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German Pages 128 Year 2020
Bis auf den heutigen Tag zählt Hieronymus Bosch (um 1450/55– 1516) zu den beliebtesten und meistdiskutierten Malern der europäischen Kunstgeschichte. Seine Bilder geben dem Betrachter zahllose Rätsel auf und haben zu manchen abenteuerlichen Interpretationen geführt, die Bosch in den Randzonen der damaligen Gesellschaft ansiedelten. Nils Büttner gibt in diesem Band eine anschauliche, historisch fundierte Einführung in Leben und Werk Boschs, zu dessen Auftraggebern der niederländische Hochadel und der burgundische Hof Philipps des Schönen gehörten. Vor dem Hintergrund der damaligen Kultur und Religiosität deutet Büttner Boschs Werke, unter denen die Darstellungen von Heiligen, Asketen und Einsiedlern, die Moralsatiren sowie die großen Triptychen herausragen. Schließlich zeigt er, wie schon zu Lebzeiten Boschs dessen Werke kopiert und dessen Stil nachgeahmt wurden. Auch dadurch begründete sich der bis heute anhaltende Ruhm des Künstlers.
Nils Büttner ist Professor für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Bei C. H. Beck sind von ihm erschienen: Rubens (2007), Vermeer (2010) und Pieter Bruegel d. Ä. (2018).
Nils Büttner
HIERONYMUS BOSCH
C.H.Beck
Für Rike
Mit 39 Abbildungen, davon 18 in Farbe
2., durchgesehene Auflage. 2019 © Verlag C.H.Beck oHG, München 2012 Reihengestaltung Umschlag: Uwe Göbel (Original 1995, mit Logo), Marion Blomeyer (Überarbeitung 2018) Umschlagabbildung: Das Jüngste Gericht (Detail), vollendet um 1505, Öl auf Holz, Wien, Galerie der Akademie der Bildenden Künste, © Scala Archives, Austrian Archives ISBN Buch 978 3 406 74155 5 ISBN eBook 978 3 406 74156 2 Die gedruckte Ausgabe dieses Titels erhalten Sie im Buchhandel sowie versandkostenfrei auf unserer Website www.chbeck.de. Dort finden Sie auch unser gesamtes Programm und viele weitere Informationen.
Inhalt
1. Im Anfang
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2. Ein Maler in Den Bosch
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3. Geistliche Stiftungen
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4. Von Weihnachten bis Ostern
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5. Fromme Exempel
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6. Kunst der Erfindung und Erfindung der Kunst 65 7. Todsünden und Weltgericht
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8. Heuwagen und Garten der Lüste
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9. Die Torheit der Welt
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10. Interpretationen
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Literatur Bildnachweis Personenregister Werkregister
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1. Im Anfang
Die Heimatstadt Hieronymus Boschs, deren Namen er annahm, war ’s-Hertogenbosch, von seinen Einwohnern meist nur Den Bosch genannt. Sie liegt in den Niederlanden; ins holländische Haarlem ist es von dort etwa genauso weit wie ins heute belgische Antwerpen. Diese Tatsache blieb für die Deutung von Boschs Werk nicht ohne Folgen. Denn seine vermeintliche Sonderstellung im Bereich der sogenannten altniederländischen Malerei wurde von einer in nationalen Schulen denkenden Kunstgeschichtsschreibung als erste Andeutung einer nordniederländischen Eigenart gedeutet, die man auch für die Malerei des sogenannten Goldenen Zeitalters unterstellte. Doch Belgien gab es zu Boschs Zeit noch nicht, und die Niederlande waren auch lange darüber hinaus ein einheitlicher Kulturraum. Bosch wurde von Künstlern aus den südlichen Niederlanden stark beeinflusst und hat gerade dort eine breite Nachfolge gefunden. Eine schier unüberschaubare Zahl von Kopien und Nachahmungen, die teils schon zu seinen Lebzeiten entstanden, legt davon beredt Zeugnis ab. Außer seinen Bildern hat Bosch nichts von dem hinterlassen, was Interpreten gerne lesen. Es gibt von ihm keine Tagebücher, Briefe oder anderen persönlichen Äußerungen über sich und seine Kunst. Er wäre mithin ein idealer Kandidat, um die Idee vom «Tod des Autors» auf die Probe zu stellen, die Idee, dass die Person hinter dem Werk keine Rolle für dessen Deutung spielen könne. Doch statt Boschs Bilder im Zusammenhang der Kunst und Kultur ihrer Zeit zu verorten, wurde aus ihnen auf ihren Verfertiger zurückgeschlossen. Nicht immer wurde dabei zwischen nachweislich eigenhändigen Arbeiten und Imitationen unterschieden. Die vom Geniekult des 19. Jahrhunderts geprägte Künstlerbiographik ließ Bosch zum bahnbrechenden Wegbereiter des Surrealismus werden und zum malenden Ket-
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zer, der sektiererischen Geheimbünden nahegestanden habe. Man hat den Maler einer häretischen «Bruderschaft vom Freien Geiste» zugesellt, deren Lebenslehren ihm die Motive seiner Bilder diktiert hätten. Er wurde zum Adamiten, Katharer, Astrologen, Alchemisten oder Psychopathen erklärt, und aus seinen Bildern schloss man auf den Gebrauch von «Hexensalbe» oder psychedelischen Drogen. Auch in der Traumdeutung, der Psychoanalyse und dem kollektiven Unbewussten wurde nach Erklärungen für seine Bilder gesucht. Und es ist sicher kein Zufall, dass in den Jahrzehnten der Entdeckung des menschlichen Seelenlebens und der Psychoanalyse die Beschäftigung mit Bosch sprunghaft zunahm. Die erste Monographie in Buchform erschien 1907, und ihr Verfasser Maurice Gossart kam damit dem wachsenden Interesse an dem «faizeur de Dyables» entgegen. Das Prädikat des «Teufelsmachers», das im Titel dieses Buches verwendet wurde, haftet dem Maler allerdings bereits seit dem 16. Jahrhundert an. Erstmals begegnet es knapp ein halbes Jahrhundert nach Boschs Tod bei Marcus van Varnewijck, der kurz nach dem Jahr 1568 schrieb, dass man Bosch den «duvelmakere» genannt habe. Doch war er das wirklich? Eine präzise kunsthistorische Stilkritik hat das als authentisch geltende Œuvre Boschs erheblich schrumpfen lassen. Während es für Charles de Tolnay 1937 noch 41 eigenhändige Bilder gab, ließ Gerd Unverfehrt 1980 nur mehr 25 gelten. Eine weitere Eingrenzung erbrachten naturwissenschaftliche Analyseverfahren, vor allem die Altersbestimmung der verwendeten Maltafeln mittels Dendrochronologie. Das Bosch Forschungsprojekt (BRCP) geht heute von zwei Dutzend eigenhändigen Arbeiten aus. Teils handelt es sich dabei um einst zusammengehörige Fragmente größerer Werke, die auf verschiedene Museen verteilt sind. Die Eingrenzung des Œuvres hat zugleich dessen thematischen Fokus verschoben. Statt der von bizarren Mischwesen bevölkerten, düster phantastischen Höllenszenen erscheinen nun die eher traditionellen Motive der christlichen Bildwelt als Schwerpunkt. Damit werden auch die zahlreichen Rückschlüsse von den Bildern auf die Psychopathologie des Künstlers zunehmend
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fragwürdig, auch wenn sie sich auf eine lange Tradition berufen können. Eines der frühesten ausführlichen Zeugnisse über Bosch ist in einer 1605 verfassten «Geschichte des Hieronymitenordens» enthalten. Sie bietet eine Chronik des Klosters El Escorial, das Philipp II. von Spanien gestiftet hatte. Vier Jahrzehnte nach dem Konzil von Trient, das sich ausdrücklich gegen Bilder aus der Zeit Boschs ausgesprochen hatte, die die Betrachter in die religiöse Irre führen könnten, versuchte Fray José de Sigüenza, die Vorliebe des allerkatholischsten Königs für diese Werke zu erklären. Die Autorität des Königs wird für Sigüenza zum Bürgen für die über jeden Verdacht der Häresie erhabenen Bilder Boschs. «Der Unterschied, der meiner Ansicht nach zwischen den Gemälden dieses Mannes und denen anderer besteht», so Sigüenza, «liegt darin, dass die andern suchen, den Menschen so oft wie möglich so zu malen, wie er von außen aussieht, während er den Mut hat, ihn so zu malen, wie er im Inneren ist.» Boschs Bilder wurden auf diese Weise schon früh zu Zeugnissen des Seelenlebens eines Malers, über dessen Leben Sigüenza genauso wenig wusste wie sein Zeitgenosse Karel van Mander. Der bekennt in seiner 1604 publizierten Sammlung von Lebensbeschreibungen der berühmtesten niederländischen Maler freimütig, er habe, außer dass Bosch «schon zu sehr früher Zeit gelebt hat, keine Daten über sein Leben und Sterben in Erfahrung bringen können». Seit den Zeiten van Manders hat sich das biographische Wissen erheblich vergrößert. Heute ist das Leben Boschs besser dokumentiert als das der meisten niederländischen Maler seiner Zeit. So lässt sich ein durchaus facettenreiches Bild seiner Existenz zeichnen. Die im Folgenden erzählte Geschichte stützt sich vor allem auf die materielle Überlieferung. Sie erkennt damit an, was der Historiker Reinhart Koselleck das «Vetorecht der Quellen» nennt. Die zahlreich erhaltenen materiellen Zeugnisse, Bilder, Urkunden und Dokumente, legen zwar nicht fest, was man über Boschs Biographie sagen kann oder soll, aber sie bestimmen durchaus, was nicht gesagt werden darf. Das Folgende darf gesagt werden.
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Den Weg ins Rathaus von Den Bosch hatte der Maler Anthonius van Aken schon häufig angetreten. Am 5. April 1474 begleitete er seine nicht rechtsfähige Tochter Katharina, um die Begleichung einer Pachtzahlung bestätigen zu lassen. Sowohl der Vater Anthonius als auch die Brüder Goessen, Jheronimus und Johannes gaben dazu ihre Zustimmung. Die trivial anmutende Rechtsurkunde ist das früheste überlieferte Zeugnis aus dem Leben des später berühmten Malers. Da der Schreiber den Namen erwähnt, wird Bosch zu diesem Zeitpunkt rechtsfähig gewesen sein. Das erst im 16. Jahrhundert kodifizierte Gewohnheitsrecht schrieb dafür ein Alter von 24 Jahren vor. So wird Bosch, selbst wenn man seinerzeit früher für mündig befunden wurde, zwischen 1450 und 1455 geboren sein. Zugleich überliefert die Urkunde erstmals die Schreibweise seines Vornamens. Sein erster Biograph van Mander verwandte 1604 die niederländische Namensform «Ieronimus», der Spanier Sigüenza schrieb zur selben Zeit «Geronimo». Zwar ist keine eigenhändige Unterschrift überliefert, doch findet sich auf verschiedenen Werken die Signatur «Jheronimus Bosch». Sie wurde früh zum international bekannten Markenzeichen, auch wenn heute nicht mehr alle Werke, auf denen sie auftaucht, als eigenhändig gelten. Wie Bosch selbst seinen Namen schrieb, bezeugt auch eine Notiz in den Unterlagen der Liebfrauenbruderschaft in Den Bosch. Deren Schreiber notierte am 10. März 1510, dass man im Hause des Mitbruders Hieronymus van Aken zu Gast gewesen sei, des Malers, «der sich selbst Jheronimus Bosch schreibt». Seine Familienangehörigen und Mitbürger nannten ihn Joen (gesprochen: Juhn), eine Namensform, die in verschiedenen Dokumenten bezeugt ist. Heute hat sich die latinisierte Form Hieronymus Bosch etabliert, die hier im Folgenden verwandt wird. Insgesamt sind aus einem Zeitraum von 42 Jahren mehr als
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50 Urkunden erhalten, die Rückschlüsse auf Boschs Leben zulassen. Über seine Ausbildung ist nichts bezeugt, doch wird er die Lateinschule besucht haben. Das wird nicht nur durch seinen späteren Lebenslauf nahegelegt, sondern auch durch sein Herkunftsmilieu. Will man der um die Mitte des 16. Jahrhunderts verfassten Stadtchronik des Albertus Cuperinus glauben, war es in ’s-Hertogenbosch üblich, die Kinder von klein auf in die Schule zu schicken oder sie ein Handwerk lernen zu lassen. Auf Bosch trifft beides zu. Seine Malerlaufbahn trat er als Mitarbeiter in der väterlichen Werkstatt an. Anthonius van Aken führte bereits in zweiter Generation eine der angesehensten Malerwerkstätten der Stadt. Sein Vater, Jan van Aken, der Großvater von Hieronymus, hatte sich um das Jahr 1427 aus Nijmegen kommend als Maler in der Stadt niedergelassen, wo vier seiner fünf Söhne ebenfalls Maler wurden. Und schon sein Vater, Boschs Urgroßvater Thomas, war Maler gewesen. Aus Aachen – woher sich auch der Familienname van Aken ableitet – war er in die Niederlande gezogen und hatte sich 1404 in Nijmegen niedergelassen. Dass verschiedene männliche Mitglieder einer Familie den gleichen Beruf ausübten, war damals nicht unüblich. Dennoch gibt es aus den Niederlanden jener Zeit kein zweites Beispiel einer gleichermaßen gefestigten Malertradition. Das Haus, in dem Bosch Teile seiner Kindheit und seine Jugend verbrachte, stand am Marktplatz. Boschs Vater hatte das «Sint Thoenis» (St. Antonius) genannte Anwesen, das heute die Anschrift «Markt 29» trägt, 1462 erworben. Nach Anthonius van Akens Tod fiel es 1478 an Boschs älteren Bruder, Goessen «den Maler», der es nach seinem Tod 1498 seinem Sohn Jan hinterließ, der als Bildschneider tätig war. Auch Jan «der Maler», der Bruder von Goessen und Hieronymus, lebte und arbeitete bis zu seinem Tode 1499 in diesem Haus, genauso wie Goessens Sohn, der Maler Anthonius, der 1516 starb. Ebenso wohnten weiterhin Boschs Mutter Aleid und Goessens Frau Katelijn dort und außerdem wohl auch Hausangestellte und Werkstattmitarbeiter. Ein Hinweis auf die Malerfamilie van Aken findet sich in den Urkunden der ehrwürdigen Liebfrauenbruderschaft, die 1475/76 bei dem Utrechter Bildschnitzer Adriaen van Wesel ein
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Altarretabel bestellen wollte. Zu der in einer Weinstube abgehaltenen Besprechung waren auch Anthonius van Aken «und seine Söhne» geladen. Fünf Jahre später begegnet einem in den Urkunden hinter Boschs Namen erstmals der Zusatz «der Maler», so etwa, als er bei der Liebfrauenbruderschaft für einen kleinen Betrag die nicht mehr benötigten Flügel von deren altem Altarretabel erwarb. Die erhaltenen Rechtsurkunden dokumentieren vor allem Immobilien- und Finanztransaktionen. So verzeichnen sie beispielsweise am 3. Januar 1481, dass Bosch seinen Erbteil am väterlichen Haus an seinen Bruder Goessen verkaufte. Aus den Jahren zwischen 1474 und 1481 gibt es keine Urkunden oder Dokumente, die Boschs Anwesenheit in seiner Heimatstadt belegen würden. Ob er in diesen Jahren gereist ist oder als Mitarbeiter der väterlichen Werkstatt nur nicht juristisch in Erscheinung trat, muss offenbleiben. Da er 1481 seinen Anteil am väterlichen Haus verkaufte, wird er zu diesem Zeitpunkt wohl bereits bei seiner Frau gelebt haben – auch mit Blick auf die Wohnsituation in seinem Elternhaus eine verständliche Entscheidung. Der damals etwa 30-jährige Bosch hatte vermutlich Ende des Jahres 1480 die nur wenige Jahre ältere Aleid van de Meervenne geheiratet. Sie entstammte einer begüterten Kaufmannsfamilie und verfügte über Geld, Grundbesitz und eine weitverzweigte Verwandtschaft. Ihr Vater war gestorben, als sie kaum elf Jahre alt war. Um das Jahr 1474 starb auch ihre Mutter, mit der sie zusammen in einem Haus in der Schilderstraat gewohnt hatte. Durch zahlreiche Erbschaften fielen ihr darüber hinaus diverse Ländereien in der Umgebung von ’s-Hertogenbosch und ein am Marktplatz gelegenes Haus zu, das 1477 für sechs Jahre vermietet wurde. Nach dem Jahr 1481 begegnet einem der Name Boschs beinahe nur noch in Rechtsakten, die mit der Verwaltung des Vermögens seiner Frau zu tun haben. So verkaufte er am 15. Juni 1481 Aleids ererbten Anteil an einem Landgut an seinen Schwager Godefridus, mit dem man sich drei Wochen später, am 3. Juli, auf eine Beilegung der zwischenzeitlich ausgebrochenen Zwistigkeiten einigte. In den folgenden Jahren verkaufte
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das junge Paar einzelne Liegenschaften aus Aleids Erbe. Die Verkäufe wurden am 11. April 1482 und am 21. März 1483 beurkundet, jeweils etwa eine Woche vor dem damals noch auf Ostern terminierten Jahreswechsel. Mit dem aus diesen Verkäufen erlösten Geld ließ sich in größter Unabhängigkeit leben und wirtschaften. Zudem mag es dem Aufbau einer eigenen Werkstatt gedient haben. Spätestens 1483 zogen der Maler und seine Frau in das bislang vermietete Haus am Markt, das nur wenige Schritte von Boschs Elternhaus entfernt stand. «In den Salvatoer» (Zum Erlöser) besaß eine 19 Fuß, also knapp fünfeinhalb Meter, breite Fassade mit einem Treppengiebel. Die insgesamt vier Geschosse hatten eine Grundfläche von 465 Quadratmetern. Hinzu kam ein Hinterhaus, das ebenfalls Wohn- und Nutzflächen bot, so dass der Familie insgesamt 650 Quadratmeter zur Verfügung standen. 1553, das Haus war zu diesem Zeitpunkt längst in anderem Besitz, gab es dort fünf Kamine, einen Backofen, ein Brauhaus und sogar ein beheizbares Bad. Auch wenn diese Annehmlichkeiten möglicherweise erst später hinzukamen, bot das Haus doch genügend Platz für eine Werkstatt und eine standesgemäße Haushaltung. Dazu gehörte auch Personal, zum Beispiel die Werkstattmitarbeiter Boschs, seine «Knechten». Auch die Arbeit im Haushalt wurde von Gesinde unterstützt, die Quellen sprechen von «weerts gesynne in de koecken» und den «maeghden», die bei festlichen Banketten gesondert entlohnt wurden. Insgesamt zeugen die städtischen Quellen von dem Wohlstand, in dem Bosch und seine Frau lebten. Sie hatte 1484 auch noch das in Oirschot bei Eindhoven gelegene Landgut «Ten Roedeken» geerbt, das auch über den Verkauf von Holz aus den zugehörigen Wäldern beträchtliche Erträge abwarf. Spätestens zu dieser Zeit war Bosch nicht mehr darauf angewiesen, für seinen Lebensunterhalt zu arbeiten. 1487 war er sogar in der Lage, Geld zu verleihen. 1498 gehörten der Maler und seine Frau zu den 2000 wohlhabendsten unter den etwa 20 000 Bürgern von ’s-Hertogenbosch. Im Jahre 1502/03 wurde Bosch mit einer Steuer von fast fünf Gulden veranlagt, dem Neunfachen dessen, was alle anderen zahlten. Bosch gehörte seit dieser Zeit in seiner
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Heimatstadt der kleinen Elite an, die mehr als die Hälfte des Steueraufkommens erbrachte und beinahe den gesamten Besitz auf sich vereinte. Ob es um das «Reitergeld» ging, eine 1505/06 für den Kampf gegen den Herzog von Geldern erhobene Kriegssteuer, oder um die alljährlich erhobenen Abgaben, stets blieb Bosch einer der am höchsten veranschlagten Steuerzahler. Zunehmend dürfte ihm auch seine Kunst ein beträchtliches Einkommen beschert haben. So erhielt er beispielsweise im September 1504 eine Anzahlung von 36 Gulden für ein Weltgerichtstriptychon, das Philipp der Schöne bestellt hatte. Für das fertige Werk wurden 360 Gulden in Ansatz gebracht – eine gewaltige Summe, denn das Jahreseinkommen eines Steinmetzmeisters zum Beispiel lag damals bei etwa 55 Gulden. Da die Lebenshaltungskosten hoch waren, entsprach das in etwa dem standesgemäßen Jahresbedarf eines gehobenen städtischen Haushalts. Man konnte jedoch für diesen Betrag auch ein Handelsschiff kaufen: Eine Kogge, das seinerzeit am weitesten verbreitete Seeschiff, kostete in Antwerpen zwischen 30 und 150 Gulden. Mehr noch als der Kaufpreis spricht es für den damaligen Ruhm von Bosch, dass ihn der hauptsächlich in Brüssel residierende habsburgische Landesherr mit einem repräsentativen Werk beauftragte. Alles deutet darauf hin, dass Bosch früh die Aufmerksamkeit höfischer Mäzene gefunden hat. So besaß die niederländische Statthalterin Margarete von Österreich schon zu Lebzeiten des Malers eine Versuchung des hl. Antonius von ihm. Auch die 1504 verstorbene Königin Isabella von Kastilien besaß Bilder von Bosch, genauso wie der 1523 verstorbene venezianische Kardinal Domenico Grimani. Für Boschs Stellung innerhalb der städtischen Gemeinschaft war es von größter Bedeutung, dass er im Rechnungsjahr 1486/87 Mitglied der noch heute bestehenden Bruderschaft Unserer Lieben Frau geworden war. Die 1318 gegründete geistliche Bruderschaft hatte zum Ende des 14. Jahrhunderts einen so starken Zulauf erfahren, dass es zu einer Teilung zwischen den mehrere tausend äußeren Mitgliedern und dem inneren Kreis der geschworenen Brüder kam. Die etwa 50 bis 60 geschwore-
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nen Brüder, zu denen auch Bosch bald nach seiner Aufnahme gehörte, waren bei Strafe eines Bußgeldes verpflichtet, an den sonntäglichen Gottesdiensten und jeden Dienstag und Mittwoch an der Vesper teilzunehmen, außerdem an fast 20 kirchlichen Festtagen an Vesper und Messe sowie an drei jährlich durchgeführten Prozessionen. Alle sechs bis acht Wochen fand eine gemeinsame Mahlzeit statt, die genauso verpflichtend war wie die Beteiligung an den seit dem späten 15. Jahrhundert in unregelmäßigen Abständen veranstalteten Passionsspielen. Mit den anderen geistlichen Institutionen der Stadt, deren Vertreter man regelmäßig bei gemeinsamen Mahlzeiten freihielt, stand die Liebfrauenbruderschaft in engem Austausch. Man pflegte Kontakte zu den als Brüder vom gemeinsamen Leben bekannten Fraterherren, zu den auf eine strenge Einhaltung der Ordensregeln achtenden Dominikanern, aber auch zu den Gilden der Stadt, zum Beispiel zur Rhetoriker-Gilde «De passiebloem», die ebenfalls geistliche Spiele aufführte. Bosch dürfte etliche der etwa 1100 in Den Bosch lebenden Geistlichen persönlich gekannt haben. Dank der engen Kontakte der Liebfrauenbruderschaft zu den Fraterherren konnte er mit der devotio moderna in Berührung kommen, jener religiösen Erneuerungsbewegung, die sich die Frömmigkeit der «Wüstenväter» zum Vorbild nahm und eine mystisch-innerliche «Nachfolge Christi» propagierte. Bosch mag deshalb auch das der «imitatione Christi» gewidmete Buch von Thomas a Kempis gekannt haben, das aus dieser Bewegung hervorgegangen war. Es liegt außerdem zumindest nahe, dass man in Boschs Umfeld über die Bücher von Dionysius van Rijckel sprach, dem 1471 verstorbenen Gründer des Kartäuserklosters von ’s-Hertogenbosch. Selbst wenn man nicht alle seiner 187 Bücher gelesen hatte, konnte man von seinen mystisch-visionären Glaubensüberzeugungen wissen. Bosch mag sogar dem an Kunst und Künstlern interessierten Erasmus von Rotterdam begegnet sein, der zwischen 1484 und 1487 in ’s-Hertogenbosch studierte und den man später im Augustinerkloster Steyn vom Abendgottesdienst befreite, damit er zwischen Studium und Gebet malen konnte. Leider ist von den malerischen Bemühungen des Eras-
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mus nichts erhalten – genauso wie sich keine Belege für eine theologische Ausbildung Boschs erhalten haben. Doch ein über den Besuch der Lateinschule hinausgehendes theologisches Studium würde nicht nur die merkwürdigen Lücken in Boschs künstlerischer Biographie erklären, sondern auch, dass er so schnell in den elitären Kreis der geschworenen Brüder der Liebfrauenbruderschaft aufrückte. Anfang des Jahres 1488 teilte Bosch sich mit sechs anderen Mitgliedern der Bruderschaft die Kosten eines Gastmahles, mit dem die Erreichung eines höheren gesellschaftlichen Standes gefeiert wurde. Eingeladen war, ausweislich der Aufzeichnungen der Bruderschaft, sogar der Sekretär des nachmaligen Kaisers Maximilian I. Man hat angenommen, Bosch habe damals die Meisterwürde als Maler erlangt, doch gab es zu diesem Zeitpunkt in Den Bosch keine Malergilde. Zudem wird Bosch anders als beispielsweise sein Großvater in Dokumenten nie als «Meister» bezeichnet, sondern immer nur als «Maler». Vermutlich wurde er 1488 zum geschworenen Bruder berufen, denn als solcher findet er nach dieser Zeit verschiedentlich Erwähnung. Der Erwerb der Meisterwürde seines Handwerks war danach gar nicht mehr nötig, denn als geschworener Bruder war Bosch von allen Zunftpflichten befreit. Auch weitere Mahlzeiten sind in den Akten der Bruderschaft dokumentiert, so zum Beispiel ein 1498/99 von Bosch mitfinanziertes Bankett, bei dem zwei gebratene Schwäne auf den Tisch kamen. Es ist nicht sicher überliefert, wie Bosch aussah. Zwar ist eines von fünf Künstlerbildnissen in einer um 1560 zusammengestellten Porträtsammlung als Darstellung Boschs ausgewiesen, doch ist nicht anzunehmen, dass die lange nach seinem Tod entstandene Zeichnung ihn treffend wiedergibt. Dieses Pseudoporträt dokumentiert, genau wie verschiedene im Medium des Kupferstichs verbreitete Reproduktionen, eher den Nachruhm Boschs als sein tatsächliches Aussehen. Doch wenn man seine Physiognomie schon nicht kennt, die manche auch in den Figuren seiner Bilder ausmachen wollten, lässt sich doch wenigstens mit einiger Sicherheit sagen, wie Bosch sich von Zeit zu Zeit kleidete. Als Mitglied der Liebfrauenbruderschaft trug er zu
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festlichen Anlässen einen Kapuzenmantel, dessen Farbe und Schnitt jeweils zum Johannestag, dem 24. Juni, gewechselt wurde. An diesem roten, violetten, weißen, blauen oder grünen Mantel prangte ein silbernes Abzeichen, das mit einer aus dem Hohen Lied entnommenen Devise versehen war: «Sicut lilium inter spinas» – «Wie die Lilie unter Dornen». Darüber hinaus lässt sich ein weiteres Detail erschließen: Als geschworener Bruder der Liebfrauenbruderschaft war Bosch Kleriker. Anders als ein Priester oder Diakon war er nicht zum Zölibat verpflichtet. Doch hatte er eine der vier niederen Weihen zum clericus empfangen und, das schrieben die Statuten der Bruderschaft vor, aus diesem Anlass eine kruinschering erhalten. Bosch hat demnach, zumindest zeitweise, eine Tonsur getragen, die ihn deutlich als Mann Gottes auswies. Vermutlich hatte Bosch wie die meisten geschworenen Brüder ein kirchliches Amt inne. So könnte er als Ostiarier in der Kirche für Ordnung gesorgt oder als Lector während des Gottesdienstes aus der Bibel gelesen haben. Genauso könnte er Exorzist gewesen sein oder als Akolyth allgemeine Altardienste verrichtet haben. In jedem Fall ist davon auszugehen, dass er über ein solides theologisches Grundwissen verfügte. Seine Werke lassen auf genaue Kenntnisse der geistlichen Literatur seiner Zeit schließen, wobei er neben den Heiligenlegenden auch exegetische und mystische Schriften gekannt haben dürfte. Unter den Tausenden von Mitgliedern der Bruderschaft gab es Hunderte von Priestern, daneben Angehörige des niederen Adels, des Patriziats, Kaufleute, Apotheker, Ärzte, Handwerker und Vertreter der städtischen Administration. Nur den Armen blieb der Weg in die Bruderschaft versperrt, weil sie selbst die eher bescheidene Aufnahmegebühr von sieben Stuiver nicht zahlen konnten. Fünf Stuiver waren ein Viertel Gulden und in etwa der Tagelohn eines Handwerksmeisters. Die Mitglieder der Bruderschaft gehörten beinahe durchweg den gehobenen Schichten der Gesellschaft an. So war Bosch auch der einzige Maler unter den geschworenen Brüdern, die zu mehr als der Hälfte Priester oder magistri waren, also Theologen, Mediziner oder Juristen, die ein Studium absolviert hatten. Mithin darf die Mitgliedschaft
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im inneren Kreis der Liebfrauenbruderschaft als Hinweis auf Boschs Bildung und zugleich auf seine gehobene soziale Stellung interpretiert werden. Die kurz vor 1500 enorm expandierende Bruderschaft vermittelte Bosch nicht nur Aufträge zur Ausstattung von Sint-Jan, der Johanneskirche in Den Bosch, sondern vor allem Kontakte zu zahlreichen potenziellen Auftraggebern. Sie war ein Netzwerk der geistlichen und weltlichen Elite, das über Den Bosch hinaus bis weit ins Deutsche Reich hineinreichte. In den Jahren von Boschs Mitgliedschaft, zwischen 1488 und 1516, gehörten unter anderem zwei Lütticher Weihbischöfe sowie sechs Amtsbrüder aus anderen Diözesen dazu. Diverse Amts- und Würdenträger waren vertreten, sogar Angehörige des habsburgischen und des burgundischen Hofes. Pfalzgraf Robert von Bayern und Markgraf Friedrich von Baden zählten zu den Mitgliedern, ebenso wie der Majordomus von Philipp dem Schönen, Diego de Guevara, oder Heinrich III. von Nassau, der möglicherweise den «Garten der Lüste» bestellte. Die erhaltenen Urkunden vermitteln einen Eindruck vom Alltag und von den Festen der Bruderschaft. So zelebrierte man beispielsweise am 10. März 1510 die Beisetzung des Ritters Jan Backx. Nach der feierlichen Messe gingen die geschworenen Brüder «Paar um Paar von der Kirche zum Hause unseres Mitbruders Hieronymus van Aken, des Malers, der sich selbst Jheronimus Bosch schreibt». Das reichliche Getränkeangebot ist dokumentiert, und die Speisen sind so ausführlich beschrieben, dass eine 2003 publizierte Untersuchung zu «Essen und Trinken bei Jheronimus Bosch» mit erprobten Rezepten aufwarten kann. Die zahlreichen gemeinsamen Aktivitäten der Bruderschaft prägten das Leben ihrer Mitglieder, indem sie den Tagesund Jahreslauf rhythmisierten. Dass Bosch seinen selbst auferlegten Pflichten gegenüber der Bruderschaft einmal nicht nachgekommen wäre, ist nicht dokumentiert. Alles deutet auf die enge Einbindung Boschs in das religiöse Leben seiner Stadt hin, deren Alltag durch eine alle Lebensbereiche durchdringende Spiritualität gekennzeichnet war. Bosch starb 1516, doch weder der Tag seines Todes noch dessen Ursache sind überliefert. Vielleicht war es eine ansteckende
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Rippenfellentzündung, die damals in Den Bosch grassierte und der Stadtchronik zufolge so viele Menschen dahinraffte, «als habe die Pest geherrscht». Am 9. August 1516 wurde Bosch als guter Christ bestattet. Das Rechnungsbuch der Liebfrauenbruderschaft verzeichnet die Kosten der feierlichen Messe. «Willem Hameker, dem Vorsteher, 1½ Stuiver für das Singen der Messe und ½ Stuiver für seine Anwesenheit. Für den Diakon und Subdiakon je 1 Stuiver. Alle anderen, Priester, Sänger, Küster, Kirchendiener, Totengräber, Glöckner, Organist, je ½ Stuiver.» Jeder Chorsänger erhielt einen Obulus, und selbst für die Armen vor dem Chor gab es ein kleines Geldgeschenk. Boschs Witwe erhielt von Seiten der Bruderschaft eine Zuwendung für den schwarzen Stoff, mit dem der Altar geschmückt wurde. Darüber hinaus sorgte die Bruderschaft für eine angemessene Memoria, ein ehrendes Angedenken. In einem gegen Ende des 16. Jahrhunderts angelegten Buch mit den Namen und Wappen aller geschworenen Brüder findet sich unter einem leeren Wappenschild der Name Boschs mit dem Zusatz: «berühmter Maler», «insignis pictor».
