Heinrich Von Huyssen, 1666-1739: Prinzenerzieher, Diplomat Und Publizist in Den Diensten Zar Peters I., Des Grossen: Prinzenerzieher, Diplomat und ... Zar Peters I., des Großen (Jabloniana) 344707003X, 9783447070034


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Heinrich Von Huyssen, 1666-1739: Prinzenerzieher, Diplomat Und Publizist in Den Diensten Zar Peters I., Des Grossen: Prinzenerzieher, Diplomat und ... Zar Peters I., des Großen (Jabloniana)
 344707003X, 9783447070034

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Svetlana Korzun

Heinrich von Huyssen (1666–1739) Prinzenerzieher, Diplomat und Publizist in den Diensten Zar Peters I., des Großen

Jabloniana 3 Quellen und Forschungen zur europäischen Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit

Jabloniana Quellen und Forschungen zur europäischen Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit Herausgegeben von Joachim Bahlcke und Alexander Schunka Band 3

2013

Harrassowitz Verlag · Wiesbaden

Svetlana Korzun

Heinrich von Huyssen (1666–1739) Prinzenerzieher, Diplomat und Publizist in den Diensten Zar Peters I., des Großen

2013

Harrassowitz Verlag · Wiesbaden

Gefördert vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Umschlagabbildung: Zeitgenössischer Kupferstich. Jablonski-Forschungsstelle an der Universität Stuttgart.

Bibliografi sche Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Bibliographic information published by the Deutsche Nationalbibliothek The Deutsche Nationalbibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data are available in the internet at http://dnb.dnb.de.

Informationen zum Verlagsprogramm finden Sie unter http://www.harrassowitz-verlag.de © Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden 2013 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und straf bar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen jeder Art, Übersetzungen, Mikroverfi lmungen und für die Einspeicherung in elektronische Systeme. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck und Verarbeitung: Memminger MedienCentrum AG Printed in Germany ISSN 1866-8933 ISBN 978-3-447-07003-4 e-ISBN PDF 978-3-447-19283-5

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Vorwort Die vorliegende Abhandlung ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im August 2011 von der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Stuttgart angenommen wurde. Die Möglichkeit, mich intensiv mit den deutsch-russischen Kultur- und Politikbeziehungen in der Epoche der Frühaufklärung auseinanderzusetzen, verdanke ich meinem Doktorvater, Professor Dr. Joachim Bahlcke, Gründer und Leiter der Daniel Ernst JablonskiForschungsstelle am Historischen Institut der Universität Stuttgart. Seine vergleichenden Studien zur Religions- und Kulturgeschichte um 1700 sowie seine Seminare und Kolloquien gaben dieser Darstellung entscheidende Impulse. Ohne seine Anteilnahme und aufmunternde Kritik hätte die vorliegende Untersuchung nicht geschrieben werden können. Ihm gilt daher mein besonderer Dank. Die Jablonski-Forschungsstelle mit ihren reichen Beständen an Quellen und Fachliteratur erlaubte darüber hinaus nicht nur einen ersten Einstieg in die Thematik, sie gab mir auch die Möglichkeit, bestehende Kontakte zu anderen Forschungsinstitutionen und zu Fachkollegen im In- und Ausland zu nutzen. Von großer Bedeutung waren außerdem die Anregungen aus den Reihen der Kollegen am Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit. Professor Dr. Alexander Schunka (jetzt GothaErfurt) sowie Privatdozent Dr. Roland Gehrke gaben für die Präzisierung der Fragestellung und die Konzeptionalisierung der Untersuchung wichtige Anregungen; ihnen danke ich zudem für viele Gespräche und Denkanstöße. Eine Reihe weiterer Personen und Einrichtungen hat am Zustandekommen dieser Studie großen Anteil. Ergiebig war über Jahre hinweg der intensive Kontakt mit Studenten und Doktoranden in Stuttgart, die ebenfalls zu Aspekten der frühneuzeitlichen Kultur und Geschichte Europas arbeiteten. Sie gaben mir in regelmäßigem, kritischem Austausch unserer Forschungsansätze und -ergebnisse wertvolle Rückmeldungen. Vor allem Siglind Ehinger M.A. und Samuel Feinauer M.A. haben große Teile der Arbeit mit mir diskutiert und mich zudem bei der Formulierung schwieriger Sachverhalte unterstützt. Kornelia Krapf M.A. und Dr. Albrecht Ernst sei ebenfalls für vielfältige Unterstützung gedankt, vor allem bei Übersetzungen aus dem Französischen und Hilfestellungen bei der Lektüre alter Handschriften. Rafael Sendek M.A. danke ich herzlich für die geduldige Klärung von Detailfragen und die intensive Beteiligung an der letzten Überarbeitung meiner Schrift vor der Drucklegung. In besonderem Maße bin ich dem Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa in Oldenburg und speziell dessen Direktor, Professor Dr. Matthias Weber, für die finanzielle Unterstützung durch das Immanuel-Kant-Promotionsstipendium und die mehrjährige Betreuung zu Dank verpflichtet. Ohne den dadurch gesicherten Freiraum wäre es nicht möglich gewesen, die Arbeit kontinuierlich fortzusetzen und zu einem guten Ende zu führen. Der Niederschrift der vorliegenden Untersuchung gingen Forschungsaufenthalte in Berlin, Dresden, Essen, Korbach, St. Petersburg und Moskau voraus. All jenen Archivmitarbeitern und -mitarbeiterinnen sowie Bibliothekaren und Bibliothekarinnen, die mir dabei mehr als einmal hilfreich zur Seite standen, sei an dieser Stelle Dank gesagt. Eine wichtige Stütze war mir in den vergangenen Jahren besonders das Personal der Württember-

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Vorwort

gischen Landesbibliothek Stuttgart – dies gilt namentlich für die stets freundlichen und hilfsbereiten Mitarbeiterinnen des Lesesaals Alte Drucke. Ein herzlicher Dank gilt abschließend zwei Personen, die jeweils sehr großen Anteil an der Entstehung und Operationalisierung dieser Arbeit hatten: zunächst Professor Dr. Peter Petschauer, Boone (North Carolina), mit dem ich während der letzten Jahre in regelmäßigem brieflichen Austausch über die Thesen dieser Arbeit stand, dann Dr. Michael Schippan, Wolfenbüttel, der sich nicht nur bei persönlichen Treffen in Berlin viel Zeit nahm, meine Forschungsansätze und -ergebnisse mit mir zu diskutieren, sondern der sich auch später mit großer Anteilnahme und Hilfsbereitschaft des Manuskripts annahm, zahlreiche Hinweise auf weitere Quellen und Literatur gab und die gesamte Argumentationsstruktur des Textes überprüfte und kritisch kommentierte. Dieses Buch über Heinrich von Huyssen widme ich meinen Eltern, Gennadij Dmitrievič und Nadežda Michajlovna Čalych. Ohne Ihre selbstlose Unterstützung und die Finanzierung meines Geschichtsstudiums in Russland wäre die Promotion in Deutschland nicht möglich gewesen. Frankfurt am Main, im Januar 2013

Svetlana Korzun

VII

Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1. Russland zur Zeit Peters I. und Heinrich von Huyssen . . . . . 1.2. Schwerpunkte der Untersuchung, Fragestellung und Methodik 1.3. Literatur- und Quellenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Heinrich von Huyssens familiäre Herkunft, Werdegang und frühe Prägungen . . . 2.1. Zugehörigkeit zu einem alten Adelsgeschlecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Das Leben Heinrich von Huyssens bis zum Eintritt in russische Dienste . . .

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3. Erste Aufträge in Russland . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1. Hofmeister des Thronfolgers Aleksej . . . . . . . . 3.2. Huyssens Ausbildungsplan für den Zarewitsch . . . 3.3. Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Lehrplans .

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4. Die publizistischen Auseinandersetzungen zwischen Huyssen und Martin Neugebauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1. Beginn der Differenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2. Fortführung der publizistischen Kontroverse . . . . . . . . . 4.3. Kurtze Gegen-Antwort Auf Des Czaarischen Pasquillanten N. Huyssens Lügen-Schrifft . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5. Einflussnahme auf Zeitschriften und Rezeption der wissenschaftlichen Studien 5.1. Historisch-politische Zeitschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1. Historische Remarques Der Neuesten Sachen In Europa . . . . . 5.1.2. Die Europäische Fama . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.3. Neu-eröffneter Welt- und Staats-Spiegel . . . . . . . . . . . . . 5.1.4. Curieuses Bücher-Cabinet Oder Nachricht Von Historischen/ Staats- und galanten Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2. Gelehrte und literarisch-kritische Zeitschriften . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1. Acta Eruditorum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2. Nova Litteraria […]in supplementum Actorum Eruditorum divulgata observationibusque varii argumenti distincta . . . . . 5.2.3. Nova Literaria Germaniae, Collecta Hamburgi . . . . . . . . . 5.2.4. Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen . . . . . . . . . . . . . . 5.2.5. Teutscher Pavillon der Musen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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6. Lobschriften auf das petrinische Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1. Das Russlandbild in Europa vor Peter I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2. Der Staat von Moscau (1704) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

6.3.

Christian Stieffs Relation von dem gegenwärtigen zustande des Moscowitischen Reichs (1706) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4. Johann Heinrich von Lohensteins Russlandbuch (1710) . . . . . . 6.5. Die italienische Relazione geografica storicopolitica dell’ imperio di Moscovia (1713) und ihre deutsche Version (1717) . . . . . . . 6.6. Justus Gottfried Rabeners Leben Petri des Ersten (1725) . . . . . 6.7. Eine französische Lobeshymne auf Peter I. von Ivan Nestesuranoj (1725/26) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.8. Martin Hassens Russlandbuch (1739) . . . . . . . . . . . . . . . 6.9. Reales Staats- und Zeitungs-Lexicon . . . . . . . . . . . . . . . . 6.10. Neu-eröffneter Historischer Bilder-Saal . . . . . . . . . . . . . . 6.11. Beiträge des italienischen Rechtsgelehrten Gianvincenzo Gravina zum Ruhm Peters I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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7. „Öffentliches Wohl“ und „menschliche Glückseligkeit“: Huyssen und Gottfried Wilhelm Leibniz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 7.1. Leibniz’ Blick auf Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 7.2. Wegbereiter des Dialogs: Huyssen als Vermittler zwischen Leibniz und Peter I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 8. Multilaterale Beziehungen in Wissenschaft, Buchhandel und Verlagswesen 8.1. Die Berlin-Brandenburgische Sozietät der Wissenschaften und ihre Beziehungen zu Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2. Die Förderung internationaler Wechselbeziehungen . . . . . . . . . 8.3. Nachwuchswerbung für die Berliner Sozietät der Wissenschaften . . 8.4. Christian Maximilian Speners Kontakte nach Russland . . . . . . . 8.5. Kontakte zum Verleger Thomas Fritsch und zum Buchdrucker Johann Köhler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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9. Als Repräsentant Peters I. in Wien (1705–1708) . . . . . 9.1. Berichterstattung aus Wien . . . . . . . . . . . . . 9.1.1. Der Große Nordische Krieg . . . . . . . . . 9.1.2. Die polnische Königsfrage . . . . . . . . . 9.1.3. Die Schlacht bei Fraustadt . . . . . . . . . . 9.2. Aufgaben als Anwerber, Diplomat und Jurist . . . . 9.2.1. Die Anwerbung von Fachleuten für Russland 9.2.2. Weitere Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . 9.2.3. Rückkehr nach Russland . . . . . . . . . .

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10. Historiographische Beiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1. Unabhängige schriftstellerische und herausgeberische Tätigkeit . 10.2. Das Journal des Herrschers Peter I. und die Zusammenstellung einer altrussischen Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3. Trauerrede zum Begräbnis Peters I. und Lebensbeschreibung des Fürsten Menšikov . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4. Die Warägerfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

11. Annäherung zwischen der orthodoxen Kirche Russlands und Protestanten und Katholiken im westlichen Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1. Die Halleschen Pietisten in Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2. Die Frage einer Kirchenunion zwischen der römisch-katholischen und der russisch-orthodoxen Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3. Eine neue Strategie gegen die Bestrebungen der katholischen Kirche

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12. Militärstrafgesetzgebung und Verwaltungsverordnungen in Russland . . . . . 12.1. Abfassung eines „Kriegs-Reglements“ (1706) . . . . . . . . . . . . . . 12.2. Weiterführende Aufträge vom Zaren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3. Das Fiskalprojekt von 1713 zur Verbesserung der Exekutive in Russland

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13. Huyssens Situation nach dem Tod Peters I. (1725) und seine Abreise aus Russland (1739) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 14. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 Zusammenfassung in russischer Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . I. Archivalische Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Literatur und Periodika bis 1800 . . . . . . . . . . . 1. Von Huyssen verfasste und herausgegebene Werke 2. Andere Darstellungen und Werke . . . . . . . . . IV. Literatur und Periodika nach 1800 . . . . . . . . . .

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Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265

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1. Einleitung 1.1. Russland zur Zeit Peters I. und Heinrich von Huyssen Seit der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert entwickelten sich zahlreiche Verbindungen zwischen Deutschland und Russland, die innerhalb weniger Jahrzehnte rasch an Intensität gewannen. Neue Denkweisen und Weltsichten schufen vor allem in den protestantischen Territorien Deutschlands Voraussetzungen für die ökonomischen, sozialen und politischen Wandlungen der Zeit um 1700.1 Universitäten und Akademien gewannen an Bedeutung und wurden zentrale Institutionen der Frühaufklärung. Die Zahl der herausgegebenen Bücher und Zeitschriften stieg enorm. Gelehrte schufen neue, zunehmend auch das östliche Europa umspannende Netzwerke und Kommunikationswege durch Briefwechsel und Reisen.2 In Russland trieb Zar Peter I. die Öffnung seines Landes für ausländische Einflüsse zielstrebig und mit großer Tatkraft voran.3 Er führte umfangreiche Reformen in verschiedenen Bereichen durch, um sein Land zu einem anerkannten Mitglied des europäischen Staatensystems werden zu lassen. Außenpolitisch trachtete er nach der Kontrolle der westlichen Ostseezugänge – sein Sieg im Großen Nordischen Krieg (1700–1721) gegen Schweden sollte ihn diesem Ziel näherbringen. Sowohl für seine innenpolitischen Reformen als auch für den Krieg benötigte er dringend Offiziere, Verwaltungsbeamte und andere Spezialisten. Mit seinem Manifest zur Anwerbung ausländischer Fachkräfte vom 16. April 1702 schuf er dafür eine Grundlage.4 Darüber hinaus war Peter I. bemüht, das im Ausland herrschende negative Russlandbild in ein freundlicheres Licht zu rücken. Dies zeigt sich nicht zuletzt an seinen Versuchen, die Presse und Literatur in seinem Sinn zu beeinflussen. Seine entsprechenden Bemühungen stießen besonders im deutschen Sprachraum auf breite Resonanz.5 1 Bödeker, Hans Erich (Hg.): Strukturen der deutschen Frühaufklärung 1680–1720. Göttingen 2008 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 168). 2 Vierhaus, Rudolf: Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft in Europa um 1700. In: Bahlcke, Joachim/Dybaś, Bogusław/Rudolph, Hartmut (Hg.): Brückenschläge. Daniel Ernst Jablonski im Europa der Frühaufklärung. Dößel 2010, 18–31. 3 Zu Peter I. und seiner Regierung vgl. exemplarisch Donnert, Erich: Peter (I.) der Grosse 1682/89–1725. In: Torke, Hans-Joachim (Hg.): Die russischen Zaren 1547–1917. München ³2005 [¹1995], 155–178; Hughes, Lindsey (Hg.): Peter the Great and the West. New Perspectives. Basingstoke u. a. 2001; Zernack, Klaus: Zum Epochencharakter der Peterzeit. In: Hellmann, Manfred/Zernack, Klaus/Schramm, Gottfried (Hg.): Handbuch der Geschichte Russlands, Bd. 1–6. Stuttgart 1981–2004, hier Bd. 2/1, 214f.; Donnert, Erich: Peter der Große. Leipzig 1988; ders.: Rußland im Zeitalter der Aufklärung. Leipzig 1983; Wittram, Reinhard: Peter I. Czar und Kaiser. Zur Geschichte Peters des Großen in seiner Zeit, Bd. 1–2. Göttingen 1964. 4 Manifest. – O vyzove inostrancov v Rossiju, s obeščaniem im svobody veroispovedanija, 16. April 1702. In: [Speranskij, Michail Michajlovič u. a.] (Hg.): Polnoe sobranie zakonov Rossijskoj imperii, Serie 1, Bd. 1–45. Sanktpeterburg 1830, hier Bd. 4, Nr. 1910, 192–195. 5 Blome, Astrid: Die „Civilisirung“ Rußlands durch Peter I. In: Böning, Holger (Hg.): Von der „Civilisirung“ Rußlands und dem „Aufblühen“ Nordamerikas im 18. Jahrhundert. Leitmotive der Aufklärung am Beispiel deutscher Rußland- und Amerikabilder. Bremen 2002 (Presse und Geschichte – Neue Beiträge 2),

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Einleitung

Peter I. förderte die religiöse Toleranz in Russland, indem er denjenigen, die willens waren, in russische Dienste zu treten, die freie Religionsausübung versprach. So gestattete er zum Beispiel auch Eheschließungen zwischen schwedischen Kriegsgefangenen und Russinnen ohne einen Glaubenswechsel.6 Diese Religionspolitik brachte ihm machtpolitische Vorteile, zum Beispiel durch die Eheschließung seiner Tochter Anna mit Herzog Karl Friedrich von Holstein-Gottorf im Jahr 1725. Im Großen Nordischen Krieg eroberte er Livland, Estland, Ingermanland und einen Teil Kareliens, wodurch der protestantische Bevölkerungsanteil im Zarenreich bedeutend anstieg.7 Durch die Anstellung ausländischer Fachleute importierte Peter I. Wissen und Erfahrungen des Westens. Gleichzeitig schränkte er die Macht der russisch-orthodoxen Kirche ein, von der teilweise Oppositionen gegen seine neue Politik ausgingen. Der Zar wollte die Kirche auf ihre seelsorgerliche Rolle beschränken und ihre finanziellen Ressourcen vor allem für die Belange der Armee nutzen. Dazu schaffte er das Amt des Patriarchen ab und stellte die Kirche unter Staatsverwaltung: Nach dem Tod ihres Oberhaupts Adrian im Jahr 1700 wurde der Patriarchenstuhl von Moskau nicht mehr besetzt, zum Verweser des Patriarchenamtes wurde der Metropolit von Rjasan und Murom, Stefan Javorskij, ernannt.8 Dies schien zunächst paradox, weil Javorskij versuchte, die ständige staatliche Kontrolle über die russisch-orthodoxe Kirche und eine weitere Einflussnahme des Protestantismus zu verhindern. Ersteres gelang ihm allerdings nicht: An die Stelle des Patriarchats trat das neu eingerichtete Geistliche Kollegium und am 14. Februar 1721 der Heilige Synod, dessen Präsident Javorskij wurde.9 Neben der stark konservativen Geistlichkeit gab es in Russland mehrere Geistliche, die dem Protestantismus aufgeschlossener gegenüber standen. Ein solcher Geistlicher war Feofan Prokopovič, ein Vertrauensmann Peters I. und Gegenspieler Javorskijs. Er war Rektor der 1632 gegründeten Kiewer Mohyla-Akademie10 und wurde nach seiner Berufung nach Russland 1716 Archimandrit des Spasskij-Klosters in St. Petersburg, 1718 Bischof von Pleskau und Narwa, 1721 zweiter Vizepräsident des Heiligen Synods und 1725 Erzbischof von Nowgorod. Der gebildete Geistliche war einer von Peters I. Beratern für Kirchen- und Kulturpolitik sowie für politische Publizistik.11 Die Urteile über sein Wirken gehen allerdings weit

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15–71, hier 19–21. Zum Russlandbild in der deutschen Presse vgl. dies.: Das deutsche Rußlandbild im frühen 18. Jahrhundert. Untersuchungen zur zeitgenössischen Presseberichterstattung über Rußland unter Peter I. Wiesbaden 2000 (Forschungen zur osteuropäischen Geschichte 57). O dozvolenii nachodjaščimsja v Sibirskoj Gubernii Švedskim plennikam vstupat’ v braki s pravoslavnymi, bez peremeny ispoveduemoj imi very, 23. Juni 1721. In: [Speranskij u. a.] (Hg.): Polnoe sobranie zakonov, Bd. 6, Nr. 3798, 401f.; Poslanie Svjatejšago Sinoda k pravoslavnym. – O bezprepjatstvennom im vstuplenii v brak s inovercami, 18. August 1721. Ebd., Nr. 3814, 413–419. Traktat, zaključennyj na kongresse v Ništate upolnomočennymi Ministrami: s Rossijskoj GeneralomFel’dcejgmejsterom Grafom Brjusom i Kanceljarii sovetnikom Ostermanom, a s Švedskoj storony Lilienštetom i Baronom Štremfel’tom – o večnom mire meždu oboimi Gosudarstvami, 30. August 1721. Ebd., Nr. 3819, 420–431, hier 423–425. Zu Javorskij vgl. Zachara, Igor’ Stepanovič: Bor’ba idej v filosofskoj mysli na Ukraine na rubeže XVII–XVIII vv. (Stefan Javorskij). Kiev 1982. Zum Synod vgl. Raskin, D[avid] I[osifovič] u. a. (Hg.): Vysšie i central’nye gosudarstvennye učreždenija Rossii 1801–1917, Bd. 1–4. Sankt-Peterburg 1998–2004, hier Bd. 1, 134–147. Zur Kiewer Akademie vgl. Ničik, Valerija Michajlivna: Kievo-Mogiljans’ka akademija i nimec’ka kul’tura. Kiiv 2001; Chižnjak, Zoja Ivanovna: Kievo-Mogiljanskaja akademija. Kiev 1988. Zu Prokopovič vgl. Smirnov, Viktor [Grigor’evič]: Feofan Prokopovič. Moskva 1994; Ničik, Valerija Michajlovna: Feofan Prokopovič. Moskva 1977; Winter, Ė[duard]: Feofan Prokopovič i načalo russkogo prosveščenija. In: Lichačev, D[mitrij] S[ergeevič]/Makogonenko, G[eorgij] P[antelejmonovič]/Serman,

Russland zur Zeit Peters I. und Heinrich von Huyssen

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auseinander. Die einen halten ihn für den Wegbereiter der russischen Aufklärung,12 andere sehen ihn als einen willigen Gehilfen Peters I., dem man die Absicht unterstellt, Russland für die Durchsetzung des Protestantismus zu öffnen.13 Prokopovič war ohne Zweifel eine wichtige Stütze des Zaren, indem er dessen Reformen in seinen Reden und Schriften – in der Form gesetzlicher Verordnungen14 – von kirchlicher Seite her befürwortete. Die miteinander rivalisierenden Geistlichen Javorskij und Prokopovič waren beide Zöglinge der Kiewer Mohyla-Akademie, deren Lehrinhalte von den Prinzipien der lateinischen Scholastik geprägt waren. Dass diese Männer verschiedene Wege gingen, zeugt von der damaligen Krise der Scholastik, die auf frühaufklärerisches Denken stieß, das auch in Russland immer mehr Verbreitung fand. Javorskij und Prokopovič fanden in ihrem Konflikt Unterstützung von verschiedenen Seiten. Während Katholiken aus dem Ausland Javorskij beistanden, stellten sich protestantische Autoren aus dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation auf die Seite von Prokopovič, darunter so prominente Persönlichkeiten wie Daniel Ernst Jablonski, Georg Bernhard Bilfinger und Johann Lorenz von Mosheim. Einer der Unterstützer des gelehrten Geistlichen Feofan Prokopovič war Heinrich von Huyssen, Mitglied einer altehrwürdigen protestantischen Adelsfamilie aus Essen.15 Vor seinem Eintritt in russische Dienste 1702 hatte Huyssen bereits vielfältige Kenntnisse und Erfahrungen aufgrund mehrerer Reisen durch Europa und Studien an verschiedenen Orten gesammelt. In Straßburg war er zum Doktor beider Rechte promoviert worden.16 Seine Qualifikationen verwendete Huyssen in zaristischen Diensten als Kulturvermittler zwischen Ost und West und als Akteur auf diplomatischer Bühne. Durch sein Wirken auf zahlreichen Gebieten trug er wesentlich zur Durchsetzung des politischen Willens des Zaren und zur Öffnung Russlands nach Westen bei. Peter I. brach mit der Tradition, die Erziehung der Kinder – auch der Zarenkinder – der Geistlichkeit zu überlassen, wie es im vorpetrinischen Russland üblich gewesen war,17 und ordnete die Ausbildung seiner Nachkommenschaft seiner nach Westen orientierten Politik unter. So wurde Huyssen Hofmeister des Zarewitsch Aleksej Petrovič.

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I[l’ja] Z[acharovič] (Hg.): Rol’ i značenie literatury XVIII veka v istorii russkoj kultury. Moskva/ Leningrad 1966 (XVIII vek 7), 43–46; Tetzner, J[oachim]: Theophan Prokopovič und die russische Frühaufklärung. In: Zeitschrift für Slawistik 3 (1958) 351–368; Stupperich, Robert: Feofan Prokopovičs theologische Bestrebungen. In: Kyrios 1 (1936) 350–362; Titlinov, B[oris] [Vasil’evič]: Feofan (Prokopovič). In: Russkij biografičeskij slovar’ 25 (1913) 399–448. Tetzner: Prokopovič und die russische Frühaufklärung, 351, 357, 366; Winter, Eduard: Halle als Ausgangspunkt der deutschen Russlandkunde im 18. Jahrhundert. Berlin 1953 (Veröffentlichungen des Instituts für Slawistik 2), 113. Živov, Viktor [Markovič]: Iz cerkovnoj istorii vremen Petra Velikogo: Issledovanija i materialy. Moskva 2004, 67; Florovskij, Georgij [Vasil’evič]: Puti russkago bogoslovija. Pariž 1937, 89f., 92, 94. Reglament ili Ustav Duchovnoj Kollegii, 25. Januar 1721. In: [Speranskij u. a.] (Hg.): Polnoe sobranie zakonov, Bd. 6, Nr. 3718, 314–346. Zur Geschichte der Familie Huyssen vgl. Waldthausen, Albert von: Beiträge zur Geschichte der Familie Huyssen. Düsseldorf 1906. Huyßen, Henricus: Disputatio inauguralis juridica de Justitio vom Stillstand des Gerichts. Argentorati 1689. Robel, Gert: Kärrner der Aufklärung. Hauslehrer in Rußland des 18. Jahrhunderts. In: Lehmann-Carli, Gabriela u. a. (Hg.): Russische Aufklärungsrezeption im Kontext offizieller Bildungskonzepte (1700– 1825). Berlin 2001, 325–343, hier 326.

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Huyssens Aufgabenbereich änderte sich 1705, als Peter I. ihn als Gesandten zunächst nach Berlin und dann nach Wien schickte. Obwohl es Anfang des 18. Jahrhunderts noch keine professionelle diplomatische Ausbildung gab, prädestinierte ihn sein Lebenslauf für eine entsprechende Karriere. Er war viel in Europa gereist, kannte führende Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Politik und beherrschte mehrere Sprachen, neben dem Deutschen das Französische, Italienische und Lateinische. All dies machte Huyssen aus Sicht des Zarenhofes zu einem idealen Gesandten.18 Die Niederschriften seiner Verhandlungen und seine Korrespondenz zeigen dies deutlich. Seine wichtigsten Briefpartner waren der Zar selbst, Prinz Eugen von Savoyen,19 Franz II. Rákóczi, der Anführer des ungarischen Aufstands gegen die Habsburger,20 der ukrainische Hetman Ivan Stepanovič Mazepa,21 Peter Robert Taparelli Graf von Lagnasco, der Vertrauensmann Kurfürst Friedrich Augusts I. von Sachsen,22 und die russischen Staatsmänner Aleksandr Danilovič Menšikov,23 Petr Pavlovič Šafirov, Boris Ivanovič Kurakin, Andrej Artamonovič Matveev und Gavriil Ivanovič Golovkin. Huyssen hatte aber noch verschiedene andere Aufgaben. So wurde er wiederholt angewiesen, antirussische Schriften, die in der Kriegszeit in Europa kursierten, zu widerlegen und gleichzeitig prorussische Propaganda zu betreiben. Besonders umfangreich war Huyssens Auseinandersetzung mit Martin Neugebauer,24 seinem Vorgänger als Erzieher Aleksejs. Ferner versorgte Huyssen ausländische, vor allem deutsche Zeitschriften mit für Russland vorteilhaften Nachrichten und veranlasste europäische Gelehrte, für das Zarenreich Partei zu ergreifen.25 Er hoffte so, die zähen Stereotypen, die die Vorstellungen über Russland in Europa Jahrhunderte lang negativ geprägt hatten, aufbrechen zu können. Trotz der Beanspruchung durch die Dienste des Zaren verlor Huyssen eigene wissenschaftliche Interessen nicht aus den Augen. Kennzeichnend hierfür war seine Verbindung zu dem Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz, der in Russland ein Feld für eigene weiterführende Pläne fand.26 Die Verbindung zwischen Huyssen und dem Universalgelehrten, der im Dienst 18 Externbrink, Sven: Internationale Beziehungen und Kulturtransfer in der Frühen Neuzeit. In: Fuchs, Thomas/Trakulhun, Sven (Hg.): Das eine Europa und die Vielfalt der Kulturen: Kulturtransfer in Europa 1500–1850. Berlin 2003 (Aufklärung und Europa 12), 227–248, hier 241. 19 Egghardt, Hanne: Prinz Eugen. Der Philosoph in Kriegsrüstung. Facetten einer außergewöhnlichen Persönlichkeit. Wien u. a. 2007; Arneth, Alfred von: Prinz Eugen von Savoyen, Bd. 1–3. Wien 1858; Braubach, Max: Prinz Eugen von Savoyen. Eine Biographie, Bd. 1–5. München 1963–1965. 20 Slottman, William B.: Ferenc II Rákóczi and the great powers. New York 1997 (East European monographs 456). 21 Tairova-Jakovleva, Tat’jana Gennad’evna: Mazepa. Moskva 2007 (Žizn’ zamečatel’nych ljudej 1041 [=1241]). 22 Flathe, [Heinrich Theodor]: Lagnasco, Peter Robert Taparelli Graf von. In: Allgemeine Deutsche Biographie 17 (1883) 521; Sahrer von Sahr, Carl: Heinrich des H. R. R. Graf von Bünau aus dem Hause Seußlitz, Bd. 1–3. Dresden 1869, hier Bd. 1, 115, 164–166. 23 Kaljazina, Ninel’ Vasil’evna/Kaljazin, Evgenij Andreevič: Aleksandr Menšikov – stroitel’ Rossii, Bd. 1–2. Sankt-Peterburg 2005–2006; Bespjatych, Jurij N[ikolaevič]: Aleksandr Danilovič Menšikov: Mify i real’nost’. Sanktpeterburg 2005. 24 Doerries, Heinrich: Dunkle Existenzen und dunkle Machenschaften im Schatten Peters des Grossen. In: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 4 (1939) 111–135, hier 111–119; Š-v, A.: Nejgebauer (Neubauer). In: Russkij biografičeskij slovar’ 11 (1914) 192–194. 25 Haven, Peter von: Nachrichten von dem Baron von Huyssen. In: Magazin für die neue Historie und Geographie 10 (1776) 317–326, hier 318. 26 Keller, Mechthild: Wegbereiter der Aufklärung: Gottfried Wilhelm Leibniz’ Wirken für Peter den Großen und sein Reich. In: dies. (Hg.): Russen und Rußland aus deutscher Sicht, Bd. 1. München

Russland zur Zeit Peters I. und Heinrich von Huyssen

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des Kurfürstentums Hannovers und des Herzogtums Braunschweig-Wolfenbüttel stand, war für beide Seiten vorteilhaft. Leibniz sah gerade in Russland – auf die Förderung durch dessen reformfreudigen Herrscher und Huyssen hoffend – die Möglichkeit, eigene Vorstellungen durchzusetzen. Huyssen seinerseits profitierte von den Ratschlägen des von ihm bewunderten Philosophen.27 Leibniz war bemüht, dem Zaren bei dessen Verwaltungsreformen und bei der Gesetzgebung hilfreich zur Seite zu stehen. Vor allem Huyssen erwies sich dabei durch seine große Erfahrung mit der europäischen Verwaltungspraxis als kompetenter Ansprechpartner. Der überzeugte Protestant Huyssen unterstützte die Bestrebungen seiner deutschen Glaubensbrüder in ihrer Auseinandersetzung mit Vertretern der orthodoxen Kirchenführung. In der Debatte zwischen Javorskij und Prokopovič stellte er sich auf die Seite von Prokopovič. Personen aus kirchlichen Kreisen suchten Kontakt zu ihm, um sich mit seiner Hilfe den Weg nach Russland zur Missionierung des Landes zu bahnen, unter anderem der führende Vertreter des lutherischen Pietismus und Begründer der Glauchaischen Anstalten zu Halle, August Hermann Francke, von 1692 bis 1699 Professor für Griechisch und Orientalische Sprachen und seit 1698 bis zu seinem Tod 1727 Professor für Theologie an der Universität Halle.28 Eine weitere bedeutende Persönlichkeit jener Zeit, mit der Huyssen in regem Austausch stand, war Daniel Ernst Jablonski, reformierter Hofprediger zunächst in Königsberg und von 1693 bis zu seinem Tod 1741 in Berlin, Mitbegründer und seit 1733 Präsident der BerlinBrandenburgischen Sozietät der Wissenschaften.29 Huyssens Verbindungen reichten allerdings weit über den Kreis seiner Glaubensbrüder und Landsleute hinaus. Zu seinen Korre1985 (West-östliche Spiegelungen A/1), 391–413; Winter, Eduard/Grau, Conrad: Gottfried Wilhelm Leibniz: 1646–1716. In: Winter, Eduard/Jarosch, Günther (Hg.): Wegbereiter der deutsch-slawischen Wechselseitigkeit. Berlin 1983 (Quellen und Studien zur Geschichte Osteuropas 26), 25–37; Faak, Margot: Leibniz und Rußland. In: Spektrum. Mitteilungsblatt für die Mitarbeiter der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 12/10 (1966) 350–353; Winter, Eduard: Leibniz und Rußland. In: Wissenschaft und Fortschritt 11 (1966) 513–517; Groh, Dieter: Russland und das Selbstverständnis Europas. Ein Beitrag zur europäischen Geistesgeschichte. Neuwied 1961 (Politica 3), 32–43; Tschutschmarjov, V[ladimir] I[vanovič]: G. W. Leibniz und die russische Kultur zu Beginn des 18. Jahrhunderts. In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 8 (1960) 94–107; Benz, Ernst: Leibniz und Peter der Grosse. Der Beitrag Leibnizens zur russischen Kultur-, Religions- und Wirtschaftspolitik seiner Zeit. Berlin 1947; Richter, Liselotte: Leibniz und sein Russlandbild. Berlin 1946; Bittner, Konrad: Slavica bei G. W. von Leibniz. In: Germanoslavika 1 (1931–1932) 3–32, 161–234, 509–557; Guerrier, Woldemar [Vladimir Ivanovič]: Leibniz in seinen Beziehungen zu Russland und Peter dem Grossen. Eine geschichtliche Darstellung dieses Verhältnisses nebst den darauf bezüglichen Briefen und Denkschriften. St. Petersburg/Leipzig 1873 [ND 1975]; Pekarskij, Petr P[etrovič]: Nauka i literatura v Rossii pri Petre Velikom, Bd. 1–2. Sanktpeterburg 1862 [ND 1972], hier Bd. 1, 25–33; Posselt, Moritz C[onrad]: Peter der Grosse und Leibnitz. Dorpat/Moscau 1843. 27 Heinrich von Huyssen an Gottfried Wilhelm Leibniz, Berlin 30. Juni 1705. In: Guerrier: Leibniz, Anhang 55f. 28 Obst, Helmut: August Hermann Francke und die Franckeschen Stiftungen in Halle. Göttingen 2002; Keller, Mechthild: Von Halle nach Petersburg und Moskau. In: dies. (Hg.): Russen und Rußland aus deutscher Sicht. 18. Jahrhundert: Aufklärung. München 1987 (West-östliche Spiegelungen A/2), 173–183. 29 Bahlcke, Joachim: Daniel Ernst Jablonski (1660–1741). Glaubenssolidarität, Kirchenunion und Frühaufklärung. In: Beutel, Albrecht (Hg.): Protestantismus in Preußen. Lebensbilder aus seiner Geschichte, Bd. 1. Frankfurt am Main 2009, 133–162; Bahlcke, Joachim/Korthaase, Werner (Hg.): Daniel Ernst Jablonski. Religion, Wissenschaft und Politik um 1700. Wiesbaden 2008 (Jabloniana. Quellen und Forschungen zur europäischen Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit 1); Bahlcke/Dybaś/Rudolph (Hg.): Brückenschläge.

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spondenzpartnern zählten auch katholische Gelehrte, etwa der italienische Jurist Gianvincenzo Gravina.30 Die Kreise, in denen er sich bewegte, waren eng mit den Anliegen der Frühaufklärung verbunden.

1.2. Schwerpunkte der Untersuchung, Fragestellung und Methodik Im Mittelpunkt der vorliegenden Darstellung steht das Wirken Heinrich von Huyssens im Dienst Peters I. während der Jahre 1702 bis 1725. Huyssens mannigfaltige Tätigkeitsbereiche bilden die Schwerpunkte der Untersuchung: das Anknüpfen wissenschaftlicher Beziehungen zwischen Deutschland und Russland, seine publizistische Tätigkeit für den Zarenhof, sein diplomatisches Wirken in Wien als Vertreter Peters I. und seine Beschäftigung mit den Versuchen von Protestanten und Katholiken, auf die russisch-orthodoxe Kirche Einfluss zu nehmen. Daneben wird näher auf Huyssens Biographie eingegangen: seine familiäre Herkunft, seine Studien vor dem Eintritt in russische Dienste und seine letzten Jahre im Zarenreich. Ein weiterführender Aspekt der Untersuchung ist die Schilderung der multilateralen personellen und kulturellen Verflechtungen im Zeitalter der Frühaufklärung. In diesem Zusammenhang wird der Frage nachgegangen, weshalb im Heiligen Römischen Reich Verbindungen nach Russland gesucht wurden, warum bereits vorhandene ausgebaut werden sollten und welche Ergebnisse daraus resultierten. Ferner soll beleuchtet werden, welche Faktoren in Russland dazu geführt haben, dass Personen wie Huyssen dort Anstellung fanden. Schließlich soll ein Blick auf den privaten Menschen Heinrich von Huyssen geworfen werden, seine Ziele und seine persönliche Motivation für seine Tätigkeit im östlichen Europa. Ein methodischer Anstoß für die vorliegende Studie sind die Forschungen zum Kulturtransfer, die seit Mitte der 1980er Jahre vor allem in Frankreich und Deutschland intensiv betrieben wurden. Michel Espagne und Michael Werner entwickelten die Idee des Kulturtransfers im Zusammenhang mit der Analyse der deutsch-französischen Beziehungen in Literatur, Kunst und Philosophie im 18. und 19. Jahrhundert.31 Der Kulturtransfer verbindet als dynamischer Prozess drei Komponenten miteinander: 1. die Ausgangskultur, 2. die Vermittlungsinstanz bzw. die Vermittlungsfiguren und 3. die Zielkultur.32 Konkret geht es dabei um die Importe aus einem anderen Kulturraum, die sich in den Aufnahmeländern verändern können. Mittlerweile ist das Konzept des Kulturtransfers mehrfach modifiziert und ergänzt worden. Einige deutsche Wissenschaftler wiesen darüber hinaus auf seine Unzulänglichkeiten hin.33 30 Carpanetto, Dino/Ricuperati, Giuseppe: Italy in the Age of Reason 1685–1789. London/New York 1987 (Longman History of Italy 5); Schulte, Joh[ann] Friedrich von: Die Geschichte der Quellen und Literatur des Canonischen Rechts von Gratian bis auf die Gegenwart, Bd. 1–3. Stuttgart 1875–1880, hier Bd. 3/1, 501. 31 Espagne, Michel/Werner, Michael: Deutsch-französischer Kulturtransfer im 18. und 19. Jahrhundert. Zu einem neuen interdisziplinären Forschungsprogramm des C.N.R.S. In: Francia 13 (1985) 502–510. 32 Mitterbauer, Helga: Kulturtransfer – ein vielschichtiges Beziehungsgeflecht. In: Newsletter Moderne. Zeitschrift des Spezialforschungsbereichs Moderne – Wien und Zentraleuropa um 1900 2/1 (1999) 23–25; Siebers, Winfried: Technologietransfer durch Reisen politischer Funktionsträger im 18. Jahrhundert: Überlegungen zu einer interdisziplinären Forschungsaufgabe. In: Fuchs/Trakulhun (Hg.): Das eine Europa und die Vielfalt der Kulturen, 83–106, hier 87. 33 Middell, Matthias: Kulturtransfer und Archiv. In: Espagne, Michel/Middell, Katharina/Middell, Matthias (Hg.): Archiv und Gedächtnis: Studien zur interkulturellen Überlieferung. Leipzig 2000

Schwerpunkte der Untersuchung, Fragestellung und Methodik

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Nach Johannes Paulmann beispielsweise ging Espagne mit „einer heftigen Kritik an der vergleichenden Methode“ und mit der Forderung, den Kulturvergleich durch den Kulturtransfer zu ersetzen, zu weit.34 So plädiert man seit etwa einem Jahrzehnt für eine Kombination von Transfer und Vergleich.35 Die Darstellung befasst sich vor allem mit der zweiten Komponente des Kulturtransfers: mit Huyssen als interkulturellem Vermittler. In den Mittelpunkt der vorliegenden Betrachtung wird somit ein Individuum gestellt, an dessen Beispiel sich die verschiedenen Austauschprozesse und kulturüberschreitenden Entwicklungen der Zeit exemplarisch aufzeigen lassen. Dabei wird der Kulturtransfer aus beiden Richtungen betrachtet, denn der Prozess der Vermittlung war mitnichten einseitig – er wirkte von Deutschland nach Russland, aber auch ebenso umgekehrt. Die vorliegende Untersuchung, die das Wirken und die Leistungen Huyssens in die Bedingungen und die Anforderungen seiner Zeit einzuordnen versucht, schließt sich zugleich an aktuelle Untersuchungen an, die den historischen Weg Russlands auf neue Art zu beleuchten suchen.36 Nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Systems überprüfte auch in Deutschland die Geschichtsschreibung die bislang leitenden Ideen bei der Betrachtung der russischen Geschichte.37 Frühere, von Ideologie und Zensur beeinflusste Zugänge werden zunehmend überwunden. Darunter fallen die Einschränkungen bei der Bezugnahme auf vorrevolutionäre Literatur und abweichende Ansichten im zaristischen Russland und in der Sowjetunion,38 die einseitige Kulturträger-Theorie der älteren deutschen Forschung39 sowie das überdeutliche Hervorheben der positiven Entwicklungen und das Ausblenden negativer Momente (Expansionismus, Feindbilder) in den deutsch-russischen Wissenschafts- und Kulturbeziehungen in den Historiographien der Deutschen Demokratischen Republik und der Sowjetunion. Vor allem die sowjetische Geschichtsschreibung betrachtete die deutsch-russischen Beziehungen im 17. und 18. Jahrhundert naturgemäß vorwiegend als „freundschaftlich“. Beispielhaft hierfür ist die Entwicklung des Konzepts der „deutsch-slawischen Wechselseitigkeit“ durch Eduard Winter, den Begründer einer Schule marxistischer Historiker in der Deutschen Demokra-

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(Deutsch-Französische Kulturbibliothek 13), 7–35; Paulmann, Johannes: Interkultureller Transfer zwischen Deutschland und Großbritannien: Einführung in ein Forschungskonzept. In: Muhs, Rudolf/ Paulmann, Johannes/Steinmetz, Willibald (Hg.): Aneignung und Abwehr. Interkultureller Transfer zwischen Deutschland und Großbritannien im 19. Jahrhundert. Bodenheim 1998 (Veröffentlichung des Arbeitskreises Deutsche England-Forschung 32), 21–43. Paulmann: Interkultureller Transfer zwischen Deutschland und Großbritannien, 30. Kaelble, Hartmut: Die interdisziplinären Debatten über Vergleich und Transfer. In: ders./Schriewer, Jürgen (Hg.): Vergleich und Transfer: Komparatistik in den Sozial- und Kulturwissenschaften. Frankfurt a. M./New York 2003, 469–493, hier 476. Vgl. exemplarisch Goehrke, Carsten: Russland. Eine Strukturgeschichte. Paderborn u. a. 2010, 203; Geyer, Dietrich: Osteuropäische Geschichte und das Ende der kommunistischen Zeit. Heidelberg 1996 (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse 1996/1), 60. Schmidt, Christoph: Alte Dogmen und neue Fragen: Russland im 18. Jahrhundert. In: Das achtzehnte Jahrhundert: Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des Achtzehnten Jahrhunderts 31/1 (2007) 65–78, hier 65; Geyer: Osteuropäische Geschichte und das Ende der kommunistischen Zeit, 38. Widmung an Kaiser Aleksandr Nikolaevič. In: Ustrjalov, N[ikolaj] [Gerasimovič]: Istorija carstvovanija Petra Velikago, Bd. 1–6. Sanktpeterburg 1858–1863, hier Bd. 1, unpag. Brückner, Alexander: Die Europäisierung Russlands: Land und Volk. Gotha 1888, 319, 324f.

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tischen Republik, und den sowjetischen Literaturwissenschaftler Pavel Naumovič Berkov.40 Winter wies allerdings schon sehr früh auf dieselben Mechanismen der Wechselbeziehungen hin, die später von Espagne und Werner in das Kulturtransferkonzept aufgenommen wurden.41 Auch die Beschreibung der Tätigkeit einer einzelnen historischen Persönlichkeit, die auf mehreren Gebieten der Beziehungsgeschichte wirkte, trägt dazu bei, der Erfassung der Komplexität der deutsch-russischen Begegnungen näher zu kommen.42

1.3. Literatur- und Quellenlage Der Untersuchung liegen verschiedene ungedruckte und gedruckte Quellen zugrunde. Großer Wert wurde auf die vollständige Einbeziehung der bereits veröffentlichten und unveröffentlichten privaten und dienstlichen Schriften sowie der Korrespondenz Huyssens gelegt. Die Briefwechsel sind in deutscher, russischer, französischer und lateinischer Sprache verfasst. Als weitere Quellen wurden die von Institutionen und Behörden ausgehenden Dokumente, zum Beispiel Gesetzestexte der russischen Regierung und Protokolle der Berlin-Brandenburgischen Sozietät der Wissenschaften, herangezogen. Die Werke Prokopovičs und Javorskijs sowie ihrer Gegner und Gesinnungsgenossen im Ausland waren für die Beschreibung der langjährigen Auseinandersetzungen der kirchlichen Eliten wesentlich. Eine weitere relevante Quellengruppe stellen Zeitschriften dar. Hier galt es, eine repräsentative Auswahl unter denjenigen Organen zu treffen, die die Russland-Thematik in größerem Umfang aufgriffen und Huyssens Tätigkeiten widerspiegelten. So entstand eine aus der Kombination verschiedener Quellen erarbeitete Gesamtdarstellung, die Huyssens Leben und Wirken in breitere politik-, geistes- und kulturgeschichtliche Entwicklungen einordnet. Für die Beschreibung von Huyssens familiärer Abstammung wurden unter anderem die bisher weitgehend unbekannten Quellen aus dem Stadtarchiv Korbach benutzt. Das Archiv bewahrt reichhaltige gedruckte und ungedruckte Quellen zu einzelnen Angehörigen der Familie Huyssen auf, die jedoch keinen Gesamtüberblick bieten. Deshalb wurden in erster Linie die 1906 in Düsseldorf veröffentlichten Beiträge zur Geschichte der Familie Huyssen des Essener Stadthistorikers und Familienforschers Albert von Waldthausen herangezogen.43 Der Autor, der selbst mit der Familie Huyssen durch Heirat verwandt war,44 wurde 1903 vom Essener Pfarrer Max Huyssen mit der Ahnenforschung beauftragt.45 Die von ihm dar40 Schippan, Michael: Vergleichende Forschungen in der DDR zur osteuropäischen Geschichte der frühen Neuzeit. In: Berliner Jahrbuch für osteuropäische Geschichte 1 (1996) 391–411, hier 403, 405. 41 Winter, Eduard: Deutsch-slawische Wechselseitigkeit, besonders in der Geschichte der Wissenschaft. Deutsch-russische Wissenschaftsbeziehungen im 18. Jahrhundert. Berlin 1981 (Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften der DDR. Gesellschaftswissenschaften 4), 27f. 42 Schippan, Michael: Zu einigen Problemen einer „Geschichte der deutsch-russischen Beziehungen im 18. Jahrhundert“. In: Thomas, Ludmila/Wulff, Dietmar (Hg.): Deutsch-russische Beziehungen. Ihre welthistorischen Dimensionen vom 18. Jahrhundert bis 1917. Berlin 1992, 49–67, hier 57. 43 Waldthausen: Beiträge zur Geschichte der Familie Huyssen. Zu Albert von Waldthausen vgl. Wisotzky, Klaus: 125 Jahre Historischer Verein für Stadt und Stift Essen. Essen 2005 (Essener Beiträge 117), 20f.; Waldthausen, Albert von: Beiträge zur Geschichte der Familie Waldthausen. Essen 1884, 82f. 44 Waldthausen: Beiträge zur Geschichte der Familie Waldthausen, 83; ders.: Beiträge zur Geschichte der Familie Sölling. Essen 1896, 77f. 45 Ders.: Beiträge zur Geschichte der Familie Huyssen, 3–8 (Vorwort), hier 3.

Literatur- und Quellenlage

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gestellte Genealogie der Familie umfasst 207 Personen und endet mit der 1866 geborenen Hedwig Huyssen. Für die Abfassung seines Werkes benutzte Waldthausen unter anderem das Oberbadische Geschlechterbuch,46 das Wappenbuch des Westfälischen Adels,47 das Chronicon Alsatiae48 und die von den Ministern Kaiser Josephs I. überprüfte und vom Heraldiker Christian Maximilian Spener beglaubigte „Deduktion“ vom Jahr 1705. Diese hielt Waldthausen für die zuverlässigste Quelle und gab sie daher in vollem Wortlaut in seinem Werk wieder.49 Die „Deduktion“ wurde erstellt, um die Ansprüche der Brüder Heinrich und Arnold Huyssen auf die Ritterwürde zu bestätigen, und schildert in einer kurzgefassten Darstellung die Vergangenheit der Familie. Zusätzlich zog Waldthausen für seine Arbeit Kirchenbücher heran, die er aber als vergleichsweise unzuverlässig und lückenhaft beurteilte.50 Trotz des Studiums umfangreicher Materialien konnte Waldthausen offensichtlich nicht alle Angaben auf ihre Richtigkeit hin überprüfen. So übernahm er beispielsweise Heinrich von Huyssens Lebensbeschreibung trotz mancher darin enthaltener Ungereimtheiten vollständig in einen eigenen Beitrag.51 Für die Darstellung von Huyssens Kindheit, Jugend und Lebensweg bis zum Eintritt in russische Dienste war das Fragment seiner handschriftlichen Autobiographie behilflich.52 Eine Abschrift bewahrt Peter Petschauer, der 38 Jahre lang als Professor für Geschichte an der Appalachian State University im US-Bundesstaat North Carolina fungierte und selbst über Huyssen gearbeitet hat,53 in seinem privaten Archiv auf; er stellte sie der Verfasserin freundlicherweise zur Verfügung. Leider bricht die Selbstbiographie unvermittelt ab, so dass wir aus ihr keine vollständige Auskunft über Huyssens Wirken in Russland erhalten. Wichtige Anhaltspunkte zu dieser Phase seines Lebens lieferte der dänische Reisende Peter von Haven in seinen Nachrichten von Huyssen. Haven hatte Huyssen in Russland kennengelernt und besaß anscheinend weitere eigenhändige Aufzeichnungen von ihm.54 Für die Auswertung von Huyssens Wirken als Hofmeister des Großfürsten Aleksej Petrovič dienten zum einen seine eigenen gedruckten Schriften über den Ablauf des Unter-

46 Kindler von Knobloch, J[ulius]: Oberbadisches Geschlechterbuch, Bd. 1–3. Heidelberg 1898–[1919]. 47 Spießen, Max von (Hg.): Wappenbuch des Westfälischen Adels, Bd. 1–2. Görlitz 1901–1903. 48 Hertzog, Bernhart: Chronicon Alsatiae. Edelsasser Cronick unnd außfürliche beschreibung des untern Elsasses am Rheinstrom/ auch desselben fürnemer Stätt/ als Straßburg/ Schletstatt/ Hagenaw/ Weissenburg/ und anderer der enden gelegener Stätt/ Schlösser/ Clöster/ Stifft/ Märckt/ Flecken und Dörffer. Als auch der Landgraffschafft/ un[d] Bisthumbs Straßburg gehabter Landgraffen/ Bischoffen/ sampt ermeldten Lands Fürstenthumben/ Graff und Herrschafften/ Adenlicher und Burgerlicher Geschlechter/ jhrer Genealogien/ Stämmen/ geburts Linien/ Wappen vnd Cleinodien, Buch 1–10. Straßburg 1592. 49 „Deduktion“, Berlin 2. September 1705. In: Waldthausen: Beiträge zur Geschichte der Familie Huyssen, 14–21. 50 Ebd., 6f. 51 Ebd., 61–74, hier 63f.; K.: Merkwürdige Westfälinger. Der Russische Geheime Staats- und Kriegsrath Heinrich von Huyssen. In: Der Westfälische Anzeiger oder Vaterländisches Archiv zur Beförderung und Verbreitung des Guten und Nützlichen 10 (1803) 468–479, hier 470f. 52 Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana III, H[einrich] v[on] Huyssen’s Selbstbiographie, 11–47. 53 Petschauer, Peter: In Search of Competent Aides: Heinrich van Huyssen and Peter the Great. In: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas. N. F. 26 (1978) 481–502. 54 Haven: Nachrichten von Huyssen.

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richts,55 zum anderen archivalisches Material.56 Die bisher unbekannten Briefe Aleksejs an seine künftigen Schwiegereltern, Herzog Ludwig Rudolph von Braunschweig und Lüneburg und Herzogin Christine Luise, geborene von Oettingen, konnten im Niedersächsischen Landesarchiv – Staatsarchiv Wolfenbüttel aufgefunden werden. Durch sie konnte eine Forschungslücke geschlossen werden im Hinblick auf Huyssens Aktivität als Hofmeister, auf die in der Literatur bisher nicht speziell eingegangen wurde, obwohl sie teilweise durchaus bekannt war.57 Allgemein hat die bisherige Forschung dem Berufsstand der Hofmeister eher wenig Aufmerksamkeit gewidmet.58 Während dem Bildungssystem im Allgemeinen große Beachtung zuteil wurde, sind die in Russland tätigen Hauslehrer nicht hinreichend erforscht worden,59 obwohl sie einen wichtigen Anteil an der Bildung der russischen Eliten hatten. Gert Robel bezeichnete sie zu Recht als „Kärrner“ und „Multiplikatoren der Aufklärung“.60 Für die Zeit von 1705 bis 1708, als Huyssen im Auftrag des Zaren als Diplomat in Wien wirkte, gibt es unterschiedliche ungedruckte und gedruckte Quellen. Die Dokumentensammlung Pis’ma i bumagi Imperatora Petra Velikago, die Briefe und Papiere des Kaisers Peter des Großen, ist hier besonders zu nennen.61 Die ungedruckten Quellen hierfür wurden dem privaten Archiv Peter Petschauers und dem Sächsischen Staatsarchiv – Hauptstaatsarchiv Dresden entnommen. Die Auswertung dieser Dokumente ließ Huyssens Tätigkeit als Diplomat in einem völlig neuen Licht erscheinen, denn bisher hatten deutsche und russische Forscher seine Tätigkeit in Überblicksdarstellungen,62 in Werken zur allgemeinen Geschichte Russlands,63

55 [Huyssen, Heinrich von]: Instruction des Informatoris beym Czaarischen Printzen, Schlüsselburg, 3. April 1703. In: L[ohenstein], J[ohann] H[einrich] v[on]: Des Grossen Herrens/ Czaars und Groß-Fürstens von Moscau/ Petri Alexiewiz, Des gantzen grossen/ kleinen und weissen Reußlandes Selbsthalters/ etc. etc. etc. Leben und Thaten aus besonderen Nachrichten beschrieben/ Mit schönen Kupfern gezieret, Tl. 1–2. Franckfurt/Leipzig 1710, hier Tl. 1, 56–73; ders.: Memorial des Baron Huyßen, an den Fürsten Menschikow gerichtet, 1704. In: St. Petersburgisches Journal 5 (1778) 417–428; [Anonym]: Uvedomlenie ego presvetlosti gosudarja careviča o učenii, naukach i kakoj ešče dalee budet, 21. April [1705]. In: Marčenko, M. K.: Kak i čemu učilsja carevič Aleksej Petrovič. In: Russkaja starina 105 (1901) 517–520. 56 Preobraženskij, A[leksandr] A[leksandrovič]/Novickaja, T[at’jana] E[vgen’evna] (Hg.): Zakonodatel’stvo Petra I. Moskva 1997. 57 Pavlenko, Nikolaj Ivanovič: Petr Velikij. Moskva 1990, 382; Donnert: Peter der Große, 187; ders.: Rußland im Zeitalter der Aufklärung, 57; Petschauer: Heinrich van Huyssen and Peter the Great, 487f.; Wittram: Peter I. Czar und Kaiser, Bd. 1, 347f.; Glümer, Hans von: Heinrich Huyssen. Ein Essener Stadtkind als Gelehrter und Diplomat im Dienste Peters des Großen. In: Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 33 (1911) 135–151, hier 143f.; Brückner, Alexander: Der Zarewitsch Alexei (1690– 1718). Heidelberg 1880, 28–30; Ustrjalov: Istorija carstvovanija Petra, Bd. 6, 14–19. 58 Fertig, Ludwig: Die Hofmeister. Ein Beitrag zur Geschichte des Lehrerstandes und der bürgerlichen Intelligenz. Stuttgart 1979, 4. 59 Robel: Kärrner der Aufklärung, 326; Kovrigina, Vera Aleksandrovna: Die deutschen Lehrer in Moskau in der zweiten Hälfte des 17. und im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts. Lüneburg 2000 (Hamburger Beiträge zur Geschichte der Deutschen im europäischen Osten 7), 46. 60 Robel: Kärrner der Aufklärung, 342. 61 Byčkov, I[van] A[fanas’evič] u. a. (Hg.): Pis’ma i bumagi Imperatora Petra Velikago, Bd. 1–13. Moskva/ S.-Peterburg 1887–2003, hier Bd. 2, Bd. 3, Bd. 5, Bd. 13/2. Vgl. hierzu auch Ustrjalov: Istorija carstvovanija Petra, Bd. 4/1–2; Haven: Nachrichten von Huyssen. 62 Petschauer: Heinrich van Huyssen and Peter the Great. 63 Solov’ev, Sergej Michajlovič: Istorija Rossii s drevnejšich vremen, Bd. 1–29. Moskva 1851–1879, hier Bd. 15, 181–183.

Literatur- und Quellenlage

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Peters I.64 und der internationalen Beziehungen um 1700 nur gestreift.65 Abgesehen von Peter Petschauer, der Huyssens diplomatisches Wirken als Misserfolg bewertete,66 ging die Forschung nicht näher auf den spezifischen Anteil Huyssens an der Gestaltung der russischen Außenpolitik ein. Hinweise auf Huyssens publizistisch-propagandistische Tätigkeit im Interesse Russlands finden sich in der Literatur allenfalls zu der Auseinandersetzung mit Martin Neugebauer, seinem Vorgänger als Hofmeister des Zarewitsch Aleksej, der aus dem russischen Dienst im Unfrieden ausgeschieden und auf die Seite des Kriegsgegners Schweden gewechselt war. Der Streit der beiden Männer ist in der Geschichtsschreibung bisher jedoch nur sporadisch behandelt worden,67 vor allem durch den russischen vorrevolutionären Literaturwissenschaftler Petr Petrovič Pekarskij68 und den deutsch-baltischen Bibliothekar an der Königlichen Bibliothek zu Berlin, Friedrich Dukmeyer.69 In der Historiographie wird Neugebauer überwiegend negativ bewertet: Heinrich Doerries verhöhnte ihn als „Karrieremacher“ und „Emporkömmling“, während er Huyssen als Person würdigte, die eine „geistige [...] Überlegenheit über seinen Gegner“ gehabt haben soll.70 Erik Amburger schrieb, die Ernennung Neugebauers, dieses „ehrgeizige[n] Magister[s]“, zum Prinzenerzieher sei eine unglückliche Wahl gewesen.71 Ingeborg Fleischhauer urteilte, dass Neugebauers „Kampfschrift“ eine Art Rache am

64 Pavlenko: Petr Velikij, 223; Ustrjalov: Istorija carstvovanija Petra, Bd. 4/2, 432f.; Bergmann, Benjamin: Peter der Große als Mensch und Regent, Bd. 1–6. Königsberg/Riga 1823–1830, hier Bd. 2, 265. 65 Winter, Eduard: Rom und Moskau. Ein halbes Jahrtausend Weltgeschichte in ökumenischer Sicht. Wien 1972, 68; Tarle, Evgenij Viktorovič: Severnaja vojna i švedskoe našestvie na Rossiju. Moskva 1958 [ND 2002], 122; Doerries, Heinrich: Rußlands Eindringen in Europa in der Epoche Peters des Großen. Studien zur zeitgenössischen Publizistik und Staatenkunde. Berlin 1939 (Osteuropäische Forschungen. N. F. 26), 6f., 116, 120f., 147, 158f., 174–176; Bantyš-Kamenskij, Nikolaj Nikolaevič: Obzor vnešnich snošenij Rossii (po 1800 god), Bd. 1–4. Moskva 1894–1902, hier Bd. 1, 42f., Bd. 2, 256. 66 Petschauer: Heinrich van Huyssen and Peter the Great. 67 Blome: Die „Civilisirung“ Rußlands durch Peter I., 33; dies.: Das deutsche Rußlandbild im frühen 18. Jahrhundert, 241f.; Lübke, Christian: Von Peters „Vedomosti“ zu Karamzins Journalen (Aus Zeitungen und Zeitschriften). In: Herrmann, Dagmar (Hg.): Deutsche und Deutschland aus russischer Sicht. 18. Jahrhundert: Aufklärung. München 1992 (West-östliche Spiegelungen B/2), 228–268, hier 261; Fleischhauer, Ingeborg: Die Deutschen im Zarenreich. Zwei Jahrhunderte deutsch-russische Kulturgemeinschaft. Stuttgart ²1991 [¹1986], 50f.; Matthes, Eckhard: Das veränderte Rußland. Studien zum deutschen Rußlandverständnis im 18. Jahrhundert zwischen 1725 und 1762. Frankfurt a. M. u. a. 1981 (Europäische Hochschulschriften 3/135), 395–398; Amburger, Erik: Die Anwerbung ausländischer Fachkräfte für die Wirtschaft Rußlands vom 15. bis ins 19. Jahrhundert. Wiesbaden 1968 (Osteuropastudien der Hochschulen des Landes Hessen I/42), 76f.; ders.: Beiträge zur Geschichte der deutsch-russischen kulturellen Beziehungen. Gießen 1961 (Osteuropastudien der Hochschulen des Landes Hessen I/14), 160; Groh: Russland und das Selbstverständnis Europas, 44; Doerries: Rußlands Eindringen in Europa, 45, 55f., 59f., 109; Posselt, Moritz [Conrad]: Der General und Admiral Franz Lefort. Sein Leben und seine Zeit. Ein Beitrag zur Geschichte Peter’s des Grossen, Bd. 1–2. Frankfurt a. M. 1866, hier Bd. 1, 566–570. 68 Pekarskij: Nauka i literatura, Bd. 1, 64–90. 69 Dukmeyer, Friedrich: Korbs Diarium itineris in Moscoviam und Quellen, die es ergänzen. Beiträge zur moskowitisch-russischen, österreichisch-kaiserlichen und brandenburgisch-preussischen Geschichte aus der Zeit Peters des Grossen, Bd. 1–2. Berlin 1909–1910 (Historische Studien 70, 80), hier Bd. 2, 1–13, 22f., 26–31, 33f., 39f., 91f., 96f. 70 Doerries: Dunkle Existenzen und dunkle Machenschaften im Schatten Peters des Grossen, 112f., 118; ders.: Rußlands Eindringen in Europa, 56. 71 Amburger: Beiträge zur Geschichte der deutsch-russischen kulturellen Beziehungen, 160.

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Einleitung

russischen Herrscherhaus für seine Kündigung dargestellt habe.72 Die Auseinandersetzungen zwischen den beiden Männern werden als „Pamphletkrieg“73 und „publizistische[r] Propagandakrieg“ bezeichnet,74 die Ausfälle Neugebauers als „vollkommen unsinnig“ charakterisiert.75 Dessen Beschuldigungen gegenüber Peter I. seien verfehlt und ungerechtfertigt gewesen.76 Allein die Nennung von Huyssens Name habe der Wahrhaftigkeit seiner Äußerungen viel Gewicht gegeben.77 All dies wurde allerdings eher beiläufig geäußert, da die genannten Studien nicht speziell Huyssen betrafen. So konnten die Opponenten nicht anhand einer Gesamtbetrachtung der Quellen – der gedruckt und handschriftlich vorliegenden Schriften Neugebauers und der Antwort-Schreiben Huyssens78 – beurteilt werden. Bei der Untersuchung von Huyssens publizistisch-propagandistischem Wirken wurde in der vorliegenden Studie vor allem auf gedruckte Quellen zurückgegriffen. Ein Überblick seiner zahlreichen Veröffentlichungen fehlte bislang. Für die Auswahl lieferten die Hinweise Havens in seinen Nachrichten von Huyssen79 erste Anhaltspunkte. Die zu analysierenden Zeitschriften wurden in folgende Gruppen unterteilt: historisch-politische,80 allgemeinwis72 73 74 75 76 77 78

Fleischhauer: Die Deutschen im Zarenreich, 50. Groh: Russland und das Selbstverständnis Europas, 44. Blome: Die „Civilisirung“ Rußlands durch Peter I., 33. Dukmeyer: Korbs Diarium itineris in Moscoviam, Bd. 2, 23. Fleischhauer: Die Deutschen im Zarenreich, 51. Posselt: Der General und Admiral Franz Lefort, Bd. 1, 568f. Vgl. in chronologischer Reihenfolge [Neugebauer, Martin]: Schreiben/ Eines vornehmen Deutschen Officirers An Einen geheimen Rath eines hohen Potentaten/ Wegen der üblen Handthierung der frembden Officirer/ so die Moscowitter in ihre Dienste locken. O. O. 1704; Sächsische Landesbibliothek – Staatsund Universitätsbibliothek Dresden, Hist. Russ. 14, misc. 1: Petersen, Simon [Pseud. v. Heinrich von Huyssen]: Hoch- und Viel-geneigter Leser. Handschrift. Altona 1705; Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Hist. Russ. 14, misc. 2: Petersen, Simon [Pseud. v. Martin Neugebauer]: Der Ehrliche Simon Petersen Wider Den Schelmischen. Handschrift. Altona 1705; [Neugebauer, Martin]: Vertrautes Schreiben Eines Vornehmen Teutschen Officirs An eines gewissen Hohen Potentatens Geheimen Rath/ Von den Jetzigen Conjuncturen in Moscau, Sonderlich dem sehr harten Verfahren Sr. Czaaris. Maj. An denen frembden Teutschen Ministern und Officirern. O. O. 1705; [Huyssen, Heinrich von]: Ausführliche Beantwortung Des freventlichen und lügenhafften Pasquils, welches unter dem Titul: Vertrautes Schreiben eines vornehmen Deutschen Officiers an eines gewissen hohen Potentatens Geheimen Rath von den jetzigen Conjuncturen in Moscow, etc. vor einiger Zeit ans Licht gekommen; Darinnen Von dem Tractament so wohl der Fremden insgemein, als insonderheit der gefangenen Schweden in Moscow, wie auch von dem Moscowitischen Hof- und Kriegs-Staat warhaffte Nachricht gegeben, und alles mit curiösen Anmerckungen aus der Historie, Politique und Re litteraria erläutert wird. Narva 1705 [ND 1706]; [Neugebauer, Martin]: Kurtze Gegen-Antwort Auf Des Czaarischen Pasquillanten N. Huyssens Lügen-Schrifft/ So er in Wien/ Wider Das warhaffte Schreiben Von Dem übeln Tractament der Frembden in Moscau/ abgefasset. O. O. u. J. 79 Haven: Nachrichten von Huyssen, 319, 324. 80 Historische Remarques Der Neuesten Sachen In Europa Des M.D.C.IC. Jahres[.] Wie solche nicht allein mit allen Fleiß zusammen getragen/ sondern auch aus der Geographie, Genealogie, Historie, &c. erläutert/ und dabey jederzeit/ die so wohl in Franckreich/ Engelland/ Italien/ Holland als Deutschland/ in Druck gekommene Bücher angeführet worden 1 (1699); Die Europäische Fama, Welche den gegenwärtigen Zustand der vornehmsten Höfe entdecket 1 (1702); Neu-eröffneter Welt- und Staats-Spiegel/ Worinnen die in Europa/ wie auch denen andern Theilen der Welt/ vornehmlich aber in Teutschland vorfallende merckwürdigen Begebenheiten kürtzlich vorgestellet/ auch alles mit behörigen Documenten an Memorialien, Briefen, Relationen, und dergleichen erläutert, einige Anmerckungen beygefüget/ und verschiedenes aus der Geographie, Genealogie, Politica, und Historie erörtert wird 1 (1709); Curieuses Bücher-Cabinet Oder Nachricht Von Historischen/ Staats- und galanten Sachen 1 (1711).

Literatur- und Quellenlage

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senschaftliche81 und literarisch-kritische Periodika.82 Sowohl Monographien83 als auch allgemeine Nachschlage- und Geschichtswerke84 wurden ausgewertet. Auch manch ungedruckte Quelle, beispielsweise Gravinas Briefe an Huyssen aus dem Archiv der Russischen Akademie der Wissenschaften, trugen zur Klärung von Detailproblemen bei. Dabei wurden in erster Linie Schreiben herangezogen, die Huyssens Hauptmotive – die propetrinische Propaganda – beleuchten. Huyssen hinterließ auch als Förderer der Wissenschaften und Gelehrter seine Spuren. Da diese Betätigung aber nicht zu seinen Hauptaufgaben gehörte, wurde in der bisherigen Forschung darauf nur am Rande eingegangen.85 Der Russlandhistoriker Conrad Grau, der sich 81 Acta Eruditorum 1 (1682); Nova Literaria Germaniae, Collecta Hamburgi 1 (1703); Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen [...] Oder Gesammlete Nachrichten von allem, Was [...] in der gelehrten Welt Ruhmund Merckwürdiges vorgefallen 1 (1715); Nova Litteraria [...] in supplementum Actorum Eruditorum divulgata observationibusque varii argumenti distincta 1 (1718). 82 Teutscher Pavillon der Musen, Oder Versammlung der Gelehrten, Welche in Recensirung und Beurtheilung der allerneuesten Schrifften zum Aufnehmen der Gelehrsamkeit einen Beliebigen Beytrag thun 1 (1725). 83 [Anonym]: Der Staat von Moscau. [Nürnberg] [1704]; [Stieff, Christian]: Relation von dem gegenwärtigen zustande des Moscowitischen Reichs. Franckfurt 1706; L[ohenstein]: Petri Leben und Thaten, Tl. 1–2; Wartis, Giovan Christoforo: Relazione geografica storicopolitica dell’ Imperio di Moscovia Con le vite, & azioni più memorabili de’passati Regnanti Sino al tempo di Sua Maestà Pietro Alexiovitz Gran Duca, E Zar oggi dominante, Bd. 1–2. Milano 1713. Vgl. auch die deutsche Übersetzung von Christian Gottfried Hoffmann: Der ietzige Staat von Rußland Oder Moscau unter ietziger Czarischen Majestät [...]/ Worinnen Nicht allein eine accurate Nachricht von denen Rußischen Regenten, sondern auch eine kurtze Erzehlung derer vornehmsten Thaten Ihro itzo regierenden Czarischen Majestät, nebst einem Abriß von gegenwärtiger geist- und weltlicher Verfassung dieses Reichs in Kirchen-Civil-Policey- und Militair-Sachen enthalten ist. Leipzig 1717 (Der ietzige Staat von Rußland Oder Moscau unter ietziger Czarischen Majestät 2); Rabener, Justus Gottfried: Leben Petri des Ersten und Grossen, Czaars von Russland. Leipzig 1725; Nestesuranoi, Iwan [Pseud. v. Jean Rousset de Missy]: Memoires du regne de Pierre le Grand, Empereur de Russie, Père de la Patrie &c. &c. &c., Bd. 1–4. La Haye/Amsterd[am] 1725–1726; Hassen, Martin: Die Wahre Staats-Klugheit, In gewissen Staats-Grund-Sätzen, Nach einer vorangesetzten Eintheilung und Ordnung vollständig vorgetragen, und insonderheit mit dem ruhmwürdigsten Exempel Des Rußischen Kaysers, Peter des Grossen, Unter Anführung seiner weisesten Kriegs- und Friedens-Verfassungen, vortrefflichsten Thaten und denckwürdigsten Reden, Aus den im Druck vorhandenen Lebens-Beschreibungen und Geschichten durchgehends bestätiget. Leipzig 1739. 84 Neu-eröffnete Historische Bilder-Saal [...] Das ist: Kurtze/ deutliche und unpassionirte [oder unpartheyische] Beschreibung Der Historiae Universalis 1 (1692); Reales Staats- und Zeitungs-Lexicon Worinnen sowohl Die Religionen und Orden, die Reiche und Staaten, Meere, Seen, Flüsse, Städte, Vestungen, Schlösser, Häfen, Berge, Vorgebürge, Pässe, Wälder und Unterschiede der Meilen [...] denen Gelehrten und Ungelehrten zu sonderbarem Nutzen klar und deutlich beschrieben werden. Leipzig 1704. 85 Cracraft, James (Hg.): For God and Peter the Great. The Works of Thomas Consett, 1723–1729. New York 1982 (East European monographs 96), 9–37 (Introduction), hier 13–17, 20–23, 26, 28, 33, 35; Kopelevič, Judif’ Chaimovna: Vozniknovenie naučnych akademij (seredina XVII – seredina XVIII v.). Leningrad 1974, 158f., 178; Grau, Conrad: Petrinische kulturpolitische Bestrebungen und ihr Einfluss auf die Gestaltung der deutsch-russischen wissenschaftlichen Beziehungen im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts. Berlin 1966 (Manuskript), 333–336, 345–349, 351–354, 360, 362–366, 369–371, 382; Grasgof [Graßhoff], H[elmut]: Iz istorii svjazej Berlinskogo obščestva nauk s Rossiej v 20-ch godach XVIII v. In: Lichačev/Makogonenko/Serman (Hg.): Rol’ i značenie literatury XVIII veka v istorii russkoj kultury, 59–65; ders.: Antioch Dmitrievič Kantemir und Westeuropa. Ein russischer Schriftsteller des 18. Jahrhunderts und seine Beziehungen zur westeuropäischen Literatur und Kunst. Berlin 1966 (Veröffentlichungen des Instituts für Slawistik 35), 6f., 23; Berkov, P[avel] N[aumovič]: Tomas Konsett,

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Einleitung

intensiv mit den petrinischen kulturpolitischen Bestrebungen beschäftigte, wies darauf hin, dass Huyssen einer der wichtigsten Vermittler deutsch-russischer Beziehungen war.86 Grau berücksichtigte allerdings nur einzelne Quellen, die ihm zugänglich waren – seine Studien waren nicht speziell Huyssen gewidmet – und erhob keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Daher war es erforderlich, weitere Aspekte zu Huyssen in seiner Eigenschaft als Wissenschaftsvermittler zu suchen. Hilfreich dazu war die Analyse des Kontakts zwischen Leibniz und Peter I.87 Es erschien bisher lediglich eine umfassende Arbeit, in der das Verhältnis zwischen Huyssen und Leibniz anhand der im Anhang abgedruckten Briefe beschrieben wurde, und zwar die des russischen vorrevolutionären Historikers Vladimir Ivanovič Guerrier.88 Dieser ließ jedoch die Frage offen, ob Huyssen den Kontakt zwischen Leibniz und dem Zaren hergestellt hatte. Guerrier unterschätzte zudem, ebenso wie spätere Historiker, Huyssens generelle Bedeutung als Kontaktperson.89 In der vorliegenden Darstellung wurden zur Klärung dieser Fragen bisher ungedruckte Dokumente aus der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek in Hannover herangezogen. Andere Institutionen, die unveröffentlichtes Material für Huyssens Wirken auf dem Gebiet der Wissenschaften zur Verfügung stellten, waren das Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, das Niedersächsische Landesarchiv – Staatsarchiv Wolfenbüttel und die St. Petersburger Filiale des Archivs der Russischen Akademie der Wissenschaften. An gedruckten Quellen wurde ferner auf die offiziellen Dokumente der Berlin-Brandenburgischen Sozietät der Wissenschaften und zeitgenössische Korrespondenzen und Schriften zurückgegriffen.90 Für die Untersuchung von Huyssens Bedeutung als Russland-Historiograph war sein größtes Geschichtswerk, das 1715 fertig gestellte und 1787/88 im Auftrag von Katharina II. gedruckte Žurnal Gosudarja Petra I. (Journal des Herrschers Peter I.), von zentraler Bedeutung.91 Dieses Werk wurde in der Forschung bisher nur als Teil der allgemeinen Zeitge-

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kapellan anglijskoj faktorii v Rossii (K istorii russko-anglijskich literaturnych svjazej v 1720-e gody). In: Reizov, B[oris] G[eorgievič] (Hg.): Problemy meždunarodnych literaturnych svjazej. Leningrad 1962, 3–26, hier 6, 18f. Grau: Petrinische kulturpolitische Bestrebungen, 327f. Hirsch, Eike Christian: Der berühmte Herr Leibniz. Eine Biographie. München 2000, 533; Petschauer: Heinrich van Huyssen and Peter the Great, 484, 496; Faak: Leibniz und Rußland, 352; Winter: Leibniz und Rußland, 515; Benz: Leibniz und Peter der Grosse, 10, 85; Doerries: Rußlands Eindringen in Europa, 75; Bittner: Slavica bei G. W. von Leibniz, 217–219, 226, 519f., 536. Guerrier: Leibniz, 42–53, 114, 119–121, 126, 141, 173. Hirsch: Der berühmte Herr Leibniz, 539; Richter: Leibniz, 47; Bittner: Slavica bei G. W. von Leibniz, 509, 511; Guerrier: Leibniz, 40. Brather, Hans-Stephan (Hg.): Leibniz und seine Akademie. Ausgewählte Quellen zur Geschichte der Berliner Sozietät der Wissenschaften 1697–1716. Berlin 1993; Winter, Eduard: (Hg.): Die Brüder Daniel Ernst und Johann Theodor Jablonský und Russland. In: Archiv pro bádání o životě a díle Jana Amose Komenského 23 (1965) 122–175; Harnack, Adolf: Geschichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Bd. 1–3. Berlin 1900 [ND Hildesheim 1970]; Consett, Tho[mas] (Hg.): The Present State and Regulations of the Church of Russia, Bd. 1–2. London 1729. In: Cracraft (Hg.): For God and Peter the Great. Gizen, Baron [Heinrich von Huyssen]: Žurnal Gosudarja Petra I. s 1695 po 1709. Hg. v. Feodor [Osipovič] Tumanskij. Vo grade Svjatago Petra 1787 (Sobranie raznych zapisok i sočinenij, služaščich k dostavleniju polnago svedenija o žizni i dejanijach gosudarja imperatora Petra Velikago 3); ders.: Žurnal gosudarja Petra I. s 1709 po 1710. Hg. v. Feodor [Osipovič] Tumanskij. Vo grade Svjatago Petra 1788 (Sobranie raznych zapisok i sočinenij, služaščich k dostavleniju polnago svedenija o žizni i dejanijach gosudarja imperatora Petra Velikago 8).

Literatur- und Quellenlage

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schichtsschreibung am petrinischen Hof betrachtet,92 eine eingehende Untersuchung fehlt dagegen bis heute. Obwohl Peter Hoffmann Huyssen zu Recht als einen der ersten Historiker der Zeit Peters I. würdigte,93 schätzten andere Forscher dessen Fähigkeiten als Geschichtsschreiber eher gering ein. Sie wiesen auf eine unzureichende Analyse der Quellen, seine Kompilation von Werken nichtrussischer Autoren, die fehlende Vertrautheit mit der russischen Sprache sowie den „ungenügend[en] Stoff“ in seinem Besitz hin.94 Der russische Historiker der vorrevolutionären Zeit Evgenij Francevič Šmurlo beurteilt Huyssens Werk dagegen ungleich wohlwollender.95 Auch der sowjetische Historiker Sergej Leonidovič Peštič hielt Huyssen für einen guten Kenner der russischen Geschichte und lobte dessen umfangreiche Materialsammlung zu diesem Thema.96 Das Interesse dieser Historiker konzentrierte sich aber vor allem auf das Journal des Herrschers Peter I.; die anderen Schriften dagegen, die Huyssen verfasst oder an deren Herausgabe er mitgewirkt hatte, blieben unberücksichtigt. In der vorliegenden Untersuchung wurden sie – unter anderem die lateinische Trauerschrift auf den Tod Peters I.97 und die in russischer Sprache gedruckte Lebensbeschreibung des Fürsten Menšikov98 – hingegen umfassend ausgewertet. Hilfreich waren dabei diejenigen Schriften, die Huyssen vor seinem Eintritt in russische Dienste herausgegeben oder verfasst hatte. Wie bereits erwähnt, gehen die Meinungen der Historiker bei der Beurteilung von Huyssens vielfältigen und international ausgerichteten Tätigkeiten auseinander. So scheint nicht klar, wie weit Huyssen an den Bemühungen seiner Glaubensbrüder um die evangelische Mission in Russland beteiligt war. Erik Amburger vertrat die Ansicht, dass er zusammen mit Justus Samuel Scharschmidt, den Francke für die Arbeit in Russland ausgewählt hatte, und dem Moskauer Eisenhüttenbesitzer Peter Müller, der einige Zeit in Halle Theologie studiert hatte, zu den zentralen Personen gehörte, die sich für die Verbreitung des Protestantismus, beson92 Majkova, Tat’jana Sergeevna: Istorija sozdanija gistorii Svejskoj vojny. In: dies. (Hg.): Gistorija svejskoj vojny (Podennaja zapiska Petra Velikogo), Bd. 1–2. Moskva 2004, Bd. 1, 15–45, hier 23, 31f.; Peštič, Sergej Leonidovič: Russkaja istoriografija XVIII v., Bd. 1–3. Leningrad 1961–1971, hier Bd. 1, 127–138; Hinz, Walther: Peters des Großen Anteil an der wissenschaftlichen und künstlerischen Kultur seiner Zeit. Breslau 1933, 51; Fedorov, V[enedikt] S[avvič] (Hg.): 200-letie Kabineta Ego Imperatorskago Veličestva. 1704–1904. S-Peterburg 1911, 146–149; Pekarskij: Nauka i literatura, Bd. 1, 320f.; Ustrjalov: Istorija carstvovanija Petra, Bd. 1, XI–LXXXVIII (Einleitung), hier XXXf. 93 Hoffmann, Peter: Zur deutschen Rußlandkunde und zum deutschen Rußlandbild des 17. und 18. Jahrhunderts. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 8 (1978) 700–712, hier 707. 94 Hinz: Peters des Großen Anteil an der Kultur seiner Zeit, 51; Pekarskij: Nauka i literatura, Bd. 1, 321; Ustrjalov: Istorija carstvovanija Petra, Bd. 1, XXXI. 95 Šmurlo, E[vgenij Francevič]: Petr Velikij v ocenke sovremennikov i potomstva. In: Žurnal Ministerstva narodnago prosveščenija (Novaja serija) 35/10 (1911) 315–340, 36/11 (1911) 1–37, 36/12 (1911) 201–273, 39/5 (1912) 1–40, 39/6 (1912) 193–259, hier 35/10 (1911) 325; ders.: Petr Velikij v russkoj literature, Tl. 1–2. In: Žurnal Ministerstva narodnago prosveščenija 264 (1889) 57–121, 305–375, hier Tl. 2, 307f., 312–317. 96 Peštič: Russkaja istoriografija, Bd. 1, 127–138. 97 Huyssen, Henrico L. B. de: Justitium Sive Luctus publicus in Funere Serenissimi Augustissimi ac Potentissimi Petri Magni [1725]. In: Rabener: Leben Petri des Ersten, 788–794. 98 [Huyssen, Heinrich von]: Zaslugi i podvigi ego vysokoknjažeskoj svetlosti, knjazja Aleksandra Daniloviča Menšikova, s osnovannym na podlinnych dokumentach opisaniem vsego dostoprimečatel’nago, čto, po Vsemilostivejšemu poveleniju Ego Imperatorskago Veličestva Petra Velikago i Vsepresvetlejšej Imperatricy Ekateriny, bylo soveršeno, pod upravleniem i načaljstvom ego svetlosti, pri dvore i v armii, ravno kak i vo vsem Rossijskom gosudarstve. In: Syn otečestva. Žurnal istorii, politiki, slovesnosti, nauk i chudožestv 1848/1, 1–32; 1848/2, 1–54; 1848/3, 1–26; 1848/4, 1–28; 1848/5, 1–56; 1848/6, 1–36.

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Einleitung

ders des Halleschen Pietismus, in Russland eingesetzt hatten. Amburger gab den Anstoß für eine weitergehende Untersuchung von Huyssens Verdiensten um die Kirche, allerdings ohne dies näher auszuführen.99 Peter Petschauer datierte die Kontaktaufnahme der Pietisten aus Halle mit Huyssen auf den Anfang der 1690er Jahre, die Zeit von dessen erstem Besuch in Halle, wies aber gleichzeitig darauf hin, dass man die Intensität dieser Beziehung nicht überschätzen solle.100 Eduard Winter wiederum nahm an, dass Huyssen erst nach seiner Ankunft in Russland 1703 durch die in Moskau neu errichtete Schule, die Ernst Glück leitete,101 mit dem Pietismus in Berührung gekommen sei. Der erste direkte Kontakt zwischen ihm und Halle sei 1705 entstanden, als Huyssen im Auftrag des Zaren bei Francke vorgesprochen hatte. Winter war der Auffassung, dass die Beziehung zwischen den Halleschen Pietisten und Huyssen danach von großer Intensität und Dauer und Huyssen selbst ein wichtiger Vermittler zwischen Peter I. und Halle gewesen sei.102 Um dessen Verbindungen zu seinen Glaubensbrüdern näher fassen zu können, wurden Quellen aus dem Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, der Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz, dem Archiv der Franckeschen Stiftungen Halle an der Saale sowie dem Archiv der Russischen Akademie der Wissenschaften ausgewertet. Als wichtigste gedruckte Quelle erwies sich das 1830 herausgegebene Werk Polnoe sobranie zakonov Rossijskoj imperii, eine vollständige Sammlung der Gesetze des Russisches Reiches. Dank der Vorarbeiten der von Joachim Bahlcke geleiteten Jablonski-Forschungsstelle am Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit der Universität Stuttgart, die sich besonders intensiv Fragestellungen der Religions- und Kulturgeschichte zuwendet,103 konnten dort vorhandene Bestände mit Gewinn genutzt werden, vor allem die Quellen zu Daniel Ernst Jablonski, dem namhaften Vermittler zwischen Ost-, Mittel- und Westeuropa und wichtigen Korrespondenzpartner Huyssens, und zu dessen älterem Bruder Johann Theodor, der ebenfalls in Berlin an der Brandenburgischen Sozietät der Wissenschaften tätig war.104

99 Amburger, Erik: Geschichte des Protestantismus in Russland. Stuttgart 1961, 42. 100 Petschauer: Heinrich van Huyssen and Peter the Great, 483f. 101 Ernst Glück wurde 1654 in Wettin geboren und studierte nach dem Besuch der Lateinschule in Altenburg (Thüringen) an den Universitäten in Wittenberg und Leipzig Theologie, Hebräisch und Altgriechisch. 1675 kam er in das damals schwedische Livland, wo er als lutherischer Pastor wirkte. 1702 geriet Glück in russische Gefangenschaft. In Moskau gründete er eine Schule und wurde als Übersetzer tätig. Glücks Wirken in Moskau war ein zentrales Thema der Russlandberichterstattung in Deutschland. Die Schule, die ihren Schwerpunkt auf die Lehre von Fremdsprachen legte, verlor allerdings rasch nach seinem Tod 1705 an Bedeutung und wurde im September 1715 geschlossen. Glück, Helmut/Polanska, Ineta: Johann Ernst Glück (1654–1705). Pastor, Philologe, Volksaufklärer im Baltikum und in Russland. Wiesbaden 2005 (Fremdsprachen in Geschichte und Gegenwart 1); Nazarova, E[vgenija] L[’vovna]: Ernst Glück in Livland und Rußland. Übersetzt von P[eter] Hoffmann. In: Berliner Jahrbuch für osteuropäische Geschichte 2 (1995) 35–55; Schiller, Christiane/Grudule, Māra (Hg.):„Mach dich auf und werde Licht – Celies nu, topi gaišs“. Zu Leben und Werk Ernst Glücks (1654–1705). Wiesbaden 2010 (Fremdsprachen in Geschichte und Gegenwart 4). 102 Winter: Halle als Ausgangspunkt der deutschen Russlandkunde, 59f., 70, 172. 103 Bahlcke, Joachim: „Studia Jabloniana“. Neue kultur- und religionsgeschichtliche Forschungen zu Daniel Ernst Jablonski. In: Zemek, Petr/Beneš, Jiří/Motel, Beate (Hg.): Studien zu Comenius und zur Comeniusrezeption in Deutschland. Festschrift für Werner Korthaase zum 70. Geburtstag. Uherský Brod 2008 (Studia Comeniana et historica 79), 788–807, hier 806. 104 Zu Johann Theodor Jablonski vgl. Harnack, Adolf (Hg.): Berichte des Secretärs der Brandenburgischen Societät der Wissenschaften J. Th. Jablonski an den Präsidenten G. W. Leibniz [...]. Berlin 1897;

Literatur- und Quellenlage

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Was Huyssens Arbeiten zur Militärstrafgesetzgebung anbetrifft, so waren dazu die von ihm verfassten Regularien für die russischen Truppen unter dem Titel „Kriegs-Reglement“ als Quelle ausschlaggebend. Sie wurden schon zu Huyssens Lebzeiten durch mehrere Veröffentlichungen in deutscher Sprache auch im Heiligen Römischen Reich bekannt.105 In Russland soll dieses Dokument als Artikul kratkij in russischer Sprache ohne Angabe des Autors verbreitet worden sein, weshalb es die russische Geschichtsschreibung zunächst nicht Huyssen zuschrieb. Man hatte lediglich Kenntnis davon, dass ein „Kriegs-Reglement“ 1706 im Auftrag und unter Beteiligung Menšikovs abgefasst worden war, und hielt Huyssens Leistung dem Zarengünstling zugute.106 Die Verbindung dieses Dokuments zum Artikul voinskij vom 26. April 1715, an dessen Abfassung Peter I. persönlich mitgewirkt hatte,107 wurde in der deutschen Forschung trotz der jüngsten Studie Peter Hoffmanns nicht erkannt.108 Auch dieser Mangel soll mit vorliegender Untersuchung beseitigt werden. Von den Verwaltungsverordnungen, mit denen sich Huyssen beschäftigte, ist sein Entwurf Allerunterthänigstes unmassgebliches Project Eines dem Lande sehr nützlichen FiscalCollegii.109 Er wurde vom russischen Historiker Michail Aleksandrovič Polievktov in seiner 1914 erschienenen Untersuchung unter dem Titel Proekt Bar[ona] Gjujsena ob učreždenii v Rossii fiskal-kollegii (1713) ausgewertet und veröffentlicht. Huyssens Konzept schien ihm von großer Bedeutung zu sein, da es den Einfluss der westeuropäischen Verwaltungsverordnungen und deren Umsetzung in die russische Realität aufzeigte.110 Polievktov verglich Huyssens Projekt jedoch nur beiläufig mit der späteren russischen Verwaltungspraxis.

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Brather (Hg.): Leibniz und seine Akademie; Kossmann, Bernhard: Deutsche Universallexika des 18. Jahrhunderts. Ihr Wesen und ihr Informationswert, dargestellt am Beispiel der Werke von Jablonski und Zedler. In: Archiv für die Geschichte des Buchwesens 9 (1969) 1553–1596. [Huyssen, Heinrich von]: Moscowitisches Kriegs-Reglement, Darinnen Von der Gottesfurcht, Bestraffung der Laster, als Todtschlag, Unzucht, Dieberey, Meineyd, Untreue und dergleichen, wie auch vom Commando, Wachsamkeit, Tapfferkeit, Verhalten im Quartier und Lagern, Regiments-Kriegs-Gerichte, Stand-Recht, General Kriegs-Gericht und absonderlichen Pflichten, nach Unterscheid derer Chargen, bey der Moscowitischen Armee, ausführliche Nachricht zu finden. O. O. 1706. In: ders.: Ausführliche Beantwortung, Anhang 2–16; ders.: Kriegsreglement, [1706]. In: L[ohenstein]: Petri Leben und Thaten, Tl. 1, 223–275; ders.: Kriegs-Reglement, so Seine Rußisch-Kayserliche Majestät bey Dero Armee einführen lassen, [1706]. In: Hassen: Die Wahre Staats-Klugheit, Anhang 594–620. Epifanov, P[etr] P[avlovič]: Voinskij ustav Petra Velikogo. In: Andreev, A[leksandr] I[gnat’evič] (Hg.): Petr Velikij. Moskva/Leningrad 1947, 167–213, hier 188; Bobrovskij, P[avel] O[sipovič]: Artikul voinskij s ob“jasnenijami preobrazovanij v voennom ustrojstve i v voennom chozjajstve po russkim i inostrannym istočnikam. S.-Peterburg 1886 (Voennoe pravo v Rossii pri Petre Velikom 2; Vypusk 2), 191f. Artikul voinskij kupno s procesom nadležaščij sudjaščim, St. Petersburg, 26. April 1715. In: Čistjakov, O[leg] I[vanovič] u. a. (Hg.): Rossijskoe zakonodatel’stvo X–XX vekov, Bd. 1–9. Moskva 1984–1994, hier Bd. 4, 327–365. Hoffmann, Peter: Peter der Große als Militärreformer und Feldherr. Frankfurt a. M. u. a. 2010, 159–178. [Huyssen, Heinrich von]: Allerunterthänigstes unmassgebliches Project Eines dem Lande sehr nützlichen Fiscal-Collegii, zu hohen Interesse S-r Gross Czarischen Majestät unsers Allergd-sten Herrn und zum Aufnehmen dero Reichen und Landen Auss anderer Potentaten Gesetzten, Costumen und Verordnungen gerichtet, und auf Befehl entworffen, St. Petersburg, 6. Oktober 1713. In: Polievktov, M[ichail] [Aleksandrovič]: Proekt Bar[ona] Gjujsena ob učreždenii v Rossii fiskal-kollegii (1713). Moskva 1914, 21–46. Polievktov: Proekt Bar[ona] Gjujsena, 3f.

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Einleitung

Über die letzten Jahre von Huyssens Leben gibt es nur spärliche Informationen, daher mussten Details aus sehr verschiedenen Quellen zusammengetragen werden. Von großer Bedeutung waren Havens Nachrichten von Huyssen sowie die Beschreibung seiner Reise nach Russland.111 Dazu kamen Quellen aus dem privaten Archiv Petschauers, dem Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, dem Österreichischen Staatsarchiv und dem Stadtarchiv Korbach. Dort konnte auch Huyssens Testament eingesehen werden, das der Forschung bisher nicht zur Verfügung stand.

111 Haven: Nachrichten von Huyssen, 325f.; ders.: Reise in Rußland. Aus dem Dänischen ins Deutsche übersetzt, von H. A. R. Nebst einem Anhange, darinnen das Chinesische und itzo in Rußland gebräuchliche Rechen-Bret beschrieben und erkläret wird. Coppenhagen 1744. Vgl. auch den aktuellen Nachdruck in der russischen Übersetzung: Gaven, Petr fon [Haven, Peter von]: Putešestvie v Rossiju [übersetzt aus dem Dänischen von Valerij Evgen’evič Vozgrin]. Sankt-Peterburg 2007.

