protokoll im Ablauf also nicht vollständig dem Bibeltext. Auch diese Passage enthält keinen von den biblischen Textvorlagen unabhängig formulierten Text. Erst die sich wiederum direkt anschließende Protokollpassage zu Ps 118,9 beginnt mit einer frei formulierten lateinischen Äußerung „Negative reddidi“, die in der Ich-Form einen metasprachlichen Kommentar Luthers zu seinem neuen Übersetzungsvorschlag wiedergibt, der im Anschluss zitiert wird und im Unterschied zur bisherigen Fassung eine negative Formulierung bevorzugt, zugleich aber im Detail nicht vollständig mit dem neuen Drucktext (31531) übereinstimmt

 Multilingualität in den frühneuzeitlichen Protokollen zur Revision der Lutherbibel 

 235

und eine längerfristig nicht berücksichtigte Wortvariante „Kaiser“ beinhaltet. Die neue Übersetzung weicht im Übrigen vom hebräischen Grundtext stärker ab und übersetzt den in der griechischen Tradition verankerten Positiv anstelle des Komparativs. Die bislang skizzierten intertextuellen Bezüge waren für die Textorganisation der Protokolle von Belang. Daneben zeichnen sich die Protokolle durch weitere intertextuelle Bezüge aus (vgl. Tab. 6): Bezüge zum hebräischen Grundtext begegnen meist in der Form, dass einzelne hebräische Lexeme (i.d.R. geschrieben mit deutschen Buchstaben) zitiert, in ihrer Bedeutung mittels Wortgleichungen verifiziert und objektsprachlich thematisiert werden (vgl. Tab. 6, Bsp. 15). Der Bezug auf Ps 74,18 ist durch Rekurrenz auf den Versbeginn „So gedencke“ mittels „So dencke“ hergestellt; danach folgt mit „nabal“ (‫ נָבָל‬nābāl ʻtöricht, gottlos; Narr, Gottloserʼ) ein nominales Lexem des hebräischen Grundtextes, das dort in Verbindung mit ‫ עַם‬cam ʻVolkʼ belegt ist und im Deutschen adjektivisch oder substantivisch übersetzt werden kann. Dies erklärt im Kontext des Protokolls die zweite Wortgleichung zu „Nabal“. Über die Bedeutungsangabe hinaus wird in lateinischer Formulierung der affektive Stilwert des hebräischen Lexems thematisiert („plus est vocabulus affectus quam intellectus“) sowie eine deutsche Umschreibung der mittels „nabal“ charakterisierten Personengruppe geboten („die nichts achten wen sie schon klug sind“), wobei der Bezug im Protokoll durch eine gezogene Linie verdeutlicht ist und mit Markgraf Georg lateinisch ein Exemplum der aktuellen Zeitgeschichte angeführt wird. Im Kontext theologisch-exegetischer oder philologischer Ausführungen werden zur argumentativen Stützung mitunter andere Bibelstellen bzw. Verweise auf Autoritäten angeführt (vgl. Tab. 6, Bsp. 16, 17). Gelegentlich finden sich auch Bezüge zu bereits behandelten Psalmen; diese werden durch den lateinischen metakommunikativen Rückverweis supra eingeleitet und häufig mit aktuellen Übersetzungsentscheidungen parallelisiert bzw. kontrastiert, wie beispielsweise bei der Übersetzungskorrektur von Ps 78,48 in Analogie zu Ps 77,18 (vgl. Tab. 6, Bsp. 18). Eine Annäherung an die Textbedeutung im Übersetzungsprozess kann davon begleitet sein, dass deutsche Kollokationen, Phraseologismen oder Sprichwörter assoziiert werden; diese Funktionalisierung der deutschen Sprache geht über ein ausschließlich stilistisch motiviertes „Suchen nach dem treffenden Wort“ hinaus, wie es im Sinne einer stilistisch gelungenen, d. h. zielsprachlich ausgerichteten, deutschen Übersetzung zu erwarten ist; auf deutsche Idiomatik im Protokolltext wird oft mittels metakommunikativer lateinischer Phrasen verwiesen wie (nos) dicimus, germanice dicimus (vgl. u. a. Tab. 6, Bsp. 19).

236 

 Christine Ganslmayer

Tab. 6: Intertextualität in den Bibelrevisionsprotokollen (Psalter-Revision 1531) Intertextualität

Protokoll zur Psalterrevision 1531

– vgl. Psalter 1528 (Ps 74,18): So gedencke doch des […] – vgl. hebräischer Grundtext (Ps 74,18): ‫ וְעַם ׇנׇבל‬wǝc am nābāl ʻund ein törichtes Volkʼ

(15)

2

(Psalterrevision 1531, ThULB Jena Ms.Bos.o.17n, Bl. 66v) So dencke / nabal ein loſe volck / Nabal ein loſer menſch / pop / ſ–e ſapia / plus eſt vocabulus affects qm͂ intellectus / die nichts achtn wen ſie ſchon klug ſ–d Vt D G / Marchio So dencke / nabal ein loſe volck / Nabal ein loſer menſch / populus ſine ſapientia / plus eſt vocabulus affectus quam intellectus / die nichts achten wen ſie ſchon klug ſind Vt Dux Georgius / Marchio

– vgl. Psalter 21528 (Ps 76,5): Du biſt herlicher vnd prechtiger, denn die raube berge – vgl. Augustinus, de civitate dei IV, 4: Quam similia sint latrociniis regna absque iustitia. Remota itaque iustitia quid sunt regna nisi magna latrocinia? quia et latrocinia quid sunt nisi parua regna? – vgl. Kol. 1,5f.: […] im Euangelio / das ʒu euch komen iſt / wie auch jnn alle welt /

(16)

(Psalterrevision 1531, ThULB Jena Ms.Bos.o.17n, Bl. 68r) denn die raubeberge / p͡ montib / om̄ne –p eſt latro cm Ag qa ſt longa –peria q –͡ latroa / Denn die raubeberge / prae montibus / Omne imperium eſt latrocinium Augustinus quia ſunt longa imperia quasi latrocinia / (17)

(Psalterrevision 1531, ThULB Jena Ms.Bos.o.17n, Bl. 86v) Col .1. Er wirfft dʒ E ynn alle welt 7 winckel. Mā ſol E p̄ digen ʒu waſſer ʒu land / ym wald ︣ […] Er wirfft das Euangelium ynn alle welt (Col. 1) et winckel. Man ſol Euangelium predigen ʒu waſſer ʒu land / ym wald etc.

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Intertextualität

Protokoll zur Psalterrevision 1531

– vgl. Psalter 21528 (Ps 78,48): Da er yhr viech vbergab dem hagel, Vnd yhr herde den blitʒen. → Psalter 31531: Da er jr vieh ſchlug mit hagel, Vnd jr herde mit ſtralen. – vgl. Vulgata (Ps 77, 48): et tradidit grandini iumenta eorum et possessionem eorum igni

(18)

 237

(Psalterrevision 1531, ThULB Jena Ms.Bos.o.17n, Bl. 71v)

ſagitti ſup ͡ ps.͡ 77 . […]

[…] Bora fulgur / igneis

Bora fulgur / igneis ſagittis ſupra ps. 77 .

– vgl. Psalter 21528 (Ps 77,18): […] vnd deyne pfeyle furen her. → Psalter 31531: [… ] vnd die ſtralen furen da her. – vgl. Vulgata (Ps 76, 18): etenim sagittae tuae transeunt – vgl. Phraseologismus: ein nasen machen ʻEinem eine Nase machen, ihn tadeln, beschämen, ihm Vorwürfe machenʼ (Wander 3, 955, Nr. *200 mit Verweis auf Sebastian Franck: Sprichwörter […]. 2 Bde. Frankfurt a.M. 1541: Egenolff ) – vgl. hebräischer Grundtext (Ps 94,20): ‫ יׄצֵר עָמָל עֲל־חֹק‬joṣēr cāmāl cal-ḥ oq ʻschaffend Mühsal dem Gesetzʼ – vgl. Psalter 31531 (Ps 94,20): [… ] Der das geſetʒ vbel deutet.

(19)

(Psalterrevision 1531, ThULB Jena Ms.Bos.o.17n, Bl. 85r) […] Er macht dem geſetʒ e– –aſ– wie er will / der dem gesetʒ e– –aſ– –acht ∙ for–at legē no a lege for–atr / dici͡m ſchrifft hat ein naſen / jps͡ Amal for–at ſcriptu̓ra p ſuo arbio / der Gotts wort vbel deutet –acht yhm ein naſen / […] Er macht dem geſetʒ ein naſen wie er will / der dem gesetʒ ein naſen macht ∙ format legem non a lege formatur / dicimus ſchrifft hat ein naſen / jpse format ſcripturam pro ſuo arbitrio / der Gotts wort vbel (Amal) deutet macht yhm ein naſen

238 

 Christine Ganslmayer

Zwischenfazit Ausgehend von den präsentierten Beispielen und darüber hinaus sind für die Bibelrevisionsprotokolle in sprachlicher Hinsicht aus einer textlinguistischen Perspektive folgende Aspekte charakteristisch: – fehlende grammatische Kohäsion: Es liegen keine durchgängig kohäsiven Texte vor, sondern auf Bibelstellen bezogene, einzelne sprachliche Äußerungen, die sprachstrukturell aus Einzellexemen, Phrasen, einfachen oder komplexen Sätzen bestehen können, die mitunter von Anakoluthen geprägt sein können und bei denen häufig der lineare Textverlauf durch interlineare bzw. marginale, syntaktisch nicht integrierte Lexeme, Phraseme oder Sätze ergänzt sein kann (vgl. Beispiele hierzu in Tab. 2 bis 6). Eine besondere Rolle spielen Bibeltextvarianten, sei es infolge der mehrsprachigen Überlieferung der Bibel, sei es infolge der Übersetzungsarbeit während der Textdurchsicht. Bezogen auf frühneuhochdeutsche Übersetzungsalternativen haben die Protokolltexte Thesauruscharakter für frühneuhochdeutsche Sprachvarianten vor allem im Bereich der Lexik. In Konsequenz ist die semantische Textkohärenz für Rezipienten mitunter nur schwer, manchmal sogar nicht erfassbar. Zwar ist aus Perspektive des Textproduzenten Rörer sicherlich mit einer bewussten Textäußerung („Intentionalität“) und einem hohen Informationswert des Textes („Informativität“) zu rechnen, jedoch sind durch den Mitschrift- und Notizencharakter die Textpropositionen extrem verkürzt dargestellt, so dass die Rezeption erschwert ist bzw. exklusiv einer kleinen, informierten Gruppe vorbehalten bleibt. Diesen kryptischen Charakter, den Exemplare der Text­ sorte „Protokoll“ bis heute zeigen können (vgl. Möller & Rehling 2016: 257), bemerkten bereits die Editoren der WA (vgl. Reichert 1911: XXVII). Die teilweise bis zum Äußersten verknappte Darstellung ist formal durch die verwendete Abkürzungsschrift bedingt, gilt aber auch in textsemantischer Hinsicht. Die Verkürzung geht mitunter so weit, dass aus Rezipientenperspektive und somit auch aus Perspektive der heutigen Analyse die „Akzeptabilität“ des Textes in Frage steht, wenn man gängige Textualitätskriterien (vgl. Beaugrande & Dressler 1981) zugrunde legt. – hoher Grad an Intertextualität: Die besondere Textorganisation, also die Tatsache, dass die einzelnen Äußerungen jeweils auf Bibelstellen in Ausgaben unterschiedlicher Sprachen (Frühneuhochdeutsch, Latein) bezogen werden, führt zu einer hohen Zitatdichte im Text. An erster Stelle sind hier Bezüge zu der vorhergehenden und nachfolgenden Textfassung der Deutschen Bibel zu nennen. Daneben sind weitere intertextuelle Bezüge zu beobachten, die der speziellen Situation der Wittenberger Textdurchsicht geschuldet sind, da nicht nur manchmal die Vulgata, sondern häufig auch der hebräische und

 Multilingualität in den frühneuzeitlichen Protokollen zur Revision der Lutherbibel 

 239

gelegentlich der altgriechische biblische Grundtext einbezogen ist. Die sonstigen intertextuellen Bezüge sind weniger spezifisch und entsprechen dem Usus mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Zitierens bzw. Argumentierens. So sind häufig Äußerungen theologischer (z. B. Augustinus, Paulus, Nikolaus von Lyra) und antiker Autoritäten (z. B. Cicero, Cato maior de senectute; Cicero, ep. ad Atticum; Horaz, epist.; Platon; Aristoteles) teils mit konkretem Werkbezug in den Text integriert bzw. zur Stützung der Argumentation verwendet. Ebenso typisch ist die Einbindung biblischer Parallelstellen, teils mit Nennung der Stelle, teils ohne. – Mehrsprachigkeit: Die Bibelrevisionsprotokolle bzw. die einzelnen enthaltenen Äußerungen zeichnen sich dadurch aus, dass mehrere Sprachen in unterschiedlicher Funktionalisierung verwendet werden. Dabei dominieren die Sprachen Frühneuhochdeutsch und Latein, daneben begegnen aber auch Bibelhebräisch und seltener Altgriechisch. Wichtig scheint eine Differenzierung zwischen frei formulierten Äußerungen und solchen mit Zitatcharakter. Von besonderem Interesse sind Passagen, die das Phänomen des Codeswitchings zeigen, das im Folgenden näher betrachtet wird.

4 M  ultilingualität und Codeswitching in ausgewählten Protokollen (1531) 4.1 Begriffsklärung Der Begriff Codeswitching (CS) wurde im Rahmen soziolinguistischer Studien zu bi- bzw. multilingualen Sprechern entwickelt und erfuhr in den letzten Jahren terminologische Spezialisierungen, so dass mittlerweile zwischen einem weiten und engen Begriffsverständnis differenziert werden muss. Insbesondere wenn man sich mit Mehrsprachigkeit und Sprachwechselphänomenen aus einer historischen Perspektive beschäftigt, scheinen Begriffseinschränkungen jedoch wenig zielführend. Ohne Frage ist CS nicht an Zeit und Raum gebunden, sondern begegnet als „important discourse strategy throughout the history of many European nations“ (Schendl 2000: 77). Herbert Schendl definiert CS allgemein als „the change from one language (or variety) to another within one act of communication“ (Schendl 2000: 77) und spezifiziert den Begriff nicht inhaltlich, sondern situativ durch die Bindung des Sprachwechsels an einen einzelnen kommunikativen Akt. Diese weitgefasste soziopragmatische Definition eröffnet den notwendigen Raum, um diverse Phänomene einzubinden, wie sie begegnen, wenn man

240 

 Christine Ganslmayer

sich mit Reflexen von Mehrsprachigkeit im Rahmen historischer Texte befasst. Da historisches CS aus heutiger Perspektive nur noch in der Schriftlichkeit greifbar ist, variiert Kämmerer (2006: 16) die CS-Definition entsprechend: CS ist der bidirektionale Sprachwechsel, also der Gebrauch von Strukturen aus (mindestens) zwei verschiedenen Sprachen/ Varietäten (= Codes) eines Sprechers/ Schreibers innerhalb des gleichen Textes, d. h. auch innerhalb des gleichen Satzes (bzw. der gleichen Konstruktion).

Bezogen auf die Bibelrevisionsprotokolle erscheinen vor allem sprachstrukturelle Einschränkungen des CS-Begriffs schwierig, die der Analyse zwingend die sprachliche Einheit „Satz“ zugrunde legen. Denn infolge des mitunter stichpunktartigen Charakters der Protokolle erscheinen Phänomene des Sprachwechsels nicht ausschließlich satzbezogen (vgl. 3.3), und nicht immer kann eine Matrixsprache eindeutig identifiziert werden. Zielführend erscheint eine Annäherung an die Mehrsprachigkeit der Texte, die propositionsbezogen Funktionen der Sprachenverwendung und Sprachwechsel untersucht. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass die Propositionen strukturell satzbezogen geäußert werden, zugleich können aber auch Sprachwechsel in Form von Phrasen bzw. Lexemen in die Betrachtung integriert werden. Der vorliegenden Untersuchung liegt also im Anschluss an Schendl & Wright (2011: 23) ein CS-Begriff zugrunde, der unterschiedliche Formen des „language mixing“ subsumiert, und zwar mit Bullock & Toribio (2009: 2) „the insertion of single words“ ebenso wie „the alternation of languages for larger segments of discourse“. Außerdem werden satzbezogene CSPhänomene mit der auf Poplack (1980: 599–603) zurückgehenden Differenzierung zwischen „intra-sentential“ und „inter-sentential“ (vgl. Bullock & Toribio 2009: 3) berücksichtigt. Unter „intersententialem CS“ verstehe ich im Folgenden Wechsel an der Grenze von abgeschlossenen Ganzsätzen und unabhängigen (d. h. in einer syntaktisch-funktionalen Hinsicht von einem Matrixsatz nicht abhängigen) Teilsätzen, die jeweils verbale Kerne beinhalten; dagegen meint „intrasententiales CS“ Sprachwechsel innerhalb von Teilsätzen, d. h. zwischen, aber auch innerhalb der Konstituenten eines Satzes, wobei als Satzkonstituenten bzw. Teile von Satzkonstituenten auch abhängige Teilsätze begegnen können. Die Festlegung der Matrixsprache orientiert sich jeweils an der Sprache des Prädikats. Darüber hinaus werden einige Begriffe der älteren Sekundärliteratur übernommen, besonders von Stolt (1964), deren Studie in 4.6 für eine vergleichende Einordnung des eigenen Befunds herangezogen wird: Der Begriff „Einschaltung“ wird verwendet, wenn bei Sprachwechseln innerhalb eines Satzes nur einzelne Wörter „eingeschaltet“ sind. Auch im Hinblick auf eine Funktionalisierung der Sprachwechsel existieren ältere Termini von Stolt (1964), die sich gut auf meinen

 Multilingualität in den frühneuzeitlichen Protokollen zur Revision der Lutherbibel 

 241

Gegenstand übertragen lassen, wie „Terminologiezwang“, wenn CS dadurch ausgelöst wird, dass ein fachsprachlicher Terminus in einer Sprache etabliert ist, oder „Zitatzwang“, wenn CS im Zusammenhang mit originalsprachlichen Zitaten steht. Im Fokus steht die Frage, inwieweit in den Bibelrevisionsprotokollen formale und funktionale Muster des CS erkennbar sind. Von Interesse ist auch, inwiefern beschriebene sprachstrukturelle Restriktionen für CS zu beobachten sind und ob umgekehrt Schnittstellen hervortreten, an denen CS mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. Müller 2015: 179–202). Zweitrangig ist die komplexe Frage, inwiefern die Protokolltexte mündliches CS unmittelbar reflektieren. Da die Texte schriftlich überliefert sind, wird primär von historischem CS als einem Phänomen der geschriebenen Sprache ausgegangen (vgl. Schendl & Wright 2011: 27f.). Allerdings kann im Zusammenhang mit notierten Äußerungen Luthers mit einem höheren Authentizitätsgrad der Wiedergabe mündlicher Rede gerechnet werden (vgl. 3.2).

4.2 Untersuchungskorpus: Design und Multilingualität Für einen ersten systematischeren Zugang zur Sprachenverwendung in den Protokolltexten wurde für diesen Beitrag eine kleine Textgruppe aus der Psalterrevision 1531 ausgewählt. Wie bereits oben dargelegt (vgl. 2), unterscheiden sich die Protokolle in ihrem Charakter; der folgenden exemplarischen Untersuchung wurde die früheste erhaltene Dokumentation der Bibelrevision zugrunde gelegt, die unabhängig von Eintragungen in Handexemplare der Deutschen Bibel analysierbar ist. Um einen repräsentativen Querschnitt zu gewinnen, wurde das Protokoll zu jedem zehnten Psalm in das Untersuchungskorpus aufgenommen, so dass insgesamt Protokolle zu 15 Psalmen ausgewertet wurden. Diese Textauswahl gewährleistet, dass unterschiedliche Stadien dieser Revision berücksichtigt werden können. Der chronologische Ablauf der Psalterrevision wurde aus kirchenhistorischer Perspektive so weit wie möglich rekonstruiert. Reicherts Beobachtungen (1911: XXI–XXVI) wurden durch „quellenkritisch[e] Beobachtungen am Manuskript“ (Michel 2014: 97) im Rahmen eines DFG-Projekts (vgl. 1) im Detail korrigiert, im Wesentlichen aber bestätigt. Die Psalterrevision ist auf Mitte Januar bis 15. März 1531 terminiert. Reichert ging von „etwa 16, meist jedenfalls recht langen, eingehenden Sitzungen“ (Reichert 1911: XXII) aus,20 in denen alle Psalmen einer gründlichen Durchsicht unterzogen wurden. In Entsprechung zur Rekonstruktion der Sitzungen durch Reichert (1911: XXII, Tab.) und Michels

20 Michel (2014: 97) unterscheidet etwas detaillierter 22 Sitzungstage.

242 

 Christine Ganslmayer

Ergänzungen bzw. Korrekturen (2014: 97) sind die für die Analyse ausgewählten Texte in mindestens elf unterschiedlichen Sitzungen geschrieben und decken den gesamten Zeitraum der Revision ab (vgl. Tab. 7): Tab. 7: Datierung der analysierten Psalmenprotokolle 2. Drittel Januar 1531

Ps. 10, Ps. 20

29. Januar 1531

Ps. 30

31. Januar 1531

Ps. 40

01. Februar 1531

Ps. 50

zwischen 06. und 08. Februar 1531

Ps. 60

9. Februar 1531

Ps. 70

2. Hälfte Februar 1531

Ps. 80, Ps. 1110, Ps. 90

(8.?) März 1531

Ps. 100

10. März 153121

Ps. 2110

zwischen 11. und 14. März 1531

Ps. 120, Ps. 130

15. März 1531

Ps. 140, Ps. 150

Die analysierten Protokolle umfassen insgesamt 5544 Tokens. Wie Abb. 3 in absoluten Zahlen entnommen werden kann, schwankt die Tokengesamtzahl bei den einzelnen analysierten Texten extrem: Bei fünf Psalmen (Ps. 20, 70, 100, 130, 150) umfasst der Gesamttext weniger als 55 Tokens, bei fünf Psalmen (Ps. 10, 40, 60, 90, 110) mehr als 550 Tokens. Die Spannbreite reicht dabei von 28 Tokens (Ps. 100 und Ps. 130) bis zu 1146 Tokens (Ps. 90). Dieser unterschiedliche Textumfang ist der Länge des zu kommentierenden Psalms geschuldet, spiegelt vor allem aber Kommentierungsbedarf und Übersetzungsschwierigkeiten wider, indem bei einem Psalm nicht sämtliche Verse kommentiert sind, sondern ausgewählte. Jedenfalls kann davon ausgegangen werden, dass zwischen Textumfang im Protokoll und benötigter Besprechungszeit ein unmittelbarer Zusammenhang besteht.22

21 Ps. 110 wurde von der Revisionskommission zweimal in unterschiedlichen Sitzungen behandelt. 22 Entsprechend umfasst die Kommentierung zu Ps. 121, dem einzigen Psalm, bei dem keinerlei Änderungsbedarf erkannt wurde, lediglich 12 Tokens: „Der ghets fein fein hin durch, est primus, qui non fuerit correctus.“ (WA DB 3, 155).

 Multilingualität in den frühneuzeitlichen Protokollen zur Revision der Lutherbibel 

1400

 243

n = 5544

1200 1000 800

sonst. Tokens

600

lat. Tokens dte. Tokens

400 200

Ps. 150

Ps. 140

Ps. 130

Ps. 120

Ps. 110

Ps. 90

Ps. 100

Ps. 80

Ps. 70

Ps. 60

Ps. 50

Ps. 40

Ps. 30

Ps. 10

Ps. 20

0

Abb. 3: Textumfang und Sprachverteilung im Untersuchungskorpus

Bei sämtlichen Psalmen begegnen lateinische und deutsche Tokens gleichermaßen, wobei der Anteil der lateinischen Tokens insgesamt 46,0% beträgt sowie derjenige der deutschen 52,5%. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass bei lateinischen Texten u. a. wegen des fehlenden Artikels quantitativ generell mit einem geringeren Textumfang zu rechnen ist als bei deutschen. Insgesamt scheinen deutsche und lateinische Textanteile also relativ ausgeglichen. Auch hier kommt es jedoch im Einzelfall zu extremen Schwankungen: Bei elf Psalmen (Ps. 10, 30, 40, 50, 60, 90, 100, 120, 130, 140, 150) überwiegen die deutschen Textanteile, und zwar in der Regel deutlich, indem bei sieben Psalmen der deutsche Textanteil immerhin über 60% beträgt; dagegen sind es nur vier Psalmen (Ps. 20, 70, 80, 110) mit höherem lateinischen Textanteil. Am deutlichsten ausgeprägt ist das Verhältnis bei Ps. 150 mit 83% deutschem vs. 14% lateinischem Textanteil sowie Ps. 80 mit 32% deutschem vs. 67% lateinischem Textanteil, während Ps. 50 (52% dt. vs. 47% lat.) sowie Ps. 90 (51% dt. vs. 48% lat.) das ausgewogenste Verhältnis aufweisen. Insgesamt 0,2% (ges. 12 Tokens) beträgt der Anteil der jeweils in lateinischen Buchstaben geschriebenen hebräischen Tokens. Noch geringer ist der Anteil der ebenfalls vorwiegend in lateinischen Buchstaben geschriebenen griechischen Tokens (ges. 4 Tokens, 0,1%) sowie italienischen Tokens (ges. 3 Tokens, 0,1%).23

23 Der Anteil der sonstigen Tokens beträgt 1,2% (arabische bzw. römische Zahlen: 40 Tokens, Eigennamen zur Kennzeichnung von Diskussionsbeiträgen: 24 Tokens).

244 

 Christine Ganslmayer

Der Anteil der belegten Sprachen divergiert also, wobei eine deutliche Dominanz zugunsten deutscher und lateinischer Textpassagen beobachtet werden kann. Wie die quantitative Verteilung im Einzelnen zu erklären ist, kann eine qualitative Analyse erweisen.

4.3 Sprachliche Funktionalisierung im Untersuchungskorpus Es ist zu erkennen, dass Sprachwahl und Inhalt der Äußerungen zumindest teilweise korrelieren. Abb. 4 kann entnommen werden, dass Deutsch und Latein einerseits bei bestimmten Inhalten gleichermaßen Verwendung finden, dass aber andererseits beide Sprachen inhaltsbezogen auch spezifisch funktionalisiert sind. In Entsprechung hierzu kann situativ gebunden CS ausgelöst werden. Für die folgende Funktionszuweisung wurde das Psalmenkorpus vollständig ausgewertet, d. h. alle Tokens wurden einer der folgenden Kategorien zugeordnet. Mehrfachzuweisungen wurden vermieden, auch wenn zwischen manchen Kategorien fließende Übergänge bestehen. Die Kategorien sind unterschiedlich weit gefasst. Sie orientieren sich an den Inhalten der Protokolle (vgl. 3.2) und berücksichtigen weitere inhaltliche Aspekte, die einen Einfluss auf die Sprachwahl haben können. Es wird differenziert zwischen Passagen mit unmittelbarem Bezug auf den „Bibeltext“, „Phraseologismen“, die bei der zielsprachlich ausgerichteten Psalterrevision besonders fokussiert wurden, „sonstigen Zitaten“, frei formulierten, fachlichen „Erläuterungen“, fachlichen „Kommentaren“ direkt zum Bibeltext, meinungsbasierten Textpassagen, die „Bewertungen“ beinhalten, metasprachlichen Äußerungen („Metasprache“) und dem objektsprachlichen Gebrauch von Ausdrücken („Objektsprache“) (vgl. Abb. 4). 80%

Deutsch n = 2910

70% 60%

Latein n = 2550 Tokens

50% 40% 30% 20%

Abb. 4: Sprachliche Funktionalisierung: Deutsch vs. Latein

tsp ra ch e

Ob jek

ta sp ra ch e

Me

tu ng Be we r

nt ar me Ko m

te ru ng en

te

läu Er

Zit a

n ism e olo g

Ph

ra se

Bi be

0%

lte xt

10%

 Multilingualität in den frühneuzeitlichen Protokollen zur Revision der Lutherbibel 

 245

Ca. 20% der Gesamttokens beziehen sich inhaltlich direkt auf den Bibeltext. In diesem Bereich dominiert die deutsche Sprache deutlich: Nur 11% dieser unmittelbaren Referenz auf den Bibeltext sind lateinische Zitate aus der Vulgata (= 5% der lat. Tokens, vgl. Abb. 4), wie z. B.

„tota die“ accinguntur ad bellum (Psalter-Revision 1531 zu Ps. 140,3; WA DB 3: 161/13) (Hervorhebung des Vulgata-Zitats durch Anführungszeichen)

Mehrheitlich wird auf den Bibeltext deutsch rekurriert (= 35% der dt. Tokens, vgl. Abb. 4). Dabei ist zu unterscheiden zwischen Referenz auf den Bibeltext in der bislang vorliegenden Druckfassung 21528 (19% der deutschen Referenz auf den Bibeltext), in der intendierten neuen Fassung 31531 (40%) sowie alternativen Übersetzungsvorschlägen, die erwogen werden, jedoch keinen Eingang in die neue Druckfassung finden (41%), wie z. B.

So „werd ich ewig bleiben“, were nymmer mher darnidder liegen, fallen. (Psalter-Revision 1531 zu Ps. 30,7; WA DB 3: 21/19f.) (Hervorhebung Druckfassung 21528 durch Anführungszeichen, Druckfassung 31531 durch Unterstreichung, Übersetzungsvariante durch Unterpunkte)

An dieser Stelle ist auch zu erwähnen, dass sämtliche belegten hebräischen Lexeme Zitatwörter aus der Biblia Hebraica darstellen und an den bibeltextbezogenen Tokens insgesamt einen Anteil von 1% haben, wie z. B.24 „Yda“ hat trefflich viel variationes, ich bin schier keinem feinder. (Psalter-Revision 1531 zu Ps. 60,1; WA DB 3: 63/20) (Hervorhebung des hebräischen Zitatworts durch Anführungszeichen)

Die neuintendierte deutsche Fassung der Bibelübersetzung sollte stärker zielsprachlich ausgerichtet sein (vgl. 3.2). Dies wird unter anderem dadurch erreicht, dass deutsche Phraseologismen, Sprichwörter bzw. Kollokationen assoziiert und gelegentlich mit einer wörtlichen Übersetzung aus dem Hebräischen kontrastiert werden. Mitunter wird deutsche Idiomatik auch herangezogen, um den verstandenen Textsinn zu illustrieren. Der Anteil solcher deutschsprachiger Phraseologismen wurde separat erfasst und beträgt im Untersuchungskorpus 2% der Gesamttokens und 4% der deutschen Tokens; zur Einführung in den Text sind typische metasprachliche, meist lateinische Phrasen belegt:

24 Singulär ist außerdem ein Lexem der griechischen Septuaginta zitiert.

246 

 Christine Ganslmayer

dicimus nos (zu Ps. 60, WA DB 3: 64/2; zu Ps. 90, 115/19; zu Ps. 140, 161/21, 161/25), Nos dicimus (zu Ps. 110, 142/18), Germanus diceret (zu Ps. 90, 113/24), dicimus germanice (zu Ps. 90, 115/7), teutonice (zu Ps. 40, 38/14), sagen wir (zu Ps. 80, 102/23), ist deudsch (zu Ps. 120, 155/1)

Bezogen auf deutschsprachige Phraseologismen und Kollokationen haben die Bibelrevisionsprotokolle Thesauruscharakter, sie sind in den meisten der untersuchten Psalmen belegt:

Er gebe nicht ein heller umb Gott (zu Ps. 10, WA DB 3: 14/4f.); Unsers herr gotts sach lest er ym treck liegen (zu Ps. 10, 14/7f.); Hans mit dem kopff hindurch (zu Ps. 10, 14/9); und bescheissen die welt, ist als erlogen und erstuncken (zu Ps. 10, 14/19); du hast mir die ohren gewasschen, gerieben, greiniget, auffgeknöpflet (zu Ps. 40, 38/14f.); Er hat Silens ohren vel dicke ohren (zu Ps. 40, 38/15); das eim horen, sehen und alle krefften vergehet (zu Ps. 40, 39/3f.); Hans Hernach mus unser Herr Gott heissen (zu Ps. 50, 51/16f.); hast uns ein harten bissen und ein sauern trunck (zu Ps. 60, 63f./33f.); Ynn einen sauer apffel beissen (zu Ps. 60, 64/1); uber macht trincken (zu Ps. 60, 64/1); kanstu das kind nicht ungeheit lassen (zu Ps. 80, 101/24); Wie honest du mit honen (zu Ps. 80, 101/24f.); das uns unser nachtbarn zausen, zwacken berucken, reuffen (zu Ps. 80, 101/26f.); Jderman wil feuer bey uns holen, uns geheien (zu Ps. 80, 101/25); Der brand und schaden (zu Ps. 80; 102/23); Ein mensch kompt zu seim ende, wie er zum morgen kompt (zu Ps. 90, 113/29); es ist umb ein boses stundlin zu thun (zu Ps. 90, 114/26f.); man lebt so secure da hin ut &c. (zu Ps. 90, 115/7f.); ich wil im einbrocken (zu Ps. 110, 142/18); das sie der donner neun ellen ynn die erde schlage (zu Ps. 140, 161/21f.); Das sie der blitz und donner schlahe ynn die erden hin ein (zu Ps. 140, 161/25f.)

In den bisher skizzierten Fällen ist die Verwendung der deutschen Sprache sachlich durch den Übersetzungsbezug begründet. Dagegen fügt sich zu den Ergebnissen gegenwartssprachlicher Untersuchungen zu CS, dass L1 in emotionalen Kontexten präferiert wird (vgl. Gardner-Chloros 2009: 123f.). So sind bewertende Äußerungen Luthers zu Einzelversen bzw. ganzen Psalmen (3% der Gesamttokens) vorwiegend deutsch formuliert (86% dt. = 2,6% der dt. Tokens vs. 14% lat. = 0,4% der lat. Tokens). Typisch sind in diesem Zusammenhang nähesprachliche Merkmale wie Wertadjektive, Steigerungspartikeln, Kommentaradverbien, Interjektionen, Diminutiva u. a. (in den folgenden Belegen durch Unterstreichung hervorgehoben):

Jst ein seer harter psalm (zu Ps. 10, WA DB 3: 14/4); Sunt seltzam cogitationes domini (zu Ps. 40, 38/6); ists seer fein geben (zu Ps. 40, 38/16); gibt auch ein fein sententz (zu Ps. 40, 38/16f.); Certe ein starcke abrogatio (zu Ps. 40, 38/18f.); Das ist eitel sacrificium, das yhm gefellt (zu Ps. 40, 38/33f.); Ein feiner psalm (zu Ps. 40, 39/4f.); Dieser ist nicht schwer, aber starck ist er (zu Ps. 50, 50/27); Jst fein poetisch gemacht das ding (zu Ps. 50, 51/11f.); Es ist werlich ein starcker psalm, da komen die rechten vota (zu Ps. 50, 51/12f.); Der vers ist gut (zu Ps. 50, 51/23); ich bin schier keinem feinder (zu Ps. 60, 63/20f., bezogen auf ein hebrä-

 Multilingualität in den frühneuzeitlichen Protokollen zur Revision der Lutherbibel 

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isches Lexem); Jst auch ein ebentheurlein pselmichen (zu Ps. 60, 63/28); Der psalm ist ein ‚kleinot‘ fur sich (zu Ps. 60, 63/23f.), so wers bona sententia (zu Ps. 60, 64/12); Es sind starcke metaphorae (zu Ps. 60, 64/27f.); Hat ein fein cleusichen der psalm (zu Ps. 60, 64/29); Das ist ein seltzam ‚brod‘ (zu Ps. 80, 101/22); het ichs gern (zu Ps. 90, 114/9); Jch hab den vers ausdermassen gern hunc versum (zu Ps. 90, 115/34f.); Est brevis sed lustig (zu Ps. 100, 125/2); Ey wie kurz hat er das gefast (zu Ps, 100, 125/3f.); Insignis psalmus (zu Ps. 110, 140/20); Zu mal ein fein psalm, der rechten kern einer, von psalmis der heubt psalmen einer ut 2 (zu Ps. 110, 140/22f.); ist ein seer fein pselmichen (zu Ps. 110, 140/32); Er begreifft mher hic psalmus denn die welt begreifft (zu Ps. 110, 141/2f.); Sie haben den vers wol deponirt (zu Ps. 110, 141/22); Est communissimus psalmus et tamen nemo intellexit, ne verbum quidem (zu Ps. 110, 142/3f.); Es ist ein kostlich psalm (zu Ps. 110, 142/4); Es ist ein kraus pselmichen in den 3 versichen (zu Ps. 140, 161/31f.); Jch gleub das sie ein abenteurliche musicen gehabt haben, des ding viel durch ein ander (zu Ps. 150, 166/18-20)

Eine Domäne der lateinischen Sprache (3% der Gesamttokens, 7% der lat. Tokens) sind dagegen argumentationsstützende Zitate aus der Bibel sowie von antiken bzw. christlichen Autoritäten (vgl. 3.3). Diese sind mit Ausnahme eines einzelnen indirekten Zitats lateinisch belegt, wie folgende Beispiele in Auswahl demonstrieren:

In Mose: feci ei, ut cogitavit (zu Ps. 10, WA DB 3: 13/29); Extollitur 2. Thes. 2 (zu Ps. 10, 14/5); Paulus vocat: ‚hoc agonizo‘ (zu Ps. 10, 14/10); ut ps. 17 (zu Ps. 10, 14/34); In Zacharia: ‚Iudicatur omnis fur et omnis Iurans‘ (zu Ps. 50, 51/18f.); Ut supra: muta columba (zu Ps. 60, 63/23, bezogen auf Ps. 56,1), Cerva aurorae (zu Ps. 60, 63/23, bezogen auf Ps. 22,1); ‚Sermo durus‘ In Iohanne (zu Ps. 60, 63/32f.); Alibi: omnis sapientia eorum devorata, Esaia (zu Ps. 60, 64/3f.); Prover. 22 sthets auch ut ostenderem tibi firmitatem (zu Ps. 60, 64/zu 10); Micha: Sicut ros a domino, generantur tui filii, divina nativitas tanquam res sine manu cadit (zu Ps. 110, 103/29f.); Sic in Iob: subito et rursum conversus (zu Ps. 90, 113/22f.); Causam peccati philosophi dicunt esse natura, de Senectute Cicero (zu Ps. 90, 114/7f.); Et velut emissum semel irremeabile verbum (zu Ps. 90, 114/zu 29, nach Horaz, Epist. I,18,71); Micha propheta exponit pulcherrime: ‚Erunt reliquiae‘ (zu Ps. 110; 141/10); Micha exposuit: ‚Erunt reliquiae tanquam ros a domino‘ &c. (zu Ps. 110, 141/24f.); Hoc est optimum argumentum Epistulae ad Ebraeos: Melchizedech est aeternus sacerdos secundum scripturas (zu Ps. 110, 141f./34f.); Secundum Lyranum haben sie die 15 psalmen gesungen die pfaffen, wenn sie die treppen hin an gangen sind in quolibet gradu unum. Es sey signum intonationis (zu Ps. 120, 154/27–29); Supra 7. ps. (zu Ps. 140, 161/18)

Vorrangig bestehen die Protokolle mit einem Anteil von fast 60% der Gesamttokens aus inhaltlichen Erläuterungen des Bibeltextes, Paraphrasierungen und Diskussionen zum Verständnis einzelner Verse auf Basis der Textüberlieferung, inklusive argumentativer Passagen. In diesem Bereich wird Latein mit einem Anteil von 57% (73% der lat. Tokens) in höherem Ausmaß verwendet als Deutsch mit einem Anteil von 43% (49% der dt. Tokens). Das Phänomen des CS begegnet hier besonders häufig, wie z. B. im folgenden Beispiel:

248 

 Christine Ganslmayer

Emphasis est in „parturire“ et „nasci“, das unser h⌊err g⌊ott ist kein zimerman ist [sic!], der ex praeiacenti ma⌊teria etwas mache. (zu Ps. 90; WA DB 3: 113/15–17)

Der hier lateinisch aufgegriffene Bibeltext (im Beispiel in Anführungszeichen, vgl. Vulgata Ps. 89,2: antequam montes nascerentur et parturiretur terra et orbis) wird als emphatisch ausgelegt (lat.-griech. Fachterminus Emphasis), die nähere Erläuterung erfolgt auf Deutsch mit einer eingeschalteten lateinischen Präpositionalphrase. Unter „Emphasis“ ist zu verstehen, dass ein „Wort weiteren Bedeutungsumfangs“ kontextuell „einen geringeren Bedeutungsumfang mit präzisierendem Bedeutungsinhalt“ erhält, so dass „die verstandene Formulierung selbst“ „an Dichte“ gewinnt (Lausberg 2008: 450f.). Die Feststellung eines solchen Tropus erfordert entsprechend eine analytische Begründung, die in einem kausalen dass-Satz (vgl. FWB 5.1, Sp. 246f., s. v. das 5) erfolgt. Die eingeschaltete lateinische Präpositionalphrase ex praeiacenti materia greift als unmarkiertes Zitat theologische, schöpfungstheoretische Gedanken in scholastischer Tradition (Thomas von Aquin) auf25 und hat durch den indirekten Bezug auf Autoritäten argumentativstützende Funktion. Während der lateinische Beginn des Satzes durch Terminologie- und Zitatzwang erklärt werden kann, erfolgt der Wechsel zum Deutschen ohne erkennbaren Grund. Dagegen scheint der erneute Sprachwechsel durch die eingeschobene Präpositionalphrase wiederum durch Zitatzwang motiviert. Das skizzierte Beispiel ist insofern typisch, da die belegten Sprachwechsel teils motiviert, teils unmotiviert erscheinen. Beziehen sich die Ausführungen unmittelbar auf belegte Textwörter, so sind diese objektsprachlich gebraucht; thematisiert werden sowohl deutsche als auch lateinische (und hebräische) Lexeme (in den folgenden Beispielen jeweils durch Anführungszeichen hervorgehoben). Gegebenenfalls kann durch objektsprachlichen Gebrauch intrasententiales CS ausgelöst sein:

Es mus „culpaliter“ hie sthen (zu Ps. 10, WA DB 3: 13/22) „So hilfft“ hebt nu oratio an. (zu Ps. 60, 64/19) „El“ wil ich gar hinten setzen (zu Ps. 50, 50/28f.)

Regelmäßig wird CS vom Deutschen ins Lateinische durch Terminologiezwang ausgelöst. Die belegten lateinischen Fachtermini sind vorwiegend dem Bereich der lexikalischen Semantik und Stilistik zuzuordnen:

25 Vgl. „Secundum etiam eos qui ponunt caelestia corpora ex natura quatuor elementorum, nulla difficultas accidit, quia potest dici quod sunt formata ex praeiacenti materia, sicut animalia et plantae.” (Thomas von Aquin, Summa Theologiae. Prima Pars, Quaestio 70, Articulus 1, Hervorhebung C.G.).

 Multilingualität in den frühneuzeitlichen Protokollen zur Revision der Lutherbibel 

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Jch wils proprie nhemen (zu Ps. 10, WA DB 3: 13/32); alle significationes komen uber ein (zu Ps. 10, 14/zu 11); „Deine ged⌊ancken“ ist obscure geredt (zu Ps. 40, 38/3); „Confusio“ wolt ich gern passive ⌈non active⌉ ⌈haben⌉ (zu Ps. 40, 39/10); „El“ wil ich gar hinten setzen histeron proteron (zu Ps. 50, 50/28f.); so wers bona sententia (zu Ps. 60, 64/12); „Yda“ hat trefflich viel variationes (zu Ps. 60, 63/20); „So hilfft“ hebt nu oratio an (zu Ps. 60, 64/19); Nu ghet prophetia an (zu Ps. 60, 64/19f.); Es ist so obscure geredt &c. (zu Ps. 60, 64/23); Es sind starcke metaphorae (zu Ps. 60, 64/27f.); hie stets neutraliter (90; 113/27); Das ist similitudo. Sind similitudines (zu Ps. 90, 113/32 und zu 32); „Verdorret“ ist gradatio (zu Ps. 90; 113/36); Somnus, fluvius, herba ist die similitudo (zu Ps. 90, 114/3f.); Der sol bringen affectus (zu Ps. 90, 115/11); Hat zweierley alleg⌊orias in ein ander flochten (zu Ps. 110, 141/6f.); Das ist sententia gar und allegoria. (zu Ps. 110, 141/11); Es mus similitudo sein (zu Ps. 110, 141/28)

Generell dominiert im metasprachlichen Bereich die Verwendung der lateinischen Sprache (64%), so dass griechisch-lateinische Fachtermini der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Textexegese und Philologie häufig in rein lateinischen Kontexten belegt sind. Wesentlich seltener begegnen deutsche sprachbezogene Termini: Latein: active, adverbialiter, allegoria (4), anadiplosis, antithesis (3), emphasis (4) / emphaticus (1), epiphonema (3), figura (1) / figurate (1), gradatio (1), histeron proteron (2), komma, metaphora, obscure (2), oratio (4), periphrasis, passive, poema, praesens ʻPräsensʼ, prophetia (2), proprie (4), psalmus (2; ohne Abkürzung), sententia (7), significare (10) / signification / significative, similitudo (6), substantive, translatio, variatio ʻBedeutungsvarianteʼ, verbum (4), versus (5) Deutsch: cleusichen ʻKlausel (Dim.)ʼ, fabel (2), gedicht, heisen (4), ligen (2), meinen (6), merlin ʻMärchenʼ (2), poetisch, psalm (7) / pselmichen (3), sententz, vers (4) / versichen, wortlin

Verhältnismäßig häufig sind metasprachliche Bemerkungen zum Hebräischen protokolliert. Thematisiert werden in diesem Zusammenhang Aspekte der Wortbedeutung, der Stilistik sowie vom Deutschen abweichende Sprachstrukturen wie die Figura etymologica:

Eb⌊raeus hat yhn fein describirt (zu Ps. 10, WA DB 3: 14/10); Sunt allusiones in Eb⌊raeo divertentes ad memoriam (zu Ps. 40, 38/1); „Yda“ hat trefflich viel variationes, ich bin schier keinem feinder (zu Ps. 60, 63/20); Apud eos ist figura, fuit communis (zu Ps. 60, 64/6); wenn das „miphne“ nicht da were, dicit, das […] (zu Ps. 60, 64/15f.); Quando duo verba in Eb⌊raeo, semper alterum adverbialiter exponi debet (zu Ps. 70; 81/8f.); Eb⌊raeis „gras“ und „heu“ ein ding (zu Ps. 90, 113/33f.); dicendo ist aussen et est Eb⌊raismus (zu Ps. 110, 140/15f.); Ein trunck trincken est pati apud Eb⌊raeos (zu Ps. 110, 142/17)

Während metakommunikative Rückverweise mittels (ut) supra, vide supra, supra dixerat, ut …, ebenfalls lateinisch formuliert sind, ist in metasprachlichen Äußerungen, die sich unmittelbar auf Textbeobachtungen beim Vorgang des Übersetzens beziehen, häufiger Deutsch verwendet. Die in diesem Kontext belegten For-

250 

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mulierungen erwecken den Eindruck der unmittelbaren Wiedergabe spontaner mündlicher Äußerungen:

Da sthen 3 gotter (zu Ps. 50, WA DB 3: 50/27); „El“ wil ich gar hinten setzen histeron proteron (zu Ps. 50, 50/28f.); ⌈Das⌉ 1. praeceptum da gehoren die „vota“ hin (zu Ps. 50, 51/8f.); da lass bey bleiben (zu Ps. 50, 51/10); die ij peccata lege, credo, zus⌊amen (zu Ps. 50, 51/19); So mustus verstehen, v⌊ult d⌊icere das […] (zu Ps. 60, 64/11); wenn das „miphne“ nicht da were, dicit, das […] (zu Ps. 60, 64/15f.); Wolt gern, das Christi wer duricies, ut supra: fecisti „populo tuo dura“ (zu Ps. 60, 64/12f.); Si servamus istam sententiam, so mus wirs so machen, das iene sind gewesen (zu Ps. 60, 64/13f.); Ibi sol ein ander vers an gehen (zu Ps. 60, 64/19); das „rursum“ da stunde (zu Ps. 90, 113/21); hie stets neutraliter (zu Ps. 90, 113/27); Es kompt hoc nach et exponit se: „quia peccatum nostrum“ (zu Ps. 90, 114/13); Phil⌊ippus voluit, ut referatur ad […] (zu Ps. 90, 114/33); Ibi kompts widderumb (zu Ps. 90, 115/4); das ists gar (zu Ps. 90, 115/29); Jst mher denn gnedig, freundlich suavis (zu Ps. 90, 115/36f.); Adductio, repetitur verbum sed minori emphasi, ut affectus sit maior und das ist vice Amen (zu Ps. 90, 115/37, 116/1); „Ex utero“ aurorae luciferi ego libentius haberem „temporis“ (zu Ps. 110, 141/5f.); Similitudinem cum allegoria hat er in ein ander geworffen (zu Ps. 110, 141/13f.); ⌈das gibt „matricem“ mit⌉ (110; 141/30); „wie Melchisedech“, Ut distinguatur (zu Ps. 110, 141/31); Jch ⌈D. M.⌉ hab die speculatio auff „In aeternum“ (zu Ps. 110, 141/32f.); Das sthet vor da (zu Ps. 110, 142/3); es ist nicht „custodire“ ⌈observare⌉ sed „servare“ (zu Ps. 130, 157/22); Respicit ad […] (140; 161/23)

4.4 Sprachwechsel im Untersuchungskorpus Die skizzierten Beispiele haben bereits gezeigt, dass sehr viele Sprachwechsel in den untersuchten Protokollen belegt sind: Insgesamt begegnen bei 5544 Tokens 870 Sprachwechsel, wobei die Wechsel zwischen Latein und Deutsch bei Weitem dominieren (vgl. Tab. 8 in absoluten Zahlen). Tab. 8: Sprachwechsel im Untersuchungskorpus Latein → Deutsch

420

Deutsch → Latein

417

Hebräisch → Deutsch

7

Latein → Hebräisch

6

Hebräisch → Latein

5

Deutsch → Hebräisch

5

Deutsch → Griechisch

3

Griechisch → Deutsch

3

 Multilingualität in den frühneuzeitlichen Protokollen zur Revision der Lutherbibel 

Latein → Griechisch

1

Griechisch → Latein

1

Latein → Italienisch26

1

Italienisch → Latein

1

 251

Die Sprachwechsel erfolgen in unterschiedlicher Frequenz, d. h. eine Sprache kann über eine längere Passage beibehalten sein; umgekehrt kann auch lediglich ein Einzellexem eingeschaltet sein, wie anhand des kurzen Gesamtprotokolls zu Ps. 20 ersichtlich wird, bei dem lexembezogen folgende Wechsel belegt sind: 3 dt. – 1 lat. – 2 dt. – 9 lat. – 3 dt. – 2 lat. – 7 dt. – 10 lat. – 3 dt.

Er wil das verbum stets behalten Communis oratio pro Rege. Insultabimus ⌈ovatio⌉, quia tu animas. „Das heil seiner“: ⌈i. e.⌉ seine rechte ⌈hand⌉ hilfft gewaltiglich, ⌈mechtiglich⌉. „Gedencken“ praedicare, benedicere ut Christus in coena. Epiphonema: Rex deus, tu bist der konig. (zu Ps. 20; WA DB 3: 8/28–31)

Im Verhältnis zum jeweiligen Gesamtumfang der untersuchten Protokolle (vgl. Abb. 5) begegnen die meisten Sprachwechsel in den Kurzprotokollen zu Ps. 100 und 130, wo jeweils sechs Sprachwechsel bei je 28 Tokens belegt sind. Die geringste Zahl an Sprachwechseln weist das Protokoll zu Ps. 80 auf (25 Sprachwechsel bei 417 Tokens). 25 20 15 10

Ps. 150

Ps. 140

Ps. 130

Ps. 120

Ps. 110

Ps. 100

Ps. 90

Ps. 80

Ps. 70

Ps. 60

Ps. 50

Ps. 40

Ps. 30

Ps. 20

0

Ps. 10

5

Abb. 5: Frequenz der Sprachwechsel (Verhältnis Sprachwechsel : Tokens pro Protokoll, multipliziert mit dem Faktor 100)

26 Die bislang nicht erwähnten Sprachwechsel Deutsch-Italienisch und Italienisch-Deutsch sind singulär im Zusammenhang mit einem italienischen Dante-Zitat zur Illustration einer Stilfigur belegt.

252 

 Christine Ganslmayer

4.5 Formen des Codeswitchings im Untersuchungskorpus In sprachstruktureller Hinsicht begegnen die Sprachwechsel lexem- und phrasenbezogen außerhalb einer Satzstruktur mit Prädikat (Bsp. 1) ebenso wie satzbezogen, und zwar intersentential mit einem Wechsel zwischen je einsprachigen Ganzsätzen (Bsp. 2) bzw. koordinierten Teilsätzen (Bsp. 3) oder intrasentential mit satzinternen Sprachwechseln (Bsp. 4). Zu beachten ist, dass eine eindeutige Differenzierung zwischen (2) und (3) nicht immer möglich ist, da in der WA-Edition die Interpunktion modernisiert ist und Rörer die Interpunktion nicht zwingend an Satzgrenzen orientiert, wie ein Vergleich zwischen Edition und Handschrift zeigt: (1) Der schone, helle glantz, perfectus decor scil. verbi. (zu Ps. 50, WA DB 3: 51/1f.) der schone / helle / glantz / perfectus decor / scil verbi. (vgl. ThULB Jena Ms.Bos.o.17n, Bl. 38v) (2) Ein feiner psalm. Supra dixit, quod praecep⌊ta domini, et iam conqueritur de peccatis suis. Jch hab kein hertz mher, mein hertz ist da hin, mein hertz ist verzagt. (zu Ps. 40, WA DB 3: 39/4–7) Ein feiner psalm / Supra dixit quod praecep⌊ta domini et iam conqueritur de peccatis suis / Jch hab kein hertz mher / mein hertz ist da hin / mein hertz ist verzagt / (vgl. ThULB Jena Ms.Bos.o.17n, Bl. 30r) (3) Iam petit remis⌊sionem peccati, tum cessat ira et mors, das ists gar. (zu Ps. 90, WA DB 3: 115/28f.) Iam petit remis⌊sionem peccati tum cessat ira et mors das ists gar / (vgl. ThULB Jena Ms.Bos.o.17n, Bl. 81v) (4) Cognitio peccati ist auch ein donum. (zu Ps. 90, WA DB 3: 115/9) Cognitio peccati ist auch ein donum / (vgl. ThULB Jena Ms.Bos.o.17n, Bl. 81v)

Insgesamt ist in den Bibelrevisionsprotokollen 1531 lexem- und phrasenbezogenes bzw. intersententiales CS mit Sprachwechseln außerhalb der Satzgrenze (vgl. Bsp. 1–3) wesentlich frequenter belegt als intrasententiales CS (vgl. Bsp. 4). Sehr häufig beginnen mehrsprachige Passagen dabei ohne eigentliche Satzstruktur, indem der Bibeltext (in den folgenden Beispielen in Anführungszeichen) durch mehrsprachige Synonymenreihen und Phrasen verdeutlicht und anschließend in Satzform erklärt wird, wobei derartige Erklärungen oft durch metasprachliche Phrasen wie vult dicere oder vult significare eingeleitet sind, wie z. B. „Vir linguae“ „ein wesscher“, mendax, hypocrita, hat nicht bonam famam, Ein unnutzer speier. V⌊ult d⌊icere: Dediti ⌈sunt⌉ linguae ad nocendum, detractores ⌈ein orhenbleser⌉. Supra: labor labiorum. (zu Ps. 140, WA DB 3: 161/29–31)

 Multilingualität in den frühneuzeitlichen Protokollen zur Revision der Lutherbibel 

 253

Die Reihung im Rahmen von Erläuterungen – mitunter auch zusätzlich interlinear bzw. marginal – ist typisch, wobei die Einzellexeme bzw. Phrasen asyndetisch bzw. syndetisch mittels der identifizierenden lateinischen Abkürzung i. e. (id est) koordiniert sind, wie z. B.

„Bruche“, iamer, schaden i. e. die so ⌈interlinear: „zustossen” i. e. zerschellet⌉ darnidderligt. [marginal: depressa, inclinata] (zu Ps. 60, WA DB 3: 63/30 und zu 30)



Es wird ein mysterium yrgend haben sub lingua i. e. sub ministerio eius et qui sub lingua eius sunt i. e. audiunt eius linguam. (zu Ps. 10, WA DB 3: 14/21–23)

Insgesamt ist lat. i. e. in den untersuchten Protokollen 43mal belegt, und zwar 13mal zur Verbindung einer lat. Phrase mit einer lat., je 11mal zur Verbindung dt.-dt. und dt.-lat. sowie 8mal zwischen einer lat. und einer dt. Phrase. Dass durch i. e. CS ausgelöst wird, lässt sich demnach nicht erkennen. Da für einen sprecher- und kompetenzorientierten Zugang zu CS dem Phänomen des intrasententialen CS besonderes Gewicht beigemessen wird, sollen abschließend die grammatischen Schnittstellen bei intrasententialem CS näher betrachtet werden (vgl. Tab. 9 in absoluten Zahlen). Bei der folgenden Analyse orientiert sich die Festlegung der Matrixsprache an der Sprache des Prädikats. Tab. 9: Intrasententiales CS im Untersuchungskorpus (Falltypen; absolute Zahlen) Lat. → Dt.

Dt. → Lat.

Substantiv

Vides, quae sit „spanrosen“ 3 (Ps. 80, WA DB 3: 102/6); „kolen“ vocant ignem lucentem ad sensum (Ps. 120, WA DB 3: 155/2)

[sie] flechten mit yhren consiliis (Ps. 10, WA DB 3: 13/24); da komen die rechten vota. (Ps. 50, WA DB 3: 51/13); „duricies“ wer hie feiner denn „veritas“ (Ps. 60, WA DB 3: 64/8); Das ist sententia gar und allegoria. (Ps. 110, WA DB 3: 141/11)

66

Adjektiv

Sunt seltzam cogitationes domini (Ps. 40, WA DB 3: 38/6); Est brevis sed lustig (Ps. 100, WA DB 3: 125/2)

4

das ir hertz ist certum (Ps. 10, WA DB 3: 15/3)

1

Adverb

tamen endlich mansit. (Ps. 30, WA DB 3: 21/13)

1

Es mus „culpaliter“ hie sthen (Ps. 10, WA DB 3: 13/22); Jch wils proprie nhemen. (Ps. 10, WA DB 3: 13/32); Ibi sol ein ander vers an gehen. (Ps. 60, WA DB 3: 64/19)

17

254 

 Christine Ganslmayer

Lat. → Dt.

Dt. → Lat. Er hat Silens ohren vel dicke ohren. (Ps. 40, WA DB 3: 38/15); des andern freuet er sich nicht so gros ut des (Ps. 60, WA DB 3: 64/22); Wenn gleich konig mechtig und gewaltig sind, tamen ist eitel molestia ⌈miseria⌉. (Ps. 90, WA DB 3: 114/31f.)

7

Morgens bluets und bald darnach verwelckts, quando sonn drauff sticht (Ps. 90, WA DB 3: 113/35f.); quod unser tag zelt ist, gezalen sind. (Ps. 90, WA DB 3: 115/13)

5

Relativpronomen

Supra ists hominum gewest, qui einen uberfallen, (Ps. 40, WA DB 3: 37/27)

3

koordinierte Substantive

Wolten gern ein reg⌊num et sacerdotium haben, da hilff. (Ps. 90, WA DB 3: 116/4)

1

Konjunktion/ Konjunktionaladverb

Subjunktion/ Relativadverb

Nemo nisi pii, da nemo suscepisset gentium. (Ps. 80, WA DB 3: 102/4f.)

1

NP-Subjekt

„dein volck“ nascetur. (Ps. 110, WA DB 3: 103/31)

4

praedicatio verbi ist sacrificium novi testa⌊menti. (Ps. 40, WA DB 3: 38/17f.); Ego bin im abhauen. (Ps. 90, WA DB 3: 114/3)

16

NP-Objekt

dedisti nobis ein trunck (Ps. 60, WA DB 3: 64/2f.); Comparatur vita nostra eim merlin (Ps. 90, WA DB 3: 114/29f.)

4

kan nichts denn dolos, mendacia doct⌊rinae, eitel lugen leren (Ps. 10, WA DB 3: 14/18f.); hat nicht bonam famam, (Ps. 140, WA DB 3: 161/29f.)

7

Es sol laudare et praedicare heissen. (Ps. 40, WA DB 3: 38/34); Das ist meditatio mortis sapientium. (Ps. 90, WA DB 3: 115/14)

15

handelt trotzig, stoltzigklich ⌈keck⌉ ut d. Eck, G⌊eorgius d⌊ux. (Ps. 10, WA DB 3: 14/14f.)

6

sonstige NP

Episcopi habens sua sapientia nicht erhalten (Ps. 110, WA DB 3: 141/3f.)

2

PP-Objekt

Er ist de passione. (Ps. 110, WA DB 3: 142/19)

3

NP-Prädikativ

NP-Vergleich



 Multilingualität in den frühneuzeitlichen Protokollen zur Revision der Lutherbibel 

Lat. → Dt.

 255

Dt. → Lat.

sonstige PP

seducit animas umbs gelt. (Ps. 10, WA DB 3: 14/20)

3

Objektsatz

et si vident, das wirs von einem leiden, (Ps. 80, WA DB 3: 101/25f.)

15

Prover. 22 sthets auch ut ostenderem tibi firmitatem (Ps. 60, WA DB 3: 64/ zu 10)

1

Adverbialsatz

Sunt merae fidei experientiae, das anders ghet dens schien. (Ps. 40, WA DB 3: 39/16f.); „Erunt reliquiae tanquam ros a domino“ &c.., da kein mensch nicht zuthut. (Ps. 110, WA DB 3: 141/24f.)

9

Aus der gruben ubi erat periculum (Ps. 40, WA DB 3: 37/26); Er wird auch ubers maul druber geschlagen, quod praedicare vult, (Ps. 40, WA DB 3: 38/30f.); Si servamus istam sententiam, so mus wirs so machen, das iene sind gewesen. (Ps. 60, WA DB 3: 64/13f.)

9

Relativsatz

Regnum et sacerdotium, das wir fur haben. (Ps. 90, WA DB 3: 116/3f.)

1

Sie haben anschlege, quib⌊us opprimant eos (Ps. 10, WA DB 3: 13/25)

3

mehrere Elemente

v⌊ult da von predigen, aber sie ⌈sind⌉ nicht zu zelen. (Ps. 40, WA DB 3: 38/12f.)

1

quod diab⌊olus werd ⌈yhn⌉ hin furen, (Ps. 10, WA DB 3: 13/31); Tempora labuntur et tamen homo sols nicht mercken. (Ps. 90, WA DB 3: 113/30f.); Similitudinem cum allegoria hat er in ein ander geworffen. (Ps. 110, WA DB 3: 141/13); Er wil etwas seltzams sagen, macht longam praefationem in hoc ps⌊almo. (Ps. 40, WA DB 3: 38/2); Er wil sein volck ein mal samlen vel arguere propter impietatem. (Ps. 50, WA DB 3: 51/4f.)

Total

46

er acht yhrer nicht gros cum summa 13 confidentia (Ps. 10, WA DB 3: 14/13f.); In die passionis tuae wirstu dich mussen leiden. (Ps. 110, WA DB 3: 140/21)

17

192

Insgesamt sind im Untersuchungskorpus 238 Fälle von intrasententialem CS zwischen Deutsch und Latein belegt. In Relation zu den Sprachwechseln zwischen Deutsch und Latein (vgl. Tab. 8) beträgt der Anteil des satzinternen CS zwischen diesen Sprachen lediglich 28%. Dabei dominieren eindeutig diejenigen Fälle, bei denen eine deutsche Prädikatstruktur zugrunde liegt und somit ein Wechsel vom Deutschen ins Lateinische erfolgt (81%). D. h., dass intrasententiales CS überwiegend ausgehend von der Matrixsprache Deutsch zu beobachten ist. Wie bereits dargelegt (vgl. 4.3), kann der Wechsel vom Deutschen zum Lateinischen durch

256 

 Christine Ganslmayer

Terminologie- und Zitatzwang bedingt, aber auch unmotiviert sein. Ähnliches gilt für die wesentlich seltener belegten intrasententialen Wechsel vom Lateinischen ins Deutsche (19%), wo verstärkt deutsche Bibeltextzitate und -varianten bzw. Phraseologismen CS auslösen. In sprachstruktureller Hinsicht sind bei den deutsch-lateinischen Wechseln am häufigsten lateinische Einzellexeme (52% der dt.-lat. Wechsel) in einen deutschen Matrixsatz eingeschaltet. Dabei dominieren mit einem Gesamtanteil von 34% lateinische Substantive: Bei ca. der Hälfte dieser Belege wird das lateinische Substantiv mit einem deutschen Artikelwort und/oder Adjektiv kombiniert, wobei die Kongruenz dem lateinischen Genus der Substantive folgt und die Kasusflexion an den deutschen Satz angepasst ist. CS erfolgt hier also phrasenintern. Bei 9% der Belege ist ein lateinisches Adverb eingeschaltet, gefolgt von lateinischen koordinierenden Konjunktionen bzw. Konjunktionaladverbien (4%), Subjunktionen bzw. Relativadverbien (3%) sowie Relativpronomina (2%). Entsprechende Beispiele können den jeweiligen Rubriken in Tab. 9 entnommen werden. An zweiter Stelle folgt mit einem Gesamtanteil von 32% die Einschaltung einer lateinischen einfachen bzw. komplexen Phrase: Bei 24% der dt.-lat. Belege wird eine lateinische Nominalphrase in einen deutschen Satz eingeschaltet, und zwar in abnehmender Häufigkeit als Subjekt (häufig inklusive Attribut), als Prädikativ (bei sein, heißen), als Akkusativobjekt, als vergleichende Adjunktorphrase (eingeleitet mittels Satzteilkonjunktion) und selten in sonstiger Funktion (z. B. NP im lat. Ablativ). Wesentlich seltener (8%) sind lateinische Präpositionalphrasen, meist in der Funktion eines Adverbiales, in einen deutschen Satz integriert. Mit einem Anteil von 7% sind weiterhin abhängige lateinische Teilsätze zu einem deutschen Matrixsatz belegt, und zwar vor allem in der Funktion eines Adverbialsatzes (5%), eines Relativsatzes (2%) und in einem Fall als Objektsatz. Die Adverbialsätze spiegeln die Vielfalt lateinischer Nebensatzformen: quod (3), quia, quam, si, quando, ubi, Partizipialkonstruktion mit Partizip I. In der Unterzahl (9%) sind Belege, bei denen mehr als ein lateinisches syntaktisches Element in einen deutschen Satz integriert ist. Am häufigsten begegnen hier Fälle, bei denen am Satzanfang eine lateinische Subjunktion bzw. Konjunktion sowie ein weiteres lateinisches Satzglied steht, so dass ein lateinisch begonnener Satz deutsch fortgesetzt wird. Bei den lateinisch-deutschen Wechseln dominieren dagegen mit einem Anteil von 54% abhängige deutsche Teilsätze zu einem lateinischen Matrixsatz. An erster Stelle sind mit einem Gesamtanteil von 33% Objektsätze zu nennen, am häufigsten in Abhängigkeit von einem Verb des Sagens (dicere), wobei selbständige deutsche Sätze mit geringem syntaktischen Integrationsgrad überwiegen (17%), gefolgt von dass-Sätzen (13%) und einem deutschen Nebensatz mit

 Multilingualität in den frühneuzeitlichen Protokollen zur Revision der Lutherbibel 

 257

Verbzweitstellung und Konjunktiv. Häufig sind auch deutsche Adverbialsätze, in der Regel im Nachfeld des lateinischen Matrixsatzes, belegt (20%), und zwar vorwiegend kausale dass-Sätze. Singulär begegnet ein deutscher Relativsatz. An zweiter Stelle folgen deutsche Phrasen in einem lateinischen Satz (24%), wobei Nominalphrasen die Präpositionalphrasen deutlich übertreffen. Erst an dritter Stelle (20%) stehen deutsche Einzellexeme, die in einen lateinischen Satz eingeschaltet sind, wobei wertende Adjektive in unflektierter Form am häufigsten belegt sind (9%), gefolgt von Substantiven (7%), die ausschließlich deutsche Bibelzitatwörter darstellen. Tendenziell werden also bei Wechseln vom Lateinischen ins Deutsche größere sprachliche Einheiten bevorzugt, während dies umgekehrt nicht der Fall ist. Auch ist im Zusammenhang mit in eine lateinische Nominalphrase eingeschalteten deutschen Adjektiven zu beobachten, dass diese nicht an die lateinische Umgebung angepasst sind, sondern pränuklear unflektiert stehen. Dies zeigt, dass lateinische Strukturen eher an die deutsche Umgebung adaptiert werden als umgekehrt. Prinzipiell aber lässt sich beobachten, dass in weit höherem Ausmaß lateinische Elemente im Deutschen begegnen als umgekehrt. Möglicherweise stehen diese Gegebenheiten in einer Beziehung mit dem unterschiedlichen Prestige der beiden Sprachen: Latein als diejenige Sprache mit dem höheren Prestige wird in geringerem Ausmaß mit deutschen Elementen durchsetzt als umgekehrt. Auch ist mit einzubeziehen, dass für Latein als etablierte Schriftsprache das Stil­ ideal der sog. latinitas bindend war. Dadurch ist dem schriftlichen Gebrauch des Lateinischen ein puristischer Grundduktus zu eigen, und die Einmischung von fremdsprachigen Elementen wird teils bewusst vermieden (vgl. Ganslmayer 2016: 87–90). Zwar ist ein Protokoll keine Textsorte, die sich durch besondere rhetorisch-stilistische Formung auszeichnet, jedoch mögen die mit lateinischer Schriftlichkeit verbundenen Stilvorstellungen kognitiv so tief verankert sein, dass sie den Sprachgebrauch unbewusst beeinflussen. Auffällig ist weiterhin, dass die häufig belegten eingeschalteten lateinischen Substantive (in einem deutschen Matrixsatz) lediglich analytisch durch Kombination mit deutschen Artikelwörtern oder auch Adjektiven integriert werden. CS findet also systematisch zwischen Determinator und Substantiv statt. Dies widerspricht der Annahme einer CS-Beschränkung über funktionale Köpfe hinweg (vgl. Müller 2015: 182), die aber auch in gegenwartssprachlichen Spracherwerbsstudien zu CS widerlegt wurde (vgl. Müller 2015: 184f.). Rörer verwendet also keine wortbezogenen morphologischen sprachintegrierenden Mechanismen wie deutsche Flexive oder integrierende Wortbildungsmorpheme in Kombination mit einem lateinischen Wortstamm. Bei der Einschaltung eines einzelnen Substantivs orientiert er sich an den syntaktischen Grundregeln der deutschen Matrix-

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sprache und überträgt diese auf die lateinischen Elemente. Dies lässt generell auf eine hohe Sprachkompetenz in beiden Sprachen rückschließen (vgl. auch Keller im vorliegenden Band). Wortbezogen werden beide Sprachen also getrennt verwendet, es begegnen im substantivischen Bereich keine lexikalischen Hybridisierungen, aber auch keine typischen Integrationsmechanismen. Dies gilt auch für Verben mit Integrationssuffix {-ier-}, die Stolt (1964: 115f.) für ihr Untersuchungsmaterial als häufig belegtes Schema für die Integration lateinischer Verbstämme ins Deutsche erwähnt. In den untersuchten Bibelrevisionsprotokollen hingegen sind mit regieren, describieren und deponieren lediglich drei „ier-Verben“ belegt, die nach Abgleich mit dem FWB bereits usuelle Fremdwörter im Deutschen darstellen, so dass keine Neuentlehnung eines lateinischen Verbstamms inklusive Integrationsschema {-ier-} beobachtet werden kann. Sieht man von den häufig eingeschalteten lat. Einzelsubstantiven ab (vgl. oben), orientiert sich die Sprachmischung im Untersuchungskorpus ausschließlich an Phrasenstrukturen, d. h. dass beispielsweise keine Sprachwechsel innerhalb einer Präpositionalphrase begegnen. Eingeschaltete lat. Nominalphrasen kommen auch im Mittelfeld einer deutschen Partikelverbklammer vor: Es kompt hoc nach (Ps. 90, WA DB 3: 114/13f.) so ghet die sap⌊ientia an. (Ps. 90, WA DB 3: 115/16)

Ein phraseninterner Sprachwechsel ist lediglich noch bei Modalverbkomplexen belegt:

v⌊ult da von predigen, aber sie ⌈sind⌉ nicht zu zelen. (Ps. 40, WA DB 3: 38/12f.) Er wil sein volck ein mal samlen vel arguere propter impietatem. (Ps. 50, WA DB 3: 51/4f.)