3. Geistliche Stiftungen Nach allem, was sich aus den Quellen schließen lässt, pflegte Hieronymus Bosch eine innige Verbindung zu den Institutionen der katholischen Kirche. Darauf deuten auch die urkundlich dokumentierten Aufträge hin, die Bosch ausführte. So bemalte er 1487 für das «Geefhuis» (Gabenhaus), wo die der christlichen Armenfürsorge gewidmete «Heiliggeist-Tafel» ihren Sitz hatte, einen leinenen Wandbehang. Außerdem fasste er für das «Geefhuis» einen aus Hirschgeweihen hergestellten Kronleuchter neu, den sein Großvater Jan van Aken knapp 50 Jahre zuvor bemalt hatte. 1488 bezahlte die Liebfrauenbruderschaft einen Tischler für die Anfertigung zweier Altarflügel, die für das von Adriaen van Wesel geschnitzte Retabel bestimmt waren und ausweislich einer späteren Rechnung von «Meister Jheroni-
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mus» bemalt wurden. Auch in den folgenden Jahren führte Bosch diverse kleinere Aufträge für die Bruderschaft aus. 1491/92 fertigte er zum Beispiel eine Tafel, auf der die Namen der geschworenen Brüder verzeichnet waren. Zwei Jahre darauf wurde bei dem Glasmaler Willem Lombart für die neue Kapelle der Liebfrauenbruderschaft ein Glasfenster beauftragt, dessen Entwurf «Joen der Maler» anfertigen sollte, also Hieronymus Bosch. Er sollte Willem Lombart unterstützen und dessen Arbeit überwachen. Für ein paar alte Bettlaken, «auf die Joen der Maler den Entwurf machen sollte», wurden 20 Stuiver gewährt. 1503/04 ist eine Zahlung an die Werkstattmitarbeiter Boschs dokumentiert für das Bemalen dreier Wappenschilde für den Ritter Jan Backx und zwei weitere Mitglieder der Bruderschaft. 1508/09 sprachen deren Vertreter mit «Meister Jheronimus» und dem Baumeister Jan Heyns wegen der bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfolgten Vergoldung und farbigen Fassung eines Altarretabels. Vermutlich ging es dabei wieder um den Marienaltar von Adriaen van Wesel. Offensichtlich nahm man von diesem äußerst kostspieligen Unternehmen irgendwann Abstand. 1511/12 wurde Bosch dann dafür entlohnt, dass er den Entwurf «von dem Kreuz gemacht habe». Leider ist nicht überliefert, um was für ein Kreuz es sich handelte. Vielleicht ging es, wie manche Forscher vermuten, um die Stickvorlage für einen Chormantel. Außer der Aktennotiz ließ sich «von dem Kreuz» keine Spur mehr finden, genauso wenig wie von dem Messingkronleuchter, für dessen Entwurf man Bosch 1512/13 bezahlen wollte, «soweit er dies begehren sollte». Noch lange nach Boschs Tod waren an verschiedenen Orten in seiner Heimatstadt Bilder von ihm zu sehen, so in der Kapelle der Liebfrauenbruderschaft und auf diversen Altären von SintJans. Ausweislich einer 1610 von Jean-Baptiste Gramaye publizierten Beschreibung war diese Kirche mit 50 Altären geschmückt, die den Skulpturen des Praxiteles und den Bildern des Appeles in nichts nachstehen. Davon am kostbarsten ist der des Hochchores, der Sakramentsaltar, der der hl. Jungfrau, der hl. Katharina und der
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hl. Barbara geweiht ist. Vom Altar des Hochchores und dem größeren Marienaltar [in der Kapelle der Liebfrauenbruderschaft] sind noch die Tafeln vorhanden, die Hieronymus Bosch mit einzigartiger Kunstfertigkeit bemalt hat. Sie zeigen das Sechstagewerk der Erschaffung der Welt, desgleichen die Geschichte von Abigail, wie sie demütig, Geschenke und Waren überreichend, vor David Abbitte leistet für eine ihm zugefügte Schmach, und wie Salomo von seiner Mutter Batseba Ehre erwiesen wird. Auf dem kleinen Marienaltar ist vom selben Künstler die Übergabe der Geschenke durch die Heiligen Drei Könige dargestellt. Auf dem Altar des Erzengels Michael ist die Belagerung von Bethulia zu sehen, die Tötung des Holofernes, Flucht und Untergang des assyrischen Heeres, der von Judith errungene Sieg, außerdem der Triumph des Mordechai und der Esther sowie der Triumph des befreiten jüdischen Volkes.
Ein Teil dieser Bilder Boschs stieß nur wenige Jahre nach der Abfassung des Textes bei einer Visitation im Dezember 1615 auf kirchliche Kritik. Vor allem die nackten Figuren auf dem Bild mit der Erschaffung der Welt und auf einem Jüngsten Gericht erregten Missfallen. In den Stadtrechnungen findet sich unter dem 4. Januar 1671 noch eine Zahlung an den Küster von Sint-Jans, der 75 Gulden für die Flügel des Hochaltars erhielt. Danach verliert sich ihre Spur. Zumindest mag der Ankauf durch den Magistrat der Stadt als Hinweis darauf gedeutet werden, dass man Boschs Werken, die schon die Bilderstürme des 16. Jahrhunderts unbeschadet überstanden hatten, einen von der religiösen Funktion unabhängigen Kunstwert zusprach. Noch im 17. Jahrhundert war auch der Hochaltar des Brüsseler Dominikanerklosters mit einem Altarwerk Boschs geschmückt, an dem einmal im Jahr eine Messe für das Seelenheil des Malers gelesen wurde. Dokumentiert ist, dass der Dominikaner Michael Ophovius sich vergeblich bemühte, dieses Werk für 100 Gulden zu kaufen, nachdem er am 22. Juni 1626 zum ersten Bischof von Den Bosch ernannt worden war. Nur wenige Jahre später verliert sich die Spur auch dieses Werkes. In jüngerer Zeit hat man vermutet, dass die von Gramaye erwähnten Tafeln vom Marienaltar der Bruderschaftskapelle mit zwei erhaltenen Tafeln von Bosch zu identifizieren sind. Die eine
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zeigt Johannes den Täufer in der als Waldeinsamkeit aufgefassten Wüste (Abb. 2), die andere den Evangelisten Johannes, der zu Boschs Zeit auch als Verfasser der Apokalypse galt (Abb. 3). Die Vermutung, es habe sich bei letzterer Tafel einst um einen Altarflügel gehandelt, ist naheliegend, weil auch die Rückseite bemalt ist (Abb. 1). Vermutlich war diese in Grau- und Brauntönen, als sogenannte Grisaille, ausgeführte Darstellung einst die Alltags- oder Außenseite eines Altarflügels, der einen geschnitzten Schrein verschloss. Im Zentrum dieses Bildes steht ein Pelikan. Um ihn herum sind in einem kreisförmigen Bildfeld, das eine so weite wie düstere Landschaft imaginiert, Szenen aus der Passion Christi angeordnet. Dessen Leiden für die Menschheit findet in dem im Mittelalter weitverbreiteten Bild des Pelikans einen sinnbildlichen Ausdruck. Das Bild geht auf den «Physiologus» zurück, ein frühchristliches Kompendium der Tiersymbolik, in dem das natürliche Verhalten des Pelikans missdeutet und im Sinne einer christlichen Botschaft interpretiert wurde. Der Vogel, so die Auffassung, töte im Zorn seine Brut. Nach drei Tagen aber reiße er sich aus Reue mit dem Schnabel die Brust auf, um durch das Opfer seines Blutes seine Jungen wiederzubeleben, so wie Christus der Menschheit durch sein Opfer das ewige Leben geschenkt habe. Der Tondo mit den Passionsszenen und dem Pelikan hebt sich von einem dunklen Grund ab, der bei genauem Hinsehen von schemenhaft düsteren Monstern belebt wird. Die Innenseite des Flügels zeigt den hl. Johannes, der auf die Insel Patmos verbannt wurde (Off. 1,9). Dort hatte er die apokalyptischen Visionen, bei deren Niederschrift Bosch den Heiligen zeigt. Eine dieser «Offenbarungen» war «ein Weib mit der Sonne bekleidet, den Mond unter ihren Füßen, und auf ihrem Haupt eine Krone mit zwölf goldenen Sternen» (Off. 12,1). Entsprechend der zu Boschs Zeit verbindlichen theologischen Interpretation dieser Vision zeigt die Tafel am Himmel in einer Aureole aus Licht eine Marienerscheinung. Ein ätherisch anmutender Engel weist Johannes darauf hin, der deshalb sein Schreiben unterbricht. Den Blick erhoben, nimmt er die Szene nicht zur Kenntnis, die sich zu seinen Füßen abspielt: Links hat der Adler,
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1 Passion Christi, Außenseite des Johannes auf Patmos (Abb. 3), um 1505, Öl auf Holz, 63 x 43,3 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie
das Symboltier des Evangelisten Johannes, den Blick starr auf ein dämonisches Mischwesen gerichtet, das ihm gegenüber am rechten Bildrand gezeigt ist. Dieses Wesen hat die stummelartigen Hände erhoben, denen ein Fleischhaken entglitten ist, mit dem es anscheinend das am Boden liegende Schreibzeug des Evangelisten stehlen wollte. Zahlreiche niederländische Bilder des Evangelisten Johannes zeigen dämonische Wesen bei solchem schändlichen Treiben. Boschs theologisch fundierte Bilderzählung hat zahlreiche Parallelen in Malerei und Graphik der Zeit, und zu Recht wurde darauf hingewiesen, dass die Figur des schreibenden Evangelisten in einem um 1480 entstandenen Kupferstich Martin Schongauers vorgebildet ist. Die vergleichsweise konventionelle Ikonographie soll aber nicht über das ganz Eigene von Boschs Dar-
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stellung hinwegtäuschen. Denn es bedürfte der so auffällig unten rechts angebrachten Signatur nicht, um dieses Gemälde als ein Werk Boschs auszuweisen: Da ist zuerst einmal der kleine Dämon. Bosch entwirft ein käferartiges Mischwesen, das durch ein kleines Abzeichen an seiner Kleidung als Bote und legitimer Abgesandter der Hölle charakterisiert wird. Die Brille auf seiner Nase lässt an einen Schreiber denken, der durch den finster glimmenden Gegenstand auf seinem Kopf, für die Zeitgenossen verständlich, als intellektueller Brandstifter ausgewiesen ist. Im Unterschied zu dem höchst individuell gestalteten kleinen Dämon entspricht die Figur des Heiligen einem standardisierten Typus. Die Physiognomie ist ohne jede Modellierung der Gesichtsmuskulatur gebildet. Die spitze Nase lässt den hageren Heiligen zum mausgesichtigen Verwandten anderer BoschFiguren werden, wie etwa des Christus auf dem Frankfurter «Ecce homo» (Abb. 6) oder der Nackten im «Garten der Lüste» (Abb. 4). Das Gewand des Heiligen wirkt durch die starke Weißhöhung, als wäre es aus rosa Blech gefaltet. Im Unterschied zu den meisten anderen altniederländischen Malern sind Gewänder für Bosch kein Anlass, um Stoffqualitäten und Oberflächenstrukturen naturnah wiederzugeben oder um kunstvoll ornamentierte Faltenwürfe zu gestalten. Die Bekleidung wird bei Bosch zum bloßen, in die Fläche gepressten Kennzeichen des Bekleidetseins. Auch der Bildraum ist für Bosch kein geschauter Ausschnitt der Wirklichkeit, sondern eine symbolisch aufgeladene Handlungsbühne. Seine fernen Landschaftsausblicke sind in der Malerei seiner Zeit ohne Vergleich. Denn auf die von anderen zeitgleichen Malern gepflegte Ausgestaltung der landschaftlichen Details verzichtet Bosch, um stattdessen auf eine ganz eigene Weise aus der Farbe heraus zu gestalten. Besonders wird das in den Hintergrundlandschaften sichtbar, die mit ihrem hochgelegten Horizont wie von einem hohen Turm gesehen erscheinen. In einer knappen, spitz wirkenden malerischen Handschrift möbliert Bosch die kargen Ebenen mit Pflanzen, Bäumen, Häusern und anderen Hinweisen auf die menschliche Zivilisation. Mit pastosem Farbauftrag imaginiert er in einem höchst artifiziellen
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System von farbigen Pünktchen die Laubmassen der Vegetation, wobei er die eng benachbarten Farbtöne auf faszinierende Weise ineinanderarbeitet. Im Unterschied zu Rogier van der Weyden oder Jan van Eyck, die ihre Gemälde in zahlreichen übereinanderliegenden Malschichten aufbauten, arbeitete Bosch nass in nass. Seine Bilder sind in weiten Partien im ersten Anlauf durchgestaltet. Das zeigt sich auch auf der in Madrid bewahrten Tafel mit Johannes dem Täufer (Abb. 2), den Bosch als nachdenklichen Eremiten in einer weiten Landschaft zeigt. Durch eine geschickte Abstufung der Farbzonen wird eine Art Luftperspektive illusioniert. Die einzelnen Bildgründe sind zu einem überzeugenden Tiefenraum verbunden, der durch zahlreiche Tiere und Pflanzen belebt wird. Der Felsen im Hintergrund und das monströse, rechts aus dem Wald aufragende Gewächs sind typisch für die Landschaften Boschs. Derartig phantastische Landschaftselemente, solche jeder Natur hohnsprechenden hybriden Gewächse und geologischen Formationen, in denen mineralische mit vegetabilen und animalischen Formen verschmelzen, brachten für den Zeitgenossen die Glaubensgewissheit zum Ausdruck, dass die Welt voller dämonischer Tücken steckt. Diese landschaftlichen Details sind eher der spätgotischen Ornamentik verpflichtet als einem genauen Naturstudium. Dennoch erhalten Boschs Bilder durch geschickte koloristische Effekte eine beeindruckende tiefenräumliche Wirkung. Besonders augenfällig ist auch das im Vordergrund gezeigte Gewächs. Neuere technologische Untersuchungen haben gezeigt, dass an dieser Stelle ehedem eine Stifterfigur dargestellt war, die schon bald übermalt wurde. Die Übermalung wurde vermutlich in der Werkstatt Boschs vorgenommen, wo ein Mitarbeiter ein zum theologischen Gehalt des Gemäldes passendes Motiv wählte, um die als störend empfundene Figur des Stifters zu tilgen. In der mittelalterlichen Vorstellungswelt war der Glaube tief verwurzelt, dass das Leben Versuchung bedeute und die irdische Welt nichts als Dornen und Disteln hervorbringe. In diesem Sinne könnte die Pflanze, die der meditierende Heilige so wenig beachtet, ein Sinnbild für die Welt und ihre Versuchungen
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sein. Ihnen begegnet Johannes mit meditativer Versenkung und dem deutlichen Hinweis auf das Lamm, das für die göttliche Unschuld Christi steht. Die Tafel besitzt annähernd dasselbe Format wie die Tafel mit der Darstellung von Johannes auf Patmos. Ihre Rückseite zeigt allerdings keine Spuren einer Bemalung. Dass sie einst den anderen Flügel desselben Retabels gebildet haben soll, darf mit Blick auf die dendrochronologische Analyse – die Untersuchung der Jahresringe des verwendeten Holzes – bezweifelt werden. Das Fälldatum der Bäume, aus denen die Tafeln gefertigt wurden, liegt nämlich um etliche Jahre auseinander. Zudem ist für die Tafel mit Johannes auf Patmos eine Entstehung nach dem Jahr 1495 anzunehmen, denn der Baum, aus dem dieses Brett gesägt wurde, ist frühestens 1487 gefällt worden, und frisches Holz eignete sich nicht zur Bemalung. Diese Entstehungszeit lässt sich kaum damit in Einklang bringen, dass die Flügel für das Marienretabel Adriaen van Wesels bereits 1488 in Auftrag gegeben wurden. Auch wenn es also eher unwahrscheinlich ist, dass die Tafel mit Johannes dem Täufer einst das Retabel der Liebfrauenbruderschaft zierte, steht doch außer Frage, dass es sich um eine geistliche Stiftung handelte, die die Memoria eines frommen Stifters garantieren und zu seinem Seelenheil beitragen sollte. Gemalte Stifterfiguren weisen stets auf eine konkrete Funktion der Bilder hin, die für die Frage nach der einstigen Bedeutung dieser Werke die Richtung vorgibt. Für einen frommen Christen zu Boschs Zeit bedeutete der Tod nicht das definitive Ende. Für die Christen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit war die in der Bibel verkündete Heilslehre von einer Realpräsenz, die mit dem schönen deutschen Begriff der Glaubensgewissheit wohl recht zutreffend beschrieben ist. Das verlorene Paradies, der Himmel der Seligen und die Hölle der Verdammten waren zwar nicht mit Händen zu greifen, doch waren sie deshalb nicht weniger real als die Luft zum Atmen. Das einstige Ende der zeitlich begrenzten, weltlichen Ordo war genauso gewiss wie die darauffolgende Errichtung einer ewigen göttlichen Ordnung, wie sie in der Bibel verheißen war. Wer starb, setzte seine diesseitige Existenz im Jenseits fort, wo er –
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genau wie die im Diesseits Lebenden – auf den Tag des Jüngsten Gerichts und die Auferstehung wartete. Wer um eine kohärente Jenseitsvorstellung bemüht war, musste sich fragen, wo eigentlich die Toten blieben, die weit vor dem Termin des Jüngsten Gerichts verstorben waren. Als Antwort darauf hatte sich bereits im 12. Jahrhundert die Idee des Fegefeuers entwickelt, das als zeitlich beschränkte Hölle den Durchgang zum Himmel ermöglichte. Die wirklich bösen Sünder gelangten direkt in die ewige Verdammnis, alle gewöhnlichen Menschen konnten die aus der Erbsünde resultierende Schuld im Fegefeuer büßen und danach mit einer schnellen Aufnahme in den Himmel rechnen. In jedem Fall durfte man spätestens mit dem Tage des Weltgerichts auf Erlösung hoffen, sofern man nicht der Hölle anheimgefallen war. Dabei galt es als förderlich, wenn nach dem Tod Bußopfer für die Seele des Verstorbenen dargebracht wurden, um dessen Leiden im Fegefeuer zu lindern. Den Namen eines Toten während der Messfeier zu vergegenwärtigen, kam der Reinigung der Seelen im Jenseits zugute. Seelenmessen, wie sie zum Beispiel von den Brüsseler Dominikanern für Hieronymus Bosch gelesen wurden, konstituierten eine in jedem Gottesdienst von Neuem beschworene Gemeinschaft der Lebenden und der Toten. Die Memoria als eine der Jenseitsvorsorge gewidmete Kultur der Erinnerung bestimmte die soziale Praxis und das alltägliche Leben. Sie reichte weit über den liturgisch-kirchlichen Raum hinaus, denn sie diente auch der Repräsentation der Stifter sowie der Legitimierung ihrer gesellschaftlichen Ansprüche und ihrer sozialen Positionen. Als visuelle Manifestationen des kulturellen Gedächtnisses konnten Bilder nicht nur das Andenken an den Stifter garantieren, sondern zugleich im Hier und Jetzt Machtoder Herrschaftsansprüche legitimieren. Zu den zahlreichen Bildern Boschs, die ihr Entstehen der spätmittelalterlichen Frömmigkeitspraxis und Memorialkultur verdanken, zählt auch eine kleine Kreuzigung (Abb. 5). Sie folgt dem von Rogier van der Weyden entwickelten Muster einer Kreuzigung mit Stifter, bei der das Bildpersonal, wie so häufig bei van der Weyden, nur auf der schmalen vorderen Bildbühne agiert. Unter dem Kreuz, an dem die schmale Figur des leiden-
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den Christus hängt, stehen links Maria und der Apostel Johannes. Er fordert gleichermaßen zur Andacht an den Gekreuzigten wie an den rechts knienden, modisch gekleideten Stifter auf. Zwar gibt es kein Wappen, das dessen Identifizierung zulassen würde, doch weist ihn sein Schwert als Adeligen aus. Er wird durch seinen Namenspatron Petrus, der als Attribut zwei Schlüssel trägt (Matth. 16,19), der Gnade empfohlen. Der Ort des Geschehens ist durch vereinzelte Gebeine als die in der Bibel erwähnte Stätte ausgewiesen, «die man Schädelstätte nennt, auf Hebräisch Golgatha» (Joh. 19,17). Im Hintergrund erhebt sich die stolze Silhouette Jerusalems, das in die räumliche und zeitliche Gegenwart Boschs transponiert erscheint. Die Gemeinschaft der Rechtgläubigen, das wurde in damaligen Bildern und Predigten immer wieder beschworen, verstand sich als ein Zusammenschluss nach dem Vorbild der den Seligen verheißenen himmlischen Stadt Jerusalem. Das Ewige hatte seinen Platz im Hier und Jetzt, nicht zuletzt weil man glaubte, dass in den vorhandenen Reliquien der jeweilige Heilige real präsent sei. Christus selbst war im Rahmen der Messfeier in Gestalt der Hostie und des Weines leibhaftig anwesend. Dem Heiligen war dadurch ein fester Platz im Diesseits zugewiesen und dem Diesseits sein Platz in der Heilsgeschichte, die nicht als etwas nur Vergangenes oder nur Zukünftiges wahrgenommen wurde: Gottes Schöpfungsplan bestimmte die Gegenwart. Der gemalte Ausschnitt der sichtbaren Welt, in dem die heiligen Figuren auf religiösen Bildern gezeigt wurden, visualisierte mithin die unzweifelhafte Bedeutung des heilsgeschichtlichen Geschehens für die Gegenwart. Boschs Gemälde fügt sich problemlos in die religiöse und bildliche Tradition ein. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich auch bei diesem Gemälde um ein typisches Werk von Bosch handelt. Das erweisen die Maltechnik und das Kolorit genauso wie die Art, in der die schlanken Bäume getüpfelt sind, und die emotionslosen Gesichter. «Diese kränklichen spitzen Köpfe sind uns vertraut», schrieb Max J. Friedländer 1927. Doch obwohl die Autorschaft Boschs seither nie bezweifelt wurde, hat dieses Gemälde, gemessen an Boschs anderen Werken, nur ge-
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ringe Aufmerksamkeit gefunden. Dabei bietet gerade dieses ikonographisch anspruchslose Bild die Möglichkeit, das Spezifische von Boschs Malerei zu verstehen. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Kopfhaltung Christi und die Affektarmut der Figuren eine Parallele in einem um 1455 entstandenen Wandbild in SintJan besitzen, das Boschs Großvater Jan van Aken überzeugend zugeschrieben wurde. Doch auch wenn das Kompositionsschema oder motivische Details älteren Vorbildern entlehnt sind, finden weder Boschs verblüffender Umgang mit dem Malmaterial noch sein spezifisches Kolorit dort eine Entsprechung. Dafür ist die Darstellung der Kreuzigung stilistisch mit einer in Frankfurt bewahrten Tafel von Bosch (Abb. 6) verbunden. Auch sie ist kompositorisch an ein älteres Vorbild angelehnt, einen um 1450 entstandenen Holzschnitt. Thema ist das «Ecce homo», die in der Bibel ausführlich beschriebene Präsentation Christi vor dem Volk (Joh. 19,4–6). Nach der Verhaftung Jesu und seinem Verhör, bei dem er gegeißelt und verspottet worden war, wurde er durch den römischen Provinzstatthalter Pilatus der Menge vorgeführt. Bosch zeigt den dornengekrönten Gefesselten zwischen zwei Henkersknechten und einem Schriftgelehrten, die den Mantel auseinanderziehen, um den bis auf ein Lendentuch nackten, gemarterten Körper zu zeigen, der auf dem Boden blutige Spuren hinterlässt. Dahinter steht, durch einen Stab als Richter ausgewiesen, Pilatus, dessen Dialog mit der Menge durch Inschriften wiedergegeben ist. Aus dem Mund des Pilatus kommen die Worte «Ecce homo» – «Seht den Menschen». Der über der wütenden Menge angebrachten Inschrift hätte es hingegen kaum bedurft: «Crucifige eum», rufen sie, «kreuzige ihn». Die im Hintergrund flatternde rote Fahne mit dem türkischen Halbmond und die merkwürdig anmutende Brückenfigur sind Sinnbilder des Bösen, ebenso wie die fremdartig schwellende Turmarchitektur in der Ferne, die Kröte auf dem Schild des Mannes am rechten Bildrand und die grotesken Physiognomien der Menge. Bosch nutzt die pseudo-orientalischen Motive und den Verweis auf die Türken, die zu seiner Zeit fast alle heiligen Stätten der Christenheit unter ihre Herrschaft gebracht hat-
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ten, um ein den Zeitgenossen eingängiges Bild der Feinde Christi zu entwerfen. Bei den fratzenhaft verzerrten Physiognomien der Aufgebrachten bedient er sich eines Repertoires an grotesken Gesichtern des Bösen, die einem spätmittelalterlichen Musterbuch entnommen scheinen. Sie waren ursprünglich nicht nur als Kontrast zu dem in der Figur Jesu verkörperten Guten zu sehen. Vielmehr stand ihre grausame Reaktion auch im Gegensatz zu den einst deutlich und groß im Vordergrund gezeigten Stifterfiguren. Diese wurden vermutlich schon im 16. Jahrhundert entfernt und übermalt. Die zu dieser Zeit angefertigten Kopien von Boschs Bild zeigen die andächtig Betenden nicht mehr, die im Original erst vor wenigen Jahren wieder freigelegt wurden. Die sorgsame Restaurierung lässt nun die originale Komposition zumindest wieder erahnen. Links unter dem Altan, auf dem Christus zur Schau gestellt wird, kniete der Familienvater, der entsprechend seiner Bedeutung besonders groß gezeigt war. Ihm gegenüber, heute kaum mehr zu erkennen, knieten die Frauen der Familie; sie befanden sich unmittelbar vor der aufgebrachten Menge und standen im schärfsten Kontrast zu ihr. Hinter dem Familienoberhaupt ist eine weitere männliche Figur zu sehen, die ebenfalls größer als die hinter ihr gezeigten fünf Söhne dargestellt ist. Die Tonsur weist den Mann als Geistlichen aus. Die Ordenstracht, vielleicht der Habit der Dominikaner, ist noch zu erahnen. Er spricht das in goldenen Lettern ins Bild gesetzte lateinische Gebet der Stifter: «Salva nos Christe redemptor» – «Errette uns, Christus, Erlöser». Die Figuren der Stifter waren für den frommen Betrachter das antithetische Gegenstück zu dem in der schreienden Menge verkörperten Negativexemplum. Im realen Nachvollzug des dargestellten Gebetes vor dem Bild realisierte sich im Kontext von dessen einstiger Bestimmung die Gemeinschaft der Lebenden und der Toten. Die Entfernung der Stifterfiguren zeugt von einem Funktionswandel des Bildes und belegt zugleich, genau wie die aus derselben Zeit erhaltenen Kopien, die damalige ästhetische Wertschätzung Boschs. Vermutlich war es dieser um 1500 einsetzenden Würdigung seiner Bilder als Kunstwerke geschuldet, dass auch auf
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dem Triptychon mit Sint Ontcomer (Abb. 10) und dem Wiener «Jüngsten Gericht» (Abb. 23) schon früh die einst vorhandenen Stifterfiguren übermalt wurden.