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2. Heinrich von Huyssens familiäre Herkunft, Werdegang und frühe Prägungen 2.1. Zugehörigkeit zu einem alten Adelsgeschlecht Der Name Huyssen erfuhr im Laufe der Zeit in geschriebenen Überlieferungen zahlreiche Veränderungen (von Haus, Huys, Huis, Huisen, Heussen, de Domo und de la Maison), je nachdem, in welcher Sprache das Schriftstück abgefasst war. Die erste Erwähnung der Familie stammt aus dem Jahr 968, so berichtet der Familienforscher Albert von Waldthausen, als die Herren von Haus als Vertreter eines alten, vornehmen Rittergeschlechts an ritterlichen Kampfspielen zu Meersburg am Bodensee teilnahmen. Die Nachrichten von der aktiven Beteiligung an Turnieren in der Zeit vom 10. bis zum 15. Jahrhundert wurden aus dem 1592 gedruckten Chronicon Alsatiae in die „Deduktion“ übernommen.1 Die Stammburg der Familie, die sogenannte Husenburg (Husener bzw. Hüsserer Schloss), lag im Blumental in der Gemeinde Lautenbach-Zell, nahe der Stadt Gebweiler im heutigen Frankreich. In der Umgebung befand sich auch der Hüsserer Wald. Das Stammschloss war ursprünglich freier Grundbesitz der Familie, später ging es in den Besitz der elsässischen, seit 1789 nicht mehr existierenden Abtei Murbach über, die damals eine der einflussreichsten Abteien des römisch-deutschen Reiches war.2 Nach dem Tod Marias von Burgund übernahmen 1482 die Habsburger die Herrschaft in den Niederlanden und siedelten in diesem Territorium des Reiches loyale Untertanen an. Einer von ihnen war Heinrich von Haus. Nach Waldthausen war dies nicht die erste Übersiedlung von Angehörigen der Familie von Haus aus dem Elsass in die Niederlande, allerdings habe die Familie dort bis dahin keine Spuren hinterlassen, weil die Zweige vermutlich bald ausgestorben seien. Gesichert sei nur die Übersiedlung des Ritters Heinrich von Haus zwischen 1477 und 1493 aus dem Oberelsass ins flandrische Gent im heutigen Belgien.3 Heinrich brachte sein Wappen mit, trat mit vielen alten adeligen Familien in Verbindung und heiratete 1493 Johanna von Horn, Witwe des Kastellans Hugo von Melum. Er änderte nach dem Dialekt der neuen Heimat seinen Namen in Huiss, der später zu Huyssen wurde,4 und gab entsprechend der damaligen niederländischen Verfassung seinen rittermäßigen und turnierfähigen Reichsadel sowie das Adelsprädikat „von“ auf.5 Viele Familienmitglieder der kommenden Generationen heirateten in vornehme Familien ein und hielten so das Ansehen des Geschlechts aufrecht. Kaiser Joseph I. erwähnte beispielsweise am 5. Mai 1706, als er den Brüdern Heinrich und Arnold von Huyssen Ritterwürde und 1 „Deduktion“, 14f.; Hertzog: Chronicon Alsatiae, Buch 6, 179. 2 Waldthausen: Beiträge zur Geschichte der Familie Huyssen, 28. Zur Abtei Murbach vgl. Legin, Philippe: Die Abteikirche von Murbach im Oberelsass. Colmar 1980. 3 Waldthausen: Beiträge zur Geschichte der Familie Huyssen, 36f. 4 „Deduktion“, 15f. 5 Waldthausen: Beiträge zur Geschichte der Familie Huyssen, 43.

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Heinrich von Huyssens familiäre Herkunft, Werdegang und frühe Prägungen

Geschlechtswappen bestätigte, dass deren Familie „nicht den untersten Sitz des Ritterstandes im Elsaß inne hatte“ und durch ihre Tapferkeit bekannt sei. Darüber hinaus sei die Familie Huyssen „durch vornehme Ehebündnisse und Verbindungen in die edelsten Familien glücklich eingeführt“ worden und habe so „den alten Familienruhm mit Auszeichnung bewahrt“. Der Kaiser lobte ferner die „ausgezeichnete Gelehrsamkeit in jeder Art der Wissenschaften“ des Heinrich von Huyssen und erwähnte dessen vielfältige Verdienste um das kaiserliche Haus.6 Joseph I. antwortete mit seinem Schreiben auf Huyssens Immediateingabe mit der Bitte um Bestätigung der Ritterwürde.7 Zur Berechtigung seiner Ansprüche hatte Heinrich die „Deduktion“ mitgeschickt, die diese bestätigte, sowie einen kurzen Lebenslauf.8 Das Original des Diploms, das die Ritterwürde der Familie Huyssen beglaubigte, erhielt der Historiker Waldthausen von den Geschwistern von Hanxleden, den neuen Besitzern von Huyssens Korbacher Haus.9 Über den Verbleib des Diploms ist nichts Näheres bekannt. Der einzige Sohn des nach Gent übergesiedelten Heinrich von Haus, Arnold, hatte laut den Beiträge[n] zur Geschichte der Familie Huyssen vier Kinder: Heinrich, Arnold, Helene und Christine. Vermutlich hatte er noch einen Bruder, Johann, Stammvater der niederländischen Familie Huyssen van Kattendyke.10 Die Geburts- und Todesdaten der vier genannten Kinder sind unbekannt. Eines von ihnen, Heinrich, floh aufgrund der religiösen Verfolgung durch den Herzog von Alba, der 1567 bis 1573 die Grafschaft Flandern mit einem spanischen Heer heimsuchte, in das „Land von Cleve“ und ließ sich „auf Weerd“ nieder. Die genaue Lage des Gutes oder Hauses Weerd (oder „op ten Weerd“) ist ungeklärt; vermutlich lag es am linken Ufer der Maas gegenüber der Stadt Nimwegen. Heinrich Huyssen gehörte zu den niederländischen Edelleuten, die 1562 der Statthalterin der habsburgischen Niederlande, Margarethe von Parma, eine Bittschrift übergaben, in der von Spanien Gewissensfreiheit gefordert wurde. Er hatte einen Sohn, Johann, aus dessen Ehe drei Kinder – Sibylla, Christine und Heinrich – hervorgingen. Heinrich der Jüngere hatte nur eine früh verstorbene Tochter, deren Vorname unbekannt ist, womit die Linie des geflohenen Heinrich Huyssen im Mannesstamm ausstarb.11 Arnold teilte das Schicksal seines Bruders. Er verließ 1567 die Heimat und alle Güter, weil er den lutherischen Glauben nicht aufgeben wollte. Die beiden Brüder Heinrich und Arnold Huyssen verloren durch ihre Flucht fast ihren ganzen Besitz. Ihren Unterhalt soll eine goldene Kette gesichert haben, deren Glieder sie nach und nach verkauften.12 Arnold Huyssen zog in die Grafschaft Mark in Westfalen und heiratete die Tochter eines adeligen Kaufmanns. Aus dieser Ehe ging ein Sohn, Alexander, hervor, der nach Essen übersiedelte. 6 Confirmatio equestris dignitatis pro Henrico et Arnoldo de Huyssen fratribus et Palatinatus prodicto – Arnoldo solo, Viennae, 5. Mai 1706. Ebd., 217–227; deutsche Übersetzung: Bestätigung der Ritterwürde für die Brüder Heinrich und Arnold von Huyssen und Bestallung als Pfalzgraf für den erwähnten Arnold allein. Ebd., 227–238, hier 228–230. 7 Immediateingabe des Heinrich von Huyssen mit der Bitte um Bestätigung der Ritterwürde [1706], Auszug. Ebd., 215. 8 Autobiographie des Heinrich von Huyssen [1706], Auszug. Ebd., 215–217. 9 Waldthausen: Beiträge zur Geschichte der Familie Huyssen, 239, zufolge war der lateinische Text der Urkunde auf Pergament geschrieben und umfasste sieben Bogen mit 24 Seiten. Diese Bogen lagen in einer mit rotem Samt überzogenen Pappdeckelmappe, die mit schwarzen und gelben Bändern versehen war. 10 Ebd., 37–41. 11 Ebd., 43–46; „Deduktion“, 18. 12 Waldthausen: Beiträge zur Geschichte der Familie Huyssen, 44, 51; „Deduktion“, 18.

Zugehörigkeit zu einem alten Adelsgeschlecht

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Erstmals wird Alexander Huyssen in einer Stadtrechnung aus dem Jahr 1611 erwähnt, der zufolge er die Gebühr zur Bürgeraufnahme entrichtet hatte. Im selben Jahr wurde er in die Kaufmannsgilde aufgenommen. Er heiratete Catharina Krupp, eine Tochter des Stammvaters der späteren Industriellendynastie, Arndt Krupp. Das Ehepaar wurde zu den Stammeltern der Essener Patrizierfamilie Huyssen. 1626 wurde Alexander Huyssen als Ratsherr erwähnt, ebenso wie in den beiden folgenden Jahren sowie 1630. Dass man Huyssen 1629 nicht in der Ratsliste erwähnte, lag an den Ereignissen, die sich zu dieser Zeit in Essen abspielten: Die Fürstäbtissin von Essen und Äbtissin der Frauenstifte Nottuln und Metelen, Maria Clara von Spaur, Pflaum und Valör, versuchte damals mit Hilfe spanischer Katholiken die Reformation rückgängig zu machen, indem sie für den neuen Rat ausschließlich katholische Mitglieder zuließ. 13 Er dürfte kurz darauf verstorben sein, denn am 28. August 1632 wurde seine Ehefrau beim Vollzug des Kaufbriefes über das von ihr gekaufte Stammhaus der Familie ‚Im Stern‘ als Witwe bezeichnet.14 Catharina Huyssen, geborene Krupp, überlebte ihren Ehemann um viele Jahre. Noch 1675 wird sie in einer städtischen Kostenschätzung für brandenburgische Einquartierungen als hoch besteuerte, also reiche Frau erwähnt. Das Ehepaar Huyssen-Krupp hatte zwei Kinder, Katharina und Heinrich. Heinrich heiratete Helene Sölling (1626–1704) aus Dortmund. Er war seit 1656 Ratsherr, 1657 Stadtrentmeister, 1668 und 1669 jüngerer Bürgermeister und 1670 Senior des Rates in Essen. 1635 war er in die Kaufgilde aufgenommen worden.15 Helene war eine Tochter des Doktors beider Rechte, Johann Sölling, zunächst Richter in Bochum und dann in Dortmund.16 Seine zweite Frau war Ursula Magdalene Wittgenstein, spätere zweite Frau des Bochumer Pfarrers Johann Konrad Ostermann. Ein Sohn aus dieser Ehe, Heinrich Johann Friedrich Ostermann (1687–1747), wurde später russischer Vizekanzler und Kabinettsminister.17 Auch Heinrich Huyssen starb lange Zeit vor seiner Ehefrau. Noch am 19. April 1703 wird Helene erwähnt, als sie hundert Taler gegen Verpfändung eines Hauses verlieh.18 Aus der 13 Mohaupt, Helga: Kleine Geschichte Essens. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Essen ²1993 [¹1991], 51–53. Zu Maria Clara von Spaur, Pflaum und Valör vgl. Küppers-Braun, Ute: Frauen des hohen Adels im Kaiserlich-Freiweltlichen Damenstift Essen (1605–1803). Eine verfassungs- und sozialgeschichtliche Studie. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der Stifte Thorn, Elten, Vreden und St. Ursula in Köln. Münster 1997 (Quellen und Studien 8). 14 Waldthausen: Beiträge zur Geschichte der Familie Huyssen, 51f. 15 Ebd., 53–56. 16 Zu Helene Sölling vgl. ders.: Beiträge zur Geschichte der Familie Sölling, 27. Zu ihrem Vater Johann Sölling vgl. ebd., 23f. 17 Vgl. exemplarisch Wagner, Johannes Volker/Bonwetsch, Bernd/Eggeling, Wolfram (Hg.): Ein Deutscher am Zarenhof. Heinrich Graf Ostermann und seine Zeit 1687–1747. Essen 2001; Bittner, Konrad: Beiträge zur Geschichte des Lebens und Wirkens Heinrich Johann Friedrich (Andrej Ivanovič) Ostermanns. In: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas. N. F. 5 (1957) 106–126; Klueting, Harm/ Klueting, Edeltraud: Graf Ostermann. 1: „Ostermanniana“ des Algemeen Rijksarchief Den Haag; 2: „Ostermanniana“ aus Hannover und Wolfenbüttel. Amsterdam 1972–1974 (Bibliotheca Slavonia Luniora 7, 14); dies.: Heinrich Graf Ostermann. Von Bochum nach St. Petersburg 1687 bis 1747. Bochum 1976 (Schriftenreihe des Archivs Haus Laer in Bochum 6); Klueting, Harm: Ostermann, Andrej Ivanovič (Heinrich Johann Friedrich). In: Neue Deutsche Biographie 19 (1999) 619f. Johann Sölling war ein Enkel des gleichnamigen Stammvaters der Familie Sölling, der 1524 anlässlich des Brandes seines Hauses auf dem Westenhellweg in Dortmund erwähnt wurde. Katholisch getauft, neigte er später der lutherischen Konfession zu. Waldthausen: Beiträge zur Geschichte der Familie Sölling, 15f., 19f. 18 Ders.: Beiträge zur Geschichte der Familie Huyssen, 56.

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Heinrich von Huyssens familiäre Herkunft, Werdegang und frühe Prägungen

Ehe Huyssen-Sölling gingen folgende sieben Kinder hervor: Johann oder Johannes Huyssen (1655–1700), Kaufmann, Ratsherr, 1685 und 1688 Konsistorialrat in Essen; Katharina Huyssen (1655–1727), die mit dem Bochumer Schultheiß Heinrich Elbers verheiratet war; Arnold Huyssen (1659–1734), der das Gymnasium in Dortmund besuchte, die Würde eines Doktors beider Rechte an der Universität Duisburg erlangte und kurpfälzischer Hofrat und Richter zu Grimberg bei Bochum wurde sowie seit 1688 Ratsherr, seit 1706 Pfalzgraf (Comes palatinus) war und 1690 bis 1699, 1701 bis 1702 sowie 1708 bis 1733 als Bürgermeister in Essen amtierte;19 Anna Elisabeth Huyssen (1661–1735), die mit dem Syndikus und Sekretär Georg Dietrich Krupp verheiratet war;20 Alexander Huyssen (1664–1670); Heinrich von Huyssen (1666–1739), der im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen steht, und schließlich Gerhard Huyssen (1669–1710), ein Kaufmann.21 Die familiären Verhältnisse und Verbindungen sind aufschlussreich für die Personal- und Patronagepolitik der Huyssens. Heinrich von Huyssen, der spätere Berater Peters I., sollte für den Zaren nämlich nicht nur politisch wichtige, sondern auch private Kontakte knüpfen. In Aachen lebte beispielsweise eine Nichte Huyssens, Helene Margarethe, Tochter seines Bruders Arnold. Sie war mit Esaias Clermont verheiratet, dessen Vater, Johann Adam Clermont, eine Tuch- und Nadelfabrik besaß. Esaias führte die Fabriken nach dem Tod seines Vaters weiter und entwickelte das Geschäft zu einem weltbekannten Tuchunternehmen, das auch in Russland tätig wurde. Dies war ohne Zweifel ein Verdienst Heinrich von Huyssens, der Peter I. mit der Familie Clermont bekannt gemacht hatte. Johann Adam Clermont erwarb sich beim Zaren so großes Ansehen, dass dieser 1717 auf seiner Reise in die Niederlande über Aachen im Haus Clermonts in der Franzstraße residierte.22

19 Vogeler, Wilfried: Die Essener Vorfahren des Bürgermeisters Johann Konrad Heinrich Kopstadt. In: Archiv für Sippenforschung und alle verwandten Gebiete mit Praktischer Forschungshilfe 32/24 (1966) 673–680, hier 674. 20 Zu Georg Dietrich Krupp vgl. Berdrow, Wilhelm: Die Familie Krupp in Essen von 1587 bis 1887. Essen 1931, 99–112. 21 Zu den Geschwistern Huyssen vgl. Waldthausen: Beiträge zur Geschichte der Familie Huyssen, 56–75. Die Korbacher Linie Huyssen wurde von Arnold begründet, der auch Rat zu Cuylenburg war. Die Familie besaß in Korbach den Adelshof („Huyssenhof“) neben der Nikolaikirche, in deren Nähe noch heute die Grabmäler von Familienangehörigen zu finden sind. Sie bewohnte ein Gebäude in der Kirchstraße 7, an dessen Stelle das Bürgerhaus der Stadt Korbach errichtet wurde, in dem sich bis zu seinem Umzug 2010 auch das Stadtarchiv befand. Dort liegen zahlreiche Dokumente zur Geschichte der Familie. Der Sohn des Arnold von Huyssen, Theodor (1697–1751), wurde fürstlich Waldeckischer Geheimrat, Drost und Amtmann des Amtes Eisenberg sowie Obervorsteher sämtlicher Hospitäler und Waisenhäuser in der Stadt Korbach. Ebd., 94–101; Nicolai, Helmut: Waldeckische Wappen. Beiträge zur Familiengeschichte, Tl. 1–3. Arolsen 1985–1991 (Waldeckische Forschungen 1, 3, 5), hier Tl. 1: Einführung in die Heraldik. Adelswappen, 207. Vgl. auch Stadtarchiv Korbach: Huyssen II, Lehen 10–19, Eidesstattliche Erklärung des Theodorus von Huyssen bezüglich der „Instruction[,] wornach der Droste des Ambts Eysenberg Theodorus von Huyssen sich zu achten [hat]“, 5. Dezember 1722, unpag. 22 Vaessen, Adolph: Die Geschichte von Vaals. O. O. [vor 1918], 36f. Die in Korbach liegenden Schriften, die anlässlich der 1724 in Essen gefeierten Clermont-Huyssenschen Hochzeit verfasst wurden, zeugen von der wichtigen Rolle, die die Familie Huyssen in der Stadt spielte. Unter anderem liegt der Text eines Theaterstückes vor, das wahrscheinlich bei der Hochzeit aufgeführt wurde. „So kröne der Himmel mit steten Vergnügen Das schönste/ das glücklichste Paar dieser Welt“ – mit diesen Worten endete das Bühnenwerk. [Anonym]: An dem Beglückten und erfreulichen Clermond- und Huyßischen Vermählungs-Feste So im Monat August 1724. allhier in Essen celebriret wurde/ Solten Aus schuldigster Hochachtung gegen das vornehme Huyßische Hauß/ denen beyden Neu-Verlobten glückwünschend

Zugehörigkeit zu einem alten Adelsgeschlecht

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Auch die Generationen nach Heinrich von Huyssen brachten mehrfach bedeutende Persönlichkeiten hervor. Sein Bruder Johann war der Ururgroßvater jenes Heinrich Arnold Huyssen (1779–1870), nach dem die Heinrichstraße und die Huyssenallee in Essen benannt sind. Er war Politiker, Industrieller und von 1813 bis 1818 Bürgermeister der Stadt Essen.23 Im Jahr 1810 unterzeichnete Franz Haniel zusammen mit seinem Bruder Gerhard und seinen Schwagern Gottlob Julius Jacobi und Heinrich Arnold Huyssen einen Gesellschaftsvertrag, durch den Heinrich Arnold Huyssen einer der Besitzer der Eisenhütten Neuessen und St. Antony bei Sterkrade sowie Teilhaber der Gutehoffnungshütte wurde, die er 1808 der Witwe des Friedrich Jodocus Krupp, Helene Amalie, abgekauft hatte. Die Hüttengewerkschaft und Handlung Jacobi, Haniel & Huyssen, die alle diese Hütten vereinigte, wurde 1873 eine Aktiengesellschaft für Bergbau und Hüttenbetrieb mit Sitz in Oberhausen.24 Darüber hinaus unterschrieb Heinrich Arnold Huyssen 1852 eine Schenkungsurkunde, in der er der evangelischen Gemeinde Gelände und Geld für den Bau eines Krankenhauses – es sollte das erste evangelische in Essen werden – spendete.25 Diese Huyssens-Stiftung ging nach der Fertigstellung 1854 in den Besitz der evangelischen Gemeinde über. Am 1. Januar 1995 schlossen sich das Krankenhaus Evangelische Huyssens-Stiftung und das Knappschafts-Krankenhaus zu den Kliniken Essen-Mitte, Evang. Huyssens-Stiftung/Knappschaft GmbH zusammen.26 Ein weiteres Verdienst Heinrich Arnold Huyssens war, dass er 1866 den Bau eines Waisenhauses für die evangelische Gemeinde in Essen initiierte und die finanziel-

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aufwarten folgende Studiosi am hiesigen Essendischen Gymnasio: Georgius Wilhelmus Brüning. Essend. Johannes Albertus Philippus von den Hoven. Essend. Johannes Richardus Hoevel. Hagena Marcanus. Christophorus Seher. Werdensis. Duisburg [1724], unpag. Ein Autor mit den Initialen „M. L.“ widmete dem Brautpaar in einem anderen Text den folgenden Glückwunsch: „So viel Flocken in dem Schnee/ So viel Tropfen in der See/ So viel Heil und Wohlergehe Müsse dieses Eh-Paar sehen.“ M. L.: Als das Klermondt-Hüssensche Hochzeit-Festin Den [unlesbar] Aug. im Jahr 1724. In Essen vergnügt celebriret wurde/ Wolte Mit erfreuter Feder darzu gratuliren M. L. Düsseldorff [1724], unpag. Der evangelisch-lutherische Prediger, Conrad Schmid, und der Direktor des lutherischen Gymnasiums und Prediger der lutherischen Kirche in Essen, Johann Heinrich Zopf, gratulierten dem Hochzeitspaar ebenfalls mit einem Gedicht. [Anonym]: Die wahre und falsche Liebe, Als der HochEdle und Hochachtbare Herr Esaias Clermont, Des Hoch-Edlen und gestrengen Herrn/ Herrn Johann Adam Clermonts, Erb- und Gerichts-Herrn zu Neuenburg/ Gulpen und Mergraten/ Und der HochEhr- und Tugend-reichen Frauen/ Fr. Cathar. Barbaren von der Weiden, Ehlicher Herr Sohn, Mit der Hoch-Ehr- und Tugend-belobten Jungfer Margaretha Helena von Huyssen, Des Hoch-Edelgebohrnen/ Hochachtbaren und Hochgelahrten Herrn/ Herrn Arnold von Huyssen, Comitis Palatini Caesarei, Chur-Pfältzischen Hoffraths und ältisten Burgermeisters hieselbst/ Und der Hoch-Ehr- und Tugend reichen Frauen/ Fr. Marien Julianen von Aussen, Ehlichen Jungfer Tochter, Allhier in Essen 1724. den 2. August. ehelich vermählet wurde/ Wolten/ zur Bezeugung ihrer schuldigsten Pflicht und innigen Beyfreude/ glückwünschend vorstellen M. Conrad Schmid/ Evangelisch-Luther. Prediger in Essen. M. Johann Heinrich Zopf/ Director Scholae hieselbst. Dortmund [1724], unpag. Zu Conrad Schmid und Johann Heinrich Zopf vgl. Waldthausen: Einleitung. In: ders: Beiträge zur Geschichte der Familie Sölling, 3–10, hier 6f. Zu Heinrich Arnold Huyssen vgl. Waldthausen: Beiträge zur Geschichte der Familie Huyssen, 84–87. Ebd., 85; Appelbaum, Dirk (Hg.): Haniel-Archiv. Krefeld 1988, 8. Schenkungsurkunde des Heinrich Arnold Huyssen der evangelischen Gemeinde für den Bau eines Krankenhauses, 25. Dezember 1852. In: Hinze, Annette: Ein segensreiches Geschenk. 150 Jahre Huyssens Stiftung. Essen 2004, 12f. Ebd., 27, 137. Auf die Bedeutung, die die Huyssens-Stiftung auch heute noch in Essen hat, weist das 2004 erschienene Buch von Annette Hinze Ein segensreiches Geschenk. 150 Jahre Huyssens-Stiftung hin. Vgl. Grußwort des Wolfgang Reiniger. Ebd., 5.

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Heinrich von Huyssens familiäre Herkunft, Werdegang und frühe Prägungen

len Mittel für die Sonntagsausflüge der Waisenkinder zur Verfügung stellte. Huyssen wurde wegen seiner sozialen Leistungen von den Essenern hoch geschätzt und verehrt.27 Ein weiteres bedeutendes Mitglied der Familie Huyssen war der Kaufmann und Grundeigentümer Dietrich Max Huyssen (1818–1879), der mit Henriette Sophie Friedericke, geborene Waldthausen, verheiratet war.28 Er gründete 1844 zusammen mit seinem Freund Johann Gottfried Julius Sölling eine Tuchhandlung unter dem Namen Huyssen & Sölling, die allerdings schon 1849 aufgelöst wurde.29 Max Huyssen war von 1854 bis 1870 Vorsteher der evangelischen Gemeinde, wirkte an der Gründung des Vereins für evangelische Jugend mit und ließ für die Gemeinde einen Versammlungssaal bauen. Auch er trug zum Wachstum der Stadt Essen bei, indem er kleine Häuser baute und es den Arbeitern ermöglichte, diese durch die Aufnahme eines Kredits zu erwerben. Er ließ Straßen bauen, die nach seinen drei Kindern, Wilhelm, Max, Henriette, und einer Schwiegertochter, Selma, geborene Finking, Ehefrau des Wilhelm Huyssen, benannt wurden.30 Auch andere Essener Straßen trugen Namen von Huyssenschen Familienmitgliedern. Beispielsweise hieß die heute nach der weltbekannten Buchhändlerfamilie benannte Baedekerstraße von 1885 bis 1920 wegen des Vornamens von Werner Emil Huyssen (1850–1890) Wernerstraße.31 Insgesamt zeigen die familiären Verbindungen der Huyssens über viele Generationen hinweg eine enge Verbindung zwischen wirtschaftlichem, sozialem und religiösem Engagement. Die Huyssens waren nicht nur mit den Familien Krupp und Haniel verwandt, sondern auch mit dem bekanntesten Vertreter des Pietismus, Philipp Jacob Spener, dessen Sohn Jakob Karl mit Helene Katharina Huyssen aus Essen verheiratet war. Sie war die Tochter von Heinrichs Bruder Johannes. Allerdings lebte Johannes nicht mehr, als die Verbindung zwischen den Familien Spener und Huyssen entstand.32 Die Familienmitglieder hielten ihre Vergangenheit stets wach. Dr. August Huyssen brachte seiner Familiengeschichte über viele Jahre hinweg lebhaftes Interesse entgegen und stellte seine Unterlagen dem Familienhistoriker Waldthausen zur Verfügung.33 Für Andreas Huyssen, der heute als Professor für deutsche und vergleichende Literaturwissenschaft an der Columbia University in New York wirkt, ist sein Vorfahre Heinrich von Huyssen (1666–1739) eine faszinierende Figur. Er habe ihn mehr als andere seiner Vorfahren interessiert, könne er doch in dessen Lebensweg und Karriere fern von Deutschland Gemeinsamkeiten zu seinem eigenen Leben feststellen.34

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Waldthausen: Beiträge zur Geschichte der Familie Huyssen, 84, 86. Ders.: Beiträge zur Geschichte der Familie Waldthausen, 87. Vgl. auch Ahnentafel. Ebd., Beilage. Ders.: Beiträge zur Geschichte der Familie Sölling, 66, 95, 100. Zu Dietrich Max Huyssen vgl. ders.: Beiträge zur Geschichte der Familie Huyssen, 127–131; Dickhoff, Erwin: Essener Straßen. Stadtgeschichte im Spiegel der Straßennamen. Essen 1979, 115, 190, 250, 253. Zu den genannten Straßen vgl. Dickhoff: Essener Straßen 30, 35, 92, 150, 215, 287. Harraeus, Karl: Beiträge zur Geschichte der Familie Spener. München 1973, 38. Zu Helene Katharina Huyssen vgl. Waldthausen: Beiträge zur Geschichte der Familie Huyssen, 76f. Waldthausen: Beiträge zur Geschichte der Familie Huyssen, 160. E-Mail von Professor Andreas Huyssen an Svetlana Korzun vom 4. Juni 2010. Auch Andreas Huyssen selbst lebe nach Studien in England, Frankreich, Spanien und der Schweiz seit über vierzig Jahren in den USA, wo er als Pädagoge und Wissenschaftsvermittler zwischen den Kontinenten wirke. „Heinrich von Huyssen hat seit langem meine Phantasie angeregt, aber jetzt freue ich mich auf Evidenz“, so Professor Huyssen.

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2.2. Das Leben Heinrich von Huyssens bis zum Eintritt in russische Dienste Das genaue Geburtsdatum Heinrich von Huyssens ist nicht eindeutig geklärt. Waldthausen schrieb, dass er nach einer Eintragung im Essener Kirchenbuch am 27. Juli 1666 getauft worden sei.35 Merkwürdigerweise gab Huyssen in seiner Autobiographie an, er sei am 26. Juni 1668 „auf St Anna“ geboren.36 Waldthausen interpretierte dieses Datum als Tag der heiligen Anna, der jedoch nicht am 26. Juni, sondern am 26. Juli gefeiert wurde.37 Andere Autoren nehmen den 26. Juni 1666 (Dickhoff), Anfang Juli 1666 (Petschauer) oder den 26. August 1666 (Amburger) an.38 Huyssen verlor früh, 1674, seinen Vater. Die Mutter Helene, geborene Sölling, bemühte sich um eine angemessene Erziehung der Kinder, für die sie einen Hauslehrer und eine Erzieherin anstellte. Heinrich besuchte in den Jahren 1677 und 1678 das Gymnasium in Dortmund. Die Besetzung der Stadt durch die Franzosen führte 1678 zu einer kurzen Unterbrechung seiner Schulzeit, die er jedoch bald fortsetzen konnte. Die Teilnahme an einem Gastmahl in Köln 1680 bot dem Vierzehnjährigen Gelegenheit, mit vornehmen Geistlichen und Staatsmännern in Kontakt zu kommen. Unter den 600 Gästen waren der päpstliche Nuntius in Köln, Ercole Visconti, der Bischof von Straßburg, Franz Egon Graf von Fürstenberg, sowie französische und kaiserliche Minister. Ab 1682 war Huyssen an der Universität Duisburg immatrikuliert, wo er Rechtswissenschaften, Geschichte und Rhetorik studierte. Dort bekam er auch die Gelegenheit, erstmals bei öffentlichen Angelegenheiten mitzuwirken. In Duisburg wurde damals der westfälische Kreistag abgehalten und der Syndikus von Dortmund schickte Huyssen „ad dictaturam“ zum Direktorium.39 In den Jahren 1683 und 1684 reiste Huyssen mehrfach an die niederländische Grenze nach Wesel. 1685 bis 1686 setzte er seine Studien in Köln fort, wo er seine Lateinkenntnisse ausbaute. Er wohnte dort bei einem Zeitungsverleger und assistierte dem Übersetzer, „um sich im Lateinischen Stylo historico zu exerciren“. Anschließend studierte er an der Halleschen Ritterakademie. An der Universität Leipzig hörte Huyssen dann bei Valentin Alberti40 Vorlesungen über Rechtswissenschaften, Geschichte und Geographie. Die Memoria Historiche et Geographiche di Dalmatia41 übersetzte Huyssen „auff Ersuchen“ ins Deutsche und ließ sie bei Johann Friedrich Gleditsch drucken.42 1688 beendete Huyssen sein Studium. Nachdem er Dresden, Königstein und Freiberg in Sachsen besucht hatte, reiste er weiter nach Berlin – wo er Augenzeuge der Huldigung des 35 36 37 38 39 40 41

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Waldthausen: Beiträge zur Geschichte der Familie Huyssen, 61. Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana III, H[einrich] v[on] Huyssen’s Autobiographie, 11. Waldthausen: Beiträge zur Geschichte der Familie Huyssen, 61. Dickhoff, Erwin: Essener Köpfe: wer war was? Essen 1985, 106f.; Petschauer: Heinrich van Huyssen and Peter the Great, 482; Amburger, Erik: Huyssen. In: Neue Deutsche Biographie 10 (1974) 106f. Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana III, H[einrich] v[on] Huyssen’s Autobiographie, 11f. Osterhorn, Ernst-Dietrich: Die Naturrechtslehre Valentin Albertis. Ein Beitrag zum Rechtsdenken der lutherischen Orthodoxie des 17. Jahrhunderts. Freiburg im Breisgau 1962. Freschot, Casimiro: Des Königreichs Dalmatien Historische und Geographische Vorstellung/ Enthaltend Die Thaten aller Könige/ So über Croatien und Dalmatien iemahls geherrschet haben/ Wie auch Eine Beschreibung der Morlachey/ der Republic Ragusa/ der vornehmsten Dalmatischen Städte/ Schlösser/ Insulen/ Flüsse/ und desjenigen/ was in diesem Reiche von Anfang desselben biß aufs Jahr C. 1688. schrifftwürdiges ist vorgegangen. Woraus/ was Ihro Röm. Kays. Maj. und die Republic Venedig vor Recht und Ansprüche auff diesem Reiche haben/ klärlich zu ersehen. Leipzig 1688. Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana III, H[einrich] v[on] Huyssen’s Autobiographie, 12–15.

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neuen brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. wurde –, Jena, Halle und Merseburg. Von Merseburg aus setzte Huyssen seinen Weg über Jena, Bamberg, Erlangen, Nürnberg, München, Augsburg, Ulm, Tübingen, Stuttgart und Heidelberg fort. Als Hofmeister begleitete er die sächsischen Edelleute von Römer und von Brackersrode nach Straßburg. Auf dem Weg dorthin konnte Huyssen zu bedeutenden Personen des Adels und Bürgertums Kontakte knüpfen und seine Kenntnisse und Fähigkeiten weiter vertiefen. In Straßburg wurde er 1688 während des Pfälzischen Erbfolgekriegs zum ersten Mal als Diplomat tätig. Im September hatte Frankreich aufgrund von Erbfolgestreitigkeiten der Pfalz den Krieg erklärt und Reichsgebiete besetzt. Huyssen wurde darauf vom Herzog von Valdenza nach Speyer zum Dauphin geschickt, der Philippsburg belagert und eingenommen hatte. In Speyer, das den Franzosen als Einfallstor für ihre militärischen Aktionen diente, beobachtete er im französischen Hauptquartier zugleich die Sitten und Gebräuche des Hofs. Als die Franzosen das Reichskammergericht zerstörten, die Beamten vertrieben und alle Akten zur Überführung nach Straßburg vorbereiteten, hinterließ dies auf ihn einen nachhaltigen Eindruck. Aus erster Hand hörte er zudem, so notierte er später in seiner Autobiographie, die Ansichten der Franzosen zur Übernahme der englischen Königskrone durch Prinz Wilhelm III. von Oranien-Nassau.43 Huyssen wurde 1689 in Straßburg mit der Dissertation Disputatio inauguralis juridica de Justitio vom Stillstand des Gerichts zum Doktor beider Rechte promoviert. Das Angebot einer Professur an der Straßburger Universität, das er allerdings ausschlug, belegt, dass er schon in jungen Jahren hohes Ansehen genossen haben muss. 1689 verließ Huyssen Straßburg, wo er die Zeit „bey togatis et Sagatis vergnügt zugebracht“ hatte, musste er doch fürchten, verhaftet und eingekerkert zu werden. Sein Weg führte ihn nun über Basel, Bern und Lausanne nach Genf, wo er eine Zeit lang heraldische Studien betrieb. Nach einem Abstecher nach Frankreich, nach Lyon und Grenoble, reiste er weiter über Savoyen nach Turin. Hier nahm er am Karneval teil und wurde als Mitglied der Delegation des jungen Herzogs von Holstein vom Herzog von Savoyen, Viktor Amadeus III. Maria, empfangen. Im Anschluss reiste Huyssen über Genua nach Mailand und über Parma, Modena, Bologna, Florenz, Lucca, Pisa und Livorno nach Rom. Zunächst wollte er nur sechs Wochen bleiben, weil er dort aber „unterschiedliches zu Seinem Intent zu lernen occasion fand“, verblieb er in Rom. 1691 verließ Huyssen diese Stadt und reiste nach Venedig.44 Er berichtete in seiner Reiß-Beschreibung von gantz Italien, dass er von dort durch Tirol und dann zu Wasser, über die Flüsse Inn und Donau, nach Wien gekommen sei.45 Auf der Italienreise knüpfte er Kontakte zu verschiedenen Gelehrten. So bat ihn der einflussreiche Geistliche in Rom, Giovanni Giusto Ciampini, an die Spitze seiner Stiftung für fremde Gelehrte, in der der „unterschied der Religion“ keine Rolle spielte. Huyssen lehnte das Angebot jedoch ab.46 In Wien setzte er seine Studien der Rechte fort. Das Angebot des österreichischen Kanzlers, Theodor Athlet Heinrich von Strattmann, dessen Sohn Heinrich Johann Franz zu einem Feldzug nach Brabant zu begleiten, lehnte er ebenfalls ab – „eine ziemlich avantageuse Gelegenheit“, wie Huyssen meinte. Er habe dies „aus Verlangen“ entschieden, „die Seinigen wie43 Ebd., 15–17. 44 Ebd., 17–20. 45 [Huyssen, Heinrich von]: Curieuse und vollständige Reiß-Beschreibung Von gantz Italien/ Worinnen der gegenwärtige Zustand nicht allein des Päbstlichen Hofs/ sondern auch anderer Höfen/ Republiquen und Städten in Italien beschrieben [...] wird, Tl. 1–3. Freyburg [Leipzig] 1701, 56. 46 Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana III, H[einrich] v[on] Huyssen’s Autobiographie, 23.

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derzusehen, und andern Ursachen“. Nach seinem Wienaufenthalt reiste Huyssen über Prag und Dresden nach Leipzig, wo er im Winter 1691/92 als „Director oder Chef der zu Leipßig angestellten kleinen Italienischen Conference oder sogenannten Academie“ fungierte. Sein Weg führte ihn weiter nach Halle, „bey Anfang der neuen Universitaet wegen des Herrn Tomasy und des jungen Herrn Speners designirter Professore Matheseon“.47 Er nahm also die Bestrebungen des Rechtsgelehrten und Philosophen Christian Thomasius und anderer in kurbrandenburgischen Diensten stehender Gelehrter wahr, in Halle eine Universität zu gründen. Im Mai 1692 reiste Huyssen von Leipzig über Wittenberg und Berlin nach Köln, wo die Hochzeit seines Bruders stattfand. Anlässlich dieses Ereignisses ließ er „zwey operetten oder Pastorellen, wovon die Verse getruckht worden, von Seiner Composition praesentiren“. Von Köln ging es nach Düsseldorf und weiter nach Essen, wo er sich zwischen 1692 und 1693 aufhielt,48 wie wir unter anderem aus einem Brief an Gottfried Wilhelm Leibniz vom 20. August 1692 wissen.49 Sein weiterer Weg führte Huyssen nach Kleve, wo er auf Veranlassung des brandenburgischen Ministers Eberhard von Danckelmann von Friedrich III. empfangen wurde.50 Nach Abschluss seiner Studien standen Huyssen alle Wege zu einer Karriere am Hof oder in der Verwaltung offen, doch weder wollte er den Vetter des Kölner Nuntius, Giovanni Antonio Daria, nach Paris begleiten noch als Berater des Grafen Mezzabarba in der Lombardei wirken. Die erste Stelle sagte er ab, weil er „von den Seinigen dazu keine Permission erhalten konnte“. Seinen Vorstellungen entsprach eher die Beschäftigung als Hofmeister des jungen Markgrafen von Brandenburg-Ansbach, die ihm Danckelmann ermöglichte. Allerdings konnte Huyssen diese Stelle nicht antreten, weil der junge Markgraf nach dem Tod seines älteren Bruders dessen Aufgaben übernahm. Huyssen akzeptierte daraufhin, „bis was anständiges am Berlinischen Hofe vor Ihm vorfiele“, das Angebot Danckelmanns, dessen Söhne an die niederländische Universität Utrecht zu begleiten. Von April 1693 bis September 1695 wohnte Huyssen mit seinen beiden Zöglingen in Utrecht im Haus eines französischen Predigers namens Jenet. Nach einer Reise durch Nordholland (Sneek, Leeuwarden, Delfzijl) und Norddeutschland (Hannover, Hamburg, Berlin) folgte ein längerer Aufenthalt in Frankfurt an der Oder, wo sich Huyssen beim Professor des Natur- und Völkerrechts, Samuel Freiherr von Cocceji, aufhielt. Auch über Kalender, Rechte und Mathematik hörte er an der Viadrina Vorträge.51 Im Jahr 1697 war Huyssen bei der polnischen Königswahl in Warschau anwesend, die nach dem Tod Johann III. Sobieskis am 17. Juni 1696 anstand.52 In seiner Autobiographie heißt es, dass er die Wahl Kurfürst Friedrich Augusts I. von Sachsen zum König von Polen, die für die meisten in Warschau versammelten Diplomaten überraschend gewesen sei, vor47 Ebd., 21f. 48 Ebd., 22f. 49 Heinrich von Huyssen an Gottfried Wilhelm Leibniz, Essen 20. August 1692. In: Guerrier: Leibniz, Anhang 1–3. 50 Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana III, H[einrich] v[on] Huyssen’s Autobiographie, 23. 51 Ebd., 24f. 52 Milewski, Markus: Die polnische Königswahl von 1697. Innsbruck u. a. 2008 (Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs. Sonderband 10); Bäumel, Jutta: Der Weg des Kurfürsten Friedrich August I. von Sachsen/Königs August II. in Polen (1670–1733, Kurfürst seit 1694, König seit 1697) zum Thron, Bd. 1–2. Berlin 1999; Scheller-Steinwartz, R[obert]: Polen und die Königswahl von 1697. In: Zeitschrift für osteuropäische Geschichte 2 (1912) 481–540.

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ausgesagt habe. Während des Besuchs bei einem General-Adjutanten Friedrich Augusts, von Ruland, sei viel von der bevorstehenden Königswahl geredet worden. Huyssen habe dabei die Vermutung ausgesprochen, dass der sächsische Kurfürst der aussichtsreichste Thronbewerber sei, „weil derselbe lange in Wien und anderen Catholischen Ohrten sich aufgehalten, auch der Herr von Flemming, Blumendaal, Bose und andere aus Sachsen sich zuweilen in Warschau sehen ließen“. Bei den täglichen Wetten auf den Wahlausgang habe Huyssen einem „Herrn T.“ vorgeschlagen, auf den Wettiner zu setzen. Dieser habe aber eine solche Entwicklung für unmöglich gehalten und daher die Wette verloren.53 Von Warschau aus reiste Heinrich von Huyssen zum brandenburg-preußischen Hof nach Königsberg, wo sich damals – so berichtet er in seiner Autobiographie – auch Zar Peter I. aufgehalten habe. Der weitere Weg führte ihn nach Danzig, Stettin und über Frankfurt an der Oder, Berlin, Oranienburg, Potsdam, Magdeburg, Minden, Osnabrück, Lingen, Amersfoort und Utrecht nach Den Haag. „Nachdem Er endlich die Ihm von König in Preußen von dessen Ministris versprochene Employ zu haben vermeinte“, machte der Sturz Eberhard von Danckelmanns seine Hoffnungen, in kurbrandenburgische Dienste zu treten, zunichte.54 Von Den Haag reiste er nach Amsterdam, Utrecht, Wesel, Essen und Düsseldorf. Im Januar 1698 machte sich Huyssen mit einer Postkutsche auf den Weg nach Frankfurt am Main. Über Würzburg in Nürnberg angekommen, besuchte er dort die Bibliothek, das Rathaus, die Burg und einige merkwürdige „Mechanische inventiones“. In Augsburg berichtete er dem Prinzen Ludwig Wilhelm von Baden-Baden, einem gescheiterten Anwärter auf die polnische Krone, von der erfolgten Königswahl. Außerdem erlebte er dort einen „köstlichen Carneval“, bei dem der Herzog von Württemberg und „fast die ganze Ritterschaft aus Schwaben und Frankhen beysammen waren“. Im Anschluss reiste er nach Lindau und nach St. Gallen, wo er die Abtei und die „große kostbahre Bibliothec“ in Augenschein nahm. Danach besuchte er Zürich und sah dort die Handschriften der Bibliothek ein. In Bern schenkte er der Bibliothek einige Medaillen. Den Sommer 1698 verbrachte Huyssen in der Baronie Prangins am Genfer See bei Lausanne, auf dem Grundbesitz seines gestürzten Gönners Danckelmann. Dort kümmerte er sich als „Intendant“ (Oberamtmann) um Justiz und Wirtschaft. Zwischendurch besuchte er Genf, wo damals die Landgrafen von Hessen-Kassel, Philipp und Karl, weilten.55 In der Schweiz lernte er den Livländer Johann Reinhold von Patkul kennen, von dem er später für russische Dienste angeworben werden sollte. Zur Zeit seiner Begegnung mit Huyssen erwarb sich Patkul, der vom schwedischen König aus politischen Gründen ausgewiesen worden war, die Gunst Danckelmanns – durch dessen Fürsprache erhielt er eine Pension vom Kurfürsten von Brandenburg. Danckelmann lud Patkul auf sein Gut Prangins ein, wo dieser eine Zeit lang unter dem Decknamen Fischering lebte.56

53 Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana III, H[einrich] v[on] Huyssen’s Autobiographie, 26f. 54 Zum Sturz Danckelmanns vgl. Bresslau, Harry/Isaacsohn, Siegfried: Der Fall zweier preussischen Minister, des Oberpräsidenten Eberhard von Danckelmann 1697 und des Grosskanzlers C. J. M. von Fürst 1779. Studien zur brandenburgisch-preussischen Geschichte. Berlin 1878. 55 Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana III, H[einrich] v[on] Huyssen’s Autobiographie, 27–30. 56 Erdmann, Yella: Der livländische Staatsmann Johann Reinhold von Patkul. Ein abenteuerliches Leben zwischen Peter dem Großen, August dem Starken und Karl XII. von Schweden. Berlin 1970, 60; Wittram, Reinhard: Patkul und der Ausbruch des Nordischen Krieges. Göttingen 1952 (Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen I/9), 218.

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Huyssen gab seinen Dienst bei Danckelmann im August 1698 auf und begab sich nach Lyon und von dort aus „mit der Diligénce“ nach Paris.57 Nach dem Ende des Pfälzischen Erbfolgekriegs und dem Frieden von Rijswijk im Oktober 1697 stand einem Besuch dieser Stadt nichts mehr im Wege. In Paris nahm Huyssen an einigen höfischen Festen teil und besichtigte die berühmten Königssitze in der Umgebung der Hauptstadt. Dazu gehörte auch Compiègne, wo der größte Teil der französischen Armee lag und Manöver abhielt. Danach besuchte er Fontainebleau, wo der König im Herbst auf die Jagd ging. Hier sah er die Vermählung Herzog Leopold Josephs von Lothringen mit Elisabeth Charlotte von Bourbon-Orléans. In Paris wohnte Huyssen bei dem Sprachgelehrten César-Pierre Richelet. Er musste miterleben, wie sein Gastgeber im November 1698 durch einen Treppensturz zu Tode kam. Da Richelet kein Geld hinterließ, finanzierte Huyssen dessen Beisetzung in der Pfarrkirche Saint-Sulpice und verhinderte so eine Beerdigung auf dem „Armen-Reichshof“. Er kümmerte sich auch um die Sicherung von Richelets literarischem Nachlass; auf einer Auktion kaufte er dessen Schriften auf. Huyssen beschäftigte fünf Kopisten, die für Abschriften aus der hinterlassenen Bibliothek Richelets sorgten, und schickte die Texte zur Publikation an Henri Basnage de Beauval nach Den Haag, der auch die Werke des französischen Schriftstellers, Lexikographen und Gelehrten Antoine Furetière publiziert hatte.58 In seiner Autobiographie erwähnte Huyssen aufschlussreiche Details aus dem Leben Richelets, über den es sonst nur wenig gesicherte Informationen gibt.59 Im März 1699 verließ Huyssen Paris und trat eine Stelle als Hof- und Regierungsrat der Fürstin Albertina von Waldeck-Culenburg an. In ihrem Auftrag reiste er zunächst nach Holland, dann wegen eines strittigen Lehens nach Berlin zum brandenburgischen Kurfürsten. Im November 1699 folgte Huyssen dem brandenburgischen Hof nach Küstrin und Stargard und schließlich nach Schonen. Anschließend fuhr er mit dem Schiff über Malmö nach Kopenhagen, wo er dem Leichenzug König Christians V. von Kopenhagen nach Roskilde beiwohnte. Erst im März 1700 verließ er Kopenhagen und kehrte über Roskilde, Kiel und Hamburg nach Berlin zurück. Er nahm an den Festlichkeiten anlässlich der Hochzeit von Prinzessin Luise Dorothea Sophie von Brandenburg und dem Erbprinzen Friedrich von Hessen-Kassel teil und beschrieb sie in italienischer Sprache. Außerdem publizierte er eine Schrift über die kommende Papstwahl unter dem Titel Les Conjectures sur le Conclave apres la mort d’Innocent XII., in der er die Wahl Kardinal Gian Francesco Albanis prophezeite.60 1701 setzte sich Huyssen während der Krönungsfeierlichkeiten in Königsberg für Danckelmann ein, indem er Friedrich I. ein Memorial zu dessen Gunsten überreichte. Zunächst wurde er als Resident von Sachsen-Hildburghausen und Waldeck empfangen, später versagte der König ihm aber die zustehenden „Honneurs“. Im Auftrag des Berliner Hofes beschrieb Huyssen die Krönungsfeierlichkeiten in französischer und italienischer Sprache. Angeblich wurde sein Bericht in italienischer Sprache unter dem Namen Cornaro in Königsberg gedruckt, was sich bibliographisch jedoch nicht nachweisen lässt. Kurz nach der Königskrönung bot der Großkanzler und Oberhofmarschall des polnischen Königs August II.,

57 Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana III, H[einrich] v[on] Huyssen’s Autobiographie, 30. 58 Ebd., 30f. 59 Bray, Laurent: César-Pierre Richelet (1626–1698). Biographie et œuvre lexicographique. Tübingen 1986 (Lexicographica. Series Maior 15), 296f. 60 Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana III, H[einrich] v[on] Huyssen’s Autobiographie, 31–34.

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Graf Wolf Dietrich von Beichlingen, Huyssen im Auftrag seines Herrn die Position eines diplomatischen Vertreters in Berlin an. Huyssen lehnte dieses Angebot aber wegen seiner früheren Verbindung zu Danckelmann ab, ebenso wie eine vergleichbare Position in Den Haag. Im März verließ er Königsberg und reiste über Elbing, Danzig und Stargard nach Berlin.61 Die Verbindungen Huyssens zu Polen-Litauen waren gleichwohl noch nicht beendet. Als Generaladjutant Jakob Heinrich von Flemmings, der zu dieser Zeit Generalmajor des kursächsisch-polnischen Heeres, Geheimer Kriegsrat Augusts II. von Polen und Großstallmeister von Litauen war, übernahm er die Aufgabe, ihn auf dessen Reisen zu begleiten.62 Mit Flemming fuhr Huyssen von Berlin nach Leipzig zur Ostermesse und kehrte über Dresden und Warschau nach Berlin zurück. Dann ging es über Dresden ins böhmische Karlsbad, wo sich die vornehme polnische Gesellschaft aufhielt. Schließlich folgte ein Besuch der Leipziger Michaelismesse, dann erneut ein Aufenthalt in Karlsbad und anschließend in Prag. Im Dezember reiste Huyssen von Breslau aus zum polnischen Reichstag nach Warschau.63 1702 wurde er vom Kronmarschall Stanisław Lubomirski vorübergehend zum Rat und „Primus aulicus“ ernannt. Nach dem Tod Lubomirskis bemühte sich Huyssen, dessen literarischen Nachlass zu sichern. Am 9. Juli 1702 nahm er an der Hochzeit Flemmings mit Franziska von Radziwiłł, geborene Sapieha, teil. Anschließend besuchte er Danckelmann, der in Peitz inhaftiert war. Huyssen berichtete, Flemming habe ihn Danckelmanns Testament verwahren lassen und ihm seine Bibliothek und Schriften – ausgenommen diejenigen, die die Güter seiner Familie betrafen – vermacht. Bei der Schlacht bei Klissow im Juli 1702, in der sich die Armeen Karls XII. von Schweden und Augusts II. von Polen gegenüberstanden, warnte Huyssen den verwundeten Flemming und bewahrte ihn so davor, mit seiner Kutsche in ein Moor zu rollen. Ohne diese Warnung wäre die Bagage Flemmings wohl verloren gegangen und er selbst gefangen genommen worden, so berichtet zumindest Huyssen.64 Bald darauf gewann der Werbekommissar Patkul den Essener für russische Dienste und Huyssen machte sich auf den Weg über Jassy und Kiew nach Moskau. Patkul hatte den Auftrag, die im neu regulierten „Krieges-Etat“ eingeführten „Charges mit tüchtigen Personen zu besetzen“ und „hierzu nicht allein die Personen zu erwehlen und auszzulesen, wie er sie zu Verwaltung solcher Aemter und Bedienungen tüchtig finden wird, sondern auch mit ihnen in Unserm [Peters I.] Nahmen zu capituliren“.65 Ein Brief Patkuls an Huyssen aus dem Jahr 1703 belegt, dass sie untereinander geheime Informationen austauschten. So lag Patkuls Brief beispielsweise ein Schreiben bei, das nicht in Moskau, sondern im Ausland gedruckt werden sollte. Ein Teil des Brieftextes ist chiffriert. In Klarschrift schrieb Patkul, dass die Hoffnung auf einen Frieden in Polen wieder gestorben sei und man sich daher sorgfältig auf neue Kriegshandlungen vorbereiten solle. Flemming habe in Berlin nicht viel erreichen können, fuhr er fort, immer noch erhalte man die Nachricht, der preußische König verhandle 61 Ebd., 34–36. 62 Zu Jakob Heinrich von Flemming vgl. Siegele, Ulrich: Kursächsischer Absolutismus und deutsche Frühaufklärung. Jakob Heinrich von Flemming, Gottfried Lange und Johann Sebastian Bach. In: Eberl, Kathrin/Ruf, Wolfgang (Hg.): Musikkonzepte – Konzepte der Musikwissenschaft, Bd. 1–2. Kassel u. a. 2000, hier Bd. 2, 271–276; Blaschke, Karlheinz: Jakob Heinrich Graf von Flemming. In: Neue Deutsche Biographie 5 (1961) 239f.; Konopczyński, Władysław: Feldmarszałek Flemming. In: Roczniki Historyczne 18 (1949) 163–180. 63 Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana III, H[einrich] v[on] Huyssen’s Autobiographie, 36f. 64 Ebd., 37–39. 65 Polnomočnaja gramota Rejngol’du fon Patkulju, Moskau 16. April 1702. In: Pis’ma i bumagi, Bd. 2, 51.

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heimlich mit Frankreich und ziehe seine Truppen aus seinem Land zurück. Es scheine, er wolle den König von Polen im Stich lassen.66 Aus Wien machte sich Huyssen mit Johann Christoph Dietrich Ostermann auf den Weg nach Moskau.67 Haven schrieb in seinen Nachrichten von Huyssen, dass dieser in Begleitung des Bruders von Heinrich Johann Friedrich Ostermann nach Russland gekommen sei. Damit war wohl dessen älterer Bruder Johann Christoph Dietrich, der spätere Erzieher der Töchter des Zaren Iwan V. Alekseevič, gemeint. Haven erwähnte zudem, dass der ältere Ostermann dem jüngeren Bruder später empfohlen habe, ihm nach Russland zu folgen.68 Huyssen schilderte diese Reise wie folgt in seiner Autobiographie: „1703 Hermannstadt [...] Cronstadt [...] Jasz[,] die Haubtstadt in der Moldau, wo Constantinus Duca damahls als Hospodar residiert. Wann die Tartaren damahl wären eingefallen, wie man dorten besahnte, hätte man sich dorten in ein Closter salvirt, welche dortzu Lande alle fortificirt sind. Von Jassy über den Prut in Carneval nach Soroka, eine Gränzfestung gegen Pohlen. Nachdem wir über das Eis den Dniester passirt, trafen wir zu Eikinuka eine Compagni Cosaken an, so [Ivan] Mazeppa zur Escorte entgegen geschickt. Umb selbige Zeith hatten sich die Pohlnischen Cosaken gegen ihren Magnaten gesetzet und Ihre vorgesetzten ammodiatores und Verwalter, welche meist Juden waren, alle verjagt, gehanget, oder niedergemacht. Als aber der Cron feldherr, 2 fürsten Lubomirsky, 2 Gebrüder Potozki, Leszinsky und andere Pohlnische Magnaten, die dorten Räthe und Unterthanen haben, mit dem General Brand gegen die rebellirenden Cosaken zu Felde kamen, entliefen nicht allein bem. etc Compagnie Cosaken, so zur Escorte entgegen kamen, sondern auch die Fuhrleute. Auch fanden wir im ganzen Land keinen Menschen zu Hause, indem sich alles aus furcht vor die ankommende Cron armée in die Wälder versteckht hatte. die Stadt Nimierof [Nemyriw] im Braclawischen [Braslawer] Palatinat, so dem Hause Potocki zugehört, war von den Cosakischen Rebellen ganz ausgeplündert, und lage die Stadt voller Todten. Obgemelte Magnaten gaben uns so viel Escorte und Vorspann, daß wir glückhlich bis Bialocerkiow [Beločerkovsk] [...] durchkamen. Von dar auf Waschilof [Vaščilovka] [,] das erste dorf, so zu der Moskowitischen Gräntze Ukraine gehöret. Kiof [Kiew], eine schöne feste u. große Stadt, sehr lustig an dem Dnieper gelegen, da in dem schönen, nahbeygelegenen Closter die Catacomben, cryptae Subterranene oder Gräber vieler Heiligen zu sehen. Baturin [Baturyn], wo der Saporonischen Cosaken, die unter Ihro Czaarischen Majestät Protection stehen, so genannter Hetmann oder Feldherr Mazeppa residirte und uns alle erfindliche Ehre erwiesen.“69 Dieser Auszug aus Huyssens Reisebeobachtungen illustriert die Konventionen frühneuzeitlicher Reisebeschreibungen, aber auch die politischen Turbulenzen, die der Essener auf dem Weg nach Moskau hautnah erlebte. Huyssen trat als Generalauditeur und Kriegsrat mit einem monatlichen Verdienst von 150 Reichstalern in das Korps der russischen Armee ein. Sein von Patkul unterschriebenes Dienstpatent datierte vom 23. Juli 1702.70 Im März 1703 traf er in Moskau ein. Aus einem Brief an Leibniz vom 23. Dezember 1703 geht hervor, dass 66 St.-Peterburgskij Filial Archiva RAN: fond 119, opis’ 1, edinica chranenija 5, Johann Reinhold von Patkul an Heinrich von Huyssen, Nyen 17./6. Mai 1703, 151r–151v. 67 Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana III, H[einrich] v[on] Huyssen’s Autobiographie, 39. 68 Haven: Nachrichten von Huyssen, 325f. 69 Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana III, H[einrich] v[on] Huyssen’s Autobiographie, 39–41. 70 Bantyš-Kamenskij: Obzor vnešnich snošenij Rossii, Bd. 1, 42; Ustrjalov: Istorija carstvovanija Petra, Bd. 4/1, 183, Bd. 4/2, 289; Haven: Nachrichten von Huyssen, 317f.

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er damals noch nicht wusste, wie lange er in Russland bleiben würde. Aus diesem Grund ließ er seine Kleidung und Bücher, die in Deutschland „hier und da verstreut“ lagen, nicht nach Russland bringen.71 Nach dem Eintritt in russische Dienste erhielt Huyssen zunächst folgende Aufgaben: 1. die Anwerbung europäischer Offiziere, Ingenieure, Manufakturisten, Gewehrhändler, Künstler, Bereiter, Büchsenmacher und anderer Handwerker, besonders derjenigen, die der tschechischen oder polnischen Sprache mächtig waren, für die Dienste des Zaren; 2. die Übersetzung des Werbemanifestes Zar Peters I. vom 16. April 1702 in westeuropäische Sprachen sowie dessen Drucklegung und Verbreitung; 3. die Beeinflussung der Gelehrten in Deutschland, den Niederlanden und anderen Ländern, ihre Schriften, besonders auf dem Gebiet der Geschichte, Politik und Mechanik, Peter I., Zarewitsch Aleksej und Ministern des Zaren zu widmen und das Ansehen Russlands so zu fördern; 4. die Verbesserung des Postverkehrs zwischen Russland und anderen Ländern durch Verhandlungen mit Postmeistern und deren Beratung; Ergebnis sollte ein Postverkehr durch Österreich und Polen sein.72 Im August 1703 erstattete Huyssen dem Grafen Fedor Alekseevič Golovin Bericht und stellte seinen bisherigen Lebensweg dar. Im Gespräch erwähnte er, dass er in Polen am Krieg gegen Schweden beteiligt und als Generalauditeur und Kriegsrat tätig gewesen sei. Im Gesandtschaftsamt (posol’skij prikaz) registrierte man am 26. August 1703 den Befehl Peters I., dass sich der aus Polen zugereiste Huyssen den Regimentern im Feldzug anzuschließen habe und ihm 300 Rubel zu übergeben seien.73 Die Forschung ist sich nicht einig, warum Huyssen sich für russische Dienste entschied. Hans Glümer stellte 1911 die These auf, dass Huyssen aus „Resignation“ nach Russland gegangen sei, weil ihm eine Anstellung in preußischen Diensten unmöglich gewesen sei.74 Der deutsche Archivar und Historiker Walter Recke nahm 1912 dagegen an, Huyssen habe sich voller Hoffnungen nach Russland gewandt, weil er davon ausging, dass seine Kenntnisse und Kompetenzen dort eher gewürdigt würden.75 Die Biographie Huyssens vor dem Eintritt in russische Dienste zeigt deutlich die Lehrund Wanderjahre eines Diplomaten jener Zeit. Ausgiebiges Studium, zahlreiche Reisen, eine ständige Beobachtung des Hoflebens sowie Kontakte zu berühmten Zeitgenossen hatten Huyssen in Westeuropa zu einer gefragten Person gemacht. Er bekam zahlreiche Angebote für gehobene Stellungen, doch keines davon schien ihm erstrebenswert – sein Ehrgeiz trieb ihn an den aufsteigenden brandenburg-preußischen Hof. Aufgrund seiner früheren Beziehungen zu Danckelmann blieb ihm eine Karriere in Berlin allerdings verschlossen, weshalb er schließlich in ein anderes aufstrebendes Territorium gelangte: das Zarenreich.76

71 Heinrich von Huyssen an Gottfried Wilhelm Leibniz, Moskau 23. Dezember 1703. In: Guerrier: Leibniz, Anhang 53–55, hier 55. 72 Haven: Nachrichten von Huyssen, 317f. 73 Ustrjalov: Istorija carstvovanija Petra, Bd. 4/2, 288f. 74 Glümer: Heinrich Huyssen, 141. 75 R[ecke], W[alther]: Rezension zu: Glümer: Heinrich Huyssen. Ein Essener Stadtkind als Gelehrter und Diplomat im Dienste Peters des Großen. In: Zeitschrift für osteuropäische Geschichte 2 (1912) 585–588, hier 587f. 76 Gehrke, Roland: Europäische Großmacht, protestantische Schutzmacht. Der Aufstieg BrandenburgPreußens im Jahrhundert nach dem Dreißigjährigen Krieg (1648–1740). In: Bahlcke/Dybaś/Rudolph (Hg.): Brückenschläge. Daniel Ernst Jablonski im Europa der Frühaufklärung, 136–151.

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3. Erste Aufträge in Russland 3.1. Hofmeister des Thronfolgers Aleksej Als Huyssen in Russland ankam, war der aus Danzig stammende Martin Neugebauer aufgrund verschiedener Konflikte mit einflussreichen russischen Kreisen seines Postens als Erzieher des russischen Thronfolgers Aleksej Petrovič enthoben worden. Als neuer Erzieher wurde Johann Reinhold von Patkul gewonnen, der zuvor ausländische Fachleute für den Zarendienst angeworben hatte. Patkul bat Huyssen, ihm bei der Ausarbeitung des Bildungsplans für den Zarewitsch zu helfen und schlug ihn für die Stellung als Aleksejs „Informator“ vor. Im November 1703 verpflichtete Peter I. Huyssen als Hofmeister seines Sohnes1 – eine Position, die nach der Rangtabelle von 1722, die die staatlichen Laufbahnen gliederte, zur fünften Klasse der Hofränge gehören und dem Heroldsmeister („Gerol’dmeister“) bei den Zivilrängen sowie dem Oberstleutnant („podpolkovnik“) bei den Militärrängen des Feldheeres gleichgestellt sein sollte.2 Zum Antritt der Stelle wurde Huyssen ein Betrag von 2.000 Rubel als Ehrengeschenk überreicht.3 1703 war die Stellung Huyssens sicher noch höher zu bewerten, da er an der Ausbildung des einzigen Sohnes und Thronfolgers Peters I. maßgeblich beteiligt war. In seinem Manifest aus dem Jahr 1718, mit dem Peter I. seinen Sohn der Thronfolge enthob, legte der Zar schriftlich nieder, dass er ursprünglich seinen ältesten Sohn Aleksej zu seinem würdigen Nachfolger habe heranziehen und im Sinn der russisch-orthodoxen Religion ausbilden wollen. Da Peters Plan, seinen Sohn in Westeuropa ausbilden zu lassen, sich wegen des Ausbruchs des Großen Nordischen Krieges im Jahr 1700 nicht hatte realisieren lassen, waren für Aleksej ausländische Lehrer eingestellt worden, die ihn in militärischen Angelegenheiten, Politik und Fremdsprachen unterrichten und Einblicke in fremde Länder vermitteln sollten.4 Die Ernennung von Deutschen zu Hauslehrern im russischen Herrscherhaus oder auch in den Familien des Hochadels war eine typische Erscheinung des 18. Jahrhunderts. So betätigte sich beispielsweise Johann Christoph Dietrich Ostermann als Lehrer der Nichten Peters I., Ekaterina, Anna und Praskov’ja.5 Dessen Bruder Heinrich Johann Friedrich Ostermann wurde 1727 Oberhofmeister des Zaren Peter II. und entwarf einen Ausbildungsplan für ihn.6 Huyssen, der ausgiebige Studien und Reisen hinter sich hatte, schien für die Stellung des 1 Petschauer: Heinrich van Huyssen and Peter the Great, 486; Glück/Polanska: Johann Ernst Glück, 89. 2 Tabel’ o rangach vsech činov, 24. Januar 1722. In: Preobraženskij/Novickaja (Hg.): Zakonodatel’stvo Petra I, 393–401, hier 393. 3 Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana III, H[einrich] v[on] Huyssen’s Autobiographie, 41. 4 Manifest Petra I o lišenii staršego syna Alekseja prav nasledovanija prestola vserossijskogo i o naznačenii naslednikom maloletnego svoego syna Petra, 3. Februar 1718. In: Preobraženskij/Novickaja (Hg.): Zakonodatel’stvo Petra I, 54–59, hier 54; Brückner: Der Zarewitsch Alexei, 22. 5 Robel: Kärrner der Aufklärung, 329. 6 Klueting: Ostermann, 619f.

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Hofmeisters prädestiniert. Bereits in Deutschland hatte er Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt: als „Gouverneur“ zweier „Sächsische[r] Cavallire[n]“, von Römer und von Brackersrode, sowie der Söhne Danckelmanns, die er auf die Universität Utrecht begleitet hatte.7 Nachdem der Zar Huyssens Ausbildungsplan geprüft und für akzeptabel befunden hatte, bot er ihm die Aufgabe als Oberhofmeister Aleksejs an – eine Stellung, die in der Rangtabelle von 1722 zur vierten Klasse gehörte und dem Oberprokuror („Ober prokuror“) bei den Zivilrängen oder dem Oberst („Polkovnik“) bei den Militärrängen der Garde entsprach.8 Huyssen lehnte das Angebot allerdings ab und schlug Peter I. stattdessen vor, die Hauptverantwortung für die Erziehung Aleksejs bei Aleksandr Danilovič Menšikov, einem Günstling des Zaren, zu belassen: „Er [Huyssen] refusirte diese hohe Charge und schlug dazu den Prinzen Alexander [Menšikov] vor, unter dessen Commando Er wohl stehen [würde], aber die große Verantwortung wegen eines einzigen Prinzen nicht über sich nehmen möchte, welches dann auch also approbirt wurde.“ Peter versicherte Huyssen, über dessen gute „qualitäten genugsambe Nachrichten eingezogen“ zu haben und keinen Zweifel an seiner „guten Conduite“ zu hegen.9 Offenbar lag schon hier der Ursprung für Peters I. Vertrauen gegenüber Huyssen. Darauf sollte dessen weitere Karriere fußen. Menšikovs Oberaufsicht über den Thronfolger führte später zu einer Auseinandersetzung zwischen Peter I. und seinem Sohn, die erst mit dem frühen Tod des Zarewitsch ihr Ende fand. Der Zarengünstling Menšikov war an der Übernahme der Herrschaft durch Aleksej nicht interessiert, weil diese seinen eigenen Aufstieg verhindert hätte. Peter I. erkannte dies aber nicht. Er verlieh im Gegenteil seinem Günstling am 1. Juni 1707 den Fürstentitel, fest davon überzeugt, dass Menšikov auch dem Thronfolger treu dienen werde.10 So zu Ehren gekommen, drängte Menšikov Huyssen schließlich aus dem Amt des Hofmeisters.11

3.2. Huyssens Ausbildungsplan für den Zarewitsch Die von Huyssen verfasste Instruction des Informatoris des Czaarischen Printzens bestand aus vier Artikeln. Im ersten Artikel wurde die Erziehung des Prinzen im Allgemeinen beschrieben. Zum Religionsunterricht hieß es: „Weilen die wahre Gottesfurcht aller Weisheit Anfang ist/ [...] [,] So ist auch vor allen Dingen bey Erziehung seiner Hoheit hierauf nöthige Reflexion zu machen; Jedoch in Betrachtung/ daß der Informator einer andern Kirche zugethan/ als dieselbe ist/ darinnen seine Hoheit gebohren und auferzogen sind/ wird er/ Informator, bey seinem Amte keine Sorge tragen/ sondern solches schlechterdings anderwärtiger Disposition überlassen.“ Religion durfte Huyssen also nicht lehren, sondern musste dies den russischen Geistlichen überlassen. Gleichwohl wollte er durch seinen Unterricht „einen gottseeligen/ klugen und guten Regenten“ heranziehen. Großen Wert legte Huyssen darauf, dass Aleksej von den richtigen Personen umgeben wurde, die ihm die „Liebe zur 7 Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana III, H[einrich] v[on] Huyssen’s Autobiographie, 16, 23f. 8 Tabel’ o rangach vsech činov, 24. Januar 1722. In: Preobraženskij/Novickaja (Hg.): Zakonodatel’stvo Petra I, 393. 9 Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana III, H[einrich] v[on] Huyssen’s Autobiographie, 41. 10 Gramota o požalovanii Aleksandru Daniloviču Menšikovu knjažeskogo dostoinstva, bei Kasimir 1. Juni 1707. In: [Huyssen]: Zaslugi i podvigi Menšikova. In: Syn’ otečestva, H. 4, 14–20, hier 17. 11 Robel: Kärrner der Aufklärung, 335f.

Huyssens Ausbildungsplan für den Zarewitsch

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Tugend“ beibrachten. Als Untergebener des Oberhofmeisters war Huyssen die Umsetzung seines Lehrplans allerdings erheblich erschwert.12 Im zweiten Artikel der Erziehungsinstruktion beschrieb Huyssen die „Special-Information und Methode zu weiterer Erziehung seiner Hoheit“. Zunächst sollte Aleksej sowohl vor als auch nach der Beschäftigung mit seinen Studien zwei Kapitel aus der Bibel laut und „mit Application“ lesen. Die ersten Monate der Ausbildung waren für das Französische vorgesehen, eine Sprache, „vermittelst welcher man Se. Hoheit zu Tractirung aller einem Printzen nöthigen Wissenschafften fähig machen kan“. Aleksejs Umgebung sollte ausschließlich in dieser Sprache mit ihm verkehren, der Thronfolger sie durch die „tägliche Conversation“ lernen. Während im Europa des 17. Jahrhunderts Französisch die vorherrschende Konversations- und Diplomatensprache war, galt das noch längst nicht für Russland. Selbst Zar Peter I. konnte sich noch nicht auf Französisch verständigen. Huyssens Lehransatz sah vor, erst nach zufriedenstellenden Kenntnissen des Thronfolgers in dieser Sprache, in der zweiten Phase – wie es der dritte Artikel der Instruktion vorsah – Geographie und Geschichte zu unterrichten. Diese beiden Fachrichtungen waren eng mit der Lehre der Politik verknüpft, denn Aleksej sollte lernen, „wem [...] Länder zugehören/ was vor eine Nation darinne wohne/ was vor maximes oder Lebens-Arten sie haben/ was die vornehmsten Revolutionen gewesen/ so sich dort zugetragen/ und was das Moscowitische Kayserthum darbey vor Interesse habe“. Aufschlussreich ist, dass bereits 1703 für das Zarenreich die Bezeichnung „Kayserthum“ verwandt wurde, obwohl dem Zaren erst 1721 angetragen wurde, den Kaisertitel zu führen. In dieser Phase des Unterrichts sollte der Zarewitsch neben der Mathematik auch mit der Militär- und Rechtswissenschaft vertraut gemacht und mit Fecht-, Reit- und Tanzunterricht begonnen werden. In den Pausen zwischen den Studien durfte er sich mit „Volant-Spiel/ Truck-Tafel/ und Ball-Hauß“ beschäftigen.13 Für den Unterricht wurden französische Zeitungsberichte sowie Schriften von Johannes Buno, Samuel Pufendorf und Don Diego de Saavedra Fajardo hinzugezogen.14 Der „Dritte Periodus von Perfectionirung derer Studien“, Artikel vier der Instruktion, sollte nach zwei Jahren der Erziehung einsetzen. In dieser dritten Phase musste sich Aleksej mit Fragen zum Aufbau eines Staatssystems und mit der Interessenspflege von Fürsten, besonders der absoluten Monarchen, beschäftigen. Es ging um eine Vertiefung der Kenntnisse „allen nöthigsten Militar-Wissenschafften/ als Fortification, Artillerie, von Attaquen und Defensionen derer Festungen/ von Bataillen/ Kriegs-Regeln/ und Maximes, und dergleichen/ wie auch von der Architectura civili, Navigation, oder worzu sonst Se. Hoheit alsdann werffen möchten“. Dafür empfahl Huyssen die Einrichtung einer Handbibliothek, für die Lehrbücher in französischer Sprache in den Niederlanden und in Frankreich beschafft werden sollten.15 Huyssen legte den Schwerpunkt seines Unterrichts also auf die weltlichen Wissenschaften und überließ den Religionsunterricht den Geistlichen der russisch-orthodoxen Kirche. Die von Peter I. unterschriebene Instruktion folgte im Kern dem Geist der Frühaufklärung, enthielt aber einen Punkt, der ihre Umsetzung praktisch unmöglich machte: „Bey allem dem/ 12 [Huyssen]: Instruction des Informatoris, 3. April 1703. In: L[ohenstein]: Petri Leben und Thaten, Tl. 1, 56–62. 13 Ebd., 62–66. 14 Ebd., 66–71. 15 Ebd., 71–73. Vgl. ferner Lebedeva, I. N.: Biblioteka careviča Alekseja Petroviča. In: Kniga i knigotorgovlja v Rossii v XVI–XVIII vv. Leningrad 1984, 56–64.

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muß er [der Hofmeister] sich zu bescheiden wissen/ daß er von Seiner Excellenz dem Herrn Ober-Hofmeister dependire/ immediatè an denselben sich zu halten/ und von dorten alle Ordre und Assistence in deme/ so er vor nöthig und rathsam findet/ [...] zu erwarten habe.“16 Diese Klausel machte die Instruktion faktisch zu einer Farce und die Erziehung des Zarensohnes zu einer rein politischen Angelegenheit, denn der Oberhofmeister Aleksejs war und blieb der einflussreiche Günstling Menšikov, der persönliche Gegner des Zarewitsch und bald darauf auch derjenige Huyssens.

3.3. Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Lehrplans Huyssens Scheitern und Aleksejs tragischer Lebensweg gehen wohl maßgeblich auf den Einfluss Menšikovs zurück. Schon seine Zeitgenossen gaben ihm die Schuld daran. Der Reichsvizekanzler in Wien, Friedrich Karl von Schönborn-Buchheim, berichtete, Menšikov habe dem Zarewitsch „schlechte education gegeben, allzeit untertruckhet, nichts lernen lassen, und lauther schlechte Leythe oder narren in der Jugend zu ihme gethan“.17 Aus den Berichten des österreichischen Diplomaten am russischen Hof, Otto Anton Pleyer, geht hervor, dass Menšikov einmal den Thronfolger „bey den haaren auf die erden gerissen habe“, der Zar dazu aber „nichts gesagt habe“.18 Der Hannoversche Gesandte in Russland, Friedrich Christian Weber,19 berichtete im 1738 erschienenen zweiten Band seines Werkes Das veränderte Rußland, die Intrigen Menšikovs, der Aleksej „im Herzen hassete“, seien der Grund für dessen unglückliches Leben gewesen. Weber betonte, dass der Zarengünstling den Prinzen „nicht zu klug und zu gelehrt werden [...] lassen“ wollte, um so dessen Thronbesteigung zu verhindern. Huyssen sei auf Initiative Menšikovs nach Wien geschickt worden, um ihn von seinem Zögling fern zu halten.20 In Anton Friedrich Büschings Magazin für die neue Historie und Geographie hieß es 1767: „und der Zarewitsch, welcher seinem Herrn Vater verhaßt wurde, endigte am 26sten Jun. 1718. sein Leben auf eine traurige Weise, woran, (wie Kaiser Peter II. viele Jahre hernach, in der Nachricht, welche Er einigen Höfen ertheilte, versichert hat,) vornehmlich Fürst Menschikoff Schuld war“.21 Es darf dabei allerdings nicht übersehen werden, dass es sich bei den österreichischen und Hannoveraner Diplomatenberichten nicht um vorurteilsfreie Wertungen handelte. Der

16 [Huyssen]: Instruction des Informatoris, 3. April 1703. In: L[ohenstein]: Petri Leben und Thaten, Tl. 1, 61f. 17 Dve zapiski grafa Šenborna o careviče Aleksee, o. D. In: Ustrjalov: Istorija carstvovanija Petra, Bd. 6, 580–595, hier 584. 18 Donesenija Plejera Cezarju, o. D. Ebd., Bd. 4/2, 539–661. 19 Zu Weber vgl. Klonowski, Martin: Im Dienst des Hauses Hannover. Friedrich Christian Weber als Gesandter im Russischen Reich und in Schweden 1714–1739. Husum 2005 (Historische Studien 485). 20 Weber, Friedrich Christian: Das veränderte Rußland, In welchem Die jetzige Verfassung des Geist- und Weltlichen Regiments, Der Kriegs-Staat zu Lande und zu Wasser, Der wahre Zustand der Rußischen Finantzen, die geöffneten Berg-Wercke, die eingeführte Academien, Künste, Manufacturen, ergangene Verordnungen, Geschäfte mit denen Asiatischen Nachbahren und Vasallen, nebst der allerneuesten Nachricht von diesen Völckern. Ingleichen die Begebenheiten des Czarewitzen, Und was sich sonst merckwürdiges in Rußland zugetragen, Nebst verschiedenen bisher unbekannten Nachrichten vorgestellet werden, Tl. 1–3. Franckfurth u. a. 1738–1740, Tl. 1 ²1738 [¹1721], hier Tl. 2, 1738, 45f. 21 Magazin für die neue Historie und Geographie 1 (1767) 12.

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Machtkampf in Russland wurde von den Vertretern der europäischen Mächte, die eigene strategische Ziele auf dem Kontinent verfochten, aufmerksam verfolgt und es waren gerade Österreich und Großbritannien-Hannover, die den Einfluss Russlands im Konzert der europäischen Mächte einzudämmen suchten. Aber auch Peter I. selbst konterkarierte Huyssens Lehrplan, indem er bei der Ausbildung seines Sohnes den Schwerpunkt auf praktische Tätigkeiten legte, insbesondere auf die Kriegführung. Aleksejs Erziehung in Moskau wurde mehrmals unterbrochen, um ihn auf Reisen praktische Erfahrungen sammeln zu lassen. Als dessen Begleiter erfüllte Huyssen zwar seine eigentliche Aufgabe als Hofmeister, denn: „Ein Hofmeister ist eine Person, welcher junge Herrn anvertrauet werden, selbige in die Frembde zu führen“.22 Der wichtige schulische Unterricht kam dadurch freilich zu kurz. Huyssen reiste mit dem Thronfolger im März 1704 in das neu gegründete St. Petersburg und von dort aus in das Feldlager vor Wiborg: „A.o 1704 im Martio [reiste ich] mit Ihro Hoheit dem CronPrinzen über Tver, Nowgorod nach Petersbourg, von dar [machten wir] eine Reise zu Wasser nach Cronschloß, Kessel Insel /: Collina ostrof :/ [...]. Von St. Petersbourg nahm die armée Ihren Weg nach Wyburg, dem der Hof und das Ministerium auch folgte[n]“ – so Huyssen in seiner Autobiographie.23 Er begleitete Aleksej bei der Belagerung von Narwa, das 1704 von den Russen erobert wurde. Bei der nachfolgenden Besichtigung der Stadt kam es nach Huyssens Bericht zu folgendem denkwürdigen Dialog zwischen Peter I. und seinem Sohn: „Mein Sohn, wir dankhen jetzo Gott für den Sieg, den wir diese Campagne über unsere Feinde erhalten und geben deswegen Seinem Nahmen billich die Ehre. Der Sieg und alles Gutes kommt zwar vom Herrn, doch müssen wir dabei nicht müßig sein, sondern das unsere dazu beytragen. Ich habe dich, mein Sohn, deswegen in Campagne mitgenohmen, damit du sehen mögest, daß Ich dabey die Mühe und Gefahr nicht gescheuet. Weil Ich als ein sterblicher Mensch heute kann abgefordert werden, so mustu erkennen, daß dieses alles haubtsächlich dir zum Besten geschähe. du wirst dich dessen wenig zu erfreuen haben, wo du mein Exempel[,] welches Ich dir zum Vorbild vorstelle, nicht nachfolgest. Es will dir demnach [...] bey deinen immer zunehmenden Jahren dasjenige[,] was zu einer glücklichen Regierung gereichen kann, zu lernen gebühren, treue Räthe und Diener, Sie mögen frembde oder einheimische sein, zu lieben und hervorzuziehen und keine Mühe in Beförderung des gemeinen Besten zu fahren. Weil Ich nicht immer bey dir sein kann, habe Ich einen bey dir verordnet, der dich alles erinnern und zu allem guten und anstandigen anführen soll. Wofern du, wie Ich hoffe, meine väterliche Intention gegen dich erkennest, gutem Rhat folgest und die Gottesfurcht, Gerechtigkeit und Tugend die Richtschnur deines Thuns und Lassens seyn läst, hastu dich Göttlicher Sorgen allzeit zu getrösten und zu erfreuen. Wofern du aber Meiner wohlgemeinten Ermahnung in den Wind schlägst und dich nicht anschickest[,] wie Ich es gerne sehe, werde Ich dich vor meinen Sohn nicht erkennen, ja selbst Gott bitten, daß Er dich zeitlich und ewig strafe.“ Der Thronfolger beugte sich, so berichtet Huyssen weiter, mit Tränen in den Augen zu den Händen seines Vaters, küsste und drückte sie und sagte: „Gnädigster Herr und Papa, Ich bin noch jung und thue, was mir möglich ist, versichere aber Ihro Majestät, daß Ich mich dabei in allem als ein gehorsamer Sohn aufführen und dero actiones mir zum Beyspiel und Nachfolge vorsetzen 22 Schmeizel, Martin: Rechtschaffener Lehr- und Hoff-Meister, oder Vernünfftige Anweisung Wie ein Privat Informator die ihm anvertraute Kinder glücklich unterrichten, Und ein Hoff-Meister seine Untergebene auf Reisen und Universitäten, gebührend anführen solle. Jena 1722, 331. 23 Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana III, H[einrich] v[on] Huyssen’s Autobiographie, 42f.

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werde. Gott erhalte uns Eure Maj. auf lange Jahre in beständiger Gesundheit und stets blühendem Wohlsein, damit Ich noch lange eines so gnädigen und glorwürdigen Vatters mich zu erfreuen haben möge.“24 Dieser Augenzeugenbericht liefert ein in der Historiographie bisher noch kaum beachtetes, relativ frühes Zeugnis über die Unzufriedenheit Peters mit der Entwicklung seines Sohnes. Die Vorzeichen des sich später zuspitzenden Konflikts werden hier schon im Jahr 1704 sichtbar. Von Narwa reisten Huyssen und Aleksej über Nowgorod nach Moskau. Zurückgekehrt in die russische Hauptstadt, nahm der Zarewitsch am 19. Dezember 1704 in der Uniform eines einfachen Soldaten am feierlichen Einzug der Truppen in Moskau teil und begrüßte seinen Vater mit einer Rede am Voskresenskij-Tor.25 Schon 1705 musste Huyssen seine Tätigkeit als Lehrer erneut unterbrechen. Peter I. schickte ihn zur Wahrnehmung anderer Aufgaben ins Ausland. Vor seiner Abreise schrieb der anonyme Autor die Ergebnisse seiner erzieherischen Bemühungen und Verbesserungsvorschläge nieder. Das von ihm verfasste Aktenstück wurde 1901 in der Zeitschrift Russkaja starina in russischer Sprache abgedruckt. Es enthält den mit Aleksej durchgenommenen Lernstoff sowie Anweisungen für den Unterricht während der Abwesenheit des Lehrers.26 Dieses Dokument fand sich in der Russischen Akademie der Wissenschaften unter Menšikovs Papieren des Jahres 1708. Es enthält keine Verfasserdaten und ist auf den 21. April ohne Jahresangabe datiert. Doerries nannte 1705 als Jahr des Erscheinens und Huyssen als dessen Autor.27 Dem Verfasser zufolge war bei der Ausbildung Aleksejs ein guter Anfang gemacht, der auf eine hoffnungsvolle Entwicklung hoffen ließ.28 Huyssen sah jedoch auch die Gefahren, die einer positiven Entwicklung seines Zöglings drohten. Noch im Jahr 1704 richtete er ein Memorial an Menšikov, in dem er seine Sorgen zum Ausdruck brachte. Es müsse dem Prinzen bewusst gemacht werden, „daß Fürsten, die große Reiche zu regieren haben, ohnstreitig mehr wissen und verstehen müssen als Privatpersonen“. Trotz eines „guten Anfang[s]“ in der Ausbildung Aleksejs befürchtete Huyssen, dass nach seinem Weggang aus Russland „nichts geschieht, und die edle Zeit mit Auf- und Niedergehen, Popenschwatzen und sonsten fruchtlos hingebracht wird“. Deshalb appellierte er an Menšikov, dass ihm nicht weit von Aleksejs Räumen einige Zimmer zugewiesen würden, dass Ausländern freier Zutritt in die Räume des Zarewitsch gewährt und ein ausgebildeter Dolmetscher für den Thronfolger bestimmt werden sollte. Als einen Kandidaten dafür nannte Huyssen „den jungen Weßelowski“, vermutlich Fedor Pavlovič Veselovskij, den jüngsten der drei Veselovskij-Brüder, die jüdischer Herkunft waren und alle in diplomatischen Diensten standen.29 Er hatte Sprachen und andere Wissenschaften an Glücks Schule in Moskau gelernt. Huyssen bat, stärker auf die Kleidung des Thronfolgers, namentlich bei öffentlichen Auftritten, zu achten. Auch das Reiten solle er üben, „indem es den Leib wohl formirt, und ihn munter und geschickt macht, welches alles bey Sr. Hoheit überaus nöthig ist“. Zudem solle der Prinz die „Kriegs-Exercitien“ lernen, so wie der Kronprinz von Preußen, der diese zwei 24 25 26 27 28 29

Ebd., 43–45. Ustrjalov: Istorija carstvovanija Petra, Bd. 6, 16f. [Anonym]: Uvedomlenie careviča, 21. April [1705], 518–520. Doerries: Rußlands Eindringen in Europa, 172. [Anonym]: Uvedomlenie careviča, 21. April [1705], 518. Zu Fedor Pavlovič Veselovskij vgl. Serov, Dmitrij Olegovič: Administracija Petra, Bd. 1. Moskva 2007, 31; Glück/Polanska: Johann Ernst Glück, 88, 92, 101, 109, 128, 130, 133.

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bis drei Jahre lang fast täglich mit Erfolg geübt habe.30 Gemeint ist der zu diesem Zeitpunkt sechzehnjährige Kronprinz Friedrich Wilhelm, der wegen seiner Begeisterung für das Militär später der „Soldatenkönig“ genannt wurde. In seinem Memorial ging Huyssen zudem auf die Gefahren ein, die aus einer Nichtbeachtung seiner Vorschläge folgen könnten: „Fals diesem nicht vorgebeugt, und eine bessere Ordnung eingeführet wird, kann ich nicht versichern, daß ich nach Wunsch und Gebühr, der mir gegebenen Instruction ein Genüge leisten, und dasjenige, was bisher versäumet, wieder einbringen werde.“ Da Aleksej „nicht recht wissen und begreifen will, was ein großer Prinz verstehen und lernen muß“, solle er zu seiner Ausbildung „von hoher Hand“ gezwungen werden. Weiter klagte Huyssen, dass ihn niemand bei seinen Bemühungen um den Thronfolger unterstützen würde. Aleksej sei von Leuten umgeben, die „allen freyen Willen lassen, lange zu schlafen, müßig zu gehen, auf und nieder spatzieren“. Dies alles habe sich auf die Entwicklung des Thronerben negativ ausgewirkt und Hoffnung auf Besserung bestünde nur, wenn seinen Anweisungen auch tatsächlich Folge geleistet würde.31 Da man den Verbesserungsvorschlägen jedoch nicht folgte, muss man davon ausgehen, dass der Zar das Memorial nie zu Gesicht bekam. Für diese Annahme spricht, dass es ursprünglich an Menšikov gerichtet war und später unter Huyssens Papieren gefunden wurde. Nach seiner Rückkehr nach Moskau im Oktober 1708 übernahm Huyssen erneut die Erziehung Aleksejs, die während seiner Abwesenheit der Hofsänger Nikifor Kondrat’evič Vjazemskij geleitet hatte. Aus dessen Berichten an Peter I. über Aleksejs Bemühungen im Jahr 1708 geht hervor, dass der Zarewitsch die ihm gestellten Aufgaben mit Fleiß erledigt habe.32 Am 14. Januar berichtete Vjazemskij, dass der Zarensohn seit dem 7. Januar Deutsch lerne und sich auch mit Geschichte und Geographie beschäftige.33 Am 16. November schrieb Vjazemskij über die weiteren Bemühungen Aleksejs um das Erlernen der deutschen Sprache. Allerdings lässt sich dem Brief auch entnehmen, dass der Prinz erst jetzt anfing, Französisch zu lernen,34 möglicherweise ein Indiz dafür, dass der Kronprinz während der Abwesenheit Huyssens nicht weiter unterrichtet wurde. Erst nach dessen Ankunft begann der Zarewitsch, sich mit der Fortifikationslehre zu beschäftigen, für die Huyssen ihm 1709 den „neulich angekommenen“ Ingenieur Friedrich Halibarton vermittelt hatte. Dies bestätigte der Prinz in einem Brief an seinen Vater vom 10. Mai 1709.35 Peter I. schickte seinen Sohn im August desselben Jahres – in Begleitung Huyssens – auf eine Reise nach Westeuropa. Unter anderem strebte der Zar ein Verlöbnis des Thronerben mit einer auswärtigen Prinzessin an. „Die Vermählung des Zarewisch (Kron-Prinzen) mit der Princeßin von Wolfenbüttel“ brachte gleichfalls Huyssen 1707 in Vorschlag, „und stellte dem Zar die Vortheile vor, die von dieser Verbindung gehoft werden könnten“.36 An diesem Plan war auch Baron Johann Christoph von Urbich, der später Nachfolger Huyssens in Wien wurde, beteiligt.37 Die Braut Aleksejs wurde die lutherische Prinzessin Charlotte Christi30 Memorial des Baron Huyßen, 417–423, 426f. 31 Ebd., 422–425. 32 Nikifor Kondrat’evič Vjazemskij an Peter I., Preobraženskoe 14. Januar 1708, o. O. 17. März 1708, o. O. 16. November 1708 und 11. Mai 1709, Auszüge. In: Ustrjalov: Istorija carstvovanija Petra, Bd. 6, 307 f., 311. 33 Nikifor Kondrat’evič Vjazemskij an Peter I., Preobraženskoe 14. Januar 1708, Auszug. Ebd., 307f. 34 Nikifor Kondrat’evič Vjazemskij an Peter I., o. O. 16. November 1708, Auszug. Ebd., 308. 35 Zarewitsch Aleksej an Peter I., Preobraženskoe 10. Mai 1709. Ebd., 310. 36 Haven: Nachrichten von Huyssen, 321. 37 Guerrier, Woldemar [Vladimir Ivanovič]: Die Kronprinzessin Charlotte von Russland, Schwiegertochter Peters des Grossen, nach ihren noch ungedruckten Briefen 1705–1715. Bonn 1875, 6.

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ne Sophie von Braunschweig-Wolfenbüttel, die dritte Tochter Herzog Ludwig Rudolfs von Braunschweig und Lüneburg und Herzogin Christine Luises von Oettingen. Huyssen kümmerte sich zugleich um den Bildungsaspekt dieser Auslandsreise. Anfang 1710 besichtigten Lehrer und Schüler im Dorf Wieliczka in der Nähe von Krakau die tief unter der Erde liegenden alten Salzgruben.38 Im selben Jahr reisten sie von Krakau nach Warschau an den Hof König Augusts II. von Polen, wobei Huyssen die Verwaltung des kronprinzlichen Hofstaates übernahm. Von Warschau ging es weiter nach Dresden. Dort führte der Hofmeister 1711 wegen der angestrebten Vermählung des Kronprinzen den Briefwechsel mit dem Haus Wolfenbüttel in dessen Namen.39 Immer wieder äußerte Aleksej die Hoffnung, den Eltern seiner Braut persönlich aufwarten zu dürfen und, so Aleksej, „meine obligation für den mir beygelegten hochstangenehmen und Werthen Nahmen, und andere marques der angefangenen freundschafft zu bezeugen“.40 Beim Vater der Prinzessin bedankte er sich ausdrücklich für die Einwilligung in die Heirat, die ihm „zu einer sonderbahren Consolation und Vergnügen gereichet“ habe. Das vom Zarensohn erhoffte persönliche Treffen mit den Eltern der Prinzessin sollte später von Graf Aleksandr Gavrilovič Golovkin, dem Generalfeldzeugmeister General von Jordan und dem Oberstallmeister von Heiderstedt vermittelt werden.41 Aleksej sprach in den Schreiben oft von seinem Vater. So berichtete er, sein Vater habe ihn benachrichtigt, dass er nun, nach überstandener Krankheit wiederhergestellt, dem Feind weiterhin erfolgreich Widerstand leiste.42 „Der wohlmeinende Glückwunsch zu der von Ihro Maj. meinem Herren Vater glücklich angefangener Campagne ist mir eine angenehme Marque der sonderbahren guten Propension[,] so Ew. Durchl. und Ldn. zu unser Land und nation tragen“ – so begann Aleksej den Brief an Herzogin Christine Luise von Oettingen am 25. April 1711 – und weiter, Gott werde der gerechten Sache und den Waffen Peters I. beistehen sowie das Wolfenbüttelsche Haus „bey allem Vergnügen langfristiglich erhalten“. Im selben Brief versprach Aleksej, sein Porträt von einem guten Meister anfertigen zu lassen und es an seine künftigen Schwiegereltern zu schicken. Das Bild sollte besser und ihm ähnlicher sein als jenes, das die Familie schon besaß. Aleksej zeigte sich hocherfreut, dass man seinem Porträt im Kabinett, „da viel bessere Stücke seyn werden“, einen Platz geben wolle.43 38 L[ohenstein]: Petri Leben und Thaten, Tl. 2, 590. 39 Haven: Nachrichten von Huyssen, 323; Niedersächsisches Landesarchiv – Staatsarchiv Wolfenbüttel: 1 Alt 24, Nr. 280, Zarewitsch Aleksej an Herzog Ludwig Rudolph von Braunschweig und Lüneburg, Dresden 19. Februar 1711, 151r–152r; Zarewitsch Aleksej an Herzogin Christine Luise von Oettingen, Dresden 19. Februar 1711, 153r–154r; Zarewitsch Aleksej an Herzog Ludwig Rudolph von Braunschweig und Lüneburg, Dresden 12. März 1711, 155r; Zarewitsch Aleksej an Herzogin Christine Luise von Oettingen, Dresden 12. März 1711, 156r; Zarewitsch Aleksej an Herzogin Christine Luise von Oettingen, Dresden 25. April 1711, 167r–167v; Zarewitsch Aleksej an Herzog Ludwig Rudolph von Braunschweig und Lüneburg, Dresden 4. Mai 1711, 169r–170v; 1 Alt 24, Nr. 281, Zarewitsch Aleksej an Herzog Anton Ulrich von Braunschweig und Lüneburg, Braunschweig 30. August 1711, 16r–17v; Zarewitsch Aleksej an Herzog Ludwig Rudolph von Braunschweig und Lüneburg und Herzogin Christine Luise von Oettingen, Wolfenbüttel 11. September 1711, 23r–24r. 40 Zarewitsch Aleksej an Herzogin Christine Luise von Oettingen, Dresden 12. März 1711, 156r. Ebd. 41 Zarewitsch Aleksej an Herzog Ludwig Rudolph von Braunschweig und Lüneburg, Dresden 19. Februar 1711, 151r–151v; Zarewitsch Aleksej an Herzogin Christine Luise von Oettingen, Dresden 19. Februar 1711, 153r–153v; Zarewitsch Aleksej an Herzog Ludwig Rudolph von Braunschweig und Lüneburg, Dresden 12. März 1711, 155r. Ebd. 42 Zarewitsch Aleksej an Herzog Ludwig Rudolph von Braunschweig und Lüneburg, Dresden 4. Mai 1711, 169v–170r. Ebd. 43 Zarewitsch Aleksej an Herzogin Christine Luise von Oettingen, Dresden 25. April 1711, 167r–167v. Ebd.

Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Lehrplans

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In einem Brief vom 30. August 1711 aus Braunschweig bat Aleksej den Großvater der Braut, Herzog Anton Ulrich, im Namen seines Vaters, möglichst schnell einen Ort für die Hochzeit zu wählen.44 Alles deutet darauf hin, dass die letzten Vorbereitungen für die Vermählung in höchster Eile getroffen wurden. So schrieb der Zarewitsch am 11. September 1711 im Postskriptum zum Brief an die Eltern seiner Braut: „bitte Ew. Durchl. nicht übel zu nehmen[,] daß ich nicht mit eigene[r] Hand geschrieben[,] Weil alleß in Eil geschiet“.45 Als Ergebnis der Verhandlungen kam es zur Verlobung in Karlsbad und zur Eheschließung im Oktober 1711 im sächsischen Torgau. Auf diese Weise wurde die Verwandtschaft Peters I. mit dem römisch-deutschen Kaiser Karl VI. begründet, der am 22. Dezember 1711 in Frankfurt am Main gekrönt wurde: Kaiserin Elisabeth Christine und Charlotte Christine, die Braut Aleksejs, waren Schwestern. Nach der Hochzeit in Torgau reiste Huyssen nach Thorn, von dort durch Großpolen nach Pommern in die Nähe von Stettin und weiter nach Mecklenburg. Im Dezember trat er die Rückreise an, wurde jedoch von einer Krankheit in Königsberg aufgehalten und konnte erst 1713 seinen Weg nach St. Petersburg fortsetzen.46 Aleksej führte inzwischen weitere Aufträge seines Vaters aus. So beteiligte er sich zusammen mit ihm am Feldzug in Finnland und leitete den Schiffsbau am Ladogasee. Im Juli befahl Peter seinem Sohn, in das Gebiet von Nowgorod zu reisen, um den Transport von Eichenholz nach St. Petersburg zu leiten.47 Der Zar versuchte mit aller Macht, seinen Sohn in das politische Geschäft einzubinden. All dies konnte aber die Entfremdung zwischen den beiden nicht mehr verhindern. Den Drohungen des Zaren48 folgten die Flucht des Zarewitsch zu seinem Schwager, Kaiser Karl VI., die auf die Überredungskünste eines Agenten des Zaren zurückzuführende Rückkehr nach Russland, seine Verurteilung zum Tod durch das Sondergericht und sein Ableben in der Festung.49 Am 5. Februar 1722 erließ Peter I. ein Gesetz über die Veränderung der Thronfolgeordnung, die die gesetzliche Erbfolge außer Kraft setzte und es ihm ermöglichte, eine beliebige Person als Nachfolger zu benennen. Das Geschehen um Aleksej schrieb der Zar der alten Erbfolge zu, die seinem Sohn den Anschein von Straflosigkeit vermittelt und so dessen Faulheit begünstigt habe.50 In dem Konflikt zwischen Peter I. und Aleksej spitzte sich das Ringen um die Verwirklichung alternativer Konzeptionen der russischen Politik zu. Der Zar vertrat eine expansive Außen- und Militärpolitik, während der Thronfolger dem Ideal des traditionellen heiligen Russland mit Moskau als Zentrum anhing, die neue Metropole St. Petersburg, die von den Russen eroberten Provinzen an der Ostsee und die Kriegsflotte, die Lieblingsschöpfung sei44 Zarewitsch Aleksej an Herzog Anton Ulrich von Braunschweig und Lüneburg, Braunschweig 30. August 1711, 16v. Ebd., 1 Alt 24, Nr. 281. 45 Zarewitsch Aleksej an Herzog Ludwig Rudolph von Braunschweig und Lüneburg und Herzogin Christine Luise von Oettingen, Wolfenbüttel 11. September 1711, 24r. Ebd. 46 Haven: Nachrichten von Huyssen, 323f. 47 Peter I. an Zarewitsch Aleksej, Kronšlot 3. Juli 1713. In: Pis’ma i bumagi, Bd. 13/2, 48. 48 Peter I. an Zarewitsch Aleksej, o. O. 11. Oktober 1715. In: Brückner: Der Zarewitsch Alexei, 129–132, hier 132. 49 Vgl. hierzu Pogodin, M[ichail] P[etrovič]: Sud nad carevičem Alekseem Petrovičem. Ėpizod iz žizni Petra Velikago, s priloženijami i planom Preobraženskago v nastojaščee vremja. In: Russkaja beseda 1 (1860), Buch 19, 1–110. 50 Imennoj ukaz o prave nasledija prestolom, 5. Februar 1722. In: Preobraženskij/Novickaja (Hg.): Zakonodatel’stvo Petra I, 61f.

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Erste Aufträge in Russland

nes Vaters, dagegen wieder aufgeben wollte. Damit kann Aleksej Petrovič mit seiner ablehnenden Haltung gegenüber der Politik seines Vaters als früher Vertreter einer isolationistischen Konzeption der russischen Außenpolitik angesehen werden, deren Vertreter sich später immer wieder zu Wort melden sollten. Während der für das Militär und das Seewesen begeisterte, praktisch veranlagte Zar auf die Vermittlung eines anwendbaren Wissens setzte, um aus dem Ringen mit Schweden siegreich hervorgehen zu können, las sein Sohn mit Vorliebe religiöse und historische Literatur. Aleksej Petrovič war nicht ungebildet. Eine Analyse seiner Bibliothek – Schätzungen zufolge erwarb er etwa 400 Bücher – zeigt, dass der Thronfolger vor allem Arbeiten zur Kirchengeschichte und vergleichende Abhandlungen der einzelnen christlichen Konfessionen schätzte. Er besaß die Werke Johann Arndts und Gottfried Arnolds. Aleksej war mit der Lehre von den vier Hauptmonarchien der alten Geschichte vertraut. Zar Peter warf jedoch seinem Sohn vor allem vor, nichts vom Kriegshandwerk zu halten und damit seiner Politik die notwendige Unterstützung zu versagen. Huyssen hatte mit seinem Bildungsprogramm versucht, humanistische und naturwissenschaftliche Kenntnisse gleichberechtigt zu vermitteln. Vater-Sohn-Konflikte in Herrscherdynastien gab es selbstverständlich nicht nur in Russland, wie Gerhard Simon anhand der Auseinandersetzung zwischen König Friedrich Wilhelm I. von Preußen und seinem Sohn Friedrich eindringlich gezeigt hat.51 Es gibt Vermutungen, wonach sich der Prozess gegen Aleksej negativ auf Huyssens Karriere ausgewirkt habe.52 Das ist aber offenbar nicht der Fall gewesen. Zum einen fiel er den vom Zaren eingeleiteten Untersuchungen und Bestrafungen nicht zum Opfer, zum anderen war seine Karriere auch nach Aleksejs Tod keineswegs zu Ende.53 Huyssens Wirken ist ein Beispiel für die Tätigkeit Deutscher am Zarenhof im Rahmen des durch Peter I. initiierten kulturellen Austausches. Für Deutsche, die im Heimatland gescheitert waren, bot sich die Möglichkeit, hohe Positionen an einem aufstrebenden auswärtigen Hof zu bekleiden. Ein System dahinter lässt sich freilich nur schwer erkennen. Es kam immer auf die konkrete Situation und die jeweiligen Personen sowie auf das soziopolitische Umfeld an.

51 Simon, Gerhard: Der Prozeß gegen den Thronfolger in Rußland (1718) und in Preußen (1730): Carevič Aleksej und Kronprinz Friedrich. Ein Vergleich. In: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas. N. F. 36 (1988) 218–247, hier 218. 52 Klueting, Harm: Deutsche und andere Ausländer in Rußland im 17. und 18. Jahrhundert. In: Wagner/ Bonwetsch/Eggeling (Hg.): Ein Deutscher am Zarenhof, 143–153, hier 147; Petschauer: Heinrich van Huyssen and Peter the Great, 499; Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 123. 53 Haven: Nachrichten von Huyssen, 325.

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4. Die publizistischen Auseinandersetzungen zwischen Huyssen und Martin Neugebauer 4.1. Beginn der Differenzen Martin Neugebauer, 1670 in Danzig geboren, war bürgerlicher Abstammung. Nachdem er Ende der neunziger Jahre des 17. Jahrhunderts in Leipzig Latein, Jura und Geschichte studiert hatte, trat er im Juni 1701 als Erzieher des Kronprinzen in russische Dienste. Sein Verhältnis zu Menšikov, der die Oberaufsicht über den Thronfolger hatte, war offenbar von Anfang an zerrüttet. Menšikov verbot Neugebauer im Januar 1702, den Titel „Hofmeister“ zu führen – er musste sich stattdessen mit der Stellenbezeichnung „Informator“ zufrieden geben. Am 23. Mai 1702 fanden die Spannungen ihren Höhepunkt. In Archangelsk kam es zu einem heftigen Streit zwischen Neugebauer und Aleksejs Gefolge. Neugebauer wurde suspendiert, festgesetzt und schließlich im Juli 1702 aus Russland ausgewiesen. 1706 wechselte er die Seite, trat in die Dienste des schwedischen Kriegsgegners und war als Sekretär Karls XII. bei der Schlacht bei Poltawa zugegen. Anfang der zwanziger Jahre des 18. Jahrhundert wurde er Mitglied im schwedischen Kronrat, 1728 Baron und Kanzler von Pommern.1 Neugebauers anfängliche Angriffe gegen Russland resultierten wohl aus seiner persönlichen Enttäuschung, spätestens nach seinem Eintritt in schwedische Dienste waren sie jedoch eindeutig politisch gefärbt. Die erste Schrift Neugebauers erschien 1704 unter dem Titel Schreiben/ Eines vornehmen Deutschen Officirers.2 In ihr berichtete er von verschiedenen Vorfällen, die Ausländern in russischen Diensten zugestoßen sein sollen. Huyssen schrieb darauf unter dem Namen Simon Petersen eine Entgegnung an den Hoch- und Viel-geneigte[n] Leser, die am 6. August 1705 in Altona erschien.3 Darin warf er Neugebauer vor, einen Angriff auf einen Regenten unternommen zu haben, was in seinen Augen ein Vergehen und überdies einen Verstoß gegen das Völkerrecht darstelle. Es sei allen vernünftigen Menschen bekannt, schrieb Huyssen, dass „gekröhnete Häupter“ von Gott als „Götter auf Erden“ bestimmt seien. Es sei ihr Recht und ihre Pflicht, zu bestrafen und zu belohnen. Wenn schon das „Calumniiren“ und „EhrenAbschneiden“ gegen eine Privatperson strengstens verboten sei, so verdiene es eine noch viel höhere Strafe, eine Majestät „zu schänden, zu schmähen und zu lästern“. Umso mehr erstaune es den Verfasser, dass „ein Ehr- und Gewissenloser Majestäten-Schänder“ es gewagt habe, das Schreiben/ Eines vornehmen Deutschen Officirers, das „viele verläumdische Erdichtungen und unverantwortliche Lügen“ enthalte, der Öffentlichkeit zu präsentieren.4 Er stehe seit acht Jahren in den Diensten des russischen Zaren, fuhr Huyssen alias Petersen 1 Š-v: Nejgebauer, 192–194. 2 [Neugebauer]: Schreiben/ Eines vornehmen Deutschen Officirers. 3 Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden: Hist. Russ. 14, misc.1, Petersen [Pseud. v. Huyssen]: Hoch- und Viel-geneigter Leser. 4 Ebd.

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fort, und wisse, dass sein Gegner „einer von denen losen Gästen“ sei, die zunächst die Gunst Peters I. erlangt hätten und wegen ihres „unanständlich[en] und excessiv[en], gottloß[en] und unverantwortlich[en]“ Verhaltens daraufhin in Ungnade gefallen seien. Dafür wollten sie nun offenbar am Zaren Rache nehmen. Sie reisten von Land zu Land und versuchten den Eindruck zu erwecken, als ob sie sich auf ihrem Posten untadelig verhalten hätten. Tatsächlich aber seien sie nur „Übelthäter und grobe Verbrecher“ und wollten die Leser davon überzeugen, dass sie nur ins Elend geraten seien, weil man in Russland das Gerechte dem Ungerechten gleich setze. Solche abschätzigen und darüber hinaus falschen Berichte, so Huyssen weiter, könnten auch anderen Königreichen Grund zur Sorge geben, weil sie „Thür und Thor zu solcher Majestät-Schändung“ öffneten. Er empfand Neugebauers Schrift als „die allerschandloseste Calumnie“, die er nicht „mit Stillschweigen versiegel[n]“ könne, da sie seinem Herrn großen Schaden zufüge. Der Zar sei gerecht und behandle Ausländer entsprechend ihrer Eigenschaften. Jeder nüchtern urteilende Mensch wisse von den guten Absichten und großen Taten dieses Monarchen und schenke dem Pasquillanten, dem Verfasser dieser Schmähschrift, keinen Glauben.5 Neugebauers Reaktion folgte am 10. September 1705 mit der Schrift Der Ehrliche Simon Petersen Wider Den Schelmischen.6 Der Titel sollte wohl sarkastisch sein, denn Neugebauer gab vor, der echte Petersen zu sein. Er schrieb, dass die „ehrliche[n] [und] brave[n] Leute“ von den Russen, „diese[n] ehrlose[n] und betrügerische[n] Barbare[n]“, sowie ihren Agenten „in die unerlößliche Sclaverei“ gelockt würden. Die Umtriebe dieser „Menschen-Fischer“ wollte Neugebauer verhindern und seine „Neben-Christen“ vor ihnen und vor einem grausamen Tyrannen warnen. Den Vorwurf der Herrscherbeleidigung ließ Neugebauer nicht gelten, seiner Ansicht nach war Peter I. kein gekröntes Haupt, sondern ein „barbarischer Tyrann“. Um seine Behauptung zu belegen, führte er einige Beispiele an, eines davon betraf den Generalfeldmarschall George Benedict von Ogilvy. Dieser habe dem Zaren gesagt, dass er in den Dienst des römisch-deutschen Kaisers wechseln würde, wenn Peter ihn weiter so schlecht behandele. Die Antwort habe aus einer Aneinanderreihung von Schimpfwörtern bestanden, die Neugebauer aus dem Russischen nicht übersetzen wolle. Er empfahl den Lesern, seinem Opponenten und anderen Betrügern keinen Glauben zu schenken, sondern sie vielmehr zu verprügeln und bei der Obrigkeit anzuzeigen. Seine eigene Schrift bezeichnete er als „ein nützliches und wahrhaftes Werkchen“.7

4.2. Fortführung der publizistischen Kontroverse Im Jahr 1705 legte Neugebauer noch eine weitere, ausführlichere Schrift unter dem Titel Vertrautes Schreiben Eines Vornehmen Teutschen Officirs vor.8 Als Grund für die Abfassung führte er an, dass ihn eine einflussreiche Person gefragt habe, ob die Deutschen in Moskau gemäß dem Werbemanifest Peters I. behandelt würden und ob er empfehlen könne, sich in Zarendienste zu begeben. Sein Urteil, dass nämlich „alle ehrliche[n] Leute“ in Russland 5 Ebd. 6 Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden: Hist. Russ. 14, misc. 2, Petersen [Pseud. v. Neugebauer]: Der Ehrliche Simon Petersen Wider Den Schelmischen. 7 Ebd. 8 [Neugebauer]: Vertrautes Schreiben.

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betrogen, beschimpft und geschlagen würden, war eindeutig. Er drohte den Russen mit Vergeltung und warnte seine Landsleute vor diesen „Barbaren“, „Canaille[n]“ und „Bestien“. Andere Attribute für das ihm so verhasste Volk waren: „die unartigsten Leute der Welt“ und „die Excrementa der Christenheit“. Den Zaren verglich Neugebauer mit Äsops Esel, der in eine Löwenhaut schlüpfe, um andere Tiere in Schrecken zu versetzen, aber an seinem Gebrüll von einem Fuchs erkannt werde.9 Neugebauer trat in seiner Schrift nicht nur als Kritiker führender Persönlichkeiten in Russland und der dort herrschenden Verhältnisse auf, sondern schmähte auch den Zaren selbst. Im Interesse des Königs von Schweden solle Peter I. vom Thron gestoßen werden, wie es dem König von Polen bereits widerfahren sei. Dies sei nicht so schwer zu realisieren, wenn man – so Neugebauer – in Betracht ziehe, dass viele Russen mit der Politik des Zaren unzufrieden seien und es in Russland genug vornehme Familien gebe, deren Angehörige mit Hilfe Schwedens den Thron besteigen könnten. Am Ende seiner Schrift versprach Neugebauer, in Russland anzutreffende Erscheinungen, wie „Betrug/ Abgötterey/ Frechheit/ Sclaverey/ Grausamkeit/ Undanck und Haß gegen Ausländer/ Ungeschicklichkeit/ Faulheit/ Zauberey/ Sodomiterey/ Untreu/ Entführung und Stehlung Teutscher Weiber und Kinder“ öffentlich bekannt zu machen. Das Buch, das er seinen Landsleuten zu Neujahr vorlegen wollte, solle den Titel Neupolirter Russenspiegel erhalten.10 Huyssen reagierte rasch mit einer detaillierten Gegendarstellung. Sie erschien 1705 in Narwa unter dem Titel Ausführliche Beantwortung Des freventlichen und lügenhafften Pasquils und wurde 1706 ohne Ortsangabe nachgedruckt.11 Die einzige erhaltene Nachdruckausgabe ergänzt das von Huyssen ausgearbeitete Moscowitische Kriegs-Reglement.12 Grund für die Ausführliche Beantwortung seien die angeblichen Zweifel, die das Pamphlet Neugebauers bei einem einflussreichen deutschen Fürsten ausgelöst habe. Dieser habe den Autor mit der Anfertigung der Schrift beauftragt.13 Als Ursache für die Verbreitung der antirussischen Pamphlete machte Huyssen „Neid und Mißgunst“ derjenigen aus, denen die Kriegserfolge Russlands „ein rechter Dorn und Stachel“ in den Augen seien. Ziel sei, die Anwerbung und Abwanderung deutscher Arbeitskräfte aus dem Heimatland zu behindern. Einer von diesen Neidern sei Neugebauer, der diejenigen in die Irre führen wolle, die über den wahren Zustand des Landes nicht ausreichend informiert seien. Sein Ansinnen sei es, Russland und besonders „den Printz[en] Alexander“ Menšikov „herunter [zu] machen“.14 In den Mittelpunkt von Huyssens Gegenschrift rückten zwei Personen, die einander gegenübergestellt wurden: Peter I. und Neugebauer. Ihre Eigenschaften standen im scharfen Kontrast zueinander: Der Zar symbolisierte das Gute, der ehemalige Erzieher seines Sohnes das Böse. Huyssen schilderte die Geschichte Neugebauers in russischen Diensten und zeigte damit anschaulich das Verhältnis zwischen Fremden und Einheimischen im petrinischen Russland, das von explosiven Spannungen nicht frei war. Er bezeichnete Neugebauers Bericht als eine „gifftige Schrifft“, „Läster- und Schmähe-Schrifft“, „aneinander hängende Kette leichtfertiger Lügen“ eines „Lügen-Schmiedes“, ein „Schand-Buch“, eine „Verleumdung“ 9 10 11 12 13 14

Ebd., 3, 12–14. Ebd., 33, 42. [Huyssen]: Ausführliche Beantwortung. [Ders.]: Moscowitisches Kriegs-Reglement. Ebd., 2–16. [Ders.]: Ausführliche Beantwortung, 5f. Ebd., 2f., 101.

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und einen „Lügen-Roman“. Die ganze Schrift sei „durch und durch mit nichts, als mit erdichteten factis angefüllet“. Der Autor sei ein „infame[r] Pasquillant“, ein „gottlose[r] EhrenSchänder“, ein „Ehren-Dieb und Läster-Maul“. Die Schrift sei für „nichts anders gedacht, als die Leute malcontent und mißtrauisch durch seine Plaudereyen und falsche[n] Vorstellungen zu machen“. Sie verdiene „wegen der darin enthaltenen groben Lügen, und offenbahren Verläumdungen“ nicht einmal beantwortet zu werden. Doch da Stillschweigen nicht immer als Verachtung ausgelegt werde, hielt Huyssen es für nötig, zu reagieren.15 Huyssen interpretierte Neugebauers Fall ganz anders als dieser selbst. Bevor Neugebauer aus Danzig nach Russland gekommen sei, habe er als Student an der Universität Leipzig ein liederliches Leben geführt. Deshalb habe er die Hochschule verlassen müssen und sei wenig später mit General Carlowitz nach Russland gekommen. In Moskau habe Neugebauer zuerst im Haus seines Landsmanns, eines evangelischen Predigers, gewohnt. Übergangsweise sei ihm die Stellung als Informator des Thronfolgers Aleksej angeboten worden, bis man einen besseren Kandidaten mit Hof- und Reiseerfahrung sowie Fremdsprachenkenntnissen zu finden hoffte.16 Allerdings stellte Huyssen mit der Schilderung des raschen Aufstiegs eines gescheiterten Studenten zum Prinzenerzieher seinen russischen Dienstherrn unfreiwillig ein Armutszeugnis aus, denn der Mangel an befähigten Lehrern am Hof wurde nur zu deutlich vor Augen geführt. Die Behauptung Neugebauers, dass er für diese Stelle vom polnischen König empfohlen worden sei,17 hielt Huyssen für eine Erfindung. Als Neugebauer Informator des Zarewitsch wurde, sei er größenwahnsinnig geworden. Er habe beispielsweise versucht zu verhindern, dass die Kammerjunker ohne seine Erlaubnis zu Aleksej gingen oder dass der Kronprinz ohne ihn zu Mittag esse. Er habe ständig gestritten, nur von seinem Rang gesprochen und sei auch mit den Vornehmsten des Landes hochmütig umgegangen. Darüber hinaus habe sich Neugebauer häufig beim Zaren grundlos darüber beschwert, dass man ihm nicht ausreichend Respekt zolle.18 Nur den Deutschen habe Neugebauer den Umgang mit Aleksej gestattet, fuhr Huyssen fort, für die russischen Kreise habe hingegen ein Kontaktverbot gegolten. Einen „Herrn L.“ habe Neugebauer hinaus gejagt, da er ohne vorherige Anmeldung gekommen sei, obwohl er über eine Erlaubnis des Zaren verfügt habe. So wollte er, indem er Streit und Zwist säte, „wider den Strom schwimmen“. Er sei schließlich so absonderlich geworden, „daß er aus einer Absurdität in die andere verfiel“. Als er von Menšikov auf freundliche Weise an seine Pflichten als Erzieher des Thronfolgers erinnert wurde, habe Neugebauer dies ignoriert, weil er sich nicht an dessen Befehle gebunden fühlte. Die Erziehung des Prinzen habe ihn in keiner Weise interessiert. „Und so gieng es nun mit diesem N.[,] der seine Sayte so hoch spannete, daß sie endlich nothwendig reissen muste“.19 Für Huyssen war Neugebauer selbst an seinem Unglück schuld, die Besonderheiten der russischen Mentalität hätten für ihn keine Rolle gespielt. Huyssen beschrieb des Weiteren einen Vorfall vom 23. Mai 1702, bei dem Neugebauer so die Fassung verloren habe, dass beim Essen nicht nur sein Messer und seine Gabel vom Tisch gefallen seien, sondern auch sein Degen nicht weit vom Thronfolger gelandet sei. 15 16 17 18 19

Ebd., 2, 4–6, 15, 20, 33, 37, 58. Ebd., 50f. [Neugebauer]: Vertrautes Schreiben, 16. [Huyssen]: Ausführliche Beantwortung, 51f. Ebd., 52–54.

Fortführung der publizistischen Kontroverse

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Darauf sei er auf Befehl Peters I. vom Zarewitsch entfernt worden und habe im Haus des Fürsten Aleksej Borisovič Golicyn bis zum Ende der gegen ihn eingeleiteten Untersuchung bleiben müssen. In Europa, stellte Huyssen fest, blieben manche ohne Nennung der Gründe für längere Zeit eingesperrt, Neugebauer habe es dagegen in Russland besser gehabt, denn er sei nur aus dem Dienst entlassen und bald auf freien Fuß gesetzt worden. Aufgrund des Krieges habe man ihn jedoch verständlicherweise nicht sofort aus Russland ausreisen lassen können. Während der Wartezeit habe er Menšikov mehrmals angefleht, er möge ihm seine Stellung zurückgeben, da er jetzt mit allen Bedingungen einverstanden sei, er habe auch ein ausschweifendes Leben geführt und sei zudem konspirativ tätig geworden. In seinem Haus hätten sich all die versammelt, die in Russland zu dieser Zeit unzufrieden gewesen seien, wie zum Beispiel schwedische Offiziere. So sei eine „Lügen-Academie“ entstanden, die in erster Linie Ausländer zu beeinflussen versuchte.20 Dieses Verhalten habe Neugebauers Ruf verständlicherweise in russischen Kreisen sehr geschadet. Großherzig, wie Peter I. sei, habe er ihn trotzdem als Gesandten nach China, in das Khanat Chiva, nach Persien oder Ost-Indien entsenden wollen. Doch für Neugebauer sei dies alles nicht schnell genug gegangen, er habe immer wieder Drohbriefe an den Zaren gesandt und weiterhin Gerüchte über Russland verbreitet. Dies alles konnte nicht länger geduldet werden, so dass Neugebauer des Landes endgültig verwiesen wurde und über Archangelsk ausreisen musste.21 Obwohl Huyssen in seiner Schrift den Namen Neugebauers nicht nannte, sondern nur dessen Initialen, war eindeutig, wen er gemeint hatte. Neugebauers Prinzipien konnten seiner Auffassung nach keine christlichen sein, sondern deuteten auf eine kleinliche, grob unchristliche Person hin. Es sei der einzige Lebensinhalt dieses „Ehren-Schänder[s]“, andere Menschen gegeneinander aufzuhetzen. Er sei nie in die Kirche gegangen, habe den Glauben nur zum eigenen Vorteil gewechselt und ständig gelogen. Wenn fremde Minister, Offiziere und andere Ausländer nach Russland kamen, habe Neugebauer über das Land hergezogen, um Misstrauen zu erregen.22 Huyssen versuchte ferner Schilderungen Neugebauers zu widerlegen, in denen dieser von der angeblichen Misshandlung ausländischer Gesandter in Russland gesprochen hatte. So hatte Neugebauer berichtet, dass die schwedischen Botschafter 1699 in Russland in Arrest genommen worden seien, weil ihr Botschaftsmarschall, Major Jakob von Ranck, mit dem Residenten von Brandenburg „Widerwärtigkeit“ hatte.23 Huyssen zufolge habe Ranck im Haus des schwedischen Kommissars Thomas Kniperkron den brandenburgischen Residenten Timotheus Ciesielski von Zadora mit dem Degen angegriffen, der daraufhin seinen Verletzungen erlegen sei. Ranck sei dann während der Wartezeit auf eine Resolution des brandenburgischen Hofes nach einem Fluchtversuch in Arrest genommen worden. Er sei in der Haft aber gut behandelt und verpflegt worden, bis er an Fieber gestorben sei. Dafür sei jedoch nur Gott verantwortlich, der ihm sein Leben zu Recht verkürzt habe.24 Weiter behauptete Neugebauer, dass der dänische Gesandte 1700 und 1701 in Moskau viel Ungemach erdulden musste, weil sein König mit Karl XII. von Schweden Frieden geschlos-

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Ebd., 54–57. Ebd., 57f. Ebd., 6f., 26. [Neugebauer]: Vertrautes Schreiben, 3. [Huyssen]: Ausführliche Beantwortung, 11–13.

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sen hatte.25 Huyssen entgegnete, dass der Envoyé von Dänemark fast neun Jahre in Russland verbracht und niemals Grund zur Klage gehabt habe. Es stimme, dass er nach dem Frieden von Traventhal vom 18. August 1700, durch den Dänemark aus der anti-schwedischen Koalition ausschied, sich eine Zeit lang nicht habe sehen lassen, aber an dieser Stelle fragte Huyssen „Quid inde?“, Was folge daraus? Wäre es in einem anderen Land anders gewesen?26 Neugebauer brachte vor, der persische Gesandte habe in Russland zwei Jahre in Haft verbracht.27 Huyssen hielt dagegen, der Gesandte sei auf der Durchreise nach Schweden gewesen, aber niemals von den Russen verhaftet worden. Man habe jedoch den Verdacht gehabt, dass er den Schweden über die Kriegsvorbereitungen in Russland berichten oder sonst irgendwie intrigieren würde. So habe man den Gesandten nicht durch Livland reisen lassen und eine Zeit lang in Russland aufgehalten, bis man die notwendigen Maßnahmen zu einer sicheren Weiterreise ergriffen hätte. „Wie offt die Schweden eben dasselbige practicirt, übergehet der Autor mit Fleiß“, fügte Huyssen hinzu. Als Beispiel nannte er den Fall des preußischen Residenten Georg Johann von Keyserling, der 1701 in Litauen bei seiner Durchreise nach Moskau von den Schweden in Haft genommen worden sei und bei seiner Freilassung den Weg nach Russland vorgeschrieben bekommen habe.28 Huyssen versuchte zu zeigen, dass die Russen die Rechte fremder Gesandten nicht verletzten, unangenehme Vorfälle vielmehr der Ausnahmesituation des Krieges geschuldet seien. Selbst wenn die Behauptungen Neugebauers der Wahrheit entsprächen, so Huyssen, hätte man sie aus offiziellen Verlautbarungen erfahren müssen, denn selbstverständlich hätten die Monarchen reagiert, hätte man ihre Gesandten ungerecht behandelt. Kein Minister wäre nach Moskau zurückgekehrt, wenn die Schrift Neugebauers auch nur ein Körnchen Wahrheit enthielte. Ganz im Gegenteil gäbe es viele, die nach ihrem ersten Aufenthalt immer wieder nach Russland kommen wollten. Einige von ihnen kritisierten zwar die russischen Verhältnisse, machten dies aber ausschließlich deshalb, um eigene Verdienste vor ihrem Herrscher zu betonen.29 Auseinandersetzungen zwischen Huyssen und Neugebauer gab es auch bezüglich des von Johann Reinhold Patkul entworfenen Werbemanifests Peters I. aus dem Jahr 1702. Laut Neugebauer waren die darin fixierten Punkte von der russischen Seite nicht eingehalten worden.30 Huyssen erwiderte, dass Ausländer diesem Dokument entsprechend nach Russland ohne Hindernis ein- und ausreisen sowie ihre Religion dort frei ausüben dürften. Für sie sei ein aus deutschen Offizieren zusammengesetztes Kriegsgericht zuständig und sie erhielten ein hohes Entgelt. Es gäbe jedoch einige, die den Anforderungen nicht gerecht würden. Diese würden mit einem Pass und oft mit Reisegeldern in ihre Heimat zurückgeschickt. Ansonsten gäbe es viele Ausländer, die „stoltz und hochmüthig“ seien. Sie verachteten die Russen, stellten hohe Ansprüche und würden somit Opfer ihrer eigenen Arroganz.31 Huyssen untermauerte seine Argumentation mit einem weiteren Beispiel für das schlechte Benehmen von Ausländern. Neugebauer hatte erzählt, Peter I. habe im Jahr 1700 den pol25 26 27 28 29 30 31

[Neugebauer]: Vertrautes Schreiben, 4. [Huyssen]: Ausführliche Beantwortung, 21. [Neugebauer]: Vertrautes Schreiben, 10. [Huyssen]: Ausführliche Beantwortung, 39f. Ebd., 16f. [Neugebauer]: Vertrautes Schreiben, 3, 20, 32. [Huyssen]: Ausführliche Beantwortung, 7–10.

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nischen Gesandten in Russland, General Lange, eigenhändig geschlagen.32 Huyssen zufolge bezichtigte aber Lange selbst Neugebauer der Lüge und wollte dessen Aussagen schriftlich widerlegen. Bei einem Fest habe Peter I. nämlich der Wache befohlen, die eingeladenen Gäste nicht ohne sein Wissen gehen zu lassen, woraufhin sich Lange mit einem Wachtposten angelegt hatte. Selbst der befreundete Menšikov wurde von Lange zum Duell herausgefordert. Der Zar selbst habe dann die Gemüter beruhigt, habe Lange persönlich und in großer Freundlichkeit seinen Befehl an die Wache erklärt und ihm bedeutet, dass Lange ihn selbst als seinen Kontrahenten ansehen müsse, wenn er partout ein Duell ausfechten wolle. Am nächsten Tag sei alles vergessen gewesen, als Scherz hingestellt und dem Wein zugeschrieben worden.33 Huyssen führte ferner das Geschehen um den Generalmajor der Artillerie Jakob Bruce an, der zu den engsten Vertauten des Zaren gehörte und später ausländische Spezialisten ins Land holen sollte. Laut Neugebauer musste dieser „ohne Artillerie, Pulver und Kugeln“ Narwa erobern.34 Nach Huyssen wurde Bruce 1701 nach Narwa geschickt und sollte dazu aus Nowgorod Kriegsvorräte besorgen. Dies habe er aber nicht schnell genug bewerkstelligen können, was der Anlass für seine Verhaftung geworden sei. Bruce sei vor das Militärgericht gebracht und nach seiner Rechtfertigung wieder freigelassen worden. Ansonsten sei Bruce ein fleißiger und ruhiger Mann, der einer vornehmen schottischen Familie entstamme und für seine Leistungen zum Gouverneur von Nowgorod und zum Präsidenten der für die Artillerie zuständigen Verwaltungsstelle puškarskij prikaz ernannt worden sei.35 Neugebauer behauptete weiter, dass Ausländer in Russland zu Unrecht hingerichtet würden. So sei 1703 der aus Frankreich stammende Oberst Bodewin enthauptet worden, weil sein Diener und Dolmetscher den Feldscher Menšikovs erstochen habe. Ebenso grausam sei der aus Thüringen gebürtige Leutnant der Garde Crassau wegen der Ermordung eines Schulmeisters hingerichtet worden.36 Huyssen entgegnete, dass in der deutschen Vorstadt Moskaus, wo Angehörige verschiedener Nationalitäten lebten, oft Zwietracht gesät und konfessionelle, kulturelle und soziale Konflikte angeheizt worden seien. Um Todesfälle zu verhindern, hatte Peter I. gesetzlich das Duellieren verboten. Doch dieses Verbot sei in den Kreisen der Ausländer zunächst nicht akzeptiert worden, so dass es immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen gekommen sei. Bodewin habe beispielsweise bei einer Hochzeit den aus Frankreich stammenden Kammerdiener Menšikovs aus Neid und Eifersucht um die Gunst Peters I. umgebracht. Aus denselben Motiven hätten Ende Dezember 1702 der Hauptmann Sachse und seine Kameraden einen Holländer aus Konstantinopel, der Chirurg Menšikovs war, während der gleichen Veranstaltung tödlich verwundet.37 Nach ihrer Gefangennahme hätte der Zar die Täter begnadigen wollen, nachdem zahlreiche fremde Offiziere für sie eingetreten wären. Erst als aber der bereits erwähnte Crassau am 27. Februar 1703 den Rektor und Organisten der evangelischen Kirche der deutschen Vorstadt mit seinem Degen getötet habe,38 ließ Peter I. laut Huyssen ein Exempel statuieren, um neuerliches Blutvergießen zu verhindern. Deshalb seien Bodewin und Crassau mitten in der Vorstadt der Ausländer 32 33 34 35 36 37 38

[Neugebauer]: Vertrautes Schreiben, 4. [Huyssen]: Ausführliche Beantwortung, 15f. [Neugebauer]: Vertrautes Schreiben, 4. [Huyssen]: Ausführliche Beantwortung, 18f. [Neugebauer]: Vertrautes Schreiben, 5–8. [Huyssen]: Ausführliche Beantwortung, 27–29. Ebd., 30f.; Dukmeyer: Korbs Diarium itineris in Moscoviam, Bd. 2, 32.

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hingerichtet worden. Seinen Diener, den Neugebauer als „Mörder“ bezeichnete, so berichtete Huyssen, habe Bodewin nur deshalb des Mordes bezichtigt, um seine eigene Schuld auf ihn abzuwälzen, was allerdings rasch aufgedeckt worden sei.39 Über Major Mark Bogdanovič von Kirchen hatte Neugebauer geschrieben, dass der Zar ihn beschimpft habe, als er nach einem Jahr des Dienstes als Major nicht Kapitän werden wollte, um so seine Stelle für einen Russen freizumachen.40 Huyssen versuchte auch dies zu entkräften. Kirchen habe sich geweigert, den Befehl Peters I. auszuführen, nach der neuen Art zu exerzieren, und weiter an der „altfränkischen“ Methode festgehalten. Er sei keineswegs beschimpft worden, sondern habe seine Karriere in Russland erfolgreich fortgesetzt und befinde sich nach wie vor zufrieden in den Diensten des Zaren. Huyssen versuchte zu beweisen, dass zum einen die Strafen für Ausländer in Russland gerecht seien, zum anderen zuverlässige Angeworbene zu einflussreichen Positionen aufsteigen konnten. Dies ermögliche ihnen Zar Peter I., den Huyssen als bedeutende und starke Persönlichkeit darstellte. Huyssen nannte ihn „Vater des Vaterlandes“, für den „die Klugheit als die Gerechtigkeit die Richtschnur seiner Regierung“ seien. Die ganze Welt bewundere die Taten dieses Monarchen und seine Staatsführung werde von den Chinesen mit der Lehre des Konfuzius verglichen.41 Auch dieser Vergleich wurde erstaunlich früh angestellt. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war das Zarenreich Durchgangsland für die jesuitischen Missionare, die aus Frankreich auf dem Landweg nach China zogen, wo sie am Kaiserhof als Spezialisten für Mathematik, Astronomie und Instrumentenbau geschätzt waren. Gottfried Wilhelm Leibniz stand in Kontakt mit diesen französischen Jesuiten, die ihm wertvolle Nachrichten über China übermittelten. Wenn nun Peter I. sein Land gemäß den Lehren des Konfuzius regiert haben soll, so wurde diese Aussage getroffen, bevor die wichtigsten Reformen in Russland einsetzten. Huyssen hatte zu diesem Zeitpunkt bereits Kenntnis davon, wie Peter I. in Peking bewertet wurde. Huyssen nahm auch Einschätzungen von Peters Persönlichkeit vor. So berichtete er, der Zar teile seine vorhandene Zeit verantwortungsbewusst ein. Er lese dem Volk in der Kirche Gebete und Kapitel aus dem Alten und Neuen Testament vor. Sein Hauptbestreben sei es, seinen Untertanen Bildung zu vermitteln.42 Damit wird bestätigt, was auch in anderen zeitgenössischen Überlieferungen berichtet wird: Peter I. war, entsprechend den Grundsätzen der russisch-orthodoxen Kirche, tief religiös, wenn er auch bei anderen Gelegenheiten im Sinn der Frühaufklärung Aberglaube und Volksverdummung durch Kirchenvertreter bloßlegte und verspottete. Der Zar hatte wohl auf seiner Auslandsreise 1697/98 und durch seinen Kontakt mit protestantischen Ausländern erlebt, wie man die Religiosität des Volkes beförderte und gleichzeitig als Herrscher ein persönliches Beispiel geben konnte. Aufklärung (prosveščenie) hatte im Russischen zu jener Zeit auch die Bedeutung „Verbreitung des Wortes Gottes“. Die Behauptung Neugebauers, die „unanständige Aufführung [Peters] in Kleidern“ resultiere aus seinem Geiz,43 konterte Huyssen damit, dass der Zar genügend schöne Kleider habe, aber schlichte, alltagstaugliche Kleidungsstücke bevorzuge. „Wie das Kleid den Mann nicht machet“, fügte Huyssen hinzu, so bestehe auch die Würde eines Fürsten in anderen und wich-

39 40 41 42 43

[Huyssen]: Ausführliche Beantwortung, 29–32. [Neugebauer]: Vertrautes Schreiben, 23f. [Huyssen]: Ausführliche Beantwortung, 2, 66. Ebd., 83f., 87. [Neugebauer]: Vertrautes Schreiben, 33.

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tigeren Dingen.44 Peter sei ein „preißwürdige[r] Regent“ und „ein rechter Soldaten-Vater“, der fremde Offiziere unter seinen Schutz nehme. „Ist jemand von denen fremden Officierern in seinige Straffe verfallen, so hat er es wohl gewiß verdienet.“ Huyssen betonte, dass gewisse Ausländer allerdings nur unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in die Zarendienste gelangten und es schwierig sei, dies gleich festzustellen. So bemühe sich Peter I., sobald wie möglich mit den fremden, gerade angekommenen Offizieren Kontakte zu knüpfen, mit ihnen zu reden und ihnen Fragen zu stellen, um sie auf diese Weise besser beurteilen zu können.45 Die körperlichen Bestrafungen in Russland versuchte Huyssen zu rechtfertigen. Die russische Justiz sei streng, aber gerecht. Auf Diebstahl stehe keine Todesstrafe. Mord hingegen werde mit dem Tod geahndet. Peitschenschläge und andere Bestrafungen seien von Neugebauer so ausführlich beschrieben worden, als ob er dabei gewesen wäre, konterte Huyssen. Derartige Strafen verdiene Neugebauer jedoch selbst, weil er die Regierung und ihre Minister angreife. Huyssen fragte provokant, ob an anderen europäischen Höfen geringere Strafen als in Russland verhängt würden. Würden Hexen und Ketzer nicht lebendig verbrannt und die Mörder nicht gerädert oder aufgespießt?46 Die russischen Soldaten lobte Huyssen. Sie bezeugten ihren Kommandeuren und besonders fremden Offizieren „Liebe, Gehorsam, Respect, und Vertrauen“. Darüber hinaus seien sie großmütig. Aus Mitleid hätten sie die aus Narwa fliehenden Bauern, Frauen und Kinder mit Essen und Trinken versorgt. Und nirgends in der Welt würden Kriegsgefangene so gut behandelt wie in Russland.47 Gleichzeitig drangen im Großen Nordischen Krieg auch Berichte über Kriegsgräuel, die von russischen Truppen an der einheimischen Bevölkerung verübt worden seien, nach Westeuropa. In russischen Diensten stehende Propagandisten wie Heinrich von Huyssen mussten solchen Meldungen freilich mit allen Mitteln entgegen treten. In Huyssens Augen hatte Neugebauer aber nicht nur den Zaren, sondern auch die ganze russische Nation angegriffen. Auswärtige, die sich im Land aufhielten, seien von ihm des gleichen aufs Gröbste beschimpft worden.48 Darüber hinaus sei Neugebauer in das Verhältnis Peters I. zu seinen Freunden und in sein Privatleben eingedrungen. Besonderen Hass hege er gegen Menšikov, den er als „Becker-Junge“, „Menschenkoth“ und „Hunde-Junge“ bezeichnet habe, der sogar den russischen Kronprinzen eigenhändig verprügele.49 Zwar habe Peter I. befohlen, den Zarewitsch nicht zu nachsichtig zu behandeln, trotzdem werde Aleksej von Menšikov und anderen Ministern wie „die aufgehende Sonne“ geehrt. Bei diesen Ausführungen bezog sich Huyssen auf die Zeitschrift Die Europäische Fama, die im 35. Teil das geschilderte Geschehen um den Zarewitsch so beschrieben habe.50 Wenn Menšikov als „Becker-Junge“ bezeichnet wurde, erschien somit bei Huyssen eine Version über dessen von Legenden umwobene Herkunft aus den unteren Volksschichten, die besagte, dass er Pastetenbäcker gewesen sei. Entsprechend anderen Überlieferungen soll er Sohn eines Stallknechts gewesen sein.

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[Huyssen]: Ausführliche Beantwortung, 82f. Ebd., 59f., 91. Ebd., 64f., 82. Ebd., 68, 96, 99f. Ebd., 4. [Neugebauer]: Vertrautes Schreiben, 4, 28, 38. [Huyssen]: Ausführliche Beantwortung, 70.

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Menšikov, so Huyssen, habe vielmehr einer litauischen Adelsfamilie angehört. Verwandte in väterlicher Linie würden noch in Minsk leben, wo sie in der Umgebung der Stadt Güter besäßen. Der Vater Menšikovs sei ein Oberoffizier des Semenovskij-Regiments gewesen. Menšikov selbst habe einen scharfen Verstand, den er in Feldzügen und auf Reisen weiter schärfen konnte. Schließlich zählte Huyssen dessen weitere Verdienste auf, die sogar Kaiser Joseph I. veranlasst hätten, ihm 1706 den Titel eines Fürsten des Heiligen Römischen Reiches zu verleihen.51 Über einen anderen Vertrauten des Zaren, den Genfer François Lefort, berichtete Neugebauer Folgendes: Seine Erben seien leer ausgegangen, mussten aber trotzdem gemeinsam mit den Freunden des Verstorbenen dessen Schulden bezahlen. Der Frau und dem Sohn Leforts seien „die Dörffer/ Häuser/ Gold/ Silber/ Geld und Mobilien/ die Weine aus dem Keller/ ja gar des verstorbenen Kleider und Hemder“ weggenommen worden.52 Huyssens Darstellung lautete, wie nicht anders zu erwarten, völlig anders. Nach dem Tod Leforts seien seine Güter und Ländereien im Besitz seiner Frau geblieben. Sie habe über 500 Diener und wohne in einem Haus, das auf Befehl Peters I. gebaut worden sei. Gold, Silber, Geld und Möbel habe sie behalten dürfen. Dabei hätten weder sie noch ihr verstorbener Mann ein Erbe bekommen oder etwas nach Russland mitgebracht, alles hätten sie aus eigener Kraft in Russland aufbauen können. Der nahe gelegene steinerne Palast, dessen Bau Peter I. finanziert hatte und in dem zu Lebzeiten Leforts oft gemeinsam gefeiert worden sei, habe nie zum Eigentum Leforts gehört, er sei außerdem viel zu groß für eine allein lebende Frau und werde deshalb nun als Unterkunft für ausländische Gesandte und Generäle benutzt. Die von Lefort hinterlassenen Schulden seien in ihrer Gesamtheit vom Zaren bezahlt worden.53 Auch über die deutsche Familie Mons, die sich in Russland niedergelassen hatte und der Peters Favoritin Anna entstammte, wusste Neugebauer etwas zu berichten. Sie und ihre Verwandten seien beim Zaren in Ungnade gefallen, weil der preußische Gesandte Georg Johann von Keyserling „ihr ein wenig zu nahe gekommen“ sei.54 Huyssen hielt dagegen, dass die Angehörigen der Familie Mons nicht dank Anna Gnaden und Geschenke – unter anderem Ländereien, Schmuck und den steinernen Palast in der deutschen Vorstadt – vom Zarenhof erhalten hätten, sondern weil Lefort vor seinem Tod Peter I. darum gebeten hatte. Dadurch wollte Lefort sich für die Gastfreundschaft bedanken, die diese Familie ihm bei seiner Ankunft in Moskau erwiesen hatte. Nachdem der Zar dann aber gemerkt hatte, dass die Familie Mons seine Großzügigkeit nur zur persönlichen Bereicherung genutzt hätte, habe er die Rückgabe von Ländereien veranlasst. Der steinerne Palast sei zum Theatro Anatomico geworden; Juwelen und mobiles Vermögen, außer einem mit Brillanten besetzten Bild des Zaren, das durch Zufall ins Haus der Familie geraten sei, hätten die Familienangehörigen jedoch behalten dürfen.55 Während Neugebauer behauptet hatte, der Zar sei geizig, versuchte Huyssen dessen Güte und Freigebigkeit hervorzuheben. Huyssens Schrift gibt nicht nur tiefe Einblicke in die herrschenden Konflikte und den Charakter des Zaren, sie erhellt auch das russische kulturelle Leben. Sie berichtet, dass „slavonische“ (kirchenslawische), russische, lateinische und deutsche Komödien in den öffentli51 52 53 54 55

Ebd., 17f. [Neugebauer]: Vertrautes Schreiben, 32. [Huyssen]: Ausführliche Beantwortung, 80. [Neugebauer]: Vertrautes Schreiben, 14f. [Huyssen]: Ausführliche Beantwortung, 46–48.

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chen Theatern aufgeführt würden. In der Weihnachtszeit gingen Kirchenmusiker und -sänger von Haus zu Haus, wo sie gelegentlich bewirtet würden. Peter I. nähme an diesen Veranstaltungen manchmal teil, um durch seine Anwesenheit Konflikte zu verhüten.56 Grundsätzlich betrachteten die Russen, so Huyssen weiter, den Zaren als gottgleich. Ihm gegenüber müsse unbedingter Gehorsam gezeigt werden, denn wer sich ihm widersetze, widerspreche letztlich Gott.57 Und das sah offenbar auch Huyssen so: Zar Iwan IV., den Schrecklichen (Groznyj), solle man als klugen Regenten betrachten, der nur deshalb gelegentlich brutal gewesen sei, um seine Eroberungen zu schützen.58 Neugebauer betitelte ihn hingegen als „de[n] erschreckliche[n] Tyrann“.59 Huyssen gab hier eine historische Argumentation vor, der zahlreiche Publizisten und Historiker in Russland und der Sowjetunion bis ins 20. Jahrhundert hinein folgten – die Grausamkeiten Iwans IV. wurden mit Verweis auf die Staatsräson und die Abwehr äußerer Gefahren zu rechtfertigen versucht. Das Vertraute Schreiben Neugebauers wurde im Ausland in breiten Kreisen bekannt. Huyssen berichtete, die Schuld seines Kontrahenten habe „bey einer gewissen benachbarten Nation“ – damit meinte er die deutsche – großen Beifall gefunden. Viele Exemplare seiner Schrift seien in Hamburg und anderen Städten verteilt und an zahlreichen Höfen durch Legationsprediger und Bedienstete in Umlauf gebracht worden.60 Dieser intensiven Verbreitung des Pasquills musste, so sahen es Peter I. und seine Berater, von russischer Seite dringend Einhalt geboten werden, weshalb die Schrift Neugebauers in Preußen – das diesbezügliche Edikt Friedrichs I. vom 20. Juli 1705 gab Huyssen wieder – und in Sachsen verboten wurde.61 Huyssen stellte bei seiner Argumentation wiederholt die Frage, ob sich ähnliche Ereignisse nicht auch an anderen Höfen abspielen würden. „Denn wo findet man wohl eine Nation, dabey sich nicht so wohl leibliche als geistliche Gebrechen herfür thun?“62 Huyssens Aufgabe, Neugebauers Argumente zu entkräften, war allerdings nicht einfach, denn dessen Schrift knüpfte an schon lang bestehende Vorurteile und Stereotypen sowie an das allgemeine Streben europäischer Höfe und Regierungen an, Russland aus den politischen Angelegenheiten Europas herauszuhalten.

4.3. Kurtze Gegen-Antwort Auf Des Czaarischen Pasquillanten N. Huyssens Lügen-Schrifft Zu seiner eigenen Verteidigung und auch zu persönlichen Angriffen auf Huyssen verfasste Neugebauer eine weitere Gegenschrift, die Kurtze Gegen-Antwort Auf Des Czaarischen Pasquillanten N. Huyssens Lügen-Schrifft. Neugebauer berichtete zunächst von seinem strebsamen und ehrlichen Leben als Student, was seine Kommilitonen bestätigen könnten. Er habe nur deshalb die Heimat verlassen und sei nach Moskau übergesiedelt, weil ihm Gegner des katholischen Glaubens Hindernisse in den Weg gelegt hätten, nachdem er zu Ehren des da56 57 58 59 60 61

Ebd., 85, 87. Ebd., 59. Ebd., 64. [Neugebauer]: Vertrautes Schreiben, 38. [Huyssen]: Ausführliche Beantwortung, 2f. Ebd., 102; Edikt König Friedrichs I. in Preußen über das Verbot der Pasquille des Martin Neugebauer, Wusterhausen 20. Juli 1705. Ebd. 62 [Huyssen]: Ausführliche Beantwortung, 16, 21, 65, 78.

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maligen neuen Statthalters in Kursachsen, Anton Egon Fürst von Fürstenberg-Heiligenberg, ein „Carmen“ verfasst und eine „Nacht-Music“ zu dessen Begrüßung organisiert habe. Die Erfindungen, die „der Halunke“ Huyssen über sein Verhalten in Moskau „hingeschmiert“ hätte, verdienten eigentlich keine Reaktion, weil sie aus einem „Diebs-Gehirne“ stammten. Seinen Opponenten nannte er den „Lügen-schmierende[n] Huyssen“ und schrieb, dass der Eintritt dieses „Gesellen“ in russische Dienste durchaus nicht reibungslos gewesen sei. Beispielsweise sei Huyssen des Diebstahls der Ringe und Juwelen der Tochter eines „Generals R.“ bezichtigt worden. Er sei nur deshalb in fremde Dienste eingetreten, weil seine Karriere in Berlin gescheitert sei. Patkul, „der die Vögel seiner Art gleich erkandte“, habe Huyssen gern in Moskau aufgenommen und ihm Hoffnung auf die Ernennung zum Kriegsrat und auf hohen Lohn gemacht. Der Plan sei freilich nicht aufgegangen. Als Patkul wieder nach Sachsen abreiste, habe er „diesen elenden Schlucker“ in Moskau „in der größten Noth und Armuth“ zurückgelassen. So habe Huyssens Vetter, „ein Silber-Arbeiter/ nahmens Löffken“, ihn „ausfuttern“ müssen. Gemeint war Dietrich Löfken, der 1686 aus Hamburg gekommen war. Daraufhin habe Huyssen durch Menšikovs Mätressen, „denen er fleißig auffwartete“, Kontakt zu diesem geknüpft. Allerdings seien seine Hoffnungen enttäuscht worden, denn er sei nicht zum Hofmeister, sondern nur zum Informator des Kronprinzen ernannt worden. Um seine Karriere weiter voranzutreiben, schmeichle Huyssen seinem Gönner, „dem Menschenkoth“, wie er Menšikov unter Entstellung seines Namens schmähte, indem er ihn Prinzen nenne. Tatsächlich sei Menšikov „ein Bauer-Junge“, der die russische Teigspezialität pirogi verkaufe, und „der aller gröbste und unahrtigste“ unter allen Russen. „Sein Bauer-Stoltz [...] ist unbeschreiblich/ und seine Geilheit unmenschlich und viehisch“, so entlud sich Neugebauers Hass auf Menšikov.63 Huyssen habe gedacht, als Informator des Thronfolgers „den rechten Fisch gefangen zu haben“, fuhr Neugebauer fort, doch habe er es, nachdem er die Russen richtig kennengelernt hatte, nur wenige Monate in seinem Amt ausgehalten. Auch die Russen hätten ihn nicht leiden können, weshalb Huyssen im Auftrag des Zaren nach Wien geschickt worden sei. Durch seine satirischen Schriften und Pasquille, in denen verschiedene königliche Personen und Gott selbst angegriffen würden, habe sich Huyssen „sehr übel“ aufgeführt. Da seine Schriftstücke anonym erschienen seien und der Zar seine schützende Hand über ihn halte, tue man, „als kenne man den Vogel nicht“. In der Realität hätten alle ehrlichen Leute „Abscheu“ vor ihm. Ansonsten sei Huyssen durchaus ein gelehrter Mann, nur profitierten nicht seine Landsleute von „Gute[m]/ so noch an ihm ist“, sondern bloß ein „barbarische[r] Tyrann“, Peter I. Er, Neugebauer, bevorzuge dagegen „ein ehrliches Gnaden-Brod eines so tapffern und Welt-berühmten Königs [von Schweden] zu haben/ als die gedorrete Baum-Wurtzeln eines entsetzlichen Tyrannen in Syberien zu kauen“. Daher bekomme Huyssen ein „NarrenGesicht“.64 Neugebauer glaubte, seinen vollzogenen Seitenwechsel vor der Öffentlichkeit gerechtfertigt zu haben. Die Auseinandersetzung zwischen Huyssen und Neugebauer fand auch in anderen Dokumenten ihren Niederschlag. So bemerkte Huyssen in einem Brief an Menšikov vom 22. September 1706 aus Wien, Neugebauer sei abermals mit einem infamen Pasquill gegen Russland

63 [Neugebauer]: Kurtze Gegen-Antwort. 64 Ebd.

Kurtze Gegen-Antwort Auf Des Czaarischen Pasquillanten N. Huyssens Lügen-Schrifft

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aufgetreten und habe seinen Neffen, Andreas Huyssen, mit groben Worten beschimpft.65 Leibniz berichtete 1707 in einem Schreiben an Huyssen, dass er Neugebauer in Altranstädt getroffen und dieser den Zaren und den Zarewitsch gelobt, die Moskowiter im allgemeinen jedoch angeschwärzt habe.66 Zu dieser Zeit hielt sich König Karl XII. von Schweden mit seinen Truppen nach dem Sieg über die sächsische Armee und ein russisches Hilfskorps monatelang in einem Lager bei Leipzig auf. Zahlreiche Staatsmänner, Intellektuelle und Militärs – Leibniz und John Churchill, Herzog von Marlborough, protestantische Geistliche wie der Hallenser August Hermann Francke und der Berliner Hofprediger Daniel Ernst Jablonski, von denen noch die Rede sein wird – suchten den schwedischen König auf, um dessen weitere Absichten zu erkunden. Bevor er sein Pasquill drucken ließ, sandte es Neugebauer an Graf Fedor Alekseevič Golovin, einen der führenden Diplomaten Peters I., und teilte ihm mit, dass die Broschüre nicht von ihm stamme, sondern er sie nur durch Zufall bekommen habe. Er wolle die darin enthaltenen schamlosen Gerüchte gern widerlegen, verlange dafür aber die Stelle eines Gesandten Russlands in China. Daraufhin sollte Neugebauer, so forderte die russische Seite, zuerst die Entgegnung einsenden. Nachdem dieser Kontakt im Sande verlaufen war, gab Neugebauer seine Schrift schließlich in den Druck.67 Insgesamt konnte Huyssen seiner Aufgabe weitestgehend gerecht werden und das Bild Russlands und Peters I. im Westen deutlich verbessern,68 auch wenn das Zarenreich anfänglich militärische Niederlagen gegen die Truppen Karls XII. erlitten hatte. Huyssen hatte mit seinen Gegendarstellungen beabsichtigt, im Auftrag seines Dienstherrn die kritischen Vorwürfe, die den Weg Russlands zur Großmacht zu verhindern drohten, nach Möglichkeit zu entkräften. Er wurde so zu einer wichtigen Stütze Peters I., indem er im deutschsprachigen Raum um Verständnis für die russische Position warb. Die Pamphlete Neugebauers konnten weder Russlands Weg in den Westen aufhalten noch das positive Image Peters I. in Europa beeinträchtigen. Huyssen erwies sich als begnadeter Propagandist für den Zaren.

65 Heinrich von Huyssen an Aleksandr Danilovič Menšikov, Wien 22. September 1706, Auszug. In: Ustrjalov: Istorija carstvovanija Petra, Bd. 4/2, Anhang 433. 66 Gottfried Wilhelm Leibniz an Heinrich von Huyssen (Konzept), o. O. [12. April 1707]. In: Guerrier: Leibniz, Anhang 62f., hier 63. 67 Memorial des Baron Huyßen, 428, Anm. d. Hg. 68 Groh: Russland und das Selbstverständnis Europas, 47.

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5. Einflussnahme auf Zeitschriften und Rezeption der wissenschaftlichen Studien 5.1. Historisch-politische Zeitschriften 5.1.1. Historische Remarques Der Neuesten Sachen In Europa Eine der Zeitschriften, die Huyssen für seine positive Russlandberichterstattung instrumentalisieren konnte, waren die Historische[n] Remarques Der Neuesten Sachen In Europa, die von 1699 bis 1707 in Hamburg erschienen. Ihr Herausgeber war Peter Ambrosius Lehmann aus Döbeln in Sachsen, ein Historiker, Schriftsteller und Genealoge, der seit 1726 Mitglied der Berliner Königlichen Sozietät der Wissenschaften war.1 Die Historische[n] Remarques setzten die Zeitschrift Gröste Denkwürdigkeiten der Welt,2 die von 1683 bis 1691 ebenfalls in Hamburg veröffentlicht wurde, fort.3 Sie thematisierten Russland bereits zu einer Zeit, zu der Huyssen noch gar nicht als Publizist in Erscheinung getreten war.4 Am 21. November 1702 war beispielsweise von dem durch Peter I. im Vorjahr geprägten Taler die Rede.5 Weiter wurde über den Erbprinzen Aleksej und dessen geplante Auslandsreise mit „qualificirten HofMeistern und Officirern“ berichtet6 und das an Ausländer gerichtete Werbemanifest Peters I. abgedruckt.7 Am 8. Mai 1703 war zu lesen, dass der Zar seinen einheimischen und auswärtigen Mitarbeitern gegenüber streng, aber gerecht sei. Weiter wurden seine kulturpolitischen Initiativen genannt, darunter die Errichtung eines „Opern- oder Comoedien-Haus[es]“ und die Einführung des Unterrichts in lateinischer und französischer Sprache für die Jugend,8 der sich jedoch auf die Schule des Propstes Ernst Glück und die private Ausbildung in einzelnen Familien beschränkte. Am 15. Mai 1703 wurde die Erhebung des russischen Staatsmannes Fedor Golovin zum Reichsfürsten des Heiligen Römischen Reiches behandelt und die Ge1 Kirchner, Joachim: Die Grundlagen des deutschen Zeitschriftenwesens. Mit einer Gesamtbibliographie der deutschen Zeitschriften bis zum Jahre 1790, Bd. 1–2. Leipzig 1928–1931, hier Bd. 2/2, Nr. 20. 2 Gröste Denkwürdigkeiten der Welt Oder so genannte Relationes Curiosae. Worinnen dargestellet/ und Nach dem Probier-Stein der Vernunfft examiniret werden/ die vornehmsten Physicalis. Mathematis. Historische und andere Merckwürdige Seltzamkeiten/ Welche an unserm sichtbahren Himmel/ in und unter der Erden/ und im Meer jemahlen zu finden oder zu sehen gewesen/ und sich begeben haben 1 (1683). 3 Kirchner: Die Grundlagen des deutschen Zeitschriftenwesens, Bd. 2/2, Nr. 15. 4 Historische Remarques 1 (1700) 169–172. 5 Vorrede. Ebd. 3 (1701) unpag. 6 Historische Remarques 4 (1702) 369, 372f. 7 Werbemanifest Peters I. für Ausländer, Moskau 16. April 1702. Ebd., 370–372. 8 Ebd. 5 (1703) 151. Über die Anfänge des Moskauer Theaters unter Peter I. vgl. Klein, Joachim: Russische Literatur im 18. Jahrhundert. Köln/Weimar/Wien 2008 (Bausteine zur Slavischen Philologie und Kulturgeschichte. N. F. A/58), 29–31; Starikova, A.: Teatral’naja žizn’ Starinnoj Rossii. Ėpocha. Byt. Nravy. Moskva 1988, 84–96; über das Bildungswesen vgl. Kusber, Jan: Eliten- und Volksbildung des 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Studien zu Diskurs, Gesetzgebung und Umsetzung. Wiesbaden 2004 (Quellen und Studien zur Geschichte des östlichen Europa 65), 33–69.

Historisch-politische Zeitschriften

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schichte seiner Familie abgedruckt.9 Die Kurzbiographie eines anderen Vertrauten Peters, des Kosakenführers und Feldherrn Ivan Stepanovič Mazepa, fand im sechsten Teil der Historische[n] Remarques Beachtung.10 Am 24. März 1705 berichtete man über die vornehme Familie Naryškin. Anlass hierzu gab der Tod Lev Kirillovičs, eines Onkels Peters I. mütterlicherseits.11 In diesem Jahr erreichte die Berichterstattung ihren Höhepunkt. Nicht zufällig wurde am 14. Juli 1705 nun auch Huyssen erwähnt: „Im Monat Majo ist der bißher in Moscau gefangen gewesene Praepositus aus Liefland Herr Ernestus Glück [...] gestorben/ und von Ihro Czaarischen Majestät der Herr Rath und des Kron-Printzen Hofmeister von Huyssen zum Directore und Rectore Magnificentissimo der Academie verordnet worden/ selbige vollends einzurichten/ und gelehrte Leute darzu zu verschaffen.“12 Dies spiegelt Huyssens enge Beziehungen zu der von Glück geleiteten Schule in Moskau und gleichzeitig seine Verbindungen zu den Autoren der Historische[n] Remarques wider.

5.1.2. Die Europäische Fama Auch die historisch-politische Zeitschrift Die Europäische Fama, Welche den gegenwärtigen Zustand der vornehmsten Höfe entdecket gehörte zu den Periodika, die Huyssen im Interesse Russlands zu beeinflussen suchte.13 Von 1702 bis 1735 – ab 1735/56 als Die Neue Europäische Fama und ab 1760/65 in Gotha als Die Neueste Europäische Fama fortgeführt – kam die Zeitschrift in erster Serie in 360 Teilen beim Buchhändler und Verleger Johann Friedrich Gleditsch,14 nach dessen Tod 1716 dann bei dessen Sohn Johann Gottlieb Gleditsch15 in Leipzig heraus.16 Gründer und Mitherausgeber der Zeitschrift war der pietistische Schriftsteller Philipp Balthasar Sinold, genannt von Schütz,17 der sie bis spätestens 1711 leitete.18 Ab 1712 wurde die Europäische Fama vom Breslauer Schulrektor und Gelegenheitsdichter Christian Stieff mitredigiert.19 Weitere Mitarbeiter waren in den Jahren 1711/12 der Leipziger Hof- und

9 Historische Remarques 5 (1703) 156f. 10 Ebd. 6 (1704) 26f. Über den in der Fachliteratur heftig umstrittenen Ataman der ukrainischen Kosaken vgl. Kovalevs’ka, Ol’ha O.: Mazepiana. Materialy do bibliohrafiï (1688–2009). Kyïv 2009. 11 Historische Remarques 7 (1705) 91f. 12 Ebd., 223f.; Schiller/Grudule (Hg.): „Mach dich auf ...“ 13 Haven: Nachrichten von Huyssen, 318. 14 Zu Johann Friedrich Gleditsch vgl. Paisey, David L.: Deutsche Buchdrucker, Buchhändler und Verleger 1701–1750. Wiesbaden 1988 (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen 26), 78; Benzing, Josef: Die deutschen Verleger des 16. und 17. Jahrhunderts. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 18 (1977) 1077–1322, hier 1143. 15 Zu Johann Gottlieb Gleditsch vgl. Paisey: Deutsche Buchdrucker, 78. 16 Kirchner: Die Grundlagen des deutschen Zeitschriftenwesens, Bd. 2/2, 8. 17 Brümmer, Franz: Sinold, Philipp Balthasar G. gen. v. Schütz. In: Allgemeine Deutsche Biographie 34 (1892) 400f. 18 Kirchner, Joachim (Hg.): Bibliographie der Zeitschriften des deutschen Sprachgebietes bis 1900, Bd. 1–4. Stuttgart 1969–1989, hier Bd. 1, 89; Doerries: Rußlands Eindringen in Europa, 182. 19 Moepps, Emmy: Christian Stieffs „Relation von dem gegenwärtigen zustande des Moscowitischen Reichs“ und ihr Platz im Umfeld von Presse und Propaganda. In: Keller (Hg.): Russen und Rußland aus deutscher Sicht. 18. Jahrhundert, 59–83, hier 76; Markgraf, [Hermann]: Stieff, Christian. In: Allgemeine Deutsche Biographie 36 (1893) 174–176; Zedler, Johann Heinrich: Grosses vollständiges Universal Lexicon Aller Wissenschafften und Künste 40 (1744) 17f.

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Kriegsrat Gottfried Lange und der Rechtsgelehrte Christian Gottfried Hoffmann,20 der die Teile 199 bis 251 verfasste.21 Der Historiker und Publizist Justus Gottfried Rabener wirkte an der Herausgabe des Organs von 1724 bis zu seinem Tod 1732 mit.22 Nach anderen Angaben hatte er bereits 1721 die Herausgabe der Europäische[n] Fama übernommen.23 Inwiefern sich die Herausgeber mit Textbeiträgen beteiligten, ist nicht bekannt. Dass die Europäische Fama zunächst in Leipzig verlegt wurde, war kein Zufall. Leipzig galt als Zentrum des gelehrten Journalismus, gefördert durch die günstige Lage der Stadt an den alten Handels- und Heerstraßen.24 Auch die alte Universität, die gelehrte Elite sowie die Tradition der Stadt als bedeutender Messestandort trugen zur Entwicklung Leipzigs als Nachrichtenumschlagplatz bei.25 Die periodische Presse wurde zu einem unentbehrlichen Werkzeug der Leipziger Politik, Wirtschaft und Wissenschaft; sie machte die Stadt zu einem erfolgreichen Standort der Medienproduktion.26 Dieser Prozess ging mit der Herausbildung der deutschen Schriftsprache, die das Lateinische mehr und mehr verdrängen sollte, einher. Die Europäische Fama galt zu ihrer Zeit als die bedeutendste Zeitschrift in Deutschland, da sie einem breiten Publikum ausführliche gegenwartsbezogene Nachrichten in deutscher Sprache vermittelte.27 Ihr erklärtes Ziel war, „die merckwürdigsten Händel/ so sich von Zeit zu Zeit an den vornehmsten Höfen begeben/ auf eine belustigende Art zu erzehlen und selbige iedesmahl mit einem unpaßionirten Urtheil zu begleiten“.28 Vor allem Nachrichten zu Militär und Diplomatie wurden aufgegriffen, wobei die Herrscherbilder in den Mittelpunkt der Beschreibung rückten. Die Artikel konzentrierten sich geographisch auf Europa, waren nach Staaten geordnet und wurden durch den Abdruck von Bildern und Dokumenten illustriert. Die Leser der Europäische[n] Fama fanden offensichtlich Geschmack an den Berichten über die Lage in Russland.29 Die Meldungen stillten die Neugier der Leserschaft nach Neuem wie Kuriosem, denn „Die Herren Russen haben in ihrer bißherigen Aufführung der Welt rechte Räthsel aufgegeben, und ist man allenthalben begierig gewesen zu erfahren, was diese

20 Doerries: Rußlands Eindringen in Europa, 182. 21 Eisenhart, August Ritter von: Hoffmann, Christian Gottfried. In: Allgemeine Deutsche Biographie 12 (1880) 574f. 22 Zedler: Universal Lexicon 30 (1741) 459. 23 Blome, Astrid: „Die Zeitungen sind der Grund, die Anweisungen und Richtschnur aller Klugheit ...“. Zu den Grundlagen der Rußlandhistoriographie im 17. und 18. Jahrhundert. In: Dahlmann, Dittmar (Hg.): Die Kenntnis Rußlands im deutschsprachigen Raum im 18. Jahrhundert. Wissenschaft und Publizistik über das Russische Reich. Göttingen 2006 (Internationale Beziehungen. Theorie und Geschichte 2), 25–41, hier 39. 24 Fischer, Walter: Die Abwanderung des Buchhandels von der Frankfurter Messe nach Leipzig. Bottrop 1934, 54. 25 Greiling, Werner: Presse für den „gemeinen Mann“ in Mitteldeutschland. Zeitungen, Zeitschriften und Intelligenzblätter. In: Böning, Holger/Schmitt, Hanno/Siegert, Reinhart (Hg.): Volksaufklärung. Eine praktische Reformbewegung des 18. und 19. Jahrhunderts. Bremen 2007 (Presse und Geschichte. Neue Beiträge 27), 301–321, hier 305. 26 Laeven, Augustinus Hubertus: The „Acta Eruditorum“ under the editorship of Otto Mencke (1644– 1707). The history of an international learned journal between 1682 and 1707. 27 Moepps: Stieffs „Relation“, 75; Kirchner, Joachim: Das deutsche Zeitschriftenwesen. Seine Geschichte und seine Probleme, Tl. 1–2. Wiesbaden 1942–1962, hier Tl. 1: Von den Anfängen bis zum Zeitalter der Romantik, 33. 28 An den Leser. In: Die Europäische Fama 1 (1702) unpag. 29 Blome: Die „Civilisirung“ Rußlands, 19–21.

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[...] Nation im Schilde führe“.30 Die Auslandsreisen des Zaren nach Westeuropa muteten geradezu merkwürdig an, denn seine Vorgänger hatten sich noch fast ausschließlich auf Polen und Schweden konzentriert.31 Die Zeitschrift präsentierte den russischen Staat als werdende europäische Großmacht. Als Beispiel für die nach Westen orientierte Politik Peters I. stellte man 1703 sein Werbemanifest für Ausländer vom 16. April 1702 vor.32 Peter wurde gelobt, weil er „alle gute Sitten und Gebräuche“ in fremden Ländern kennengelernt und diese „mit sich nach Hause gebracht habe“, um die Lage im eigenen Land zu verbessern.33 Außerdem habe er „verschiedene Griechische Patres“ für den Unterricht in lateinischer und griechischer Sprache sowie für Philosophie und Theologie nach Russland berufen. Und er habe den Jesuiten die Lehrtätigkeit in Latein, Mathematik und Kriegskunst in Russland gestattet und französische und italienische „Sprachmeister“ unter Leitung von Ernst Glück eingestellt. Lobend wurde erwähnt, dass „alle Wochen die Gazetten in selbiger [russischer] Sprache gedruckt, und um geringes Geld verkaufft“ würden. Im „Theatro Anatomico“, das der Holländer Nikolaus Bidloo leite, seziere man oft menschliche Körper und ermögliche damit der Ärzteschaft eine hervorragende Ausbildung.34 Die Europäische Fama versuchte die Maßnahmen zur inneren Reform zu erklären, die Russland in einen modernen Staat verwandeln sollten. Dass sie die Politik Peters I. guthieß und für sie warb, ist aus den Texten deutlich erkennbar. So schrieb man 1706 im 55. Teil, dass der Zar, wie die Sonne immer in Bewegung, um die Wohlfahrt seines Volkes unermüdlich bemüht sei. Negative Nachrichten, beispielsweise über den Aufstand in Astrachan 1705/06 und dessen grausame Unterdrückung, versuchte man hingegen zu entkräften.35 Diesem Ziel entsprechend, bemühte man sich 1706, auch die Angaben im Tagebuch der Reise nach Russland des Johann Georg Korb zu widerlegen.36 Korb hatte 1698/99 als Sekretär der kaiserlichen Gesandtschaft nach Moskau unter Christoph Ignatius Edler von Guarient und Rall gedient. In seinem Buch stellte er das russische Volk als versklavt dar. Je strahlender sich der Adel nach außen zeige, desto mehr spüre man seine Abhängigkeit vom Herrscher, der ein unbeschränktes Recht auf das private Vermögen aller seiner Untertanen besitze und sogar über deren Leben bestimmen könne.37 Mochte dieses Urteil auch nicht unbegründet sein, so akzentuierte die Europäische Fama doch die angebliche Unglaubwürdigkeit des Werkes. Nachdem es nach Russland übersandt, ins Russische übersetzt und dem Zaren vorgelesen worden

30 31 32 33 34

Die Europäische Fama 208 (1718) 261. Ebd. 259 (1722) 529. Werbemanifest Peters I. für Ausländer, 16. April 1702. Ebd. 11 (1703) 1022–1027. Die Europäische Fama 11 (1703) 1027. Ebd. 35 (1705) 790–792. Zu Bidloo vgl. Kistemaker, Renée E.: Peter de Grote en Holland. Culturele en wetenschappelijke betrekkingen tussen Rusland en Nederland ten tijde van tsaar Peter de Grote. Amsterdam 1997, 50. 35 Die Europäische Fama 55 (1706) 504f. 36 Korb, Joannes Georgius: Diarium Itineris In Moscoviam Perillustris ac Magnifici Domini Ignatii Christophori Nobilis Domini De Guarient, & Rall, Sacri Romani Imperii, & Regni Hungariae Equitis, Sacrae Caesareae Majestatis Consiliarii Aulico-Bellici Ab Augustißimo, & Invictißimo Romanorum Imperatore Leopoldo I. Ad Serenißimum, ac Potentißimum Tzarum, & Magnum Moscoviae Ducem Petrum Alexiowicium Anno MDCXCVIII. Viennae [um 1700]. Deutsche Übersetzung: Korb, Johann Georg: Tagebuch der Reise nach Russland. Hg. v. Gerhard Korb [übersetzt und mit Anmerkungen versehen v. Edmund Leingärtner]. Graz 1968. 37 Ebd., 190f.; Dukmeyer: Korbs Diarium itineris in Moscoviam.

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sei, habe dieser Gegenmaßnahmen veranlasst. Infolge des durch den Herrscher ausgeübten Drucks habe der habsburgische Kaiser das Privilegium für das Buch zurückgenommen, es sei darauf in Wien konfisziert und in Moskau durch den Henker öffentlich verbrannt worden.38 Einen wichtigen Teil in den Russlandberichten nahm der Große Nordische Krieg ein. Dem 1703 erschienenen 18. Teil der Europäische[n] Fama ist zu entnehmen, dass König Karl XII. von Schweden seine Truppen angeblich ohne Sinn und Zweck in Polen und Litauen einsetze, während „der Czar […] in seinen Krieges-Verrichtungen unermüdet fort[fahre]“. Dieser habe beispielsweise die eroberte Festung Nöteborg mit einer starken Garnison versehen und mit St. Petersburg eine völlig neue Stadt erbauen lassen. Die Zeitschrift hoffte, dass der Thronfolger Aleksej die Maßnahmen seines Vaters weiterführe, denn dieser habe erkannt, dass die Glückseligkeit eines Reiches „auf der Tapfferkeit/ Weisheit/ Klugheit und Gerechtigkeit seines Regenten beruhet“. Daher bemühe er sich, den Kronprinzen „in allen zur wahren Regier-Kunst benöthigten Eigenschafften vollkommen zu machen“.39 Zur Bekräftigung erfolgte der Abdruck der von Huyssen verfassten Erziehungsinstruktion für Aleksej.40 Im 35. Teil berichtete die Zeitschrift, dass der Thronfolger dem Vernehmen nach alle einem Prinzen entsprechenden Tugenden besitze und sich fleißig nach der Instruktion richte. Dementsprechend hofften die Russen, in ihm einen Fortsetzer des Reformwerks seines Vaters nach dessen Tod sowie „eine[n] Rußischen Alexander“ zu finden. An dieser Stelle wurde Huyssen namentlich genannt: Dessen „galanten“, aber „aufrichtigen“ Berichten könne man rückhaltlos glauben, Huyssen erfülle seine Pflichten im Dienst des Zaren mit großem Fleiß.41 Wie auch hier zu sehen, war es Huyssens vorrangige Aufgabe, in Diensten Peters I. nach dessen Wünschen Nachrichten zu widerlegen oder zu berichtigen. Daneben sollte er aber auch aktiv Propaganda betreiben, indem er Bilder der Zarenfamilie sowie der russischen und der in Zarendiensten stehenden ausländischen Staatsmänner und Offiziere – versehen mit idealisierenden Kommentaren – an die deutsche Presse weiterleitete.42 So erschien 1703 im 11. Teil der Europäische[n] Fama eine Frontispiz-Illustration, die Peter I.,43 und 1705 eine, die Aleksej zeigte, mit der Anmerkung, dass für den „jetzigen [35.] Theil unserer Fama“ das Original des Porträts des Zarewitsch „communiciret“ worden sei.44 Im selben Jahr veröffentlichte man dank der „geneigte[n] Hand eines vornehmen Freundes“ im Frontispiz ein Bild Menšikovs. Der Begleittext zählte dessen Ränge, Dienststellungen und Leistungen auf.45 Auch Abbildungen des in russischen Diensten stehenden General-Feldmarschalls schottischer Abstammung, George Benedict Baron von Ogilvy,46 des „hochberühmten Staats-Minister[s] des Moscowitischen Reiches“, Fedor Alekseevič Golovin,47 des „Sr. Czaar. Maj. General-Lieutenant[s] v. d. Cavallerie“, Karl Ewald von Rönne,48 des Generals Rudolph Felix (Rodion Christianovič) 38 Die Europäische Fama 51 (1706) 216f. 39 Ebd. 18 (1703) 523f. 40 [Huyssen]: Instruktion, Wornach sich derjenige/ welchem die Information von Sr. Hoheit/ dem Czarischen Printzen/ anvertrauet wird/ zu richten hat, 3. April 1703. Ebd., 524–536. 41 Ebd. 35 (1705) 792–797. 42 Haven: Nachrichten von Huyssen, 324. 43 Die Europäische Fama 11 (1703) Frontispiz. 44 Ebd. 35 (1705) Frontispiz, 793. 45 Ebd. 36 (1705) Frontispiz, 881f. 46 Ebd. 41 (1705) Frontispiz. 47 Ebd. 44 (1706) Frontispiz. 48 Ebd. 74 (1708) Frontispiz.

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Bauer,49 des General-Admirals Fedor Matveevič Apraksin50 und des General-Feldmarschalls Boris Petrovič Šeremetev51 schmückten die Zeitschrift. In den Jahren 1707/08 wurden nur wenige Berichte über Russland in der Europäische[n] Fama veröffentlicht, was nicht Wunder nimmt, denn Huyssen war zu dieser Zeit als Gesandter Russlands in Wien tätig, konnte also keine Beiträge für die Zeitschrift schreiben oder vermitteln. Gebannt blickten die europäischen Berichterstatter nach Osten, wohin die Truppen Königs Karls XII. von Schweden gegen den Zaren ausgerückt waren. Doch gelegentlich erschienen kurze Nachrichten, die Russland betrafen, etwa eine unter dem Titel „Von Polen“: „Es ist nunmehro nicht weiter daran zu zweiffeln, daß Se. Königl. Maj. in Schweden den 16. Junii mit Dero Armee völlig nach denen Moscowitischen Grentzen aufgebrochen [ist]“.52 Lediglich ein einziges Kapitel in diesen Jahren, im 74. Teil der Europäische[n] Fama, handelte „Von Moscau und Polen“. Die Geschehnisse im Zarenreich fanden darin jedoch mit wenigen Ausnahmen – darunter eine Mitteilung über einen Brand in Moskau53 – keine Berücksichtigung. Erst 1709, im Jahr des Sieges Peters I. bei Poltawa, erinnerte man sich wieder an Russland. Nachdem die Nachricht über den Sieg beim Hofstaat des Zarewitsch in Moskau eingetroffen war, herrschte verständlicherweise großer Jubel. Der Kriegs- und Justizrat des Zaren und gleichzeitig der Hofmeister seines Sohnes, Huyssen, habe sofort ein feierliches Gastmahl veranstaltet, das mit einem Feuerwerk endete. Das Fest, auf dem der Zarewitsch fremde Minister empfing, habe ununterbrochen 14 Tage gedauert.54 In den Jahren 1710/11, als im Namen Aleksejs um Prinzessin Charlotte Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel geworben wurde, erreichten die Berichte über Russland in der Europäische[n] Fama ihren Höhepunkt. Innerhalb dieses Zeitraums erschienen die meisten Aufsätze sowie Frontispiz-Illustrationen der russischen Staatsmänner und der im Zarendienst stehenden ausländischen Offiziere. Zur letzten Gruppe zählen Generalfeldmarschall Heinrich von der Golz,55 Generalleutnant der Infanterie Friedrich Hartwig von Nostitz56 und der General der russischen Kavallerie Lebrecht Gottfried von Janus,57 von den Staatsmännern bildete man Michail Pavlovič Šafirov58 und Gavriil Ivanovič Golovkin, den russischen Staatskanzler, ab.59 Darüber hinaus zierten die Europäische Fama 1711 zwei separate Frontispiz-Illustrationen des Brautpaares – jeweils Aleksejs und Charlottes60 – und eine der Nichten Peters I. und späteren Kaiserin von Russland, Anna Ivanovna.61 Deren Hochzeit mit Friedrich Wilhelm Kettler, Herzog von Kurland, wurde im 111. Teil des Blattes in allen Einzelheiten beschrieben.62 Die dynastischen Eheverbindungen waren offenbar ein wichtiger Grund für die intensivierte Russlandberichterstattung. 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62

Ebd. 91 (1709) Frontispiz. Ebd. 92 (1709) Frontispiz. Ebd. 96 (1709) Frontispiz. Ebd. 79 (1708) 531f. Ebd. 74 (1708) 137. Ebd. 93 (1709) 733. Ebd. 98 (1710) Frontispiz. Ebd. 104 (1710) Frontispiz. Ebd. 112 (1711) Frontispiz. Ebd. 100 (1710) Frontispiz. Ebd. 108 (1710) Frontispiz. Ebd. 110 (1711) Frontispiz, 119 (1711) Frontispiz. Ebd. 114 (1711) Frontispiz. Ebd. 111 (1711) 188–194.

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Im Jahr 1713 wurde Huyssen in der Europäische[n] Fama in einem anderen Zusammenhang genannt, und zwar als Verfasser eines Schreibens vom 17./28. September 1713 an die Autoren der Zeitschrift.63 In einem Auszug hieß es, dass nun auch ganz Finnland dem Russischen Reich unterworfen sei. Dies sei ein Verdienst Peters I. Aus der eingenommenen, in schwedischem Besitz befindlichen finnischen Stadt Åbo seien Bücher nach St. Petersburg gebracht worden, wo man alsbald eine „ansehnliche“ Bibliothek errichten könne. Überschwänglich und voller Bewunderung berichtete Huyssen, dass Peter I. sowohl zu Wasser als auch zu Land alle militärischen Dienstgrade durchlaufen habe und somit ein Beispiel für seine Untertanen sei.64 In den nachfolgenden Jahren wurden in der Europäische[n] Fama zwar noch weiterhin die wichtigsten Ereignisse in Russland aufmerksam verfolgt, eine Mitwirkung von Huyssen aber ist nicht mehr eindeutig nachweisbar. 1717 fand beispielsweise die Eroberung Sibiriens durch die Russen Erwähnung.65 Im nachfolgenden Jahr wurde die Tragödie des Zarewitsch Aleksej ausführlich dargestellt, wobei das Manifest Peters I. vom 3./14. Februar 1718 über die Absetzung seines Sohnes als Thronfolger, dessen Briefe an seinen Vater aus den Jahren 1717 und 1718 sowie andere Dokumente abgedruckt wurden.66 Das Vorgehen des Zaren wurde dabei als Bemühen um die Sicherung seines Lebenswerkes gerechtfertigt.67 Nach dem Tod Peters I. finden sich in der Europäische[n] Fama, verglichen mit den vorherigen Jahren, deutlich weniger Russlandberichte. 1726, 1729, 1731 und 1734 erschienen in der Zeitschrift gar keine Aufsätze zu Russland. Offenbar hatten die Nachfolger Peters I. wenig Interesse, das Russlandbild in den Medien positiv zu beeinflussen. Dennoch verfolgte man die wichtigsten Ereignisse im russischen Herrscherhaus auch weiterhin: die Thronbesteigung Peters II. 1727,68 dessen unerwarteten Tod 1730 oder die nachfolgende Thronübernahme durch Anna Ivanovna.69 Die Ausführungen wurden durch den Abdruck von Rechtsdokumenten und anderen Akten ergänzt. Die Politik der Nachfolger, die Peters Werke fortführen und vollenden würden, wurde in der Zeitschrift gelobt: „Ihro Majestät [Katharina I.] folgen in allen Stücken denen Grund-Reguln der Regierungs-Kunst, welche Dero verstorbner Gemahl für die heilsamsten und sichersten geschätzt hat.“70 Man kann nicht genau angeben, inwiefern Huyssen Einfluss auf die Russlandberichte der Europäische[n] Fama nahm, die anonym und oft ohne Belege erschienen. Tatsächlich waren seine Meldungen nicht die einzige Informationsquelle für die Autoren der Zeitschrift, sie galten aber als glaubwürdig im Vergleich zu anderen Informanten. Bereits 1705 schrieb man im 29. Teil des Journals mit gewissen Vorbehalten, dass man den Nachrichten aus und über Russland nicht glauben solle, „weil sie grösten theils aus solchen Orten einlauffen/ die

63 Ebd. 151 (1713) 592. 64 Auszug des Schreibens von Heinrich von Huyssen an die Mitarbeiter der Europäischen Fama, St. Petersburg 17./28. September 1713. Ebd., 592–595. 65 Ebd. 203 (1717) 961. 66 Manifest Peters I. über die Absetzung Aleksejs als Thronfolger, Moskau 3./14. Februar 1718. Ebd. 211 (1718) 600–613; Zarewitsch Aleksej an Peter I., Neapel 4. Oktober 1717. Ebd., 613; Zarewitsch Aleksej an Peter I., Moskau 3. Februar 1718. Ebd., 613f. 67 Ebd. 212 (1718) 621–626. 68 Ebd. 314 (1728) 105. 69 Ebd. 326 (1730) 164f. 70 Ebd. 300 (1727) 975.

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extremement parteyisch sind“.71 1717 wurde im 203. Teil berichtet, dass die im Ausland befindlichen Russen Gerüchte über ihr Land verbreiteten.72 1720 wies man darauf hin, dass die Informationen „unbeständig und veränderlich“ seien. Trotzdem wolle man zumindest das weitergeben, was noch nicht widerrufen worden war.73 1723 berichtete die Zeitschrift, über Russland habe man bisher lange nicht geschrieben, weil keine zuverlässigen Nachrichten vorlägen.74 Auch 1725 wurde die Unglaubwürdigkeit der Berichte über das Zarenreich bestätigt, indem einige von ihnen, beispielsweise neue Forderungen des Zaren an die Stadt Danzig, als Falschmeldungen entlarvt wurden.75 Die Russlanddarstellungen in der Europäische[n] Fama verdeutlichen, dass das Russische Reich nicht zuletzt durch die Strategie Peters I. einen festen Platz in der Europaberichterstattung einnehmen konnte. Das Werkzeug dafür war vor allem Huyssen, der zahlreiche Berichte – interpretiert im Sinn Peters I. – beisteuerte.

5.1.3. Neu-eröffneter Welt- und Staats-Spiegel Huyssen erhielt auch den Befehl, Bildnisse der Zarenfamilie sowie der vornehmsten russischen Generäle und Minister in Kupfer stechen und in der Zeitschrift Neu-eröffneter Welt- und Staats-Spiegel/ Worinnen die in Europa/ wie auch denen andern Theilen der Welt/ vornehmlich aber in Teutschland vorfallende merckwürdigen Begebenheiten kürtzlich vorgestellet/ auch alles mit behörigen Documenten an Memorialien, Briefen, Relationen, und dergleichen erläutert, einige Anmerckungen beygefüget/ und verschiedenes aus der Geographie, Genealogie, Politica, und Historie erörtert wird aufnehmen zu lassen.76 Die Russlandberichterstattung dieser Zeitschrift trug daher ebenfalls Huyssens Handschrift. Der Herausgeber dieses Organs, das von 1709 bis 1716 in Leipzig – mit dem fingierten Druckort Den Haag – erschien, war der Historiker Johann Ehrenfried Zschackwitz.77 Der Neu-eröffnete Welt- und Staats-Spiegel war eine Fortsetzung des von 1698 bis 1709 publizierten Monatlichen Staats-Spiegels.78 In der Vorrede zum ersten Teil der Zeitschrift wurde die Zielsetzung formuliert: „dem gemeinen Wesen/ denen studirenden/ wie auch denen Liebhabern der Staats-Affairen und Geschichte zum besten/ und dann der Nachwelt zum Vortheil/ dasjenige durch den Druck mit zutheilen/ was desfalls so wohl in Teutschland/ als auch in denen andern Europaeischen Reichen merckwürdigs vorgehet und gehandelt wird“. 79 Der rote Faden, der sich durch die Russlandberichterstattung zog, war die Verehrung Peters I. Nicht zufällig erschien die Erstausgabe 1709 im Jahr des Sieges der Russen bei Poltawa. Der dem Aufsatz „Von Polen und Moscau“ neben anderen Dokumenten beigefügte Bericht des in Zarendiensten stehenden sächsischen Generals Nikolaus Ludwig Freiherr von Hallart vom 29. Juni/10. Juli, der offen-

71 72 73 74 75 76 77 78 79

Ebd. 29 (1705) 332. Ebd. 203 (1717) 947. Ebd. 231 (1720) 179. Ebd. 267 (1723) 195–197. Ebd. 281 (1725) 347–349. Haven: Nachrichten von Huyssen, 324. Kirchner: Die Grundlagen des deutschen Zeitschriftenwesens, Bd. 2/2, 10, Nr. 110. Ebd., 1, Nr. 2. Vorrede. In: Neu-eröffneter Welt- und Staats-Spiegel 1 (1709) 3–20, hier 13, 20.

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bar in der Nähe des Schlachtfeldes verfasst wurde, informierte über den Ablauf und den Ausgang der Schlacht.80 Bei der Charakterisierung Peters I. als eines idealen Herrschers blickte man beiläufig in die Vergangenheit und konstatierte, dass Russland mit der Thronbesteigung der RomanowDynastie endlich zur Ruhe gekommen sei. Ihr herausragender Vertreter sei Peter Alekseevič, „ein Herr von sonderbaren Gemüths-Gaben“. Er habe nicht nur Europa bereist, was keiner seiner Vorgänger gemacht hätte, sondern auch „den Grund zur künfftigen Cultivir- und Auspolirung seiner Nation geleget“.81 Ein Jahr später berichtete der Neu-eröffnete Welt- und Staats-Spiegel über den „Moscowitische[n] Mars“ folgendes: „Diesen [Peter I.], herausragend in Krieg und Frieden, haben die erfolgreich beendeten Kriege nicht mehr als die zu Hause vollbrachten Taten und der Ruhm, den er sich für seine Taten erworben hat, zu einem neuen Gestirn gemacht.“82 Es war wohl der Höhepunkt der Imageförderung Peters I., mit Gaius Julius Caesar verglichen zu werden – das Zitat stammt aus den Metamorphosen des römischen Dichters Ovid.83 Die Autoren der Russlandberichte unterstützten offensichtlich die nach Westen orientierte politische Linie Peters I., von der man hoffte, dass sie später vom Zarewitsch Aleksej fortgeführt werde. 1710 informierte der Neu-eröffnete Welt- und Staats-Spiegel die Leser, dass sich der Thronfolger in Krakau aufhalte und in der Umgebung das Bergwerk Wieliczka und andere Sehenswürdigkeiten besichtige.84 Über die weiteren Eroberungen Peters in Finnland und Livland berichtete der 16. Teil der Zeitschrift. Zu diesem Zeitpunkt war der Zar demnach auf dem Gipfel seines Ruhmes angelangt: „Grösseres Licht wahrer Erkäntnüß und Dienst Gottes bestrahle solche Regiments-Glückseeligkeiten! Gerechtigkeit und Treu müssen sich auf allen Grentzen begegnen!“85 Für die Zeitschrift verkörperte Peter I. den idealen Herrscher. Die idealisierenden Russland-Berichte wurden teilweise mit Bildern der in russischen Diensten stehenden Offiziere versehen, so beispielsweise mit Porträts von General der Infanterie Nikolaus Ludwig Hallart und Generalmajor Joachim Christian von Bucken.86 Das Bild Peters I. zierte als Frontispiz die 37. Ausgabe der Zeitschrift.87 Der Neu-eröffnete Welt- und StaatsSpiegel hatte sich zu einem wichtigen Instrument der Meinungsbildung entwickelt, das die Verehrung Peters I. nachhaltig förderte.

5.1.4. Curieuses Bücher-Cabinet Oder Nachricht Von Historischen/ Staats- und galanten Sachen Huyssen begünstigte wohl auch die positive Russlandberichterstattung in der historisch-politischen Zeitschrift Curieuses Bücher-Cabinet Oder Nachricht Von Historischen/ Staats- und 80 Bericht des Ludwig Nikolaus von Hallart, [Dorf] Wallstadt 29. Juni/10. Juli 1709. Ebd., 131–134. 81 Ebd., 129. 82 „Hunc Marte togaque Pr�cipuum non bella magis finita finita triumphis, Resque domique gestae, properataque gloria rerum, In sidus vertêre novum.“ Ebd. 35 (1711) 955. 83 Ovidius, P[ublius] Naso: Ex P[ublii] Ovidii Nasonis Metamorphoseon libris XV. Electorum libri totidem, ultimo integro. Antverpiae 1618, 644. 84 Neu-eröffneter Welt- und Staats-Spiegel 8 (1710) 788. 85 Ebd. 16 (1710) 373, 376. 86 Ebd. 30 (1711) Frontispiz, 53 (1713) Frontispiz. 87 Ebd. 37 (1712) Frontispiz.