Besonders deutlich zeigt sich die Bevorzugung von CS an der Grenze einer sprachlichen Konstruktion bei abhängigen Teilsätzen. Diese treten zudem vorwiegend im Nachfeld auf, so dass tendenziell erkennbar ist, dass ein Satz in einer Sprache beginnt und erst am Ende in die andere gewechselt wird. Konstruktionsübergreifendes CS lässt sich dagegen häufiger bei Koordination zwischen Teilsätzen beobachten, indem die Rekonstruktion einer Koordinationsellipse Elemente der anderen Sprache voraussetzt. Dies kann folgendes Beispiel demonstrieren, bei dem in einem koordinierten deutschen Teilsatz Elemente des vorangehenden lateinischen Teilsatzes vorauszusetzen sind:

faciet magnas ruinas, strages und grosse schlacht thun (Ps. 110, WA DB 3: 142/9f.)

Das deutsche Prädikat erscheint als infinites Vollverb (thun), so dass von einer Koordinationsellipse bei zusammengezogenem Satz auszugehen ist. Zu rekonst-

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 259

ruieren sind aus der lat. Verbform faciet (3.Sg. Ind. Fut. I) sowohl das Subjekt „er“ als auch das finite Tempushilfsverb „wird“. Von besonderem Interesse für CS sind solche Fälle, bei denen grammatische Strukturen der einen Sprache auf die andere übertragen sind, obwohl sie dieser genuin fremd sind. Dafür finden sich im Untersuchungskorpus ebenfalls einige Belege. Hervorzuheben sind zunächst Sätze, bei denen lateinische Sprachstrukturen auf das Deutsche übertragen sind: [Apud eos]Adverbiale-lokal ist [figura]Prädikativ (Ps. 60, WA DB 3: 64/6) [et]Konjunktion [quando]Subjunktion [eum]Objekt-Akk. erwisscht (Ps. 10, WA DB 3: 13/25) [quod]Subjunktion [in occidentali parte]Adverbiale-lokal leben (Ps. 80, WA DB 3: 101/20) [Creatos homines] Objekt-Akk. [rursum]Adverbiale-temporal lest sterben (Ps. 90, WA DB 3: 113/20f.)

In diesen Fällen ist jeweils eine deutsche Prädikatstruktur belegt, während alle übrigen syntaktischen Elemente lateinisch formuliert sind. Die Besonderheit besteht dabei in der lexikalisch unbesetzten Subjektstelle, was im Lateinischen als einer Pro-Drop-Sprache möglich ist, nicht jedoch im Deutschen. Im letzten Satz ist außerdem die für das Lateinische typische Verbletztstellung im Hauptsatz übernommen. Ergänzend kann folgender Beleg mit grammatikalisch korrekter deutscher Satzstruktur (inklusive enklitischem Subjekt) verglichen werden, bei dem allerdings ebenfalls lateinische Verbletztstellung im Hauptsatz begegnet: [simpliciter]Adverbiale-modal [Epiph⌊onema]Prädikativ ist[s]Subjekt (Ps. 110, WA DB 3: 104/2)

Auch einzelphrasenbezogen können lateinische Konstruktionen in einem deutschen Matrixsatz begegnen, wenn z. B. lateinische Nominalphrasen im Ablativ eingeschaltet sind, denen im Deutschen eine Präpositionalphrase entspräche: Episcopi habens sua sapientia nicht erhalten sed s⌊piritu s⌊ancto. (Ps. 110, WA DB 3: 141/3f., korr. CG)

Umgekehrt lässt sich im Zusammenhang mit deutschen Objektsätzen, die von einem lateinischen Verb abhängen, regelmäßig beobachten, dass die Einbettung an deutschen syntaktischen Regeln orientiert ist. Denn die im Untersuchungskorpus häufig belegten abhängigen deutschen Objektsätze folgen nicht der Regel, dass nach bestimmten lateinischen Verbgruppen eine A.c.I.-Konstruktion steht. So finden sich in Abhängigkeit von lateinischen Verben des Sagens deutsche abhängige Teilsätze mit unterschiedlichem Integrationsgrad, nämlich selbstän-

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dige Sätze in der Abhängigkeit, uneingeleitete Nebensätze mit Verbzweitstellung und Konjunktiv sowie dass-Sätze (vgl. oben); von lateinischen Verben des Wissens und der persönlichen Einschätzung hängen deutsche dass-Sätze ab: et dicis: „kompt widder menschen kinder“ (Ps. 90, WA DB 3: 113/21f.) dicit, das sey signum firmum et solidum (Ps. 60, WA DB 3: 64/16) v⌊ult d⌊icere das er yhm lere, das er seins dings gewis sey. (Ps. 60, WA DB 3: 64/11f.) nemo scit, das er so in Gotts zorn hin ghe (Ps. 90, WA DB 3:114/4f.)

Erwähnenswert scheint zuletzt ein besonderer Fall mit dupliziertem Akkusativ­ objekt, das vermutlich infolge eines Seiten- bzw. Blattwechsels sowohl deutsch als auch lateinisch ausgedrückt ist; derartige sprachliche Fehler sind psycholinguistisch als scheinbare syntaktische Reparaturmechanismen erklärbar. Bezogen auf CS kann dies als Beleg für Spontaneität beim Sprachwechsel gewertet werden:

Jch hab den vers ausdermassen gern [Bl. 82r] hunc versum. (Ps. 90, WA DB 3: 115/34f.)

4.6 Einordnung des Befunds und Zusammenfassung Vergleicht man nun den Befund mit den Ergebnissen von Stolt (1964), Kämmerer (2006) und Schendl (2000), so zeichnen sich gewisse Parallelen, aber auch Unterschiede ab: Stolt erwähnt, dass in den Tischreden „die einzeln eingeschalteten Wörter an letzter Stelle“ stehen (Stolt 1964: 49), und zieht daraus die grundlegende Schlussfolgerung: „es scheint allgemein ein Bestreben zu herrschen, lieber ganze Satzteile miteinander wechseln zu lassen, als einzelne Wörter“ (Stolt 1964: 49). Dies gilt auf jeden Fall auch für die untersuchten Bibelrevisionsprotokolle, vor allem wenn man berücksichtigt, dass die Fälle von intrasententialem CS insgesamt viel seltener belegt sind als andere Formen des Sprachwechsels. Auch die Tatsache, dass dem Deutschen vorwiegend Verben entnommen werden und dass in einen deutschen Satz vorwiegend lateinische Substantive mit lateinischer Flexion (auch nach deutschem Artikel) eingeschaltet werden, deckt sich mit den Ergebnissen von Stolt (1964: 121), während umgekehrt nicht zu beobachten ist, dass auch in einen lateinischen Satz vorwiegend deutsche Substantive eingeschaltet werden. Im Untersuchungskorpus überwiegen hier eingeschaltete Adjektive, die häufig emotional wertend sind. Lediglich bei den eingeschalteten lateinischen Substantiven, die mit deutschen Artikelwörtern kombiniert und so in den Satz integriert werden, erscheint phraseninternes CS. Generell vollzieht sich intrasententiales CS im Untersu-

 Multilingualität in den frühneuzeitlichen Protokollen zur Revision der Lutherbibel 

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chungskorpus also phrasenbezogen, d. h. sprachliche Einheiten, die syntaktisch getrennt funktionalisiert sind, wechseln miteinander. Dies deckt sich mit Schendls (2000: 89) Ergebnissen, dass bei intrasententialem CS der Wechsel zwischen Nominal-, Verbal- und Präpositionalphrasen klar über CS innerhalb einer Phrase dominiert. Stolts Beobachtung, dass bei komplexen Sätzen ein anderer „Prozess des Sprachwechsels“ vorliegt, indem die beiden Sprachen nicht miteinander, sondern nacheinander „arbeiten“ (Stolt 1964: 200), lässt sich anhand der belegten Adverbial- und Objektsätze ebenfalls bestätigen. Allerdings zeigt sich im Untersuchungskorpus, dass bei einer deutschen Prädikatstruktur gelegentlich lateinisch begonnene Teilsätze deutsch vollendet werden. Nur in diesem Fall sind mehrere lateinische Elemente – meist eine einleitende Konjunktion gefolgt von einem weiteren lateinischen Satzglied – in einen deutschen Satz eingeschaltet. Üblicherweise beschränkt sich intrasententiales CS aber auf eine einzelne anderssprachige strukturelle Einheit. Die Untersuchung hat gezeigt, dass die zwischen Latein und Deutsch belegten Sprachwechsel situativ gebunden erscheinen, d. h. dass CS mit einem Wechsel des Themas in Verbindung steht, wie es für die frühneuzeitliche Diglossie-Situation typischerweise zu erwarten ist (vgl. Gumperz 1982: 60). Stolt (1964: 169f.) nennt als wichtige motivierende Faktoren Terminologie- und Zitatzwang (besonders bei Wechseln vom Deutschen ins Lateinische) sowie Affekt und emotionale Faktoren (bei Wechseln vom Lateinischen ins Deutsche). Zugleich hebt sie aber hervor, dass dadurch „nicht alle Fälle des Sprachwechsels“ (Stolt 1964: 171) erklärt werden können und dass zudem die erwähnten Gründe nicht immer einheitlich greifen. Dies lässt sich auch im Untersuchungskorpus beobachten: Lateinische Fachtermini der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Textexegese können einen Sprachwechsel auslösen, müssen ihn aber nicht evozieren. Die Grenze zur lexikalischen Entlehnung scheint hier fließend, vor allem wenn man die für diesen Bereich typischen frühneuhochdeutschen Benennungslücken in die Betrachtung einbezieht. Von besonderem Interesse ist, dass Stolt für die Tischreden eine andere Form des CS feststellt als für Rörers Predigtnachschriften: Stolt postuliert für die Sprachmischung in den Tischreden „die damals gebräuchliche“ Form der Sprachmischung, während die Predigtnachschrift, bedingt durch Schnellschreiben, von einem „Telegrammstil“ gekennzeichnet sei (vgl. Stolt 1964: 261–263). Stolt (1964: 262) nennt bestimmte Charakteristika für die Predigtnachschrift, die in den Tischreden (und von ihr außerdem untersuchten Briefen und Bibelnotizen) nicht zu beobachten sind. Diese wurden von Kämmerer (2006: 72–78) im Wesentlichen bestätigt. Tab. 10 kann entnommen werden, dass die untersuchten Bibelrevisionsprotokolle vor diesem Hintergrund eine mittlere Stellung einnehmen, tenden-

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 Christine Ganslmayer

ziell aber eher den Tischreden gleichen und nicht den sog. Telegrammstil aufweisen, der sich durch eine höhere Frequenz an intrasententialem CS und häufig auch durch phraseninterne Wechsel auszeichnet. Darüber hinaus sind aber spezifische CS-Phänomene der Predigtnachschrift teils in den Protokollen belegt: Tab. 10: Textsortenspezifische Unterschiede bei CS CS-Phänomen

Predigtnachschrift

Tischreden

Bibelrevisionsprotokolle

lat. Relativpronomen in dt. Satz

ja

nein

ja

lat. Negation vor dt. Verb

ja

nein

nein

lat. Possessivartikel vor dt. Substantiv

ja

nein

nein

Subjektlosigkeit in dt. Mischsatz

ja

nein

ja

kein Artikel vor dt. Adjektiv + Substantiv

ja

nein

?

kein Hilfsverb „sein“ in dt. Mischsatz

ja

nein

ja

lat. Personalpron. als Objekt

ja

nein

nein

Dieses Ergebnis entspricht den oben skizzierten Charakteristika der Textsorte „Protokoll“ (vgl. 3.2), bei der sowohl Textabschnitte begegnen, die als sinngemäße Mitschrift (Ergebnisprotokoll) rasch niedergeschrieben sind und daher formal sowie syntaktisch Abkürzungsphänomene nutzen. Demgegenüber stehen solche Passagen, die als wörtliche Mitschrift (Verlaufsprotokoll) erscheinen, bei denen die Sprachmischung eher derjenigen der Tischreden ähnelt. Mit Schendls (2000: 80) Ausführungen zu CS in religiösen Prosatexten deckt sich, dass in den Bibelrevisionsprotokollen intersententiales CS dominiert, da das Textmuster „Bibelzitat gefolgt von Übersetzung, Paraphrase oder inhaltlicher Erläuterung“ zentral ist. Typisch für die untersuchten Protokolle ist jedoch, dass zusätzlich zu diesem Textmuster auch die Ergebnisse inhaltlicher Diskussionen und Äußerungen Luthers festgehalten sind, die nicht stichpunktartig, sondern satzförmig formuliert sind, so dass auch intrasententiales CS belegt ist. Mit Blick auf die Textsorte des Protokolls kann daher gelten: „The pragmatic function of the text dictated the form“ (Schendl & Wright 2011: 21). Als nicht-literarische, religiöse Textsorte weisen die Bibelrevisionsprotokolle ein eigenes Profil auf. Ihre Spezifik besteht darin, dass bekannte Muster des CS, die in anderen religiösen Prosatexten des 16. Jhs. belegt sind, aufgegriffen und neu kombiniert erscheinen. Wie aus den Ausführungen insgesamt ersichtlich wird, dokumentieren die Bibelrevisionsprotokolle einen besonderen Ausschnitt aus der multilingualen Praxis frühneuzeitlicher Gelehrtenkultur und sind somit Schlüsseldokumente

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für die Erforschung gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit. Aus den untersuchten Bibelrevisionsprotokollen erschließt sich ein hohes mehrsprachiges Kompetenzniveau des Schreibers Georg Rörer: Die beiden typologisch unterschiedlichen Sprachen Deutsch und Latein werden strukturell in der Regel nicht gemischt, d. h. CS begegnet nicht phrasenintern (außer bei der Kombination Artikel + Substantiv) oder lexemintern (z. B. in Wortbildungen oder zwischen Wortstamm und Flexiv). Dies erlaubt den Rückschluss auf eine hohe Sprachkompetenz in beiden Sprachen und möglicherweise darauf, dass bei der Sprachverarbeitung zwischen beiden Sprachen strikt getrennt wird.

5 Literatur 5.1 Quellentexte 5.1.1 Georg Rörer: Handschriftliche Protokolle zur Bibelrevision ThULB Jena Ms.Bos.o.17n Online: (letzter Zugriff: 21.04.2021) = WA DB 3, 1–166. ThULB Jena, Ms.Bos.q.24r, Bl. 214r–222r Online: (letzter Zugriff: 21.04.2021) = WA DB 3, XXX–XLII. ThULB Jena, Ms.Bos.q.24c, Bl. 1r, 63r–202r Online: (letzter Zugriff: 21.04.2021) = WA DB 3, 169–577; WA DB 4, 1–278, 313–418. ThULB Jena, Ms. Bos.q.24u, 30r–39r Online: (letzter Zugriff: 21.04.2021) = WA DB 4, 313–381.

5.1.2 Martin Luther: Deutsche Bibel, Psalter (Drucktexte) Psalter 21528 = [Luther, Martin]: New deudsch Psalter. Wittenberg 1528: Lufft. (VD 16 B 3296). Vgl. WA DB 10.1, 106–586. Psalter 31531 = Luther, Martin: Der Deudsch Psalter. Wittenberg 1531: Lufft. (VD 16 B 3297). Vgl. WA DB 10.1, 107–587.

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5.1.3 Grundtexte der Bibel Biblia Hebraica = Biblia Hebraica Stuttgartensia. Editio quinta emendata opera A. Schenker. Stuttgart 1997: Deutsche Bibelgesellschaft. Septuaginta = Septuaginta. Id est Vetus Testamentum graece iuxta LXX interpretes edidit Alfred Rahlfs. Editio altera quam recognovit et emendavit Robert Hanhard. Stuttgart 2006: Deutsche Bibelgesellschaft. Vulgata = Biblia sacra iuxta vulgatam versionem. Editionem quintam emendatam retractatam praeparavit Roger Gryson. Stuttgart 2007: Deutsche Bibelgesellschaft.

5.1.4 Sonstige Aquin, Thomas von: Summa Theologiae. Recognovit ac instruxit Enrique Alarcón automato electronico Pompaelone ad Universitatis Studiorum Navarrensis aedes. 2000. Online: (letzter Zugriff: 21.04.2021).

5.2 Sekundärliteratur Beaugrande, Robert-Alain de & Wolfgang Ulrich Dressler (1981): Einführung in die Textlinguistik (Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft 28). Tübingen: Niemeyer. Blanke, Heinz (2017): Bibelübersetzung. In: Beutel, Albrecht (Hrsg.), Luther Handbuch. 3. Aufl. Tübingen: Mohr Siebeck, 298–305. Buchwald, Georg (1894): Jenaer Lutherfunde. In: Theologische Studien und Kritiken 67.2, 374–391. Bullock, Barbara E. & Almeida Jacqueline Toribio (2009): Themes in the study of code-switching. In: Barbara E. Bullock & Almeida Jacqueline Toribio (Hrsg.), The Cambridge Handbook of Linguistic Code-switching (Cambridge Handbooks in Language and Linguistics). Cambridge: Cambridge University Press, 1–17. FWB = Frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Begründet von Robert R. Anderson, Ulrich Goebel & Oskar Reichmann. Hrsg. v. Ulrich Goebel, Anja Lobenstein-Reichmann & Oskar Reichmann (1986ff.). Berlin, New York: De Gruyter. Online: (letzter Zugriff: 21.04.2021). Ganslmayer, Christine (2016): Sprachkombination und Sprachmischung in deutschlateinischen Mischtexten. Überlegungen zu Analyse, Formen und Funktionen. In: Claudia Wich-Reif (Hrsg.), Historische Sprachkontaktforschung (Jahrbuch für Germanistische Sprachgeschichte 7). Berlin, Boston: De Gruyter, 76–115. Gardner-Chloros, Penelope (2009): Code-Switching. Cambridge: Cambridge University Press. Gumperz, John J. (1982): Discourse strategies (Studies in Interactional Sociolinguistics 1). Cambridge: Cambridge University Press. Hermle, Siegfried (2008): Art. Luther, Martin (AT). In: Das Wissenschaftliche Bibellexikon im Internet. Online: (letzter Zugriff: 21.04.2021).

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 Christine Ganslmayer

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Kaidi Kriisa

Hidden Functions of Code-switching mit Deutsch in some of the Academic Texts from the Early Modern Academia Dorpatensis (1632–1710) 1 Introduction One of the most important languages of educated societies, including the academe of European history, and the lingua franca of medieval and early modern times is without a doubt Latin, which has also been used alongside others, that is vernacular languages, as an important component of multilingual societies all over Europe. In fact, according to Auger & Brammall moving between more languages was normal in early modern (c. 1500–1700) European culture and society. Recent research on such topics as transnational literatures, translation and imitation, language learning and the relation between Latin and vernaculars is drawing attention to ways that multilingualism was a constitutive part of early modern literary (as well as academic) culture. (Auer & Brammall 2019: n. p.)

The phenomenon of multilingualism itself is not a new field of research either, having been widespread in societies from the time of antiquity onwards – for example, Latin-Greek bilingualism in the Roman Empire (for further details, see Adams 2003) and even before this Greco-Roman bilingualism in Ancient Greece, where code-switching is encountered fairly frequently (Mullen & James 2012: 281–294, especially pp. 287f.). As such, it is also a field of study with growing importance. Research into historical code-switching in a number of different text types from a range of spheres of Old and Middle English has gained much scholarly attention for some decades already. This interest, in turn, has resulted in digitising the majority of extant historical English texts and creating web-based open-access text corpora. Thanks to this process of digitisation both handwritten as well as printed texts are easily accessible to a number of scholars worldwide. One popular focus of study, for instance, has been Old English-Latin bilingualism, which Adams (2003: 9) has called “elite bilingualism” and which usually Kaidi Kriisa: University of Tartu, College of Foreign Languages and Cultures, E-Mail: kaidi. [email protected]. https://doi.org/10.1515/9783110752793-010

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 Kaidi Kriisa

resulted in authors creating bilingual texts in addition to monolingual ones; in the former, code-switching with Latin was evident (Schendl 2018: 39f.). Rather surprisingly, historical texts from individual institutions, such as medieval and early modern universities, that provide a number of sub-categories of fruitful textual study material (e. g. disputations/dissertations, orations, sermons, academic decrees, patents, orders, occasional poetry, scholarship applications, personal and official correspondence, matricula to name just a few),1 have somehow received very little scholarly attention from the linguistic point of view. This lack of in-depth studies of the academic texts is most prob-

1 It should be mentioned here that the contemporary terminology concerning early modern academic disputations (disputationes) and dissertations (dissertationes) varies in different regions, for example, in northern European countries (Sweden, Finland, including Estonia) and German-speaking countries to a great extent, due to which it is rather complicated to find all-encompassing terms to describe all those texts from various regions. Therefore in the present article I shall not discuss these terminological differences, but instead will concentrate in part on the academic disputations and dissertations written during the early modern Academia Dorpatensis (1632–1710), in particular according to the writing practice that dominated the 17th century Academy. For the most recent and thorough studies on the early modern disputations and dissertations written in German-speaking countries, see Marti (2018) and Prinz (2020). In terms of the 17th century University of Dorpat, one of the main forms of studies alongside traditional lectures, was writing as well as presenting academic, either private or public, disputations (disputationes). The term “disputatio“ refers to a variety of printed texts on different topics that had to be presented orally and debated in public. Six days before the public debate, the texts had to be printed out and a single copy had to be put up on the wall of the Academy; the rest of the copies were meant to be given to the professors and other students. In addition to the term disputatio on the title pages of these texts, the synonym dissertatio was often used as well. In fact, about 7% of Academia Gustaviana’s and 48% of Academia Gustavo-Carolina’s printed texts show the term “dissertatio“ on their title pages. Occasionally, instead of using either the term dissertatio or disputatio on the title pages, the following synonyms were used instead: discursus, exercitatio, specimen, theses etc (cf. Piirimäe 1982: 99–101; Jaanson 2000: 42). While disputations were usually shorter texts, dissertations were slightly longer but still followed the same structure as disputations (i. e. both included detailed title pages that bore the time and place of the defence, a dedication given on the verso side of the title page, the main analysis-discussion part presented in a syllogistic manner). Some of the texts also included a corollaria, and at the very end a number of congratulatory comments from the other students as well as professor were added. Both of those texts themselves were also used as invitations to the debates – their title pages included all the necessary information about the time and the place of the event, including the defendant, opponents as well as the content of the text itself. In addition, as the texts were rather detailed which „performance“ was rather strictly regulated in the Academy’s Constitution [Constitutiones, cap. XVII, I, II, 1656, 1690; Sak 1997], we do know when (exact times, incl. duration), where (exact location) and how they were held, and in case there were any heated debates (e. g. texts comprised rather debatable, controversial ideas) we know about that too, as it has been written down in the entries of the Academy’s Consistory protocols.



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ably caused by the general idea (based on the literature) of the medieval and early modern universities being Latin-based and thus monolingual in (almost) each and every sphere of the academe (Rashdall 2010: 17; Alexander & Alexander 2011: 26f.). The second and perhaps even more crucial reason for this deficiency is usually the fact that the majority of academic texts produced at these universities remain largely undigitised, making the all-encompassing study of the entire extant text corpus of a single institution (i. e. a university) rather difficult for a researcher due to limited access to the study material.2 However, when a researcher studying early modern texts in general starts to examine historical academic texts from the linguistic point of view, they soon discover these to be an extremely fruitful source for research on historical code-switching and language change. Texts from the early modern universities not only reflect the real (or often intended) linguistic performance of the professors as well as the students, but also show extralinguistic aspects (i. e. the so-called hidden functions of code-switching) used within a text of both the university as a whole as well as the origins of the authors and their texts.

1.1 Research questions and method Due to plentiful possibilities for conducting research on historical academic texts, the main focus of this article is drawn to the textual production of one of the first Old Livonian universities founded under the dominion of Sweden during the early modern period, namely, the early modern Academia Dorpatensis (1632– 1710).3 The main objective of this article is to study code-switching in some of the academic texts of the Academy, with a focus on the use of German (among other languages). Despite the fact that the 17th century university was founded under the dominion of Sweden, in the academic texts a number of different language combinations occurred in which German was the vernacular most often used (as

2 However, there are scholars who have studied some text types of the early modern European academies. For example, Jürgen Schiewe (1996) has studied the early modern University of Freiburg, mentioning also its language performance (i. e. Latin, but also mentioning the use of other languages). In addition, scholars from the University of Göteborg, Sweden, for example, have selectively studied some of the 18th century disputations as well as dissertations from the perspective of the use of Latin, also mentioning some cases of languages being mixed (for example mixing Latin with some vernaculars as a rather common practice) within written works (cf. Benner and Tengström 1977). 3 For a detailed definition of the term Academia Dorpatensis, see the beginning of chapter 2.

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a result of the Reformation) and not Swedish, the royal language that might have been presumed to dominate. Therefore, this research is based on three manuscripts – an entry in a Consistory protocol from 25 June 1638, an entry in an album amicorum from 27 December 1633, and a student scholarship application4 from 19 August 1693. Additionally, some examples from printed texts (mainly academic disputations) are also presented comparatively as short case studies under separate sub-sections of the article (in section 3.4). The analysis of these texts is twofold, concentrating on both the linguistic and extralinguistic aspects of code-switching. It is in relation to this the following questions will be answered: 1) How exactly was code-switching used in different academic texts (either in a manuscript or imprint)? 2) Which practices and strategies were prevalent, and what was the role of German in each text? 3) What were the so-called hidden functions of code-switching and, related to that, 4) how might the degree of conversational intimacy (or Nähesprachlichkeit – a term used by Jürgen Leonhardt 2009: 221) have influenced the code-switching used in different academic texts from the early modern Academia Dorpatensis? Based on the last question especially, the central hypothesis to either be proved or refuted in the case studies is as follows: the most decisive factor for code-switching within academic texts is conversational intimacy, i. e. the greater the degree of conversational intimacy, the more occasions of code-switching occur (and, concurrently, the proportion of Latin decreases). Before presenting the case studies in which each of the text types is to be analysed in greater detail, section 2 is dedicated to the academic text production of the early modern Academia Dorpatensis, presenting also the most common linguistic preferences of different text types in order to get a better idea of the characteristics of academic texts. In order to analyse the academic texts from the linguistic point of view, the following terminology is to be adapted to the study. The most important key term to be used is code-switching, which has generally been regarded and studied as a phenomenon of spoken interaction occurring between bilinguals as a result

4 The more detailed description of each of the three text types is given in the following sections: for the entry on the Consistory protocol, see section 3.1, for an entry in album amicorum, see section 3.2, and for the scholarship application see section 3.3.



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of language(s) contact (cf. Schendl 2012: 523f.). In recent years, and especially from the 1990s onwards, however, the term has been adapted in a number of studies on both modern and historical multilingual written texts. The definition for code-switching used in this article is phrased by the present author referring to the definition used by a number of different scholars: “code-switching is the co-occurrence of two or more languages in a single/specific communication event” (cf. Callahan 2004; Pahta and Nurmi 2006: 203; Gardner-Chloros 2009; Matras 2009: 101–145). The phrase “a single/specific communication event” refers to the written academic text units in which code-switching occurs. As the corpus of academic texts from the Academia Dorpatensis is extremely large and multifaceted, comprising texts whose length varies to a great extent, finding a common denominator that is suitable for each and every text is very difficult. Therefore, in this article the term “text unit” will be used so that an entire collection of texts (such as a textbook or a disputation) as well as a single entry in a Consistory protocol or album amicorum etc. constitute a single text unit (for further detail, see Kriisa 2018: 27–28).5 The terminological distinction between different languages used in the writings according to their linguistic proportions is drawn from Carol Myers-Scotton’s (1993) concept of distinguishing between the majority and minority languages within a single utterance (here, a unit of text). However, those terms in the present article are used more in a quantitative sense, meaning that the term is used to show the language where the most morphemes (here: words) come from in certain examples. Accordingly, I will refer to such languages hereinafter either as minority or majority languages. The language used predominantly as a majority language in writing is called the matrix language or frame language, as it provides the text with a frame, while the minority language is called the embedded language and is used for interpolations into the frame text. When distinguishing between the different code-switching and mixing strategies adaptable to diachronic linguistic analysis, the theory of Pieter Muysken

5 In the author’s approach, the term text unit is used to refer to a semantically and formally complete segment of text, reflecting a single communication event (i. e. here, a written text) created by a single author (or, in rare cases, authors). However, when using such a definition of written texts (and not, for instance, historical record, which is often used when describing historical texts), it might occasionally result in considering extremely short pieces of text (e. g. payslips) alongside text units perhaps hundreds of pages in length as equal examples of a text unit (cf. H. Hotson, 2011). For instance, I have looked at even shorter entries that were provided with introductory formulae as well as a proper ending (with the date, author etc.), or texts written on a separate piece of paper (without any continuation) as a single text unit, whereas another researcher may not consider such examples to be a single text unit but perhaps part of a collection.

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will be used where possible: “As the extent of language contact grows, the type of mixing will shift from insertional to either alternational or congruent lexicalization” (2000: 229, 249). Therefore, “alternations” are switches from one language to another that also involve grammars and lexicons and follow the strategy A–B (switching from one language to another). “Insertions” are embeddings inserted into the matrix language according to the scheme A–B–A (i. e. switching from the main language to another language and then back to the first language). “Congruent lexicalisation” is a style-shifting and intra-system variation in which the matrix language and the embedded language interpolations share a common grammatical structure filled with lexical items from both languages (Muysken 2000: 3–5, 33, 60, cf. table 1–3 in Bülters & Schultz-Balluff in this book). An important term when analysing texts’ extralinguistic aspects is conversational intimacy (Nähesprachlichkeit), i. e. the degree of personal communication, including text tone, style, choice of words etc. (see Leonhardt 2009: 221; 2013: 220; see also section 3.1.1). These characteristics help to understand if conversational intimacy in a text was intended or not and, as a result whether the proportion of (usually) Latin was gradually decreasing or not.

2 B  ackground: The early modern Academia Dorpatensis (1632–1710), its language use and text production During the early modern period, i. e. from the Renaissance to the French Revolution, but in the present article roughly during the 17th century, the official Latinised name of the University of Tartu was Academia Dorpatensis (1632–1710). This university was founded in 1632 by the Swedish king Gustavus Adolphus and existed (with breaks) altogether for about 45 years, until 1710 when it was shut down due to the end of Swedish rule in the region of Northern Livonia. Within this timeframe, a distinction is usually made between two periods: the first one, which lasted for about 25 years from 1632 until 1656 (or 1665, but with hardly any evidence of text production),6 was called Academia Gustaviana after its founder,

6 When in 1656 the existence of Academia Gustaviana ended in Dorpat (present-day Tartu), some professors along with a few students travelled to Reval (present-day Tallinn) in order to continue academic work there. However, as the Academy’s print shop was never moved from Dorpat to Reval, there are hardly any printed academic texts produced within the Academy’s



Hidden Functions of Code-switching 

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Gustavus Adolphus. From 1656, the Academy was closed until its re-establishment in 1690, after which it existed for about 20 years until 1710 as Academia Gustavo-Carolina, Carolina being a reference to its re-founder, the Swedish king Charles XI (Siilivask 1985: 18–22; Hiio & Piirimäe 2007: 22f.). As the Latinised name of the Academy as well as the early modern period as such suggest, the language of the Academy as a whole must have been Latin. However, one of the very first indications of the Academy’s recommended linguistic practice was made by a minister of St. Olaf’s Church in Reval, Ludwig Dunte, in his inaugural sermon delivered in 1632, suggesting to the Academy to use vernaculars (German, French, Italian, and even English) in addition to the learned languages (Latin, Greek, Hebrew). Therefore, according to him it was rather likely that other languages but Latin were supposed to be used in the field of instruction in the Academia Dorpatensis. Nevertheless, he also emphasised the need to teach the learned languages – Latin, Greek and Hebrew – especially to the future Lutheran clergymen, due to the fact that (at least in his opinion) Catholic clergymen had corrupted the Latin language (Dunte 1632: 39f.). The second suggestion made regarding the Academy’s linguistic practice was found in the first Constitution, according to which the language of disputing was supposed to be Latin (Sak 1997). The third implication about the Academy’s possible linguistic practice is presented in the treatise of historian Karl Inno from 1972 about the early modern Academia Dorpatensis, in which he claimed that some professors of the Academia Gustavo-Carolina period used vernaculars (Swedish and German) in teaching. However, later in the same treatise he also claimed that using vernaculars in teaching instead of Latin was an unconventional practice for a Lutheran University (Inno 1972: 41). Taking into account the above comments regarding the recommended or suggested language use of the early modern Academia Dorpatensis, it is clear that at least to some extent other languages than the attested language of the educated, that is, Latin, were used in the 17th century Swedish university in Dorpat. However, the available literature does not reveal to precisely what extent vernaculars were

Reval period of 1656–1665. Therefore as the ground material for the present article is the extant academic text production of the early modern Academia Dorpatensis (including both its Dorpat and Pernau (present-day Pärnu) period), I hereinafter use the periodization of 1632–1656 (instead of 1632–1665) in order to refer to the first period of the Academy, i. e. Academia Gustaviana, and 1690–1710 referring to its second Dorpat-Pernau period denominated as Academia Gustavo-Carolina. Within the latter period, two sub-periods could also be distinguished. Namely from 1690–1699 the Academy was located in Dorpat, and when in a threat of war in 1699 it moved to Pernau, the period of 1699–1710 is considered as the Academy’s Pernau period (Kriisa 2018: 16).

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used alongside (or instead of) Latin in both written academic text production and in the field of instruction. Thus, Inno’s claim cannot be proved, as not a single lecture note from either professors or students is extant (Kriisa 2018: 18). The very first and the most exhaustive study including all the extant texts regarding the early modern Academia Dorpatensis’ language use was the PhD thesis written by the author (Kriisa 2018). According to the data published in the thesis, the total extant text production of the early modern Academia Dorpatensis is 7,831 text units, with 4,895 manuscripts and 2,936 printed texts, resulting in more than 4,000,000 words. All the texts were categorised, taking into account both the primary categorisation of the Academy’s printed texts provided by Ene-Lille Jaanson in her bibliography about the academic printed texts from Academia Dorpatensis (2000: 38) as well as extra-linguistic and domain-specific parameters according to which the main basis for categorising (academic) texts is their function and purpose (Biber, Conrad, Reppen 1998; Kohnen 2001, 2012; Taavitsainen 2009, 2010). The texts were divided into 28 groups, then, based on their main function. These groups were in turn subdivided into six major domains: 1) legislative texts (both manuscripts and imprints, 116 text units or 1.5% of the whole corpus of 7,831 texts: the foundation charter, constitutions, regulations and degrees, royal privileges); 2) administrative texts (manuscripts and imprints, 1,334 text units or 17% of 7,831 texts: Consistory protocols, protocols from the Faculty of Philosophy, matricula (of students, depositions), judicial documents, official ordinances and patents); 3) financial documents (manuscripts only, 450 text units or 6% of 7,831 texts: cashbooks, trial balances, analyses of the trial balances, lists of professors’ salaries and stipendiaries, cash orders for receiving scholarships and salaries); 4) instructional texts (manuscripts and imprints, 1,751 text units or 22.5% of 7,831 texts: texts regulating teaching processes (a catalogue of lectures), instructional text units, such as teaching materials (textbooks), text units reflecting the learning processes (occasional academic poetry, student style exercises, dissertations and disputations); 5) ceremonial and festive text units (imprints only, 1,135 text units or 14% of 7,831 texts: descriptions of the Actus Inauguralis, inaugural speeches, proclamations to promotions, invitations to funerals, proclamations to public lectures and orations, ceremonial orations, sermons, occasional poems); 6) texts in connection with official and personal communication (manuscripts and imprints, 3,035 text units or 39% of 7,831 texts: official and personal correspondence, student scholarship applications, entries in alba amicorum).



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Out of the 28 groups, 17 – a not inconsiderable number – contain texts with examples of code-switching between Latin and at least one or (occasionally) more vernacular languages.7 This, in turn, indicates that the language use of the 17th century academic texts cannot be considered to be a linear development from the usage of Latin to multilingual texts which then culminated in a text unit written exclusively in a vernacular. On the contrary, all the practices (see section 1.1) occur throughout the early modern University, depending mostly on the following criteria: the text type and function, author, addressee as well as the medium of transition (i. e. whether the text was printed or handwritten). The majority of all the multilingual text units are bilingual, some are trilingual, and the rest include combinations with four and more languages, though these are rather rare. Combinations of either Latin and German or Latin and Swedish are used predominantly, especially in dissertations and disputations as well as in a number of occasional poems, in which all the text units with multilingual practices used Latin exclusively as the matrix language and either German or Swedish as the embedded language. Other possible bilingual combinations are: Hebrew-Latin, Greek-Latin, Low German-Latin, Latin-Estonian, German-Swedish, Swedish-German, Latin-French, Swedish-French, Latin-Finnish. However, in manuscripts the linguistic situation was just the opposite – a vernacular (either Swedish or German) was used as the matrix language and Latin in most cases as the embedded language. How exactly different languages were used within a text, what the role of German was in them, and how (if at all) the degree of so-called conversational intimacy in a text type influenced the choice of languages and code-switching in general will be shown in the following case studies (see section 3).

7 It should be mentioned here that in the thesis the interaction between Latin and other classical languages, such as Greek or Hebrew was not discussed. In fact, there were hardly any occasions of code-switching between Greek/Hebrew and the vernacular languages in the academic texts either. This lack of Greek or Hebrew and vernacular combinations as well as vernacular to Greek or vernacular to Hebrew switches in the language practices clearly affirms that, of the learned languages, only Latin was involved in the process of code-switching and language change in the practice of producing academic texts in the early modern Academia Dorpatensis.

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3 T  he linguistic and extralinguistic functions of code-switching in academic texts: four case studies 3.1 F irst case study: an entry in a Consistory protocol as possibly the nearest text type to oral communication The best sources for getting an idea of how the Academia Dorpatensis was daily governed are the handwritten Consistory protocols.8 Each protocol consists of several entries which are in fact bilingual, written either in Latin and German (during the Academia Gustaviana period, 1632–1656) or Latin and Swedish (during the Academia Gustavo-Carolina period, 1690–1710). The fact that German was used only during the Consistory sessions of the first period is a rather logical outcome, as the Consistory comprised mainly professors, of whom the vast majority in this period were of German origin. The Consistory protocol entry analysed here is dated 25 June 1638. From its structure it is bipartite and written in a notula form, that is, it is accompanied by more detailed explanations in addition to the resolutions. The main part of this entry comprises three agenda items, each one dealing with different issues to do with a different student. The content of the agenda items is as follows: in the first, a student wrote a letter of complaint about a fellow student; in the second, a student was accused of throwing a stone at the rector and other officials, and despite the fact that he denies being guilty, he was still arrested; in the third, an ordinance about the ex-matriculation of a student from the Academy came into force.

8 Consistory protocols were divided into separated books, each of them comprising one rectorate. According to the Consistory protocols of the Academia Gustaviana period there are 21 books, in other words, extant rectorates, in total. Up until 1638 each of them lasted about 6 months, and after that up to 12 months. However, the equivalent for the Academia Gustavo-Carolina period is 6 books, so that a couple of years are put together into one book; for instance, there is a single book for the period 13.12.1706–22.1.1709. Each rectorate in turn comprises a number of clearly distinguishable entries, which are all provided with date and content, and reflect separate events. Therefore, each of them is considered a single text unit, totalling 229 entries from the Academie Gustaviana period and 812 from the Academia Gustavo-Carolina. This means, in turn, that during the first period there were approximately 13 protocols per year (roughly one per month), while during the second period the equivalent numbers are about 40 protocols per year (and thus about four entries per month).



Hidden Functions of Code-switching 

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The proportions (in terms of words) as well as use of code-switching of each part of this entry are presented in the table below. It should be mentioned here that in the following and in all the other analysis parts of this article, no clear distinction is made between code switches and loanwords, so that even single word switches are treated here as code switches. In the table shown below the abbreviation LA refers to Latin and DE to German; the number of words is given in brackets (Table 1). According to the given data, the total length of this entire Consistory protocol entry is 104 words, of which about 76% is written in Latin and about 24% in German.9 Tab. 1: Length and the proportions of languages in the Consistory protocol entry from 25 June 1638. Length (in words)

Code-switching

Language

Introductory part

21

-

LA

Agenda item 1

10

+

LA (7) + DE (3)

Agenda item 2

61

+

LA (39) +DE (22)

Agenda item 3

12

-

LA

In total

104

+

LA (79) + DE (25)

Therefore, in this Consistory protocol entry as a whole Latin is the frame and German is used for interpolations. As the entry is bipartite, the two parts are also visually distinguishable and hence clearly separated from one another. The entry starts with an introductory part that comprises about 20% of the whole, consisting of 21 words, and is monolingual and rather formulaic. This part is an informative title written exclusively in Latin, which provides the exact date of the Consistory session, the day (Monday) and the more precise time of the day (seven o’clock in the morning): (1) Die Lunae 25. die Junij 1638 h[ora] 7 mat[utina]. ʻOn Monday, June 25, 1638, at seven o’clock in the morningʼ

9 It should be made clear here that the percentages given are based merely on the single Consistory protocol entry in which the above-mentioned distinction is clear, i. e. the total number of words per entry. However, these proportions might differ in various other entries, meaning, of course, that there are entries in which the proportions of vernacular might exceed the amount of Latin words, and vice versa (as presented in the given example).

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Directly below the title there is a short description where the session took place, also written in Latin, i. e. the rector’s house, and a list of the professors who attended it: (2) in aedibus Rectoris Praesentibus D. Ludenio, D. Belovio, M. Savonio, Joach[imo] Warneke et M. Schomero. ʻat rector’s house D. Ludenius, D. Below, M. Savonius, J. Warneke and M. Schomerus were [all] presentedʼ

The following part is the longest, comprising about 80% of the whole entry, so that about two-thirds are in Latin and a third in German, which in turn means that every third word used in the text as a whole is in fact a German interpolation. The main part of the text is divided between three agenda items, each of which includes an issue concerning a student. The first sub-item is the shortest, containing a total of 10 words, of which three are written in German and seven in Latin: (3) Übergab Jacobus Balccius sein klaglibel contra Bartholdum Gregorij studiosum Finnonem. ʻJacob Balccius handed over his letter of complaint against a Finnnish student Bartoldus Gregorijʼ

In the agenda item shown here, Latin is used as the majority language, which is also the practice used in this entry as a whole. This sentence is multilingual with examples of intrasentential code-switching between Latin and German, and all the switches could be treated as insertions. It starts with the German word übergab (ʻhe handed overʼ) and switches to the person given in a Latinised form, and then switches back to German explaining the object the person handed over, i. e. sein klaglibel (ʻhis letter of complaintʼ). The latter word is formed from the German word Klag (ʻcomplaintʼ) with which the Latin word libellum (ʻa small bookʼ) has been integrated and is used as a German word instead. The German sein and Latin libellum are also lexically congruent, so that they agree with one another. This interpolation is in turn followed by the third switch from German to Latin, which includes a five-word explanation comprising the information to whom the letter was addressed. The agenda item in the middle is the longest, comprising 39 words in Latin and 22 in German, all in all making up three sentences and 61 words. The first sentence is also the shortest, with only four words, of which the verb is given in German and the following name of the student in a Latinised form: (4) Erscheinet Eberus Olai Löfingius. ʻEberus Olai Löfingius appearedʼ



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Here too code-switching is intrasentential, meaning that the German verb which requires a nominative case is provided with the equivalent Latin name. The second sentence is in fact the longest and is written exclusively in Latin. The last one under the second agenda item, however, is the most multifaceted in terms of code-switching. It consists of 27 words, of which 21 are written in German and just six in Latin. Thus, on the sentence level it is the only one within this entry in which the proportions of Latin and German have changed. In all the other cases, and especially in the entry as a whole, the linguistic pattern is just the opposite. (5) Wird hiemit arrestiret undt ihm auferleget, in seinem Musaeo zu bleiben, biß er wieder ad judicium vociret wird, unter deßen soll er circa hor[am] 1 enarrationem schrifftlich einschicken. ʻHerewith he is arrested and is told to stay in his room, until he will again be summoned upon to the court; meanwhile around one o’clock he will have to submit his explanation in writing.ʼ

This sentence is in fact connected with the previous one in which the description was given completely in Latin, followed by the present sentence which provides a resolution in German with a few interpolations in Latin. Code-switching that occurs is intrasentential. The first Latin interpolation Musaeo (here: ʻa learning or study roomʼ) agrees in gender, case and number with the preceding phrase in German, i. e. in seinem (ʻin hisʼ), as the musaeum is a neuter noun in the ablative singular. It is followed again by a phrase in German zu bleiben (ʻto stayʼ) and code-switching follows the scheme of A–B–A, i. e. switching from German to Latin and then back to German. A similar phrase with code-switching follows this example. The German phrase biß er wieder (ʻuntil he will againʼ) requires a Latin noun in the accusative case, i. e. ad judicium (ʻto the courtʼ) which is then followed again by a specification in German – vociret wird (ʻwill be summonedʼ). The last switch is the longest, containing a switch from German to Latin and then back to German: unter deßen soll er circa hor[am] 1. enarrationem schrifftlich einschicken (ʻmeanwhile around one o’clock he will have to submit his explanation in writingʼ). Here three German words are followed by three words in Latin, after which the author has switched back to German. In addition, the fact that the Latin word enarratio is used in the accusative singular case is due to the subsequent German verb einschicken, which is transitive and thus requires the noun to be in the accusative case. The third and last agenda item, however, is written exclusively in Latin, declaring the decision made by the Consistory. However, intersentential code-switching occurs between the second agenda item as a whole and the third one. Despite the fact that the content part containing examples of code-switching is rather short,

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there are 14 occurrences of code-switching which are predominantly intrasentential and can be considered as insertions.

3.1.1 (Hidden) functions of code-switching It is clear from the analysis that code-switching between Latin and German was used to some extent in the entries of the Consistory protocols from the Academia Gustaviana period. The main question that needs to be discussed is why code-switching was used at all and, more importantly, what might have been its main (hidden) function. First, it needs to be explained how the sessions were held. Consistory sessions were usually presided over by the rector of the Academy who also protocolled them. As the majority of the professors of the Academia Gustaviana (18 out of 27) were of German origin and the other nine were Swedes (Piirimäe 1982: 60–62), it comes as no surprise that German was preferred over Swedish not only in this entry but in every protocol from this period. Second, the functions of code-switching have been the interest of historical code-switching research for some time now, but none of the studies conducted has defined the exact functions using coherent and formal terms. One of the most recent studies in which one of the functions of code-switching has been analysed in greater detail is by Mäkilähde (2018: 299–318). He concentrates on a single function – solidarity – that has so far been studied in most detail by Adams (2003). In order to study solidarity, the opposition of convergence versus divergence was used, a key concept found in communication accommodation theory (CAT). There, “convergence” is usually defined as “a strategy whereby individuals adapt each other’s communicative behaviors in terms of a wide range of linguistic-prosodic-nonverbal features” (Giles, Coupland & Coupland 1991: 7), and “divergence” is defined as “the way in which speakers accentuate speech as nonverbal differences between themselves and others” (Giles, Coupland & Coupland 1991: 8). Adams explains communication accommodation as follows: “accommodation is the act of modifying language use […] to suit the addressee in some way or the circumstances” (Adams 2003: 295). In the context of the present article, and especially the analysis parts of the case studies, the term “conversational intimacy” (Nähesprachlichkeit) will be used, as it is one of the possible outcomes of the communication accommodation theory that could also be considered one of the (hidden) functions of code-switching (Leonhardt 2009: 221; Leonhardt 2013: 220). As with solidarity, this term too has not received much scholarly attention so far.



Hidden Functions of Code-switching 

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In this case study, however, the function of conversational intimacy will be discussed, concentrating especially on the degree to which it occurs in the entry of a Consistory protocol. In order to proceed, the question of whether the content of the sessions was prepared beforehand or if it was direct needs to be answered. As the text in the sessions was orally presented, I claim that they were not prepared in advance (especially the discussions that followed) and were later written down by the presiding professor rather spontaneously, using his own mother tongue as a vernacular because it was easier this way. In this regard I think that the dimension of personal communication, here conversational intimacy, depends mostly on whether the text was prepared beforehand or presented directly. As it is impossible to measure the degree of conversational intimacy without analysing the linguistic aspects of texts (as done above) as well as extralinguistic aspects (such as the context, author etc.), I claim that the degree of personal communication must have been the highest in the texts that were presented without preparation, and thus reflect the nature of oral speech more than the others. In this respect, Consistory protocols definitely present texts with a very high degree of conversational intimacy; in fact, it is most probably the highest degree among all the other academic texts from the Academia Dorpatensis due to their function – orally presented spontaneous texts as written down by the professor who most likely did it partly by heart and thus using rather his own mother tongue (here German) as a vernacular. Unfortunately, of course, we cannot know for certain how the actual Consistory sessions took place (that is, to what extent vernaculars were used and whether the entire conversation was protocolled word-by-word or not). However, the data we do have (in the form of protocol entries) is sufficient to provide us with a framework to study academic (or any other) multilingual texts from the point of view of their conversational intimacy, in order to show how similar (or dissimilar) these texts might be or are to oral speech. Therefore, based on the data we do have, Consistory protocol entries indeed reflect rather high (or even the highest) degree of conversational intimacy.

3.2 S  econd case study: an entry in an album amicorum from 27 December 1633 The second text type chosen for a case study is a manuscript written in the form of a poem by the first Professor of History and Antiquities of the Academia Gustaviana, Friedrich Menius on 27 December 1633, as an entry in the album amicorum of a student Adam Olearius. One important function of alba amicorum was to acknowledge and affirm friendship between the owner of the album and the

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author of the entry, which is also reflected in the album’s Latin name – album amicorum – “friend’s album”, in German “Stammbuch” (Klose 1982: 45; Kaju 2011: 26f., 105). The broader definition of an album amicorum might be “sociotext – collective social forms designed, understood, and expected to circulate within designed epistolary circles” (Schneider 2005: 22). In terms of its structure, this entry consists of three parts, comprising the introduction that is Menius’ symbolum, i. e. the motto. The text that follows – the poem itself – is an extension of the motto. The most typical super symbolo poem was written in Latin in elegiac distichs and did not exceed two lines (Viiding 2011: 235). This poem, however, is considerably longer, consisting of 12 metric verses as well as its title and closing remarks. The last part of the entry is rather formulaic, consisting of the author’s expanded signature, title as well as the time of writing of the entry. However, unlike the general practice of writing those entries this one does not contain a dedication to the album’s owner nor any notions of praising the owner either; rather, it praises the author of the entry, that is Menius himself (also referred to in the closing part where his title is given with laudatory adjectives – poeta laureatus caesareus). Therefore, in terms of its type, this entry can also be considered as an individual letter-like item. It belongs to the sub-group of demonstrative letters and could even be considered, due to its style and content, as a text belonging to a group of laudative letters (epistola laudatoria) (Arninck 1658: 13–14; Mack 2011: 228–258). In terms of the languages used, the entry written by Friedrich Menius is the only one of that type that is trilingual. The majority of all the other entries (total of 221 entries), that is, 173 (78%), are monolingual, and 48 entries (22%) can be considered as multilingual (Kriisa 2018: 219f., 241). The total length of Menius’s entry is 124 words, which is over 70% longer than the average length of similar entries. This text is divided into 18 lines, so that each of them consists of seven words. The introductory (i. e. motto) part consists of three words written in Latin as the title, due to which code-switching occurs between this clause and the first sentence of the poem that follows, which is written predominantly in German. The switch, however, from Latin to German is therefore intersentential (see example 6). (6) Difficile at possibile / Was dem gemeinen Man zue sein vnmöglich scheinet. ʻDifficult, but possible. / That what seems to be impossible for ordinary peopleʼ



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The matrix language of the content is German, incorporating six words as interpolations in it – four words in Latin and two in Italian. All the switches are insertions in which German provides the frame and either Italian or Latin are the interpolations. The first switch from German to Italian and then back to German takes places in line three within the following sentence: (7) Was Pochen vndt Gewalt per forza lässet stehn. ʻThese [are the] things what the inquiry and violence arrange with forceʼ

In this example the use of Italian might be explained by the metre – as there are 12 syllables in the line, using either a German or Latin equivalent might not have been suitable in this instance, so that Italian is used instead. Or, perhaps, as Menius liked to praise himself rather than others, he might just have wanted to show off his knowledge in languages. The following passage contains four switches from German to Latin, each of which refers either to proper names, mythological characters or places. Lines 5–7 each contain a single Latin interpolation, while line 9 reveals two: (8) 5

Solt’ man Opitij Geist in Lieffland können bringen? Solt’ man zue Tauris auch woll teutsche Lieder singen? Solt’ wol Mercurio der Caspische Neptun Bis an den wilden Bält sonderlich Hülffe thuen? Solten die Musae wol Parnassum hie formieren.

ʻShould Opitz’s ghost be tried to brought to Livonia? / Should songs in German be sang to Tauris? / Should the Caspian sea go and help Mercurius [as far as where] to the wild Balts are? Should the Muses here too have found a Parnassusʼ

In the first example on line five, the proper name Opitz is written in Latin singular genitive form as Opitij which depends grammatically on the German word Geist and refers in translation to the spirit of Opitz (ʻOpitz’s spiritʼ). In this example it is rather hard to understand Menius’s motivation for using code-switching with Latin instead of the German equivalent (either den Geist von Opitz or des Opitz Seele),10 because both are equal in terms of their length in syllables (both consisting of five syllables). Latin equivalent of Opitij offers a possibility to use an

10 Cf. For instance, according to www.dwds.de (accessed 5 December 2019), analogous examples could be found from 1652 onwards. However, from the earlier decades, for instance 1630s when this entry was made, there are no similar examples known or available.

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open syllable, while German equivalents provide closed syllables. Yet, in terms of metrics in this poem, the length of the given syllable is not relatively important. Therefore his choice of words here might depend mostly on his own knowledge of languages and eruditeness which he liked to show off in his (academic) texts as much as possible. However, the form that must have been the most common at the time Menius wrote his poem, might have been even shorter by a syllable – Opitzens Geist (comprising altogether of just four syllables or even three syllables as Opitz’s Geist). Therefore, the reason for such a preference could not be metrical; instead, perhaps the Latin equivalent is used because the German version would resemble colloquial more than literary language and would thus be inappropriate for Menius’s intended poem. Like the previous examples, in lines 7 and 9 Latin insertions are also used. Firstly, Mercury’s Latin equivalent Mercurius in the singular dative case is used with the meaning ʻto Mercuryʼ. Here again, instead of using the German equivalent – zum Merkur – the Latin version must have been preferred for metrical reasons: the Latin equivalent contains four syllables, while the German version is slightly shorter, comprising just three syllables. On the last line Muses is used in the plural nominative case (Musae) instead of the German Musen. The noun agrees with the plural article form die that requires a plural form. In the same line, another Latin word is used – Parnassum – in the singular accusative case. This word (Parnassum) is an object to the previous noun Musae and goes with the German verb formieren which in turn requires the accusative case (ʻshould Muses have found a Parnassusʼ). The fact that all these switches in the main text are intrasentential is rather interesting and indeed exceptional when one takes into account that it is written in metres (alexandrines) in which intrasentential code-switching does not normally occur due to the use of either accented syllabic or quantitative metres (cf. Ford 2013). The last part contains 23 words divided into five lines. Like the motto part, this one is written exclusively in Latin and shows no code-switching. Instead, intersentential code-switching appears between the content and closing part where the switch occurs between the last line of the German content (from line 12: Obschon…) and the first line of the Latin closing part: (9) Ja ja, Vernunft vndt Kunst kann hie seer wol bestahn, Obschon Hanß Plump ins Mueß es nicht begreiffen kan./ VI. Calend. Januarii A[nno]. MDC XXXIII. Boni ominis ergo apposuit Dorpati Fr[iedrich]. Menius P[oeta]. L[aureatus]. C[aesareus]. Hist[oriae]. et Antiq[uitatis]. In Athenis Livonicis Prof[essor]. P[ublicus]. m[anu]. p[ropria].



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ʻOh yes, common sense and art could settle in/ though the stupid Hans would never understand it. / In the 6th of Calends of the January in 1633 / for a good auspice he, Friedrich Menius, [a] poet crowned by the emperor/ the professor of history and antiquities/ added [that is: wrote] in Dorpat with his own handʼ

3.2.1 The degree of conversational intimacy in the entry of an album amicorum When discussing what might have been the degree of conversational intimacy in the entry analysed here, one has first to think about the function of the albums (including the entries), as well as the context in which they were created. Usually, a single album amicorum consisted of a number of entries from different individuals written in various locations, mostly during the owner’s peregrinatio academica (that is, the travels of a student) (Kaur 2009: 11). Although the albums are called the “friend’s album” (Kaju 2011: 26f., 105), it is rather likely that the owner of the album and the author of an entry did not know one another at all or were just barely acquainted with one another. If the latter is the case, then, again, how to measure the degree of an entry’s conversational intimacy? It seems that the function of the texts is the most important feature when providing an answer to this question. As in fact we cannot identify the exact context in which the entries were created (except for the idea that students collected the entries during their or other students peregrinatio academica) we can only assume that the entries must have been created ”on the spot”, directly and presumably rather spontaneously, rather like the entries in the Consistory protocols. If this is the case, such entries should be treated as examples of close communication. However, there might of course have been occasions on which the same author wrote exactly the same text in a number of different alba amicorum, changing only the addressee and the date. On those occasions the texts were created beforehand, and thus such entries could be considered as sociotexts (see Schneider 2005: 22). If this is the case, a degree of conversational intimacy exists, but it is considerably lower compared to the other, spontaneous entries. To sum up, in case of the entries in the alba amicorum, the degree of conversational intimacy is definitely lower than in the entries of Consistory protocols due to the fact that in the albums the entries can often be considered either as a matter of politeness or used repeatedly in different albums, and thus were not created spontaneously on the spot. If the latter is the case, some of the album entries can also be considered as artificially created entries that lack any degree of conversational intimacy.

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3.3 T  hird case study: an example of a student scholarship application Student scholarship applications can be considered as a type of letter – petition letters (epistolae petitoriae) that were written by students with the aim of gaining a scholarship. From the early modern Academia Dorpatensis there are 183 applications extant, and all of them come from the Academia Gustavo-Carolina period, written during the 1690s. Of these, just six petitions exhibit examples of code-switching: five were written in the Swedish matrix language with some Latin insertions, and a single one was written predominantly in German with a few Latin embeddings. This practice of preferring the vernacular matrix over Latin in a scholarship application is a conventional practice in the letter genre produced in the Academia Dorpatensis, but rather unconventional in the case of applications which were predominantly monolingual and written in Latin, i. e. of 183 applications 176 were in Latin and a single one in Greek (Kriisa 2018: 210, 232f.). Regardless of the language of the applications and their year of submission, their content, writing style and structure are similar. All are full of laudatory allocutions to contemporary individuals. None of the applications included any appeals to muses or mythological figures nor did they include any passages from classical Latin or Christian texts, which was a typical practice for the other genres the students engaged with at that time (Kriisa 2018: 218). Every applicant mentioned his social status at least once, and living in poverty seemed to have been preferable. For example, one student asked for an endowment due to the fact that he did not get a scholarship and thus, in turn, could not return to the academy until he received a grant and was able to leave the countryside. Another student vowed in his application to the rector that if his application should be granted, he would not leave the university before gaining his doctorate. In terms of their structure, the multilingual scholarship applications are rather similar to letters as well as monolingual applications in consisting of three parts. In all of them, language mixing between the matrix and embedded language can also be distinguished visually; in other words, due to paleographical practice different scripts were used for Latin and the vernaculars, indicating a conscious use of the languages (cf. Schendl 2002: 47). This writing practice is called visual pragmatics, whereby the parts written in Latin (or the entire text units written in Latin) are usually more calligraphic compared to the rest of the text (cf. Machan 2011). Therefore, scholarship applications consist of a visually distinguishable introductory part with allocutions to the addressee, a content part, as well as a closing part.



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The multilingual scholarship application analysed here contains German as the matrix language and was written on 19 August 1693, by a student of the Academia Gustavo-Carolina, Petrus Wilhelm Räschau, and is addressed to the professors and the rector of the Academy (i. e. to the members of the Consistory of the Academy). In the applications, Räschau not only pointed to his own financial difficulties, he even claimed that his family was destitute due to a reduction of the manor lands, adding that he was the oldest of 12 children and barely owned any possessions. Also, unlike the other applicants, he added the sum he needed as a grant – 20 thalers – which was also the lowest scholarship given in the period. The following table (Table 2) provides an overview of the scholarship application analysed here. In addition to the name of the author, it contains the total number of words as well as lines of the application. The distribution of introductory, content and closing parts are presented, showing in each case the total number of both vernacular (here German) as well as Latin words; and in the last column the percentage of code-switching within the entire application is given. Tab. 2: The proportions of the multilingual scholarship application written by P. W. Räschau on 19 August 1693. Application

Number of words

Number of lines

Introduction DE/LA

Content DE/LA

Closing DE/LA

Proportion of code-switching

P. W. Räschau

328

40

DE: 11 LA: 3

DE: 292 LA: 3

DE: 15 LA: 4

3%

The total length of the scholarship application is 328 words, which is 8% longer than the average length of multilingual scholarship applications (i. e. 303 words). The text is divided into 40 lines so that each line contains eight words on average. The introductory part, which comprises 14 words altogether, is divided between three lines so that each has about five words. 11 words are written in German and three (27%) are Latin embeddings. The content part, which is also the most voluminous, comprises 295 words divided among 31 lines, so that each has about nine words. Within its German part there are just three Latin interpolations constituting about 1% of the whole content. In the closing part, however, which comprises 19 words (27%) of the entire 328 words, the frequency of the code-switching is highest – basically every fourth word is a Latin interpolation. The introductory and closing parts of scholarship applications in the 17th century Academia Dorpatensis all seem to follow a similar pattern – they are full of laudatory adjectives as supplements preceding the addressee (i. e. the rector, professors and other members of the Academy), and are thus the best reflectors

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of formulaic language. Yet, none of these formulae are copied from other applications or even from a previous application written by the same author, and therefore they all differ from one another in some respects. (10) HochwohlEdle, HochEhrwürdige, Großachtbahre und Hochgelahrte, / Herr Rector Magnifice, und sämptliche herren Professores / Hochgeneigte Herren. ʻHighly honorable, highly worthy, extremely respectable and very erudite /gentleman magnificent rector, and all the gentlemen of the professorsʼ

In this clause, the rector allocution is used. The rector is referred to as Herr Rector Magnifice (ʻMagnificent Rectorʼ). The vocative case of the adjective magnificus is used. The main idea of this formula is to start an application with the allocution to the most important man in the Academy – the rector. In addition, an allocution to the professors is also made. Namely, the plural nominative/vocative case of the word professores is preceded by the word Herren (ʻMistersʼ). Here the German plural nominative noun referring to misters (herren) agrees in terms of case with the Latin noun, which is also in the plural nominative/vocative form (professores). This application also mentions the Consistory of the Academy using the fixed term Consistorio Academico. All the switches in the application can be considered intrasentential. When drawing on the concept of Rutten and Van der Wal, all such rector-professor allocutions can be considered matters of deification (cf. Van der Wal & Rutten 2013: 52f.). In the context of student scholarship applications, it means that the person or persons (i. e. rector and/or professors) most referred to in the opening or ending clauses were the intended readers of the applications, on whom the financial support as a blessing for the students depended. Like the introductory part, the closing part also uses a vernacular allocution to address the rector once more: (11) Des H[erren] Rectoris Magnifici / wie auch der sämptlichen H[erren] Professoren / unterthänige und dienstergebener / diener / Pet[rus] Wilhelm Räschau / Manu Propria. ʻ[to the] gentleman magnificent rector / as well as [to] of all the gentlemen of the professors / [their] subservient and humble servant / Petrus Wilhelm Räschau / [written with his] own hand.ʼ

Here the rector allocution is bipartite, consisting of the word rector with an adjective magnificus. In fact, this application provides a good example of how the matrix language determines the inflection of the embedded language. Namely, the Latin genitive case Rectoris Magnifici is congruent with the German apposition Des Herren, which is also in the genitive case.