4. Von Weihnachten bis Ostern Boschs jüngerer Zeitgenosse Albrecht Dürer hatte sich um das Jahr 1507 vorgenommen, ein Handbuch der Malerei zu verfassen. In der Einleitung dieser nie zur Druckreife gediehenen Schrift formulierte er, was er für die vornehmste Aufgabe der Malerei hielt. Die Kunst des Malens, heißt es da, «wird gebraucht im Dienst der Kirche und dadurch angezeigt das Leiden Christi, behält auch die Gestalt der Menschen nach ihrem Absterben.» Ähnliches hatten zuvor schon der Italiener Leon Battista Alberti und andere Maler, Theologen und Kunsttheoretiker formuliert. Dass es die erste Aufgabe der Malerei sei, die Leiden Christi zu illustrieren, war eine weithin geteilte Auffassung, die auch Hieronymus Bosch so ausgesprochen haben könnte. Den Beleg dafür liefern seine zahlreichen Werke, deren vielleicht wichtigstes Ziel es war, einen Beitrag zur Rettung der Seelen ihrer vermögenden Stifter zu leisten. Entsprechend nehmen die Ereignisse der Heilsgeschichte um die Geburt sowie das Leiden und Sterben Christi im Œuvre Boschs einen zentralen Platz ein. Sein Werk wird damit zum Spiegel zeitgenössischer Frömmigkeit. Zu den besonders beeindruckenden Zeugnissen dafür zählt ein Retabel mit der Anbetung der Könige (Abb. 7, 11). Die Mitteltafel des als Altarbild konzipierten Triptychons ist nach oben kielbogenförmig abgeschlossen. Die entsprechend geformten Flügel greifen diesen eleganten Schwung auf, der sich damals als beliebte Retabelform zu etablieren begann. Trotz der prononcierten Dreiteilung ist ein einheitlicher Landschaftsraum gezeigt, über dessen hochgelegtem Horizont sich ein heller Himmel wölbt. Im Zentrum steht die Anbetung der Könige, der sich auch die auf den Flügeln gezeigten Stifter zuwenden, die von
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ihren Namenspatronen empfohlen werden. Durch die beigegebenen Wappen lassen sich die Stifter identifizieren. Auf dem linken Flügel kniet Peeter Scheyfve vor dem stehend gezeigten hl. Petrus. Scheyfve war seit 1494 Mitglied der LeinenweberGilde, deren Dekan er später wurde. 1495 wurde er Steuereinnehmer der Stadt Antwerpen, ein Posten, den er möglicherweise seinem Schwiegervater Peeter de Gramme verdankte, der dieses Amt ebenfalls innehatte. Scheyfve hatte in zweiter Ehe die auf dem rechten Flügel von Boschs Retabel abgebildete Agnes de Gramme geheiratet, die um das Jahr 1497 verstarb. Da Scheyfve schon bald erneut heiratete, ist die Datierung des Werkes weitgehend gesichert. Doch leider weiß man bislang weder, in welcher Antwerpener Kirche das Retabel ursprünglich seinen Platz hatte, noch wann und auf welchem Weg es nach Spanien gelangte, wo es heute im Prado zu sehen ist. Lange Zeit nahm man an, dass sich das Werk bis 1567 im Besitz des Sekretärs von Graf Egmont befand, der in den niederländischen Aufstand gegen die Habsburger verwickelt war. Doch das Jan Casembroot zufolge beschlagnahmte «Bild der drei Könige, gemalt von Hieronymus Bosch, mit zwei beweglichen Flügeln» zeigte «außen die Wappen von Bronchorst und Bosschuyse». Es fällt schwer, in einer für heraldische Details sensiblen Zeit eine falsche Identifizierung der Wappen anzunehmen. Eher schon mag man glauben, dass das Bild in Madrid mit jener ebenfalls mit Flügeln versehenen «Geburt unseres Herrn von der Hand des Hieronymus Bosch» identisch ist, die Philipp II. 1574 in den Escorial bringen ließ. Sicher ist, dass weder dieses dem Escorial übergebene Bild noch die 1568 beschlagnahmte Version mit der Anbetung identisch ist, die sich Gramaye folgend 1610 in der Kathedrale von ’s-Hertogenbosch befand. Es haben demnach einst mindestens drei Triptychen Boschs mit einer vergleichbaren Ikonographie existiert. Die zahlreichen Werke auch anderer Maler bezeugen die Beliebtheit des Themas, das man in enger Beziehung zur heiligen Messe sah. Denn so, wie der fleischgewordene Christus den Hirten und Königen leibhaftig erschienen war, so war er in Gestalt von Brot und Wein auch bei jeder Messfeier realiter anwesend.
2 Johannes der Täufer in der Einöde, um 1505, Öl auf Holz, 48,5 x 40 cm, Madrid, Fundación Lázaro Galdiano
3 Johannes auf Patmos, um 1505, Öl auf Holz, 63 x 43,3 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie
4 Garten der Lüste, um 1503, Öl auf Holz, Mitteltafel: 220 x 195 cm, Flügelbreite: 97 cm, Madrid, Museo Nacional del Prado
5 Kreuzigung mit Stifter, um 1490, Öl auf Holz, 70,5 x 59 cm, Brüssel, Musées Royaux
6 Ecce Homo, um 1495, Öl auf Holz, 75 x 61 cm, Frankfurt, Städel Museum
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Bosch zeigt die Anbetung vor einem auf die vordere Bildbühne gesetzten Stall, der, im Unterschied zur Landschaft aus der Untersicht aufgenommen, beinahe die gesamte Breite der Mitteltafel einnimmt. Die Architektur des Stalls ist dabei nicht um ihrer selbst willen so prominent ins Bild gesetzt, sondern um die Figuren hierarchisch auf das zentrale Geschehen hin zu ordnen. Maria sitzt mit dem winzigen Jesuskind auf ihrem Schoß unter einem Vordach, einer Andeutung des aus Andachtsbildern vertrauten Baldachins. Eine Säule, die das Vordach stützt, trennt Maria und Jesus von der Gruppe der Könige. Diese treten mit dem heiligen Ernst von Priestern auf, die eine religiöse Zeremonie vollziehen. Bosch nutzt dabei eine Vielzahl von bildlichen Verweisen, um den dargestellten Akt der Verehrung des leibhaftigen Gottessohnes mit der im Kirchenraum vor dem Bild vollzogenen Messfeier zu verbinden. So hat der kniende König ein Objekt vor Maria abgestellt, das die im Alten Testament berichtete Opferung Isaaks zeigt. Diese Szene galt traditionell als Präfiguration des in der Messfeier nachvollzogenen Kreuzestodes Christi. Der zweite kniende König überreicht auf einem goldenen Teller kleine weiße Scheiben, die auf die Hostie anspielen, welche sich während der heiligen Messe in den Leib des Herrn wandelt. Auf dem blauen Umhang dieses Königs ist der in der Bibel geschilderte Besuch der Königin von Saba bei Salomo dargestellt, der in zahlreichen Bilderzyklen der Zeit als Vor-Bild zur Anbetung der Könige diente. Der mit einem fast porträthaft individuellen Gesicht ausgestattete schwarze König schließlich bringt eine silberne Kugel, ein altes Symbol der weltlichen Herrschermacht, auf der ein den Kopf neigender, rötlich-gold schimmernder Vogel sitzt. Er erinnert an den bei Bosch auch an anderer Stelle dargestellten Pelikan (Abb. 1), der durch sein Blutopfer seinen Nachwuchs rettet. Vielleicht spielt er aber auch auf den die Auferstehung versinnbildlichenden Phoenix an. In jedem Falle liegt es nahe, ihn als eucharistisches Symbol zu deuten, denn das bildliche Relief der Silberkugel zeigt die Begegnung zwischen Abraham und Melchisedech, die allgemein als alttestamentliches Gegenbild zum Abendmahl verstanden wurde. Die Motive der altniederländischen Malerei besitzen häufig
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symbolische Implikationen. Um diese Bildsprache zu charakterisieren, hat sich in der kunsthistorischen Forschung der Begriff der versteckten Symbolsprache eingebürgert, des disguised symbolism. Die Formulierung ist unglücklich gewählt, denn sie unterstellt den Bildern geheimnisvolle und geheime Inhalte. Dabei war das Denken in Analogien, in vergleichenden Bildern und symbolischen Bezügen zu Boschs Zeit weit verbreitet. Es steht außer Frage, dass das Verständnis der symbolischen Gehalte eines Bildes gewisse Kenntnisse erforderte, doch war diese Sinnbildlichkeit keineswegs versteckt. Viele derartige Bilder waren an öffentlichen Orten zu sehen, in Rathäusern oder Kirchen. Gerade im Bereich des christlichen Themenkreises hatte sich ein fester Kanon an Bildern und Motiven etabliert, die immer wieder reproduziert und variiert wurden. In Wandbildern und Altarwerken, mit denen die Kirchen überreichlich ausgestattet waren, wurden Christus und das von ihm ausgehende Heil vielfältig dargestellt. Immer wieder wurden sein Leben und Sterben sowie die sich um ihn rankenden Legenden ins Bild gesetzt, genauso wie jene Geschichten, in denen sich das kommende Heil ankündigte, oder die Legenden der Heiligen und Märtyrer. So zeigt Boschs Triptychon auf dem rechten Flügel die hl. Agnes mit dem auf ihren Namen anspielenden Attribut, dem Lamm, lateinisch agnus. Auf dem linken Flügel ist der der Legende nach so fürsorgliche hl. Joseph an einem Feuer zu sehen, wo er die aus seinen Hosen geschnittenen Windeln Jesu trocknet. Auch dieses Bild entspricht bis in kleinste Details hinein den bildlichen Traditionen. Gerade deswegen fallen die ikonographischen Unterschiede umso deutlicher ins Auge. So haben auch andere Maler die Hirten, die das Kind ja schon in der Nacht seiner Geburt gesehen hatten, zu Zeugen der Anbetung der Könige gemacht. Doch meistens legen diese Bauernfiguren dann ein würdigeres Betragen an den Tag als die unbekümmert wirkenden Hirten Boschs. Eine theologische Erklärung für deren Gebaren mag darin liegen, dass man die Hirten damals mit den Juden identifizierte, die Christus nicht erkannten und ihn leugneten, während die Könige jene Heiden darstellten, die den Messias anzubeten bereit waren.
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Wie schon im Frankfurter «Ecce homo» (Abb. 6) deuten die klein gehaltenen Motive im Hintergrund auf die latente Gegenwart des Bösen hin. Der rechts gezeigte Bär, der einen einsamen Wanderer überfällt, und die von einem Wolf bedrohte Frau erinnern an die Allgegenwart des Todes. Gerade mit Blick auf die Fährnisse der irdischen Existenz ist es völlig unverständlich, dass das törichte Volk, das auf dem linken Flügel in der Ferne zum Dudelsack tanzt, das christliche Heilsversprechen ignoriert, das durch den hell leuchtenden Stern angekündigt wird. Besonders irritierend wirkt die Figur im dunklen Eingang des verfallenen Stalls, der seit alters her als Sinnbild der mit Christi Geburt verfallenen Synagoge galt. Der nur mit einem purpurnen Umhang bekleidete Mann ist fast nackt und mit einer Reihe fremdartig anmutender Accessoires versehen. In der Bildsprache Boschs verheißt die augenfällige Exotik im Kontext der frommen Szene nichts Gutes. Die Gestalt trägt eine mit kopfstehenden Affen dekorierte dreistufige Krone in Händen und auf dem Kopf eine Dornenkrone, deren goldene Stacheln ihm nichts anhaben können, weil sie seine Stirn nicht berühren. Eine Schwäre an seinem Bein ist, einer Reliquie gleich, von einem Glaszylinder eingefasst. In seinem Schritt baumelt ein mit einem Glöckchen versehener Gürtel, der, mit einer Reihe von kopfstehenden Figuren geschmückt, auf die sprichwörtliche verkehrte Welt hinweist. Durch das Heidnisch-Fremde, das sich in dieser Figur mit einer blasphemischen Parodie christlicher Symbole verbindet, entsteht die überzeugende Karikatur einer Erlöserfigur. In den Augen eines zeitgenössischen Betrachters konnte das nur der Antichrist sein. Für die Theologen der Zeit war die Welt voll von jenen falschen Propheten, vor denen die Bibel vielfach warnte. Selbst ein kritischer und gebildeter Zeitgenosse wie Sebastian Brant, der Verfasser des «Narrenschiffs», gab sich überzeugt, dass die der Apokalypse vorausgehende Erscheinung des Antichristen nah sei. Anderen galt es als gewiss, dass der Antichrist bereits erschienen sei und die Zeit unmittelbar bevorstehe, in der sich die Schrift erfüllen sollte. Dass der Antichrist dem Geschlechte Dan angehören und seine irdische Mutter eine jüdische Hure sein
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7 Messe des hl. Gregor, Außenseiten der Anbetung der Könige (Abb. 11), um 1496/97, Öl auf Holz, 146,7 x 168,6 cm, Madrid, Museo Nacional del Prado
sollte, fügte sich zu den in der gesamten christlichen Welt kursierenden antisemitischen Legenden. So wie einst die Angehörigen des Volkes Israel den Messias geleugnet und gepeinigt hatten, erkannten sie nun die Eucharistie nicht an. Schlimmer noch, man hörte gar von Schändungen des Sakraments und von Hostien, die sich darauf in Fleisch und Blut verwandelten. Pogrome und Verfolgungen waren die Antwort auf die vermeintliche Bedrohung. Für andere verband sich die Vorstellung vom Antichristen mit den Türken, die drohend vor den Toren Europas standen. Man sah in ihnen die in der Apokalypse (20,8) erwähnten Völker Gog und Magog, die am Ende aller Zeiten zum letzten Gefecht gezogen kommen. Auf diese biblisch prophezeite, end-
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gültig letzte Schlacht mögen die beiden Heerhaufen anspielen, die Bosch hinter dem Stallgebäude aufeinander zureitend zeigt. Doch steht bei Bosch nicht die Bedrohung, sondern die Hoffnung im Vordergrund. Christi Erscheinen auf Erden verhieß eine Hoffnung auf Rettung, die sich im Empfang der heiligen Kommunion realisierte. So ist es wohl kein Zufall, dass beim Schließen des Retabels die Figur des Papstes Gregor, der die Messe zelebriert, beinahe exakt über der Figur des Antichristen zu liegen kommt (Abb. 7): Auf den Außenflügeln ist bei geschlossenem Retabel jene legendarische Messfeier gezeigt, bei der Christus leibhaftig erschienen war, nachdem ein Messdiener an der Transsubstantiation gezweifelt hatte, daran also, dass Christus bei jeder Messe in Brot und Wein wahrhaftig anwesend sei. Über der Messfeier rahmt Bosch den gefesselten, nackten Christus mit einer Bilderfolge seiner Passion, in der die Form des Retabels aufgegriffen ist. Sie findet ihren Höhepunkt im Kreuz Christi, das genau auf die Mittelfuge zwischen den Flügeln gemalt ist und exakt an der Stelle steht, wo innen der Stern von Bethlehem leuchtet. Die in der Druckgraphik der Zeit konventionelle Darstellung der Gregorsmesse hat Bosch auf die Außenseiten des Retabels übertragen, indem er die dort übliche zentrale Figur des Schmerzensmannes beibehielt und diese auf die Rahmenleisten malte. Beim Aufklappen des Retabels öffnet sich gleichsam der Schmerzensmann und der Leib des Gekreuzigten, um einen Blick auf die Fleischwerdung freizugeben, die innen gezeigt und in der Messfeier vor dem Retabel nachvollzogen wurde. Die in graubraunen Tönen gehaltene Darstellung auf den Außenseiten ist fast vollständig monochrom, abgesehen von zwei einige Jahre nach Fertigstellung des Retabels eingefügten Stifterfiguren. Sie geben einen Hinweis auf eine sakrale Zweitverwendung, die der Eingliederung in die Sammlung Philipps II. vorausgegangen sein muss. Da keine weiteren Wappen angebracht und die vorhandenen nicht entfernt wurden, mag es sich um Verwandte der ursprünglichen Stifter handeln, deren Identifizierung allerdings noch nicht überzeugend gelungen ist. Für den Maler Bosch erfüllte das für einen sakralen Ort bestimmte Retabel eine weitere Funktion, indem es dafür sorgte, dass er
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mit einem exquisiten Stück Malerei in der aufstrebenden Stadt Antwerpen vertreten war, die sich damals gerade anschickte, die flandrischen Handelszentren Brügge und Gent zu überflügeln und zur Metropole aufzusteigen. Entsprechend ihrer größeren heilsgeschichtlichen Bedeutung nimmt die Darstellung der Passion im Œuvre Boschs einen größeren Stellenwert ein als die Geburt des Erlösers. Das Leiden Jesu zeigt auch das heute in Wien bewahrte Fragment eines Retabels (Abb. 8, 14). In der Gestaltung dieses kleinen Triptychons, von dem nur der oben beschnittene linke Flügel erhalten ist, erkennt man wieder das sonst unübliche Bemühen um eine Korrespondenz von Außen- und Innenbild. Auf dem rotgrundigen Außenflügel ist in einem dunklen Tondo ein nacktes Kind gezeigt, das, von einem Laufwägelchen gestützt, ein Windrad trägt. Auch weil die Bibel sich nicht vorbehaltlos positiv zu Kindern äußert (1 Kor. 13,11), ist diese Figur als allegorisches Sinnbild törichter Unvernunft gedeutet worden. Doch liegt es wohl näher, in ihr den kindlichen Jesus zu sehen und eine Präfiguration seines unschuldig angetretenen Kreuzweges. Denn die Neigung des Kreuzes und die Beinstellung der Figur Jesu auf der Innenseite (Abb. 14) sind in frappierender Korrespondenz zur Neigung des Windrades und zur Beinstellung auf der Außenseite gebildet. Jesu Leiden wird innen ähnlich wie auf dem Frankfurter «Ecce homo» (Abb. 6) brutal vorgeführt. Nagelbretter, die von seinem Gürtel hängen, steigern seine Pein. Seine blutigen Qualen implizieren die Aufforderung zum Mitleid. Auch zeigt sich abermals der didaktisch prononcierte Kontrast zwischen der Physiognomie Christi und den meist brutalen Visagen seiner Peiniger, von denen einer wieder den Schild mit der Kröte trägt. Eine lehrhafte Gegenüberstellung trifft man auch im Vordergrund an, wo zwei Soldaten den bösen Schächer foltern, während der gute Schächer beredt einem als Mönch gewandeten Schächer beichtet. Das in diesem Motiv ablesbare Bemühen, das biblische Geschehen mit der eigenen Gegenwart zu verbinden, findet sich ebenso in anderen zeitgenössischen Bildern, vor allem in der Buchmalerei; das Gleiche gilt für den einer leichten Lesbarkeit zuarbeitenden Bildaufbau in zwei übereinander angeordneten
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Raumzonen und das Fehlen jeder Raumflucht im Zentrum des Bildes. Schon einige Jahre zuvor hatte Bosch eine vergleichbar konventionelle Kreuztragung gemalt (Abb. 15), die allerdings fast siebenmal so groß war. Sie zeigt den unter der Last seines Kreuzes niedersinkenden Christus, dem der schon alte Simon von Kyrene beim Tragen hilft. Links hinter ihm sieht man die hässlichen Visagen der Henkersknechte, während rechts in der Ferne die weinende Maria zu Füßen des Apostels Johannes zusammenbricht. Wiederum schöpft Bosch bei der Gestaltung der Gesichter aus seinem vertrauten Typenfun- 8 Christuskind mit Laufwägelchen dus. Man könnte hinter dieser und Windrad, Außenseite der Kreuztragung (Abb. 14 um 1500/10, Typisierung die Absicht ver- 57,2 x 32 cm, Wien, Kunsthistorisches muten, die Schergen als Pro- Museum, Gemäldegalerie totypen einer überzeitlich verstandenen sündigen Menschheit zu vergegenwärtigen. Das für die Menschen ertragene Leiden Christi wird auch hier durch Nagelbretter, diesmal unter den Füßen Jesu, drastisch vor Augen geführt. Die Bilderzählung wirkt jedoch verglichen mit der erzählerischen Dichte der Wiener Kreuztragung konzentrierter, und der aus dem Bild gewandte Blick Jesu lädt zu vertiefter Andacht und zum Nachdenken über die Passion ein. Welche Funktion das Bild einst hatte, muss offenbleiben. Sicher ist, dass die Tafel schon 1574 bei der Übergabe an den Escorial als Einzelstück inventarisiert wurde, auch wenn sie für ein Andachtsbild ungewöhnlich groß ist.
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Diesen Bildtyp repräsentiert weit besser die um das Jahr 1495 entstandene Darstellung der Dornenkrönung (Abb. 21), die sich heute in London befindet. Es ist die früheste von Bosch bekannte Passionsszene mit Halbfiguren; Bosch hat hier ein damals in Flandern entwickeltes Bildformular interpretiert und weitergeführt. Die großen, prägnant modellierten Gestalten sind eng zusammengedrängt in größter Einfachheit vor einen schlichten grauen Hintergrund gesetzt. Christus steht ruhig im Zentrum und blickt beinahe versonnen aus dem Bild, während sich die vier um ihn angeordneten Folterknechte anscheinend vergeblich bemühen, ihn zu peinigen. Bosch lädt nicht nur zur Anteilnahme ein, sondern inszeniert den noch gänzlich unverletzten Christus als den idealen Menschen und als Tugendexempel, dessen Leiden als Vorbild für die rechte Haltung eines Christenmenschen in Not und Unglück empfohlen wird. Abgesehen von dem stacheligen Hundehalsband, das in Anspielung auf die Psalmen (22,17: «Denn Hunde haben mich umgeben») zur Charakterisierung der Figur in der rechten oberen Bildecke eingesetzt ist, nutzt Bosch allein die Gesichtszüge zur Veranschaulichung von Sündhaftigkeit und sittlicher Verrohung. Die visuell argumentierende Belehrung, die in diesem Kontrast von guten und bösen Physiognomien liegt, erfährt in einem anderen Bosch zugeschriebenen Bild ihre höchste Steigerung. Diese Kreuztragung ist wohl erst nach dem Jahr 1510 entstanden (Abb. 22). Beinahe plakativ werden hier die fratzenhaften Physiognomien vor dem schwarzen Grund des Bildes angeordnet. Genau im Zentrum des Bildes, hervorgehoben durch die Diagonale des Kreuzesbalkens, leuchtet hell das in sein Leid ergebene Gesicht Jesu. Das Bild ist dicht gefüllt mit bedrohlich anmutenden Gesichtern von grotesker Hässlichkeit, wobei alle Protagonisten der Wiener Kreuztragung (Abb. 14) einem auch hier begegnen. Der beichtende Schächer ist oben rechts gezeigt, während der böse unten links mit einem Schergen streitet. Das Personal ist allerdings um die Figur der hl. Veronika erweitert, die versonnen lächelnd das Tuch mit dem Antlitz des siegreichen Christus hält, dessen Blick hier aus dem Bild gerichtet ist. Die Ikonographie dieses Bildes hat nie Fragen aufgeworfen,
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doch herrscht über die Zuschreibung keine Einigkeit. Zu einer solchen Anhäufung von 19 fast durchweg grotesk karikierten Köpfen auf so engem Raum, der keiner ist, gibt es in der Kunst des frühen 16. Jahrhunderts im Format eines christlichen Andachtsbildes keine Parallele. Doch bleibt es gerade deshalb denkbar, dass es sich hier um ein spätes Werk von Bosch handelt. Dabei ist mit dieser Einordnung gleich ein weiteres Problemfeld angesprochen: Mit Blick auf die fragmentarische Überlieferung von Boschs Œuvre und dessen unvollständige Dokumentation kann es kaum verwundern, dass über die Chronologie seiner Werke bislang keine Einigkeit besteht. Tatsächlich ist es nicht leicht, innerhalb der erhaltenen Arbeiten eine stilistische Entwicklung aufzuzeigen, zumal keines der Bilder datiert oder sicher mit einem datierbaren Auftrag in Zusammenhang zu bringen ist. Naturwissenschaftliche Untersuchungsmethoden, vor allem die Dendrochronologie, haben in den letzten Jahren zahlreiche Ergebnisse geliefert. So ließen sich all jene Tafeln als Werke Boschs ausschließen, die aus Bäumen gesägt wurden, welche erst nach seinem Tod gefällt wurden. Da Bosch aber nachweislich einmal die nicht mehr benötigten Tafeln eines alten Retabels erwarb, vermutlich um sie neu zu bemalen, und mithin auf alten, lange abgelagerten Tafeln gemalt haben könnte, lässt sich allein mit der Dendrochronologie keine Reihenfolge der Werke begründen. Dennoch lassen sich stilistische Entwicklungen aufzeigen, die auf eine relative Chronologie der Werke schließen lassen. Diese ist selbstverständlich zu anderen Methoden der Datierung in Beziehung zu setzen. In neuerer Zeit hat vor allem die Untersuchung der Bilder mittels Infrarotreflektographie die Diskussion bestimmt. Man vermochte aufgrund der Form der Unterzeichnung verschiedene zusammengehörige Gruppen aufzuzeigen und bestimmte Entwicklungen festzustellen. Das Frankfurter «Ecce homo» ist detailreich und dicht vorgezeichnet, weit sparsamer «Johannes auf Patmos» oder die Londoner «Dornenkrönung». In den durch die Art der Unterzeichnung miteinander verbundenen Werken begegnen einem auch weitere Gemeinsamkeiten wie die Art der Wiedergabe von Augen, Händen oder
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Fingern. Die gleichen Zusammenhänge und eine übereinstimmende Entwicklung werden auch an den Physiognomien ablesbar. Dabei versteht es sich, dass solche Tendenzen nicht nur Boschs künstlerischer Entwicklung geschuldet sind, sondern auch den verschiedenen Bildaufgaben, den Auftragskontexten und dem Anspruchsniveau des Zielpublikums. Der vor allem auf den Individualstil des Künstlers gerichtete kennerschaftliche Blick ist in jüngerer Zeit zunehmend in die Kritik geraten. Selbstverständlich ist es mehr als fragwürdig, bei einem Maler, von dem man vor seinem 30. Lebensjahr kein einziges Werk besitzt, eine Genese von der Früh- über die Reifezur Spätzeit zu unterstellen. Und doch lässt sich eine solche Entwicklung auch biographisch plausibel machen und die Distanz aufzeigen, die weitgehend eigenhändige Werke Boschs von denen seines Umkreises trennt. Hier kommt unter anderem Boschs charakteristisches Kolorit zum Tragen, zum Beispiel die einzigartige Harmonie zwischen Rot- und Grüntönen, die unzähligen, zumeist weiß gebrochenen Spielarten von Rot oder das irrationale Spiel schillernder Töne vor dunklem Grund. Die Art, wie Bosch die Farbe als Mittel des malerischen Ausdrucks nutzt, ist in seiner Zeit ohne Vergleich und macht seine Bilder bis heute einzigartig. Selbst seine Nachahmer, die seine Bilderfindungen schon zu seinen Lebzeiten kopierten, übernahmen zwar den Inhalt, die Kompositionsweise und sein Motivrepertoire, aber nicht seine in der Malweise begründete Formensprache.