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galanten Sachen an. Das Journal gab der Göttinger Rechtslehrer Johann Jakob Schmauss unter dem Decknamen Antonio Paullini von 1711 bis 1722 in Köln und Frankfurt am Main heraus.88 Bereits im zweiten „Eingang“ des Curieuse[n] Bücher-Cabinets wurde 1711 eine Lebensbeschreibung Peters I. gedruckt. Die Zeitschrift schmückte das Frontispiz-Bild des Zaren.89 In der Vorrede bemerkte der anonyme Autor, dass zwei zuvor erschienene Werke die Grundlage für seine Schrift bildeten:90 Christian Stieffs Relation von dem gegenwärtigen zustande des Moscowitischen Reichs (1706)91 und Johann Heinrich von Lohensteins Des Grossen Herrens/ Czaars und Groß-Fürstens von Moscau/ Petri Alexiewiz, Des gantzen grossen/ kleinen und weissen Reußlandes Selbsthalters/ etc. etc. etc. Leben und Thaten (1710).92 Der Autor fügte hinzu, dass die erste Publikation die Grundlage für das zweite Werk gewesen sei.93 Somit ist die im Curieusen Bücher-Cabinet veröffentlichte Lebensbeschreibung Peters I. indirekt auf Huyssen zurückzuführen, der an der Relation Stieffs mitgewirkt hatte.94 Die Lebensgeschichte des Zaren informiert zunächst über dessen von Unruhen begleiteten Thronantritt und nachfolgend seine Außen- und Innenpolitik, die als „Cultivirung des Landes“ nach europäischem Muster interpretiert wurden.95 Die Darstellung Peters als eines hervorragenden Monarchen rückte dabei in den Vordergrund: „Besitzet unser Czaar so viele Qualitaeten[,] die seinem Staat nützlich sind/ so ist er nicht weniger mit andern Privat-Tugenden versehen.“ Seine Bildungsmaßnahmen, darunter die Einladung der „griechische[n] Patres“, der Jesuiten sowie der italienischen und französischen „Sprachmeister“ nach Russland, wurden lobend hervorgehoben. In diesem Zusammenhang fanden auch Ernst Glück und seine Moskauer Schule Erwähnung. Ebenso angetan zeigte sich die Zeitschrift von der Tätigkeit des „Czaarische[n] Ober-Buchdrucker[s]“ Fedor Polikarpovič Polikarpov, der ein kirchenslawisch-griechisch-lateinisches Lexikon herausgebracht hatte,96 von der Errichtung der Apotheken in Moskau und der Schulen in ganz Russland sowie von der Einführung des neuen Julianischen Kalenders im Jahr 1700.97Auch Huyssen selbst wurde in der Zeitschrift genannt. Erbprinz Aleksej genieße dessen „unvergleichliche Aufferziehung“ nach europäischer Art. Der Prinz nehme an Feldzügen teil und erlerne so die Kriegskunst. Es gebe keinen Zweifel, dass „der Ruhm der Klugheit“ mit der Zeit „gedoppelt auff ihm ruhen“ werde und „alle Hoffnung der Erbfolge auf den Hoffnungs-vollen Printzen Alexio“ liege.98 Die Fortsetzung der Lebensbeschreibung Peters I. erschien 1720 im 57. „Eingang“ des Curieuse[n] Bücher-Cabinets.99 Im Frontispiz wurde dabei Fedor Matveevič Apraksin, „Ad88 Kirchner: Die Grundlagen des deutschen Zeitschriftenwesens, Bd. 2/2, 15, Nr. 181. Der Verlagsort Köln war im 18. Jahrhundert oft fingiert. 89 Curieuses Bücher-Cabinet 2 (1711) Frontispiz. 90 Vorrede. In: [Anonym]: Leben des Moscowitischen Czaars. Ebd., 209–274, Vorrede 209–211. 91 [Stieff]: Relation. 92 L[ohenstein]: Petri Leben und Thaten. 93 Vorrede. In: [Anonym]: Leben des Moscowitischen Czaars, 211. 94 Moepps: Stieffs „Relation“, 81–83. 95 Inhaltsverzeichnis. In: [Anonym]: Leben des Moscowitischen Czaars, 274. 96 [Polikarpov, Fedor Polikarpovič] (Hg.): Lexikon trejazyčnyj. sireč’ Rečenij slavenski, ellinogrečeski i latinski sokrovišče Iz različnych drevnich i novych knig sobranoe I po slavenskomu alfavitu v čine razpoloženoe. Moskva 1704. 97 [Anonym]: Leben des Moscowitischen Czaars, 239–242, 273. 98 Ebd., 269f. 99 [Anonym]: Eine Fortsetzung des Lebens Ihro Czaarischen Majestät in Rußland Petri Alexiewitz. In: Curieuses Bücher-Cabinet 57 (1720) 1–122.

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miral über die gantze Rußische See-Macht“, abgebildet.100 Der Schwerpunkt der Darstellung lag auf den Kriegsereignissen der jüngsten Vergangenheit. Dabei wurden die von Huyssen für die Zeitschrift Die Europäische Fama geschriebenen Berichte über die 1713 erfolgte russische Belagerung der finnischen Stadt Åbo übernommen, also auch diejenigen über die Verbringung von Büchern aus der finnischen Universitätsstadt nach St. Petersburg.101 Doch ging es nicht nur um Krieg, auch von der Familiensituation im russischen Herrscherhaus wurde erzählt, etwa von der Verbannung der ersten Gemahlin des Zaren, Jevdokija, geborene Lopuchina, in ein Kloster und dessen Heirat mit Katharina.102 Erwähnung fanden in der Zeitschrift ferner die Geburten der Kinder des Ehepaares. Da diese sehr jung verstarben, sank die Hoffnung auf einen männlichen Thronfolger erheblich. Zu diesem Zeitpunkt war Aleksej bereits tot. Trotzdem erinnerte man an ihn und seine Frau, was 1720 allerdings einem Affront gegenüber Peter I. gleichkam. Auf Aleksejs Erziehung sei von Kindheit an großer Wert gelegt worden, „Herr Baron von Huyssen“, dessen Bruder Bürgermeister in Essen sei, habe dazu erfolgreich beigetragen. Eine der Erziehungsmaßnahmen sei die Reise Aleksejs ins Ausland gewesen. Die Russen sollten dadurch angeregt werden, dem Beispiel des Zaren zu folgen und ihre Kinder zur Ausbildung nach Westeuropa zu schicken. Weiter hatte man gehofft, dass Aleksej von den Erfahrungen im Ausland im Sinn seines Vaters profitieren und der Umgang des Kronprinzen mit den Kräften, die zur Politik Peters I. in Opposition standen, auf diese Weise unterbunden werde. Diese Pläne und die in Aleksej gesetzten Hoffnungen seien aber samt und sonders gescheitert, weshalb der Autor den damaligen Kronprinzen nunmehr als gefährlichen Gegner seines Vaters darstellte.103 Der Einfluss Huyssens auf das Curieuse Bücher-Cabinet ist auch hier zu erkennen. Man übernahm von ihm mehrere für andere Schriften übermittelte Berichte. Die im Curieuse[n] Bücher-Cabinet abgedruckte Lebensbeschreibung Peters I. hatte den gleichen hymnischen Stil wie die Darstellungen ihrer Vorläufer.

5.2. Gelehrte und literarisch-kritische Zeitschriften 5.2.1. Acta Eruditorum Die Acta Eruditorum, in denen der Name Huyssens gelegentlich auftaucht, waren eine typische Gelehrtenzeitschrift der Frühaufklärung in lateinischer Sprache. Sie erschienen von 1682 bis 1731104 und wurden von 1732 bis 1782 als Nova Acta Eruditorum fortgesetzt.105 Die ersten zehn Jahre wurde das Journal beim Verleger Christoph Günther, später bei Grosse 100 Ebd., Frontispiz. 101 Auszug des Schreibens des Heinrich von Huyssen an die Mitarbeiter der Europäischen Fama, St. Petersburg 17./28. September 1713. In: Die Europäische Fama 151 (1713) 592–595. 102 [Anonym]: Eine Fortsetzung des Lebens Ihro Czaarischen Majestät, 67, 89. 103 Ebd., 90–93, 98. 104 Laeven: The „Acta Eruditorum“ under the editorship of Otto Mencke; Kirchner: Die Grundlagen des deutschen Zeitschriftenwesens, Bd. 2/2, 3, Nr. 28; Fläschendräger, Werner: Rezensenten und Autoren der Acta Eruditorum“ (1682–1731). In: Gieysztor, Aleksander/Koczenska, Maria (Hg.): Universitates Studiorum Saec. XVIII et XIX. Études présentés par la Commission Internationale pour l’histoire des universités en 1977. Warszawa 1982, 61–80. 105 Kirchner: Die Grundlagen des deutschen Zeitschriftenwesens, Bd. 2/2, 37, Nr. 479.

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& Gleditsch – Johann Grosse und Johann Friedrich Gleditsch – in Leipzig veröffentlicht.106 Die Nachkommen Johann Grosses führten die Zeitschrift nach dessen Tod weiter,107 während Gleditsch das Geschäft 1693 seinem Stiefsohn Thomas Fritsch übergab.108 Der Gründer, Hauptherausgeber und Organisator der Publikation war Otto Mencke, Professor für Moral und Politik an der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig.109 Als Mitgründer und Mitarbeiter betätigten sich außerdem die lutherischen Theologen Johannes Olearius und Valentin Alberti sowie der Gelehrte und Staatsmann Veit Ludwig von Seckendorff.110 Auch Leibniz beteiligte sich und schrieb für die Zeitschrift Beiträge.111 Auf dem Sterbebett nahm Mencke 1707 seinem Sohn Johann Burckhard,112 der bereits seit 1695 Texte für die Zeitschrift beigesteuert hatte, das Versprechen ab, die Acta Eruditorum weiterzuführen. Johann Burckhard Mencke, der Schwiegersohn Gleditschs, war als Professor für Geschichte an der Universität Leipzig sowie als Dichter, Forscher und Journalist tätig. Darüber hinaus stand er als Mitglied der Londoner Royal Society (seit 1700) und der Berliner Sozietät der Wissenschaften (seit 1726) mit vielen europäischen Gelehrten in Verbindung.113 In Huyssen fand die angesehene Gelehrtenfamilie Mencke eine wichtige Kontaktperson zu Russland. Beide Seiten nutzten diese Verbindung zum wechselseitigen Vorteil. In den Russlandnachrichten entdeckten Vater und Sohn Mencke einen Stoff, der auf zunehmend größeres Interesse stieß. Huyssen wiederum beeinflusste durch seine Aufsätze den Meinungsbildungsprozess in Deutschland zugunsten Peters I. und machte sich darüber hinaus in breiten Wissenschaftskreisen bekannt. Huyssen genoss großes Ansehen im Umfeld der Acta Eruditorum, in denen er als “Vir clarissimus“114 und „Amicu[s] nost[er] & Fautor [...] aestumatissim[us]“ gerühmt wurde.115 Zu Johann Burckhard Mencke pflegte Huyssen eine direkte Verbindung. In einem Brief vom 15. August 1706 versicherte Mencke, dass er Huyssens Angebot zu einer Zusammenarbeit gern annehme; darüber hinaus bedankte er sich für ein Buch, das ihm Huyssen übersandt hatte. Seinerseits wollte Mencke ihm zwei Schriften schicken, die er als Dekan herausgebracht hatte. Was die Acta Eruditorum betraf, die Huyssen wünschte, so konnten sie laut Mencke nur zur Messezeit „post Festum Michaelis proximum“ übersandt werden. Da es sich nur um wenige Abschnitte handelte, verlangte Mencke kein Geld dafür. Er versicherte, bei Bedarf alle 106 107 108 109 110 111 112

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Laeven: The „Acta Eruditorum“ under the editorship of Otto Mencke, 42. Paisey: Deutsche Buchdrucker, 85; Benzing: Die deutschen Verleger, 1151. Paisey: Deutsche Buchdrucker, 68; Benzing: Die deutschen Verleger, 1137. Laeven: The „Acta Eruditorum“ under the editorship of Otto Mencke; Moepps: Stieffs „Relation“, 74f.; Döring, Detlef: Philosophie. In: ders./Hollberg, Cecile (Hg.): Erleuchtung der Welt. Sachsen und der Beginn der modernen Wissenschaften. Dresden 2009, 210–217, hier 210f. Laeven: The „Acta Eruditorum“ under the editorship of Otto Mencke, 30, 32. Moepps: Stieffs „Relation“, 75. Laeven: The „Acta Eruditorum“ under the editorship of Otto Mencke, 33–35. Zu Johann Burckhard Mencke vgl. Treitschke, Richard: Burkhard Mencke, Professor der Geschichte zu Leipzig und Herausgeber der Acta Eruditorum. Zur Geschichte der Geschichtswissenschaft im Anfange des 18. Jahrhunderts. Leipzig 1842; Hermes, Agnes-Hermine: Johann Burkhard Mencke in seiner Zeit. Frankfurt am Main 1934; Grau, Conrad: Johann Burkhard Menckes Rußlandkontakte. In: Grasshoff, Helmut/Lehmann, Ulf (Hg.): Studien zur Geschichte der russischen Literatur des 18. Jahrhunderts, Bd. 4. Berlin 1970, 245–261. Laeven: The „Acta Eruditorum“ under the editorship of Otto Mencke, 33–35, 40. Acta Eruditorum (1703), 176. Ebd. (1705), 240.

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Einzelbände, zu dieser Zeit fast 30 Stück, zum reduzierten Preis von 18 Groschen zu schicken. In Deutschland kosteten sie 24 Groschen bzw. einen Taler.116 Mencke schrieb weiter: „Ich kann Euch aber auch die besten Bücher aller Art besorgen, sei es, dass sie in unserem Leipzig oder in England, Belgien oder Italien gedruckt sind.“117 Man müsse sich allerdings dafür nach einem Händler umsehen, fuhr er fort, der „in permutandis pecuniis“ tätig sei.118 Die wissenschaftliche Aktivität Huyssens stieß in den Acta Eruditorum auf positive Resonanz. 1703 wurden die von ihm kurz zuvor veröffentlichten Schreiben des polnischen Königs Sigismund II. August119 wohlwollend kommentiert. Es sei dem hochberühmten Heinrich von Huyssen zweifellos hoch anzurechnen, dass er die auf seiner Polenreise gesammelten Briefe des Königs, zusammen mit dessen Berichten und Antwortschreiben an andere Könige, habe publizieren lassen. Da es bisher selten gelungen sei, Briefe von Königen und Fürsten ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen, habe Huyssen einen neuen Weg beschritten, als er diese Dokumente seinem Freund Johann Burckhard Mencke unter der Bedingung, dass dieser sie mit einem Vorwort und einem thematischen Index versehe, überlassen habe. Zudem habe Huyssen Zugang zu den Briefen des polnischen Königs Stephan Báthory gefunden, von denen er die ersten zehn an den Bischof von Leslau, Stanisław Karnkowski (Carncovius), der einen großen Beitrag zu seiner Wahl geleistet hatte, als Leseprobe hinzugefügt habe. Sollte sich das Büchlein gut verkaufen, wollte Huyssen in Zukunft die übrigen 535 Briefe herausgeben.120 Huyssens Tätigkeit führte dazu, dass man sich seither mehr und mehr für die Verhältnisse in Russland interessierte. 1705 wurde in den Acta Eruditorum der Aufschwung der Gelehrsamkeit in Moskau gelobt. Aus den Berichten vom Mai und August geht hervor, dass Huyssen die Einzelausgaben der Zeitschrift las, darin enthaltene falsche Angaben berichtigte und durch ihm genehme Informationen ergänzte. Im Mittelpunkt seiner Darstellungen stand das Loblied auf den Zaren. Im Mai 1705 hieß es, dass Peter I. sich nicht nur für Militärarchitektur, Kriegswissenschaft, Schiffsbau und Mechanik begeistere, sondern auch für die schöne Literatur und die Freien Künste. Ernst Glück wurde als „Vir Reverendus“ gerühmt, der nach der Eroberung von Narwa nach Moskau verschleppt worden sei, nun aber die Hochachtung des Zaren genieße. In Moskau habe er eine Schule („wie ich aus seinem eigenen Brief an unseren Freund und hochgeschätzten Förderer Huyssen [...] vorher so nicht erfahren habe“, so der Autor)121 und einen Verlag für Bücher aller Art, die man der studierwilligen Jugend empfehle, gegründet. Dann folgten Überlegungen zur Bibelübersetzung der byzantinischen Missionare im slawischen Raum im 9. Jahrhundert, Kyrill und Method. Diese Übersetzung sei momentan noch in Gebrauch, dem Laien jedoch wegen ihres Alters nicht mehr verständlich. 116 St.-Peterburgskij Filial Archiva RAN: fond 119, opis’ 1, edinica chranenija 4, Johann Burckhard Mencke an [Heinrich von Huyssen], Leipzig 15. August 1706, 50v–51r. 117 „Sed libros quoque omnis generis optimos procurare tibi potero, sive Lipsiae nostrae, sive in Anglia, Belgioque, aut Italia impressos.“ Ebd. 118 Ebd., 51r. 119 Huyssen, H[einrich] de/Menckenius, Jo[hannes] Burchard (Hg.): Sigismundi Augusti, Poloniarum Regis, Epistolae, Legationes et Responsa. Nec non Stephani Batorii, Reg. Pol. Epistolarum Decas et Oratio ad Ordines Poloniae. E Museo H. de Huyssen. Accesserunt Opuscula duo alia, ad Electionem Regis Sigismundi III spectantia. Omnia recensuit Jo. Burchard Menckenius. Lipsiae 1703. 120 Acta Eruditorum (1703), 176, 181f. 121 „ut ex ejusdem epistola ad Amicum nostrum & Fautorem aestumatissimū, Henricum ab Huyssen [kursiv im Original] [...] non ita pridem accepimus“. Ebd. (1705), 240. Die wichtigsten Informationen über die Schule sind zusammengefasst in Kovrigina, Vera Aleksandrovna: Glück als Schulgründer in Russland. In: Schiller/Grudule (Hg.): „Mach dich auf …“, 193– 213.

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Sie enthalte so viele Fehler und theologische Fragwürdigkeiten, dass der Zar weitere Drucke schon vor langer Zeit verboten habe. Für eine Neuübersetzung sei niemand besser geeignet als Glück selbst, da er bereits zuvor eine Übertragung angefertigt habe, die allerdings bei der Besetzung Narwas verloren gegangen sei. Er habe mittlerweile damit begonnen, das Neue Testament neu zu übersetzen, wofür ihm der Autor viel Erfolg wünschte. Erwähnt wurde auch Fedor Polikarpov, der 1705 in Moskau ein slawisch-griechisch-lateinisches Wörterbuch im Quartformat herausgebracht hatte.122 Huyssen bemerkte mehrere Fehler in diesem Beitrag, die er schon im August korrigierte. So schrieb er beispielsweise, dass Glück nicht aus Narwa gekommen sei, sondern aus Marienburg, wo er vor drei Jahren gefangen genommen und seiner Bibliothek beraubt worden wäre. In Russland sei er wissenschaftlich tätig geworden und habe zu Lebzeiten (denn er sei im Mai verstorben) vom Zaren 3.000 Rubel zum Unterhalt der Schule bezogen, die im Palast Naryškins in Moskau unter seiner Leitung eröffnet worden war. Auch zu Polikarpov konnte Huyssen Neuigkeiten berichten: In dessen Druckerei seien seit der Eroberung Narwas die Typen aller Sprachen vorhanden; er sei ein umsichtiger Editor.123 Diese Anmerkung enthielt zugleich die Berichtigung, dass Polikarpov eine Druckerei in Moskau leitete, nicht Glück, wie es in der Mai-Ausgabe zu lesen gewesen war. 1706 erschien in der Zeitschrift eine durch eine Abbildung illustrierte „Beschreibung eines zweiköpfigen menschlichen Monsters, entnommen aus einem Brief, den Nikolaus Bidloo, Leibarzt seiner Zaristischen Majestät, im September des Jahres 1705 an Seine Exzellenz Huyssen, etc. etc. geschrieben hat“.124 Eine dreißigjährige Frau aus Moskau, Gemahlin des Soldaten Gregor „Boulagagou“, sei nach achtmonatiger Schwangerschaft mit einem toten, monströsen zweiköpfigen Fötus weiblichen Geschlechts niedergekommen, nachdem sie auf dem Eis gestürzt war.125 Huyssen beschäftigte sich also nicht nur mit der Geschichte und Politik Russlands, es ging ihm offenbar auch um die Verbreitung von als Sensation empfundenen Meldungen. Im Mai 1708 findet sich in den Acta Eruditorum ein Beitrag über die Wappen Russlands, der russischen Städte und der dem Russischen Reich eingegliederten Gebiete. Das aktuelle Wappensymbol Russlands sei ein zweiköpfiger Adler mit ausgebreiteten – früher oft auch angelegten – Flügeln, am Hals hänge der rote Schild des Heiligen Georg, auf dem ein silberner Reiter mit der Lanze einen blaugrünen Drachen töte.126 Dieser Beschreibung folgten Wappendarstellungen der von Russland abhängigen Gebiete.127 Beigegeben war ferner eine

122 Acta Eruditorum (1705), 240. 123 Ebd. (1705), 382–384. 124 „Descriptio monstri humani bicipitis, e literis excerpta, quas Nicolaus Bidloo, Czareae Maj. Archiater, mense Septembr. A. 1705 ad Excellentissimum Huyssenium &c. &c. dedit“. Ebd. (1706), 39. 125 Ebd., 39f. In der 1714 in St. Petersburg eingerichteten Kunstkammer wurden auch menschliche Fehlgeburten ausgestellt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Vgl. Buberl, Brigitte/Dückershoff, Michael (Hg.): Palast des Wissens. Die Kunst- und Wunderkammer Zar Peters des Großen, Bd. 1–2. München 2003; Driessen-van het Reve, Jazien J.: De Kunstkamera van Peter de Grote. De Hollandse inbreng, gereconstrueerd uit brieven van Albert Seba en Johan Daniel Schumacher uit de jaren 1711– 1752. Hilversum 2006; Nicolosi, Riccardo: Mikrokosmos des Neuen. Die Kunstkamera, Petersburg und die symbolische Ordnung der Petrinischen Epoche. In: Pietrow-Ennker, Bianka (Hg.): Kultur in der Geschichte Russlands. Räume, Medien, Identitäten, Lebenswelten. Göttingen 2007, 128–142. 126 Acta Eruditorum (1708), 219–223, hier 219f. 127 Ebd., 220–222.

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Abbildung der Wappen mit der Unterschrift „Insignia Moscoviae et reliquarum provinciarum Imperii Russici“. Zwar ist eine direkte Mitwirkung Huyssens an diesem Bericht nicht nachweisbar; sie ist aber mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, nachdem sich Huyssen schon früher mit Heraldik beschäftigt hatte. Offenbar stieß russische Heraldik auf starkes Interesse in deutschen wissenschaftlichen Kreisen. Sicher nachweisbar ist jedoch, dass Huyssen sechs der ersten, 1708/09 in Russland in Bürgerlicher Schrift („graždanskij šrift“) gedruckten Bücher an Mencke schickte, der sie seinerseits an den Naturforscher, Pflanzen-, Insektenforscher und Sprachkundler Johann Leonhard Frisch, Rektor des Berliner Gymnasiums „Zum Grauen Kloster“, weiterleitete. Schon im März 1710 erschien in den Acta Eruditorum dessen Rezension unter dem Titel „Libri novi Russico idiomate conscripti“.128 Den Weg der Bücher von Huyssen über Mencke an Frisch zeigt eine Stelle aus einem Brief Frischs an Leibniz vom 30. Januar 1710: „Herr D. Mencken von Leibzig hat mir schöne Moscowitische Scripta geschickt, welche ich ihm extrahire, damit er sie in den Actis recensiren könne. Sie sind dialecto russica geschrieben, welches vor diesem nie gesehen; sie sind charactere tachygraphiae Russicae gedruckt, dergleichen nie gesehen worden“.129 Später unterhielt Frisch dann direkte Beziehungen nach Russland. Am 12. August 1716 schrieb er an Leibniz: „Aus Petersburg hat mir einer einiger Bücher Titel übergeschickt, welche daselbst gedruckt worden, mit dem neuen Schreib-charactere[,] mit welchem alle politica jetzt gedruckt werden. Der H[err] von Golofkin, Moscowitischer envoyé, hat mir ein solches Buch geschenkt.“130 Aus dem Brief geht allerdings nicht hervor, wer außer Golovkin Bücher an Frisch versandte; man kann aber mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass dies Huyssen war. Dass Huyssen 1710 die Bücher in russischer bürgerlicher Schrift nach Deutschland sandte, ist belegt. In der Einleitung zu seiner Rezension stellte Frisch beispielsweise fest, dass die Drucktechnik einwandfrei sei, die Schrift allerdings ungewohnt, da sie nicht rein kyrillisch sei, sondern einer Schnellschrift ähnele, was einigen Lesern wohl Schwierigkeiten bereiten werde. Nach eher allgemeinen Informationen zum Unterschied von lateinischen und kyrillischen Lettern („m“ sei „t“, „h“ sei „n“ usw.) berichtete Frisch schließlich noch von einer wichtigen Entdeckung. Die russische Sprache schien ihm verändert zu sein: Wo man vorher „grad“ (Stadt) gelesen hatte, finde man jetzt das aus der russischen Mundart übernommene Wort „goroda“ (und nicht „grada“, Städte). Frisch folgerte daraus, dass die Russen unter dem gegenwärtigen Herrscher ihre Sprache ebenso weiterentwickelten wie Handel und Kriegskünste.131 Frisch hatte folgende Bücher rezensiert: 1. [Bouillet]: Kniga o sposobach, tvorjaščich vodochoždenie rek svobodnoe. Moskva 1708. Dieses Werk wurde 1693 in französischer Sprache in Paris publiziert und dann 1696 128 Ebd. (1710), 140–143; Eichler, Ernst: Die slawistischen Studien des Johann Leonhard Frisch. Berlin 1967 (Veröffentlichungen des Instituts für Slawistik der Deutschen Akademie der Wissenschaften 40), 19, 27. 129 Johann Leonhard Frisch an Gottfried Wilhelm Leibniz, Berlin 30. Januar 1710. In: Fischer, L[eopold] H[ermann] (Hg.): Joh. Leonh. Frisch’s Briefwechsel mit G. W. Leibniz. Ein Beitrag zur Geschichte des geistigen Lebens in Berlin am Anfang des 18. Jahrhunderts. Berlin 1896 (Archiv der „Brandenburgia“ 2), 24f.; Grau: Johann Burkhard Menckes Rußlandkontakte, 247. 130 Johann Leonhard Frisch an Gottfried Wilhelm Leibniz, Berlin 12. August 1716. Ebd., 46. Mit „Golofkin“ ist Aleksandr Gavrilovič Golovkin, Sohn des russischen Staatskanzlers und Gesandter in Berlin, gemeint, der später Freundschaft mit Jean-Jacques Rousseau schließen sollte. 131 Acta Eruditorum (1710), 140.

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in Amsterdam nachgedruckt.132 Es erschien anonym, allerdings konnte der Verfasser, der Ingenieur Bouillet, identifiziert werden. Als Übersetzer ins Russische betätigte sich Boris Ivanovič Volkov, ein Mitarbeiter des Gesandtenamtes (posol’skij prikaz).133 Im Mittelpunkt des Buches stehen verschiedene Anlagen der Wasserwirtschaft (unter anderem Schifffahrtswege, Schleusen und Kanäle). Frisch hob lobend hervor, dass dieses nützliche Buch ins Russische übersetzt worden sei, denn es enthalte viele gewinnbringende Informationen über das Wasserbauwesen. Die französische Version war nach Frisch die sinngemäße Übersetzung eines italienischen Werks, das der Holländer Cornelio (bei Frisch Joanne) Meyer, Militäringenieur und Mitglied der Römischen Physiko-Mathematischen Akademie,134 1685 in Rom unter dem Titel L’Arte Di restituire à Roma la tralasciata Navigatione del suo Tevere veröffentlicht hatte.135 Besonders lobend erwähnte Frisch bei der russischen Ausgabe die Druckund Papierqualität; auch seien die Bilder so schön gestochen, dass man sie mit denen aus der französischen Ausgabe geradewegs verwechseln könne.136 2. [Birckenstein, Anton Ernst Burckhard von]: Priemy cirkulja i lineiki ili isbranneišoe načalo Vo matematičeskich iskustvach, imže vozmožno legkim i novym sposobom vskore dostupiti zemlemerija, i inych is onago proischodjaščich iskustv. Moskva ³1709 [¹März 1708]. Bei diesem Buch handelte es sich um die dritte Ausgabe des Werkes Geometria slavenski zemlemerie.137 Frisch berichtete, dass es eine Übersetzung des Titels Ertz-Herzogliche Handgriffe aus der Feder des Militäringenieurs Anton Ernst Burckhard von Birckenstein sei.138 Der Autor unterrichtete Erzherzog Joseph, Sohn Kaiser Leopolds I., in Militärwissenschaft und Geodäsie.139 Frisch stellte in der Übersetzung keinen Unterschied zum Original fest, lediglich im Titel sei das Wort „Erzherzogliche“ weggelassen worden und anstatt der Bilder von ungarischen Befestigungsanlagen habe man nach eigenem Gutdünken andere eingefügt.140 3. Sturm, [Leonhard Christoph]: Architektura voinskaja. Gipotetičeskaja, i eklektičeskaja to est’ vernoe nastavlenie kak raznymi nemeckimi, francuzskimi, galanskimi, i italianskimi 132 [Bouillet]: Traité de moyens de rendre les rivieres navigables. Amsterdam 1696. Deutsche Übersetzung: [Bouillet]: Tractat Von den Mitteln Die Flüße Schiffbar zu machen, Mit unterschiedlichen Deßeins von Dämmen, Roll-Brücken, Schleussen, Deichen, Kästen, um unter Wasser zu bauen, und andern Machinen, deren man sich in Holland und anderswo bedienet, um denen Hindernißen, die der Schiffarth auf denen Flüßen hinderlich sind, abzuhelffen, wie auch die Canäle zu vertieffen und die Häfen zu reinigen, Allwo auch von denen Mitteln gedacht wird, die in Grund versenckte Schiffe wieder heraus zu ziehen, und die Güther daraus zu salviren. Übersetzt aus dem Französischen von Johann Rudolph Fäsch. Dreßden 1728. 133 Eichler, E[rnst]: Johann Leonhard Frisch und die russische Sprache. Ein Kapitel deutscher Slawenkunde. In: Winter, E[duard] (Hg.): Die deutsch-russische Begegnung und Leonhard Euler. Beiträge zu den Beziehungen zwischen der deutschen und der russischen Wissenschaft und Kultur im 18. Jahrhundert. Berlin 1958 (Quellen und Studien zur Geschichte Osteuropas 1), 94–111, hier 104. 134 Acta Eruditorum (1710), 141. 135 Cornelio, Meyer: L’Arte Di restituire à Roma la tralasciata Navigatione del suo Tevere. Roma 1685. 136 Acta Eruditorum (1710), 141. 137 Eichler: Johann Leonhard Frisch und die russische Sprache, 105. 138 Acta Eruditorum (1710), 142. B[irckenstein], A[nton] E[rnst] [Burckhard]: Ertz-Hertzogliche Handgriffe Deß Zirckels und Lineals; Oder: Außerwählter Anfang zu denen Mathematischen Wissenschafften. Augspurg 169[8]. 139 Schmidtchen, Volker (Hg.): Forschen, erhalten, pflegen, nutzen. Vom Umgang mit Wehrarchitektur. Wesel 1981 – Wesel 1991. 10 Jahre Deutsche Gesellschaft für Festungsforschung e. V. Wesel 1991 (Festungsforschung 10), 377. 140 Acta Eruditorum (1710), 142.

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manirami. S dobrym pribytkom, tak v reguljarnoi, kak v Irreguljarnoi fortifikacii polzovatisja vozmožno. Moskva 1709. Dieses Buch war eine von dem russischen Gesandten in Berlin, Aleksandr Gavrilovič Golovkin, der bei Frisch in Berlin ausgebildet worden war, übersetzte Schrift über Befestigungstechnik.141 Das Original hatte der Professor für Mathematik, Leonhard Christoph Sturm, unter dem Titel Architectura Militaris Hypothetica & Eclectica veröffentlicht.142 Der Übersetzer folge dem Autor überall genau, fasse sich aber in den Teilen, die zum Ruhm des Fürsten eingefügt worden waren, etwas kürzer, so Frisch.143 4. Borgsdorf, Erist Friderich von: Pobeždajuščaja krepost’ k sčastlivomu pozdravleniju slavnoi pobedy nad Azovym, i k sčastlivomu vezdu v Moskvu. Moskva ²1709 [¹1708]. Borgsdorff war ein in österreichischen Diensten stehender Ingenieur der Befestigungstechnik, der auf Ersuchen Peters I. 1696 nach Russland gekommen war.144 5. Borgsdorf, Ėrist Friderich von: Poverennye voinskie pravila kako neprijatelskie kreposti siloju brati. Ego Carskomu Veličestvu k predbuduščei slave izobraženy. Moskva 1709. Johann Leonhard Frisch zufolge hatte Ernst Friedrich von Borgsdorff beide Bücher (Nr. 4 und Nr. 5) schon vor einigen Jahren dem Zaren eigenhändig übergeben, das erste 1696, das zweite ein Jahr später. Nun seien sie auf Befehl Peters I. hin ins Russische übersetzt worden. Die Grundlagen der Militärarchitektur würden darin gut strukturiert zusammengefasst. Das erste Buch erkläre die Kunst des Befestigens, das zweite die Verteidigungs- und Angriffsstrategien. Die Grundlagen für den Festungsbau, die der Autor anführe, seien allerdings schon lange bekannt: zum einen aus seinem eigenen Werk über unbezwingbare Festungen, das bereits im Januar 1683 besprochen worden war, zum anderen aus einem anderen deutschen Text, der 1687 in Nürnberg unter dem Titel Die Befestigte Stütze Eines Fürstenthums145 veröffentlicht worden war.146 6. Generalnye signaly, nadziraemye vo flote ego carskago veličestva. Moskva 1708. Bei diesem Werk über die Seefahrt war es nach Frisch unklar, ob es sich ebenfalls um eine Übersetzung handelte. Allerdings seien viele niederländische Wörter, wie „Vlak, Vlakstok, Wimpel, Schout by Nacht“ oder „Admiral, Capitan, arriereguarde, avantguarde“, mit der slawischen Sprache vermischt.147 Die Liste der rezensierten Bücher belegt, dass Russland immer stärker an den europäischen Wissenschaftsbeziehungen partizipierte. Huyssens Einfluss bei dieser Entwicklung darf nicht unterschätzt werden.

141 Eichler: Johann Leonhard Frisch und die russische Sprache, 105. 142 Sturm, Leonhard Christoph: Architectura Militaris Hypothetica & Eclectica, Das ist: Eine getreue Anweisung/ wie man sich der gar verschiedenen Teutschen/ Französischen/ Holländischen und Italiänischen Befestigungs-Manieren mit guten Nutzen so wohl in der regular- als irregular-Fortification bedienen könne/ Aus etlichen und siebenzig differenten Manieren/ deren einige von den berühmtesten Ingenieurn itziger Zeit genommen/ theils von dem Auctore selbst erfunden sind/ Jn einem Gespräch Mit einer hohen Standes-Person vorgestellet. Nürnberg 1702; Bernet, Claus: Leonhard Christoph Sturm (1669–1719). In: Fränkische Lebensbilder, Bd. 21. Würzburg 2006, 155–170. 143 Acta Eruditorum (1710), 143. 144 Eichler: Johann Leonhard Frisch und die russische Sprache, 105. 145 Borgsdorff, Ernst Friderich von: Die Befestigte Stütze Eines Fürstenthums/ Oder: Neu erfundene Defension wider das sonst Welt bezwingende Canoniren Bombardiren und Miniren. Nürnberg 1687. 146 Acta Eruditorum (1710), 142. 147 Ebd., 143.

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5.2.2. Nova Litteraria […]in supplementum Actorum Eruditorum divulgata observationibusque varii argumenti distincta In den Nova Litteraria erschien 1722 ein von Huyssen verfasstes lateinisches Epitaphium auf die Grafen Gordon, Vater und Sohn, die in der katholischen Kirche im deutschen Viertel bei Moskau begraben sind.148 Dem Epitaph wurde die Bemerkung vorangestellt, dass ihr Autor, „der berühmte Herr“ Heinrich von Huyssen schon lange danach strebe, „dass Literatur aller Art in diesen Gebieten [in Russland] erwächst und zur Blüte gelangt“.149 Der Inhalt des Epitaphs auf den schottischen General der russischen Armee und dessen Sohn lässt sich wie folgt wiedergeben: Nun ruhen sie endlich in Frieden, Patrick, der Vater, und Jakob, der Sohn, Gordon, die einem berühmten schottischen Geschlecht entstammten. Sie waren zu Lebzeiten von Kriegen, Reisen und anderen Gefahren in Anspruch genommen worden und hatten niemals geruht.150 Patrick, am 31. März 1635 in Auchleuchries in Schottland geboren, war 1654 nach „Sarmatien“ aufgebrochen und hatte sich, nachdem er in der schwedischen, später in der polnischen Armee gedient hatte, beim russischen Heer registrieren lassen. Von 1661 bis zu seinem Tod 1699 diente er in verschiedenen Dienstgraden und unter allerlei Umständen vier Zaren, bei denen er großes Ansehen genoss. Er brachte den Soldaten nicht nur eine neue und bessere Kampftechnik bei, sondern habe sich auch in den Kriegen gegen die Polen, Schweden, Kosaken, Osmanen und die „Skythen“ (gemeint waren vermutlich die Krimtataren) durch unermüdlichen Einsatz, ohne Rücksicht auf das eigene Leben, unsterblichen Ruhm erworben.151 Im Jahr 1666 sei Patrick Gordon von Zar Aleksej zu König Karl II. von England geschickt worden und habe sich dort in schwierigen Verhandlungen durch seine Rechtschaffenheit und sein Geschick das Wohlwollen beider Monarchen erworben. 1668 habe er tapfer gegen Stepan Timofeevič Razin, den Führer eines mächtigen Aufstandes der Donkosaken gekämpft, wobei er verwundet worden sei. Auch im Kampf gegen Petr Dorofeevič Dorošenko und andere von den Osmanen unterstützte feindliche Kosaken konnte er sich offenbar auszeichnen. 1678 in Tschyhyryn und 1679 in Kiew zwang Gordon als Oberbefehlshaber der Wachtruppen der Befestigungsanlagen wiederholt die „Skythen“, die „Räuber der Völker“, zum Rückzug. 1679 nahm er als Unterbefehlshaber an verschiedenen Gefechten und Scharmützeln und 1687 an den Kriegsexpeditionen auf der Krim teil.152 1689 rettete Gordon als designierter 148 Huyssen, Henricus L. B. de: Epitaphium Comitibus Gordoniis, Patri & Filio, in Ecclesia Catholicorum, quae in Suburbio Germanorum prope Moscoam est, sepultis scriptum. In: Nova Litteraria [...] in supplementum Actorum Eruditorum divulgata observationibusque varii argumenti distincta 7 (1722) 97–101. Zu Patrick Gordon vgl. Topf, Silvia: Das beschwerliche Leben des Schotten Patrick Gordon im Dienste dreier Zaren. München 1989; Gordon, Patrick: Tagebuch des Generals Patrick Gordon, während seiner Kriegsdienste unter den Schweden und Polen vom Jahre 1655 bis 1661, und seines Aufenthaltes in Rußland vom Jahre 1661 bis 1699. Hg. v. M[oritz] C[onrad] Posselt und M[ichail] A[ndreevič] Obolenski, Tl. 1–3. u. a. 1849–1853; Gordon, Patrick: Passages from the diary of General Patrick Gordon of Auchleuchries in the years 1635 – 1699; 1659–1667. Hg. v. Joseph Robertson. Aberdeen 1859 [ND 1968]; Gordon, Patrick: Dnevnik. 1635–1659. Übersetzt v. D[mitrij] G[ennad’evič] Fedosov. Moskva 2000– 2002. 149 „ut omne litterarum genus in his oris exsurgat & exornetur“. Huyssen: Epitaphium Comitibus Gordoniis, Patri & Filio, 97. 150 Ebd. 151 Ebd., 98. 152 Ebd.

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Feldherr Peter beim Kloster des Heiligen Sergius aus Lebensgefahr, wodurch er einmal mehr seine Vertrauenswürdigkeit und Geschicklichkeit bewiesen hatte. 1693 und 1694 begleitete er den Zaren auf dessen Reise durch die Nordprovinzen bis ans Eismeer. 1696 befestigte er den Don, den Peter von den Türken erobert hatte, und andere Städte am Schwarzen Meer mit neuen Schanzanlagen. 1698 schließlich besiegte Gordon die Strelitzen, die abermals einen Aufstand begonnen hatten.153 Am 29. November 1699 starb er im 64. Lebensjahr. Seine sterblichen Überreste, die in Anwesenheit des trauernden Zaren in der für ihn und seine Familie erbauten Grabstätte bestattet wurden, „verehren wir zu Recht mit Ehrfurcht und in Gedenken an die Wohltaten der Gordons“, so Huyssen.154 Ebenso wie sein berühmter Vater, machte auch der Sohn von sich reden. Jakob Gordon, 1668 in Moskau geboren, war als junger Mann zur Ausbildung nach Deutschland, Schottland und Frankreich geschickt worden. Zurück in der Heimat, verdiente er sich unter Anleitung seines Vaters seine ersten Sporen im Militärdienst. 1695 führte er im ersten Feldzug zur Eroberung Asows von der Festung Tambow aus drei Armeen zur Besetzung des Don. 1700, zu Beginn des Großen Nordischen Krieges, wurde er im Kampf um Narwa von den Schweden gefangen genommen und nach Stockholm gebracht. Von dort konnte er aber schon 1701 fliehen, um weiter dem Zaren im Krieg gegen die Schweden zu dienen. Die Belohnung von 1.000 Rubel, die er von Peter I. für die erfolgreiche Belagerung Schlüsselburgs 1702 und als Entschädigung für seine Verwundungen bekommen hatte, spendete er für den Aufbau dieses Ortes. 1703 und 1704 war er an der Einnahme der schwedischen Befestigungen an der Newa sowie der Städte Dorpat und Narwa beteiligt. Kaiser Leopold I. ernannte Gordon noch in seinem Todesjahr 1705 zum Reichsfürsten des Heiligen Römischen Reiches und Papst Clemens XI. empfing ihn in Rom zu einer Audienz. Auf der Insel Malta wurde er zum Ritter des Johanniterordens geschlagen. 1708 nahmen die Schweden Gordon in Polen auf dem Weg zum russischen Heer erneut gefangen und kerkerten ihn in Jönköping für fünf Jahre ein. Nach Einspruch verschiedener Fürsten kam er jedoch bald darauf wieder frei. 1714 zum Brigadegeneral ernannt, führte er seine Truppen nach Finnland und beteiligte sich unter General Fürst Michail Michajlovič Golicyn an den Feldzügen gegen die Schweden, die 1721 mit dem in Nystad geschlossenen Friedensvertrag endeten. Ein Jahr später starb er im väterlichen Palast in Moskau, in dem er einst auch geboren worden war.155 Begraben wurde er an der Seite seines Vaters und seiner Mutter. „Wir werden ihm in der Reihenfolge, in der uns die Natur ruft, folgen“, so Huyssen.156 Patrick Gordon, Freund und enger Vertrauter Peters I., hatte Russland als erfahrener Soldat gute Dienste geleistet. Als er starb, schloss der Zar dem Toten die Augen und organisierte pompöse Beerdigungszeremonien.157 Huyssen machte die Lebensgeschichte und Verdienste des Generals und seines Sohnes erstmals der westlichen Öffentlichkeit zugänglich.

153 Ebd., 99; Moutchnik, Alexander: Der Strelitzen-Aufstand von 1698. In: Löwe, Heinz-Dietrich (Hg.): Volksaufstände in Russland. Von der Zeit der Wirren bis zur „Grünen Revolution“ gegen die Sowjetherrschaft. Wiesbaden 2006 (Forschungen zur osteuropäischen Geschichte 65), 163–196. 154 „beneficiorum a Gordoniis [...] collatorum memores merito venerabundi conservamus“. Huyssen: Epitaphium Comitibus Gordoniis, Patri & Filio, 99. 155 Ebd., 99–101. 156 „Nos eo quo quemvis natura ordine vocaverit, sequemur.“ Ebd., 101. 157 Fedosov: Nachwort. In: Gordon: Dnevnik, 233.

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5.2.3. Nova Literaria Germaniae, Collecta Hamburgi Die Zeitschrift Nova Literaria Germaniae, Collecta Hamburgi, die der bereits erwähnte Peter Ambrosius Lehmann von 1703 bis 1706 in Hamburg herausgab, zeigte ebenfalls lebhaftes Interesse an einer Tätigkeit Huyssens. Von 1707 bis 1709 hieß die Zeitschrift Nova Literaria Germaniae aliorumque Europae regnorum, Collecta Hamburgi; sie wurde in Leipzig und Frankfurt am Main verlegt und berichtete über ganz Europa.158 Im Juli 1703 wurde gemeldet, dass Huyssen auf seiner Polenreise auf eine Abschrift der Briefe des polnischen Königs Sigismund II. August gestoßen sei und diese einem befreundeten Verleger zur Veröffentlichung überlassen habe.159 Im Januar 1704 fand Huyssen in der Nova Literaria Germaniae folgende Erwähnung: Er habe auf seinen Reisen durch Europa niemals das Studium der Schönen Künste aufgegeben und deshalb zahlreiche seltene Bücher und Handschriften erworben, um sie der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, darunter die Erinnerungen des österreichischen Feldherrn Raimondo Graf Montecuccoli,160 die in italienischer Sprache verfasst und Peter I. gewidmet waren. Huyssen habe sie zum Druck freigegeben, obwohl mehrere Fürsten und berühmte Militärpersonen sie für sich zurückhalten wollten.161 Die Nova Literaria Germaniae bemerkten im Juni 1708, dass die Erinnerungen Montecuccolis das Geschehen in Ungarn von 1661 bis 1664 beleuchteten, als der Feldherr den Krieg mit dem Osmanischen Reich erfolgreich für Österreich entschieden habe.162 Im Dezember 1706 nannte man Huyssen in der Nova Literaria Germaniae abermals als Herausgeber. Zur Herbstmesse 1707 war in Köln ein Werk erschienen unter dem Titel Acta consistorialia creationis Eminentissimorum ac Reverendissimorum S.R.E. Cardinalium, Institutae a Sanctissimo D. N. Clemente XI. P. M. Diebus 17 Maii & 7 Junii, Anno Sal. 1706; Accessit eorundem Cardinalium brevis delineatio.163 Die darin enthaltenen Dokumente habe Huyssen, der die Geschäfte des Zaren in Wien führe, von dem italienischen Juristen Giovanni Vincenzo Gravina bekommen.164 Neben seiner Tätigkeit als Herausgeber wertvoller Manuskripte wurde in der Nova Literaria Germaniae auch Huyssens Wirken als Impulsgeber für die Geschichtsschreibung angesprochen. Im Februar 1707 berichtete man, dass ein gewisser Franciscus de Seine damit beschäftigt sei, die Genealogien der adeligen Familien Roms zu verfassen. Zu diesem Vorhaben habe ihn vor einigen Jahren der berühmte Herr Heinrich von Huyssen, Repräsentant des Zaren am kaiserlichen Hof zu Wien, angeregt. De Seine habe zu diesem Zweck umfangreiche Recherchen unternommen, könne allerdings nur die berühmtesten Geschlechter auswählen und diese dann in französischer Sprache beschreiben, zumal von ihm eine handliche Fortsetzung der Beschreibung Roms, die er zuvor veröffentlicht hatte, erwartet werde. Die Nova 158 Kirchner: Die Grundlagen des deutschen Zeitschriftenwesens, Bd. 2/2, 7, Nr. 80, 9, Nr. 106. 159 Nova Literaria Germaniae, Collecta Hamburgi 1 (1703) 258f; Huyssen/Menckenius (Hg.): Sigismundi Augusti, Poloniarum Regis, Epistolae, Legationes et Responsa. 160 Huyssen, Enrico di (Hg.): Memorie del General Principe di Montecuccoli che rinfermano una esatta Instruzzione de i Generali ed Ufficiali di Guerra, Bd. 1–2. Colonia 1704. 161 Nova Literaria Germaniae, Collecta Hamburgi 2 (1704) 21. 162 Nova Literaria Germaniae aliorumque Europae regnorum, Collecta Hamburgi 6 (1708) 239. 163 [Gravina, Giovanni Vincenzo] (Hg.): Acta consistorialia creationis Eminentissimorum ac Reverendissimorum S.R.E. Cardinalium, Institutae a Sanctissimo D. N. Clemente XI. P. M. Diebus 17 Maii & 7 Junii, Anno Sal. 1706; Accessit eorundem Cardinalium brevis delineatio. Coloniae 1707. 164 Nova Literaria Germaniae, Collecta Hamburgi 4 (1706) 404.

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Literaria Germaniae ließen keinen Zweifel aufkommen, dass de Seines Schriften lehrreich und erbaulich sein würden und nicht nur als Reiseführer dienen könnten.165 Im März 1707 berichteten die Nova Literaria Germaniae über die Reise des Wilhelm Leiser nach Wien, deren Höhepunkt, so Leiser selbst, die Bekanntschaft mit dem berühmten Herrn Huyssen gewesen sei. Dieser herausragende Mann sei in fast allen Wissenschaften bestens bewandert und könne in seiner besonderen Umsicht nur mit Wenigen verglichen werden. Huyssen habe ihn, Leiser, mit großer Freundlichkeit empfangen, ihm nicht nur alles, was er benötigte, zur Verfügung gestellt, sondern auch die Möglichkeit zum Besuch der Wiener Bibliothek verschafft und Kontakte zu bedeutenden Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens vermittelt.166 Huyssens eigene Berichte fanden ebenfalls Widerhall in den Nova Literaria Germaniae. So schrieb er beispielsweise 1709 über die Krakauer Universität: Die Akademiemitglieder hätten freundlicherweise zugestimmt, dass drei große Bände der polnischen Geschichte von Jan Długosz, Professor und Kanoniker aus Krakau und Begründer der dortigen Bibliothek,167 im Ausland gedruckt würden, um so die Geschichtsschreibung über Polen zu fördern. In Polen selbst fänden sich derzeit kaum Drucker, die bereit seien, derart große Werke auf eigene Kosten und mit eigenen Lettern herzustellen. Der erste Band des Geschichtswerks sei in Dobromil veröffentlicht worden,168 aus ihm könne man die biographischen Daten des Autors und weitere Informationen ersehen. Da es von diesem ersten Band aber nur wenige Exemplare gebe, seien sowohl dieser Band als auch die Folgebände für einen gemeinsamen Druck bereitgestellt worden.169 Die vielfältigen Tätigkeiten Huyssens werden anhand der Nova Literaria Germaniae besonders deutlich. Huyssen war als Schriftsteller und Herausgeber tätig, regte aber auch andere Zeitgenossen zur Abfassung von Beiträgen zur Geschichtsschreibung an.

5.2.4. Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen Eine weitere Zeitschrift, mit der der Name von Huyssen verbunden ist, trägt den Titel Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen [...] Oder Gesammlete Nachrichten von allem, Was [...] in der gelehrten Welt Ruhm- und Merckwürdiges vorgefallen. Dieses Periodikum erschien von 1715 bis 1784 in Leipzig, zunächst wöchentlich, von 1717 an zweimal in der Woche.170 Her-

165 Nova Literaria Germaniae aliorumque Europae regnorum, Collecta Hamburgi 5 (1707) 34f. 166 Ebd., 90. 167 Ščaveleva, Natalija Ivanovna: Drevnjaja Rus’ v „Pol’skoj istorii“ Jana Dlugoša (knigi I VI). Text, perevod, kommentarij. Moskva 2004, 11–16. 168 Dlugossius, Joannes: Historia Polonica Joannis Dłvgossi sev Longini Canonici Cracovien., Bd. 1. Hg. v. Herbultius Dobromilski [Jan Szczęsny]. Dobromili 1615. 169 Nova Literaria Germaniae aliorumque Europae regnorum, Collecta Hamburgi 7 (1709) 466; Huyssen, Heinrico L. B. ab/Krause, Johann Gottlieb (Hg.): Joannis Dlugossi seu Longini Canonici quondam Cracoviensis Historiae Polonicae Libri XII. [Tomus secundus: liber XIII et ultimus] quorum sex Posteriores nondum Editi, nunc simul cum Prioribus ex Mscripto Rarissimo in Lucem Prodeunt ex Bibliotheca et cum Praefatione Henrici L. B. ab Huyssen, Russorum Caesari a Consilis Intimis, Bellicis et Ivstitiae &c, Bd. 1–2. Lipsiae 1711–1712. 170 Kirchner: Das deutsche Zeitschriftenwesen, Tl. 1, [²1958], 28.

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ausgeber waren bis 1733 der Historiker und Rhetoriker Johann Gottlieb Krause,171 seit 1723 Inhaber des Lehrstuhls für Beredsamkeit an der Universität Leipzig, ab 1735 dann Johann Burckhard Mencke.172 Als Fortsetzung wurde die Zeitschrift unter dem Titel Neue Leipziger Gelehrte Zeitungen von 1785 bis 1797 publiziert.173 Wie dem Titel zu entnehmen ist, enthielt die Zeitschrift in erster Linie Nachrichten aus der Wissenschaft, und zwar geordnet nach den europäischen Städten. Es war unter anderem Huyssen, der die Zeitschrift in Russland bekannt machte. Hinweise auf ihn findet man jedoch nicht nur in den Berichten über Moskau und St. Petersburg, sondern auch über Leipzig. Huyssens international ausgerichtetes Wirken zeigt sich daran einmal mehr. Die Neuen Zeitungen von Gelehrten Sachen bestätigen, dass Huyssen engen Kontakt zu den Autoren unterhielt. Der Zeitschrift ist zu entnehmen, dass sie 1717 genaue Kenntnis von seiner aktiven Beteiligung an einem 1713 in Mailand verfassten und später als Der ietzige Staat von Rußland [...]174 ins Deutsche übersetzten Werk hatten.175 Die deutsche Version wurde in Leipzig gedruckt. Darüber hinaus schrieb man im Dezember 1722, dass das von Huyssen verfasste Epitaphium der Grafen von Gordon im selben Jahr im siebten Teil der Nova Litteraria […] in supplementum Actorum Eruditorum divulgata observationibusque varii argumenti distincta publiziert worden sei;176 auch dieser Hinweis wurde im Rahmen der Leipziger Neuigkeiten erwähnt. Im Bericht über St. Petersburg wurde 1717 zwischen anderen kurzen Nachrichten bekanntgegeben, dass Huyssen beabsichtige, eine umfangreiche Geschichte der Regierungszeit Peters I. zu verfassen: „Der Herr Baron von Huyssen arbeitet auf Befehl des Czaars, an einer Historie Sr. Majest. und haben ihm Dieselben sehr accurate Tagregister von den 16 letzten Jahren ihrer Regierung einhändigen lassen, die fast alle von Sr. Czaar. Majest. mit eigner Hand geschrieben seyn. Der Herr Autor wird eine Historische und Geographische Beschreibung der Königreiche, Länder, und Städte beyfügen, welche bißher den Schauplatz des Krieges abgegeben [haben], oder die Se. Majest. durchreiset [hat].“ Weiter hieß es: Huyssen werde „auch eine ausführliche Erzehlung von allen Handlungen hinzusetzen, die zu unterschiedenen Zeiten unternommen worden, um zu einem Frieden in Norden zu gelangen, und die Character aller Minister anzeigen, die man dazu gebraucht. Sonderlich wird man in dem Wercke vieles von denen persöhnlichen Verrichtungen und den merckwürdigen Reden Sr. Majest. finden, daraus deroselben Großmuth, hoher und richtiger Verstand und wohlmeynender Sinn erhellet; es sollen auch allerhand Lob-Schrifften in gebundener und ungebundener Schreibart dazu kommen. Zuletzt werden die Extracte aus allerhand Briefen, Instructionen, und auswärtigen Nachrichten, welche zum Beweiß der Historie dienen können, das gantze Werck beschliessen.“177

171 Ebd., 28, 40; Zedler: Universal Lexicon 15 (1737) Sp. 1781–1784; Döring, Detlef: Johann Gottlieb Krause und die „Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen“. In: Marti, Hanspeter/Döring, Detlef (Hg.): Die Universität Leipzig und ihr gelehrtes Umfeld 1680–1780. Basel 2004 (Texte und Studien 6), 215–328. 172 Kirchner: Die Grundlagen des deutschen Zeitschriftenwesens, Bd. 2/2, 16, Nr. 200. 173 Ebd., 194, Nr. 2892. 174 Wartis: Relazione, Bd. 1–2; deutsche Übersetzung: Hoffmann: Der ietzige Staat von Rußland. 175 Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen (1717), 392. 176 Ebd. (1722), 1008. 177 Ebd. (1717), 561f.

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Huyssen informierte die Autoren der Zeitschrift offenbar ständig über seine Pläne, ohne dabei allerdings ins Detail zu gehen, denn er hatte die Ausarbeitung eines Teils seiner Geschichte Peters I. schon 1715 fertiggestellt178 und ging nun zu einer allgemeinen Geschichte Russlands über, in die er die Darstellung der Regierungszeit Peters integrieren wollte.179 Die Neue[n] Zeitungen von Gelehrten Sachen schrieben 1724 zu seinen Plänen: „Er wird darinn alle Facultäten durchgehen, und erstlich die zehn Patriarchen, welche seit hundert Jahren allhier gelebt, die Metropoliten und berühmten Professores zu Kiov und Moscau, wie auch die Lutherischen, Catholischen und Reformirten Priester, sodenn die vornehmsten Generale, Boyaren, Kneesen, Minister, Rußische und fremde Gesandten“ darstellen. Darüber hinaus werde er „die berühmten Medicos, Chirurgos und Apothecker, und denn die Mathematicos, Künstler und andere ausführlich beschreiben“.180 Ein umfangreiches Werk zur russischen Geschichte sollte entstehen. Es sollte sich freilich zeigen, dass stets viel angekündigt wurde, jedoch wenig tatsächlich verwirklicht werden konnte. Denn oft fehlten Huyssen die Quellen oder diese waren nicht geordnet, was seine Arbeit erheblich erschwerte. Zudem war Huyssen meist gleichzeitig mit mehreren Aufgaben betraut, die ihn offensichtlich überforderten. Die allgemeine Geschichte Russlands brach er mit dem Tod Peters I. ab. Nach Peters Tod bildete die 1725 in St. Petersburg gegründete Akademie der Wissenschaften den Schwerpunkt der Russlandberichterstattung in den Neue[n] Zeitungen von Gelehrten Sachen. Die Akademie zog einige der bedeutendsten ausländischen Gelehrten an, beispielsweise den Schweizer Mathematiker Jakob Hermann und den württembergischen Philosophen, Theologen und Gelehrten Georg Bernhard Bilfinger.181 Die Neuen Zeitungen von Gelehrten Sachen meldeten am 20. September 1725, dass diese beiden Wissenschaftler bei der feierlichen Eröffnung der Akademie zur kaiserlichen Audienz zugelassen worden waren und die neue Herrscherin, Katharina I., sie ihrer besonderen Gunst versichert hatte.182 Ihre Ansprachen an die Kaiserin – die von Hermann in französischer und die von Bilfinger in deutscher Sprache – wurden an gleicher Stelle wiedergegeben.183 Huyssen fand in diesem Zusammenhang keine Erwähnung mehr.

5.2.5. Teutscher Pavillon der Musen Die literarisch-kritische Zeitschrift Teutscher Pavillon der Musen, Oder Versammlung der Gelehrten, Welche in Recensirung und Beurtheilung der allerneuesten Schrifften zum Auf178 Gisen: Žurnal Gosudarja Petra I. s 1695 po 1709; ders.: Žurnal gosudarja Petra I. s 1709 po 1710. 179 Gjujssen, baron: [Programma rabot po sostavleniju russkoj istorii], undatiert. In: Fedorov (Hg.): 200-letie Kabineta, 166. 180 Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen (1724), 798. 181 Ebd. (1725), 529. 182 Ebd. (1725), 731f.; Schippan, Michael: Ernst Glück und Katharina I. In: Schiller/Grudule (Hg.): „Mach dich auf …“, 130–132. 183 Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen (1725), 732–735. Zu Bilfinger vgl. Schmid, Eugen: Geheimerat Georg Bernhard Bülfinger (1693–1750). In: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 3 (1939) 370–422; Geyer, Dietrich: Vom Weltbezug zur Tübinger Provinz: Bilfinger in Petersburg. In: Literatur in der Demokratie. Walter Jens zum 60. Geburtstag. Tübingen 1983, 285–293; Panibratcev, A. V.: Akademik Bil’finger i stanovlenie professional’nogo filosofskogo obrazovanija v Rossii. In: Christian Vol’f i filosofija v Rossii. St. Peterburg 2001, 210–224.

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nehmen der Gelehrsamkeit einen Beliebigen Beytrag thun befasste sich ebenfalls mit den Geschehnissen in Russland. Sie kam 1725/26 in acht Sammlungen in Leipzig heraus.184 1725 erschien in der Zeitschrift eine Rezension zu der in demselben Jahr veröffentlichten Lebensbeschreibung Peters I., die der Herausgeber der Europäischen Fama, Justus Gottfried Rabener, unter dem Titel Leben Petri des Ersten und Grossen, Czaars von Russland verfasst hatte.185 Der Rezensent schrieb, dass Rabeners Werk im Wesentlichen Informationen biete, die schon in zuvor erschienenen Publikationen über Peter I. enthalten gewesen seien, es also „bloß ein Auszug eines grössern Werckes“ sei.186 Trotzdem lobte er Rabeners Schrift. Sie dürfte zur Grundlage für „eine weitläufftigere Lebens-Beschreibung“ Peters werden.187 Rabeners Werk ist indirekt auf Huyssen zurückzuführen, der an den Büchern mitgewirkt hatte, die Rabener herangezogen hatte. Der Teutsche Pavillon der Musen nahm sich weiterer Themen aus dem Leben Petri des Ersten an, darunter seiner herausragenden Eigenschaften und der Berichte über seine engsten Mitarbeiter, den Schweizer François Lefort, Aleksandr Menšikov und den Leibarzt des Zaren, den Schotten Robert Areskin. Unter den Vertrauenspersonen des Zaren wurde Huyssen genannt; zu dessen Beteiligung am Werk Rabeners hieß es: „Zu Ende ist eine merckwürdige Latein.[ische] Schrifft von dem berühmten Freyherrn von Huyssen beygefüget, worinnen die Thaten des grossen Monarchen, welchem er zu dienen viele Jahre lang die Ehre gehabt, begriffen sind“.188 Gemeint war Huyssens Trauerrede zum Begräbnis Peters I.189 Die Rezension zeigt außerdem die Zielgruppe von Rabeners Werk. Die überwiegende Mehrzahl der Leser waren „nicht hohe Staats-Gelehrte“.190 Ohne Zweifel hatte Huyssen den Auftrag Peters I., auf die Russlandberichterstattung in den deutschen historisch-politischen, allgemeinwissenschaftlichen und literarisch-kritischen Zeitschriften positiven Einfluss auszuüben, erfolgreich ausgeführt – wenngleich er nicht immer als unmittelbarer Verfasser tätig wurde. Er war die europäische Kontaktperson nach Russland und zum russischen Hof schlechthin. Huyssen rechtfertigte die Innen- und Außenpolitik Peters I. und wurde nicht müde, den Zaren als Vorbild eines gütigen Herrschers zu beschreiben, der für sein Volk und die in seinem Reich lebenden Ausländer nur das Beste wolle. Er war der Katalysator in dem Prozess, der Russland zu einem festen Bestandteil der

184 Kirchner: Die Grundlagen des deutschen Zeitschriftenwesens, Bd. 2/2, 25, Nr. 325. 185 Teutscher Pavillon der Musen (1725) Sammlung 4, 341–350; Rabener: Leben Petri. 186 Rabener soll folgende Schriften für sein Werk benutzt haben: Weber: Das veränderte Rußland, Tl. 1 (¹1721); Perry, Johann: Der ietzige Staat von Rußland Oder Moscau unter ietziger Czarischen Majestät, in sich haltend Eine Beschreibung aller dererjenigen grossen und merckwürdigen Dinge, so Ihro Czarische Majestät, so wohl was Ihre Schiffs-Rüstungen, benebst der Einrichtung Ihrer Armée und Kriegs-Staat, als auch was die Aenderung derer Unterthanen und Verbesserung Dero Landen betrifft, verrichtet; absonderlich aber dererjenigen Wercke, zu welchen der Autor selbsten gebraucht worden, samt denen Ursachen, warum er nach einem 14jährigen Auffenthalt in Rußland die Czarischen Dienste quittiret. Leipzig 1717 (Der ietzige Staat von Rußland Oder Moscau unter ietziger Czarischen Majestät 1); L[ohenstein]: Petri Leben und Thaten. Auch die Berichte aus den Zeitschriften Curieuses Bücher-Cabinet und Die Europäische Fama sollen eine Grundlage für die Schrift Rabeners gebildet haben. 187 Teutscher Pavillon der Musen (1725) Sammlung 4, 342–344. 188 Ebd., 344–349. 189 Huyssen: Justitium Sive Luctus publicus. 190 Teutscher Pavillon der Musen (1725) Sammlung 4, 343.

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Europaberichterstattung machte, er beeinflusste die Meinungsbildung und erreichte damit sowohl intellektuelle Kreise als auch weniger Gebildete. Huyssens Bemühungen, schwer zugängliche und oftmals vom Verfall bedrohte historische Dokumente zu sichten, auszuwählen und für eine interessierte Leserschaft originalgetreu zu veröffentlichen, fanden starken Beifall in den allgemeinwissenschaftlichen Zeitschriften. Doch auch durch die Publikation eigener Schriften und privater Briefe oder durch Hinweise auf russische Bücher machte Huyssen seine Landsleute mit der russischen Geschichte vertraut. Die Beiträge über Russland hielt er dabei streng unter seiner Kontrolle und überarbeitete sie gegebenenfalls, wie es das Beispiel der Acta Eruditorum zeigt. In den deutschen Journalen wurde vor allem Huyssens Rolle als Hofmeister des Thronfolgers hervorgehoben. Nach dem Tod des Kronprinzen erfuhr seine Karriere am russischen Hof eine deutliche Zäsur. Ebenso sank das Interesse seiner Zeitgenossen an ihm, wie man aus der wesentlich reduzierten Berichterstattung über Huyssen nach der Krise um den Zarewitsch beobachten kann.

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6. Lobschriften auf das petrinische Russland 6.1. Das Russlandbild in Europa vor Peter I. Lange Zeit war das Russlandbild in Europa diffus. Der Mongolenangriff auf die Fürstentümer der Kiewer Rus’ hatte im 13. Jahrhundert zu einer drastischen Verringerung der Kontakte mit dem Westen Europas geführt.1 Bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts drangen nur spärliche Informationen aus Russland dorthin. 1549 legte Baron Sigismund von Herberstein (Herberstain) dann seine Rerum Moscoviticarum Commentarii vor, ein Werk, das die Meinung über das Zarenreich für Jahrhunderte prägen sollte.2 Es beruhte auf eigenen Erfahrungen, die Herberstein als diplomatischer Vertreter der Habsburger auf zwei Reisen nach Russland, 1517/18 und 1526/27, gesammelt hatte.3 Der Autor vertrat darin die Ansicht, dass das Zarenreich lange Zeit „versteckt“ und „nicht so zugänglich“ gewesen sei.4 Als Besonderheiten Russlands hob er die uneingeschränkte Macht des Großfürsten und die „sklavische Natur“ seiner Untertanen hervor.5 Ein weiteres grundlegendes Werk zum Zarenreich verfasste der aus Aschersleben gebürtige Diplomat und Gelehrte Adam Ascanius Olearius,6 der das Land 1634 und 1636 bis 1639 1 Jahn, Bernhard: Das Rußlandbild in Reiseberichten und kartographischen Werken der Frühen Neuzeit im deutschsprachigen Raum. In: Burkhardt, Armin/Belentschikow, Renate/Bashaikin, Nikolai (Hg.): Kommunikation unter Freunden. Russische und deutsche Sprache und Literatur im Vergleich. Nishnij Nowgorod 2001, 3–17, hier 5, 7. 2 Herberstain, Sigmund zu: Rerum Moscoviticarum Commentarii. Basel ²1551 [Wien 1549]. Vgl. die älteste deutsche Ausgabe, übersetzt vom Autor: Herberstain, Sigmund zu: Moscouia der Hauptstat in Reissen [...]. Sambt des Moscouiter gepiet/ vnd seiner anrainer beschreibung vnd anzaigung/ in weu sy glaubens halb/ mit vns nit gleichhellig. Wie die Potschafften oder Gesanten durch sy emphangen vnd gehalten werden/ sambt zwayen vnderschidlichen Raisen in die Mosqua. Wienn 1557. Vgl. die neueren deutschen Übersetzungen: Herberstain, Sigmund von: Moskowia. Hg. v. Friedemann Berger. Weimar [1975]; Herberstein, Sigmund Freiherr zu: Moscovia. In Anlehnung an die älteste deutsche Ausgabe aus dem Lateinischen übertragen von Wolfram von den Steinen. Hg. v. Hans Kauders. Erlangen 1926 (Der Weltkreis 1). Neueste russische Ausgabe: Gerberštejn, Sigizmund (Herberstein, Sigismund): Moskovija. Moskva 2007. Vgl. Leitsch, Walter: Das erste Rußlandbuch im Westen – Sigismund Freiherr von Herberstein. In: Keller (Hg.): Russen und Rußland aus deutscher Sicht 9.–17. Jahrhundert, 118– 149; Pferschy, Gerhard (Hg.): Siegmund von Herberstein. Kaiserlicher Gesandter und Begründer der Russlandkunde und die europäische Diplomatie. Graz 1989 (Veröffentlichungen des Steiermärkischen Landesarchives 17); Geier, Wolfgang: Russische Kulturgeschichte in diplomatischen Reiseberichten aus vier Jahrhunderten. Sigmund von Herberstein, Adam Olearius, Friedrich Christian Weber, August von Haxthausen. Wiesbaden 2004 (Studien der Forschungsstelle Ostmitteleuropa an der Universität Dortmund 38). 3 Jahn: Das Rußlandbild in Reiseberichten und kartographischen Werken, 9. 4 Herberstain: Widmungsbrief. In: ders.: Moskowia [1975], 25–27, hier 26. 5 Ders.: Moskowia [1975], 46, 78, 95. 6 Olearius, Adam Ascanius: Vermehrte Newe Beschreibung Der Muscowitischen vnd Persischen Reyse So durch gelegenheit einer Holsteinischen Gesandschafft an den Russischen Zaar vnd König in Persien geschehen. Worinnen die gelegenheit derer Orter vnd Länder/ durch welche die Reyse gangen/ als Liffland/

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Lobschriften auf das petrinische Russland

als Sekretär sowie 1643 als Leiter einer holstein-gottorfischen Gesandtschaft besucht hatte. Seine Beschreibung Der Muscowitischen vnd Persischen Reyse war bis zum 18. Jahrhundert geradezu ein Standardwerk über Russland.7 Olearius zeichnete ein düsteres Bild von den Zuständen in Russland. Wahrscheinlich hatte er persönliche Gründe für seine negative Darstellung, weil seine astronomischen Forschungen in Russland auf völliges Unverständnis gestoßen waren. Olearius hielt die Russen für gleichgültig gegenüber Wissenschaften und Freien Künsten. Sie seien zwar scharfsinnig und schlau, verwendeten diese Eigenschaften aber ausschließlich zum eigenen Nutzen. Darüber hinaus seien sie verlogen und misstrauisch, hinterlistig und falsch, untreu und hochmütig, streitsüchtig und grob sowie lasterhaft und trunksüchtig. Sie seien von Natur aus dazu bestimmt, Sklaven zu sein. „Wenn man die Russen nach ihren Gemüthern/ Sitten und Leben betrachtet/ seynd sie billig unter die Barbaren zu rechnen“, lautete Olearius’ abschließendes Urteil.8 Was man damals unter Barbaren verstand, lässt sich dem von Johann Franz Buddeus herausgegebenen Allgemeine[n] Historische[n] Lexicon aus dem Jahr 1709 entnehmen, nämlich Nationen, „welche wild und grausam/ und von der europäischen höffligkeit und humanität entfernet seyn“.9

6.2. Der Staat von Moscau (1704) Eine der frühen Schriften aus der Regierungszeit Peters I., die das in Deutschland vorherrschende negative Russlandbild in ein freundliches Licht zu rücken versuchten, trug den Titel Der Staat von Moscau. Das Buch, das 78 Seiten umfasste, wurde 1704 in Nürnberg publiziert. Das Frontispiz zeigt ein Porträt Peters I. mit der Unterschrift „Petrus Alexiewiz, Russorum Imperator“. Die Forschung nannte mehrmals Huyssen als Autor,10 doch wird man diese Behauptung nach einer kritischen Durchsicht des Inhalts bezweifeln müssen. Der Autor des Staat[es] von Moscau war zwar von der Person Peters I. begeistert, zeigte aber dabei keine besondere Russland-Freundlichkeit. Positiv war für ihn ausschließlich die Gestalt des Zaren, der in seinen Augen allein die Entwicklung des Reiches inspiriere.11 Peter I. sei wissbegierig, „behertzt/ tapffer/ klug/ verständig/ gerecht/ freygebig“ und gegenüber Ausländern aufgeschlossen. Trotz dieser Charakterisierung kannte der Autor den Zaren aber scheinbar nicht persönlich. So beschrieb er ihn als „Person [… von] mittelmäßiger Statur, mehr kurtz als lang“, was überhaupt nicht der Realität entsprach und eine Autorschaft Huyssens nicht wahrscheinlich macht.12

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Rußland/ Tartarien/ Meden vnd Persien/ sampt dero Einwohner Natur/ Leben/ Sitten/ Hauß-Welt- und Geistlichen Stand mit fleiß auffgezeichnet/ vnd mit vielen meist nach dem Leben gestelleten Figuren gezieret/ zu befinden. Schleßwig ²1656 [¹1647]. Faksimile der Ausgabe Schleswig 1656. Leipzig 2010. Liszkowski, Uwe: Adam Olearius’ Beschreibung des Moskauer Reiches. In: Keller (Hg.): Russen und Rußland aus deutscher Sicht 9.–17. Jahrhundert, 223–247, hier 223, 233. Olearius: Vermehrte Newe Beschreibung Der Muscowitischen vnd Persischen Reyse, 184–187, 189– 191, 194f., 197. Buddeus, Johann Franz: Allgemeines Historisches Lexicon, Bd. 1. Leipzig 1709, 280. Fleischhauer: Die Deutschen im Zarenreich, 51; Keller, Werner: Ost minus West = null. Der Aufbau Russlands durch den Westen. München/Zürich 1960, 98 (im Übrigen ein ideologiebeladenes, zeitgebundenes Pamphlet). [Anonym]: Der Staat von Moscau, 3 (Vorrede). Ebd., 9, 12f.

Der Staat von Moscau (1704)

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Weiter machte der Verfasser unvorsichtige Aussagen, die für jemanden, der wie Huyssen in russischen Diensten stand, ohne Zweifel gefährlich geworden wären. So behauptete der Autor, dass die Russen große Angst vor Peter I. hätten, ja ihn sogar „tödlich“ hassten, weil er ohne Rücksicht mit ihren Traditionen gebrochen habe, Ausländer bevorzuge und Veränderungen in Religionssachen vornehme. Auch die uneingeschränkte Macht des Zaren, der über Leben und Güter seiner Untertanen „nach eigener Fantasie“ verfüge, wurde kritisiert. Schließlich waren in dem Werk auch Behauptungen zu finden, die unmöglich von Huyssen stammen konnten, der völlig gegenteilige Positionen vertrat: Den Zaren sei nie der Titel „Kaiser“ gegeben worden, da dieser für sie zu bedeutend sei. Nur die Polen hätten den Herrscher Russlands als „Majestät“ bezeichnet. Über die russischen „Knesen oder Fürsten“ wurde berichtet, dass sie sich in ihrem Hochmut fälschlicherweise einbildeten, den deutschen Reichsfürsten im Range gleich zu sein.13 Dem russischen Volk gegenüber zeigte sich der Verfasser des Staat[es] von Moscau recht voreingenommen. Die Russen seien dumm, grob, falsch und geizig, die russischen Bauern faul und trunksüchtig, die Kaufleute Betrüger und die Popen ungebildet.14 Ein solches Urteil hätte Huyssen nie gefällt.

6.3. Christian Stieffs Relation von dem gegenwärtigen zustande des Moscowitischen Reichs (1706) Die Relation von dem gegenwärtigen zustande des Moscowitischen Reichs,15 verfasst von dem seit 1706 am Breslauer Magdalenen-Gymnasium tätigen Christian Stieff, wird als politische Gelegenheitsschrift angesehen, deren Druck in Frankfurt am Main durch den Aufenthalt der Schweden in Sachsen 1706/07 veranlasst worden sei.16 Astrid Blome bezeichnete sie als erstes umfassendes, landeskundlich-historiographisches Werk über das petrinische Russland.17 Unabhängig von dieser Bewertung, ist man der einhelligen Auffassung, dass sie aus der Feder Huyssens stammt.18 Stieff gab zweifellos nur die Dokumente wieder, die Huyssensche und internationale Angelegenheiten betrafen,19 möglicherweise hatte Huyssen sogar persönlich den Anstoß zur Abfassung der Relation gegeben. Unklar bleibt allerdings, ob er direkten Kontakt mit Stieff hatte oder ob Otto Menckes Sohn, Johann Burckhard, als Mittelsmann fungierte. Stieff, der seit 1702 für die Acta Eruditorum arbeitete, gehörte auf jeden Fall zum engen Bekannten13 Ebd., 13f., 18–20. 14 Ebd., 38, 59–61. 15 Zu Stieff und seiner Relation vgl. Blome: Zu den Grundlagen der Rußlandhistoriographie, 38f.; Moepps: Stieffs „Relation“, 70–76, 81–83; Graßhoff, Helmut: Russische Literatur in Deutschland im Zeitalter der Aufklärung. Die Propagierung russischer Literatur im 18. Jahrhundert durch deutsche Schriftsteller und Publizisten. Berlin 1973, 48f., 52f. 16 Moepps: Stieffs „Relation“, 70f. 17 Blome: Zu den Grundlagen der Rußlandhistoriographie, 39. 18 Ebd.; Moepps: Stieffs „Relation“, 82. 19 Vgl. hierzu exemplarisch [Huyssen]: instruction, wornach sich derjenige zu richten hat/ dem die information Seiner Hoheit des Czaarischen Cron-Printzens anvertrauet wird, 3. April 1703. In: [Stieff]: Relation, 109–120; Werbemanifest Peters I. für Ausländer 16. April 1702. Ebd., 208–215; Vollmachtsurkunde für Johann Reinhold von Patkul, ausländische Fachleute in russische Dienste anzuwerben und mit ihnen im Namen Peters I. zu kapitulieren, Moskau 16. April 1702. Ebd., 216.

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kreis der Menckes.20 Auch der Verleger Thomas Fritsch, der die Relation publizierte und eine direkte Beziehung zu Huyssen pflegte, kann als Verbindungsmann zwischen diesem und Stieff vermutet werden. Auf jeden Fall stammte Stieffs „bericht aus den besten und allerneuesten memoires“.21 Die Beteiligung Huyssens ließ ihn in den Augen einiger Forscher als Verfasser der Relation erscheinen,22 was aber sicher falsch ist. Auch die Auffassung, Stieffs Monographie habe den gleichen apologetischen Charakter wie Huyssens Schriften,23 stimmt nicht mit den Fakten überein. Stieffs Werk ist vorsichtiger bei strittigen Fragen, beispielsweise hinsichtlich der Titulatur der russischen Herrscher, und enthält darüber hinaus negative Beurteilungen Russlands. Stieffs 248 Seiten umfassende Relation erschien 1706 anonym in Frankfurt am Main. Der Darstellung von Peters I. Regierungszeit stellte der Autor eine umfassende Schilderung der Vergangenheit Russlands von den ersten Bewohnern bis zur Gegenwart voran.24 Er zeichnete die russische Geschichte nicht mit solch hymnischen Worten wie Huyssen nach, sondern knüpfte vielmehr an Allgemeinplätze an. Zar Iwan IV. war für ihn ein Tyrann. „Er ist der seltsamste und darbey grausamste Herr gewesen/ den iemals die sonne angeschienen/ und in seiner tyranney ist er so weit kommen/ daß auch aller tyrannen entsetzliche thaten gegen den seinigen vor kinderspiel geachtet worden.“25 Huyssen hingegen hatte Iwan IV. als einen klugen Herrscher charakterisiert.26 Stieff ging auch mit der Titulierung Peters I. als Kaiser zurückhaltend um und ließ die Frage offen, ob der Titel „Zar“ dem Titel „Kaiser“ entspreche.27 Huyssen dagegen bezeichnete den Zaren ausdrücklich als Kaiser zu einer Zeit, als noch keine europäische Macht den Kaisertitel für den russischen Zaren anerkannt hatte.28 Jedoch war selbst in der Relation die Begeisterung für Peter I. als Person und Herrscher der rote Faden: Niemals habe „ein Moscowitischer Souverain durch seine verrichtungen grösseren eclat in der welt gemacht“ als er.29 Zu den großen Errungenschaften gehörten für Stieff die Einladung griechischer Geistlicher nach Russland, die Einstellung der französischen und italienischen Sprachlehrer sowie die Lehrtätigkeit der Jesuiten (obwohl Stieff Lutheraner in einer bikonfessionellen Stadt war) und Ernst Glücks in Moskau. Diese Maßnahmen hätten dazu geführt, dass die Musen „oder göttinnen der freyen künste“ in Russland ihren neuen Sitz gefunden hätten.30 Um sein Ziel zu erreichen, „durch cultivirung guter sitten/ und stabilirung tauglicher soldatesca/ sich in dem formidablen stande zu erhalten“, habe Peter I. ausländische Spezialisten nach Russland eingeladen und ihnen verschiedene Privilegien erteilt.31 Dies entspreche den rechtlichen Grundlagen des Werbemanifests von 1702, das Stieff in seiner Relation ebenfalls wiedergab.32 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32

Moepps: Stieffs „Relation“, 74, 76, 81–83. Vorrede. In: [Stieff]: Relation, unpag. Fleischhauer: Die Deutschen im Zarenreich, 51; Keller: Ost minus West = null, 98f.; Richter: Leibniz, 61. Moepps: Stieffs „Relation“, 82. [Stieff]: Relation, 2–65. Ebd., 17. [Huyssen]: Ausführliche Beantwortung, 64. [Stieff]: Relation, 79–82, 85f. Vgl. hierzu als Beispiel: Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana IV, Heinrich von Huyssen an Peter I., Wien 4. Februar 1708, 12–15, hier 12. Vorrede. In: [Stieff]: Relation, unpag. [Stieff]: Relation, 165–168. Ebd., 124f. Werbemanifest Peters I. für Ausländer 16. April 1702. Ebd., 208–215.

Christian Stieffs Relation von dem gegenwärtigen zustande des Moscowitischen Reichs

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Stieff sah in dem Thronfolger Aleksej „ein[en] Herr[n] von ungemeiner hoffnung“, dessen Erziehung in letzter Zeit „auff einen bessern fuß gesetzt“ worden und der in der Erlernung der Fremdsprachen und der Mathematik besonders erfolgreich sei. Seine Lehrer seien Deutsche. Zwar sei der erste Versuch misslungen – ein Hinweis auf Neugebauer –, doch dem gescheiterten Hofmeister sei nun Huyssen gefolgt, der seine Aufgaben vielversprechend in Angriff nehme.33 Die gleichfalls abgedruckte Erziehungsinstruktion für Aleksej betrachtete der Autor als „muster der aufferziehung“ von Kindern bedeutender Persönlichkeiten; angeblich hielt sich der Prinz fleißig an sie.34 Stieff pries Peter I. und Aleksej in den höchsten Tönen, nicht aber die russische Bevölkerung: Diese sei faul, lügenhaft, betrügerisch, falsch und untreu. Die Russen seien zur Sklaverei geboren und so verdorben, dass man sie nachgerade mit Schlägen zur Arbeit treiben müsse. Außerdem seien sie „hochmüthig/ stoltz/ unbändig“, prahlerisch, grob, trunksüchtig und geizig.35 Stieff trennte also die Herrschergestalten strikt von den übrigen Russen, wobei er einzelne Behauptungen Herbersteins, etwa die von der Sklavennatur der Russen, wiederholte. Aus all dem geht hervor, dass sich Stieff kein eigenes Urteil gebildet hatte, sondern nur bestehende Wertungen übernahm. Sein Fakten- und Quellenmaterial war nicht neu, sondern den Zeitschriften der damaligen Zeit entnommen. Vieles spricht dafür, dass er seine Relation unter Zeitdruck geschrieben hatte, wie es Emmy Moepps bereits 1987 vermutete.36

6.4. Johann Heinrich von Lohensteins Russlandbuch (1710) Johann Heinrich von Lohenstein verfasste eine weitere Lobschrift auf Peter I., die 1710 unter dem Titel Petri Leben und Thaten erschien.37 Das zweiteilige Werk wurde anonym, bei bloßer Nennung der Initialen des Autors „J. H. v. L.“, in Frankfurt und Leipzig veröffentlicht. In der Vorrede versprach der Verfasser, noch einen dritten und einen vierten Band zu schreiben,38 was jedoch nicht geschah. Nach Ansicht von Vladimir Guerrier und Petr Pekarskij machte auch Lohenstein bei der Zusammenstellung seiner Peter-Biographie von der Relation Stieffs Gebrauch.39 Da Lohenstein jedoch auf die Unterstützung eines vornehmen Freundes hinwies, der aus Russland neue Materialien beisteuerte,40 kann man annehmen, dass Petri Leben und Thaten im Vergleich zu Stieffs Relation eine wesentlich ausführlichere Biographie des Zaren ist. Dies trifft zudem auf den Anhang zum ersten Teil des Werkes Lohensteins zu, der die Geschichte Russlands und das russische Bestrafungssystem betraf und auf Anregung „guter Freunde [...] weitläufftiger verfasset und mitgetheilet“ worden war.41 33 34 35 36 37 38 39 40 41

Ebd., 67f., 107f. Ebd., 108, 120f. Ebd., 196–199. Moepps: Stieffs „Relation“, 82. Robel, Gert: Deutsche Biographien Peters des Großen aus dem 18. Jahrhundert. In: Keller (Hg.): Russen und Rußland aus deutscher Sicht. 18. Jahrhundert, 153–172, hier 154–157; Graßhoff: Russische Literatur in Deutschland, 53–57. L[ohenstein]: Vorrede. In: ders.: Petri Leben und Thaten, Tl. 1, unpag. Guerrier: Leibniz, 50; Pekarskij: Nauka i literatura, Bd. 1, 97. L[ohenstein]: Vorrede. In: ders.: Petri Leben und Thaten, Tl. 1, unpag. Ders.: Petri Leben und Thaten, Tl. 1, Anhang [...]: „In sich enthaltend Etliche Anmerckungen/ so in dem

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Lobschriften auf das petrinische Russland

Das Frontispiz im ersten Teil der Schrift zeigt Peter I., das im zweiten Teil den Zarewitsch Aleksej. Außerdem finden sich in Petri Leben und Thaten auf den unpaginierten Seiten Porträts Menšikovs, Fedor Alekseevič Golovins, Boris Petrovič Šeremetevs und anderer Mitarbeiter Peters I. Ferner zieren das Werk Kupferstiche, beispielsweise mit dem russischen Wappen oder mit der „Wahre[n] Abbildung des Prospects um Astrachan und dem Ausfluß der Wolga in das Persianische Meer“;42 sie sollen auf Veranlassung des erwähnten, nicht namentlich genannten Freundes angefertigt worden sein.43 Lohenstein stellte die Vergangenheit Russlands von den ersten Regenten an dar.44 Dabei vermied er kritische Äußerungen und versuchte die Politik der Zaren zu rechtfertigen. Iwan IV. charakterisierte er als einen strengen, aber gerechten und weitsichtigen Herrscher.45 Nach Lohensteins Vorstellungen waren die mächtigsten Weltreiche nicht ursprünglich vollkommen, sondern weiteten ihre Macht, gelenkt durch kluge Herrscher, erst allmählich aus. Als Beispiel dafür nannte er das alte Römische Reich, das sich vom Stadtstaat zur Weltmacht entwickelt hatte. Immer wieder nannte Lohenstein die Regierungsgrundsätze, die seiner Meinung nach einen idealen Herrscher ausmachten: Er solle Stellvertreter Gottes auf Erden sein und Vater des Vaterlandes. Die Vorstellung vom Herrscher als „Vater des Vaterlandes“ entnahm Lohenstein, wie andere Autoren seiner Zeit, der römischen Antike.46 Diese Eigenschaften sah er bei Peter I., dessen Ziel „das allgemeine Beste“ seines Reiches und „das allgemeine Heil“ sei.47 Der Zar sei mutig, tapfer, geduldig, zielstrebig, gerecht und vernünftig. Er sei wie die Sonne, die durch ihren Glanz blende.48 Auch die Persönlichkeit und die Lernfortschritte des Zarewitsch Aleksej lobte Lohenstein.49 In diesem Zusammenhang ging er auf Huyssen ein: Als Hofmeister Aleksejs erledige er mit großem Eifer die ihm gestellten Aufgaben, während sein Erziehungsplan mustergültig für die Ausbildung einer bedeutenden Persönlichkeit sei.50 Huyssen nehme beim Prinzen die gleiche Stelle ein, die Aristoteles bei Alexander, Seneca bei Nero oder Herodes Atticus und Apollonius von Chalcedon bei Marcus Aurelius Antoninus Augustus und Lucius Verus eingenommen hätten. Darüber hinaus sei Huyssen „ein grosser Statist/ und ein Herr von ungemeiner Gelehrsamkeit“, er fördere die Wissenschaftler und unterstütze ihre Einwanderung nach Russland.51 Huyssen wurde noch weitere Male erwähnt: Nach dem Sieg der Russen bei Poltawa 1709 sei bei Hofe „ein Freuden-Fest“ gefeiert worden, das 14 Tage dauerte und an dem fremde Minister und andere hochgestellte Persönlichkeiten teilnahmen, darunter auch Huyssen.52

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dem Ersten Theil mit wenigen berühret/ auf Anhalten aber guter Freunde zu bessern Verstand der alten und neuen Russischen Historie Etwas weitläufftiger verfasset und mitgetheilet“, 365–471. Ebd., Tl. 1, unpag. Ders.: Vorrede. Ebd., unpag. Ders.: Petri Leben und Thaten, Tl. 1, 5–22, Anhang 366–450. Ebd., Anhang 383, 385, 387f., 396f. Ebd., 1f., 28, 75. Vgl. Alföldi, Andreas: Der Vater des Vaterlandes im römischen Denken. Darmstadt 1978. L[ohenstein]: Petri Leben und Thaten, Tl. 1, 23, 29. Ebd., 28, 31, 47f., 93. Ebd., 53–55. Ebd., 56; [Huyssen]: Instruction des Informatoris beym Czaarischen Printzen, 3. April 1703. Ebd., 56–73. L[ohenstein]: Petri Leben und Thaten, Tl. 1, 185f. Ebd., Tl. 2, 536; Die Europäische Fama 93 (1709) 733–735.

Johann Heinrich von Lohensteins Russlandbuch (1710)

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Lohenstein erwähnte ihn als Autor einer lateinischen Losung auf einem im Haus des Fürsten Matvej Petrovič Gagarin ausgestellten Bild Peters I.,53 die „dem unbesiegbaren und erfolgreichen Zaren Peter dem G[rossen] [,] einem hervorragenden, gottesfürchtigen [und] glücklichen Herrscher[,] der am 27. Juni 1709 aus eigener Kraft die Schweden an der Poltava und am Dnepr geschlagen hat“, gewidmet war.54 Im Zusammenhang mit Aleksejs Besichtigung der Salzgruben in Wieliczka bei Krakau wurde Huyssen als dessen Begleiter aufgeführt.55 Dass Lohenstein das Werbemanifest Peters I. für Ausländer,56 das Schreiben des Zaren an die Stadt Danzig57 und das russische „Kriegs-Reglement“ publizierte, weist ebenfalls auf Kontakte zu Huyssen hin.58 Die Darstellung der tödlichen Geschehnisse um Bodewin, Sachse und Crassau übernahm Lohenstein aus der Ausführlichen Beantwortung Huyssens59 und gab die Reden Peters I. an die Verurteilten wieder.60 Man darf davon ausgehen, dass es sich bei dem „Freund aus Liefland“, auf dessen Unterstützung Lohenstein in der Vorrede zu seinem Werk hinwies, um Huyssen handelte.

6.5. Die italienische Relazione geografica storicopolitica dell’ imperio di Moscovia (1713) und ihre deutsche Version (1717) Das Werk des Italieners Giovan Christoforo Wartis erschien 1713 in Mailand unter dem Titel Relazione geografica storicopolitica dell’ imperio di Moscovia. 1717 folgte eine Übersetzung ins Deutsche, die von Christian Gottfried Hoffmann, einem Mitarbeiter der Europäische[n] Fama, angefertigt wurde.61 Die deutsche Version kam in Leipzig als zweiter Teil des Ietzige[n] Staats von Rußland heraus,62 den ersten Teil hatte der englische Ingenieur John Perry geschrieben,63 der 1698 in London von Peter I. in Dienst genommen worden war.64 Hoffmann bemerkte in der Vorrede zur deutschen Übertragung der Relazione, dass die Schrift deshalb ins Deutsche übertragen worden sei, weil das italienische Original vertrauenswürdig und durch „viele merckwürdige Veränderungen“ in Russland darüber hinaus aktuell sei.65 Sowohl in den Quellenangaben66 als auch in der Literaturliste kann man die Mitwirkung Huyssens klar erkennen.67 Heinrich Doerries zufolge hatte dieser den Anstoß zur 53 L[ohenstein]: Petri Leben und Thaten, Tl. 2, 536f. 54 „Invictissimo & felicissimo Imperatori Petro M. Principe optimo, pio, felici qui proprio Marte Suecos omnes ad Pultavam & Borysthenem fudit d. 27. Jun. M.D.CCIX.“ Ebd., 537. 55 Ebd., 590f. 56 Werbemanifest Peters I. für Ausländer, 16. April 1702. Ebd., 242–255. 57 Schreiben Peters I. an die Stadt Danzig, Polazk 31. Juli 1705. Ebd., 407–412. 58 [Huyssen]: Kriegsreglement, [1706]. Ebd., Tl. 1, 223–275. Hoffmann, Peter: 11. Das Konvolut „Kriegsreglement von 1716“. In: ders.: Peter der Große als Militärreformer und Feldherr, 159–178. 59 L[ohenstein]: Petri Leben und Thaten, Tl. 1, 43–47; [Huyssen]: Ausführliche Beantwortung, 27–35. 60 L[ohenstein]: Petri Leben und Thaten, Tl. 1, 45–47; [Huyssen]: Ausführliche Beantwortung, 31, 33. 61 Doerries: Rußlands Eindringen in Europa, 116. 62 Wartis: Relazione, Bd. 1–2; deutsche Übersetzung: Hoffmann: Der ietzige Staat von Rußland. 63 Perry: Der ietzige Staat von Rußland Oder Moscau. 64 Dukmeyer: Korbs Diarium itineris in Moscoviam, Bd. 2, 61. 65 [Hoffmann]: Vorrede. In: Wartis: Der ietzige Staat von Rußland, unpag. 66 Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen (1717) 392. 67 Graßhoff: Russische Literatur in Deutschland, 86; Doerries: Rußlands Eindringen in Europa, 183; Pekarskij: Nauka i literatura, Bd. 1, 105.

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Lobschriften auf das petrinische Russland

Relazione gegeben, indem er Lohensteins Petri Leben und Thaten empfahl.68 Laut Pekarskij könnte Huyssen sogar die Vorrede zur deutschen Übersetzung geschrieben haben,69 obwohl es wahrscheinlicher ist, dass Hoffmann der Verfasser war. Im Großen und Ganzen entsprach Wartis’ Schrift den Hymnen zu Ehren Peters I.: „also bewundern und rühmen wir billig dieses Monarchens ungemeine Qualitäten“.70 Wartis verglich den Zaren mit den römischen Kaisern – „Imperator Caesar Divi filius Augusto“, „Marcus Ulpius Trajano“ und „Lucius Septimius Severo“. Ihm allein hätten die Russen „die Verbesserung ihres Landes und den erworbenen Ruhm“ durch die Einführung in die „cultivirte“ Lebensart der Europäer zu verdanken.71 Zur Frage, ob der Titel „Zar“ dem Titel „Kaiser“ entspreche, wollte sich Wartis allerdings ebenfalls nicht äußern. Er beließ es beim Titel „Majestät“ für Peter I. und erklärte das Wort „Zar “ als dem Wort „König“ gleichwertig.72 Seine Bewunderung für Peter I. übertrug Wartis gleichsam auf dessen Sohn Aleksej, der „unvergleichliche Gaben und Qualitäten“ besitze und große Fortschritte in seiner Entwicklung mache.73 Wartis erwähnte Huyssen als Aleksejs Hofmeister und verglich ihn in dieser Rolle mit Aristoteles, Seneca und Apollonius. Huyssen wurde wohlwollend, als ein „sehr gelehrte[r] und geschickte[r] Mann“ sowie Förderer der Gelehrten, dargestellt. Außerdem trete er als geschickter Anwerber auf, der zahlreiche Offiziere für russische Dienste gewonnen habe: so etwa den ehemaligen Danziger Kommandanten General Golz, den kaiserlichen Obersten Generalmajor von Albon, General Trampe, Generalmajor Johann Bernhard von Weisbach, Prinz Friedrich von Hessen-Darmstadt, Generalmajor Draskowitsch, Generalmajor Mikusch, Generalmajor Böhme, den Brigadier Pfeilenheim und Oberst Graf von Friese.74 Auch das Werbemanifest Peters I. fand als rechtliche Grundlage für die Einstellung der Ausländer seinen Platz in Wartis’ Werk.75 Die Aufzählung der Namen der von Huyssen für Russland gewonnenen Offiziere war ein neuer Bestandteil im Vergleich zu den vorhergehenden Lobschriften auf Peter I. Wahrscheinlich hatte Huyssen diese Information Wartis persönlich zukommen lassen. Wartis’ andere Angaben, beispielsweise die über das Fest in Moskau anlässlich des Sieges in der PoltawaSchlacht, waren hingegen identisch mit denen seiner Vorgänger.76 Die Entstehung der Relazione zeigt, dass sich der Einfluss Huyssens nicht nur auf deutschsprachige Gebiete, sondern auch darüber hinaus ausdehnte. Er hatte offenbar den Plan, ganz Europa im Sinn Peters I. zu beeinflussen. Huyssen hatte die Mitarbeiter der deutschen Zeitschriften, wie zum Beispiel der Europäische[n] Fama und der Neue[n] Zeitungen von Gelehrten Sachen, auf die italienische Schrift aufmerksam gemacht und damit indirekt auch die Wechselbeziehungen zwischen italienisch- und deutschsprachigen Gebieten gefördert.

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Doerries: Rußlands Eindringen in Europa, 183. Pekarskij: Nauka i literatura, Bd. 1, 105. Wartis: Der ietzige Staat von Rußland, 198. Ebd., 198f. Ebd., 72, 74. Ebd., 350–356. Ebd., 276, 356–358. Werbemanifest Peters I. für Ausländer, 16. April 1702. Ebd., 501–512. Wartis: Der ietzige Staat von Rußland, 328; Die Europäische Fama 93 (1709) 733–735; L[ohenstein]: Petri Leben und Thaten, Tl. 2, 536f.