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Räschau finishes his application with a Latin phrase – manu propria – referring to the fact that the application was written as well as signed by himself as author and applicant. In the content part, there are three occasions on which Latin verb forms have been used within the German matrix. The first switch is the most interesting one: (12) Ich versehe mich hierauff einer gnädigen fiat, und verharre. ʻI take care of the gracious [upcoming], and persist [to it]ʼ

This is a good example of how the Latin subjunctive form of the verb fieri (to make) has been used instead of a possible substantivised verb in the German matrix. This use of words, especially of a substantivised Latin verb, clearly refers to the objective of the writing. In addition, fiat carries the direct message of receiving the scholarship from the divine-like rector and professors (cf. Vulgata Genesis 1:3 Fiat lux…). In the second and third cases (on the last line of the application), the matrix language’s inflected endings (i. e. inflectional morphemes) have been added to the Latin verb stem. (13) Daß mein unterthäniges aufsuchen in gnaden werde deferiret werden, also promittire Ich auch11 ʻTherefore my humble visit will be carried off in grace; so I also [will] let goʼ

For example, the syllable -ir, and the German equivalent of the inflectional ending e (and thus the ending -ier(en)) have been added to the stem of the Latin third conjugation of the verb promitt-ere (ʻto let goʼ), instead of the Latin ending -o, in the first person singular. A similar practice occurs with the word deferiret: instead of conjugating the verb like the Latin irregular verb deferre (ʻcarry offʼ) in the third person singular as defert, the author has conjugated the verb like the German loanword as deferiret, from the infinitive form deferieren.12 According to Myers-Scotton (1992: 23), the last two examples can, in fact, be designated as morphological borrowings, which are considered to be a type of code-switching that occurs when one language borrows a morpheme from another language. Here, Latin word stems are mixed with German endings.

11 Cf. Hechtenberg 1904: 44, 108. 12 This suffix -ier(en) is quite regular and productive for morphological borrowings in German, used as early as the 13th century onwards. The verbs, however, were used in German rather occasionally from the 1700s onwards (cf. Henzen, Deutsche Wortbildung, §154; Klein/Solms/Wegera: Mittelhochdeutsche Grammatik. III: Wortbildung, §V264-276)

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3.3.1 Pseudo-conversational intimacy? As shown above, code-switching was used to some extent in the scholarship application analysed. Despite the fact that the majority of the scholarship applications were monolingual and written in Latin, it seems (on the example of this application) that writing multilingual applications did not prevent students from gaining a scholarship (Kriisa 2018: 233). One of the biggest differences between Consistory protocols and alba amicorum entries is the function of the texts. Scholarship applications can be considered a sub-genre of petitions, written rather calligraphically (especially those written in Latin) and demonstrating inter alia the linguistic skills and eloquence of the applicant. This in turn means that they were most probably written beforehand, and in order to give a calligraphically more beautiful appearance to the applications, they were rewritten by fellow students with better handwriting. In addition, as the content of the application was to show oneself to be as pitiful as possible (and occasionally the real situation was depicted to be even worse than it actually was), these texts can be considered as rather artificial writings, the main objective of which was to have an influence on the committee that granted the scholarships. Therefore, if the applications truly were texts created artificially, beforehand and rather unspontaneously , and were intended to be as pitiful as possible, the degree of conversational intimacy might still exist to some extent. However, if the latter really is the case, this phenomenon could be described as pseudo-conversational intimacy instead. This means that the so-called conversational intimacy was prefabricated in the application on purpose by the author in order to gain the scholarship. In other types of letters, for example, such a practice was, in fact, never used.

3.4 F ourth case study: an example of a printed text – academic disputations The texts most frequently written and printed throughout the 17th century Academia Dorpatensis were academic disputations (disputationes), which were written almost every year, either by the presiding professor or occasionally by a student, as they were the second most important form of instruction (next to holding lectures).13 From the Academia Gustaviana period there are 550 imprints

13 The fact that the disputations (disputationes) were printed and thereafter orally presented is



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extant, of which 74 contain examples of code-switching, and from the Academia Gustavo-Carolina they are 98 and 46, respectively. The frame language in almost every disputation and dissertation was Latin. German, however, was the most often used vernacular as the embedded language, both during the Academia Gustaviana (in about 69% of the imprints) and the Academia Gustavo-Carolina period (in nearly 41% of the texts). Unlike all the other academic texts, disputations represent the sub-group with the most variations of different supporting practices to indicate the transition from one language to another, i. e. indicating here the switches from Latin to German. First of all, visual pragmatics was a common strategy which supported the use of multilingual practices, especially in printed texts such as disputations. The words in Latin (as well as French) were printed in antiqua, and all the vernaculars (German, Swedish, Estonian) were in fracture. This practice makes it rather easy to notice the switches in a text unit. The practice used only in disputations, however, is the use of vernacular expressions (as necessary elements of the sentences) before the switch from Latin to the vernacular. In fact, 52% of all the switches to German within disputations were preceded by such formulae. The following, for instance, are some examples (14-16) in which German is referred to both as a language as well as a nation: (14) Versio itaque Germanica: Schmücket das Fest mit Maien biß an die Hörner des Altars: ratione typi propriam verborum Hebraeorum significationum non exprimit (Virginius 1634). ʻAnd the version also in German: might the festival of May be decorated with the horns binded on the altars; this figure [of speech] does not express [the original] that is meant with words in Hebrewʼ (15) Interpretes a Germanico [populo] Voktey, id est, praefectura (Secrenius 1637). ʻInterprets to German [call it] bailiwick, that is a superintendent.ʼ

attested to in the Academy’s Constitutions 1632 [1650], 1689, cap. XVII, II: […] disputationes, qvae admittendae erunt, debebunt die dominca, qvae eum, qvo habebuntur, proxime praecedit, publice affigi, Professoribus exemplaria distribui in templo sacris peractis ante meridiem per Pedellum, qvae nisi observanta fuerint, eae disputationes non admittentur. […] Publice disputaturus conscripta disputationis themata Facultatis Decano exhibebat, tum si exercitii causa disputant, tum si pro loco id faciet. […] (ʻDisputations that are allowed to be disputed over, have to be distributed on a Sunday before the in the church by the Academy’s pedell to the professor after the sermon and before the noon. Disputations that were not analysed beforehand, were not allowed to be disputed overʼ […] […]ʻthe person who is publicly disputing has to present the theme of the already prepared disputation; both, in case he disputes for practising as well a for applying for an academic positionʼ).

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(16) Verum Carolus Magnus, Mensem hunc in lingva Germanica dixit: Brachmonat/ vom Brachen, quod iam Agricola exercere solum soleat sub vomere (Frymolinus 1648). ʻTruly Charles the Great, named this month in the German language as summer fallow, from [the word] fallow, because then peasant used to exhauste the soil with the plowʼ

On a number of occasions, either a possessive pronoun ‘our’ or its derivative nostratus, a, um, demonstrative pronouns, or stem vulg- from vulgo were used to reflect the speakers as well as the language used (see examples 17 and 18). (17) vulgo vor Pommern dictam (cf. Hinnel 1697) ʻby the people Fore-Pomerania is calledʼ (18) Unde vulgarem quoque obtinuit loquendi morem: Mein Hertze sagte mir es wohl: quippe nec inusitatum omnino est (cf. Brehmer 1706). ʻSo this has been taken to the everyday speech: My heart must have told me; that it is not utterly uncommonʼ

Similar phrases introducing switches to German were often used in parallel and often as synonyms to those that introduced Swedish (see examples 19–21): (19) Synonymiam quod spectat, dicitur hoc Elementum Latinis et Graecis Authoribus Aer […]: Suecis klaar Lufft, Germanis Die Lufft oder die Weite zwischen Himmel und der Erden (Bergius 1647) ʻIn terms of synonyms, [both] Latin and Greek authors name this element ʻairʼ; among Swedes [it is called] clear air, among Germans the air or the vastness between the sky and the ground.ʼ (20) Germani die Feste des Himmels/ Sveci Himmelens Fåste/ vertunt (Lidenius 1651) ʻGermans call [it] the feasts of heaven, [while]Swedes [call it] the festival of the heavenʼ (21) quod Germani aussen bleiben/ Sveci kijkhosta vocant. (Braun 1709). ʻthat Germans call [as] to stay outside, while the Swedes call [it] whooping coughʼ

Besides indicating the majority of the switches by using a strategy of introductory formulae before the switches, the main text of the disputations provides a number of examples of the varying use as well as the function of vernacular interpolations. The following examples show some of the main practices and how they were used. All the switches are in fact examples of intrasentential code-switching. First, rather common headings and sub-headings of books are given in a vernacular, provided with the name of the authentic author of the treatise, which remained in Latin, switching to the scheme of Latin-German-Latin (examples 22 and 23):



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(22) Illustris Steno Bielke d[icto] l[oco] Vid[e] Reformation guter Policey zu Augspurg An[no]. 1530 & 1548 (Ludenius 1637) ʻLook at the citation in noble Sten Bielke’s [treatise] Reformation guter Policey zu Auspurg in the year of 1530 and 1548ʼ (23) Anatomia Marpurg[ensi] P[agina] 28 seq[uentes] Abgenötigte Antwort p[agina] 19, 53, 65, seqq[uentes] Endlicher Bericht (Vermerus 1636). ʻFor the necessary answer [look at the] ʻAnatomy of Marburgʼ page 28 and for the final announcement on the following pages 19, 53, 65ʼ

Second, single-word terms and longer expressions with some specific meanings are often used, so that at first the Latin analogue is presented, which is then followed by its vernacular equivalent (examples 24 and 25). The following two examples could even be considered a special case: in these an exact translation from Latin to German is provided: (24) et ipsi qui exercent eas opifices non artifices, Handwerksleute (Savonius 1632) ʻand [they] who practice those [arts] consider [themselves] as crafters, [that is as] Handwerks­ leute, [and] not [as] artistsʼ (25) Sic est Status sive Ordo Nobilitatis, der Ritterstand/ der Wehrstand. (Rivius 1650). ʻSo is the noble rank or order, knighthood (der Ritterstand) [or the] order of the defence (der Wehrstand)ʼ

There is also an example from a dissertation written in 1639 in which there is a discussion on the exact equivalent of the Holy Trinity in German (examples 26): (26) si rem recte velimus aestimare, nomen illud, [Dreyfaltigkeit] quo Germani ad exprimendam personarum Trinitatem utuntur, minus conveniens est, cum triplicitatem potius sonet, quam Trinitatem, quae rectius dicitur Dreyeinigkeit/ quam Dreyfaltigkeit (Friedenrich 1639). ʻIf we would like to estimate correctly the name of it [that is] [Dreyfaltigkeit] Trinity, which Germans use to refer to the Trinity, then this [version] is false, because it sounds like [something that is] threefold rather than trinity, that [in turn] should correctly be expressed as Dreyeinikeit [three and one], or Dreyfaltigkeitʼ

Under this division, one of the most important as well as most interesting examples of language mixing occurs. On a title page of a disputation from 1652, a Latin-German mixed version of one of the brotherhood’s (that is the Brotherhood of the Blackheads and Die Bruderschaft der Schwartzhäupter) official name is given (example 27):

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(27) HONORATISSIMUS INDUSTRIAQUE / rerum ac negotiorum usu praestantissimis/ VIRIS/ SODALITI der/ Schwartzenhäupter / quod in Inclyta & celeberrima Rigensi Republ[ica] Patria mea dulcissima, (Lidenius 1652). ʻHighly honorable and diligent men / [you] who deal with the very present issues / [men] companions of the Blackheads, / that [are] in my home country / in the most famous republic of Riga…ʼ

This is a very good example of using code-switching, in which the first part of the name is given in Latin (viris sodaliti), and the specification is in German (Schwartzen­häupter). The name for the Brotherhood of the Blackheads was mostly used in German as “die Bruderschaft der Schwarzhäupter”. As the brotherhood was created during the period in which the dominant position of Latin was already taken over by the vernaculars, this is the reason its members did not use this term in Latin. Yet, there are some examples in the municipal documents from the early 15th century in which the brotherhood was referred to in Latin as capita nigra – a phrase most probably translated into Latin by an educated man who kept the records. One example of such a practice of referring to the brotherhood in Latin is written in the bookkeeping document of the Dominicans in Reval published in the treatise of Walther-Wittenheim and reads as follows: […] Item 1 tunna esoce et poci et piscarum cum 2 1/2 marcas provisores nigrorum capitum […] (1938: 148).

Third, when explaining words’ etymology, the German equivalent is given, even when describing some Swedish toponyms. For instance, the etymology of Stockholm as well as Finland have been described via German terms supplemented by longer explanations in Latin (examples 28 and 29): (28) Stockholmia nomen habere videtur a Stok/ quod Germanis trabem, vel crassius lignum significat, Holm vero insulam; quasi diceres, Stockholm insulam trabium (Lilonius 1651); ʻThe name of Stockholm seems to come from [a word] Stok / that in German means wood, or thicker log; Holm [on the other hand] really stands for the island; and has it is spoken, Stockholm thus is a island [made of] woodʼ (29) qui terram dici existimant, quasi des Feindes Land; quam vocem consuetudo postea in Finland contraxit (Gruuf 1650). ʻ[There are] those [who] tend to think that this land [should] be called as des Feindes Land (ʻthe land of the enemyʼ); [word] that later was drawn together as Finlandʼ



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3.4.1 Deficiency of conversational intimacy? Academic disputations from the early modern Academia Dorpatensis are the only examples of printed texts chosen for the case studies of the present article. As shown (in 3.4.), code-switching is a rather often used practice in disputations where the matrix language was (without a single exception) Latin, and German was frequently used for vernacular embeddings. The main difference between manuscripts and printed texts is that in printed disputations interpolations from the matrix language to the embedded language emphasised are in every other case by introductory expressions (referring to the language of the following switch). This practice was never used in any other text type of the early modern Academia Dorpatensis. Disputations were written days before the dispute took place, either by the presiding professor (praeses) or (more rarely) by a student (either respondens or auctor et respondens) (Jaanson 2000: 43; Viiding 2017: 479), and they were supposed to be printed out and given to the professors and fellow students who attended the dispute. During the disputes, the respondens was supposed to present his previously prepared and printed text and to be ready to debate it. Unlike orally held Consistory sessions in which the texts produced were rather spontaneous and direct, disputations represent a text type that was prepared in advance, i. e. resulted in a printed text (that was read out during the dispute). Printed disputations are the only text type comprising introductory formulae before the vernacular written switches; their main function might have been to prepare the audience (who might not have understood the target language) for the following switch, especially as translations into Latin were also often given. Therefore, given the main characteristics and functions of printed disputations, they show no degree of conversational intimacy, in contrast to all the other analysed text types, due to being rather formulaic in style.

4 Conclusion Based on the analysis conducted in this article, code-switching was without a doubt a practice rather frequently used in some of the sub-groups of academic texts (both manuscripts and imprints) written during the early modern Academia Dorpatensis. The majority of the switches in which German was used followed the scheme A-B-A and were thus (intrasentential) switches that can also be regarded as insertions. In the texts analysed, alternations that would have required a complete change from one language to another were never used. Congruent lexicali-

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zation was often evident, especially on those occasions when either Latin and/or German words, including articles etc., were put together so that they agreed with one another in terms of gender, case and number. The degree of conversational intimacy as one of the hidden functions of code-switching was observed in every text type. As a result, entries in Consistory protocols show the highest degree of conversational intimacy due to resembling oral speech most closely, as well as being direct, spontaneous texts. Entries in alba amicorum appear to show the same degree of conversational intimacy as the protocol entries. However, it is not certain whether these entries were created beforehand or not; if they were, they are regarded rather as artificially created texts that lack conversational intimacy. Scholarship applications, however, seem to contain a high degree of conversational intimacy in terms of their tone and function. Nevertheless, as these texts are intentionally created to be artificial texts full of (self-)pity, I would consider them to represent examples of pseudo-conversational intimacy instead. Lastly, printed disputations were the most refined and formulaic kinds of text examined: they lack any degree of conversational intimacy whatsoever. In all, these results show the (possible) degree of conversational intimacy based on only four sub-groups of academic texts. As there are many texts in the other categories as well (24 according to my categorisation), the results of other text types might differ to a large extent, showing perhaps some degree of conversational intimacy even in imprints. This, however, requires in-depth linguistic studies yet to come.

5 References Adams, James Noel (2003): Bilingualism and Latin Language. Cambridge: Cambridge University Press. Alexander, Klinton W. & Kern Alexander (2011): Higher Education Law: Policy and Perspectives. London, New York: Routledge. Arninck, Henricus (1658): Medulla variarum earumque in Epistolis usitatarum formularum, Ex Optimis Quibusvis authoribus, in usum Gymnasii Revaliensis, quod in Livonia est, collecta Per Henricum Arningum; in Gymnas. Reval. Rhet. Prof. Jenae: Sengenwald. Auer, Peter & Sheldon Brammall (2019): Multilingual Practices in the Early Modern Literary Culture Conference. University of Birmingham, 10–11 January. Benner, Margareta & Emin Tengström (1977): On the Interpretations of Learned Neo-Latin. An Explorative Study Based on Some Texts from Sweden (1611–1716). Göteborg: Acta Universitatis Gothoburgensis.



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Michael Prinz

„Buntschäkkigte Universitätsprache“ und „gelehrt scheinender Mischmasch“ Codeswitching und language mixing in akademischen Vorlesungen der Frühen Neuzeit

1 D  eutsch im Hörsaal – der akademische language shift am Ende des 18. Jahrhunderts Die Frage, womit ich Sie heute, da Sie Sich eben zum ersten Mahle in meinem Hörsaale versammeln, zu unterhalten, und für meine künftige Vorlesungen vorzubereiten beschlossen habe, ist diese: Soll man die Philosophie in lateinischer, oder vielmehr in deutscher Sprache auf deutschen Universitäten vortragen? Ich erwarte es von ihrer Billigkeit, meine Herren! daß sie mir zutrauen, daß ich den Mann nicht nach dem Zuschnitte des Rockes messe […] nicht darum den ehrwürdigen Nahmen eines Philosophen Jemandem beylege, weil er seine Hirngespinste vielmehr in dieser, als in einer andern Sprache zu Markt trägt. (Stöger 1790: 4)

Mit diesen markigen Worten begrüßte im Jahr 1790 der an der Salzburger Universität wirkende Professor für Logik und Metaphysik, Bernhard Stöger, ein Ober­ alteicher Benediktiner (zu den biographischen Daten vgl. Brandl 1978: 243), seine Studenten zur Eröffnungsvorlesung „Ueber die Frage: Welcher Lehrvortrag in der Philosophie ist auf deutschen Universitäten der nützlichere: der lateinische, oder der deutsche?“. Nachdem er nun jahrelang auf Lateinisch gelesen und publiziert habe, so Stöger, habe er sich entschlossen, zum ersten Mal in seinen öffentlichen Vorlesungen den deutschen Vortrag zu praktizieren – privat habe er bereits zuvor auf Deutsch gelesen.1 Nicht etwa eine „unzulängliche Geläufigkeit in der lateinischen Sprache“ (Stöger 1790: 4) habe ihn zu diesem Schritt bewogen, sondern

1 Tatsächlich hatte Stöger zwei Jahre zuvor auf Deutsch eine Anleitung zum Studium der theoretischen Philosophie veröffentlicht, damit „nach verschiedenen Lehrbüchern und einmal auch in deutscher Sprache Vorlesungen gehalten werden“. Die Anleitung sei allerdings „bloß zum Gebrauch bei meinen Privatvorlesungen“ gedacht, in den öffentlichen Vorlesungen werde ein lateinisches Lehrbuch verwendet (Stöger 1788: Vorrede). Michael Prinz: Uppsala Universitet, Department of Modern Languages (German), Tel. +46 18-471 1346, E-Mail: [email protected]. https://doi.org/10.1515/9783110752793-011

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echte Überzeugung. In der Folge werden auf gut 20 Seiten die im zeitgenössischen Wissenschaftssprachdiskurs gängigen Argumente für das Gelehrtenlatein zerpflückt (dazu allgemein Weimar 2003; Roelcke 2019). Stöger nimmt an, dass inzwischen selbst die Rechtsgelehrsamkeit und Theologie an „den meisten Universitäten des protestantischen, und sehr vielen des catholischen Deutschlandes […] entweder ganz, oder doch zum Theile“ auf Deutsch unterrichtet werde (16). Und: „Alles, oder doch beynahe alles, was über Philosophie geschrieben wird […] wird in Deutschland heut zu Tage deutsch geschrieben. Auf unsern blühendsten Universitäten wird deutsch vorgelesen“ (20). Es überrascht freilich, dass angesichts der behaupteten Normalität des Vorgangs eine öffentliche Rechtfertigung überhaupt notwendig erschien.2 Stögers Salzburger Dienstherr dagegen, der Rektor Johann Damascen v. Kleinmayrn, wurde über die geänderte Unterrichtspraxis nicht vorab informiert. In einer Klageschrift, die v. Kleinmayrn zwei Jahre später, kurz vor seiner Abwahl aus dem Amt, einer angereisten Visitationskommission überreichte, lässt er sich deutlich über die Zustände an seiner Hochschule aus und kommt dabei auch auf Stöger und die Frage der Vorlesungssprache zu sprechen: Mittlerweile habe die teutsche Sprache über die lateinische zu sehr die Oberhand genommen. Anfangs eiferte man von Hofe selbst aus die Professoren an, daß sie teutsche Vorlesebücher schreiben, teutsche Vorlesungen halten, teutsche Disputierübungen anstellen sollten. Das Beyspiel reitzte auch andere, weil sie wohl wußten, daß sie bey den Studenten […] mit teutschen Vorlesungen viel beliebter seyn werden. Der Professor der Logik gab eigens ein Werkchen zur Ver­ theidigung der teutschen Vorlesungen heraus, und fing sie ohne weitere Anfrage an. Und jetzt wird außer der dogmatischen Theologie, der Kirchengeschichte, und den bürgerlichen Rechten alles teutsch vorgelesen. (zit. nach Sartori 1794: 33–35)

Die sonstigen Reaktionen auf Stögers Schrift fielen dagegen weitgehend positiv aus. So pflichtete ein anonymer Rezensent in der Jenaer Allgemeinen LiteraturZeitung bei: „Das meiste von dem, was der Vf. vorbringt, ist zwar bekannt, aber doch wahr und richtig“ (Anonymus 1792: 200). Und auch in der Allgemeinen deutschen Bibliothek war die Besprechung wohlwollend (Anonymus 1794). Allerdings erschien 1793 aus der Feder eines gewissen Aemilian Würth, Benediktiner aus der Reichsabtei Oberelchingen, eine 80-seitige Apologie des Gelehrtenlateins, die Stögers Schrift mit beißendem Spott attackierte. Schuld am Niedergang des akademischen Lateins seien u. a. die philosophischen Fakultäten, die ihrem Bildungsauftrag, der Vermittlung ausreichender Lateinkenntnisse, nicht mehr

2 Schiewe (2000: 92f.) hält diese Rechtfertigung im ausgehenden 18. Jahrhundert für einen „Anachronismus“.



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nachkämen. Man wisse von Lehrern der höheren Fakultäten, die gern auf Latein lesen würden, wenn nur die „gekrönten Weltweisen“ (51), die leider selbst kein Latein mehr verstünden,3 dies den Studenten zuvor beigebracht hätten. Und hätte Immanuel Kant doch nur lateinisch geschrieben: „Ganz Europa, selbst der Schwarze, und Asiat würde auf seinen Acker zu ernten kommen, und dem Vater Lieder singen und Opfer schlachten“ (62). Ein wirklich feuriger Anhänger des Königsbergers scheint Würth indes nicht gewesen zu sein: Dem Himmel sei zu danken, „daß wir schon Christen sind, durch kantische Philosophie wären wir schwerlich zu solchen bekehret worden“ (66). Doch auch Würth kann die Realitäten nicht leugnen: während „vor 30. 40 Jahren in allen nicht nur allein katholischen, selbst protestantischen sowohl niedern als höhern Schulen in lateinischer Sprache docirt, alles in selber verfasst worden“ sei, lebe man nun in Zeiten, „in welchen alles Deutsch vorgelesen und geschrieben wird“ (75). Die zeitgenössische Kritik war Würths Kontroversenbeitrag nicht allzu gewogen. Der Ulmer Aufklärer Johannes Kern4 kritisierte das Werk in Friedrich Nicolais Neuer allgemeiner deutscher Bibliothek als „elende Schrift“ und nahm Stöger ausdrücklich gegen Würths „hämische Insinuationen“ in Schutz (Kern 1794). Auch die Oberdeutsche allgemeine Litteraturzeitung publizierte einen deutlichen Verriss (Anonymus 1793a). Und Stögers Salzburger Kollege Tiberius Sartori5 (1794: 34 Anm.) empfahl ihm, Würths Angriff als „unter seiner Würde“ einfach zu ignorieren. Lediglich die Zeitschrift Kritik über gewisse Kritiker, ein prominentes Sprachrohr der Gegenaufklärung aus dem Umfeld der Augsburger (Ex-)Jesuiten, veröffentlichte eine wohlwollende, wenngleich nichtssagende Besprechung von Würths Buch (Anonymus 1793b). Dass allerdings alle Beteiligten dieser kurzen Wissenschaftssprach-Kontroverse zwischen 1790 und 1794 in ihrer Einschätzung des Status quo so auffällig übereinstimmen, macht deutlich, in welchem Umfang der akademische language shift 6 am Ende des 18. Jahrhunderts die kommunikative Gattung Vorlesung bereits

3 Mit Christian Thomasius habe alles angefangen, „freylich aus keinem andern Grund, als weil er selbst kein Meister der Latinität war“ (46). Der Vorwurf mangelhafter Lateinkenntnis ist eine gängige Invektive in Volkssprachendiskursen, die u. a. auch gegen Luther und Paracelsus vorgebracht wurde (vgl. bereits Hodermann 1891: 9 u. 15). 4 Die Auflösung des Namenskürzels („Kz.“) erfolgte nach Parthey (1842: 12 u. 45); vgl. auch Engels (1936: 37). 5 Zur Identifikation des anonymen Autors mit Sartori vgl. Holzmann & Bohatta (1907: 275). 6 Language shift wird hier für die allmähliche Ersetzung des Lateins durch die Volkssprachen in der akademischen Domäne verwendet, auch wenn der Terminus mitunter für eine Substitution „in all spheres of usage“ (Pauwels 2016: 18) reserviert wird. Für die Entwicklung im deutschen Sprachraum vgl. ausführlich Schiewe (1996), Klein (2011) und Prinz & Schiewe (2018).

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erfasst hatte. Nicht nur Vorreiter der Universitätsreform wie Halle oder Göttingen (vgl. etwa Schrader 1894: I, 106; Paulsen & Lehmann 1921: 15; Oehler 2016: 179f. u. pass.) realisierten ihr Vorlesungsangebot zu diesem Zeitpunkt weitgehend auf Deutsch, selbst eine katholische Ordensuniversität wie Salzburg, bei der in Bezug auf den Sprachwechsel mit einer markanten „Phasenverschiebung“ (Weimar 2003: 35) zu rechnen ist, unterrichtete um 1790 bereits in erheblichem Umfang auf Deutsch, und zwar an allen Fakultäten und auch in öffentlichen Vorlesungen (zu den relevanten Faktoren der Sprachwahl vgl. Prinz 2020: 577). Als wenige Jahre später Matthäus Fingerlos, der Regens des Salzburger Priesterseminars, in einer anonym veröffentlichten Schmähschrift Stögers Lehrtätigkeit in Salzburg auf 20 Seiten akribisch besprach und Stöger selbst als Faulpelz, Trunkenbold, einen „Feind vom Grübeln in den Wissenschaften“ und überhaupt einen der „elendsten Professoren“ diffamierte (Fingerlos 1798: 142–163), wird die Sprachenschrift von 1790 und die daraus resultierende Kontroverse mit keinem Wort mehr erwähnt. Das Thema hatte sich mittlerweile in Salzburg ganz offenbar erledigt.

2 S  prachreflexive Zeugnisse zur historischen Vorlesungspraxis 2.1 D  ie „buntschäkkigte Universitätsprache“: zur RambachKontroverse der 1730er Jahre Was hat man sich nun aber unter einer „deutschen“ Vorlesung7 im 18. Jahrhundert vorzustellen? Sprachwissenschaftliche Untersuchungen zu dieser Frage fehlen, was u. a. mit der desolaten Editionslage zu tun hat, aufgrund der bislang nur wenige Vorlesungstexte in ausreichender Qualität verfügbar sind – insbesondere solche entlang des philosophischen Höhenkamms (zum Editionsstand vgl. Joost 2001 und Bohr 2019: 179–184). Sprachreflexive Zeugnisse belegen jedoch, dass vielfach von einem Vortragsstil auszugehen ist, der markant von multilingualen Praktiken8 wie Codeswitching, Sprachmischung (language mixing) und Entlehnung geprägt war.

7 Zu den zeitgenössischen Bezeichnungen und zum frühneuzeitlichen Nebeneinander von öffentlichen Vorlesungen (lectiones publicae) und privaten (collegia privata) vgl. zuletzt Prinz (2020: 571). Gerade collegium ist im akademischen Kontext allerdings ambig (zur Begriffsgeschichte vgl. Döring 2003: 19–23). 8 Der Terminus wird (anknüpfend an Pahta, Skaffari & Wright 2018: 4) als weit gefasstes Hyperonym für eine Reihe von Sprachkontaktphänomenen verwendet, die in der Literatur in ver-



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Als zum Beispiel Mitte der 1730er Jahre zwischen einem Gießener und einem Halberstädter Herausgeberkreis9 ein erbitterter Streit über die postume Edition von Kollegien des bedeutenden pietistischen Theologen Johann Jakob Rambach (1693–1735) ausbrach,10 kritisierte der damalige Subkonrektor der Halberstädter Domschule Georg Venzky (1704–1757)11, ein bedeutender Übersetzungstheoretiker aus dem Gottsched-Umfeld, man würde in den Gießener Rambach-Editionen „die gewöhnliche buntschäkkigte Universitätsprache antreffen, die der selige Mann in Collegiis wol gebrauchet hat, [s]o man aber in keiner seiner gedrukten Schrifte(n) antrift“ (Venzky 1736a). Man hätte dem Verstorbenen und seinen Lesern besser den Gefallen tun sollen, die Vorlesung in eine „gleichförmige Schreibart“ zu bringen, mit anderen Worten: in einer einsprachigen Überarbeitung zu veröffentlichen. Zunächst zum historischen Kontext dieser buntschäkkigten Universitätsprache: Der von Venzky kritisierte Text, die Gießener Ausgabe von Rambachs homiletischen Vorlesungen (an den Universitäten Halle und Gießen), war wenige

wirrender Vielgestaltigkeit konzeptualisiert und terminologisiert sind (vgl. etwa Clyne 2003: 70–73; Gardner-Chloros 2009: 10). Unter multilinguale Praktiken wird im vorliegenden Beitrag neben dem Bereich der Entlehnung auch die Juxtaposition mehrerer Sprachen (oder Varietäten) innerhalb eines Bezugsrahmens gefasst, der je nach Standpunkt und Fragestellung syntaktisch (Satz oder Teilsatz/CP), pragmatisch (Äußerung, kommunikatives Ereignis) oder gesprächs- bzw. textlinguistisch (Turn, Gespräch, Text) bestimmt sein kann. Mit Auer (1999; 2014) werden nachfolgend verschiedene Juxtapositionstypen unterschieden: a) hinsichtlich der Vorhersagbarkeit ihres Umfangs ein alternational vs. insertional type (zur single lexeme insertion s. ausführlich unten in Kap. 3) und b) hinsichtlich ihrer Funktion Codeswitching vs. language mixing: Bei Codeswitching erweist sich der Wechsel der Sprache innerhalb des Bezugsrahmens als diskursfunktional, kann also als lokal bedeutungsvoll rekonstruiert werden (z. B. im Sinne von Gumperz 1982: Kap. 4 als contextualization cue). Für Fälle von Sprachmischung (language mixing) gilt dies nicht. Als gemischt erweisen sich insbesondere Texte und Gespräche mit konstantem Wechsel zwischen den beteiligen Sprachen, sodass letzlich der gemischte Modus selbst (und nicht eine der Einzelsprachen) das gewählte Register darstellt. Dieser zweite Typ wird in der Forschung vielfach ebenfalls als „Codeswitching“ bezeichnet (vgl. etwa Myers-Scotton 1993: 117–131: „Codeswitching as the unmarked choice“). 9 Die beiden Parteien sind in den Texten der Kontroverse häufig als Gießener bzw. Halberstädter angesprochen, auch wenn längst nicht alle beteiligten Akteure jeweils dort ansässig waren. In Halberstadt z.B. wirkten v.a. Georg Venzky und der Verleger der umstrittenen „Sittenlehre“, Christian Friedrich Schopp. 10 Zu Rambach vgl. zuletzt Stadelmann & Zimmerling (2019), zum Konflikt um die in Jena, Halle und Gießen gehaltenen Vorlesungen – allerdings lückenhaft – Hug (2003: 50–58); Beck (2019: 154–157). 11 Zur Biographie Venzkys vgl. Zedler Bd. 46 (1745: Sp.1787–1790) und Neubauer (1746: 944– 989); zu seiner Übersetzungstheorie u. a. Waters (1975: 254–256), Rener (1989: 317–325) und zuletzt Boguna (2019).

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Monate zuvor von Johann Philipp Fresenius im Auftrag der Erben aus Rambachs Originalmanuskript12 herausgegeben worden (Rambach 1736a). Während die Gießener Ausgabe sich um größtmögliche Vorlagentreue bemühte (vgl. Herbers 1952: 40f.) und deshalb auf Eingriffe in die sprachliche Gestalt der Vorlesung weitgehend verzichtete, verfolgten Venzky und seine Halberstädter Editorenkollegen eine andere Strategie: Zwar dürfe man nicht den Sinn des Texts ändern, sehr wohl aber „Worte, wo man zu nachlässig im Discurs geredet“ habe, übersetzen, um besser verstanden zu werden (zit. nach Neubauer in: Rambach 1738a: II, 33). Hier offenbart sich Venzkys translatologischer Hintergrund. In einer zwei Jahre vor dem Konflikt veröffentlichten Abhandlung bemerkt er über die stilistischen Freiheiten beim Übersetzen: „Hat man dabey eine verdrüßliche, dunkele oder verworrene Schreibart in eine angenehmere und deutlichere verwandelt […] So übertrift sie das Original selbst“ (Venzky 1734: 64). Zugespitzt lautete Venzkys translatologisches Credo also: „the style of the original work could be sacrificed if the content was to be rendered accurately“ (Waters 1975: 255). Wenig später wurde seine Übersetzungstheorie dann zur Richtschnur auch seiner editionsphilologischen Arbeiten. Als besonders konfliktträchtig erwies sich dabei ein weiteres Gießener Editionsvorhaben – Rambachs Vorlesung zur Sittenlehre, die Venzky selbst gerade erst anonym in Halberstadt herausgegeben hatte (Rambach 1736b). Auch hier planten die Gießener, den Text möglichst unverfälscht aus dem Originalmanuskript zu edieren, während Venzky lediglich Nachschriften zur Verfügung gestanden hatten.13 An die Adresse der Konkurrenz gerichtet bemerkt er deshalb: „sie wollen es accurat so abdrucken, wie es da liegt, das, halb deutsch und halb lateinisch […] Und das soll dann schöner seyn“ (Venzky 1736b: 492). Dabei seien die Rambach-Vorlesungen doch in einer „Catheder-Sprache“ geschrieben, die weder Gelehrte lesen wollten noch Ungelehrte lesen könnten (zit. nach Neubauer in: Rambach 1738b: 53).14 Ganz ähnlich urteilt ein anonymer Rezensent in den

12 Inklusive einiger Passagen, die sich nicht in Rambachs Manuskript finden, sondern „von dem seligen Auctore in dem Collegio nur mündlich vorgetragen“ wurden (Fresenius in: Rambach 1736a: Vorwort). Diese Zusätze waren einer Vorlesungsnachschrift entnommen, die Fresenius für die Edition noch zusätzlich beigezogen hatte. 13 Die Frage, ob Vorlesungen aus einem Autormanuskript oder aus guten Nachschriften zu edieren seien, erwies sich als ein weiterer zentraler Streitpunkt der Kontroverse. Die Gießener, im Besitz des Rambachschen Nachlasses, stellten sich dabei auf den Standpunkt, dass „im Nachschreiben, wie bekant, ordentlich der Verstand verfälschet, die Namen und Zahlen verändert, und viele falsche Dinge einem angedichtet werden“ (Anonymus 1735: 930). 14 Der Ausdruck Cathedersprache ist im 18. Jh. häufiger belegt: für die akademische Unterrichtssprache (z.T. im Gegensatz zu Büchersprache oder Canzelsprache), aber auch ganz allgemein



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Franckfurtischen gelehrten Zeitungen über eine weitere Rambach-Edition, diese erscheine in einer „Schreibart, welche der in dulci jubiloischen näher kommt, als der Rambachischen“ – in Anspielung auf das bekannte makkaronische Weihnachtslied aus dem 14. Jahrhundert (zit. nach Neubauer in: Rambach 1738b: 73). In der Auseinandersetzung um die Sprachmischung in den Rambach-Vorlesungen überlagert sich die primär editionsphilologische Kontroverse zuweilen mit dem zeitgenössischen Purismusdiskurs.15 Die in der rhetorischen Tradition (elocutio) verankerte Stilqualität der puritas, die für die fragliche Zeit freilich nicht auf einen bloßen Fremdwortpurismus reduziert werden darf, verbot eigentlich eine entsprechende Sprachmengerey. So kritisierte etwa Venzky (1736a), Rambach selbst hätte das Gießener Editionsprojekt gewiss nicht gebilligt, „da er sich sonst so sehr der Reinigkeit seiner Muttersprache beflissen“ habe. Es sei überdies zweifelhaft, dass „Gelehrte von gereinigtem teutschen Geschmak an solchen Collegiis Vergnügen finden werden“. Doch als die Halberstädter ihre Edition der Sittenlehre in einem Verlegerrundbrief ostentativ „den Freunden der reinen deutschen Sprache“ anpriesen, konterte Conrad Caspar Griesbach, der Bearbeiter der Gießener Ausgabe der Sittenlehre, lapidar: „Ich weiß gar nicht, was diese Leute mit ihrem reinen Deutsch prahlen, ich glaube der selige Herr D. Rambach hat die deutsche Sprache auch verstanden“ (Griesbach in: Rambach 1738c: Vorrede, §8). Und Christian Hecht, ein weiteres Mitglied des Gießener Kreises, merkte an, es sei überhaupt nicht Rambachs Intention gewesen, in seinen Vorlesungen „der delicaten Mäuler [...] Geschmack zu vergnügen“ (in: Rambach 1738d: Vorrede). Der bestehende Normkonflikt zwischen der rhetorischen puritas-Forderung und dem editionsphilologischen Reproduktionsideal der Vorlagentreue wurde dabei von den Gießener Editoren eindeutig zugunsten des letzteren aufgelöst. Selbst dann, wenn man persönlich eine „Schreib-Art“ bevorzugt hätte, die „in deutschen Schriften alles deutsch ausdrucket“, kam ein glättender Eingriff in die mehrsprachige Textvorlage keinesfalls in Betracht (Neubauer in: Rambach 1737: I, 47). Insbesondere Ernst Friedrich Neubauer, Rambachs vormaliger Fakultätskollege in Gießen und Venzkys Hauptkontrahent in der Kontroverse, wandte sich entschieden gegen die Praxis der sprachlichen Umarbeitung der Vorlesungen: „Ein Editor darf sich nicht die geringste Freyheit nehmen, in eines andern Schrift

i. S. v. ‚Wissenschaftssprache‘ (im Gegensatz zur „Alltagssprache“); vgl. etwa Heilmann (1764: 245) und 1DWB s. v. gelehrt (3.d.ε). 15 Zu diesem vgl. etwa Härle (1996: Kap. 7.3), Gardt (2001), Scharloth (2005) und Polenz (2013: Kap. 5.5). Interessanterweise geht Rambach selbst (1736a: cap. 8, §4) in einer der Vorlesungen auf die Frage der puritas ein, u. a. auf die Verwendung von Fremdwörtern (vocabula peregrina & termini technici) in der Predigt.

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etwas nach seinem Gefallen zu ändern.“ (Neubauer in: Rambach 1737: I, 45). Zulässig sei allenfalls eine synoptische Edition von Original und Übersetzung zum besseren Verständnis des Texts (vgl. Neubauer in: Rambach 1738a: II, 33). Deshalb sei es nicht legitim, des seligen Mannes Worte zum öftern eigenmächtig zu ändern […], sonderlich die lateinischen ins deutsche zu übersetzen, grade als ob der selige Verfasser, welcher doch der deutschen Sprache so sehr mächtig gewesen, nicht auch diese lateinische Worte würde haben deutsch geben können, wenn ers für gut gehalten hätte. (Neubauer in: Rambach 1738a: I, 34f.)

In der Formulierung „wenn ers für gut gehalten hätte“ klingt bereits die moderne Vorstellung von einer Funktionalität von Codeswitching an.16 Überdies lässt Neubauer erkennen, dass die mündliche Interaktion im Hörsaal und schriftbasierte wissenschaftliche Textkommunikation für ihn zwei grundverschiedene Kommunikationssphären mit spezifischen stilistischen Profilen darstellen. In deutschen Wissenschaftstexten habe sich Rambach stärker an einem einsprachigen Stil­ ideal orientiert, während in der Mündlichkeit des Hörsaals auch viel Lateinisches untergemischt worden sei:17 Denn in Collegiis, weil man darin mit Studenten, so der lateinischen Sprache gewohnt sind, zu thun hat, pflegt sich ia ein ieder Professor, wenn er auch sonst deutsch lieset, dennoch der lateinischen Sprache vielfältig mit zu bedienen. Ich habe mein Tage kein Exempel gehört, daß einer sich so sehr ans Deutsche gebunden, daß er nicht solte in Collegiis viel Lateinisches mit darunter gemischet haben. Es würde sonst sehr affectirt heraus kommen, und würde ein Lehrer manchmal mit Fleiß undeutlich werden. (Neubauer in: Rambach 1737: I, 45)

Zum Teil lässt dieser mehrsprachige Kathederton sogar Züge eines systematischen, didaktisch motivierten Codeswitchings erkennen. So habe Rambach den Studenten in manchen Vorlesungen „kurze Sätze oder Paragraphos“ auf Latein diktiert und diese dann ausführlich deutsch erläutert (Neubauer in: Rambach 1737: I, 13). Über die für die Sprachwahl relevanten Faktoren gibt Rambach selbst an verschiedenen Stellen Aufschluss. So kündigt er z. B. in einem VorlesungsPraeloquium an:

16 Eine linguistische Fundierung dieser Position beginnt dagegen erst gut 200 Jahre später (vgl. etwa Haugen 1953: I, 54; Stolt 1964: 169–171, 252–254; Gumperz 1964: 140 und v. a. Blom & Gumperz 1972). 17 Das deckt sich mit rhetorischen Traditionen, die an die puritas der gesprochenen Rede geringere Anforderungen stellen als beim geschriebenen Text (vgl. etwa Härle 1996: 148).



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Das wenige, was ich in die Feder dictiren werde, werd ich in lateinischer Sprache abfassen; in dem Discours aber, darin die Dictata erläutert werden, werde ich mich grösten Theils der deutschen Sprache bedienen. Ich versichere dabey, daß mirs viel lieber seyn solte, wenn ich alles in lateinischer Sprache vortragen dürfte […]. Allein die Begierde meine Lectiones so einzurichten, daß die Herren Auditores einen rechten Nutzen davon haben können, die verbindet mich, von diesem Vorsatz abzugehen. Denn da die meisten Schulen gar schlecht bestellet sind, so bringen die wenigsten eine solche Fertigkeit in der lateinischen Sprache mit auf die Universität, daß sie einen lateinischen Discours mit rechtem Nutzen anhören können. (Rambach 1737: I, 2f.)

Neben der in dieser Zeit tendenziell zunehmenden kompetenzbedingten18 Mar­ ginalisierung des lateinischen Unterrichtsanteils erweisen sich freilich noch weitere Faktoren als relevant. Das spezifische multilinguale Profil der jeweiligen Vorlesung konnte somit abhängig von den Rahmenbedingungen erheblich vari­ ieren. Zu diesen zählen u. a.: – fakultäre Vorgaben und Usancen: So habe es zu Beginn von Rambachs Vor­ lesungstätigkeit in Gießen zunächst Vorbehalte gegen eine Verwendung des Deutschen als Unterrichtssprache gegeben (vgl. Neubauer in: Rambach 1737: I, 3 Sternnote). – das Vorlesungsthema: In hermeneutischen Vorlesungen z. B. waren häufige Switches mit Zitatfunktion (im Sinne v. Gumperz 1982: 75f.) in die Bibelspra­ chen unvermeidlich. – die Frage, ob ein lateinisches oder deutsches Lehrbuch für die Vorlesung ver­ wendet wurde, – aber auch didaktische Nützlichkeitserwägungen: So wurden die Dictata in der Vorlesung zur Sittenlehre für die angehenden Theologen zunächst auf Deutsch abgefasst, „weil in diesem Collegio fast lauter solche Sachen vor­ kommen, die man einmal in den Predigten wieder mit Nutzen gebrauchen kan. Weil nun die Predigten nicht in lateinischer, sondern deutscher Sprache gehalten werden, so ists besser, daß man auch gleich in deutscher Sprache die moralischen und practischen Wahrheiten fasse.“ (Rambach 1738c: Prae­ loquium, 3). In späteren Cursus dieser Vorlesung wurden die entsprechen­ den Passagen dann allerdings lateinisch diktiert. Die Kontroverse um die postume Edition der Rambach-Vorlesungen wirft in den 1730er Jahren ein Schlaglicht auf ein in der Forschung bislang weitgehend unbe­ kanntes Phänomen: die buntschäkkigte Universitätsprache, also den massiven

18 Für eine Abnahme der studentischen Lateinkenntnisse an der Universität Halle gibt es in der fraglichen Zeit tatsächlich eine Reihe von Indizien (vgl. Beims 2017: 115f. und Marti 2017: 26).

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Einsatz multilingualer Praktiken in akademischen Vorlesungen. Ein solcher Lehrstil war jedoch längst keine Besonderheit von Rambachs Unterricht, der zeit seines Lebens19 an den Universitäten Jena, Halle und Gießen auf diese Weise lehrte, sondern dürfte in Hörsälen des 18. Jahrhunderts weit verbreitet gewesen sein.

2.2 „ Gelehrt scheinender Mischmasch“ – weitere Zeugnisse einer mehrsprachigen Vorlesungspraxis Tatsächlich lässt sich die Liste vergleichbarer Zeugnisse leicht verlängern. Auch in Greifswald wechselten zu Beginn des 18. Jahrhunderts Professoren wie der Jurist Georg Adolf Caroc (1643–1711) und der Historiker Andreas Westphal (1685– 1747) in ihren Vorlesungen fließend zwischen Deutsch und Latein. Dabei offenbart der Blick in die Handschriften, dass sich die Sprache der Vorlesung nicht immer eindeutig bezeichnen [lässt]. In den lateinischen Manuskripten wimmelt es bspw. vor erweiternden Anmerkungen in deutscher Sprache, die vom Dozenten vielleicht auch so vermittelt wurden. Umgekehrt ist es genauso. (Alvermann 2018: 18).

Bettina Lindner (2018: 262) hat unlängst auf das Beispiel des Königsberger Mediziners Christoph Gottlieb Büttner (1708–1776) hingewiesen, über den ein zeitgenössischer Rezensent in Nicolais Zeitschrift bemerkt: „Er ist wohl eben nicht sehr Meister im guten Lehrstile, bedient sich auch im Unterrichte einer Menge lateinischer Worte ohne Noth“ (Anonymus 1770: 508). Und sogar unter den ausländischen Studenten finden sich kritische Stimmen bezüglich der mehrsprachigen Unterrichtspraxis. So berichtet der französische Gaststudent Jean Baptiste Demangeon im Jahr 1789 über den von französischen Gepflogenheiten sehr verschiedenen Leipziger Vorlesungsstil: „Wie wenig aber ich meine Absicht, mich besonders in der deutschen Sprache zu bilden, erreichte, können dieienigen am besten beurtheilen, welche den undeutschen Vortrag der Leipziger Universitätslehrer kennen.“ Mit wenigen Ausnahmen sprächen die Leipziger Professoren „weit schlechter Deutsch, als die dasigen Kaufleute, die auch

19 Für das WS 1722/1723, also aus den frühen Anfängen von Rambachs Vorlesungstätigkeit (noch an der Universität Jena), liegt eine Edition vor (Rambach 1741), die bereits den gleichen Grad an Mehrsprachigkeit erkennen lässt wie die späteren Vorlesungen in Halle und Gießen. Schon damals habe er „nach dem Academischen Gebrauch seine Collegia zwar Deutsch, aber mit eingemischten Lateinischen üblichen terminis und expressionen niedergeschrieben und gehalten“ (Hecht in: Rambach 1738d: Vorwort).



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drei, vier und fünf verschiedene Sprachen reden, aber nicht, wie die erstern in ihrem Vortrage, einen undeutlichen und gelehrt scheinenden Mischmasch daraus machen.“ In der Folge habe er deshalb die Veranstaltungen nur noch wegen der Themen und nicht mehr zum Fremdspracherwerb besucht (Demangeon 1794: 10). Zeugnisse einer akademischen Mehrsprachigkeit in Vorlesungen finden sich allerdings auch schon früher: So verwendete etwa der bedeutende Polyhistor Konrad Samuel Schurzfleisch (1641–1708) spätestens in den 1680er Jahren als Geschichtsordinarius in Wittenberg in seinen Vorlesungen eine Mischung aus Latein und Deutsch. Ein zeitgenössischer Bericht hält fest, dass Schurzfleisch – obwohl ein glänzender Stilist im Lateinischen – in seinen Kollegien „meistens teutsch und lateinisch unter einander discourirte“ (Clarmundus 1710: 22; vgl. auch Huttner 2007: 172 Anm. 68).20 Als knapp 30 Jahre nach seinem Tod eine postume Vorlesungsedition auf den Markt kam, die ähnlich wie bei Rambach die mehrsprachige Vorlage unangetastet ließ und damit „kein ungünstiges Bild von der Art und Weise [gewährte], wie er seine Vorlesungen hielt“ (Wegele 1891: 98), monierte auch hier ein zeitgenössischer Rezensent: „Die Sachen sind ganz gut, und ist nur Schade, daß man den aus Lateinischem und Deutschem seltsam vermischeten Lectionsstilum beybehalten […] hat“ (Anonymus 1736: 399). Zur selben Zeit hatte in Leipzig August Hermann Francke (1663–1727) zu lesen begonnen, und zwar – angeblich nach dem Vorbild des Kieler Theologen Christian Kortholt (dazu Weimar 2003: 23; vgl. aber Halfmann 1930: 13) – in einer didaktisch motivierten Form mehrsprachigen Unterrichts. An den von Francke mitbegründeten Collegia philobiblica21 entzündete sich wenig später der Konflikt mit der protestantischen Orthodoxie in Leipzig. Als die Teilnehmer der Collegia im Rahmen des Pietistenprozesses 1689 von der Theologischen Fakultät unter anderem befragt wurden, was die sog. Pietisten „in Collegio für eine Art zu proponiren haben/ob sie nicht alles in Teutscher Sprache vorbringen“ würden, da schwanken die Antworten zwischen (zit. nach Thomasius 1724: 389 u. 402f.): – „Hätte in Lateinischer/etwas weniges in Teutscher Sprache proponiren hören.“ (Zeuge 1)

20 Auch ein Wittenberger Kollege in diesen Jahren, der Theologe Michael Walther (1638–1692), wechselte in seinen Vorlesungen offenbar bei bestimmten Themen (z.B. Geschichte, Biographien) ins Deutsche (vgl. Kathe 2002: 343). 21 Lat. collegium ist hier freilich nicht im Sinne von ‚Vorlesung‘ gebraucht, sondern in der ursprünglichen Bedeutung für einen Zusammenschluss gelehrter Personen. Es handelte sich also nicht um Bibelvorlesungen, sondern um eine Art reading group, ein „philologisches Seminar“ einiger Magister, das sich vorübergehend zum Zentrum der pietistischen Bewegung in Leipzig entwickeln konnte (Döring 2003: 35). Vgl. dazu den zeitgenössischen Bericht in Franckes Autobiographie (Francke 1687/2016: 31–36).

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– „In denen Collegiis proponirten sie Lateinisch. Wie er in M. Antonii Collegio gewesen/ hätte er auch Teutsch proponiret […] in der Conferenz [= Gespräch] proponirten sie Teutsch.“ (Zeuge 2) – „Es wäre promiscuè gewesen/doch meistens Lateinisch“ (Zeuge 3) – „In denen Collegiis, so er bey Magistris gehalten/hätten sie Lateinisch proponiret/ und wenn es manchmahl kommen/ etwas Teutsch“ (Zeuge 4) – „Als er wäre darinnen gewesen/ wäre mehr in Teutscher/ als Lateinischer Sprache proponiret worden/ in Hunds-Tagen hätte Herr M. Franck Lateinisch proponiret.“ (Zeuge 6) etc. Ein interessantes Beispiel für sprachpraktisch motiviertes Codeswitching in der Vorlesung liefert Christian Thomasius (1655–1728), der wenige Jahre später feststellt: Ich lese mehrentheils in teutscher Sprache/ und gebrauche mich selten eines lateinischen Discurses, nur daß ich noch zu weilen ein halb viertel Stündgen lateinisch parlire/ daß ich es nicht gar vergesse/ und man mich nicht in Verdacht halte/ als hätte ich solches verschworen. (Thomasius 1699: Vorrede §37)

Doch selbst für das 16. Jahrhundert kann nicht unbesehen reine latinitas der akademischen Lehre unterstellt werden. Obwohl man etwa bei Martin Luther in Vorlesungspräparationen nur vereinzelt deutsche Inserte entdeckt – eine gewisse Bekanntheit erlangte in der Römerbriefvorlesung von 1515/16 der Ausruf „O stulti, o sawtheologen“ (WA 56: 274) – ist bei ihm sicher nicht von einsprachig lateinischem Unterricht, sondern einer ausgeprägten, thematisch wie vortragsstilistisch bedingten Mehrsprachigkeit auszugehen (vgl. etwa WA 42: IX; Stolt 1989: 287; Asendorf 1998: 37; Mikoteit 2004: 10). So räumt Luther selbst in Bezug auf den mündlichen Vortrag der Genesisvorlesung ein: „Extemporaliter enim et populariter omnia dicta sunt, prout in buccam venerunt verba, crebro et mixtim etiam Germanica, verbosius certe, quam vellem“ (‚Aus dem Stegreif und volkstümlich ist alles gesagt, so wie mir die Worte in den Mund gekommen sind, mit Wiederholungen und mit Deutsch vermischt, viel wortreicher, als ich gewollt hätte‘) (WA 42: 1). Auch die Jesajavorlesung, die der Basler Reformator Johannes Oekolampad im April 1523 begonnen hatte, besaß nach zeitgenössischen Schilderungen einen mehrsprachigen Charakter. So berichtet etwa Andreas Cratander: „Is nobis Esaiam prophetam eximium praelegit Hebraice, Graece, Latine et vulgari nostra lingua“; und auch Ceporinus erwähnt, dass Oekolampad „Esaiam Hebraisch, Latinsch und Tütsch“ lese (Staehelin 1927: 219, 254; vgl. auch Schiewe 1996: 273f.). Der genaue Ablauf des Kollegs wird indes nicht beschrieben, auch Nachschriften sind nicht erhalten. Möglich ist z. B. eine Lesung des hebräischen Urtexts und der



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Septuaginta mit lateinischen Kommentaren und deutscher Zusammenfassung (so Weimar 2003: 13), wobei Oekolampad auf eine vom Basler Hebraisten Pellikan mitverantwortete komplette Jesaja-Übersetzung zurückgreifen konnte (vgl. Gummelt 1994: 34, 116). Bereits vier Jahre später begann Paracelsus seine zweisemestrige Lehrtätigkeit in Basel, zu der sich zahlreiche Zeugnisse in Form von Hörernachschriften, Konzepten, Berichten etc. erhalten haben. Diese belegen, dass Paracelsus in seinen volkssprachigen Vorlesungen zur Chirurgie durchaus „gelegentlich ins Latein verfallen“ ist (Sudhoff 1931: XXII), andererseits aber wohl auch bei den lateinischen Vorlesungen einen hohen Anteil an deutschen „Einsprengseln“ verwendet hat (vgl. etwa Kreuter 2010: 212f.). Im Paragraphen-Kolleg z. B. erscheint der Diktattext der Vorlesung auf Latein, der Erläuterungstext dagegen lateinischdeutsch gemischt; auch bei der Vorlesung über Wunden und Wundheilung scheint Paracelsus „in einer eigenwilligen Form deutsch und lateinisch“ gelesen zu haben (Benzenhöfer 2005: 195, 197). Das Spektrum der hierbei eingesetzten multilingualen Praktiken konstituiert nach Pörksen (1994/2020: 257f.) eine spezielle Fachwerksprache – „eine Sprachmischung, die dadurch charakterisiert ist, dass in die weniger feste Vernakularsprache oder Umgangssprache das feste Gerüst des bekannten Fachvokabulars eingezogen ist“. Doch auch hier scheint es sich bei dem mehrsprachigen Unterrichtston keineswegs um eine zeitlich und örtlich isolierte Kuriosität gehandelt zu haben. Conrad Khunrath, der Herausgeber einer Nachschrift zu Paracelsus’ Basler Kolleg über die chirurgia vulnerum vom Wintersemester 1527/28 bemerkt, in dessen Vorlesung ginge „beides Lateinisch vnd Teütsch durch einander / wie auff etlichen Vniuersiteten in Teütschlandt der gebrauch desselben Seculi gewessen“.22 Und tatsächlich hielt auch der Tübinger Gelehrte Jakob Schegk (1511–1587), zuständig für das aristotelische Organon, zwischen 1565 und 1567 an der Universität (und zeitweise in deren Pestexil in Esslingen) Vorlesungen über die beiden Analytiken (Analytica priora & posteriora), die ein mehrsprachiges Unterrichtsgeschehen erkennen lassen. Aus der detaillierten Nachschrift seines Kollegen Martin Crusius (zur Hs. vgl. Brinkhus & Mentzel-Reuters 2001: 140f.) geht hervor, dass Schegk im Unterricht die griechische Vorlage lateinisch erklärte – mit gele-

22 Anders als verschiedentlich behauptet (etwa bei Weimar 2003: 14), stammt das Zitat nicht von Benedictus Figulus. Es findet sich vielmehr 1595 in der Vorrede der von Khunrath besorgten Erstauflage der Mitschrift v. Basilius Amerbach d.Ä. (Paracelsus 1595; auch zitiert bei Sudhoff 1894: 418). Figulus (1608: Vorrede) bemerkt allerdings ganz ähnlich, Paracelsus’ Text sei: „zum theil Teutsch / zum theil Lateinisch vnter einander geredt / vnd seinen Discipulis zu Basel von im also vordictieret wordē“. Zu den Überlieferungszusammenhängen vgl. Sudhoff (1931: XIV–XIX).

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gentlichem Codeswitching ins Deutsche (vgl. Paulsen & Lehmann 1919: 268). Dabei finden sich z. B. volkssprachige Handlungsanweisungen wie: „die man allegiere“ und Bemerkungen wie: „Man möcht in heißen ein falschen Schwætzer“ (Universitätsbibliothek Tübingen, Sign. Mc 221, pag. 345, 138*). Die hier angeführten Beispiele des 16. bis 18. Jahrhunderts decken alle vier Fakultäten ab und belegen eine markant mehrsprachige akademische Unterrichtspraxis an immerhin neun frühneuzeitlichen Universitäten (Basel, Gießen, Greifswald, Halle, Jena, Königsberg, Leipzig, Tübingen und Wittenberg). Das Phänomen der buntschäkkigten Universitätsprache stellte also offensichtlich keinen Einzelfall dar. Es ist verführerisch, den akademischen Sprachwechsel als eine abrupte Ablösung zweier distinkter monolingualer Modi zu konzeptualisieren (Code A → Code B). Und tatsächlich scheint der Schritt vom Unterrichten auf Latein zur Lehre auf Deutsch für manche Dozenten so groß gewesen zu sein, dass er bewusst vollzogen und argumentativ flankiert wurde – sprachreflexive Zeugnisse von Bernhard Stöger, Christian Thomasius (dazu Prinz 2018) und anderen belegen dies. Die These wäre aber, dass die tatsächlichen Unterschiede in der frühneuzeitlichen Unterrichtspraxis oft weniger dramatisch gewesen sein dürften. Zugespitzt formuliert wäre für eine angemessene Modellierung des language shift in der akademischen Domäne zunächst zu klären, ob die Grenzen zwischen den folgenden Szenarien von Codeswitching und Sprachmischung (s. Anm.  8) in der kommunikativen Realität des historischen Hörsaals nicht auch fließend gewesen sein können: a. Latein als dominante Matrixsprache (einer Unterrichtssequenz/Vorlesung) mit volkssprachigen Switches, b. language mixing, c. Deutsch als dominante Matrixsprache (einer Unterrichtssequenz/Vorlesung) mit lateinischen Switches. Bei einigen der skizzierten Beispiele stellt sich die Frage der Sprachwahl in der Vorlesung jedenfalls nicht im Sinne eines entweder/oder. Die Dozenten nutzten flexibel Codeswitching oder sogar einen gemischten Modus aus verschiedenen „einzelsprachlichen“ Ressourcen ihres jeweiligen wissenschaftssprachlichen Repertoires, ohne sich dabei einer z. B. von der rhetorischen puritas-Forderung nahegelegten monolingualen Norm verpflichtet zu fühlen. Solche Vorlesungen bilden damit eine Mittelzone zwischen einsprachig lateinischen und deutschen, deren Breite und Beschaffenheit gegenwärtig völlig unklar ist und die folglich erst noch auszuleuchten wäre. Im Rahmen des Projekts Historisches Vorlesungskorpus (HiVoKo) wird der konkrete multilinguale Sprachgebrauch solcher Texte derzeit untersucht.



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3 M  ehrsprachigkeit im „Historischen Vorlesungskorpus“ Die verfügbare Quellenbasis für eine linguistische Analyse historischer Vorlesungen ist bislang ausgesprochen dürftig. Entsprechende Texte sind in verschiedenen Erscheinungsformen überliefert, die jeweils nur Ausschnitte des kommunikativen Geschehens im Hörsaal abbilden (vgl. Blair 2008; Clewis 2015: 14f.): In den Konzepten und Manuskripten der Professoren fehlen frei improvisierte Teile. Solche fanden unter Umständen einen Niederschlag in studentischen Vorlesungsnachschriften, die aufgrund der kognitiven Belastung für die Protokollanten allerdings eine starke Selektion und Verdichtung aufweisen, zudem eine hohe Fehlerquote. Wenngleich eine exakte Rekonstruktion des historischen Unterrichtsgeschehens (im Sinne einer multimodalen gesprächsanalytischen Transkription) somit angesichts der Überlieferungsproblematik unerreichbar ist, liefern gute Nachschriften dennoch mündlichkeitsnahe Daten aus dem historischen Hörsaal (zu den soziopragmatischen Charakteristika der Textsorte vgl. Prinz 2020). Da Vorlesungstexte – Konzepte, Manuskripte oder Nachschriften – jedoch nur in Ausnahmefällen ediert vorliegen (s. o.), entzieht sich die überwiegende Mehrzahl historischer Vorlesungen unserer Kenntnis. Auch in historischen Textkorpora ist die universitäre Lehre praktisch nicht vertreten. Das Projekt „Historisches Vorlesungskorpus (HiVoKo)“23 zielt deshalb darauf ab, ein annotiertes digitales Textkorpus historischer Vorlesungsnachschriften seit 1700 zu schaffen, um einen besseren Einblick in die Entwicklung der akademischen Unterrichtssprache vor- und frühmoderner Wissenschaftskulturen zu gewinnen. Die in HiVoKo erfassten Texte decken dabei den Zeitraum von 1700 bis 1830 ab – vom Einsetzen einer kontinuierlichen Überlieferung von Vorlesungstexten mit nennenswerten deutschen Anteilen (um 1700) bis zur generellen Durchsetzung der volkssprachigen Vorlesungspraxis am Ende des 18. Jahrhunderts. Zu Vergleichszwecken wird dabei auch noch das erste Drittel des 19. Jahrhunderts mit erfasst. HiVoKo ist ein Probenkorpus mit Textproben von mindestens 6000 Tokens je Text (begrenzt nach Sinnabschnitten); die aktuelle Korpusgröße beträgt knapp

23 Das Projekt begann im Herbstsemester 2017 mit einer Förderung durch das Programm „Digitale Forschung und Lehre“ der Universität Zürich. Beteiligt waren Dr. Kyoko Sugisaki (computerlinguistischer Support) und ca. 30 Studierende der Universität Zürich, die im Rahmen von Projektseminaren an der Erstellung der Basisannotation mitgewirkt haben (vgl. www.ds.uzh.ch/ de/forschung/projekte/hivoko.html). Inzwischen wird HiVoKo an der Universität Uppsala mit Mitteln des „Forum för Tysklandsstudier“ und des Instituts für moderne Sprachen fortgeführt.

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100.000 Tokens.24 Um für die sprachwissenschaftliche Analyse eine möglichst überlieferungsnahe Textqualität zu erreichen, wurden die Korpustexte aus den Handschriften transkribiert. Edierte Texte wurden anhand der zugrunde liegenden Handschrift kollationiert und denormalisiert (d.h. in möglichst zeichengetreuer Form wiedergegeben), sodass im Korpus jeweils eine Textversion mit größtmöglicher Vorlagentreue erfasst ist. Eine der Fragen, die im Rahmen des Korpusprojekts untersucht wird, ist die Mehrsprachigkeit im akademischen Unterricht vor dem Hintergrund des akademischen language shift. Dazu bedarf es zunächst einer differenzierten Auszeichnung der Korpusdaten im Hinblick auf multilinguale Praktiken. Bei eindeutigen polylexikalischen Fällen, z. B. bei intersententiellem Codeswitching (i. S. v. Myers-Scotton 1997: 243) wie dem folgenden aus einer Thomasius-Vorlesung von 1700, bereitet die Sprachidentifikation und language-Annotation keine größeren Schwierigkeiten: Quo major est amicitia, eo minus est decorum; den̅ wenn̅ Mann u. Weib einander recht lieben, u. ein Hertz und eine Seele ſeyn, ſo werden ſie ſich nicht fürchten noch ſcheuen ihre Nothdurfft bey einander zu verrichten […] (HiVoKo, Thomasius, 1017–1057).