5. Fromme Exempel Zu den beliebtesten und am häufigsten imitierten Bildern Boschs gehörten einst verschiedene Darstellungen der Versuchung des hl. Antonius. Sie fanden sich schon zu seinen Lebzeiten in großer Zahl in Sammlungs- und Nachlassinventaren überall in Europa. Gleich zwei Antonius-Bilder waren beispielsweise 1504 im Besitz von Isabella der Katholischen, der Schwie-
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9 Der hl. Jacobus Major und der hl. Hippolyt, Außenseiten des Jüngsten Gerichts (Abb. 23), begonnen um 1490, vollendet um 1505, Öl auf Holz, 163,7 x 127 cm, Flügel: 167,7 x 60 cm, Wien, Galerie der Akademie der Bildenden Künste
germutter Philipps des Schönen, die außerdem zwei Bosch zugeschriebene Darstellungen der büßenden Magdalena ihr Eigen nannte. Ein weiteres Antonius-Bild von Bosch besaß Margarete von Österreich. Nachdem ihr Bruder Philipp der Schöne gestorben war, regierte sie die Niederlande ab 1507 als Statthalterin für dessen Sohn, den späteren Kaiser Karl. 1516 bekam sie das damals schon als alt charakterisierte Gemälde von Karls Schwes-
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ter Eleonore geschenkt und ließ es in ihrem Schlafzimmer aufhängen. Da der Name des Malers in den Hofakten überliefert ist, wurde sein Werk offensichtlich nicht allein als religiöses Andachtsbild wahrgenommen, sondern auch als Kunstwerk. In Boschs Heiligenbildern erhalten die aus traditionellen Legenden und deren unzähligen Illustrationen vertrauten Gestalten ein völlig neues Gepräge. Bosch zeigt keine starren Kultbilder, selbst wo er die Heiligenfiguren auf den Außenseiten eines Altarretabels ausnahmsweise einmal formatfüllend zeigt (Abb. 9). Die um 1505 vollendeten Bilder des hl. Jacobus Major und des hl. Hippolyt von den Außenflügeln des Wiener «Jüngsten Gerichts» sind der Tradition solcher Retabel gemäß in Grisaille gemalt. Doch im Unterschied zu den meisten anderen Malern seiner Zeit ahmt Bosch nicht Skulpturen im Medium der Malerei nach, sondern entwirft monochrome Bilderzählungen. Nicht die zur Anbetung einladende Figur des Heiligen steht im Vordergrund, sondern eine Handlung, die auf dessen vorbildliches Leben verweist. Diese Darstellungsform lässt sich durch eine damals aktuelle theologische Diskussion um den Bilderkult erklären, der sich im Verlauf des 15. Jahrhunderts ausgebreitet hatte. Kritische Theologen forderten, man solle die Heiligen nicht als Schutzpatrone verehren und ihre Bilder nicht anbeten, sondern sich an ihren Taten für die eigene Lebensführung ein Vorbild nehmen. In seinem «Handbüchlein des christlichen Streiters» hat Erasmus von Rotterdam, der große Kritiker seiner Zeit, 1503 einen Götzendienst gegeißelt, der nicht mehr auf Christus gerichtet sei, sondern auf die Anbetung von Heiligenbildern. In seinem 1511 in lateinischer Sprache publizierten «Lob der Torheit», das schon bald in Nachdrucken und Raubkopien in ganz Europa verbreitet war, stellte er den «Aberglauben des Bilderkultes» und die sinnentleerte Heiligenverehrung satirisch bloß. Der nicht allein von Erasmus erhobenen Forderung, sein Leben zu bessern und keinen materiellen Nutzen vom bloßen Anblick der Heiligenbilder zu erhoffen, entsprach Bosch mit seinen Gemälden vom Leben und Leiden der Heiligen. Seine noch vor 1500 entstandene Darstellung des hl. Christophorus (Abb. 25) zeigt nicht den hünenhaften Nothelfer, dem der von Erasmus
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verspottete Volksglaube die Macht zusprach, allein durch sein Bild vor einem «jähen Tod» zu schützen. Boschs Christophorus, der sich schwer auf seinen Stock stützt und die in Christus verkörperte Last der Welt über den Fluss trägt, ist von Motiven des Untergangs und der Verderbnis umgeben. Am Ufer ist klein der Eremit gezeigt, der Christophorus bekehrt hat; dieser wollte zunächst dem mächtigsten Herrn dienen und hatte sich bereits dem Teufel verschrieben, bis der vor einem Kruzifix erschrak. Auf die Gestalt des Erlösers und den Heiligen müssen all die fremdartigen und finsteren Motive bezogen werden, die Bosch einsetzt, um eine vom Bösen durchdrungene Welt zu imaginieren. Links im Vordergrund verweisen ein aus dem Wasser ragender Mast und die Takelage auf einen Schiffbruch, im Hintergrund hat sich eine winzige Figur die Kleider vom Leib gerissen, um vor einem Monster zu fliehen. Besonders rätselhaft ist der Baum, der dem Eremiten als Wohnstatt zu dienen scheint. An ihm hängt ein in Form und Farbe naturalistisch wiedergegebener, dabei aber in seiner Größe über alle Maßen gesteigerter Krug. Aus einer christlichen Perspektive war schon die Größe des Objektes ein Hinweis auf seine unchristliche Konnotation. Der Krug mag dem Betrachter zu verstehen geben, dass auch die Heimstatt des Eremiten von Sünden und Versuchungen nicht frei ist. Denn der überdimensionierte Krug kann, genau wie das auf der Stange steckende gebratene Huhn darüber, auf die Todsünde der Völlerei anspielen. Da der Krug zerbrochen ist, kann er zudem ein Verweis auf verlorene Unschuld oder Unkeuschheit sein. Die Zeitgenossen Boschs dürften dessen Hinweise auf die allgegenwärtigen Mächte des Bösen genauso leicht verstanden haben wie das Publikum unserer Tage die Anspielung auf Osama bin Laden in einem Musikvideo des Rappers Eminem. Zugleich war jedes einzelne Motiv nach dem Verfahren des vierfachen Schriftsinns in der Bibelexegese unterschiedlich zu interpretieren. Diese mittelalterliche Praxis der Auslegung ging von der Vorstellung aus, dass jedes Wort, also die vox oder das significans, nur eine Bedeutung habe, nämlich das bezeichnete Ding. Andererseits habe, so Thomas von Aquin in seiner «Summa Theologiae», das Ding selbst, die res oder das signi-
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ficatum, viele unterschiedliche Bedeutungen. Unter dieser Voraussetzung entwickelte die abendländische Theologie schon früh Lehren vom zwei- oder mehrfachen Schriftsinn, die in dem viel zitierten Merksatz zum vierfachen Sinn der Schrift gipfelten: «Der buchstäbliche Sinn lehrt, was geschah; was du glauben sollst, die Allegorie; die Moral, was du tun sollst; wohin du streben sollst, die Anagogie.» Nach der Lehre vom vierfachen Schriftsinn, die auch der Kirchenvater Augustinus vertrat, bezeichnet ein Wort im historischen Sinn das jeweils genannte Ding, die Sache oder den Sachverhalt. Der allegorische Sinn transportiert die heilsgeschichtliche Bedeutung, während der moralische oder tropologische Sinn auf die Bedeutung der Sache für die einzelne Seele in der Welt zielt. Am Schluss steht der vierte, der anagogische Sinn, der (entsprechend dem griechischen Wort ‹anago›, hinaufführen) auf die jenseitige Verheißung gerichtet ist. Dieses Auslegungsverfahren war zu Zeiten Boschs allgemein verbreitet und wurde schließlich sogar zum Mittel der Produktion neuer, geistlicher wie weltlicher Texte. Damit gelangte die Allegorese allmählich in den Rang einer universellen Deutungsmethode. Auch und gerade auf Darstellungen des hl. Christophorus wurde sie so selbstverständlich angewandt, dass sich selbst protestantische Theologen anschlossen. Martin Luther sah in den durchaus löblichen Bildern dieses Heiligen ein «Exempel und ebenbild eins Christlichen lebens», und noch 1531 exemplifizierte Philipp Melanchthon in seinen «Elementa rhetorices» die Auslegung nach dem vierfachen Schriftsinn ausgerechnet an einem Bild des hl. Christophorus. Wenn katholische Theologen auch nicht mit allen Details dieser Lesart konform gingen, bestand doch ein weithin geteilter Konsens darüber, dass Darstellungen von Heiligenlegenden lehrhafte und moralisierende Inhalte vermitteln sollten, die den geneigten Betrachter emotional ansprechen, ihn unterhalten und belehren sollten. Einem solchen Anspruch folgt auch Boschs um das Jahr 1495 entstandene Darstellung seines Namenspatrons (Abb. 24). Auch dieser hl. Hieronymus ist alles andere als ein Anbetung erheischendes Götzenbild. Die Vita des großen Kirchenlehrers, dem
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10 Sint Ontcomer, um 1505/15, Öl auf Holz, Mitteltafel: 104 x 63 cm, Flügelbreite: 28 cm, Venedig, Dogenpalast
man die verbindliche lateinische Übersetzung der Bibel, die Vulgata, verdankte, war zu Boschs Zeit nicht nur Gebildeten vertraut. Aus Bildern und Texten war die Legende von dem Löwen bekannt, dem Hieronymus einen Dorn aus der Pranke gezogen hatte und der darauf sein so zahmer wie treuer Gefährte wurde. Abweichend vom traditionellen Bildmuster zeigt Bosch den ausgemergelt wirkenden Heiligen liegend, das Kruzifix innig im Arm haltend, in einer weitläufigen Landschaft. Von einem dunklen, braun gehaltenen Vordergrund erstreckt sich diese über einen grünen Mittelgrund, in dessen Ferne ein Gehöft sichtbar wird, zu den sanften blauen Hügeln des Hintergrundes. Der Kardinalshut des Heiligen liegt hinter ihm am Boden, die kostbare rote Robe ist achtlos über einen toten Baumstamm geworfen. Sein Gebetbuch findet genauso wenig seine Beachtung
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wie sein Attribut, der Löwe, der winzig und ausgezehrt am linken Bildrand erscheint. Die merkwürdigen Pflanzen und Gewächse, die um ihn herum wuchern und blühen, sowie die zahlreichen Tiere, die ihn umgeben, scheint der in seine Meditation versunkene Einsiedler nicht wahrzunehmen. Er sieht die Eidechse so wenig wie die kleinen Vögel, die Eule, die auf dem Ast des abgestorbenen Baumes hockt, und den Fuchs, der sich vorne am Bildrand, direkt neben einem pickenden Hahn, schlafend zusammengerollt hat. Vieles an dem Bild wirkt befremdlich. Doch ist das nur zum Teil Boschs Art der Bilderzählung und seiner Natursymbolik geschuldet. Wer bibelfest genug ist, mag mit Blick auf den Fuchs an eine Stelle aus dem Matthäus-Evangelium denken (8,20), in der Jesus seinen Ort in der Welt beschreibt: «Die Füchse haben Höhlen, und die Vögel des Himmels Nester; der Menschensohn aber hat nichts, wo er sein Haupt niederlege.» Bei Betrachtern, die mit den Briefen des hl. Hieronymus vertraut sind, ruft die von Bosch gezeigte Landschaft zugleich die Erinnerung an die Schilderung des Heiligen von jener «Einöde» wach, in die er sich einst zurückgezogen hatte. Um Eustochium, die klösterlich lebende Tochter der hl. Julia, zur Nachfolge Christi aufzurufen, berichtete Hieronymus in seinem Brief an sie von der Zeit, als seine «Begleiter nur Skorpione und wilde Tiere waren […] und er versuchte, das widerspenstige Fleisch zu bändigen». Auf diesen Text gestützt, führt eine Sammlung von Heiligenviten, das sogenannte Vaderboek, aus, dass Hieronymus Tag und Nacht dagelegen habe, «hingestreckt auf sein Angesicht – und wagte nicht, seine Augen zum Himmel aufzuschlagen». Genau wie der Brief des Hieronymus ist das Gemälde Boschs als Aufruf zur Nachfolge Christi zu lesen. Diese zentrale Botschaft gibt auch für die auf den ersten Blick befremdlich anmutenden Details die Deutung vor. So stehen zum Beispiel die hybriden Pflanzen und ihre teils hohlen oder dornig wuchernden Auswüchse, die ein Gärtner vielleicht als «geile Triebe» bezeichnen würde, für genau das. In ihnen sind die Sünden und Versuchungen der Welt verkörpert, die ihr seit Anbeginn innewohnen und die der hl. Hieronymus durch Gebet und Fasten zu bändigen suchte.
11 Anbetung der Könige, um 1496/97, Öl auf Holz, Mitteltafel: 138 x 72 cm, Flügelbreite: 34 cm, Madrid, Museo Nacional del Prado
12 Versuchung des hl. Antonius, 1502/03, Öl auf Holz, Mitteltafel: 131,5 x 119 cm, Flügelbreite: 53 cm, Lissabon, Museu Nacional de Arte Antiga
13 Eremiten-Triptychon, um 1504, Öl auf Holz, Mitteltafel: 86,5 x 60 cm, Flügelbreite: 29 cm, Venedig, Dogenpalast
14 Kreuztragung, um 1500/10, Öl auf Holz, 57,2 x 32 cm, Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie
15 Kreuztragung, um 1495/1500, Öl auf Holz, 150 x 94 cm, Monasterio de San Lorenzo de El Escorial
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Auf diese Weise ließen sich alle Details des Bildes innerhalb eines heilsgeschichtlich determinierten Deutungsrahmens interpretieren. Zu Boschs Zeit wurden allerdings bei der allegorischen Betrachtung von Bildern die vielfältig sich eröffnenden Bezüge nicht im Sinne von festgelegten Bedeutungen aufgelöst. So waren durchaus unterschiedliche Lesarten ein und desselben Bildes möglich und gewünscht. Nur dürfte für die Zeitgenossen Boschs außer Frage gestanden haben, dass dessen Heilige nicht mit Häresie oder arkanen Lehren in Verbindung zu bringen waren. Die Heiligenbilder Boschs sollten zur besinnlichen Betrachtung anregen und zur Nachfolge Christi anleiten – so auch ein kleines Triptychon mit einer gekreuzigten weiblichen Heiligen (Abb. 10). Das Werk entstand im Kontext privater Frömmigkeit, wobei die einst auf den Flügelinnenseiten dargestellten Stifterfiguren schon früh übermalt wurden. Auch die Mitteltafel wurde stark überarbeitet. Deshalb war sich schon 1771 Antonio Maria Zanetti nicht sicher, ob das Bild die Kreuzigung eines männlichen oder einer weiblichen Heiligen zeige. Noch heute sind sich die Kunsthistoriker über die Identität des dargestellten prächtig gekleideten Mädchens nicht einig. Man wollte in ihr die hl. Julia erkennen, obwohl deren Legende nicht von einer Kreuzigung berichtet. Vermutlich entwarf Bosch ein Bild der in Deutschland und den Niederlanden gleichermaßen verehrten hl. Wilgefortis, die auch Sint Ontcomer genannt wurde. Sie hatte Gott gebeten, ihr Aussehen zu entstellen, damit sie nicht heiraten müsse. Nachdem ihr ein Bart gewachsen war, ließ ihr Vater sie ans Kreuz schlagen, von wo sie drei Tage lang predigte und viele Menschen einschließlich ihres nun reuigen Vaters bekehrte. Zu dieser Legende passten auch die einst auf den Innenflügeln gezeigten szenischen Darstellungen, die genau wie die Stifterfiguren verschwanden. Wo heute links der hl. Antonius zu sehen ist, war ursprünglich eine andere Szene aus dem Leben der hl. Wilgefortis gezeigt. Die Szene, die heute rechts dargestellt ist, lässt sich nicht mehr recht deuten, hat aber genau wie die Versuchung des Antonius keinen Bezug zum Mittelbild. An dieser Stelle war einst ein Sturm zu sehen, den Gott über die
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16 Fragmente einer Sintflutdarstellung, Außenseiten: Vier Tondi mit Darstellungen der Versuchung und Erlösung des Hiob, Innenseiten: Die Erde vor der Sintflut, Die Tiere verlassen die Arche, um 1510/15, Öl auf Holz, 69,5 x 38 cm und 69 x 36 cm, Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen
Ungläubigen kommen ließ, nachdem er die gekreuzigte Heilige erhört hatte. Auch andere Bilder Boschs wurden erst durch ihre Zerstörung schwer verständlich, wie beispielsweise zwei heute in Rotterdam bewahrte Tafeln (Abb. 16), die einst als Flügel eines Triptychons dienten. Da sie sowohl innen als auch außen als Grisaille gestaltet sind, war der verlorene Mittelteil vermutlich ein nicht farbig gefasstes Schnitzretabel. Die erhaltenen Bilder lassen sich unter Heranziehung anderer Kunstwerke wie auch biblischer und exegetischer Texte als Auseinandersetzung mit den Themen Sünde und Erlösung entschlüsseln. Während der
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linke Innenflügel den Sturz der aufrührerischen Engel am dritten Schöpfungstag illustriert, mit dem das Böse in die Welt kam, zeigt der rechte Innenflügel die nach der Sintflut gestrandete Arche, deren lebende Fracht sich über die wüste Erde ausbreitet. Die vier allegorischen Medaillons der Außenflügel spielen auf Ereignisse aus dem biblischen Buch Hiob an. Bosch nutzt dabei die Erzählungen aus dem Alten Testament, um Hiobs frommes Dulden als beispielhaften Umgang mit dem Bösen zu illustrieren und Hiob als Propheten der Auferstehung vorzustellen. Selbst wer die biblischen Bezüge nicht aufzudecken vermag, wird leicht auf drei der vier Tondi einen von den Mächten des Bösen gequälten Menschen sehen und ihn auf dem vierten Tondo als einen Frommen erkennen, dem nach den irdischen Peinigungen ein Engel zum ewigen Leben verhilft. Während Bosch in diesen Medaillons knappe Andeutungen genügen, nutzt er in den meisten seiner Bilder eine Vielzahl von
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Details, um die auf moralische Belehrung zielende Botschaft visuell zu vermitteln. Dies gilt beispielsweise für ein um das Jahr 1504 entstandenes Triptychon, das später schwer beschädigt wurde (Abb. 13). Die Bemalung der Außenseite ist nicht erhalten. Das Innere, das drei heilige Einsiedler zeigt, ist stark restauriert. Auf dem linken Flügel wird die Versuchung des hl. Antonius geschildert, rechts ist der hl. Ägidius dargestellt und in der Mitte wiederum der hl. Hieronymus, der sich mit einem Stein in der Hand selbst kasteit. Zu den schon bekannten Motiven, die der Charakterisierung der Haltungen und Handlungen des Heiligen dienen (Abb. 24), treten hier die Reliefs, die als Bilder im Bild erscheinen. Leicht lässt sich die Darstellung der Judith deuten, deren keusche Tugend über die Wollust des Heerführers Holofernes triumphierte, dessen abgeschlagenen Kopf sie in der Hand hält. Während dieses Motiv der traditionellen christlichen Ikonographie entnommen ist, setzt Bosch bei den anderen Reliefs weniger auf Vertrautes, auch wenn sich in der Buchmalerei Parallelen aufzeigen lassen. Dem Judith-Relief gegenüber ist ein Mann mit einem Einhorn gezeigt, dem als Sinnbild der Keuschheit bekannten Mariensymbol. Entgegen der Aussage des «Physiologus», dass nur eine Jungfrau ein Einhorn zu fangen vermöge, ist es hier eine Akrobatenfigur, in der sich das Bemühen des hl. Hieronymus verkörpert, seiner Triebe Herr zu werden. Noch rätselhafter mutet das Motiv eines Mannes auf dem dritten Relief an, der halb in einem umgestürzten Bienenkorb steckt. Bosch hat es auch auf dem Gemälde des hl. Christophorus verwandt (Abb. 25), wo es uns in der Krone des Baumes begegnet. Auf dem Eremiten-Triptychon ist es noch gesteigert, indem aus dem nackten Hintern, der nicht mehr in den Bienenkorb passt, ein Zweig ragt, auf dem eine von Tagvögeln umflatterte Eule sitzt. Der Mann im Bienenkorb, den seine törichte Gier nach Honig dort hineingetrieben hat, darf als Bild der Genusssucht und zügellosen Ausschweifung verstanden werden. Sein nackter Hintern bringt seine Unreinheit zum Ausdruck, die das Sündhafte seines Tuns noch einmal verdeutlicht, das auch die Eule unterstreicht. Sie hat mit dem heute vertrauten Symbol der Weisheit wenig zu tun. Die Zeitgenossen Boschs
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17 Gefangennahme Christi, Kreuztragung, Außenseiten der Versuchung des hl. Antonius (Abb. 12), 1502/03, Öl auf Holz, 131,5 x 119, Flügelbreite: 53 cm, Lissabon, Museu Nacional de Arte Antiga
verbanden mit diesem Vogel schon wegen seiner Lichtscheu eine Vielzahl negativer Deutungen. Sie sahen in der Eule geistige Blindheit, Faulheit und Sünde verkörpert. Das Spiel mit immer wieder neuen Deutungen, die auf das Thema eines Bildes genauso zu beziehen waren wie auf das eigene Leben, scheint besonders in Kreisen des Adels beliebt gewesen zu sein. Vor allem Darstellungen der Versuchung des hl. Antonius wusste man dabei zu schätzen. Davon zeugen auch die mehr als 30 Kopien eines Triptychons, dessen Original sich heute in Lissabon befindet (Abb. 12, 17). Möglicherweise ist es mit einem urkundlich bezeugten Werk identisch, das Philipp der Schöne gegen Ende des Jahres 1505 erwarb, um es seinem Vater zu schenken. Das Schriftstück überliefert nicht nur den Zweck
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der Erwerbung und den hohen Preis von 312 Gulden, den man dem Schöffen des Brügger Freiamtes zahlte, sondern ebenso gestalterische Details. Das Werk zeige auch auf den Flügeln «mehrere Geschichten», die «andernorts reich ausgeführt» seien. Diese Formulierung mag sich auf die Grisaillen der Außenflügel des Lissaboner Triptychons beziehen (Abb. 17), die, anders als beispielsweise beim Wiener «Jüngsten Gericht» (Abb. 9), vielfigurig und reich gestaltet sind. Links ist die Gefangennahme Christi gezeigt, rechts die Kreuztragung. Das Passionsgeschehen wird in einer für die Zeit ungewöhnlichen malerischen Direktheit vorgeführt, genau wie auf der Rückseite der Johannestafel (Abb. 1) und den Außenflügeln der Anbetung der Könige (Abb. 7). In allen Passionsdarstellungen Boschs liegt der erzählerische Schwerpunkt auf der Gegenüberstellung von Christus und der ihm feindlich gesinnten Menschheit. Der in Christus verkörperte Erlösungsgedanke dagegen, der traditionell in der von Bosch nie dargestellten Himmelfahrt seinen unmittelbaren Ausdruck findet, tritt in den Hintergrund. Vielmehr wird die Leidensgeschichte auf die Schuld der Menschheit konzentriert, die sich an Christus versündigt hat und Gott dessen Gnade nicht dankt. Diese Konzentration und der zu Boschs Zeit von zahlreichen Theologen konstatierte mangelnde Respekt für Christi Erlösungswerk machen die damalige Aktualität von Boschs Thema aus und erklären den Zusammenhang zur Vita des hl. Antonius, die auf dem Triptychon innen ausgebreitet ist. Thomas a Kempis und andere Vertreter der devotio moderna, aber auch Theologen wie Dionysius van Rijckel hatten der sündigen Menschheit empfohlen, sich die heiligen Einsiedler, die «heiligen Väter», zum Vorbild zu nehmen. Entsprechend häufig wurde deren Leben zum Gegenstand von Predigten, Texten und Bildern. Und dennoch war die Idee neu, das Leben des hl. Hieronymus über drei Flügel eines Retabels auszubreiten, eine Idee, die sich möglicherweise aus dem nicht mehr rekonstruierbaren Auftragskontext erklärt. Dass es sich bei dem Lissaboner Triptychon um eine noch nicht in allen Details erprobte Bilderfindung handelt, bezeugen auch die teils durch die Malschicht sichtbare Unterzeichnung und di-
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verse Pentimenti, wo im Prozess des Malens der Entwurf geändert wurde. Auf der Mitteltafel des aufgeschlagenen Triptychons markiert die Figur des Heiligen das kompositorische und geistige Zentrum. Sein Kopf ist in der Mitte des um ihn herum gezeigten Bilderkosmos dargestellt, und auf ihn sind alle Szenen und Motive orientiert. Sein aus dem Bild gewandter Blick und der Segensgestus seiner Hand, die gleichzeitig auf die Erscheinung Christi hinweist, lassen die vertraute Idee der Nachfolge Christi anklingen. Es ist keine Leserichtung vorgegeben. Das verdeutlichen auch die Darstellungen der Innenflügel, wo auf der linken Seite die bekannteste Versuchung des Heiligen dargestellt ist. Von Dämonen gepackt, wird er in die Lüfte entführt und stürzt zu Boden, wo ihn Freunde finden und forttragen. Die Szene auf dem rechten Flügel, wo dem lesenden Heiligen in einem hohlen Baum eine nackte Frau erscheint, lässt sich als die Versuchung durch sexuelle Gelüste bestimmen. Wie die «Legenda aurea» und das zu Boschs Zeit ebenso verbreitete «Vaderboek» ausführen, verschenkte Antonius sein ererbtes Vermögen, um hinfort ein Eremitenleben zu führen. In unterschiedlicher Gestalt versuchte der Teufel, ihn auf vielfältige Art zu peinigen und zu verführen, doch Antonius blieb standhaft. Von dieser Standhaftigkeit erzählt vor allem die Mitteltafel, auf der dem Heiligen eigentlich gar nichts passiert, weil die Ausgeburten der Hölle, die Monstren und Mischwesen, ihn allein durch ihre Vorstellung bedrängen. Bosch breitet um die stumm kniende Figur des Antonius all die inneren Bilder aus, mit denen der Heilige ringt. Damit hat Bosch eine anschauliche Bildform erfunden, um innere Vorgänge zu visualisieren. Die vielen Details des Bildes illustrieren aber nicht allein die Versuchung des Heiligen. Sie sind auch eine ganz unmittelbare Verlockung für die Phantasie des Betrachters. Man kann sich für das vogelartige Mischwesen mit dem Trichterhut begeistern, das ein am Umhang angebrachtes Zeichen als Boten ausweist. Oder man kann sich fragen, was ihm gegenüber die drei Wesen unter der Brücke lesen. Sie fesseln den Blick genauso wie die luftschiffgleichen Fisch- und Vogel-Fregatten, die über den
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5. Fromme Exempel
Himmel gleiten, oder die düstere Brandlandschaft der Mitteltafel. Will man alle Details deuten, kann man sich leicht verlieren, und so ist es kein Wunder, dass sich die kunsthistorische Forschung mit der Interpretation schwertat. Zwar wurde nur selten bezweifelt, dass ein Exemplum tugendhafter Standfestigkeit im Zentrum des Werkes steht, doch gingen die Meinungen bei den allzu vielfältig deutbaren Details auseinander. Zumindest herrscht inzwischen weitgehend Konsens darüber, dass alle Versuche in die Irre führen, die Bilder zu Zeugen einer ketzerischen Gesinnung des Malers zu machen. Wem es gefällt, astrologische oder alchemistische Anspielungen zu suchen, der mag fündig werden. Schließlich sind auch die mystisch-religiösen Texte der Zeit voll von derartigen Anspielungen, die aber nichts an der heilsgeschichtlichen Determinierung des Weltgeschehens ändern. Die weite Verbreitung von Boschs Bildern zu seiner Zeit und deren allgemeine Beliebtheit lassen den Schluss zu, dass die Zeitgenossen sie keineswegs ketzerisch fanden. Sie hatten eine so breite Öffentlichkeit, dass nicht nur der Maler, sondern auch die teils hochgestellten Besitzer ins Visier der Inquisition geraten wären, wenn die Bilder ketzerische Vorstellungen verbreitet hätten. Aber es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Inquisition Boschs Gemälde besonders unter die Lupe genommen hätte. Die große Zahl der teils getreuen Kopien der Lissaboner Antoniusversuchung legt zugleich nahe, dass das Publikum darin nicht allein ein religiöses Tugendvorbild zur andächtigen Gewissensprüfung sah. Denn sonst hätte es wohl auch ein anderes Bild des hl. Antonius getan. Es muss gerade der erzählerische Reichtum dieser bemerkenswerten Phantasiestücke gewesen sein, der Boschs Werk schon bald zum Gegenstand eifriger Sammelbemühungen werden ließ.