Justus Gottfried Rabeners Leben Petri des Ersten (1725)

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6.6. Justus Gottfried Rabeners Leben Petri des Ersten (1725) 1725 erschien in Leipzig eine umfangreiche, 794 Seiten starke Peter-Biographie Justus Gottfried Rabeners, des Herausgebers der Europäische[n] Fama, unter dem Titel Leben Petri des Ersten und Grossen, Czaars von Russland.77 Diese Biographie war eine der einflussreichsten Russlanddarstellungen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts,78 behandelte sie doch das gesamte Leben des Zaren. Rabener hatte seine Biographie „aus glaubwürdigen und ziemlich zulänglichen Nachrichten“ zusammen getragen. Allerdings schränkte er ein, dass die Nachrichten über die Ereignisse der letzten Jahre, die aus Russland kamen, unzuverlässig seien.79 In der Forschungsliteratur wird die Meinung vertreten, dass Rabener Lohensteins Petri Leben und Thaten und Stieffs Relation für die Abfassung seines Werkes benutzt habe.80 Auch in den Quellen finden sich Nachweise, dass er die vorhandenen Peter-Biographien und -Berichte für sein Buch herangezogen hatte.81 Zusätzlich zu den genannten Werken hatte Rabener Friedrich Christian Webers Veränderte[s] Rußland verarbeitet, dessen erster Band 1721 erschienen war.82 Rabener bezeichnete Peter I. als einen „derer merckwürdigsten Leute, die jemals auf der Welt gelebt haben“.83 Bis 1718 überwog bei ihm die Darstellung der Außenpolitik und der Kriegshandlungen des Zaren, dann legte er den Schwerpunkt auf die Beschreibung der Krise um den Zarewitsch Aleksej.84 In diesem Zusammenhang nannte er auch Huyssen: „Dieser Printz [Aleksej], an dessen Erziehung sein Herr Vater nichts ermangeln lassen, der vermuthlich unter der weisen Aufsicht seines Ober-Hoffmeisters, des Fürsten Menczikof und seines Hofmeisters des berühmten Frey-Herrn von Huyssen nicht versäummt worden, an dem man in seiner Jugend so viel ernstliche Neigungen gerühmt [...] [,] dieser Printz stellet sich uns jetzo in einer andern Gestalt [...] [,] als ein Missethäter vor.“ Für Rabener war Aleksej ein undankbarer Sohn und unwürdiger Prinz, der „durch einen langwierigen verderblichen Umgang mit unartigen Leuten“ sein Recht auf die Thronfolge in Gefahr gebracht und schließlich verspielt hätte.85 Weiterhin arbeitete Rabener unter Heranziehung der deutschen Version des Manifests Peters I. zur Änderung der Thronfolge zugunsten seines neugeborenen Sohnes Petr Petrovič die mutmaßlichen Ursachen dieses Prozesses heraus.86 Anhand des Manifests charakterisierte Rabener Aleksej als eine falsche, verlogene Person, seinen Vater dagegen als einen gerechten Monarchen.87

77 Zu Justus Gottfried Rabener und dessen Peter-Biographie vgl. Blome: Zu den Grundlagen der Rußlandhistoriographie, 39–41; Robel: Deutsche Biographien Peters des Großen, 157–159; Matthes: Das veränderte Rußland, 407–413. 78 Matthes: Das veränderte Rußland, 408. 79 Rabener: Vorrede. In: ders.: Leben Petri des Ersten, unpag. 80 Guerrier: Leibniz, 50; Pekarskij: Nauka i literatura, Bd. 1, 97. 81 Teutscher Pavillon der Musen (1725) Sammlung 4, 342f. 82 Rabener: Leben Petri des Ersten, 380. 83 Ders.: Vorrede. In: ders.: Leben Petri des Ersten, unpag. 84 Die Beschreibung des Geschehens um Aleksej vgl. in ders.: Leben Petri des Ersten, 230f., 302–304, 413–511. 85 Ebd., 230, 413–415. 86 Manifest Peters I. über die Absetzung Aleksejs als Thronfolger, Moskau 3./14. Februar 1718. Ebd., 433–443. 87 Rabener: Leben Petri des Ersten, 472–474, 702f.

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Lobschriften auf das petrinische Russland

Nach Rabener hatte Peter I. in den letzten Lebensjahren seine Ziele in Europa erreicht und dann seinen Blick auf Asien gerichtet, um seine Macht weiter auszudehnen. Weitergehende Pläne Peters, die Rabener ebenfalls beschrieb, seien aber durch Krankheit und Tod verhindert worden.88 Detailliert stellte er die Leichenbegängnisse des Zaren und seiner jüngsten Tochter Natal’ja dar, über die er offenbar von einem Augenzeugen informiert worden war. So konnte er berichten, dass die Leiche Peters I. von acht mit Samt behangenen Pferden gezogen und eine goldfarbene Decke, die mit einem mit silbernen Fäden gestickten Kreuz verziert war, auf den Sarg gelegt worden sei.89 Da der Beschreibung des Leichenbegängnisses die von Huyssen verfasste lateinische Trauerrede zum Tod Peters I. folgt,90 kann man mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, dass Huyssen als Augenzeuge zugegen war und zugleich als Urheber der Beschreibung Rabeners fungierte.

6.7. Eine französische Lobeshymne auf Peter I. von Ivan Nestesuranoj (1725/26) Die Memoires du regne de Pierre le Grand, Empereur de Russie, Père de la Patrie waren die erste vollständige Peter-Biographie in französischer Sprache. Ihre erste Auflage erschien 1725/26 in vier Bänden in den Niederlanden.91 Neben den Frontispiz-Illustrationen von Peter I. und Katharina I.92 enthielt das Werk mehrere Abbildungen, etwa des Flusses Newa, der Festung Kronšlot oder des Kaspischen Meeres.93 Die Memoires du regne de Pierre le Grand erschienen in mehreren Auflagen in französischer Sprache und wurden auch ins Niederländische, Italienische und Polnische übersetzt.94 Der Autor nannte sich Ivan Ivanovič Nestesuranoj und behauptete, ein Kenner der russischen Verhältnisse zu sein.95 Tatsächlich aber hieß er Jean Rousset de Missy, war ein französischer Historiker und schrieb unter Pseudonym. Als protestantischer Journalist und Pamphletist verbrachte er den Großteil seines Lebens in den Niederlanden,96 wurde 1731 Mitglied der Preußischen und 1737 der Petersburger Akademie der Wissenschaften.97 Rousset de Missy bemerkte in der Vorrede zu seinem Werk, dass Russland in den vergangenen Jahrhunderten von Europa isoliert und den Europäern insofern unbekannt gewesen sei. Unter Peter I. habe sich diese Situation jedoch grundlegend geändert, jetzt übe Russland großen Einfluss auf das Geschehen in der ganzen Welt aus,98 es sei „le grand & puissant Empire 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98

Ebd., 709f., 775f. Ebd., 780–786, hier 784. Huyssen: Justitium Sive Luctus publicus. Nestesuranoi: Memoires du regne de Pierre le Grand, Bd. 1–4. Ebd., Bd. 1–4, Frontispiz. Ebd., Bd. 2, Bd. 4, unpag. Hoffmann, Peter: Rußland im Zeitalter des Absolutismus. Berlin 1988 (Quellen und Studien zur Geschichte Osteuropas. N. F. 28), 139; Robel: Deutsche Biographien Peters des Großen, 157. Avertissement und Preface. In: Nestesuranoi: Memoires du regne de Pierre le Grand, Bd. 1, unpag. Mohrenschildt, Dimitri Sergius: Russia in the intellectual life of eighteenth-century France. New York 1972 (Columbia University studies in English and comparative literature 124), 207. Hartkopf, Werner: Die Berliner Akademie der Wissenschaften. Ihre Mitglieder und Preisträger 1700– 1990. Berlin 1992, 306; Graßhoff: Russische Literatur in Deutschland, 138. Preface. In: Nestesuranoi: Memoires du regne de Pierre le Grand, Bd. 1, unpag.

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des Russes“.99 Peter I. wurde vom Verfasser geradezu verklärt: „Unser Kaiser war damals der Sonne gleich[,] die aus der Erde und dem Wasser so viele Dämpfe und Ausdünstungen zieht, nur um daraus ergiebigen Regen zu formen, und das Land üppig und fruchtbar zu machen.“100 Rousset de Missy titulierte Peter I. als Kaiser – im Unterschied zu den vorangegangenen, von Huyssen beeinflussten Schriften –, bereits die Frontispiz-Illustrationen waren mit der Notiz „Empereur de toutes les Russies“ versehen.101 Er war darüber hinaus auf eine neue Quelle gestoßen, den Erlass über die Gründung der Russischen Akademie der Wissenschaften, den er nun in französischer Übersetzung veröffentlichte.102 Grundsätzlich war seine Peter-Biographie den anderen Werken ähnlich. Große Aufmerksamkeit schenkte er der alten russischen Geschichte, der er den gesamten ersten Band widmete, sowie den Ereignissen um den Zarewitsch Aleksej, dessen Absetzung als Thronfolger und dessen Tod.103 In der Forschung wird diese Peter-Biographie als erste größere Zusammenfassung über das petrinische Russland überhaupt angesehen.104 Eine Mitwirkung Huyssens an dem Werk vermutete der französische Vizeadmiral in russischen Diensten, François Guillemot de Villebois,105 in seinen Geheimen Notizen.106 Er schrieb, dass ein deutscher Baron ein Buch über seinen Dienstherrn, den Zaren, unter dem Pseudonym Ivan Nestesuranoj verfasst habe. Der echte Name des Barons lautete, Villebois zufolge, in der russischen Version der Geheimen Notizen Levisson. Villebois kritisierte, dass es Levissons Schrift an der notwendigen Objektivität mangele und die Persönlichkeit Peters und einige Ereignisse spürbar geschönt worden seien. Er bezog sich vor allem auf die Hinrichtung der Strelitzen 1698, an der der Zar seiner Meinung nach persönlich beteiligt gewesen sei, unter Umständen habe er sie sogar mit eigener Hand umgebracht. Levisson habe ihm in einem persönlichen Gespräch gestanden, von diversen Gewalttaten am Zarenhof zu wissen. Villebois warf ihm vor, Peters Rolle bei der Hinrichtung absichtlich verschwiegen zu haben. Andere Fälle habe er – offenbar im Auftrag der russischen Regierung – verdreht oder schlicht falsch dargestellt. Levisson habe allerdings kein gutes Französisch geschrieben, weshalb der niederländische Herausgeber die zweite Auflage, die 1728/30 erschien, von einem in den Niederlanden lebenden französischen Schriftsteller korrigieren lassen wollte. Tatsächlich sei das Werk sprachlich überarbeitet, der Inhalt dabei aber weder überprüft noch die Fehler beseitigt worden. Die Loblieder auf Peter I. seien gar noch intensiviert worden, so Villebois. Das Schlimmste aber sei, dass man die Rei99 Avertissement. Ebd., unpag. 100 „Nôtre Empereur ressembloit alors au Soleil qui ne tire du sein de la terre & des eaux tant de vapeurs & d’exhalaisons, que pour en former des pluies fécondes, & rendre les Campagnes abondantes & fertiles.“ Preface. Ebd., unpag. 101 Ders.: Memoires du regne de Pierre le Grand, Bd. 1–3, Frontispiz. 102 L’ordonnance pour l’établissement d’une Academie en faveur des Sciences & des belles Lettres, St. Petersbourg, le I. Février [28. Januar/8. Februar] 1724. Ebd., Bd. 4, 709–713. 103 Nestesuranoi: Memoires du regne de Pierre le Grand, Bd. 4, 9–241. 104 Graßhoff: Russische Literatur in Deutschland, 96. 105 Villebois, [François Guillemot de]: Mémoires secrets pour servir a l’histoire de la cour de Russie, Sous les règnes de Pierre-le-Grand et de Catherine I re, rédiges et publiés, pour la premiere fois, d’après les manuscrits originaux du sieur de Villebois, Chef d’Escadre et Aide-de-Camp de S. M. le Czar Pierre I re. Hg. v. Théophile Hallez. Paris 1853. Russische Übersetzung: Vilbua, Franc [Nikita Petrovič]: Rasskazy o rossijskom dvore. In: Voprosy istorii 12 (1991) 192–206. 106 Zu Guillemot de Villebois vgl. Čertoprud, S[ergej] V[adimovič]: Rossijskie admiraly. Biografičeskij slovar’. Moskva 2004, 72; Nikiforov, L[eonid] A[lekseevič]: Zapiski Vilbua. In: Pašuto, V[ladimir] T[erent’evič] u. a. (Hg.): Obščestvo i gosudarstvo feodal’noj Rossii. Moskva 1975, 219–225, hier 219f.

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henfolge der beschriebenen Tatsachen in der zweiten Auflage verändert und damit die chronologische Abfolge verfälscht habe. Für die Ergänzungen in der zweiten Auflage habe man mangelhaft übersetzte Auszüge aus deutschen Zeitungen und die französische Zeitschrift Mercure de France verwendet. Insgesamt seien die Darstellungen des Ivan Nestesuranoj, so Villebois, für alle Kenner der russischen Geschichte unglaubwürdig.107 In der französischen Erstausgabe der Geheimen Notizen hieß der ominöse Baron nicht „Levisson“, sondern „Hussen“. Damit kann man sicher annehmen, dass Villebois Huyssen für den Verfasser hielt.108 Diese Abweichung bei der Schreibweise des Namens resultierte wohl daraus, dass die französische Ausgabe sich auf das in Paris befindliche Manuskript stützte, während die Grundlage der russischen Übersetzung die in Moskau liegende Abschrift des Originals war.109 Die Autorschaft Villebois’ ist jedoch auch nicht gesichert. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass seine Geheimen Notizen später von einer anderen Person verfasst wurden.110 Doerries hält den französischen Gesandten in Russland, Jacques de Camprédon, für den Urheber. Dieser habe gemutmaßt, dass Huyssen hinter Nestesuranoj stecke.111 Das ist aber nicht der Fall: Im Briefwechsel zwischen Johann Theodor Jablonski, dem Sekretär der Berliner Sozietät der Wissenschaften, und Huyssen finden sich Belege dafür, dass Huyssen und Nestesuranoj nicht ein und dieselbe Person gewesen sein können. So schrieb Jablonski am 4. Juni 1725 an Huyssen und kritisierte die Schrift insgesamt scharf: „Ein weiteres Werk, über die Geschichte der Grossmacht Russland, ist gerade erschienen, wovon der erste und zur Zeit in Holland veröffentlichte Teil die allgemeine Geschichte der russischen Zaren, seit der Gründung ihrer Monarchie bis zum letzten Kaiser, enthalten muss. Der zweite Teil werde das Leben und die Taten dieses glorreichen Monarchen enthalten und der dritte den aktuellen Zustand der Nation und des Kaiserreichs. Man hält für den Autor des Werkes einen Russen, aber ich glaube[,] dies dient nur dazu[,] ihm mehr Ausdruckskraft zu verleihen, zudem fürchte ich, dass es sich lediglich um eine vorzeitige Rhapsodie handelt, als Resultat der Begierde irgendeines Verlegers, der lediglich das Ziel verfolgt, aus der Leichtgläubigkeit der Öffentlichkeit einen Nutzen zu ziehen, indem er diese durch den Schein eines solch interessanten Themas trügt. Der Grossteil der Berufstätigkeit dieser Herren besteht darin, solche Spielchen zu treiben, und man kenne davon sehr viele Beispiele, und diese fatale Begierde nach unzulässigem Gewinn bringe jeden Tag eine Anzahl an schlechten Büchern hervor, auf die das Publikum gut verzichten könne, und von denen es überhäuft wird, vor allem in unserem Deutschland, doch ist es einfacher, dies zu beklagen[,] als zu beseitigen.“112 107 108 109 110 111 112

Vilbua: Rasskazy o rossijskom dvore, 201f. Villebois: Mémoires secrets, 23–26. Nikiforov: Zapiski Vilbua, 220f. Ebd., 225. Doerries: Rußlands Eindringen in Europa, 40f., 144. „Il vient de paraître un autre ouvrage, sur l’histoire de la Grande Russie, dont la première partie et qui est actuellement publiée en Hollande, doit contenir l’histoire générale des Czars de Russie, depuis l’établissement de leur Monarchie jusqu’au dernier empereur exclusivement. La seconde contiendra la vie et les actions de ce glorieux monarque, et la troisième l’état présent de la nation et de l’empire. On donne à l’ouvrage un auteur russien, mais je crois que ce n’est que pour lui donner plus de relief, et je crains, que ce ne soit effectivement qu’une rapsodie prématurée, procurée par l’avidité de quelque libraire, qui n’a pour but que de profiter de la crédulité du public, en le trompant par l’apparence d’un sujet si intéressant. Ces messieurs font consister une partie de leur métier, à jouer de semblables tours,

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Huyssen antwortete im August: „Wir haben bereits den ersten Band […] der in Holland gedruckten Geschichte der Zaren gesehen. Der Name des Russen, den man für den Autor dieses Werkes hält, ist erfunden und in diesem Land unbekannt[.] Es ist nichts weiter als eine Rhapsodie, voller Fehler, sowohl was die völlig mangelhaft dargestellte Geschichte betrifft, als auch die im Buch schlecht ausgedrückten und verbreiteten russischen Namen. Es handelt sich um einen Streich irgendeines gierigen Verlegers, der sich durch die trügerische Titelseite [des Werkes] über ein solch interessantes Thema die Leichtgläubigkeit der Öffentlichkeit zu Nutze machen wird.“113 Aus Huyssens Brief geht damit eindeutig hervor, dass er nicht der Verfasser der Memoires du regne de Pierre le Grand war, ja dass er nicht einmal die Einzelheiten der Drucklegung dieses Werkes kannte. 1726 bemerkte Johann Theodor Jablonski, dass eine gute Biographie Peters I. nach wie vor ein Desiderat sei. Die bisher erschienenen deutschen und französischen Schriften seien „des rapsodies indignes“.114 Jablonskis Aussage verdeutlicht, dass die Hymnen auf Peter und Russland keinen wissenschaftlichen Anspruch hatten, sondern nur als Propagandainstrumente gedacht waren, um die Leser russlandfreundlich zu stimmen.

6.8. Martin Hassens Russlandbuch (1739) Zum Ruhm Peters I. trug ferner Martin Hassen, seit 1712 ordentlicher Professor für Ethik an der Universität Wittenberg,115 durch sein 1739 herausgegebenes, 622 Seiten umfassendes Werk Die Wahre Staats-Klugheit bei.116 Von 1707 bis 1709 war Hassen Sekretär der russischen Gesandtschaft in Berlin und konnte in dieser Eigenschaft Informationen über Russland und den Zaren sammeln. Hassen zeigte sich in seiner Schrift von Peters außergewöhnlichen Eigenschaften beeindruckt und widmete sie der Kaiserin Anna Ivanovna als einer Nachfolgerin ihres ruhmreichen Onkels Peter I. Über sie verfasste Hassen eine spezielle „Lob- und

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et on n’en a que trop d’exemples, et cette fatale avidité d’un gain illicite produit tous les jours une quantité de mauvais livres, dont le public pourrait fort bien se passer, et dont il est accablé, sur tout en notre Allemagne, mais c’est un mot, dont il est plus facile de se plaindre qu’il n’est d’y remédier.“ Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 4. Juni 1725. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 138f. „Nous avons deja vû le 1r. Tome in 8 de l’Hist. des Czars inprimé en Holl[ande]. L’auteur Russien qu’on donne à cet oúvrage, est un nom supposé et inconnu en ce pais-cy, Ce n’est qu’une rapsodie pleine des fautes tant pour l’histoire, toute defectueuse, et que p[ou] r. Les noms Russes mal exprimez et repandus dans le Livre. C’est un tour de quelque libraire avide, qui va profiter de la credulité du public par Le frontispice specieux dans un sujet si interessant.“ Heinrich von Huyssen an Johann Theodor Jablonski, August 1725, 3r–4v, hier 3v. Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-V-5, Wissenschaftliche Verhandlungen und Aufsätze 1710–1740. Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 20. Dezember 1726. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 151–153, hier 152. Zu Hassen vgl. Kathe, Heinz: Die Wittenberger Philosophische Fakultät 1502–1817. Köln u. a. 2002 (Mitteldeutsche Forschungen 117), 320f.; Schippan, Michael: Die russische Botschaft in Berlin zur Fridericianischen Zeit. In: Ziechmann, Jürgen (Hg.): Fridericianische Miniaturen, Bd. 4. Bremen 1997 (Forschungen und Studien zur Fridericianischen Zeit 5), 182–198, hier 186; ders.: Zu einigen Problemen einer „Geschichte der deutsch-russischen Beziehungen im 18. Jahrhundert“, 52f. Hassen: Die Wahre Staats-Klugheit.

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Zueignungs-Schrifft“,117 auf deren Frontispiz die Zarin mit der Notiz „Anna Joannowna[,] Kayßerin von gantz Rußland“ zu sehen war. Für die Abfassung seines Werkes zog Hassen unter anderem die zuvor erschienenen Schriften über das petrinische Russland, die unter Huyssens Einfluss entstanden waren, heran und zählte sie am Ende seines Buches im „Erste[n] Register Derjenigen Schrifften, woraus die, vom Rußischen Reiche, und insonderheit von dessen ruhmwürdigsten Kayser, Peter, dem Grossen, in diesem Buche angeführten, Sachen meisten theils hergenommen sind“ auf. Darunter waren Rabeners Leben Petri des Ersten, Lohensteins Petri Leben und Thaten und Stieffs Relation, aber auch Nestesuranojs Memoires du regne de Pierre le Grand und Wartis’ Relazione geografica storicopolitica dell’ imperio di Moscovia vertreten. Im Vorbericht gab Hassen seiner Hoffnung Ausdruck, Huyssens geplantes „grosses Historisches Werck“ über die „glorwürdigsten Thaten“ Peters I., von dem er aus Webers Veränderte[m] Rußland wusste, für sein Werk heranziehen zu können.118 Leider müsse er nun darauf verzichten, da das Werk noch nicht erschienen sei: „So sehr muß ich auch bedauren, daß ich einer so nachdrücklichen Beyhülffe [habe] entbehren müssen.“119 Huyssen starb im Jahr des Erscheinens von Hassens Buch. Die „Staats-Klugheit“ eines Monarchen bestand nach Hassen in der Kenntnis von Sinn und Zweck der Regierung, der „Betrachtung der daher erfolgenden Glückseligkeit“, der Förderung der dazu nützlichen Wissenschaften, den Reisen ins Ausland, der Auswahl tüchtiger Staatsmänner und der Beseitigung von Staatsmängeln. Die Wohlfahrt eines Reiches unterteile sich in eine „innerliche“ und eine „äusserliche“. Erstere sollte sich auf Gottesdienst, Gerechtigkeit und Reichtum stützen, letztere auf den Erhalt des Friedens und die Führung ausschließlich rechtmäßiger Kriege. Das primäre Ziel eines wohlgesinnten Monarchen sollte laut Hassen „das gemeine Beste“ für seine Untertanen sein, die Förderung ihrer Wohlfahrt und Glückseligkeit. So habe Peters I. besonderes Augenmerk dem „vollkommenste[n] Wohl seiner Unterthanen“ gegolten. Seine Weisheit habe sich unter anderem in der Einstellung tüchtiger Mitarbeiter, wie zum Beispiel Huyssens, gezeigt.120 Peters unermüdliches Schaffen trage zum Aufschwung der Gelehrsamkeit in Russland bei. Als Beispiele nannte Hassen die Errichtung von drei Schulen – diejenigen für Freie Künste, mathematische Wissenschaften und Seewesen –, sowie die Berufung des inzwischen schon längst verstorbenen Ernst Glück zum Leiter einer Schule für Fremdsprachen (Griechisch, Lateinisch, Französisch, Italienisch und Türkisch) in Moskau, in der Adelige und Nichtadelige unterrichtet worden seien. Vor allem bei der Gründung der Akademie der Wissenschaften habe sich das Bemühen des Zaren um eine gute Ausbildung seiner Untertanen deutlich gezeigt.121 Diese Angaben stimmten, so Hassen, mit den Nachrichten überein, die Huyssen den Leipziger Gelehrten hatte zukommen lassen. Huyssen hatte sie informiert, dass in Moskau Wissenschaften und Sprachen gratis gelehrt würden, Jesuiten und Missionare in der deutschen Vorstadt der Jugend Latein, mathematische und Kriegswissenschaften beibrächten und die griechischen Lehrer neben ihrer und der lateinischen Sprache „die Weltweißheit und Gottesgelahrtheit“ unterrichteten sowie öffentliche Diskussionen über gedruckte Lehrsätze führten. 117 118 119 120 121

Ders.: Lob-und Zueignungs-Schrifft [für Anna Ivanovna], Wittenberg 28. April 1739. Ebd., unpag. Ders.: Vorbericht. Ebd., unpag. Vgl. auch Weber: Das veränderte Rußland, Tl. 1, 253f. Hassen: Vorbericht. In: Die Wahre Staats-Klugheit, unpag. Ders.: Die Wahre Staats-Klugheit, 1–3, 92f., 122f., 387f. Ebd., 236–238.

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Auch über die Entwicklung von Medizin, Anatomie und Astronomie in Russland sowie über die Förderung der Lernbereitschaft der Russen durch Peter I. habe Huyssen berichtet.122 All dies sind Belege dafür, dass die Informationen über die Veränderungen in Russland, die sich in vielen deutschen Zeitschriften und Werken wiederholten und im Mittelpunkt der damaligen Russlandberichterstattung standen, letztlich von Huyssen stammten. Hassen versäumte nicht, auf Huyssens weitere Verdienste hinzuweisen: „Er ist fast in allen Arten der Gelehrsamkeit, insonderheit aber in den Rechten und fremden Sprachen[,] erfahren. Er liebet die Gelehrten, und trachtet ihnen nach Möglichkeit gutes zu thun, er beschützet sie auch wider die Neider am Rußischen Hofe, und verschafft ihnen Gelegenheit[,] sich bey dem Zaar und dessen Printzen in Gnade zu setzen. Mit einem Worte, Er ist aller fremder Gelehrten Mäcenas, immassen man ihm grösten theils zu dancken hat, daß sich so viele gelehrte Leute in Rußland niedergelassen. Er ist es auch, der durch seine Klugheit alle Hindernisse, so einem vormals an diesem Hofe begegnet, aus dem Wege geschafft.“ Den Kronprinzen Aleksej habe Huyssen mit großem Fleiß unterrichtet und dessen angebliche Toleranz gegenüber Ausländern geprägt. Letztlich seien aber alle Bemühungen um den Zarewitsch fruchtlos geblieben, weshalb dieser bei seinem Vater in Ungnade gefallen sei.123 Huyssen hatte ohne Zweifel großen Einfluss auf Hassen, der dessen Nachrichten über Russland am glaubhaftesten einschätzte. Im „Anhang Einiger, in diesem Buche angeführten, und wegen ihres Innhalts lesenswürdigen Schrifften“ des Werkes befanden sich dann auch die offiziellen Dokumente, die auf Huyssen zurückzuführen sind.124

6.9. Reales Staats- und Zeitungs-Lexicon Dem dänischen Reisenden Peter van Haven zufolge beeinflusste Huyssen auch die Russlanddarstellungen im Reale[n] Staats- und Zeitungs-Lexicon.125 Die Popularität dieses Nachschlagewerkes zeigte sich nicht zuletzt an den vielen Auflagen, die es erlebte. Nach dem Verfasser der Vorrede, Johann Hübner, Rektor des lutherischen Domgymnasiums zu Merseburg bei Halle und seit 1711 Rektor des Johanneums in Hamburg, wird es „Hübners Lexikon“ genannt. Im Vorwort wies Hübner darauf hin, dass sich die Schrift sowohl an Gelehrte als auch an diejenigen, „die mit den Musen keine sonderliche Bekantschafft haben“, richte. Insbesondere Studenten empfahl er das Lexikon.126 Zwar erscheint Huyssens Name in den enzyklopädischen Russlanddarstellungen des Nachschlagewerkes, die allgemeine Informationen zum Land enthalten, nicht, sein Einfluss 122 Ebd., 237f. 123 Ebd., 249–251. 124 Werbemanifest Peters I. für Ausländer, 16. April 1702. Ebd., Anhang 588–594; [Huyssen]: Instruction, so für den Informatorn des ehemaligen Rußischen Kron-Printzen, Alexii Petrowitz, abgefaßt worden, 3. April 1703. Ebd., Anhang 570–579; [ders.]: Kriegs-Reglement, so Seine Rußisch-Kayserliche Majestät bey Dero Armee einführen lassen, [1706]. Ebd., Anhang 594–620. 125 Reales Staats- und Zeitungs-Lexicon [11704]. Vgl. auch Haven: Nachrichten von Huyssen, 324. 126 Hübner, Johann: Vorrede. In: Reales Staats- und Zeitungs-Lexicon [11704], unpag. Vgl. Bernhagen, Wolfgang: Das deutsche Russlandbild in Hübners „Reales Staats-, Zeitungs- und ConversationsLexikon“ am Anfang des 18. Jahrhunderts. In: Zeitschrift für Slawistik 7 (1962) 383–385. Dieser Beitrag beruht auf einer Auswertung der sechsten, 1713 erschienenen Auflage des Reale[n] Staats- und Zeitungs-Lexicon[s].

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ist aber gerade aus den zum Ruhm Peters I. beitragenden Ergänzungen in den Neuauflagen zu vermuten. Dies zeigen die erste, dritte, vierte und sechste Auflage des Reale[n] Staats- und Zeitungs-Lexicons, die von 1704 bis 1713 erschienen. Genauer werden dabei im Folgenden die Beschreibungen Moskaus als Symbol für das gesamte Russland, die Darstellung des Zentralorts als russische Hauptstadt sowie die Nachrichten über St. Petersburg betrachtet. Die erste und die dritte Auflage enthalten identische Informationen über Moskau-Russland und Moskau-Stadt, die fast ausschließlich geographischer Natur sind.127 Im Gegensatz zur Erstausgabe behandelt die dritte Auflage zusätzlich eine kurze Beschreibung St. Petersburgs, „eine Moscowitische 1703. gantz neu erbauete Stadt“.128 Die vierte Auflage von 1709, ist im Vergleich zur vorherigen weiter ergänzt worden. Im Abschnitt über Moskau-Russland heißt es nun, dass früher die Söhne der russischen Großfürsten die Ländereien ihrer Väter gemeinsam geerbt und untereinander geteilt hätten. Diese Erbengemeinschaft, die oftmals zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen den Brüdern führte, sei im Laufe der Zeit durch Einführung des Erstgeborenenrechts abgeschafft worden. Die mangelnde Bildung der russischen Einwohner, hieß es weiter, sei durch die unermüdliche Tätigkeit des jetzt regierenden Zaren behoben worden. Er habe so den Grundstein zur „Cultivirung“ seines Reiches nach westlichen Mustern gelegt. Eine weitere wichtige Maßnahme des Zaren sei der Bau der Kanäle vom Schwarzen Meer zum Kaspischen Meer (der allerdings in Wirklichkeit lediglich geplant war) beziehungsweise zur Ostsee gewesen, wozu die 1696 erfolgte Eroberung der Festung Asow den Anlass gegeben hatte. Der Bericht über Moskau als Hauptstadt wurde in der vierten Auflage ebenfalls durch neue Informationen ergänzt. In der deutschen Vorstadt seien zwei evangelische, eine niederländische, eine englische und eine römisch-katholische Kirche gebaut worden. Neu war auch, dass diesem Bericht eine separate Darstellung der „Moskowitische[n] Kirche“ folgte. Über St. Petersburg erfuhr man, dass diese Stadt „bey dem Einflusse der Nieva“ entstanden sei.129 In der sechsten Auflage des Lexikons von 1713 wurde der Text über Moskau-Russland aus der vierten Auflage übernommen. Neu war die Bemerkung, dass die Kanalbaupläne Peters I. wegen der Abtretung Asows an die Osmanen 1712 ihren Nutzen verloren hätten. Die Darstellung Moskaus als Stadt war nun verändert worden. Die Gegend, in der vorher die Strelitzen gelebt hätten, werde nun nicht mehr als ein Teil Moskaus bezeichnet, sondern nur noch als Vorstadt. Wesentlich erweitert wurde die Darstellung St. Petersburgs: Die Stadt wachse durch den Bau neuer Paläste sowie der Häuser und Gärten von Deutschen und Niederländern, die dort in großer Zahl lebten. Peter I. beabsichtige, St. Petersburg zu einer Handelsstadt zu machen, und gewähre den Kaufleuten von Wiborg und Turku umfangreiche Freiheiten.130 Die Berichte wurden also im Laufe der Zeit immer wieder aktualisiert und ergänzt. Die Informationen kamen offenbar von jemandem, der zwar nicht namentlich genannt wurde, der aber bestens über Russland Bescheid wusste.

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Reales Staats- und Zeitungs-Lexicon [11704], 735–737; ebd. [31708], 889–891. Ebd. [31708], 1270. Ebd. [41709], 1001–1005, 1427. Ebd. [61713], 1042f., 1455.

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6.10. Neu-eröffneter Historischer Bilder-Saal Ebenfalls zum Einflussbereich Huyssens gehörte laut Haven das Werk Neu-eröffnete[r] Historische[r] Bilder-Saal, das im Auftrag des österreichischen Erzherzogs und späteren Kaisers Joseph I. angefertigt wurde. Andreas Lazarus von Imhof, Geheimrat, Kanzleidirektor, Lehnpropst und Pfleger zu Floß in der Oberpfalz, war der Verfasser seiner ersten fünf Teile. Das Werk, dessen erster Teil 1692 publiziert wurde, stieß bei den Lesern auf allgemeinen Beifall und wurde bald ein Hand- und Unterhaltungsbuch der gebildeten Schichten.131 Die einzelnen Teile erlebten in kurzer Zeit mehrfache Auflagen. Das hohe Ansehen des Werks führte dazu, dass es 1703 für den Geschichtsunterricht des preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm als Le grand theatre historique, ou nouvelle histoire universelle ins Französische übersetzt wurde.132 Nach Imhofs Tod 1704 wurde die Publikation von einigen Altdorfer Professoren weitergeführt. Das Gesamtwerk umfasst 17 Teile, der letzte wurde 1782 herausgegeben.133 Publiziert wurde das Werk, weil „ohne Einsicht in die Historie, niemand in der galanten Welt für klug und geschickt geachtet wird“.134 Im sechsten Teil werden die Objektivität und die Unparteilichkeit des Werkes gerühmt, wobei man gleich bemerkte, dass man es nicht allen Recht machen könne, denn „Veritas odium parit“. Dies sei besonders zutreffend in einer Zeit, in der Europa durch Kriege gespalten und in verschiedene Lager geteilt sei. Wenn man allerdings bedenkt, dass das Werk ausdrücklich als unter dem Schutz Kaiser Josephs I. stehend bezeichnet wird, können an seiner Unparteilichkeit Zweifel aufkommen. Im Kontext der Veränderungen im Norden, hieß es weiter, verdiene Russland besondere Aufmerksamkeit.135 Den Wandel in diesem Reich verband man mit der Person Peters I., der „den Ruhm seiner Waffen unsterblich gemacht/ [und] seiner Nation eine grosse Hochachtung in Europa und Asia erworben“ habe.136 Er besitze „so viel Wissen-Begierigkeit/ und so viel Feuer/ selbige auszuführen“, dass man keinen Herrscher in der Welt mit ihm vergleichen könne. Kein Monarch verfüge über eine solch umfangreiche praktische Erfahrung in den Künsten und Wissenschaften wie er.137 So habe der Zar 1717 wohl nur aus Liebe zu den Künsten und Wissenschaften Paris besucht und sei Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften geworden. Zwar suchte Peter I. nach dem Tod König Ludwigs XIV. 1715 die Möglichkeit, durch direkte Verhandlungen mit dem Regenten, der für den minderjährigen König Ludwig XV. die Amtsgeschäfte in Frankreich führte, eine für Russland vorteilhafte Beendigung des Großen Nordischen Krieges herbeizuführen. Tatsächlich wurde sogar ein Bündnisabkommen Russlands mit Frankreich und Preußen abgeschlossen. Jedoch zeugt die Vermutung im Neu-eröffnete[n] Historische[n] Bilder-Saal, Peter habe Paris vor allem aus Liebe zu den Wissenschaften aufgesucht, davon, welchen hohen Stellenwert die bürgerlichen Herausgeber des Periodikums dem Bildungsstand eines Monarchen beimaßen. Auch verschiedene kuriose Begebenheiten um Peter wurden beschrieben: Den französischen Sängern und Sängerinnen, 131 E.: Imhof, Andreas Lazarus von. In: Allgemeine Deutsche Biographie 14 (1881) 42–44. 132 Le grand theatre historique, ou nouvelle histoire universelle tant sacree que profane, depuis la création du monde, jusqu’au commencement du XVIII siècle 1 (1703). 133 Neu-eröffneter Historischer Bilder-Saal 17 (1782). 134 Vorrede. Ebd. 8 (1740) [11715] unpag. 135 Vorrede. Ebd. 6 (1710) unpag. 136 Ebd. 7 (1719) [11714] 740. 137 Ebd. 6 (1710) 172f. Gemäß dem damaligen Sprachgebrauch waren mit den „Künsten“ Spezialhandwerke gemeint, von denen Peter gemäß der Überlieferung 14 beherrscht haben soll.

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die in seine Dienste treten wollten, habe der Zar gesagt, dass „so zarte Sirenen“ im kalten Russland nur Schnupfen bekommen würden. In Brüssel habe er in einem Bett geschlafen, in dem zwei Jahrhunderte zuvor Kaiser Karl V. genächtigt hatte.138 Im Zusammenhang mit der Zuwanderung von Ausländern nach Russland wurde auch Huyssen als Hofmeister Aleksejs erwähnt. Er sei derjenige, der die „Regierungs-Wissenschafft“ kenne, Europa bereist, die Söhne des berühmten Danckelmann in die Fremde geführt und „sich überall eine besondere Hochachtung seines soliden Verstandes erworben“ habe. Sein Erziehungsprogramm für Aleksej sei so erfolgreich gewesen, dass dieser nun zu den klügsten Prinzen Europas zähle, was nun allerdings wiederum eine offensichtliche Übertreibung war. „Und man kan sagen/ daß dieser erfahrne Mann [Huyssen]/ viel zu der Glückseeligkeit des Moscowitischen Reichs contribuiret und beygetragen [hat].“ Dass Huyssen das volle Vertrauen Peters I. genieße, sehe man daran, dass er als Gesandter nach Wien geschickt worden sei. Dies sei ein Zeichen dafür, dass auch Ausländern verantwortungsvolle Stellen in Russland anvertraut würden.139 Die Sympathie für den Kronprinzen schlug allerdings im Laufe der Jahre ins Gegenteil um. Der russische Thronfolger wurde bald nicht mehr gelobt, sondern als Opponent seines Vaters dargestellt.140 Er habe „alle angewandte Vätterliche Bemühung, mit einer unerhörten Undanckbarkeit belohnet“. Zwei Bilder wurden in diesem Kontext publiziert: „Aleksej kniet vor seinem Vater“ und „Aleksej stirbt“. In der bisherigen Historiographie ist noch nicht beachtet worden, dass im Jahr 1740 diese dramatischen geschichtlichen Ereignisse den Zeitgenossen auch ikonographisch vor Augen geführt wurden. 1871 wurde ferner das Gemälde „Peter verhört seinen Sohn Alexej in Peterhof“ bekannt, auf dem der Künstler Nikolaj Nikolaevič Ge darstellt, wie der auf einem Stuhl sitzende Zar den vor ihm mit gesenktem Kopf stehenden Thronfolger befragt. Die Veränderung der Thronfolgeordnung wurde im Neu-eröffnete[n] Historische[n] Bilder-Saal gutgeheißen.141 Während Huyssens Verwandter Ostermann in diesem Fortsetzungswerk auch nach dem Tod Peters I. mehrmals erwähnt wurde – zum Beispiel als Begleiter Peters II. bei dessen Krönung142 oder nach seiner Rangerhöhung zum Grafen 1730143 – fand Huyssen selbst in der Russlandberichterstattung keinen Platz mehr.

6.11. Beiträge des italienischen Rechtsgelehrten Gianvincenzo Gravina zum Ruhm Peters I. Als Mann von Welt pflegte Huyssen nicht nur Kontakte zu Gelehrten in Deutschland, sondern auch zu Intellektuellen in anderen europäischen Ländern. Charakteristisch dafür ist seine Verbindung mit dem italienischen Kanonisten, Historiker und Schriftsteller Giovanni Vincenzo Gravina, der dem Historisch-literarische[n] Handbuch berühmter und denkwürdiger Personen nach „ein berühmter eleganter Rechtsgelehrter, großer Dichter und Kunstrichter“ 138 139 140 141 142 143

Ebd. 8 (1740) 447f. Ebd. 6 (1710) 542f. Ebd. 8 (1740) 440. Ebd., 451, 454, 460, 910f. Ebd. 9 (1735) [11734] 821. Ebd., 1413.

Beiträge des italienischen Rechtsgelehrten Gianvincenzo Gravina zum Ruhm Peters I.

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war.144 Eduard Winter nannte Gravina einen römischen Frühaufklärer. Er vermutete sogar, dass Huyssen 1705 wegen seiner Bekanntschaft mit Gravina nach Wien geschickt worden war, um von dort aus Papst Clemens XI. mit Hilfe seines italienischen Freundes Russland gegenüber gewogen zu stimmen.145 Die Beziehung zwischen Huyssen und Gravina basierte auf wechselseitigem Nutzen. Gravina steckte seinen Ehrgeiz in das Verfassen von Schriften und deren Veröffentlichung.146 Huyssen wiederum half ihm, seine Schriften zu publizieren, um zur Verbreitung nützlicher juristischer Kenntnisse beizutragen. Ein Beispiel dafür ist Gravinas Werk über die Ursprünge des Zivilrechts. Er schrieb 1706, dass er die drei Teile dieses Buches an Huyssen schicken werde. Unter dessen Obhut sollte das vollständige und abgeschlossene Werk dann publiziert werden.147 Die Tatsache, dass die drei Bücher 1708 in Leipzig als Origines juris civilis von Johann Burckhard Mencke herausgegeben und gedruckt wurden,148 deutet auf Huyssens aktive Vermittlerrolle hin. Gravina bat ihn, für die Übersendung weiterer Manuskripte einen sicheren Weg zu finden.149 Huyssen erhielt von ihm mit einem Brief vom 12. Juni 1706 auch Dokumente über die letzte Kardinalswahl, die den römischen Konsistorialakten entnommen waren. Diese Akten waren laut Gravina aufgrund der Bedeutung der Ereignisse, der Neuartigkeit des Falls und der darin enthaltenen, vom Papst stammenden Reden für eine Veröffentlichung geeignet. Die Dokumente wurden 1707 in Köln mit dem Brief Gravinas an Huyssen als Vorwort zu den Acta consistorialia gedruckt.150 Gravina versprach in diesem Schreiben, seine Institutiones Canonicae151 nach deren Fertigstellung im kommenden Jahr an Huyssen zu senden.152 Außerdem schickte er 1707 ein Bündel von Briefen zu einer Kontroverse über die Diplomatie zusammen mit einem Brief von Giusto Fontanini an ihn. Fontanini war Professor für Eloquenz in Rom und Titularerzbischof von Ankara, außerdem ein Schützling des Papstes.153 Gravina wünschte, dass diese di144 Hirsching, Friedrich Carl Gottlob (Hg.): Historisch-literarisches Handbuch berühmter und denkwürdiger Personen, welche in dem 18. Jahrhunderte gestorben sind [...]. Leipzig 1795/96 [ND 1972], 149– 152, hier 149. Vgl. Reich, Emil: Gian Vincenzo Gravina als Aesthetiker. Ein Beitrag zur Geschichte der Kunstphilosophie. Wien 1890. 145 Winter, Eduard: Frühaufklärung. Der Kampf gegen den Konfessionalismus in Mittel- und Osteuropa und die deutsch-slawische Begegnung. Berlin 1966 (Beiträge zur Geschichte des religiösen und wissenschaftlichen Denkens 6), 287; ders.: Russland und das Papsttum, Bd. 1–3. Berlin 1960–1972 (Quellen und Studien zur Geschichte Osteuropas 6), hier Bd. 2, 29. 146 Gianvincenzo Gravina an Heinrich von Huyssen, Rom 29. Mai 1706, St.-Peterburgskij Filial Archiva RAN: fond 119, opis’ 1, edinica chranenija 4, 48r–49r, hier 49r. 147 Ebd., 48v. 148 Gravina, Janus Vincentius: Origines juris civilis, quibus Ortus & progressus Juris Civilis, Jus Naturale, Gentium & XII. Tabb. Legesque ac SCta explicantur; ad Clementem XI. Pont. Max. Hg. v Burchardus Menckenius. Lipsiae 1708. 149 Gianvincenzo Gravina an Heinrich von Huyssen, Rom 29. Mai 1706, St.-Peterburgskij Filial Archiva RAN: fond 119, opis’ 1, edinica chranenija 4, 49r. 150 Gianvincenzo Gravina an Heinrich von Huyssen, Rom 12. Juni 1706. In: [Gravina] (Hg.): Acta consistorialia, unpag. 151 Gravina, Janus Vincentius: Institutiones Canonicae. Nunc primum in lucem editae. Augustae Taurinorum 1742. 152 Gianvincenzo Gravina an Heinrich von Huyssen, Rom 12. Juni 1706. In: [Gravina] (Hg.): Acta consistorialia, unpag. 153 Allgemeine Realencyklopädie, oder Conversationslexikon für alle Stände 5 (³1868) 883f.

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plomatischen Briefe unter Huyssens Aufsicht in den Niederlanden gedruckt und von dort aus auch in Deutschland und Frankreich verbreitet würden. Dadurch würde Domenico Lazzarini, Jurist, Philologe und Professor des Griechischen in Padua, der dies eigentlich erledigen sollte, entlastet und könne sich ganz der Rhetorik der Jesuiten widmen. Huyssen wiederum würde nicht nur Gravina einen persönlichen Gefallen erweisen, sondern sich auch um die Literatur und Politik höchst verdient machen. Der besondere Dank „ganz Italiens“ sei ihm dafür gewiss.154 Tatsächlich leitete Huyssen die Dokumente an Gottfried Wilhelm Leibniz weiter, der die Drucklegung in Deutschland veranlassen sollte.155 Leibniz seinerseits schickte sie dann an Peter Ambrosius Lehmann.156 Das Thema Russland interessierte Gravina sehr. Daher hoffte er, von Huyssen einen Bericht über die Geschichte und die Gegenwart dieses Reichs zu erhalten, verbunden mit Informationen über den aktuellen Herrscher und den Erbprinzen. Aus den bisher erschienenen Büchern habe er keine sicheren Erkenntnisse ziehen können und wolle sich keinesfalls von irgendwelchen Gerüchten leiten lassen.157 Dass Gravina Peter I. wohlwollend gegenüberstand, wird nicht zuletzt daran sichtbar, dass er ihm seine sieben Reden widmen wollte, die die Vervollkommnung der Sitten und des Stils sowie die Herrschaft betrafen:158 Die erste, an Papst Clemens XI. gerichtete Rede, handelte von der Erneuerung der Wissenschaften, die zweite von der Universalgelehrtheit, die weiteren fünf betrafen die Jurisprudenz und die Philosophie sowie andere Themen.159 Manche dieser Reden wurden von Gravina im Drucktext datiert. Die zweite Rede wurde im Jahr 1700, die sechste 1701 und die siebte 1703 gehalten. Gravina schrieb darüber hinaus eine Lobrede auf Peter I. und schickte diese mit einem Brief vom 24. März 1707 an Huyssen nach Wien. Er bat Huyssen um dessen Meinung und um die Suche nach einem Übersetzer ins Russische, der in der Lage sei, in gleichem Maße den Sinn der Rede wie die Intention des Autors zu erfassen. Er sollte die Lobrede so übertragen, dass Peter I. die Verehrung des Autors ihm gegenüber erkennen könne.160 Die Schrift erschien schließlich neben den weiteren Reden als Oratio pro romanis legibus ad Magnum Moschorum Regem 1712 in Neapel, 1713 in Utrecht und 1737 in Leipzig im Rahmen einer

154 Gianvincenzo Gravina an Heinrich von Huyssen, Rom 16. Februar 1707, Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek: Lbr. 438, 13r–13v, hier 13v. 155 Heinrich von Huyssen an Gottfried Wilhelm Leibniz, Wien 12. April 1707. In: Guerrier: Leibniz, Anhang 61f. 156 Konzept eines Briefes von Gottfried Wilhelm Leibniz an Heinrich von Huyssen (Konzept), o. O. [12. April 1707]. Ebd., 62f., hier 63. 157 Gianvincenzo Gravina an Heinrich von Huyssen, Rom 29. Mai 1706, St.-Peterburgskij Filial Archiva RAN: fond 119, opis’ 1, edinica chranenija 4, 48r–48v. 158 Ebd., 48r. 159 Vgl. die erste, zweite, dritte, fünfte, sechste und siebte der genannten Reden in Gravina, Janus Vincentius: Opuscula et Orationes varii argumenti, seu operum tomus III. In: ders.: Opuscula et Orationes varii argumenti, seu operum tomus III. In: ders.: Jcti, Opera, seu Originum Juris Civilis libri tres, quibus accedunt de Romano Imperio liber singularis, ejusque Orationes et Opuscula latina. Hg. v. Gottfridus Mascovius. Lipsiae 1737. Die Titel der Reden lauten der Reihenfolge nach: Oratio de instauratione studiorum, ad Clementem XI, Pont. Max. (616–635); Oratio in auspicatione studiorum, de sapientia universa (636–647); Oratio de Jurisprudentia, ad suos juris civilis auditores (585–594); Oratio de repetendis fontibus doctrinarum (608–616); Oratio de recta in jure disputandi ratione (600– 607) und Oratio de canone interiori, ad suos juris pontificii auditores (594–600). 160 Gianvincenzo Gravina an Heinrich von Huyssen, Rom 24. März 1707, St.-Peterburgskij Filial Archiva RAN: fond 119, opis’ 1, edinica chranenija 4, 112r–112v.

Beiträge des italienischen Rechtsgelehrten Gianvincenzo Gravina zum Ruhm Peters I.

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Gesamtausgabe der Werke Gravinas.161 Entsprechend dem am Ende des Textes angegebenen Datum schrieb Gravina die Lobrede im Mai 1707. Beide Männer überhäuften einander in der Folge mit Herrscherhymnen. Gravina wurde es schließlich zu viel. Er beklagte sich bei Huyssen über dessen schwülstige Gedichte, die der Poesie ähnlich seien, mit der sich einheimische Dichter Ansehen bei Hof erwarben, aber sich auch der Lächerlichkeit preisgaben. Er bat Huyssen, die Lieferung solch unsinniger Schriften abzubrechen.162 Dies hielt Gravina selbst allerdings nicht davon ab, ähnliche Schriften mit Lobeshymnen über den Papst zu verfassen. Gravina pries gegenüber Huyssen die Frömmigkeit, die Verdienste, die Geistesgegenwart und die Besonnenheit des Papstes sowie dessen Mühen, die er für das Gemeinwohl auf sich nehme. Er wolle Huyssen gerne alle Tugenden des jetzigen Oberhauptes der katholischen Kirche aufzählen, müsse aber diesen erst davon überzeugen, dass seine übertriebene Bescheidenheit bedenklich sei, weil seine Menschenfreundlichkeit so geheim bliebe und der Nachwelt vorenthalten würde.163 Auch wichtige politische Angelegenheiten gingen aus Gravinas Briefen hervor: Die Franzosen zögen aus Italien ab und die Kaiserlichen wären bereits so mächtig, dass Prinz Eugen den Königsthron von ganz Italien beanspruche.164 Der Konflikt zwischen Kaiser Joseph I. und dem Papst, der sich offen auf die bourbonische Seite geschlagen hatte, spitzte sich 1708 derart zu, dass kaiserliche Truppen unter Führung General Claude Alexandre de Bonnevals in den Kirchenstaat einmarschierten und Clemens XI. zum Einlenken zwangen. Auf den Britischen Inseln, vermeldete Gravina, werde der Widerstand gegen die Päpstlichen immer größer.165 Auf diplomatischer Ebene konnte Gravina etwas über Fürst Boris Ivanovič Kurakin, den russischen Vertreter am päpstlichen Hof, berichten. Dieser stehe sowohl beim Papst und bei dessen Hof als auch beim gesamten Volk in hohem Ansehen, weil er ein kluger Gesprächspartner und anständiger und umgänglicher Mensch sei. Er habe ihm Huyssens frühere Briefe übergeben.166 Die Beziehung zwischen Huyssen und Gravina, die eher privater als offizieller Natur war, von der aber beide profitierten, geht aus dem Briefwechsel zwischen den beiden Män161 Gravina, Janus Vincentius: Oratio pro romanis legibus ad Magnum Moschorum Regem, Mai 1707. In: ders.: Jcti, Opera, seu Originum Juris Civilis libri tres, 571–585. 162 Gianvincenzo Gravina an Heinrich von Huyssen, Rom 7. April 1708, St.-Peterburgskij Filial Archiva RAN: fond 119, opis’ 1, edinica chranenija 4, 100r–100v, hier 100r. Gravina wunderte sich, dass Huyssen offenbar derartige Schmeicheleien nötig zu haben glaubte und bat ihn, in Zukunft besser eigene wissenschaftliche Texte zu schreiben als derartige Lobhudeleien, sonst würde er seine eigene Bibliothek von dem Schund, der bei ihm täglich in Form von Dichtergeschenken ankomme, reinigen. Gianvincenzo Gravina an Heinrich von Huyssen, Rom 24. März 1707. Ebd., fond 119, opis’ 1, edinica chranenija 4, 112r. 163 Gianvincenzo Gravina an Heinrich von Huyssen, Rom 12. Juni 1706. In: [Gravina] (Hg.): Acta consistorialia, unpag. 164 Gianvincenzo Gravina an Heinrich von Huyssen, Rom 16. Februar 1707, Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek: Lbr. 438, 13r. 165 Gianvincenzo Gravina an Heinrich von Huyssen, Rom 7. April 1708, St.-Peterburgskij Filial Archiva RAN: fond 119, opis’ 1, edinica chranenija 4, 100r–100v. 166 Gianvincenzo Gravina an Heinrich von Huyssen, Rom 24. März 1707. Ebd., fond 119, opis’ 1, edinica chranenija 4, 112r. Vgl. ferner Staszewski, Jacek: Die Mission des Fürsten Boris Kurakin in Rom im Jahre 1707. In: Ost und West in der Geschichte des Denkens und der kulturellen Beziehungen. Festschrift für Eduard Winter zum 70. Geburtstag. Berlin 1966, 200–214.

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Lobschriften auf das petrinische Russland

nern deutlich hervor. Während Huyssen für Gravina Verleger in Deutschland beschaffte, informierte Gravina ihn über das westliche Europa. Bemerkenswert ist, dass es für Huyssen, ebenso wie für Leibniz, kaum konfessionelle Schranken beim wissenschaftlichen Austausch gab. Der Essener Protestant tauschte sich ungezwungen mit Katholiken aus und wusste die wissenschaftlichen Leistungen von Jesuiten zu achten. Gravinas Ruhm überstrahlte später den seines Gönners Huyssen. So erschien 1758 eine Beschreibung von Leben und Wirken Gravinas,167 eine Biographie Huyssens hingegen war nicht gefragt. Und während der Name Gravinas im 1795/96 erschienenen Historisch-literarische[n] Handbuch berühmter und denkwürdiger Personen auftauchte, fand Huyssen darin keinerlei Erwähnung. Betrachtet man alle unter direkter oder indirekter Beteiligung Huyssens geschriebenen Lobschriften auf Peter I., so muss man grundsätzlich deren historische Begrenztheit und handwerkliche Unvollkommenheiten berücksichtigen. Die Autoren übernahmen im 17. und frühen 18. Jahrhundert oft kritiklos Fakten aus bereits Jahre oder sogar Jahrhunderte alten Schriften ihrer Vorgänger, ohne sie auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen oder Quellen anzugeben. Dies betrifft besonders die historischen Teile der Werke, die die Geschichte Russlands seit den Ursprüngen beleuchteten. Bei der Beschreibung der jüngsten Vergangenheit waren die Peter-Biographien aus politischen Gründen und mit Blick auf die Zensur sorgfältiger. Sie wurden mit der Zeit durch neue Informationen ergänzt und aktualisiert. Ein besonders empfindliches Thema war die Tragödie des Thronfolgers Aleksej, der in den Schriften, die zu seinen Lebzeiten erschienen waren, glorifiziert, dafür aber nach seinem Tod verurteilt wurde. Dies betraf auch Huyssen, der sich zunächst im engsten Umkreis Aleksejs und Peters aufhielt und berühmt wurde, seit der Zeit des Prozesses und des Todes des Zarewitsch im Jahr 1718 jedoch immer mehr aus den Berichten verschwand. Die Arbeit als Hofmeister des Erbprinzen war aber nicht die einzige Tätigkeit, die die Russlandhistoriographie der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts Huyssen zugeschrieben hat. Auch seine anderen Verdienste fanden Widerhall in den Schriften seiner Zeitgenossen, vor allem sein Wirken als Jurist, als Anwerber von Offizieren für russische Dienste und Förderer der Gelehrten. Eine seiner wichtigsten Funktionen hatte Huyssen ohne Zweifel bei der Entstehung der Lobschriften auf Peter I. und Russland. Durch sie verbesserte er das Image Russlands im Westen nachhaltig und formte ein neues Russlandbild. Obwohl sich die vielfach verbreitete schlechte Meinung über Russland und die Russen in Europa nicht innerhalb weniger Jahre wandelte, sprach man nun doch, wie Friedrich Christian Weber, von einem „veränderten Russland“, einem reformierten Zarenreich also. Die Schriften von Huyssens Zeitgenossen, die in eine Verbindung mit ihm gerieten, unterschieden sich von dessen eigenen vor allem dadurch, dass sie aus politischen und persönlichen Gründen vorsichtiger abgefasst waren, so beispielsweise in der Frage der Zuerkennung des Kaisertitels für Peter I.

167 Serrao, Andrea: De vita et scriptis Jani Vincentii Gravinae commentarius ad illustrissimum virum D. Emmanuelem de roda et arrieta Hispaniarum Regis Catholici Consiliarium, ejusdemque apud Sedem Apostolicam negotiorum Curatorem. Romae 1758.

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7. „Öffentliches Wohl“ und „menschliche Glückseligkeit“: Huyssen und Gottfried Wilhelm Leibniz 7.1. Leibniz’ Blick auf Russland Gottfried Wilhelm Leibniz war an der Entwicklung Russlands lebhaft interessiert. Voller Erwartungen verfolgte er den Wandel, der sich unter Peter I. abzeichnete. Ein Ausgangspunkt der Philosophie Leibniz’ war die Idee des „Himmels“ als des „Vaterlandes“ und „alle[r] wohlgesinnte[n] Menschen“ als „dessen Mitbürger“. Die Welt stellte in seinen Vorstellungen eine Einheit dar. Allerdings sah er in manchen Ländern Unvollkommenheiten in der zivilisatorischen Entwicklung, die nur durch die Initiative eines mächtigen Herrschers behoben werden konnten. In Russland hoffte er, einen solchen Monarchen in Peter I. zu finden.1 Ein Mittel zur Verbesserung der Welt war für Leibniz die Vermehrung des Wissens, das Studium und die Erziehung der Jugend. Dies sollte zur „menschliche[n] Glückseligkeit“ beitragen. Von diesen allgemeinen Zielen ausgehend, formulierte er seine Hoffnungen und Pläne für Russland. Das Land und seinen Herrscher erachtete er als bedeutend, „zumal da das Reich dieses Monarchen einen grossen Theil des Erd-Creises, nehmlich den Nord unsers Hemisphaerij fast begreiffet“. Für die „Beybringung der Kunst und Wissenschafften“ sollten nach Leibniz’ Konzeption tüchtige Fachleute ins Zarenreich berufen werden,2 die er selbst gern vermitteln wollte.3 „Bibliothec, theatrum naturae et artis, (darunter Kunst und raritäten Cammern begriffen,) Thier- und Pflanz-gärten, Observatoria, Laboratoria“ sollten in Russland seinem Konzept nach errichtet werden.4 Eine der Ideen des Universalgelehrten, die zum öffentlichen Wohl beitragen sollte, bestand in der „Beobachtung der Variation des Magnets“ an verschiedenen Orten des Russischen Reiches und der angrenzenden Länder.5 Er erhoffte sich „die Organisation eines über ganz Rußland sich erstreckenden Netzes von Stationen zur Beobachtung der magnetischen 1 Gottfried Wilhelm Leibniz an Peter I. (Konzept), o. O. [16. Januar 1712]. In: Guerrier: Leibniz, Anhang 205–208. 2 Denkschrift von Gottfried Wilhelm Leibniz für Peter I. (Konzept), o. O. Dezember 1708. Ebd., Anhang 95–99. 3 Gottfried Wilhelm Leibniz an Peter I., Wien 26. Oktober 1713. Ebd., Anhang 311–314. 4 Denkschrift von Gottfried Wilhelm Leibniz für Peter I. (Konzept), o. O. Dezember 1708. Ebd., Anhang 96. 5 Denkschrift von Gottfried Wilhelm Leibniz über die Untersuchung der Sprachen und die Beobachtung der Variation des Magnets im Russischen Reich (Konzept), o. O. [1712]. Ebd., Anhang 239–249, hier 239. Vgl. Reich, Karin/Roussanova, Elena: Meilensteine in der Erforschung des Erdmagnetismus in der Zeit von 1701 bis 1849 unter der besonderen Berücksichtigung von Russlands Beitrag. In: Kästner, Ingrid/Kiefer, Jürgen (Hg.): Beschreibung, Vermessung und Visualisierung der Welt. Aachen 2012 (Europäische Wissenschaftsbeziehungen 4), 137–160, hier 141f.; dies.: Gottfried Wilhelm Leibniz und die Anfänge der wissenschaftlichen Erforschung des Erdmagnetismus in Russland. In: Kästner, Ingrid (Hg.): G. W. Leibniz und die gelehrte Welt Europas um 1700. Aachen [im Druck] (Europäische Wissenschaftsbeziehungen 6).

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Huyssen und Gottfried Wilhelm Leibniz

Deklination“.6 So könnten die den Europäern bis dahin unbekannten Territorien erforscht werden. Leibniz schwebten weitreichende wissenschaftliche Anstrengungen vor: „Nehmlichen die Welt ist noch biss Dato in Zweifel[,] ob Asien gegen Norden ganz umbschiffet werden könne, oder ob es wie etliche vermeynen an America hange. Dieser Zweifelsknote kan[n] von niemand besser als von Sr. Mt. aufgelöset werden.“7 Ein wesentliches Element für die Ausbreitung der Wissenschaften in Russland war in Leibniz’ Augen die politische Kontrolle der Neugründungen wissenschaftsorganisatorischer Einrichtungen. Er schlug vor, in Russland ein Kollegium zur Oberaufsicht über die zu errichtenden Schulen und das „Amt der gelehrten“ gründen zu lassen. Seine Idee war es auch, das Bücherwesen im Russischen Reich zu fördern, dafür Druckereien zu errichten und Übersetzer, Künstler und Handwerker zu beschäftigen.8 In seinen Aufzeichnungen aus dem Jahr 1711, in dem er erstmals mit Peter I. persönlich zusammentraf, erweiterte Leibniz die Kompetenz des einzurichtenden Kollegiums auf Bereiche wie Papierhandel, Arzneien, Apotheken, Salz- und Bergwerke und anderes mehr. Das Kollegium sollte aus Vertretern verschiedener Nationen zusammengesetzt werden und zum Präsidenten oder Direktor einen Geheim- und Kriegsrat haben.9 Leibniz hoffte, seine weitreichenden Pläne durch hochgestellte, dem Herrscher nahestehende Amtsträger realisieren zu können. Seine Idee war ferner die Errichtung einer zentralen Institution in Russland, unter deren Dach alle wissenschaftlichen Tätigkeiten des Landes vereinigt sein sollten. Leibniz unterstützte die Absichten Peters I. in dieser Hinsicht: „Es ist mir gesagt worden[,] S. Cz. Mt. hätten sonderliche Lust einige Anstalt zu Petersburg circa studia förderlichst zu machen“, schrieb er in einem Promemoria für Baron Hans Christian von Schleinitz, den russischen Gesandten am hannoverschen Hof.10 Wenn es wahr sei, notierte Leibniz im Konzept eines anderen Schreibens an Schleinitz, dass der Zar ein Gymnasium und eine Akademie in St. Petersburg gründen wolle, könne er ihm nützliche Ratschläge dafür erteilen.11 Bei der Einführung der Wissenschaften in Russland, einem Land, das Leibniz mit einem „frische[n] Feld“ verglich, sollten die in Europa diesbezüglich begangenen Fehler vermieden werden. So könnte Russland zu einem Musterbeispiel für Europa werden. Vieles war im Zarenreich noch nicht erforscht, nicht untersucht und auch noch nicht beschrieben,12 weshalb Leibniz das Land auch „Tabula Rasa“ oder „terra vergine“ nannte. Davon ausgehend bestand sein weiteres Vorhaben in der Erforschung der „Mineralien, Kräuter, Thier[e] und

6 Winter: Leibniz und Rußland, 515. 7 Denkschrift von Gottfried Wilhelm Leibniz über die Untersuchung der Sprachen und die Beobachtung der Variation des Magnets im Russischen Reich (Konzept), o. O. [1712]. In: Guerrier: Leibniz, Anhang 246, 248. 8 Denkschrift von Gottfried Wilhelm Leibniz für Peter I. (Konzept), o. O. Dezember 1708. Ebd., Anhang 98. 9 Von Gottfried Wilhelm Leibniz während seiner Zusammenkunft mit Peter I. in Torgau aufgesetzte Konzepte, o. O. [1711]. Ebd., Anhang 180–183, hier 181f. 10 Promemoria von Gottfried Wilhelm Leibniz für Hans Christian von Schleinitz bei Gelegenheit der Reise des letzteren an den Zarenhof nach Greifswald, o. O. [1712]. Ebd., Anhang 220–223, hier 221. 11 Gottfried Wilhelm Leibniz an Hans Christian von Schleinitz (Konzept), Wolfenbüttel 23. September 1712. Ebd., Anhang 227–232, hier 231. 12 Denkschrift von Gottfried Wilhelm Leibniz über die Verbesserung der Künste und Wissenschaften im Russischen Reich (Konzept), o. O. [1716]. Ebd., Anhang 348–360, hier 360.

Leibniz’ Blick auf Russland

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andere[r] Sonderheiten“ im Russischen Reich.13 Leibniz wusste allerdings, dass seine Pläne für Russland wegen des Großen Nordischen Krieges schwer realisierbar sein würden14 und schlug deshalb vor, die von ihm angebotenen Projekte für möglichst wenig Geld umsetzen zu lassen.15 In der Vereinigung von Asien und Europa durch Russland als Vermittler sah Leibniz einen allgemeinen Nutzen für die gesamte Menschheit.16 Dadurch würde auch „den unsrigen ein neues Licht aufgehen“, schrieb er 1711.17 Die Vereinbarkeit von Wissenschaft und Religion, die Eduard Winter als „eine rationale Frömmigkeit“ und als „fromme[n] Rationalismus“18 deutete, war für ihn selbstverständlich. Für Leibniz waren die wissenschaftlichen Lehrsätze und die Religion kein Gegensatz: Ein vernunftgeleitetes Herangehen fördere die Erkenntnis von Gottes Werken, „denn in den Wissenschaften und Erkenntnissen der Natur und Kunst erzeigen sich vornehmlich die Wunder Gottes, seine Macht, Weisheit und Güthe“.19

7.2. Wegbereiter des Dialogs: Huyssen als Vermittler zwischen Leibniz und Peter I. Huyssen nahm eine wichtige Stelle in Leibniz’ Russland-Korrespondenz ein. Der Briefwechsel zwischen ihnen umfasst die Jahre 1692 bis 1716, also bis zum Tod Leibniz’. Während seiner Reisen durch Deutschland hatte Huyssen 1692 den Philosophen persönlich kennengelernt – darauf jedenfalls deutet zumindest ein Brief an Leibniz aus Essen hin. Huyssen schickte Leibniz einige Medaillen. Er ließ Leibniz auch seine Dissertatio de Justitio zukommen und bat ihn um seinen Kommentar.20 Leibniz bezog Huyssen bald auch in seine gelehrten Pläne ein. Im Konzept eines Briefes vom 7. Oktober 1703 äußerte er Huyssen gegenüber die Idee, fremde Länder durch die dort gesprochenen Sprachen kennenzulernen. So hoffte er, weitere Kenntnisse über den Ursprung und die Geschichte der Völker zu erhalten. Er schlug vor, ein Verzeichnis der Sprachen der einzelnen Nationen, die vom Russischen Reich bezwungen wurden, mit ihm benachbart waren oder Handel mit ihm betrieben, zu erstellen. Ein weiterer Vorschlag zielte darauf ab, den Sonntagsgottesdienst in die Sprachen dieser Völker übersetzen zu lassen. Dazu wären eine wörtliche interlineare Version und eine Liste von mindestens hundert gebräuchlichen Wör13 Herzog Anton Ulrich an [Schleinitz ?] (Konzept von Gottfried Wilhelm Leibniz), o. O. [1711]. Ebd., Anhang 174–176, hier 175. 14 Denkschrift von Gottfried Wilhelm Leibniz für Peter I. (Konzept), o. O. Dezember 1708. Ebd., Anhang 98f.; von Gottfried Wilhelm Leibniz während seiner Zusammenkunft mit Peter I. in Torgau aufgesetzte Konzepte, o. O. [1711]. Ebd., Anhang 180. 15 Vortrag von Gottfried Wilhelm Leibniz, o. O. [1711]. Ebd., Anhang 176–179, hier 178. 16 Denkschrift von Gottfried Wilhelm Leibniz für Peter I. (Konzept), o. O. Dezember 1708. Ebd., Anhang 98. 17 Herzog Anton Ulrich an [Schleinitz ?] (Konzept von Gottfried Wilhelm Leibniz), o. O. [1711]. Ebd., Anhang 176. 18 Winter, Eduard: G. W. Leibniz und die Aufklärung. Berlin 1968 (Sitzungsberichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Klasse für Philosophie, Geschichte, Staats-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften 3), 8. 19 Gottfried Wilhelm Leibniz an Peter I. (Konzept), o. O. [16. Januar 1712]. In: Guerrier: Leibniz, Anhang 207. 20 Heinrich von Huyssen an Gottfried Wilhelm Leibniz, Essen 20. August 1692. Ebd., Anhang 1–3.

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tern zu erstellen, die in eine der bekannten Sprachen, beispielsweise ins Russische, übersetzt werden sollten.21 Leibniz war überdies daran gelegen, den christlichen Glauben unter den Nichtchristen des Russischen Reiches zu verbreiten. Wenn Peter I. dabei helfen würde, könne man verhindern, durch die Barbaren „beunruhiget“ und „überschwemmt“ zu werden.22 Er wollte das Vaterunser sowie das Symbolum Apostolicum oder „allgemeine christliche glaubensbekändniss“ in verschiedene, im Russischen Reich und in den angrenzenden Gebieten gesprochene Sprachen als „versione interlineari“ übersetzen lassen. So könnte man die Verhältnisse bei den Russen besser erforschen. Seine Pläne für „Sprachproben“ seien aber durch den Tod Leforts, des Vertrauten Peters I., verhindert worden, der sich mit dieser Angelegenheit habe beschäftigen sollen, wie Leibniz 1711 in seinen Notizen schrieb.23 Einem Brief des Philosophen an Peter I. vom 18. Dezember 1712 ist zu entnehmen, dass er auch den Patriarchatsverweser und Metropoliten von Rjasan, Stefan Javorskij, nach den „Sprachproben“ gefragt hatte,24 offenbar aber ergebnislos. Denn dieser geistliche Würdenträger war nicht an einem Gedankenaustausch mit ausländischen Gelehrten interessiert, die er als „Ketzer“ ansah und deren Glauben er in seinem zu Lebzeiten ungedruckt gebliebenen polemischen Werk Kamen’ very (Fels des Glaubens) erbittert bekämpfte. Leibniz hegte große Hoffnung, dass Huyssen ihm bei der Beschaffung von „Sprachproben“ helfen würde. Im Entwurf eines Briefes vom 17. April 1703 schilderte er dem im Auftrag des Zaren in Berlin tätigen Maler Lubenecky sein Vorhaben, ein Verzeichnis der in Russland gesprochenen Sprachen aufstellen zu lassen, und meinte, Huyssen könne dazu „in Vielem Anleitung geben“.25 In einem Brief aus dem Jahr 1711 an den in russischen Diensten stehenden Generalfeldzeugmeister Jakob Bruce erwähnte Leibniz Huyssen abermals: Er hoffte auf die Durchführung der „Proben der Sprachen“ im Russischen Reich, so Leibniz, „sowohl vermittelst der Vater unser und der versione interlineari, als auch eines kleinen Vocabularii“. Aus dem Brief geht hervor, dass Huyssen dazu schon einen Entwurf vorbereitet hatte, der aber bis dahin offenbar nicht weiter ausgearbeitet worden war: „Ob nun schohn die Kürze der Zeit es damahls nicht zugelassen, so zweifle [ich] doch nicht[,] es werde annoch förderlichst erfolgen.“ Das Experiment sollte nicht privat, sondern ganz offiziell, von höchster Ebene angeordnet und durchgeführt werden, ein diesbezüglicher Befehl sollte an die „Czarischen Canzler“ gerichtet werden.26 Der in englischer Übersetzung gedruckte Brief Huyssens an Leibniz vom 23. Dezember 1703 war die Antwort auf das Schreiben vom 5. November. Ebenso wie Bruce hatten auch die Beamten in den Verwaltungsorganen (prikazy) nach Huyssens Bericht den Auftrag für die „Sprachproben“ erhalten. Bruce wollte beispielsweise ein Verzeichnis der Sprachen so21 Gottfried Wilhelm Leibniz an Heinrich von Huyssen (Konzept), o. O. 7. Oktober 1703. Ebd., Anhang 51f. 22 Herzog Anton Ulrich an [Schleinitz ?] (Konzept von Gottfried Wilhelm Leibniz), o. O. [1711]. Ebd., Anhang 175. 23 Denkschrift von Gottfried Wilhelm Leibniz über die Untersuchung der Sprachen und die Beobachtung der Variation des Magnets im Russischen Reich (Konzept), o. O. [1712]. Ebd., Anhang 239; Herzog Anton Ulrich an [Schleinitz ?] (Konzept von Gottfried Wilhelm Leibniz), o. O. [1711]. Ebd., Anhang 175. 24 Gottfried Wilhelm Leibniz an Peter I., Wien 18. Dezember 1712. Ebd., Anhang 284–286, hier 286. 25 Gottfried Wilhelm Leibniz an Lubenecky (Konzept), Berlin 17. April 1703. Ebd., Anhang 50f., hier 50. 26 Gottfried Wilhelm Leibniz an Jakob Daniel Bruce (Konzept), Wolfenbüttel 22. November 1711. Ebd., Anhang 192f.

Wegbereiter des Dialogs: Huyssen als Vermittler zwischen Leibniz und Peter I.

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wie die Beschreibung der Gebiete Russlands, in denen diese Sprachen gesprochen wurden, für Leibniz erstellen. Huyssen stellte ihn als den ersten aus einem ausländischen Geschlecht stammenden Staatsmann vor, dem eine Präsidentenstelle in einer der Kanzleien anvertraut worden sei. Als 1717 neun Staats-Kollegien in Russland eingerichtet wurden, die das unübersichtlich gewordene System der Kanzleien ablösten, sollte Jakob Bruce zum Präsidenten des Berg- und Manufaktur-Kollegiums ernannt werden. Huyssen habe auch dem seit 1698 in Russland wirkenden schottischen Professor für Mathematik, Henry Farquharson (Farvarson),27 von seinem Briefwechsel mit Leibniz erzählt, ja sich dessen sogar gerühmt. Farquharson habe sich daraufhin bereit erklärt, einen Bericht über den Zustand der Wissenschaften in Russland zu schreiben und über Huyssen an Leibniz zu schicken.28 Der Brief informiert weiter, dass ein gewisser „Mr. Isbrand“ einen Bericht seiner Reise und der Länder, die er besucht hatte, zusammen mit einer Landkarte in Holland habe drucken lassen. Gemeint war damit der aus Livland stammende Deutsche Eberhard Isbrand Ides, der 1692 als Gesandter Russlands nach China geschickt worden war, um die Handelsbeziehungen zwischen beiden Reichen zu begründen.29 Huyssen ging auch darauf ein, dass sich die Russen auf den nächsten Feldzug im Krieg gegen die Schweden vorbereiteten. Die Auswahl der Militärdienstpflichtigen erfolge dabei nach folgendem Schema: Von fünf Dienern eines Herrn werde einer für den Kriegsdienst herangezogen. Allerdings versuchten einige Dienstpflichtige, sich dem Militärdienst durch Flucht zu entziehen. Der Zar habe inzwischen vor, fuhr Huyssen fort, dem König von Polen finanzielle Mittel und Truppen zur Verfügung zu stellen.30 Dann kam er direkt zur Person Peters I.: „Er hat alles im Auge[,] was gemacht ist, erkundigt sich über alles[,] und seine Pläne sind immer die besten.“31 Die Steckenpferde des Zaren seien aber zweifellos der Schiffbau und die Navigation. Die reichsten Untertanen müssten, so Huyssen weiter, auf eigene Kosten Schiffe bauen lassen und die Navigation erlernen. Peter habe zudem mehrere Engländer engagiert, die in einem Palast 200 bis 300 Schüler in Schifffahrt und Mathematik unterrichteten. Der Zar ließ nicht nur sie gut bezahlen, auch die Schüler erhielten täglich zehn „Sous“ (Kopeken). Nach Beendigung ihrer Ausbildung erhielten sie einige hundert Rubel und würden in den Marinedienst übernommen. Einzelheiten zu Peters Leben seien nun einer lateinischen Lobrede zu entnehmen, die unter seiner, Huyssens, Leitung gehalten worden sei und die er bald in Deutschland zum Druck bringen wolle. Er schloss seinen Brief mit der Befürchtung, dass die Korrespondenz Leib27 L. V.: Farwarson, Andrej Danilovič (Henry Farwharson). In: Russkij biografičeskij slovar’ 21 (1901) 22f.; Fedosov, D.: A Scottish Mathematician in Russia: Henry Farquharson (c. 1675–1739). In: Dukes, P. (Hg.): The Universities of Aberdeen and Europe. The First Three Centuries. Aberdeen 1995, 102–118; Cross, Anthony: Educating the Russian Navy: The British Contribution. In: Lehmann-Carli u. a. (Hg.): Russische Aufklärungsrezeption, 238–240. 28 Heinrich von Huyssen an Gottfried Wilhelm Leibniz, Moskau 23. Dezember 1703. In: Guerrier: Leibniz, Anhang 53. 29 Bittner: Slavica bei G. W. von Leibniz, 218; Ides, E[vert] Ysbrants: Driejaarige reize naar China. Amsterdam 1704. Zur Person von Ides vgl. Hundt, Michael (Hg.): Beschreibung der dreijährigen chinesischen Reise: die russische Gesandtschaft von Moskau nach Peking 1692 bis 1695 in den Darstellungen von Eberhard Isbrand Ides und Adam Brand. Stuttgart 1999 (Quellen und Studien zur Geschichte des östlichen Europa 53), 1–4. 30 Heinrich von Huyssen an Gottfried Wilhelm Leibniz, Moskau 23. Dezember 1703. In: Guerrier: Leibniz, Anhang 53f. 31 In der englischen Version bei Guerrier: „he has an eye upon everything that is done, takes cognizance of everything and his plans are always the best“. Ebd., 54.

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niz belaste, und schlug vor, ihm eine andere Person, die das Vertrauen Leibniz’ genieße, als Briefpartner zu nennen.32 Aus den Briefen zwischen den zwei Männern ist ersichtlich, dass Huyssen zum Einen dem Philosophen Berichte über die aktuellen Ereignisse in Russland schickte – viele Informationen über Land und Politik gehen aus ihnen hervor – und zum Anderen versuchte, die Kontakte zwischen den alten und neuen ausländischen Eliten, die die Träger petrinischer Umgestaltungen waren, zu fördern. In einem Brief an Leibniz vom 30. Juni 1705 dankte Huyssen ihm für dessen Anteil an seiner glücklichen Ankunft in Deutschland und informierte ihn über Pläne, nach Essen zu reisen und dabei einen Abstecher nach Hannover zu machen, um ihn dort zu treffen. Er wollte den Philosophen aus erster Hand über das Geschehen in Russland informieren und sich seinerseits durch anregende Gespräche mit Leibniz inspirieren lassen.33 Der Kontakt war zweifellos für beide Männer von Vorteil. Ein weiterer Brief Huyssens an Leibniz vom 17. Dezember 1705 enthielt in erster Linie politische Neuigkeiten, unter anderem über den Empfang des Herzogs von Marlborough in Wien, der allerdings, so Huyssen, keinerlei Vollmacht oder Auftrag von der englischen Königin oder der Regierung gehabt habe, um dort zu verhandeln. Eine bekannte aufrührerische Gruppe, die gegen Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden, den „Türkenlouis“, konspiriere, habe den Besuch des Herzogs in der österreichisch-habsburgischen Hauptstadt organisiert, mit der Hoffnung, dass Marlborough ihr bei der Absetzung Ludwig Wilhelms helfe. Allerdings habe Marlborough diesen gelobt, statt ihn zu kritisieren. Er habe dem Kaiser deutlich gesagt, dass die kaiserliche Armee ohne diesen erfahrenen und treuen General nur wenig tun könne, und Joseph I. habe sich daraufhin entschlossen, den Markgrafen zu unterstützen. Joseph I. bringe Ludwig Wilhelm seit dieser Zeit mehr Wertschätzung denn je entgegen.34 Religiöse Angelegenheiten fanden nur sporadischen Widerhall in der Korrespondenz der beiden Männer. Exemplarisch dafür ist der Brief Huyssens an Leibniz vom 12. April 1707, mit dem er eine Streitschrift des italienischen Gelehrten Lazzarini übersandte, die gegen die Jesuiten, Herausgeber des Journal de Trévoux, gerichtet war. Huyssen tat dies im Auftrag des italienischen Juristen Giovanni Vincenzo Gravina, dessen Brief er beifügte. Darin hatte Gravina die Bitte geäußert, die Schrift in den Niederlanden drucken zu lassen, doch sei die Wahl des Druckortes seiner Meinung nach, so Huyssen, nicht ausschlaggebend.35 Auf der Rückseite dieses Briefes verfasste Leibniz den Entwurf seiner Antwort. Er schrieb, dass er das von Huyssen zugesandte Werk an den Verleger Peter Ambrosius Lehmann weitergeleitet habe, da er sich selbst nur ungern mit derartigen religiösen Streitigkeiten befasse. Die Herren von Trévoux wären besser beraten gewesen, wenn sie Bücher rezensierten, „ohne ihren Tadel beizumischen“: „Es ist zu viel, sich zum öffentlichen und allgemeinen Censor aufzuwerfen“, so Leibniz.36 Dieses Urteil ist bezeichnend für die Herangehensweise des Philosophen, in Auseinandersetzungen unnötig belastendem Streit aus dem Weg zu gehen. 32 Ebd., 53–55. 33 Heinrich von Huyssen an Gottfried Wilhelm Leibniz, Berlin 30. Juni 1705. Ebd., Anhang 55. 34 Heinrich von Huyssen an Gottfried Wilhelm Leibniz, Wien 17. Dezember 1705. Ebd., Anhang 57–60, hier 57. 35 Heinrich von Huyssen an Gottfried Wilhelm Leibniz, Wien 12. April 1707. Ebd., Anhang 61f. 36 Gottfried Wilhelm Leibniz an Heinrich von Huyssen (Konzept), o. O. [12. April 1707]. Ebd., Anhang 62f. Vgl. auch den Auszug in deutscher Fassung ebd., 50f.

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Der nächste erhaltene Brief Huyssens an Leibniz stammt vom 7. September 1707. Huyssen berichtete, dass seine Freunde in Rom mit dem kleinen Handbuch De re diplomatica, das er Leibniz habe zukommen lassen, zufrieden seien. Er selbst erachtete die Vorgehensweise Leibniz’ für richtig, dieses Handbuch an Lehmann weiterzuleiten, der sich damit beschäftigen würde. Huyssen bat Leibniz um dessen ehrliche Meinung zu seinen eigenen Tätigkeiten, um diese noch besser ausüben zu können.37 Er drückte ferner seine Hoffnung aus, dass Leibniz von seinem Rat ebenso profitieren werde wie er selbst von dem Leibniz’. Außerdem würde er gern dem Zaren den Kontakt mit Leibniz vermitteln. Der Zar sei sehr wissbegierig und interessiere sich für Mathematik und „autres belles et rares connoissances“, Leibniz wiederum habe umfassende Kenntnisse in Geschichte und Politik. Diese Wissenschaften seien „bei uns“, fuhr Huyssen fort, der damit Russland meinte, „nicht kultiviert“, für ihre Entwicklung brauche man die Unterstützung eines Fachmanns.38 „Ich würde mich freuen, Vermittler einer solchen einzigartigen Konversation zu sein, und es wäre für mich eine besondere Ehre“, schrieb Huyssen.39 Huyssen hatte offenbar schon 1707 die Idee, ein Treffen zwischen Leibniz und Peter I. – den „Persönlichkeiten von einer welthistorischen Bedeutung“ und „Männer[n] der Geschichte“40 – zu organisieren, konnte dieses Vorhaben aber erst 1711 realisieren. Im selben Brief äußerte sich Huyssen auch zum Großen Nordischen Krieg und zum gleichzeitig tobenden Spanischen Erbfolgekrieg. Er beklagte sich zunächst, von Leibniz keine Nachrichten über die Absichten der Schweden bekommen zu haben, und fragte nach, ob sie das russische Entgegenkommen nicht zufrieden gestellt habe. Die im Verlauf des Spanischen Erbfolgekrieges 1707 erfolgte Belagerung von Toulon durch die antifranzösische Koalition treffe auf mehr Hindernisse, als man erwartet habe, fuhr Huyssen fort, das Futter sei knapp, die Armee des Gegners werde immer mächtiger und die für die Flotte günstige Jahreszeit sei vorbei.41 Den nächsten bekannten Brief an Huyssen verfasste Leibniz am 11. Oktober 1707. Er schrieb von seiner Hoffnung auf einen baldigen Frieden zwischen Russland und Schweden und ein energisches Vorgehen des Zaren gegen die „Barbaren“, womit sicher das Osmanische Reich gemeint war. Die schwedische Armee Karls XII. war zu diesem Zeitpunkt bereits aus ihren Lagern in Kursachsen abgerückt und wandte sich nach Osten. 1707 leitete Peter I. Abwehrmaßnahmen ein, um einen Einfall der Schweden in sein Reich, mit dem er fest rechnete, zu begegnen. Leibniz berichtete weiter über sein Interesse an China. Durch seine geographische Lage könnte Russland ein Verbindungsglied zwischen China und Europa werden. Er berichtete weiter von einem Gespräch mit einem – antijesuitisch eingestellten – Missionar, der aus China zurückgekommen sei und bestätigt habe, dass dieses Reich viele neue Erkenntnisse bereithalte, was ja auch Huyssens Meinung sei.42 Zu jener Zeit gingen bereits Versuche vom Vatikan aus, die mit angeblich zu weitgehenden Zugeständnissen an die chinesischen 37 Heinrich von Huyssen an Gottfried Wilhelm Leibniz, Wien 7. September 1707. Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek: Lbr. 438, 18r–19r, hier 18r. 38 Ebd., 18v. 39 „Je serois heureux d’etre l’entremetteur d’une conversation aussi curiense, et je m’en ferois un merite tout particulier tout partout.“ Ebd. 40 Posselt: Peter der Grosse und Leibnitz, 3. 41 Heinrich von Huyssen an Gottfried Wilhelm Leibniz, Wien 7. September 1707. Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek: Lbr. 438, 18v–19r. 42 Gottfried Wilhelm Leibniz an Heinrich von Huyssen, Hannover 11. Oktober 1707. In: Guerrier: Leibniz, Anhang 68–70, hier 69; Louis Bourguet an Daniel Ernst Jablonski und Leibniz zur Weiterleitung an

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„Heiden“ verbundene Missionierungspraxis der Jesuiten zu unterbinden. 1704 erfolgte ein Verbot Papst Clemens’ XI. für die zum Christentum Bekehrten, die alten chinesischen Riten weiter zu befolgen. Die Dokumente zeigen deutlich, wie universell die Gelehrten orientiert waren und ihre Blicke auf ganz verschiedene Teile der Welt warfen. Ergänzend dazu ist ein Entwurf eines Briefes an Huyssen zu nennen, den Leibniz auf der Rückseite des Konzepts eines Schreibens an Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel vom 25. Juni 1711 verfasst hatte. Er beabsichtigte, Huyssen den Auszug eines Schreibens aus China zu schicken, in dem von einem chinesischen Thronerben und dem Verbleib eines Geschenks aus Moskau berichtet wurde.43 Der letzte von Vladimir Guerrier in seiner Dokumentation wiedergegebene Brief Huyssens an Leibniz ist auf den 4. Januar 1708 datiert. Darin berichtete Huyssen, dass Prinz Eugen von Savoyen mit dem Gedanken spiele, die Truppen des Kaisers aus Italien zurückzuziehen, um sie gegen Schweden einzusetzen. Man werde in Italien die Maßnahmen ergreifen, fuhr Huyssen fort, die der kaiserlichen Würde angemessen seien, selbst wenn dies gegen den Heiligen Vater geschähe. Wenn sich das Blatt einmal wende, werde man in Rom mehr Angst vor Wien haben als umgekehrt.44 Deutlich werden aus diesem Brief die bereits erwähnten Spannungen zwischen Papst und Kaiser und die Bereitschaft Wiens, gegen den Vatikan notfalls sogar auf militärischen Konfrontationskurs zu gehen. Die folgenden Briefe waren bislang nicht bekannt und zeigen, dass der Austausch zwischen Huyssen und Leibniz umfangreicher war als bisher angenommen. Am 3. Juli 1711 berichtete Huyssen aus Salzdahlum, einem in der Nähe Wolfenbüttels gelegenen Lustschloss Herzog Anton Ulrichs, der Zar habe inzwischen bekannt gegeben, dass er an der bevorstehenden Hochzeit des Zarewitsch mit der Prinzessin von Braunschweig-Wolfenbüttel teilnehmen würde, wenn sein Feldzug ihm dies erlaube. Die Aussichten dafür stünden aber nicht schlecht, sei doch eine Wende im Krieg zugunsten Peters I. eingetreten, nachdem die Herrscher der Walachei und der Moldau sich ihm offenbar unterwerfen wollten. Allerdings kam es gerade im Juli 1711 am Pruth in der Moldau zu einem entscheidenden Zusammenstoß der russischen Armee, bei dem der Zar persönlich anwesend war, mit den Truppen des Osmanischen Reiches, als die Russen durch überlegene Kräfte eingekreist wurden und sich nur unter großer Mühe und mit Zugeständnissen aus der tödlichen Umklammerung befreien konnten. Von diesen Ereignissen konnte Heinrich von Huyssen noch nichts wissen. Auch im Norden sei ein Friedensschluss mit Schweden in greifbarer Nähe, berichtete Huyssen, wenn der schwedische König einwillige. Der König von Polen war angeblich zu diesem Zeitpunkt im böhmischen Karlsbad, während der dänische König persönlich auf dem Feldzug zu erscheinen beabsichtigte. Huyssen informierte Leibniz weiter über seine Absicht, nach Halle zu reisen. Er wünsche sich, Leibniz in Salzdahlum oder in Hannover zu treffen, um mit ihm über verschiedene Themen zu diskutieren. Auch der Zarensohn, fuhr er fort, würde von der Unterhaltung mit Leibniz zweifellos profitieren.45 Joachim Bouvet SJ, Neufchatel 6. März 1707. In: Leibniz, Gottfried Wilhelm: Der Briefwechsel mit den Jesuiten in China (1689–1714). Hg. v. Rita Widmaier. Hamburg 2006, 538–575. 43 Gottfried Wilhelm Leibniz an Heinrich von Huyssen (Konzept), o. O. [25. Juni 1711]. In: Guerrier: Leibniz, Anhang 167f., hier 167. 44 Heinrich von Huyssen an Gottfried Wilhelm Leibniz, Wien 4. Januar 1708. Ebd., Anhang 76–78, hier 77. 45 Heinrich von Huyssen an Gottfried Wilhelm Leibniz, Salzdahlum 3. Juli 1711. Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek: Lbr. 438, 22r–23v.

Wegbereiter des Dialogs: Huyssen als Vermittler zwischen Leibniz und Peter I.

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In einem Brief vom 28. September 1711 empfahl Huyssen seinem Korrespondenzpartner einen gewissen „Polycarpus Leyser“, der Leibniz durch ihn um die Vermittlung einer Stelle bat. Gemeint war Polykarp IV. Leyser, der aus einer Gelehrtenfamilie stammte. Dieser sei, so Huyssen, eine mit allen guten Eigenschaften gesegnete Person, von dem man eines Tages noch viel Gutes auf den Gebieten der Rechtsprechung und Literatur hören werde.46 Huyssen hatte die weitere Karriere Polykarp IV. Leysers richtig vorausgesagt: Dieser wurde 1718/19 Professor für Philosophie und Poesie in Helmstedt, 1726 für Geschichte. 1722 hatte er überdies die Doktorwürde in Medizin und in Jura erlangt.47 Im selben Brief schrieb Huyssen über Franz II. Rákóczi, den Anführer des antihabsburgischen Aufstands der ungarischen Stände von 1703 bis 1711. Der Wiener Hof habe dessen Ländereien konfisziert, verteilt und geplant, Rákóczi nach Polen zu entführen, worauf dieser sich unter den Schutz Peters I. begeben habe und nach Russland geflohen sei. Huyssen berichtete über die Niederlage des ungarischen Aufstandsführers, der jedoch nicht nach Russland emigrierte, sondern sich nach einem Aufenthalt in Frankreich in das Osmanische Reich wandte, wo er, im Alter vereinsamt und verarmt, auch sterben sollte. Auch über andere herausragende Zeitgenossen konnte Huyssen berichten. Der König von Spanien werde in Deutschland erwartet, die Königin bleibe dagegen in diesem Winter in Barcelona. Gemeint ist der 1703 zum König von Spanien proklamierte Erzherzog Karl, der nach dem plötzlichen Tod seines Bruders, Kaiser Josephs I., nach Deutschland zurückkehrte, am 12. Oktober 1711 von den Kurfürsten zum römisch-deutschen König gewählt und am 22. Dezember 1711 in Frankfurt am Main unter dem Namen Karl VI. zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt wurde. 1708 hatte er Prinzessin Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel, die ältere Schwester Charlotte Christine Sophies, geheiratet, deren Hochzeit mit dem Zarensohn Aleksej Petrovič gerade bevorstand, als Huyssen den Brief vom 28. September 1711 verfasste. Das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel sei dann sowohl mit dem Habsburger Kaiserhaus als auch mit der russischen Zarendynastie verwandtschaftlich verbunden, die ebenfalls den Kaisertitel für sich beanspruchte. Außerdem schickte Huyssen einen Bericht über die Moldau, deren Hospodar, Dmitrie Cantemir, nach der russischen Niederlage am Pruth auf russisches Territorium flüchten musste, und leitete einige Verse weiter, die er selbst geschenkt bekommen hatte. Weiter berichtete er, dass Karl Moritz Vota, Mitglied der päpstlichen Nuntiaturen für Italien und Beichtvater Augusts II. von Polen, auf dem Rückweg von Rom sei, verkleidet als ein sächsischer Provinzbewohner. Er habe ein Dokument des Papstes dabei, das den Protestanten im Land freilich ein falsches Signal gebe. Huyssen schloss mit der Versicherung, dass er Leibniz, falls er erneut nach Sachsen oder nach Karlsbad reisen müsse, gern zu Diensten wäre.48 Am 22. November 1711 schrieb Leibniz im Konzept eines Briefes an Huyssen, dass er sich über dessen Nachrichten freue, die Schleinitz an ihn weitergeleitet hatte. Leibniz bat Huyssen, die Herren aus der Kanzlei des Zaren vor allem an die „Sprachproben“ zu erinnern. 46 Heinrich von Huyssen an Gottfried Wilhelm Leibniz, Wolfenbüttel 28. September 1711. Ebd., Lbr. 438, 24r–25r. 47 Lent, D.: Leyser (auch Lyser), Polykarp (IV.). In: Jarck, Horst-Rüdiger u. a. (Hg.): Braunschweigisches Biographisches Lexikon: 8. bis 18. Jahrhundert. Braunschweig 2006, 442f., hier 442; Zedler: Universal Lexicon 17 (1738) 733–735. 48 Heinrich von Huyssen an Gottfried Wilhelm Leibniz, Wolfenbüttel 28. September 1711. Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek: Lbr. 438, 24v–25r.