Anders liegt der Fall dagegen bei monolexikalischen Fällen, da eine Unterscheidung von lateinischem und deutschem Wortschatz angesichts der langen und intensiven Lehnbeziehungen zwischen den beiden Sprachen nicht trivial ist. Üblicherweise wird der nicht-native Wortschatz des Deutschen in Fremd- und Lehnwortschatz unterteilt. Daneben wird vielfach die Möglichkeit eingeräumt, fremde Lexik so zu verwenden, dass sie gar nicht Bestandteil des Deutschen wird, ein Phänomen, das traditionell – je nach Forschungszusammenhang – in der Lexikologie als Einsprengsel oder Zitatwort25 bzw. in der Kontaktlinguistik

24 Für die Tokenisierung der Texte wurde ein CRF-basiertes Segmentierungssystem verwendet (Sugisaki 2018); für die Normalisierung (hier i. S. v. Ergänzung einer normalisierenden Annotationsebene) wurden zunächst mittels eines Python-Skripts aus dem RIDGES-Projekt (www.linguistik.hu-berlin.de/en/institut-en/professuren-en/korpuslinguistik/research/ridges-projekt) erste Sonderzeichenersetzungen vorgenommen. Die eigentliche Normalisierung erfolgte dann manuell. Die Lemmatisierung der Daten wurde mit dem TreeTagger durchgeführt, die Wortartenannotation (POS) mittels des bei Sugisaki, Wiedmer & Hausendorf (2018) vorgestellten hybriden Taggers. Sonstige linguistische Annotationen (z. B. Schriftart & Schriftauszeichnung; Sprecher-/Hörerreferenz, Kompositionsfuge) wurden manuell vorgenommen, alle Annotationen außerdem kontrolliert. 25 Vgl. etwa Eisenberg (2018: 3): „Durchaus möglich ist allerdings, ein Wort aus einer anderen Sprache so zu verwenden, dass es in seiner Sprache bleibt und nicht zum Fremdwort im Deutschen wird. […] In einem solchen Fall spricht man von Zitatwörtern“. In historischen Texten



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und Mehrsprachigkeitsforschung als single-word Codeswitching oder single lexeme insertion bezeichnet wird (vgl. Prinz 2019: 484f.). In beiden Fällen werden entsprechende Elemente in Bezug auf die Kontextsprache als lexikalisch „fremd“ konzeptualisiert, wobei die Alterität nicht bloß im Sinne eines nichtnativen Ursprungs zu verstehen sei, sondern dahingehend, dass überhaupt kein Lexem der Kontextsprache vorliege. Abgesehen davon, dass eine solche Grenzziehung auf einer reifizierenden Vorstellung von Einzelsprachen beruht, die in der Soziolinguistik inzwischen vielfach als ideologisch abgelehnt wird (vgl. etwa Jørgensen 2008; Androutsopoulos 2018), lässt sich die Grenze zwischen dem Außen- und Innenbereich des deutschen Wortschatzes ebensowenig trennscharf ziehen wie die Innengrenze zwischen Fremd- und Lehnwort (zum schwierigen Problem einer Unterscheidung von Codeswitching und Entlehnung vgl. etwa Haspelmath 2009: 40–42; Gardner-Chloros 2009: 30–33; Schendl & Wright 2011: 24 und Schendl im vorliegenden Band). Entsprechend wurde im Projekt statt einer spezifischen Konzeption von lexikalischem Transfer und Codeswitching (etwa dem MLF-Modell von Myers-Scotton) ein theorieneutraler Ansatz gewählt, bei dem eine Reihe von belegbezogenen Kriterien (die sich auf den jeweiligen Einzelbeleg beziehen) und lexembezogenen Kriterien (die sich auf Aspekte der Kontaktgeschichte des jeweiligen Lexems beziehen) kumuliert werden. Denn prinzipiell gilt: „We cannot tell a loan from a code-switch by its linguistic form alone“ (Gardner-Chloros 2008: 60). Eines der dabei verwendeten Kriterien ist der zeittypische Schriftartwechsel. In den deutschprachigen Territorien (und z.T. auch über diese hinaus26) etablierte sich im Verlauf des 16. Jahrhunderts der Usus, statt in Kurrentschrift oder – bei Drucken – einer gebrochenen Schrifttype bestimmte Textbestandteile in Antiqua zu schreiben. Während dieser Phase der Zweischriftigkeit/biscriptality (dazu allgemein Bunčić et al. 2016) wurde die Schriftwahl dahingehend funktionalisiert, dass Kurrent bzw. Fraktur für deutsche Passagen Verwendung fand; für fremdsprachige (z. B. lateinische oder französische) Passagen und Fremd- und Lehnwörter dagegen als Auszeichnungsschrift Antiqua (vgl. etwa Polenz 2013: §5.3J). In der Handschriftlichkeit war dies insbesondere die sog. humanistische Kursive, eine vom Antiqua-Druck beeinflusste Geschäftsschrift (vgl. Beck/Henning 2003:

kommt nach Zastrow (2015: 281) solchen nicht-nativen Lexemen Zitatwortstatus zu, „bei denen keinerlei formale Assimilationen (weder flexivische noch phonemische noch graphematische Assimilation [Großschreibung]) noch morphematische [Wegfall von Wortbildungssuffixen]) nachweisbar waren und die Verwendung des Antiquaschrifttyps in Frakturtexten zusätzlich die Fremdheit markierte.“ 26 Eine solche Auszeichnungspraxis findet sich etwa auch in spanischen Deutschlehrbüchern des 18. Jahrhunderts (vgl. Marizzi 2012).

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202–208). Bei morphologisch integrierten Entlehnungsprodukten fand dabei häufig ein wortinterner Schriftartwechsel statt, nachfolgend durch Kursivierung markiert: – wo die Studia differiren, differiren auch die mores (a. 1700; HiVoKo, Thomasius, 6847–6855), – zu studiren biß (a. 1709; HiVoKo, Francke, 8905–8907), – ſondern fängt an zu ſtagniren (a. 1717; HiVoKo, Wolff, 274–278). Dieses Phänomen wird seit längerem sowohl als Fremdheitsmarker als auch als Indikator für eine lexikalische Integration diskutiert. Schulz konnte unlängst korpusgestützt nachweisen, dass die Auszeichnung durch Antiqua in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts selbst bei zweifelsfrei integrierten Lehnwörtern deutlich zunahm. Der Schriftartwechsel erweise sich damit „nicht primär als Seismograph für Fremdheit selbst […], sondern als Seismograph für die Wahrnehmung des Fremden“ (Schulz 2012: 451). Da diese schriftlinguistisch hochrelevante Opposition bedauerlicherweise in modernen Editionen, Korpora und Belegwörterbüchern fast immer neutralisiert wird (vgl. etwa Schulz 2014: 174–178), wurden die Korpustexte in HiVoKo möglichst zeichengetreu aus den Handschriften erfasst (s. o.) und der Schriftartwechsel dabei konsequent annotiert. Das nachfolgende Beispiel aus einer Rambachvorlesung von 1733/34 zeigt die aufgrund der Schriftartwechsel (bzw. Alphabetwechsel – bei griechischen und hebräischen Tokens) identifizierbaren Kandidaten für Codeswitching und language mixing: Item ‫, ſcriptura, weil der heilige Geiſt den Rath GOttes von unſerer Seligkeit darinnen ſchriftlich verfaſſen laſſen. Im griechiſchen wird derſelbe bald in ſingulari genennet γραφὴ, als Gal. 4 , 30. da es heiſt: τί λέγει ἡ γραφὴ; bald in plurali γραφαὶ, wie an dieſem und andern Orten, mit welchem plurali auf die verſchiedenen partes ſyſtematis biblici geſehen wird, welche ſucceſſiue zuſammen kommen, und von Leuten, die diuerſiſſimo tempore & loco gelebet haben, geſchrieben worden ſind. (HiVoKo, Rambach, 124–212)

Eine Auswertung dieses Markers liefert beim jetzigen Bearbeitungsstand der Texte folgendes Bild:27 Entlang der X-Achse sind neun der Korpustexte chronologisch angeordnet; auf der Y-Achse erscheint die Häufigkeit der Alphabet- und

27 Es handelt sich dabei noch um vorläufige Zahlen. Die Ergebnisse einer systematischen Auswertung der multilingualen Praktiken in HiVoKo werden zusammen mit dem Annotationsmodell an anderem Ort publiziert.



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Schriftartwechsel,28 mit denen Kandidaten für Codeswitching/language mixing identifiziert werden. Da die Zweischriftigkeit in manchen Texten multifunktional genutzt wurde (z. B. auch für die Auszeichnung von Eigennamen und Werktiteln), wurden nicht kontaktmotivierte Schriftartwechsel (z. B. „das Wir“) zunächst manuell eliminiert. Die verbleibenden Kandidaten teilen sich auf in Mehrwortsequenzen und monolexikalische Fälle. Während letztere neben möglichen singleword switches auch lexikalisierte Fremd-/Lehnwörter des Deutschen enthalten, die zeitgenössisch ebenfalls mit Antiqua ausgezeichnet wurden, dürfen die polylexikalischen Belege als zuverlässigere Kandidaten für Codeswitching/language mixing gelten. 12 10 8

5,0

6

1,9

4 2 0

1,7 2,0

2,0 2,8

Thomasius Francke 1700 1709

0,2 4,3

Wolff 1717

4,9

Rambach 1733 Einwort-

2,9

2,5

Kant 1772

Heyne 1787

0,4

0,2 0,2

0,15 0,25

Fichte 1797

Humb. 1827

Schleierm. 1832

Mehrwort-

Abb. 1: Alphabet- und Schriftartwechsel in HiVoKo (in %)

Im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts (Thomasius bis Rambach) verlaufen Einwort- und Mehrwort-Auszeichnungen etwa parallel, im letzten Drittel (Kant & Heyne) klaffen sie dagegen markant auseinander. Noch bevor die Zweischriftigkeit am Ende des Jahrhunderts in den meisten Texten weitgehend aufgegeben wird (s. Fichte bis Schleiermacher), kommt polylexikalischer Schriftartwechsel praktisch nicht mehr vor (allenfalls in festen Wendungen wie e. g., a priori). Dies deutet auf einen Zusammenhang zwischen dem akademischen language shift und der Entwicklung des Mehrsprachigkeitsprofils in den Vorlesungen hin: Am

28 Anzahl der Wechsel von lateinischer → griechischer oder hebräischer Schrift bzw. von Kurrent → Antiqua (bezogen auf 100 Tokens).

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Jahrhundertanfang, in der Übergangsphase von einer stark vom Gelehrtenlatein beeinflussten Unterrichts­tradition zu einer zunehmend volkssprachigen Unter­ richtspraxis, erscheint Codeswitching/language mixing zunächst häufig. Dies bestätigt die Hypothese von Schendl & Wright (2011: 22), dass zwischen der Ver­ nakularisierung von traditionell lateinischen Textsorten und einem zunehmen­ den Gebrauch von Codeswitching (in einem weiten Sinn) eine Korrelation beste­ hen könnte. Am Ende des Jahrhunderts, nach der Etablierung eines dominant einsprachig-deutschen Modells akademischer Instruktion, erscheinen solche Switches in den Vorlesungen dagegen nur noch selten. Aber auch im Detail liefern die Korpusdaten überraschende Ergebnisse. So werden etwa die beiden hallischen Frühaufklärer Christian Thomasius und Chris­ tian Wolff in den Handbüchern aufgrund sprachreflexiver Äußerungen häufig als wissenschaftssprachliche Antipoden dargestellt (vgl. Burger 1998: 188f.; Ricken 1999: 2432; Polenz 2013: §5.11N–P). Während Thomasius sich in seiner Einleitung zu der Vernunfft-Lehre pragmatisch für eine Verwendung etablierter nicht-nativer Termini ausspricht und vorschlägt, „daß man die Mittel-Strasse gehe/ und weder allzusehr affectire, ausländische Wörter in eine Sprache zu mischen/ noch auch alle Kunst-Wörter in die Sprache/ darinnen man schreibet/ übersetzen wolle“ (Thomasius 1705: 16), kündigt Christian Wolff (1726: 25) als radikaler Vertreter eines aufklärerischen Fremdwortpurismus an, die „barbarischen Kunst-Wör­ ter der Schul-Weisen rein deutsch“ wiedergeben zu wollen. In den gedruckten Werken spiegeln sich diese Positionen auch tatsächlich im Sprachgebrauch wider (vgl. Menzel 1996: Kap. VII.1). Die HiVoKo-Daten belegen jedoch, dass Christian Wolff im Hörsaal offenbar eine wesentlich stärker lateinisch geprägte Unter­ richtssprache verwendete als in seinen Schriften und sich damit nicht erkenn­ bar vom multilingualen Stil seiner Zeitgenossen abhob. Im Gegenteil: Die mono­ lexikalischen Belege liegen bei ihm sogar deutlich über denen seiner hallischen Kollegen Christian Thomasius und August Hermann Francke.29 Dieser Befund stimmt durchaus zur sprachlichen Gestalt anderer Wolff-Vorlesungen: Auch die unlängst in der Schweiz entdeckte Nachschrift seiner Marburger Vorlesung von 1739/40 über Grotius’ De jure belli ac pacis zeigt einen fließenden, absatzlosen Wechsel zwischen lateinischen und deutschen Textpassagen mit zeittypischem Schriftartwechsel (zur Handschrift vgl. Glinka & Grunert 2019: 17–19). Wie auch in seinem Briefwechsel scheint Christian Wolff in der Unterrichtssprache adres­

29 Diese Werte sind freilich nur Indizien, da der Terminologisierungsgrad einzelner Korpustexte neben den stilistischen Präferenzen der Sprecher von einer Reihe weiterer Faktoren abhängt, etwa dem Thema der Veranstaltung oder dem spezifischen Protokollierstil der jeweiligen Nach­ schrift (zum Anforderungsprofil beim Mitschreiben vgl. etwa Moll 2003: 48).



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satenspezifisch kommuniziert und wissenschaftsintern die zeittypische „lateinisch-deutsche Mischsprache“ benutzt zu haben, die er „in seinen Druckwerken nie verwendet hat“ (Menzel 1996: 178). Wie diese ersten Ergebnisse zeigen, wird das Historische Vorlesungskorpus neue Erkenntnisse über den Verlauf des akademischen Sprachwechsels und die vielfältigen multilingualen Praktiken im akademischen Unterricht des 18. Jahrhunderts liefern. Zwar erlauben Vorlesungsnachschriften nur in Ausnahmefällen (zu diesen vgl. Prinz 2020: 573 und i. V.) eine lückenlose Rekonstruktion der sprachlichen Modalität einer historischen Vorlesung, dennoch bietet die Textsorte eine wertvolle mündlichkeitsnahe Repräsentation des kommunikativen Geschehens im Hörsaal. Sie verspricht damit Abhilfe für ein grundsätzliches methodisches Problem bei der Untersuchung von historischen mehrsprachigen Texten: „no spoken data has survived, and the text types typically regarded as closer to spoken language […] do not on the whole show high occurrences of code-switching“ (Schendl 2000: 71). Die Texte des Historischen Vorlesungskorpus stellen diesbezüglich eine Ausnahme dar. Der in zeitgenössischen sprachreflexiven Zeugnissen häufig thematisierte „gemischte“ Charakter vieler Vorlesungen des 18. Jahrhunderts (s. Kap. 2) spiegelt sich noch deutlich in den erfassten Nachschriften. Die detaillierte Analyse dieser Daten wird neben dem schriftlinguistischen Merkmal des Schriftart-/Alphabetwechsel auch die übrigen im Annotationsmodell erfassten Alteritäts- und Integrationsmarker berücksichtigen und unser Wissen über Codeswitching und andere mehrsprachige Praktiken in den Hörsälen der Frühen Neuzeit grundlegend erweitern.

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„Buntschäkkigte Universitätsprache“ und „gelehrt scheinender Mischmasch“ 

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Joachim Peters und Sabrina Freund

Vormittags rien fait quj vaille Codeswitching im Fürstentagebuch Christians von AnhaltBernburg (1599–1656)

1 Einleitung Eine bekannte Anekdote erzählt von den Sprachkenntnissen Karls V. Ihr zufolge pflegte der Kaiser zu sagen, er spreche Spanisch mit seinem Gott, Italienisch mit seinen Höflingen, Französisch mit den Hofdamen und Deutsch mit seinem Pferd.1 Obwohl die Authentizität dieser Episode heute nicht mehr zweifelsfrei festzustellen ist, besitzt sie im Hinblick auf die Sprachverwendung des Adels in der Frühen Neuzeit in dreierlei Hinsicht Aussagewert. Erstens wird gelebte Mehrsprachigkeit als adelstypischer Wert inszeniert, zweitens zeigt sich eine für die Frühe Neuzeit typische Tendenz zur Merkmalszuschreibung an einzelne Sprachen, schließlich wird drittens eine kontextspezifische Funktionalisierung der jeweiligen Einzelsprache im Repertoire eines Sprechers behauptet. Die Anekdote umreißt den Kernbereich des vorliegenden Aufsatzes: Die Untersuchung der auch im 17. Jahrhundert verbreiteten multilingualen Sprachpraxis adliger Eliten am Beispiel eines Einzelschreibers. In den bisher veröffentlichten Teilen der neuen Online-Edition des Tagebuchs Christians II. von Anhalt-Bernburg fielen zahlreiche fremdsprachige Pas-

1 Zur Mehrsprachigkeit Karls V. vgl. Schafroth (2013). Schon Anfang des 17. Jahrhunderts waren mehrere Versionen der Geschichte in Umlauf: 1601 charakterisiert Girolamo Fabrizio d’Acquapendente das Deutsche als Militärsprache: Unde solebat, ut audio, Carolus V. Imperator dicere, Germanorum linguam essemilitarem: Hispanorum amatoriam: Italorum oratoriam: Gallorum nobilem (Fabricius ab Acquapendente 1601/1738, 316, Sp. II). Solche Urteile zu Einzelsprachen sind in der Frühen Neuzeit weit verbreitet, das Deutsche gilt im Kontrast zum Gallus cantatTopos etwa als eine „barsche“ Sprache: Pour donc ne parler maintenant que des Italiens, je di qu’un proverbe fort celebre nous donne une prerogative pardessus eux, quant au chant, non moins que pardessus les Espagnols: Balant Itali, gemunt Hispani, ululant Germani, cantant Galli  (Estienne 1579/1896, Préface, 14). Joachim Peters: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Department Germanistik und Komparatistik, Tel. +49 9131 85-23934, E-Mail: [email protected]. Sabrina Freund: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Department Germanistik und Komparatistik, Bismarckstr. 1, 91054 Erlangen, E-Mail: [email protected]. https://doi.org/10.1515/9783110752793-012

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 Joachim Peters und Sabrina Freund

sagen ins Auge.2 Diese Stellen warfen allein durch ihre Anzahl die Frage nach ihren kommunikativen Funktionen auf. Hinsichtlich der Kriterien, nach denen Christian sein Fremdsprachenrepertoire eingesetzt haben könnte, lag die Vermutung nahe, dass die verschiedenen Sprachen im Tagebuch unterschiedliche Funktionen erfüllt haben mögen. In Bezug auf diese häufigen Sprachenwechsel erschien das Konzept des Codeswitchings beschreibungsadäquat – an ihm sind die methodischen Überlegungen dieser Untersuchung orientiert.

2 Forschungsstand Die Textsorte Tagebuch ist in historischer Perspektive besonders für den deutschsprachigen Bereich kaum untersucht. Dabei ist besonders das 17. Jahrhundert eine an Selbstzeugnissen nicht eben arme Zeit. Formen von Selbstzeugnissen sind in der Frühen Neuzeit neben dem Tagebuch das Hausbuch, die persönliche Chronik und die (auto-)biographische Lebensbeschreibung. Eine Inventarisierung für diese Textsorten hat Krusenstjern (1997) vorgenommen, sie erfasst und beschreibt insgesamt 240 frühneuzeitliche Selbstzeugnisse aus dem deutschsprachigen Raum. Das Label „Selbstzeugnis“ bezeichnet hier Texte, die eine explizite Selbstthematisierung enthalten, in denen also ein Individuum in subjektiver Weise zu den Zeitläuften, seiner eigenen Lebenswelt oder Befindlichkeit Stellung nimmt. Nach unserem Verständnis sind Selbstzeugnisse außerdem grundsätzlich nichtfiktionale Texte, „as close to actual speech as possible, only in written form“ (Sević 1999: 340; vgl. auch Elspaß 2012; van der Wal & Rutten 2013). Auch aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges sind Selbstzeugnisse erhalten, etwa von Bauern, Krämern, Pastoren, aber auch von Soldaten und Diplomaten. Unter diesen sind drei in jüngerer Zeit edierte Kriegstagebücher besonders hervorzuheben, nämlich die der Söldner Caspar von Widmarckter (Gräf & Externbrink 2000) und Peter Hagendorf (Peters 2012) sowie des Abtes Maurus Friesenegger (Mathäser 2007). Diese Editionen bedienen ihrer Ausrichtung nach zwar eher geschichtswissenschaftliche Erkenntnisinteressen, doch können sie – gerade in ihrer nicht-normalisierten Form – auch sprachwissenschaftlich nutzbar gemacht werden. Der von Greyerz (2007) herausgegebene Sammelband Selbstzeugnisse der Frühen Neuzeit zeigt ein eher kulturwissenschaftliches Profil und ist wegen seiner breiten zeit-

2 Digitale Edition und Kommentierung der Tagebücher des Fürsten Christian II. von AnhaltBernburg (1599-1656). In: Editiones Electronicae Guelferbytanae. Wolfenbüttel 2013. Editiones Electronicae Guelferbytanae, http://diglib.hab.de/edoc/ed000228/start.htm (22.11.2018.).



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lichen wie geographischen Ausdehnung für eine Untersuchung wie diese nur punktuell nützlich. Die Tagebücher Christians II. von Anhalt-Bernburg sind aber nicht nur als kultur-, mentalitäts- oder sprachgeschichtliche Selbstzeugnisse interessant, sondern besitzen als Schriftstücke mit extensivem Gebrauch von Codeswitching einen großen Wert für die historische Soziolinguistik. Die Literatur zum Phänomen Codeswitching ist umfangreich und wenig einheitlich. Schon Auer (1995: 115) spricht von einem „lack of a generally accepted terminology“. Das in dieser Untersuchung zugrunde gelegte Verständnis von Codeswitching bedarf also einer dem Untersuchungsgegenstand angemessenen Arbeitsdefinition. Wir verstehen unter Codeswitching den Wechsel zwischen mehreren Einzelsprachen im Repertoire eines Individuums im Rahmen eines spezifischen kommunikativen Ereignisses (vgl. dazu Schendl 2002; Schendl 2004; Gardner-Chloros 2009; Matras 2009: 101–145; Schendl 2012: 523). In unserem Fall existiert eine eindeutig determinierbare Matrixsprache, nämlich Deutsch (zum Begriff Matrixsprache siehe Romaine 1995: 144–149; Muysken 1995: 180–185 unterscheidet alternational und insertional code-switching). Codeswitching wird im Bereich der historischen Soziolinguistik (wie bei Schendl 2015a) als Oberbegriff für sehr unterschiedliche Arten von Phänomenen des Sprachenwechsels aufgefasst. Daher gilt es zu definieren, welche formalen und grammatischen Kriterien ein Beleg zu erfüllen hat, um als Codeswitching zu gelten. Vor allem der Umfang ist ein wichtiges Kriterium: Es können beispielsweise satzförmige Aussagen, Passagen mit propositionalem Gehalt oder einzelne Phrasen als Sprachenwechsel gelten, aber auch nonce-borrowing bzw. Ad-hoc-Entlehnungen (vgl. Riehl 2009: 21) als Codeswitching in Frage kommen (vgl. zu dieser Problematik auch Schendl im vorliegenden Band). Eine weitere Frage ist, wie Codeswitching und Entlehnungen sinnvoll voneinander abgegrenzt werden können (Myers-Scotton 1992; Poplack 2018: 141–156). Den Kategorien von Muysken (1995: 191) entsprechend wurden in dieser Untersuchung folgende formale Kriterien für die Einordnung als Codeswitching-Beleg zugrunde gelegt. Diese sollen Codeswitching insbesondere gegenüber Fremdwortgebrauch und Entlehnung abgrenzen: – Es handelt sich bei Codeswitching-Belegen mindestens um Mehrworteinheiten, die über den Status eines Lexems hinausgehen. – In der geschriebenen Sprache erfolgt keine orthografische Anpassung an die Matrixsprache. – Die Mehrworteinheiten besitzen nicht den Status festgefügter, in die Zielsprache integrierter Phrasen, sie werden vielmehr flexibel und spontan geäußert und in dieser spezifischen Form nicht frequent gebraucht. – Während entlehnte Wörter in der Zielsprache semantischem Wandel ausgesetzt sind, bleibt dieser beim Codeswitching aus.

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Die Forschung hat sich Codeswitching aus verschiedenen Perspektiven, beispielsweise einem strukturellen und einem psycholinguistischen Blickwinkel, genähert. Für diese Untersuchung soll Codeswitching aber vor allem als soziales Phänomen aufgefasst werden (vgl. Bullock & Toribio 2009: 14–17). Dabei müssen zeittypische Arten des Sprechens und Denkens ebenso berücksichtigt werden wie historische Kontexte: „one has to be aware of the specific sociohistorical context of early written code-switching and of its potential differences from present-day switching“ (Schendl 2015a: 234).

3 Beschreibung der Quelle Die Textstichprobe wurde aus der Online-Edition der Tagebücher Christians entnommen, die im Rahmen des DFG-Kooperationsprojekts 239112743 Digitale Edition und Kommentierung der Tagebücher des Fürsten Christian II. von AnhaltBernburg (1599–1656) entstand. Das im Landesarchiv Dessau-Roßlau aufbewahrte Diarium besteht aus 23 Bänden mit ungefähr 17.400 größtenteils eigenhändig in deutscher (ca. 87 %), französischer (ca. 11 %), italienischer (ca. 1 %), lateinischer, spanischer und niederländischer Sprache beschriebenen Seiten. Vor der digitalen Neuedition war der größte Teil des Tagebuches unpubliziert.3 Die Edition umfasst neben den digitalen Seitenfaksimiles des Tagebuches die Originaltexte in transkribierter Form. Eigennamen werden erklärt, Abkürzungen aufgelöst, auch wird eine Übersetzung der fremdsprachigen Passagen geboten. Für quantitative sprachwissenschaftliche Fragestellungen ergibt sich allein das Problem der fehlenden Normalisierung: Sind die exakten Transkriptionen einerseits aufschlussreich für vielerlei Fragestellungen, etwa die Umsetzung orthographischer Normen durch die Fruchtbringende Gesellschaft, so erschweren sie andererseits die quantitative Analyse mit korpuslinguistischen Methoden. In dieser Untersuchung wurde daher ein qualitativer Zugang gewählt – er erscheint für die Erfassung und Beschreibung längerer zusammenhängender Texteinheiten als geeigneter. Die Tagebücher stellen für den Zeitraum von 1621 bis 1656 ein wohl einzigartiges Beispiel individueller und selbstreflexiver Sprache dar, der Umfang des Geschriebenen sticht aus der zeitgenössischen Tagebuchliteratur deutlich hervor. Die Quelle ist insbesondere deshalb von großem Wert für sozio-

3 Für das Tagebuch lagen bisher Teileditionen von v. Aretin (1804), Dittmar (1894), Krause (1858) und Wäschke (1908; 1915) vor.



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linguistische Fragestellungen, weil sie einen außergewöhnlich hohen Anteil an schriftlich festgehaltener zeitgenössischer Subjektivität aufweist. Christian II. von Anhalt-Bernburg wurde am 11. August 1599 als zweiter Sohn des Fürsten Christian I. (1568–1630) und dessen Gemahlin Anna Gräfin von Bent­ heim-Tecklenburg (1579–1624) in Amberg geboren. Die konfessionspolitischen Rahmenbedingungen vermitteln einen guten Einblick in die Lebenswelt des jungen Christian am unmittelbaren Vorabend des Dreißigjährigen Krieges. Dabei ist die seit 1596 immer stärker vorangetriebene calvinistische Konfessionalisierung Anhalts (mit dem „Reformationswerk“ und erstmaligen Abendmahl „cum fractione panis“ nach reformiertem Ritus; vgl. Jablonowski 1993: 153; Westerburg 2003; Brademann 2012) hervorzuheben. Mit der Erhebung des Calvinismus zum offiziellen Bekenntnis seines Fürstentums 1603 und der Einführung des Heidelberger Katechismus 1616 wurde diese Entwicklung abgeschlossen (Ross 1997: 148; Lück 2011: 51). Christians II. Bildung und Erziehung fand – zeittypisch für einen Adligen der Zeit – an verschiedenen Orten in ganz Europa statt, auf Studienjahre in Genf und Lyon folgte eine Kavalierstour durch Italien (1613/1614) und zur Fortsetzung seiner Ausbildung ein Aufenthalt am Hof Jakobs I. in London (1617/1618).4 Er sprach neben seiner Muttersprache Deutsch auch Französisch und Italienisch, schrieb hervorragendes Latein, zur Zeit der Abfassung des Tagebuches lernte er Spanisch (Jch hab mit dem Morello, die Spannische  sprache, zu lernen, angefangen; 21. Juni 1623; A 9B Nr. 14 Bd. III, 39v). Das Verhältnis der Textmenge der im Tagebuch verschrifteten Sprachen entspricht dieser Kompetenzreihenfolge. Als Kommandant über zwei Regimenter des böhmischen Ständeheeres bezog er früh Stellung gegen Kaiser und katholische Reichspartei, er geriet jedoch in der Schlacht am Weißen Berg am 8. November 1620 in Kriegsgefangenschaft. Christian überlebte das Kriegsende nur um wenige Jahre, er starb 1656. Mit seiner Finanz- und Außenpolitik erzielte er keinen nachhaltigen Erfolg. Die Versuche, das vom Krieg wirtschaftlich wie demographisch geschädigte Kleinterritorium Anhalt-Bernburg zu konsolidieren, gehen auch aus dem Tagebuch deutlich hervor. Auch die persönliche finanzielle Not wird an seinen Ausführungen zu Hausstand und privaten Ausgaben immer wieder erkennbar. Christian gilt außerdem als eines der aktivsten adligen Mitglieder der Fruchtbringenden Gesellschaft.5 Er gehörte der Gesellschaft bereits 1622, im sechsten

4 Vgl. zu den folgenden biographischen Daten Christians die einführende „Biographie des Fürsten Christian II. von Anhalt-Bernburg“; o.A. (2018) auf der Internetpräsenz des Editionsprojektes. 5 Vgl. zu Christians II. von Anhalt-Bernburg Rolle in der Fruchtbringenden Gesellschaft Herz (2005; 2009); Herz & Zirr (2018).

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Jahr ihres Bestehens, unter dem Namen „Der Unveränderliche” an (FG 51). Er verfügte über eine gut ausgeprägte Sprachkompetenz, und übersetzte aus dem Italienischen und Französischen. Als Spracharbeiter im eigentlichen Sinne trat Christian nicht in Erscheinung. Obwohl die Fruchtbringer mit Georg Philipp Harsdörffer (FG 368; Der Spielende, 1642), Justus Georg Schottel (FG 397; Der Suchende, 1642) und Philipp von Zesen (FG 521; Der Wohlsetzende, 1648) über ein stärkeres „sprachwissenschaftliches“ Profil verfügte als andere Sprachgesellschaften, sind keine ausführlichen Stellungnahmen zu Fragen von Orthographie und Wortbildung überliefert.

4 Methode Der große Umfang der vom Projekt bereitgestellten Textmenge konnte mit qualitativen Methoden nicht erschöpfend berücksichtigt werden, vielmehr musste eine Auswahl getroffen werden. Basis der Untersuchung war eine Zufallsstichprobe aus zwölf Monaten, die möglichst gleichmäßig über die bereits edierten Jahre erhoben wurde. Die folgenden Monate wurden erfasst: Tab. 1: Umfang der analysierten Textstellen Monat

orthographische Wörter

Monat

orthographische Wörter

Dezember 1621

5 694

Februar 1627

2 111

Februar 1622

2 741

März 1627

2 783

Dezember 1622

4 699

Januar 1635

4 859

April 1623

5 674

November 1636

12 166

Juli 1623

8 363

Januar 1637

8 791

August 1626

3 806

Juli 1637

4 870

Von zwölf zufällig bestimmten Monaten enthielten elf Monate Codeswitching-Passagen, einzig im Februar 1622 konnte kein Sprachenwechsel festgestellt werden, der über Einzelwörter und Phraseologismen hinausging. Insgesamt wurden 275 Codeswitching-Passagen erfasst. Diese wurden annotiert und anhand der in Kapitel 4.1 vorgestellten Kategorien klassifiziert. Das Feststellen der linguistischen Funktion einer Codeswitching-Passage stellt eine interpretative Leistung dar, daher musste für die Validität des Kate-

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gorienschemas größtmögliche Objektivierbarkeit erreicht werden. Die inhaltliche Einteilung der Codeswitching-Passagen wurde während des Annotationsprozesses entwickelt. Die Kategorienzuweisung wurde für jede Textstelle von zwei unabhängigen Beurteilern (ratern) durchgeführt, fehlende Übereinstimmung führte zu einer Modifikation der Kategoriendefinition oder zur Bildung einer neuen Kategorie. Dieses Vorgehen bot die Möglichkeit, inhaltliche Kategorien bereits während des Annotierens auf ihre Tragfähigkeit zu prüfen und gegebenenfalls zu ändern, bis intersubjektiv verständliche Kategoriendefinitionen erarbeitet waren, die eine hinreichend gute Abdeckung der im Text vorkommenden Stellen lieferten. Die Textstellen wurden manuell extrahiert, jede Textstelle wurde in einem mehrstufigen Verfahren auf drei Parameter hin codiert: Tab. 2: Parameter der Textstellencodierung Parameter

Mehrfachcodierung zulässig?; Beispiel

1

Thematischer Fokus der Textstelle

Ja; Einem im Tagebuch geschilderten Alptraum werden etwa die Labels Traum + Unangenehme Erfahrung zugewiesen

2

Emotionaler Gehalt der Textstelle

Nein; Einer Textstelle wird genau eine Primäremotion zugeordnet

3

Linguistische Funktionen des Codeswitchings

Ja; Für eine Textstelle, in der Christian das Verhalten eines Feindes (ennemy) am Hof bewertet, werden die Labels Textstrukturierung/Kommentierung + Out-grouping vergeben

Ziel war es, das gegebene Codeswitching-Material nach diesen drei inhaltlichen Kriterien zu charakterisieren. Die Untersuchung verfolgt dabei keinen holistischen Ansatz der Beschreibung des interaktionalen Verhältnisses der verwendeten Sprachen zueinander, sondern ist als explorative Modellstudie zu sehen. Bei der Analyse der Parameter wurden die Codeswitching-Sprachen ins Zentrum gestellt, die inhaltlichen Parameter der Matrixsprache Deutsch wurden dagegen nur in den lokalen Switching-Kontexten erhoben, um thematische Brüche und Trigger zweifelsfrei feststellen zu können. Im Folgenden werden die möglichen Werte der untersuchten Parameter einzeln dargestellt.

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4.1 Thematischer Fokus der Textstellen Ergebnis dieses flexiblen Annotationsprozesses war ein Schema mit 20 themati­ schen Basiskategorien und einer Restkategorie. Das Annotationsschema basiert lose auf Sagers (1981: 267) Individualbereichen der zwischenmenschlichen Bezie­ hungen, in denen sich ein Individuum relativ zu vier Bereichen konstituiert. Die Individualbereiche sind die Grundlage für die Beschreibung von schreiber­ intendierter Selbstdarstellung bzw. „Sprecherfiguration“. Im Falle Christians von Anhalt-Bernburg kann der aktionale Raum durch die Schilderungen seiner eigenen Tätigkeiten und Verhaltensweisen erschlossen werden, die kognitiven Aspekte durch die mehr oder weniger expliziten Gefühlsäußerungen. Da im Tage­ buch in unterschiedlichsten Themenbereichen Sprachenwechsel durchgeführt wurden, erscheint es sinnvoll, den Einfluss der individuellen Positionalität und Thematik auf die Sprachwahl zu untersuchen und zu beschreiben, das Kategori­ ensystem von Sager (1981) macht diese Bereiche wissenschaftlich operationali­ sierbar. Die Subkategorisierung der Individualbereiche wurde am Textmaterial selbst entwickelt. I. Der kognitive Individualbereich, die kognitiven Prozesse des Individuums betreffend, dazu gehören im Einzelnen Wahrnehmungen, Gefühle, gespeicher­ tes Wissen, spezifische Einstellungen, Werthaltungen, Handlungsprinzipien und Vorurteile: 1. Liebe und Schwärmerei: Passagen, die persönliche Zuneigung zu einer Person thematisieren, verbunden mit positiver evaluativer Lexik. Es tritt Tabuisie­ rung auf, wo gesellschaftliche Restriktionen wie Standesunterschiede oder Ehe zu Sanktionierung führen würden. 2. Unangenehme Erfahrung: Passagen, in denen eine mit negativen Erlebens­ zuständen verbundene temporäre Situation geschildert wird. Diese ist häufig an soziale Interaktionen rückgebunden. 3. Unglück: Äußerungen, in denen eine schwerwiegende und persistente kör­ perliche, ökonomische oder gesellschaftliche Schädigung des Individuums thematisiert wird. 4. Traum: Passagen, in denen der Schreiber von seinen mentalen Bildern und Aktivitäten im Schlafstadium berichtet. Oft durch das Wort somnium einge­ leitet. 5. Unerhörte Begebenheiten: Passagen, in denen der Schreiber ein Geschehen als explizit außergewöhnlich markiert oder seine Exorbitanz schildert. 6. Antizipation zukünftiger Ereignisse (Zukunft): Passagen, in denen der Schrei­ ber Vermutungen über zukünftige Entwicklungen äußert.



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II. Der aktionale Individualbereich, die Aktivitäten und Handlungen eines Individuums betreffend: 7. Korrespondenz: kurze Passagen, in denen der Schreiber Briefinhalte wiedergibt. 8. Befehlsverhalten: Passagen, in denen der Schreiber Anweisungen gibt oder Aufgaben an Untergebene delegiert. 9. Höfischer Alltag: Passagen, die höfische Alltagsbeschäftigungen thematisieren, etwa Sport und Spiel, gemeinsames Tafeln oder höfische Feste. 10. Religion: Passagen mit religiösen Bezügen, meist verbunden mit der Ausübung des eigenen Bekenntnisses (sacra vorgenommen, wie breuchlich; 1. Januar 1622) oder persönlicher Glaubenserfahrung. 11. Kulturreferenz: Passagen, in denen der Schreiber auf eine ihm bekannte Kulturäußerung Bezug nimmt. III. Der somatische Individualbereich, die physische Körperlichkeit der genannten Individuen betreffend: 12. Gesundheitszustand: Passagen, in denen der Schreiber den eigenen Gesundheitszustand oder das eigene physische Vermögen kommentiert. 13. Weiblicher Körper, Nachkommenschaft: Passagen, in denen der Schreiber spezifisch weibliche, meist tabuisierte Körperfunktionen oder die Anatomie seiner Ehefrau beschreibt. Solche Stellen sind fast immer auf die Fähigkeit bezogen, gesunde Nachkommen zu gebären. Sie unterscheiden sich dabei deutlich von Stellen, die den männlichen Körper thematisieren. 14. Sexuelles: Passagen, in denen der Schreiber sexuelle oder sexuell konnotierte Erfahrungen reflektiert. IV. Der positionale Individualbereich, die durch das soziale Umfeld dem Individuum zukommenden relativen Positionen betreffend, Reflexion und Kommentierung der eigenen Position im sozialen System: Höfisches Bezugssystem 15. Diplomatie: Passagen, die soziale und symbolische Interaktionsformen zwischen politischen Akteuren zum Zwecke des Aushandelns von Macht beschreiben. Diplomatie stellt einen fundamentalen Handlungsraum in adligen Personenkreisen der Frühen Neuzeit dar, sie besteht nach unserer Auffassung nicht aus abstrakten institutionellen Handlungsträgern, sondern aus Netzwerken physischer Personen (Krischer 2009: 6). 16. Tratsch, Konkurrenz: Passagen, die soziale und symbolische Handlungen zwischen gleichwertigen Partnern bewerten, insbesondere in abwertender Weise.

340 

 Joachim Peters und Sabrina Freund

17. Interpretation und Bewertung anderer: Passagen, in denen der Schreiber über die Handlungen und Motive anderer Akteure des höfischen Umfelds reflektiert, die ihn auf einer persönlichen Ebene betreffen. 18. Präzedenz und Status: Passagen, in denen eine soziale Statusänderung der Handelnden stattfindet (Beförderung, Entlassung) oder Rangstreitigkeiten thematisiert werden. In Präzedenzpassagen werden die inneren Kommunikationsstrukturen der Höfe auf eine ritualisierte Basis gehoben, es zeigen sich konkrete Auswirkungen auf die gesellschaftliche Stellung der handelnden Personen (vgl. Ammerer, Hannesschläger & Hlavačka 2016: 7). Ökonomisches Bezugssystem 19. Finanzen, Konsum: Passagen, in denen der Schreiber seine finanzielle Situation reflektiert, über Anschaffungen und deren Kosten nachdenkt oder künftige Ausgaben plant. 20. Luxus, Aufwand: Passagen, in denen die Verpflichtung zu standesgemäßem Luxuskonsum zu Tage tritt. Dazu zählen Kleidung, Transportmittel, Anstellung von Bediensteten, zeitgemäße künstlerische Ausstattung der Räumlichkeiten und Geschenke, die erheblich über die Kosten alltäglicher Anschaffungen hinausgehen (vgl. als Forschungsüberblick zur Rolle von Konsum und Luxus Sittig 2010). V. Sonstiges: In diese Kategorie fallen mehrere Kleinkategorien mit jeweils nur ein bis zwei Belegen. Dazu zählen rechtliche Aspekte, Naturbeschreibungen und historische Reflexion. Für die Themen einzelner Codeswitching-Passagen waren Mehrfachcodierungen im Analyseraster zulässig. Es wurden insgesamt 59 Mehrfachcodierungen vergeben.

4.2 Verknüpfungen mit emotionalen Befindlichkeiten Der kognitive Individualbereich, also die Kategorien (1) bis (5), ist der Bereich, für den expressive Äußerungen konstitutiv sind. Die in diesen Äußerungen beschriebenen Gefühle werden beim Schreiber angesichts veränderter externer Gegebenheiten im sozialen und personalen Bereich ausgelöst (Rolf 1993: 75). Für die Kategorisierung der im Text vermittelten emotionalen Zustände wurde ein Schema von zwölf möglichst klar unterscheidbaren Basisemotionen angesetzt (Ärger, Ekel, Freude, Furcht, Misstrauen, Resignation, Scham, Sorge, Stolz, Trauer, Unsicherheit, Zufriedenheit), eine dreizehnte Kategorie umfasste rein referenzielle Passagen („keine Emotion“). Referenzieller Gebrauch bezeichnet



Vormittags rien fait quj vaille 

 341

hier Textpassagen, die keine Kennzeichen einer Bewertung, Emotionalisierung, Persuasion oder einer epistemischen Modalität (der Geiz des Schleinitz, der vielleicht mit Geschenken bestochen worden sein könnte; 24. August 1635; LASA Dessau-Roßlau, Z 18 Abt. Bernburg, A 9b Nr. 14 Bd. XIII, 409r) tragen und lediglich sachlich-berichtend auf einen Sachverhalt referieren. Das Schema bezieht die für die Beschreibung eines frühneuzeitlichen Egodokumentes adäquatesten Kategorien aus der umfangreichen Emotionsliste in Hobbs & Gordon (2011: 27–34) ein. Der emotionale Gehalt der Textpassagen ließ auf dreierlei Weise Rückschlüsse zu (vgl. Schwarz 2005: 24), nämlich – auf die eigentliche Emotionalität, als sprachlich codierte Emotion im Sinne einer Äußerung der emotionalen Befindlichkeit des Schreibers (vgl. Fries 1996). – auf Reaktionen und Bewertungen des Schreibers bezüglich bestimmter Sachverhalte oder Situationen, schließlich – auf spezifische Werthaltungen und Wertmaßstäbe des Schreibers, die sich in seinen Reaktionen zeigen. Emotionen können im Text auf verschiedene linguistische Kennzeichen zurückgeführt werden (vgl. Hermanns 2012: 136–150; Fiehler 1990: 96–128; 177–185). Starke Indikatoren für emotionale Befindlichkeiten waren explizit lexikalisierte Emotionen (quasi-psychologische Vokabeln, Empfindungswörter, affektive Substantive), Metaphern, Interjektionen und Beschimpfungen, schwächere Indikatoren implizite Gefühlsäußerungen und Konnotationen in Verbindung mit einem offensichtlich als negativ wahrgenommenen Inhalt (Schulden, Krankheit, sprachliche Tabubereiche). Epistemisch verwendete Modalverben (zu deren Verwendung Anfang des 17. Jahrhunderts vgl. Fritz 1991), verba sentiendi, verba cogitandi und Kommentaradverbien markierten Unsicherheit oder Wissensdefizite. Für Emotionen waren im Analyseraster keine Mehrfachcodierungen zulässig: Einem Codeswitching-Beleg konnte immer nur eine Primäremotion zugewiesen werden.

4.3 L inguistische Funktionen des Codeswitchings, Grund des Sprachenwechsels Zur Herstellung von Vergleichbarkeit wurde in diesem Aufsatz eine größtmögliche Rückbindung an die bereits bestehende Forschung angestrebt: Bekannte Termini für unterschiedliche Funktionen des Codeswitchings wurden in der Regel übernommen. Freilich aber ist es kaum möglich, die persönlichen Beweggründe, die einen Einzelschreiber der Frühen Neuzeit zu einem Sprachenwechsel veranlassten, zweifelsfrei herauszuarbeiten. Folgende funktionale Kategorien wurden im Rückgriff auf die Forschung angelegt:

342 

 Joachim Peters und Sabrina Freund

1. Kommentierung und Textstrukturierung: Viele Stellen besaßen eine textstrukturierende Funktion: Dazu zählt die Differenzierung von Textkategorien, der Wechsel von thematischen Domänen und insbesondere die Unterscheidung von referenzieller Beschreibung und expressiven Kommentaren. Im Tagebuch werden Kommentare als Mittel der Wiedergabe der subjektiven Gedankenwelt des Schreibers häufig in einer Fremdsprache realisiert (vgl. auch Schiegg & Foldenauer in vorliegendem Band). 2. Autoritätssteigerung (‚lending authority‘, vgl. Schendl 2002, auch als „Beleg der Gelehrsamkeit“ bei Deutsch im vorliegenden Band): Dazu zählen bei Christian vor allem Sentenzen oder Zitate zeitgenössischer wie antiker Autoren, beispielsweise Horaz’ Briefe oder Senecas Schriften zur Ethik, die zur Unterstützung eigener Argumente als intellektuelle Autoritäten zitiert werden (pointiert am 9. Dezember 1626; LASA Dessau-Roßlau, Z 18 Abt. Bernburg, A 9B Nr. 14 Bd. IV, 97r). 3. Emphase (‚mark emphasis or contrast‘ vgl. Schendl 2013: 159): Codeswitching kann zur Betonung wichtiger Sachverhalte oder zur Pathossteigerung eingesetzt werden (siehe auch „Ausdrucksfunktion“ bei Schiegg & Foldenauer in vorliegendem Band); etwa in Form von Interjektionen (O injustitia!  Gott hilf mir, vndt den meynigen zu rechtt!, 27. November 1636) oder ganzen Aussageeinheiten (z. B. Diis invitis, ad ultimas plagas trahimur; ‚Ach! Wir werden von den widerwilligen Göttern zu den schlimmsten Plagen er-/ gezogen‘; 15. Juli 1637; LASA Dessau-Roßlau, Z 18 Abt. Bernburg, A 9B Nr. 14 Bd. XIV, 450v). 4. Intertextuelle Bezugnahme: Formelhafte Wendungen (vgl. Schendl 2004: 56–57) zählen zur Gruppe der intertextuellen Bezüge (‚quotations, identifiable paraphrases, commonplaces, source references‘ vgl. Tuominen 2017: 149). Sie bezeichnen kurze sprichwort- oder sentenzartige Passagen, deren Einsatz im Text sehr kontextabhängig ist (z. B. Homo proponit; Deus disponit.). 5. Redewiedergabe: Zitate stellen die zweite Gruppe der intertextuellen Verweise dar. Sie unterscheiden sich von formelhaften Wendungen durch die Möglichkeit, eindeutig eine Quelle der Äußerung zu benennen. Auch Christian selbst markiert Zitate immer wieder mit Quellenangaben. Diese Kategorie umfasst im Gegensatz zu (2) auch Zitate, die lediglich als Redewiedergabe anderer Personen oder Inschriften dienen und keinen Rückgriff auf intellektuelle Autoritäten zur Stützung eigener Argumente darstellen. 6. In-grouping: Mit In-grouping geben Schreiber sich als Mitglieder von gesellschaftlichen Gruppen zu erkennen, im Fall Christians als Angehöriger einer höfischen Adelskultur: „Well-attested global meanings are the expression or construction of identity or of the belonging to a specific group or ethnicity.” (Schendl 2015b: 22); (ähnlich in Schendl 2002 und Schendl 2015b: 66).

Vormittags rien fait quj vaille 



 343

Bestimmten Sprachen wird zeittypisch per se mehr Prestige als anderen zugeschrieben. In unserem Fall handelt es sich vor allem um Französisch als Sprache des Adels und um Latein als traditionelle Bildungssprache. 7. Out-grouping: Ein Schreiber kann gelegentlich von der bevorzugten Sprache des Adressaten abweichen, um eine größere Distanz aufzubauen oder bestimmte Leser auszuschließen. Out-grouping kann sowohl zur Verschlüsselung bestimmter Inhalte dienen (‚tabooed expressions‘ Schendl 2009: 186) als auch Machtverhältnisse in der Kommunikationssituation widerspiegeln: Der Schreiber legt fest, welche Personengruppen über welche Informationen verfügen dürfen. Für Textfunktionen waren im Analyseraster Mehrfachcodierungen prinzipiell zulässig, auch wenn in der Analyse nur selten mehrere Textfunktionen pro Textpassage zugewiesen werden konnten.

5 Ergebnisse Die im Tagebuch verwendeten Fremdsprachen unterschieden sich in quantitativer Hinsicht erheblich. Im Hinblick auf die Zielsprachen ergab sich eine deutliche Dominanz des Französischen, auf das 190 der 275 Belege entfielen (68,8 %), es folgten Latein mit 57 (20,7 %) und Italienisch mit 28 Belegen (10,1 %). Das Spanische trat nur in einem einzigen phrasenhaften Beleg (Todo con el tiempo im November 1636) auf. Christian setzte die Sprache als Sprachlerner kaum ein, auch nicht in späteren Jahren. Ein noch pointierterer Befund ergibt sich im Hinblick auf die Tokenzahl: Tab. 3: Umfang der Belege in Tokens pro Sprache Sprache

Tokens absolut

Tokens anteilig

5 499

80,9 %

Italienisch

551

8,1 %

Latein

744

10,9 %

4

0,1 %

6 798

100,0 %

Französisch

Spanisch gesamt

344 

 Joachim Peters und Sabrina Freund

Das Französische ist nicht nur hinsichtlich der Anzahl der Switches dominant, französische Textpassagen sind im Durchschnitt 52 % länger als italienische und mehr als doppelt so lang wie lateinische Textstücke. Dieses Übergewicht zugunsten des Französischen stellt ein gewisses Problem für das Treffen valider Aussagen hinsichtlich der funktionalen Kategorisierung der Sprachen im Tagebuch dar, da in Bezug auf semantisch begründete Kategorien Verzerrungseffekte auftreten können. Länge und Frequenz der Passagen einer Sprache stellen keine zuverlässigen Indikatoren für ihre objektivierbar größere „Wichtigkeit“ dar. Vielmehr kann das Übergewicht französischer Switchings schlicht mit einer größeren Sprachkompetenz seitens des Schreibers erklärt werden. Dieser Umstand zeigt sich beispielsweise in der Tatsache, dass in der Stichprobe für Italienisch und Latein nur wenige und im Spanischen überhaupt keine längeren Textpassagen auftreten. Christian tendiert außerdem dazu, in französischer Sprache vielfältigere und komplexere Sachverhalte zu verschriften als in allen anderen Sprachen. Trotz dieses Ungleichgewichts konnten Muster in der Verwendung der einzelnen Fremdsprachen festgestellt werden.

5.1 Sprachwahl und Emotion Die in Tab. 4 angeführten Prozentzahlen beziehen sich auf den Anteil der jeweiligen Emotion an den gesamten Codeswitching-Passagen pro Sprache. Insgesamt wurden für alle Sprachen hohe Werte für die Kategorie „keine Emotion“ ermittelt, im Französischen und Italienischen konnte etwa der Hälfte der Passagen keine explizite Emotion zugewiesen werden, im Lateinischen beläuft sich diese Zahl sogar auf 60 %. Tab. 4: Emotionaler Gehalt von Codeswitching-Belegen im Tagebuch. Dabei geben die Zahlenwerte den Anteil der jeweiligen Emotion an den Codeswitching-Passagen einer Einzelsprache in Prozent an. n1 entspricht der Gesamtzahl der Stellen pro Emotion; n2 der Gesamtzahl der untersuchten Stellen pro Sprache. Emotion

Französisch

Latein

Italienisch

n1

6,9 %

0 %

3,57 %

15

12,83 %

7,27 %

7,14 %

31

Resignation

7,41 %

18,18 %

0 %

24

Sorge

3,17 %

1,82 %

3,58 %

8

Trauer

3,17 %

0 %

7,14 %

8

Furcht Ärger

Vormittags rien fait quj vaille 



 345

Tab. 4 (fortgesetzt) Emotion

Französisch

Latein

Italienisch

n1

0 %

5,45 %

0 %

4

Misstrauen

1,59 %

3,64 %

0 %

5

Scham

2,65 %

0 %

7,14 %

7

0 %

0 %

7,14 %

2

1,06 %

0 %

0 %

2

11,55 %

3,64 %

7,14 %

25

0 %

0 %

3,58 %

1

49,74 %

60 %

53,57 %

143

Unsicherheit

Ekel Stolz Freude Zufriedenheit keine Emotion n2

189

55

28

275

Es wird deutlich, dass ein gesteigertes Maß an Emotionalität allein keine zuverlässige Erklärung für den Vollzug der Sprachenwechsel im Tagebuch darstellt. Trotzdem scheint der Wunsch nach Emotionsausduck oft Trigger für den Vollzug von Sprachenwechseln zu sein (vgl. 5.3). Der Anteil der fremdsprachigen Passagen mit markiertem emotionalem Gehalt ist mit 46 % auffällig hoch. Dagegen gehen umfangreiche Teile der Matrixsprache auf nicht-emotionalisierende Themenbereiche zurück, beispielsweise Landschafts- oder Reisebeschreibungen (siehe 5.2.4). Bei allen Sprachen lässt sich für die Codeswitching-Passagen eine gewisse Präferenz zu negativen Emotionen feststellen. Lediglich im Französischen zeigt sich eine größere Anzahl von Textstellen, die mit positiven Emotionen verknüpft sind. Die Einzelsprachen werden im Folgenden ausgehend von Tab. 4 genauer charakterisiert.

5.1.1 Französisch Das Französische wurde von Christian d. J. vor allem zur Wiedergabe von punktuellen Emotionen wie Freude (11,55 %), Ärger (12,83 %), Resignation (7,41 %) und Furcht (6,9 %) genutzt, die situational an höfische, familienpolitische oder finanzielle Kontexte gebunden waren. Die Emotion Ärger trat in negativen Situationen auf, die Christian direkt betrafen, beispielsweise gestiegene Preise, Streit, Missachtung von Präzedenzregeln und so fort. Es handelte sich dabei um Kontexte, die sich zumeist in einer höfischen Sphäre abspielen, dieser Umstand korrespondiert mit dem Befund in 5.2.1, der Französisch als dominante Sprache

346 

 Joachim Peters und Sabrina Freund

für Passagen der höfischen Sphäre charakterisiert. Gleiches gilt für die positive Emotion Freude, deren Nennung zumeist an persönliche Gespräche oder höfische Aktivitäten geknüpft war. Die Emotion Furcht trat als Reaktion auf eine konkrete Bedrohungslage zumeist in Träumen auf oder wurde zur Evaluation eigener Handlungsmöglichkeiten genutzt. Sie ist häufig sehr explizit mit der Inquitformel je crains ‚ich (be)fürchte‘ (insgesamt 14 Belege) markiert.

5.1.2 Italienisch Das Italienische wurde vor allem für negative Emotionen eingesetzt. Wegen der geringen Stichprobengröße ergaben sich eine gleichmäßige Distribution mit gleichen Prozentzahlen für Ärger, Trauer, Scham und Ekel, aber auch für Freude (alle 7,14 %). Diese Emotionen wurden von Christian in ganz unterschiedlichen Kontexten geäußert, im Vordergrund stehen aber auch hier Erlebnisse der höfischen Sphäre, Finanzielles und Sexuelles im negativen wie positiven Sinne (siehe 5.2). Für das Italienische konnte kein klares Muster hinsichtlich präferierter Emotionen in Codeswitching-Passagen festgestellt werden.

5.1.3 Latein Die lateinischen Passagen wurden in der untersuchten Stichprobe funktional gewissermaßen komplementär zu den französischen Textstellen verwendet. Sie decken neben den negativen Emotionen Ärger und Sorge vorwiegend emotionale Zustände der Bereiche Zweifeln, Nicht-Wissen und Ohnmacht/Unvermögen ab. Dazu zählen Resignation, Unsicherheit und Misstrauen, die zusammen 28 % aller lateinischen Textstellen umfassen. Zudem ist das Lateinische die einzige Sprache, die die Kategorie Unsicherheit abdeckt. Generell richtet sich der thematische Fokus von emotionsgeladenen lateinischen Passagen auf Umstände, denen der Schreiber ausgesetzt ist, ohne Gegenmaßnahmen treffen zu können, beispielsweise Entscheidungen anderer Personen (besonders bei Finanzen und Diplomatie) oder die aktuellen Geschehnisse. Im Gegensatz zum Französischen handelt es sich zumeist um persistente Persönlichkeitsdispositionen oder länger anhaltende emotionale Zustände, nicht um punktuelle Emotionen. Latein stellt im Tagebuch eine wichtige Sprache für den Sprachhandlungstyp Klagen dar und entspricht insofern neostoischen Tendenzen des Adels im 17. Jahrhundert.6

6 Christian hatte Lipsius’ Schriften De Constantia Libri Duo (1586) und Politicorum sive Civilis

Vormittags rien fait quj vaille 



 347

5.2 Sprachwahl und Thema Im Hinblick auf eine mögliche Beeinflussung der Sprachwahl durch inhaltliche und thematische Faktoren konnten einige von der jeweiligen Zielsprache abhängige Funktionalisierungen festgestellt werden. Tab. 5 zeigt den prozentualen Anteil der Sprachen, die jeweils zur Wiedergabe einzelner thematischer Bereiche genutzt wurden, Tab. 6 zeigt die einzelnen thematischen Schwerpunkte jeder Zielsprache. Insbesondere anhand von Tab. 5 wird die Dominanz des Französischen deutlich: Französische Codeswitching-Passagen wurden im Stichprobenzeitraum mit Abstand am häufigsten gebraucht – daher sind Abweichungen von dieser Tendenz für die Analyse am interessantesten. Tab. 5: Anteile der Fremdsprachen an einzelnen thematischen Domänen (Angaben in %). Dabei geben die Zahlenwerte den Anteil der jeweiligen Fremdsprache an den Codeswitching-Passagen einer Domäne in Prozent an. n1 = Gesamtzahl der Stellen pro Thematik; n2 = Gesamtzahl der Stellen pro Sprache. Thema

Französisch

Latein

Italienisch

n1

84 %

12 %

4 %

25

Finanzen, Konsum

92,6 %

0 %

7,4 %

27

höfischer Alltag

89,3 %

0 %

10,7 %

28

Interpretation und Bewertung anderer

88,5 %

3,8 %

6,7 %

26

Korrespondenz

82,4 %

5,9 %

11,7 %

17

Luxus, Aufwand

100 %

0 %

0 %

8

Präzedenz und Status

90,9 %

0 %

9,1 %

11

Befehlsverhalten

100 %

0 %

0 %

8

Gesundheitszustand

77,8 %

0 %

22,2 %

9

Tratsch, Konkurrenz

94,7 %

5,3 %

0 %

19

25 %

0 %

75 %

4

Diplomatie

Schwärmerei

Doctrinae Libri Sex (1589) rezipiert, er zitiert sie im April 1623 und im März 1636; vgl. als Überblick zum Neostoizismus Abel (1978); Oestreich (1989); Lagreé (2016). Neostoische Ideen wurden in der deutschen Literatur des 17. Jahrhunderts umfangreich rezipiert, auch in der Fruchtbringenden Gesellschaft (vgl. Stalder 1976).

348 

 Joachim Peters und Sabrina Freund

Tab. 5 (fortgesetzt) Thema

Französisch

Latein

Italienisch

n1

100 %

0 %

0 %

5

40 %

0 %

60 %

5

Unerhörtes

77,8 %

0 %

22,2 %

9

Traum

71,4 %

7,1 %

21,5 %

13

Unangenehme Erfahrung

86,4 %

9,1 %

4,5 %

22

Unglück

63,4 %

24,4 %

12,2 %

41

Religion

35,7 %

57,1 %

7,2 %

14

Zukunft

22,2 %

66,6 %

11,2 %

17

Kulturreferenz

6,3 %

81,3 %

12,4 %

16

Sonstiges

25 %

62,5 %

12,5 %

7

Weiblicher Körper Sexuelles

n2

242

58

31

331

Eine komplementäre funktionale Verteilung von Französisch und Latein ist gut sichtbar. Latein ist nur in einigen wenigen thematischen Domänen sehr frequent, besonders in den Bereichen Kulturreferenz, Zukunft und Religion. Es erscheint im Tagebuch als die klassische Zitatsprache, im religiösen Bereich als Sprache der Dogmatik. Die Antizipation zukünftiger Ereignisse wird meist mittels kurzer lateinischer Sentenzen vorgenommen. Das Italienische ist einzig in den Bereichen Schwärmerei und Sexualität die dominante Sprache. Dies deckt sich mit dem Status einer ausgeprägten Funktionalisierung als Tabusprache (vgl. 5.3). Die unterschiedlichen thematischen Funktionalisierungen werden im Folgenden pro Sprache abgehandelt. Tab. 6: Thematische Anteile von Codeswitching-Belegen im Tagebuch pro Sprache. Dabei geben die Zahlenwerte den Anteil des jeweiligen thematischen Aspekts an den CodeswitchingPassagen einer Einzelsprache in Prozent an. n1 = Gesamtzahl der Stellen pro Thematik; n2 = Gesamtzahl der Stellen pro Sprache. Thema

Französisch

Latein

Italienisch

n1

8,68 %

5,17 %

3,23 %

25

Finanzen, Konsum

10,33 %

0 %

6,45 %

27

höfischer Alltag

10,33 %

0 %

9,68 %

28

Diplomatie

Vormittags rien fait quj vaille 



 349

Tab. 6 (fortgesetzt) Thema

Französisch

Latein

Italienisch

n1

9,5 %

1,72 %

6,45 %

26

Korrespondenz

5,79 %

1,72 %

6,45 %

17

Luxus, Aufwand

3,31 %

0 %

0 %

8

Präzedenz und Status

4,13 %

0 %

3,23 %

11

Befehlsverhalten

3,31 %

0 %

0 %

8

Gesundheitszustand

2,89 %

0 %

6,45 %

9

Tratsch, Konkurrenz

7,44 %

1,72 %

0 %

19

Schwärmerei

0,83 %

0 %

9,67 %

4

Weiblicher Körper

2,07 %

1,72 %

6,45 %

5

Sexuelles

0,83 %

0 %

9,67 %

5

Unerhörtes

2,89 %

0 %

6,45 %

9

Traum

4,13 %

1,72 %

6,45 %

13

Unangenehme Erfahrung

7,85 %

3,45 %

3,23 %

22

Unglück

10,74 %

17,25 %

16,12 %

41

Religion

2,07 %

13,79 %

3,23 %

14

Zukunft

1,65 %

20,69 %

3,23 %

17

Kulturreferenz

0,41 %

22,42 %

3,23 %

16

Sonstiges

0,82 %

8,63 %

0 %

7

Interpretation und Bewertung anderer

n2

242

58

31

331

5.2.1 Französisch Die in der Stichprobe vorkommenden französischen Codeswitching-Belege bildeten vor allem die Kerninhalte der höfischen Sphäre ab. Die Kategorien „Diplomatie“, „Finanzen“, „höfischer Alltag“ und „Interpretation und Bewertung anderer“, „Korrespondenz“, „Luxus und Aufwand“, „Präzedenz und Status“, und „Befehlsverhalten“ wurden alle zu über 80 % durch französische Codeswitching-Passagen abgedeckt (vgl. Tab. 5). Christian gewährt in seinem Tagebuch detaillierte Einbli-

350 

 Joachim Peters und Sabrina Freund

cke in die höfischen Verhältnisse und sozialen Interaktionsräume seiner Zeit. Die Codeswitching-Belege haben zum Teil eine eher deskriptive, häufiger aber kommentierende Funktion (vgl. 5.3). Die Korrelation der französischen Passagen mit Themen der höfischen Sphäre entspricht der zeittypischen Tendenz, dem Französischen als Adelssprache ein hohes Prestige zuzuschreiben (vgl. hierzu auch Mihm im vorliegenden Band). Bemerkenswert ist, dass Codeswitching-Passagen über Luxus, Konsum und Finanzielles zu über 90 % in französischer Sprache verfasst wurden (vgl. Tab. 5). Französisch wurde jedoch zum Teil auch zur Verschleierung bzw. Verschlüsselung benutzt: Seine immer wieder auftretenden finanziellen Probleme gibt Christian im Tagebuch zumeist in französischer Sprache wieder. Passend zu den Beobachtungen im Bereich der Emotionen überwog das Thema „Unglück“ auch inhaltlich-thematisch bei den Sprachenwechseln.

5.2.2 Italienisch Auch im Italienischen ergab sich eine gewisse Konzentration der Belege auf die höfischen Themen. Wichtigste Funktion ist aber die Wiedergabe von Träumen und Tabuthemen. Dazu zählten Passagen, die Sexuelles, Schwärmereien und Liebesbekundungen, die das eigene körperliche Befinden oder den weiblichen Körper zum Inhalt hatten. Diese Befunde decken sich mit der Funktionalisierung des Italienischen als „Tabusprache“ (vgl. 5.3). Erotische oder schwärmerische Inhalte wurden zum Teil auch in Form von intertextuellen Referenzen wiedergegeben (etwa ein Zitat aus Battista Guarinis „Il pastor fido“ im Januar 1637).

5.2.3 Latein Die Passagen in lateinischer Sprache heben sich hinsichtlich ihrer Thematik recht deutlich von den lebenden Sprachen ab. Latein stellt in Christians d. J. Sprachverwendung eine thematisch wenig gebundene Sprache dar, die in einer Vielzahl von unterschiedlichen Kontexten eingesetzt wurde. Wechsel ins Lateinische ließen sich meist besser mit Wechseln des Sprachhandlungstyps (Wechsel zu Klagen oder Pathos) erklären als mit thematischen Veränderungen. Trotzdem sind einige Tendenzen festzustellen: Erstens kann Latein funktional als Sprache für pathetische, emotional aufgeladene Inhalte charakterisiert werden. Dazu zählten beispielsweise Unglücksfälle und die Antizipation zukünftiger Ereignisse, also gewissermaßen „schicksalhafte“, vom Schreiber nicht beeinflussbare Situationen und Geschehnisse. Zweitens fungiert Latein im Tagebuch als Bildungssprache: Die Belege bestanden häufig in intertextuellen Verweisen



Vormittags rien fait quj vaille 

 351

unterschiedlicher Herkunft, über 80 % aller Kulturreferenzen waren in Latein abgefasst. Dabei handelte es sich um einzelne Phrasen mit Sprichwortcharakter, Literaturzitate oder die Wiedergabe längerer Inschriften, die Christian bei einem Italienbesuch abgeschrieben hatte. Schließlich ist Latein drittens die Sprache des Religiösen: Religiöse Sachverhalte wurden vor allem in lateinischer Sprache wiedergegeben (57 %).