6. Kunst der Erfindung und Erfindung der Kunst
Im Zentrum der Beschäftigung mit dem Werk Boschs stand und steht bis heute die Frage nach der Bedeutung seiner Bilder. Konkreter sollte man jedoch danach fragen, welche Bedeutung diese Werke für wen hatten. Etliche Kunsthistoriker haben die Bedeutung der Bilder gesucht, indem sie herausfinden wollten, welche Aussage Bosch mit diesem oder jenem Werk zu treffen beabsichtigte. Die Beantwortung dieser Frage wird dadurch noch erschwert, dass zweifellos nicht alle Bilder, die man als Werke Boschs diskutiert hat, von ihm gemalt wurden. Dass aber auch andere Maler Bilder in der Art Boschs schufen, zeigt, dass dessen Bildsprache lernbar war und auf ein Publikum zielte, das etwas mit ihr anfangen konnte. Tatsächlich lässt sich aus einer Vielzahl unterschiedlicher Quellen, aus Bildern und Texten, mit einiger Zuverlässigkeit rekonstruieren, was ein zeitgenössischer Betrachter je nach seinem Vorwissen aus diesen Werken herauslesen konnte. Denn Boschs Bilder waren einst Teil einer visuellen Kultur, die für die Zeitgenossen nicht nur prinzipiell verstehbar, sondern tatsächlich verständlich war. In Boschs Zeit gab es, vor allem innerhalb der Institutionen des Hofes und der Kirche, eine Diskussion über den Nutzen und Nachteil von Bildern. Dadurch lässt sich zumindest der diskursive Rahmen aufzeigen, innerhalb dessen die Bedeutung von Bildern verhandelt wurde. Wo immer man Äußerungen über die Herstellung von Bildern findet, die über Rezepte zur Farbherstellung oder für die Gewinnung von Bildmotiven hinausgehen, wird die Bildproduktion in Analogie zur Produktion von Texten gesehen. Ebenso setzte man die Betrachtung von Bildern mit dem Lesen von Texten gleich. Am prägnantesten hat das damals der Italiener Leon Battista Alberti formuliert, dessen kunsttheoretische Texte zur Zeit Boschs auch nördlich der Alpen gelesen
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6. Kunst der Erfindung und Erfindung der Kunst
wurden. Er wandte, antikem Vorbild folgend, die Regeln der Rhetorik, die jedem Gebildeten aus den klassischen Schriften vertraut waren, systematisch auf die Bildkünste an. Durch solche überall in Europa propagierte und praktizierte Rhetorisierung wurden Bilder zu einer Mitteilungsform entwickelt, die Texten gleichrangig war und ihnen entsprach. «Ut pictura poesis» – «ein Gedicht soll wie ein Gemälde sein» –, hatte der römische Dichter Horaz in seiner «Ars poetica» geschrieben. Aus diesem Satz, der eigentlich von den Literaten Anschaulichkeit forderte, erwuchs nun die Doktrin, dass für Bilder gelten solle, was auch für die Poesie galt. Gemälde sollten nicht nur kunstvoll gemacht, sondern auch als Kunst erdacht sein. Alberti sah dabei die unterschiedlichen Aufgaben der Bildkunst einem gemeinsamen Ziel untergeordnet, indem alle öffentlichen Bilder als Mittel ‹ästhetischer Erziehung› dem Wohl des Gemeinwesens dienen sollten. Auch darin orientierte er sich an der Rhetorik, in der allen Aufgaben der Rede ein gemeinsamer Zweck innewohnte, denn sie sollte erfreuen, belehren und bewegen, um die Hörer möglichst wirksam zu überzeugen und sie zu sittlichen Haltungen und Handlungen zu leiten. Die Theologen der Zeit bedienten sich ebenfalls der als allgemeinverbindlich erachteten Kommunikationslehre der Rhetorik und forderten deren Anwendung auch auf Bilder. Sie sahen die zentrale Aufgabe der bildenden Künste darin, einen Beitrag zur Rettung der Seelen zu leisten. Diese Aufgabe konnte erfüllt werden, indem man Bilder beispielsweise als Medium der Glaubensunterweisung einsetzte, wie es Papst Gregor der Große empfohlen hatte. Dessen berühmtes Diktum, dass Bilder nützlich seien, «damit jene, die nicht lesen können, wenigstens aus den Erscheinungen auf den Wänden entnehmen können, was sie aus den Büchern nicht verstehen würden», behielt für das ganze Mittelalter Gültigkeit. Doch waren Bilder durchaus nicht allein den Leseunkundigen vorbehalten, und es entwickelten sich beispielsweise in der Buchillustration schon sehr früh komplexe Bildformen, die über die bloße Illustration des im Text Gesagten weit hinausgingen. Als Beispiel für eine der sprachlichen Mitteilung äquivalente
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18 Der Wald, der hört, und das Feld, das sieht, um 1500/05, Federzeichnung, Bister, 20,3 x 12,6 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett
oder gar über sie hinausreichende Äußerung lässt sich eine heute in Berlin bewahrte Zeichnung Boschs anführen (Abb. 18). Das Blatt ist ohne jede sichtbare Vorzeichnung mit der Feder ausgeführt. Als Tinte diente der auf der Basis von Ruß hergestellte Bister. Gezeigt ist ein kleines Wäldchen, vor dem ein abgestorbener Baum steht. In dessen Mitte klafft eine offene Höhlung, aus der eine Eule herausschaut. Sie gibt drei langschwänzigen Vögeln, die auf den kahlen Ästen sitzen, Anlass zu Geschrei. In diesen Vögeln darf man die sprichwörtlich schwatzhaften Elstern erkennen. Auch unten ist der Stamm aufgebrochen und hohl. In dieser Öffnung, auf die ein Hahn zuläuft, sitzt ein Fuchs. Die beiden Tiere sind aus den Fabeln des Aesop als gegnerisches Paar vertraut, anhand dessen man nicht
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6. Kunst der Erfindung und Erfindung der Kunst
nur das Fressen und Gefressenwerden thematisierte, dem durch List zu entkommen ist. Sie dienten auch zur Versinnbildlichung der klassischen Einsicht, dass Schweigen Gold ist, denn nur weil der Fuchs sich zu reden anschickt, verliert er die Beute aus dem Maul. Als Aufforderung zum Schweigen sind auch die irritierend wirkenden menschlichen Ohren zu deuten, die im Wald stehen. Die am Boden gezeigten sieben Augen mahnen zur Vorsicht. Dass die Wälder Ohren haben und die Felder Augen, war nicht nur in den Niederlanden zu Boschs Zeit sprichwörtlich. So zitiert beispielsweise Heinrich Bebel 1508 in den «Adagia Germanica», einer in lateinischer Sprache publizierten Sprichwörtersammlung: «Campus habet oculos; silva aures», «Das Feld hat Augen, der Wald Ohren», und führt aus: «Damit wird gesagt, dass wir in Wald und Flur (wo Menschen sein könnten) nichts tun sollten, was geheim bleiben soll.» Wem diese Botschaft allzu simpel scheint, dem sei ein Blick in die überreiche Literatur zu Boschs Zeichnung empfohlen. Eindringlich bestätigt sie, dass ein Bild mehr zu sagen vermag als tausend Worte. Immer wieder hat man die gezeigten Motive neu gedeutet und zu unterschiedlichen Bildaussagen verbunden. Zu der Vielfalt an unterschiedlichen Lesarten hat auch der am oberen Rand der Zeichnung angebrachte lateinische Satz beigetragen: «Es ist den allererbärmlichsten Geistern eigen, immer Erfundenes zu verwenden und niemals zu erfinden», heißt er auf Deutsch. Es handelt sich um ein Zitat aus einer Abhandlung über das Bildungswesen, «De disciplina scholarium», die zu Boschs Zeit vielfach gedruckt wurde und dem spätantiken Philosophen Boëtius zugeschrieben wurde. Augenscheinlich ist der Satz mit der gleichen Tinte geschrieben, mit der die Zeichnung angefertigt wurde. Ob ihn der Zeichner selbst angebracht hat, lässt sich mangels Handschriftproben von Bosch nicht sagen. Weil aber der im Bild gezeigte Wald im niederländischen bosch heißt, stand es für die Mehrzahl der Interpreten außer Frage, dass die Zeichnung als Selbstzeugnis und persönliche Botschaft des Künstlers verstanden werden müsse. Die lateinische Sentenz wird dann entweder als skeptische Einsicht in die Begrenztheit
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des eigenen Schöpfertums gelesen oder im Gegenteil als Ausdruck eines programmatischen Künstlerstolzes. Unabhängig davon, ob Bosch die Sentenz selbst angebracht hat – und zuzutrauen wäre es ihm –, ist die Aussage in jedem Fall auf seine Kunst zu beziehen. Die Zeile muss dabei im Kontext einer Dichtungs- und Kunsttheorie gelesen werden, für die das nie da gewesene Neue kein absolutes Ideal war. «Es ist schwer, Allgemeines passend zu sagen», hatte Horaz in seiner «Ars poetica» geschrieben, «Du wirst deshalb mit weniger Gefahr ein Schauspiel aus der Ilias ziehen, als Dich an etwas ganz Neuerfundenes zu wagen.» Das stand aber keinesfalls im Widerspruch zu der von Künstlern und Dichtern gleichermaßen geforderten Phantasie. Die künstlerische phantasia war nach mittelalterlichem Verständnis jene Gabe, die es erlaubte, aus dem gottgegebenen Formenrepertoire der Natur auszuwählen und stets neue Kombinationen zu ersinnen. Exemplarisch kann Boschs Kombination unterschiedlicher visueller Anspielungen auf das Reden und Schweigen diesen Prozess der künstlerischen Erfindung illustrieren. Grundlage der Entstehung jedes Kunstwerkes war nach zeitgenössischem Verständnis die inventio, jene Erfindung oder Themenfindung, mit der nach den Begriffen der Rhetorik der künstlerische Schaffensprozess begann. Der nächste Schritt war die Auswahl, Gewichtung, Anordnung und Gliederung des gefundenen Stoffes, die dispositio. Höhepunkt des Produktionsprozesses aber war die elocutio, die Überführung des Inhalts in eine angemessene Form, wobei gleichermaßen der Zweck berücksichtigt werden musste, den man mit dem Werk verfolgte, wie der Zusammenhang, in dem es wahrgenommen wurde. Diese von der Kunst- und Rhetoriktheorie immer wieder formulierte Forderung lässt sich gut auf die Werke Bosch anwenden, so auch auf die Zeichnung «Der Wald, der hört, und das Feld, das sieht». Die bildmäßige Durcharbeitung und die motivische Dichte deuten darauf hin, dass das Blatt mehr war als ein den Werkstattmitarbeitern zugedachter zeichnerischer Entwurf, der für eine spätere Verwendung in einem Gemälde bestimmt war. Freilich gab es Zeichnungen, in denen einzelne Motive und
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6. Kunst der Erfindung und Erfindung der Kunst
19 Zwei Ungeheuer, um 1505, Federzeichnung, Bister, 16,3 x 11,7 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett
Bildideen festgehalten waren, um den Mitarbeitern als Fundus zu dienen. Auf diese Zweckbestimmung verweist ein kleines, beidseitig mit Zeichnungen versehenes Skizzenblatt in Berlin (Abb. 19). Auf der Vorderseite sind zwei Ungeheuer entworfen, ein höhnisch grinsendes Vogelmonster und ein kleiner fauchender Drache. Wenige Schattenstriche vermitteln eine räumliche Illusion. Mit so lockerem wie sicherem Strich sind hier Bildideen festgehalten, die später in gemalten Werken Verwendung finden konnten. So begegnet einem etwa ein dem Vogelmonster verwandtes Untier auf der Mitteltafel des Wiener «Jüngsten Gerichts» (Abb. 23). Dass einem die in einer Zeichnung fixierte Bildidee in einem Gemälde wiederbegegnet, bedeutet jedoch nicht in jedem Fall, dass es sich bei dem Blatt um eine Vorzeichnung handelt. Der um 1505 entstandene «Baum-Mensch» etwa (Abb. 20) ist ver-
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20 Der Baum-Mensch, um 1505, Federzeichnung, Bister, 27,7 x 21,1 cm, Wien, Albertina
mutlich nicht als vorbereitende Studie für das verwandte Motiv im Höllenflügel des «Gartens der Lüste» entstanden (Abb. 4). Auch diese Zeichnung ist bildmäßig abgerundet. Das monströse Wesen, dessen Beine Booten entwachsen, ist in eine weite Landschaft gestellt, die in ihrer unendlich anmutenden Ausdehnung die Welt repräsentiert. Mit einer in der Kunst seiner Zeit einzigartigen, fast impressionistisch anmutenden Art, den Federstrich in feinste Häkchen und Strichelchen aufzulösen, gelingt es Bosch, räumliche Tiefe zu imaginieren. Im Zentrum steht der bedrohlich anmutende Baum-Mensch, in dessen hohlem Hinterteil sich eine finstere Tischgesellschaft versammelt hat. Was von den Figuren in dieser Lasterhöhle zu halten ist, verdeutlichen die Fahne mit dem türkischen Halbmond und die von einem Vogel beschimpfte Eule im Geäst. Eine weitere Eule, die rechts auf einem Inselchen von Vögeln attackiert wird, die Elstern links im Baum oder das Reh und der Reiher im Vordergrund vervielfachen die Möglichkeiten einer allegorischen Lesart der Szene.
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6. Kunst der Erfindung und Erfindung der Kunst
Schon die widernatürliche Kombination von Flora und Fauna, die der Baum-Mensch verkörpert, wurde seinerzeit als Hinweis auf die Sünde gedeutet. Denn das von Bosch so virtuos praktizierte Mischwesenprinzip, bei dem der Natur abgelauschte Dinge zu nie gesehenen Monstern kombiniert werden, war ein verbreitetes Mittel zur Charakterisierung des Bösen. Auch die viel gelesene Einleitung zur «Ars poetica» des Horaz, die solche Monstrositäten verurteilte, trug dazu bei, dass groteske Mischwesen zum visuellen Topos des Bösen wurden. Der gleichsam eine «Arche des Bösen» verkörpernde BaumMensch und die zahlreichen Einzelmotive des Blattes ließen sich vielfältig deuten. Doch konnte man das Blatt zugleich als virtuose Zeichnung bewundern. Genau wie «Der Wald, der hört, und das Feld, das sieht» (Abb. 18) verkörpert der «BaumMensch» den damals neu entwickelten Typus des graphischen Kunstwerkes. Die zeichnerische Vorbereitung einer gemalten Komposition war zu Boschs Zeit ohnehin noch weitgehend unbekannt. In der Regel wurde, wie dies auch für Bosch belegt ist, direkt mit Zeichenkohle oder Pinsel und Tusche auf dem Bildträger vorgezeichnet. Unbefriedigende Lösungen wurden weggewischt oder fanden, auch das ist bei Bosch häufig, in der malerischen Umsetzung einfach keine Berücksichtigung. Einzig sogenannte Visierungen sind als zeichnerische Vorstufen von Gemälden vereinzelt überliefert. In ihnen wurde Bestellern von Bildern oder Auftraggebern von teuren Altarwerken deren spätere Erscheinung vorgeführt. Solche Zeichnungen konnten dann Bestandteil eines Vertrages werden, den Maler und Auftraggeber miteinander abschlossen. Als Visierung entstand vermutlich Boschs Zeichnung mit dem «Tod des Geizhalses» (Abb. 26). Ihr Stil stimmt im Großen und Ganzen mit dem der Unterzeichnung zu dem Gemälde gleichen Themas überein (Abb. 27). Im Gemälde erscheint die Komposition jedoch verdichtet. Indem die auf der Zeichnung links im Vordergrund gezeigte Wand weggelassen ist, wird das Kruzifix oben im Fenster unmittelbar zum Tod in Beziehung gesetzt, der den alten Geizhals im Bett holen kommt. So ist nicht nur die Flächenkomposition, sondern auch die
21 Dornenkrönung, um 1495, Öl auf Holz, 73,7 x 58,7 cm, London, National Gallery
22 Kreuztragung, nach 1500, Öl auf Holz, 76,7 x 83,5 cm, Gent, Museum voor Schone Kunsten
23 Das Jüngste Gericht, begonnen um 1490, vollendet um 1505, Öl auf Holz, Mitteltafel: 163,7 x 127,5 cm, Flügelbreite: 60 cm, Wien, Galerie der Akademie der Bildenden Künste
24 Der hl. Hieronymus im Gebet, um 1495, Öl auf Holz, 77 x 59 cm, Gent, Museum voor Schone Kunsten
25 Der hl. Christophorus, vor 1500, Öl auf Holz, 113 x 71,5 cm, Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen
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Pointierung des Bildgedankens in der gemalten Version besser gelungen. Die Bosch zugeschriebenen Zeichnungen nehmen unabhängig von ihrer Motivik in der Kunst ihrer Zeit eine bemerkenswerte Sonderstellung ein. Denn für Boschs lockeren und freien Zeichenstil ließen sich bislang keine Vorläufer aufzeigen und auch keine unmittelbaren Nachfolger. Auch seine Nachahmer haben Monster und Mischwesen gezeichnet, wie sie das kleine Berliner Skizzenblatt zeigt (Abb. 19). Doch die losen Schraffurlagen und die kaum geschlossenen Konturen, die auf die schnelle Entstehung hindeuten, unterscheiden diese Zeichnung deutlich von den Arbeiten der Nachahmer und Kopisten. Die zumeist sorgfältig ausgeführten Einzelmotive erscheinen dort raumlos und sorgsam gereiht, wie in einem Schmetterlingskasten angeordnet. Boschs kleine Skizze verdeutlicht darüber hinaus bei aller zeichnerischen Verkürzung eine bemerkenswerte Eigentümlichkeit seiner phantastischen Mischwesen. Sie sind nämlich darauf angelegt, funktionsfähig zu wirken, im Unterschied zu den disjecta membra, den zerstückelt anmutenden Flickenmonstern aus den Marginalillustrationen der mittelalterlichen Buchmalerei. Nie zuvor hat jemand Monster in jedem Detail so plausibel und im Ganzen doch so unwahrscheinlich entworfen wie Hieronymus Bosch. Es ist die phantastische Vitalität seiner grotesken Höllenwesen, die einen nicht geringen Teil des Reizes seiner Bildwelt ausmacht und ihm schon früh das Epitheton des «Teufelsmachers» eintrug. Dieser Reiz des Phantastischen ist auch anderen Zeichnungen Boschs eigen, wie dem «Wald, der hört, und dem Feld, das sieht»(Abb. 18), dem «Baum-Menschen» (Abb. 20) oder dem «Tod des Geizhalses» (Abb. 26). Diese Blätter zielten dabei ganz dezidiert auf einen Käuferkreis, der Bilder auch als Zeugnisse einer spezifischen künstlerischen Handschrift zu würdigen wusste. Dafür, dass ein solches Bewusstsein sich in den Jahren um 1500 entwickelte, liefert Albrecht Dürer ein gutes Beispiel. Er versah eine Zeichnung Raffaels mit dem handschriftlichen Hinweis, dass dieser ihm das Blatt gesandt habe, um «im sein hand zw weisen». Erste Kunstsamm-
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6. Kunst der Erfindung und Erfindung der Kunst
26 Tod des Geizhalses, um 1500/10, Federzeichnung, weiß gehöht, 25,6 x 14,9 cm, Paris, Musée du Louvre
lungen, die ein ähnlich gelagertes Interesse dokumentieren, werden in dieser Zeit greifbar. Die Entdeckung des Kunstwertes von Bildern brachte zugleich eine besondere Würdigung des Wertes künstlerischer Invention mit sich. Die sich damals neu etablierende Sammlerschicht rekrutierte sich aus Angehörigen des Adels und der städtischen Eliten. Ebendiese Schicht suchten die bildmäßigen Zeichnungen Boschs und einige seiner Gemälde wie etwa der «Garten der Lüste» anzusprechen. Die Welt, die Bosch malte, in der einander fremde Gegenstände sich verquicken und vermeintlich Unbelebtes zum Leben erwacht, entspricht einem Weltbild, dem Antipoden und Kopf-
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füßer als Beleg für die grenzenlose Schaffenskraft des Schöpfers galten. Auch im Zeitalter der Entdeckungen hatte man den Glauben an dieses wunderbare Bestiarium nicht aufgegeben. Die Landkarten der Zeit zeigen vielmehr, dass man den Wesen aus den Grenzregionen des Vorstellbaren, die vordem an den Rändern des Weltkreises beheimatet waren, nun in den neu entdeckten Ländern einen Platz zuwies. Man kann deshalb vermuten, dass Boschs groteske Wesen auch deshalb so viele Nachahmer fanden, weil sie düstere Ahnungen der Zeitgenossen bestätigten. Dass es Wunderwesen gab, stand genauso außer Frage wie die stete Gegenwart des Bösen in der Welt. Auch an den Rändern von Büchern und Landkarten hatte das artifizielle Spiel mit dem Grotesken in der damaligen Kunst einen festen Platz. In der populären Druckgraphik der Zeit fehlen derartige Bilder allerdings fast vollständig, abgesehen von wenigen Ausnahmen wie den im Umkreis Boschs entstandenen Stichen Alart du Hameels. Erst um die Mitte des 16. Jahrhunderts wurden die
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27 Tod des Geizhalses, um 1500/10, Öl auf Holz, 92,6 x 30,8 cm, Washington, National Gallery, Samuel H. Kress Collection
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6. Kunst der Erfindung und Erfindung der Kunst
grotesken Diablerien zu einem echten Massenphänomen, dem man einen hohen Unterhaltungswert und ein großes Maß an Komik zuschrieb. Auch deshalb genügt es wohl nicht, Boschs künstlerische Inventionen auf den Bereich der theologischen oder moralischen Belehrung zu reduzieren. Die noch heute faszinierende Einzigartigkeit von Boschs Bildern verdankte sich fraglos seiner schier unerschöpflichen gestalterischen Phantasie. «Gestalten war ihm stets Erfinden», schrieb 1927 Max J. Friedländer, der Boschs Bildsprache als «unmittelbaren künstlerischen Ausdruck» erklärte. In diesem Zusammenhang ist auch Boschs finanzielle Situation von nicht zu unterschätzender Bedeutung. In einer Zeit, in der Kunst beinahe ausschließlich auftragsgebunden entstand, war er vor allem durch das Vermögen seiner Frau in der Lage, nach eigenen Vorstellungen Bilder zu produzieren und beispielsweise zu zeichnen, ohne für die Blätter bereits eine konkrete Zweckbestimmung im Auge zu haben. Im Unterschied zu den meisten anderen Malern seiner Zeit konnte er seiner bildnerischen Phantasie freien Lauf lassen. Der auch dadurch ermöglichte gestalterische Überschuss bietet allerdings keine Erklärung für die schnelle Verbreitung und breite Nachahmung der Bildsprache Boschs. Dass seine Bilder schon zu Lebzeiten europaweit gefragt waren, ist vor allem einem Publikum geschuldet, das diese Werke auch als Kunstwerke zu schätzen wusste. Selbst wenn einige Zeichnungen Boschs, was anzunehmen ist, ohne Auftrag entstanden, müssen sie doch früh ein Publikum gefunden haben. Das wird schon durch die Tatsache belegt, dass sie den Zeitläuften widerstanden und erhalten geblieben sind. Wenn man Boschs Bilder verstehen will, muss man das höfische oder an höfischen Idealen orientierte Publikum in den Blick nehmen, das diese Werke kaufte. Tatsächlich finden sich gerade die besonders innovativen Bilderfindungen Boschs schon früh in den Sammlungen des Adels und jener reichen Oberschicht in den aufstrebenden niederländischen Städten, die sich den seit der Antike tradierten Idealen aristokratischen Lebens verpflichtet sah. Vor allem nach 1500 wurde der Kosmos der europäischen Höfe zunehmend zum Resonanzraum für Boschs Kunst.
7. Todsünden und Weltgericht
«Ich entdeckte, dass es ehedem eine andere Gattung der Malerei gab, die grillo genannt wurde», schrieb Felipe de Guevara um das Jahr 1560. Für diese Art Bilder, so fährt er fort, «ist in unserer Zeit Hieronymus Bosch sehr berühmt». Der Begriff geht auf C. Plinius Secundus zurück, der im 35. Band seiner 77 n. Chr. veröffentlichten «Naturalis historia» auch über Kunst und Künstler schrieb. Unter den Malern der «minoris picturae», kleiner Bilder oder schlichter Themen, erwähnt Plinius Antiphilos, der einen Mann lächerlichen Aussehens mit Namen Gryllos gemalt habe, «wonach man diese Gattung der Malerei Grillen nannte». Bosch habe, wie Guevara weiter ausführt, «Bilder von befremdlichen Dingen gemalt, aber er tat es allein deshalb, weil er sich das Inferno zum Thema gewählt hatte und dieser Gegenstand es forderte, dass er Teufel darstellte und Kompositionen ungewöhnlicher Dinge erfand». Boschs Kunst gehe weit darüber hinaus, Ungeheuer und Chimären darzustellen. «Es ist sicher – und jedem, der die Schöpfungen Boschs sorgfältig betrachtet, wird dies offenkundig werden –, dass er das Schickliche sorgsam beachtete und die Grenzen der Natürlichkeit auf das Allersorgfältigste eingehalten hat.» Als geeignetes Beispiel für die Kunst Boschs stellt Felipe de Guevara zum Ende seiner Ausführungen nicht etwa ein Tafelbild vor, sondern «einen Tisch, den Eure Majestät besitzt» (Abb. 28). Wie dieses wohl zwischen 1505 und 1510 entstandene Werk in die Sammlung Philipps II. gelangte, ist nicht dokumentiert. Allerdings weiß man, dass auf Geheiß des Königs 1574 «eine Tafel, auf der die sieben Todsünden gemalt sind», in den Escorial verbracht wurde. Der Inventareintrag beschreibt den Bildgegenstand recht genau. Das Werk zeige die sieben Todsünden nämlich «in einem Kreis und in der Mitte Christus unseren Herren; und in den vier Ecken der Tafel vier weitere Kreise, in denen
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7. Todsünden und Weltgericht
folgendes gemalt ist: in einem der Tod, in den anderen das Gericht, die Hölle und das Paradies», also die sogenannten vier letzten Dinge. Der Kreis, in dem die Bilder von den Sünden der Menschen angeordnet sind, bedeutet das Auge Gottes. In dessen Pupille zeigt der gemarterte Christus dem Betrachter seine Wundmale. Um die Pupille steht der Satz «cave cave deus videt» geschrieben, «hüte dich, hüte dich, Gott sieht». Was Gott sieht, spiegelt sich im äußeren Kreis des Auges. Es sind die Todsünden, derer sich die gottvergessene Menschheit schuldig macht: Neid, Zorn, Eitelkeit, Wollust, Faulheit, Völlerei und Geiz. Letzteren verkörpert der bestechliche Richter, der von beiden Parteien Geld nimmt. Im Nachbarbild zeigen die Neidischen mit dem Finger aufeinander, daneben gehen zornige Zecher aufeinander los. Der eitlen Frau hält der Teufel den Spiegel vor, wie der Maler es mit den wollüstigen Hofleuten tut, denen er einen Narren beigibt, welchem der nackte Hintern versohlt wird. Der Faule verschläft das so nötige Gebet, und im Haus des Verfressenen gönnt man dem Hungernden kaum einen Schluck aus der Wasserkanne. Die lateinischen Namen der sieben Sünden sind jeweils am unteren Rand der einzelnen Darstellungen vermerkt. Beinahe programmatisch sind die Zeilen, die auf den weißen Spruchbändern ober- und unterhalb der in Gottes Auge gespiegelten Sünden stehen. «Es ist ein Volk ohne Rat und ohne Einsicht. Oh wären sie weise, und hätten sie Einsicht und bedächten, welches ihr Ende sein wird», heißt es oben. Und unten: «Ich will mein Angesicht vor ihnen verbergen und beschließen, was ihr Ende sein wird» (Deut. 32,28–29; 20). Das Thema ließe selbst ohne die mahnenden Beischriften wenig Spielraum für die Interpretation. Die sündige Menschheit, die durch ihr Verhalten Christus beleidigt, war zu Boschs Zeit in der gesamten christlichen Welt ein beliebter Gegenstand von Predigten und anderer geistlicher Literatur. Nach Dionysius van Rijckel zum Beispiel war kein Stand von dieser allgemeinen Gottvergessenheit ausgenommen. Könige und Fürsten kamen ihren heiligsten Pflichten genauso wenig nach wie die Geistlichkeit. «Selbst der Papst, seine Kurie und alle anderen hoch und
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nieder» versündigten sich. Ausführlich hatte Dionysius sich auch mit den Todsünden sowie den vier letzten Dingen beschäftigt und detailliert die zu erwartenden Strafen geschildert. Boschs Protagonisten verkörpern die von Gott mit Höllenqualen bedrohte sündige Menschheit. Ihr Verhalten bildet den finsteren Widerpart zur Rolle des Schmerzensmannes, dessen Passion über den irdischen Umtrieben vergessen wird, genauso wie das Jüngste Gericht, das als kleines Rundbild dem sündigen Weltkreis gegenübergestellt ist. Dem weltlichen Treiben findet sich ferner ein Tondo mit der Hölle beigesellt. Jede Sünde hat hier, wiederum durch Beischriften kenntlich, ihre eigene Strafe. Der Wollüstige muss mit Kröten ins Bett, der Jähzornige wird erschlagen, und wer sich zu Lebzeiten der Völlerei schuldig gemacht hat, bekommt schleimige Schlangen aufgetischt. In Boschs Hölle herrscht ein perverses Äquivalenzprinzip. Wie im Strafrecht, wo die Strafe der Tat entsprechen sollte, so spiegeln die höllischen Qualen die jeweilige Sünde wider. Auch das ist eine in der Andachtsliteratur der Zeit verbreitete Ansicht – ein jeder müsse, so heißt es dort, an dem Teil leiden, mit dem er gesündigt habe. Die Mahnung wurde noch lange nach Boschs Tod verstanden. Seit 1574 hing die Tafel mit den Todsünden im Escorial. 1605 sah Sigüenza sie dort «im Schlafzimmer Seiner Majestät, wo sich auch ein Gebetspult mit Büchern befindet, wie in denen der Mönche. Es ist ein herrliches Bild in einem Rahmen, es hängt in der Mitte und sozusagen als Zielpunkt, eingerahmt von Licht und einer Aureole, wo unser Heiland umgeben ist von sieben Feldern, in denen man die Sieben Todsünden sieht, durch welche alle Kreaturen, die er befreit hat, ihn beleidigen, ohne daran zu denken, dass er sie betrachtet und alles sieht.» Sigüenza beschreibt die Todsündentafel als «einen Spiegel, nach dem der Christ sich bilden sollte». Überhaupt seien Boschs Bilder «wie Bücher von großer Weisheit und Kunst». Sicher ist es auch kein Zufall, dass schon Guevara ausgerechnet diese Tafel als einziges Werk ausführlich würdigte, obwohl er zahlreiche Bilder Boschs kannte und sechs davon besaß. Besonders beeindruckte ihn an der Todsündentafel das Bild
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7. Todsünden und Weltgericht
des Neides. Bosch hat hier die traditionelle Ikonographie in eine Straßenszene übersetzt. Der Hund, vor dem zwei Knochen liegen, giert nach demjenigen, den der Bürger in Händen hält. Dieser schielt voller Missgunst auf den Adeligen mit dem Falken, neben dem ein Diener einen prall gefüllten Sack fortschleppt. Die an der Kleidung ablesbaren sozialen Unterschiede errichten auch eine Schranke zwischen dem jungen Mann und der Frau, die einander durch ein Fenstergitter Nelken zustecken, das traditionelle Symbol des Verlöbnisses. «Das Bild des Neides ist nach meinem Urteil so merkwürdig und geistreich», schrieb Guevara, «und seine Leidenschaft so sehr zum Ausdruck gebracht, dass es mit Aristides wetteifern kann, dem Erfinder dieser Kunstgattung, welche die Griechen ethe nennen.» C. Plinius Secundus berichtet in seiner «Naturgeschichte» nicht nur, dass Aristides als Erster seelische Zustände und menschliche Gemütserregungen zum Ausdruck brachte, sondern auch von den schier unglaublichen Preisen, die dessen Bilder erzielten. Das galt zu Guevaras Zeit auch für die Werke Boschs. Die Todsündentafel entstand vermutlich als gehobenes Ausstattungsstück für einen Adelssitz oder das Haus eines vermögenden Sammlers. Schon früh wurde aus der bemalten Tischplatte ein Tafelbild – ein Schicksal, das etliche vergleichbare Möbel teilten. Die erhaltenen, oft mit Wappen geschmückten Exemplare belegen, dass bemalte Tische zu Beginn des 16. Jahrhunderts geschätzte Ausstattungsstücke höfischer Sammlungen waren. Auch in den Häusern des städtischen Patriziats, das sich den adeligen Wohn- und Lebensstil zum Vorbild nahm, waren solche Tische zu finden. Das lässt sich aus den reichlich überlieferten niederländischen Nachlassinventaren schließen, die auch verschiedene Versionen von Boschs Todsündentafel dokumentieren. Eine Fassung befand sich beispielsweise bis 1565 im Besitz von Nicolas Jonghelinck in Antwerpen. Er hatte von Philipp II. drei der lukrativsten Zollstellen Brabants gepachtet und verdiente mit Bank- und Versicherungsgeschäften ein Vermögen, das es ihm ermöglichte, einen Herrensitz mitsamt zugehörigem Adelstitel zu erwerben. «Eine Tafel von Hieronymus Bosch mit den VII Todsünden» findet sich auch im 1574 aufge-
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zeichneten Inventar von Margaretha Boghe, die ebenfalls der aristokratisch ambitionierten Antwerpener Oberschicht angehörte. Sie war die Witwe des Münzmeisters von Brabant, Joris Vezelaer, der nebenbei mit Luxusgütern gehandelt hatte. Seit 1528 hatte er den Hof der französischen Könige mit Juwelen, Goldschmiedekunst, Prunkmöbeln und Tapisserien versorgt. Auch im Bildmedium des Wandteppichs, das zu Boschs Zeit bei Hofe besonders geschätzt wurde, waren die «Sieben Todsünden» präsent, was einen weiteren Hinweis darauf gibt, wo das Publikum von Boschs Bilderfindung zu suchen ist. Die Tatsache, dass es verschiedene Versionen von Boschs «Sieben Todsünden» gegeben haben muss, haben Zweifel an der Eigenhändigkeit des in Madrid bewahrten Exemplars aufkommen lassen. Allerdings spricht die Abweichung der sichtbaren Malerei von der überall durchscheinenden Unterzeichnung dafür, dass man es mit einem Originalentwurf zu tun hat. Fraglos sind einige Partien, vor allem die Tondi mit den vier letzten Dingen, weniger souverän ausgeführt. Man hat deshalb vermutet, es handele sich bei dieser Tafel um ein Jugendwerk Boschs. Das würde auch einige Archaismen in der gezeigten Kleidung erklären. Heute geht die Mehrzahl der Kunsthistoriker allerdings davon aus, dass Werkstattmitarbeiter an der Ausführung des Bildes beteiligt waren, das durchaus kein Frühwerk sein muss. Spuren einer arbeitsteiligen Herstellung lassen sich auch in anderen Werken Boschs finden, der ohne Zweifel jeweils für die Bildidee, den Entwurf und die Gesamterscheinung des fertigen Bildes verantwortlich zeichnete. Die Todsündentafel mit ihrer eschatologischen Bildaussage ist von einer ausschließlich vom Künstler her argumentierenden Kunstgeschichte als programmatische Visualisierung von Boschs Weltbild gedeutet worden. Tatsächlich spricht einiges dafür, dass der Maler die ins Bild gesetzten Vorstellungen vom individuellen und kollektiven Schicksal der Menschheit teilte. Doch gilt es auch, das aristokratische Publikum von Boschs Bildern im Blick zu behalten und sich daran zu erinnern, dass Philipp der Schöne bei Bosch 1504 ausgerechnet ein Triptychon mit dem Jüngsten Gericht bestellte.