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Was die mathematischen Untersuchungen beträfe, so wolle er entsprechende Hinweise erteilen und diesbezüglich an den General der Artillerie, Jakob Bruce, schreiben. Leibniz berichtete weiter, dass der britische Hof den kaiserlichen Botschafter des Landes verwiesen habe. Offenbar werde versucht, Zwietracht zwischen Großbritannien und dem Kaiser zu säen, allerdings habe er keine genauen Informationen und wolle deshalb auch nicht urteilen. Dieser Konflikt zwischen den bisher verbündeten Mächten der antifranzösischen Koalition brach aus, weil die Torys in England 1710 einen Wahlsieg errungen hatten, auf eine Beendigung des Krieges mit Frankreich drängten und den Herzog von Marlborough als Hauptvertreter der Kriegspartei aus seinen Ämtern zu entfernen suchten. Leibniz hoffte, dass es nicht zu einem Zerwürfnis kommen werde, und auch auf ein gutes Verhältnis zwischen Österreich und Russland. Leibniz bemerkte, dass Huyssen dazu nützliche Dienste leisten könne, ebenso wie Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel.49 Leibniz hatte in Huyssen einen wichtigen Vermittler für die Herstellung und Aufrechterhaltung der Verbindung mit Russland gefunden. Den Höhepunkt dieser Beziehung stellte das erste Treffen zwischen Leibniz und Peter I. im Oktober 1711 in Torgau dar.50 Diese Begegnung wurde zur Grundlage der weiteren Zusammenarbeit dieser bedeutenden Persönlichkeiten. Die geistige Verbindung zwischen dem „größten deutschen Aufklärungsphilosophen“, Leibniz, und dem „größten russischen Aufklärungspraktiker“, Peter I., gehört zu den bemerkenswertesten Vorgängen jener Zeit.51 Es kann keinen Zweifel geben, dass Huyssen eine tragende Rolle in dieser Angelegenheit gespielt hat. Seit 1697 hatte Leibniz vergeblich versucht, eine Audienz bei Peter I. zu erwirken.52 Dass er sich 14 Jahre lang darum bemühen musste – und dies auch unermüdlich tat –, zeigt die Bedeutung des Treffens für ihn. 1712 wurde Leibniz zum russischen Geheimen Justizrat ernannt, mit dem Ziel, „die Studien[,] Künste und Wissenschaften [...] [im Russischen] Reich mehr und mehr floriren zu machen“.53 Die Verbindung des Philosophen zu Russland hatte aber auch einen politischen Hintergrund. Kaiser Karl VI. wollte sich mit Leibniz’ Hilfe mit Peter I. verständigen,54 und der Zar war dazu schließlich auch bereit.55 Huyssen vermittelte auch hier, indem er Leibniz die Nachricht über die Höhe von dessen Vergütung überbrachte. Dies bestätigte der Universalgelehrte im Konzept eines Briefes an Schleinitz vom 23. September 1712: „So hoffe ich[,] dass alles gut sein wird, und dass E[ure] Ex[zellenz] tatsächlich erreichen kann[,] dass man mir bald die Tausend Taler bezahlt[,] die man mir versprochen hat, und ich nehme an[,] es wird in bar sein[,] wie dies so üblich ist. Herr von Huyssens war der Erste[,] der mir dies auf Befehl des Zaren oder des Herrn Grafen 49 Gottfried Wilhelm Leibniz an Heinrich von Huyssen (Konzept), Wolfenbüttel 22. November 1711. In: Guerrier: Leibniz, Anhang 191f. 50 Zum Treffen zwischen Leibniz und Peter I. in Torgau vgl. Richter: Leibniz, 46–49; Benz: Leibniz und Peter der Grosse, 10. 51 Raab, H[arold]: Deutsch-russische Literaturbeziehungen in der Zeit von der Aufklärung bis zur Romantik. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Ernst Moritz Arndt-Universität Greifswald 5 (1955/56) 91–99, hier 92. 52 Hirsch: Der berühmte Herr Leibniz, 353f., 533f. 53 Erlass Peters I. über die Aufnahme von Gottfried Wilhelm Leibniz in den russischen Dienst, Karlsbad 1. November 1712. In: Guerrier: Leibniz, Anhang 269f. Vgl. auch die deutsche Version des Erlasses ebd., Anhang 270f. 54 Gottfried Wilhelm Leibniz’ Vorstellung in Karlsbad über ein zu errichtendes Bündnis zwischen Peter I. und Kaiser Karl VI., o. O. [1712]. Ebd., Anhang 264–267. 55 Antwort des zaristischen Hofes (Konzept), o. O. [1712]. Ebd., Anhang 267f.

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Golofkin, Grosskanzlers, mitgeteilt hatte.“56 Zunächst schien sich Leibniz’ Anstellung noch zu verzögern, doch Golovkin habe, so der Philosoph, das Procedere schließlich beschleunigt, weil alles eine abgemachte Sache sei, was Bruce und Huyssen bezeugen könnten. Seine Anstellung sei bereits in bedeutenden Kreisen bekannt, obwohl er sie nicht publik gemacht habe – er habe bereits Glückwünsche aus Frankreich bekommen. Würde sich die Übernahme des Amtes zerschlagen, so wäre dies für ihn eine Beleidigung und würde auch dem Ministerium des Zaren keine Ehre machen.57 Allerdings blieb der Zar dem Philosophen jahrelang das Gehalt schuldig. Auch vom 23. September 1712 ist das Konzept eines Briefes Leibniz’ an Huyssen erhalten geblieben.58 Im Entwurf eines Schreibens an Schleinitz, der das gleiche Datum trägt, bat Leibniz darum, den beigefügten Brief an Huyssen weiterzuleiten.59 Am Tag zuvor hatte Schleinitz Leibniz informiert, dass Huyssen vor zwei Tagen in Greifswald angekommen sei und er etwaige Nachrichten oder Schreiben gern übermitteln wolle.60 In dem genannten Konzept vom 23. September 1712 bat Leibniz Huyssen, für ihn beim Zaren zu intervenieren. Außerdem dankte er ihm, dass er ihm die Nachricht von seiner Ernennung zum Geheimen Justizrat und von der Höhe seiner Pension überbracht habe. Leibniz sah Huyssen ohne Zweifel als eine wichtige Kontaktperson zu Peter I. und hoffte, dass er diese Kontakte weiter befördern werde. Man sage, fuhr Leibniz fort, dass der Zar vorhabe, einige Institutionen in St. Petersburg zu gründen, Huyssen könne ihm dazu sicher gute Ratschläge geben.61 Der letzte erhaltene Brief Leibniz’ an Huyssen ist auf den 24. Dezember 1715 datiert. Er enthält den Vorschlag einer zweiten Ehe des Zarewitsch Aleksej nach dem in diesem Jahr eingetretenen Tod der Prinzessin von Wolfenbüttel. An einem Hof gäbe es eine ebenso schöne wie kluge protestantische Prinzessin, eine reiche Erbin, so Leibniz, er dürfe allerdings noch keine Namen nennen, werde dies aber nachholen, sobald die Angelegenheit geklärt sei.62 Gemeint war das Herzogtum Sachsen-Zeitz. Mit dieser Residenz waren Geschenke für den Zaren verbunden, deren Anfertigung Leibniz überwachte: eine von ihm konstruierte Rechenmaschine sowie ein „Perpetuum mobile“, ein sich beständig drehendes Rad. Beide Geschenke wurden jedoch nicht fertig gestellt. Der technisch wissbegierige Zar hätte den Betrug sicher entlarvt, der hinter dem in Zeitz gefertigten „Perpetuum mobile“ steckte. Huyssen antwortete am 2. Februar des folgenden Jahres aus St. Petersburg, er habe Leibniz’ Brief erst nach der Abreise des Zaren nach Deutschland bekommen und dessen Vorschlag über eine Eheschließung des Zarensohnes deshalb an die Minister weitergeleitet. Diese hätten Huyssen 56 „Ainsi j’espère que tout ira bien, et que V. Ex. pourra obtenir effectivement qu’on me paye bientôt les milles écus qu’on m’a promis, et je suppose que s’est en espèces selon le style. Mr. de Huyssens a été le premier à m’en porter la parole par ordre du Czar ou de Mr. le Comte Golofkin – Grand Chancelier“. Gottfried Wilhelm Leibniz an Hans Christian von Schleinitz (Konzept), Wolfenbüttel 23. September 1712. Ebd., Anhang 230. 57 Ebd. 58 Gottfried Wilhelm Leibniz an Heinrich von Huyssen (Konzept), o. O. [23. September 1712]. Ebd., Anhang 233f. 59 Gottfried Wilhelm Leibniz an Hans Christian von Schleinitz (Konzept), Wolfenbüttel 23. September 1712. Ebd., Anhang 229. 60 Hans Christian von Schleinitz an Gottfried Wilhelm Leibniz, Greifswald 22. September 1712. Ebd., Anhang 225f. 61 Gottfried Wilhelm Leibniz an Heinrich von Huyssen (Konzept), o. O. [23. September 1712]. Ebd., Anhang 233f. 62 Gottfried Wilhelm Leibniz an Heinrich von Huyssen, Hannover 24. Dezember 1715. Ebd., Anhang 342.

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gesagt, dass Leibniz eine Stellungnahme zu seinem Vorschlag bekommen würde.63 Leibniz’ Hoffnungen auf eine Vermählung Aleksejs mit einer protestantischen Prinzessin zerschlugen sich jedoch. 1716, im Jahr des Todes des deutschen Gelehrten, floh Aleksej Petrovič an den Hof seines kaiserlichen Schwagers und gelangte bis nach Neapel, bevor er von den Beauftragten Peters I. zur Rückkehr überredet und nach seiner Ankunft eingekerkert und verhört werden sollte. Es ist nicht eindeutig nachweisbar, in welchem Maße Leibniz’ Ideen direkten Einfluss auf die Umgestaltungen in Russland hatten. Vieles wurde von ihm und anderen Gelehrten vorgeschlagen, das Meiste jedoch nicht realisiert. Für die Einrichtung der Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg 1725, die Entsendung einer Expedition zur Klärung der Frage nach einer Zusammengehörigkeit Asiens und Amerikas oder einer Wasserstraße zwischen diesen Kontinenten sowie für die Erfassung der Magnetnadelabweichungen mögen seine Anregungen bedeutsam geworden sein. Andere Anregungen wie etwa diejenige zur Erforschung der Sprachen des Russischen Reiches wurden später wieder aufgegriffen, von Kaiserin Katharina II. und dem Berliner Naturforscher, Forschungsreisenden und Sprachkenner Peter Simon Pallas. Leibniz hat Russland nie besucht und war auch der russischen Sprache nicht mächtig.64 Er erahnte aber die große Rolle des Landes, die es in der Weltgeschichte spielen sollte, und auch die Richtung, die Russland unter der Führung Peters I. einschlug. Ohne Zweifel hatte seine Ernennung zum russischen Justizrat große Bedeutung – sie war gleichsam ein Symbol der Begegnung zweier Welten, die im Dialog zwischen Peter I. und Leibniz ihren Ausdruck fand. Leibniz’ Ideen wurden in Russland zu jener Zeit noch nicht wirklich benötigt – seine Projekte wurden nach der Aufnahme in den Zarendienst vernachlässigt65 –, seine Ernennung war vielmehr eine Prestigeangelegenheit. Für Peter I. war es das äußere Attribut seiner erfolgreichen Herrschaft, einen so berühmten Gelehrten für seine Dienste zu gewinnen. Huyssen diente beiden Seiten, indem er Peter I. auf Leibniz aufmerksam machte und auf der anderen Seite dem Philosophen den Zugang zum Zarenhof eröffnete.

63 Heinrich von Huyssen an Gottfried Wilhelm Leibniz, St. Petersburg 2. Februar 1716. Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek: Lbr. 438, 27r–28r. 64 Faak: Leibniz und Rußland, 351. 65 Bittner: Slavica bei G. W. von Leibniz, 526f.

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8. Multilaterale Beziehungen in Wissenschaft, Buchhandel und Verlagswesen 8.1. Die Berlin-Brandenburgische Sozietät der Wissenschaften und ihre Beziehungen zu Russland Im Jahr 1700 wurde in Berlin unter Kurfürst Friedrich III., ab 1701 als Friedrich I. König in Preußen, eine Sozietät der Wissenschaften gegründet.1 Ausschlaggebend dafür war die Unterstützung des Berliner Hofpredigers Daniel Ernst Jablonski und des Hannoveraner Gelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz durch Sophie Charlotte, die Ehefrau des Kurfürsten, eine gebürtige Hannoveraner Prinzessin.2 Durch ihre Hilfe hatte sich am Berliner Hof ein Gelehrtenzirkel konstituiert, wozu aber auch mehrere intellektuelle Tendenzen jener Zeit geführt hatten.3 In der Gründungsurkunde vom 11. Juli 1700 wurde das Ziel der Sozietät beschrieben: Sie sollte durch die Pflege der Wissenschaften und die Ausbreitung des evangelischen Glaubens einen Beitrag zum öffentlichen Wohl und zur „Ehre Gottes“ leisten. Die religiöse Ebene dominierte dabei alle anderen Tätigkeitsfelder: Es sei „höchst nöhtig, dass die Gemühter der Menschen durch gute Wissenschafften und nützliche Studien erleuchtet, zur Erkäntnüss und Bewunderung der Vollkommenheiten und Wercke Gottes aufgemuntert, folglich zu dessen Liebe und Furcht als der Quelle alles Guten angeführet“ würden. Von Interesse für die Berliner Sozietät war ebenso die deutsche Sprache und Geschichte, wobei der Schwerpunkt auf „das wahre Alterthum des evangelischen Glaubens“ und die Reformation gelegt wurde. In der Gründungsurkunde wurde auch auf die Notwendigkeit verwiesen, die Verbindungen nach Russland auszubauen, da Peter I. „wegen seiner grossen Macht und weitläufftigen Lande zu Unserm durch der Societaet Aufrichtung abzielenden gemeinnützigen Zweck ein Grosses beytragen“ könne. Dementsprechend sollten die Vertreter der Akademie mit den Anweisungen des Kurfürsten ins Ausland geschickt werden, um entsprechende Wissenschaftskontakte zu fördern.4 Man dachte an die Herstellung einer Verbindung mit China, wofür der in Preußen vorkommende und in Asien besonders geschätzte Bernstein nach Auffassung von Leibniz als 1 Stiftungsdiplom der Berlin-Brandenburgischen Sozietät der Wissenschaften, Cölln an der Spree 11. Juli 1700. In: Brather (Hg.): Leibniz und seine Akademie, 87–89; Joos, Katrin: Gelehrsamkeit und Machtanspruch um 1700. Die Gründung der Berliner Akademie der Wissenschaften im Spannungsfeld dynastischer, städtischer und wissenschaftlicher Interessen. Köln/Weimar/Wien 2012 (Stuttgarter Historische Forschungen 13). 2 Mittelstrass, Jürgen: Der Philosoph und die Königin – Leibniz und Sophie Charlotte. In: Poser, Hans/ Heinekamp, Albert (Hg.): Leibniz in Berlin. Stuttgart 1990 (Studia Leibnitiana. Sonderheft 16), 9–27, hier 21–24. 3 Döring, Detlef: Berlin als ein Zentrum intellektuellen Lebens um 1700. In: Bahlcke/Dybaś/Rudolph (Hg.): Brückenschläge. Daniel Ernst Jablonski im Europa der Frühaufklärung, 86–101. 4 General-Instruction für die Societät der Wissenschaften, Friedrichsfelde 11. Juli 1700. In: Harnack: Geschichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Bd. 2, 103–109, hier 103, 105–107.

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Anreiz eingesetzt werden sollte. Das Wirkungsfeld der Berliner Sozietät war entsprechend breit angelegt. Es umfasste sowohl die Naturwissenschaften, Mathematik und Medizin als auch die philosophisch-historisch-philologischen Disziplinen. Die Gelehrtengesellschaft vermochte jedoch im ersten Jahrzehnt ihres Bestehens keine größere Aktivität zu entfalten. Vor allem finanzieller Schwierigkeiten wegen wurde ihre Existenz immer wieder in Frage gestellt.5 Es war nicht zuletzt dem Berliner Hofprediger Jablonski zu verdanken, dass die Sozietät in dieser Zeit bestehen blieb. 1710 erschien ihre erste Publikation mit dem Titel Miscellanea Berolinensia ad incrementum scientiarum, ex scriptis Societati Regiae Scientiarum exhibitis edita; ein Jahr später schließlich konnte die Sozietät feierlich neu eröffnet werden.6 Seither machte der Aufbau der deutsch-russischen Beziehungen stets Fortschritte. Dieser Annäherung wegen wurde Huyssen wohl auch am 28. April 1710 zum abwesenden Akademiemitglied gewählt. Das Protokoll der Sitzung bemerkte dazu: „Demnach der H. Huissen[,] Sr Czar. Mt. Kriegs-rath[,] zu verstehen gegeben, wie er verlange[,] in die Societaet aufgenommen zu werden, ist auf geschehenen Vortrag solches willig angenommen, und seine Aufnehmung beschloßen worden.“7 Huyssen sollte als in Russland wirkendes Sozietätsmitglied von dort aus aktiv die Verbindungen mit deutschen Gelehrten pflegen. Am 19. November 1711 fand in Abwesenheit von Leibniz eine Sitzung der literarischorientalischen Klasse der Akademie statt, bei der die künftige Ausrichtung der Sozietät diskutiert wurde. Mit ihrer bisherigen Arbeit schien man nicht recht zufrieden zu sein: „Obzwar das gegenwärtige Departement noch zur Zeit etwaß unfruchtbar zu sein scheine, so wolle Er doch hoffen, es werde gleich sein denen edlen Bäumen, welche später[,] aber desto vortreflichere Früchte bringen.“ Anlass zur Hoffnung auf eine Intensivierung der Arbeit in der literarisch-orientalischen Klasse gab die Vermählung des Zarewitsch Aleksej mit Prinzessin Charlotte Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel. Der lutherische Oberpfarrer der Liebfrauenkirche in Halle und geistliche Liederdichter Johann Michael Heineccius äußerte während der Sitzung den Wunsch, dass „der Kirchen Gottes, und der ausbreitung der Evangelischen warheit dadurch ein ersprießlicher Anwachs angedeihen möge“. Heineccius erkannte die wichtige Rolle, die ein Hofgeistlicher bei der Prinzessin spielen konnte, und wollte sich für diese Stelle bewerben. Der Posten sei ihm schon zuvor angeboten worden, er habe ihn aber wegen der Unklarheit über die Pläne der Akademie abgelehnt. Die Verbindung zwischen den beiden hohen Häusern schien eine gute Gelegenheit zu sein, um Russland in den Bannkreis der Sozietät zu ziehen und zugleich die protestantische Mission im Zarenreich zu befördern. Die Patronage durch den Herrscher hatte für die Akademiemitglieder offensichtlich einen hohen Stellenwert. Der Direktor der Sitzung, Daniel Ernst Jablonski, nannte neben der Religion auch den Buchhandel und den Buchdruck als wichtige Interessengebiete der Berliner Sozietät in Russland. Heineccius erwähnte in diesem Zusammenhang den Namen Huyssen: In einem Gespräch mit ihm habe der Zarewitsch Aleksej großes Interesse für das Buchwesen gezeigt. Darin stimmte der Berliner Sprach- und Naturforscher Johann Leonhard Frisch dem Theolo5 Zur „Geschichte der Societät von ihrer Gründung bis zu ihrer wirklichen Einrichtung im Januar 1711“ vgl. ebd., Bd. 1/1, 105–175. 6 Grau, Conrad: Berühmte Wissenschaftsakademien. Von ihrem Entstehen und ihrem weltweiten Erfolg. Leipzig 1988, 78. 7 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-IV-6, Protocollum Concilii Societatis Scientiarum, 28. April 1710, 24v.

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gen zu und bemerkte, dass der russische Erbprinz „ein noch größerer Liebhaber der Studien“ als sein Vater sei und „sie zu seiner Zeit nicht weniger fördern“ werde. Zum Ausbau der Wechselbeziehungen zwischen Preußen und Russland – eines der vordringlichsten Ziele der Sozietät – wollte Frisch dem Zaren vorschlagen, einen Russischlehrer nach Deutschland zu schicken, während der Archidiakon Johann Rau sich für die Gründung eines von der Berliner Sozietät abhängigen evangelischen Kollegiums oder Gymnasiums zur Missionierung in Russland aussprach. Jablonski ordnete im Gespräch den Buchdruck, der die finanziellen Mittel für eine evangelische Mission beschaffen sollte, der Religion unter. Dieser Auffassung trat Frisch entgegen, der bemerkte, dass „die Rußen der weltlichen Wißenschaften gar begierig sind, sonderlich waß die Mathesin und Historie betrifft, und sich dadurch sehr einnehmen laßen, in Religions- und Glaubenssachen seyen sie sehr empfindlich, und können nicht leiden, daß daran auf einige weise gerühret werde“.8 Es gelang ihm allerdings nicht, seinen Berliner Kollegen den Missionsgedanken auszureden. Den Plan einer evangelischen Mission in Russland lehnte auch Leibniz ab: „Ich bin mit denen ganz eins, die bei der Versammlung [vom 19. November 1711] erinnert [haben], dass das Religionswesen im Geringsten nicht herbey zu ziehen [ist], als worin nicht allein der Russe insgesamt, sondern auch der Czarewitsch insonderheit überaus empfindlich [ist].“9 Den Mitarbeitern der Sozietät gelang es jedoch, die Ansichten ihres Präsidenten immer mehr zurückzudrängen. Die letzten Jahre von Leibniz’ Leben wurden von diesen Auseinandersetzungen überschattet.10 Für seine Gegner gab es keine klare Grenze zwischen Wissenschaft und Mission, denn beide Bereiche hingen nach den damaligen Vorstellungen eng zusammen. Leibniz dagegen wies Wissenschaften und Religion einen jeweils eigenständigen Platz zu.11 In der Sitzung vom 19. November 1711 beschloss die Sozietät, dem Vater von Prinzessin Charlotte Christine, Herzog Ludwig Rudolph von Braunschweig und Lüneburg, ein Schreiben mit ihren Plänen zu senden. Darin wurde festgehalten, dass die Ehe des Zarewitsch mit der Prinzessin Anlass zur Hoffnung gebe, „das Licht der göttlichen wahrheiten nicht minder als der weltlichen wissenschaften an denen Orten auszubreiten, wo dieselben entweder noch gar nicht aufgegangen, oder zu ihren völligen Glantz nicht aufgestiegen [sind]“. Ziel war die Förderung von „Gottes ehre“ und der „Nutz des gemeinen wesens“. Der Herzog wurde gebeten, sich bei Peter I. und dem Zarewitsch für die Förderung der Wissenschaften, Künste und der evangelischen Mission einzusetzen. „E. Frst. Durchl. werden hierdurch ein gott und menschen wollgefälliges werck befördern, wir aber die uns wiederfahrende gnade [...] rühmen.“12 Die Initiative, durch den Vater der Prinzessin auf Peter I. und dessen Sohn einzuwirken, griff auch Huyssen auf. 1713 schrieb er einen Brief an Herzog Ludwig Rudolph, in dem er darum bat, ihn seiner Tochter zu empfehlen. Im Gegenzug bot er an, jegliche Anweisungen des Herzogs mit größter Genauigkeit umzusetzen.13 Zwar spricht Huyssen in seinem Brief 8 Ebd., I-IV-39, Protocolle der literarisch-orientalischen Classe, 19. November 1711, 9v–13v, hier 9v–11v. 9 Gottfried Wilhelm Leibniz’ Antwort auf das Schreiben der Sozietätsmitglieder (Konzept), o. O. [1711]. In: Guerrier: Leibniz, Anhang 195–197, hier 196. 10 Grau: Berühmte Wissenschaftsakademien, 79. 11 Gottfried Wilhelm Leibniz an Peter I. (Konzept), o. O. [16. Januar 1712]. In: Guerrier: Leibniz, Anhang 207. 12 Schreiben der Sozietätsmitglieder an Herzog Ludwig Rudolph von Braunschweig-Wolfenbüttel, Berlin 19. November 1711. Ebd., 189–191. 13 Niedersächsisches Landesarchiv – Staatsarchiv Wolfenbüttel: 1 Alt 24, Nr. 282, Heinrich von Huyssen an Herzog Ludwig Rudolph von Braunschweig-Lüneburg, Königsberg 16./27. Juni 1713, 37r–38v, hier 38v.

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nicht explizit von den wissenschaftlichen und konfessionspolitischen Plänen der Akademiemitglieder, aber man kann annehmen, dass er auch dieses Thema einschließen wollte, als er Ludwig Rudolph seine Vermittlung für alle ihn interessierenden Fragen anbot. Erst 1725, als die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg ins Leben gerufen worden war, wurden die Verbindungen zwischen den führenden Wissenschaftseinrichtungen in Preußen und Russland institutionalisiert. Peter I. hatte seine diesbezüglichen Grundgedanken im Erlass über die Errichtung der Akademie vom 28. Januar 1724 festgelegt. Die Akademie sollte sich aus anerkannten Gelehrten, die zu einer Vermehrung und Förderung der Wissenschaften beitragen konnten, zusammensetzen. Die im Russischen Reich herrschenden Verhältnisse seien dabei zu berücksichtigen. Die Akademie sollte sowohl den Ruhm des russischen Staates mehren als auch Nutzen für das Volk mit sich bringen.14 Da Peter I. 1725 starb, führte seine Nachfolgerin, Katharina I., das Werk ihres Mannes zu Ende. Von der Gründung der Akademie, die vollständig vom Staat getragen und finanziert wurde, erfuhr man in Berlin durch Huyssen.15 Er selbst wurde zwar nicht Petersburger Akademiemitglied, unterhielt aber enge Verbindungen zur russischen Gelehrtengesellschaft. Am 13. März 1726 informierte er den Berliner Akademiesekretär Johann Theodor Jablonski, dass eine anlässlich der Eröffnung der Russischen Akademie der Wissenschaften am 27. Dezember 1725 von dem württembergischen Philosophen, Theologen und Gelehrten Georg Bernhard Bilfinger16 gehaltene lateinische Rede in Leipzig gedruckt worden sei.17 Bibliographisch lässt sich allerdings nur das Petersburger Exemplar nachweisen.18 Bilfinger, der an der Russischen Akademie die Fächer Logik, Metaphysik und Moral vertrat und seit 1726 die physikalische Klasse leitete, sprach unter anderem über die Entstehung von Akademien im gesamteuropäischen Maßstab und deren universalgeschichtliche Rolle.19 In den kommenden Jahren nahm die wissenschaftliche Kooperation zwischen Preußen und Russland erheblich zu, wovon beide Seiten profitierten. Russland öffnete sich für Anregungen aus dem Ausland, um auch auf dem Gebiet der Wissenschaft konkurrenzfähig zu werden. Umgekehrt erschlossen sich deutsche Gelehrte neue, langfristige Berufsperspektiven im Russischen Reich, wo wegen der herrschenden sozialpolitischen Verhältnisse keine eigene gelehrte Elite vorhanden war. In Russland leitete die Regierung die Ausbreitung der 14 Ob učreždenii Akademii, 28. Januar 1724. In: [Speranskij u. a.] (Hg.): Polnoe sobranie zakonov, Bd. 7, Nr. 4443, 220–224, hier 220f. 15 Einleitung. In: Pospelov, P[etr] N[ikolaevič]/Scheel, H[einrich] (Hg.): Russko-germanskie naučnye svjazi meždu Akademiej nauk SSSR i Akademiej nauk GDR 1700–1974. Sbornik dokumentov. Moskva 1975, 5–36, hier 8f. 16 Bilfinger hatte 1724 gerade eine umfassende Darstellung der chinesischen Philosophie unter dem Titel Specimen doctrinae veterum Sinarum verfasst. In Petersburg sollte er 1728 einen Preis für eine Arbeit über die Schwerkraft erhalten. Vgl. Toellner, Agnes: Georg Bernhard Bilfinger an der Petersburger Akademie der Wissenschaften und Künste 1725–1730. Magisterarbeit Tübingen 1988. 17 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-V-5a; Litterarischer Briefwechsel oder Schreiben verschiedener Gelehrten an die Akademie der Wissenschaften aus den Jahren 1700–1750; Heinrich von Huyssen an Johann Theodor Jablonski, St. Petersburg 13. März 1726, 96r–97v. 18 Bülffinger [Bilfinger], Georgius Bernhardus: [Rede anlässlich der Eröffnung der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg]. In: Sermones in primo solenni Academiae Scientiarum Imperialis convent die XXVII. decembris anni MDCCXXV. Petropoli 1726, 2–62. 19 Zubov, Vasilij Pavlovič: Istoriografija estestvennych nauk v Rossii (XVIII v. – pervaja polovina XIX v.). Moskva 1956, 17f.

Die Berlin-Brandenburgische Sozietät der Wissenschaften und Russland

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Wissenschaftsbeziehungen vergleichsweise zentralistisch, während die Mitglieder der Berliner Sozietät sehr viel größere Selbständigkeit von ihrem Herrscher, dem preußischen König, genossen. Für die meisten von ihnen standen die wissenschaftlichen Aufgaben in engem Zusammenhang mit der evangelischen Mission. Dadurch vergrößerte sich die Distanz zu Leibniz, der entschieden gegen diese Vermengung beider Bereiche war. Als ein in Russland wirkendes Mitglied der Berliner Akademie und Vermittler zwischen Preußen und Russland stand Huyssen wissenschaftlichen und religiösen Anregungen wohlwollend gegenüber.

8.2. Die Förderung internationaler Wechselbeziehungen In Johann Theodor Jablonski, dem Sekretär der Berliner Sozietät der Wissenschaften, fand Huyssen einen wichtigen Korrespondenzpartner, mit dem er Ideen und Anregungen sowie Schriften und andere Materialien austauschte. Der Briefwechsel zwischen beiden umfasst die Jahre 1714 bis 1728. Es ist jedoch anzunehmen, dass Huyssen als Sozietätsmitglied Jablonski auch schon vor 1714 geschrieben hat. Die Annahme, dass die Korrespondenz bis 1731, dem Todesjahr Jablonskis, fortgeführt wurde, liegt ebenfalls nahe. Aus den einzelnen Schreiben geht hervor, dass Huyssen und Jablonski vor allem wissenschaftliche Verbindungen zwischen Deutschland und Russland knüpfen wollten. Diese Bemühungen erhielten durch die Gründung der Petersburger Akademie der Wissenschaften kräftige Impulse. Gefördert wurden diese Wechselbeziehungen, so meinte Jablonski, durch die Tätigkeit Peters I., der versuchte, sein Land umzugestalten und nach Europa hin zu öffnen.20 Der Zar sei „würdig, von der Natur vom menschlichen [sterblichen] Schicksal befreit zu werden, wenn diese fähig wäre, eine solche Ausnahme zu machen“.21 Als Peter I. 1725 starb, bedauerte Jablonski diesen schweren Verlust sehr,22 doch verfolgte er auch danach weitere Thronwechsel und wichtige Ereignisse am Zarenhof mit großer Aufmerksamkeit. 1728 berichtete er Huyssen zum Beispiel, in der deutschen Presse habe sogar der Einzug Peters II. in Nowgorod Erwähnung gefunden.23 Jablonski und Huyssen diskutierten in ihren Briefen ganz unterschiedliche Ereignisse, so etwa den Bau des Ladoga-Kanals zwischen den Flüssen Volchov und Neva, den Jablonski für ein großes Verdienst Peters I. hielt, der dafür von der Nachwelt bewundert werden würde.24 Die Leitung der Bauarbeiten an diesem Teil des Wolga-Ostsee-Kanalsystems hatte der Zar dem aus dem Oldenburgischen stammenden Ingenieur Burckard Christoph von Münnich übertragen, der unter Anna Ivanovna zu einem der wichtigsten Staatsmänner und Feldherrn Russlands aufsteigen sollte. Auch Einzelheiten aus dem Leben der Familie des Zarewitsch Aleksej wurden in der Korrespondenz nicht ausgespart, wie die „glückliche Entbindung“ seiner Frau von einer Tochter 1714.25 Schließlich beschäftigten sich Jablonski und Huyssen mit 20 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 24. April 1714. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 124f. 21 „Un tel prince serait digne d’être exempt du sort commun de la nature, si elle était capable d’admettre aucune exception“. Ebd. 22 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 4. Mai 1725. Ebd., 136f. 23 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 17. November 1728. Ebd., 163f. 24 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 24. August 1728. Ebd., 161–163. 25 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 11. August 1714. Ebd., 130f.

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der russischen Politik, mit den Vorbereitungen Russlands und Dänemarks auf einen Angriff gegen Schweden,26 der schwierigen Lage dieser Monarchie in der aktuellen Kriegsphase27 sowie mit dem Aufenthalt Karls XII. in der Türkei und dessen Folgen.28 „Der Ruf Schwedens wurde durch den gegenwärtigen Krieg beträchtlich verschlechtert“, meinte Jablonski29 und rief in einem Brief vom 24. April 1714 an Huyssen zum Frieden auf, der endlich auf viele blutige Verwüstungen und Trostlosigkeit folgen solle.30 Auch nach dem Ende des Großen Nordischen Krieges ließ Jablonski das Thema nicht los: Er äußerte die Hoffnung auf einen dauerhaften Frieden unter den Christen.31 Diese Gedanken äußerte er 1727 nach dem Tod Kaiserin Katharinas I., deren Krönungszeremonien er 1724 mit lebhaftem Interesse verfolgt hatte.32 Tatsächlich schienen jetzt friedlichere Zeiten für Russland anzubrechen, nachdem es im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts, in der Regierungszeit Peters I., nur ein Friedensjahr gegeben hatte. Doch nach 1734 beteiligte sich das russische Kaiserreich erneut an einer militärischen Auseinandersetzung europäischen Ausmaßes, dem Polnischen Erbfolgekrieg. Neben politischen, wirtschaftlichen und Bildungsangelegenheiten Russlands interessierte Johann Theodor Jablonski vor allem die russische Sprache. In einem Brief vom 5. August 1727 bedankte er sich bei Huyssen für die Übersendung des Neuen Testaments in russischer Sprache, mit dessen Hilfe er Russisch lernen wollte. Der Akademiesekretär betonte, wie außerordentlich wichtig dieses Buch für ihn sei, weil er seit langem die Absicht habe, Russisch zu lernen, freilich ohne bisher geeignete Lehrtexte dazu gefunden zu haben.33 Eines der wichtigsten Themen des Briefwechsels waren jedoch die Gründung der Petersburger Akademie der Wissenschaften und die sich vertiefende Kooperation zwischen ihr und der Berliner Sozietät. Am 10. Mai 1724 schrieb Jablonski an Huyssen im Zusammenhang mit der Gründung der Akademie, dass Peter I., „Euer unvergleichlicher Monarch“, nicht aufhöre, die ganze Welt in Erstaunen zu versetzen.34 Großes Interesse hatte Jablonski ferner an Einzelheiten über die Mitglieder der Petersburger Gelehrtengesellschaft. Als die Akademiemitglieder 1728 durch die Abwesenheit des Hofes von St. Petersburg, der nach Moskau übersiedelte, ohne Beschäftigung zu sein schienen, zeigte sich Jablonski froh darüber, dass der Hof die Gelehrten nicht vergesse und zeitweise unterhalte. Diejenigen, die mit einem solchen Zustand nicht zurechtkämen, könnten seiner Meinung nach ehrenvoll zurücktreten, da sie zum Ruhm der Akademie bereits beigetragen hätten. Allerdings ließen diese Vorkommnisse bei Jablonski die Erkenntnis reifen, dass die neue Einrichtung, so großartig und nützlich sie gedacht war, noch nicht nachhaltig gefestigt sei.35 Dies traf allerdings gleichermaßen auf die Berliner Sozietät zu, für die Friedrich Wilhelm I. nur wenig Interesse aufbrachte. Ihm war in erster Linie an einer Förderung der angewandten Wissenschaften und der Medizin gelegen, die dem Militär unmittelbar zugute kam. Diese Unsicherheit hinsichtlich einer materiellen

26 27 28 29 30 31 32 33 34 35

Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 5. Juni 1714. Ebd., 127f. Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 24. April 1714. Ebd., 124f. Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 11. August 1714. Ebd., 130. „La Suède a perdu beaucoup de sa réputation par la présente guerre“. Ebd. Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 24. April 1714. Ebd., 125. Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 19. Juni 1727. Ebd., 156f. Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 6. August 1724. Ebd., 135f. Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 5. August 1727. Ebd., 157f. Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 10. Mai 1724. Ebd., 134f. Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 24. August 1728. Ebd., 162.

Die Förderung internationaler Wechselbeziehungen

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Unterstützung für die Akademien durch die Herrscher war typisch für die erste Phase der wissenschaftlichen Verbindungen zwischen Deutschland und Russland. Besondere Erwähnung fand der aus Danzig stammende Sibirienforscher Daniel Gottlieb Messerschmidt, der in Halle Mathematik, Physik und Medizin studiert hatte, in einem Brief Jablonskis an Huyssen aus dem Jahr 1728.36 Wenn Messerschmidt seine Reise durch Sibirien selbständig unternommen hätte, dann hätte die Petersburger Akademie nach seiner Rückkehr 1727 kein alleiniges Recht auf die Nutzung der Resultate seiner Forschungen und die Aufbewahrung der wertvollen Sammlungen. Falls Messerschmidt aber mit finanzieller Unterstützung der Akademie durch Sibirien gereist sei, so habe er seinerseits kein Recht dazu, ihr seine Erkenntnisse vorzuenthalten.37 Der Konflikt zwischen Messerschmidt und der Petersburger Akademie ist schwer durchschaubar. So klagte Messerschmidt, dass sein Gehalt nicht regelmäßig ausgezahlt worden sei, gleichzeitig verlangte die Akademie die Übersendung seiner gesammelten Kuriositäten.38 Aus der Korrespondenz zwischen Jablonski und Huyssen geht ferner hervor, dass Huyssen Bücher, Gelegenheitsdrucke und Manuskripte nach Berlin schickte, wobei er es oft Jablonski überließ, was davon in Deutschland veröffentlicht werden sollte und was nicht.39 Jedenfalls dankte Jablonski Huyssen für jede Schrift im Namen der Berliner Sozietät,40 hatte er doch den Nutzen erkannt, den die Akademie daraus ziehen konnte. Huyssen schickte nicht nur Schriften nach Berlin, sondern auch Medaillen, Apophthegmen in russischer Sprache,41 ein Gedicht aus Anlass der Krönung Kaiserin Katharinas,42 eine russische Grammatik43 und vieles andere mehr. 1714 dankte Jablonski Huyssen für dessen „Güte“, dank der er „viele schöne Kuriositäten“ erhalten habe. Selbst offizielle Verlautbarungen der russischen Regierung fanden durch Huyssen ihren Weg nach Preußen, so beispielsweise ein von dem moldauischen Hospodar Dimitrie Cantemir, der in russische Dienste übergetreten war, verfasstes Manifest zum persischen Feldzug 1722 und das Gutachten des Synods vom Jahr 1721 über die Erteilung der Erlaubnis der Eheschließung zwischen russisch-orthodoxen und anderen Christen in Russland.44 Im Gegenzug erhielt Huyssen von Jablonski die Miscellanea der

36 Zur Sibirienreise von Daniel Gottlieb Messerschmidt vgl. Jahn, Ilse: Zoologische Ergebnisse von Daniel Gottlieb Messerschmidts Sibirienreise 1720–1727. In: Donnert, Erich (Hg.): Europa in der Frühen Neuzeit. Festschrift für Günter Mühlpfordt, Bd. 1–7. Köln/Weimar/Wien 1997–2008, hier Bd. 6, 887– 892; Novljanskaja, Marija Grigor’evna: Daniil Gotlib Messeršmidt i ego raboty po issledovaniju Sibiri. Leningrad 1970; Winter, Eduard: Die russische und die deutsche Frühaufklärung und die Erforschung Sibiriens, insbesondere durch Messerschmidt. In: Jahrbuch für Geschichte der UdSSR und der volksdemokratischen Länder Europas 6 (1962) 189–202; Daniel Gottlob Messerschmidt: Forschungsreise durch Sibirien 1720–1727. Hg. v. Eduard Winter und N. A. Figurovskij, Tl. 1–5. Berlin 1962–1977. 37 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 17. November 1728. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 164. 38 Novljanskaja: Messeršmidt, 149–155; Winter: Die russische und die deutsche Frühaufklärung und die Erforschung Sibiriens, 199f.; Pekarskij: Nauka i literatura, Bd. 1, 359–362. 39 Heinrich von Huyssen an Johann Theodor Jablonski, St. Petersburg August 1726. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 145f. 40 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 1. Mai 1714. Ebd., 125f. 41 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 11. August 1714. Ebd., 130. 42 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 6. August 1724. Ebd., 135. 43 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 5. August 1727. Ebd., 157. 44 Grau: Petrinische kulturpolitische Bestrebungen, 365.

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Berliner Sozietät und Daniel Ernst Jablonskis Werk Das Betrübte Thorn.45 Schließlich war die Tätigkeit der Berliner Sozietät ein Thema zwischen den beiden Korrespondenzpartnern. So berichtete Jablonski 1714, dass eine Versammlung der anwesenden Mitglieder am Gründungstag dieser Einrichtung stattgefunden habe und eine zweite Fortsetzung des Katalogs der neu beigetretenen Mitglieder mit einer Liste der bereits gestorbenen im Druck erschienen sei. Die genannten Materialien fügte Jablonski seinem Brief an Huyssen bei.46 Huyssen schickte aber auch eigene Abhandlungen nach Berlin. Am 28. Juni 1724 hieß es im Protokoll des Konsiliums der Sozietät: „Trägt ein Schreiben vor von H. Huyssen, darin Er ein Recueil des hommes illustres et celebres par leurs charges et emplois, so in den letzten 100 Jahren in Rußland gelebt, der Societaet anträgt, davon den Entwurf samt einer Probe mitteilet, und die Fortsezung verspricht. Die Probe wurde durchgesehen, und weil aus dem Entwurf erscheinet, daß verschiedene zu wißen nicht unnüzliche noch unangenehme Dinge darin vorkommen werden“, wurde der Beschluss getroffen, „Huyssen seines guten Willens gegen die Societaet zu bedanken, das Vorhaben zu loben, und zu versichern, daß das werk angenehm sein, und zu deßen Herausgebung alle gehörige Beforderung gegeben werden solle“.47 Wahrscheinlich wurde das Werk jedoch am Ende doch nicht in Druck gegeben. Darüber hinaus wurde im Protokoll des Konsiliums vom 10. August 1724 festgehalten, dass Huyssen „einige literaria communicirt, und zu mehreren Hoffnung macht“. Die Materialien wurden dem Protokoll beigelegt. Als Antwort schickte man Huyssen eine Sendung, in der neben anderen „Gelehrten nachrichten“ die Einladung der Londoner Royal Society zu meteorologischen Beobachtungen an die Petersburger Akademie enthalten war. Huyssen erhielt so unter anderem David Solbrigs Werk De scripturae oecumenicae.48 Huyssen schickte auch sein Dissertationskonzept über den Ursprung der Waräger und seine Untersuchungen über slawische Ortsnamen in Norddeutschland nach Berlin. Johann Theodor Jablonski bestätigte den Eingang in einem Brief vom 6. August 1726.49 Der Empfang der Arbeit über die Waräger ist schon dem Protokoll des Konsiliums der „deutschen Sprach- und Geschichtforschungs-Classe“ der Sozietät vom 4. Juli 1726 zu entnehmen.50 Am 27. September 1726 wurde im Konsilium Huyssens „Register vieler Nahmen der orrte, Län45 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 4. Juni 1725. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 138. Vgl. [Jablonski, Daniel Ernst]: Das Betrübte Thorn, Oder die Geschichte so sich zu Thorn Von Dem II. Jul. 1724. biß auf gegenwärtige Zeit zugetragen, Aus zuverläßigen Nachrichten Unverfänglich zusammen getragen, und der Recht- und Wahrheit-liebenden Welt zur Beurtheilung mitgetheilet. Berlin 1725. 46 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 14. Juli 1714. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 128f. 47 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-IV-7, Protocollum Concilii Societatis Scientiarum, 28. Juni 1724, 99r–102v, hier 101r–101/1r. 48 Solbrig, David: De scripturae oecumenicae, Quam Omnes Gentes, absque notitia Linguarum legant & intelligant, methodo facili et expedita […] significatio. In: Miscellanea Berolinensia ad incrementum scientiarum 2 (1723) 28–39. Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-IV-7, 10. August 1724, 104r–106v, hier 106v. 49 Heinrich von Huyssen an Johann Theodor Jablonski, St. Petersburg 6. August 1726. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 142f., hier 143. 50 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-IV-38, Protocolle der deutschen Sprach- und Geschichtforschungs-Classe, 4. Juli 1726, 44r–45r, hier 44v.

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der und Geschlechter in Pommern, Meckelburg und Holstein, so aus der alten Slavonischen sprache herstammen“ besprochen,51 eines seiner vielen Projekte, die nicht zu Ende geführt wurden und verloren gingen oder im Archiv der Sozietät verschwanden. Nicht immer fielen Huyssens Anregungen für den Druck von Schriften auf fruchtbaren Boden. Zwar schrieb Jablonski am 1. Mai 1714, dass eine Historia Variolarum auf Vorschlag Huyssens im neuen Band der Miscellanea oder in den Acta Eruditorum in Leipzig erscheinen werde,52 doch selbst im zweiten Band der Miscellanea (1723) wurde die Schrift nicht veröffentlicht. Der Berliner Buchhändler und Verleger Ambrosius Haude war sich der Vorteile bewusst, die er aus dem Druck russischer Bücher ziehen konnte. So versuchte er mit Huyssens Hilfe, Kontakte zu deutschen Buchhändlern, die sich in St. Petersburg niedergelassen hatten, zu knüpfen. Da er aber Zweifel hatte, ob sich die russischen Bücher in Deutschland verkaufen lassen würden, bat er um Erlaubnis, einige Schriften vor dem Druck ins Deutsche übersetzen zu dürfen.53 Kommunikationsschwierigkeiten bei der Unterhaltung internationaler Wissenschaftskontakte waren im 18. Jahrhundert allgegenwärtig. Oft verzögerte sich die Zustellung der Post, weil das Porto zu teuer war.54 Sendungen gingen unterwegs verloren, so zum Beispiel ein Paket, das Johann Theodor Jablonskis Übersetzung der Germania des römischen Historikers Publius Cornelius Tacitus55 sowie die erste Fortsetzung der Miscellanea enthielt.56 Aus einem Brief Jablonskis an Huyssen vom 12. Oktober 1726 geht hervor, dass ein nach Russland geschicktes Paket mit den gedruckten Dichtungen des Theologen und Dichters Daniel Schönemann, eines Mitglieds der Berliner Sozietät, bei einem Schiffbruch vernichtet worden war. Jablonski zufolge sei dies aber ein mit wenig Aufwand wieder gutzumachender Schaden. Schlimmer sei es gewesen, wenn die gedruckte Predigt des Bischofs von Rjasan, Gavriil Bužinskij,57 verloren gegangen wäre, der als Ober-Hieromonach der russischen Flotte zu den eifrigen Befürwortern der Reformen Peters I. zählte. Transporte über die Wasserwege waren sehr von der Jahreszeit abhängig und wurden im Winter unterbrochen.58 Huyssen wies seinerseits im August 1726 auf die Briefbeförderung durch die 1724 gegründete preußisch-

51 Ebd., Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-IV-38, 27. September 1726, 45r–46r, hier 45vf. 52 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 1. Mai 1714. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 125. 53 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 14. September 1726. Ebd., 147f., hier 148. Zu Haude vgl. Bahlcke, Joachim: Ambrosius Haude (1690–1748). In: ders. (Hg.): Schlesische Lebensbilder, Bd. 11. Insingen 2012, 205–224. 54 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 4. Mai 1725. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 136f. 55 Tacitus, [Publius] Cornelius: Das Alte Teutschland Oder Cajus Cornelius Tacitus Von der Lage/ den Sitten und den Völckern Germaniens, Aufs neue übersetzt und mit nöhtigen Anmerckungen erläutert/ Von einem Mit Glied der Königl. Preuß. Societät der Wissenschaften [Johann Theodor Jablonski]. Berlin 1724. 56 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 4. Mai 1725. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 137. 57 Gabriel [Gavriil Bužinskij]: Concio Die Anniversario Parentalium Pie Defuncti Augustissimi Principis Petri M. Patris Patriae Imperatoris & Autocratoris totius Russiae. Übersetzt aus dem Kirchen-slawischen von Tho[mas] Consett. Berolini 1726. 58 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 12. Oktober 1726. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 150f.

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russische Handelskompanie hin.59 Obwohl sich die geistigen Eliten redlich bemühten, den wissenschaftlichen Austausch zwischen Deutschland und Russland zu intensivieren, wurde dieser immer wieder durch so profane Dinge wie die Postbeförderung behindert, denn die Entwicklung der öffentlichen Kommunikation war damals in hohem Maße von der Infrastruktur der Post abhängig, wie es auch der Briefwechsel zwischen Huyssen und Jablonski zeigt.60 Der Briefwechsel zwischen Jablonski und Huyssen ist nicht zuletzt deshalb von besonderem Wert, weil darin wissenschaftliche Neuigkeiten aus den Bereichen Literatur, Geschichte, Meteorologie, Medizin, Geographie und anderen Gebieten Erwähnung fanden. Huyssen berichtete zum Beispiel 1724, dass der aus Sachsen gebürtige und in russischen Diensten stehende Arzt Gottlieb Schober mit Hilfe seines Assistenten eine Krankheit in der russischen Stadt Jaroslawl erforsche, die die Bewohner auf dem flachen Land beunruhige.61 Seit 1712 Leibarzt Peters I., unternahm Schober von 1717 bis 1720 eine wissenschaftliche Erkundungsreise in den Nordkaukasus. Er beschrieb die Vegetation dieser Gegend sowie die der Landschaften an der niederen Wolga. Der Berliner Akademiesekretär versuchte außerdem, Huyssen als Mittelsmann zur Anknüpfung und längerfristigen Pflege der Verbindungen zwischen den europäischen Gelehrtengesellschaften einzubinden. Jablonski berichtete 1724 über die Initiative der Londoner Royal Society, Gelehrte aus ganz Europa für meteorologische Beobachtungen zu gewinnen. Die Untersuchungen sollten nach einer von der Society ausgearbeiteten Methode durchgeführt und dann an sie zur weiteren Forschung übergeben werden. Die Londoner Akademie habe laut Jablonski in erster Linie die Berliner Sozietät gebeten, diese Einladung bei den „Gelehrten des Nordens“ zu verbreiten. Berlin sollte zudem zu einem Koordinationszentrum werden, entsprechende Beobachtungen sammeln und diese an die Royal Society weiterleiten. Jablonski wollte die Untersuchungen nutzen, um näher mit der Petersburger Akademie in Kontakt zu kommen.62 Intensiv tauschten sich Huyssen und Jablonski in ihren Briefen über historische Themen aus. In der Korrespondenz findet man Bemerkungen über die bevorstehende Publikation der Histoire de la guerre des Hussites des hugenottischen Historikers und Theologen Jacques Lenfant, des vormaligen Hofpredigers Königin Sophie Charlottes,63 oder über die Veröffentlichung einer Geschichte Russlands in den Niederlanden, die die Regierungszeit Peters I.

59 Heinrich von Huyssen an Johann Theodor Jablonski, St. Petersburg August 1726. Ebd., 145. 60 Bahlcke, Joachim: Briefe, Bücher, Bildungsreisen. Gelehrte Kommunikation im Europa der Frühaufklärung. In: Bahlcke/Dybaś/Rudolph (Hg.): Brückenschläge. Daniel Ernst Jablonski im Europa der Frühaufklärung, 288–305, hier 297–299. 61 Heinrich von Huyssen an Johann Theodor Jablonski, Moskau 10. Februar 1724. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 132f. 62 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 6. August 1724. Ebd., 136. Im April 1727 schrieb das Petersburger Akademiemitglied Georg Bernhard Bilfinger an den Sekretär der Royal Society in London über die meteorologischen Beobachtungen: „Wir haben dafür gesorgt, daß sie hier in Petersburg an verschiedenen Stellen durchgeführt werden und bemühen uns, daß sie im Laufe der Zeit an vielen Orten des Reiches durchgeführt werden.“ Zit. nach Komkov, G[ennadij] D[anilovič]/Levšin, B[oris] V[enediktovič]/Semenov, L[ev] K[onstantinovič]: Geschichte der Akademie der Wissenschaften der UdSSR. Hg. v. Conrad Grau. Berlin 1981, 77f. 63 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 24. August 1728. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 163. Vgl. Lenfant, Jacques: Histoire de la guerre des Hussites et du Concile de Basle, Bd. 1–2. Amsterdam 1731–1745.

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zum Schwerpunkt hatte.64 Eduard Winter vermutete, dass es sich dabei um die Memoires du regne de Pierre le Grand von Jean Rousset de Missy handelte.65 Großes Interesse der Briefpartner erweckten überdies religiöse Polemiken. 1726 berichtete Jablonski, dass das Berliner Akademiemitglied Charles Louis de Beausobre die Schrift Das betrübte Thorn ins Französische übersetzt und in Amsterdam habe drucken lassen66 und Daniel Schönemann die Tragödie von Thorn in Verse gebracht hatte.67

8.3. Nachwuchswerbung für die Berliner Sozietät der Wissenschaften In Huyssens Korrespondenz mit Johann Theodor Jablonski lassen sich Belege dafür finden, dass der Kriegsrat des Zaren versuchte, Kontakte zwischen den in Russland tätigen Ausländern und der Berliner Sozietät der Wissenschaften zu knüpfen. So schrieb Huyssen am 9. April 1723, dass er die Idee verfolge, ein Verzeichnis bedeutender, im Zarenreich wirkender Russen und Ausländer zu erstellen. Er warb dafür, in dieses Verzeichnis Fachleute aus zahlreichen Bereichen – orthodoxe, lutherische, katholische und anglikanische Geistliche sowie Minister, Generäle, Senatoren, Ärzte, Chemiker, Schiffskonstrukteure, Architekten, Uhrmacher, Drechsler, Maschinisten und Künstler – aufzunehmen, die unter verschiedenen Zaren in leitenden Positionen tätig gewesen waren. Huyssen fügte seinem Brief eine vorläufige Auflistung der Mediziner bei und versprach, später eine vollständige und geordnete Version einzureichen. Er wollte mit diesem Projekt die Berliner Sozietät unterstützen68 – ob er die Idee in die Tat umsetzte, ist allerdings nicht bekannt. Bekannt ist dagegen, dass durch Huyssens Vermittlungsbemühungen neue Mitglieder in die Berliner Sozietät der Wissenschaften aufgenommen wurden: Dimitrie Cantemir (11. Juli 1714), Thomas Consett (23. März 1724) und Michael Schendo van der Bech (17. Juli 1726).69 Alle drei Gelehrten hatten aus politischen Gründen dauerhaft (Cantemir und Schendo van der Bech) oder zumindest zeitweise (Consett) ihre neue Heimat in Russland gefunden. Mit ihrer Aufnahme in die Berliner Sozietät wurde die deutsch-russische Achse gestärkt. Die Akademie verfolgte damit auch die strategische Linie, die in der Gründungsurkunde vom 11.

64 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 4. Juni 1725. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 138. 65 Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 139. Vgl. Nestesuranoi, Iwan [Jean Rousset de Missy]: Memoires du regne de Pierre le Grand, Empereur de Russie, Père de la Patrie [...], Bd. 1–4. La Haye/Amsterd[am] 1725–1726. 66 Jablonski, [Daniel Ernst]: Thorn afflige’e ou relation de ce qui s’est passe’ dans cette Ville depuis le 16. Juillet 1724. jusqu’à present, tirée de Memoires certains, & composée sans préjugé pour l’instruction des personnes qui aiment la Justice & la Verité. Traduite de l’Allemand [...] Par [...] M. C[harles] L[ouis] de Beausobre. Amsterdam 1726. 67 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 22. Februar 1726. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 139f. Vgl. Schönemann, Daniel: Die dem betrübten Thorn aus zärtlichem Mitleyden gewiedmete Wehmuts-volle Klage. Berlin 1726. 68 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-V-2, Wissenschaftliche Verhandlungen und Aufsätze 1708–1726, Heinrich von Huyssen an [Johann Theodor Jablonski], Moskau 9. April 1723, 163r–163v. 69 Hartkopf: Die Berliner Akademie der Wissenschaften, 55, 63, 176, 316.

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Juli 1700 festgelegt war und die sie verpflichtete, Verbindungen nach Russland zu pflegen.70 Vorerst galt es jedoch, dort bei der Schaffung eines Gelehrtenstandes behilflich zu sein, durch den die angestrebten Wechselbeziehungen dann zustande kommen konnten. Das bedeutendste der neuen Sozietätsmitglieder war gewiss Dimitrie Cantemir, der in ganz Europa als exzellenter Kenner osmanischer Geschichte galt.71 Der in Russland als Eisenhüttenbesitzer wirkende Hallesche Pietist Peter Müller gab die zeitgenössische Meinung über Cantemir wider: „Dieser Gospodar ist ein überaus gescheuter [gescheiter] Herr und ein großer Liebhaber der Gelehrten.“72 Cantemir wurde als Sohn des moldauischen Fürsten Constantin Cantemir geboren. Als Geisel verbrachte er mehr als zwanzig Jahre in Konstantinopel, der Hauptstadt des Osmanischen Reiches. Während dieser Zeit betätigte er sich als Gelehrter und Schriftsteller, wobei er die Möglichkeit nutzte, zahlreiche osmanische Quellen für seine historischen und geographischen Studien heranzuziehen. Seine Vielsprachigkeit – er beherrschte unter anderem Türkisch, Persisch, Arabisch, Griechisch, Latein, Italienisch und Russisch – eröffnete Cantemir neue Horizonte. Darüber hinaus gelang es ihm, das Vertrauen der osmanischen Machthaber zu gewinnen. In der Folge wurde er 1710 zum Fürsten (Hospodar) der Moldau ernannt.73 Cantemirs Hauptanliegen war jedoch die Unabhängigkeit seiner Heimat von den Osmanen. Am 13. April 1711 wurde der Vertrag von Luck geschlossen, der ein Bündnis zwischen Russland und der Moldau gegen das Osmanische Reich festschrieb.74 Der darauf folgende Pruthfeldzug des Zaren gegen den Sultan endete allerdings in einem militärischen Fiasko, weshalb Cantemir 1713 zuerst nach Moskau und sechs Jahre später nach St. Petersburg übersiedelte. Er erhielt den Titel eines russischen Fürsten, wurde 1719 Berater Peters I. und 1721 Senator.75 Einige Wochen nach seinem Tod erhielt Cantemir postum 1723 den Titel eines Fürsten des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation verliehen.76 70 General-Instruction für die Societät der Wissenschaften, 11. Juli 1700. In: Harnack: Geschichte der Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Bd. 2, 106f. 71 Cândea, Virgil: Dimitrie Cantemir 1673–1723. Zum 300 Geburtstag. Bukarest [1973], 3. Vgl. ferner Grau: Petrinische kulturpolitische Bestrebungen, 348–354; Ermuratskij, Vasilij Nikitič: Dmitrij Kantemir – myslitel’ i gosudarstvennyj dejatel’. Kišinev 1973; Bahner, Werner: Ein bedeutender Gelehrter an der Schwelle zur Frühaufklärung: Dimitrie Cantemir (1673–1723). In: Scheel, Heinrich (Hg.): Ein bedeutender Gelehrter an der Schwelle zur Frühaufklärung: Dimitrie Cantemir (1673–1723). Berlin 1974 (Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften der DDR 1973/13), 7–31; Korbu, H[aralambie]/ Čobanu, L[azer] (Hg.): Nasledie Dmitrija Kantemira i sovremennost’. Kišinev 1976; Storost, Jürgen: 300 Jahre romanische Sprachen und Literaturen an der Berliner Akademie der Wissenschaften, Tl. 1–2. Frankfurt a. M. u. a. 2000 (Berliner Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte 4), hier Tl. 1, 31–36; Bîrsan, Cristina: Dimitrie Cantemir and the Islamic world. Istanbul 2004; Bohmann, Klaus (Hg.): Dmitrie Cantemir. Fürst der Moldau, Gelehrter, Akteur der europäischen Kulturgeschichte. Internationale Tagung. Leipzig 2008 (Veröffentlichungen des Moldova-Instituts Leipzig 3); Cvirkun, Viktor I.: Dimitrij Kantemir: stranicy žizni v pis’mach i dokumentach. St. Peterburg 2010. 72 Peter Müller an August Hermann Francke, Moskau 1. Dezember 1715. In: Winter: Halle als Ausgangspunkt der deutschen Russlandkunde, 349f. 73 The life of Demetrius Cantemir Prince of Moldavia. In: Duţu, Alexandru/Cernovodeanu, Paul (Hg.): Dimitrie Cantemir. Historian of south east european and oriental civilizations. Extracts from „The History of the Ottoman Empire“ [aus der Londoner Ausgabe 1734–1735]. Bucharest 1973, 285–298, hier 298; Bahner: Dimitrie Cantemir, 12–14. 74 Turczynski, Emanuel: Konfession und Nation. Zur Frühgeschichte der serbischen und rumänischen Nationsbildung. Düsseldorf 1976 (Geschichte und Gesellschaft 11), 16; Cândea: Dimitrie Cantemir, 12f. 75 Bahner: Dimitrie Cantemir, 15. 76 Cândea: Dimitrie Cantemir, 27.

Nachwuchswerbung für die Berliner Sozietät der Wissenschaften

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Dass der Vorschlag zur Aufnahme Cantemirs von Huyssen stammte, bestätigte Johann Theodor Jablonski in einem Brief an diesen vom 5. Juni 1714. Der Akademiesekretär schrieb, dass es für die Sozietät eine außerordentliche Ehre sei, eine so bedeutende Person wie Cantemir als Mitglied zu gewinnen. Huyssen möge den Namen und den Titel des ehemaligen Hospodars nach Berlin mitteilen.77 Schon zuvor, am 31. Mai 1714, hatte man auf der Konsiliumssitzung diese Angelegenheit beraten: „Aus einem Schreiben des H. Baron von Huyssen trägt vor, wie der exilirte Hospodar von der Wallachei belieben trage[,] in die Societaet aufgenommen zu werden, und sich erbiete, mit denen Ihm beiwohnenden Orientalischen Nachrichten an die Hand zu gehen; Er habe eine vollständige Historie der Türkischen Kaiser mit ihren Bildnißen, so er in das Latein übersezt, und mit kürigen Anmerkungen herauszugeben willens.“ Es folgte der Beschluss, „das erbieten anzunehmen, und den H. Huyssen zu bitten, er wolle an die Hand geben, wie solche Aufnehmung auf das anständigste geschehen möge: indeßen von Ihm zu erbitten, daß Er eine zuverläßige Nachricht von der eigentlichen Lage und Grenzen der Fürstentümer Wallachei und Moldau, als worin die Geographi so weit unterschieden sind, mitteilen wolle.“78 Am 11. Juli 1714 wurde auf der Sozietätssitzung erneut über die Aufnahme Cantemirs beraten, wobei dessen Schreiben an Huyssen vorlag. Es wurde beschlossen, „des H. Protectoris [Marquard Ludwig Freiherr von Printzen] meinung darüber [zu] vernehmen“.79 Auf Anfrage des Vizepräsidenten Johann Karl Schott berichtete Jablonski am 1. August 1714 auf der Konsiliumssitzung, dass er Printzen am 11. Juli 1714 ein Schreiben zur Aufnahme Cantemirs übergeben, dieser aber noch nicht geantwortet habe.80 Die nachfolgenden Kontakte zwischen Cantemir und der Berliner Sozietät liefen über Huyssen, eine direkte Verbindung lässt sich allerdings nicht nachweisen.81 Die Akademiemitglieder waren in erster Linie an Cantemirs Abhandlungen über das Osmanische Reich und die Moldau interessiert, über die keine anderen quellenbezogenen Arbeiten vorhanden waren.82 Die lateinischen Originaltitel dieser Schriften sind Historia incrementorum atque decrementorum aulae Othomanicae (verfasst 1714–1716) und Descriptio antiqui et hodierni status Moldaviae (auch Dacia genannt, verfasst 1716). Die Berliner Sozietät wollte diese Manuskripte erwerben und zum Druck bringen. Die wertvollen Handschriften waren jedoch schwer zugänglich, ihre Übersendung war äußerst schwierig. Zunächst wurde daher versucht, die Söhne Cantemirs, Antioch und Serban, als Boten zu gewinnen. Dieser Versuch erwies sich als nicht realisierbar. Huyssen beklagte sich in einem Brief an Johann Theodor Jablonski vom 9. April 1723, dass die Söhne Cantemirs die Absichten ihres berühmten Vaters anscheinend nicht teilten. Die Schwester des Gelehrten habe ihm aber versprochen, die Descriptio Moldaviae sowie ein Porträt – wohl das Cantemirs – durch einen ihrer Cousins,

77 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 5. Juni 1714. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 127. 78 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-IV-39, 31. Mai 1714, 22r–22v. 79 Ebd., I-IV-6, 11. Juli 1714, 82v–86r, hier 82vf. 80 Ebd., I-IV-6, 1. August 1714, 86r–87r, hier 86r. Vgl. auch Mitgliedsdiplom des Dimitrie Cantemir, 11. Juli 1714. In: Storost: 300 Jahre romanische Sprachen und Literaturen, Tl. 2, 9f. 81 Grau: Petrinische kulturpolitische Bestrebungen, 351. 82 Bahner: Dimitrie Cantemir, 8.

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der nach Deutschland reisen werde, nach Berlin zu bringen.83 Warum auch dieser Plan nicht in die Tat umgesetzt wurde, ist nicht bekannt. Aus einem weiteren Brief Huyssens an Johann Theodor Jablonski vom 10. Februar 1724 geht hervor, dass sich die Sozietätsmitglieder nach Cantemirs Tod abermals an dessen Söhne gewandt hatten, um mit ihrer Hilfe an die Descriptio Moldaviae zu gelangen. Huyssen berichtete, der Sekretär des Verstorbenen, der sich am besten mit dessen Nachlass auskenne, sei nach St. Petersburg geschickt worden, und die jungen Cantemirs warteten nun auf seine Antwort.84 Die Söhne würden immer wieder versichern, das Versprechen ihres verstorbenen Vaters – gemeint war wohl die Übersendung der Manuskripte nach Berlin – erfüllen zu wollen.85 Doch alles, was zunächst in Berlin ankam, war eine Karte, die einen Teil der Descriptio Moldaviae darstellte. Diese wurde mit einem Brief Huyssens vom 20. Juni 1724, der nicht erhalten ist, nach Berlin geschickt und am 1. November auf der Konsiliumssitzung vorgelegt. Im Protokoll der Sitzung wurde zudem die von Huyssen übermittelte Zusicherung der jungen Fürsten Cantemir festgehalten, dass sie den Text der Beschreibung der Moldau „selbst überbringen werden“.86 Jablonski bestätigte Huyssen am 4. Mai 1725 den Erhalt der Karte von Dakien und Mösien und äußerte die Hoffnung auf das Eintreffen des kompletten Manuskripts.87 Die Descriptio Moldaviae erschien in deutscher Übersetzung aber erst 1769/70 in dem von dem Geographen, Historiker, Pädagogen und Theologen Anton Friedrich Büsching, Rektor des Berliner Gymnasiums „Zum Grauen Kloster“, herausgegebenen Magazin für die neue Historie und Geographie in Hamburg.88 Sein Freund Gerhard Friedrich Müller, der als Historiker an der Petersburger Akademie der Wissenschaften wirkte, hatte Büsching das lateinische Manuskript überbracht.89 83 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-V-2, Heinrich von Huyssen an [Johann Theodor Jablonski], Moskau 9. April 1723, 163v. 84 Heinrich von Huyssen an Johann Theodor Jablonski, Moskau 10. Februar 1724. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 132. 85 Heinrich von Huyssen an Johann Theodor Jablonski, Moskau [Ende Februar 1724]. Ebd., 133. 86 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-IV-7, 1. November 1724, 111v–114v, hier 114r. 87 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 4. Mai 1725. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 137. 88 Kantemir, Demetrio: Beschreibung der Moldau [1716]. In: Magazin für die neue Historie und Geographie 3 (1769) 537–574, 4 (1770) 1–120. Vgl. auch Kantemir, Demetrius: Historisch-geographischund politische Beschreibung der Moldau. Übersetzt aus dem Lateinischen. Frankfurt/Leipzig 1771 [ND Bukarest 1973]. Vgl. die russische, die rumänische, die lateinische und die moldauische Ausgabe: Kantemir“, Dimitrij: Istoričeskoe, geografičeskoe i političeskoe opisanie Moldavii. Übersetzt aus dem Deutschen von Vasilij [Alekseevič] Levšin“. Moskva 1789; Kantimir, Dimitrie: Skisoarea Moldovei [...]. Neamt 1825; Demetri[us] Cantemir: Descriptio antiqui et hodierni status Moldaviae [1716]. Bucuresci 1872 (Operele principelui Demetriu Cantemiru 1); Kantemir, Dimitrie: Deskrierja Moldovej. Übersetzt von Petre Pandrja. Kišineu 1957. Zum Hintergrund vgl. ferner Hoffmann, Peter: Anton Friedrich Büsching (1724–1793). Ein Leben im Zeitalter der Aufklärung. Berlin 2000, 125, 130, 188f., 293. 89 Büsching, Anton Friedrich: Vorwort. In: Magazin für die neue Historie und Geographie 3 (1769) unpag.; Hoffmann, Peter: Zur Editionsgeschichte von Cantemirs „Descriptio moldaviae“. In: Scheel (Hg.): Dimitrie Cantemir, 89–95; Hoffmann, Peter (Hg.): Geographie, Geschichte und Bildungswesen in Rußland und Deutschland im 18. Jahrhundert. Briefwechsel Anton Friedrich Büsching – Gerhard Friedrich Müller 1751 bis 1783. Berlin 1995 (Quellen und Studien zur Geschichte Osteuropas N. F. 33), 29, 125, 131, 134, 142, 308, 340, 342; ders.: Gerhard Friedrich Müller (1705–1783). Historiker, Geograph, Archivar im Dienste Russlands. Frankfurt am Main u. a. 2005, 358, 369.

Nachwuchswerbung für die Berliner Sozietät der Wissenschaften

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Die Beschreibung der Moldau schildert die Geschichte der früheren römischen Provinz Dakien, die größtenteils dem Gebiet des heutigen Rumänien entsprach: „Außer den verschiedenen Benennungen [...] nannten die Griechen desselben [der Moldau] Landeseinwohner bald Seten, bald Dacier; zuletzt aber behielt unter der Römer Regierung der Name Dacier die Oberhand.“90 Das Werk besteht aus drei Teilen. Der erste behandelt die geographische Lage der Moldau, die Geschichte der Benennung des Landes, die Beschreibung der moldauischen Städte, Orte, Berge, Mineralien, Tiere, Felder und Wälder. Im zweiten Teil wird die politische Situation im Fürstentum – Regierungsverfassung, Armee, Hofzeremoniell, fürstliche Jagden, Gesetze und Adel – beschrieben. Der dritte Teil informiert über den „kirchlichen und gelehrten Zustand[e] der Moldau“, beispielsweise über die Sprache.91 Büsching fügte der von ihm herausgegebenen Schrift einen Ausschnitt der Karte mit folgender Anmerkung bei: „Das beygefügte Kärtchen ist ein Auszug aus der größten Karte, welche der Fürst seinem Werk beygefüget hat, die aber davon getrennet worden, und in Paris geblieben ist. Die westliche Seite des Landes ist nicht zuverläßig.“92 Die Geschichte des osmanischen Reiches (Historia incrementorum atque decrementorum aulae Othomanicae) wurde erstmalig 1734/35 in London veröffentlicht. Einer der Söhne Cantemirs, Antioch, besorgte den Druck dieses Manuskripts in englischer Übertragung,93 nachdem er 1732 zum russischen Gesandten in England ernannt worden war.94 Antioch Cantemir, auf dessen Fähigkeiten Huyssen 1726 die Sozietätsmitglieder aufmerksam gemacht hatte,95 wurde später „der bedeutende Satiriker und Frühaufklärer der russischen Literatur“ genannt.96 Ein weiteres Werk von Dimitrie Cantemir, auf das Huyssen die Sozietätsmitglieder in Berlin hinwies, beschäftigte sich mit der islamischen Religion. Es war im Auftrag Peters I. in lateinischer Sprache abgefasst und 1722 in Moskau in russischer Übersetzung unter dem Titel Kniga sistima ili sostojanie muchammedanskija religii veröffentlicht worden.97 Am 13. März 1726 schrieb Huyssen an den Akademiesekretär, dass Johann Leonhard Frisch beab-

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Kantemir: Beschreibung der Moldau. In: Magazin für die neue Historie und Geographie 3 (1769) 543. Inhaltsverzeichnis. Ebd., 542. Inhaltsverzeichnis. In: Magazin für die neue Historie und Geographie 4 (1770) unpag. Cantemir, Demetrius: The history of the growth and decay of the Othman Empire, Tl. 1–2. Übersetzt aus dem Lateinischen von N[icholas] Tindal. London 1734–1735. Vgl. die französische, die deutsche und die rumänische Ausgabe: Cantemir, Demetrius: Histoire de L’Empire Othoman, ou se voyent les causes de son aggrandissement et de sa decadence, Tl. 1–4. Übesetzt ins Französische von M. de Joncquieres. Paris 1743; Kantemir, Demetrie: Geschichte des Osmanischen Reichs nach seinem Anwachsen und Abnehmen. [Übersetzt von Johann Lorenz Schmidt]. Hamburg 1745; Cantemiru, Demetriu: Istori’a Imperiului Ottomanu crescerea si scaderea lui, Tl. 1–2. Traducere Romana de Jos[efu] Hodosiu. Bucuresci 1876–1878 (Operele principelui Demetriu Cantemiru 3/4). Bahner: Dimitrie Cantemir, 10. Grasshoff: Antioch Dmitrievič Kantemir und Westeuropa, 23. Bahner: Dimitrie Cantemir, 10. Vgl. ferner Ščeglov, Jurij Konstantinovič: Antioch Kantemir i stichotvornaja satira. Sankt-Peterburg 2004 (Filologičeskaja biblioteka 5); Kurilov, A[leksandr] S[ergeevič] (Hg.): Antioch Kantemir i russkaja literatura. Moskva 1999; Veselickij, Vladimir Vladimirovič: Antioch Kantemir i razvitie russkogo literaturnogo jazyka. Moskva 1974; Radovskij, Moisej Izrailevič: Antioch Kantemir i Peterburgskaja Akademija Nauk. Moskva/Leningrad 1959. Cantemir, Dimitrie: Kniga sistima ili sostojanie muchammedanskija religii. [Übersetzt aus dem Lateinischen von Ivan Il’inskij]. Sanktpiterburch 1722 [ND 1987]. Ausgabe in rumänischer Sprache: Cantemir, Dimitrie: Sistemul sau întocmirea religiei muhammedane. Übersetzt von Virgil Cândea. Bucureşti 1977.

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sichtige, die Kniga sistima ins Deutsche zu übertragen.98 Zu einer vollständigen Übersetzung des Werkes ist es jedoch nicht gekommen. Es war Huyssen, der das Buch in russischer Version und auszugsweise in deutscher Übertragung nach Berlin schickte.99 Das Werk traf dort aber niemals ein; Jablonski vermutete, dass es auf dem Postweg verloren gegangen war.100 Am Beispiel Cantemirs lassen sich Huyssens intensive Vermittlungsbemühungen am besten erkennen. Sein größtes Verdienst war, dass er die Sozietätsmitglieder auf die wissenschaftlichen Studien des ehemaligen Fürsten der Moldau und aktuellen Mitarbeiters Peters I. hingewiesen und dessen Aufnahme in die Berliner Sozietät gefördert hatte. Auch auf Thomas Consett, einen im Auftrag einer englischen Handelsgesellschaft wirkenden Prediger der anglikanischen Gemeinde in St. Petersburg, machte Huyssen Johann Theodor Jablonski aufmerksam.101 Die Geschichte der englischen Gemeinde in Russland ist ein Thema, das von der bisherigen Forschung vernachlässigt wurde. Ohne Huyssens Bemühungen hätte man von ihr nur wenig Kenntnis.102 Consett fungierte als Diakon und Priester in England, bevor er um 1717 nach Russland berufen wurde.103 Nachdem er einige Jahre in St. Petersburg gearbeitet hatte, kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen ihm und seinem Arbeitgeber, der englischen Handelsgesellschaft, so Huyssen am 13. März 1726 an Jablonski.104 Im Sommer des Jahres 1727 wurde Consett entlassen und verließ gleich darauf Russland.105 Er kehrte – sehr zum Leidwesen von Huyssen – nie mehr zurück.106 1729 wurde Consett zum Kaplan in Fort St. George (Madras) in Indien ernannt, wo er im darauffolgenden Jahr starb.107 Die bevorstehende Aufnahme Consetts in die Berliner Akademie – sie schien schon beschlossene Sache zu sein – wurde 1723 in der Korrespondenz zwischen Huyssen und Johann Theodor Jablonski besprochen. Huyssen schrieb, dass sich Consett und dessen Landsleute auf die kommende Aufnahme sehr freuen würden, und kündigte die Übersendung der englischen Übersetzung einer in Russland gedruckten kirchenslawischen Grammatik durch Consett an. Die Beherrschung des Kirchenslawischen und des Russischen war für den Geistli98 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-V-5a, Heinrich von Huyssen an Johann Theodor Jablonski, St. Petersburg 13. März 1726, 97r. 99 Grau: Petrinische kulturpolitische Bestrebungen, 353. 100 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 17. November 1728. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 164. 101 Zum Leben und Wirken des Thomas Consett liegen nur wenige Materialien vor, darunter: Introduction. In: Cracraft (Hg.): For God and Peter the Great, 9–37; Grasgof [Graßhoff]: Iz istorii svjazej Berlinskogo obščestva nauk s Rossiej, 62–65; Berkov: Tomas Consett; Cross, Anthony: Peter the Great trough British Eyes. Perceptions and Representations of the Tsar since 1698. Cambridge 2000, 60f. 102 Berkov: Tomas Consett, 7. Hinweise auf die englische Gemeinde in St. Petersburg bietet Cross, Anthony: By the Banks of the Neva. Chapters from the Lives and Careers of the British in EighteenthCentury Russia. Cambridge 1997. 103 Introduction. In: Cracraft (Hg.): For God and Peter the Great, 11f. 104 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-V-5a, Heinrich von Huyssen an Johann Theodor Jablonski, St. Petersburg 13. März 1726, 96v. 105 Introduction. In: Cracraft (Hg.): For God and Peter the Great, 20. 106 Heinrich von Huyssen an Thomas Consett, Moskau 12. September 1728. In: Consett (Hg.): The Present State and Regulations of the Church of Russia, Bd. 1, I–LXXVI (The Preface), darin XIX–XXII (Brief), hier XXI. 107 Introduction. In: Cracraft (Hg.): For God and Peter the Great, 21.

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chen Consett eine wichtige Voraussetzung für seine Alltagsarbeit. Zudem erwähnte Huyssen Consetts Absicht, einige Materialien, darunter seine eigene englische Übersetzung des russischen „Geistlichen Reglements“ von 1721, nach Berlin zu schicken.108 1729 nahm Consett die englische Übertragung der dritten Auflage des Reglements vom 18. Januar 1723 in die von ihm herausgegebene Quellensammlung The Present State and Regulations of the Church of Russia auf.109 Zu den Leistungen Consetts gehörte überdies das von ihm 1723 aus dem Russischen ins Lateinische übersetzte Gedicht des Patriarchatsverwesers Stefan Javorskij Possessora cih knig plachevnoye kenigam tsealovaniye. Javorskij beschrieb darin den Abschied von seinen Büchern am Lebensende. Consett wusste vermutlich nicht, dass das Gedicht im Original in lateinischer Sprache abgefasst und der russische Text nur eine Übersetzung war.110 Seine Übertragung und die russische Transkription des Gedichts erschienen 1729 in The Present State and Regulations of the Church of Russia.111 Consett fand in Huyssen einen wichtigen Kontaktmann zur Berliner Sozietät der Wissenschaften. In einem Brief an Jablonski schrieb Huyssen am 10. Februar 1724, dass er Consett nicht als Akademiemitglied empfehlen würde, wenn er nicht zutiefst von dessen Nützlichkeit als Übersetzer russischer Schriften ins Lateinische und ins Englische sowie als Sammler von „Kuriositäten“ überzeugt wäre. Diese sollten von St. Petersburg nach Berlin geschickt und später an Consetts Kollegen in England weitergeleitet werden, aus deren Kreis sein Nachfolger in Russland kommen sollte.112 Seinem Brief fügte Huyssen das von Consett an ihn gerichtete Schreiben vom 20. März 1723 mit der Bitte um Vermittlung bei. Dieser Brief ist von großer Bedeutung, um die Motive und Ziele der beiden Männer begreifen zu können. Consett schrieb, dass er das Anliegen der Berliner Sozietät unterstütze, „einer Druckerei verschiedene Schriften gelehrter Männer zu übergeben und die überall zerstreuten Denkmäler des Geistes und der Gelehrsamkeit, die es am meisten verdienen, erhalten zu werden, zur Erbauung und zum Nutzen des gegenwärtigen Zeitalters und zum grossen Vorteil des Zukünftigen sozusagen in ein[em] Heft zu sammeln“.113 108 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-V-2, Heinrich von Huyssen an [Johann Theodor Jablonski], Moskau 9. April 1723, 163r. Vgl. Reglament” ili Ustav” Duchovnoj Kollegii, 25. Januar 1721. In: [Speranskij u. a.] (Hg.): Polnoe sobranie zakonov, Bd. 6, Nr. 3718, 314–346. 109 By the Grace and Mercy of God, The Lover of Mankind, By the Care and Command of the most Religious and wise, the most Serene and most Potent Peter the Great, Emperor, and Sovereign of all Russia, etc. etc. etc. Is established in the Holy, Orthodox Church of Russia, a Spiritual Synedrion, or Synod, that is, A Regulation General of Spiritual Affairs, with The Consent and Advice of all the Russian Clergy, and the most High Senate, assembled in the Metropolitan City of St. Petersburgh, On the 14th Day of February, in the Year from the Nativity of Christ, 1721. In: Consett (Hg.): The Present State and Regulations of the Church of Russia, Bd. 1/1, 202. 110 Berkov: Tomas Consett, 8f. 111 Javorskius, Stephanus: Possessora sich knig plachevnoye kenigam tsealovaniye. [In russischer Transkription und der lateinischen Übersetzung] in: Consett (Hg.): The Present State and Regulations of the Church of Russia, Bd. 2, 448–451. 112 Heinrich von Huyssen an Johann Theodor Jablonski, Moskau 10. Februar 1724. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 132. 113 „laudabile ibidem Susceptum uni Typographiae mandandi varia doctorum Virorum Scripta, et in unum quasi Fasciculum colligendi sparsa undique ingenÿ et Doctrinae Monumenta, quae conservatu dignissima videantur, in Voluptatem et Fructum praesentis aevi et in maximum Emolumentum futuri“. Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie

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Es sei laut Consett ein erheblicher Schaden für die Wissenschaft, wenn die „Schatzkammern der Bildung“ in den „engen Grenzen des Privatmuseums oder im engen Schrein“ verborgen bleiben würden114 und dann durch Alter, Wurmbefall und Vernachlässigung untergingen, was in der Vergangenheit oft geschehen sei. Durch die Drucklegung wollte Consett die Schriften für die Nachwelt erhalten.115 Er hoffte, durch seine Aufnahme in die Berliner Sozietät der Wissenschaften dieses Ziel zu erreichen. Huyssen betrachtete er dabei als den Mann, der ihm zu einer solchen Aufnahme verhelfen konnte, wobei er dessen Verdienste über die Maßen rühmte: „Unter Eurer Führung könnte ich mit fröhlichem Geist [in die Berliner Sozietät] eintreten [...]. Euren Verdiensten ist es anzurechnen, wenn die berühmte Gesellschaft es nicht verschmäht, meinen Namen in ihr Stammbuch einzutragen. Das ist es in der Tat, bedeutender Mann, was ich an Euch nie genug bewundern kann, dass Ihr unter den Ersten jener höchst gelehrten Gesellschaft erstrahlt, dass Ihr in öffentlichen Ämtern sehr geübt seid, dass Ihr, vollständig in aller literarischen Gelehrsamkeit ausgebildet, unter den weit und breit gelehrtesten und hervorragendsten Männern leicht die Krone erringt. Darüber hinaus seid Ihr von einer solchen Güte und Menschlichkeit, dass Ihr Euch für das Wohl fast des gesamten Menschengeschlechts einsetzt und sorgt.“116 Und Huyssen enttäuschte Consett nicht. Ende Februar 1724 kündigte er Jablonski die Übersendung einiger Schriftstücke Consetts an, die er unter seinen Papieren gefunden hatte. Ein Händler sollte sie nach Berlin bringen.117 Im Sozietätskonsilium wurde daraufhin am 22. März 1724 beschlossen, „den H. Huyssen vor seine besorgung zu bedanken, und dem H. Conzet das Diploma auszufertigen“.118 Consett war mit der Aufnahme in die Berliner Akademie am Ziel. Dass diese auf Empfehlung Huyssens geschah, beweist dessen großes Ansehen bei den Sozietätsmitgliedern. Von besonderer Bedeutung waren zwei Predigten Consetts, die er als Resonanz auf politische Ereignisse in Russland vor der Gemeinde in St. Petersburg gehalten hatte. Zum einen handelt es sich um eine Predigt vom 30. Juli 1724 anlässlich der Krönung Katharinas I.,119 zum anderen um den am 7. Februar 1725 vorgetragenen Nachruf auf Peter I.120 Während die erste Predigt ungedruckt blieb,121 wurde die zweite unter dem Titel Concio In qua plorata est

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der Wissenschaften (1700–1811), I-V-5a, Thomas Consett an Heinrich von Huyssen, Moskau 20. März 1723, 59r–60v. „Eruditionis Thesauri intra angustos privati Musaei limites vel in arctiore Scrinio“. Ebd. Ebd., 59r–59v. „Te verò Duce, alacriori animo ingredi possim [...] meritis verò Vestris tribuendum erit, si non dedignetur Illustrissima Societas in Album suum meum Nomen referre. Est verò quod in Te, Amplissime Vir, nunquàm satis mirari potero; qui inter primos doctissimae illius Societatis splendes, qui publicis Negotijs exercitatissimus fuisti, qui omnigenâ literarum Scientiâ consummatus à viris undiquè doctissimis praestantissimisque facilè palmam feres; Eâ es insupèr Benevolentiâ et Hùmanitate ut ferè totuis generis humani commodis faveas et consulas“. Ebd., 60r. Heinrich von Huyssen an Johann Theodor Jablonski, Moskau [Ende Februar 1724]. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 133. Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-IV-7, 22. März 1724, 89v–92r, hier 91r. Ebd., I-V-5a, Consett, Thomas: Concio Congratulatoria De Augustissima Imperatrice Catharina nuper Moscuae coronatâ in Anglorum Templo Habita, 30.mo die July ad celebrandam istam Inaugurationem Ex mandato Imperiali, statuto; à Thomâ Consett Ecclesiae Anglicanae Sacerdote et R. S. Sc. B. Soc. D.vae Petropolis 1724, 66r–75v. Vgl. auch ebd., I-V-5a, ders.: Ode in lauder Augustissimi Imperatoris Russici Petri M. contra Turcas bellu gerentis, 77r–78r. Introduction. In: Cracraft (Hg.): For God and Peter the Great, 25. Berkov: Tomas Consett, 10.

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mors semper lugenda Petri M. 1725 in Reval veröffentlicht.122 Sie gilt als eine der frühesten öffentlichen Reaktionen auf das Ableben Peters I. Dass Consett aber auch eine direkte Verbindung zur Berliner Akademie pflegte, bestätigt sein Briefwechsel mit Johann Theodor Jablonski. Consett übersandte 1726 eine russische Grammatik, die Fortsetzung seiner eigenen russischen Grammatik sowie seinen Nachruf auf Peter I. in englischer und lateinischer Sprache nach Berlin.123 Die Verbindung zwischen dem englischen Geistlichen und der Berliner Sozietät ergänzte Huyssen durch seine Vermittlungstätigkeit. Am 6. August 1726 kündigte Jablonski die Übersendung der von Consett ins Lateinische übersetzten kirchenslawischen Grammatik an,124 bei der es sich wohl um eine Arbeit von Meletij Smotrickij handelt.125 Deren Übersetzung blieb jedoch unveröffentlicht,126 hauptsächlich deshalb, weil Latein als Wissenschaftssprache in Russland nicht im gleichen Maße wie im westlichen Europa im Gebrauch war.127 Eine weitere bedeutende Leistung Consetts waren die von ihm 1724/25 in Russland durchgeführten meteorologischen Beobachtungen, deren Ergebnisse er der Londoner Royal Society zugehen ließ.128 Consett führte diese Untersuchungen wahrscheinlich deshalb durch, weil Jablonski 1724 die Initiative der Royal Society an Huyssen weitergeleitet hatte, der seinerseits dann Consett darüber informierte.129 Huyssen setzte am 13. März 1726 Jablonski zudem über Consetts Absicht in Kenntnis, ein von diesem ins Lateinische übersetztes Manuskript zum englischen Konsistorialrecht an die Berliner Akademie zu senden. Huyssen schlug vor, diese Handschrift in Deutschland drucken zu lassen.130 Am 27. November 1727 wurden im Sozietätskonsilium drei Schreiben Consetts vom Februar und vom März vorgelegt, die kurz zuvor in der preußischen Hauptstadt eingegangen waren. Diese hätten „das übrige von seiner Grammatica Slavonica mitgebracht“. Da es bekannt sei, dass Consett inzwischen nach England zurückgekehrt sei, „so wird man zu warten haben, ob Er seine ankunft daselbst, und wo Er sich numehr aufhalte, melden werde, damit man Ihn auch gehörig beantworten könne. Das Ms. der Grammatic soll geheftet werden, damit die Blätter sich nicht zerstreuen.“131 Consetts Hoffnung, die Literatur seiner Zeit für die Nachwelt zu erhalten, ging dank seines Engagements in Erfüllung. In der Quellensammlung The Present State and Regulations of the Church of Russia führte er wichtige Dokumente und Schriften des petrinischen Russlands 122 Conset, Thoma[s]: Concio In qua plorata est mors semper lugenda Petri M. Beatae & immortalis memoriae, Totius Russiae Imperatoris, &c. &c. &c. 7mo die Februarii 1725. in templo Anglorum, Petropoli commorantium. Revaliae [1725]. 123 Grau: Petrinische kulturpolitische Bestrebungen, 360f. 124 Heinrich von Huyssen an Johann Theodor Jablonski, St. Petersburg 6. August 1726. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 143. 125 Smotriskij, Meletij [Gerasimovič]: Grammatiki Slavenskija pravilnoe Cyntagma. Jewie 1619 [ND Kiïv 1979]. 126 Grasgof [Graßhoff]: Iz istorii svjazej Berlinskogo obščestva nauk s Rossiej, 64f. 127 Nikolaev, Sergej Ivanovič: O stilističeskoj pozicii russkich perevodčikov petrovskoj ėpochi. In: XVIII vek 15 (1986) 109–122, hier 110. 128 Grau: Petrinische kulturpolitische Bestrebungen, 362. 129 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 6. August 1724. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 136. 130 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-V-5a, Heinrich von Huyssen an Johann Theodor Jablonski, St. Petersburg 13. März 1726, 96v. 131 Ebd., I-IV-38, 27. November 1727, 49v–50r, hier 49v.

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und deren Übersetzungen ins Englische und Lateinische sowie seine eigene Vorrede und Anmerkungen dazu zusammen. Die Ausgabe enthält unter anderem Schriften Prokopovičs und Bužinskijs sowie Huyssens Trauerrede zum Tod Peters I.132 Für englischsprachige Leser ist The Present State and Regulations of the Church of Russia auch heute noch eine wichtige Dokumentensammlung zur Geschichte Russlands.133 Consett zeigt sich darin als Anhänger der Politik Peters I., besonders seiner religiös-politischen Reformbemühungen.134 Huyssens Brief an Consett vom 12. September 1728 ist dem Werk vorangestellt.135 Consett übersetzte ferner die auf Russisch verfasste Predigt Bužinskijs anlässlich des einjährigen Todestages Peters I. ins Lateinische,136 die angesichts der Bestrebungen des 1726 eingerichteten Obersten Geheimen Rates (Verchovnyj Tajnyj Sovet), einige Reformen Peters I. rückgängig zu machen, von Bedeutung war. Auch hieran war Huyssen, der Consett zur Übersetzung angeregt hatte, beteiligt:137 Er hatte die gedruckten lateinischen Exemplare der Predigt an Bužinskij weitergeleitet. Allerdings war Huyssens Vermittlungstätigkeit für ihn nicht immer einfach. In einem Brief an Jablonski aus dem Jahr 1726 beklagte sich Huyssen, dass ihm seine Hilfsbereitschaft mitunter viele Probleme einbringe. So habe er Bužinskij, dem er die lateinische Ausgabe seiner Predigt geschickt hatte, vergeblich gebeten, das Porto in Höhe von zwei Rubel und 27 Kopeken zu ersetzen.138 Huyssen investierte also nicht nur unermüdlich seine Arbeitskraft in Unternehmungen, die der Akademie zugute kamen, er setzte auch eigene finanzielle Mittel ein. Die Annahme des sowjetischen Literaturwissenschaftlers Pavel Naumovič Berkov, Bužinskij habe für den Druck seiner Gedenkrede selbst bezahlt, trifft nicht zu.139 Huyssen erfüllte zwar nur eine Funktion im Hintergrund. Durch seine Vermittlungsbemühungen konnte Consett jedoch weite Kreise der Öffentlichkeit sowohl in Russland als auch in Deutschland und in England ansprechen. Durch ihre multilateralen internationalen Verbindungen machten die beiden Männer seltene Schriften der Frühaufklärung einem breiten Publikum zugänglich. Michael Schendo van der Bech, Leibarzt Dimitrie Cantemirs in St. Petersburg, wurde ebenfalls durch Huyssens Vermittlung in die Berliner Akademie der Wissenschaften aufgenommen.140 Er war in Makedonien geboren und gehörte der griechisch-orthodoxen Religion an. Ferner war er mehrerer Fremdsprachen – des Lateinischen, Altgriechischen, Italienischen und Französischen – mächtig, in Padua zum Philosophiae et Medicinae Doctor promoviert worden und hatte im Anschluss umfangreiche Reisen unternommen. Eine Zeit lang arbeitete er als Leibarzt des walachischen Fürsten Nikolaus Maurokordatos, wurde allerdings aus dem Dienst entlassen, als man ihn eines Komplotts und der geplanten Vergiftung des Fürsten ver132 [Huyssen, Heinrich von]: Justitium sive Luctus publicus Petri I [1725]. In: Consett (Hg.): The Present State and Regulations of the Church of Russia, Bd. 2, 405–417. Vgl. die englische Übersetzung Consetts: The Publick Mourning [of] Peter, Emperor of Russia. Ebd., 418–430. 133 Introduction. In: Cracraft (Hg.): For God and Peter the Great, 37. 134 Consett: The Preface. In: ders. (Hg.): The Present State and Regulations of the Church of Russia, Bd. 1, XIV–XVII. 135 Heinrich von Huyssen an Thomas Consett, Moskau 12. September 1728. Ebd., XIX, XXI. 136 [Bužinskij]: Concio Die Anniversario. 137 Berkov: Tomas Consett, 18f. 138 Heinrich von Huyssen an Johann Theodor Jablonski, St. Petersburg 14. oder 17. September 1726. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 149f. 139 Berkov: Tomas Consett, 18f. 140 Zu Michael Schendo van der Bech vgl. Grau: Petrinische kulturpolitische Bestrebungen, 366–382; F., V.: Šend-fon-der-Bech. In: Russkij biografičeskij slovar’ 23 (1911) 90.

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dächtigte. Danach kam er 1724 nach St. Petersburg, wo er als Hospitalarzt tätig war. Nach der Thronbesteigung Anna Ivanovnas 1730 wurde er allerdings verhaftet und nach Jakutsk verbannt. Die Gründe dafür sind nicht klar, sowohl kriminelle als auch politische Motive kommen in Betracht. Nach dem Tod Annas 1740 durfte Schendo van der Bech nach St. Petersburg zurückkehren, wo er dann, gesundheitlich angeschlagen, recht zurückgezogen lebte. Sein genaues Todesjahr ist unbekannt.141 Am 24. März 1726 bat Schendo van der Bech Huyssen um dessen Vermittlung bei der Berliner Sozietät. Er wollte chemische, metallurgische, physikalische und andere Studien betreiben und diese veröffentlichen. Schendo van der Bech schätzte Huyssen als Mittelsmann und schrieb ihm, dass er ihm bereits mehrmals durch sein Intervenieren genützt habe.142 Er sei Huyssen persönlich verpflichtet, wenn er durch seine Unterstützung Sozietätsmitglied würde: „Ihnen aber, Erhabener Mann, werde ich für diesen Titel mehr schulden, als ich jemals bezahlen können werde.“143 Im Postskriptum seines Briefes an Huyssen notierte Schendo van der Bech, dass er sich gerade damit beschäftige, die an die Akademie gerichtete Dacia Cantemirs mit Anmerkungen und Erläuterungen zu versehen und von zahlreichen Unklarheiten zu befreien. Cantemirs Schrift behandelte laut Schendo van der Bech Dinge, die er kürzlich selbst beim Quellenstudium erfahren hatte. Falls Huyssen meine, dass die Akademie an dieser Schrift interessiert sein könnte, würde er seine Ergänzungen der Dacia sowie andere Unterlagen zur Verfügung stellen.144 Am 3. Juni 1726 empfahl Huyssen den Arzt als Sozietätsmitglied und schickte dessen Bittschreiben nach Berlin. Er beschrieb die wissenschaftlichen Absichten Schendo van der Bechs und begründete seine Unterstützung unter anderem mit dessen zahlreichen Reisen durch Europa. Sein Name sei im Übrigen aufgrund mehrerer Aufsätze, von denen man in literarischen Zeitungen Auszüge und Lobschriften finde, nicht unbekannt. Er sei fleißig und produktiv und werde der Sozietät seine Untersuchungen zukommen lassen. Huyssen erwähnte die Tätigkeit Schendo van der Bechs als Arzt Maurokordatos sowie seine 1723 in Augsburg gedruckte Empirica illustris per septem nobilissima euporista.145 Zudem könne Schendo van der Bech Cantemirs Schrift Dacia durch neue Befunde bereichern. Huyssen wies auch auf dessen Mitgliedschaft in der Akademie der Naturforscher (Sacri Romani Imperii Academia Caesareo-Leopoldina Naturae Curiosorum), der späteren Leopoldina, hin.146 Am 6. Juli 1726 wurde in der Sitzung der medizinisch-physikalischen Klasse der Berliner Sozietät die Aufnahme Schendo van der Bechs erörtert. Man hob hervor, dass er durch seine Schriften, insbesondere durch die Empirica, Anerkennung gefunden und „ein groß teil 141 Grau: Petrinische kulturpolitische Bestrebungen, 367–369, 372f. 142 „cum sciam quanti apud Illustres illos omnique eruditione subactos viros Tua sit ponderis commendatio, non vereor Tuo Testmonio facturum ut intelligam Tuum in studia nostra favorem apud societatem, cui sumus ignoti, nobis quoque profuisse“. Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-V-5a, Michael Schendo van der Bech an Heinrich von Huyssen, o. O. 24. März 1726, 110r–110v. 143 „Tibi verò Vir Illutrissime hoc nomine plus debebo quam ut unquam solvendo esse queam“. Ebd., 110r. 144 Ebd., 110v. 145 Schendo Vanderbech, Michaele R. C. S. Eq.: Empirica illustris per septem nobilissima euporista familiaria remedia ad totidem gravissimos et frequentiores morbos profligandos. Augustae Vindelicorum 1723. 146 Heinrich von Huyssen an Johann Theodor Jablonski, St. Petersburg 3. Juni 1726. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 141f.