5.2.4 Nicht durch Codeswitching abgedeckte thematische Bereiche Eine Reihe von Themenbereichen fehlte in den Codeswitching-Belegen fast völlig. Sie kamen in den ausgewählten Monaten fast ausschließlich in der Matrixsprache Deutsch vor. Dazu zählten Natur- und Stadtbeschreibungen, Wegbeschreibungen und kurze Itinerare, Verabredungen und Audienzen, Beschreibungen von Kriegsgeschehnissen, Wiedergabe von Nachrichten aus mündlicher oder schriftlicher Quelle und Gedichte (beispielsweise ein 15-strophiges Gedicht im Juli 1637). Codeswitching konnte in der Nähe entsprechender Kontexte zwar grundsätzlich auftreten, es erfüllte dann aber niemals eine referenzielle, sondern stets eine erläuternde, digressive, kommentierende oder epistemisch-bewertende Funktion. Überhaupt wurden Passagen mit einem höheren Maß an Subjektivität häufiger in einer Fremdsprache verschriftet. Ein typischer Beleg aus dem Juli 1637: Zeitung hier, daß Banner mitt guter ordre, vndt großer Resolution sein volck retirirt, in salvo gebrachtt, vndt sich numehr mitt dem Feldtmarschalck Wrangel conjungirt habe. Die Stücke, vndt bagage hette er durch Polen salvirt. Quoy qu’il est mon ennemy, si admire je ceste sienne brave retraitte, & l’estime pour une de ses plus genereuses actions, qu’il ait fait de sa vie. Die Kayserlichen sollen mangel an proviandt leyden, auch destwegen sich etwaß retirirt haben. Jn der retraitte, hat er noch den general Klitzing darzu geschlagen, vndt demselben drey Regimenter ruinirt. ‚Obwohl er mein Feind ist, so bewundere ich diesen seinen mutigen Rückzug und beurteile ihn als eine seiner edelmütigsten Handlungen, die er in seinem Leben getan hat.‘7 LASA Dessau-Roßlau, Z 18 Abt. Bernburg, A 9B Nr. 14 Bd. XIV, 450v. (Freitag, 14. Juli 1637).

7 Hier und im Folgenden werden die Übersetzungsvorschläge der Editiones Electronicae Guelferbytanae der HAB Wolfenbüttel (Wolfenbüttel 2013) verwendet.

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5.3 Sprachwahl und Funktion des Sprachenwechsels Es wurde im vorigen Abschnitt gezeigt, dass im Tagebuch Christians II. verschiedene thematische Bereiche unterschiedlich stark mit Codeswitching verknüpft sind. Solche Tendenzen können auch bei der Betrachtung der CodeswitchingFunktionen festgestellt werden. Trifft man eine Unterscheidung zwischen narrativ-beschreibenden und kommentierenden Textpassagen, so kommt fremdsprachigen Textstücken häufig eine Kommentierungsfunktion zu. Solche Kommentare folgen meist auf die Schilderung eines Zustandes oder Sachverhaltes in deutscher Sprache. Occasion gehabtt, mitt dem Grafen von Trauttmanßdorf zu reden, wegen meiner Neẅen vorschläge, wie ich köndte befriedigett werden, vndt befunden, daß er vmb besorglicher anderer consequentz willen, damitt nicht einig ist. Jedoch will er den sachen nachdencken. Je trouve de la sinceritè en son fait, & qu’il niera plustost une chose, que de la promettre vainement. Mais aussy, il dira incontinent, ce qu’il peut faire, ou ce quj n’est pas pratticable. Entre les suivans je trouve que le President du conseil de la cour de l’Empire le Conte Fucker est fort real. Les Conseilleurs du conseil secret, de Sa Majestè sont: [eine Liste mit Personennamen folgt] ‚Ich finde Aufrichtigkeit in seiner Tat und dass er eher eine Sache verwerfen wird, als sie vergeblich zu versprechen. Aber er wird auch unverzüglich sagen, was er tun kann oder was nicht ausführbar ist. Unter den Folgenden finde ich, dass der Präsident des Reichshofrats, der Graf Fugger, sehr echt ist. Die Räte des Geheimen Rates Ihrer Majestät sind‘ LASA Dessau-Roßlau, Z 18 Abt. Bernburg, A 9B Nr. 14 Bd. XIV, 362r. (Montag, 28. November 1636).

Die folgende Stelle verdeutlicht den für das Tagebuch typischen Unterschied zwischen der subjektiven Bewertung eines diplomatischen Sachverhaltes in französischer und einer Weg- und Umgebungsbeschreibung, die wiederum auf Deutsch verfasst ist. Hier le Conte Fugker louoit fort l’equanjmitè du Roy de Swede, & comme il s’estoit sj bien gouvernè en Bavieres, particulierement a München, en la conservant. Les avis de la retraitte de Gallaaß devant Saint Jean de L’Ausne continuent, & qu’il a perdu son artillerie, bagage & 6000 hommes, Jtem: que les Swedois s’approchent fort. Cela accrochera fort nos traittèz de paix. &cetera Vormittags hinauß nach dem kloster Prüfling gefahren, welches ich vor diesem in flore, an itzo aber, durch die soldatesca gantz verwüstet gesehen, vndt also ein wenig die Regenspurger luft verändertt. ‚Gestern rühmte der Graf Fugger sehr die Gelassenheit des Königs von Schweden und wie er sich in Bayern, besonders in München, so gut beherrscht habe, als er es bewahrte. Die

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Nachrichten vom Rückzug des Gallas vor Saint-Jean-de-Losne dauern an und dass er seine Artillerie, Gepäck und 6000 Mann verloren hat, dass die Schweden stark anrücken. Das wird unsere Friedensverhandlungen sehr aufhalten et cetera‘ LASA Dessau-Roßlau, Z 18 Abt. Bernburg, A 9B Nr. 14 Bd. XIV, 362r/v. (Dienstag, 29. November 1636).

Entsprechende Kommentare geben in den meisten Fällen die Überlegungen des Schreibers wieder, sie können aber auch die Aussagen anderer Personen beschreiben. Ein weiteres übereinstimmendes Merkmal der im Tagebuch verwendeten lebenden Sprachen ist ihre Verschlüsselungsfunktion. Sie betrifft vor allem intime Gedanken des Schreibers und umfasst einerseits brisante diplomatische Geschehnisse, andererseits allgemeinere Tabubereiche menschlichen Erlebens und Handelns. Wieder seien einige Beispiele angeführt: Das erste zeigt eine subjektive, kommentierende Passage in französischer Sprache, die höfische Präzedenz, also die protokollarisch geregelte Rangordnung in höfisch-diplomatischen Zusammenhängen, zum Thema hat. Nach beschehener visite, bin ich nach hoff geritten, mà indarno. habe sonst mitt herren Pettinger viel geredett. Vndter andern, wegen des herzogs von Lottringen, welcher künftige woche erscheinen soll, avec lequel nous aurons derechef des competences. Jl a estè Cardinal, & son grand Pere a estè le frere de la mere grande du Roy d’Hongrie, ainsy qu’il semble; que l’on le traittera en proche parent. ‚aber vergeblich‘ ‚[…] mit welchem wir erneut Rangkonflikte haben werden. Er ist Kardinal gewesen und sein Großvater ist der Bruder der Großmutter des Königs von Ungarn gewesen, sodass es scheint, dass man ihn dort als nahen Verwandten behandeln wird.‘ LASA Dessau-Roßlau, Z 18 Abt. Bernburg, A 9B Nr. 14 Bd. XIV, 362v. (Dienstag, 29. November 1636).

Im zweiten Beleg folgt auf ein kurzes Itinerar in deutscher Sprache eine tabubehaftete italienische Passage:

Frata Fordignan Cognan stadt au von Frata lustiger schöner ort. 〈Allda gefüttert.〉 Von dannen zu dem strom Piave nach dem wir das schloß Sankt Salvador zur rechten handt

welsche m. 2 8

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liegen laßen. Jn einer fähre vber die Piave, 〈gesetzt.〉 Von dannen nach der stadt Treviso vberall scharf nach der fede inquirirt worden. Nota Bene [:] Tentazione per conto d’una puttana, che cj fù offerta, da altrj Cavaglierj, mà Jddio ce ne salvò, nonostante la sua impudenza. Ed jo seppj dapoj, ch’ella era piena del mal Franzese ‚Beachte wohl: Versuchung durch eine Hure, die uns von anderen Edelleuten angeboten worden war, aber Gott hat uns trotz ihrer Schamlosigkeit davor gerettet. Und ich erfuhr danach, dass sie von der französischen Krankheit befallen war‘ LASA Dessau-Roßlau, Z 18 Abt. Bernburg, A 9B Nr. 14 Bd. III, 53r. (Donnerstag, 10. Juli 1623).

Gerade Sexualität stellte im Tagebuch einen hochgradig tabuisierten Bereich dar, der in der Textstichprobe zuverlässig zu einem Sprachenwechsel führte. Solche Passagen sind in ihrer Position im Text oft isoliert – häufig entspricht dem Sprachenwechsel bei durch Out-grouping verschlüsselten Textstellen auch ein abrupter Themenwechsel, der in der Handschrift auch textstrukturell durch einen Absatz markiert wird. Jch habe latfeur vndt Kreützen wieder schreiben laßen auch an Son Altesse [,] an schwester Sybille, an herzog, Joachim Ernst, mon beaufrere, an herzog Julius, mon beaufrere, an Burkardt von Erlach geschrieben Ma femme a derechef eu ses fleurs au lieu que nous la croyions enceincte, & ce a mon avis pour avoir mangè trop de  grouselles, (Johannisbeeren) comme l‘autre-fois. Die Gantze Christenheit ist meistentheils  in  armis. Die  entreprinse  auf den  Dyck  Sas  von Gendt hat den Stadischen mißlungen, vndt ist der ortt von den Spannischen starck besetzt gewesen. ‚Meine Ehefrau hat wiederum ihre Menstruation bekommen, während wir sie schwanger glaubten, und dies weil sie meiner Meinung nach wie das letzte Mal zu viele Johannisbeeren gegessen hat.‘ LASA Dessau-Roßlau, Z 18 Abt. Bernburg, A 9B Nr. 14 Bd. IV, 54v. (Freitag, 25. August 1626).

Einen noch wichtigeren Tabubereich stellten Träume dar, die ebenfalls in der überwiegenden Anzahl fremdsprachlich verschriftet wurden. Auch hier kann von einer Verschlüsselungsfunktion ausgegangen werden, da es sich auch bei Träumen um intime, tabuisierte Vorkommnisse handelt.

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Somnium uxoris, de opairp8 meo tam magno, & crasso, significat augmentum opum deus dedit[.] ‚Traum meiner Ehefrau von meinem Glied, so groß und dick, bedeutet die Vermehrung der Reichtümer, die Gott gegeben hat.‘ LASA Dessau-Roßlau, Z 18 Abt. Bernburg, A 9B Nr. 14 Bd. XIII, 197v. (Sonntag, 4. Januar 1635).

Donnerstag, den 3. ⁄ 13.den: November Sogno d‘aver chia vao la bella vedoua. Abschiedt noch einmahl diesen Morgen nachm frühstück genommen, von den Fürstlichen personen. ‚Traum, mit der schönen Witwe geschlafen zu haben.‘ LASA Dessau-Roßlau, Z 18 Abt. Bernburg, A 9B Nr. 14 Bd. III, 53r. (Donnerstag, 3. November 1636).

Diese allgemeinen Tendenzen lassen sich jedoch durch einige sprachspezifische Funktionen ergänzen. Tab. 7 zeigt die wichtigsten Gründe für einen Sprachenwechsel, dies ausgehend von den jeweiligen Sprachen. Tab. 7: Funktionen der Sprachenwechsel pro Sprache (in Prozent). Dabei geben die Zahlenwerte den Anteil der Fremdsprachen an den jeweiligen Sprachenwechselfunktionen an. n1 = Gesamtzahl der Stellen pro Sprachenwechselfunktion; n2 = Gesamtzahl der Stellen pro Sprache. Funktion

Französisch

Latein

Italienisch

n1

0 %

3,08 %

0 %

2

Emphase

1,02 %

16,92 %

7,14 %

15

Intertextuelle Bezugnahme

0,51 %

20 %

0 %

14

In-grouping

31,28 %

0 %

14,29 %

65

Out-grouping

63,08 %

7,69 %

53,57 %

143

0 %

3,08 %

3,57 %

3

Autoritätssteigerung

Textstrukturierung

8 Das Wort ergibt rückwärts gelesen priapo, den Ablativ von Priapus, dem griechisch-römischen Fruchtbarkeitsgott mit übergroßem Phallus, der in der Stelle als Symbol für das männliche Glied zu verstehen ist.

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Tab. 7 (fortgesetzt) Funktion

Französisch

Latein

Italienisch

n1

Redewiedergabe

1,03 %

49,23 %

14,29 %

38

Sonstiges

3,08 %

0 %

7,14 %

8

n2

195

65

28

288

Anhand von Tab. 7 lässt sich für jede der Sprachen eine relativ eindeutige Primärfunktion benennen. Lebende Sprachen werden vor allem für Prozesse des Einschließens und Ausgrenzens (In-grouping bzw. Out-grouping) gebraucht. Allein 94,36 % der französischen und 67,88 % der italienischen CodeswitchingPassagen erfüllten eine dieser beiden Funktionen. Im Lateinischen überwogen dagegen die Zitat- und Emphasefunktion (zusammen 66,15 %). Einen ähnlichen Befund offenbart Tab. 8, die veranschaulicht, welche Sprachen für welche unterschiedlichen Codeswitching-Funktionen bevorzugt verwendet wurden. Hier zeigt sich die dominante Rolle des Lateinischen in den Funktionen Formel (92,9 %), Zitat (82,1 %), Emphase (73,3 %) also in Bereichen, die von anderen Sprachen insgesamt kaum abgedeckt wurden. Nicht aussagekräftig (da mit zwei bzw. drei Belegen auf einer zu kleinen Datenbasis erbracht) sind die Werte für Autoritätssteigerung (100 %) und Textstrukturierung (66,7 %). Tab. 8: Realisierung der Sprachenwechselfunktionen durch unterschiedliche Sprachen (in Prozent). Dabei geben die Zahlenwerte den Anteil der Fremdsprachen an den jeweiligen Sprachenwechselfunktionen an. n1 = Gesamtzahl der Stellen pro Sprachenwechselfunktion; n2 = Gesamtzahl der Stellen pro Sprache. Funktion

Französisch

Latein

Italienisch

n1

0 %

100 %

0 %

2

13,3 %

73,3 %

13,3 %

15

7,1 %

92,9 %

0 %

14

In-grouping

93,8 %

0 %

6,2 %

65

Out-grouping

84,8 %

3,4 %

11,8 %

143

0 %

66,7 %

33,3 %

3

Redewiedergabe

5,1 %

82,1 %

12,8 %

38

Sonstiges

75 %

0 %

25 %

8

Autoritätssteigerung Emphase Intertextuelle Bezugnahme

Textstrukturierung

n2

195

65

28

288

Vormittags rien fait quj vaille 



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Hingegen wurden die Funktionen des In- und Out-groupings fast ausschließlich in französischer Sprache realisiert (93,8 % bzw. 84,8 %). Das Italienische war in keiner der erhobenen Kategorien dominant, wurde mit 11,8 % jedoch fast doppelt so häufig als Out-grouping-Sprache verwendet wie als In-grouping-Sprache. Wieder folgt eine kurze Charakterisierung der einzelnen Sprachen.

5.3.1 Französisch Wechsel ins Französische erfüllten in der Stichprobe fast ausschließlich die Funktionen des In- und Out-grouping in die Gesellschaft des Hofes und des Adels (vgl. Kap. 5.2 ‚Thema‘). Es zeigte sich eine ausgeprägte Tendenz, mithilfe der Switches ins Französische eine für den Adel konstitutive Gruppenidentität zu betonen. Out-grouping erfolgte gegenüber allen potentiellen Lesern, die keinen Zugriff auf bestimmte Aspekte der Lebenswelt des Fürsten erhalten sollten, beispielsweise persönliche Erfahrungen, Gedanken und Vorstellungen. Die oben eingeführte Unterscheidung der Beweggründe für Sprachenwechsel, die durch den Wunsch nach Verschlüsselung oder Verschleierung von Textinhalten hervorgerufen wurde, zeigte sich besonders häufig im Französischen: Es wurden sowohl brisante politische Inhalte und subjektive Einschätzungen verschlüsselt, als auch tabuisierte Inhalte verhüllt. Das Französische allerdings stellt nicht die höchste „Stufe“ der Chiffrierung dar. Überhaupt greift eine Reduktion auf die Funktion Verhüllung zu kurz, da Französisch zumindest von den meisten Standesgenossen verstanden werden konnte. Hochgradig brisante Stellen, die beispielsweise Sexualität betreffen, wurden daher häufiger in italienischer Sprache verschriftet. Die immer wieder auftretenden finanziellen Schwierigkeiten Christians werden dagegen fast ausschließlich in französischer Sprache wiedergegeben. Mit dem hohen Sprachprestige des Französischen sind register-intendierte Passagen ohne brisanten Informationsgehalt erklärbar: Thomaß Benckendorf mein Secretarius, ist Gott lob, glücklich von Wien, Prag, vndt Bernburgk wiederkommen, wiewol er zimlich lange außen gewesen, vndt einmahl zwischen halle vndt Bernburgk, spoliirt, vndt geplündert worden. Jl m‘a fait relation de tout. ‚Er hat mir alles berichtet.‘ LASA Dessau-Roßlau, Z 18 Abt. Bernburg, A 9B Nr. 14 Bd. XIV, 451r. (Freitag, 14. Juli 1637).

Abgesehen von der Verschlüsselungsfunktion und der Markierung des adligen Kontextes der getätigten Äußerungen zeigen französische Textbelege kaum spe-

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zifisch motivierte Funktionen. Als Sprache von Esprit und Galanterie ist das Französische in der höfischen Sphäre jedoch die unangefochten dominante Sprache.

5.3.2 Italienisch Das Italienische wurde vorwiegend für Prozesse des Out-groupings verwendet. Brisante, gesellschaftlich tabuisierte und sanktionierte Themen wurden zwar nur in 11,8 % aller Fälle in italienischer Sprache wiedergegeben, jedoch handelte es sich bei diesen um besonders schwerwiegende Fälle: Dazu zählten Inhalte besonderer Intimität, etwa sexuelle Erfahrungen, Bekundungen persönlicher Zuneigung oder erlittene Ehrverletzungen. Wieder soll eine Belegstelle als Illustration dienen, in der Italienisch, Französisch und die Matrixsprache Deutsch aufeinandertreffen: Donnerstag, den 20.sten: Julij

Predigt gehört zu Altena, deß Milden vatter. Outre les cent Dal:s. nouvellement prestèz Albrecht Schultheß m’a encores empruntè cent, & j’ay eu toutes les peines du monde, a avoir de l’argent. ‚Traum von der Viper, die mich in alle meine Glieder und in den Mund verfolgt hat. Mit meinem Sohn.‘ ‚Außer den vor kurzem geborgten hundert Talern hat Albrecht Schultheß mir noch hundert geliehen, und ich habe alle Mühen der Welt gehabt, um Geld zu bekommen.‘ LASA Dessau-Roßlau, Z 18 Abt. Bernburg, A 9B Nr. 14 Bd. XIV, 458r. (Donnerstag, 20. Juli 1637).

Auf die negativ perspektivierte und hochgradig intime Schilderung eines Traumes in italienischer Sprache folgt eine kurze deutschsprachige Passage, schließlich eine weniger stark tabuisierte Passage über finanzielle Schwierigkeiten auf Französisch. Auffällig erscheint zunächst die klare Abgrenzung der beiden Sprachen – es liegt nahe, dass eine unterschiedliche Funktionalisierung vorliegt. Neben Vorgängen des In-groupings und Out-groupings dienten Wechsel ins Italienische seltener auch zur Wiedergabe von intertextuellen Verweisen wie Zitaten und formelhaften Wendungen.

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5.3.3 Latein In keinem Vergleich steht die Menge an intertextuellen Referenzen im Italienischen jedoch zur lateinischen Sprache. Es existiert eine Fülle von Passagen, in denen ein Wechsel ins Lateinische die Funktion der formelhaften Kommentierung oder Zitatwiedergabe erfüllt. Insgesamt erfolgte die Hälfte aller Wechsel ins Lateinische entweder aufgrund von Zitaten, oder war einem Inventar formelhafter Wendungen (etwa Tempus progressum demonstrabit) zuzuordnen. Damit nimmt das Lateinische eine funktionale Sonderstellung im Codeswitching ein. Neben der klassischen kommentierenden Zitatfunktion, die eigene Argumentationslinien mithilfe von Autoritäten stützen soll, zitiert Christian immer wieder Texte, die er auf seinen Reisen rezipiert. Hier sticht besonders eine Gruppe lateinischer Inschriften hervor, die er auf einer Italienreise im Juli 1623 wortgetreu wiedergibt. Ein Beispiel vom Grab Petrarcas, das er am 21. Juli 1623 besuchte: Sein Epitaphium ist vor der kirchen, an einem Roten Marmelsteinern sarck zu sehen, darauf ein Metallen haüpt, mit dieser vnterschrifft: Francisco Petrarchae Paulus Valdezucus Patavinus Poematum eius admirator Ædis Agrique possessor, hanc effigiem Posuit Anno M. D. LLVII. Jdibus Septembris Manfredino comite Vicario. ‚Für Francesco Petrarca stellte Paolo Valdezocco aus Padua, ein Bewunderer seiner Gedichte, der Besitzer seines Hauses und Grundstückes, dieses Abbild auf im Jahr 1547 am 13. September, als Manfredino Conti Vikar war.‘ LASA Dessau-Roßlau, Z 18 Abt. Bernburg, A 9B Nr. 14 Bd. III, 62r. (Montag, 21. Juli 1623).

Zusätzlich traten Sprachenwechsel ins Lateinische auf, um dem Geschriebenen Pathos zu verleihen, sowie in Form von Interjektionen. In der Zusammenschau ergab sich für das Lateinische das Bild einer ausgeprägten Autoritäts- und Zitatsprache.

6 F azit: Typologie der Funktionen von Kontaktsprachen Anhand der Stichprobe der untersuchten Codeswitching-Belege im Tagebuch Christians von Anhalt-Bernburg konnten für verschiedene Fremdsprachen unterschiedliche Muster der Funktionalisierung festgestellt werden. Jede Sprache verfügte über ein spezifisches kommunikatives Profil, das ihre jeweiligen Ein-

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satzmöglichkeiten beeinflusste. Es ließe sich in Anlehnung an triggering words (Clyne 2003: 80; Broersma 2009) von triggering topics sprechen, die kombinatorisch an einzelne Sprachen geknüpft sind. Die Sprachenwahl im Fürstentagebuch war also keineswegs eine rein stilistische oder ästhetische Frage oder wurde gar arbiträr vollzogen – vielmehr lassen sich sprachspezifische Verwendungsmuster erkennen: Französisch wurde vorwiegend für Passagen gewählt, – die mit impulsiven Reaktionen und punktuellen emotionalen Zuständen wie Freude oder Ärger assoziiert waren, – die die höfische Sphäre betrafen und damit Funktionen des In- und Out-groupings erfüllten, – die geheim gehalten oder tabuisiert werden sollten (subjektive Bewertung eines Geschehens, finanzielle Situation, Angst, Ekel, z.T. Sexuelles). Sprachenwechsel ins Italienische erfolgten vorwiegend für Passagen, – die mit negativen Emotionen wie Ärger und Trauer verknüpft waren, – deren Inhalte in hohem Maße gesellschaftlicher Tabuisierung unterlagen (beispielsweise Gewalt, Ekel, Sexuelles oder Schwärmereien) oder intime Einblicke in die Lebenswelt des Schreibers zuließen. Latein wurde vorwiegend in Passagen verwendet, – die mit persistenten, meist negativen emotionalen Zuständen wie Verzweiflung und Resignation verknüpft waren, – die Kulturreferenzen, Zitate oder fachsprachliche Zusammenhänge darstellten, – die die Funktionen der Emphase oder der Pathosgenerierung erfüllten oder der Autoritätssteigerung dienten. Der Sprachgebrauch war in solchen Fällen meist formelhaft. Die hier angeführten Ergebnisse bieten einen Einblick in die Fremdsprachenverwendung eines adligen Einzelschreibers im 17. Jahrhundert. Es kann für die Einzelsprachen eine ausgeprägte Funktionalisierung, ein sprachentypisches kommunikatives Profil festgestellt werden, das von den drei untersuchten Parametern Emotionalität, Thema und Funktion bestimmt wird. Es ergeben sich jedoch auch einige ungeklärte Fragen. 1. Wie repräsentativ sind die untersuchten Monate für das Tagebuch? Diese Frage könnte anhand einer qualitativen Nachfolgestudie auf größerer Datenbasis problemlos validiert werden.



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2. Ist die sprachabhängige Funktionalisierung des Codeswitchings lediglich für Christian von Anhalt-Bernburg typisch, oder lassen sich die Ergebnisse im Sinne einer schreiber-übergreifenden funktionalen „Sprachtypologie“ auch auf weitere zeitgenössische Egodokumente generalisieren? Diese Frage bedarf einer insgesamt größeren und konsistent begründeten Stichprobe subjektiver schriftsprachlicher Zeugnisse aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. 3. Ergeben sich diachrone Wandelprozesse hinsichtlich der Funktionen von Codeswitching – etwa im Leben eines einzelnen Schreibers oder für die Textsorte Tagebuch? Abschließend bleibt festzustellen, dass Fremdsprachen in der Frühen Neuzeit keine bloßen Mittel zum Zweck darstellten, die den Kreis potentieller Zuhörer vergrößern oder zur Erhöhung des sozialen Prestiges einer Person beitragen sollten. Die im Tagebuch Christians II. von Anhalt-Bernburg beobachtete Sprachverwendung geht weit über zeittypische Motivationsquellen für den Erwerb von Fremdsprachenkenntnissen hinaus. Fremdsprachen treten hier nicht als bloße Mittel sozialer Distinktion, als karriererelevante Qualifikationen oder als Formen kulturellen Kapitals auf – sie erfüllen in Form von Tabuisierungen, Emphasen, als Sprache der Gruppenzugehörigkeit und des betonten Ausdrucks von Emotionen eine Reihe weiterer Funktionen, die letztlich nur auf den Schreiber als Individuum zurückgeführt werden können.

7 Quellen und Literatur 7.1 Quelle Digitale Edition und Kommentierung der Tagebücher des Fürsten Christian II. von AnhaltBernburg (1599-1656), Wolfenbüttel 2013. (Editiones Electronicae GuelferbytanaeZZ). http://diglib.hab.de/edoc/ed000228/start.htm.

7.2 Literatur Abel, Günter (1978): Stoizismus und Frühe Neuzeit. Zur Entstehungsgeschichte modernen Denkens im Felde von Ethik und Politik. Berlin, New York: De Gruyter. Ammerer, Gerhard, Ingonda Hannesschläger & Milan Hlavačka (Hrsg.) (2016): Präzedenz, Netzwerke und Transfers: Kommunikationsstrukturen von Herrscherhöfen und Adelsresidenzen in der Frühen Neuzeit. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag.

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Aretin, Johann Christoph von (Hrsg.) (1804): Tagebuch des Prinzen Christian von Anhalt, über die Kriegsvorfälle des Iahres 1620. In: Beyträge zur Geschichte und Literatur, vorzüglich aus den Schätzen der pfalzbairischen Centralbibliothek zu München 2.6, 65–96, 3.1, 49–112, und 3.2, 49–112. Auer, Peter (1995): The Pragmatics of Code-Switching. A Sequential Approach. In: Pieter Muysken & Lesley Milroy (Hrsg.), One Speaker, Two Languages. Cross-Disciplinary Perspectives on Code-Switching. Cambridge: Cambridge University Press, 115–135. Brademann, Jan (2012): Reformierte Konfessionalisierung oder konfessionelle Koexistenz? Eine andere Sicht auf die Religionsgeschichte Anhalts im 17. und 18. Jahrhundert. In: Auf dem Weg zu einer Geschichte Anhalts (Mitteilungen des Vereins für anhaltische Landeskunde. Sonderband 21), 159–192. Broersma, Mirjam (2009): Triggered codeswitching between cognate languages. In: Bilingualism: Language and Cognition 12 (4), 447–462. Bullock, Barbara E. & Almeida J. Toribio (2009): The Cambridge Handbook of Linguistic Code-Switching. Cambridge: Cambridge University Press. Clyne, Michael (2003): Dynamics of Language Contact. English and Immigrant Languages. Cambridge: Cambridge University Press. Dittmar, Max (Hrsg.) (1894): Aus dem Tagebuche des Fürsten Christian des Jüngeren von AnhaltBernburg. Aufzeichnungen, die Zerstörung Magdeburgs, die Unterredung des Fürsten Christian mit dem Administrator Christian Wilhelm von Brandenburg und den Entsatz Magdeburgs durch Pappenheim betreffend. In: Geschichts-Blätter für Stadt und Land Magdeburg 29, 90–136. Elspaß, Stephan (2012): The Use of Private Letters and Diaries in Sociolinguistic Investigation. In: Juan Manuel Hernández-Campoy & Juan Camilo Conde-Silvestre (Hrsg.), The Handbook of Historical Sociolinguistics. Malden, Mass.: Blackwell, 156–169. Estienne, Henri (1579/1896): De la Précellence du Langage François. Réimprimée avec des notes, une grammaire et un glossaire par Edmond Huguet. Paris: Armand Colin et Cie. Fabricius ab Acquapendente, Hieronymus (Girolamo Fabrizio d’Acquapendente) (1601/1738): De locutione et eius instrumentis. In: Opera omnia anatomica et physiologica. Padua, Leiden: Van Kerckhem, 306–318. Fiehler, Reinhard (1990): Kommunikation und Emotion. Theoretische und empirische Untersuchungen zur Rolle von Emotionen in der verbalen Interaktion. Berlin, New York: De Gruyter. Fries, Norbert (1996): Grammatik und Emotionen. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 26, 37–69. Fritz, Gerd (1991): Deutsche Modalverben 1609: Epistemische Verwendungsweisen. Ein Beitrag zur Bedeutungsgeschichte der Modalverben im Deutschen. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 113, 28–52. Gardner-Chloros, Penelope (2009): Code-Switching. Cambridge: Cambridge University Press. Gräf, Holger Th. & Sven Externbrink (Hrsg.) (2000): Söldnerleben am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges. Lebenslauf und Kriegstagebuch 1617 des hessischen Obristen Caspar von Widmarckter. Marburg/Lahn: Trautvetter & Fischer. Greyerz, Kaspar von (Hrsg.) (2007): Selbstzeugnisse in der Frühen Neuzeit. Individualisierungsweisen in interdisziplinärer Perspektive. München: Oldenbourg. Hermanns, Fritz (2012): Kognition, Emotion, Intention. Dimensionen lexikalischer Semantik. In: Fritz Hermanns (Hrsg.). Der Sitz der Sprache im Leben. Beiträge zu einer kulturanalytischen Linguistik. Berlin, Boston: De Gruyter, 138–178.



Vormittags rien fait quj vaille 

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Markus Schiegg und Monika Foldenauer

Codeswitching bei süddeutschen Schreibern des 19. Jahrhunderts 1 Einleitung Untersuchungen zu Codeswitching, sowohl historischer als auch gegenwartssprachlicher Art, befassten sich traditionell mit Sprachwechselphänomenen zwischen verschiedenen Sprachen, aber kaum zwischen den Varietäten einer Sprache. Die in der Anglistik in den 1990ern einsetzende historische Codeswitching-Forschung (vgl. Schendl & Wright 2011) interessierte sich dabei vor allem für Texte konzeptioneller Schriftlichkeit, etwa literarische Texte, verfasst von gebildeten und routinierten männlichen Schreibern.1 Dieser Beitrag geht einen anderen Weg. Neben dem Fokus auf deutschsprachiges Textmaterial untersuchen wir einerseits Schreiberinnen und Schreiber des 19. Jahrhunderts, die nur wenig Schulbildung erfahren haben. Andererseits belegen wir nicht nur Codeswitching zwischen unterschiedlichen Sprachen, sondern insbesondere auch zwischen Varietäten des Deutschen. Dabei zeigen wir, dass selbst diese unroutinierten Schreiber zwischen unterschiedlichen Varietäten und Sprachen oftmals funktional wechseln konnten. Dazu widmen wir uns Codeswitching-Phänomenen in meist süddeutschen Egodokumenten, überwiegend verfasst von ‚einfachen Leuten‘ wie Bauern, Dienstmägden, Gastwirten und Schneidern, die sich im 19. und frühen 20. Jahrhundert in stationärer Behandlung in psychiatrischen Anstalten befanden. Dort herrschte zu dieser Zeit die Praxis, die Briefkorrespondenz zu zensieren und die zum Absenden als ungeeignet erachteten Briefe den Patientenakten beizulegen, wo sich diese weiterhin in tausendfacher Zahl befinden (vgl. Schiegg  2015a).

1 Bei Predigten, die ebenfalls bereits in frühen Untersuchungen zu historischem Codeswitching thematisiert wurden, handelt es sich zwar nicht um Äußerungsformen am distanzsprachlichen Pol, sie sind allerdings nach Koch & Oesterreicher (1985: 18) eher als distanz- denn als nähesprachlich zu klassifizieren. Markus Schiegg: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Department Germanistik und Komparatistik, E-Mail: [email protected]. Monika Foldenauer: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Department Germanistik und Komparatistik, E-Mail: [email protected]. https://doi.org/10.1515/9783110752793-013

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 Markus Schiegg und Monika Foldenauer

Die für diese Untersuchung herangezogenen Dokumente stammen großenteils aus dem sich im Aufbau befindenden Corpus of Patient Documents (vgl. http://copadocs.de). Dieser Beitrag stellt zunächst in Abschnitt 2 unsere Verwendung des Begriffs Codeswitching vor und präsentiert knapp den Forschungsstand zu historischem Codeswitching, insbesondere in der Germanistik. In Abschnitt 3 erarbeiten wir eine Methodologie zur Erfassung von monolingualem Codeswitching, die strukturelle und funktionale Methoden kombiniert. Unsere Analysen in Abschnitt 4 gliedern wir hauptsächlich auf der Basis von Karl Bühlers (1965) drei Sprachfunktionen. Dieses Modell erlaubt es, die vielfältigen Erscheinungsformen von Codeswitching in unserem Korpus aus sprachfunktionaler Perspektive bezüglich ihrer Darstellungs-, Ausdrucks- und Appellfunktionen zu klassifizieren. Der Aufsatz schließt in Abschnitt 5 mit einer Diskussion der Relevanz unserer Funde sowohl für die historische Codeswitching-Forschung als auch die historische Soziolinguistik.

2 H  istorisches Codeswitching: Begriff und Forschungsstand 2.1 Der Begriff Codeswitching Obwohl Codeswitching seit einigen Jahrzehnten mit vielfältigen Ansätzen und für unterschiedliche Sprachen erforscht wird, mittlerweile als „perhaps the central issue in bilingualism research“ (Milroy & Muysken 1995: 7) gilt und auch Handbücher (vgl. z. B. Bullock & Toribio 2009) sowie Lehrbücher (vgl. z. B. Müller et al. 2015) zu diesem Thema verfasst wurden, fehlt diesem Forschungsfeld weiterhin eine allgemein anerkannte Terminologie. Dies wird von der Forschung vielfach als „recurrent concerns“ (Pahta, Skaffari & Wright 2018: 7) beklagt. Im Folgenden thematisieren wir knapp die für diesen Aufsatz relevanten terminologischen Weichenstellungen. Code verstehen wir als einen Oberbegriff für Sprachen, Varietäten, Dialekte, Stile etc. (vgl. Gardner-Chloros 2009: 11). Die Codeswitching-Forschung vertritt diesbezüglich – in der Theorie – weitgehend eine ähnliche Position; Gumperz (1982: 59) etwa spricht von der „juxtaposition within the same speech exchange of passages of speech belonging to two different grammatical systems or subsystems“. Auch in Einführungen zum Sprachkontakt und zur Soziolinguistik finden sich derartige Definitionen von Codeswitching, etwa bei Winford (2003:



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14) als „the alternate use of two languages (or dialects) within the same stretch of speech“ (vgl. Romaine 2000: 61). Die historische Forschung fasst dabei den Begriff speech weiter und spricht etwa von „a single communicative event“ (Pahta & Nurmi 2006: 203). In der Praxis allerdings erfolgt meist eine Restriktion auf Alternationen zwischen „clearly identifiable languages“ (Auer & Eastman 2010: 85).2 Dies ist auch für die historische Codeswitching-Forschung zu konstatieren, die sich bislang nur selten mit Codeswitching zwischen den Varietäten einer Sprache beschäftigt (vgl. Abschnitt 2.2). Jedoch ist es, wie Putter (2011: 285) betont, in historischen Texten oftmals weder formal noch funktional möglich und angemessen, einen Unterschied zu machen zwischen dem Wechsel verschiedener Sprachen und in den Varietäten einer Sprache. Vielmehr bestünde dabei die Gefahr, so Auer (2010: 461), Sprachen mit Standardsprachen gleichzusetzen. Dieser weite Begriff von Code erlaubt es unserem Beitrag folglich, sowohl innersprachliches als auch Codeswitching zwischen verschiedenen Sprachen zu analysieren. Switching verstehen wir als den punktuellen Varietätenwechsel in einer Sprachhandlung. In der Forschung wird, unter anderem, unterschiedlich aufgefasst, wie dabei das Verhältnis der Varietäten zueinander ist, welche formalen Charakteristika bestehen, also wo etwa die Grenzen des Umfangs von Codeswitching-Elementen liegen, und ob der Wechsel intentional geschieht. Einflussreich ist Muyskens (2000) Differenzierung von Codeswitching als Einbettung in eine Matrixsprache (Insertion), als den kompletten Umschlag in eine andere Varietät (Alternation) sowie als das Teilen einer gemeinsamen grammatischen Struktur durch zwei abwechselnd auftretende Varietäten (Congruent Lexikalization; vgl. ein mögliches Beispiel in Fußnote 9).3 Das Matrix Language Frame Model (Myers Scotton 2004) geht dagegen generell von einer Matrixsprache aus, in die Codeswitching-Elemente eingebettet werden. Wir folgen in diesem Aufsatz letzterem Modell, indem wir bei den von uns untersuchten Daten von einer Ma­trixsprache ausgehen, die für jeden Schreiber und Text je nach Sprachrepertoire und gewähltem sprachlichen Register unterschiedlich ausfallen kann. Auch die Frage, ob Codeswitching nur bei syntaktisch abgeschlossenen Einheiten vorliegt und „sentence-internal switching“ (Auer 2010: 467) als Code-Mixing bezeichnet werden soll, wird unterschiedlich beantwortet. Hierbei ist die Untergrenze des Umfangs von Codeswitching diskutabel, nämlich ob auch die Über-

2 Teilweise wird innersprachliches Codeswitching dann als Style Shifting bezeichnet, etwa bei Pahta & Nurmi (2009), wo dies „for clarity’s sake“ (2009: 30) geschieht. Hernández-Campoy (2016: 44) betont allerdings die funktionale Vergleichbarkeit beider Phänomene. 3  Vgl. die Differenzierung von Einschaltung vs. Umschaltung bereits bei Stolt (1964: 44). Auer (2014: 305) spricht hier von insertional und alternational mixing.

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 Markus Schiegg und Monika Foldenauer

tragung von Einzelwörtern (auch nonce-borrowing bzw. Ad-hoc-Entlehnung; vgl. Riehl 2009: 21) und bereits der Wechsel von Prosodie oder Einzellauten (vgl. Auer 2010: 461) zu Codeswitching gezählt werden können. Hier verfolgen wir den offeneren Begriff und legen keine Untergrenze von vornherein fest, anders als etwa Peters & Freund im vorliegenden Band.4 Oftmals ist Codeswitching funktional und soziolinguistisch erklärbar (vgl. Gumperz 1982)5, teilweise ist aber auch von nicht-funktionalem, psycholinguistisch motiviertem Codeswitching auszugehen. Ein solches wird etwa durch triggering words (Clyne 2003: 80) ausgelöst und besitzt keine Funktion im lokalen konversationellen Kontext, sondern ist als „global interactional behavior“ (Franceschini 1998: 61) zu interpretieren. Ob Codeswitching immer bewusst und intentional eingesetzt wird, ist besonders für historische Texte kaum eindeutig zu bestimmen, sodass wir mit Schendl (2013: 55) von dieser Kategorie Abstand nehmen.6

2.2 Historisches Codeswitching In der Anglistik gilt historisches Codeswitching mittlerweile als ein „new subfield of research“ (Gardner-Chloros 2018: 19). Insbesondere mittelalterliche und frühneuzeitliche Texte mit Codeswitching zwischen Englisch und Latein, teilweise aber auch mit dem Französischen (z. B. Schendl 2013) stehen dort seit den 1990ern im Zentrum des Interesses, was auch die einschlägigen Sammelbände zeigen (Schendl & Wright 2011; Pahta, Skaffari & Wright 2018). Teilweise wurde aber auch in anderen Sprachen Codeswitching untersucht (vgl. die Zusammenstellung bei Schendl 2012: 523). In der Germanistik, die zwar mit Stolts (1964) Arbeit den Beginn der historischen Codeswitching-Forschung markierte (Schendl 2012: 530), existieren bislang außerhalb dieses Bandes nur vereinzelte Studien. In diesen wird überwiegend Codeswitching zwischen Deutsch und Latein untersucht, sei es in der frühmittel-

4 So könnte man auch den ungewöhnlichen Akzent in „Pestié“ (‘Bestie’) als Codeswitching interpretieren, mit dem der Schneider Pius G. ein Wort ans Französische anlehnen möchte, um gebildeter zu wirken (Kfb Akte 936, Brief an Oberregierungsrat, 19.09.1892; vgl. Schiegg & Sowada 2019: 779). 5 Vgl. die Definition von Codeswitching bei Auer (1999: 310): „the juxtaposition of two codes (languages) is perceived and interpreted as a locally meaningful event by participants“. 6 Vgl. dazu Ptashnyk (2016: 259): „Ganz anders als in der synchronen Code-Switching-Forschung stellt sich beispielsweise die Frage nach der Intendiertheit vs. Nichtintendiertheit des Code-Switchings. Phänomene, die in der schriftlichen Kommunikation dokumentiert sind, entstehen zweifelsohne auf anderen Wegen und mit anderen Absichten als im spontanen Gespräch.“



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alterlichen (z. B. Glaser 2016), spätmittelalterlichen (z. B. Kämmerer 2006) oder frühneuzeitlichen Periode (z. B. McLelland 2004). Studien zu Codeswitching mit anderen Sprachen wie dem Hebräischen, Polnischen und Ukrainischen im Lemberg des 19. Jahrhunderts (Ptashnyk 2016) sind ebenso rar wie solche zu Codeswitching zwischen unterschiedlichen historischen Varietäten des Deutschen.7 Hierzu anzuführen sind die Untersuchungen von Langer (2013: 88–91) zu Codeswitching zwischen Hoch- und Niederdeutsch im 19. Jahrhundert sowie die von Jacob-Owens (2017: 89–91) zu Codeswitching zwischen Hochdeutsch, Englisch und der nordfriesischen Varietät Öömrang, ebenfalls in Briefen unroutinierter Schreiber des 19. Jahrhunderts. Langer & Havinga (2015: 28) halten vorläufig fest: „In nineteenth-century informal writing, code-switching appears to be very rare on the whole“. Das häufige Vorkommen von Codeswitching in historischen Patiententexten wurde erst im Anschluss bekannt durch eine Studie zu autobiographischen Patiententexten (Schiegg 2016), in der von den 22 untersuchten süddeutschen Schreibern die Hälfte Codeswitching zwischen den Varietäten des Deutschen verschriftet. Dass unroutinierte Schreiber auch bilinguales Codeswitching betreiben und dabei ebenfalls zwischen Kurrentschrift und lateinischer Schrift wechselten, analysieren Schiegg & Sowada (2019) unter dem Begriff Script Switching. Generell ist bei der Arbeit mit historischem Codeswitching eine Historisierung und Adaptierung der Analysekategorien auf den Untersuchungsgegenstand notwendig. So betont Schendl (2015: 234): „[O]ne has to be aware of the specific sociohistorical context of early written code-switching and of its potential differences from present-day switching.“ Die für die gesprochene Gegenwartssprache entwickelten funktionalen Kategorien (z. B. Gumperz 1982) erscheinen – wie die Forschung vielfältig belegt (z. B. Pahta & Nurmi 2009: 30) – teilweise auch bei historischem Codeswitching, allerdings sind auf Grund des schriftlichen Mediums auch andere Formen zu erwarten. So sind etwa die im konversationellen Austausch erfolgenden Turn Taking-Handlungen und Reparatur-Prozesse und damit einhergehendes Codeswitching (Auer & Eastman 2010: 98) in der Schriftlichkeit – insofern keine Dialoge nachgeahmt werden – weniger relevant (vgl. Abschnitt 4.1), wohingegen bei autobiographischen Patiententexten häufig Gedichte, Lieder und Gebete zusammen mit Codeswitching beobachtet werden können (Schiegg 2016: 74).

7 Untersuchungen zu Codeswitching zwischen unterschiedlichen Varietäten im gegenwärtigen Deutschen finden sich insbesondere in Arbeiten zur Deutschschweiz, siehe z. B. Petkova (2016) und Oberholzer (2018).

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 Markus Schiegg und Monika Foldenauer

3 M  ethodologie zur Erfassung und sprachfunktionalen Differenzierung von Codeswitching 3.1 M  ethodologie: Kombination struktureller und funktionaler Methoden Die Erfassung von Codeswitching-Phänomenen ist in bilingualen Sprachäußerungen mit keinen größeren Schwierigkeiten verbunden, insofern der strukturelle Unterschied der Sprachen hinreichend groß ist, um den Wechsel leicht erkennen zu können. Auch innersprachliches Codeswitching ist dann besonders gut erfassbar, wenn zwei Varietäten klar abgrenzbar sind. Dies ist meist der Fall bei Codeswitching im norddeutschen Raum zwischen (norddeutschem) Hochdeutsch und dem Niederdeutschen bzw. Friesischen, wo ein Bruch im Varietätengefüge existiert und sich die Standardsprache durch deutliche sprachliche Merkmale von den Dialekten unterscheidet (vgl. König, Elspaß & Möller 2015: 135). Dies illustriert das folgende Beispiel eines Patientenbriefs aus der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen, in dem der Schreiber eine Beschwerde seines Kameraden über die Verpflegung zitiert, wobei die Redeeinleitung auf Hochdeutsch und die Aussage selbst dann auf Niederdeutsch erscheint. Den klaren Umbruch vom Hoch- zum Niederdeutschen erkennt man an der durchgeführten Lautverschiebung beim Frikativ /s/ in „Essen“ im Gegensatz zu „Wat“ mit erhaltenem Plosiv /t/. Die darauf folgenden, zahlreichen Charakteristika des Niederdeutschen – beispielsweise die Senkung von /y/ in „mööt“, das nicht palatalisierte /s/ in „smachten“ und die gesenkte zweite Diphthongkomponente von /ei/ in „Fleesch“ (NOSA: 42–43) – stützen diese Einschätzung. (1) Martin M., Brief vom 14.01.1943; zitiert nach Harms (2008: 168): Er kritisierte jeden Tag übers Essen: ‚Wat mööt wi hier smachten in de Anstalt Wehnen! De Plegers und de Doktors frät us dat Fleesch ut’n Pott‘.8

Im Süden und in der Mitte des deutschen Sprachraums herrscht ein Kontinuum zwischen Hochdeutsch, regionalen Umgangssprachen und Dialekten vor, wobei viele Zwischenlagen existieren (vgl. Beispiel 5) und pragmatische Faktoren wie Kommunikationspartner, Sprechsituation und Thema die Auswahl der Varianten aus dem komplexen Varietätenspektrum zwischen konzeptioneller Nähe

8 Codeswitching erscheint bei den Belegen in Fettdruck; Kursivdruck steht für lateinische Schrift, Normalschrift für Kurrentschrift.



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und Distanz steuern (vgl. König, Elspaß & Möller 2015: 135; Koch & Oesterreicher 1985). Diese Vielfalt ist auch in den süddeutschen Patiententexten des Korpus anzutreffen und erschwert die Erfassung möglicher Codeswitching-Passagen erheblich, da der sprachliche Kontrast zum restlichen Text oftmals nicht so klar erkennbar ist wie etwa im vorigen Beispiel.9 Deshalb rekurrieren wir im Folgenden auf die in Schiegg (2016: 55-57) entwickelte Methodologie zur Erfassung von innersprachlichem Codeswitching durch Kombination struktureller und funktionaler Methoden. Wir gehen dabei von einer Matrixvarietät aus, die sich von dem darin eingebetteten CodeswitchingElement strukturell unterscheidet, was im Normalfall auch funktional erklärbar ist. Die strukturelle Unterscheidung kann auf nur einem Einzelmerkmal beruhen – vgl. etwa den Akzent in Fußnote 4 –, meist erscheinen aber mehrere in engem Abstand folgende Merkmale, die sich von der Varietät der Matrixsprache unterscheiden, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass es sich dabei um Codeswitching und nicht um eine zufällige Fluktuation handelt. So sind nicht funktional erklärbare, eher zufällig auftretende Varietätenwechsel besonders typisch für Texte unroutinierter Schreiber, die beim Bemühen um das Standarddeutsche gelegentlich auch Nicht-Standardvarianten verschriften; dies nennen Langer & Havinga (2015: 25) Transfer Interference. Auch in der gesprochenen Sprache ist eine Art Grundvariation standardnäherer und dialektnäherer Formen zu beobachten, was Auer (1986: 119) als Code-Fluktuation bezeichnet. Von besonderer Relevanz für die Erfassung von Codeswitching zwischen unterschiedlichen Varietäten ist es, vom Einzelschreiber auszugehen und dessen verschriftetes Repertoire detailliert zu analysieren. Der Entscheidungsweg zur Klassifizierung bestimmter punktueller Varietätenwechsel als Codeswitching wurde am Beispiel der regiolektalen Pronomen in der Lebensgeschichte des Schneiders Pius G. bei Schiegg (2016: 55f.) diskutiert: Dieser Schreiber verschriftet

9 In norddeutschen Texten ist jedoch teilweise auch nicht klar feststellbar, wo genau Codeswitching beginnt. So ist in einem Patientenbrief aus der Hamburger ‚Irrenkolonie‘ Langenhorn, verfasst am 17.12.1933 vom Schmied und Handelsmann August W. A. aus Heide in Holstein (Ham Akte 19976), unklar, ob „Glück, Arbeit, Gesundheit u“ zum Hoch- oder darauffolgenden Niederdeutschen gehören: „Mit den, konnte unser Vater, sich nicht verständigen. Glück, Arbeit, Gesundheit u Tofredenheit u denn noch, nen lüttjet Beeten mehr, es neudig deist. Denn legg, sigg datt torecht. August Rechtsanwalt: Kanst nicht mal, mit Frl. Chemnitz sprechen.“ Bei „Tofredenheit“ (‘Zufriedenheit’) schließlich ist neben der unterbliebenen Lautverschiebung bei /t/ auch die nord- und niederdeutsche Senkung von /u/ > /o/ und /i:/ > /e:/ klar ersichtlich (NOSA V8). Auf Grund der gemeinsamen grammatischen Struktur der beiden Varietäten im Überlappungsbereich zum Codeswitching könnte dieser Fall mit Muyskens (2000) Modell der Congruent Lexicalization diskutiert werden (vgl. Abschnitt 2.1).

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 Markus Schiegg und Monika Foldenauer

bei den Personalpronomen der 1. Person Nominativ Plural meist standarddeutsch wir, gelegentlich aber auch das regiolektal-süddeutsche mir (SBS 9.2: 233). Die Variation hierbei kann nicht funktional erklärt werden, vielmehr scheint sie zufällig und ist auch auf kleinem Raum nebeneinander anzutreffen: „andern Tags gingen wir nach Wahlstadt, wo mir Mitags asen“ (Lebensgeschichte, 06.04.1883). Das Reflexivpronomen der 1. Person Akkusativ Singular verschriftet er ebenfalls weit überwiegend als das standarddeutsche mich, an einer Stelle in Beispiel (2) aber als das gekürzte regiolektal-süddeutsche /mi:/ (König & Renn 2007: 52). (2) Schneider Pius G. (Kfb Akte 936), Lebensgeschichte (06.04.1883): Da ging Einer Namens M. [Name gekürzt] zum Mähen schrie zum Fenster hinein Pius kenst mie!? Die Antwort ja dan geh ich adjee.

Im Kontext dieses „mie“ erscheinen – neben der besonders starken Hervorhebung mit den Interpunktionszeichen „!?“ – noch zwei weitere konzeptionell mündliche Phänomene: die typisch gesprochensprachliche Ersparung des Personalpronomens du in der Frage und die Verschriftung des Abschiedsgrußes Adieu mit doppeltem e, was die Entrundung von /ö:/ zu /e:/ anzeigt (König & Renn 2007: 46). Diese Häufung konzeptionell mündlicher Marker spricht aus struktureller Sicht bereits für eine Codeswitching-Passage. Eine funktionale Interpretation bestätigt dies. So handelt es sich hier um die Wiedergabe von Frage und Antwort in wörtlicher Rede, was ein typischer Kontext von Codeswitching ist, da hier zur Stärkung von Authentizität oftmals realitätsnähere, also besonders in der gesprochenen Sprache verwendete Varianten verschriftet werden (vgl. Abschnitt 4.2). Folglich lässt sich durch die Kombination struktureller und funktionaler Methoden hier Codeswitching erfassen.

3.2 Sprachfunktionale Differenzierung Ein Großteil des Corpus of Patient Documents besteht aus Briefen, die, auch wenn sie oftmals ihr Ziel nicht erreichten, als schriftliche Kommunikationsakte intendiert waren und damit auch als solche analysiert werden können. Karl Bühlers vielfach rezipiertes Grundmodell der Kommunikation, das sogenannte OrganonModell, bietet sich an, um die zahlreichen Erscheinungsformen von Codeswitching sprachfunktional zu differenzieren. Besonders relevant für uns ist dabei das Konzept eines triadischen Zeichens, wobei das sprachliche Zeichen (a) als Symbol auf Gegenstände und Sachverhalte der Wirklichkeit referiert (Darstellungsfunktion), (b) als Symptom die Innerlichkeit des Rezipienten ausdrückt (Ausdrucksfunktion) und (c) als Signal zum Rezipienten gerichtet ist (Appellfunk-



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tion). Dabei ist von Dominanzphänomenen auszugehen, wobei, so Bühler, „wechselnd einer von den drei Grundbezügen der Sprachlaute im Vordergrund steht“ (1965: 28; 1. Aufl. 1934). Beim Codeswitching erhalten mindestens eines, meist mehrere sprachliche Zeichen innerhalb einer begrenzten syntagmatischen Umgebung eine Markierung, durch die sie aus dem restlichen Text hervortreten (vgl. Abschnitt 3.1). Dies erfolgt in der Regel in Richtung Nähesprache bzw. regional markierter Varianten (vgl. Beispiele 1 & 2).10 Diese Markierung lässt sich entweder als eine Verstärkung der Darstellungs-, Ausdrucks- oder Appellfunktion des sprachlichen Zeichens interpretieren. Durch die der Textsorte Brief inhärente Gerichtetheit auf einen oder mehrere Adressaten hin ist Codeswitching dabei kaum in bloßer Darstellungs- und Ausdrucksfunktion anzutreffen. Überschneidungen und damit Polyfunktionalität von Codeswitching liegen also bereits in der Textsorte Brief begründet. Mit dieser sprachfunktionalen Differenzierung lässt sich der überwiegende Teil des Codeswitching in historischen Patientenbriefen erfassen. Eng mit den Strukturen des konversationellen Austauschs verbundene Codeswitching-Phänomene sind auf Grund des schriftlichen Mediums zwar selten (vgl. Abschnitt 2.2), aber nicht ganz ausgeschlossen. Diese fügen sich dann weniger in die sprachfunktionale Gliederung, sondern sind als textstrukturell zu klassifizieren und werden in Abschnitt 4.1 knapp thematisiert, bevor die ausführlichere Behandlung sprachfunktionaler Typen von Codeswitching in Abschnitt 4.2 erfolgt. Eine solche Gliederung von Codeswitching in strukturierende und inhaltliche Typen erscheint auch wiederholt in der modernen Codeswitching-Forschung (vgl. Auer & Eastman 2010: 98).

4 E  rgebnisse: Codeswitching in Patientendokumenten 4.1 Textstrukturierendes Codeswitching Textstrukturelle Formen von Codeswitching, also Typen des Varietätenwechsels, welche nach Auer & Eastman (2010: 98) die „‚machinery‘ of conversational

10 Denkler & Elspaß (2007: 100) zeigen für Briefe unroutinierter Schreiber des 19. Jahrhunderts, dass „Regionalität als ein prototypisches Merkmal historischer Nähesprachlichkeit“ gelten kann, sodass im Weiteren regional markierte Varianten als konzeptionell mündlich charakterisiert werden.

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exchanges“ beeinflussen, sind typisch im direkten mündlichen, konversationellen Austausch. Die Autoren zählen dazu „[a] turn-taking, [b] repair work, [c] sequence organization, [d] preference organization or [e] participant constellation, [f] beginning or ending a story“. Im Folgenden wird diskutiert, inwiefern diese Punkte auch in Patientendokumenten vorkommen. In der Untersuchung von Codeswitching in historischen autobiographischen Texten von Patienten (vgl. Schiegg 2016) konnte nur eine der 46 ausgewerteten Codeswitching-Passagen als textstrukturierend klassifiziert und dem Typ [c] sequence organization zugeordnet werden. In seinen „Episoden aus meinem Leben“ rezitiert der Rotgerber Wilhelm N. ein Lied, möchte dann aber wieder auf die Erzählhandlung zurückkommen und fügt dazu einen Verbindungssatz ein, der den intendierten Leser adressiert. (3) Rotgerber Wilhelm N. (Kfb Akte 373), „Episoden aus meinem Leben“ (26.–28.06.1882): Aber nun m̄uß abkürzen, sonst muß man erst Mittageßen u. Kaffe trinken, sonst halts man̄ s Lesen nicht aus.

Die Form „halts“ (‘hält es’) ist als süddeutsch zu charakterisieren, da dort der Umlaut in der 2. und 3. Person Singular bei Verben der VI. und VII. Ablautklasse unterbleibt (Schirmunski 1962: 499). In allen anderen Positionen des Textes verschriftet Wilhelm N. bei derartigen Verben den Umlaut (z. B. schlägt, gefällt, verräth), sodass diese Form besonders hervorsticht. Zusammen mit den beiden für die Mündlichkeit typischen Enklisen (vgl. Werth 2020) in „halts man̄ s“ (‘hält es man das’), die durch die ungewöhnliche Doppelung hier als bewusst herausgestellte Mündlichkeit interpretiert werden könnten, lässt sich diese Stelle somit als Codeswitching zur Textstrukturierung charakterisieren. Der Schreiber thematisiert hier metasprachlich die Notwendigkeit, seine Ausführungen abzukürzen, da der Leser ansonsten ohne Pause die Lektüre nicht aushalte; damit leitet er in ein anderes Thema über und strukturiert folglich mit Codeswitching seinen Text. Derartige Elemente sind in Briefen kaum anzutreffen, da deren Textlänge in der Regel wenige Seiten nicht überschreitet, kaum längere erzählende Passagen erscheinen und die konventionelle Textstruktur (Briefbeginn – Brief­inhalt – Briefschluss) den Briefaufbau vorgibt. In den bisher vorliegenden Briefen des Korpus wurde Codeswitching zur Textstrukturierung damit nur selten beobachtet, etwa bei Karl M. (Kfb Akte 2661), einem Nürnberger Buchhändler. Dessen Texte sind sprachspielerisch und voller fremdsprachiger Elemente. Zur Überleitung und gleichzeitigen Fokussierung setzt er gelegentlich kurze französische Einschübe ein, etwa „enfin, Sie sind verrathen und verkauft“ (24.08.1852) und „À propos von G.“ (06.05.1852; Name gekürzt). Auch beim Schneider Pius G. (Kfb



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Akte 936) erscheint das Französische „Eh bien!“ (18.03.1895), um einen Abschnitt abzuschließen. Zu den anderen Punkten: [e] Die Konstellation der Adressaten ändert sich im Briefverlauf selten. Manchmal kommt es vor, dass Schreiber in Briefen, die an mehrere Personen gerichtet sind, einzelnen Adressaten direkt etwas mitteilen möchten, was dann durch deren Ansprache mit Namen geschieht. Hierbei, also beim Wechsel des Adressaten im Briefverlauf, wäre Codeswitching zwar durchaus denkbar, konnte bisher allerdings im Korpus noch nicht beobachtet werden. Dies lässt sich wohl dadurch erklären, dass die Konventionen des Briefs es ermöglichen, durch eine Anrede direkt die Konstellation der intendierten Adressaten zu klären. Damit ist eine indirekte Kontextualisierung in Form von Codeswitching nicht mehr nötig. Insofern keine Dialoge nachgeahmt werden, erscheinen in der Schriftlichkeit auch keine [a] Turn Taking-Handlungen oder [d] spontane Modifikationen des Gesagten in Bezug auf gewisse Präferenzen des Gesprächspartners (preference organization; vgl. Auer, Couper-Kuhlen, Müller 1999: 93). [b] Reparatur-Prozesse in Form von Textkorrekturen sind zwar recht häufig, werden dann aber nicht durch Codeswitching kontextualisiert, sondern in der Regel unkommentiert durchgeführt. [f] Textstrukturierendes Codeswitching zur Einleitung bzw. zum Abschluss einer Textpassage tritt dagegen gelegentlich in den Patientenbriefen auf. Der Bäckerssohn Franz O. (Kfb Akte 518) beispielsweise beendet einen Brief mit lateinisch „Pacen Amen“ – ‘Friede Amen’ (24.08.1858); er signalisiert den Briefschluss also durch Codeswitching mit einer fremdsprachigen Routineformel (vgl. Pfeiffer  & Schiegg 2020). Der Tapezierer Jakob S. (Kfb Akte 908) beendet zwei seiner Drohbriefe an den Anstaltsdirektor resümierend mit „Sik transit Glorria Mundis“ – ‘So vergeht der Ruhm der Welt’.11 (4) Tapezierer Jakob S. (Kfb Akte 908), Brief an Oberarzt (19.05.1894): Wen̄ sie so ihre practis weiter führen wollen, so müßen Sie die Geistes u. Arbeitsfähige entlaßen, sonst sind Sie selbst im höchsten Grad Plöd wen̄ sie glauben ich ken̄ e ihre Instruktion nicht. bei Ihnen wirds einmal heißen Sik transit Glorria Mundis!

Der Tagelöhner Urban S. (Kfb Akte 2936), geboren im bairischen Sprachraum bei Ingolstadt und wohnhaft in Augsburg, besitzt ebenfalls eine eigene Form der

11 Er selbst besaß wohl keine Lateinkenntnisse und nahm mit dem k in „Sik“ (lat. sic) eine orthographische und dem verdoppelten r in „Glorria“ (lat. gloria) eine phonetische Anpassung vor; aus seiner Erinnerung verschriftet er bei „Mundis“ eine -is-Endung statt -i im Genitiv Singular. Er möchte sich mit dieser, durch das lateinische Zitat pointierten Drohung über den Anstaltsbetrieb erheben.

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Briefbeendigung bzw. Überleitung, indem er manchmal an den entsprechenden Stellen einen kommentierenden Satz anfügt, den er mit dem Gliederungssignal „No ja“ (vgl. Schwitalla 2012: 157) einleitet. (5) Tagelöhner Urban S. (Kfb Akte 2936), Brief an Bekannte in der Heimat ([a] 04.07.1924), an Hausverwaltung in Augsburg ([b] 02.11.1924) und an den Medizinalrat ([c] 20.11.1924): (a) „No ja ärgern muaß ma sie überall a bißerl.“ (b) No ja, ärgern muß man sich überall a bißerl. (c) No ja er ist ja ein studierter Lackel

In allen drei Sätzen zeigt sich mit der o-Graphie in „No ja“ die typisch bairische Verdumpfung und Hebung der ehemaligen a-Laute (SOB 1: 1). Es fällt auf, dass die Lexeme in den Sätzen (5a) und (5b) identisch sind. In beiden sind die im Südosten typische Reduktionsform des unbestimmten Artikels „a“ (‘ein’; SOB 4: 4) und das ebenfalls dort auftretende Diminutivsuffix -erl in „bißerl“ verschriftet (Renn & König 2006: 93). Der erste Satz ist an drei Stellen noch dialekt­näher, nämlich beim oberdeutschen Diphthong /uə/ in „muaß“ (‘muss’) (König, Elspaß & Möller 2015: 147), beim fast überall in Bayern geschwundenen Nasal in „ma“ (‘man’) (Renn & König 2006: 59) sowie bei der süddeutschen Kurzform „sie“ (‘sich’) (vgl. König & Renn 2007: 52). Die Anführungszeichen, die er auch sonst gelegentlich verwendet, um wörtliche Rede und Sprichwörter zu markieren, zeichnen wohl auch hier Gesprochensprachliches aus. Sätze (5a) und (5b) illustrieren damit das vielschichtige Kontinuum von Varietäten im süddeutschen Raum (vgl. Abschnitt 3.1). Betrachtet man die Kontexte, in denen diese Sätze erscheinen, so leitet Urban S. mit Satz (5a) von der Erzählung seiner Vergangenheit über zur Beschreibung der momentanen Situation in der Anstalt, wobei er direkt vor dem Satz noch anfügt „Mir geht es in obiger Anstalt sehr, ja ausgezeichnet guat“. Bereits im Wort „guat“ ist der Diphthong /uə/ verschriftet. Die starke Emotionalität dieser Aussage hat vermutlich diese dialektnahe Verschriftung hier und in Satz (5a) evoziert. Während dies in einem Privatbrief mit zahlreichen gesprochensprachlichen Formen erscheint, beendet Satz (5b) einen offiziellen Brief an Urban S.s ehemalige Hausverwaltung in Augsburg. Vor diesem Satz schreibt er recht neutral „Sonst geht es mir gut.“ Dennoch fällt der Satz gerade in einem offiziellen Schreiben auf und ist als Codeswitching zu charakterisieren. Satz (5c) erscheint ebenfalls in einem offiziellen Brief an den Medizinalrat. Gleichzeitig kommentiert Urban S. damit seine Beschreibung eines Mitpatienten und schließt den Briefinhalt ab. Sprachlich tritt hier nur das verdumpfte und gehobene /o/ in „No ja“ hervor sowie die eher im Gesprochenen übliche Modelpartikel ja. Das informelle Lexem „Lackel“, ein „junger Mensch nicht der feinsten Art“ (Schmeller 1973: 1432), erscheint auch zuvor schon, sodass hier die wenigen sprachstrukturellen Auffälligkeiten durch die Berücksichtigung der Funktion der Kommentierung



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und Briefbeendigung ergänzt werden sollten, um diese Stelle als Codeswitching zu klassifizieren. Die Gliederung von Codeswitching-Phänomenen, die keine textstrukturellen sondern inhaltliche Funktionen erfüllen, erfolgt nun gemäß der in Abschnitt 3.2 beschriebenen Bühler’schen sprachfunktionalen Differenzierung des sprachlichen Zeichens hinsichtlich seiner Darstellungs-, Ausdrucks- und Appellfunktion.