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Dieses «große Bild von 9 Fuß Höhe und 11 Fuß Breite», das Philipp «zu seinem höchst erlesenen Genuss» beauftragte, sollte «das Gericht des Herrn, das heißt Paradies und Hölle», zeigen. Mit einer Höhe von mehr als zweieinhalb Metern und mehr als drei Metern Breite war das Gemälde weit größer als das heute in Wien bewahrte Triptychon gleichen Themas (Abb. 23). Dessen gründliche technologische Untersuchung durch das Bosch Research and Conservation Project (BRCP) brachte neue Erkenntnisse zutage. Es war bekannt, dass in der Unterzeichnung der Mitteltafel links unten eine Stifterfigur entworfen worden war, die im endgültigen Gemälde nicht ausgeführt wurde. Über die Identität dieses Stifters herrschte allerdings Unklarheit. Bei der Röntgenfluoreszenz-Untersuchung kam dann unter der aktuellen Oberfläche des rechten Außenflügels ein später übermalter Wappenschild zutage. Er zeigte das Wappen des burgundischen Hofbeamten Hippolyte de Berthoz. Diese heraldische Identifizierung des Auftraggebers machte auch die sichere Identifizierung des auf diesem Außenflügel gezeigten Heiligen möglich (Abb. 9). Man war vordem davon ausgegangen, dass es sich bei ihm um den in den Niederlanden damals häufig dargestellten hl. Bavo handele. Dieser wird gemeinhin als junger Adeliger mit einem Falken dargestellt. Genauso wurden aber neben dem hl. Bavo auch der hl. Hippolyt sowie die Heiligen Theobaldus und Julianus gezeigt. Mit Blick auf das Wappen des Auftraggebers liegt der Schluss nahe, dass bei Bosch der Namenspatron von de Berthoz, der hl. Hippolyt, zu sehen ist. Zusammen mit seiner Frau Elisabeth de Keverwyck hatte der Hofbeamte schon um das Jahr 1475 bei den Malern Dirk Bouts und Hugo van der Goes Altarwerke bestellt, um für das eigene Seelenheil vorzusorgen. Auf diesen Werken treten beide Ehepartner als Stifter auf. Bosch zeigte nur eine einzelne männliche Stifterfigur, die später übermalt wurde, genau wie das Wappen. Zu der Planänderung scheint es noch in Boschs Werkstatt gekommen zu sein. Die auch als hl. Bavo lesbare Heiligenfigur mag hingegen auch in anderem Kontext nützlich gewesen sein. Eine Vollendung des Wiener Triptychons in der Zeit um 1505 ist aus stilistischen Gründen anzunehmen. Wie auch im Falle der
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Todsündentafel machen zahlreiche Abweichungen des ausgeführten Bildes von der sichtbaren Unterzeichnung deutlich, dass es sich um einen originalen Entwurf und nicht um eine bloße Kopie oder Wiederholung handelt. Die lockere Pinselschrift der Unterzeichnung begegnet einem ganz ähnlich auch in anderen Werken Boschs. Genauso augenfällig ist aber, dass verschiedene Hände an der Ausführung beteiligt waren. So ist beispielsweise der linke Innenflügel weit pastoser gemalt als die meisten anderen Bereiche des Bildes. Ähnliches lässt sich auch in den anderen Triptychen Boschs nachweisen, bei denen vermutlich verschiedene Mitarbeiter tätig waren. Das Bildprogramm dürfte allerdings, in Abstimmung mit dem bei einem Werk dieser Größe wohl anzunehmenden Auftraggeber, von Bosch selbst entwickelt worden sein. Im Zentrum steht das von der Bibel prophezeite Ende der Zeiten, das Jüngste Gericht. «Wenn aber des Menschen Sohn in seiner Herrlichkeit kommen wird, und alle Engel mit ihm, dann wird er sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen», heißt es im Matthäus-Evangelium (25,31–33), «und es werden alle Völker vor ihm versammelt werden, und er wird sie voneinander scheiden, wie ein Hirte die Schafe scheidet von den Böcken. Und die Schafe wird er zu seiner Rechten, die Böcke zu seiner Linken stellen.» Mit dieser Textstelle war für die bildliche Darstellung des Geschehens ein kompositorischer Rahmen vorgegeben, denn die Hölle war durch die Stelle zur Linken des Weltenrichters situiert, vom Betrachter aus gesehen also auf der rechten Seite; die linke Seite, zur Rechten Christi, war hingegen dem Paradies vorbehalten. So zeigen es auch die meisten Weltgerichtsbilder, und Boschs Gemälde scheint auf den ersten Blick diesem Schema zu folgen. Doch an die Stelle der sonst üblichen Konzentration der Darstellung auf den Moment des Gerichts – die auferweckten Toten werden gerichtet, um dann in den Himmel aufzusteigen oder in die Verdammnis zu stürzen –, zeigt Bosch ein weitgespanntes Panorama der Heilsgeschichte von der Schöpfung bis zum Weltende. Die Schilderung hebt auf dem linken Flügel an, wo vorne die Erschaffung Evas, in der Mitte der Sündenfall und weiter im Hintergrund die Vertreibung aus dem Paradies vorgeführt wer-
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den. Ganz im Hintergrund wird verdeutlicht, wie das in der Schlange der Versuchung verkörperte Böse in die Welt kam. Denn dort ist der Sturz der aufrührerischen Engel gezeigt, von dem die Bibel berichtet. Unterstützt von dem in eine goldene Rüstung gekleideten Erzengel Michael, verbannt Gott Vater sie aus den heiligen Sphären des Himmels. Von diesem Moment hatte die menschliche Geschichte des Heils und der Verderbnis ihren Anfang genommen. Seit dem Sündenfall und der Verheißung, dass die aus dem Paradies vertriebene Menschheit ihr Brot nur mehr im Schweiße ihres Angesichts verzehren dürfe, war das irdische Sein eine kaum unterbrochene Folge von Schwernissen. Auf der Mitteltafel, wo in anderen Weltgerichtstriptychen der Zeit die Auferstehung der Toten gezeigt ist, wird bei Bosch ein vielfältiges höllisches Treiben ausgebreitet, das auf dem rechten Flügel seine Fortsetzung erhält. Erlösung findet in diesem Gemälde nur am Rande statt. Gerade einmal fünf Seelen sind es, die – kaum sichtbar – in der linken oberen Ecke der Mitteltafel in den Himmel geleitet werden. Dass die Menschheit aber selbst in der finstersten Hölle in Gott ihr Heil finden kann, erweist ein Engel, der aus der Hölle der Mitteltafel links eine einzelne Seele den Berg hinaufführt, obwohl ein krötenartiger Unhold schon die Armbrust im Anschlag hat. Aus der insgesamt wenig verheißungsvollen Deutung der Heilsgeschichte hat man auf eine pessimistische Veranlagung des Malers geschlossen. Doch reflektiert sein Bild durchaus verbreitete theologische Vorstellungen. Das Spektrum reicht hier von der augustinischen Prädestinationslehre bis zu frommen Schriften moralisch-didaktischen Inhalts, die seinerzeit zu den besonders verbreiteten Druckerzeugnissen zählten. Die mittelniederländische Literatur ist reich an Beschreibungen des Fegefeuers, der Hölle und der Strafen, die den Sünder dort erwarten. Den Ausgangspunkt bilden zumeist die biblischen Verweise auf einen unterirdischen feurigen Pfuhl, einen von Schwefel rauchenden Schacht des Abgrunds (Offb. 9,2 und 20,10). Neben rein theologischen Abhandlungen findet sich auch eine große Zahl von volkstümlichen Schriften, die sich mit diesem Themenkreis befassen. Genaue Beschreibungen der höllischen Qua-
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len und der Sünden, die sie verursachen, liefern beispielsweise Jan van Ruysbroeck, Dionysius van Rijckel oder die viel gelesene «Visio Tondali», wo die Traumfahrt des Ritters Tondalus durch Purgatorium und Hölle geschildert wird. Sie erwähnt allerdings nicht alle Todsünden. Auch Ruysbroeck unterlässt es zum Beispiel, die Strafe für Unkeuschheit zu beschreiben. Er wisse zwar auch dafür ein Exempel, «aber das will ich weglassen, denn es geziemt sich nicht, das zu hören». Bosch hingegen schreckt davor nicht zurück, denn auf der Mitteltafel zeigt er die auch aus der Todsündentafel vertrauten Nackten, die sich mit Monstern das Bett teilen müssen. Mit allen Mitteln einer nicht immer subtilen Bildrhetorik lädt Bosch den Betrachter ein, das von ihm entworfene Panorama von Schuld und Sühne mit den Augen zu durchwandern. Es dürfte vor allem die schier unerschöpfliche Vielfalt der Szenen und Motive gewesen sein, die das höfische Publikum an Boschs Werken reizte. Eine mit dem Genuss der Betrachtung verbundene theologische Belehrung war damit freilich nicht ausgeschlossen. Guevara nutzte den Vergleich mit dem antiken Maler Aristides, um Boschs Affektdarstellung zu loben, die auf eine leidenschaftliche Ansprache des Betrachters zielte. Die an den Gesetzen der Rhetorik orientierte Kunsttheorie hatte sich ausführlich mit der Erregung von Affekten durch Bilder auseinandergesetzt und die Möglichkeiten von bildlichen Darstellungen erörtert, den Rezipienten ebenso wie eine gute Rede emotional zu bewegen. Schon Thomas von Aquin hatte von Bildern christlichen Inhalts nicht nur verlangt, dass sie ihr Publikum unterrichten, sie sollten vielmehr zugleich «zur Erregung andächtiger Leidenschaft» beitragen. Besonders den Bildern des Bösen wurde in der Folge die Möglichkeit zuerkannt, einen direkten sinnlichen Eindruck auf die Betrachter auszuüben, und zwar selbst auf solche, die der Einsicht in die göttliche Gnade noch fern seien. In ihnen könne der durch Bilder erzeugte Schrecken vor dem Bösen das noch schlummernde Verlangen nach dem Guten wecken, so dass gerade die Gräueltaten Luzifers gar nicht exzessiv genug geschildert werden könnten. Die von der Horrorwirkung erwartete Mobilisierung der Affekte stimmte mit dem allgemeinen
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Ziel der christlichen Ethik des Mittelalters überein, Abscheu vor dem Bösen und Bewunderung für das Gute auszulösen. Eine lange kirchliche Tradition sah deshalb Bilder als Medium der Glaubensvermittlung den Texten gegenüber sogar als überlegen an. Denn wie William Durandus in seinem «Rationale divinorum officiorum» geschrieben hatte, wurde der Geist weit mehr durch die Betrachtung eines Bildes bewegt als durch die Schrift. Allerdings wusste man auch um die Grenzen der Darstellbarkeit, denn gerade die höchsten spirituellen Affekte ließen sich in Bildern schlecht transportieren. Und wenn Höllenvisionen in reichlichen Details geschildert werden konnten, so ließ sich dies nach Auffassung der Kunsttheorie keineswegs bruchlos auf die Imagination des Himmels übertragen. Hier findet die bei Bosch zu beobachtende geringere Ausführlichkeit in der malerischen Ausgestaltung himmlischer Freuden ihre kunsttheoretische Begründung. Bei der Darstellung von Paradiesvisionen sollten an die Stelle von übermäßiger erzählerischer Deutlichkeit visuelle Appelle an die Imagination des Betrachters treten und einen elementaren Zugang zu religiösem Erleben und geistiger Schau eröffnen. Man folgte dabei der Einsicht der Rhetorik, dass sich etwas real nicht Gegenwärtiges allein durch ein eingängiges und klares Bild für die Imagination des Publikums nachvollziehbar machen ließ und dessen Phantasie dann die stärkste denkbare emotionale Wirkung entfalten konnte. Hier traf sich die Rhetoriktheorie mit der theologischen Auffassung von der Unsagbarkeit des göttlich durchwalteten Jenseits. So phantasievoll seine Höllenvisionen waren, beschränkte sich Bosch in seinen Gemälden bei der Andeutung der himmlischen Sphären zumeist auf die Darstellung eines göttlichen Himmelslichtes. Auf einer in Venedig bewahrten Tafel hat die Vision der ewigen Erlösung auf eine erstaunlich modern anmutende Weise Gestalt gewonnen (Abb. 30), die an die heute vielfältig diskutierte Nahtod-Erfahrung eines Lichttunnels erinnert. Die Tafel war ursprünglich in ein Bildprogramm eingebunden, das sich heute nicht mehr erschließen lässt. Doch die erhaltenen Teile kreisen um das vertraute Thema von Verdammnis und Erlösung. Auf den vier überlieferten Bildern sind der Höllensturz
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und die Hölle dargestellt sowie das himmlische und das irdische Paradies. Besonders das irdische Paradies hat zu Spekulationen Anlass gegeben, die sich vielleicht auflösen lassen, wenn man auch diesem Bild gemäß der Lehre vom vierfachen Schriftsinn unterschiedliche Bedeutungen zuerkennt. Nach dem wörtlichen Verständnis würde das Bild den konkreten Ort bezeichnen, der noch auf den Landkarten des 17. Jahrhunderts regelmäßig verzeichnet war. Im allegorischen Sinn konnte die gezeigte Gartenlandschaft mit dem Brunnen mit Blick auf das Hohelied (4,12; 15) auf die Gottesmutter Maria anspielen. Zugleich konnte man in dem Paradiesgarten sogar eine Allegorie der Kirche sehen. Tropologisch, also bezogen auf das Leben des Einzelnen, konnte das Motiv die Seele der Gläubigen meinen und anagogisch auf das jenseitige Paradies und auf jenen Aufstieg verweisen, auf den auch der Lichttunnel anspielt. Vielleicht machte für die zeitgenössischen Betrachter gerade dieses Spiel mit möglichen Deutungen, dem die Fülle von Boschs Motiven zuarbeitete, einen Teil der Attraktion seiner Bilder aus. Auch für moderne Interpreten liegt hier eine große Faszination, der sich bislang keiner entziehen konnte, der über Bosch geschrieben hat. Auf jeden Fall darf man wohl davon ausgehen, dass Bosch von den Sammlern seiner Zeit nicht nur als Moralist geschätzt wurde. Ein Sammler wie der kunstsinnige Kardinal Domenico Grimani dürfte gleichermaßen von der ungewöhnlichen malerischen Faktur der Bilder fasziniert gewesen sein wie von Boschs Bilderzählungen. In seinem Palast hingen Marcantonio Michiel zufolge 1521 «eine Hölle mit vielen unterschiedlichen Monstern», ein als «Träume» charakterisiertes Bild und ein weiteres, ebenfalls Bosch zugeschriebenes Gemälde, das Jona und den Wal zeigte. Grimani war ein ambitionierter Sammler und Liebhaber niederländischer Malerei, die man auch an italienischen Höfen zunehmend zu schätzen begann. Und auch er war ein Vertreter jener aristokratischen Elite Europas, die sich besonders für die eschatologischen Bilder Boschs begeisterte. Wann die Tafeln in Venedig ihren ursprünglichen Kontext verloren und wo der Mittelteil abgeblieben ist – vielleicht eine geschnitzte Darstellung des Weltgerichts –, lässt sich heute nicht mehr erschließen.
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Die spärlichen Quellen lassen erahnen, mit welch gewaltigen Schwierigkeiten Kunsttransporte zu Boschs Zeit verbunden waren. Oft sind es nur lakonische Äußerungen in Briefen, Bestandsverzeichnissen oder Inventaren, die auf tragische Transportverluste schließen lassen. So wandte sich Mencia de Mendoza, die Witwe Heinrichs III. von Nassau, 1539 an ihren flämischen Agenten Arnão del Plano. Der hatte in ihrem Auftrag die Darstellung eines Heuwagens von Hieronymus Bosch erworben und ihr in Rechnung gestellt. Doch leider ging dieses Werk verloren, und so erteilte sie umgehend den Auftrag, sich nach einem neuen Heuwagen-Bild umzusehen. Anscheinend war das zuerst bestellte Bild nie in Spanien angekommen. Gegenwärtig sind noch zwei Versionen des Bildes bekannt. Die heute im Escorial befindliche Fassung könnte aufgrund der dendrochronologischen Befunde ab 1496 entstanden sein; die andere, heute im Prado (Abb. 31, 29), allerfrühestens 1508. Die erstgenannte Version ist sorgfältiger ausgeführt, so dass die sonst silhouettenhaften Figuren Boschs um eine Modellierung von Körperdetails und Gewandfalten bereichert sind, die seinem Stil fremd ist. Boschs Urheberschaft kam deshalb für diese Version nie ernstlich in Frage. Doch auch die Prado-Fassung ist wohl nicht von Bosch. Schon der Strich des Borstenpinsels, der in der pastos aufgetragenen Farbschicht sichtbar ist und die Maloberfläche merkwürdig rau wirken lässt, passt nicht zu Bosch. Auch erscheinen die Konturen der gezeigten Gegenstände und Figuren unscharf. Zudem hat der Maler bei der Anlage des landschaftlichen Hintergrundes die Figuren ausgespart, die dann erst in einem zweiten Arbeitsschritt eingefügt wurden. So ist diese Version des Heuwagens einem Mitarbeiter Boschs zuzuschreiben – vielleicht einem schon von Guevara gelobten Schüler, den manche Autoren mit dem aus Brüssel stammenden
28 Tischplatte mit den sieben Todsünden und den vier letzten Dingen, um 1505/10, Öl auf Holz, 120 x 150 cm, Madrid, Museo Nacional del Prado
29 Heuwagen, um 1515/16, Öl auf Holz, Mitteltafel: 135 x 100 cm, Flügelbreite: 45 cm, Madrid, Museo Nacional del Prado
30 Zwei Flügel eines Jüngsten Gerichts (?), Außenseiten: Der Höllensturz, Die Hölle, Innenseiten: Das himmlische Paradies, Das irdische Paradies, um 1505/10, Öl auf Holz, Flügelbreite: 86,5 x 39,5 cm, Venedig, Dogenpalast
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Maler Gielis Panhedel identifizieren. Dieser hatte ausweislich der Kassenbücher der Liebfrauenbruderschaft die Innenseiten der Altarflügel in der Bruderschaftskapelle bemalt, deren Außenseiten von Hieronymus Bosch stammten. Dass die Bilderfindung des Heuwagens auf Bosch zurückgeht, stünde auch ohne die groß angebrachte Signatur außer Frage. Auch dieses Werk kreist um den Themenkomplex von Sünde und Erlösung. Darauf stimmen schon die farbig gefassten Außenflügel des Triptychons ein (Abb. 31). Vor einer weiten Landschaft, die mit Anspielungen auf Raub, Tod und gottvergessenes Treiben reichlich versehen ist, versucht ein Mann, der durch den Korb auf seinem Rücken als Hausierer ausgewiesen ist, sich eines Hundes zu erwehren. Es wurde von kunsthistorischer Seite viel darüber nachgedacht, ob diese prominent gezeigte weltliche Figur positiv oder negativ belegt sei. Ihr Weg durch die Welt scheint auf das zu Boschs Zeit verbreitete Bild der Lebenspilgerfahrt anzuspielen, das den Menschen auf seinem Lebensweg als Reisenden beschrieb, als homo viator. Nach dieser Deutung soll sich der Betrachter mit einem Angehörigen des allgemein verachteten fahrenden Volks identifizieren. Im Unterschied zu den Bettlern in den Städten hatten die Landfahrer keinen geregelten Rechtsstatus. Einzig durch das Gebot der christlichen Nächstenliebe geschützt, waren sie der obrigkeitlichen Willkür ausgeliefert, so wie der durch die Erbsünde belastete Mensch auf seinem Weg durch das Leben und die sündige Welt allein von der Gnade Gottes geschützt war. Bosch hat die gleiche Figur auch auf den Außenseiten eines anderen, heute nur mehr fragmentarisch überlieferten Retabels angebracht (Abb. 34). Als Darstellung auf den Außenseiten eines Triptychons ist die Gestalt genauso einzigartig wie der Heuwagen auf der Mitteltafel. Das Innere des Triptychons (Abb. 29) zeigt abgesehen von diesem Wagen eine aus dem Wiener «Jüngsten Gericht» (Abb. 23) vertraute Anlage. Auch der «Heuwagen» ist von links nach rechts zu lesen. Beginnend mit dem Sündenfall, entwirft Bosch die Geschichte der Menschheit, die als verworfene Brut im Inferno ihre Strafe und ihr Ende findet. Abermals hebt er mit
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31 Der Hausierer, Außenseiten des Heuwagens (Abb. 29), um 1515/16, Öl auf Holz, 135 x 100 cm, Flügelbreite: 45 cm, Madrid, Museo Nacional del Prado
dem Hinweis auf das Paradies an, das durch die Sündhaftigkeit der Menschen verloren ging. Auf der Mitteltafel wird der abstrakte Begriff der Habgier visuell in ein breites Spektrum unterschiedlichster Handlungen übersetzt. Vertreter aller Stände balgen sich um das Heu, das zum Sinnbild aller irdischen und damit vergänglichen Güter wird. Selbst die höchsten Vertreter der geistlichen und weltlichen Macht, Kaiser und Papst, haben sich dem höllischen Treiben angeschlossen. Hoch zu Ross folgen sie dem Zug des Lasters, der unaufhaltsam in die Hölle führt. Die Deichsel des von Monstern gezogenen Wagens ist dort schon angekommen. Niemand achtet mehr des in den Wolken gezeigten Schmerzensmannes, der fast verzweifelt die Hände hebt. Dass diese Lesart schon von Zeitgenossen Boschs geteilt wurde, erweist ein 1585 von Ambrosio de Morales publizierter Text, von dem der Autor behauptet, ihn schon in seiner Jugend verfasst zu haben. Vermutlich hatte er Boschs Werk kennenge-
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lernt, als er 1544/45 als Hauslehrer den Sohn Felipe de Guevaras unterrichtete. Als literarische Übung aus dem Geist der antiken «Bildtafel des Kebes» beschreibt er den «Heuwagen», der «die Verhältnisse des irdischen Staates mit viel Sarkasmus und Einsicht» darstelle. Die moralische Botschaft steht dabei für Morales außer Frage: «Das Bild zeigt uns das Panorama unseres elenden Lebens und den großen Reiz, den seine Eitelkeiten für uns haben.» «Mit wunderbaren Einzelheiten und hoher Kunst» habe Bosch die Figuren gemalt, die Morales dann mit viel Liebe zum Detail über mehrere Seiten beschreibt und deutet. Seine Würdigung der malerischen Faktur wie auch die eingehende Betrachtung, die er nach allen Regeln der rhetorischen Kunst ausbreitet, erlauben einem nachzuvollziehen, wie das kunstsinnige und gebildete Publikum aus Boschs Zeit innovative Bilder aufnahm. Für eine vergleichbare intensive Betrachtung durch ein gebildetes, höfisches Publikum war auch Boschs bis heute bekanntestes Werk bestimmt (Abb. 4). Durch keine seiner Schöpfungen und kaum ein anderes Werk der europäischen Kunstgeschichte haben sich die Interpreten stärker herausgefordert gefühlt als durch den sogenannten «Garten der Lüste». Die irreführende Bezeichnung hat sich mangels eines urkundlich bezeugten Titels Ende des 19. Jahrhundert etabliert. Dieses größte überlieferte Werk Boschs dürfte erst nach 1500 entstanden sein. 1517, nur ein Jahr nach Boschs Tod, ist das Triptychon im Palast Heinrichs III. von Nassau in Brüssel nachgewiesen. Vielleicht hatte der es, genau wie den Palast selbst, 1504 von seinem Onkel Engelbrecht II. geerbt. Doch mag der dem Hof Philipps des Schönen eng verbundene Heinrich das Werk auch selbst erworben haben, schließlich war er einer der bekanntesten Mäzene und Kunstfreunde seiner Zeit. Er scheute keine Kosten und Mühen, um seine Brüsseler Residenz auf das Prächtigste auszustatten, so dass sie, wie auch der angrenzende Garten mit seinen Tiergehegen, zu einem Anziehungspunkt für ausländische Reisende wurde. Albrecht Dürer fand den Palast 1521 «gar köstlich gebaut und eben so schön verziert». Man zeigte ihm dort «alle die Kostbarkeiten», einen Meteoriten und ein Riesenbett, «do 50
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Menschen mügen innen liegen». Boschs «Garten der Lüste» erwähnt er nicht, vielleicht weil der reisende Künstler nicht zu allen Räumen Zugang erhielt. Der Kanonikus Antonio de Beatis, der den Kardinal Luigi d’Aragona durch Deutschland und die Niederlande, Frankreich und Italien begleitete, besuchte den Palast am 30. Juli 1517. Einige Monate später erinnerte er sich noch an einzelne Bilder, die er dort gesehen hatte. Darunter befanden sich neben den so lebensechten nackten Figuren von Jan Gossarts «Hercules und Daianira» und einem «Paris-Urteil», auf dem die drei Göttinnen in höchster Vollendung gemalt waren, «noch verschiedene andere Tafelbilder mit allerlei Wunderlichkeiten, auf denen Meere, Himmel, Wälder und Fluren und sonst allerlei Dinge dargestellt sind, darunter einige, die aus einer Muschel herauskommen, andere, die Kraniche kacken, Männer und Frauen, weiße und schwarze, in den verschiedensten Tätigkeiten und Stellungen, Vögel und Tiere jeder Art, alles sehr naturgetreu, so gefällige und phantastische Dinge, dass man sie sogar denen nicht gut beschreiben kann, die sie gesehen haben.» Der reisende Kanonikus bewundert die Malerei und deren kuriosen Erfindungsreichtum, ohne einen Versuch zu unternehmen, das Gesehene interpretierend zu beschreiben. Dennoch steht wohl außer Frage, dass die wenig präzise Beschreibung nichts anderes meinen kann als Boschs «Garten der Lüste», der nach dem Tod von Heinrich III. und dessen Sohn in den Besitz von Heinrichs Neffen Wilhelm von Oranien überging. Dort wurde das Werk dann durch Herzog Alba beschlagnahmt. Aus dem Nachlass von Albas Sohn wurde es 1591 von Philipp II. erworben, in dessen Besitz es zwei Jahre später als «ein Gemälde über die Veränderlichkeit der Welt» inventarisiert wurde. José de Sigüenza nannte es 1605 «el quadro del madroño», «das Bild mit dem Erdbeerbaum». In dieser auf der Mitteltafel dargestellten roten Frucht, deren fader Geschmack nicht hält, was das leckere Aussehen verspricht, sah er das allgemeine Thema des Bildes verdichtet, dass man sich nicht vom schönen Schein täuschen lassen solle. Die Außenseiten zeigen gemäß der biblischen Schilderung den Zustand der Welt am Abend des dritten Schöpfungstages
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32 Die Erschaffung der Welt, Außenseiten des Gartens der Lüste (Abb. 4), um 1503, Öl auf Holz, 220 x 195 cm, Flügelbreite: 97 cm, Madrid, Museo Nacional del Prado
(Abb. 32). Gott hat Licht und Finsternis geschieden, außerdem das Himmelsgewölbe, Wasser und Land geschaffen. Danach, so heißt es im Buch Genesis (1,11–13), habe er die Vegetation geschaffen, «alle Arten von Pflanzen, die Samen tragen, und von Bäumen, die auf der Erde Früchte bringen mit ihren Samen darin». Dass der Engelssturz, mit dem das Böse in die Welt kam, sich bereits ereignet hat, zeigen die fremdartig anmutenden Gewächse, die überall sprießen. Am oberen Bildrand ist der neunte Vers aus Psalm 33 zitiert, der allgemein auf den im Buch Genesis stetig wiederholten Schöpfungsbefehl «und Gott sprach» bezogen wurde: «Ipse dicit et facta sunt, Ipse mandavit et creata sunt» – «er sprach und es geschah, er befahl und es wurde geschaffen». Dieser Bezug wird auch durch die links oben, neben der Aufschrift gezeigte Figur Gottvaters betont. Sie entspricht einem verbreiteten Typus und bewegt sich als zeichenhaft eingesetzter Bildtopos auf der gleichen Ebene wie das Zitat aus den Psalmen. Indem Bosch die malerisch differenzierte Ausgestaltung der Erdoberfläche mit der Bildformel für den allmächtigen Gott kontrastiert, übersetzt er die Idee des Gegensatzes von Geist und Materie ins Medium der Malerei.