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von Europa durchreiset, und große erfahrung in der erkänntniß der Natur erworben“ habe. Man kam überein, die Entscheidung nach einem Gutachten über die Empirica zu treffen und „daraus von dem Geist und Wißenschaft des Mannes zu urteilen“.147 Jablonski teilte Huyssen am 12. August 1726 die positive Entscheidung mit, nur habe sich noch keine Gelegenheit gefunden, die Mitgliedsurkunde an Schendo van der Bech zu übersenden.148 Am 20. Dezember schrieb Jablonski dann an Huyssen, dass die Urkunde mittlerweile zugestellt worden sei und man von Schendo van der Bech künftig Forschungen zur Naturgeschichte und zur Medizin erwarte. Man sei darüber hinaus neugierig, so Jablonski weiter, ob der Arzt seinen Plan, die Dacia heimlich abzuschreiben, tatsächlich umsetzen würde und ob man sich Hoffnungen darauf machen könne.149 Im November 1727 wurde in der Sprach- und Geschichtsforschungsklasse Schendo van der Bechs Abhandlung über die Verbannung des römischen Dichters Publius Ovidius Naso besprochen. Die humanistisch gebildeten Gelehrten versprachen sich von dem Autor als Kenner der Donaufürstentümer Aufschlüsse über die letzten Lebensjahre des 17 n. Chr. in der römischen Provinz Tomis (heute Konstanza) verstorbenen Poeten. Da diese „sehr schön geschrieben“ sei, wurde entschieden, „sie herum gehen zu laßen, und die Meinungen zu erforschen[,] ob sie hiezu diene“, in die Miscellanea zu werden.150 Bevor man die Entscheidung traf, wurde am 10. März 1728 ein Schreiben Schendo van der Bechs aus Riga im Sozietätskonsilium vorgelegt, in dem dieser um die Fortsetzung des Briefwechsels bat. Man beschloss, „demselben auf gehörige weise zu beantworten, und den briefwechsel fortzusetzen“.151 Am 9. September hieß es im Protokoll der Sitzung, dass die genannte Schrift in den Miscellanea nicht erscheinen werde: Sie sei „so nicht beschaffen[,] daß es darin platz finden möge“.152 Aber bereits vor diesem Beschluss wurde die Abhandlung als selbständiges Werk unter dem Titel De Tomis Ovidii exilio schediasma ad illustrissimum comitem Rabutinum Caesaris Augusti in aula petropolitana legatum in Leipzig veröffentlicht.153 Am 4. Dezember 1728 legte Johann Theodor Eller, seit 1727 Leiter der Berliner Charité und späterer Leibarzt König Friedrich Wilhelms I., im Sozietätskonsilium eine weitere Handschrift Schendo van der Bechs mit dem Titel De Causis morborum qui exercitus Russicos in Persia afflixere vor. Nach seiner Meinung war die Abhandlung würdig, in den Miscellanea veröffentlicht zu werden, weil sie „mit sonderbarem fleiß und nachdenken geschrieben“ sei.154 Aber auch dieser Plan wurde nicht verwirklicht. Schendo van der Bechs wichtigste Schrift, die bei seinen Zeitgenossen und nachfolgenden Generationen große Aufmerksamkeit auf sich zog, hatte allerdings weder mit Naturge147 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-IV-36, Protocolle der physical-medicinischen Classe, 6. Juli 1726, 43r–44r. 148 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 12. August 1726. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 144. 149 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 20. Dezember 1726. Ebd., 152. 150 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-IV-38, 27. November 1727, 49v. 151 Ebd., I-IV-8, Protocollum Concilii Regiae Societatis Scientiarum, 10. März 1728, 9–17, hier 12. 152 Ebd., I-IV-38, 9. September 1728, 52v. 153 [Schendo van der Bech, Michael]: De Tomis Ovidii exilio schediasma ad illustrissimum comitem Rabutinum Caesaris Augusti in aula petropolitana legatum. Lipsiae 1727. 154 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-IV-36, 4. Dezember 1728, 53r–54r.

Nachwuchswerbung für die Berliner Sozietät der Wissenschaften

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schichte noch mit Medizin zu tun. Sie wurde 1725 verfasst und erschien zwei Jahre später in den von der Leopoldina herausgegebenen Acta physico-medica in deutscher Übersetzung unter dem Titel An den an Würde und Belesenheit ausgezeichneten Samuel Koeleser von Keres-Eer, Sekretär des Fürsten Transsilvaniens, Der gegenwärtige Zustand der Wissenschaften in Russland in einem Brief[,] angekündigt von Michael Schendo R. C. Eq. Vanderbech, Doktor der Philosophie und Medizin.155 Berkov nahm an, dass Koeleser de Keres-Eer ein Freund Schendo van der Bechs gewesen sei und die genannte Abhandlung an die Leopoldina weitergeleitet hatte.156 Die Schrift wurde in weiteren Publikationen nachgedruckt157 und erschien 1842 in russischer Übersetzung in der Zeitschrift Syn otečestva.158 Der Schwerpunkt der Abhandlung lag auf der Bildungspolitik Peters I. und der Entwicklung der Gelehrsamkeit in Russland. Schendo van der Bech schrieb, dass sich ein negatives Russlandbild als ein veraltetes Stereotyp erweise, das mit der Gegenwart nichts mehr zu tun habe. Dies zeige der gegenwärtige Zustand der Wissenschaften in Russland. Die früheren Zerrbilder über Russland hätten stets unzureichend gebildete Personen – damit meinte er unter anderem Neugebauer – geprägt, und dies nur, um die Gegner Russlands zu stärken. Zu den Vertretern der neuen Bildungselite in Russland zählte Schendo van der Bech auch Huyssen. Er berichtete über dessen umfangreiche Korrespondenz mit bedeutenden Zeitgenossen – darunter Daniel Ernst Jablonski, Gianvincenzo Gravina und Johann Burckhard Mencke –, die Studien in Straßburg, die von ihm verfasste Geschichte der Konklaven sowie die Absicht, eine Geschichte Russlands zu schreiben. Huyssen habe schon in jungen Jahren begonnen, wissenschaftliche Studien zu betreiben, und früh ein Werk über die Besetzung des römischen Kammergerichtsgebäudes durch französische Soldaten veröffentlichen lassen – er meinte hier wohl Huyssens Dissertation Stillstand des Gerichts. Schendo van der Bech rühmte auch dessen Neigung zur Musik und Poesie.159 Aus dem Bericht kann man unschwer seine große Hochachtung für Huyssen herauslesen.

8.4. Christian Maximilian Speners Kontakte nach Russland Huyssen war in ein Netzwerk wissenschaftlich interessierter Personen eingebunden, in dem Verbindungen gepflegt sowie Kenntnisse, Erfahrungen und Anregungen ausgetauscht wurden. Sein Briefwechsel und seine Aufzeichnungen erlauben es, aufschlussreiche Details dieser Wechselbeziehung zu rekonstruieren. Ein treffendes Beispiel hierfür ist ein Brief, den Huyssen am 20. März 1713 aus Berlin erhalten hatte.160 Durch die in diesem Dokument 155 Schendo Vanderbech, Michaele R. C. Eq.: Ad virum Dignitate & Literis Illustrissimum Samuelem Koeleseri de Keres-Eer, Principatus Transilvaniae Secretarium Praesens Russiae Literariae Status In Epistolam adumbratus. In: Acta physico-medica Academiae Caesareae Leopoldino-Carolinae Naturae Curiosorum 1 (1727) Anhang 131–149. 156 Berkov, Pavel N[aumovič]: Literarische Wechselbeziehungen zwischen Rußland und Westeuropa im 18. Jahrhundert. Berlin 1968 (Neue Beiträge zur Literaturwissenschaft 31), 16. 157 Grau: Petrinische kulturpolitische Bestrebungen, 373. 158 Fanderbek, Michail Šend: Znamenitomu i učenomu mužu Samuilu Keleseru de Kerest-Ėeru, nastojaščee sostojanie prosveščenija v Rossii [1725]. In: Syn otečestva 1 (1842) 5–35. 159 Ebd., 6f., 32f. 160 St.-Peterburgskij Filial Archiva RAN: fond 119, opis’ 1, edinica chranenija 3, Christian Maximilian Spener an Heinrich von Huyssen, Berlin 20. März 1713, 12r–13v.

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Multilaterale Beziehungen in Wissenschaft, Buchhandel und Verlagswesen

enthaltenen biographischen Angaben kann Christian Maximilian Spener, Sohn eines der Begründer des Pietismus, Philipp Jakob Spener, als Verfasser identifiziert werden. Christian Maximilian Spener war ein Berliner Naturwissenschaftler, Professor für Anatomie und seit dem 11. März 1701 Mitglied der Berliner Sozietät der Wissenschaften.161 Aus dem Schreiben lässt sich erkennen, dass es sich nur um ein Fragment einer umfangreichen Korrespondenz handelt. Mehrere Briefe Huyssens blieben wegen „Leibes Schwachheit, viel Betrübniß und Chagrin“ sowie der Geschäftigkeit Speners unbeantwortet. Trotz der Unregelmäßigkeit der Korrespondenz spürt man das Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Männern. So hatte Spener keine Scheu, Huyssen seine katastrophale finanzielle Lage anzuvertrauen: „Den bey jetzigen hiesigen schweren Zustand, muß von allen Gelegenheiten suchen zu profitiren, damit zu meiner knappen Subsistenz etwas verdienen könne.“ Am 25. Februar 1713 war der preußische König Friedrich I. gestorben, mit dessen Namen die Gründung der Berliner Sozietät der Wissenschaften verbunden war. Nach dem Machtwechsel ließ der neue König, Friedrich Wilhelm I., erkennen, dass er nicht an einer weiteren Förderung der Wissenschaften und Künste interessiert war. Zahlreiche Hofbedienstete wurden entlassen. Spener wollte sein Naturalienkabinett durch die Vermittlung Huyssens nach Russland verkaufen: „[B]ey so gestalter Sachen bitte Ew. Excellz ganz unterthänig, weil Ihnen das[selb]iger Hof und Zustand bekand [sind], mir mit dero Vorsprache und Patrocinis zu statten zu kommen.“162 Speners Sammlung aus der Tier- und Pflanzenwelt163 war zu dieser Zeit in den Räumen der Akademie in Berlin – „auf dem Königl. observatorio in einem großen Saal zu deßen Auszierung“ – aufgestellt. Das Kabinett war, so Spener, „in schönster Ordnung rangirt“, im Gegensatz zum vorigen Jahr, als die gesammelten Sachen „in vielen Schräncken[,] Kisten und Kasten“ untergebracht gewesen seien, weshalb er sie dem preußischen König damals nicht zeigen konnte. Spener suchte nun jemanden, der ihm half, seine Sammlung zu verkaufen, und hoffte, in Huyssen einen geeigneten Mittelsmann für einen Zugang zum russischen Hof zu finden. Er schrieb daher: „Waß die Affaire meines Cabinets betrifft, so bitte inständig[,] da die Sache anjetzo einiger maßen in Crisi ist[,] unmaßgeblich nach dero Vermögen gnädig zu cooperiren.“164 Im Jahr 1713 warb Russland intensiv ausländische Wissenschaftler und Fachleute an, vor allem über den Vertrauensmann Peters I., General Jakob Bruce. Ihm gelang es, den bekannten Baumeister und Bildhauer Andreas Schlüter, den Architekten des Berliner Stadtschlosses, in die Dienste Peters I. zu nehmen, der am Ende seines Lebens noch an der Errichtung des Sommergartens in St. Petersburg beteiligt war. Spener erklärte Huyssen, dass er Bruce „den großen Catalogum“ seines Kabinetts gezeigt und ihn für einige Tage an ihn ausgeliehen habe. Da Bruce aber krank geworden sei und bald darauf im Auftrag des Zaren habe abreisen müssen, konnte er seine „Dinge“ nicht in „Augenschein“ nehmen. Er habe ihm jedoch versprochen, sein Bestes zu tun. Außerdem sei inzwischen die Nachricht von der baldigen Ankunft 161 Hartkopf: Die Berliner Akademie der Wissenschaften, 342; Zedler: Universal Lexicon 38 (1743) 1485f. 162 St.-Peterburgskij Filial Archiva RAN: fond 119, opis’ 1, edinica chranenija 3, Christian Maximilian Spener an Heinrich von Huyssen, Berlin 20. März 1713, 12r–13r. 163 Kopanev, A[leksandr] I[l’ič] u. a.: Istoričeskij očerk i obzor fondov rukopisnogo otdela biblioteki Akademii Nauk, Tl. 1–3 (Vypusk 1, vypusk 2 und Karty, plany, čerteži, risunki i gravjury sobranija Petra I.). Moskva/Leningrad 1956–1961, hier Tl. 2 (vypusk 2): XIX–XX veka, 1958, 246f. 164 St.-Peterburgskij Filial Archiva RAN: fond 119, opis’ 1, edinica chranenija 3, Christian Maximilian Spener an Heinrich von Huyssen, Berlin 20. März 1713, 12v–13r.

Christian Maximilian Speners Kontakte nach Russland

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Peters I. in Berlin eingetroffen und er, Spener, habe gehofft, dass der Zar seine Sammlung persönlich ansehen würde. Daher habe er seinen Katalog auch Aleksandr Gavrilovič Golovkin, dem russischen Gesandten in Berlin, gezeigt und diesen um Vermittlung gebeten. Aber der Zar habe die Sammlung aus Zeitgründen nicht besichtigen können.165 Aus Speners Brief geht ein wichtiger Grund für einen deutschen Gelehrten hervor, Kontakte nach Russland zu knüpfen: der finanzielle Aspekt. So meinte Spener: „[V]or so einen großen Monarchen“ wie Peter I. wäre der Betrag von „2000 Spec. Ducaten“ – der Preis für sein Naturalienkabinett – doch „ein Bagatel“.166 Speners Tod 1714 beendete die diesbezüglichen Pläne schlagartig. Für die weitere Aufstellung seiner Sammlung in den Räumen der Sozietät sollten entweder die Einrichtungskosten erstattet oder der Akademie ein Vorkaufsrecht gewährt werden. Nach seinem Tod hinterließ Spener Schulden, so dass die Sozietät mit einem seiner Brüder über das Kabinett verhandeln musste.167 Speners Schwester Susanne Catharina, die mit dem lutherischen Theologen Adam Rechenberg verheiratet war,168 informierte Huyssen am 16. Mai 1714 über den Tod ihres Bruders und ergänzte ihren Brief: „[I]st auf diese Art gut, daß er nicht die Veränderung fürgenommen, deren man es sonst Schuld gegeben hätte“ – eine kuriose Aussage, die Huyssen in einer Anmerkung am Rande des Briefes aufklärt: Spener sollte 1713 als Mediziner nach Russland berufen werden.169 Speners Brief vom 20. März 1713 behandelt mehrere Aspekte dieser Verbindung, die nicht nur von Wissenschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Russland geprägt war, sondern auch von einem persönlichen Vertrauensverhältnis. So empfahl Spener dem erkrankten Huyssen beispielsweise ein Medikament und schrieb, dass es ihm „Lieb“ wäre, wenn man „an dero [Huyssens] Hof oder Ort einen Medicum oder sonst jemand haben könte“.170 Die Korrespondenz brach dann aber wegen Speners Tod im darauffolgenden Jahr abrupt ab. Der Katalog, den Spener Bruce übergeben hatte, ließ sich in der Privatsammlung von Bruce nachweisen, die nach seinem Tod der Russischen Akademie der Wissenschaften übergeben wurde. Darüber hinaus wurde der Katalog 1718 mit einigen Veränderungen und Ergänzungen in Berlin gedruckt.171 165 Ebd. Peter I. weilte vom 27. Februar/9. März bis zum 3./14. März 1713 in Berlin. Vgl. Schippan, Michael: Zar Peter I. in Kurbrandenburg. In: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands 44 (1993) 19–43, hier 34. 166 St.-Peterburgskij Filial Archiva RAN: fond 119, opis’ 1, edinica chranenija 3, Christian Maximilian Spener an Heinrich von Huyssen, Berlin 20. März 1713, 12v–13r, hier 13r. 167 Grau: Petrinische kulturpolitische Bestrebungen, 347. 168 Rechenberg [Adam]. In: Zedler: Universal Lexicon 30 (1741) 1285–1292; Winter, Eduard: Frühaufklärung. Der Kampf gegen den Konfessionalismus in Mittel- und Osteuropa und die deutsch-slawische Begegnung. Berlin 1966 (Beiträge zur Geschichte des religiösen und wissenschaftlichen Denkens 6), 67. 169 Susanne Catharina Rechenberg an Heinrich von Huyssen, Leipzig 16. Mai 1714. Zit. nach Grau: Petrinische kulturpolitische Bestrebungen, 347. 170 St.-Peterburgskij Filial Archiva RAN: fond 119, opis’ 1, edinica chranenija 3, Christian Maximilian Spener an Heinrich von Huyssen, Berlin 20. März 1713, 13v. 171 Spener, Christ[ian] Maximil[ian]: Catalogus Zahlreicher/ nützlicher/ und sonderbahrer von Natur und Kunst gebildeter Seltenheiten/ in regno animali, rahrer Praeparatorum und in Spiritu Vini Conservatorum von Menschen/ Thieren/ Vögeln/ Fischen/ Schlangen/ Raupen [...]. vegetabili, seltener meist frembder Wurtzeln/ Schalen/ Rinden/ Höltzer [...]. Und minerali, allerhand reicher und schöner Stuffen-Sold-Silber-Kupffer-Bley-Zinn-Zinnober-Ertzte. Berlin 1718.

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Multilaterale Beziehungen in Wissenschaft, Buchhandel und Verlagswesen

Der untersuchte Briefwechsel weist, wenn auch nur andeutungsweise, auf einen Kreis von wissenschaftlich interessierten Männern hin, die miteinander im gedanklichen und praktischen Austausch standen. Die Einzelheiten, die aus Speners Brief an Huyssen hervorgehen, ergänzen das Bild von den deutsch-russischen Kontakten. Sie zeigen klar, dass für die Gelehrten oft finanzielle Gründe ausschlaggebend waren, Peter I. ihre Dienste anzubieten.

8.5. Kontakte zum Verleger Thomas Fritsch und zum Buchdrucker Johann Köhler Huyssen hatte direkten Kontakt zu Verlegern, Herausgebern und Buchdruckern und stand mit ihnen in regem Austausch. Dies wurde zur Grundlage für die weitere Entwicklung der deutsch-russischen und der deutsch-baltisch-russischen Verbindungen. Der Brief des Leipziger Verlegers Thomas Fritsch an Huyssen vom 2. Dezember 1713 zeugt abermals von den engen Beziehungen zwischen Leipzig und Russland und verdient in diesem Kontext besondere Aufmerksamkeit.172 In dem Schreiben bestätigte Fritsch, dass er seit Juli drei Briefe Huyssens aus Königsberg, Riga und St. Petersburg erhalten hatte. Dem ersten Brief war ein Buch für Johann Burckhard Mencke beigefügt, das Fritsch dem Adressaten übergab. In dem Schreiben wurden auch militärgeschichtliche Aspekte angesprochen, zum Beispiel die Belastungen der Einwohner durch hohe Gebühren und die Heranziehung von Männern für den Krieg. Die Bevölkerung des Erzgebirges, berichtete Fritsch, sei dazu gezwungen worden, sich mit minderwertigen Lebensmitteln zu versorgen. Das Gebiet sei wegen der Schließung der Grenzen zu Böhmen – so sollte die Verbreitung einer ansteckenden Krankheit verhindert werden – bedürftiger als jemals zuvor geworden, denn „diese armen Leute“ könnten nun das Getreide nicht mehr über die gesperrten Pässe transportieren.173 Fritsch schrieb weiter, dass ein „komischer“ Autor für ihn über Russland schreiben möchte, ein Publizist, der bis jetzt noch nichts Ordentliches verfasst, jedoch versprochen habe, bis zum Ende des Winters ein Werk fertigzustellen und es ihm zuzuschicken. Er verlange von ihm Antworten auf Fragen, die er bereits Huyssen gestellt habe, die aber immer noch nicht beantwortet seien. Deshalb schickte Fritsch seine Fragen erneut an Huyssen und bat ihn eindringlich um Hilfe. Darüber hinaus wäre er dem Kriegsrat sehr dankbar, wenn dieser ihm die Korrektur einer ersten Beschreibung St. Petersburgs (Exacte Relation, Leipzig 1713) und der Umgebung sowie die Materialien, die der Zar habe drucken lassen, schicken könne. Dies würde zum Ruhm des Monarchen beitragen.174 Der Schwerpunkt des Kontakts zwischen Fritsch und Huyssen lag neben dem persönlichen Austausch vor allem bei der Verbreitung von Presse- und Buchdruckerzeugnissen. Huyssens Vermittlungstätigkeit beschränkte sich jedoch nicht nur auf Leipzig, sondern reichte auch in andere Territorien, darunter in die baltischen Provinzen. Dies geht aus einem 172 St.-Peterburgskij Filial Archiva RAN: fond 119, opis’ 1, edinica chranenija 4, Thomas Fritsch an [Heinrich von Huyssen], Leipzig 2. Dezember 1713, 199r–199v. 173 Ebd., 199r. 1713 waren zum letzten Mal die Länder der Habsburgermonarchie von einer Pestepidemie betroffen. Vgl. Frandsen, Karl-Erik: The last plague in the Baltic Region 1709–1713. Copenhagen 2010. 174 St.-Peterburgskij Filial Archiva RAN: fond 119, opis’ 1, edinica chranenija 4, Thomas Fritsch an [Heinrich von Huyssen], Leipzig 2. Dezember 1713, 199r–199v.

Kontakte zum Verleger Thomas Fritsch und zum Buchdrucker Johann Köhler

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undatierten Brief Johann Köhlers an ihn hervor.175 Köhler hatte im estnischen Narwa von 1695 bis 1703/04 auf eigene Kosten eine von König Karl XI. von Schweden privilegierte Druckerei geleitet.176 Schwerpunkt seiner verlegerischen Tätigkeit waren Beschreibungen lokaler Ereignisse aus Ingermanland.177 Narwa, das zuvor schwedisch gewesen war, wurde 1704 von russischen Truppen erobert. In dieser Zeit wurde Köhler zusammen mit anderen Kriegsgefangenen nach Moskau verschleppt.178 Sein Brief an Huyssen ergänzt die Erkenntnisse über die Druckerei in Narwa. Er zeigt aber auch, wie sich das politische Handeln der Herrscher und die damaligen Kriegsereignisse auf die Schicksale einzelner Menschen auswirkten. In seinem Schreiben bedankte sich Köhler zunächst bei Huyssen für die Gnade, die dieser ihm neun Jahre zuvor bei seiner Ankunft in Russland gewährt hatte; durch diesen Glücksfall sei Köhler in seiner neuen Heimat freundlich aufgenommen worden. Freilich beklagte er sich, dass es nicht möglich gewesen sei, die Pläne Peters I. durchzuführen, der zum einen die „Wieder-Aufrichtung meiner von Narva, auf Dero gnädigen Ruff, anhero gebrachten defecten Druckereÿ“ und zum anderen eine „Buchdruckereÿ-Veränderung“ in Russland intendierte. Seine Absichten hätten sich sogar als „nachtheilig, unnütz- und schädlich“ erwiesen, denn er könne seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten und würde in seinem Beruf behindert.179 Peters Absicht, „die Europaeische Druck-Art, durch Holländische Buchdrucker [...] mit gutem Fortgang, mercklichen Vortheil und Nutzen, [in Russland] einzuführen“, sei vielversprechend gewesen. Im Gegensatz dazu habe sich die Einrichtung einer deutschen Druckerei in Moskau als schwer realisierbar erwiesen. Vor drei Jahren habe Köhler dem Zaren vorgeschlagen, sein „Werck“ aus eigenen finanziellen Mitteln zu bestreiten, was Peter I. durch eine entsprechende Resolution genehmigt habe. Die Idee habe sich jedoch nicht umsetzen lassen, wobei eine der Ursachen die Abwesenheit des Vizekanzlers Petr Pavlovič Šafirov gewesen sei. Daher habe das Angebot Peters nicht genutzt werden können, das „im Privilegio und freÿen Hause“ bestanden habe. Die Geräte für die Druckerei, die im Gymnasium im Haus Vasilij Fedorovič Naryškins, das nun der aus Dalmatien stammende Kaufmann und Diplomat Savva Raguzinskij bewohne, gelagert waren, seien gestohlen worden und dies habe ihn ruiniert. Köhler bat Huyssen eindringlich um dessen Fürsprache beim Zaren. Er wolle als treuer Untertan angesehen und in seinem Beruf gefördert werden.180 Die Jahresangaben in dem Brief lassen ihn auf das Jahr 1714 datieren. Das Schreiben Köhlers ergänzt auch dessen Biographie. Seine Lebensdaten waren bis dahin nur in Rudimenten angegeben, über seine

175 Ebd., fond 119, opis’ 1, edinica chranenija 3, Johann Köhler an [Heinrich von Huyssen], o. O. [1714 (1713?)], 204r–204v. 176 Zu Johann Köhler und seiner Tätigkeit vgl. Küng, Enn: Johann Köhler und die Druckerei in Narva 1695–1705. In: Bosse, Heinrich/Elias, Otto-Heinrich/Schweitzer, Robert (Hg.): Buch und Bildung im Baltikum. Festschrift für Paul Kaegbein zum 80. Geburtstag. Münster 2005 (Schriften der Baltischen Historischen Kommission 13), 123–151; Corsten, Severin u. a. (Hg.): Lexikon des gesamten Buchwesens, Bd. 1–8. Stuttgart ²1987–2009, hier Bd. 4, 263; Graßhoff: Russische Literatur in Deutschland, 67, 123; Welding, Olaf/Lenz, Wilhelm: Deutschbaltisches biographisches Lexikon 1710–1960. Köln/Wien 1970, 461. 177 Küng: Johann Köhler und die Druckerei in Narva, 136–143. 178 Ebd., 140, 143–145; Corsten u. a. (Hg.): Lexikon des gesamten Buchwesens, Bd. 4, 263. 179 St.-Peterburgskij Filial Archiva RAN: fond 119, opis’ 1, edinica chranenija 3, Johann Köhler an [Heinrich von Huyssen], o. O. [1714 (1713?)], 204r. 180 Ebd., 204r–204v. Vgl. ferner Kovrigina: Glück als Schulgründer in Russland, 199, 201.

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Multilaterale Beziehungen in Wissenschaft, Buchhandel und Verlagswesen

Tätigkeit in Moskau war überhaupt nichts bekannt.181 Darüber hinaus zeigt sich darin, dass der Wiederaufbau der Narwaschen Druckerei in Moskau nicht realisiert werden konnte. Später ließ sich Köhler in Reval nieder, das nun zum Russischen Reich gehörte, und übernahm dort 1716 die Gymnasialdruckerei.182 Die oben dargestellten Briefe ergänzen und bereichern die Erkenntnisse der Forschung, hier zu den deutsch-baltisch-russischen Verbindungen auf dem Gebiet von Buchdruck und Presse. Die Ergebnisse sind umso wichtiger, wenn man bedenkt, dass die Narwasche Druckerei lange Zeit „ganz und gar vergessen“ war.183

181 Küng: Johann Köhler und die Druckerei in Narva, 126, 145. 182 Corsten u. a. (Hg.): Lexikon des gesamten Buchwesens, Bd. 4, 263. 183 Cederberg, A[rno] R[afael]: Die Erstlinge der estländischen Zeitungsliteratur. Dorpat 1922 (Eesti Vabariigi Tartu Ülikooli toimetused B/3/3), 12.

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9. Als Repräsentant Peters I. in Wien (1705–1708) 9.1. Berichterstattung aus Wien 9.1.1. Der Große Nordische Krieg Der Große Nordische Krieg um die Vorherrschaft im Ostseeraum fand von 1700 bis 1721 in Nord-, Mittel- und Osteuropa statt.1 Um Schwedens Macht zu begrenzen, schloss sich in den Jahren 1698 bis 1700 unter Mitwirkung Johann Reinhold Patkuls2 eine Dreier-Allianz gegen Schweden zusammen, die aus dem Zarenreich, Dänemark-Norwegen und Sachsen-Polen bestand. Bereits 1700 gelang es allerdings dem schwedischen König Karl XII., seine Gegner einzeln zu schlagen. Dänemark schied zuerst aus dem Krieg aus. Der Angriff Augusts II. von Polen auf das schwedische Riga misslang, Peter I. erlitt bei Narwa im Dezember 1700 eine erste entscheidende Niederlage.3 Zudem sorgte der Schwedenkönig 1704 (offiziell 1706) dafür, dass sein Freund und Protégé, Stanisław Leszczyński, Graf von Lissa und Woiwode von Posen,4 den polnischen Thron bestieg. Leszczyński wurde bei Lichte besehen zu einem von Frankreich unterstützten Werkzeug in der Hand Karls XII. Am 28. November 1705 schlossen der schwedische Monarch und Leszczyński eine Allianz, die binnen kurzem zur politischen und wirtschaftlichen Abhängigkeit Polens von Schweden führte. Dies beschleunigte die Aufteilung Polens in zwei Lager, ein sachsen- und ein schwedenfreundliches. Am 1. September 1706 marschierte die schwedische Armee durch Schlesien und rückte in Sachsen ein. Daraufhin schlossen die sächsischen Unterhändler am 24. September trotz bestehender Allianz-Verträge zwischen Sachsen-Polen und Russland5 einen separaten Friedensvertrag mit Karl XII., der Peter I. zunächst verheimlicht wurde. Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen ratifizierte dieses in Altranstädt bei Leipzig entstandene Dokument allerdings 1 Frost, Robert I.: The Northern Wars: War, State, and Society in Northeastern Europe, 1558–1721. Harlow u. a. 2007; Ullgren, Peter: Det stora nordisk kriget 1700–1721. En berättelse om stormakten Sveriges fall. Stockholm 2008; Širokorad, Aleksandr Borisovič: Severnye vojny Rossii. Moskva 2001, 148–346. 2 Wittram: Patkul und der Ausbruch des Nordischen Krieges, 216–232; Erdmann, Yella: Der livländische Staatsmann Johann Reinhold von Patkul. Ein abenteuerliches Leben zwischen Peter dem Großen, August dem Starken und Karl XII. von Schweden. Berlin 1970; Burdowicz-Nowicki, Jacek: Piotr, August II i Rzeczpospolita. 1697–1706. Kraków 2010. 3 Vozgrin, V[alerij] E[vgen’evič]: Rossija i evropejskie strany v gody Severnoj vojny. Istorija diplomatičeskich otnošenij v 1697–1710 gg. Leningrad 1986. 4 Ciesłak, Edmund: Stanisław Leszczyński. Wrocław u. a. 1994; Forycki, Maciej: Stanisław Leszczyński – Sarmata i Europejczyk. 1677–1766. Poznań 2006; Feldman, Józef: Stanisław Leszczyński. Kraków 2007; Kinzinger, Lothar K.: Stanislaus I. Leszczynski – ein polnischer König in Zweibrücken (1714– 1719). In: Stanislaus Leszczynski – ein König im Exil. Blieskastel 2006, 11–44. 5 Traktat meždu Gosudarem Petrom I i Reč’ju Pospolitoju Velikago Knjažestva Litovskago, 28. Juni 1703. In: [Speranskij u. a.] (Hg.): Polnoe sobranie zakonov, Bd. 4, Nr. 1934, 217–222; Traktat, učinennyj v Narve polnomočnym Pol’skim poslom Dzjalynskim s Rossijskimi Ministrami, 19./30. August 1704. Ebd., Nr. 1991, 266–269.

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Als Repräsentant Peters I. in Wien (1705–1708)

erst im Januar 1707. Erst dann akzeptierte er die für ihn nachteiligen Bedingungen, darunter den offiziellen Verzicht auf die polnische Krone und die Anerkennung Leszczyńskis als König des Unionsstaates. Dieser Vertrag und die zugunsten der schlesischen Protestanten zwischen Karl XII. und Kaiser Joseph I. geschlossene Altranstädter Konvention vom 1. September 17076 verhinderten, dass eine direkte Verbindung zwischen dem seit 1701 tobenden Spanischen Erbfolgekrieg und dem Großen Nordischen Krieg hergestellt wurde.7 Im März 1705 reiste Heinrich von Huyssen auf Befehl Peters I. nach Deutschland,8 sein Ziel war zunächst Berlin. Auf dem Weg dorthin wurde er in Smolensk „vom Gubernator [Petr Samojlovič] Soltikof [Saltykov]9 im Printz Alexander’s [Menšikov] quartier einlogiert“. Von dort fuhr er nach Orscha und weiter mit Fuhrleuten in die litauische Metropole Wilna, wo er „bey dem Bischof von Wilna, feldherrn Ogiesky“ Ostern feierte. Bischof von Wilna war zu jener Zeit Konstanty Kazimierz Brzostowski. Mit „Ogiesky“ ist der litauische Hetman Grzegorz Antoni Ogiński gemeint, der die Partei Augusts II. anführte. Weiter ging es zu Pferd über Kaunas nach Tilsit und Insterburg – in heute zu Russland gehörende Städte im ehemaligen Ostpreußen. In Insterburg wohnte er „bey dem Herrn Hausvogt de Witte“.10 Über Königsberg erreichte Huyssen, von Pekarskij „der unermüdliche Baron“ genannt,11 Danzig. Auf Umwegen gelangte Huyssen schließlich nach Berlin: „Von Dantzig zu Schiffe[,] nach anderthalb Tage Sturm und augenscheinlicher TodesGefahr gestrandet.“ Durch den „Graf[en] Denhof“ – gemeint ist wohl Dönhoff – schickte Huyssen dem preußischen König Friedrich I. ein Kreditiv und ein Kondolenzschreiben Peters I. zum Tod Königin Sophie Charlottes 1705. „Auf Leipzig, Carlsbad [reiste er] zum König von Pohlen, welcher Ihm die durch den geheimen Rhat [Franz Conrad] Romanus12 vacant gewordene Dohmprobstey zu Wurzen gnädigst conferirte.“ Romanus, Bürgermeister von Leipzig und Propst des lutherischen Domkapitels in der östlich von Leipzig gelegenen Stadt Wurzen, wurde 1705 von August II. ohne Gerichtsurteil auf die Festung Königstein gebracht, wo er bis zu seinem Tod gefangengehalten wurde. Daher konnte Huyssen dieses vakant gewordene Amt angetragen werden. Im Anschluss daran gelangte Huyssen über Dresden nach Berlin zum Begräbnis der Königin und zu einer Abschiedsaudienz bei Friedrich I. in Potsdam.13 Am 8. Juni 1705 befahl Peter I. Huyssen als Minister an den Wiener Hof.14 Das Schreiben des Zaren an Kaiser Joseph I. vom 18. Juni 1705 wurde für ihn in deutscher Übersetzung nach Berlin geschickt. Dieses Dokument, das Peters Mitgefühl für den Tod Kaiser

6 Benrath, Gustav Adolf u. a. (Hg.): Quellenbuch zur Geschichte der Evangelischen Kirche in Schlesien. München 1992 (Schriften des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte 1), 147–150. 7 Metasch, Frank: 300 Jahre Altranstädter Konvention. 300 Jahre schlesische Toleranz. Dresden 2007 (Spurensuche 2), 24, 32, 37–40; Bahlcke, Joachim: Religion und Politik in Schlesien. Konfessionspolitische Strukturen unter österreichischer und preußischer Herrschaft (1650–1800). In: Blätter für deutsche Landesgeschichte 134 (1998) 33–57, hier 48f. 8 Bantyš-Kamenskij: Obzor vnešnich snošenij Rossii, Bd. 1, 42; Haven: Nachrichten von Huyssen, 318. 9 P.-S., N.: Saltykov, Petr Samojlovič. In: Russkij biografičeskij slovar’ 18 (1904) 104f. 10 Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana III, H[einrich] v[on] Huyssen’s Autobiographie, 45. 11 Pekarskij, Petr Petrovič: Baron Gjujssen, učeno-literaturnyj agent russkogo pravitel’stva v načale XVIII stoletija. In: Otečestvennye zapiski 3 (1860) 49–72, hier 54. 12 Mundus, Doris: Dem Kurfürsten zu Gefallen und zum eigenen Nutzen. Der Leipziger Bürgermeister Franz Conrad Romanus. In: Leipziger Blätter 36 (2001) 64–67. 13 Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana III, H[einrich] v[on] Huyssen’s Autobiographie, 46. 14 Bantyš-Kamenskij: Obzor vnešnich snošenij Rossii, Bd. 1, 42.

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Leopolds I. ausdrückte und gleichzeitig dessen Sohn, Joseph, zur am 5. Mai 1705 erfolgten Thronbesteigung beglückwünschte,15 nahm Huyssen nach Wien mit,16 das er über Dresden und Prag erreichte.17 Huyssens wichtigste Aufgabe in Wien war die Nachrichtenübermittlung in das russische Kriegslager. Jeden „Posttag“ musste er die verlangten Zeitungen und Bücher schicken sowie Neuigkeiten melden, „damit hieraus auf die Unrichtigkeit der übrigen Zeitungen [...] ein Schluß gemacht werden könnte“.18 Außerdem sollte er Auszüge aus den Briefen des für den russischen Kriegsdienst gewonnenen Generalleutnants Prinz Friedrich von Hessen-Darmstadt,19 des schottischstämmigen Generalfeldmarschalleutnants Georg Benedict Freiherr von Ogilvy,20 unter dessen Führung 1704 Narwa erobert worden war, und anderer im Zarendienst tätiger Personen sowie die Schreiben der Schweden, die diese an ihre Freunde in Wien schickten, zur Kenntnisnahme an den Zaren senden.21 Huyssen sammelte unermüdlich Informationen, die er akribisch auswertete und an den Zaren und dessen Mitarbeiter weiterleitete. Aus seiner Korrespondenz lassen sich die Pläne der europäischen Mächte und deren Kräfteverteilung im Großen Nordischen Krieg entnehmen. Die Quintessenz der europäischen Politik gegenüber Russland beschrieb Huyssen in einem Brief an Menšikov vom 19. März 1707: Die europäischen Herrscher wollten den Aufstieg Russlands mit allen Mitteln verhindern.22 Eindringlich berichtete Huyssen ferner über den Vormarsch der Schweden nach Sachsen. Er schrieb Aleksandr Danilovič Menšikov am 16. September 1706, der schwedische Gesandte Baron Henning von Strahlenheim hätte dem Wiener Hof versichert, dass der Einfall Karls XII. in Sachsen zum Ende des Krieges führen würde, wofür allerdings der Sturz Augusts II. und die Einsetzung Leszczyńskis zum neuen polnischen König notwendig seien. Weiterhin würde Schweden nur dann am Spanischen Erbfolgekrieg teilnehmen, wenn der Kaiser den sächsischen Kurfürsten unterstützte. Der Wiener Hof wolle sich aber wegen seiner militärischen Schwäche keinesfalls am Krieg im Osten beteiligen. Die Gegner der Schweden glaubten, dass diese mit ihren Aussagen nicht aufrichtig gewesen seien und nur die Wachsamkeit der Feinde schwächen wollten.23 Am 22. September 1706 schrieb Huyssen an Menšikov von der Fluchtbewegung aus Sachsen unter anderem nach Brandenburg, Wolfenbüttel und Hamburg.24 15 16 17 18 19

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Schreiben Peters I. an Joseph I., Polazk 18. Juni 1705. In: Pis’ma i bumagi, Bd. 3, 363f. Ebd., 840. Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana III, H[einrich] v[on] Huyssen’s Autobiographie, 46. Haven: Nachrichten von Huyssen, 321. Čulkov, N.: Gessen-Darmštadskij, princ Friedrich. In: Russkij biografičeskij slovar’ 5 (1916) 151f.; Štendman, Georgij (Hg.): Azbučnyj ukazatel’ imen russkich dejatelej dlja russkago biografičeskago slovarja, Tl. 1–2. Sanktpeterburg 1887–1888 (Sbornik imp. russkago istoričeskago obščestva 60/62) [ND Vaduz 1963], hier Tl. 1, 153f. Iv., K.: Ogil’vi, Georg Venedikt. In: Russkij biografičeskij slovar’ 12 (1905) 94–97; Štendman (Hg.): Azbučnyj ukazatel’, Tl. 2, 1888, 101; Bantyš-Kamenskij, Dmitrij [Nikolaevič]: Biografii rossijskich generalissimusov i general-fel’dmaršalov, Tl. 1–4. Sanktpeterburg 1840 [ND 1990–1991], hier Tl. 1–2, 61–68. Haven: Nachrichten von Huyssen, 321. Heinrich von Huyssen an Aleksandr Danilovič Menšikov, Wien 19. März 1707. In: Pis’ma i bumagi, Bd. 5, 566–572, hier 569. Heinrich von Huyssen an Aleksandr Danilovič Menšikov, Wien 16. September 1706, Auszug. In: Ustrjalov: Istorija carstvovanija Petra, Bd. 4/2, 432. Heinrich von Huyssen an Aleksandr Danilovič Menšikov, Wien 22. September 1706, Auszug. Ebd., 433.

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Ein weiterer Aspekt in Huyssens Korrespondenz waren die vielfältigen Stellungnahmen europäischer Herrscher zu Stanislaus Leszczyński. Dabei war es seine praktische Aufgabe, die Anerkennung dieses neuen Königs in Europa zu verhindern.25 Huyssen berichtete Menšikov am 16. September 1706, dass Belege für die Unterstützung Leszczyńskis durch den dänischen und den preußischen König vorlägen.26 Am 19. März 1707 hieß es, Stanisław sei in Wien diplomatisch anerkannt worden. Darüber hinaus schrieb Huyssen über die Versicherung des dänischen Ministers, dass sein König Russland unterstütze, aber von England und den Niederlanden abhänge, die Dänemarks Kriegseintritt verhindern wollten. Die dänischen Minister, die bei einem Kriegseintritt Dänemarks den Verlust ihrer Güter befürchteten, hielten sich laut Huyssen in Holstein auf. Dänemark würde sich also aus privaten Interessen aus dem Krieg heraushalten. Die Niederlande wollten den Schweden den Rest der Kontribution für Sachsen ausbezahlen, allerdings nur unter der Bedingung, dass Schweden das deutsche Territorium verlasse und nicht zugunsten Frankreichs handeln würde. Frankreich wiederum wünsche die Fortsetzung der schwedischen Besatzung in Deutschland.27 Dass der schwedische König das französische Vermittlungsangebot zur Schließung eines Generalfriedens angenommen habe, berichtete Huyssen dem petrinischen Diplomaten Petr Pavlovič Šafirov am 15. April 1707. Die englischen und die niederländischen Minister hätten sich jedoch das Angebot Frankreichs nicht aufzwingen lassen, fuhr er fort. Entscheidend werde das Gespräch des nach Altranstädt angereisten Herzogs von Marlborough mit dem schwedischen König sein.28 Aus Huyssens Briefen wird die mehrdeutige Haltung des Wiener Hofes gegenüber Russland deutlich. So äußerte er im Brief an Menšikov vom 19. März 1707 Zweifel, dass Joseph I. den Zaren um eine Truppenentsendung nach Siebenbürgen zur Vermittlung des Friedensschlusses mit Österreich bitten würde. Der Kaiser befürchte, dass die Aufstände unter Führung Rákóczis in Ungarn durch die Aussendung russischer Truppen, die die dort ansässigen serbischen Orthodoxen beeinflussen könnten, verstärkt und seine Machtmittel dadurch reduziert würden. Dem Kaiser wäre eher an finanzieller Unterstützung Russlands gelegen. Doch auch Peter I. betrieb offensichtlich ein doppeltes Spiel: Nahezu gleichzeitig, im April 1707, bot er dem ungarischen Aufstandsführer die Krone Polens an, wie er es zuvor im März bereits gegenüber Prinz Eugen getan hatte.29 Vor Schweden habe man am Wiener Hof ebenfalls Angst, fuhr Huyssen fort, weshalb man nicht einschreiten werde, wenn Russland gegen die in Deutschland stehenden Schweden vorgehen würde. Die Doppelzüngigkeit des Habsburgers entsprang zum größten Teil dem Druck, der von den Schweden auf Joseph I. ausgeübt wurde.30 Eines der Druckmittel war die schwedische Besetzung Schlesiens. Huyssen schrieb am 16. September 1706 an Menšikov, dass die Schweden in den von ihnen besetzten Gebieten 25 Haven: Nachrichten von Huyssen, 320. 26 Heinrich von Huyssen an Aleksandr Danilovič Menšikov, Wien 16. September 1706, Auszug. In: Ustrjalov: Istorija carstvovanija Petra, Bd. 4/2, 432. 27 Heinrich von Huyssen an Aleksandr Danilovič Menšikov, Wien 19. März 1707. In: Pis’ma i bumagi, Bd. 5, 569, 571f. 28 Heinrich von Huyssen an Petr Pavlovič Šafirov, Wien 15. April 1707. Ebd., 551–556, hier 555. Vgl. ferner Rothstein, Andrew: Peter the Great and Marlborough. Politics and Diplomacy in converging wars. Basingstoke u. a. 1984. 29 Heinrich von Huyssen an Aleksandr Danilovič Menšikov, Wien 19. März 1707. In: Pis’ma i bumagi, Bd. 5, 569, 571. Vgl. Wittram, Reinhard: Peter I. Czar und Kaiser. Zur Geschichte Peters des Großen in seiner Zeit, Bd. 1. Göttingen 1964, 285. 30 Metasch: 300 Jahre Altranstädter Konvention, 29.

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Schlesiens grausam seien. Sie raubten und plünderten so hemmungslos, wie es nicht einmal im Dreißigjährigen Krieg der Fall gewesen sei.31 Huyssens gezielte Berichterstattung trug dazu bei, dass Russland den Krieg strategisch klug planen und in der Folge siegreich gestalten konnte. Er gab die Meinung der Vertreter europäischer Mächte wieder, wonach Schweden schier unbesiegbar sei, und berichtete über die Versuche der europäischen Staaten, die in den Spanischen Erbfolgekrieg verwickelt waren, die jetzt entstandene Lage für ihre Interessen auszunutzen.

9.1.2. Die polnische Königsfrage Huyssens deutsche Zeitgenossen fassten die Lage der Adelsrepublik Polen in den Wechselfällen des Großen Nordischen Krieges treffend zusammen: „In diesem Königreich, welches man zu dieser Zeit keinesweges unter die glückseeligen Länder rechnen kan, weiß man noch immer nicht, wer Koch oder Kell[n]er ist.“32 Die Kriegsbeteiligten nutzten das in der Rzeczpospolita herrschende System der Wahlmonarchie aus, indem sie auf die polnische Königswahl nach der Absetzung Augusts II. 1706 Einfluss zu nehmen versuchten. Im Großen Nordischen Krieg wirkte sich die polnische Frage erheblich auf den Kampf um die Ostseeherrschaft aus. In Polen selbst entstand eine Spaltung in mehrere Lager, deren Anhänger entweder Schweden oder Russland und Sachsen unterstützten. Manche Magnaten nahmen eine neutrale Haltung zum Kriegsgeschehen ein, andere pendelten zwischen Karl XII. und Friedrich August I.33 Es war vor allem Huyssen, der in der polnischen Königsfrage von 1705 bis 1708 die Interessen Russlands vertrat. Nachdem er auf dem Weg nach Berlin von Danzig aus über die positive Einstellung der örtlichen Bevölkerung gegenüber Stanislaus Leszczyński und Schweden berichtet hatte, schrieb er im Auftrag Peters I. einen Brief an den Danziger Magistrat und drohte, dass Russland diese Haltung gewiss nicht gutheißen würde.34 Sein Brief wurde 1705 in der Zeitschrift Die Europäische Fama veröffentlicht: „So haben wir doch nicht allein aus dem gemeinen Ruf/ sondern auch von unterschiedlichen so wohl schrifft- als mündlich erfahren müssen/ daß sich in ihrer Stadt Leute finden/ welche ihrer schuldigen Pflicht gegen Gott und ihrem rechtmäßigen König gantz hindan gesetzet/ derer Schweden Interesse und Vorhaben/ welche doch so lange Zeit alle ersinnliche Feindseligkeiten gegen den König und gantze Republic Polen ausgeübet haben/ und noch ferner ausüben/ hegen und befördern/ auch sich nicht scheuen, denenjenigen/ welche die Schwedische und Leczinskische Parthey halten/ alles was sie ihnen nur ansinnen und von ihnen verlangen/ heimlich und öffentlich zu gefallen zu thun.“ Peter I. erklärte, Polen, das „unter dem harten feindlichen Joch seuffzet“, aus der „Krieges-Flamme“ herausreißen und den Feind zum Friedensschluss 31 Heinrich von Huyssen an Aleksandr Danilovič Menšikov, Wien 16. September 1706, Auszug. In: Ustrjalov: Istorija carstvovanija Petra, Bd. 4/2, 432. 32 Die Europäische Fama 66 (1707) 437. 33 Schulze Wessel, Martin: Rußlands Blick auf Preußen. Die polnische Frage in der Diplomatie und der politischen Öffentlichkeit des Zarenreiches und des Sowjetstaates 1697–1947. Stuttgart 1995, 38; Perényi, Joseph: Zur Entstehungsgeschichte des Warschauer Vertrages vom Jahre 1707. Die Anfänge der ungarisch-russischen Beziehungen während des ungarischen Freiheitskampfes von 1703–1711. In: Das östliche Mitteleuropa in Geschichte und Gegenwart. Wiesbaden 1966 (Annales Instituti Slavici I/2), 170–191, hier 178f. 34 Haven: Nachrichten von Huyssen, 318.

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bewegen zu wollen. Er rief die Danziger auf, zu August II. als rechtmäßigem polnischen König zu halten. Falls sie aber den Feind unterstützen würden, drohte er, sie „als Freunde unserer Feinde überall anzusehen“.35 Peter I. war bestrebt, den sächsischen Kurfürsten erneut auf seine Seite zu ziehen. In einem Schreiben an Friedrich August I. vom 30. März 1707 versicherte der Zar ihn seiner Freundschaft.36 Gleichzeitig beschwerte er sich in einem Brief an Joseph I. vom 27. April 1707 über die Verschwendung der von russischer Seite gewährten finanziellen Mittel durch den sächsischen Kurfürsten, die Ermöglichung der Verhaftung Patkuls durch die Schweden und den separaten Friedensschluss mit dem gemeinsamen Gegner. Peter I. war offenbar beunruhigt, weil Friedrich August I. sich gegenüber Schweden vertraglich verpflichtet hatte, sich die Garantien des Kaisers für sein Vorgehen zu sichern. Der Zar forderte Joseph I. auf, diese nicht zu gewähren und sich für eine Befreiung Patkuls einzusetzen.37 Der Zar versuchte überdies, die Absetzung Stanislaus Leszczyńskis und eine neue, für ihn vorteilhafte Königswahl in Polen voranzutreiben. Aus dem Entwurf seines Schreibens an Huyssen von Ende Februar/Anfang März 1707 wird deutlich, dass die Polen einen Ausländer auf ihrem Thron nur schwer akzeptieren würden. Trotzdem verfolgte Peter den Plan, die Krönung Prinz Eugens mit Hilfe des Kaisers und der Alliierten durchzusetzen.38 Am 13. März 1707 sandte er aus Lemberg an Huyssen einen chiffrierten Befehl, der die Anweisungen für dessen weitere Tätigkeit enthielt.39 Huyssen dechiffrierte den Text zum größten Teil auf dem Originalexemplar.40 Der Zar ordnete darin an: Wenn die polnischen Prinzen, die Söhne König Johann Sobieskis – Jakub, Konstanty und Aleksander41 – auf die mögliche Annahme einer Wahl verzichteten, sollte Huyssen Prinz Eugen überreden, sich zum polnischen König krönen zu lassen. Als Gegenleistung versprach ihm Peter I., dem Savoyer „im Gluk und Ungluck“ beizustehen. Die Verhandlungen sollten so rasch wie möglich stattfinden, jedenfalls bevor der schwedische König „hiher“ kommen würde. Im Postskriptum schrieb der Zar, dass gerade bekannt geworden sei, dass sich „der königliche Prince Jacobus“ auf dem Weg nach Wien befinde, um mit dem Kaiser über seine mögliche Kandidatur für den polnischen Königsthron zu beratschlagen. Huyssen müsse noch vor dessen Ankunft Prinz Eugen „persuadiren“, die polnische Krone anzunehmen, und den Kaiser „zu Anratung dessen“ veranlassen.42 In der Chiffre, die Peter I. in seinen Schreiben an Huyssen verwendete, wurden manche Wörter als ein oder mehrere Buchstaben oder als Zahl geschrieben: So bedeuteten „ad“ und „et“ „Prince“; „T“, „t“ oder „106½“ „König“; „t. 70“ „König von Polen“; „82½“ „Hof“; „388“ „König von Schweden“; „404“ „Primas“; „411“ „Senat“ usw. Manch ein verschlüsselter Brief konnte von der russischen Forschung nur anhand der Huyssenschen Übertragung dechiffriert werden.43 35 Schreiben Peters I. an die Stadt Danzig, Polazk [31.] Juli 1705. In: Die Europäische Fama 39 (1705) 207f. 36 Peter I. an Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen, Schowkwa 30. März 1707. In: Pis’ma i bumagi, Bd. 5, 163. 37 Schreiben Peters I. an Joseph I., Schowkwa 27. April 1707. Ebd., 200–207, hier 201f., 204f. 38 Peter I. an Heinrich von Huyssen (Konzept), o. O. [Ende Februar/Anfang März 1707]. Ebd., 103. 39 Peter I. an Heinrich von Huyssen, Lemberg 13. März 1707. Ebd., 127f. Vgl. auch den dechiffrierten Brief: ebd., 129f. 40 Ebd., 541. 41 Zu den Prinzen Sobieski vgl. Scheller-Steinwartz: Polen und die Königswahl von 1697, 502f. 42 Peter I. an Heinrich von Huyssen, Lemberg 13. März 1707. In: Pis’ma i bumagi, Bd. 5, 129f. 43 Ebd., 541f., 566.

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Am 17. März 1707 schrieb Peter I. Huyssen erneut einen Brief aus Lemberg.44 Aus ihm geht hervor, dass er die mögliche Krönung Jakub Sobieskis oder Prinz Eugens mit den polnischen Senatoren, die eher zum Savoyer neigten, besprochen hätte. Der Zar wies Huyssen an, nach der Ankunft Prinz Eugens in Wien mit ihm sofort die Königsfrage zu besprechen und ihm sein Kreditiv zu übergeben. Sollte Huyssen den Prinzen in Wien nicht antreffen, solle er ihn heimlich ausfindig machen und das genannte Schreiben überreichen. Er solle ihm vortragen, dass der Zar, der polnische Primas Stanisław II. Szembek, die vornehmsten Senatoren und andere Persönlichkeiten, „derer der gröszte Theil auf dem Lembergschen Generalconseil versammelt gewesen [war]“, Eugen als einen „Candidaten zu der Polnischen Cron“ vorgeschlagen hätten.45 Alle genannten Personen seien bereit, ihn schon am 1. Mai des laufenden Jahres zum König zu krönen. Im Gegenzug versprächen die Polen, sich gegen die Franzosen und andere Feinde des Kaisers einzusetzen. Aus dem Brief geht hervor, dass die Senatoren den Zaren ersucht hatten, Eugen „darhin zu bringen“, „jemandt“ inkognito zu Peter I. zu schicken sowie ihnen ein Schreiben zukommen zu lassen, damit sie versichert sein könnten, dass die Königswahl nicht umsonst stattfinden würde. Der Deputierte „mit der Volmacht“ solle bereits im April „hier“ sein, so Peter. Zwar wollten die Polen zunächst einen der polnischen Söhne Johann Sobieskis auf ihrem Thron sehen, allerdings „verlangen sie doch anitzo ale einmutig den Princen Eugenium darzu zu haben“. Huyssen solle dementsprechend nicht auf den besonders favorisierten Prinzen Jakub, sondern auf Prinz Eugen setzen.46 In seinem Schreiben vom 17. März 1707 an den Savoyer, den er seit 1698 persönlich kannte, lobte Peter I. diesen und versicherte ihm, dass er Huyssens Informationen vorbehaltlos trauen könne.47 Trotz zahlreicher Verhandlungen schienen die Polen auch in der Folgezeit keine klare politische Linie zu verfolgen. Huyssen sprach von deren Unaufrichtigkeit gegenüber Russland. In einem Brief an Menšikov vom 19. März 1707 berichtete er, dass der größte Teil der polnischen Senatoren heimlich auf die Seite Stanislaus Leszczyńskis gewechselt sei. Die Polen beabsichtigten, die Russen nach Polen zu locken, um sie nach der Ankunft des schwedischen Königs von allen Seiten zu attackieren. Trotz der Wohltaten, die der Zar den Polen erwiesen habe, könne man kaum erwarten, dass aus ihrem angeborenen Hass gegenüber den Russen eine Freundschaft werde.48 Im gleichen Brief berichtete Huyssen von einem weiteren Prätendenten für die Krone – Johann Wilhelm Friso, Prinz von Oranien und Fürst von Nassau-Dietz.49 Sollte er gekrönt werden, wolle er dem Zaren seine deutschen Herrschaften überlassen und zudem seine rechtlichen Ansprüche auf das Fürstentum Oranien in Frankreich aufgeben. Huyssen schätzte dieses Angebot freilich als für Russland ungünstig ein. Der Prinz sollte 1707 Generalkapitän von Friesland werden. In diesem Brief ist allerdings auch noch von anderen möglichen Bewerbern für die polnische Krone die Rede, die Russland

44 Peter I. an Heinrich von Huyssen, Lemberg 17. März 1707. Ebd., 136–140. Vgl. auch den dechiffrierten Brief ebd., 140–144. 45 Zum Landtag zu Lemberg vom Februar 1707 vgl. Bergmann: Peter der Große, Bd. 2, 258–260; Perényi: Zur Entstehungsgeschichte des Warschauer Vertrages, 182. 46 Peter I. an Heinrich von Huyssen, Lemberg 17. März 1707. In: Pis’ma i bumagi, Bd. 5, 141–144. 47 Peter I. an Prinz Eugen, Lemberg 17. März 1707. Ebd., 135. Vgl. auch ebd., 548. 48 Heinrich von Huyssen an Aleksandr Danilovič Menšikov, Wien 19. März 1707. Ebd., 568. 49 [Anonym]: Leben und Thaten Johannis Wilhelmi Frisonis Printzen von Nassau und Oranien, Erb Stadthalters von West-Frießland. In: Curieuses Bücher u. Staats-Cabinet 30 (1715) 1728–1777.

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genehm waren: Menšikov und sogar der Zarewitsch Aleksej,50 dann, wie schon erwähnt, Franz II. Rákóczi, der Führer des antihabsburgischen Aufstands in Ungarn;51 auch der Kronhetman Adam Sieniawski wurde als Kandidat in Betracht gezogen.52 Das Schreiben Huyssens erreichte das in der Nähe Lembergs gelegene Schowkwa am 25. März 1707, wie aus einem Brief des russischen Staatsmanns Gavriil Ivanovič Golovkin an Fürst Vasilij Lukič Dolgorukij hervorgeht. Golovkin wies Dolgorukij an, Huyssens Brief ins Polnische übersetzen zu lassen und dem Primas Stanisław II. Szembek sowie dem Vizekanzler zukommen zu lassen. Beide – oder nur der Primas allein – sollten unter Hinweis auf Huyssens Bericht an Eugen schreiben, um ihn ebenfalls zur Krönung zu bewegen.53 Ein weiterer chiffrierter Ukaz Peters I. an Huyssen vom 29. März 1707 stellt eine Art Instruktion dar. Huyssen sollte Prinz Eugen ausfindig machen und ihm versichern, dass der Zar, die polnischen Senatoren und andere Minister ihn als Prätendenten für die polnische Krone favorisieren würden. Der Savoyer sollte einen Deputierten mit einer Vollmacht nach Polen und Russland schicken und seine Bereitwilligkeit zur Thronkandidatur in Polen bestätigen. Huyssen hatte Prinz Eugen ein Kreditiv des Zaren sowie eine Kopie der „Assecuration“, die die vornehmsten Polen nach Worten des Zaren „Uns auf dem letzten Generalconseil zu Lemberg im Nahmen der Republik nebenst einer eidlichen Bek(r)äfftigung“ von sich gegeben hatten, zu übergeben. Peter I. glaubte, dass es nur „wenig Hoffnung“ gebe, dass die polnischen Prinzen als Thronanwärter bereit stünden. Deshalb solle Huyssen auch den Prinzen von Nassau „versuchen“, freilich ohne auf dessen Versprechen der Aufgabe seiner Provinzen einzugehen. Der Prinz sollte seinen Deputierten mit einer Vollmacht „an Uns und die Republik“ schicken. Peter I. fuhr also mehrgleisig: Er beabsichtigte, im Falle einer Absage Prinz Eugens einen weiteren Prätendenten für die polnische Krone in der Hinterhand zu behalten. Huyssen aber sollte melden, welcher Konfession der Prinz von Nassau angehöre und in wessen Diensten oder „condition“ er stehe. Die Frage des Bekenntnisses war für eine Kandidatur im katholischen Polen aus naheliegenden Gründen bedeutsam. Ohne Eugens vorherige Stellungnahme sollte jedenfalls kein Vertrag mit dem Prinzen von Nassau geschlossen werden.54 Währenddessen verhandelte Huyssen weiter mit Jakub Sobieski.55 An Menšikov schrieb er am 7. April 1707, dass er gegenüber der Ehefrau Jakubs, Hedwig Elisabeth von Pfalz-Neuburg, Schwester von Kaiserin Eleonore Magdalene Therese, sein Bedauern darüber geäußert habe, dass ihr Mann abgereist sei, ohne vorher seine wichtigen Briefe in Empfang genommen zu haben. So seien ihm wichtige Informationen des Zaren entgangen. Hedwig Elisabeth erwiderte, dass die drei Königssöhne die Krönungsproblematik bereits zuvor besprochen hätten, nachdem ein Übersetzer ihrem Mann ein Schreiben des Zaren überbracht hatte. Sie hätten entschieden, dass sie ohne Beschluss Josephs I. oder Karls XII. nichts unternehmen würden. Menšikov erfuhr von Huyssen darüber hinaus, dass dieser Prinz Jakub einen Kurier nachge50 Heinrich von Huyssen an Aleksandr Danilovič Menšikov, Wien 19. März 1707. In: Pis’ma i bumagi, Bd. 5, 568, 571. 51 Bergmann: Peter der Große, Bd. 2, 266f.; Perényi: Zur Entstehungsgeschichte des Warschauer Vertrages, 178, 183–191. 52 Perényi: Zur Entstehungsgeschichte des Warschauer Vertrages, 185. 53 Gavriil Ivanovič Golovkin an Vasilij Lukič Dolgorukij, Schowkwa 25. März 1707. In: Pis’ma i bumagi, Bd. 5, 522f. 54 Peter I. an Heinrich von Huyssen, Schowkwa 29. März 1707. Ebd., 157–160. Vgl. auch den dechiffrierten Brief ebd., 160–163. 55 Haven: Nachrichten von Huyssen, 320.

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schickt hatte, um den polnischen Magnaten für ein Treffen mit ihm aufzuhalten. Der Prinz sei aber bereits nach Breslau abgereist. Jakubs Ehefrau wolle an ihren Mann schreiben, um seine Stellungnahme in dieser Frage zu klären.56 Das Schreiben, das Peter I. Prinz Jakub zukommen ließ, ist nicht erhalten,57 seine Existenz wird nur durch Huyssens Korrespondenz belegt. Huyssen versuchte auch weiterhin, Prinz Eugen für die polnische Krone zu gewinnen. Dass es zwischen beiden einen Briefwechsel gab, bestätigte Huyssen in einem Schreiben an Menšikov vom 7. April 1707.58 Der Savoyer bedankte sich bei Huyssen am 27. April 1707 für das ihm entgegengebrachte Vertrauen, versicherte aber, dass der Wille des Kaisers, in dessen Dienst er stehe, für ihn auch weiterhin die höchste Priorität habe.59 Diese Einstellung bekräftigte er nochmals am 14. Juli 1707. Er sei „unendlich verbunden für diejenige Hochachtung, so man auff meine wenige Persohn hat werffen wollen“, werde aber nichts ohne Zustimmung des Kaisers unternehmen. Die „angelegte avisen“ seien „ein fingiertes Wesen“ in der hiesigen Kanzlei; das Krönungsangebot sei „rar und seltsamb“, da sich die Gelegenheit dazu nicht oft biete. Er habe jedoch nicht die „Vanität“, „eine Cron zu suchen“, versicherte Prinz Eugen Huyssen.60 Am 15. April 1707 meldete Huyssen Šafirov den Empfang der Befehle des Zaren vom 13. und 17. März des laufenden Jahres, die er erst nach der Abreise Jakub Sobieskis bekommen hatte. Jakubs Ehefrau wollte ihn bewegen, an ihren Mann zu schreiben, um diesen zur Krönung zu überreden. Huyssen habe dies jedoch „auf gute Weise“ entsprechend den letzten Anweisungen abgelehnt. Er habe gewusst, dass alle drei Königssöhne über die Absicht des Zaren bestens informiert seien. Es gebe Gerüchte, fuhr Huyssen fort, dass Jakub von Seiten der Rzeczpospolita für die polnische Krone vorgeschlagen worden sei, was der schwedische König aber auf keinen Fall zulassen wolle. Der Kaiser sei gegen die Schweden eingestellt, aber gezwungen, alles seinem Gang zu überlassen. Er könne aber Prinz Eugen als selbständigen Fürsten nicht davon abhalten, die polnische Krone anzunehmen, falls dieser es tatsächlich wünsche. Huyssen stellte in seinem Brief auch Vermutungen über die künftige Haltung der Schweden an: Deren Behauptung, dass sie Sachsen bald verlassen würden, bezweifele er. Er vermute vielmehr, dass sie in Sachsen bleiben und weiterhin die deutschen Protestanten unterstützen würden. Die Schweden wiederum hofften, dass die proschwedisch eingestellten Polen ihnen den Weg nach Moskau den Dnepr entlang ebnen würden. Es sei zudem unglaubwürdig, fuhr Huyssen fort, dass Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen wieder in Polen erscheine, da er sich um die Anerkennung von Stanislaus Leszczyński in Wien bemühe und vom Kaiser Garantien des mit Schweden geschlossenen Friedens verlange.61 Trotz aller Schwierigkeiten blieb die politische Linie Russlands konstant. Huyssen berichtete Šafirov am 19. April 1707, dass er nach Turin reisen wolle, um mit Prinz Eugen persönlich über eine mögliche Thronerhebung zu sprechen, und zwar sobald sein Nachfolger als Minister Russlands am Wiener Hof, Johann Christoph Urbich, in Wien eingetroffen sei. Es 56 Heinrich von Huyssen an Aleksandr Danilovič Menšikov, Wien 7. April 1707. In: Pis’ma i bumagi, Bd. 5, 542f. 57 Ebd., 543. 58 Heinrich von Huyssen an Aleksandr Danilovič Menšikov, Wien 7. April 1707. Ebd., 542. 59 Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana I, Prinz Eugen an Heinrich von Huyssen, Mailand 27. April 1707, 178f. 60 Ebd., Huissiana I, Prinz Eugen an Heinrich von Huyssen, „Feldlager bey H. Laurens“ 14. Juli 1707, 176f. 61 Heinrich von Huyssen an Petr Pavlovič Šafirov, Wien 15. April 1707. In: Pis’ma i bumagi, Bd. 5, 551–554.

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wäre hilfreich, wenn er auf seiner Reise den Brief des Primas und der anderen vornehmen polnischen Herren zur Verfügung habe, so Huyssen, man möge ihm diese Unterlagen nachschicken. Der Prinz von Nassau sei ein Katholik, wohne nicht weit von Köln, sei nicht reich und stehe in einer freundschaftlichen Beziehung zu den Niederlanden. Der preußische König sei allerdings wegen seiner Ansprüche auf das Fürstentum Oranien feindlich gegen ihn eingestellt. Seit mehr als dreißig Jahren schwelte der oranische Erbfolgestreit. Huyssen habe den Prinzen von Nassau wie gewünscht gebeten, einen Abgesandten an den Zaren zu schicken. Nach wie vor setze er aber in der polnischen Königsfrage in erster Linie auf Prinz Eugen.62 Am 3. Mai 1707 antwortete Prinz Eugen dem russischen Zaren: Er fühle sich vom Angebot der polnischen Krone geehrt und sei Peter I. zu Dank verpflichtet, könne aber ohne Einwilligung seines Herrn, Kaiser Joseph I., die Krone nicht übernehmen, zumal ein solcher Schritt den Austritt aus dem kaiserlichen Dienst nach sich ziehe. Außerdem befände er sich momentan nicht am Wiener Hof und sei durch den Spanischen Erbfolgekrieg gehindert, weitere Aufgaben wahrzunehmen.63 Am 12. Mai schrieb Prinz Eugen erneut an Peter I., dass er über einen Kurier noch einmal Joseph I. um dessen Meinung in dieser Frage gebeten habe.64 Trotz der ablehnenden Antwort Eugens arbeitete Huyssen weiter daran, die politische Linie Russlands durchzusetzen. Er reiste nach Mailand und versuchte nochmals, den Savoyer für die Übernahme der polnischen Krone zu gewinnen.65 Den Befehl zur Reise hatte er im April 1707 erhalten.66 Aus Eugens Brief an Peter I. vom 14. Mai 1707 geht hervor, dass Huyssen den Prinzen mittlerweile auch mündlich über das Angebot des Zaren informiert hatte. Eugen hielt jedoch daran fest, zuerst die Einwilligung des Kaisers einholen zu wollen und wiederholte, dass ein Kurier auf dem Weg nach Wien sei. Sollte der Kaiser das Ansinnen gutheißen, wolle er die polnische Krone gern annehmen. Mit diesen unbefriedigenden Ergebnissen verließ Huyssen Mailand.67 Er berichtete im Juni 1707 nach Russland, dass Prinz Eugen und der Kaiser eine endgültige Entscheidung offenbar bis zum Ende des Krieges hinauszögern wollten.68 Die Antwort Josephs I. nach der Konferenz vom 8. Juli 1707, die sich mit der polnischen Frage auseinandersetzte, war mehrdeutig. Die Anwesenheit Eugens bei den kaiserlichen Truppen sei erforderlich; erst nach der Beendigung des Feldzugs, also frühestens im kommenden Winter, werde man klarer sehen.69 Ein Grund für die ausweichende Antwort war die Fortsetzung des Spanischen Erbfolgekrieges, die zur Folge hatte, dass der Kaiser keine Truppen mehr zur Verfügung hatte, die er dem schwedischen König hätte entgegenstellen können.70 Ihm musste daran gelegen sein, auf keinen Fall in den Nordischen Krieg hineingezogen zu werden.71 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71

Heinrich von Huyssen an Petr Pavlovič Šafirov, Wien 19. April 1707. Ebd., 572–574. Prinz Eugen an Peter I., Mailand 3. Mai 1707. Ebd., 548f. Prinz Eugen an Peter I., Mailand 12. Mai 1707. Ebd., 549f. Solov’ev: Istorija Rossii, Bd. 15, 182; Haven: Nachrichten von Huyssen, 320. Bantyš-Kamenskij: Obzor vnešnich snošenij Rossii, Bd. 1, 43. Prinz Eugen an Peter I., Mailand 14. Mai 1707. In: Pis’ma i bumagi, Bd. 5, 550. Ebd., 551. Ebd., 550f. Arneth: Prinz Eugen von Savoyen, Bd. 1, 420f. Rauch, Georg von: Das achtzehnte Jahrhundert (Einführung). In: Kopelew, Lew [Zinov’evič]/Korn, Karl Heinz/Sprung, Rainer (Hg.): Deutsch-russische Begegnungen im Zeitalter der Aufklärung (18. Jahrhundert). Köln 1997, 27f.

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Die Spekulationen und konkreten Bemühungen des Zaren und seiner Berater über mögliche Kronkandidaten im ersten Halbjahr 1707 zeugen von dem außergewöhnlichen Selbstbewusstsein Peters I., der zu einer Zeit einen Handel um die Krone Polens betreiben zu können glaubte, als die Armee Karls XII. in Sachsen stand, im Herzen des Heiligen Römischen Reiches also. Die Militärmaschinerie des Kriegsgegners Schweden, die dem russischen Herrscher 1700 eine entscheidende Niederlage beigebracht hatte, schien ihm ausreichend entfernt zu sein, um selbst ungestört in die polnischen Angelegenheiten eingreifen zu können. Wenn der russische Herrscher gewusst hätte, dass der schwedische König schon bald gewillt sein würde, mit seiner in Sachsen aufgefrischten und verstärkten Armee in Russland einzufallen, hätte er wohl alle Kräfte nur noch auf die Sicherung seines Reiches konzentriert. In der bisherigen Forschung ist man sich noch nicht ausreichend darüber klar, dass sich für den Zaren und dessen gelehrten Berater Huyssen in diesem Monaten des Jahres 1707 ein einzigartiges Zeitfenster zu öffnen schien. Nur jetzt schien der Zar dazu in der Lage, die Thronerhebung eines auswärtigen Kandidaten für den polnischen Thron militärisch absichern und die russische Präsenz in Polen durchsetzen zu können. Der Briefwechsel Huyssens mit dem Zaren und dessen Beauftragten trägt dazu bei, sich diese Zusammenhänge vor Augen zu führen. Erst als Karl XII. entscheidend geschlagen war und nach der Rückkehr aus dem Exil weit von Polen entfernt agierte, gewann die Frage einer Stationierung russischer Truppen in Polen an Bedeutung für Peter. Inzwischen hatte der Wettiner, der zunehmend den russischen Einfluss zurückzudrängen suchte und sich den Gegnern des Zaren anzunähern begann, seine Stellung als König von Polen allerdings erneut stabilisieren können. Am Ende erhielt Friedrich August I. 1709 dank der Unterstützung Peters I. nach dem russischen Sieg bei Poltawa den Thron zurück – das polnische Königtum des Wettiners wurde so wiederhergestellt.72 Nachdem schon im November 1707 die Anwartschaft Preußens auf das in der Schweiz gelegene Fürstentum Neuenburg bestätigt wurde, fiel das Fürstentum Orange 1713 endgültig an Frankreich; auch der oranische Erbfolgestreit war damit beendet.

9.1.3. Die Schlacht bei Fraustadt Einer von Huyssens wichtigen Korrespondenzpartnern in jenen Jahren war Peter Robert Taparelli Graf von Lagnasco, ein Vertrauensmann des sächsischen Kurfürsten. Lagnasco bemühte sich, den Einfluss seines Herrn, der die polnische Krone inzwischen verloren hatte, durch die Gewinnung der Krone von Neapel zu stärken.73 1706 hielt er sich in Rom an der Kurie auf und hatte von dort aus brieflichen Kontakt zu Huyssen. Aus Huyssens Brief an Lagnasco vom 24. April 1706 geht hervor, dass dieser ihm unter Pseudonym regelmäßig italienische Zeitungen zusandte.74

72 Gierowski, Józef: Personal- oder Realunion? Zur Geschichte der polnisch-sächsischen Beziehungen nach Poltawa. In: Kalisch, Johannes/Gierowski, Józef (Hg.): Um die polnische Krone. Sachsen und Polen während des Nordischen Krieges 1700–1721. Berlin 1962 (Schriftenreihe der Kommission der Historiker der DDR und Volkspolens 1), 254–291, hier 263f. 73 Flathe: Lagnasco, 521. 74 Sächsisches Staatsarchiv – Hauptstaatsarchiv Dresden: 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 662/1, Heinrich von Huyssen an Peter Robert Taparelli Graf von Lagnasco, Wien 24. April 1706, unpag.

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Am 3. März 1706 verfasste Huyssen ein Schreiben an einen unbekannten Empfänger, den er als Patron bezeichnete. Da der Brief nach Rom ging, kann man annehmen, dass Lagnasco der Empfänger war.75 Darin beschrieb er die Schlacht bei Fraustadt vom 2./3. (13./14.) Februar 1706, in der die Schweden gegen Sachsen-Polen und eine russische Hilfstruppe kämpften.76 Der Ausgang des Zusammenstoßes, die katastrophale Niederlage der Gegner Schwedens, habe ihm „das Herz bluten lassen“. Nach den Informationen, die ihm aus Sachsen zugeleitet worden waren, seien mehr als 17.000 Männer in der Schlacht getötet oder gefangen genommen worden. Der Unterhalt der Soldaten hätte in diesem Jahr 100 Tonnen Gold gekostet, so Huyssen. Er fuhr fort, dass Patkul Recht gehabt habe, als er vom Vormarsch der russischen Truppen in Richtung Polen abgeraten hatte. Er habe gewusst, die Sachsen würden versuchen, einem Kampf gegen die Schweden aus dem Weg zu gehen. Die gesamte Infanterie, sowohl die deutsche als auch die russische, war nach Huyssens Bericht massakriert oder gefangen genommen worden. Die Schweden hätten außerdem die komplette Artillerie mit vierzig Geschützen erbeutet, lediglich ein Geschütz habe wegen eines Wagenbruchs nicht mitgenommen werden können. Der Oberst Heinrich Wilhelm von Görtz sei auf die Seite der Feinde übergewechselt und habe verraten, woran die russischen Truppen zu erkennen seien: Sie trügen rot gefütterte Kleider, während die Sachsen den Saum nach außen drehten. Görtz habe empfohlen, zunächst die Russen anzugreifen und dabei auf diejenigen zu achten, die den Kopf senkten, sobald man auf sie feuern würde, denn dies wären die „Moskowiter“. Die Schweden hatten den 700 Russen laut Huyssen freien Abzug zugesichert, wenn sie ihre Waffen niederlegten, doch am folgenden Tag hätten sie diese entgegen ihrem Versprechen grauenvoll massakriert, wie Flüchtlinge berichteten. Drei französische und zwei schweizerische Bataillone hätten, als sie die Schweden aufmarschieren sahen, entweder die Waffen niedergelegt, ohne ein einziges Mal zu feuern, oder diese in die Höhe geworfen und gerufen: „Es lebe der schwedische König!“ Dies bedeutete, Huyssen zufolge, dass es bis zu 2.300 Verräter in den Reihen der sächsisch-polnischen Armee gegeben habe; nur die Kavallerie sei halbwegs ungeschoren aus der Schlacht hervorgegangen. Huyssen meinte, dass die Schlacht in Polen für viel Unruhe sorgen werde, da man dort das schwedische Joch als lästig empfinde. Nach den ihm bekannten Berichten trugen die Sachsen die Schuld an der Niederlage, denn auf deren Seite habe es „Unvorsichtigkeit, Eile und zu viel Selbstzufriedenheit“ gegeben. Seiner Meinung nach hätte man sich gar nicht erst auf die Kämpfe einlassen dürfen, deren Ausgang nicht so bald verkraftet werden könnte. Dazu käme noch die Drohung des schwedischen Königs, in Sachsen einzumarschieren. Karl XII. habe allerdings behauptet, dass diese Maßnahmen keine Angriffe auf das Reich oder auf Sachsen seien, sondern lediglich den Zweck verfolgten, die aufgeheizte Atmosphäre zu beruhigen, was leicht als Schutzbehauptung zu erkennen war. Allgemein dächten aber alle, die mit diesen Angelegenheiten vertraut seien, dass Schweden immer noch darauf hoffe, einen Generalfrieden vermitteln zu können. Denn Karl XII. sei in Sachsen gebunden und könne einen neuen Konflikt nicht riskieren; ebenso ergehe es dem Wiener Hof, der eine Auseinandersetzung mit Karl XII. ebenfalls vermeiden wolle. Trotzdem glaubte Huyssen, sei

75 Ebd., Loc. 662/8, Heinrich von Huyssen an [Peter Robert Taparelli Graf von Lagnasco], Wien 3. März 1706, 1r–6v. 76 Tarle: Severnaja vojna, 106–109.

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es notwendig, dass Wien mit den umliegenden Höfen über eine Strategie zur Eindämmung Schwedens verhandle.77 Huyssen berichtete auch über die Informationen, die er aus Sachsen über Patkul bekommen hatte. Der Zar sei über die Vorgehensweise der Sachsen gegenüber Patkul, seinem Gesandten am sächsischen Hof, außerordentlich verärgert und fordere eine Entschädigung, die der Kränkung, die er durch die Auslieferung Patkuls durch Sachsen an Schweden erlitten habe, angemessen sei. Peter I. solle jedoch noch die Berichte der Personen abwarten, die Patkul wohlwollend gegenüberstünden. Der Zar werde auf die Unterstützung der Könige Dänemarks und Preußens zählen können. Zudem stellte Huyssen die rhetorische Frage, wie der Zar wohl reagieren würde, wenn er erführe, dass das Vorgehen gegen Patkul in den Niederlanden und in England zum Nachteil der Minister aller Großmächte ausgelegt werde. Man habe immerhin beschlossen, gemeinsam zu handeln, um einen ähnlichen Zwischenfall in Zukunft zu verhindern. Was werde der Zar außerdem dazu sagen, schrieb Huyssen weiter, dass 7.000 russische Soldaten getötet wurden? Wäre es nicht vernünftiger gewesen, fuhr er fort, wenn man die Truppen dem Kaiser überlassen hätte, denn damit hätte man ihn und die Alliierten in die Pflicht genommen. Es wäre überdies zielführender gewesen, dem Ratschlag Patkuls zu folgen, der sich stets gegen eine große Schlacht ausgesprochen hatte. Man hätte den schwedischen König dann langsam zugrunde gehen lassen sollen, statt die eigene starke Armee zu verheizen.78 Huyssen ging zudem auf die verbesserte Lage der Katholiken in Russland ein. Er hoffte, dass sein Briefpartner das Patent, das der Zar zur Niederlassung der Kapuziner in Moskau habe ausstellen lassen, wahrgenommen habe. Ein Nuntius aus Rom werde dort immer willkommen sein. Er bat, dem 1703 zum Kardinal erhobenen Erzbischof von Neapel, Francesco Pignatelli, bei Gelegenheit seinen höchsten Respekt zu versichern, denn von ihm sei er in Polen wiederholt unterstützt worden. Wiederum zeigt sich, dass der Protestant Huyssen Verbindungen zu den höchsten Würdenträgern der katholischen Kirche in Italien unterhielt. Zum Schluss stellte er gegenüber Lagnasco fest, dass das, was er über die Schlacht bei Fraustadt ausgeführt habe, Ansichten anderer Leute seien und er nicht wolle, dass sie als seine eigenen angesehen würden.79 Huyssen pflegte offenbar mit dem sächsischen Staatsmann Lagnasco einen intensiven Meinungsaustausch. Die Niederlage des Zaren und seines Alliierten Friedrich August I. traf ihn tief und trieb ihn zu Verbesserungsvorschlägen. Nach der Altranstädter Konvention – seit dieser Zeit drifteten die Interessen der beiden Herrscher immer mehr auseinander – bewies er Peter I. seine Loyalität, als er die Friedensartikel, die er heimlich erhalten hatte, an Menšikov übersandte.80

77 Sächsisches Staatsarchiv – Hauptstaatsarchiv Dresden: 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 662/8, Heinrich von Huyssen an [Peter Robert Taparelli Graf von Lagnasco], Wien 3. März 1706, 1v–4r. 78 Ebd., 4v–5r. 79 Ebd., 6r–6v. 80 Haven: Nachrichten von Huyssen, 320.

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9.2. Aufgaben als Anwerber, Diplomat und Jurist 9.2.1. Die Anwerbung von Fachleuten für Russland Eine der Hauptaufgaben Huyssens in Russland bestand darin, „alle fremde Officiers, Ingenieurs, Manufacturisten, Gewehrhändler, Künstler, Bereiter, Büchsen-Schmiede, und andere Handwerker“, besonders diejenigen, die der tschechischen oder polnischen Sprache mächtig waren, für die Dienste des Zaren anzuwerben. Außerdem hatte Huyssen die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit bereits eingestellter oder neuer Mitarbeiter zu bewerten. Auf dem Weg nach Wien berichtete er beispielsweise aus Königsberg, dass der polnisch-litauische Magnat und damalige russische Generalmajor Michał Serwacy Wiśniowiecki dem Zaren im Krieg untreu geworden sei und einen heimlichen Briefwechsel mit Fürst Jan Kazimierz Sapieha, einem Gegenspieler Ogińskis und Verbündeten Schwedens, gepflegt habe. Von Danzig aus schrieb Huyssen über die Fähigkeiten des aus Brandenburg stammenden Kommandanten und Generalmajors Heinrich Freiherr von der Golz, der daraufhin in russische Dienste berufen wurde.81 Aus einem Brief Peters I. an Golovin vom 25. August 1705 aus Mitau geht hervor, dass Huyssen offenbar zwei Generalmajore als General-Leutnants (general-poručiki) für russische Dienste angeworben hatte, den im preußischen Militärdienst stehenden Grafen Friedrich Sebastian Wunibald Truchsess sowie Herzog Friedrich von Sachsen-Weißenfels.82 Nachdem 1706 Huyssens Plan, nach London zu reisen, gescheitert war, setzte er in Wien die Anwerbung von Offizieren für Russland fort. In seiner Selbstbiographie schrieb er dazu: „Ich bekam zwar durch den Herrn Feldmarschall Ogoley [Ogilvy] [...] von Gr. Golowyn ordre, von Wien nach [England] zu gehen, hatte aber auf 2mahliges Zuschreiben d. Herrn Gr. Golowyn[,] worinn der Befehl Ihrer Cz. Maj. deswegen enthalten, das fürstl. patent für den F. Menzikow zu sollicitiren angefangen. Und 6.m H schon darauf avancirt[,] also deßwegen gemachter Schulden kein Geld hatte, solche Reise anzutreten. Worauf [ich] dan ordre erhielte, Officier in Ihro Cz. Maj. Dienste aufzunehmen. Worin in soweit reussirte, daß die meisten ohne Capitulation hineingeriethen, und ihnen etwas Geld, die Curiere zu menagiren mitgegeben, welches mir noch deficirt.“83 In Havens Bericht über Huyssen werden einzelne Personen genannt, die Huyssen für russische Dienste gewonnen hatte: der Däne Hermann Jens von Bohn, später Rat im KriegsKollegium Peters I., Prinz Friedrich von Hessen-Darmstadt, der sächsische Baron Ludwig Nikolaus von Hallart, der lebhafte Verbindungen zu den Halleschen Pietisten um August Hermann Francke unterhielt, sowie der Katholik Johann Bernhard von Weisbach, seit 1724 Mitglied des Kriegs-Kollegiums. Der pfälzische Hofkriegsrat Johann Sebastian Hogerbach wurde 1707 von Huyssen als General-Auditeur für den russischen Dienst gewonnen, stand also zeitweise an der Spitze der Militärgerichtsbarkeit. Zahlreiche weitere Personen, deren Namen zum Teil kaum lesbar sind, lassen sich nicht identifizieren: „Christian Pfeilenheim“, „Graf Friis“, „Draskowitsch“, „Crampe“, „Mikusch“, „Fürstenberg“, „Blockland“, „Fraser“, „Hambach“, „Johann Heinrich Judendunk“, „Batseman“ und andere mehr.

81 Ebd., 317f.; Štendman (Hg.): Azbučnyj ukazatel’, Tl. 1, 166. 82 Peter I. an Fedor Alekseevič Golovin, Mitau 25. August 1705. In: Pis’ma i bumagi, Bd. 3, 425f. 83 Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana III, H[einrich] v[on] Huyssen’s Autobiographie, 47.

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Mit den Generalen „Stahrenberg“ (Starhemberg), Siegbert Heister, Golz, Leberecht Gottfried von Janus und Claudius Florimund von Mercy, einer Reihe von herausragenden Offizieren in österreichischen Diensten also, stand Huyssen gleichfalls in Verhandlungen. Leberecht Gottfried Janus von Eberstädt trat tatsächlich in russische Dienste, Woldemar Freiherr von Löwendal dagegen bevorzugte 1707 das kursächsische Militär und stieg 1717 zum Kabinettsminister Augusts II. auf. Claudius Florimund Graf von Mercy sollte als kaiserlicher Feldmarschall im Kampf gegen das Osmanische Reich sowie zu Beginn des Polnischen Erbfolgekrieges noch eine bedeutende Rolle spielen. Der Eintritt von Rainerus Vinzenz Graf von Hompesch, Daniel sowie Julius Ernst von Tettau, Sommerfeld, Carl Erdmann oder Karl Gottfried Graf von Bose, Bernsau, Ruland und Schattemann scheiterte anscheinend an deren allzu hohen Forderungen.84 Ganz offenbar war Huyssen höchst engagiert bei seinen Anwerbungsversuchen und stieß auch auf großes Interesse bei den europäischen Offizieren. Am 19. März 1707 benachrichtigte Huyssen Menšikov, dass der dänische Oberst Adam Fredrik Trampe durch seine Vermittlung als Generalmajor und Oberst in zaristische Militärdienste treten wolle. Davor wolle er jedoch noch in Kopenhagen heiraten. Auch den Oberst Baron Trog habe er überzeugt, Generalleutnant in Diensten des Zaren zu werden. Trog werde Menšikov mit Rat und Tat zur Seite stehen und sei als Generalingenieur qualifiziert, außerdem gutmütig und wohlgesinnt. Die Obersten Adam Weide, später einer der Vize-Präsidenten des Kriegs-Kollegiums und Beteiligter an der Ausarbeitung von Gesetzen, sowie Johann Sigismund von Schlund, der 1710 als russischer Generalmajor in Riga sterben sollte, wollten laut Huyssen gleichfalls russische Offiziere werden,85 ebenso wie der Schwager des Grafen von Berlepsch. Der italienische Graf „Wekci“, General des Kaisers, sei am Eintritt in Zarendienste interessiert, er könne sowohl zu Wasser als auch zu Land eingesetzt werden und sei mit dem Fortifikationswesen bestens vertraut. Allerdings sei er schon recht alt und könne Kriegsanstrengungen wohl nicht mehr aushalten. Huyssen berichtete von zahlreichen Offizieren, die sich bei ihm für eine Stelle in russischen Diensten beworben hatten. Von ihnen habe er die besten ausgewählt, insbesondere diejenigen, die der tschechischen oder der polnischen Sprache mächtig seien, und sie mit einem Empfehlungsschreiben zu Menšikov geschickt. Allerdings seien viele Leute mit gefälschten Empfehlungsschreiben unterwegs, weshalb er Menšikov jeweils eine kurze Personenbeschreibung schicken werde. Auch der kursächsisch-polnische Staatsmann und Heerführer Jakob Heinrich von Flemming, General der Kavallerie, der von der Politik Friedrich Augusts I. enttäuscht sei, habe um die Aufnahme in Moskauer Dienste gebeten.86 Flemming blieb dann allerdings doch in sächsischen Diensten, wurde 1707 Gouverneur von Dresden und 1710 Präsident des kursächsischen Geheimen Kriegsratskollegiums.87 Dieser Moment in der Biographie des die sächsisch-polnische Politik erheblich prägenden Staatsmannes Augusts II. fand bisher noch wenig Beachtung, galt doch Flemming später eher als Gegner der russischen Politik. Am 19. April 1707 erfuhr Šafirov von Huyssen, dass ein gewisser Karl 84 Haven: Nachrichten von Huyssen, 319f. 85 Heinrich von Huyssen an Aleksandr Danilovič Menšikov, Wien 19. März 1707. In: Pis’ma i bumagi, Bd. 5, 566f. 86 Ebd. 87 Blaschke: Jakob Heinrich Graf v. Flemming, 240; Konopczyński, Władysław: Feldmarszałek Flemming. In: Roczniki Historyczne 18 (1949) 163–180.

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Gottfried Graf von Bose aus Sachsen Minister oder Rat des Zaren werden wolle. Später avancierte er zum kursächsischen Abgeordneten beim Reichstag. Auch Baron „de Albonen“ (Johann Max Baron d’Albon), Oberst Šenling, General Dort und andere würden auf eine Entscheidung über ihre Bewerbungen warten. Huyssen klagte jedenfalls, dass sich so viele Offiziere mit der Bitte um die Vermittlung einer Dienststelle an ihn wenden würden, dass er überhaupt keine Ruhe mehr habe. Er werde den Interessierten nunmehr mitteilen, dass keine Fachleute mehr gebraucht würden.88 Wie Huyssens Anwerbungsversuche konkret abliefen und wie schwierig sie sich im Einzelnen gestalteten, zeigen seine Verhandlungen mit dem österreichischen General Siegbert Graf Heister. Dieser Offizier war maßgeblich an der rücksichtslosen Niederschlagung des Rákóczi-Aufstands in Ungarn beteiligt. Durch seine unnachgiebige Härte verhinderte Heister allerdings die Versuche all jener Politiker in den Diensten des Hauses Habsburg und der kompromissbereiten Ungarn, die auf einen Ausgleich hinarbeiteten. Erst 1711 gelang diesen Kräften eine Beendigung des Aufstandes und ein Friedensschluss. Widerborstig und streitsüchtig, war Heister zeitweilig in einen Gegensatz zu Prinz Eugen und anderen Mitgliedern der Reformpartei im Umkreis Josephs I. geraten. Diese labile Stellung ließ ihn aus russischer Sicht zu einem geeigneten Kandidaten für den russischen Militärdienst werden. Die Initiative zur Anwerbung dieses Offiziers ging von Peter I. selbst aus, wie der Entwurf seines Schreibens an Huyssen von Ende Februar/Anfang März 1707 zeigt. Darin wurde Huyssen angewiesen, Heister für Russland zu gewinnen, und zwar als General oder sogar – falls Heister dies wünsche – als Generalfeldmarschall. Peter erwartete dabei, dass Heister sich nicht so arrogant und stur wie Ogilvy verhalten würde, der den Anordnungen des ersten Feldmarschalls – Boris Petrovič Šeremet’ev – und auch den Ratschlägen seiner Mitarbeiter keine Folge leisten wolle, sondern jene „wie der Lehrer die Studenten“ behandelt habe. Zudem sollte Heister im April, vielleicht sogar bereits im März, seinen Militärdienst antreten und nicht wie Ogilvy seine Ankunft im russischen Lager eigenmächtig um ein Jahr hinauszögern.89 Am 5. März 1707 schrieb Gavriil Ivanovič Golovkin an Huyssen, dass dem Zaren und dessen Mitarbeitern Heisters Qualitäten genau bekannt seien.90 Doch Heisters Dienstantritt verzögerte sich. Nachdem einige kaiserliche Minister an Heisters Fähigkeiten zweifelten, könne sich dieser, so Huyssen am 30. März 1707 an Golovkin und am 5. April 1707 an Šafirov, immer noch nicht für einen Eintritt in russische Dienste entscheiden. Huyssen brachte daraufhin als Ersatz einen „Christophor Brandt“ ins Spiel.91 Am 12. April 1707 schrieb Huyssen Šafirov, dass Heister nun allerdings doch in zaristische Dienste eintreten wolle;92 schon am 19. April musste er aber berichten, Heister wolle 4.000 goldene Dukaten als Vorauszahlung für seinen Dienstantritt, die aber später von seinem Gehalt nicht abgezogen werden sollten, wie es Menšikov verlange. Huyssen erwartete weitere Anweisungen in dieser Hinsicht.93 Am 23. April berichtete Huyssen an Šafirov, Heister sei beleidigt, weil nicht er, sondern General Johann Ludwig Bussy de Rabutin zum Geheimrat ernannt worden sei. Heister habe vom 88 89 90 91

Heinrich von Huyssen an Petr Pavlovič Šafirov, Wien 19. April 1707. In: Pis’ma i bumagi, Bd. 5, 573f. Peter I. an Heinrich von Huyssen (Konzept), o. O. [Ende Februar/Anfang März 1707]. Ebd., 103. Gavriil Ivanovič Golovkin an Heinrich von Huyssen, o. O. 5. März 1707, Auszug. Ebd., 519. Heinrich von Huyssen an Gavriil Ivanovič Golovkin, Wien 30. März 1707, Auszug. Ebd., 520; Heinrich von Huyssen an Petr Pavlovič Šafirov, Wien 5. April 1707, Auszug. Ebd. 92 Heinrich von Huyssen an Petr Pavlovič Šafirov, Wien 12. April 1707, Auszug. Ebd., 520. 93 Heinrich von Huyssen an Petr Pavlovič Šafirov, Wien 19. April 1707. Ebd., 574.