4.2 Inhaltliches Codeswitching I: Darstellungsfunktion Bei Codeswitching in Darstellungsfunktion ereignet sich ein Varietäten- bzw. Sprachwechsel, der sowohl der Stärkung von Authentizität als auch der indirekten Bewertung der dargestellten Personen dient, die als „members of a specific linguistic and social group“ (Schendl 2015: 237) charakterisiert werden. Dabei werden Aussagen von Dritten wiedergegeben, die nicht direkt an der Briefkommunikation als Sender bzw. Adressat beteiligt sind, sondern auf deren Äußerungen der Schreiber Bezug nimmt und diese möglichst realitätsgetreu wiedergibt (vgl. Gumperz Konzept des they code, 1982: 66). Oft handelt es sich dabei um Personen aus dem Anstaltskontext wie Mitpatienten (Beispiele 6 und 7) oder das Anstaltspersonal (Beispiel 8), daneben aber auch um Personen aus dem ehemaligen privaten Umfeld wie den Ehemann (Beispiel 9) und die Schwester (Beispiel 10) sowie auch sonstige Personen wie ein Apotheker (Beispiel 11) oder Sprecher einer fremden Sprache, hier Russen im Kontext der Kriegsgefangenschaft des Schreibers (Beispiel 12). Auch Stimmen, die sich Schreiber einbilden, können in Form von Codeswitching erscheinen (Beispiel 13). Die erwähnten Beispiele werden im Folgenden zusammen mit einer Kontextualisierung und sprachlichen Charakterisierung wiedergegeben. Beschwerden über Mitpatienten erscheinen häufig in den Patientenbriefen, wobei neben deren Handeln auch die grobe Sprache thematisiert und dabei teilweise realitätsgetreu wiedergegeben wird. (6) Näherin Josefa M. (Kfb Akte 2211), Brief an ihre Schwester (25.07.1900): Eine Frau schimpft mich auch im̄er stingendes Mensch, Loos dan heißt Sie mich wieder Sau auspuken thut Sie glaube ich auch im̄er vor mir (7) Nagelschmiedswitwe Katharina B. (Kfb Akte 2214), Brief an Oberarzt (undatiert, ca. 1911–20): die Mina hat mier die Fäuste auf den Rücken gestosen […] und sprach du Ates12 SauMensch du versteltes

12 Gemeint damit ist wohl „Altes“; das ‚l‘ wurde vermutlich vergessen zu verschriften.

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In beiden Fällen erscheinen Beschimpfungen, die Mitpatientinnen zu den Schreiberinnen geäußert haben (sollen), wobei die Schimpfwörter in Beispiel (6) in den Satz integriert werden, in Beispiel (7) dagegen als direkte Rede mit dem Verbum dicendi „sprach“ eingeleitet sind. Lexikalisch handelt es sich beide Male einerseits um „das Mensch“, was „in derber rede“ (DWB 12: 2018) vorkommt und eine degradierende appellativische Frauenbezeichnung im Neutrum ist (Nübling, Busley & Drenda 2013: 190; vgl. Schiegg & Freund 2019). Kombiniert ist dies mit unterschiedlichen Lexemen für Schwein, in beiden Fällen mit der „Sau“ bezüglich „einer unsittlichen person, besonders weiblichen geschlechts“ (DWB 14: 1847). In Beispiel (6) steht daneben noch „Loos“, ein regionales Lexem für ‘Mutterschwein’, durchaus üblich für Josefa M.s Heimatort Dillingen (SBS 11: 79).13 Modifiziert werden die Substantive durch die degradierenden Adjektive stinkend, alt und verstellt, wobei letzteres in Beispiel (7) für das Gesprochene typisch nachgestellt und mit einem wiederholten du verstärkt ist (vgl. Schwitalla 2012: 140). Der Wechsel in diese derben sprachlichen Register soll in beiden Fällen die missliche Lage und Unzufriedenheit der Patientinnen dokumentieren. Für die Klassifikation als Codeswitching zeigt sich hier, dass es sinnvoll ist, auch Einzelwörter dazuzurechnen, da Beispiele (6) und (7) funktional identisch sind, allerdings in Beispiel (6) Einzelwörter wiedergegeben werden, in Beispiel (7) eine durch den Einsatz der Personalpronomen vollständigere sprachliche Äußerung. Die Schreiber grenzten sich nicht nur von den Mitpatienten ab, sondern auch vom Anstaltspersonal, über das sie sich häufig beschwerten, teilweise wiederum verbunden mit Wiedergaben von Gesprochenem. (8) „Ingenieursgattin“ Mathilde W. (Kfb Akte 2871), Brief an den Ehemann (03.01.1894): Soviel ist sicher die Kaffe Kan̄ e darf man nicht Spülen wen̄ man es gerne täthe, – da heißts gleich für was san den Kuchemaln do. Zu untersuchen was die erwähnten Maln thun ist allerdings nicht mein Fach.

Die hier verschriftete wörtliche Rede einer Pflegerin weist insgesamt ins Bairische (vgl. zur sprachlichen Analyse Schiegg 2015a: 179f.). Mathilde W. ist unzufrieden mit ihrer Situation in der psychiatrischen Anstalt, insbesondere weil sie als frühere Ehefrau eines Ingenieurs in der niedrigsten, dritten Verpflegungsklasse versorgt wird. In dieser befindet sie sich seit 1893, da ihr Mann nach der Scheidung die Kosten für die höhere zweite Klasse nicht mehr aufbringt. Die Ver-

13 Die Herkunft der in Beispiel (6) zitierten Frau ist unbestimmt. Ob Loos daher ein Dialektwort von ihr ist oder die Schreiberin ihren eigenen Heimatdialekt verschriftet, kann nicht geklärt werden.



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schriftung von Dialekt trägt dabei wohl auch zur sozialen Distinktion bei, also zur Abgrenzung von ihrer Umgebung, gegenüber der sie sich erhaben fühlt. Neben Personen des Anstaltskontexts steht besonders die eigene Familie im Zentrum der Patiententexte. So etwa Josepha P.s Ehemann. (9) Schmieds- und Söldnersfrau Josepha P. (Kfb Akte 1629), Brief an Freundin (09.08.1906): Ich hielt mich mit aller Energie tapfer ruhig u hätte lieber brüllen mögen, aber andern Tags als wir zuhause waren u. mein Tyran̄ mein armes Kind mit den Worten, Hurenbanger geh fort oder ich erwürg Dich von mir wegjagte war meine Geduld zu Ende.

Die wörtliche Rede des Ehemanns ist hier eingebettet in eine elaborierte hypotaktische Struktur. Diese tritt sowohl durch die Unterstreichung als auch die Varietätenwahl vom restlichen Text hervor. Auf lexikalischer Ebene fällt das Schimpfwort „Hurenbanger“ auf, mit dem der Ehemann gleichzeitig das Kind und die Mutter beleidigt. Für das Gesprochene typisch sind die zwei Apokopen in „geh“ und „erwürg“. Josepha P. illustriert somit in ihren Ausführungen, „wie arm an Liebe mein Eheleben ist“ (ebd.), und grenzt sich durch die sprachliche Kontrastierung von der Rohheit ihres „Tyran̄ “ ab. Durch Codeswitching erfolgt nicht nur Abgrenzung, sondern auch die Herstellung von Nähe zu Familienangehörigen. So erinnert sich das Dienstmädchen Magdalena R. aus Kempten im Allgäu häufig an ihre „gute verstorbene Schwester Mari“ (24.05.1936; Brief an Verwandte) und lässt diese zweimal auch zu Wort kommen. (10) Dienstmädchen Magdalena R. (Kfb Akte 2950), Brief an Verwandte ([a] 24.05.1936) und Postkarte an Bürgermeister ([b] August 1936): (a) Wie gehts wieder Schwester Mari. Wie oft sagte sie zur Krankenschwester; sowie zum Hochw. Herrn Pfarrer kom̄t die Amelie no net. Ich sagte; hab geschrieben hab telefoniert u. Telegram̄ geschickt alles vergebens. (b) Und itzt sitz i auf Schneppe nauf hat Mari selig gsagt.

Die wörtlichen Redewiedergaben unterscheiden sich sprachlich wieder deutlich vom restlichen Text. Folglich liegt hier Codeswitching vor. In Beispiel (10a) ist diesbezüglich die süddeutsche, gekürzte Form „no“ (‘noch’) sowie das ebenfalls süddeutsche „net“ (‘nicht’) zu erwähnen.14 In Beispiel (10b) verschriftet sie mit dem i in „itzt“ den im Schwäbischen häufig monophthongischen Charakter des Anlauts von jetzt (SBS 5: 94), das oberdeutsche „i“ für ich (vgl. Schiegg 2015b: 80) sowie die eher im Schwäbischen übliche Kurzform „nauf“ (‘hinauf’; vgl. Renn &

14 Vgl. AdA: http://www.atlas-alltagssprache.de/runde-2/f25e/ [24.6.2019].

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König 2006: 98). Ebenfalls erscheint das Lexem „Schneppe“, dessen Bedeutung hier nicht ganz klar ist und bei dem es sich wohl um ein „schnabelartige[s] theil an kleidungsstücken“ (DWB 15: 1317) handelt, auf das sich die Schreiberin hinaufsetzt. Wegen der häufigen thematischen Sprünge in Magdalena R.s Texten sind diese Stellen nur schwer in größere Kontexte einzubetten; die Sehnsucht nach ihrer verstorbenen Schwester kommt durch die im Codeswitching hergestellte verstärkte Nähe jedoch zum Ausdruck, sodass hier auch Ausdrucksfunktion vorliegt. Codeswitching erscheint auch bei der Wiedergabe von Aussagen von Personen, denen die Schreiber weniger nahestehen als Familienmitgliedern bzw. Personen im Anstaltskontext. Magdalena R. etwa zitiert nicht nur ihre Schwester, sondern auch etwas, das zu ihr in einer Apotheke gesagt wurde. (11) Dienstmädchen Magdalena R. (Kfb Akte 2950), Brief an Base und Schwägerin (undatiert, ca. 1923–36): Bin schon einmal in die Apotek hinein u. wollte Geduld kaufen wo unser lb. Vater noch lebte; dan̄ hieß es; Sie habens nim̄er recht ich glaub da ist eine Schraufe los im Kopf ohne Gwind Frl R. [Name gekürzt]. Kon̄ te mir nirgends helfen vor lauter Angst.

Diese Aussage des Apothekers beinhaltet ebenfalls wieder einige gesprochensprachliche Phänomene, wobei das in „Schraufe“ auf das typisch schwäbische sprirantisierte /v/ in diesem Lexem hindeutet (SBS 7.1: Ko 16a). Diese Szene findet sich in ähnlicher, aber kürzerer Form noch in einem weiteren Brief dieser Schreiberin an ihre Bekannten: „bin früher in Apotek; hab sogar Geduld kaufe wölle“ (Juli 1936), was typisch ist für ihren spielerischen, betont humorvollen Schreibstil. Beispiel (11) dient damit wohl weniger dazu, den nicht einmal mit Namen bekannten Apotheker näher zu charakterisieren, sondern eher die Gewitztheit der Schreiberin herauszustellen, sodass dieses Beispiel näher an der Ausdrucksals an der Darstellungsfunktion von Codeswitching liegt. Ähnlich verhält es sich auch bei Ludwig F.s fragmentarisch überliefertem Bericht über seine russische Kriegsgefangenschaft während des 1. Weltkriegs. In diesem findet sich zwar kein innersprachliches, aber gelegentlich Codeswitching ins Russische. (12) Gast- und Landwirt Ludwig F. (Kfb Akte 2087), Bericht über seine Kriegsgefangenschaft (undatiert, vor 1936): (a) In der Mitternacht, war auf einmal ein furchtbares Geschrei losgeprochen, die Russen schrien, ungeheuer allerlei Wildes Durcheinander, sangen u. dan̄ hörten, wir schreien Germansky Wilhelmski morda kagubit u. s. w. Wir verhielten uns selbstverständlich mäußehenstill, dachten wen̄ sie nur uns nicht noch herausholen. (b) Als wir ankamen ging ich zur russischen Sanitäts, aber ich wurde, nachdem er die Verwundung angesehen, welche ganz verschwollen war, abgespeißt mit den Worten, (nitshe wo) macht nix, obwohl ich schwere Schmerzen hatten. (c) Hunger hatten wir rießig, aber ohne Gengi [sic!], sagt Ruski nichts zu machen.



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(d) Nun wurden wir zu einer sehr großen Kaserne geführt […] u. erhielten Essen, […] Nudelsuppe mit Fleisch u Kascha, aus gelber Hirse. (Diese wird gedünstet u. mit Speckfett oder Öhl zubereitet.) (e) Später erzählte mir ein Pleni, wie ihm eine Offiziersdame, durch ihr Zureden, ihm das Leben redettete. (f) Der Leutnant frug mich, wo ich her wäre, worauf ich ihm erwiederte, Germansky, […].

Die in Beispiel (12a) verschrifteten vier Wörter ergeben keinen kompletten Satz, sondern bilden eine Aneinanderreihung von im Kriegskontext häufig gehörten Äußerungen. Bei „Germansky“ handelt es sich um Германский [germanskij] ‘Deutscher’, bei „Wilhelmski morda“ um die zu dieser Zeit womöglich geläufige Beschimpfung Вильгельмская морда [wilgelmskaja morda] ‘[Kaiser] Wilhelms Maul’ und „kagubit“, was wohl für как [kak] (‘wie’) und убить [ubit] (‘töten’) steht und dessen Bedeutung nicht vollständig klar ist, aber durchaus zum Kriegskontext passt.15 Der Wechsel ins Russische dient hier dazu, Authentizität herzustellen, ähnlich wie der Einschub in Beispiel (12b). Dort gibt Ludwig F. die Aussage eines Sanitäters wieder, wobei es sich um russisch ничeго [nitschewo] ‘macht nichts’ handelt, und illustriert damit das Desinteresse dieser Person. Beispiel (12c) ist ein deutscher Satz, in den nur деньги [dengi] (‘Geld’) und русский [russkij] (‘Russe’) eingebettet sind. Dies dient ebenfalls der Stärkung von Authentizität, wohl aber auch der Pejorisierung, da Ruski „besonders [in der] Soldatensprache früher abwertend“16 gebraucht wurde. In den letzten beiden Beispielen geht es Ludwig F. wohl neben der verstärkten Authentizität auch um den Ausdruck von Weltgewandtheit. So erklärt er in (12d) die Zubereitung von Buchweizengrütze (каша [kascha]), verwendet in (12e) ohne weitere metasprachliche Markierung das russische Lexem пленный [plennij] (‘Gefangener’) und zeigt in (12f) durch die Antwort герма́ нский [germanskij] (‘Deutscher’), dass er sich –  zumindest rudimentär – mit einem russischen Leutnant unterhalten kann. Somit kann man auch bei Ludwig F.s Codeswitching ins Russische Übergangsbereiche zwischen Darstellungs- und Ausdrucksfunktion beobachten. Anna K. wird in ihrer Krankengeschichte als „verwirrt und von fixen Ideen geplagt“ (06.04.1853) beschrieben. In ihrem 37-seitigen, tagebuchartigen Text schreibt sie von ihren Gedanken und Erinnerungen, wobei sie häufiger Stimmen zitiert, an die sie sich erinnert oder die sie sich einbildet.

15 Wir danken Anna Kostina (Jerusalem) herzlich für ihre Unterstützung beim Russischen. 16 https://www.duden.de/rechtschreibung/Russki [24.6.2019].

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(13) Spezereihändlerstochter Anna K. (Kfb Akte 2585), Tagebuch (22.04.–01.05.1852): (a) Die Stimme Gottes rief aus der Höhe mir zu: „Du hast gesagt, vom Buche mit den sieben Siegeln, zeige sie!“ (b) […] als Magd Marquard, Wärterinn im Hause da fragte „haben sie gut gschlaf‘n?“ (c) […] daß Badmeister H. [Name gekürzt] stets sagte: „Wenn nur der Musel mal draus wäre,“ (d) Sie suchte dort ein kleines Kind zu ertränken, das in flehenden Tönen rief: O Mutterle nicht!“ (e) „Mutterle“! wie oft höre ich diese kleine Stim̄e aus meinem Jnnern tönen, und ich habe das Wesen, das in meinem Jnnern wohnt so unendlich lieb!

Während die Stimme Gottes ein formelles Dativ-e in „Buche“ ausspricht (Beispiel 13a), finden sich gesprochensprachliche Elemente in den Stimmen einer Magd – synkopiertes und apokopiertes e in „gschlaf‘n“ (13b). Das abwertende „Musel“ (veraltet für ‚Muslime‘) zusammen mit dem generalisierenden Artikel „der“ und den gekürzten, gesprochensprachlichen „mal“ und „draus“ (vgl. Schiegg 2016: 68) legt sie einem Badmeister in den Mund (13c). Bei den Stimmen kleiner Kinder erscheint zweimal das schwäbische Diminutivsuffix -le in „Mutterle“ (13d & 13e; vgl. Renn & König 2006: 93), während sie sonst Mutter schreibt. Die Beispiele zeigen, dass die jeweils gewählten Varianten die Sprecher näher charakterisieren und Codeswitching hier in Darstellungsfunktion eingesetzt wird.

4.3 Inhaltliches Codeswitching II: Ausdrucksfunktion Durch die Wahl bestimmter Sprachformen sagen Schreiber etwas über sich selbst aus. Dies wurde in einigen Beispielen des vorigen Abschnitts bereits deutlich, bei denen oftmals eine Ausdrucksfunktion mit impliziert ist. Codeswitching wird von Patienten aus dem Untersuchungskorpus oft zum Ausdruck von Gefühlen (Beispiele 14 & 15) und zur Verdeutlichung ihres misslichen Gesundheitszustands (Beispiel 16) eingesetzt. Ebenfalls erscheint es bei der Erinnerung an Kindheit und Jugend (Beispiele 17 & 18). Die Schreiber verweisen durch die Wahl bestimmter sprachlicher Varianten auf ihre Herkunft, was etwa bei manchen jüdischen Patienten deutlich wird (Beispiel 19). Patienten psychiatrischer Anstalten stellen sich auch als besonders gewitzt dar (Beispiel 20) und ironisieren ihre eigene Lage (Beispiel 21). Sie konstruieren dabei, u. a. durch den Einsatz von Fremdsprachen, gebildete oder gesunde Identitäten, was von einer Entlassung aus der Anstalt überzeugen soll. Der Ausdruck von Gefühlen in Codeswitching-Passagen findet sich etwa beim Rotgerber Wilhelm N. – Sehnsucht nach einer Geliebten (Beispiel 14) – und auch bei Josepha P. – Angst um ihre Möbel (Beispiel 15).



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(14) Rotgerber Wilhelm N. (Kfb Akte 373), „Episoden aus meinem Leben“ (26.–28.06.1882): […] dachte an m̄eine jeztige Lage – traurig ist’s um mich hehr her, I hab kei Schatzerl mehr, lauter Herzeleid (15) Schmieds- und Söldnersfrau Josepha P. (Kfb Akte 1629), Brief an Freundin (09.08.1906): […] schreibt mir die Wahrheit so bitter sie auch sei, sind meine Möbel gepfändet wen̄ nicht dan̄ soll sie Hr. V. [Nachname gekürzt] Kurhausbesitzer mein Lebens- und Verstandesretter pfänden die Plüschgarnitur den Teppich Tisch u. Schrank Bettlade u. Marmorkastl, dan̄ löse ich es selbst aus. Wen̄ ich daran denke, sprengts mirs Herz.

Beide Stellen sind als Codeswitching zu klassifizieren. In Beispiel (14) verschriftet Wilhelm N. das oberdeutsche „i“ (vgl. Beispiel 10b), gekürztes kei (‘kein’) und die bairische Diminutivendung -erl in „Schatzerl“ (vgl. Beispiel 5). In Beispiel (15) erscheinen zwei Enklisen, von es bei „sprengts“ und von das bei „mirs“. Diese typisch nähesprachlichen Formen erscheinen jeweils an einer Stelle und heben sich vom restlichen Text ab (vgl. Werth 2020). Ihren kritischen Gesundheitszustand verdeutlicht die Privatiere Maria R., indem sie an den Rand ihres Briefs Folgendes schreibt. (16) Privatiere Maria R. (Kfb Akte 994), Brief an Geschwister (28.03.1900): Bald heißts Eli, Eli Lama Sabaktani eau sum nattum est

Hier zitiert die Schreiberin die im Markus- und Matthäus-Evangelium auf Aramäisch überlieferten letzten Worte Jesu.17 Darauf folgen lateinische Wörter, bei denen kein Zusammenhang erkennbar ist und welche die Schreiberin phonetisch aus dem Gedächtnis verschriftet, vermutlich ohne deren genaue Bedeutung zu kennen. Mit den letzten Christusworten bezieht Maria R. die Situation Jesu Christi am Kreuz auf sich selbst und ihren schlechten Gesundheitszustand. Im Brief führt sie dies näher aus: „Den̄ ich fühle schon den Todeskeim Der Geist ist zwar heller aber die Körperkräfte schwinden dahin“. Die Schreiberin stirbt zehn Monate nach Abfassen des Briefs in der psychiatrischen Anstalt. Die auf die Christusworte folgenden lateinischen Wörter ergeben zwar für sich kaum einen Sinn, erscheinen hier wohl aber, um allein durch ihre Präsenz in Form der heiligen Kirchensprache Latein der vorigen Aussage Nachdruck zu verleihen. Manchmal erinnern sich die Schreiber an ihre Kindheit und Jugendzeit und verschriften dabei kleinräumig-dialektale Formen der Heimatregionen, etwa der

17 Mt 27,46: „Und um die neunte Stunde rief Jesus mit lauter Stimme: Eli, Eli, lamma sabacthani? Das ist: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ bzw. Mk 16,34: „[…] Eloi, Eloi, lamma sabacthani […]“ (Allioli 1836: 128 & 173). Die katholische Bibelübersetzung von Allioli war im 19. Jahrhundert weit verbreitet, weshalb auf diese hier Bezug genommen wird.

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Mahlknecht Georg S. bei der Wiedergabe von Gute-Nacht-Wünschen beim Zubettgehen als Kind (Beispiel 17) und der Zimmergeselle Johannes G. bei der Beschreibung seiner Zeit als 15-jähriger Lehrling bei einem strengen Zimmermeister (Beispiel 18). (17) Mahlknecht Georg S. (Kfb Akte 1763), Lebenslauf (1891): […] so bin ich aleinig ohne Licht ins Bett, mit Hände u. Füße die Stiege hinauf, wärend ich, was mir meine Muter gelehrnt hat, gesagt habe, gelobt sei Jesus Christus, u. gut Nacht schlafend gsund wens Gotts will ist, auch solte ich noch meinem heiligen Schutzengel ein Vaterunser beten, was ich nie vernachläßigt habe […] (18) Zimmergeselle Johannes G. (Kfb Akte 1623), Lebenslauf (undatiert, ca. 1874–1905): Warum? ich mußte (Herr Docktor!) gleich mit dem Meister welcher sehr glroß war einstechen das heist mit der Axt zu zweit gegen einanden hauen an einem unbehauenen Baum aso!? ∆ Ja und i bi halt so gloi gwea das i hät köna am Moischtar dur sai Kradal springa und er er hat en firgtaga graua Bart ket Ho! hoi! hau i nau denk, des spielt amaul net schlecht kloi da erschta halba Tag dau ket mer dFreüd vergau aber der hat mi scho so an TSchlauf na kschlaga daß e, be, an Balka na kfala nau hatt er gsait des maul binihalt a - weng zhizeg gwe Bua sduad guat von jung gewohnt alt gotahn! Aber!

Georg S. Wiedergabe von wörtlicher Rede beginnt Standarddeutsch, die Flexionsendung der 2. Person Plural -end in „schlafend“ ist allerdings eine kleinräumige ostschwäbische Variante, die nur in einem etwa 20 Kilometer breiten Streifen westlich des Lechs zwischen Donauwörth und etwas südlich von Augsburg verbreitet ist (SBS 7: 129), wobei Georg S.s Heimatort Höchstädt bei Dillingen in diese Region fällt. Die darauffolgenden, für das Gesprochensprachliche typischen Synkopen in „gsund“ und „Gotts“, die Apokope in „will“ und das enklitische es bei „wens“ stützen die Klassifikation dieser Stelle als Codeswitching (vgl. König, Elspaß & Möller 2015: 169). Die Sprachformen bei Johannes G. aus Riedheim bei Günzburg (Beispiel 18) wurden in Schiegg (2015: 178) diskutiert und insbesondere wegen der Form „gsait“ (‘gesagt’; SBS 5: 115) ebenfalls als sehr kleinräumig verbreitet klassifiziert. In beiden Fällen hat die Erinnerung an die frühere Kinderund Jugendzeit basisdialektale Formen hervorgebracht, und es gelang den Patienten auch, diese zu verschriften. Mit der Wahl bestimmter Varietäten drücken Schreiber ihre Identität aus (vgl. Schendl 2015). Besonders jüdischen Patienten war es in psychiatrischen Anstalten des 19. Jahrhunderts kaum möglich, ihre religiösen und kulturellen Praktiken auszuüben, und sie erfuhren darüber hinaus Ausgrenzung durch die Mitpatienten und das Pflegepersonal (vgl. Vanja 2008). In ihren Briefen berufen sie sich häufig auf ihre jüdische Identität, was sich sprachlich in der Verwendung heb-



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räischstämmiger Jiddismen bzw. des Jüdisch-Deutschen zeigt.18 Hanna A. etwa, Dienstmagd und Metzgerstochter, wird ein paar Tage nach ihrer Aufnahme in die Anstalt Kaufbeuren in ihrer Krankengeschichte auf Grund ihrer vermutlich jüdisch-deutschen Sprache mit einer „Ausländerin“ verglichen und ihre eigene Identitätsproblematik kommt dabei zum Ausdruck (Beispiel 19a). In ihren Briefen erscheinen häufig Bibelbezüge, sie zitiert aus dem Talmud und der Tora und mischt zwischen Kurrentschrift, lateinischer Schrift und hebräischer Kursiva. Beim hier wiedergegebenen Beispiel (19b) integriert sie hebräischstämmige Lexik in einen anklagenden Brief an ihren ehemaligen Dienstherrn Nathan Moses O. (Nachname gekürzt). (19) Dienstmagd Hanna A. (Kfb Akte 1205), Krankengeschichte ([a] 25.09.1863) und Brief an ehemaligen Dienstherrn ([b] undatiert, ca. 1863–64): (a) […] Dies bringt sie alles in einer Ausdrucksweise vor, als wäre sie Ausländerin. Auf die bezügl. Frage: ob sie den̄ nicht deutsch sei? erwiederte sie: „Deutsch, deutsch? ach Gott! englisch, franzosisch, deutsch, u. doch eine Jüdin.“ (b) Ich gebe Ihnen auf, auf Nemunes bei S der Seefer-Thora; ob Sie sich betheuern kön̄ en, daß ich z d im dritten Jahre, wo ich Ihr Haus, als Jungfrau, (oder Psule betrat, wie kön̄ en oder wollen s Sie sich vertheidigen; was wollen Sie eigentlich, mir meinem lieben Kinde thun, geben, Ihre schlechte Fragen am mich im̄er stellen „Ob ich den̄ mit noch Jemanden zu thun gehabt, o, nein, nein lau, felaulau […]

In Beispiel (19b) kann man eine solche Verwendung von Jüdisch-Deutschem erkennen. Dabei handelt es sich zunächst um die Lexeme „Nemunes“ (nemone ‘Bund, Glaube, Religion’; Weinberg 1994: 47) und die „Seefer-Thora“ (sefer tora ‘Torarolle’; Weinberg 1994: 250). Hanna A. verstärkt also ihre Aussage, indem sie sich auf diese religiösen Kontexte beruft. Ebenso charakterisiert sie ihr früheres Ich als eine „Jungfrau“ und gibt dazu das Synonym „Psule“ (besiele ‘Virgo’; Weinberg 1973: 61). Schließlich betont sie ihr „o, nein, nein“, indem sie ebenfalls wieder jüdisch-deutsche Synonyme „lau“ (lau ‘nicht, nein’; Weinberg 1973: 74) und „felaulau“ anbringt, wobei Zweiteres ebenfalls „lau“ als Basis hat, das sie zur Verstärkung redupliziert; das „fe-“ könnte von der Phrase für lau (‘umsonst’) beeinflusst sein. Durch die Einbindung hebräischstämmiger Lexeme stellt die Schreiberin somit einerseits ihre Identität heraus (Ausdrucksfunktion), verstärkt dabei aber auch die Eindrücklichkeit ihres Textes durch die Verwendung der mit ihrem jüdischen Dienstherrn gemeinsamen Varietät, sodass sich gleichzeitig eine Appellfunktion zeigt.

18 Wir danken Lea Schäfer (Düsseldorf) herzlich für ihre Unterstützung bei diesem Abschnitt.

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 Markus Schiegg und Monika Foldenauer

Einige Patienten psychiatrischer Anstalten setzen Codeswitching ein, um bestimmte Identitäten zu konstruieren.19 Sie stellen sich dabei oftmals als besonders gewitzt dar. Ein derartiger Fall wurde bereits bei Magdalena R. (Beispiel 11) behandelt, die an anderer Stelle ihre Gscheitheit explizit anspricht (Beispiel 20). Anderen Personen geht es etwa um ihre Schreibkompetenz (Beispiel 21) oder ihren Erfolg bei Frauen (Beispiel 22). (20) Dienstmädchen Magdalena R. (Kfb Akte 2950), Brief an Marie L. und Senzi H. [Namen gekürzt] (undatiert, ca. 1923–36): Hab ein neues Patent erfunden; will sehen was ich dan̄ für die Prämie bezahlt bekom̄; zugleich ein Mittel z. Zähnereinigen. Weißst i bin gscheit aber wie lang seit der lange Gedankegang aus dem Kopf ist; no muß i weit springa! Heißsts Obacht? Springleni ist auf dem Weg; […] (21) Dienstknecht Georg W. (Kfb Akte 1720), Brief an Cousine (24.07.1886): D Leut haben meine Saiten gespan̄ t; daß man Harfe spilen kon̄ t, in der höchsten Melodi. I kön̄ t schoa an gscheide Brif schreibe aber i mag it (22) Tagelöhner Urban S. (Kfb Akte 2936), Brief an Tochter (29.07.1927): Und am 28. Juli war ich wieder in Kaufbeurer Tänzlfest. da kam ich wieder um 19 20 Uhr nachts nach Hieause und was habe ich Weiberleut geküßt diese müßen heute noh rote Backen und verweinte Augen haben. An so an Kerl kan̄ man doch nicht mehr allene rum laufen laßen.

Alle drei Stellen sind als Codeswitching zu klassifizieren, da sie auf Grund ihrer Nähesprachlichkeit vom restlichen Text hervortreten. Bei Magdalena R. (Beispiel 20) fällt das süddeutsche i auf, ebenso die Synkope in „gscheit“ und das gekürzte „no“ (König & Renn 2007: 52). Die Infinitivendung auf -a in „springa“ ist typisch schwäbisch (König & Renn 2007: 91). Die hier wiedergegebenen Sätze von Georg W. (Beispiel 21) sind eingebettet in eine längere, nähesprachliche Passage, die in Schiegg (2015: 175f.) genauer analysiert wird. Hier belegt Georg W. sowohl auf der sprachlichen als auch auf der metasprachlichen Ebene sein Bewusstsein für sprachliche Variabilität. Urban S. (Beispiel 22) besitzt ebenfalls eine erstaunliche Sprachkompetenz und setzt nähesprachliche Varianten insbesondere zur Bewertung von Textpassagen ein (vgl. Beispiel 5). So charakterisiert er sich selbst hier mit „An so an Kerl“, wobei hier der unbestimmte Artikel im Akk. Sg. Mask.

19 Jacob-Owens (2017: 91) konnte in seiner Studie zu Codeswitching bei friesischen Amerikaauswanderern zeigen, dass in deren Briefen durch den Wechsel zwischen Hochdeutsch, Englisch und der friesischen Varietät Öömrang für Migrationskontexte typische, hybride Identitäten zum Ausdruck gebracht werden.



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(‘einen’) einerseits gekürzt, andererseits mit dem im Bairischen typischen vollvokalischen /a/ als erscheint (SOB 4: 4). Der Einsatz von Fremdsprachen erfolgt bei Psychatriepatienten oftmals unter anderem zur Darstellung ihrer Bildung und der Konstruktion besonders gebildeter, intelligenter und damit auch gesunder Identitäten, die zu Unrecht in der Anstalt eingesperrt sind. Ein solcher Wechsel in Fremdsprachen wurde sowohl in der historischen (Schendl 2015: 239) als auch der gegenwartssprachlichen Forschung als typischer Kontext von Codeswitching beschrieben (vgl. zu élite code-switching Auer 2010: 463). Dieses Muster findet sich bei Schreibern unterschiedlicher sozialer Herkunft, zum Beispiel bei einer Patrizierstochter (Beispiel 23) und einem adeligen Accessisten (Beispiel 24), aber auch bei einem Schneider (Beispiel 25) und einem Tapezierer (vgl. Abschnitt 4.1, Beispiel 4). (23) Patrizierstochter Wilhelmine v. L. (Kfb Akte 519), Notiz ohne Adressat ([a] wohl 1866), Brief an Bruder ([b] wohl 1862), offizieller Brief an Friedrich E. ([c] undatiert, ca. 1859–72), Brief an englische Freundin ([d] 23.12.1852): (a) Theme [‚Thema‘20] La liberté vaut mieux que chaine d‘or [‚Die Freiheit ist besser als eine Kette aus Gold‘] Die Freiheit ist beßer als goldene Ketten d h des Menschen freier Wille gilt ihm mehr als ein Königreich. Wie unglücklich wäre sogar ein König, dem Hände u Füße gebunden das heißt seine Macht gebrochen p. u wie glücklich u. beneidenswerth ist sogar ein Bettler im Vergleich mit dem Sklaven-Leben dieser Anstalten wo man für das theure Geld nicht eimal Kartoffel bekom̄t. (b) […] dieser Ort dient keinesfalls die Ruhe u Klarheit des Geistes – noch die Zufriedenheit des Herzens zu erlangen; sondern au contraire [‚im Gegenteil‘]: − Ich qualificire mich gemäß meiner Fähigkeiten u schwachen Constitution nicht in eine Anstalt (c) […Französisch…] − Möchte Sie gütigst ersuchen per occassion [‚bei Gelegenheit‘] einer ehemals leidend Bekan̄ ten (:mais encore unconnü de toutes pour se recomender en soi meme: [‚aber allen noch zu unbekannt, um sich durch die eigene Person zu empfehlen‘]) − eine Privatwohnug (ou plus moins un chambre solide et propre pour moi [‚oder vielmehr ein ordentliches und sauberes Zimmer für mich‘]) – freundlichst zu bestellen. (d) den̄ ich sehe im̄er mehr ein, how true that sentence is: Vanity of vanityies and all is vanity, baut to love God and to serve hime alone. My dear Miss! pray sometimes for me […Englisch…] (24) Accessist Fritz v. M. (Kfb Akte 102), Brief an Bruder (25.11.1856): Als ich mich 1848 auf mein Examen vorbereitete nahm ich auch einen Repetitor, es ist eigentlich ein solcher inévitable [‚unverzichtbar‘]. Daß der gemeine deutsche Civilprozeß beim Examen gefodert wird, ist nicht zweckmäßig, man braucht ihn nicht im Leben und noch weniger in den Kanzleyen. Er ist eine Antiquität.

20 Hier und im Folgenden Übersetzung der Autoren.

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(25) Schneider Pius G. (Kfb Akte 936), Brief an Gemeindeverwaltung ([a] 03.02.1890), Brief an Assistenzarzt ([b] 10.02.1896): (a) […] dieses elenden Feiglings der nicht ist und nichts war als ein un bênet de mari [‚ein Dummkopf von Ehemann‘]! Ludwig wurde getödtet weil Er kein echter Wittelsbach war (b) […] deßhalb schrieb ich eine Polizei die, die Spitzbuben schützt und einen Ehrenmann gefangen halten läßt! Alors elle est avancée pour une vierge de cul! Que en dites vous Monsieur le Médecin [‚Also ist sie zu einer geilen Jungfrau geworden! Was sagt Ihr dazu, Herr Arzt‘] Gezeichnet Pius G. Aus diesem Schreiben können Sie ersehen, daß ich doch noch etwas besseres bin als Sie!

Bei Wilhelmine v. L. erscheint häufig Codeswitching ins Französische, etwa um mit einem als „Theme“ betitelten Text und einem französischen Sprichwort ihre missliche Lage in Worte zu fassen (Beispiel 23a) oder durch die Verwendung französischer Lexik ihre „Fähigkeiten“ hervorzuheben (Beispiel 23b). Einmal setzt sie diese Bildungssprache in einer Wohnungsanfrage ein (Beispiel 23c), ein anderes Mal schreibt sie den Schluss eines Briefs an eine englische Freundin auf Englisch, wobei sie innerhalb des Satzes Codeswitching betreibt und anschließend zwei Bibelzitate kombiniert (Beispiel 23d).21 Auch Accessist Fritz v. M. streut gelegentlich französische und lateinischstämmige Begriffe ein, um seine Bildung darzustellen, wobei es sich sowohl um direkte Übernahmen aus dem Französischen (z. B. „inévitable“) als auch um an das deutsche Sprachsystem angepasste Entlehnungen (z. B. „Repetitor“ und „Antiquität“) handelt (Beispiel 24). Erstaunlich ist die Fremdsprachenkompetenz des Schneiders Pius G., der mit den Pflegern „English-speak“ (Krankengeschichte, Februar 1891) betrieb und sich in seiner Freizeit mit französischer und englischer Lektüre befasste (Krankengeschichte, 01.12.1892). Französisch verwendet er nur in seinen offiziellen Briefen, wenn er seine Bildung demonstrieren möchte, dabei beispielsweise König Ludwig II als ‘einen Dummkopf von einem Mann’ bezeichnet (Beispiel 25a) und die Adressaten, etwa den Assistenzarzt, in diesem Kontext auch abwertet (Beispiel 25b) (vgl. Schiegg & Sowada 2019: 779). Allein zur Darstellung ihrer Bildung setzen Patienten psychiatrischer Anstalten ihre Fremdsprachen nur selten ein. Bei Fritz v. M. ist dies womöglich der Fall, der sich mit seiner Situation abgefunden hat und sogar Vorteile in ihr erkennen kann: „habe aber mein eignes schönes Zim̄er und beschäftige mich mit Lektüre“ (13.08.1856). In der Regel verstärken Fremdsprachen dagegen Appelle an die Adressaten, meist zur Freilassung, was direkt geäußert (Beispiel 23b) oder auch

21 Der erste Bestandteil stammt aus dem Buch Kohelet 1,2: „[…] vanity of vanities; all is vanity“ (King James Bible: 325), der zweite vermutlich aus Lukas 4,8 bzw. Matthäus 4,10: „[…] Thou shalt worship the Lord thy God, and him only shalt thou serve“ (King James Bible: 458, 489).



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in eine komplexe Argumentation eingebettet sein kann (Beispiel 23a). Durch die Abwertung von Adressaten (Beispiel 25b) oder Dritten (Beispiel 25a) werten die Patienten sich selbst auf und stellen sich damit als ungeeignet für eine Verwahrung in der psychiatrischen Anstalt dar. Ebenso sollen Drohungen (vgl. Beispiel 4) eine Besserung der Situation bzw. Freilassung bewirken. Eine Appellfunktion ist somit bei den meisten Codeswitching-Passagen bereits impliziert, da Briefe immer mit einem bestimmten Ziel an einen Adressaten geschrieben sind (vgl. Abschnitt 3.2). Oftmals ist diese Funktion dominierend und soll eine Emotion oder Handlung beim Adressaten hervorrufen, sodass derartige Fälle der Appellfunktion von Codeswitching zugeordnet werden können.

4.4 Inhaltliches Codeswitching III: Appellfunktion Bei der folgenden Zusammenstellung von Codeswitching-Passagen mit direktem Bezug zum Adressaten (Appellfunktion) besprechen wir zunächst Fälle, in denen die Schreiber emotionale Nähe (vgl. Langer 2013: 90) und Solidarität (vgl. Mäkilähde 2018) mit dem intendierten Empfänger herstellen möchten, wobei es sich oftmals um Liebesbriefe handelt (Beispiele 26–29). Bezüglich der Position im Brief wird Nähe häufig in Anrede und Abschied sowie bei direkter Ansprache hergestellt (Beispiele 26 & 27). Auch die Verschriftung gemeinsamer sprachlicher Repertoires (Beispiele 27 & 28) stellt Nähe her. Aufforderungen etwas zu tun, etwa zu schreiben (Beispiel 29) oder den Patienten zu besuchen und etwas mitzubringen (Beispiel 30), erfolgen ebenfalls teilweise mit nähesprachlicheren Varianten. Solche Appelle können auch indirekt sein (Beispiel 31). Im Anschluss werden Appelle vorgestellt, die distanzierend und auch drohend wirken (Beispiele 32–34). (26) Metzgerstochter Therese H. (Kfb Akte 2169), Briefe an Geliebten ([a & b] 27.04.1870; [c] 09.08.1870): (a) Irrsee den 27 April 1870. Mei liebs herzigs Schatzale! Zumal bin ich wieder in dem so herrlichen schönen Oberlande, bei meinen so lieben Schwaben. (b) Aber gel Du wirst halt Deine alte Liebschaften noch im̄er n bisl im Kopf haben, daß Du nicht froh sein kan̄ st, und deßhalb gar nichts von Dir hören läßt […] (c) […] und weiß Gott was am End für ein großer Herr geworden bist. Ich bin fei stolz Louisl, u. werd eimal flankieren mit Dir u. das nicht wenig […] (27) Arztwitwe Josefine T. (Kfb Akte 3471), Brief an ihren Verlobten (20.09.1908): […] wie es in unserem tägl. Hauptgebet heißt: „Er heilet die Kranken, er stützet die Fallenden, er befreit die Gefesselten, und ist den Wankenden eine Stütze!’ – Also, b’hüat di Gott! Auf Wiedersehen morgen wenn Karl kom̄t! d. treue Josefine

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 Markus Schiegg und Monika Foldenauer

(28) Kaufmann Otto D. (Ham Akte 18626), Brief an Freundin (25.06.1930): Unterm hlg. Christbaum Verlobung, as tu compris? (29) Dienstmagd Therese W. (Kfb Akte 2091), Brief an Geliebten (27.12.1891): Haben Sie mich nah als ihre Gelibte oder als Freundin! Sei so gut und schreibe mir warum Schreibens mir den doch einmal, habens nicht mer’s Gorasch Geliebter aber ich bitte Sie Darum. (30) Tagelöhner Urban S. (Kfb Akte 2936), Brief an Tochter (15.02.1927): Nichts Neues kan̄ ich Dir nicht mitteihlen, als daß was du mir damals ausgeholfen, ich Dir ein schweres Weihnachtsgeschenk hätte zuschicken hätte kön̄ en, jetzts leider schon verkauft. Kan̄ st mehr net a Bröckler Gselchts mitbringer, es braucht net größer sein als wie a Roßzeher Die Fahrt wird dir vergütet […] (31) Fabrikarbeiterin Viktorie B. (Kfb Akte 2853), Brief an Vater & Schwester (23.02.1891): Grüße mir mein Patenkind, ob es schon gehen kan̄ ! Schau’ mir, um eine Schuhß‘ oder Zöttl, Maschine22, um Dein Geld leb i! Und z mei höb i auf! Es grüßt Dich herzlich Deine Dichliebende Schwester Viktorie B.

Die ledige Metzgerstochter Therese H. schreibt mehrere Briefe an ihren Geliebten Louis, wobei sie ihn öfter direkt adressiert, etwa in der Anredezeile (Beispiel 26a) oder auch im Briefkontext (Beispiele 26b & c). Dabei verwendet sie gesprochensprachliche Formen wie zahlreiche Syn- und Apokopen („liebs“, „herzigs“) (vgl. König, Elspaß & Möller 2015: 169), das verkürzte „mei“ ohne auslautendes -n sowie „n“ (‘ein’)23 und die eher im Süden verbreiteten Partikeln „halt“ und „fei“24. Das typisch schwäbische Diminutivsuffix -le verschriftet sie in „Schatzale“, bei „bisl“ und „Louisl“ erscheinen die eher ostoberdeutschen Diminutive.25 Derartige regionale und gesprochensprachliche Varianten treten hier gehäuft in den direkten Ansprachen auf und können damit als Codeswitching klassifiziert werden, auch wenn die Schreiberin dabei noch Einiges an Standardsprache beibehält. Therese H. intendiert damit, Nähe aufzubauen und Louis die „alte[n] Liebschaften“ vergessen zu machen. Die süddeutsche Abschiedsformel „b’hüat di Gott“

22 Bei einer Zöttelmaschine handelt es sich um eine in Spinnereien verwendete Apparatur. 23 Vgl. AdA: http://www.atlas-alltagssprache.de/runde-5/f18a-b/ [25.6.2019]. Diese Kurzform für ein ist großräumig im deutschen Sprachraum verbreitet; im Südosten herrscht dagegen a vor, wie man etwa bei Urban S. aus Ingolstadt erkennen kann (Beispiel 30). 24 Vgl. zu halt AdA: http://www.atlas-alltagssprache.de/halt-eben/ und zu fei AdA: http://www. atlas-alltagssprache.de/runde-3/f05c/ [25.6.2019]. 25 Für ihren Heimatort Dillingen im Ostschwäbischen sind diese Varianten ungewöhnlich (vgl. Renn & König 2006: 92). Womöglich sind diese auf die Zeit zurückzuführen, die sie im bairischen Sprachraum verbracht hat. Vor ihrer Zeit in Kaufbeuren war sie etwa in der Kreisirrenanstalt München.



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der jüdischen Arztwitwe Josefine T. im Brief an ihren vermeintlichen Verlobten imitiert ebenfalls die gesprochene Sprache, insbesondere durch Verschriftung des alten Diphthongs (König, Elspaß & Möller 2015: 147). Ebenso markiert sie eine Synkope durch Apostroph, und bei „di“ zeigt sich die typisch süddeutsche Kürzung von Kleinwörtern auf -ch (König & Renn 2007: 52). Diese Formel steht in deutlichem Kontrast zur biblischen Sprache im Satz zuvor, in dem archaische -et-Endungen in der 3. Person Singular erscheinen („heilet“, „schützet“) (vgl. Schiegg 2016: 70). Wie auch bei der vorigen süddeutschen Abschiedsformel verschriftet der Hamburger Kaufmann Otto D., der an seine „Verehrte Freundin“ schreibt, gemeinsames sprachliches Repertoire, wobei es sich hierbei nicht um Dialekt, sondern um das Französische als Bildungssprache handelt. Er wünscht sich eine Verlobung mit ihr an Heiligabend und wechselt ins Französische, wenn er sie direkt anspricht mit ‘hast du verstanden?’ (vgl. Beispiel 28). Aufforderungen etwas zu tun erfolgen häufig auch in direkten Ansprachen mit Codeswitching. So wünscht sich die ledige Dienstmagd Therese W. in ihrem „Libsbriflein“ (Beispiel 29), dass sich ihr Geliebter Johann wieder bei ihr meldet, wobei sie dies zunächst standarddeutsch mit „schreibe mir“ ausdrückt. Diesen Appell wiederholt sie dann mit der Frage „warum Schreibens mir den doch einmal“. Dabei siezt sie ihn und hängt das Sie enklitisch bei „Schreibens“ an, ebenso wie bei „habens“ und „mer’s“ im darauf folgendem Satz, in dem sie seine „Gorasch“ (‘Courage’)26 herausfordert. Diese Häufung von Enklisen, einmal graphisch mit einem Apostroph markiert, erlaubt es, die Stelle als Codeswitching in ein gesprochensprachlicheres Register zu klassifizieren. Der Einsatz von Codeswitching zur Wiederholung und Verstärkung einer Aussage wurde auch in der gegenwartssprachlichen Codeswitching-Forschung beschrieben (vgl. Gumperz 1982: 78). Der Tagelöhner Urban S. (Beispiel 30) fordert seine Tochter auf, ihm bei einem Besuch ein Stück Rauchfleisch von der Größe einer Rosszehe mitzubringen, wobei er dies besonders nähesprachlich formuliert und etwa für Rauchfleisch das oberdeutsche Lexem „Gselchts“ (DWB 5: 4026) verwendet, ebenso die süddeutschen gekürzten Formen „net“ (‘nicht’)27 und „a“ (‘ein’) (vgl. Fußnote 23). Unbetonte Endsilben sowohl bei Verben als auch Substantiven verschriftet er hier mit -er („mitbringer“, „Bröckler“, „Roßzeher“), was zwar nicht die Lautung seiner Heimatregion um Ingolstadt direkt repräsentiert, sondern womöglich den

26 Dem Lexem Courage wird durch das „s“ in „mer’s“ ein Artikel im Neutrum zugewiesen, was nicht ungewöhnlich ist, da dieses zunächst noch neutrales Genus hatte (Pfeifer 2008: 197). 27 Vgl. AdA: http://www.atlas-alltagssprache.de/runde-2/f25e/ [25.6.2019].

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bei allen drei Formen im dortigen Dialekt auftretenden Vollvokal /a/ von der standarddeutschen Schwa-Endung /ən/ abgrenzen soll.28 Die Fabrikarbeiterin Viktorie B. (Beispiel 31) spricht an einer Stelle im Brief an ihren Vater und ihre Schwester diese direkt an und verschriftet hier zweimal das auffällige süddeutsche „i“ (‘ich’) (vgl. Schiegg 2015b: 80), das sie nur in Codeswitching-Passagen verwendet. Daneben erscheinen hier Apokopen („leb“, „höb“; vgl. König, Elspaß & Möller 2015: 169) und das stark gekürzte, gesprochensprachliche „z mei“ (‘das meinige’). Vermutlich ist diese Aussage sarkastisch gemeint, da sie denkt, dass ihre Schwester die Verpflegungskosten der Anstalt bezahlt, sie selbst aber ihr Geld währenddessen sparen kann.29 Indirekt lässt sich dies damit ebenfalls als Appell zur Abholung aus der Anstalt lesen. An einer anderen Stelle beschimpft Viktorie B. ihre Schwester (Beispiel 32) und stellt damit durch Codeswitching Distanz zu ihr her. Ähnlich distanzierend verhalten sich auch andere Schreiber und wechseln dazu in ein nähesprachliches Register (Beispiele 33 & 34). (32) Fabrikarbeiterin Viktorie B. (Kfb Akte 2853), Brief an Schwester (18.08.1890): Weil Du mich in der höchsten Not verlassen, in die Anstalt und zu den fremden u. Hausleut’ gelaufen u. für mich nicht einmal um Arbeit gefragt oder um eine Zöttl- oder SchußMaschine! Gelt, jetzt hockt’s drin̄ im Elend, Du dum̄e Kuh! Gelt der Sauhund von einem Vater hat verkauft, und die Wohnung gehört Dir, damit Du nicht heiraten sollst! (33) Eisenhändlerswitwe Maria W. (Kfb Akte 355), Brief an Mutter (30.12.1851): Den wen mans bedenkt ein Jahr ist lang und was man halt an Speiß Wasch und vieleicht Bekwemlichkeit des Sorgens wie ich mich später vortbringen wirdte auf sich hatt ist schon vieles den lesens halt den Brief zweimal durch daß sie Ihn recht verstehn (34) Tapezierer Jakob S. (Kfb Akte 908), Brief an die „gefährlichen Aerzte“ (17.08.1893): Ia macht’s nur so fort, Ich werde Euch alle zur Verantwortung ziehen, aber dan kom̄t ihr nicht mehr in die Anstalt, Ihr die ihr froh sein müßt daß ihr das Gnadenbrod von uns armen Wehrlosen zu freßen habt, u. unser bißchen bier das entzogen wird in Eurer tasche stecken kön̄ t. pfui

Viktorie B.s Beschimpfung (Beispiel 32) beginnt mit dem süddeutschen, gesprochensprachlichen Rückversicherungssignal „Gelt“ (Schwitalla 2012: 157)30 und beinhaltet eine direkte Ansprache mit der Beschimpfung „Du dum̄e Kuh“. Es

28 Vgl. SOB (3: 6) zur Infinitivendung, SOB (4: 54) zum Diminutivsuffix und SOB (4: 19) zum Nom. Sg. bei Zehe. 29 Aus der Krankenakte wird allerdings ersichtlich, dass ihr Aufenthalt von der Armenkasse ihrer Heimatstadt Kaufbeuren finanziert wurde. 30 Vgl. AdA: http://www.atlas-alltagssprache.de/runde-2/f19a-b/ [25.6.2019].



Codeswitching bei süddeutschen Schreibern des 19. Jahrhunderts 

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erscheint das gesprochensprachliche, gekürzte „drin̄ “ (‘drinnen’) sowie eine ungewöhnliche enklitische Form „hockt’s“. Der Apostroph soll hier wohl einen Vokalschwund und Mündlichkeit markieren, wobei die Abfolge von t und s eigentlich in umgedrehter Reihenfolge erfolgten müsste bzw. eher in der Mündlichkeit ihres Heimatortes Kaufbeuren ein palatalisiertes s zu erwarten wäre (vgl. SBS 6: 87). Die besonders auffälligen und gehäuften mündlichen Marker erlauben es, diese Stelle als Codeswitching zu klassifizieren. Maria W. aus Kempten richtet an ihre Mutter den Appell, ihren Brief zweimal zu lesen, um ihn besser zu verstehen (Beispiel 33); dieser beinhaltet drei gesprochensprachliche Phänomene. Zunächst erfolgt eine Enklise bei „lesens“, dann die eher oberdeutsch verbreitete Modalpartikel „halt“ (vgl. Fußnote 24) und abschließend noch eine Synkope in „verstehn“. Derartige Formen erscheinen jedoch gelegentlich auch in ihrem restlichen Brief, sodass nur auf Grund der Kookkurrenz dieser Varianten innerhalb eines Satzes diese Stelle noch als Codeswitching bewertet werden kann. Bei Jakob S. (Beispiel 34) liegt erneut eine Drohung vor, wobei er diese mit der Partikel „Ia“ einleitet und anschließend in „macht’s“ die typisch bairische, aber auch in seiner Heimat Augsburg übliche Endung -s der 2. Person Plural verschriftet, die als gesprochensprachlich charakterisiert werden kann (vgl. Schiegg 2019: 185).

5 Diskussion Dieser Beitrag konnte eine große funktionale Bandbreite an Codeswitching-Phänomenen bei süddeutschen, oftmals unroutinierten Schreiberinnen und Schreibern des 19. Jahrhunderts erarbeiten. Wir verfolgten dabei einen weiten Begriff von Codeswitching, nicht nur hinsichtlich des Umfangs, sondern insbesondere auch in Bezug auf die wechselnden Codes. So ist es bei historischen Texten sinnvoll und zur Vermeidung einer Fixierung auf die Standardsprache auch wichtig, sowohl den Wechsel zwischen verschiedenen Sprachen als auch zwischen den Varietäten einer Sprache zu berücksichtigen. Zur Erfassung von historischem Codeswitching innerhalb unterschiedlicher Varietäten des Deutschen wurde eine Methodologie vorgestellt, die strukturelle mit funktionalen Methoden kombiniert. Dabei gehen wir von einer Matrixvarietät aus, die sich von den darin eingebetteten Codeswitching-Passagen strukturell unterscheidet; diese sind ebenfalls funktional erklärbar. Damit können wir Codeswitching von anderen nicht funktionalen, eher zufällig und funktionslos auftretenden Varietätenwechseln abgrenzen (Transfer Interference nach Langer & Havinga 2015: 25). Auch wenn beim Historischen Codeswitching immer wieder Bezug zur breit aufgestellten gegenwartssprachlichen Codeswitching-Forschung hergestellt

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werden kann, bedingt das Medium der Schrift im Generellen und die Textsorte Brief im Speziellen doch eine andere Gewichtung der erscheinenden Phänomene. So ließ sich in unserem Korpus zwar wenig textstrukturierendes, aber vielmehr den Textinhalt beeinflussendes Codeswitching beobachten. Auf Grund der funktionalen Ausrichtung dieses Aufsatzes und der Tatsache, dass Briefe als schriftliche Kommunikationsakte gelten können, schlugen wir eine sprachfunktionale Differenzierung von Codeswitching auf der Basis von Karl Bühlers Grundmodell der Kommunikation vor und kategorisierten inhaltliches Codeswitching hinsichtlich seiner Darstellungs-, Ausdrucks- und Appellfunktion. Dieses Modell impliziert eine Polyfunktionalität der sprachlichen Funktionen, was auch beim Codeswitching in Patientenbriefen beobachtet werden konnte, bei denen jedoch durch die Gerichtetheit der Textsorte Brief auf einen Adressaten hin immer auch eine Appellfunktion mitschwingt bzw. diese oftmals auch dominiert. Anders verhielt es sich in einer vorigen Studie zu autobiographischen Texten von Psychiatriepatienten, einer stärker selbstreflektierenden Textsorte, in die auch häufig Erinnerungen an die Vergangenheit, Lieder und Gedichte eingebettet werden (Schiegg 2016: 72). Bezüglich der einzelnen konkreten Funktionen fanden sich oftmals Parallelen in existierenden Studien zu historischem Codeswitching. Eine davon ist etwa der Einsatz von Codeswitching zur Herausstellung der eigenen Bildung (vgl. Schendl 2015: 239). Die spezifischen Entstehungskontexte der jeweiligen Texte müssen jedoch individuell berücksichtigt werden, sodass – um bei diesem Beispiel zu bleiben – die Darstellung von Bildung in mittelenglischen Romanen des 14. Jahrhunderts in einem ganz anderen Umfeld geschieht als die von ‚einfachen Schreibern‘ in süddeutschen psychiatrischen Anstalten des 19. Jahrhunderts. Diesen geht es meist um weit mehr als die Demonstration von Bildung, sondern Codeswitching wird insbesondere zur Darstellung ihrer psychischen Gesundheit und dem damit einhergehenden Appell zur Entlassung aus der Anstalt eingesetzt. Somit ist mit Nurmi & Pahta (2004: 448f.) zu konstatieren, dass ein volles Verständnis der sozialen und interaktionellen Bedeutungen von Codeswitching nur durch Detailanalysen einzelner Texte als individuelle kommunikative Handlungen zu erreichen ist. Abschließend ist festzuhalten, dass das in diesem Aufsatz beschriebene Codeswitching in Briefen unroutinierter Schreiber in dieser Häufigkeit der bisherigen Forschung, die sich mit vergleichbarem Material beschäftigt hat, nicht bekannt war (vgl. Langer & Havinga 2015: 28). Dieser Befund ist von hoher Relevanz für die historische Soziolinguistik. Denn selbst Personen, denen man in der Schriftlichkeit vorab keine derartige Kompetenz zum funktionalen Einsatz unterschiedlicher Varietäten und Sprachen zusprechen würde – etwa einem Mahlknecht, Rotgerber, Tagelöhner, Dienstmädchen oder einer Fabrikarbeite-



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rin –, kann auf Grund der Verwendung von Codeswitching nicht nur eine ausgeprägte Varietätenkompetenz und ein reflektierendes, sprachliches Bewusstsein attestiert werden, sondern auch die Fähigkeit, dies derart in der Schriftlichkeit umzusetzen, dass wir darin noch heute, aus einem ganz anderen Kontext heraus, Codeswitching erkennen können.

6 Quellen und Literatur 6.1 Quellen Ham = Staatsarchiv Hamburg, Bestand 352-8/7: Staatskrankenhaus Langenhorn, Abl. 1995/02, Patientenakten: 18626 (Otto D.), 19976 (August W. A.). Kfb = Archiv des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren, Patientenakten: 102 (Fritz v. M.), 355 (Maria W.), 373 (Wilhelm N.), 518 (Franz O.), 519 (Wilhelmine v. L.), 908 (Jakob S.), 936 (Pius G.), 994 (Maria R.), 1205 (Hanna A.), 1623 (Johannes G.), 1629 (Josepha P.), 1720 (Georg W.), 1763 (Georg S.), 2087 (Ludwig F.), 2091 (Therese W.), 2169 (Therese H.), 2211 (Josefa M.), 2214 (Katharina B.), 2585 (Anna K.), 2661 (Karl M.), 2853 (Viktorie B.), 2871 (Mathilde W.), 2936 (Urban S.), 2950 (Magdalena R.), 3471 (Josefine T.).

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Stefaniya Ptashnyk

Codeswitching und seine „Geschwister“ Zur Typologie der historischen multilingualen Schreibpraktiken (am Beispiel der Lemberger Zeitungen des 19. Jahrhunderts)

1 Präliminarien und Problemstellung Die heutige Sprachkontaktforschung verfügt über eine Reihe von Begriffen und Termini, welche sich auf verschiedene Phänomene der multilingualen Kommunikationspraktiken beziehen. Diese Terminologie wurde hauptsächlich in den Untersuchungen zur mündlichen multilingualen Interaktion entwickelt. Codeswitching (CS) und Code-Mixing scheinen am weitesten verbreitet zu sein (vgl. Gardner-Chloros 2009: 10f.), daneben finden sich Begriffe wie code shifting, language mixing, language alternation, aber auch polylanguaging, translanguaging u. v. m. Das Phänomen des gegenwartssprachlichen Codeswitchings wurde bislang am ausführlichsten beschrieben (vgl. Auer 1999; 2014; Gardner-Chloros 2009; Myers-Scotton 1997; Poplack 1993), wobei es in der Forschungsliteratur z. T. unterschiedlich definiert worden ist. Haugen (1956), der den Begriff schon sehr früh prägte, hat in erster Linie einen mehrsprachigen Sprecher bzw. eine mehrsprachige Sprecherin im Blick und schreibt: „code-switching […] occurs when a bilingual introduces a completely unassimilated word from another language into his speech“ (Haugen 1956: 40). Poplack (1993: 256) geht bei der Definition von dem Ergebnis des Switchens aus, also einer multilingualen Äußerung, und begreift das CS als “the juxtaposition of sentences or sentence fragments, each of which is internally consistent with the morphological and syntactic (and optionally, phonological) rules of the language of its provenance”. Sie fügt hinzu, dass diese Phänomene auf unterschiedlichen linguistischen Ebenen zu beobachten und zu beschreiben sind. Das Nebeneinander von zwei Sprachen in einer Äußerung ist ausschlaggebend für Romaines Auffassung: „code-switching is usually defined as the use of two languages in one clause or utterance” (Romaine 2005: 53). Etwas enger gefasst ist der Begriff des CS bei Muysken (2000: 1): „code-switching will be reserved for the rapid succession of several languages in a single speech event”, denn „switching” ist seines Erachtens „only an appropriate term Stefaniya Ptashnyk: Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Deutsches Rechtswörterbuch, Tel.: 06221-543465, E-Mail: [email protected]. https://doi.org/10.1515/9783110752793-014

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 Stefaniya Ptashnyk

for the alternational type of mixing” (Muysken 2000: 4). Als Oberbegriff verwendet er hingegen den Terminus code-mixing, um alle Fälle zu beschreiben, „where lexical items and grammatical features from two languages appear in one sentence” (Muysken 2000: 1). In der germanistischen Linguistik hat die Definition des CS von Peter Auer eine weite Verbreitung gefunden: Der Autor versteht darunter solche Fälle, „in which the juxtaposition of two codes (languages) is perceived and interpreted as a locally meaningful event by participants“ (Auer 1999: 310). Im Großen und Ganzen scheint es unter den Forscher*innen (mit Ausnahme Muyskens) keinen großen Dissens zu geben hinsichtlich dessen, was unter dem Codeswitching in der mündlichen Kommunikation zu verstehen ist: Es handelt sich um kommunikative Handlungen, die ein Nebeneinander von zwei oder mehr Sprachen bzw. Codes voraussetzen, welche ein Sprecher oder eine Sprecherin innerhalb einer Äußerung verwendet. Auer (1999) betont zusätzlich noch den funktionalen Aspekt des Codewechsels. Der Begriffsapparat aus der Erforschung der multilingualen Mündlichkeit wurde erfolgreich für Untersuchungen der mehrsprachigen Schriftlichkeit genutzt (Sebba 2012: 1). Dies gilt vor allem für die zeitgenössische Textproduktion in den neuen, aber auch in traditionellen Medien (vgl. beispielsweise Siebenhaar 2006; Androutsopoulos 2013 und Knospe 2014). Aber auch über gemischtsprachige Texte, die die multilingualen Schreibpraktiken der Vergangenheit dokumentieren, gibt es heute eine beachtliche Anzahl von Studien (ausführlicher dazu siehe Einleitung zu diesem Band). Unverkennbar bleibt dennoch die Tatsache, dass das historische CS bislang deutlich seltener beachtet worden ist als das synchrone (vgl. Schendl in diesem Band) und dass gerade in der germanistischen Sprachgeschichte hierzu noch großer Forschungsbedarf besteht – sowohl im Hinblick auf terminologische und definitorische, als auch auf pragmalinguistische und textfunktionale Fragestellungen. In den Arbeiten zur mehrsprachigen Schriftlichkeit ist grundsätzlich die allgemeine Tendenz zu erkennen, dass die meisten germanistischen wie auch anglistischen Forscher*innen nicht nur das CS an sich im Fokus haben, sondern auch damit verwandte Erscheinungen, also die „Geschwister“ des Codeswitchings. So gebraucht Sebba (2012: 1) in seiner Sammelpublikation Language Mixing and Code-Switching in writing den Ausdruck „written mixed language“ als Oberbegriff für alle untersuchten Phänomene. Bei Schendl (in diesem Band) ist von „Sprachmischungen“ die Rede. Auch Stolt (1964) spricht von „Sprachmischungen“, daneben aber auch vom „Sprachwechsel“. Ganslmayer (2016) verwendet „Mischtexte“ als einen allgemeinen Begriff, ferner spricht sie von „Sprachkombinationen“ und „Sprachmischungen“, um das Nebeneinander von Latein und Deutsch



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in den untersuchten Texten zu beschreiben. Bei Glaser (2016) ist die Rede von „language interaction phenomena“ in den Texten von Notker III. Das Bestreben, multilinguale Schreibpraktiken in ihrer Vielfalt zu berücksichtigen und sich nicht von vornherein auf einen einzelnen Typus zu beschränken, hat seine Berechtigung und zeugt m. E. davon, dass Forscher*innen immer noch auf der Suche nach Abgrenzungskriterien sind, um die Reichweite des Terminus Codeswitching für die Analyse der mehrsprachigen Schriftlichkeit der Vergangenheit zu bestimmen und das CS von seinen „Geschwistern“ zu unterscheiden. Betrachtet man die in der germanistischen Forschung formulierten Definitionen des CS in Bezug auf historische Texte, so findet man eine breite Palette vor, die jedoch in ihren Hauptkriterien übereinstimmen und grundsätzlich zu einer weiten Auffassung dieses Phänomens tendieren. So versteht Kämmerer (2006: 16) unter Codeswitching den „Gebrauch von Strukturen aus (mindestens) zwei verschiedenen Sprachen/Varietäten (= Codes) eines Sprechers/Schreibers innerhalb des gleichen Textes“. Dabei behandelt die Autorin verschiedene Arten zwei- und mehrsprachiger Textproduktion, die von Ein-Wort-Einfügungen bis hin zur Alternation von Sprachen in größeren Textsegmenten reichen, sofern diese „Codeumschaltung“ innerhalb des gleichen Textes erfolgt. Vitali (2007), der Latein und romanische Volkssprache untersucht, definiert das Codeswitching „im weitesten Sinn“ als die „wahlweise Verwendung von Elementen zweier Varietäten oder codes (Sprachen, Dialekte, Soziolekte, Stilvarianten usw.)“ (Vitali 2007: 97). Ähnlich ist auch die Begriffsbestimmung von Langer & Havinga (2012: 30): „Broadly speaking, code-switching refers to the use of more than one language or linguistic variety (code) in a given text passage“. Schiegg (2016) betont zudem die funktionale Bedeutung des CS (im Anschluss an Auer 1999) und definiert es als funktional interpretierbaren Wechsel von einer Varietät zur anderen (vgl. Schiegg 2016: 48). Diese Beispiele zeigen eine begriffliche Übereinstimmung mit der bisherigen anglistischen Forschung: Auch Schendl (im vorliegenden Band) definiert das Codeswitching als das Nebeneinander von zwei oder mehr Sprachen innerhalb eines kommunikativen Aktes, wobei der kommunikative Akt mit einem geschriebenen Text oder Textfragment gleichgesetzt werden kann. Manche Forscher*innen heben hervor, dass der Sprachenwechsel intendiert erfolgt und als eine kommunikative Strategie eingesetzt wird: So spricht Kopaczyk (2018) von Codeswitching, “when larger, functionally and textually coherent passages in a different code are inserted, especially for a particular communicative function, for instance for reported speech passages, lists, instructions, formulaic greetings or closing paragraphs” (Kopaczyk 2018: 291–292; vgl. dazu auch Schendl/Wright 2011: 22). Zusammenfassend möchte ich nun einige konstitutiven Merkmale des CS in historischer Schriftlichkeit hervorheben, die in den obigen Ausführungen bereits zur Sprache gekommen sind und die auch meinem Verständnis von CS zugrunde

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liegen. Codeswitching liegt also vor, (1) wenn ein Switch zwischen zwei oder mehreren Sprachen bzw. Varietäten (codes) stattfindet; (2) wenn dieser Codewechsel innerhalb einer (kohärenten) Textpassage bzw. innerhalb eines Textes erfolgt; (3) wenn der gegebene Text von ein und demselben Autor stammt. Im vorliegenden Beitrag möchte ich der Frage nachgehen, ob die Überlegungen, die für mittelalterliche und frühneuzeitliche gemischtsprachige Texte erarbeitet worden sind, sich auf die Schriftlichkeit des 19. Jahrhunderts übertragen lassen. Reichhaltiges Material dafür bieten urbane Zentren Europas (vgl. Nelde 1994: 118–119), und die einst habsburgische Stadt Lemberg (heute: Lviv, Ukraine) stellt in dieser Hinsicht ein interessantes Beispiel dar: Die aus dem Lemberg des 19. Jahrhunderts überlieferten Dokumente erlauben eine systematische Erforschung, welche kommunikativen Praktiken in mehrsprachigen Gesellschaften möglich sind. Die nachfolgende Analyse stützt sich auf Pressetexte, die im Rahmen meiner größeren Studie über das mehrsprachige Lemberg in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts erhoben wurden (vgl. Ptashnyk 2016). Anhand dieser Materialbasis möchte ich erläutern, (a) wie das Nebeneinander von mehreren Sprachen in den geschriebenen Texten des 19. Jahrhunderts funktioniert und (b) wie sich diese multilingualen Phänomene systematisch beschreiben lassen. Zudem möchte ich ergründen, (c) nach welchen Kriterien das historische Codeswitching sich von anderen multilingualen Schreibpraktiken abgrenzen lässt und (d) wie die anderen Formen des multilingualen Schreibens einzuordnen sind.