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Zur Herausforderung für die modernen Interpreten wurde das Innere des beeindruckenden Triptychons. Wie beim «Heuwagen» löste auch hier vor allem das zentrale Bild Irritationen aus, dessen Darstellung, von Details abgesehen, ohne Vergleich ist. In der kunsthistorischen Forschung hat sich für derartige Bilder der Begriff «Wimmelbild» etabliert, der zutreffend das kaum in Worte fassbare Mit- und Durcheinander unterschiedlicher Figuren und Handlungen beschreibt. Die deutliche Unterteilung der Bildgründe in eine vordere, eine mittlere und eine hintere Zone gliedert die Ansammlung von einzelnen Figuren und Gruppen nackter Männer und Frauen. Diese wirken alle gänzlich alterslos. Es gibt keine Kinder oder Greise, allerdings Menschen mit dunkler Haut und sogar welche mit einem flaumigen Fell. Das stumme Miteinander der Figuren wirkt vor allem durch die ihnen in seltsamer Größenrelation zugeordneten Pflanzen und Tiere befremdlich. Sie naschen von den Früchten, füttern einander oder werden gefüttert. Manche haben Früchte auf dem Kopf oder Fische im Arm. Männer und Frauen berühren sich zart, ein Paar sitzt in einer Blase, ein anderes hat sich in eine Muschel zurückgezogen. Ein Mann hat eine Blume zum Schlag erhoben, während ihm ein anderer den nackten Hintern entgegenreckt, aus dem ein Blumensträußchen ragt. Was hier gezeigt ist, bewegt sich spätestens bei der Übersetzung in das Medium Sprache zwischen zarter Erotik und sexueller Drastik. Die Bildsprache Boschs wirkt allerdings pornographischen Assoziationen entgegen. Er reduziert nämlich den nackten menschlichen Körper auf eine scheibenhaft flache Form, so dass den zerbrechlich schlanken Silhouetten jede Fleischlichkeit abgeht. Doch ist ihr Treiben deshalb nicht weniger sündig. Wäre die Mitteltafel verloren, man würde wohl nicht zögern, an dieser Stelle ein Bild des Jüngsten Gerichts zu vermuten. Umso verwunderlicher ist es, dass die kunsthistorische Forschung über lange Zeit diskutiert hat, ob die auf dem Mittelbild gezeigte Szene positiv oder negativ aufzufassen sei, ob sie ein unschuldiges Paradies oder schlimmste Laster zeige. Ihre Begründung finden diese Zweifel allerdings nicht zuletzt darin, dass auf dem linken Flügel im Unterschied zu anderen Tripty-
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chen Boschs (Abb. 23, 29) der Sündenfall nicht explizit dargestellt ist. Ausgehend von dieser Beobachtung deuten zahlreiche Forscher das Mittelbild im Sinne eines «Was wäre, wenn» – was wäre, wenn Adam und Eva nicht gesündigt hätten. Doch Bosch zeigt keine Idylle. Davon ist schon der Garten Eden auf dem linken Flügel weit entfernt, in dem einem allerorten die auch aus anderen Werken Boschs vertrauten Hinweise auf das Böse begegnen. Schleimig glänzende Reptilien verweisen genauso auf die Gegenwart der dunklen Mächte wie die Katze im Vordergrund, die eine Maus gefangen hat. Das erste Menschenpaar wird seinem Schicksal nicht entkommen, wobei nach Auffassung Augustins und zahlreicher mittelalterlicher Theologen der Sündenfall in genau jenem Moment lag, den Bosch zeigt. Es ist der Augenblick, wo Adam sich von Gott abund der ihm zur fleischlichen Gefährtin gegebenen Frau zuwendet. Diese Hinwendung zum Fleischlichen bestimmt den weiteren Verlauf der Heilsgeschichte. Vor dem Hintergrund dieser theologisch allgemein geteilten Grundannahme müssen alle Details des Bildes gedeutet werden, auch die so idyllisch anmutende Mitteltafel. Schon Dionysius van Rijckel hatte mit dem Missverständnis aufgeräumt, dass alles Böse hässlich sei, denn es gebe zwar «auf der Welt keinen abscheulicheren Pfuhl als den reuelosen Sünder und lasterhaften Menschen, und doch hat er in seiner Natur und in seinem Bilde viel von der natürlichen Schönheit». Nimmt man die Warnung ernst, dass das Böse in der Gestalt äußerer Schönheit begegnen kann, wird man auch die warnenden Hinweise entdecken, die Bosch auf der Mitteltafel untergebracht hat. Dass hier die sprichwörtliche verkehrte Welt gemeint ist, wird in einzelnen Motiven greifbar wie in der bei Bosch auch an anderer Stelle eingesetzten Figur im Kopfstand. Es ist aber auch an den Gestaltungsprinzipien ablesbar, so etwa an den verrückten und verkehrten Größenverhältnissen. Die Mitteltafel kann im Zusammenhang der Heilsgeschichte nicht als positive Utopie erscheinen. Dazu stand das Gezeigte, bei allem Unterhaltungswert, zu sehr im Widerspruch zur Alltags- und Standesethik der Zeit. Das höfische Publikum, das
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auch die drei Tafeln des «Heuwagens» als Visualisierung einer zeitlichen Abfolge verstand, dürfte die Mitteltafel des «Gartens der Lüste» als Allegorie der Unkeuschheit und als drastische Beschreibung des Sittenverfalls in der gegenwärtigen Welt begriffen haben. Auch die Szenenfolge dieses Triptychons illustriert das große heilsgeschichtliche Drama, das im ersten Akt mit der Genesis beginnt und im letzten mit dem Inferno schließt. Wie auch in den anderen großen Triptychen zeigt Bosch eine törichte Menschheit, die alle göttlichen Verheißungen vergisst. Schon der Hintergrund des Paradiesflügels mit Satans Sturz aus dem Chor der Engel, dieser deutliche Verweis auf den Moment, in dem das Böse in die Welt kam, lässt für eine positive Deutung des Geschehens auf der Mitteltafel wenig Raum. Sogar kompositorisch läuft alles auf die Hölle zu – so wird zum Beispiel der Maßstab der gezeigten menschlichen Figuren von links nach rechts immer kleiner. Darüber, was auf dem rechten Flügel dargestellt ist, kann es keinen Zweifel geben. Es handelt sich hier um die beeindruckendste Höllenvision in der Geschichte der abendländischen Bildkünste. Aus dem schwarzbraunen Hintergrund wird ein überwältigendes Gewimmel und höllisches Treiben entwickelt, aus dem einzelne Motive und Gruppen eindringlich hervortreten: so zum Beispiel die überdimensionalen Musikinstrumente, der blaue «Kackstuhlteufel» mit dem Vogelkopf oder der auch von der bereits besprochenen Zeichnung bekannte BaumMensch. Während die Hölle im Mittelgrund, dort, wo das Messer zwischen den Ohren steckt, zugefroren und vereist erscheint, stehen in der Ferne die schemenhaft sich abzeichnenden Gebäude in Flammen. Guevara hatte mit Blick auf die Tafel mit den sieben Todsünden konstatiert, dass Bosch befremdliche Dinge gemalt habe, «weil er sich das Inferno zum Thema gewählt hatte und dieser Gegenstand es forderte, dass er Teufel darstellte und Kompositionen ungewöhnlicher Dinge erfand». Diese auf den ersten Blick so stimmig anmutende Beschreibung ist jedoch bei genauem Hinsehen nicht wirklich zutreffend. Was Bosch malt, ist teils gar nicht so ungewöhnlich. So ist nicht nur die vom Feuerschein er-
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hellte Brandlandschaft glaubwürdig geschildert, er gibt auch zeitgenössische Musikinstrumente und Küchengerätschaften, die als Folterinstrumente missbraucht werden, genauestens wieder. Die Hölle wird zur verkehrten Welt, indem ein Hase einen Menschen am Jagdspieß fortschleppt oder ein Ei einen Mann aufschlägt. An anderer Stelle werden Menschen gefressen, wie Wildbret zerlegt, gerädert oder durch das Schwert gerichtet. Das Repertoire der höllischen Exekutive unterscheidet sich kaum von den zu Boschs Zeit üblichen irdischen Körperstrafen. Gerade bei der Betrachtung der Details wird deutlich, dass das Bedrückende der Höllenvisionen Boschs nicht in der Begegnung mit der unbekannten Unterwelt liegt. Vielmehr wirkt vieles bekannt und wird nur dadurch unheimlich, dass die Dinge des Alltags in ihren Proportionen verändert und in ihren Funktionen pervertiert erscheinen. Auch die gezeigten Handlungen imitieren Bekanntes – allerdings werden sie nicht von, sondern an Menschen vollzogen. «Das Unheimliche», so Sigmund Freud 1919 in seinem so betitelten Aufsatz, trete nicht als Neues oder Fremdes in Erscheinung. Es sei vielmehr etwas dem Seelenleben von alters her Vertrautes, «das ihm nur durch einen Prozeß der Verdrängung entfremdet worden ist». Manches, was Bosch zeigt, ist dem Erfahrungshorizont alltäglicher Unannehmlichkeiten abgelauscht. Und die Schmerzen, die Feuer und Schwert einem Menschen verursachen, lassen sich leicht nachfühlen. Die Bilder Boschs und seiner Nachfolger leben davon, dass sie eine dem Betrachter zwar ferne, aber doch unheimlich vertraute Hölle zeigen. Dass vorne rechts ein Schwein im Nonnenhabit einem armen Sünder eine Unterschrift abschmust, deckt sich dabei genauso mit der Kirchenkritik eines Dionysius van Rijckel wie die unerbittliche Ablehnung jeder Form von Unkeuschheit, die in unzähligen Varianten und Spielarten auf der Mitteltafel ausgebreitet ist. Entsprechend Vergils viel zitierter Formulierung des «Durchlesens eines Bildes mit den Augen» wollen Boschs Bildwelten genau studiert werden. Dabei arbeitete Bosch ohne Frage der von Theologen problematisierten concupiscentia oculorum zu,
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der Augenlust, die bei ihm allerdings durch die mit dem Schauen verbundene Belehrung legitimiert wurde. Auch durch die fast zeichenhafte Art seiner Figurendarstellung sorgt Bosch dafür, dass Abstruses, Obszönes und Pornographisches den Blick des Betrachters nicht zum Starren, Glotzen oder Spannen einlädt, sondern zum Staunen und Nachdenken. Im Palast Heinrichs III. forderte der «Garten der Lüste» die Betrachter auf, die eigene Moral und den höfischen Wertekanon zu den Gegenständen der Bilder in Beziehung zu setzen. Aus diesem spezifischen Kontext der Betrachtung erklärt sich manches, was an Boschs Bildern rätselhaft scheint. Der «Garten der Lüste» hing in einem der Unterhaltung und dem Vergnügen dienenden Schloss, dessen kunstsinniger Besitzer durchaus einen Hang zum Kuriosen hatte. Im Rahmen höfischer Feste fand man hier auch für ein Bett für 50 Gäste Verwendung. Doch war die ausschweifende Festkultur letztlich einem fest gefügten höfischen Zeremoniell und einer strengen sozialen Disziplinierung unterworfen, deren Werte und Normen der moralisierende Charakter von Boschs Bildern reflektiert.
9. Die Torheit der Welt Zum Inventar eines anderen niederländischen Schlosses gehörte zu Beginn des 16. Jahrhunderts auch eine der noch heute bekannten acht Versionen des sogenannten «Steinschneidens» (Abb. 33). Der Schlossherr war Philipp von Burgund, der jüngste Bastardsohn von Philipp dem Guten. In dem 1529 aufgestellten Inventar ist vermerkt, dass im acht Jahre zuvor eingerichteten «neuen Esszimmer» von Schloss Duurstede eine Tafel hing, mit «Lubbertas, dem man die Steine herausschneidet». Der Titel ist aus der gereimten Aufschrift abgeleitet. «Meester snijt die keye ras», heißt es da in goldenen gotischen Lettern, «Mijne name Is lubbert das» – «Meister, schneid den Stein rasch, mein Name ist Lubbert Dachs». Das Thema ist eindeutig.
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33 Das Steinschneiden (Kopie), vor 1521, Öl auf Holz, 48 x 35 cm, Madrid, Museo Nacional del Prado
Wer dumm ist, hat einem niederländischen Sprichwort zufolge einen Stein im Kopf. Die von Bosch so eindringlich vorgeführte Operation hat zum Ziel, den Dargestellten von jener Dummheit zu befreien, die in seinem offensichtlichen Glauben an den Erfolg des Eingriffs ihren sprechendsten Ausdruck findet. Auch physiognomisch ist der Puschen tragende Lubbert als der Trottel gekennzeichnet, den Figuren dieses Namens in volkstümlichen Theaterstücken der Zeit verkörpern. Was von dem Operateur zu halten ist, verdeutlicht Bosch durch den umgekehrten Trichter, der ihn als Narren kennzeichnet. Die Kritik am dümmlichen Vertrauen auf die Kunst eines Quacksalbers ist in dem Bild mit einer Attacke gegen den Klerus verbunden, der das auf geistlichen Zuspruch bauende Opfer der Operation im Stich lässt. Der saufende Mönch mit der Wein-
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34 Der Hausierer, Außenseite von den Flügeln eines Retabels (Abb. 27, 35, 36), um 1500/10, Öl auf Holz, Durchmesser: 71,5 cm, Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen
kanne ist mit dem Personal des «Heuwagens» ebenso verwandt wie die Nonne, die mit aufgestütztem Kopf als Inbild der Todsünde des Müßiggangs erscheint. Sie liest das Buch nicht, sondern balanciert es auf dem Kopf. Mönch und Nonne verkörpern die auch im geistlichen Gewand begegnende Schlechtigkeit der Welt, die im links hinter dem Quacksalber gezeigten Galgen ihren deutlichsten Ausdruck erhält. Die heute im Prado bewahrte Version des Bildes ist sicher kein Original Boschs. Doch erweist der Vergleich zwischen den überlieferten Kopien, dass diese Fassung sich am engsten an die eigenhändigen Werken anschloss. Boschs Bilderfindung steht am Anfang einer reichen niederländischen Narren-Ikonographie, die im Verlauf des 16. Jahrhunderts ihre erste Blüte erlebte. Das Thema fand vor allem im Medium der Druckgraphik weite Verbreitung und hielt auch in bürgerliche Sammlungen Einzug. Die Inschrift der Version im Prado lässt sich als Hinweis darauf lesen, dass Boschs Bilderfindung ursprünglich auf ein höfisches Publikum zielte. Denn die kalligraphische Aufschrift findet ihre nächste Entsprechung in den Wappenschilden, die Pieter Coustens 1481 für die Ritter vom Orden des Goldenen Vlieses ent-
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35 Narrenschiff (oberer Teil eines Flügelfragments), um 1500/10, Öl auf Holz, 57,8 x 32,5 cm, Paris, Musée du Louvre
warf. An der Stelle, wo auf diesen Schilden die Wappen der honorablen Ordensmitglieder angebracht sind, zeigt Bosch ein Gleichnis menschlicher Leichtgläubigkeit und Dummheit. Philipp von Burgund, der 1501 in den Orden vom Goldenen Vlies aufgenommen wurde, dürfte die Anspielung verstanden haben. Von einem anderen Werk Boschs, das ursprünglich auf einen höfischen Betrachterkreis zielte, einem Triptychon, sind nur Fragmente von zwei Flügeln überliefert. Überhaupt waren die meisten der etwa 20 erhaltenen Werke Boschs einst als Tripty-
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36 Allegorie der Völlerei und Wollust (unterer Teil eines Flügelfragments), um 1500/10, Öl auf Holz, 31 x 35 cm, Yale University Art Gallery, Gift of Hannah D. and Louis M. Rabinowitz
chen konzipiert. Wie der «Heuwagen» (Abb. 31) zeigte auch dieses zwischen 1500 und 1510 entstandene Werk auf den geschlossenen Außenseiten einen Hausierer (Abb. 34), der wiederum als Allegorie des Lebensweges zu lesen ist. Das fast gänzlich aus Grau- und Brauntönen aufgebaute Bild ist vor allem durch die Art des malerischen Vortrages bemerkenswert. Die Farben sind teils lasierend dünn, nass in nass aufgetragen. Der Malprozess war so spontan, dass sich der Daumen des Malers, der mit den bloßen Fingern eine Korrektur anbrachte, auf dem rechten Oberschenkel der Figur in die feuchte Malschicht gedrückt hat. Die Unterzeichnung ist mit bloßem Auge sichtbar, genauso wie auf der Tafel mit dem «Tod des Geizhalses» (Abb. 27), die einst den rechten Innenflügel des Triptychons bildete. Der Tod kommt hier den im Bett sitzenden Alten holen. Ein Engel weist diesen vergeblich auf das Erlösung verheißende Kruzifix im Fenster hin. Der Sterbende aber macht lieber Geschäfte mit dem Teufel – er lässt sich die Seele abkaufen oder sucht ihn zu bestechen. Dabei ist er nicht besser als jener Erbschleicher im Vordergrund, der, des Sterbenden nicht achtend,
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37 Hochzeit zu Kana (Kopie), nach 1553, Öl auf Holz, 93 x 72 cm, Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen
nicht für sein Seelenheil vorsieht, sondern lieber in die Geldkiste langt. Achtlos sind vorne auf dem Boden, wie ein Symbol für die eitle Vergänglichkeit, die Waffen des christlichen Streiters niedergelegt. Die Seele des alten Narren ist so wenig zu retten wie die Besatzung des Narrenschiffs, das der heute zweigeteilte andere Innenflügel zeigt (Abb. 35). Der untere Teil der Tafel, der sich heute in Yale befindet, ist als Allegorie der Völlerei und der Wollust zu deuten (Abb. 36). Er zeigt einen auf einem Fass reitenden Prasser und Liebespaare in einem Zelt. Die unchristliche Gesinnung der im Boot versammelten Gesellschaft bringt die wehende Halbmondfahne im Mast zum Ausdruck, wobei auch Mönch und Nonne mit von der Partie sind. Der vorne sitzende Narr ruft unweigerlich die Assoziation zu Sebastian Brants 1494 erstmals gedrucktem «Narrenschiff» auf, das schon wenige Jahre später auch in niederländischer und lateinischer Sprache vorlag. Schon in der Vorrede dieser Schrift kommt
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deutlich die Kritik an den gottfernen gegenwärtigen Zeitläuften zum Ausdruck, die auch Boschs Bilder reflektieren. Ja würt all gschrift und lehr veracht, Die gantz welt lebt in vinstrer nacht Und tut in sünden blint verharren; All strassen/ gassen/ sind voll narren
Was Sebastian Brant in seinem Buch an menschlichen Unzulänglichkeiten ausbreitet, setzt Bosch ins Bild. Und man darf unterstellen, dass er genau wie Brant nicht nur auf die Unterhaltung seines Publikums zielte. Auch er verband mit seiner Schilderung eine «heilsame Lehre» zur Hebung der allgemeinen Weisheit und zur Besserung der Sitten. Über den möglichen Gegenstand der Mitteltafel ist viel spekuliert worden. Vieles ist denk- und begründbar. Erwogen wurde, dass einst die nur in Kopien überlieferte Darstellung der Hochzeit zu Kana (Abb. 37) die Mitteltafel bildete. Darauf deute schon das Format der Kopien, das den Mitteltafeln von erhaltenen Triptychen Boschs exakt entspreche. Der Versuch jedoch, inhaltliche Bezüge herzustellen, vermag nicht zwingend zu überzeugen, auch wenn sich die im Johannes-Evangelium (2,1–11) geschilderte Hochzeit zu Kana mit der Eucharistie in Verbindung bringen und als Gleichnis für Mäßigkeit, Keuschheit und Nächstenliebe deuten lässt. Sie stünde damit in einem anspielungsreichen Spannungsverhältnis zu den Darstellungen der Seitenflügel, auf denen einerseits Maßlosigkeit und Wollust thematisiert werden, andererseits die egoistische Gier, die selbst im Angesicht eines Sterbenden nur an die selbstsüchtige Bereicherung denkt. Die Untersuchung der Malmaterialien, die in der in Rotterdam aufbewahrten Kopie verwendet wurden, deutet auf eine Entstehung des Bildes nach 1540, die dendrochonologische Datierung auf die Zeit nach 1553. Dass die Bilderfindung auf Bosch zurückgeht, wurde jedoch nie bezweifelt. Vergleicht man die erhaltenen Kopien mit eigenhändigen Werken Boschs, ergibt sich die Vermutung, dass das verlorene Original um das Jahr 1510 entstand – in jener Zeit also, als der inzwischen weithin
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38 Der Gaukler (Kopie), vor 1520, Öl auf Holz, 53 x 65 cm, Saint-Germain-enLaye, Musée Municipal
bekannte Maler zunehmend für ein Sammlerpublikum produzierte, das neben seinen moralisierenden Triptychen auch Darstellungen profaner Themen geschätzt haben dürfte. Von der Beliebtheit der Letzteren und ihrer weiten Verbreitung zeugen Kopien, in denen beispielsweise ein Gemälde überliefert ist, dessen Gegenstand keinerlei Rätsel aufgibt. Es zeigt einen Gaukler, der sein Publikum mit Hütchenspielerei und Zaubertricks verführt, während ein Komplize im Publikum die Staunenden bestiehlt (Abb. 38). Ein um die Mitte des 16. Jahrhunderts publizierter Kupferstich, der nach einer der überlieferten Versionen des Bildes angefertigt wurde, erläutert die Handlung und warnt vor all den Gaunern, die es auf der Welt gibt. Genau wie das Bild des Steinschneidens wirkt die Szenerie wie ein gemaltes Possenspiel. Doch dessen Protagonisten verkörpern die abtrünnige Menschheit, jenes «Volk ohne Rat und
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ohne Einsicht», dessen Laster und Dummheiten Bosch auch auf der Todsündentafel und dem «Heuwagen» ausbreitet. Wie in einem religiösen Historienbild waren auch die Themen und Motive von Boschs profanen Gemälden mittels Allegorese vielfältig interpretierbar. Natürlich wurde und wird die sinnbildliche Deutung derartiger Darstellungen auch durch die Bildung des jeweiligen Betrachters bestimmt; und fraglos wird ein Zeitgenosse, der ein akademisches Studium absolviert hatte oder gar als Theologe an einer Universität lehrte, in einem Gemälde Boschs mehr symbolische Bezüge aufgedeckt haben als zum Beispiel ein weniger gebildeter Adeliger oder Handelsherr. Dennoch ist davon auszugehen, dass es einen allgemeinen Fundus von Motiven gab, der, nicht zuletzt aufgrund seiner Tradierung und Verbreitung in Bildern, weithin verstanden wurde. Dabei genügten oft einzelne symbolisch aufgeladene Bildzeichen, um einen komplexen Imaginations- und Verständnisprozess anzustoßen, da die Kenntnis des hinter solchen Formeln stehenden Gesamtsachverhaltes Gemeingut war. Eine schier unglaubliche Fülle von immer wiederkehrenden Motiven war Teil der visuellen Alltagskultur dieser Zeit, die sich heute nur mehr in Umrissen erschließen lässt.