2 D  ie soziolinguistische Situation im Lemberg des 19. Jahrhunderts, das Untersuchungskorpus und die methodische Vorgehensweise Infolge der ersten Teilung Polens (1772) kam Lemberg zum Habsburgerreich und wurde zur Hauptstadt des Kronlandes Galizien und Lodomerien. Heute in der westlichen Ukraine gelegen und weitgehend monolingual, war diese Stadt über Jahrhunderte hinweg ein multikultureller, multiethnischer und multilingualer Ort (ausführlicher dazu z. B. bei Hrytsak & Susak 2003). Im 19. Jahrhundert dominierten in seiner sprachlichen Vielfalt Polnisch, Ukrainisch (Ruthenisch)1 und

1 Der Begriff Ruthenisch umfasst sowohl instabile Mischsprachen, die ukrainisch-dialektale, kirchenslawische, russische und polnische Elemente aufweisen, als auch die ca. 1820 elaborierte ukrainisch-galizische Schriftsprache (vgl. Fellerer 2005: 1). Im Weiteren verwende ich Ukrai-



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Deutsch; diese waren als landesübliche Sprache in Galizien anerkannt. Darüber hinaus wurden – in schriftlicher und/oder in mündlicher Kommunikation – Jiddisch, Hebräisch, Armenisch, Latein, Kirchenslawisch sowie einige andere Sprachen verwendet (Ptashnyk 2016: 239; vgl. auch Ptashnyk 2010). Aufgrund dieses sprachlichen Nebeneinanders sind im untersuchten Zeitraum vielfältige Formen mehrsprachiger Textproduktion entstanden. Im vorliegenden Beitrag beschränke ich mich auf die Zeitungen aus verschiedenen Jahrgängen des späten 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts mit dem Erscheinungsort Lemberg und zeige die dort dokumentierten mehrsprachigen kommunikativen Praktiken auf, welche ihrerseits über die Modalitäten der mehrsprachigen städtischen Kommunikation Aufschluss geben. Dieses Quellenmaterial ist für die meisten in Lemberg verwendeten Sprachen verfügbar und für die heutige Forschung verhältnismäßig gut zugänglich – teils als Digitalisate, teils als gedruckte Medien in den Bibliotheken Polens, Österreichs und der Ukraine. Als Textkorpus wurden im Rahmen der oben erwähnten Studie fünfzehn Zeitungen in deutscher, ukrainischer und in polnischer Sprache ausgewertet, darunter Die Lemberger Zeitung, Gazeta Lwowska, Tygodnik Lwowski, Dilo, Der Israelit. Im Folgenden gehe ich auf die Frage ein, wie die im ausgewerteten Pressematerial beobachteten mehrsprachigen Schreibpraktiken einzuordnen sind und welche Rolle dabei dem Codeswitching zukommt, um schließlich letzteres – dem Plädoyer von Schendl & Wright (2011: 27) folgend – von anderen Formen des mehrsprachigen Schreibens abzugrenzen.

3 D  ie Bandbreite der mehrsprachigen kommunikativen Praktiken in der Lemberger Presse Die Mechanismen mehrsprachiger Textproduktion in der Lemberger Presse des 19. Jahrhunderts reichen von Morphem- und Ein-Wort-Inserten über Belege, in denen anderssprachige Phrasen und Teilsätze in einen (komplexen) Matrix2-Satz eingefügt werden, bis hin zum Sprachenwechsel an der Satzgrenze, wobei eine

nisch und Ruthenisch synonym für die ukrainische Sprache, die bis 1918 auf dem Territorium der K.-u.-k.-Monarchie gebraucht wurde. 2 Mit den Begriffen „Matrix“ oder „Matrixsprache“ nehme ich keinen Bezug auf das „MatrixLanguage-Frame-Model“ von Myers-Scotton (1997), sondern bezeichne damit lediglich die Hauptsprache, d. h. die dominante Sprache des jeweiligen Zeitungsartikels.

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andere Sprache für ganze Sätze und gar für ganze Textpassagen verwendet wird. Die ersten zwei Gruppen betrachte ich als intrasententielles CS (behandelt im Abschnitt 3.1), die drittgenannte Gruppe inkludiert das intersententielle CS (s. Abschnitt 3.2.) sowie Beispiele für multilinguale Schreibpraktiken, die über die Definition des Codeswitchings hinausreichen.

3.1 Intrasententielles Codeswitching 3.1.1 Minimalinsertion Die wohl einfachste und häufigste Art des mehrsprachigen Schreibens besteht in der Insertion eines fremdsprachigen Lexems in einen Satz. Dieses Verfahren wird in der Codeswitching-Literatur als “minimal insertion“ (Auer 2014: 295) bezeichnet. Eine solche Minimalinsertion liegt im Beleg (1) vor, in dem das deutsche Lexem recht in die polnische Satzmatrix eingefügt wird: (1) (Z Izby sądowej) Panu Cwiklińskiemu widocznie nie było to „recht“ (Gazeta narodowa, Nr. 200 vom 1.9.1875, S. 2) ,(aus der Gerichtskammer) Herrn Cwikliński war es offenbar nicht „recht“‘3

Der Einschub wird durch doppelte Anführungszeichen optisch hervorgehoben; auf diese Weise wird zusätzlich betont, dass es sich um einen „fremden“ Ausdruck handelt. Möglicherweise ist es sogar ein Zitat aus dem Munde des besagten Herrn Cwikliński, denn im Kontext kommen seine Äußerungen immer wieder in Form direkter Rede vor. Auch im Beleg (2) liegt ein deutscher Lexem-Einschub in die polnische Textmatrix vor: (2) w odpowiedzi Pillersdorfa powiedziano, że tylko korespondencye z innemi urzędami po niemiecku prowadzone być mają, kiedy język polski jako język urzędowy (Geschäftssprache) uznano (Dziennik narodowy, Nr. 87 vom 8.07.1848, S. 368) ,in der Antwort Pillersdorfs wurde mitgeteilt, dass nur die Korrespondenz mit anderen Regierungen auf Deutsch geführt werden müssen, da die polnische Sprache als Geschäftssprache (Geschäftssprache) anerkannt worden ist‘

3 Alle Belegübersetzungen stammen von der Beitragsautorin und werden stets in einfachen Anführungszeichen nach dem Originalbeleg angegeben. Durch Fettdruck sind anderssprachige Einfügungen markiert. Die Kursivierung entspricht hingegen der Originalvorlage.



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Das Insert Geschäftssprache ist das deutsche Äquivalent für die polnische Nominalphrase język urzędowy und ein terminus technicus der damaligen Sprachenpolitik. Da die Gesetze zunächst auf Deutsch4 formuliert und in Wien verabschiedet wurden, wird hier der Terminus Geschäftssprache im Originallaut der Gesetzessprache verwendet. Die beiden Insertionsbeispiele haben einige Merkmale gemeinsam: Sie stammen aus der Feder jeweils ein und desselben Schreibers (Artikelautors), und in beiden Fällen erfolgt der Sprachenwechsel zwischen Polnisch und Deutsch innerhalb eines Satzes, also intrasententiell. Formal weisen beide Belege die wichtigsten konstitutiven Merkmale des Codeswitchings auf. Dennoch ist beim näheren Betrachten des Belegs (2) eine Besonderheiten zu erkennen: Mit dem deutschsprachigen Einschub in die polnische Matrix wird hier kein neuer Inhalt transportiert, wie im Beleg (1), sondern dieselbe Information in der deutschen Sprache wiederholt. Das Insert ist ein deutsches Äquivalent des bereits genannten polnischen Begriffes und dient primär der Verständnissicherung. So bekommen die Leser*innen durch das CS ein und dieselbe Information doppelt mitgeteilt, lediglich in zwei verschiedenen Sprachen. Mit Hilfe der Insertion sorgt der Autor für begriffliche Eindeutigkeit, um klarzustellen, um welche rechtlichen Sachverhalte es sich handelt. Solche Doppelung der Information ist beim mündlichen CS selten anzutreffen, in geschriebenen Texten aber durchaus häufig. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob multilinguale Praktiken wie in (2) als CS zu interpretieren sind. In der einschlägigen Forschungsliteratur wurden solche semantischen Aspekte wie die Neuheit bzw. die Doppelung des Inhalts bei der Insertion bisher nicht thematisiert. Meines Erachtens ist es auf jeden Fall sinnvoll, solche Schreibpraktiken als Codeswitching zu betrachten, denn im Übrigen erfüllen Belege wie in (2) alle im Abschnitt 1 genannten Kriterien für das schriftliche CS.

4 Trotz zahlreicher Bemühungen um die Gleichstellung der landesüblichen Sprachen, die besonders um 1848 aufgekommen waren, blieb das Deutsche als Staatssprache der Monarchie bis 1867 in vielen Kommunikationsbereichen dominant. Dies gilt auch für die Lemberger Justiz und Verwaltung. Die Situation in Galizien änderte sich nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich 1867, als der polnischen Sprache eine besondere Stellung als Amtssprache eingeräumt wurde (Marschall von Bieberstein 1993: 249). Eine Ausnahme blieb weiterhin der „Verkehr mit den militärischen Behörden, Ämtern und Gerichten […] außerhalb des Kronlandes“, im Bereich des Finanzwesens und der Post sowie in der Kommunikation mit den „Zentralstellen“ in Wien (Fischel 1910: 179; Nr. 328). Für diese Bereiche sollte nach wie vor, d. h. bis zum Ende der Monarchie, das Deutsche berücksichtigt werden.

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Vergleichbar mit der Minimalinsertion sind ferner mehrsprachige Belege wie in Abb. 1: Der Beleg stammt aus der Zeitung Der Israelit5, dem Organ des jüdischen Vereins „Schomer Israel“ in Lemberg. Im Folgenden wird der Aufruf an die Leserschaft bzw. die Gemeindemitglieder des Vereines zitiert.

Abb. 1: Der Israelit, Nr. 15 vom 23.07.1875, S. 2.

Gegen Ende des Absatzes wird in die deutsche Matrixsprache das hebräische, aus drei Buchstaben bestehende Wort TNK eingefügt, welches für Tanach, die Bezeichnung des jüdischen Bibeltextes steht. Inhaltlich besteht Tanach aus drei Teilen, nämlich aus Tora (für T), Neviim (für N) und Ketuvim (für K), was die Abkürzung TNK erklärt. Dass es sich hierbei um multilinguales Schreiben handelt, wird durch den Schriftwechsel von der Antiqua zur hebräischen Schrift deutlich gekennzeichnet. Die Spezifik dieses Belegs und somit auch der Unterschied zu der vorhin besprochenen Minimalinsertion besteht darin, dass es sich beim eingefügten Wort um einen Werktitel (Buchtitel) und somit um einen Eigennamen handelt. Sind solche Fälle ebenfalls als Codeswitching zu interpretieren? Da auch dieses Problemfeld – Eigennamen im Codeswitching – bisher wenig behandelt worden ist, wird im Abschnitt 7 darauf ausführlicher eingegangen. Unter den multilingualen Schreibpraktiken im analysierten Pressematerial kommt eine verhältnismäßig rare Form von Minimalinsertion vor, bei der die Einschübe noch kleiner sind als die Ein-Wort-Inserte; es handelt sich um MorphemInserte wie im Beleg (3):

5 Die ersten Ausgaben des Blattes wurden auf Jiddisch verfasst, sehr bald wechselte jedoch die Redaktion zur deutschen Publikationssprache, wie aus der zitierten Ausgabe ersichtlich.



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(3) ale skoro tylko tym sposobem koleje w kraju naszym powstać mogły, toż trudno potępiać tych, którzy chcąc kraj w koleje zaopatrzyć, tej drogi koncesyj i gründerstwa jąć się musieli (Gazeta narodowa, Nr. 50 vom 03.03.1875, S. 1) ,da die Eisenbahnen in unserem Land nur auf diese Weise geschaffen werden konnten, ist es schwer, diejenigen zu verurteilen, die, um das Land mit Eisenbahnen zu versorgen, diesen Weg der Konzessionen und des Gründertums einschlagen mussten‘

Das mit Hilfe der deutschen Ableitungsbasis gründer- und des polnischen Suffixes -stwo gebildete Substantiv gründerstwo ist weder für das heutige noch für das historische Polnisch kodifiziert. Im späten 19. Jahrhunderts scheint es aber nicht ungebräuchlich gewesen zu sein: Allein in derselben Zeitungsausgabe kommt es noch einmal auf Seite 3 vor. De Vincenz & Hentschel (2010: s. v. grynder) erwähnen hingegen die an die polnische Phonetik angepassten Ausdrücke grynder sowie grynderstwo und weisen darauf hin, dass diese Germanismen nach 1871 ins Polnische gekommen sind, als man in Deutschland begann, die Spekulation mit inflationären Gründungen von Aktiengesellschaften zu bekämpfen. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind diese Lexeme wieder aus dem aktiven Gebrauch verschwunden und zu Historismen geworden. Im zitierten Beleg (3) scheint ein Grenzfall zwischen dem CS und einer Entlehnung vorzuliegen.6 Man könnte das Insert gründerstwo als ein kurzlebiges Lehnwort aus dem Deutschen betrachten, welches nicht lexikalisiert worden ist. Einige Argumente sprechen jedoch dagegen, beispielsweise die Schreibung des Wortes mit -ü-, einem Buchstaben, der im polnischen Alphabet gar nicht existiert. In der zitierten Form ist das Wort weder an die polnische Phonetik noch an die polnische Orthographie angepasst und deshalb ist es als ein fremdsprachliches Element zu betrachten. Entsprechend tendiere ich dazu, gründer- im vorliegenden Beleg als ein deutsches Insert in die polnische

6 Hinsichtlich der Diskussion über das Verhältnis von Codeswitching und Entlehnung (borrowing) und der problematischen Grenzziehung zwischen diesen Begriffen verweise ich auf Gardner-Cloros (2009: 12 und 30-32) sowie Auer & Eastman (2010: 86). Die Forscherinnen und Forscher*innen betonen zu Recht, dass bei der Abgrenzung der beiden Begriffe die diachrone Dimension wichtig ist, zumal das Ein-Wort-CS als ein Weg des Entlehnens gilt. In manchen CSStudien (vgl. etwa Poplack 2005: 2063) gilt als zentrales Charakteristikum der lexikalisierten Entlehnungen, dass sie die morphologischen und die syntaktischen Merkmale der Zielsprache annehmen. Meines Erachtens soll bei der Abgrenzung von CS gegenüber Entlehnung die phonematisch-orthographische Integration bzw. Assimilation berücksichtigt werden. Dies ist besonders relevant für historische Untersuchungen zu Kontaktsprachen, die unterschiedliche Alphabete und Schriftsysteme verwenden, denn das Alternieren der Schriften hebt das Switchen zwischen zwei oder mehreren Sprachen zusätzlich hervor und signalisiert die mehrsprachige Kompetenz des Schreibers; vgl. dazu auch Angermeyer (2012: 255–256).

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Matrixsprache und somit als Codeswitching zu interpretieren. Vergleichbare Phänomene erwähnt Kopaczyk (2018: 277–288) in Bezug auf das historische CS mit Polnisch und Latein. Bei stark flektierten Sprachen wie den slawischen scheinen Switches auf der morphematischen Ebene keine Einzelfälle zu sein.

3.1.2 Mehrgliedrige intrasententielle Inserte Das ausgewertete Pressekorpus liefert reiches Material für intrasententielle Mehrwort-Einschübe von unterschiedlicher Länge. Das erste Beispiel dafür stammt aus der ukrainischen Zeitung Dilo (Діло); vgl. Abb. 2 sowie die unten angeführte deutsche Übersetzung (4): Das Codeswitching erfolgt durch intrasententielle Insertion einer polnischen mehrgliedrigen Phrase (in der Abb. durch Unterstreichung markiert) in die ukrainische Textmatrix.

Abb. 2: Dilo, Nr. 42 vom 31.5 (12.6) 1880, S. 4. (4) ,Die Sache steht außer Zweifel, dass die Schule nun zur Arena der polnischen Politik geworden ist, und zwar in dem Ausmaß, dass nicht nur solche Fächer wir Polnisch, Weltgeschichte und Geografie als passendes Feld für die Einimpfung der patriotischen Gefühle dienen, sondern gar die klassische Philologie dafür genutzt wird, diesen oder jenen polnischen Ritter als polnischen Achilles zu bezeichnen‘ (Dilo, Nr. 42, 31. Mai (12. Juni) 1880, S. 4)

Der zitierte Zeitungstext diskutiert die damalige Lage von Schulen und Gymnasien in Galizien, und der Autor stellt kritisch fest, dass Bildungseinrichtungen zu national-politischen Kampfplätzen geworden sind, sodass gar Schulfächer wie die klassische Philologie für die Verbreitung des polnischen Patriotismus



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genutzt werden. In Anbetracht der Thematik ist es nicht zufällig, dass eine polnische Phrase eingefügt wird. Dadurch betont der Autor seine kritische Haltung gegenüber der zunehmenden Polonisierung des Schulwesens. Dieses Beispiel ist in inhaltlicher Hinsicht sehr interessant, denn das Codeswitching kann hier als Signal für die Thematisierung des zeitgenössischen Sprachkonflikts interpretiert werden. Das nächste Beispiel für mehrgliedrige Insertion stammt aus der Rubrik „Vermischte Nachrichten“ der bereits zitierten Zeitung Der Israelit: Es handelt sich um einen hebräischen Einschub in die deutschsprachige Textmatrix; vgl. Abb. 3 und die Übersetzung unter (5).

Abb. 3: Der Israelit, Nr. 17 vom 3.9.1875, S. 2. (5) die ernsten Tage die jamim nora‘im (Der Israelit, Nr. 17, 3.09.1875, S. 2) ,die ernsten Tage die furchtbaren Tage‘

Die hebräische Wortverbindung jamim nora’im (transliteriert) bedeutet so viel wie ,die furchtbaren Tage’, aber auch ,Tage der Ehrfurcht‘. Genau genommen ist darunter die Zeit unmittelbar vor Jom Kippur gemeint. In der jüdischen Religionskultur sind es die zehn Bußtage vor dem Tag der Versöhnung. Der Autor des Beitrags verwendet den Einschub dafür, seine Leserschaft in der Heiligen Sprache ihres Volkes bzw. in der Gelehrtensprache anzusprechen, welche für die Identität der Vereinsmitglieder sehr wichtig ist. Zudem stellt er durch die Verwendung des Fachbegriffes die Bezugnahme auf das jüdische Fest sicher; der bloßen Umschreibung als die furchtbaren Tage würde diese Eindeutigkeit hingegen fehlen. Der nächste Beleg (6) bzw. Abb. 4 (Unterstreichung von S.P.) zeigt, dass beim intrasententiellen CS in einen Matrixsatz sogar ein ganzer anderssprachiger Satz eingefügt werden kann:

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Abb. 4: Dziennik narodowy, Nr. 64 vom 8.06. 1848, S. 1. (6) ,in deutschen Zeitungen […] schreien jetzt die uns feindlichen und hasserfüllten Stimmen, dass in Galizien unter den Polen andauernd der Ruf „Tod den Deutschen!“ zu hören ist, gerade dann, wenn ein edelmütiger Teil der Deutschen ihr Leben und Eigentum für unsere Freiheit hingeben wollen‘ (Dziennik narodowy, Nr. 64 vom 8. Juni 1848, S. 1)

Das polnisch-deutsche Codeswitching kommt zustande, indem ein elliptischer deutscher Satz in einen polnischen Matrixsatz eigeschoben wird. Der Einschub „Tod den Deutschen!“ ist ein Zitat, das wohl aus einer deutschen Zeitung stammt. Der gesamte Artikel ist im Zusammenhang mit dem deutsch-polnischen Konflikt zu lesen. Der Autor des Beitrags versucht, dem plakativ-propagandistischen Schüren der interethnischen Antagonismen entgegenzuwirken. Ferner ist hier zu erwähnen, dass das CS typographisch durch Kursivierung des deutschsprachigen Insertes sowie durch Anführungszeichen hervorgehoben wird. An den mehrsprachigen Schreibpraktiken haben im untersuchten Material nicht nur die für Galizien landesüblichen Sprachen Polnisch, Deutsch und Ukrainisch Anteil, sondern auch Bildungssprachen wie Französisch, Hebräisch oder Latein; für Letzteres vgl. den nachfolgenden Beleg: (7) Nie dowiedli jej ci, co na zjeździe sławiańskim w Pradze jakieś pacta conventa na własną rękę zawierali z wysłannikami świętojurskimi; bo świętojurczanie żądali pokoju jak po wygranej bitwie (Dziennik narodowy, Nr. 93 vom 15.07.1848, S. 1) ,Sie haben ihr nicht bewiesen, dass sie auf dem slawischen Kongreß in Prag auf eigene Faust eine Vereinbarung mit den Gesandten der Hl. Georg-Gruppe7 vorhatten; denn die Mitglieder der Hl. Georg-Gruppe forderten Frieden wie nach einer gewonnenen Schlacht‘

7 Die Hl. Georg-Gruppe (poln. Świętojurczanie und ukr. cвятоюрці) war eine antipolnisch ge-



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Das Thema des zitierten Textes sind Verhandlungen auf dem slawischen Kongress in Prag im Jahre 1848, auf dem die Völker der Monarchie mehr Rechte für ihre Nationalitäten einforderten. Bei den erwähnten Hl. Georgiern („świętojurczanie“, in der polnischen historischen Literatur auch świętojurcy) handelt es sich um den politisch aktiven Verband galizischer Ruthenen. Der lateinische Einschub pacta conventa (im Druck zusätzlich durch die Kursivschrift hervorgehoben) ist ein terminus technicus der politischen bzw. der juristischen Domäne. Da in jener Zeit das Lateinische als Sprache amtlicher Angelegenheiten durchaus verbreitet war, kann vorausgesetzt werden, dass ein solcher Terminus einer gebildeten Person verständlich war und ohne weiteres in einem Zeitungsartikel eingesetzt werden konnte.

3.2 Sprachenwechsel an der Satzgrenze Zu den mehrsprachigen Schreibpraktiken, bei denen der Wechsel von einer Kontaktsprache zur anderen an der Satzgrenze erfolgt, gehört das intersententielle Codeswitching wie im Beleg (8) bzw. Abb. 5: (8) Przedmiotem operacyi dyplomatycznej polityków naszych było tą razą ks. Szcaszkiewicz i profesor Prokopczyc; i bardzo stosownie: „fiat experimentum in corpore vili“ (Dziennik narodowy, Nr. 93 vom 15.07.1848, S. 1) ,Das Thema der diplomatischen Operation unserer Politiker waren diesmal der Pfarrer Szcaszkiewicz und Professor Prokopczyc; und sehr treffend: „Es geschehe ein Experiment am wertlosen Körper“‘

Die in den polnischen Text eingebettete lateinische Formel „fiat experimentum in corpore vili“ ist ein geflügeltes Wort, das im Zusammenhang mit den medizinischen Versuchen der Vergangenheit gebräuchlich war, als nämlich dafür Leichen von Obdachlosen, minderbemittelten Personen etc. verwendet wurden. Die Redeweise vom „Experiment am wertlosen Körper“ wird im zitierten Artikel auf den politischen Bereich übertragen. Auch hier ist der Einschub nicht nur kursiviert, sondern in Anführungszeichen gesetzt worden. Auf diese Weise wird zum einen das CS typographisch markiert und zum anderen wird die übertragene Lesart dieses Satzes zusätzlich betont.

sinnte Strömung in der nationalen Bewegung der Galizischen Ukrainer um 1850. Die Gruppe formierte sich um die griechisch-katholische Geistlichkeit, die – mit dem Erzbischof an der Spitze – ihren Sitz in der Hl. Georg-Kathedrale hatte, gelegen auf dem Hügel des Hl. Georg in Lemberg.

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Das nächste Beispiel (Abb. 5) enthält ein deutsch-hebräisches Codeswitching an der Satzgrenze. In die deutsche Textmatrix ist ein hebräisches alttestamentarisches Zitat eingefügt, dessen Bedeutung gleich im nachfolgenden Satz auf Deutsch paraphrasiert wird: „Erschallt denn je der Schofer8, ohne dass das Volk erschrickt?“ Ähnlich wie im Beleg (2) wird auch hier ein und derselbe Inhalt in zwei Sprachen hintereinander transportiert – zunächst auf Hebräisch, d. h. in der Originalsprache des Alten Testaments, und dann auf Deutsch, d. h. in der Hauptsprache der Zeitung. Diese Strategie dient aber weniger der Verständnissicherung, denn bei den Lesern des Blattes werden Kenntnisse der hebräischen Sprache sowie der Heiligen Schrift vorausgesetzt. M. E. ist hier die Insertion des Originalzitats vielmehr als stilistisches Mittel zu sehen.

Abb. 5: Der Israelit, Nr. 17 vom 3.09.1875, S. 2.

Das erhobene Korpus enthält zahlreiche Belege für das intersententielle Codeswitching, in denen der Sprachenwechsel mit dem Sprecherwechsel einhergeht:

Abb. 6: Kuryjer Lwowski, Nr. 13 vom 17.08.1848, S. 51.

8 Der Schofar oder das Schofarhorn bezeichnet ein Blasinstrument aus dem Horn eines Widders und dient rituellen Zwecken in der jüdischen Religion.



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(9) ,Geständnis eines Gefangenen: Ich habe niemanden unglücklich gemacht, ich habe nicht gestohlen, nicht getötet, keinen Brand gestiftet, euch erkenne ich nicht als rechtmäßige Richter, und was wollt ihr von mir? Wofür verhaftet ihr mich? Umso mehr, als dass ich Seine Majestät den König sehr schätze. - Richter: Hören Sie, er ist ein Freigeist, ein Republikaner! – fort mit ihm! – Dann schwätz‘ hier mit ihnen, der Teufel will das seine und das Weib das seine‘ (Kuryjer Lwowski, Nr. 13 vom 17.08.1848, S. 51)

In der angeführten Textpassage wird zunächst die Rede eines Gefangenen wiedergegeben, der auf Polnisch spricht, der Richter reagiert dann auf Deutsch, und im anschließenden Kommentar wechselt derselbe Richter wieder zur polnischen Sprache, die auch die Hauptsprache des Beitrags ist. Auf diese Art und Weise wird die mehrsprachige Situation vor Gericht nachgezeichnet, die sicherlich typisch für galizische Gerichtssitzungen der damaligen Zeit war. Dadurch wirkt die Schilderung wirklichkeitsnah und authentisch. Vor dem Hintergrund der Revolutionsbewegung in Galizien um 1848 ist der Text folgendermaßen zu interpretieren: Der polnische Gefangene ist aus politischen Gründen verhaftet worden, deshalb wird er vom deutschsprachigen Richter als „Freigeist“ bezeichnet. Letzterer ist ein Vertreter des österreichischen Beamtentums und spricht entsprechend die Sprache des Staates. Das Wechseln von einer Sprache zur anderen unterstreicht das klischeehafte zeitgenössische Rollenverständnis in der Lemberger Gesellschaft aus der Perspektive eines polnischen Autors. Nun stellt sich berechtigterweise die Frage, ob Beispiele wie (9) noch die Kriterien einer CS-Definition erfüllen. Während der Richter innerhalb seiner Worte die Sprache wechselt, bleibt der Gefangene bei einem Code. Der Wechsel von Deutsch zu Polnisch innerhalb der Rede des Richters ist zweifelsohne als CS einzustufen. Lässt sich aber auch der Übergang von den Worten des Gefangenen zu der Äußerung des Richters als CS interpretieren oder nicht? Dagegen spräche die Tatsache, dass wir es mit dem Richter und dem Gefangenen im Grunde genommen mit zwei Sprechern zu tun haben. Betrachtet man die Passage jedoch als einen Text, der aus der Feder eines Journalisten von Kuryer Lwowski stammt, so haben wir es mit nur einem Urheber zu tun, der diese zwei Figuren und das Gespräch zwischen ihnen stilisiert. Aus dieser Perspektive betrachtet, liegt hier meines Erachtens ein Beispiel für Codeswitching vor. In diesem Fall wird CS sowohl als ein Inszenierungsmittel als auch als Technik der Authentizitätsvermittlung und zugleich der Typisierung der auftretenden Protagonisten verwendet.9 Im nächsten Beispiel aus dem Blatt Dziennik Narodowy geht das intersententielle CS mit der Wiedergabe fremder Rede einher – eine ebenfalls verbreitete

9 Ähnliche Beispiele für das mit der Redewiedergabe zusammenhängende CS in der mündlichen Kommunikation schildert Günthner (2002: 66–68).

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Funktion des Sprachenwechsels in meinem Belegkorpus. Im Text in der Abb. 7 findet der Wechsel zwischen Polnisch und Ukrainisch statt; vgl. die deutsche Übersetzung in (10):

Abb. 7: Dziennik narodowy, Nr. 127 vom 25.08.1848, S. 1. (10) ,Vor seiner Abreise nach Wien empfahl Lewicki als Abgeordneter vom Kreis Złoczowski allen Pfarrern, Unterschriften der Dorf- und Stadtbewohner für die Abspaltung des ruthenischen Guberniums zu sammeln, dessen Hauptstadt Lemberg sein soll. Als den Dörflern durch diesen Schritt etwas klarer in den Köpfen wurde, worum es geht, zeigten sie ihre deutliche Abscheu. „Wozu brauchen wir das“, lautet die allgemeine Stimme der zweitausendköpfigen Gemeinde in Remizowiec und in Szpiklos: „Uns ist es egal, ob das Gubernium polnisch oder ruthenisch sein wird. Hat denn jemand jemals in der Welt von der Existenz eines Bauernguberniums gehört? Es soll bleiben, wie es war; eine solche Veränderung nehmen wir nicht an.“ In kleinen Städten ist es mit den Unterschriften besser verlaufen. Zum Glück der griechisch-katholischen Pfarrhäuser in Pomorze hat man angeblich 50 Unterschriften sammeln können‘ (Dziennik narodowy, Nr. 127 vom 25.08.1848, S. 1)

Der polnische Zeitungsartikel thematisiert politische Bemühungen ukrainischer Abgeordneter (hier wird stellvertretend Lewicki genannt), das ukrainische Ostgalizien von dem polnischen Westgalizien abzutrennen, um auf diese Weise mehr politische Rechte für die ukrainische Bevölkerung im Kronland zu erreichen. Dzien­nik narodowy zitiert die vermeintlichen Aussagen der ruthenischen Bauern aus dem Kreis Złoczów, die in dieser politischen Aktion angeblich ihre Unterschriften verweigern; bei der Wiedergabe fremder Rede wechselt der Autor vom Polnischen ins Ukrainische. Die eingebettete ukrainische Textpassage trägt deutliche Spuren der gesprochenen lokalen bäuerlichen Varietät des Ukrainischen. Interessant an dieser Stelle ist die Tatsache, dass dabei kein Schriftwechsel zum Kyrillischen stattfindet, was beim Wechsel zum Ukrainischen zu erwarten wäre, sondern die Transliteration mit lateinischen Buchstaben (Antiqua). Ähnliche Bei-



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spiele des CS mit Verwendung der lateinischen Transliteration fürs Ukrainische finden sich übrigens immer wieder in der polnischen Presse Lembergs, so zum Beispiel in Dziennik narodowy vom 8. Juli 1848. Im Unterschied zu den vorher angeführten Belegen umfasst hier das Insert nicht nur einen, sondern mehrere anderssprachige Sätze. Somit stellt sich auch hier die schon zuvor aufgeworfene Frage: Wie lang oder umfangreich darf eine Textpassage sein, die in einer fremden (von der Matrixsprache abweichenden) Sprache eingefügt wird, um noch dem schriftlichen (intersententiellen) CS zugeordnet zu werden? Meines Erachtens ist die Quantität nicht zwangsläufig ein ausschlaggebendes Kriterium, deshalb sollten Fälle wie (10) als Codeswitching klassifiziert werden. Auch bei der Definition des schriftlichen Codeswitchings ist zu berücksichtigen, dass intersententielle Inserte mehr als nur eine Phrase oder nur einen Satz umfassen dürfen. Ein weiterer Beleg, den wir im Zusammenhang mit der Frage nach dem Umfang fremdsprachlicher Inserte und damit zusammenhängend nach der Reichweite des Begriffes Codeswitching betrachten wollen, stammt wiederum aus dem polnischen Blatt Dziennik narodowy: Der Artikel ist im Kontext des zeitgenössischen Nationalitätenkonfliktes zu interpretieren. Konkret geht es hier um die kritische Haltung des Blattes gegenüber der Politik Franz Graf Stadions, des Gouverneurs von Galizien, der – so das Leitmotiv des Beitrags – die politischen Aktivitäten galizischer Ruthenen zu Ungunsten der Polen förderte. Der Autor schließt seine Ausführungen mit dem Satz: „Oto dowód owych niegdyś stadionowskich faworów“ ,Das ist der Beweis der einstigen Vorlieben Stadions‘ (Dziennik narodowy, Nr. 93 vom 15. Juli 1848, S. 1) und weist damit darauf hin, Stadion hätte die politischen Aktivitäten der Ukrainer unterstützt und ihnen zur Gründung des „Ruthenischen Hauptrates“10 in Lemberg verholfen. Direkt danach wird das Zirkular des Oberpostverwalters an das k. k. Postamt N. N. vom 15. Mai 1848 abgedruckt, aus welchem deutlich hervorgeht, dass das Erscheinen des Presse­ organs des „Ruthenischen Hauptrates“ Zoria Halyc’ka (poln. Zorza Halicka; dt. Halitscher Stern) auf staatlicher Ebene unterstützt wird. Das Zirkular ist in

10 Der Ruthenische Hauptrat (Holovna Rus’ka Rada), die erste politische Organisation der galizischen Ruthenen, wurde am 2. Mai 1848 gegründet. Der Ruthenische Hauptrat erklärte seine Loyalität gegenüber der Wiener Regierung, und seine wichtigsten politischen Bestrebungen galten der Gleichstellung der ukrainischen Sprache mit anderen (etwa der polnischen) landesüblichen Sprachen in Galizien sowie den besseren Ausbildungsmöglichkeiten für galizische Ruthenen. Unter anderem waren die Bemühungen des Ruthenischen Hauptrates darauf gerichtet, den Einfluss des polnisch gesinnten nationalen Adels und Großbürgertums einzuschränken (Judson 2017: 240).

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deutscher Sprache abgedruckt worden, d. h. in seinem Originallaut, wie es auch ausgegeben worden war (vgl. Abb. 8). Der vorliegende Artikel ist insofern mehrsprachig gestaltet, als dass in den polnischen Artikel ein längerer deutscher Baustein, d. h. ein deutscher Rechtsakt eingefügt worden ist. Ob solche Belege ebenfalls als CS zu interpretieren sind? Meines Erachtens liegt hier eine multilinguale Schreibpraktik vor, die nicht als Codeswitching aufzufassen ist: Zum einen ist das Insert nicht nur eine längere Passage, sondern ein eigenständiger Text. Zum anderen ist die Autorschaft des eingefügten Zirkulars definitiv eine andere, als die des Artikels.

Abb. 8: Dziennik narodowy, Nr. 93 vom 15.07.1848, S. 1.



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4 Codeswitching versus Sprachmischungen Als nächstes möchte ich die Frage nach den so genannten Sprachmischungen aufgreifen und deren Verhältnis zum Codeswitching beleuchten. Darunter verstehe ich Phänomene, die Auer (1999) als language mixing bezeichnet und denen eine starke lexikalische und morphosyntaktische Verflechtung von Kontaktsprachen in konkreten Sprechakten zugrunde liegt. Als Beispiel dafür soll ein Dialog aus der polnischen Zeitung Kuryjer Lwowski, der eine karikierende Illustration begleitet (s. Abb. 9). Die Protagonisten dieses Dialogs, Herr von Kurzweil und Herr von

Abb. 9: Kuryjer Lwowski, Nr. 24 vom 24.09.1848, S. 96.

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Stroppel, spielen auf die gleichnamigen realen Personen an, nämlich den Lemberger Magistratsbeamten Stroppel und den Schuhmacher Kurzweil. Die beiden Herren waren zu ihrer Zeit als Polenhasser bekannt und beide wurden im Juli 1848 wegen antipolnischer Äußerungen und wegen Unruhestiftung in Lemberg verhaftet. (11) Reakcja Lwowska! (Miejsce działania w rynku przed domem Andreolego) Guten Morgen, Herr von Kurzweil. – Süssen Morgen, Herr von Stroppel, ich bitte eine Prise. – Ich dank, ich dank. No jak się mają bratrze? – Kiepsko, szlecht – fucz! – Oho! Warum nicht gar? – Ja, ja, die Polen! die Polen! – Tylko kuraż, mein Freund, kuraż! – Ba kuraż, kiedy niéma Policej, to niéma i kuraż! – Jeszcze Niemcy niezginęli, kiedy Stropel żyje. Za vierzehn Tag będzie Polaki fucz! – Wie? he? was? Waren Sie bei Stadjon? Was sagt er, będzie pif, paf, puf? – Ja! pif, paf, puf und kanony: bum! bum! bum! alles muss auf einander purzeln. – Aber, aber, die Polen, te biją jak djabły, Akademie, Gwardja, Handwerker; mein Gott! mein Gott! 10,000 Mann! – Bagatell! Kartätschen, Kartätschen hinein, bum! tra ta ta! – Still, pst! Unsere Kartätschen sind schlecht und die polnischen Barrikaden gut. – Chłopcy z boku: Aha, to Stropel i Kurzweil, zróbmy im kocią muzykę: miau, waz, pif, hau, bum, to Szwarzgelbery! – Hören Sie, te przeklęte lajdaki już są tu; adjeu, adjeu. Herr von Stropel. – Ich laufe zum Herrn Stadjon. – Auf’s Wiedersehen. – Na szubienicy! (Kuryjer Lwowski, Nr. 24 vom 24.09.1848, S. 96)

,Die Lemberger Reaktion (Ort der Handlung am Markplatz vor dem Andreolli-Haus11) Guten Morgen, Herr von Kurzweil. – Süssen Morgen, Herr von Stroppel, ich bitte eine Prise. – Ich dank, ich dank. Nun, wie geht es den Brüdern? – Schlimm – schlecht – pfutsch. – Ach! Warum nicht gar? – Ja, ja die Polen, die Polen! – Nur Mut. Mein Freund, Mut! – Ha, Mut, wenn es keine Polizei gibt, dann gibt es auch keinen Mut. – Noch sind die Deutschen nicht verloren, solange Stropel lebt. In vierzehn Tagen werden die Polen pfutsch sein – Wie? He? Was? Waren Sie bei Stadion? Was sagt er, wird es piff, paff, puff geben? – Ja! piff, paff, puff und die Kanonen – bum, bum, bum! alles muss aufeinander purzeln – Aber, aber die Polen, sie schlagen wie Teufel, die Akademie, die Garde, die Handwerker; mein Gott! Mein Gott! 10.000 Mann – Bagatelle! Kartätschen, Kartätschen hinein, bum! tra ta ta! – Still, pst! Unsere Kartätschen sind schlecht und die polnischen Barrikaden gut. – Die Buben von der Seite: Ach, das sind Stropel und Kurzweil, wir machen Katzenmusik für sie: miau, waz, pif, hau, bum, das sind die Schwarz-Gelben! – Hören Sie, diese verdammten Schurken sind bereits hier; adjeu, adjeu. Herr von Stropel. – Ich laufe zum Herrn Stadion. – Auf Wiedersehen! – Am Galgen!‘

Im angeführten Dialog kombinieren die Protagonisten polnische und deutsche lexikalische und morphosyntaktische Mittel miteinander, sodass hier die Haupt-

11 Gebäude mit der Hausnummer 29; Dominik Andreolli, zeitweise Eigentümer des Hauses, war ein bekannter Lemberger Konditor in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts.



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sprache des Textes nur schwierig auszumachen ist. Grundsätzlich kann man Polnisch als Matrixsprache annehmen, da diese sowohl für die Überschrift als auch für den Kommentar der Dritten (s. in (11) kursiv markiert) verwendet wird. Die Äußerungen Stroppels wie auch Kurzweils stellen einen stark durchmischten Sprachgebrauch dar, auf den der Terminus Sprachmischung oder Codemischung12 zutrifft: Den deutschen Dankesworten „Ich dank, ich dank“ (hier fehlt die Flexion der 1. Person Sg. -e, was umgangssprachlich wirkt) folgt im nächsten Satz die Frage nach dem Wohlbefinden auf Polnisch („No jak się mają bratrze?“). Die Antwort darauf beginnt dann mit dem Polnischen („Kiepsko“), aber die nächsten beiden Wörter „szlecht“ und „fucz“ (durch Unterstreichung markiert) können im Grunde den beiden Sprachen zugeordnet werden, der deutschen wie der polnischen: Vom Wortlaut her haben wir es eher mit deutschen Vokabeln zu tun, die Schreibung ist jedoch die polnische. Die Interjektion „Oho!“ ist sowohl im Polnischen als auch im Deutschen möglich. Im Satz “Ba kuraż, kiedy niéma Policej, to niéma i kuraż!“ wechselt der Autor vom Polnischen zum Deutschen, indem er das Insert „Policej“ verwendet. Im Satz „Za vierzehn Tag będzie Polaki fucz!“ fällt nicht nur das mehrfache Wechseln zwischen beiden Sprachen auf, sondern auch der unmotivierte Gebrauch des Verbs (Prädikats) będzie in der 3. Person Sg., während das nachfolgende dazu gehörige Subjekt, das Substantiv Polaki in der 3. Person Pl. steht. Auch der Satz „Ich laufe zum Herrn Stadjon“ belegt die Vermischung von zwei Sprachen, denn für die Schreibung des Eigennamens wählt der Autor mitten im deutschen Satz die polnische Orthographie, die im vorliegenden Text meines Erachtens durch nichts anderes motiviert ist als durch den Wunsch des Schreibenden nach expliziter Vermischung beider Sprachen. In diesem Text setzt der Verfasser das Wechseln von Code zu Code für die Stilisierung der Figuren durch ihren Sprachgebrauch ein. Ähnliche Praktiken finden sich oft in literarischen Werken und sie wurden ausführlich aus der Warte der Literaturwissenschaft unter dem Begriff makkaronische Sprache oder Heteroglossie beleuchtet. Aus der linguistischen Perspektive siehe dazu beispielsweise Ganslmayer (2016). Solche Sprachmischungen sind in meinem Korpus verhältnismäßig selten belegt, was sicherlich zunächst der Textsorte zuzuschreiben ist. Sie sind aber schon deshalb hochinteressant, weil sie uns die mögliche sprachliche Realität einer multilingualen Stadt zeigen, wie das Handling mit den vielen Sprachen in

12 Hier verwende ich den Terminus in Anlehnung an den Begriff language mixing bei Auer (1999), worunter er alle Fällen von „juxtapositions“ mehrerer Sprachen fasst, wenn „it is difficult if not impossible to say whether the language of interaction is” (Auer 1999: 315.) Diese Auffassung deckt sich nicht mit dem Begriff code mixing bei Muysken (2000); vgl. oben.

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konkreten Dialogen in gewöhnlichen Alltagssituationen ausgesehen hat. Anhand solcher Beispiele (für weitere Belege vgl. Ptashnyk 2016: 250f.; ähnliche Befunde anhand zeitgenössischer Literaturwerke und Dramen aus Galizien demonstriert Hofeneder 2011) ließe sich gar von Mischsprachen oder fused lects im Sinne von Auer (1999) sprechen, denn sie bilden im Grunde genommen eine mögliche Varietät in der betreffenden multilingualen Region ab.

5 P  aralleltexte in der mehrsprachigen Schriftlichkeit Bei der Betrachtung der mehrsprachigen Textproduktionspraktiken im Abschnitt 3.2 wurden vom Codeswitching Belege abgegrenzt, in denen ganze Texte anderer Provenienz eingefügt sind (vgl. das Beispiel mit Stadions Zirkular). Das entscheidende Kriterium dabei war nicht nur die Länge, sondern auch die „Eigenständigkeit“ der eingebetteten Texte sowie ihre abweichende Autorschaft. Die Lemberger Presse des 19. Jahrhunderts zeigt zahlreiche andere multilinguale Praktiken, die sich von den CS-Phänomenen unterscheiden. Diese sollen nun beleuchtet werden. Vergleichbar mit dem Beleg in Abb. 8 ist der nachfolgende Artikel aus der Zeitung Der Israelit: Auf Seite 4 der Ausgabe Nr. 10/1873 findet sich das „Propinations-Privilegium der Lemberger Judenschaft“ von 1796, das als ein größerer Textbaustein in den Artikeltext eingebettet ist. Der Rechtstext ist zweisprachig in zwei parallelen Spalten abgedruckt (Abb. 10) – im Originallaut, d. h. in der lateinischen Sprache, wie man es auch im Privilegienbuch der Lemberger Stadttafel vorfindet, in der rechten Spalte und in der linken Spalte in deutscher Übersetzung, da das Deutsche (hier die Hauptsprache der Zeitung) vermutlich dem durchschnittlichen zeitgenössischen Leser*innen des Blattes besser verständlich war, als das Lateinische. Die lateinische Vorlage ist selbstverständlich deutlich älter als der Zeitungsartikel; für die deutsche Übersetzung lässt sich hingegen annehmen, dass sie möglicherweise für die Zwecke des vorliegenden Beitrags (vom Autor selbst) gemacht war, wobei uns ein konkreter Nachweis in diesem Falle fehlt.



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Abb. 10: Der Israelit, Nr. 10 vom 9.05.1873, S. 4.

Ähnliche Verfahren zweisprachiger Textgestaltung in zwei Spalten finden sich des Öfteren in der Verwaltungsdomäne im späten 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, wobei es sich dort primär um ein Nebeneinander von Deutsch und Polnisch handelt (vgl. Ptashnyk 2016: 255). Auf diese Art und Weise konnte man in der Schreibpraxis der sprachenpolitischen Forderung gerecht werden, dass die Amtsführung in Lemberg nach 1869 zwar auf Polnisch erfolgen durfte, das Schrei­ben aber zugleich dem Adressaten im Wiener Ministerium verständlich sein musste. Ähnliche Phänomene aus der amtlichen Kommunikation im 19. Jahrhundert mit einem Nebeneinander von Französisch und Deutsch in Luxemburg schildern Beyer et al. (2014: 285ff.) Der nächste Beleg (Abb. 11) ist eine auf Deutsch und Polnisch verfasste Anzeige, in der die „sogenannten Kisielkischen Bäder“ beworben werden. Die Information ist zunächst auf Deutsch (mit der Überschrift „Kundmachung“) und unmittelbar darunter auf Polnisch (als „Uwiadomienie“ betitelt) abgedruckt. Auf diese Weise kann der Anbieter der Leistung sowohl seine polnischsprachige als auch seine deutschsprachige Kundschaft erreichen. Der hier vorliegende Sprachenwechsel erfolgt an der Schnittstelle zweier „Bausteine“ einer Werbeanzeige, die zwar inhaltlich zusammenhängen (denn es handelt sich um die zweisprachige Ausführung ein und desselben Inhalts),

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jedoch als separate eigenständige Texte fungieren können. Dementsprechend haben wir es bei den zuletzt angeführten Beispielen mit keinem Codeswitching im traditionellen Sinne zu tun, auch wenn die für das historische CS erarbeiteten Definitionen, etwa die von Kämmerer (2006), durchaus den Sprachenwechsel zwischen größeren Textbausteinen zulassen und für Beispiele in den Abb. 10 und 11 zutreffen würde. Die Schwierigkeit der Abgrenzung solcher mehrsprachiger Schreibpraktiken von den CS-Phänomenen besteht darin, dass Texte wie in (11) aus der Feder eines Schreibers stammen, der beider Sprachen mächtig war. Ich betrachte solche kommunikativen Praktiken jedoch nicht als Codeswitching, denn hier liegt eine übersetzerische Leistung vor, die für relativ selbständige Textbausteine erbracht wird. Letzteres trifft auch für das Beispiel mit dem Propinationsprivileg (Abb. 10) zu; in solchen Fällen spricht Sebba (2012: 14˗15) vom Prinzip der Paralle­lität13. Für die Betrachtung der Kommunikation in einer multilingualen Stadt sind solche Beispiele dennoch von großem Interesse, da sie den realen Umgang mit den Herausforderungen der gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit sowie konkrete Lösungen dafür präsentieren.

Abb. 11: Amtsblatt zur Lemberger Zeitung / Dziennik urzędowy do Gazety Lwowskiej, Nr. 152 vom 5. Juli 1850, S. 948.

13 Nach seiner Definition liegt „parallelism“ vor, wenn „there are ‚twin texts‘ each witch the same content, but in different codes/languages“ (Sebba 2012: 14).



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6 D  as Nebeneinander von Sprachen im Nebeneinander von (Klein-)Texten Während die obigen zwei Beispiele (Abb. 10 und 11) einige Gemeinsamkeiten mit dem CS aufweisen, da mehrsprachige Textpassagen schlussendlich Bestandteile eines Zeitungsartikels sind, liegen uns in der Presse des 19. Jahrhunderts Beispiele für Mehrsprachigkeit vor, die klar vom Codeswitching abzugrenzen sind. Dabei geht es um Fälle wie auf der Anzeigenseite des Blattes Der Israelit (Abb. 12): Daraus ist ersichtlich, dass die meisten der hier platzierten Mitteilungen auf Deutsch verfasst sind, mit lediglich einer Ausnahme: Der letzte Anzeigentext ist auf Jiddisch formuliert und bewirbt eine „Heilbrunnen-Anstalt“, die ihre Leistungen mit aktuellem Rabatt anbietet.

Abb. 12: Der Israelit, Nr. 10 vom 9. Mai 1873, S. 7.

Anzeigenseiten von Zeitungen und anderen Medien (bspw. Büchern), die nicht nur Textabschnitte, sondern gar ganze (Kurz-)Texte in einer anderen Sprache hintereinander bringen, finden sich häufig in der kommunikativen Praxis des 19. Jahrhunderts. Ein weiteres vergleichbares Beispiel wurde dem Amtsblatt der Lemberger Zeitung / Gazeta Lwowska entnommen: Auf der letzten Seite der Ausgabe

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5/1850 stehen einzelne Texte in deutscher und polnischer Sprache nacheinander gereiht; all dies sind diverse amtliche Mitteilungen, die der Lemberger Bevölkerung bekannt gegeben werden. Jeder dieser Texte ist in sich einsprachig, wie aus der Abb. 13 ersichtlich.

Abb. 13: Gazeta Lwowska, Nr. 5 vom 7. Januar 1850, Seite 27.

In beiden Fällen (Abb. 12 und Abb. 13) handelt es sich um zweisprachig gestaltete, aus separaten Kurztexten bestehende Anzeigen- oder Mitteilungsarrangements. Bei dieser Art von Textproduktion werden die Kontaktsprachen Polnisch, Deutsch oder Jiddisch für voneinander wenig abhängige Textbausteine eingesetzt. Der einzige gemeinsame Nenner ist die Zugehörigkeit zu ein und derselben Textsorte. Bei diesem abwechselnden Gebrauch von zwei oder mehreren Sprachen entsteht im Endergebnis ein mehrsprachiges Textkonglomerat. Da der Sprachenwechsel nicht innerhalb eines Textes, sondern zwischen separaten Texten mit jeweils anderem Urheber erfolgt, lassen sich solche Beispiele klar vom CS abgrenzen. Im gesamten 19. Jahrhundert sind vergleichbare Schreibpraktiken nicht ungewöhnlich. Sie finden sich nicht nur in der Lemberger Presse, sondern in vielen anderen Medien, die eine multilinguale Stadt oder Region bedienen (vgl. als Bei-



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spiel die Fünfkirchner Zeitung aus Pecs; dazu siehe Gerner 2002: 175) sowie in den Dokumentationen der städtischen Verwaltung (vgl. Ptashnyk 2010: 298–299).

7 F remdsprachige Eigennamen und Codeswitching im Kontext der multilingualen Schreibpraktiken In den Untersuchungen mehrsprachiger Texte hat bislang die Frage nach der Rolle der fremdsprachigen Eigennamen wenig Beachtung gefunden. Dennoch haben wir gerade im Kontext der gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit bzw. der Schreibpraktiken in mehrsprachigen Gesellschaften häufig mit dem Gebrauch von fremden Eigennamen (z. B. von Orts- und Straßennamen, Werktiteln etc.) zu tun, die in ihrer Originallautung in eine anderssprachige Textumgebung eingefügt werden. Wie verhalten sich solche Strategien zum Codeswitching? Sind sie als solches zu interpretieren oder nicht? Welche Argumente sprechen dafür oder dagegen? In der mündlichen Kommunikation würde man die Verwendung fremdsprachiger Namen in einem Sprechakt kaum als einen Code-Switch registrieren, da die Eigennamen beim Transfer aus einer Sprache in die andere in der Regel im Originallaut übernommen werden und grundsätzlich keiner Übersetzung in die Zielsprache bedürfen, ja, gar als „unübersetzbar“ gelten (vgl. Prunč 2002: 272). Wie sieht es konkret in der historischen Schriftlichkeit aus? Betrachten wir einige Bespiele. In der Abb. 14 ist ein deutschsprachiger Textausschnitt zu sehen, in dem gleich in der ersten Zeile der Männergesangsverein „Zion“ erwähnt wird:

Abb. 14: Der Israelit, Nr. 15 vom 23.07.1875, S. 3.

Der Name des Vereines ist auf Hebräisch und in hebräischer Schrift in die deutsche Satzmatrix eingebettet, ohne Transliteration in lateinischer Schrift. Dies ist insofern auffällig und bemerkenswert, als dass im Text ein weiterer hebräischer Eigenname vorkommt, nämlich der Name des Vereins „Shomer Israel“ (dt. ‚Hüter Israels’), welcher hier in Antiqua ausgeschrieben wird. Der Autor belässt

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die hebräischen Eigennamen im Originallaut, beide werden nicht übersetzt; für ihre Schreibung bedient sich der Autor jedoch zweier unterschiedlicher Schriftsysteme. Ein vergleichbares Beispiel findet sich auch in der Lemberger Montags-Zeitung:

Abb. 15: Lemberger Montags-Zeitung vom 28.08.1916, S. 4.

Die einzelnen Texte des Blattes sind auf Deutsch verfasst, so auch die Werbung für die „Konzessionierte Fabrik ,Zdrowie’“ (Abb. 15, linker Text im schwarzen Rahmen). Lediglich der Firmenname wird im polnischen Originallaut „Zdrowie“ (dt. ‚Gesundheit‘) verwendet und in dieser Gestalt in die deutsche Textmatrix eingefügt. In der unterhalb des schwarzen Rahmens stehenden Anzeige wird für ein „Artistisches Photographisches Atelier“ in Lemberg geworben, dessen Name „Kordyan“ (dt. ,Cordian’) ebenfalls auf Polnisch erscheint. Dass Eigennamen, allen voran Städte-, Straßen-, Vereins- und Firmennamen, aber auch Buch- und Zeitungstitel etc. im Originallaut verwendet werden, lässt sich in manchen Fällen durch Identitätsbildung erklären, wie etwa im Beispiel des Namens „Zion“ (Abb. 14). Vielfach geschieht es m. E. aus Gründen der Sprachökonomie und Verständnissicherung. Wenn man etwa die Straßennamen nicht übersetzt, so erfolgt die Adressierung genauer und lässt keine Zweideutigkeiten zu. Zugleich finden sich aber auch Gegenbeispiele: So ist der Straßenname Łyczakowskagasse (rechts unten in der Abb. 15) an die Matrixsprache angepasst und auf Deutsch benannt. Wie es diese wenigen Beispiele zeigen, kann die Handhabung der Eigennamen in anderssprachiger Umgebung nach unterschiedlichen Mustern verlaufen – entweder wird der Originallaut beibehalten oder die Namen werden in die Matrixsprache übersetzt bzw. an sie angepasst. Da beide Verfahren möglich und zulässig sind, sind meines Erachtens nicht alle Fälle von fremden Eigennamen als CS zu interpretieren, sondern vor allem die „nicht angepassten“. Kontaktlinguistische Beachtung verdienen jene Fälle, wenn durch die Verwendung einer anderen Schrift ein klares Zeichen für Multilingualität gesetzt wird.



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8 Schlussfolgerungen und Ausblick Die betrachteten mehrsprachigen Schreibpraktiken im Lemberg des 19. Jahrhunderts erweisen sich als komplex und vielfältig, da zahlreiche Faktoren an ihrer Entstehung beteiligt sind – von subjektiven bis hin zu sprachenpolitischen und gar wirtschaftlichen. Das Korpus der Lemberger Presse liefert zahlreiche Belege für intra- und intersententielles Codeswitching, wobei die Palette der Inserte in quantitativer wie auch qualitativer Hinsicht sehr vielfältig ist – von einer Morphemkombination unterhalb der Wortgrenze bis hin zu mehreren Sätzen. Neben dem schriftlichen Codeswitching ließen sich im untersuchten Text­ korpus andere multilinguale Schreibpraktiken feststellen – Sprachgebrauchstechniken, die sich vom CS unterscheiden und lediglich als seine „Geschwister“ gelten können. Im Einzelnen liegt uns vor: A) Zwei- oder Mehrsprachigkeit durch Einfügen von Textbausteinen mit ein und demselben Inhalt in zwei verschiedenen Sprachen. Hierbei lässt sich von Parallelität dieser Textbausteine / Textfassungen sprechen, bei der eine übersetzerische Leitung vorliegt und nicht ein bloßes Switchen innerhalb einer Textpassage. B) Mehrsprachige Konglomerate aus unterschiedlichen eigenständigen (Klein-) Texten ein und derselben Textsorte: Der Sprachenwechsel erfolgt dabei nicht innerhalb eines Textes, sondern an der Schnittstelle zwischen (Klein-)Texten. Das verbindende Element ist dabei die Zugehörigkeit zu ein und derselben Textsorte sowie das gezielte Arrangement der Texte als eine Art Textverbund. Die Belege der Gruppen A) und B) lassen sich relativ deutlich vom CS abgrenzen. C) Eng verwandt mit dem Codeswitching sind hingegen Sprachmischungen (Language Mixing), d. h. Sprachgebrauchspraktiken, die auf einer sehr engen Verflechtung zweier Sprachen in einer Äußerung basieren. Sprachmischungen lassen sich nicht ausschließlich auf der Ebene von Einzellexemen oder Phrasen beschreiben, sondern sie greifen in die morphologische Struktur der Kontaktsprachen ein. D) Eine gesonderte Gruppe stellt der Gebrauch der anderssprachigen Eigennamen dar, welche in der CS-Forschung bisher kaum Beachtung gefunden haben. Für die Sprachkontaktforschung sind sie hochinteressant, wenn sie sich von dem Matrixtext durch eine andere Schrift abheben (Kyrillisch vs. Hebräisch vs. Lateinisch; Fraktur vs. Antiqua u. a.). Solche EigennamenInserte sind ein markantes Symptom für die Mehrsprachigkeit entweder einer ganzen Gesellschaft, wie im Falle Lembergs, oder zum mindesten des Autors des betreffenden Textes.

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Infolge des Nebeneinanders von mehreren Schriftsystemen, nämlich des lateinischen, kyrillischen und hebräischen Alphabets, zeigten die multilingualen Schreibpraktiken im Lemberg des 19. Jahrhunderts eine zusätzliche Komplexität. Angermeyer (2012: 255) spricht in vergleichbaren Zusammenhängen von „digraphia“. Das untersuchte Korpus erlaubt uns von einer Trigraphie zu sprechen. Das Switchen zwischen Sprachen, die an sich unterschiedliche Schriftsysteme nutzen, geht jedoch nicht immer konsequent mit dem Schriftwechsel einher: Anhand der Lemberger Pressetexte ließ sich beobachten, dass ein beim Sprachenwechsel erwartbarer script switch auch unterbleiben kann, und zwar absichtlich. Die Belege haben gezeigt, dass die Verwendung oder die Nicht-Verwendung einer anderen Schrift als sozial und politisch bedeutsam interpretiert werden kann. Die visuelle Markierung von CS sowie von anderen Formen der Mehrsprachigkeit in Zeitungstexten beschränkt sich nicht auf die Verwendung verschiedener Schriftsysteme. Typographische Hervorhebungen der mehrsprachigen kommunikativen Schreibpraktiken finden auch durch den Einsatz verschiedener Schriftarten für ein und dieselbe Sprache statt, wie etwa Fraktur vs. Antiqua (die so genannte „biscriptality“, vgl. Bunčić et al. 2016). Ferner dienen solche typographischen Mittel wie Kursivschrift, Fettsetzung, Anführungszeichen oder auch die Anordnung in zwei Spalten dazu, anderssprachige Textbausteine bzw. Codeswitches optisch hervorzuheben. Ähnliches wurde bereits in anderen Untersuchungen von schriftlichen Switches beobachtet. Bei der Frage nach Besonderheiten der mehrsprachigen kommunikativen Praktiken im Lemberg des 19. Jahrhunderts war mein Fokus primär auf sprachstrukturelle Besonderheiten gerichtet. Zugleich dürfte deutlich geworden sein, dass die textuelle Mehrsprachigkeit bestimmte textstilistische, pragmatische und semantische Effekte hervorruft und sehr oft funktional eigesetzt wird: die anderssprachigen Einschübe dienen der Verständnissicherung oder terminologischer Präzisierung, sie können bei der Wiedergabe fremder Rede oder aber zwecks Manifestation der kritischen Haltung des Textautors gegenüber dem Geschilderten effektiv eingesetzt werden, sie dienen der Identitätsbildung u. v. m. In diesem Zusammenhang liegt die Frage nach der Intendiertheit vs. Nichtintendiertheit des Codeswitchings und anderer multilingualer Praktiken auf der Hand: Im Unterschied zur multilingualen Mündlichkeit, in der die bisherigen Studien häufig nichtintendierten Sprachenwechsel registrieren, scheint in der schriftlichen Kommunikation die Absicht des Textautors hinsichtlich der gezielten Sprachenwahl eine größere Rolle zu spielen, sodass man davon ausgehen kann, dass das Wechseln von einer Sprache zur anderen mit einem höheren Grad an Reflexion stattfindet als im spontanen Gespräch. Ein Desideratum bleibt vorerst auch die soziohistorische Analyse der multilingualen Schreibpraktiken. Denn multilinguale Texte, wie sie in meinem Beitrag



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präsentiert worden sind, sind stets Produkte einer multilingualen Kultur, eine Art kollektives Eigentum einer multilingualen Sprechergemeinschaft. Der Reichtum an beobachteten Kontaktphänomenen auf der Performanz-Ebene und die Vielfalt der mehrsprachigen Sprachpraktiken in der Presse zeugen davon, dass ein großer Teil der Bevölkerung Lembergs im 19. Jahrhunderts, v. a. die gebildeten Leser*innen mehrsprachig waren und entsprechend die multilingualen Texte verstehen konnten. Zugleich haben zahlreiche Beispiele erkennen lassen, dass in solchen multilingualen Schreibpraktiken Zeichen von Sprachkonflikten spürbar sind: Der Wechsel von einer Sprache zur anderen findet des Öfteren dann statt, wenn das Thema Sprache im Kontext des (problematischen) Nationalitätenverhältnisses diskursiv behandelt wird. CS erscheint beinahe symptomatisch bei der Thematisierung der Sprachkonflikte. Damit ist die Liste der noch anstehenden Fragestellungen nicht abgeschlossen. Es dürfte jedoch deutlich geworden sein, wie erkenntnisreich Untersuchungen zu historischen Sprachkontaktphänomenen sind: Sie ermöglichen uns tiefe Einblicke in die realen Kommunikationspraktiken mehrsprachiger Gemeinschaften der Vergangenheit, und es wäre eine lohnenswerte Aufgabe festzustellen, inwiefern die Mechanismen universell und sprachenunabhängig sind.

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Mareike Keller

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of the phenomenon across language pairs and text types seem to indicate that the MLF model in its current version does not fully capture the typical peculiarities of HCS. Consequently, it has been suggested that a purely structural approach might not be suited for an analysis of HCS in general.1 I agree with the basic observation. In comparison to recurrent patterns observed in MCS, Latin case endings do behave in an unusual way. However, I don’t think that overall HCS is structurally different from MCS, and in this paper I propose to use the MLF model as a template against which we can determine the characteristic features of HCS. As we often do not have reliable data on social norms, usage or speaker background for HCS texts, starting out from the linguistic structure of the surviving material seems justified. The MLF model makes clear predictions about the morphosyntactic structure of bilingual clauses produced by bilinguals in a stable contact situation. This means that, in contrast to competing models and approaches, it clearly defines the target structures, speaker type and setting for which it makes predictions. This enables us to use the MLF model as a template for determining a) which features are peculiar to HCS in general, b) which features are peculiar to a specific type of HCS, and c) which features of code-switching (CS) remain stable throughout the centuries. The idea of approaching HCS structures with the help of MCS models builds on assuming the validity of the Uniformitarian Principle (Labov 1994: 21–23) for the study of linguistic change. The principle states that we can infer forces influencing linguistic form in the past by looking at the forces at work in the present. Labov maintains that the Uniformitarian Principle should be applicable to the physiological basis of language because “there is no indication of differences between the past and the present in this respect.” However, he also emphasizes that it does not cover social differences between the past and the present. In my view, this caveat holds at least some clue as to where we should expect differences and where we should expect similarities between HCS and MCS: The aspects of CS based on general language processing should be more predictable from a look at the present than the aspects of language use rooted in the social conventions of any given speaker community. No doubt there are similarities as well as differences between HCS and MCS, probably on all levels of linguistic description. But as we need to start somewhere, and the topic of Latin case markers has already been brought up in previous studies, I want to introduce my proposal of using the MLF model as a tool for the structural description of HCS with a detailed analysis of case marking. It has

1 Auer & Muhamedova (2005) argue for a sociolinguistic approach, taking into consideration the role of Latin as a marker of social status. I will return to this issue in the discussion at the end of this paper.



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been pointed out repeatedly that Latin case markers defy the predictions of the MLF model, but to my knowledge none of the publications mentioning the issue have explicitly addressed the following three questions: 1. Details: Which details concerning the expression of case in HCS does the MLF model not cover? And which ones does it cover? 2. Prevalence: How frequent are the structures not covered by the MLF model in relation to those the model can account for? 3. Modelling: How can the characteristic morphological features of HCS be systematically recorded and integrated into a theoretical model with predictive and explanatory force? This paper wants to address these three questions with the goal of establishing the characteristic features of HCS within the core ideas of the MLF model. The model will serve as a tool for carving out the structural similarities and characteristic differences between HCS and MCS. The findings will help to determine which morphosyntactic features are characteristic for CS in a particular socio-historic setting and also which structural features are essential features of CS across time. With respect to language change this means finding out which features of CS as a “language” in its own right are particularly robust and which ones are more vulnerable to language-external influences. The paper is structured as follows. In section 2 Myers-Scotton’s MLF model is laid out, and its application as a tool for the study of morphosyntactic characteristics of HCS is explained. Section 3 begins with a brief survey of previous research. It continues with a description of the database and then presents variants of Latin case marking found in the texts. Section 4 focuses on the theoretical modelling of HCS and discusses how deviations from the original MLF model could be interpreted. Section 5 concludes with a summary and some suggestions for future research projects on the topic of HCS.

2 C  ase marking in classic code-switching – Myers-Scotton’s MLF Model Over the past 40 years the grammar of mixed clauses, i. e. clauses containing lexical material from more than one language, has been the topic of many publications (e. g. Poplack 1980, Belazi, Rubin & Toribio 1994, McSwan 2014). One widely recognized approach to the morphosyntax of mixed clauses has been proposed by Myers-Scotton (1997) as the Matrix Language Frame Model (MLF model). This model has been under constant development, as it strives to include more

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and more individual studies of specific bilingual situations and language combinations, as well as recent developments in the fields of language processing and linguistic theory. In contrast to other models by Myers-Scotton (Myers-Scotton 1993 and 2002, Myers-Scotton & Bolonyai 2001), the MLF model does not seek to explain any sociolinguistic motivation behind language mixing patterns (Myers-Scotton & Jake 2017: 3). Its single aim is to pinpoint the morphosyntactic details and regularities of mixed clauses in classic CS.2 The model is syntax-based, and its primary unit of reference is the bilingual clause. As I apply Myers-Scotton’s model to my data, I also adopt her definition of CS as the “use of two or more languages in the same conversation, usually within the same conversational turn, or even within the same sentence of that turn” (1997: 47). CS at the discourse level, between clauses or larger textual units, is frequently found in multilingual historical documents. However, the MLF model specifically targets CS within syntactic clauses and constituents. Therefore, only intrasentential CS, i. e. CS within the syntactic boundaries of one clause, is treated in this paper. According to Myers-Scotton, the grammatical well-formedness of bilingual utterances in classic CS is achieved by an asymmetric distribution of languages in a clause. One of the languages, the matrix language (ML), provides the syntactic frame of the clause, whereas another language, called embedded language (EL), can supply additional content words. The claim that in mixed clauses the grammatical frame is supplied by only one of the two languages is by no means a new one. It goes back at least to Hermann Paul, who writes: Die Mischung wird auch bei dem Einzelnen nicht leicht in der Weise auftreten, dass seine Rede Bestandteile aus der einen Sprache ungefähr in gleicher Menge enthielte wie Bestandteile aus der andern. Er wird vielleicht, wenn er beide gleich gut beherrscht, sehr leicht aus der einen in die andere übergehen, aber innerhalb eines Satzgefüges wird doch immer die eine die eigentliche Grundlage bilden, die andere wird, wenn sie auch mehr oder weniger modifizierend einwirkt, nur eine sekundäre Rolle spielen. (Paul 1920: 392) ‘Even in the individual speaker, the mixture will not easily happen in a way in which his speech contains elements of the one language in an equal amount to the elements of the

2 Classic CS according to Myers-Scotton is the variant of CS produced by balanced bilinguals in a stable linguistic environment who usually but not necessarily have native-like competences in both of their languages. In classic CS the two languages involved are preserved as independent and clearly distinct languages in the speaker’s mind. Myers-Scotton contrasts classic CS with composite CS. Composite CS is a variety of language mixing where both languages involved have converged so much that it cannot be determined anymore from which language an item or a structure is drawn. Throughout this paper, when the term CS is used, it exclusively refers to classic CS.



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other language. He might, if he is equally competent in both, very easily transition from one into the other, but within one sentence structure one of them will still always build the true basis; the other one will, even if it acts in a more or less modifying manner, only play a secondary role.’3

The MLF model claims that the surface structure of mixed clauses is regulated by two constraints, one concerning word order and one concerning the occurrence of grammatical morphemes4. The constraints do not refer to entire mixed clauses but specifically target mixed constituents.

The Morpheme-Order Principle (MOP) In ML+EL constituents consisting of singly occurring EL lexemes and any number of ML morphemes, surface morpheme order (reflecting surface syntactic relations) will be that of the ML.



The System Morpheme Principle (SMP) In ML+EL constituents, all system morphemes which have grammatical relations external to their head constituent (i. e. which participate in the sentence’s thematic role grid) will come from the ML. (Myers-Scotton 1997: 83)

The MOP states that in mixed constituents containing only single inserted EL lexemes word order has to follow ML rules. The SMP states that in mixed constituents, morphemes indicating argument structure (e. g. case markers or markers for subject-verb agreement) have to be supplied exclusively by the ML of the clause.5 These morphemes are called outsider late system morphemes (outsiders) (Myers-Scotton & Jake 2000; 2017). For example, the grammatical case of an object determiner phrase (DP) in a clause is determined by the thematic role assigned to the DP as a whole by the governing verb. The case marker, which is classified as a late outsider, must come from the ML. The inflection on the finite verb is determined by properties of the verbs’ external argument, the subject. As the inflection on the finite verb is an outsider, it must also be supplied by the ML. As languages vary in how grammatical categories are expressed, a morpheme which functions

3 Unless otherwise indicated, all translations into English are my own. 4 It is important to note that, contrary to some morphological theories, in the context of the MLF model “the term ‘morpheme‘ is used to cover two related elements, the actual surface-level morphemes, but also the lemmas that support them, abstract entries in the mental lexicon“ (MyersScotton 2002: 106). 5 The SMP can be suspended inside EL islands, i. e. inside phrase-level EL constituents within an ML clausal frame (Myers-Scotton 2001: 141), and inside internal EL islands (Myers-Scotton & Jake 2009: 344).

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as a late outsider in one language must not necessarily do so in another language. For example, an article in Modern English does not carry information on case, whereas an article in Modern German does. Thus, an English article is not an outsider, but a German article is. To sum up, late outsiders are purely functional, i. e. they index thematic roles but do not add any semantic content to the proposition. According to Myers-Scotton & Jake (2009: 346), the morphological indexing of semantic roles is always realized with ML morphological means and is the key feature of classic CS. A tricky question that has caused a lot of discussion among code-switching researchers is: How do we determine the ML of a clause (see Gardner-Chloros 2009: 101–103 for a summary of the problem)? I do not want to repeat all the arguments here, but I want to state my opinion on the subject. I agree that even in classic CS, it is not always possible to assign a clear ML to any given utterance, especially if the utterance is not a full clause. However, for the argument laid out in this paper, it is most important to keep in mind that in terms of the MLF model, the ML is the language which supplies all late outsiders. In other words, the ML is the language that provides the syntactic scaffolding of a clause, supplying essential information on its basic argument structure via word order and morphological marking. However, the data discussed here also contains occasional clauses with morphological marking of argument structure from more than one language. In those cases, the language that supplies word order and the inflection on the finite verb will be defined as the ML.6 For the assessment of the formal characteristics of HCS the differences between speaking and writing must be taken into account. Speaking is spontaneous, writing allows more time and premeditation. So we should expect differences based on the mode of text production (Chafe & Tannen 1987; Biber 1988; Sebba 2012). Another difference to CS data commonly presented in MCS studies concerns the mode of acquisition of Latin. In contrast to language pairs used in most studies of oral CS, Latin was no longer spoken as a first language, and there were no monolingual speakers of Latin anymore. Latin was learned often from an early age (Percival 1975; Thomas 2004: 68), and the first steps of transmission could have been oral, but it is fair to assume that the vast majority of people had formal instruction, and mistakes (in the sense of deviations from the norm expected by the language instructor) were clearly pointed out. Thus, we can assume a high level of metalinguistic awareness concerning Latin grammar (syntax and morphology), which is likely to influence the grammar of bilingual writing.

6 For a discussion of different options to determine the ML, e. g. via the inflection on the finite verb, see Keller (2020: 63–64).



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When dealing with historical texts without any information about the bilingual usage norms of the community in which the texts originated, we must not forget that we might not be dealing with an instantiation of classic CS - the original target of the MLF model. This might apply to the entire text or to one particular aspect of the situation in which it was created. As Latin was a learned language in medieval England as well as in Luther’s Germany, which was used mainly in specific domains (e. g. higher education and church), a diglossic situation rather than active oral and written language mixing could be expected. And many texts that have survived are, in fact, either in Latin or in the vernacular. However, we also have mixed texts, and contemporary written accounts comment on the habit of oral language mixing, which bear witness to an active language mixing culture. For now, I do not want to claim that the texts which are analyzed in section 3 are or are not instances of classic CS. I want to apply the MLF model in order to figure out how similar or how different the HCS texts are from what Myers-Scotton describes as classic CS.

3 Case marking in historical mixed texts 3.1 The sermons in MS Bodley 649 and Luther’s Table Talk The following analysis of case marking in HCS is based primarily on two text collections. The first is a collection of sermons (MS Bodley 649; Horner 2006), which shows CS between Latin and Middle English with Latin being the dominant language throughout. The sermons contain a substantial amount of structurally complex instances of intrasentential CS, which is crucial for the analysis, as the predictions of the MLF model rely on mixed clauses and mixed constituents as their base units.7 We do not know with certainty where, when, by whom and for what reason the sermons were written down. According to Wenzel (1994) the color of ink as well as a number of references in the sermons themselves point towards Oxford university. The events mentioned in the texts indicate that they must have been written in the early fifteenth century, in one hand, maybe by John Swetstock (Wenzel 1994: 160), who could have been the scribe and not the author

7 Some other text types, like accounts (Wright 2013), which often contain long lists of noun phrases without any syntactic relations, do no match this criterion. Also, texts showing mainly intersentential CS (e. g. the sermons in O’Mara 2002) do not provide the structures that are needed to test the model.

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(Horner 2006: 4). No further copies of this specific collection of mixed sermons have been found so far. Judging from the address forms and the style used in the sermons, the audience probably consisted of clergy and literate laypeople. The university setting could explain why the laypeople might also have been versed in Latin and used to CS both in oral and in written language use. The following excerpt shows the kind of language mixing typical for the sermons. (1a) is an image from the facsimile.8 (1b) is a transcription of the image with the expanded abbreviations (suspensions, contractions, superscripts) marked by italics. (1c) is a translation into modern English. In all mixed examples throughout this paper, Latin items are rendered in bold and English items in normal font. Ambiguous items that cannot clearly be assigned to one or the other language on the basis of their orthographic form are underlined.9 (1a)

Fig. 1: MS Bodley 649, f. 43r (1b) Transcription …. Vnam partem huius cumpas scilicet benedictam deitatem, he set perfecte in vno puncto beatitudinis þis was piȝt so sadlich in þis puncto· quod nulla miseria huius mundi· no sikenes· ne mischef myȝt hit touche· ne meue· [?] Altera parte istius cumpas sua humanitate· he drow þis circulum vite þis parti he drow· aboute in· hoc mundo in muche woo p[?] payn and trauail ….

8 Images of MS. Bodl. 649 (fol. 23r, line 35, words 6-9; fol. 43r, lines 17-22; fol. 50r, line 34, words 1-4; fol. 105r, line 16, words 8-10) are reprinted by permission of The Bodleian Libraries, The University of Oxford. 9 In oral CS, such ambiguous word forms are referred to as homophonous diamorphs (Muysken 2000: 133). Wright (2011: 203) has introduced the term visual diamorphs for ambiguous items in mixed writing.



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(1c) Translation One leg of this compass, his blessed divinity, he placed perfectly at the center of his holiness. This was set so firmly at this point that no misery of this world, no sickness or misfortune, could touch or move it. With the other leg of this compass, his humanity, he drew this circle of life. This leg he drew around in this world in much woe, pain, and travail.

Most abbreviations appear in Latin words, but they are not exclusive to Latin. In standard editions of medieval manuscripts abbreviations are often silently expanded because the targeted readership is interested in the content more than in the exact linguistic form. However, for the purpose of this paper, the exact rendering of inflections in the manuscript is essential as these are the target of the MLF model. The second text collection considered in this paper is one volume of Martin Luther’s Table Talk (Tischreden) from the 1530s (Luther 1912). Here, the vernacular (Early New High German) is clearly dominant throughout the text but there is also a substantial amount of Latin in mixed clauses. This text is used primarily for comparative reasons, to emphasize that the mixing patterns found in the sermon collection are neither peculiar to the text type, nor dependent on learned Latin being the dominant language, nor the particular linguistic situation in which the sermons were created. The following excerpt is from the Weimar edition of Luther’s Table Talk. The preface to the edition mentions that all original notes that were taken at Luther’s table have been lost, so the edition is based completely on clean copies created by the note-takers themselves and on apographs of the clean copies (Luther 1912: ii). Since the Weimar edition was finished, many more copies have turned up, so that now there are about 110 (Schäufele 2013: 123–124). The editors of the Weimar edition decided to silently expand all abbreviations, without indication in the running text except for expanded personal names (Luther 1912: xiii). Hence, what we see in the edition is not what Luther actually said but what the note-takers, the copyists and the editors then made of it. We could consider this text too corrupt to be of any use for the study of HCS. However, I believe that the edition still shows a form of CS grammar, and I for my part am very interested in finding out how it is influenced by passing through so many different hands. The three layers given below are the text as printed in the edition (2a), a rendering in modern Latin script (2b), and a translation into modern English (2c).

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(2a)

Fig. 2: Luther (1912: 168) (2b) Rendering in modern Latin script Das ist peccatum in Spiritum Sanctum. Sic kompt man ex secunda tabula in primam. Quando autem sentis, es sey vnrecht, vnd machst bos gewissen draus, hoc non est peccatum in Spiritum Sanctum; sed quando peccatur vnd macht noch ein gutt gewissen draus, hoc est peccatum in Spiritum Sanctum. (2c) Translation This is sin against the holy Spirit. This way you get from the second tablet to the first. When you feel that it is wrong and you have a bad conscience, then this is not a sin against the Holy Spirit. But when you sin and you have a good conscience, this is a sin against the Holy Spirit.

Overall, the language mixing in the edition of Luther’s Table Talk is similar to what we find in the sermons, but it contains more intersentential CS, i. e. the switch sites coincide with clause boundaries. These switches are irrelevant to the MLF model, but they show that code-switchers and code-switching communities have individual preferences for certain types of language mixing (Muysken 2000: 221–249).

3.2 Previous research Previous research into the language mixing patterns in MS 649 and Luther’s Table Talk has pursued two approaches. The first one is primarily descriptive. Stolt (1964), for example, contains a detailed analysis of Luther’s Table Talk and lists many examples, organized according to grammatical categories and pragmatic and textual functions of the switches and insertions, but does not yet refer to structural CS frameworks, which were only published 30 years after Stolt’s analysis. Wenzel (1994) contains three transcribed mixed sermons (one of them from MS 649), a handlist of unedited mixed sermons and a typology of mixed sermons. He divides the sermons into three subgroups. Type A consists of sermons with only single-word insertions. Type B includes sermons where the second language is used for quotes and similar items, but the switches take place between clauses.



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Type C covers sermons with intrasentential CS. These are the ones that can successfully be analyzed with the help of the MLF model. The second approach is theory-driven and applies the MLF model to the texts. Auer & Muhamedova (2005) discuss Luther’s Table Talk and conclude that the model does not capture the specific way of Latin case marking in mixed constituents. They argue that the MLF model is not suited to describe the influence of Latin, a learned language, on CS patterns and promote a sociolinguistic approach which allows to relate the peculiar features of Latin in mixed texts to the social status of Latin at the time the texts were composed. Schendl (2013) addresses the language mixing patterns in MS Bodley 649. He focuses on English insertions into a Latin matrix (Schendl 2013: 156). After a discussion of sociolinguistic aspects, he presents a grammatical analysis and points out that most instances of mixed constituents show a “smooth transition from one language to the other without violation of the syntax of either language” (Schendl 2013: 164). He also mentions a few structurally unusual instances. The paper ends with a brief statistical overview of the syntactic constituents that are switched. Schendl concludes that switched verb phrases occur with a higher relative frequency than what has been reported from studies of oral CS. Halmari & Regetz (2011) analyze MS Bodley 649 in terms of the MLF model. Like Schendl (2013), they focus exclusively on English insertions into a Latin matrix. Therefore, the question of morphological integration of Latin into a vernacular matrix and the occurrence of EL case forms which contradict the MLF predictions does not arise in either of the two papers. Keller (2017) contains an analysis of mixed DPs in MS Bodley 649 within the MLF model but focuses only on the inflection of adjectives. To my knowledge, as of yet none of the previous publications on HCS (whether on Luther’s Table Talk, MS Bodley 649 or any other text) have addressed the question of how to model HCS in the light of MCS theories in a structured way. I am reluctant to discard an otherwise fairly sensible model on the basis of one odd occurrence that does not seem to fit in. In order to do justice to the texts as well as the model, I believe we ought to dig a little deeper first. We need to look at the odd cases in more detail, both qualitatively and quantitatively.10 To introduce this task, the following sections provide a detailed analysis of case marking in MS Bodley 649 and Luther’s Table Talk.

10 In the time between submission and publication of the present paper, Keller (2020) has appeared, a short monograph which addresses several of the questions raised here and offers detailed discussions of various structural peculiarities in MS Bodley 649.

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3.3 Case marking variants This section addresses the first desideratum put forward in section 1, namely the precise details of case marking in HCS in relation to the predictions of the MLF model: 1. Details: Which details concerning the expression of case in HCS does the MLF model not cover? And which ones does it cover? In both text sets, the sermons and the Table Talk, we find that case marking varies within clearly defined limits. There are three variants of EL case marking in mixed DPs, which will each be described in turn: 1) EL bare forms with no overt ML morphological case marking, 2) EL elements with ML case marking, and 3) EL elements with EL case marking. The first variant, bare forms without inflectional markers from either of the two languages present in the mixed clause, covers the large majority of mixed DPs in the sermons as well as in the Table Talk. In these clauses, all ML elements are inflected according to ML rules, but the EL elements show no overt case marking. Examples (3–4) illustrate this variant with clauses from the sermon collection. Latin is defined as the ML as word order and all late outsider system morphemes (inflection on the finite verb and overt case endings) are from Latin. Examples (5–6) show clauses from the Table Talk. Here, German provides the ML. (3) Cape ist-um wild fire contricion-is (S2: 73)11 Seize this wild fire of contrition (4) Istam blisful reynbow Christus errexit in summum celum (S7: 207) This joyous rainbow Christ put up in the highest heaven (5) Vnd da sehen wir, wie ein notiger articulus das ist de iustificatione12 (TT1: 62) And so we see what an important link the doctrine of justification is

11 In brackets the number of the sermon (S) followed by page number in Horner (2006) or volume and page number in the Weimar Edition of Luther’s Table Talk (TT) are given. 12 Only the word articulus is under consideration as an EL bare form here. De iustificatione is the title of the article of faith discussed by Luther in this conversation and thus functions like a proper name. Also, syntactically it is a post-posed EL island which makes the Latin case ending legitimate in terms of the MLF model (for details see Myers-Scotton 2001: 141). See also Kossmann (2010) on Parallel System Borrowing, where he discusses the difference between fossilized foreign inflected forms and the borrowing of foreign inflectional paradigms.



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(6) Das fasse ich, Gott lob, das primum praeceptum (TT1: 200) This I realize, thank God, the first commandment

In terms of the MLF model the EL insertions in (3)–(6) are realized morphologically as bare forms. Bare forms are “Embedded Language content morphemes in mixed constituents framed by the Matrix Language, but they are missing the Matrix Language system morphemes that would make them well-formed elements in such frames” (Myers-Scotton 2002: 113). Myers-Scotton suggests that bare forms are employed as a compromise strategy when structural congruence between two languages is low. Integrating EL material as bare forms is typical for many MCS utterances and texts. Bare forms do not violate the SMP, as the constraint does not require all ML late outsiders to be realized phonologically in the surface structure. It only predicts that no EL outsiders may occur in the surface structure. From a linguistic point of view, bare forms are not overly interesting at the first glance, but they need to be included in the analysis in order to show how frequent the actual problem cases are in comparison with the unproblematic ones. Also, from a morphosyntactic point of view, the question of which form to consider “bare” is not completely trivial. For Middle English (and also for Modern English) we can say that most determiners, adjectives and nouns are not inflected anymore anyway, as the inflectional system has collapsed already. So, for English DP elements, there seems to be no alternative to the bare form. For German nominals, the nominative can be considered the bare form of the word, as case forms are normally attached to the nominative base.13 However, for Latin nominals the question of what to consider the bare form of a word is not answered this easily. The case ending is often added to the stem, whereby the nominative ending is deleted (articul-us, articul-i). Furthermore, if Latin nominals are inserted into a German matrix, they are usually preceded by a German article which transports grammatical information on case, number and gender (ein articlus; das praeceptum). For this paper, I have decided to equate the nominative singular14, which is the unmarked form, with the bare form. But certainly, this issue needs more discussion (see McFadden 2014; 2018), and I suspect that CS patterns can shed

13 This is not so for German verbs. In the following example, the infinitive ending -en of the German EL verb fahren is omitted, leaving only the verb stem fahr- as the bare form: “Na, let’s fahr’ nach England (T9:617)” (see Keller 2014: 219). 14 For a discussion of borrowed plural forms see Kossmann (2010). Plural morphemes are early system morphemes in Myers-Scotton‘s terminology and are thus not affected by the MLF principles.

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more light on the theoretical status of nominatives and of the determiner as the functional head of the NP. The second variant used for embedding EL material in the sermons and in the Table Talk is created by adding ML inflection(s) to the EL insertion(s). This morphological integration strategy is regularly found in MCS when the ML is a highly inflecting language, e. g. when English verbs are inserted into a Russian matrix (see Bratman 2006). In terms of the MLF constraints, adapting EL material to ML morphological requirements is the optimal solution, as ML grammatical markers are applied to all elements of the bilingual clause. Independently of which language functions as the ML, this variant is hardly used in the Sermons and in the Table Talk. (7) Emenda tu-um clock-um (S1: 37)15 Correct your clock (8) Violent-os schwermer-os libenter habeo (TT2: 89) I prefer boisterous enthusiasts

(7)–(8) are the only two items I have found so far which contain EL lexemes adapted to ML morphological requirements. Both lexemes are used several times throughout the text. It appears that word-internal mixing was favored neither in the CS community of the sermon writer nor among Luther’s table companions. Besides this, the strategy of integrating an EL lexeme with the help of ML morphology is not peculiar to CS but quite typical for the integration of foreign lexemes as established loanwords.16 This is relevant with respect to the two examples given as (7) and (8) because their synchronic status as a foreign word is quite different for each of the two inserted EL items. The word clock in (7) is used in the same paragraph several times, also without ML morphology (e. g. tuum clock vadit false), and the Latin translation equivalent horologium is used as well. Thus, the choice of clock as an EL element is not a cultural borrowing due to a lexical gap in the Latin language. With (8) the situation is different: The Early New High German Schwermer literally translates as enthusiast(s). Rörer offers a Latin paraphrase in his comments: “Fanaticos homines tam furiosos” (TT2: 89, footnote 24). However, in the context of Luther’s theological discussions, the term is used as a

15 This example is also discussed in Halmari & Regetz (2011: 140) and Keller (2017: 211). 16 As of the 16th century, marking the Latin origin of morphologically integrated loanwords by switching the font is quite common in German texts. Schottelius’ Arbeit von der teutschen HaubtSprache (1663) or De Horrendum Bellum (1673) marks Latinate roots in one font and German affixes in another.



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derogatory label for the followers of mystic spiritualism (mystischer Spiritismus). Apparently, there was no translation equivalent in Latin which could have conveyed the same connotations to the audience at Luther’s table. Additionally, the Weimar edition renders the word form schwermeros in antiqua, not in blackletter. So, the word should most probably be classified as a cultural borrowing rather than a true code-switch. As there are hardly any examples of morphologically integrated EL items in the sermons and in the Table Talk, I will not go any further into the discussion of borrowing vs. CS.17 Also, as Myers-Scotton does not differentiate between borrowing and CS in her framework, their theoretical status does not have any repercussions on the present analysis. However, at a later stage, when more text types have been systematically analyzed, the issue might have to be brought up again. The third variant of integration of EL lexical material into an ML frame is insertion of the EL item along with its EL grammatical markers. According to the SMP this should not happen, but in both MS Bodley 649 and the Table Talk it is found, not frequently, but regularly when Latin DP elements which should be marked for case are inserted into a vernacular matrix: (9)

An einem peccatore poenitente (…) sol man nit verzweiueln (TT1: 169) In a remorseful sinner(…) do not grow desperate

(10) er sollte erkent haben seine blasphemiam (TT5: 228) he should have recognized his blasphemy (11a) and fro þe hiest puncto honoris þai wer put to þe lowest (S8: 219) and from the highest point of honor they were moved to the lowest (12a) Put away þis sori cecitatem desperacionis (S18: 447) Do away with this sorrowful blindness of despair (13a) Iste ventus haþ … made magnam tempest. (S4: 113) This wind has … caused a big storm.

Examples (9–13) show Latin EL case marking inside mixed DPs in clauses with the vernacular as the ML. Analogous findings in printed CS texts led McLelland (2004) as well as Auer & Muhamedova (2005) to the conclusion that the predic-

17 For a detailed discussion of borrowing in modern language communities see Poplack (2018). For interesting insights into borrowing of morphological paradigms in different social contexts see Kossmann (2010).

452 

 Mareike Keller

tions of the MLF model do not hold for HCS.18 However, our focus here is on case markers, and we know that these are often abbreviated in manuscripts and early prints, and then silently expanded in editions (Wenzel 1994: viii; Luther 1912: xiii). Therefore, if the option exists, recourse to the manuscripts is mandatory before any conclusions can be drawn. For examples (11a) and (12a) from MS Bod. 649 the violation of the SMP is verified:

(11b) Transliteration: þe hiest puncto honoris

(12b) Transliteration: þis sori cecitatē

In (11b), the Latin inflectional endings are spelled out, so there is no doubt they are intended the way Horner transcribed them. In (12b) we find a macron above the final e of cecitatem, which is the canonical abbreviation of a nasal consonant, leaving us with a Latin accusative ending. However, not all instances of Latin EL case marking in mixed DPs are equally straightforward to resolve. For (13a), a look at the facsimile shows this:

(13b) Transliteration: made mago test tempest

We can see that the writer did not spell out the case ending on the adjective, first misspelled the following noun, expuncted it and then rendered it as tempest. As it is at the end of the line, a position which often provokes abbreviation, it could

18 The transfer of EL case marking is, no doubt, unusual, both synchronically in code-switching and diachronically in long-term borrowing. In the latter context, Kossmann (2010: 464) writes: „PSB [Parallel System Borrowing] of case paradigms is not well attested. (…) A spectacular, but relatively marginal, example is provided by archaic learned registers of written German (as well as Dutch and Danish, Jespersen 1922: 213), in which biblical and classical names are inflected according to Latin patterns.“



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also be thought of as tempestatem (which would turn the DP from a mixed one into an EL island), but there are no clear abbreviation marks.19 With this example I want to stress once more that transcriptions which seem odd from a CS perspective need to be compared against the manuscript before drawing any conclusions, especially with respect to morphology. Expanding abbreviations is common practice in editions of manuscripts, and in principle there is nothing wrong with it. But when the focus of the investigation lies on morphological details, the role of the editor, or for early prints also the type setter, should not be underestimated.20 On the previous pages I have shown three ways of integrating EL elements in mixed DPs. The first variant, EL bare forms, are mostly Middle English word forms embedded into a Latin matrix. As Middle English didn’t have much left in terms of case endings by the time the sermons were composed, what we see are just plain English word forms inserted into Latin clause structure. This strategy has been observed and documented in many modern CS communities. However, it is not the only option. EL insertions can also be adapted to ML morphology, especially if the ML is a highly inflecting language and the EL is not. This is also quite common in MCS, but there is only one example in the sermons. I have not yet analyzed all five volumes of Luther’s Table Talk, but so far this strategy does not seem to be employed very often there either.21 The third variant, EL embedded elements with EL inflection, is not normally found in MCS – at least not in bilingual communities where everyday language mixing is the norm. After having encountered different types HCS texts, I believe that this third variant is a general feature of HCS where Latin is mixed with a vernacular. And I agree with previous statements that the MLF model does not capture this. However, something that is different from the norm and therefore is most likely to raise a red flag is easily mistaken for something frequent. In order to avoid the frequency fallacy, we need to address

19  See also Keller (2020: 55): „[T]he adjective that contains the suspicious accusative ends with a general suspension sign, which leaves the decision what it stands for to the reader. It is used frequently in the sermons, normally for well-known words. However, all 21 other abbreviated forms of magnam in the MS appear as magnā, which is the canonical way of abbreviating a final nasal consonant.“ 20 For the examples from the Table Talk, it would also be essential to analyze the MSS which were the basis for the Weimar edition. This will hopefully be the focus of a later project. 21 You do find ample examples of adapting EL lexemes to ML inflectional requirements in socalled macaronic texts with humorous intent, following the style of the Benedictine monk Teofilo Folengo (1491–1544). For me, this way of using Latin inflections to achieve comic effect is a literary device rather than a reflection of CS. This is also the reason why I prefer the label mixed for the sermons in MS Bod. 649 and the Table Talk – even though the term macaronic is used by Wenzel and Horner and has been adopted in publications following their editions.

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 Mareike Keller

the following questions: Are EL case markers in mixed DPs a frequent and thus maybe defining feature of HCS, which suggests we need a separate theory of HCS involving Latin? Or are the EL case endings not accounted for by the MLF model an occasional deviation from predominantly classic CS patterns?

3.4 Prevalence of EL case marking in MS Bodley 649 For quite some time now structural CS research has put emphasis on finding the one exception that invalidates a proposed rule (Toribio 2017: 214). I support the view that CS constraints are not absolute but try to capture general tendencies, just like any other grammar rule of any human language, which can be suspended if the pragmatic context of a specific utterance requires it. This does not mean that the pursuit of CS constraints is a futile endeavor. On the contrary, I believe that carving out the constraints that hold for a specific situation and comparing those to the constraints observed in different situations will eventually lead us to an understanding of which CS rules are most robust across time and space. Along the line of argument maintained by MacSwan (2014), a strong proponent of Chomskyan Minimalism and the null hypothesis of CS, I expect that diachronically robust features of CS indicate which grammatical features are essential for human languages and determined by Universal Grammar (principles) and which are peripheral and subject to cross-linguistic variation (parameters). I would expect the patterns based on essential features of CS (or language in general) to be realized frequently, and the patterns based on peripheral factors rooted in a specific linguistic setting to occur significantly less frequently. The studies dealing with the occurrence of EL case markers in HCS cited in section 3.2 do not address the issue of relative frequency. The following paragraphs attempt to fill this gap by giving some very basic statistical information on the relative frequency of the mixing patterns in MS Bodley 649 not captured by the MLF model:22

22 For the Table Talk, which consists of five volumes of over 700 pages each, I have no calculations, but a thorough manual review of all examples from the first volume as given in Stolt (1964), verified with the help of a digital version of the Weimar edition at http://luther.chadwyck.co.uk, has shown that examples contradicting the MLF model’s predictions are hard to spot. The ones that can be found – which were discussed above and in previous studies on the topic – are structurally the same as the ones in the sermons. EL case endings are retained in mixed DPs. Latin EL case endings in mixed clauses(!) are fairly frequent; hence it is no wonder that this phenomenon has caught the attention of several researchers before. However, most of the EL case forms that at the first glance might appear as contradictions to the MLF principles, in fact occur in EL islands, i. e. in full EL constituents (see Myers-Scotton 2001: 141), e. g. the right extraposition de iustifica-



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 455

2. Prevalence: How frequent are the structures not covered by the MLF model in relation to those the model can account for? The collection of Latin and Middle English mixed texts in MS Bodley 649 consists of 23 sermons, a total of 104.842 orthographic words.23 From these, all clauses containing mixed DPs with a minimal structure of one noun and one pre- or post-modifying adjective were extracted semi-automatically from a machine-readable version of Horner’s (2006) edition (Schulz & Keller 2016).24 Then the full text was reviewed manually to check that no items had been missed. Seven targets were excluded from the analysis, either because no clear ML could be assigned (exclamations like: “O þe ruful mutacio and vilenous disperginge humane anime!” – ‚O what wretched mutation and vile degrading of the human soul!‘) or because the adjective phrases were discontinuous (e. g. “habebunt plura picta verba and gay” – ‚they will have many fanciful and eloquent words‘). The remaining 213 target clauses were entered in a spreadsheet and annotated manually for the following features: – Number of sermon in which they occur – Page number in the edition (Horner 2006) – ML of the clause containing the mixed DP – Language of lexical element governing the mixed DP (if applicable) – Language of DP head and/or the DP specifier (if applicable) – Language of NP head – Language of pre- and/or post-modifying APs The language values for the elements inside the mixed DPs are English, Latin and ambiguous. The language values for the ML of the clause are Latin and English, as ambiguous clauses are not suitable for testing the predictive force of the MLF model. As the dominant language of the sermon collection as a whole is Latin, clauses with Latin as the ML by far outnumber those with English as the ML (Table 1).

tione in example in (5): „Vnd da sehen wir, wie ein notiger articulus das ist de iustificatione.“ 23  Number of tokens as calculated by AntConc (Anthony 2018). 24 Mixed DPs consisting only of a determiner and a noun complement (e. g. the mulier) were not included because their analysis offers ample ground for a lengthy theoretical discussion focusing on the role of functional heads in CS which leads too far away from the purpose of this paper.

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 Mareike Keller

Tab. 1: Relative frequency of Latin/Middle English ML in mixed clauses Number of items

Percent

Type

213

100.0 %

Mixed DPs total

182

85.5 %

Clauses with Latin ML

31

14.5 %

Clauses with English ML

For modern CS, the MLF model has helped to reveal an astounding systematicity behind seemingly random language mixing phenomena. It has shown that there are basic patterns recurring across language pairs and social settings. Structures that clearly violate the basic patterns may occur if a specific situation warrants them, but generally they tend to be avoided. As the table shows, risky structures are also comparatively few in HCS, compared to the overall frequency of all occurring types of mixed structures. This suggests that the MLF model could be a valuable tool in assessing the basic structures of CS in historical texts. Consequently, the language mixing patterns in the DPs were evaluated against the predictions of the MLF constraints. Example (7), repeated here as (14), shows a clause containing a mixed DP which matches both constraints, as word order and all late outsider system morphemes come from the same language. Example (12), repeated here as (15), shows a contradiction in terms of EL case marking. (14) Cape ist-um wild fire contricion-is (S2: 73) (15) Put away þis sori cecitatem desperacionis (S18: 447)

The detailed analysis of all 213 items reveals that mixed DPs in line with the predictions by far outnumber those which contradict them (Table 2). Tab. 2: Relative frequency of DPs confirming/contradicting the MLF constraints (all targets) Number of items

Percent

Type

213

100.0%

Mixed DPs total

207

97.2%

Mixed DPs in line with both MLF constraints

6

2.8%

Latin EL case marking contradicts the SMP

The numbers in Table 2 show that only a little under 3% of all mixed DPs are in clear contradiction to the SMP, the morphological constraint proposed in



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Myers-Scotton’s model.25 An observant reader might now argue that the total numbers of relevant target structures are heavily biased in favor of the MLF model from the start. The primary language of the sermons is Latin, and Latin ML clauses with English as the EL offer hardly any potential of contradicting the MLF model with respect to case marking. However, the MLF model makes predictions about all possible language mixing patterns, not only about overt EL case marking. Therefore, all mixed DPs need to be included in the calculation if we want to assess the types of mixing patterns that support or contradict the predictions of the model (research question 1) as well as the extent to which the MLF constraints cover the mixing patterns found in historical mixed texts (research question 2). If we look at all occurring mixed DPs, we find that in the 104.842-word text the MLF constraints are violated only six times. As the writer was clearly competent in both Latin and English, potentially, he could have violated the constraints several times in every clause with respect to case forms on nouns, pronouns, determiners, adjectives, participles. This suggests that bilingual constructions which are likely to lead to a violation of the MLF constraints are generally avoided in favor of constructions where no conflict with the constraints arises. We know this phenomenon from MCS, where speakers tend to either circumvent structurally “risky” constructions from the start or, if they notice a grammatical conflict, rephrase the utterance. To refine the results presented here on the basis of only one text, the same analysis should be performed on more texts, from different genres, language

25 As Middle English has no more overt case marking except in pronouns, one could argue that only mixed DPs in clauses with English as the ML and Latin embeddings are potential candidates for a violation of the SMP. If only those clauses are taken into consideration, we have 6 out of 31 clauses that violate the SMP, which is close to 20%. However, it also needs to be taken into consideration what we know from numerous MCS studies: competent code-switchers tend to avoid structures that are likely to cause difficulties on the morphological level. In oral MCS this can be indicated by hesitations and reformulations. Theoretically, the writer of the sermons in MS Bodley 649 could have constructed many more sentences with Latin embeddings violating the SMP. Also, he could have formed clauses with embedded English pronouns in object position which would be marked for case, which would also constitute a violation of the SMP. There is not a single such sentence. Furthermore, in Luther‘s Table Talk, where the ML of most clauses is German and Latin embeddings are more frequent than in MS Bodley 649, violations of the SMP hardly ever occur. Most case-marked Latin embeddings occur in syntactic positions which are exempt from the SMP (so-called EL islands). Keeping in mind that the morphosyntactic structures we see in a finished text are the result of concrete choices a writer made at the expense of other possible options, I maintain that to test the value of the MLF model for the exploration of HCS, all clauses need to be taken into account to which the predictions of the MLF model apply.

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 Mareike Keller

combinations and historical periods. A suggestion for what such a comparative analysis could look like is laid out in the following, final section of this paper.

4 M  odelling the structure of historical code-switching The third question addressed in the introduction to this paper concerns the way in which characteristic features of HCS could be integrated into a theoretical model. 3. Modelling: How can the characteristic morphological features of HCS be systematically recorded and integrated into a structural model with predictive and explanatory force? I hope to have shown above that, overall, most mixing patterns in the analyzed HCS texts comply with the MLF model without the need for any modifications. Thus, instead of looking for a completely new model or approach, I propose to keep the MLF model and to use it as a template against which HCS from different text types, time periods and language pairs can be compared. This method would allow us to see more clearly a) which features are peculiar to HCS in general, b) which features are peculiar to a specific type of HCS, and c) which features of CS remain stable throughout the centuries. It would also allow us to target the individual characteristics of HCS more precisely in order to discuss possible reasons for the deviation from a CS “norm” (assuming there is such a thing). These reasons might well lie beyond structural constraints and are most likely related to the socio-historic context in which the texts originated. By comparing different HCS texts against the MLF model as well as against each other, we can define a list of features characteristic of HCS, some showing its similarities to MCS, some setting it apart. A preliminary list concerning MS Bodley 649 and Luther’s Table Talk, including comments relating them to MCS, is given in Table 4. The list so far only contains details on DP-internal mixing and is compiled from Keller (2017), Keller (2020) and the present paper.



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Tab. 4: General findings and typical features of DPs in HCS Finding

Comment

1

Most mixed DPs comply with the MLF constraints

Suggestive of classic CS

2

The vast majority of EL insertions are realized as unmarked/bare forms (96.7%), i. e. Latin nominative/accusative and Middle English common case

Parallel to classic MCS

3

Occasional ML morphology on EL lexemes (one example, i. e. 0.5%)

Common in MCS, but extremely rare in sermons and Table Talk

4

Occasional embedding of EL attributive adjectives in mixed DPs

Generally avoided in MCS26

5

Occasional Latin EL case morphology on lexical heads (adjectives and/or nouns) in mixed DPs (2.8%)

Uncommon in MCS; characteristic for learned Latin mixed with a vernacular

6

Case marking on functional DP head always supplied by ML

Parallel to MCS: asymmetry between lexical and functional heads27



To make the list more representative it should, as soon as possible, be extended to other word classes and sentence constituents. Also, the type of noun that is most likely to adopt Latin morphology in mixed constituents should be investigated (proper names, place names; see Kossmann 2010: 465; 467; 475). And, of course, as many as possible HCS genres and time periods should be included. This would show to what extent the characteristics of HCS established on the basis of the two texts discussed above are generalizable, and whether there are distinct individual mixing preferences of the kind we find among MCS users (based on competence, generation, exposure, etc.). Nevertheless, the detailed analysis of mixed DPs in two text sets, MS Bodley 649 and Luther’s Table Talk, supports the hypothesis that the morphosyntactic structure of CS in historical texts is not fundamentally different from modern oral CS. The vast majority of mixed clauses are compliant with the constraints put forward in the MLF model. Systematic differences are limited to occasional case

26 The topic of adjective embedding in CS is discussed in detail in Keller (2017). Here it is mentioned as a potential area for further research in other MCS texts. 27 The relevance of functional heads in CS is highly interesting from a theoretical point of view, especially in the context of language change. However, the complexity of the topic did not seem to fit well into this paper, and I have decided to treat the issue in a separate publication.

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 Mareike Keller

markers on Latin nouns and/or adjectives in clauses that are framed by the vernacular. In these cases, the prescriptive force of Latin, which is rooted in its status as a learned language with explicitly taught rules, appears to win the upper hand over the implicitly acquired “rules” of CS.28 The morphosyntactic structure of the bilingual clauses in both text sets matches the structures described by Myers-Scotton for classic CS. This suggests that both text sets were created in a situation of stable bilingualism, and Latin and the vernacular were represented as two clearly distinct linguistic systems in the speakers’/writers’ minds.

5 Concluding remarks The analysis of case marking in MS Bodley 649 and Luther’s Table Talk presented in this paper suggests that the formal features of classic CS as stated in the MLF model are surprisingly stable across the centuries: The morphosyntactic grid of a bilingual clause, which carries information about basic semantic roles, is provided by only one of the two languages in 97.2% of all mixed constituents. Most insertions are unmarked forms (nominative/accusative for Latin, or Middle English common case). Morphological adaptation to the ML is extremely rare. EL case marking on nouns and adjectives in mixed constituents – which contradicts the predictions of the MLF model – is observed in 2.8% of all mixed DPs. I agree with Auer & Muhamedova (2005) that these Latin EL case markers are a characteristic feature of HCS and should be recognized as such. However, I do not see the occurrence of occasional EL late outsiders inside mixed constituents as proof that the MLF model does not hold. Rather, I want to stress that in relation to the overall number of DPs in mixed texts the deviations are very few in number. Also, I want to draw attention to the fact that the similarities and differences to MCS we find in Middle English and Latin sermons from the early 15th century are exactly the same ones as the ones we find in Early New High German and Latin Table Talk from the 16th century. Is this merely a coincidence? In order to find out whether the morphological characteristics established for the texts discussed in this paper can be generalized, the MLF model seems to provide a helpful starting point. Used as a template against which HCS from different time periods and lan-

28 See also Kossmann (2010: 480) who notes that transfer of non-native inflectional morphology „is typically found in contact situations with a high-prestige (not necessarily spoken) language, which is used for purposes related to religious and scientific learning, and which is formally taught.“



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guage pairs can be compared, it can help to delimit which features are peculiar to HCS and which features of CS remain stable throughout the centuries.

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Handschriftenübersicht Augsburg, Archiv des Bistums Augsburg Hs 6 (Glossen) 140, 144, 165–169 Brüssel, Bibliothèque Royale Albert 1er 18723 (bei StSG. irrig: 18725) (Glossen) 145, 166–169 Calbe, Stadtarchiv, ohne Signatur (Stadtbuch Calbe) 114, 118–121, 128 Dessau-Roßlau, Landesarchiv Sachsen-Anhalt (LASA), Z 18 Abt. Bernburg, A 9B Nr. 14 (Fürstentagebuch) 334f., 341f., 351–355, 357–359 Ebstorf, Klosterarchiv – Hs VI 10 (Seelentrost, Büchlein der ewigen Weisheit, Exempla, Lieder, Gebete) 189, 208 – Hs VI 11 (Benediktinerregel, Anweisungen an die Klosterschwestern) 198, 208 – Hs VI 11a (Geistliche Anweisungen der Priorin an die Klosterschwestern) 201, 208 – Hs VI 28 (Regula Benedicti, Speculum artis bene moriendi) 190, 208 Essen, Münsterschatzkammer Hs. 1 (Glossen) 139–170 passim Halle (Saale), Universitäts-und Landes­ bibliothek Sachsen-Anhalt – 27 B 19 (Stadtbuch Alsleben) 114, 118f., 125–128, 131–134 – Yd 2° 31 (1) (Schöffenbuch der Stadt Halle) 114, 118, 120f., 134f. Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek Cod. germ. 1a (Glossen) 145, 166 Hamburg, Staatsarchiv, Bestand 352-8/7: Staatskrankenhaus Langenhorn, Abl. 1995/02 (Patientenakten) 373, 392, 397 Jena, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek, Ms.Bos.o.17n (Handschriftliche Protokolle zur Bibelrevision) 215, 220f., 224–228, 232–234, 236f., 252, 263 Karlsruhe, Badische Landesbibliothek Aug. perg. 178 (Glossen) 145, 166–169 Kaufbeuren, Archiv des Bezirkskranken­ hauses (Patientenakten) 370, 374, 376–382, 384–392, 394, 397 https://doi.org/10.1515/9783110752793-016

Leipzig, Universitätsbibliothek, Ms 1583 (Stadtbuch Bernburg) 114, 120, 125, 130 Lindau, Privatbesitz, Freiherr Max Lochner von Hüttenbach (Verbleib unbekannt) (Glossen) 145f., 150, 152–154, 163f., 166, 169 Lüne, Klosterarchiv – Hs 15 (Briefbuch; Abschriften) 175, 185, 206, 208 – Hs 25 (Propstwahlordnung) 192, 208 – Hs 30 (Briefbuch; Abschriften) 185, 194, 201f., 208 – Hs 31 (Briefbuch; Abschriften) 185, 195f., 198, 200f., 203, 208 Magdeburg, Landesarchiv Sachsen-Anhalt (LASA) Cop. – Nr. 405a (Schöffenbuch der Stadt Aken) 114, 123f., 134f. – Nr. 406b-d (Wetebuch der Schöffen zu Calbe) 114, 119, 121–123, 125, 129f. – Nr. 427i (Handelsbuch Eisleben) 114, 118, 121 Mainz, Stadtbibliothek Hs. II 3 (Glossen) 145, 166–169 München, BSB, Cgm 5250(46 (Schöffenbuch der Stadt Aken) 114, 123f., 135 Oxford, Bodleian Library, MS. Bodley 649 (Summary catalogue no. 2293) (Predigten) 437, 443f., 446f., 451–455, 457–460 Tübingen, Universitätsbibliothek, Mc 221 (Nachschrift Martin Crusius) 315f. Wienhausen, Klosterarchiv – Hs 4 (Sammelhandschrift) 191, 193, 207 – Hs 8 (Gebetbuch) 185 – Hs 9 (Wienhäuser Liederbuch) 185 – Hs 10 (Arzneibuchfragment) 193, 207 – Hs 12 (Kleiderregister) 185 – Hs 15 (Lateinische Grammatik) 188, 207 – Hs 17 (Fragmente grammatischer Texte, u. a. Donatus) 187f., 207 – Hs 24 (Copiarium; Urkundenabschriften und Originalbriefe) 194–196, 198f., 203, 207 – Hs 35 (Responsoriale; Fragment) 192, 207 – Hs 40 (Gebet- und Andachtsbüchlein) 204, 207

Register Abbreviatur (Abkürzung) 18, 94, 118, 128f., 147, 219, 221, 228, 234, 253, 262, 279, 334, 410, 444f., 452f.; siehe auch Abkürzungsschrift Abkürzungsschrift 219–225, 238 Adressatenorientierung 117, 133f. Ælfric 27–29 album amicorum 272f., 283f., 287 Alemannisch siehe Deutsch Alphabetwechsel siehe Schriftwechsel Altenglisch (Old English) siehe Englisch Althochdeutsch siehe Deutsch Altsächsisch siehe Deutsch Antiqua 57, 101, 103–107, 293, 319–321, 410, 418, 429, 431f., 451 Aramäisch 218f., 385 Bairisch siehe Deutsch Barbarolexis 41, 64, 66 bare form 448f., 453, 459 Beda Venerabilis 154 Bemel, Georg 103f. Benediktinerregel 26, 190, 198 Beschränkungen (für Codeswitching) siehe Codeswitching Bibel 4f., 140f., 160, 211f., 215–218, 220, 222, 227, 229–232, 234f., 238, 241, 244f., 247f., 252, 256f., 261f., 311, 313, 315, 387, 390, 410; siehe auch Evangelium; Lutherbibel; Psalter – Bibelrevision 212–217, 219, 226f., 229–234, 236f., 241f., 244 – Bibelrevisionsprotokoll 5, 211–217, 219f., 222f., 225–242, 244, 246f., 250–253, 257f., 260–263 – Bibelübersetzung 5, 120, 130, 211f., 214, 218f., 245, 385 biscriptality siehe Zweischriftigkeit Bretonisch 50 Brief 21f., 46f., 53–56, 60, 66, 75, 175f., 182, 185, 187, 194–196, 198, 200–203, 213, 261, 339, 342, 367, 371–379, 382, 385–388, 390–396 Bruder Hansens Marienlieder 60, 63 https://doi.org/10.1515/9783110752793-017

Byrhtferth 29 Carmina Burana 64 Caroc, Georg Adolf 312 case marking 437–439, 441, 443, 447f., 451f., 454, 456f., 459f. Christian von Anhalt-Bernburg 5, 331–335, 338, 359, 361 Codemixing 6, 16f., 75–77, 83–85, 175–178, 181, 185–187, 193, 201f., 204, 206, 369, 403f., 423 Codeswitching (CS) – Beschränkungen für CS (constraints) 257, 441, 449f., 454, 456–459 – binnensprachliches CS siehe Varietätenwechsel – Definitionen von CS 16f., 20, 92, 177f., 239f., 273, 306, 333, 368, 370, 403–405, 408, 417, 419, 426, 440 – Funktionen von CS (z. B. extralinguistic functions, hidden functions u. v. m.) 15, 17, 25, 37f., 40, 42, 44, 46, 49–51, 53–60, 62–64, 66f., 76f., 79, 81, 140–142, 156–158, 188–189, 191, 194, 196, 214, 235, 239–241, 244, 248, 256, 269–298, 307, 310f., 319, 321, 331f., 336f., 341–344, 346, 348–361, 367–370, 372–375, 378f., 382, 384, 387, 391, 395f., 404f., 418, 432 – Intention(alität) von CS 18, 81, 116–118, 135f., 186, 193, 205, 369f., 405, 432 – intersententielles (intersententiales) CS 76, 178, 202, 240, 252, 262, 281, 284, 286, 318, 408, 415, 419, 431, 443, 446 – intrasententielles (intrasententiales) CS 17, 76, 85, 115, 170, 178, 193f., 202, 240, 242, 248, 252f., 255f., 260–262, 280–282, 286, 290, 294, 297, 408f., 412f., 415–417, 419, 440, 443, 447 – klassisches CS 439–440, 442f., 454, 459f. – mündliches CS 40f., 107, 178, 180, 213f., 223, 241, 250, 310, 314, 374, 376, 395, 403f., 409, 417, 429

468 

 Register

– single-word CS 23–26, 28, 30, 121, 142, 240, 279, 285, 295, 307, 319, 321, 441, 446 Consistory protocol 270, 272f., 276, 278f., 282f., 287, 292, 298 conversational intimacy siehe Nähesprachlichkeit Corpus Iuris civilis 96 Damascen v. Kleinmayrn, Johann 304 Dänisch 3, 39 Definitionen (von Codeswitching) siehe Codeswitching Defizit(hypothese) 78, 82, 86, 116 Demangeon, Jean Baptiste 312 Destabilisierung (der Erstsprache) 40, 53, 62 Deutsch – Alemannisch 47 – Althochdeutsch 14, 64, 75, 82, 139f., 142, 170 – Altsächsisch 140, 144–146, 148, 150, 153, 155, 163f., 165 – Bairisch 377f., 380, 385, 289, 392, 395 – Frühneuhochdeutsch 23, 132, 182, 211, 218, 238f., 261 – Hochdeutsch 61–63, 67, 114–117, 126, 130, 132–134, 136, 182, 371f., 388 – Mittelniederdeutsch 116f., 182f., 185, 187–190, 192f., 196, 198, 200–204, 218 – Niederdeutsch 44, 61f., 113–117, 126, 130, 132–136, 175f., 182f., 185–192, 194f., 197f., 201f., 206f., 371–373, 375 – Norddeutsch 372f. – Ostmitteldeutsch 113f., 117, 119, 121, 125, 127, 130, 132, 134f. – Rheinmaasländisch 62f. – Ripuarisch 43f., 60f. – Süddeutsch 57, 184, 367, 371, 373f., 376, 378, 381, 388, 392–396 – Schwäbisch 381f., 384, 386, 388, 392 Deutsches Rechtswörterbuch 76, 93, 105f. Diamorphe, visuelle (visual diamorphs) 19f., 128 Domäne (z. B. thematische, Sprachgebrauchs- etc.) 5, 13, 22, 86, 164, 181, 218, 247, 305, 316, 342, 347f., 415, 425 Donatus, Aelius 187

DRQEdit 93f., 105 Dürer, Albrecht 56 Ebstorf (Kloster) 175, 196–198, 202 Editionsphilologie 308f. Egodokument 4, 341, 361, 367 Eigenname 75, 243, 321, 334, 410, 423, 429–431 Einbettung 4, 76, 80, 85, 125, 178, 231, 259, 369 Embedded Language 115, 177f., 273f., 277, 288–290, 293, 297, 440, 449f., 453, 457, 459 Emotion(alität)/emotional 81, 194, 196, 198, 202, 246, 260f., 337, 340f., 344–346, 350, 360f., 378, 391 Emphase 342, 355f., 360f. Enchiridion 29 England/Engländer 2, 13–17, 21f., 43, 46, 443 Englisch (darunter auch: Altenglisch; Frühmittelenglisch; Mittelenglisch) 2, 6, 14–17, 19–30, 38f., 60f., 63, 141, 269, 275, 370f., 388–390, 396 Entlehnung 1, 4, 6, 14, 22f., 25, 38, 45, 52, 54, 60, 67, 84, 115f., 120f., 192, 201, 258, 261, 306f., 319f., 333, 390, 411 Evangeliar 4, 139f., 142f., 145f., 150, 152–154, 158, 160f., 163–170 Evangelium/Evangelien 27, 144–147, 152, 158, 160, 163, 165f., 189, 385 Fachsprache 83, 86, 117, 241, 360 Fingerlos, Matthäus 306 Formel 44, 77f., 117, 120, 122, 124–127, 130, 133, 189f., 346, 356, 377, 392f., 415 Formelbuch 102 Formelhaftigkeit 77, 117, 121–123, 127f., 130, 184, 342, 358–360 Fraktur 103f., 106f., 319, 431f. Francke, August Hermann 313, 320–322 Französisch (French) 2f., 5f., 14f., 21f., 29, 38–40, 48–54, 58–60, 63, 65, 67f., 275, 277, 293, 312, 319, 331, 334–336, 343–350, 352f., 355–358, 360, 370, 376f., 390, 393, 414, 425

Register  Frauenkloster 5, 175f., 180–184, 186, 193, 198, 200f., 204, 206 Freiherr vom Stein 53 Fruchtbringende Gesellschaft 334f., 347 Frühmittelenglisch siehe Englisch Frühneuhochdeutsch (Early New High German) siehe Deutsch Fugger, Philipp Eduard 56f. Funktionen (von Codeswitching) siehe Codeswitching Fused lect 38, 47, 55, 61, 67, 115, 424 Germanismen 411 Glossar 95, 143, 145, 166 Glosse/Glossierung 4, 21, 24, 26f., 75, 78, 96f., 139–146, 148–150, 152–170, 185, 229f. Gobler, Justin 97, 99f., 104 Gottfried von Straßburg 50 Griechisch (Greek) 5, 92, 96, 107, 139, 142, 218f., 231f., 235, 239, 243, 245, 248–251, 269, 275, 277, 288, 315, 320f. Griesbach, Conrad Caspar 309 Große Ravensburger Handelsgesellschaft 46, 55 Hebräisch (Hebrew) 5f., 43f., 218f., 234–239, 243, 245f., 248–250, 275, 277, 314f., 320f., 371, 387, 407, 410, 413f., 416, 429–432 Heteroglossie 423 Hexameron 27f. Hieronymus 154 Historisches Vorlesungskorpus 5, 316–318, 320–323 Hochdeutsch siehe Deutsch Hrabanus Maurus 154, 156 Hugen, Alexander 98, 102 In-grouping 342, 355–358, 360 Innovation, lexikalische 23–25, 27–29 Insert/Insertion 3f., 17, 47, 75, 77, 79, 80f., 83, 85f., 115, 125, 140, 142, 175, 178–180, 188–190, 193–197, 199–202, 204–206, 240, 274, 280, 282, 285f., 288, 297, 307, 314, 319, 333, 369,

 469

407–414, 416, 419f., 423, 431, 437, 441, 446f., 449–451, 453, 459f. Intentionalität (von Codeswitching) siehe Codeswitching Interjektion 196, 246, 341f., 359, 423 Intersententielles Codeswitching siehe Codeswitching Intertextualität 230–236, 238f., 342, 350, 355f., 358f. Intrasententielles Codeswitching siehe Codeswitching Italienisch (Italian) 5, 39f., 43f., 47, 54–57, 65, 68, 243, 251, 275, 285, 331, 334–336, 343–350, 353, 355–360 Jiddisch 387, 407, 410, 427f. Katalanisch 46f. Kaufmannssprache 54, 67 Kern, Johannes 305 Klagspiegel 91, 94–98 klassisches Codeswitching siehe Codeswitching Kleiner Aruch 44 Kolleg siehe Vorlesung Kontaktsprache 4, 48, 66, 68, 411, 415, 421, 428, 431 Konventionalisierung 47, 54f., 61 Korpuslinguistik 7, 334; siehe auch Historisches Vorlesungskorpus Kreß, Hilpolt 54 Kurrentschrift 57, 319, 321, 371f., 387 Kyrillisch 6, 418, 431f. language shift siehe Sprach(en)wechsel1 Language-Mixing 16, 113–116, 120f., 129f., 132–136, 142, 170, 240, 288, 295, 306f., 316, 320–322, 403f., 421, 423, 431, 440, 443f., 446f., 453, 456f. Latein (Latin) 1–6, 13–15, 19, 21–30, 38–44, 46, 48f., 54, 57, 60, 62–65, 75, 77–86, 91–107, 113, 115–118, 120–131, 139–146, 148–158, 160, 162f., 164, 168–170, 175f., 180–207, 213f., 217–219, 221–223, 225, 231f., 234f., 238f., 243–245, 247–250, 252, 255–261, 303–305, 308, 310–316, 318f., 321–323, 334f., 343–351, 355f.,

470 

 Register

359f., 370–372, 377, 385, 387, 390, 404f., 407, 412, 414f., 418f., 424, 429, 431f. Lateinkompetenz/Lateinkenntnisse 101, 103, 183–185, 189, 197, 304f., 311, 377 Leges barbarorum 3f., 75f., 80f., 83f., 86, 140, 150 Lehnwort siehe Entlehnung Lexikographie/lexikographisch 4, 7, 14, 23f., 30, 105 Lüne (Kloster) 175, 184f., 192, 194, 197f., 201, 203 Luther, Martin 2, 5, 16, 113, 120, 130, 211–220, 229–231, 234, 241, 246, 262, 305, 314, 437, 445–448, 450f., 453, 457–460 Lutherbibel 211f., 215f., 230f. Makkaronisch 14, 41, 65f., 68, 309, 423 Marienfrede (Kloster) 62 Mathesius, Johannes 216–218, 230 Matrix Language Frame Model (MLF model) 6, 20, 319, 437–443, 445–450, 452–460 Matrixsprache/Matrixtext 4, 6, 20, 47f., 52f., 56, 77–79, 82, 85, 92f., 115, 126f., 129, 131f., 177–179, 186, 190, 201f., 204, 240, 253, 255–257, 259, 273f., 277, 285, 288–291, 297, 316, 333, 337, 345, 351, 358, 369, 373, 395, 407, 409f., 412–414, 419, 423, 430f., 440, 447, 449–451, 453; siehe auch Textmatrix Mehrschriftigkeit 6, 180 Meier Helmbrecht 58, 61 Melanchthon, Philipp 215–219 Mischsprache 7, 38, 61, 120, 140, 163, 169f., 213f., 323, 406, 424 Mischtext 13f., 17, 19, 21f., 84–86, 181, 193, 213, 404 Mittelenglisch (Middle English) siehe Englisch Mittelniederdeutsch siehe Deutsch Morphosyntax (morphosyntax) 79, 84f., 421f., 438–440, 449, 457, 459f. Mozart, Wolfgang Amadeus 66 Multilinguale Praktiken (multilingual practices) 2f., 4–7, 277, 293, 306f., 312,

315, 318, 320, 323, 403–406, 408–410, 420, 424, 429, 431–433 Mündlichkeit 2, 5, 7, 40f., 45, 47, 51f., 59, 64, 81, 116f., 132, 135, 139, 177f., 180, 196, 213f., 219, 223, 241, 250, 278, 283, 292, 297f., 310, 314, 317, 323, 351, 374–376, 395, 403f., 407, 409, 417, 429, 432, 442–444, 447, 457, 459; siehe auch Codeswitching Nachschrift 5, 213f., 230, 261f., 308, 314f., 317, 322f. Nähesprachlichkeit (conversational intimacy) 246, 272, 274, 277, 282f., 287, 292, 297f., 367, 375, 385, 388, 391, 393f. Neubauer, Ernst Friedrich 307, 309f. Niederdeutsch siehe Deutsch norddeutsch siehe Deutsch Oekolampad, Johannes 314f. Organon-Modell 374 ornatus 51 Ostmitteldeutsch siehe Deutsch Oswald von Wolkenstein 55, 64f. Oswald von Worcester 23 Out-grouping 337, 343, 354–358, 360 Paracelsus 176, 305, 315 Parallelität (von Texten) 431 Passionsbetrachtung 189f. Polnisch 3, 6, 39, 371, 406–409, 411–415, 417–423, 425, 428, 430 Präpositionalphrase 154, 194–196, 200f., 248, 256–259, 261 Predigt (sermon) 3, 5, 15, 19–22, 189, 191, 213f., 216, 219, 222, 230, 261f., 270, 275f., 309, 311, 367, 437, 443–448, 450f., 453–455, 457, 459f. Prestigesprache 50, 53, 60, 62, 65 Protokoll 5, 317, 322; siehe auch Bibelrevisionsprotokoll; Consistory protocol Psalter 214f., 226f., 229–234, 236f., 241, 244 puritas 51, 309f., 316 Rambach, Johann Jakob 307–313, 320f. Rechtsbuch 4, 91–93, 95, 98, 105, 107 Rechtssprache 83, 105, 199

Register  Redewiedergabe 342, 356, 381, 417 Regionalsprache 61f., 67, 80 Rezept 140, 176, 185, 187, 191–193 Rheinmaasländisch siehe Deutsch Rhetorik/rhetorisch 51, 64, 85, 178, 200, 202, 205, 257, 309f., 316 Ripuarisch siehe Deutsch Romanisch 40, 47, 81, 405 Römisches Recht, Rezeption 4, 91–93, 95f., 100f., 105, 107f. Rörer, Georg 211–217, 219–223, 225–230, 238, 252, 257, 261, 263, 450 Russisch 382f., 406, 450 Ruthenisch 406f. Sartori, Tiberius 305 scholarship application 270, 272, 276, 288–290, 292, 298 Schottel, Justus Georg 3, 336, 437, 450 Schreibsprache 63, 115, 130f., 133, 136, 180 Schreibsprachenwechsel siehe Sprach(en) wechsel1 Schreinskarte 48f. Schrift(art) siehe Antiqua; Fraktur; Kurrentschrift Schriftart(en)wechsel 103–105, 319–323, 432 Schriftwechsel (Alphabetwechsel) 320, 323, 410, 418, 432 Schurzfleisch, Konrad Samuel 313 Schwäbisch siehe Deutsch Schwedisch (swedish) 5, 272, 275, 277f., 282, 288, 293f., 296 Seifried Helbling 59 Selbstinszenierung 65 single-word Codeswitching siehe Codeswitching Slowenisch 39, 57f., 65 Spanisch 47, 319, 331, 334f., 343f. Spick, Johannes 62 Sprach(en)wechsel1 (i. S. v. ‚language shift‘) 4f., 22, 38, 62, 67, 114–116, 126, 131f., 135, 182, 305f., 316, 318, 321, 323 Sprach(en)wechsel2 (i. S. v. ‚Codeswitching‘ o. Ä.) 19, 44, 54, 60f., 63–65, 76f., 79, 81, 85f., 92, 94f., 102–104, 113, 115–118, 121, 125, 127, 129–131, 134–136, 140f.,

 471

158, 170, 178, 187, 192–194, 199, 201, 203f., 206, 214, 222f., 225, 239f., 248, 250–252, 255, 258, 260f., 332f., 336, 338, 341, 345, 350, 352, 354–357, 359f., 367, 379, 404f., 407, 409, 415f., 418, 425f., 428, 431f. Sprachbewertungssystem 42, 57, 59, 67f. Sprachkompetenz 14, 82, 146, 176, 182, 184, 205, 219, 258, 263, 336, 344, 388 Sprachmischung 2, 13–17, 19, 22, 46f., 67, 84, 86, 117, 136, 176, 180f., 185, 189, 193, 202, 205, 207, 213f., 258, 261f., 306f., 309, 315f., 400, 404, 421, 423, 431 Sprachschmuck 51, 68 Sprachspiel 376 Sprachwandel 23, 38, 42, 53f., 61, 66f., 116, 132, 134–136 Stadtbuch 4, 113f., 116–118, 121f., 124f., 127, 129–132, 134f. Statusmarkierung 50f., 53, 68 Stilmittel 41, 64 Stöger, Bernhard 303–306, 316 Süddeutsch siehe Deutsch System Morpheme Principle (SMP) 441, 449, 451f., 456f. Tagebuch 5, 55f., 62, 331–335, 337f., 342–346, 348–350, 352–354, 359–361, 383 Terminologiezwang 241, 248 Textmatrix 408, 412f., 416, 430; siehe auch Matrixsprache Textsorte 2, 4f., 7, 13, 16–19, 21f., 113, 141, 143, 176, 180, 182f., 185, 199, 202, 213f., 219, 225, 228, 238, 257, 262, 317, 322f., 332, 361, 375, 396, 423, 428, 431 Textstruktur 127, 337, 342, 354–356, 375–377, 379, 396 Thomasin von Zerklaere 51 Thomasius, Christian 305, 314, 316, 318, 320–322 Torquatus, Georg 62f. Trigger/Triggering 5, 337, 345, 360, 370 Tschechisch 39, 57–59

472 

 Register

Übersetzung 21, 23f., 26f., 44, 92, 96, 105, 108, 133, 139f., 147, 157, 163–165, 183, 189f., 192, 214f., 229, 231–235, 238, 242, 245f., 262, 307f., 310, 315, 334, 424, 429; siehe auch Bibelübersetzung Ukrainisch 3, 6, 371, 406f., 412, 414, 418f. Ulrich von Lichtenstein 57 Universitätssprache 5, 307, 311, 316 Urkunde 3, 23, 75, 113, 176, 182, 187, 199f. Varietät 1f., 47, 84, 92, 113, 117, 130, 133, 135f., 182, 240, 307, 367–369, 371–373, 375, 378f., 381, 386–388, 395–397, 405f., 418, 424 Varietätenwechsel 61, 92, 133, 369, 373 Venzky, Georg 307–309 Verständnissicherung 37, 49, 169, 409, 416, 430, 432 Volkssprache/volkssprachig (volkssprachlich) 1, 3f., 13, 15, 21, 38f., 49, 64, 75–81, 83–86, 103, 113, 117,

122, 129f., 139–146, 148–152, 154–158, 160–171, 183, 214, 305, 315–317, 322, 405 Vorlesung (Kolleg) 5, 176, 219, 270, 276, 292, 303–318, 320–323 Walisisch 50 Westphal, Andreas 312 Wienhausen (Kloster) 175, 185, 187, 193f., 198f. Wissenschaftssprache 15, 304f., 309, 316, 322 Wolff, Christian 320, 322 Wolfram von Eschenbach 51f. Wulfstan 27 Würth, Aemilian 304f. Zitatwort 84f., 231, 234, 245, 257, 318f. Zweischriftigkeit (biscriptality) 41, 319, 321, 432