10. Interpretationen Von der einstmals umfangreichen Produktion Boschs sind Teile nur noch in Kopien unterschiedlicher Qualität dokumentiert (Abb. 33, 37, 38). Manche Bilderfindungen, die ihm in alten Inventaren zugeschrieben werden, sind sogar gänzlich verloren: so zum Beispiel das von Marcantonio Michiel 1521 erwähnte «Bild des Schicksals mit dem Walfisch, der im Begriff ist, Jonas hinunterzuschlucken», oder das Bild eines ländlichen Festes, das Guevara außer einer Version des «Heuwagens» besaß. Insbesondere sind all die Bosch zugeschriebenen Leinwandbilder verloren, die vor allem in Antwerpener Kunstsammlungen des
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16. und 17. Jahrhunderts in großer Zahl vorhanden waren. Doch mögen die diesbezüglichen Inventareinträge auch in die Irre führen, denn vermutlich waren längst nicht alle damals Bosch zugeschriebenen Bilder wirklich von ihm. Vielmehr scheint es, als sei der Name Boschs mit der besonders beliebten Bildgattung der Höllenbilder («Helleken») gleichsam identisch geworden. Allein von seinem Antonius-Triptychon entstanden im Verlauf des 16. Jahrhunderts mehr als 30 Kopien. Und schon zu Lebzeiten wurden ihm mehr Höllenszenen zugeschrieben, als er gemalt haben kann, wobei Boschs Name auch deshalb so oft in Gemäldeverzeichnissen erscheint, weil seine Imitatoren sich nicht scheuten, ihre Bilder mit seinem Namenszug zu versehen. Davon weiß Felipe de Guevara um das Jahr 1560 in seinen «Comentarios de la pintura» zu berichten. Er schreibt, man finde unzählige Bilder, «die mit dem Namen Hieronymus Bosch signiert sind, jedoch fälschlich beschriftet; Gemälde, an die Hand zu legen ihm nie eingefallen ist, sondern dem Rauch und dem mangelnden Verstand, indem man sie in Kaminen räucherte, um ihnen Glaubwürdigkeit und altes Aussehen zu geben.» Die kurze Passage bezeugt nicht nur die Existenz derartiger Fälschungen, sondern auch, dass sie für die Sammler ein Problem darstellten. Denn wie schon öfter erwähnt, lebte und arbeitete Bosch in einer Zeit, in der man sich verstärkt für die ästhetische Dimension von Werken der bildenden Kunst und für deren Verfertiger zu interessieren begann. Felipe de Guevara selbst hatte die sechs Werke Boschs, die er besaß, vermutlich von seinem 1520 verstorbenen Vater geerbt. Diego de Guevara war zu Lebzeiten als Vertrauensmann der spanischen Könige am Hof Philipps des Schönen gewesen und war 1498/99 in ’s-Hertogenbosch der Liebfrauenbruderschaft beigetreten. Er hätte die Möglichkeit gehabt, die Bilder selbst bei Bosch zu kaufen. Mit den Originalen und dem von der Hand des begabten Schülers gemalten Heuwagen mag er auch das Wissen um die künstlerische Handschrift Boschs an seinen Sohn weitergegeben haben. Wer seinerzeit Bosch sammelte und teuer dafür bezahlte, der wollte auch tatsächlich Werke von seiner Hand erwerben. Alte Gemälde wurden im Verlauf des 16. Jahrhunderts zunehmend
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ein Gegenstand sammlerischen Interesses. In den höfischen Sammlungen unterstrichen die ererbten Stücke die Adelsqualität der Besitzer. Schließlich bezeugten sie, dass schon die Vorfahren die Künste geschätzt und gefördert hatten. In Nachahmung dieser höfischen Praxis begann auch das Stadtpatriziat, sich für alte Bilder vor allem lokaler Herkunft zu interessieren, die als historischer Beleg kultureller Traditionen geschätzt wurden. Zugleich suchte man Bilder jener Maler zu erwerben, die auch in den vorbildlichen Sammlungen des hohen Adels hingen. Auf diese Weise entstand ein nie da gewesener Bedarf, der mit den überlieferten Originalen schlichtweg nicht mehr zu decken war. Die Folgen dieser Entwicklung werden in einem Erlass des Antwerpener Magistrats vom 3. Oktober des Jahres 1575 greifbar, der neben anderen Privilegien der St.-Lukas-Gilde auch das Kopieren bekannter Gemälde thematisierte. Es dürfe keinesfalls vorkommen, hieß es darin, dass «geachtete Leute, Herren und Bürger durch derartige Verkäufe betrogen würden, indem sie Gemälde als Werke bekannter und berühmter Meister kauften, während dieselben aber nur nach deren authentischen abgemalt sind.» Die vor allem in Antwerpen entstandenen Kopien und Nachahmungen von Bildern Boschs wurden fast durchweg von Malern geschaffen, deren Namen mit guten Gründen niemand mehr kennt. Doch ragen aus der Masse auch durchaus Malerpersönlichkeiten mit einem bemerkenswerten eigenen Œuvre heraus. Der prominenteste unter ihnen ist sicherlich Pieter Bruegel der Ältere. Kurz nach der Mitte des 16. Jahrhunderts, noch am Beginn seiner Karriere, wurden seine durchaus eigenen zeichnerischen Erfindungen vom Verleger Hieronymus Cock als Inventionen Boschs vertrieben. Bei Karel van Mander heißt es 1604, Pieter Bruegel habe viel in der Art des Hieronymus Bosch gemalt, Spukbilder und komische Szenen, weshalb man ihn «Pier den Drol» genannt habe, «Peter den Lustigen». Überhaupt gebe es wenige Sachen von ihm, «die man ansehen kann, ohne zu lachen». Es ist bezeichnend, dass van Mander von den Gemälden Boschs sagt, sie seien «manchmal mehr grauenerregend als ansprechend anzusehen». Wo Bosch eine finstere Zukunftsvision
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39 Fragment eines Weltgerichts (in der Art Boschs), um 1510/20, Öl auf Holz, 60 x 114 cm, München, Alte Pinakothek
für eine gottvergessene Menschheit entwarf, beschränkten sich seine Nachfolger darauf, das höllische Unwesen möglichst pittoresk und abwechslungsreich zu gestalten. An die Stelle der moralischen Belehrung trat eine Unterhaltung, die das Moment des Komischen stärker betonte, als das für Bosch und das zeitgenössische Verständnis seiner Kunst anzunehmen ist. Vor allem zum Ende des 16. Jahrhunderts, als eine wahre «BoschRenaissance» zu verzeichnen war, bemühten sich manche Imitatoren, die durchaus vorhandenen komischen Züge von Boschs Werken zu verstärken. Andere Imitatoren überführten Boschs furiose Höllenvisionen in eine gleichsam ornamentale Ordnung. Das ist bei zahlreichen Zeichnungen in der Nachfolge Boschs zu beobachten, aber auch bei einem wohl noch zu seinen Lebzeiten entstandenen Fragment eines Weltgerichts (Abb. 39). Legt man die Altersbestimmung der Holztafel zugrunde, könnte das Bild sogar schon um die Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden sein. Allerdings sind eindeutig Motive von Bosch verarbeitet, die jedoch gleichsam kalligraphisch über den dunklen Bildgrund ausgestreut erscheinen. Die einzelnen Monster sind, ganz anders als bei Bosch, nicht darauf angelegt, funktional zu wirken. Ange-
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ordnet wie eine groteske Schmetterlingssammlung, sind sie zu farbig schillernden Arabesken mutiert. Die zahlreichen Nachahmungen Boschs und die in seiner Nachfolge entstandenen Bilder sind ein eigenes, lohnendes Forschungsfeld. Denn die ungeheure Zahl der Imitationen ist weit leichter zu konstatieren als zu erklären. Sicher ist, dass die Kupferstiche Alart du Hameels dazu beitrugen, die Bildsprache Boschs zu verbreiten. Beide Künstler waren etwa gleich alt und dürften sich gut gekannt haben, denn auch du Hameel war Mitglied der Liebfrauenbruderschaft. Zwischen 1478 und 1494 war er leitender Baumeister an der Kathedrale von ’s-Hertogenbosch. Seine phantasievollen Erfindungen, wie den in London bewahrten Entwurf eines Brunnens mit einem «Manneken Pis», versah er mit einem Namenszeichen und der Beischrift «Bosche», die einem auch auf einem Dutzend Kupferstichen begegnet. Einige dieser Blätter weisen eine große Nähe zur Bildwelt Boschs auf, ohne diese jedoch unmittelbar zu reproduzieren. In seinen Stichen verarbeitete du Hameel Motive Boschs, aber auch andere Vorlagen. Mit unbändiger Erzählfreude schildert er das närrische Treiben kleiner, meist menschenähnlicher Unholde, die entfernt mit Boschs Mischwesen verwandt sind. Auch die missverstandene Herkunftsbezeichnung trug dazu bei, dass man noch bis vor wenigen Jahren annahm, die Stiche reproduzierten verlorene Gemälde Boschs. Schon bald nach der Mitte des 16. Jahrhunderts lobten Marcus van Varnewijck, Lodovico Guiccardini und Giorgio Vasari Boschs «phantastische und bizarre» Erfindungen. Und am Ende des Jahrhunderts, als sich sein Ruf als «Teufelsmacher» schon gefestigt hatte, rühmten ihn deshalb Giovanni Paolo Lomazzo, Ambrosio de Morales und Gonzalo Argote de Molina, der die Bilder, für die Bosch besonders berühmt sei, als «Farcen» bezeichnete. Bis heute überdecken die unzähligen mehr oder weniger gelungenen Farcen und Imitationen das Œuvre Boschs. Um diese von den originalen Bildern zu unterscheiden, hatte schon Guevara empfohlen, die Motive genau in den Blick zu nehmen. Denn Bosch habe sich zwar bemüht, «für seine Erfindungen höchst seltene Dinge zu suchen, aber naturgemäße, der Art,
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dass man es als ein allgemeingültiges Gesetz aufstellen kann, ein jedes Gemälde, und sei es auch mit seiner Unterschrift versehen, in dem irgendeine Monstrosität vorkommt oder etwas, was die Grenzen der Natürlichkeit verlässt, sei gefälscht oder nachgemacht.» Boschs eigene Bilderfindungen lebten, so Guevara, in den hoch zu schätzenden Werken seines getreuen Schülers fort, der «aus Verehrung für seinen Meister oder, um seinen eigenen Werken mehr Wert zu geben, sie mit dem Namen von Bosch und nicht mit dem seinen versah». «Nur war er in der Ausarbeitung sorgsamer und geduldiger als Bosch.» Zu diesem Hinweis passt der Hintergrund in Guevaras Kopie des «Heuwagens» (Abb. 29), wo die Figuren sorgfältig in die zuvor frei gelassenen Flächen eingesetzt sind. Wie Boschs unstreitig eigenhändige Werke zeigen, wäre ihm dieses umständliche Verfahren fremd gewesen. Auch van Mander schildert 1604 eine gewisse malerische Effizienz als Charakteristikum der Bilder Boschs. Dieser habe sich ferner weniger in die Wiedergabe komplizierter Faltenwürfe verloren als seine Zeitgenossen. «Seine Malweise war energisch, geschickt und schön. Er malte seine Sachen vielfach auf einen Wurf fertig, wodurch die Bilder gleichwohl, ohne sich in der Farbe zu verändern, sehr schön bleiben.» Leider nennt van Mander im Folgenden kein Bild, das man heute noch als Original kennen würde. Deshalb sind seine Bemerkungen, genau wie die Äußerungen Guevaras, vor allem als Beleg dafür interessant, dass man sich schon seinerzeit für Zuschreibungsfragen interessierte. Da die Unterscheidung zwischen eigenhändigen Werken, Kopien und Nachahmungen seit damals nicht leichter geworden ist, behelfen sich in jüngerer Zeit manche Kunsthistoriker mit dem Konstrukt einer Familienwerkstatt, wo im Zusammenspiel zwischen dem Vater, den Söhnen und der Tochter jene Werke entstanden seien, die mit «Jheronimus Bosch» signiert wurden. Doch was soll mit der unbeweisbaren Konstruktion gewonnen sein, dass Bosch mit seinen Mitarbeitern verwandt war? Dass er eine Werkstatt führte, Schüler und Mitarbeiter hatte, steht außer Frage. Auch er wird sich, entsprechend den Gepflogenheiten der mittelalterlichen Werkstattpraxis, in allen Phasen der Her-
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stellung eines großen Retabels der Unterstützung seiner Mitarbeiter bedient haben. Zugleich aber verbürgt sein Namenszug, zum Beispiel auf der Anbetung der Könige (Abb. 11), gleich einer modernen Fabrikmarke einen sich in der Herstellungsweise begründenden Qualitätsstandard. Boschs Werk wurde nicht zuletzt deshalb rätselhaft, weil es jene modernen Interpreten ratlos machte, die versuchten, es in eine kunsthistorische Entwicklung einzufügen. Bosch wird bei diesen Versuchen gerne als Angehöriger der dritten Generation zu den letzten Vertretern der von Jan van Eyck begründeten «altniederländischen Malerei» gezählt. Dabei wird man nicht müde, Boschs rätselhafte Sonderstellung im Kontext dieser Maler zu beschreiben, die auch als «flämische Primitive» bezeichnet werden. Doch derartige Entwicklungslinien sind nicht vorhanden, sondern von Kunsthistorikern konstruiert. Und es sind weniger die Bilder Boschs problematisch als diese Form der historischen Projektion. Sie hat auch dafür gesorgt, dass man für die scheinbar außerhalb jeder kunsthistorischen Entwicklung stehenden Bilder spekulative Erklärungszusammenhänge konstruierte. Ob man in den Bildern astrologische oder alchemistische Geheimbotschaften entdeckte, häretische oder geheimbündlerische Inhalte, stets wurden die Werke der vorgefassten Deutung gefügig gemacht. Dokumentarisch lassen sich die teils hoch spekulativen Thesen jedenfalls nicht belegen. Und die Unschärfe der historischen Betrachtung hatte zur Folge, dass die vorhandenen Quellen nicht zur Kenntnis genommen wurden. Erst diese Gemengelage hat die Überfülle von möglichen Kontexten und Deutungen erzeugt, die für die Wahrnehmung Boschs so bezeichnend wurde. Vor allem im Zusammenspiel mit der prinzipiellen Deutungsoffenheit der bildlichen Aussage bietet die fehlende dokumentarische Eindeutigkeit den Nährboden für das, was Susan Sontag das Geschwätz der Interpreten nannte. Das zu Boschs Zeit gültige Bildverständnis geht von einer Vieldeutigkeit aus, die allen Versuchen entgegensteht, die Kunstwerke dieser Zeit auf eine Sinnebene zu reduzieren. Entsprechend gibt es zwar sicher nicht die richtige Deutung von Boschs Bildern, aber genauso sicher viele falsche. Dem breiten
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Lesepublikum musste die stetig wachsende Zahl der Deutungen schließlich den Eindruck einer prinzipiellen Unverständlichkeit dieser Bilder vermitteln. Denn die unterschiedlichen Interpretationen und Lesarten lagerten sich gleichsam auf ihnen ab. Gleichwohl oder vielleicht gerade deswegen ist den phantastischen Bilderfindungen Boschs in der populären Kultur unserer Zeit ein breites Nach- und Fortleben beschieden. Seine Mischwesen erwachen in Comics zu neuem Leben und werden, ins Dreidimensionale übersetzt, auf modischen Mittelaltermärkten verhökert. Im Internet sind seine Werke allgegenwärtig und laden immer wieder von Neuem dazu ein, sich mit ihnen zu beschäftigen. Keine Frage, die Bilder Hieronymus Boschs haben in den letzten 500 Jahren nichts von ihrer Faszination verloren.
Literatur
Überblick: Seit Ende des 19. Jahrhunderts, als die wissenschaftliche Beschäftigung mit Hieronymus Bosch begann, sind weit mehr als tausend Veröffentlichungen über sein Leben und seine Werke erschienen. Einen Höhepunkt erlebte die Publikationsflut anlässlich des 500. Todestages im Jahr 2016. In diesem Jahr wurden die Ergebnisse der Forschungen des Bosch Research and Conservation Project publiziert, die nun Grundlage aller weiteren Forschung sind: Luuk Hoogstede u. a.: Hieronymus Bosch, Painter and Draughtsman. Catalogue Raisonné, Brüssel 2016; und dies.: Hieronymus Bosch, Painter and Draughtsman. Technical Studies, Brüssel 2016. Ergänzend lohnt die Lektüre von Bosch. The 5th Centenary Exhibition, hrsg. von Pilar Silva Maroto, Ausstellungskatalog: Madrid, Prado, 2016; und Verkehrte Welt: Das Jahrhundert von Hieronymus Bosch, hrsg. von Michael Philipp, München 2016. Eine annähernd vollständige Bibliographie der bis zum Jahr 2000 erschienenen Titel findet sich bei Godfried C. van Dijck: Op zoek naar Jheronimus van Aken alias Bosch, Zaltbommel 2001. Ein unentbehrliches Hilfsmittel ist bis heute auch die Bibliographie von Walter S. Gibson: Hieronymus Bosch: An Annotated Bibliography, Boston 1983. Ergänzungen bieten: Paul Vandenbroeck: Jheronimus Bosch: Tussen volksleven en stadscultuur, Berchem 1987; Hélène Mund und Cyriel Stroo: Early Netherlandish Painting (1400–1500): A Bibliography (1984–1998), Brüssel 1998, S. 29–46; und Erwin Pokorny: «Hieronymus Bosch hält sich bedeckt. Zu Forschungsstand und rezenter Literatur», in: Kunstchronik 60, 2007, S. 129–133. Weitere Hinweise gibt das Literaturverzeichnis von Stefan Fischer: Hieronymus Bosch: Malerei als Vision, Lehrbild und Kunstwerk, Köln [u. a.] 2009, ein Buch, das zugleich eine in jeder Weise empfehlenswerte, faktengesättigte und methodisch fundierte Annäherung an Leben und Werk Boschs ist. Nicht allein wegen der guten Abbildungen sei an dieser Stelle auch auf zwei informative Überblickswerke verwiesen, in denen Boschs Werk im historischen und ikonographischen Zusammenhang vorgestellt wird: Rogier J. Marijnissen: Hieronymus Bosch, unter Mitwirkung von Peter Ruyffelaere, Antwerpen 1988; und Larry Silver: Hieronymus Bosch, München 2006. Allgemein zur sogenannten Altniederländischen Malerei und zur Rolle Boschs in diesem Kontext vgl. Hans Belting und Christiane Kruse: Die Erfindung des Gemäldes. Das erste Jahrhundert der niederländischen Malerei, München 1994; sowie De vlaamse primitieven, hrsg. von Rogier Schoute und Brigitte de Patoul, Leuven 1994. Zur Geschichte von ’s-Hertogenbosch vgl. P. Th. J. Kuijer: ’s-Hertogenbosch: Stad in het hertogdom Brabant ca. 1185–1629, Zwolle 2000.
Literatur
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Dokumente und Quellen: Einen Überblick über die auf Bosch bezogenen Dokumente gibt Paul Huys Janssen: «Hieronymus Bosch. Facts and Records Concerning his Life and Work», in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 68, 2007, S. 239–254. Vgl. auch Godfried C. van Dijck: De Bossche Optimaten: Geschiedenis van de illustere Lieve Vrouwebroederschap te ’s-Hertogenbosch, 1318–1973, Tilburg 1973; Friedrich Gorissen: Das Stundenbuch der Katharina von Kleve, Berlin 1973, bes. S. 1134–1138; Pater Gerlach O. F. M.: Jheronimus Bosch: Opstellen over leven en werk, ’s-Hertogenbosch 1988; Ester Vink: Jeroen Bosch in Den Bosch, Nijmegen 2001; sowie Godfried C. van Dijck: Op zoek naar Jheronimus van Aken alias Bosch, Zaltbommel 2001, der auch die frühen literarischen Zeugnisse abdruckt. Vgl. dazu auch: Antonio de Beatis. Die Reise des Kardinals Luigi d’Aragona durch Deutschland, die Niederlande, Frankreich und Oberitalien 1517 bis 1518, hrsg. von Ludwig Pastor, Freiburg i. Br. 1905, S. 116 f.; Felipe de Guevara: Comentarios de la pintura (1560), hrsg. von Antonio Ponz, Madrid 1788, S. 41–44; Abdon M. Salazar: «El Bosco y Ambrosio de Morales» (1586), in: Archivo Espanol de Arte 28, 1955, S. 117–138; Karel van Mander: Schilder-Boeck, Haarlem 1604, fol. 216v; Fray Joseph de Siguença: Tercera parte de la Historia de la Orden de S. Geronimo, Madrid 1605, S. 837–841; Gramaye, Jean-Baptiste: Taxandria, Brüssel 1610, S. 21; Bosch in Perspective, hrsg. von James Snyder, Englewood Cliffs, NY 1973. Werk und Wirkung: Bis heute verwandt werden die Werkverzeichnisse von Max J. Friedländer: Early Netherlandish Painting 5: Geertgen tot Sint Jans and Jerome Bosch (dt. EA 1927), Leiden 1969; und Charles de Tolnay: Hieronymus Bosch, Baden-Baden 1965. Für die davon ausgehende Diskussion um das Œuvre vgl. Hieronymus Bosch: The Complete Paintings and Drawings, hrsg. von Jos Koldeweij, Paul Vandenbroeck und Bernard Vermet, Ausstellungskatalog: Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen, Gent 2001; sowie den zugehörigen Band mit Beiträgen Hieronymus Bosch: New Insights into his Life and Work, darin u. a. den Beitrag von Peter Klein: «Dendrochronological Analysis of Works by Hieronymus Bosch and his Followers», S. 121–132. Vgl. auch Fritz Koreny: «Hieronymus Bosch – Überlegungen zu Stil und Chronologie: Prolegomena zu einer Sichtung des Œuvres», in: Jahrbuch des Kunsthistorischen Museums Wien 4/5, 2002/03, S. 46–75. Zu den Unterzeichnungen vgl. P. Filedt Kok: «Underdrawing and Drawing in the Work of Hieronymus Bosch: A Provisional Survey in Connection with the Paintings by Him in Rotterdam», in: Simiolus 6, 1972/73, Nr. 3/4, S. 133–162; Jérôme Bosch et son entourage et autres études: Le dessin sous-jacent et la technologie dans la peinture. Colloque XIV, 13–15 septembre 2001, hrsg. von Hélène Verougstraete-Marcq und Roger Van Schoute, Leuven [u. a.] 2003. Zu den Zeichnungen besonders Fritz Koreny: Altniederländische Zeichnungen, von Jan van Eyck bis Hieronymus Bosch, Ausstellungskatalog: Antwerpen, Rubenshaus, Antwerpen 2002. Zur Bosch-Nachfolge und -Rezeption: Gerd Unverfehrt: Hieronymus Bosch:
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Bildnachweis
Die Rezeption seiner Kunst im frühen 16. Jahrhundert, Berlin 1980, ein bis heute unersetzliches Standardwerk. Interpretationen: Inzwischen besteht in der Forschung ein Konsens darüber, dass Bosch in der Gesellschaft und Kunst seiner Zeit nicht isoliert dastand. Für diese historisch fundierte, realien- und quellenkundlich argumentierende Deutung stehen neben den oben genannten Werken von Marijnissen, Silver und Fischer: Dirk Bax: Hieronymus Bosch: His Picture-Writing Deciphered (niederl. EA 1949), Rotterdam 1979; Walter S. Gibson: Hieronymus Bosch, Frankfurt a. M. 1974; ders. (unter dem Pseudonym Walter Bosing): Hieronymus Bosch, Köln 1987; Eric de Bruyn: De vergeten beeldentaal van Jheronimus Bosch, ’s-Hertogenbosch 2001; Gerd Unverfehrt: Wein statt Wasser: Essen und Trinken bei Jheronimus Bosch, Göttingen 2003. Besonders materialreich sind die Studien von Paul Vandenbroeck: Jheronimus Bosch: Tussen volksleven en stadscultuur, Berchem 1987; und ders., Jheronimus Bosch: De verlossing van de wereld, Gent/Amsterdam 2002.
Bildnachweis akg-images, Berlin: 12; bpk, Berlin: 4 (Lutz Braun/Joseph Martin), 15, 29 (Joseph Martin); Scala Archives, Florenz: 13, 23 (Mitteltafel: Austrian Archives, rechte und linke Tafel: DeAgostini Picture Library). Nach Büchern zitierte Abbildungen: Hieronymus Bosch. Das Gesamtwerk, hrsg. von J. Koldeweij, P. Vandenbroeck und B. Vermet, Stuttgart 2001: 6 (© Frankfurt, Städel/Foto: Ursula Edelmann), 30 (© Venedig, Palazzo Ducale), 32 (© Stad Brugge/Cel Fotografie/Jan Termont en Dirk Van der Borght), 38 (© Saint-Germain en Laye, Musée municipal); R. H. Marijnissen unter Mitwirkung von R. Ruyffelaere, Hieronymus Bosch. Das vollständige Werk, Köln 1999: 1, 3, 21, 22, 27, 28, 33, 36, 37, 39; L. Silver, Hieronymus Bosch, München 2006: 2, 7, 10, 11, 31 (© Joseph Martin, Madrid); 5 (© Brüssel, Musées Royaux des Beaux-arts de Belgique/Speltdoorn); 8, 14 (© Wien, KHM); 9 (© Wien, Akademie der Bildenden Künste); 16, 25, 34 (© Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen); 17 (© Bridgeman-Giraudon, London/Paris); 18, 19 (bpk, Berlin/Jörg P. Anders); 20 (© Wien, Albertina); 24 (© Gent, Museum voor schone Kunsten); 26, 35 (© RMN, Paris).
Personenregister
Aesop 67 Aken, Anthonius van (Neffe Boschs) 11 Aken, Anthonius van (Vater Boschs) 10ff. Aken, Goessen van (Bruder Boschs) 10ff. Aken, Jan van (Großvater Boschs) 11, 19, 29 Aken, Jan van (Neffe Boschs) 11 Aken, Jheronimus van = Hieronymus Bosch Aken, Johannes (Jan) van (Bruder Boschs) 10 Aken, Katharina van (Schwester Boschs) 10 Aken, Thomas van (Urgroßvater Boschs) 11 Alba, Fernando Álvarez de Toledo, Herzog von 100 Alberti, Leon Battista 31, 65f. Antiphilos 81 Antonio de Beatis 100 Aragona, Luigi d’ 100 Aristides 84 Augustinus 50 Backx, Jan 18, 20 Bebel, Heinrich 68 Berthoz, Hippolyte de 86 Boëtius, Anicius Manlius Severinus 68 Boghe, Margaretha 85 Bouts, Dirk 86 Brant, Sebastian 39, 111f. Bruegel, Pieter (der Ältere) 116
Casembroot, Jan 32 Cock, Hieronymus 116 Coustens, Pieter 108 Cuperinus, Albertus 11 Dionysius van Rijckel 15, 62, 82f., 89, 103, 105 Dürer, Albrecht 31, 77, 99 Durandus, William 90 Egmont, Lamoraal van 32 Eleonore von Kastilien 48 Engelbrecht II. von Nassau 99 Erasmus von Rotterdam 15f., 48 Eyck, Jan van 25, 120 Freud, Sigmund 105 Friedländer, Max J. 28, 80, 123 Friedrich von Baden 18 Goes, Hugo van der 86 Gossart, Jan 100 Gossart, Maurice 8 Gramaye, Jean-Baptiste 20f., 32 Gramme, Agnes de 32 Gramme, Peeter de 32 Gregor der Große, Papst 66 Grimani, Domenico 14, 91 Guevara, Diego de 18, 115 Guevara, Felipe de 81, 84, 89, 92, 99, 104, 114f., 118f. Guiccardini, Lodovico 118 Hameel, Alart du 79, 118 Hameker, Willem 19 Heinrich III. von Nassau 18, 92, 99f., 106 Heyns, Jan 20
Personenregister
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Horaz (Quintus Horatius Flaccus) 66, 69, 72 Isabella von Kastilien
14, 46
Jonghelinck, Nicolas
84
Karl V., Kaiser 47 Keverwyck, Elisabeth de Koselleck, Reinhart 9 Lomazzo, Giovanni Paolo Lombart, Willem 20 Luther, Martin 50
86 118
Mander, Karl van 9f., 116, 119 Margarete von Österreich 14, 47 Maximilian I., Kaiser 16 Meervenne, Aleid van de (Ehefrau Boschs) 12f. Meervenne, Godefridus (Schwager Boschs) 12 Melanchthon, Philipp 50 Mendoza, Mencia de 92 Michiel, Marcantonio 91, 114 Minnen, Aleid van der (Mutter Boschs) 11 Molina, Argote de 118 Morales, Ambrosio de 98f., 118
Philipp der Schöne (Philipp I. von Habsburg) 14, 18, 47, 61, 85, 99, 115 Philipp von Burgund 106, 109 Philipp II. von Spanien 9, 32, 41, 81, 84, 100 Plano, Arnão del 92 Plinius der Ältere (C. Plinius Secundus Maior) 80, 84 Raffael 77 Robert von Bayern 18 Rogier van der Weyden 25, 27 Ruysbroeck, Jan van 89 Scheyfve, Peeter 32 Schongauer, Martin 23 Siguenza, José 9f., 83, 100 Sontag, Susan 120 Thomas a Kempis 15, 62 Thomas von Aquin 49, 89 Tolnay, Charles de 8, 123 Unverfehrt, Gerd
8, 123f.
Varnewijck, Marcus van Vasari, Giorgio 118 Vergil 105 Vezelaer, Joris 85
8, 118
Ophovius, Michael 21 Panhedel, Gielis 97 Philipp der Gute (Philipp III. von Burgund) 106
Wesel, Adriaen van 11, 19f., 26 Wilhelm von Oranien 100 Zanetti, Antonio Maria 57
Werkregister
Allegorie der Völlerei und Wollust, unterer Teil eines Flügelfragments (Abb. 36) 110, 111 Anbetung der Könige (Abb. 11) 31, 52, 120 Christuskind mit Laufwägelchen und Windrad (Abb. 8), Außenseite der Kreuztragung (Abb. 14) 42, 43 Das Jüngste Gericht (Abb. 23) 31, 48, 70, 74/75, 86, 97, 102 f. Das Steinschneiden (Kopie) (Abb. 33) 106, 107, 114 Der Baum-Mensch (Abb. 20) 70, 71, 77 Der Gaukler (Kopie) (Abb. 38) 113, 113 f. Der Hausierer (Abb. 31), Außenseiten des Heuwagens (Abb. 29) 92, 97, 98, 110 Der Hausierer (Abb. 34), Außenseite von den Flügeln eines Retabels (Abb. 27, 35, 36) 97, 108, 110 Der hl. Christophorus (Abb. 25) 48, 60, 76 Der hl. Hieronymus im Gebet (Abb. 24) 24, 60, 76 Der hl. Jacobus Major und der hl. Hippolyt (Abb. 9), Außenseiten des Jüngsten Gerichts (Abb. 23) 47, 48, 62, 86 Der Wald, der hört, und das Feld, das sieht (Abb. 18) 67, 67, 72, 77 Die Erschaffung der Welt (Abb. 32), Außenseiten des Gartens der Lüste (Abb. 4) 100 f., 101
Dornenkrönung (Abb. 21) 44 f., 73 Ecce homo (Abb. 6) 24, 29, 36, 39, 42, 45 Eremiten-Triptychon (Abb. 13) 54/55, 60 Fragment eines Weltgerichts (in der Art Boschs) (Abb. 39) 117, 117 Fragmente einer Sintflutdarstellung (Abb. 16), Außenseiten: Vier Tondi mit Darstellungen der Versuchung und Erlösung des Hiob, Innenseiten: Die Erde vor der Sintflut, Die Tiere verlassen die Arche 58, 58 Garten der Lüste (Abb. 4) 24, 34/35, 71, 99, 104, 106 Gefangennahme Christi, Kreuztragung (Abb. 17), Außenseite der Versuchung des hl. Antonius (Abb. 12) 61, 61 f. Heuwagen (Abb. 29) 92, 94/95, 97, 102 ff., 108, 114, 119 Hochzeit zu Kana (Kopie) (Abb. 37) 111, 112, 114 Johannes auf Patmos (Abb. 3) 22, 26, 33, 45 Johannes der Täufer in der Einöde (Abb. 2) 22, 25, 32 Kreuzigung mit Stifter (Abb. 5) 27, 36 Kreuztragung (Escorial) (Abb. 15), um 1495/1500 43, 56 Kreuztragung (Gent) (Abb. 22) 44, 73 Kreuztragung (Wien) (Abb. 14), um 1500/10 42, 44, 56 Messe des hl. Gregor (Abb. 7),
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Werkregister
Außenseiten der Anbetung der Könige (Abb. 11) 31, 40, 41, 62 Narrenschiff (Abb. 35), oberer Teil eines Flügelfragments (Abb. 36) 109, 111 Passion Christi (Abb. 1), Außenseite des Johannes auf Patmos (Abb. 3) 22, 23, 37, 62 Sint Ontcomer (Abb. 10) 31, 51, 57 Tischplatte mit den sieben Todsünden und den vier letzten Dingen (Abb. 28) 81, 93, 114
Tod des Geizhalses, Federzeichnung (Abb. 26) 72, 77, 78 Tod des Geizhalses, Öl auf Holz (Abb. 27) 72, 79, 110 Versuchung des hl. Antonius (Abb. 12) 54/55, 61, 64 Zwei Flügel eines Jüngsten Gerichts (?) (Abb. 30), Außenseiten: Der Höllensturz, Die Hölle, Innenseiten: Das himmlische Paradies, Das irdische Paradies 90, 96 Zwei Ungeheuer (Abb. 19) 70, 70, 77