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Kaiser die Bewilligung eines Urlaubs oder die Erteilung einer Erlaubnis, entweder in seinen Ländereien leben oder in Moskauer Dienste eintreten zu dürfen, erbeten. Er habe Heister bereits die Vorauszahlung übergeben, aber der verlange jetzt noch mehr Geld.94 Am 28. Mai und am 1. Juni 1707 berichtete Huyssen Šafirov, dass Heister immer noch schwanke, allerdings habe der Kaiser ihm versprochen, seinen Urlaub zu bewilligen, sollten die Schweden die Kriegshandlungen gegen das römisch-deutsche Reich oder einzelne Reichsstände beginnen.95 Am 6. Juni schrieb er, Heister habe gegen seinen Willen die Absicht, in die Dienste des Zaren einzutreten, am Wiener Hof bekannt gegeben, um die Meinung des Kaisers darüber zu erfahren. Dessen Reaktion sei aber negativ gewesen.96 Die unselige Geschichte endete schließlich damit, dass Joseph I. den Eintritt Heisters in russische Dienste verbot. Joseph I., so Huyssen, habe von Heister die Rückzahlung von 1.000 goldenen Dukaten verlangt, die er diesem übergeben hatte. Heister war eine Rückzahlung aber offenbar nicht möglich, weshalb er Huyssen mehrere Diamanten als Pfand übergab. Die Zusicherungen Heisters, nach Russland zu gehen, fuhr Huyssen fort, seien nur leere Versprechungen.97 Schuld an Heisters Haltung war möglicherweise Ogilvy, der ihm gegenüber den Dienst in Russland in einem schlechten Licht darstellte. Huyssen berichtete am 15. April 1707 Šafirov, Ogilvy rate Heister vom Dienst in Russland ab und habe zudem in Prag mitgeteilt, dass er nicht mehr im Dienst des Zaren stehe.98 Am 1. Juni informierte Huyssen Šafirov, Ogilvy lobe in verschiedenen Briefen an seine Bekannte nur den Zaren und dessen Infanterie; alle anderen in Moskau, insbesondere Menšikov, stelle er als geradezu unerträglich dar.99 Offenbar warb Huyssen auch Johann Christoph von Urbich für zaristische Dienste an. Dieser sollte in seiner Eigenschaft als Minister des Hofes in Wolfenbüttel Informationen vom schwedischen Hof in Sachsen an Huyssen weitergeben.100 Am 15. April 1707 informierte Huyssen Šafirov daraufhin, dass er Urbichs Ankunft aus Sachsen erwarte. In Abstimmung mit Menšikov habe er für ihn ein Jahresgehalt in Höhe von 1.000 Golddukaten erwirkt. Patkul habe ihm zwar noch mehr Geld versprochen, bisher aber noch nichts bezahlt.101 Am 8. Juni 1707 wurde Urbich in Lublin zum russischen Geheimrat,102 am 28. Juni dann zum bevollmächtigten Minister Russlands am Wiener Hof ernannt.103 Bis zum 18. Februar 1713 übte er dieses Amt aus104 und warb als Huyssens Nachfolger Fachleute für Russland an.105 Die Analyse von Huyssens Korrespondenz zeigt, dass viele europäische Offiziere, häufig aus alten und vornehmen Familien, und ebenso zahlreiche Beamte hohes Interesse an russischen Diensten hatten. Die Attraktivität einer Stellung in Russland war offenbar so hoch, dass Huyssen und die anderen Verantwortlichen zwischen zahlreichen Kandidaten auswäh94 Heinrich von Huyssen an Petr Pavlovič Šafirov, Wien 23. April 1707, Auszug. Ebd., 520f. 95 Heinrich von Huyssen an Petr Pavlovič Šafirov, Wien 28. Mai 1707, Auszug. Ebd., 521; Heinrich von Huyssen an Petr Pavlovič Šafirov, Wien 1. Juni 1707, Auszug. Ebd., 521. 96 Heinrich von Huyssen an Petr Pavlovič Šafirov, Wien 6. Juni 1707, Auszug. Ebd., 521. 97 Heinrich von Huyssen an Petr Pavlovič Šafirov, Wien 11. Juni 1707, Auszug. Ebd., 522. 98 Heinrich von Huyssen an Petr Pavlovič Šafirov, Wien 15. April 1707. Ebd., 555f. 99 Heinrich von Huyssen an Petr Pavlovič Šafirov, Wien 1. Juni 1707, Auszug. Ebd., 521. 100 Ebd., 752. 101 Heinrich von Huyssen an Petr Pavlovič Šafirov, Wien 15. April 1707. Ebd., 552f. 102 Bantyš-Kamenskij: Obzor vnešnich snošenij Rossii, Bd. 1, 43. 103 Peter I. an Joseph I., Lublin 28. Juni 1707. In: Pis’ma i bumagi, Bd. 5, 339f. 104 Ebd., 752. 105 Amburger: Die Anwerbung ausländischer Fachkräfte, 82.

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len konnten – obwohl gleichzeitig mit der Anwerbung ehemalige ausländische Mitarbeiter des Zaren, deren Karrieren in Russland aus verschiedenen Gründen gescheitert waren, von einem Eintritt in russische Dienste abrieten. Manch einer, wie Siegbert Heister, zeigte aber wohl auch nur deshalb Interesse an einem Wechsel nach Russland, um so den eigenen Dienstherrn unter Druck zu setzen und die eigene Karriere zu fördern. Trotz aller Misserfolge trug Huyssen durch seine Tätigkeit zur Stärkung der militärischen Macht des Zaren am Vorabend des schwedischen Einfalls bei. Bei der Anwerbung von hochrangigen ausländischen Militärspezialisten für Russland im Jahr 1707 zeigt sich, wie schon beim Schacher um Kandidaten für den polnischen Thron, die Überzeugung des Zaren, eine Schlüsselposition in den europäischen Angelegenheiten einzunehmen. Mit dem Wissen um die spätere Entwicklung, die katastrophale Niederlage der Schweden bei Poltawa 1709, schien das Jahr 1707 bisher nur ein Jahr des Übergangs zu sein, das auf den Gipfel der Machtentfaltung des 1706 in Mitteldeutschland stehenden Karl XII. folgte. Wenn Peter I. solche herausragenden Militärs wie Heister und später bekannte Staatsmänner wie Jakob Heinrich von Flemming gewinnen wollte, so kam darin ein in den Jahren zuvor noch nicht an den Tag gelegter Machtanspruch des Zaren zur Geltung. Aus russischer Sicht kann, auch mit Hilfe der Mitteilungen im Briefwechsel Heinrich von Huyssens, das Jahr 1707 eher als ein ausgesprochen erfolgreiches angesehen werden, bevor der schwedische Einmarsch die Existenz und die reformerischen Anfänge Peters des Großen bedrohen sollte.

9.2.2. Weitere Aufgaben Papst Clemens XI., dessen Pontifikat von 1700 bis 1721 währte, strebte eine Union der römisch-katholischen mit der russisch-orthodoxen Kirche an. Ziel dieses schon länger gehegten Planes war, wie bei ähnlichen Versuchen zuvor, die Unterordnung der russisch-orthodoxen Kirche unter die römisch-katholische. Moskau duldete aber die Machtansprüche der Katholiken nicht, sondern beanspruchte traditionell den gleichen Rang wie Rom.106 1707 reiste der russische Diplomat Boris Ivanovič Kurakin im Auftrag des Zaren nach Rom, um den Vatikan Russland gegenüber günstig zu stimmen und vom Papst die schriftliche Zusicherung zu erwirken, Stanislaus Leszczyński nicht als König von Polen anzuerkennen. Der Vatikan seinerseits hoffte, dass Peter I. im Gegenzug den Katholiken in Russland verschiedene Privilegien, darunter die freie Religionsausübung, zugestehen würde. Huyssen sollte die Verbindung nach Rom von Wien aus pflegen.107 Durch seine vielseitigen Kontakte erwies er sich bald als Schlüsselfigur im diplomatischen Spiel und konnte Kurakin bei seiner Mission unterstützen.108 Auch von katholischer Seite wurde er in Anspruch genommen. Von Breslau aus versuchte man Huyssen zum Beispiel für die Vermittlung bei einer Geldüberweisung an die Jesuiten in Moskau zu gewinnen.109 Durch seine Korrespondenz wurde Huyssen Teil eines Netzwerkes russischer Staatsmänner. Kurakin zeigte sich in einem Brief aus Breslau vom 11./22. Juli 1706 hocherfreut über 106 Winter: Rom und Moskau, 66–75; Nolte, Hans-Heinrich: Religiöse Toleranz in Russland: 1600–1725. Göttingen u. a. 1969 (Göttinger Bausteine zur Geschichtswissenschaft 41), 111, 118. 107 Winter: Rom und Moskau, 68; Haven: Nachrichten von Huyssen, 319. 108 Doerries: Rußlands Eindringen in Europa, 175. 109 Grau: Petrinische kulturpolitische Bestrebungen, 330f.

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beider Verbindung.110 Aus dessen Schreiben vom Frühling 1707 an Gavriil Ivanovič Golovkin und Aleksandr Danilovič Menšikov geht zudem hervor, dass Huyssen von Wien aus an der Lieferung von Briefen und Paketen aus Rom nach Russland beteiligt war;111 am 18. Mai 1707 schrieb er Menšikov, ihre aktuelle Korrespondenz sei durch die Abreise Huyssens aus Wien erschwert worden.112 Auch die Briefe Kurakins an Šafirov wurden unter Mitwirkung Huyssens zugestellt, so ein Schreiben vom 21. März 1707 aus Rom,113 ebenso ein Brief an Menšikov, der das gleiche Datum trägt.114 Ein lateinischer Brief des russischen Gesandten in London, Andrej Artamonovič Matveev, später Präsident des Justiz-Kollegiums,115 vom 3. Mai 1707 zeigt, dass das Netz russischer Diplomaten im Ausland hervorragend ausgebaut war. Aus dem Dokument geht hervor, dass Matveev an seinem Aufenthaltsort zwei Briefe von Huyssen bekommen hatte: den ersten durch einen Engländer und den zweiten, zusammen mit einem Brief Gavriil Ivanovič Golovkins, von einem Postreiter. Matveev versicherte, ihm aus London ausführlicher schreiben zu wollen und bat ihn, den Briefwechsel mit Johannes van der Burg fortzusetzen, der als russischer Agent in den Niederlanden tätig war. Seinem ehemaligen Sekretär, dem Schweden Swymerso, wollte Matveev keine weiteren Aufgaben mehr anvertrauen, weil dieser, wie er schrieb, ständig im Branntweinrausch sei. Matveev bat Huyssen, den beiliegenden Brief an Golovkin weiterzuleiten und alle weiteren Schreiben, die ihn betrafen, an van der Burg nach Amsterdam zu senden, von wo sie dann nach London geschickt würden.116 Huyssen sorgte aber nicht nur dafür, dass der Kontakt zwischen den russischen Staatsmännern nicht abriss, er mischte sich in seiner Funktion als Diplomat auch in Fragen von gesamteuropäischer Bedeutung ein. Haven berichtet, dass er dafür gesorgt habe, dass das Wappen Stanislaus Leszczyńskis aus der polnischen Nationalkirche in Rom entfernt wurde, was seine faktische Nicht-Anerkennung als König durch Papst Clemens XI. bedeutete. Da Huyssen die Akzeptanz Leszczyńskis durch den Kaiser nicht verhindern konnte,117 blieb die ablehnende Haltung des Papstes zu Stanislaus118 eine der wenigen für Russland ermutigenden politischen Tendenzen in Europa. In seinem Schreiben an Clemens XI. vom 18. Mai 1707 betonte Peter I., Leszczyński habe den polnischen Thron rechtswidrig durch die gewaltsame 110 Boris Ivanovič Kurakin an Heinrich von Huyssen, Breslau 11./22. Juli 1706. In: Semevskij, Michail Ivanovič/Smol’janinov, Vladimir Nikolaevič (Hg.): Archiv knjazja F. A. Kurakina, Bd. 1–10. Sanktpeterburg 1890–1902, hier Bd. 3, 340. 111 Boris Ivanovič Kurakin an Gavriil Ivanovič Golovkin, Rom 21. März 1707 und 18. April 1707. Ebd., 342f., 353f.; Boris Ivanovič Kurakin an Aleksandr Danilovič Menšikov, Rom 18. Mai 1707. Ebd., 361. 112 Boris Ivanovič Kurakin an Aleksandr Danilovič Menšikov, Rom 18. Mai 1707. Ebd., 361. 113 Boris Ivanovič Kurakin an Peter Pavlovič Šafirov, Rom 21. März 1707. Ebd., 343f. 114 Boris Ivanovič Kurakin an Aleksandr Danilovič Menšikov, Rom 21. März 1707. Ebd., 344. 115 Zu Matveev vgl. Šarkova, I[nna] S[ergeevna]/Ljublinskaja, A[leksandra] D[mitrievna] (Hg.): Russkij diplomat vo Francii (Zapiski Andreja Matveeva). Leningrad 1972; Baljazin, Voldemar N[ikolaevič]: Imperatorskie namestniki pervoprestol’noj. 1709–1917. Moskva 2000, 52–63; zu seiner Tätigkeit in London vgl. Aleksandrenko, V[asilij] N[ikiforovič]: Russkie diplomatičeskie agenty v Londone v XVIII veke, Tl. 1. Varšava 1897. 116 St.-Peterburgskij Filial Archiva RAN: fond 119, opis’ 1, edinica chranenija 2, [Andrej Artamonovič Matveev] an Heinrich von Huyssen, „vor der Küste bei Brielle“ 3. Mai 1707, 150r–150v. 117 Haven: Nachrichten von Huyssen, 319f. 118 Samerski, Stefan: Von der Trauer des Papstes – die Reaktion Clemens’ XI. auf die Altranstädter Konvention. In: Wolf, Jürgen Rainer (Hg.): 1707–2007 Altranstädter Konvention. Ein Meilenstein religiöser Toleranz in Europa. Halle a. d. Saale 2008 (Veröffentlichungen des Sächsischen Staatsarchivs A/10), 108–132; Winter: Rom und Moskau, 66f.

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Unterstützung des schwedischen Königs bestiegen. Ein solches Vorgehen habe zum „Untergang der Freiheit Polens“ geführt, weshalb ein neuer polnischer König rechtmäßig und „auf eine würdige Weise“ gewählt werden solle.119 Peter strebte also ebenfalls eine neue Königswahl an – wie bereits gezeigt wurde, hatte er sich bereits auf Kandidatensuche begeben. Kurakin sollte Peters Brief an Papst Clemens XI. weiterleiten. Kurakin erhielt ihn am 12./23. Juni 1707120 zusammen mit Golovkins Verhaltensinstruktionen für die Übergabe. Kurakin sollte zunächst mündlich vom Papst verlangen, seine Haltung zu Stanislaus Leszczyński offiziell und schriftlich darzulegen, und jenen dazu bewegen, Peter I. in seiner Antwort als „Majestät“ zu bezeichnen.121 Clemens XI. lehnte diese Forderungen jedoch rundweg ab, weshalb Kurakin ihm das Schreiben des Zaren vom 18. Mai 1707 nicht übergab und auch die Antwort-Urkunde des Papstes nicht annahm. Er verabschiedete sich am 9./20. Oktober vom Pontifex und reiste bereits am 10./21. Oktober aus Rom ab.122 So kam es dazu, dass die NichtAnerkennung Leszczyńskis durch den Papst für Russland nur mündlich überliefert wurde. Neben der Kontaktaufnahme zum Heiligen Stuhl nahm Huyssen weitere vielfältige Aufgaben in Wien wahr. 1707 sollte er John Churchill, Herzog von Marlborough, in geheimen Gesprächen dazu überreden, russische Interessen bei Königin Anna von Großbritannien zu unterstützen. Der Herzog hatte dieses Thema zuvor mit in London besprochen, wurde aber zunächst nicht aktiv. Sein Gespräch mit Huyssen zeigt, warum: Er verlangte ein russisches Fürstentum als Anerkennung für seine Hilfe.123 Der Entwurf eines Briefes Peters I. an Huyssen belegt Churchills Verhandlungsgeschick. Der Zar schrieb, dass dem Herzog im Fall einer erfolgreichen Vermittlung drei „Fürstentümer“ angeboten werden sollten, von denen er eines auswählen durfte: Wladimir, Kiew oder Sibirien. Darüber hinaus wurden ihm lebenslänglich Erträge von Ländereien, ein einzigartiger Rubin und der Andrej Pervozvannyj-Orden versprochen.124 Der „Orden des Heiligen Andreas des Erstberufenen“ war von Peter I. am 10. Dezember 1698 für Verdienste im Kampf gegen das Osmanische Reich und Personen, die mehr als den Generalleutnants-Rang innehatten, gestiftet und bisher an Franz Jakob Lefort, Fedor Alekseevič Golovin, Ivan Stepanovič Mazepa und Aleksandr Danilovič Menšikov verliehen worden. Der Handel kam jedoch wegen der schwankenden Position Churchills nicht zustande.125 Trotz dieses Misserfolgs arbeitete Huyssen für den Zaren unermüdlich weiter. In geheimen Gesprächen mit Joseph I. gelang es ihm, dass die sich aus Sachsen zurückziehenden Russen nach Polen entkommen konnten:126 Dieses Korps war unter der Führung Johann Matthias von der Schulenburgs nach der Niederlage bei Fraustadt quer durch Thüringen geflüchtet, hatte das kurmainzische Erfurt umgangen, sich mit den nachrückenden Schweden bei Eckartsberga und Ilmenau geschlagen und war über den Thüringer Wald nach Franken gezogen. Erstmals wurden in der Rhön, im Herzen des Heiligen Römischen Reiches, russi119 120 121 122 123

Urkunde Peters I. an Papst Clemens XI., „bei Lublin“ 18. Mai 1707. In: Pis’ma i bumagi, Bd. 5, 258f. Ebd., 658. Gavriil Ivanovič Golovkin an Boris Ivanovič Kurakin, „bei Lublin“ 18. Mai 1707. Ebd., 658f. Ebd., 659f. Tarle: Severnaja vojna, 122; Solov’ev: Istorija Rossii, Bd. 15, 180f.; Rothstein: Peter the Great and Marlborough. 124 Peter I. an Heinrich von Huyssen (Konzept), o. O. [Januar/Februar 1707]. In: Pis’ma i bumagi, Bd. 5, 60. 125 Pavlenko: Petr Velikij, 223; Tarle: Severnaja vojna, 122f.; Solov’ev: Istorija Rossii, Bd. 15, 181. 126 Haven: Nachrichten von Huyssen, 320.

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sche Truppen gesichtet. „Als die Schweden die 1130 Russen, so sich [...] haben retirirt, vom Kayser verlangt und vom Kays. Geh. Rath die Auslieferung derselben schon beschlossen, habe ich bewußter maßen vom Kayser ein Handschreiben ein gehändigt erhalten, und die Anstalt gemacht, daß die Mannschaften durch Kretschtschatik [Chreschtschatyk – Hauptverbindungsstraße in Kiew] nach Pohlen sich glücklich salvirt“,127 so Huyssen in seiner Autobiographie. Die Hilfstruppen wurden daraufhin der Armee des Kaisers unterstellt.128 Eine weitere Angelegenheit, mit der sich Huyssen in Wien beschäftigte, hatte mit den leitenden schwedischen Militärs zu tun, die nach der Schlacht bei Kalisch vom 29. Oktober 1706 in russische Gefangenschaft geraten waren. Die Urkunden Menšikovs an den schwedischen General Arvid Axel Mardefeld sowie an andere schwedische Offiziere gab Huyssen verschiedenen bedeutenden Personen in Wien – unter ihnen der schwedische Gesandte – zur Kenntnis, ließ sie vervielfältigen und verteilte sie. Die Originale händigte er Mardefeld und anderen schwedischen Offizieren aus; eine Antwort erhielt er allerdings nicht.129 Ferner befasste sich Huyssen mit den angeworbenen Offizieren, die der aus russischen Diensten „entwichene“ Generalingenieur Joseph Gaspard Lambert de Guerin von den Niederlanden nach Wien führte, „mit dem Zumuthen, ihnen die versprochenen Gelder in Wien auszuzahlen, und für ihre Ankunft bey der rußischen Armee Sorge zu tragen“, und der „Arretierung [...] Patkul[s], der die in Sachsen stehenden rußischen Hülfsvölker dem römischen Kaiser überlassen wollte“.130 Huyssen berichtete Šafirov am 15. April 1707 über die angebliche Absicht Friedrich Augusts I., Patkul nicht den Schweden, sondern den Engländern, Niederländern oder Preußen auszuliefern. Trotzdem sei Patkul in die Hände der Schweden gefallen. Man habe dem schwedischen Grafen Carl Piper viel Geld versprechen müssen, fuhr Huyssen fort, wenn er bei Karl XII. für die Begnadigung Patkuls sorgen würde.131 Ferner befasste sich Huyssen mit der Rückforderung der Ländereien in Polen und Litauen durch Karl von Neuburg, mit „kiowschen und ukrainischen“ Kaufleuten, die von den Schweden in Schlesien ausgeplündert worden waren und nun Reparationen verlangten, mit Russen, die aus der türkischen Sklaverei befreit worden waren und nach Wien kamen, dem „so betitelten Patriarchen der Russen und Kosaken griechischer Religion, in Ungarn“, der sich bei ihm und anderen Ministern gemeldet hatte, um die Freiheiten der Russen und der Kosaken zu behaupten. Diesem zeigte Huyssen die Anordnungen des Zaren.132 Zudem hatte Huyssen einige private Aufträge übernommen. So beaufsichtigte er einen jungen Russen, der auf Wunsch seines Vaters nach Wien gekommen war. Šafirov schrieb an Huyssen am 30. Januar 1706 in diesem Zusammenhang: „Ich habe dem Herrn W...loff wegen seines Sohnes übler Conduite gefragt, welcher darüber sich sehr chagriniret und bittet, den Sohn hart zu halten und zu bestrafen, doch als Vater in der Fremde nicht zu verlassen.“ Acht Monate später berichtete Šafirov: „Mit befremden ersehe, daß Wf. sich bey Ihnen so übel aufgeführt [hat]; weil aber sein Vater denselben ihrer disposition überlassen, so hätten wir lieber gesehen, daß Sie ihn brav gestraft und scharf gehalten [hätten], und so er sich nicht 127 128 129 130 131

Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana III, H[einrich] v[on] Huyssen’s Autobiographie, 47. Metasch: 300 Jahre Altranstädter Konvention, 29. Pekarskij: Nauka i literatura, Bd. 1, 100. Haven: Nachrichten von Huyssen, 321. Heinrich von Huyssen an Petr Pavlovič Šafirov, Wien 15. April 1707. In: Byčkov u. a. (Hg.): Pis’ma i bumagi, Bd. 5, 554. 132 Haven: Nachrichten von Huyssen, 321.

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gebessert hätte, ihn lieber aus Hamburg und von dorth aus nach Archangel [Archangelsk] hätten gehen lassen, als so allein in die Fremde verschicket, da Er vollends verführt [werde] und gar verderben kann.“133 Mit einer solchen Fülle an privaten und dienstlichen Aufgaben war Huyssen ganz offensichtlich überlastet. In seinem Brief an Huyssen vom 16./27. Januar 1707 beklagte sich Golovkin, dass verschiedene russische Staatsmänner nicht die Kopien ihrer Korrespondenz in die Kanzlei des Zaren schickten.134 Manche Briefe, die Huyssen während seines Aufenthalts in Wien bekam, erlauben Auskünfte über die Funktionsweise der Beziehungen zu seinen Korrespondenzpartnern. Ein treffendes Beispiel hierfür ist ein Brief Golovkins an Huyssen von 1706 aus Schowkwa, in dem er ihm seine „dienstwilligkeit“ versicherte und ihm seinen „willigsten fleiß darzu hiermit bezeigen“ wollte. Als Gegenzug bat Golovkin Huyssen, ihn von „allen dortigen Begebenheiten“ zu informieren.135 Exemplarisch ist auch der Brief Šafirovs an Huyssen vom 8. Mai 1708 aus Neutra, in dem er berichtete, dass er seine Reise nach Neuhäusel wegen einer Krankheit absagen musste, außerdem sei das Geld „ziemlich auß geflogen“.136 Man gewinnt aus den Briefen den Eindruck, dass Huyssen seinen Korrespondenzpartnern nicht nur dienstlich, sondern auch privat nahe stand, was seinen beachtlichen Einfluss noch zusätzlich untermauerte.

9.2.3. Rückkehr nach Russland Dass Huyssen Johann Christoph von Urbich für russische Dienste angeworben hatte, gereichte ihm schließlich zum Nachteil, denn nachdem Urbich am 28. Juni 1707 zum bevollmächtigten Minister Russlands am Wiener Hof ernannt worden war, versuchte er, Huyssen zu verdrängen.137 In einem Brief an Leibniz vom 13. Juni 1708 aus Wien schimpfte Urbich über Huyssen, dass dieser sich in Wien überall einmische, obwohl er bereits vor einem Jahr aus der österreichischen Hauptstadt hätte abreisen sollen. Stattdessen versuche er zwischen dem Zaren und Franz II. Rákóczi vertrauensvoll zu verhandeln, sehr zum Ärgernis des Wiener Hofes und ohne Zustimmung Peters I.; Huyssen sei „wenig treu sowohl seinem Herrn, als auch den Alliierten, als auch sich selbst gegenüber“.138 Am 4. August 1708 meldete Urbich an Leibniz, dass Huyssen, dessen Verhalten zu einem Vertrauensverlust geführt habe, endlich nach Ungarn abgereist sei.139

133 Petr Pavlovič Šafirov an Heinrich von Huyssen, o. O. 30. Januar 1706, Auszug. Zit. nach Glümer: Heinrich Huyssen, 146. 134 St.-Peterburgskij Filial Archiva RAN: fond 119, opis’ 1, edinica chranenija 2, Gavriil Ivanovič Golovkin an Heinrich von Huyssen, Schowkwa 16./27. Januar 1707, 49r–49v. 135 Ebd., fond 119, opis’ 1, edinica chranenija 2, Gavriil Ivanovič Golovkin an Heinrich von Huyssen, Schowkwa 24. [?] 1706, 46r–46v. 136 Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana I, Petr Pavlovič Šafirov an Heinrich von Huyssen, Neutra 8. Mai 1708, 24. 137 Petschauer: Heinrich van Huyssen and Peter the Great, 491f.; Glümer: Heinrich Huyssen, 147f.; Guerrier: Leibniz, 52f. 138 „peu fidel ny au maître, ny aux unis ny à soy même“. Johann Christoph von Urbich an Gottfried Wilhelm Leibniz, Wien 13. Juni 1708. In: Guerrier: Leibniz, Anhang 82f. 139 Johann Christoph von Urbich an Gottfried Wilhelm Leibniz, Wien 4. August 1708. Ebd., Anhang 84f.

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Urbich gelang es, Huyssen in den Augen Leibnizens, Rákóczis140 und verschiedener russischer Staatsmänner zu diskreditieren und sich den ersehnten Posten in Wien allein zu sichern. Leibniz war wohl von Urbichs Anschuldigungen beeindruckt, denn im Jahr 1708 brach der Briefwechsel zwischen ihm und Huyssen ab und wurde, soweit bekannt, erst 1711 wieder aufgenommen. Urbich war fortan für Leibniz der erste Ansprechpartner, wenn es um Russland ging.141 Auch bei Šafirov beschwerte sich Urbich über Huyssen, wie aus Briefen aus den Jahren 1707 und 1708 hervorgeht. So warf Urbich ihm vor, dass er über zaristische Gelder eigenmächtig verfügt und Leutnant Gross, der wichtige Nachrichten der russischen Armee überbringen sollte, aufgehalten habe. Huyssen war allerdings nicht der Einzige, über den Urbich herzog, auch andere Mitglieder der russischen Gesandtschaft in Wien wurden von ihm scharf angegriffen.142 Kurakin beanstandete ebenfalls Huyssens Umgang mit Geld. In einem Brief an Šafirov vom Januar 1708 aus Wien beklagte er sich über Huyssen, dass dieser ihm eine Zahlung aus Menšikovs Kasse versprochen habe, die aber nicht erfolgt sei. Er könne wegen Geldmangels nicht aus Wien abreisen und habe auch keine Möglichkeit, sich etwas zu leihen. Durch ein solches Verhalten habe Huyssen das Vertrauen aller verloren. Weiter berichtete Kurakin, dass man nicht wisse, wann bzw. ob Huyssen nach Russland abreisen werde. Er habe seine Anklage gegen Huyssen an Urbich gerichtet und bitte Šafirov, Menšikov zu melden, er, Kurakin, sei in dieser Angelegenheit unschuldig.143 Kurakin informierte auch Menšikov direkt in einem Brief vom 24. Januar 1708 aus Wien. Er beschuldigte Huyssen, dass dieser den Wechsel eines Kaufmanns nicht ausgezahlt habe, weshalb er seinen Aufenthalt in Wien habe verlängern müssen.144 Huyssen glaubte, sich gegen diese Anschuldigungen am besten von Wien aus wehren zu können, weshalb er seine Abreise aufschob. Voller Sorge schrieb er am 4. Februar 1708 an Peter, dass er sich seit seinem Eintritt in russische Dienste um die Interessen des Zaren mit ganzer Kraft bemühe. Peter I. habe dies auch erkannt und ihn darin befördert. Es sei ihm aber zu Ohren gekommen, dass man versuche, ihn beim russischen Ministerium in Misskredit zu bringen. Huyssen fürchtete sich ohne Zweifel nach seiner Rückkehr nach Russland vor Repressalien. Er appellierte an die Gnade Peters I. und bat ihn, den falschen Meldungen nicht zu glauben, sondern ihm die Möglichkeit zu geben, diese zu widerlegen.145 Die Sorge vor Ungemach in Russland veranlasste Huyssen, sich Zeugnisse und Empfehlungsschreiben von einflussreichen Persönlichkeiten zu beschaffen. So versicherte Prinz Eugen dem Zaren in seinem „gezeugnüß“ vom 7. März 1708, dass Huyssen sich am Wiener Hof nicht nur gut aufgeführt, sondern sich auch nachdrücklich – „wie es einem dergleichen Minister zustehet“ – für die Interessen des Zaren und für „die Erhaltung der guten Freund-

140 Glümer: Heinrich Huyssen, 148. 141 Die umfangreichen Briefe zwischen Leibniz und Urbich in: Guerrier: Leibniz, Anhang 73, 76, 78–94, 100–102, 104–135, 143f., 146–161, 163–166. 142 Ebd., 52f. 143 Boris Ivanovič Kurakin an Peter Pavlovič Šafirov, Wien [Januar 1708]. In: Semevskij/Smol’janinov (Hg.): Archiv knjazja F. A. Kurakina, Bd. 3, 369. 144 Boris Ivanovič Kurakin an Aleksandr Danilovič Menšikov, Wien 24. Januar 1708. Ebd., 372. 145 St.-Peterburgskij Filial Archiva RAN: fond 119, opis’ 1, edinica chranenija 12, Heinrich von Huyssen an Peter I., Wien 4. Februar 1708 [in russischer Übersetzung], 20r–23r. Vgl. das deutsche Original im privaten Archiv Peter Petschauer: Huissiana IV, 12–15.

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schafft zwischen Ihro Kayserl. und Ewer Czaarischen Mays.“ eingesetzt habe.146 Erst nachdem Huyssen sich derart Beistand gesichert hatte, wagte er im Mai 1708 die Rückkehr nach Russland. Aus dem Brief Kurakins an den Sekretär Peters I., Aleksej Vasil’evič Makarov, vom 28. Mai 1707 aus Rom geht hervor, dass Huyssen zu diesem Zeitpunkt schon aus Wien abgereist war.147 Die Rückreise führte Huyssen durch Ungarn, das sich unverändert im Aufstand gegen den Kaiser befand. Bereits vor seiner Abreise aus Wien korrespondierte er mit Franz Rákóczi, der vorschlug, über einen Kurier zu verhandeln, der auf Huyssen in Potok warten sollte. Rákóczi schrieb, dass er Huyssen weitere Informationen über seine Truppen geben wolle. Darüber hinaus berichtete er über die steigende Vorsicht des Wiener Hofes gegenüber den Absichten des Zaren. All diese Nachrichten seien so brisant, dass man sichere Übermittlungswege finden müsse, um Urbich über die ungarischen Angelegenheiten zu informieren.148 Rákóczi bat Huyssen, bei Peter I. für Friedensverhandlungen zwischen ihm und dem Kaiser zu werben.149 Huyssen empfahl dem Führer der ungarischen Aufständischen, sich direkt an den Zaren oder an Urbich zu wenden, da die Verhandlungen über Krieg und Frieden nicht in seiner Kompetenz lägen.150 Rákóczis Plan, unter Vermittlung Russlands Frieden mit Joseph I. zu schließen, war gewiss vielversprechend für Peter, der sich so unter Umständen Siebenbürgen hätte sichern können. Dieses mögliche Zugeständnis an Peter zeigte, dass er sich von den österreichischen Truppen zu diesem Zeitpunkt bereits erheblich unter Druck gesetzt fühlte. Im Gegenzug verlangte Rákóczi lediglich die Besetzung seines Herrschaftsgebiets durch russische, nicht österreichische Truppen. Dies konnte Peter I. allerdings nicht zusagen, weil schwedische Truppen zu diesem Zeitpunkt unterwegs nach Russland waren.151 Ein Brief Rákóczis an Urbich wurde von Huyssen über einen Offizier an den Empfänger gebracht. Urbich ließ das Schreiben aber zunächst unbeantwortet, offenbar um Huyssen zu diskreditieren.152 Auch der ukrainische Hetman Ivan Stepanovič Mazepa, der wegen seines Übertritts zu den Schweden im Oktober 1708 auf russischer Seite als Verräter galt,153 bat Huyssen während dessen Durchreise um ein persönliches Treffen und schickte ihm einen Geleitbrief. Mazepa musste die Zusammenkunft dann aber absagen, weil ihn ein neuer Auftrag des Zaren in eine andere Gegend schickte; gleichwohl bedankte er sich bei Huyssen, dass dieser sein Ansehen am Wiener Hof befördert habe.154 146 Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana III, Prinz Eugen an Peter I., Wien 7. März 1708, 251. 147 Boris Ivanovič Kurakin an Aleksej Vasil’evič Makarov, Rom 28. Mai 1707. In: Semevskij/Smol’janinov (Hg.): Archiv knjazja F. A. Kurakina, Bd. 3, 362f. 148 Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana I, [Franz Rákóczy] an [Heinrich von Huyssen], Erlau 20. Mai 1708, 82–84. 149 Haven: Nachrichten von Huyssen, 322. 150 Glümer: Heinrich Huyssen, 147. 151 Haven: Nachrichten von Huyssen, 322. 152 Glümer: Heinrich Huyssen, 147f. 153 Zur Person Mazepas und dessen widersprüchlicher Bewertung aus ukrainischer Sicht Pavlenko, Serhij: Ivan Mazepa. Kyïv 2003; Žuravl’ov, Denys V.: Ivan Mazepa. Kyïv 2009; aus russischer Sicht, ausgewogen wertend Tairova-Jakovleva: Mazepa; bibliographische Materialien: Kovalev’ska: Ol’ha: Mazepiana. Materialy do bibliohrafiï (1688–2008). Kyïv 2009; Woldan, Alois: Ivan Mazepa in der deutschsprachigen Literatur. In: Wiener slavistisches Jahrbuch 56 (2010) 141–160; Hoffmann: Peter der Große als Militärreformer und Feldherr, 106–108. 154 St.-Peterburgskij Filial Archiva RAN: fond 119, opis’ 1, edinica chranenija 1, Ivan Stepanovič Mazepa an [Heinrich von Huyssen], „vom Lager am Fluss Ros“ 17. Juli 1708, 6r–6v.

Aufgaben als Anwerber, Diplomat und Jurist

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Im November 1708 erreichte Huyssen Breslau und schrieb von dort aus an Peter I., dass man sich vor Ort keine Sorgen machen müsse und dass er einen Bericht über „diesen ruhmreichen Sieg“ habe drucken lassen. Er meinte damit den Sieg der Russen in der Schlacht bei Lesnaja vom 28. September/9. Oktober 1708. Er selbst, aber auch die vornehmen Breslauer hätten sich über den Sieg gefreut.155 Nach seiner Rückkehr ins russische Lager stellte Huyssen fest, dass seine Sorgen unbegründet gewesen waren und er durch seinen Konkurrenten, Urbich, nicht bedroht war.156 Im Folgenden übernahm er im Auftrag Peters I. zahlreiche neue Aufgaben. Er befragte schwedische Kriegsgefangene und Überläufer aus Weißrussland, arbeitete in der Kanzlei und fertigte Kuriere ab. In Russland erstellte Huyssen unter anderem Schriften zur Affäre um den Grafen Matveev, der 1708 als Diplomat und Vertreter Russlands in London gewirkt hatte und dort zu Unrecht verhaftet, ja sogar tätlich angegriffen worden war.157 Während seiner Reise mit dem Zarewitsch Aleksej über Baturyn nach Kiew zum Zaren und weiter nach Lublin und Krakau kamen neue Aufträge auf Huyssen zu. Als der Feldherr König Stanislaus Leszczyńskis, der Woiwode von Kiew Józef Potocki, mit 6.000 Mann die russischen Truppen an der schlesischen Grenze angriff, sorgten Huyssen und der in russischen Diensten stehende General Golz dafür, dass Potocki den Rückzug über Krakau nach Ungarn antreten musste. Huyssen hatte in Krakau nicht nur seinen täglichen Dienst für Aleksej zu verrichten, sondern sich unter anderem auch um die Amtseinführung des dänischen und des Wolfenbüttelschen Gesandten zu kümmern. Er musste ferner den gefangenen schwedischen und „Stanislaischen“ Geheimsekretär Klingenström verhören und Befehle und Briefe Karls XII. für den Senat in Stockholm, die Klingenström bei sich trug, „extrahiren“ und weiterleiten. Er hatte Oberst Kruse und verschiedene Polen zu vernehmen und weitere „Streit- und Criminal-Sachen“ zu erledigen. Außerdem half er dem Kommandanten in Warschau, Oberst Ravenstein, bei der Entscheidung „vorfallender Reichssachen“.158 Von großer diplomatischer Bedeutung waren Huyssens Bemühungen um die formelle Bezeichnung der Zaren in Europa, die seiner Meinung nach nicht der wirklichen Geltung der russischen Herrscher entsprach. Während Peter I. den Kaisertitel offiziell erst seit 1721 trug,159 bezeichnete Huyssen ihn bereits 1708 als „Eur. Kayserl.“ Majestät.160 Er war bemüht, diese Praxis mit Belegen aus der Geschichte zu begründen. Nach seinem Bericht im Journal des Herrschers Peter von 1695 bis 1709 wurden zum Beispiel im Westfälischen Friedensdokument von 1648 der Name und der Titel des Zaren Aleksej I. Michajlovič, Vater Peters I., auf Veranlassung Schwedens weggelassen. Der Zar sei nur als der „Grosse, Moskowitische“, das 155 Ebd., fond 119, opis’ 1, edinica chranenija 12, Heinrich von Huyssen an Peter I., Breslau 29. November 1708 [in russischer Übersetzung], 44r–46v. Zur Schlacht bei Lesnaja vgl. Hoffmann: Peter der Große als Militärreformer und Feldherr, 108f. 156 Glümer: Heinrich Huyssen, 148. 157 Haven: Nachrichten von Huyssen, 322f.; Doerries: Rußlands Eindringen in Europa, 158f. Zur Affäre um Andrej Artamonovič Matveev vgl. Tarle: Severnaja vojna, 131f., 170; Aleksandrenko, V[asilij] N[ikiforovič]: Delo ob oskorblenii russkago posla v Londone A. A. Matveeva. In: Žurnal Ministerstva Narodnago Prosveščenija 289 (1893) 158–172, hier 160. 158 Haven: Nachrichten von Huyssen, 323. 159 Akt podnesenija Gosudarju Carju Petru I titula Imperatora Vserossijskago i naimenovanija: Velikago i Otca Otečestva, 22. Oktober 1721. In: [Speranskij u. a.] (Hg.): Polnoe sobranie zakonov, Bd. 6, Nr. 3840, 444–446. 160 Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana IV, Heinrich von Huyssen an Peter I., Wien 4. Februar 1708, 12.

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Als Repräsentant Peters I. in Wien (1705–1708)

auch noch an der falschen Stelle, bezeichnet worden.161 Im Gegensatz dazu seien alle anderen christlichen Herrscher mit ihren Titeln genannt worden. Dies war nach Auffassung Huyssens unangemessen. Auf ähnliche Weise sei der russische Herrscher im fünften Artikel des Vertrages von Oliva von 1660 diskreditiert worden, und zwar trotz Einspruchs des russischen Gesandten, der sich damals in Danzig aufgehalten hatte, durch die Schuld Schwedens.162 Huyssen trug durch seine Tätigkeit in Wien zum Aufstieg Russlands zur europäischen Großmacht bei. Durch die nachfolgenden Siege konnte Peter I. die Bedeutung Russlands im Gesamtsystem der damaligen Staatenwelt sichern. Huyssen wirkte in Wien in der Zeit, als der Wendepunkt des Krieges zugunsten Russlands, den 1709 die Schlacht bei Poltawa markierte, noch nicht eingetreten war. Nachdem Peter durch die Altranstädter Konvention mit Friedrich August I. von Sachsen seinen einzigen noch verbliebenen Verbündeten der ursprünglich gegründeten antischwedischen Koalition verloren hatte, war er über viele Jahre isoliert. Die Seemächte, England und die Niederlande, verhielten sich neutral, sie sahen in Russland noch keinen Konkurrenten und glaubten nicht, dass Peter I. imstande sei, die schwedische Gefahr zu bannen. Den Aufstieg des Zarenreichs suchte man an den europäischen Höfen mit allen Mitteln zu verhindern. Die Bemühungen anderer russischer Diplomaten – Matveevs in London und Kurakins in Rom – waren zur Zeit von Huyssens Wirken in Wien ebenfalls nicht von Erfolg gekrönt.

161 „ibo nazyvali Ego prosto Velikim Moskovskim“ (da man ihn einfach als Grossen Moskowitischen bezeichnete). Gizen: Žurnal Gosudarja Petra I. s 1695 po 1709, 156. 162 Ebd., 156f.

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10. Historiographische Beiträge 10.1. Unabhängige schriftstellerische und herausgeberische Tätigkeit Seine Reisen und Kontakte zu bedeutenden Zeitgenossen regten Huyssen dazu an, seine Erlebnisse niederzuschreiben und zu veröffentlichen. Nachdem er in Speyer die Zerstörungen des Pfälzischen Erbfolgekrieges wahrgenommen und die Unterbrechung der Arbeit des Reichskammergerichts erlebt hatte,1 wurde er 1689 in Straßburg mit einer Dissertation zum Thema Stillstand des Gerichts zum Doktor beider Rechte promoviert. Darin behandelte er die Zeiten von Kriegen, Seuchen und andere Perioden, in denen die Gesetze außer Kraft geraten konnten. Damit betrat Huyssen Neuland, denn diese Thematik war bisher noch nicht, wie er aus der Durchsicht der Literatur beurteilen konnte, methodisch und „ex professo“ abgehandelt worden. Huyssens Meinung nach war aber gerade dieses Thema aktuell: „Wie die Gerechtigkeit, so sind auch und sogar besonders die Prediger der Gerechtigkeit in jedem beliebigen Staatswesen nicht nur nützlich, sondern vor allen anderen notwendig. Gegensätze werden offenbarer, wenn man sie einander gegenüberstellt: Woraus bestünde nämlich der Staat, wenn dieses Band [der Gerechtigkeit], von dem alleine er zusammengehalten wird, gelöst und weggenommen würde, wenn nicht aus Plünderungen und grossen Raubzügen?“2 Ferner berichtet Huyssen in seiner Autobiographie von der Niederschrift „einige[r] Tracktätgens über verschiedene Particularitaeten von anfang des französischen Kriegs im Reichsland, in Savoyen[,] auch vom Durchmarsch der Waldenser und von der in Nion [Nyon] geschehenen Execution des [Jean Jacques] Bourgeois“, des Hauptmannes der Waldenser, im Jahr 1689. Diese Schriften wurden laut Huyssen 1691 in Leipzig gedruckt,3 sind jedoch bisher bibliographisch nicht nachgewiesen. Huyssen interessierte sich lange Zeit für die römischen Konklaven, ein Thema, das zur damaligen Zeit von großer allgemeiner Bedeutung war. 1667 war in Form einer Chronik das Werk des italienischen Historikers und Schriftstellers Gregorio Leti Conclaui de’ pontefici Romani erschienen.4 Es behandelte die Konklaven der Päpste Clemens V., Urban VI. und ihrer Nachfolger von Nikolaus V. bis Alexander VII. Dabei zeigte sich Leti der Kurie sehr kritisch gegenüber, hatte er doch im Hause seines Onkels, des Prälaten in Rom Nicolas Leti, zahlreiche Intrigen und Missbräuche am päpstlichen Hof unmittelbar miterlebt.5 Letis Werk 1 Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana III, H[einrich] v[on] Huyssen’s Autobiographie, 17. 2 „Ut Justitia, ita & vel maximè Justitiae sacerdotes qualibet in Rep. non utiles modò, sed & inprimis necessarii vsunt. Contraria juxta se posita magis elucescunt; Quid enim Pespublica vinculo hoc, quo unicè cohaeret, soluto & sublato, nisi depraedationes & magna latrocinia?“ Huyßen: Disputatio vom Stillstand des Gerichts, Vorrede, unpag. 3 Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana III, H[einrich] v[on] Huyssen’s Autobiographie, 22. 4 [Leti, Gregorio]: Conclaui de’ pontefici Romani. Quali si sono potuti trouare fin à questo giorno. O. O. 1667. Ein Verzeichnis aller Ausgaben und Auflagen von Letis Werk in italienischer und französischer Sprache bei Krivatsy, Nati: Bibliography of the Works of Gregorio Leti. New Castle 1982, 20–23. 5 Krivatsy: Bibliography, 3f.

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Historiographische Beiträge

wurde von Claude Vanel ins Französische übersetzt und 1689 in Paris sowie 1691 in Lyon veröffentlicht. Noch im selben Jahr kam in Lyon eine zweite Auflage des Werkes in französischer Sprache heraus, ergänzt durch eine Beschreibung der drei letzten Konklaven.6 1694 erschien in Köln der Neudruck des Werkes unter dem Titel Histoire des Conclaves depuis Clement V. jusqu’à present, Augmentée, Depuis la premiere édition, de plusieurs memoires concernans le Pape & les Cardinaux d’aujourdhui, & les principales familles de Rom; où l’on apprend quantité de particularitez de cette cour.7 Als Herausgeber des Werkes konnte Huyssen ermittelt werden;8 dies wird auch durch seine Lebensbeschreibung bestätigt: „1694 Histoire des Conclaves avec les mémoires concernant le Pape et les Cardinaux d’aujourdhuy et les principales familles de Rome avec les additiones und Kupferstichen in 2 Thomis zum ersten mahl bei Joan van de Waater Buchdruckhir in Utrecht edirt.“9 Im Vorwort wird die Aktualität des Themas herausgestrichen, da der römische Hof großen Einfluss auf die Angelegenheiten Europas ausübe. „wenn man weiss, welche Partei ihn [einen neuen Papst] auf den Thron gesetzt hatte“, könne man „die Schachzüge der raffiniertesten Politik“ und die Pläne des Neugewählten erkennen. Bei der Beschreibung habe man sehr vorsichtig sein müssen, da der Vatikan versuche, manches vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Trotzdem gebe es einige Abhandlungen über die Papstwahl, fuhr der Verfasser in seiner Vorrede fort. Er erwähnte den zuletzt an der Universität Helmstedt tätigen Universalgelehrten Hermann Conring und „diverse andere Personen“, die diesem mit ihren Abhandlungen über die Papstwahl gefolgt seien.10 All diese Schriften habe man zu einem Sammelwerk zusammengetragen, das in Lyon gedruckt worden sei. Es enthalte die Beschreibung aller Konklaven, die sich seit etwa vier Jahrhunderten, bis zum Pontifikat Alexanders VIII., ereignet hatten. Dieses Buch sei aber mittlerweile nahezu vergriffen, „besonders in hiesigen Ländern[,] wegen der Unterbrechung des Handels mit Frankreich“. Die vorliegende Ausgabe sei notwendig, „damit der Öffentlichkeit die Lektüre eines so angenehmen Werkes nicht vorenthalten wird“.11 1703 erschien die dritte Auflage der Histoire des Conclaves, die um eine Beschreibung Clemens’ XI. erweitert worden war.12 Herausgeber war vermutlich Casimir Freschot,13 obwohl auch Huyssen in der Forschung als Editor genannt wurde.14 1740 erschien anonym die deutsche Übersetzung des Werkes Histoire des Conclaves ohne Ortsangabe unter dem Titel 6 Ebd., 22. 7 [Huyssen, Heinrich von] (Hg.): Histoire des Conclaves depuis Clement V. jusqu’à present, Augmentée, Depuis la premiere édition, de plusieurs memoires concernans le Pape & les Cardinaux d’aujourdhui, & les principales familles de Rom; où l’on apprend quantité de particularitez de cette cour, Bd. 1–2 [Traduit de l’Italien par Claude Vanel]. Lyon ²1691 [¹1667; ND Cologne 1694], hier Bd. 1, Vorrede, unpag. 8 Krivatsy: Bibliography, 23. 9 Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana III, H[einrich] v[on] Huyssen’s Autobiographie, 24. 10 [Huyssen] (Hg.): Histoire des Conclaves, Bd. 1, Vorrede, unpag. Vgl. Conringius, Hermannus: Historia electionis Alexandri VII. Papae. Helmestadii 1657; ders.: De electione Urbani IIX et Innocentii X Pontificum Commentarii historici duo. Helmstadii 1651. 11 [Huyssen] (Hg.): Histoire des conclaves, Bd. 1, Vorrede, unpag. 12 [Freschot, Casimir] (Hg.): Histoire des Conclaves Depuis Clement V. jusqu’à présent. Enrichie De plusieurs Memoires, qui contiennent l’Histoire du Pape & des Cardinaux d’aujourd’hui, & celle des principales Familles de Rome; où l’on apprend quantité de Particularitez de cette Cour, Bd. 1–2. Cologne ³1703 [¹1667]. 13 Krivatsy: Bibliography, 23. 14 Pekarskij: Nauka i literatura, Bd. 1, 91.

Unabhängige schriftstellerische und herausgeberische Tätigkeit

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Beschreibung des Römischen Conclave und aller Umstände:15 Mit Papst Clemens XII. war in diesem Jahr der erste europäische Potentat gestorben, König Friedrich Wilhelm I. in Preußen sowie Kaiser Karl VI. sollten folgen. Als Verfasser der Schrift gilt Gottlieb Schumann, als Erscheinungsort Leipzig.16 Im Gegensatz zu den früheren voluminösen Ausgaben bestand die deutsche Übersetzung nur aus 56 Seiten. Der Übersetzer bezeichnete Huyssen als Verfasser des Werkes, bemerkte aber, dass das Buch zuerst in italienischer Sprache erschienen und daraufhin ins Französische übersetzt worden sei. Die aktuelle Ausgabe sei für die Personen, „die nicht studiret“ hatten, angefertigt und mit Anmerkungen für die „Anfänger in den Historischen Wissenschafften“ versehen worden.17 Das Werk wurde aber auch durch eine Beschreibung der Herrschaft Papst Clemens’ XII.18 und durch einen „Catalogum der ietztlebenden Cardinäle nach der Zeit ihrer Promotion, und hierauf auch wie sie in dem itzigen Conclave nach den Looß ihre Cellen erhalten haben“, ergänzt.19 Der Autor betrachtete die Papstwahl in dieser Ausgabe ganz allgemein und konzentrierte sich mehr auf die Beschreibung der Tatsachen als auf deren Bewertung. In allen Einzelheiten beschrieb er die Umstände, „welche bey dem Tode eines Pabstes bis nach der geschehenen neuen Wahl vorfallen“: den Tod eines Papstes, dessen Beerdigung und die damit verbundenen Zeremonien sowie die Zusammensetzung des Konklaves und das anschließende Papstwahlverfahren. Die Schrift berichtete, dass zunächst die weltlichen Herrscher und dann das römische Volk von der Papstwahl ausgeschlossen worden waren; die Papstwahl habe seither im engen Kreis der Kardinäle im Vatikan stattgefunden. Schumann begann sein Werk mit dem Konklave, das der Wahl Clemens’ V., des ersten Papstes, „unter de[m] man ein Conclave findet“, vorausgegangen war. Gleichwohl schrieb er in aller Regel nicht über konkrete Personen, sondern stellte eher allgemeine Betrachtungen an. Kritisch äußerte er sich über die „geistliche Gewalt“ der Päpste, welche „sich über die weltliche zu erheben“ suche. Das Werk berichtete weiter über die Informationspolitik des Vatikans beim Tod eines Papstes und der Wahl eines Nachfolgers. Es beschrieb eingehend die „Qualitäten“, die für die Kandidaten erforderlich seien: Sie müssten „von guten Sitten seyn, oder zum wenigsten das Ansehen eines frommen Lebens“ und „eine kluge und weise Aufführung an sich haben“, dürften nicht jünger als 55 Jahre alt sein und anderes mehr. Das Werk wurde offensichtlich gut angenommen, denn es erschloss der deutschen Öffentlichkeit die Papstwahl, laut Verfasser „die allerwichtigste Sache, welche in der Christenheit vorgehet“,20 wobei der Leipziger Publizist vor allem ein protestantisches Publikum im Auge gehabt haben dürfte. Außer für kirchliche Rechtsangelegenheiten und die Konklaven interessierte sich Huyssen für die Herausgabe von Sammlungen historischer Quellen zur polnischen Geschichte. 1703 erschien in Leipzig unter seiner Mitwirkung eine Sammlung der „Briefe, Aufträge und 15 [Schumann, Gottlieb]: Beschreibung des Römischen Conclave und aller Umstände welche bey dem Tode eines Pabstes bis nach der geschehenen neuen Wahl vorfallen. [Leipzig] 1740. 16 Deutsches Anonymen-Lexikon 1501–1850, Bd. 1. Weimar 1902, 202; Hillert, Siegfried: Gottlieb Schumann – Redakteur der „Leipziger Zeitungen“ während der Studienjahre Radiščevs in Leipzig. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Universität Leipzig. Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe 26 (1977) 369–377. 17 [Schumann]: Beschreibung des Römischen Conclave, Vorrede, unpag. 18 Ebd., 48–52. 19 Catalogum der ietztlebenden Cardinäle nach der Zeit ihrer Promotion, und hierauf auch wie sie in dem itzigen Conclave nach den Looß ihre Cellen erhalten haben. Ebd., 52–56. 20 Ebd., 5, 8–11, 38.

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Historiographische Beiträge

Antworten“ des polnischen Königs Sigismund II. August.21 Im selben Werk wurden zehn Briefe und eine Rede Stephan Báthorys an die polnischen Stände veröffentlicht. Dazu kamen zwei kleine Schriften über die Königswahl Sigismunds III. Wasa. Dass Huyssen die Materialien aus seiner Bibliothek zur Verfügung gestellt hatte, wie auch aus dem Titel des Werkes hervorgeht, zeugt davon, dass ihm die Erschließung von Quellen für die Leser und die Forschung ein großes Anliegen war.22 1704 wurden in Köln unter seiner Beteiligung Raimondo Montecuccolis Memorie […] che rinfermano una esatta Instruzzione de i Generali ed Ufficiali di Guerra veröffentlicht.23 Das italienischsprachige Werk über den österreichischen Feldherrn, Diplomaten und Freund der Wissenschaften und Künste war Peter I. gewidmet. Huyssen war es auch, der einen Neudruck der Geschichte Polens aus der Feder des polnischen Historikers des 15. Jahrhunderts Jan Długosz veranlasste. Sie war erstmals 1615 als Historia Polonica Joannis Dłvgossi sev Longini Canonici Cracovien., allerdings unvollständig, in Dobromil gedruckt worden.24 Es ist Huyssens Verdienst, dass das Werk 1711/12 vollständig, in dreizehn Büchern (zwei Bänden), mit seinem Vorwort im ersten Band und dem des deutschen Historikers und Rhetorikers Johann Gottlieb Krause im zweiten in Leipzig erschien.25 Der erste, dem polnischen König August II. gewidmete Band bestand aus zwölf Büchern. Ihm beigefügt war Samuelis Joachimi Hopii Soltquella-Marchici de Scriptoribus Historiae Polonicae Schediasma Literarium Gabr. Groddeckii P. P. ac Bibliothecarii & Valentini Schlieffii Patricii Gedanenfis Annotationibus auctum. Das 13. Buch bildete den zweiten Band und trug den Titel Joannis Dlugossi seu Longini [...] liber XIII et ultimus msctis codicibus tantum non omnibus desideratus, nunc tandem in lucem publicam productus ex bibliotheca Henrici L. B. ab Huyssen. Dem zweiten Band waren beigefügt: Vincentii Kadłubkonis Episcopi Cracoviensis Historia Polonica. Dobromoli 1612, Stanislai Sarnicii Annales, sive de Origine et Rebus Gestis Polonorum et Lituanorum Libri VIII. Cracoviae 15�7, Annales Stanislai Orichovi, Okszi. Adiunximus Vitam Petri Kmithae. Dobromili 1611, Illustrium Virorum Epistolae in Tres Libros Digestae Opera Reverendiss. Domini D. Stanislai Carncovii Episcopii Vvladislaviensis et Pomeraniae in Lucem Editae. Cracoviae 157�, Stanislai Sarnicii Descriptio Veteris et Novae Poloniae cum Divisione Eiusdem Veteri et Nova. Adiecta est Vera et Exquisita Russiae Inferioris Descriptio, iuxta Revisionem Commissariorum Regiorum, et Livoniae iuxta Odoporicon Exercitus Polonici Redeuntis ex Moschovia. Cracoviae 15�5. Huyssen schrieb in seiner Vorrede zum ersten Band, dass er Długosz’ Ausführungen anfangs für weniger bedeutend gehalten habe, weil er bei der Lektüre zahlreiche Fehler bemerkt hatte. So habe Długosz – dies meinte auch der polnische Theologe und Reisebegleiter des Prinzen Sigismund (später König Sigismund II. August), Martin Cromer, der Huyssen stark beeinflusst hatte – recht unausgewogen geschrieben: „Allzusehr glaubte ich Cromer, der über Długosz’ Schriften vielleicht allzu kühn meint, Długosz sei nicht sehr bewandert in fremd21 Huyssen/Menckenius (Hg.): Sigismundi Augusti, Poloniarum Regis, Epistolae, Legationes et Responsa. Hierzu vgl. Savel’eva, E[lena] A[lekseevna]: Knigi iz biblioteki pol’skogo korolja Sigizmunda II Avgusta. Sankt-Peterburg 1994. 22 Treitschke: Burkhard Mencke, 1842, 51f. 23 Huyssen (Hg.): Memorie del General Principe di Montecuccoli, Bd. 1–2. Zu Raimondo Montecuccoli vgl. Schreiber, Georg: Raimondo Montecuccoli: Feldherr, Schriftsteller und Kavalier. Ein Lebensbild aus dem Barock. Graz u. a. 2000. 24 Dlugossius: Historia Polonica, Bd. 1. 25 Huyssen/Krause (Hg.): Joannis Dlugossi Historiae Polonicae, Bd. 1–2.

Unabhängige schriftstellerische und herausgeberische Tätigkeit

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ländischer Geschichte, die jemandem, der die Polnische schreibt, ein großes Hilfsmittel hätte sein können, er sei oft umständlich, nicht immer konsistent, halte sich auch nicht immer an die chronologische Ordnung, beschäftige sich zu sehr mit anderen Dingen als mit solchen, die zur Sache gehören, und habe, da er vor Vollendung des Werkes gestorben sei, keine Zeit mehr gehabt, um es zu revidieren: In der Tat, nachdem ich ihn mit grösserer Sorgfalt studiert und das, was beiderseits behauptet wird, genauer abgewogen habe, habe ich festgestellt, dass man auf diese Vorwürfe sehr leicht antworten kann.“26 Huyssen war es somit ein Anliegen, die Fehleinschätzung von Długosz’ Werk zu revidieren. Johann Gottlieb Krause schrieb in seinem Vorwort: „In diesem Band, den du in den Händen hältst, haben wir, da sich die Gelegenheit ergab, wie wir es konnten, auch einige Schriftsteller nicht allerhöchsten Ranges versammelt, eher, damit das Buch ein angemessenes Volumen erhält, als mit der Absicht, irgendein Verzeichnis polnischer Schriftsteller zu sammeln.“27 Weiter bemerkte Krause, dass bisher nur wenige Autoren über die Geschichte des polnischen Volkes berichtet hätten; die Polen selbst würden lieber ruhmeswürdige Taten vollbringen, als diese zu loben. Der berühmte Heinrich Freiherr von Huyssen, fuhr er fort, habe letztes Jahr jedoch die von ihm wiedergefundene polnische Geschichte des Jan Długosz der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt, wenn auch nicht ganz vollständig, denn der Großteil des zwölften Buches fehle in allen Handschriften, nur die Krakauer würden dieses Kleinod bei sich aufbewahren. Krause berichtete weiter, dass er mit dem zweiten Band des Werkes nichts zu tun habe, die Herausgabe sei einzig und allein Huyssens Verdienst.28 Lohnenswert schien Huyssen offenbar auch die Beschäftigung mit Italien, wo er sich 1690 und 1691 aufgehalten hatte. Seine Beobachtungen und Erlebnisse schilderte er in der von ihm 1701 anonym in Leipzig herausgegebenen Curieuse[n] und vollständige[n] ReißBeschreibung Von gantz Italien.29 Seine Italien-Reise stellte er in drei Teilen in der Form einer „von zweyen gelehrten Leuten geführten Correspondence“ dar.30 Das Werk besteht aus 22 Briefen, zum größten Teil aus Rom. Die fiktiven Briefschreiber widmen sich päpstlichen, weltlichen und landeskundlichen Angelegenheiten. Der letzte Brief enthält „Eine Curieuse Instruction, so wohl vor alle Räisende insgemein/ Als insonderheit vor alle die jenige/ welche Italien besehen wollen“.31 Huyssens Ziel war, alle wichtigen Informationen über Italien 26 „Nimium Cromero credidi, qui de Dlugossi scriptis nimis forsan audacter censet, non magnopere Dlugossum versatum in externis historiis, quae Polonicam scribenti magno adminiculo esse poterant, nonnunquam perplexum esse, nec perpetuo sibi constare, aut rationem temporum tenere & plus alienis quam quae adrem faciunt, inhaebere & operiimperfecto immortuum ad recognoscendum id nil temporis habuisse: Verum postquam illum majore industria evolvi, & ea quae utrinque asseruntur accuratius perpendi, vituperationibus hisce facillime responderi posse animadverti.“ Ebd., Bd. 1, Praefatio ad Lectorem, unpag. 27 „Nos in hoc, quod prae manibus habes, volumine; ut potuimus, serente sic occasione, congessimus Scriptores quosdam non infimae caueae, magis ut volumini iusta constaret mensura, quam Corpus quoddam Scriptorum Polonicorum colligendi animo.“ Ebd., Bd. 2, Praefatio ad Lectorem III. 28 Ebd., I, III, XII. 29 [Huyssen]: Reiß-Beschreibung Von gantz Italien, Tl. 1–3. Vgl. auch Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana III, H[einrich] v[on] Huyssen’s Autobiographie, 20f.; Siebers, Winfried: Johann Georg Keyßler und die Reisebeschreibung der Frühaufklärung. Würzburg 2009 (Epistemata. Würzburger Wissenschaftliche Schriften. Reihe Literaturwissenschaft 494). 30 [Huyssen]: Reiß-Beschreibung Von gantz Italien, Tl. 1, Vorrede, unpag. 31 Ebd., Tl. 3, 78–96. Das Werk bietet überdies ein „Register/ Uber alle in dieser Reyß-Beschreibung enthaltene Merckwürdigkeiten“. Ebd., Anhang 1–18.

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Historiographische Beiträge

zusammenzutragen. Dem Leser teilte er mit: „Unter andern findest du hier eine nette Beschreibung der vornehmsten Städte/ Häfen/ [...]/ der Einkünfften und Macht der Italiänischen Fürsten/ der Kauffmannschaft/ Academien/ Antiquitäten/ Allianzen/ [...]/ und in einem Worte alles deß jenigen/ was nur in Italien merckwürdig gefunden wird.“ Die Benutzer könnten in der Reisebeschreibung „viele geheime Staats-Sachen“ finden, „welche zur Ergäntzung der Geschichten unserer Zeit dienen können/ als zum Exempel: Den Anfang des letztern zwischen Frankreich und Savoyen geführten Kriegs“. Besonders ausführlich, so der Autor, habe er sich Rom und dem päpstlichen Hof gewidmet – einem Thema, das in deutscher Sprache zuvor nicht beschrieben worden sei. Während seines langen Aufenthalts in der Ewigen Stadt habe er die Möglichkeit gehabt, das Leben und den Tod des von Frankreich unterstützten Papstes Alexander VIII., „das hierauff gehaltene und fünff Monat lang gewährte Conclave“, den „Anfang der Regierung“ Papst Innozenz’ XII. und andere bemerkenswerte Begebenheiten zu beobachten und zu beschreiben. Bemerkenswert ist, dass das Buch sowohl den „Protestirenden als Römisch-Gesinnten [...] angenehm seyn“ sollte. 32 Im elften Brief berichtete Huyssen über die Pasquille, die nach dem Tod Papst Alexanders VIII. „über dessen Regierung/ Leben/ Handel und Wandel“ öffentlich verbreitet worden seien. Darin wurde der Papst als „ein reissender Wolff/ und falscher Judas-Bruder […] welcher Christum/ die Cardinäle und die Kirche verrahten und verkauffet“ habe, beschrieben.33 Der zwölfte Brief hingegen „verthädiget“ Alexander VIII., wenn der Autor, der nicht für parteiisch gehalten werden wollte, darüber berichtet, „was von dem verstorbenen Pabst guts geredet“ worden sei.34 Die Reisebeschreibung hätte ein wertvolles Hilfsmittel für die an Italien interessierten und gebildeten Menschen werden können, wenn sie ihrer Offenheit wegen nicht nach der Herausgabe sofort verboten worden wäre.35

10.2. Das Journal des Herrschers Peter I. und die Zusammenstellung einer altrussischen Geschichte Peter I. legte großen Wert auf die Dokumentation und Beschreibung der Geschichte seiner Regierungszeit und vor allem der des Großen Nordischen Krieges. Die Geschichtsschreibung sollte sein Herrschaftssystem festigen und die Weiterführung des verschleppten Krieges legitimieren helfen.36 In der ersten Kriegsphase wurden die Berichte über die Ereignisse vor Ort

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Ebd., Tl. 1, Vorrede, unpag. Ebd., Tl. 2, 220f. Ebd., 220–237, 238–250. Perlick, Alfons: Personelle Wechselbeziehungen zwischen dem märkischen Raum und dem Osten (XXXII–XXXV). Persönlichkeiten aus dem Ruhrgebiet (v. Huyssen, Gebr. Ostermann, Göbel) in Rußland (18. Jh.). In: Der Märker 22 (1973) 109–123, hier 113. 36 Petr I: Sobstvennoručnyja stroki Petra, pomeščennyja v Šafirovom razsuždenii o pričinach Švedskoj vojny, o. D. In: Ustrjalov: Istorija carstvovanija Petra, Bd. 1, 325–328, hier 325f.; Majkova, Tat’jana Sergeevna: Petr I i „Gistorija Svejskoj vojny“. In: Rossija v period reform Petra I. Moskva 1973, 103–132; Schippan, Michael: Die Reichshistoriographie in Russland im Zeitalter der Aufklärung. In: Völkel, Markus/Strohmeyer, Arno (Hg.): Historiographie an europäischen Höfen (16.–18. Jahrhundert). Studien zum Hof als Produktionsort von Geschichtsschreibung und historischer Repräsentation. Berlin 2009 (Zeitschrift für Historische Forschung. Beiheft 43), 323–352.

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niedergeschrieben, ab 1705 dann an das Gesandtschaftsamt (posol’skij prikaz) für die Ausarbeitung eines Kriegs-Journals übergeben.37 Nach der Wende des Krieges zugunsten Russlands im Jahr 1709 gab Peter I. bei seinen russischen und ausländischen Mitarbeitern eine umfassende Kriegsgeschichte in Auftrag. Zwei Jahre später wurde ein schwedischer Kriegsgefangener, der im Gesandtschaftsamt tätige Übersetzer Benedikt Schilling, mit einer Zusammenstellung von Kriegsmeldungen für die Geschichte des Großen Nordischen Krieges beauftragt.38 1712 befahl man dem Sekretär des Gesandtschaftsamtes, Michail Pavlovič Šafirov, die Arbeit Schillings zu überprüfen und ihn gegebenenfalls zu unterstützen. Ein Bruchstück ihres Werkes wurde 1713 nach St. Petersburg gesandt, wo Peter I. den Text nach Durchsicht allerdings nicht genehmigte.39 Im selben Jahr wurde die Kniga Marsova veröffentlicht, in der die Kriegsberichte und -meldungen zusammengetragen waren.40 Die Schrift erlebte in kurzer Zeit mehrere Ausgaben. Darüber hinaus verfasste der sächsische General im russischen Dienst Ludwig Nikolaus von Hallart eine Historische Beschreibung des Nordischen Krieges seit anno 1699 bis 1721 (tatsächlich nur bis 1718),41 die 1822 in Auszügen veröffentlicht wurde.42 Auch der russische Vizekanzler, Petr Pavlovič Šafirov, sollte eine Geschichte des Großen Nordischen Krieges niederschreiben. Sein Werk wurde neben der Kniga Marsova gedruckt. Es erschien 1717 unter dem Titel Rassuždenie kakie zakonnye pričiny [...] Petr Velikij […]; K načatiju vojny protiv Korolja Karola 12, Švedskogo 1700 godu imel.43 Im Russkij biografičeskij slovar’ wird eine deutsche Ausgabe dieser Schrift erwähnt. Demnach habe König Friedrich Wilhelm I. von Preußen 1721 durch seinen Gesandtschaftssekretär Johann Gotthilf Vockerodt eine Übersetzung des Traktats ins Deutsche anfertigen lassen.44 Die Konzepte der verschiedenen Kriegsbeschreibungen erschienen in einer Art von Wettbewerb der Autoren um die beste Schrift.45 Die Entwürfe wurden aber zum größten Teil vom Zaren nicht genehmigt und blieben in der Folge unveröffentlicht. Auch Huyssen wurde in diesem Zusammenhang tätig. Er verfasste gemeinsam mit dem als Übersetzer im Gesandtschaftsamt tätigen Boris Ivanovič Volkov das Journal des Herrschers Peter I. Die russische Historikerin Tat’jana Sergeevna Majkova vertrat die Meinung, dass das Werk nicht von Huyssen allein geschrieben worden sei, sondern von mehreren Auto37 O donesenii komandujuščim vojskami v Posol’skoj prikaz o vsech voennych proizšestvijach, dlja sostavlenija voennago žurnala, 8. März 1705. In: [Speranskij u. a.] (Hg.): Polnoe sobranie zakonov, Bd. 4, Nr. 2040, 298f. 38 Ukaz ob otsylke vedomostej i jurnalov Svejskoj vojny perevodčiku Benediktu Šillingu, 18. Oktober 1711. In: Ustrjalov: Istorija carstvovanija Petra, Bd. 1, 315f. 39 Majkova: Istorija sozdanija gistorii, 22. 40 [Peter I. u. a.]: Kniga Marsova ili voinskich del ot voisk Carskago Veličestva rossiiskich. Vo vsjatii preslavnych fortifikacei, i na raznych mestach chrabrych batalii učinennych. Nad voiski Ego Korolevskago Veličestva svejskogo. Sanktpiterburch 1713. Eine zweite Ausgabe des Werkes erschien 1766 in der Typographie des Seekadettenkorps zu St. Petersburg. 41 Majkova: Istorija sozdanija gistorii, 22f. 42 Sv., D.: Allart, von, baron, Ludwig-Nikolaj. In: Russkij biografičeskij slovar’ 2 (1900) 57f. 43 Š[afirov], P[etr] [Pavlovič]: Razsuždenie kakie zakonnye pričiny Ego Veličestvo Petr Velikij Imperator i Samoderžec Vserossiiskij, I protčaja, i protčaja, i protčaja; K načatiju vojny protiv Korolja Karola 12, Švedskogo 1700 godu imel ³1722 [¹1717] [ND Moskva 2008]; vgl. Schippan, Michael: Die Aufklärung in Russland im 18. Jahrhundert. Wiesbaden 2012 (Wolfenbütteler Forschungen 131), 280. 44 Lichač, E.: Šafirov, baron Petr Pavlovič. In: Russkij biografičeskij slovar’ 22 (1905) 553–567. 45 Majkova: Istorija sozdanija gistorii, 22.

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ren stamme. Als Beleg führte sie den Briefwechsel zwischen dem Kabinettssekretär Aleksej Vasil’evič Makarov und dem Kollegienrat Vasilij Vasil’evič Stepanov an. Am 2. Dezember 1720 hatte Makarov Stepanov um den „Auszug von Eurem Journal aus dem Jahr 1708“ gebeten, worauf dieser ihm „Huyssens dreizehn Hefte zur Geschichte“ zugeschickt hatte.46 Huyssen erlebte die Drucklegung seines Journals des Herrschers Peter I. nicht, ebensowenig wie der Zar selbst. Erst 1787/88 gab Katharina II. den Auftrag, es mit Hilfe des russischen Historikers und Journalisten Fedor Osipovič Tumanskij zu veröffentlichen.47 Huyssens geschichtliche Darstellung begann mit dem Jahr 1695, das durch den misslungenen und auf spätere Zeit verschobenen Feldzug Peters I. zur Eroberung der Stadt Asow geprägt war. Huyssen beschrieb zudem die Stadt und die nahe gelegenen Ortschaften.48 Ein bedeutendes Ereignis des Jahres 1699 war für Huyssen der Tod des Genfer Calvinisten Franz Jakob Lefort, eines Günstlings Peters I., dessen Bestattung er in allen Einzelheiten beschrieb.49 Wichtig erschienen ihm in jenem Jahr Reformen Peters I., wie die Einführung des Julianischen Kalenders in Russland, nach dem die Zeit nach der Geburt Christi und nicht mehr nach der Schöpfung der Welt berechnet wurde. Huyssen erwähnte ferner die Maßnahmen, die Peter I. in den Bereichen Handel und Bildung vornahm, so unter anderem die Anordnung, nicht nur Bücher geistlichen, sondern auch weltlichen Inhalts zu drucken, oder die Errichtung von Krankenhäusern für Soldaten, Wirtshäusern für Reisende sowie eines Theaters für russische und deutsche Komödien in Moskau. Schließlich beschrieb Huyssen die Bemühungen des Zaren, seinen Untertanen die Möglichkeit zur Ausbildung im Ausland zu verschaffen. Huyssen bezeichnete Peter I. als einen „vernünftigen Herrscher, weisen und gutherzigen Vater des Vaterlandes“, der versuche, seinem Volk eine glückliche Zukunft zu verschaffen.50 Dann wandte sich Huyssen der Vorgeschichte Großen Nordischen Krieges zu. Er versuchte zu beweisen, dass Russland einen gerechten Krieg führe, weil Schweden die Rechte Russlands missachtet habe, aggressiv sei, schon in der Vergangenheit Russland angegriffen und ursprünglich russische Territorien annektiert habe.51 Das Jahr 1700 war für Huyssen der Beginn einer Epoche des historischen Umbruchs, was sich am Ausbruch des Krieges zwischen Russland und Schweden zeige. 1701 war für ihn dagegen der Anfang einer neuen „glücklichen Epoche [...] der Siege [für Russland], die durch den Mut und weise Leitung Seiner Zaristischen Majestät über den Feind errungen wurden“.52 Für das Jahr 1709 erging sich Huyssen erneut in einer Lobeshymne auf Peter I. Er beschrieb seinen Helden in fast schon poetischer Form: Viele Militärpersonen hätten nicht den Mut dazu, auch im Winter an den Kriegshandlungen teilzunehmen. Im Gegensatz zu ihnen arbeite Zar Peter bei Frost, in Eis und Schnee. 1709 war für Huyssen schließlich das Jahr, in dem sich der Zar durch den Sieg bei Poltawa ewigen Ruhm gesichert und Rache an Schweden für die „Ungerechtigkeiten gegenüber dem russischen Volk“ genommen habe.53 Peter I. 46 47 48 49 50 51 52 53

Ebd., 23, 31. Gisen: Žurnal Gosudarja Petra I. s 1695 po 1709; ders.: Žurnal gosudarja Petra I. s 1709 po 1710. Gisen: Žurnal Gosudarja Petra I. s 1695 po 1709, 3–10. Ebd., 113–116. Zu Lefort vgl. Dukmeyer: Korbs Diarium itineris in Moscoviam, Bd. 1, 259–319; Posselt: Der General und Admiral Franz Lefort; Ustrjalov, N[ikolaj] [Gerasimovič]: Lefort i potechi Petra Velikago do 1689 goda. In: Žurnal Ministerstva narodnago prosveščenija 69 (1851) 26–80. Gisen: Žurnal Gosudarja Petra I. s 1695 po 1709, 118–122. Ebd., 122–229. Ebd., 122f., 230. Ders.: Žurnal gosudarja Petra I. s 1709 po 1710, 5–7.

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sei ein frommer und gottesfürchtiger Monarch, der seine Triumphe von der Gnade Gottes herleite. Huyssen gab mehrere Lobgedichte zu Ehren Peters I. wieder, die zwar nicht von ihm selbst stammten, aber durchaus seine Gedanken formulierten: „Souveräner Monarch! Du, ein vom Himmel erhöhtes Licht für die russische Erde, wirst von allen gelobt werden“.54 Ebenso führte er das Siegeslied auf Poltawa an.55 Huyssen bezog in seine Lobeshymne das russische Volk ein und versuchte, dessen gute Eigenschaften aufzuzeigen: Nach der Schlacht bei Poltawa hätten die Russen Polen durch ihre Anwesenheit einen großen Dienst geleistet, indem sie zur Wiedergewinnung des polnischen Throns durch König August und somit zur „Unabhängigkeit“ Polens – damit war die Beseitigung der schwedischen Vorherrschaft gemeint – beigetragen hätten. Dies sei den Russen jedoch nicht gedankt worden, die Polen hätten im Gegenteil russische Soldaten angegriffen und geschlagen. Dass Russen von den Polen verstecktes Brot gefunden und gegessen hätten, spielte er herunter: Das sei nur geschehen, um nicht zu verhungern.56 In der Zeit, in der Huyssen diese Beobachtungen niederschrieb, hatten sich die Beziehungen zwischen den einstigen Bündnispartnern Russland und Polen erheblich verschlechtert. Nach dem endgültigen Abzug der Schweden und der Niederlage der Anhänger Stanislaus Leszczyńskis versuchte der Zar, die absolutistischen Bestrebungen König Augusts in Polen durch eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes zu unterbinden. Seit 1716 sollten sich russische Truppen beständig in der Rzeczpospolita aufhalten und Kräfte im polnischen Adel unterstützen, die gegen August II. opponierten. Der Kriegsrat in russischen Diensten versuchte nun, die Verschlechterung der Beziehungen der polnischen Seite anzulasten. Huyssen legte in seiner Beschreibung das Hauptaugenmerk also auf zwei Themenfelder: die Außenpolitik und die Kriegshandlungen. Seine Quellen dafür waren Kriegsmeldungen und -tagebücher, Briefe, diplomatische Abkommen, Erzählungen von Augenzeugen, Berichte der russischen Gesandten und historische Werke von ausländischen Autoren, wie zum Beispiel Samuel von Pufendorf.57 Huyssen zeigte sich dabei als typischer Vertreter der Frühaufklärung, einer Epoche des Übergangs zu einer stärker rationalistischen Interpretation der historischen Ereignisse.58 Seine Quellenauswahl lässt erkennen, dass er bei seinem Herangehen an die Geschichtsschreibung dem Gebrauch der Vernunft große Bedeutung beimaß. Gleichwohl finden sich bei ihm Prophezeiungen und Wundergeschichten. Er schrieb beispielsweise, dass in Schweden ein gekrönter „Wunderfisch“ gefangen worden sei, dessen Voraussagen sich im Lauf der Zeit als richtig erweisen würden. In der Vergangenheit hätte das Erscheinen solcher Wasserkreaturen stets zu besonderen Ereignissen im jeweiligen Land geführt.59 Huyssen bereitete seine Schrift 1715 zum Druck vor, zur Publikation des Werks kam es freilich vorerst nicht. Er beschäftigte sich vermutlich allerdings auch nach Abschluss seines Geschichtswerks noch mit diesem Thema. Im Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften wird das Soumaire. Ou abregé des matières contenues dans l’histoire 54 55 56 57 58

Ebd., 127f. Ebd., 128–134. Ebd., 196f. Fedorov (Hg.): 200-letie Kabineta, 146. Vierhaus, Rudolf: Historisches Interesse im 18. Jahrhundert. In: Bödeker, Hans Erich/Iggers, Georg G./ Knudsen, Jonathan B. (Hg.): Aufklärung und Geschichte. Studien zur deutschen Geschichtswissenschaft im 18. Jahrhundert. Göttingen 1986 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 81), 264–275, hier 271. 59 Gizen: Žurnal gosudarja Petra I. s 1709 po 1710, 245.

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de Sa Majeste Czarienne Pierre le Grand aus dem Jahr 1719 aufbewahrt, das aus seiner Feder stammen könnte. Das geplante Werk sollte „alles Merkwürdige[,] was sich während seiner [Peters I.] ruhmreichen Regierung abspielte“, darstellen.60 Aufgrund der Verwendung von Originalquellen ist das Journal des Herrschers Peter I. bis heute ein eminent wertvolles Werk, da es eine umfangreiche Materialiensammlung zur russischen Geschichte bietet. Im Jahr 1714 hatte der Zar eigenhändig die Anweisung gegeben, sämtliche Feldzugstagebücher an den gelehrten Kriegsrat zu senden. Die Bedeutung von Huyssens Werk zeigt sich nicht zuletzt darin, dass es selbst zur Quelle für weitere Kriegsbeschreibungen wurde. So verwendete es Šafirov zum Beispiel für seine Schrift Rassuždenie.61 1715 übernahm Peter I. schließlich persönlich federführend die Ausarbeitung der Geschichte des Kriegs mit Schweden, indem er die von seinen Mitarbeitern verfassten Texte prüfte und korrigierte.62 Die Geschichtsschreibung war nun im Kabinett, der mobilen Kanzlei des Zaren, konzentriert.63 Mitwirkende waren unter anderem Petr Pavlovič Šafirov, der Kabinettssekretär Aleksej Vasil’evič Makarov und der Direktor des Druckhofes (pečatnyj dvor), Fedor Polikarpovič Polikarpov. Zahlreiche Behörden waren an der Quellensammlung beteiligt: neben dem Gesandtschaftsamt und Kabinett Peters I. die Gesandtschaftskanzlei (posol’skaja kanceljarija), ab 1711 der Senat, seit 1720 das Kollegium für auswärtige Angelegenheiten, die Nachfolgeinstitution des Gesandtschaftsamtes und der Gesandtschaftskanzlei, sowie andere Institutionen.64 Die zuvor verfassten Kriegsbeschreibungen, auch Huyssens Journal des Herrschers Peter I., wurden dabei herangezogen. Neben den russischen Kriegsberichten und -meldungen konnten schwedische, polnische und türkische Quellen ausgewertet werden. Weitere wertvolle Informationen wurden außerdem Augenzeugenberichten entnommen.65 Die so zusammengetragene Geschichte des Großen Nordischen Krieges erschien erst nach Peters I. Tod. Sie wurde vom russischen Historiker Fürst Michail Michajlovič Ščerbatov im Auftrag Katharinas II. gesichtet und 1770/72 als Žurnal, ili Podennaja zapiska veröffentlicht. Später erschien das Werk auch in deutscher und französischer Übersetzung.66

60 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-V-5, [anonym]: Entwurf einer Geschichte Peters I., 15r–77v, hier 15r. 61 Peštič: Russkaja istoriografija, Bd. 1, 128, 133. 62 Majkova: Istorija sozdanija gistorii, 24f. 63 Zum Kabinett Peters I. vgl. Ageeva, Ol’ga Genievna: Imperatorskij dvor Rossii 1700–1796 gody. Moskva 2008, 52; Fedorov (Hg.): 200-letie Kabineta, XIIIf. 64 Zur Beschreibung der genannten Behörden vgl. Schippan: Die Einrichtung der Kollegien in Rußland, 92–101. 65 Majkova: Istorija sozdanija gistorii, 31–34. 66 Petr I. u. a.: Žurnal ili Podennaja zapiska, blažennyja i večnodostojnyja pamjati gosudarja imperatora Petra Velikago s 1698 goda, daže do zaključenija Nejštatskago mira. Napečatan s obretajuščichsja v kabinetnoj archive spiskov, pravlennych sobstvennoju rukoju ego imperatorskago veličestva. Hg. v. Michajlo [Michajlovič] Ščerbatov, Tl. 1–2. Sankt Peterburg 1770–1772. Deutsche Übersetzung: Peter der Große u. a.: Tagebuch Peters des Großen vom Jahre 1698 bis zum Schlusse des Neustädter Friedens aus dem Russischen Originale übersetzet so nach denen im Archive befindlichen und von Seiner Kayserlichen Majestät eigenhändigen ergänzten Handschriften gedruckt worden. Hg. v. Michail [Michajlovič] Ščerbatov. Berlin/Leipzig 1773. Die französische Übersetzung des in Berlin weilenden russischen Studenten Simon Ščepot’ev erschien als: Pierre le Grand u. a.: Journal de Pierre le Grand depuis l’année 1698 jusqu’a la conclusion de la paix de Neustadt. Traduit de l’original Russe imprime d’après les mss. corriges de la propre main de sa majeste imperiale qui sont aux archives. Hg. v. Michel Schtscherbatow. Berlin 1773.

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Die Podennaja zapiska, die in der Forschung nach wie vor große Aufmerksamkeit findet,67 ist ihrerseits eine Quelle weiterer Kriegsbeschreibungen.68 Obwohl die Podennaja zapiska nicht nur die Geschichte des Großen Nordischen Krieges beschrieb, sondern auch andere Ereignisse der Regierungszeit Peters I., war dem Zaren viel daran gelegen, eine separate Geschichte seiner Herrschaft schreiben zu lassen. 1713 nahm Feofan Prokopovič die Arbeit an einer solchen Darstellung auf. Auch diese Schrift wurde erst nach Peters Tod beendet und 1773 als Istorija imperatora Petra Velikago publiziert.69 1725 beauftragte Katharina I. ferner den Vizekanzler Petr Pavlovič Šafirov, die Lebensgeschichte ihres verstorbenen Gemahls zu schreiben.70 Šafirov bat daraufhin den Senat, Huyssen zur Unterstützung heranziehen zu dürfen.71 Der Senat gab diesem Ansinnen am 5. Mai 1725 statt.72 Zwar konnte Šafirov seine Arbeit nicht beenden,73 die Angelegenheit zeigt jedoch deutlich, welch hohe Wertschätzung Huyssen am Hof auch nach dem Tod Peters I. genoss. Peter I. zielte aber nicht nur auf die Ausarbeitung einer Geschichte seiner Regierungszeit und des Großen Nordischen Krieges, sondern auch auf eine allgemeine Darstellung Russlands ab, um den „Stoff zur alten Russischen Geschichte […] von dem Untergange zu retten, und einem geschickten Geschichtsschreiber Gelegenheit zu verschaffen, die wahre alte Russische Geschichte schreiben zu können“.74 Polikarpov wurde 1708 mit diesem komplexen Vorhaben beauftragt. 1715 übergab er dem Zaren einen ersten Teil, der jedoch von Peter I. nicht genehmigt wurde.75 Die Schrift lässt sich heute nicht mehr identifizieren. Huyssen hatte ebenfalls den Auftrag erhalten, eine Geschichte Russlands anzufertigen – dies bestätigt seine an Leibniz in einem Brief vom 2. Februar 1716 gerichtete Bitte, ihm Literatur zu nennen, die sich mit den alten Völkern, den „Esclavonne“76 und den Vandalen, beschäftigte und damit mit den Ursprüngen der Rus’, mit historischen Wanderungsbewegungen, Kriegen und deren Folgen.77 Dass ausgerechnet Huyssen als Ausländer mit der Abfassung einer russischen Geschichte beauftragt wurde, zeugt von Peters I. Wertschätzung für den Gelehrten. Denn grundsätzlich war der Zar der Auffassung, dass Personen, die nicht aus Russland stammten, 67 Majkova: Istorija sozdanija gistorii, 15–45; Beskrovnyj, Ljubomir Grigorjevič: Očerki po istočnikovedeniju voennoj istorii Rossii. Moskva 1957, 173–179; Fedorov (Hg.): 200-letie Kabineta, 152–164; Ustrjalov: Einleitung. In: Istorija carstvovanija Petra, Bd. 1, XXXI–XXXVIII. 68 Nikiforov, Leonid Alekseevič: Vnešnjaja politika Rossii v poslednie gody Severnoj vojny. Ništadtskij mir. Moskva 1959, 52, 71f., 78, 81f., 125, 130f., 132, 140f., 153; Tarle: Severnaja vojna, 42, 51, 73f., 76, 80, 96f., 108, 138, 172, 174, 209f., 366f., 369; Beskrovnyj, Ljubomir Grigor’evič: Russkaja armija i flot v XVIII veke (Očerki). Moskva 1958, 6, 20f., 40, 182f., 187f., 191, 193, 198, 207, 214f. 69 Prokopovič, Feofan: Istorija imperatora Petra Velikago, Ot Roždenija Ego do Poltavskoj batalii, i vzjatija v plen ostalnych Švedskich vojsk pri Perevoločne, vključitel’no. Sanktpeterburg 1773. 70 Lichač: Šafirov, 562. 71 Zapiska Šafirova bez čisla. Dolžna byt’ v“ aprele 1725. In: Ustrjalov: Istorija carstvovanija Petra, Bd. 1, 322–324. 72 Opredelenie Senata 5 maja 1725 goda. Ebd., 325. 73 Lichač: Šafirov, 565. 74 Stählin, Jacob von: Originalanekdoten von Peter dem Großen Aus dem Munde angesehener Personen zu Moskau und Petersburg vernommen, und der Vergessenheit entrissen. Leipzig 1785 [ND 1968], 96. 75 Majkova: Istorija sozdanija gistorii, 22. 76 Zur Bezeichnung der Slawen als „esclavons“ vgl. Lomonosov, M[ichail] V[asil’evič]: Trudy po russkoj istorii, obščestvenno-ėkonomičeskim voprosam i geografii 1747–1765 gg. Moskva/Leningrad 1952 (Polnoe sobranie sočinenij 6), 362. 77 Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek: Lbr. 438, Heinrich von Huyssen an Gottfried Wilhelm Leibniz, St. Petersburg 2. Februar 1716, 28r.

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für eine derartige Arbeit ungeeignet seien: „Was können die guten Leute [Ausländer] von unserer alten Geschichte schreiben, da wir noch nichts davon herausgegeben haben.“78 Pekarskij war der Meinung, dass Huyssen zu diesem Zeitpunkt lediglich einen einzigen Auftrag bekommen habe, der nicht nur in der Beschreibung der Regierungszeit Peters I., sondern auch in der Zusammenstellung einer Geschichte Russlands bestand.79 Ein von Huyssen ausgearbeitetes Konzept zeugt jedoch von dessen Vorarbeiten zu einer separaten allgemeinen Geschichte des Zarenreiches. Dieses Konzept fügte Ščerbatov einem der Manuskripte der Podennaja Zapiska bei und veröffentlichte es 1911 im Werk 200-letie Kabineta. Huyssen bat in seinen Vorarbeiten um die Zuweisung von Quellen und anderen Materialien, darunter alte Artefakte, wie zum Beispiel Münzen und Inschriften. Er war bestrebt, die Herrschaft der ersten russischen Fürsten, die Christianisierung Russlands, die mongolische Fremdherrschaft und andere Ereignisse der altrussischen Geschichte quellennah zu beschreiben. Daher bat er darum, die alten Chroniken und Chronographien in den „Bibliotheken, Klöstern, Archiven und Kanzleien in Moskau, Vladimir und Černigov [Tschernihiw], auch in den Häusern vornehmster Personen“ suchen zu lassen. Huyssen erbat zudem eine Biographie Peters I., eine Beschreibung der Provinzen und Eroberungen Russlands, seiner „vornehmen Städte“, von deren Festungen und Bauten sowie geographische Karten; außerdem benötige er eine „Kirchengeschichte“, Lebensbeschreibungen der Patriarchen und anderer hoher Geistlicher, Stammbäume aller Zaren und weiterer bedeutender Personen sowie landeskundliche Informationen zu Klima, Boden, Tieren, Vögeln, Fischen, Bergen und Flüssen Russlands.80 Huyssen forderte also umfangreiche Materialien, die bisher weder gesammelt noch zusammengestellt worden waren. Dies sah auch Peter I. so: „Ich weiß wohl, daß der ächte Stoff zur alten Russischen Geschichte, noch im Lande hin und her zerstreut, und in den Klöstern bey den Mönchen vergraben liegt.“81 Huyssens Konzept einer umfassenden Geschichte Russlands schien insofern zu jener Zeit wenig realistisch zu sein. Deshalb bekam er „statt wirklicher Documente aus den Archiven“ nichts „als einige von des Kaisers eigenen Tagebüchern“. 1723 ließ Peter I. – er war gerade aus dem Persischen Feldzug zurückgekehrt – Huyssen aus St. Petersburg nach Moskau kommen, um dessen Entwurf der russischen Geschichte zu prüfen. Er befahl ihm, an diesem Projekt weiter kontinuierlich zu arbeiten und es so bald wie möglich zu beenden. Haven zufolge sammelte Huyssen tatsächlich zahlreiche Materialien und übergab einen in verschiedenen Sprachen abgefassten Entwurf unter dem Titel Glorreiches Leben und Thaten Peters I. Da Peter I. allerdings 1725 starb, blieb Huyssens Werk unvollendet. Stattdessen bekam er von Katharina I. den Befehl, eine lateinische Trauerschrift zur ruhmreichen Erinnerung an Peter I. anzufertigen.82 Obwohl Huyssens Arbeiten Fragment blieben, darf man sie nicht geringschätzen. In der Zeit beginnender Verwissenschaftlichung der Geschichtsschreibung schuf er entscheidende Grundlagen und Voraussetzungen für die Arbeit der folgenden Generationen von Historikern. Die Historiographie im Auftrag des Hofes stellte durch die Heranziehung von Quellen und deren Auswertung eine wichtige Phase auf dem Weg zur Entstehung einer kritischen Geschichtswissenschaft dar. 78 Stählin: Originalanekdoten, 146. 79 Pekarskij: Nauka i literatura, Bd. 1, 320. 80 Gjujssen, baron: [Programma rabot po sostavleniju russkoj istorii], [undatiert]. In: Fedorov (Hg.): 200-letie Kabineta, 165–167. 81 Stählin: Originalanekdoten, 146. 82 Haven: Nachrichten von Huyssen, 325.

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10.3. Trauerrede zum Begräbnis Peters I. und Lebensbeschreibung des Fürsten Menšikov Die in dem 1725 erschienenen Werk Rabeners Leben Petri des Ersten abgedruckte lateinische Trauerschrift zum Ableben des Zaren, den man als „einen an Tugend und Macht wahrhaft Grossen, einen unvergleichlichen und unsterblichen Mann“83 bezeichnete, hatte Huyssen im Auftrag Katharinas I. zum Andenken an ihren verstorbenen Gemahl verfasst. Sie ist eine Lobschrift mit poetischen Elementen: „Kommt herbei, die Edlen, die in der Toga und die im Feldherrenmantel. Kommt hervor, Bürger und Fremde, eilt herbei, Völker. Betrauert, beklagt, beweint einen grossen und unwiderruflichen Schicksalsschlag und eine nicht zu heilende Wunde, die dem Vaterland und allen Wohlgesinnten zugefügt wurde.“84 Huyssen zufolge hatte Peter I. dank der Gnade Gottes die Pflichten eines guten und gerechten Fürsten erfüllt und sich dadurch unsterblich gemacht. Er rühmte die Taten und Eigenschaften des Zaren wie dessen Umgang mit Kriegsverbündeten, denen er mit Geld, Truppen und Ratschlägen geholfen habe, oder seine Bestrebungen, nach dem Sieg bei Poltawa 1709 einen Friedensvertrag unter gerechten Bedingungen zu schließen, der zunächst nur an der Verweigerungshaltung Karls XII. gescheitert sei.85 Nach vergeblichen Versuchen, einen ehrenhaften Frieden nach dem Prinzip uti possidetis86 zu schließen, habe Peter endlich im Jahr 1721 „eine gegenseitige und unsterbliche Freundschaft und gute Nachbarschaft zwischen den beiden Königreichen sowie die Freiheit, die Ruhe und die Friedlichkeit vieler tausend Gefangener wieder hergestellt; Ingermanland, Karelien, Livland und Estland behielt er für sich.“87 Huyssen bezeichnete den Zaren als „Vater des Vaterlandes, der Heere und der Schönen Künste“ und vergaß auch nicht dessen innenpolitische Erfolge, darunter die Einführung des julianischen Kalenders, die Wiederherstellung der alten kirchlichen Ordnung sowie die Errichtung von Statuen, Schulen, Kollegien, Kuriositätenkabinetten, Krankenhäusern, Wirtshäusern und vielem anderen mehr. Der höchste Lohn sei für ihn das „Wohl des Volkes“ gewesen. Die einzige Tatsache, die den Schmerz des Verlustes mildern könne, sei, dass die erhabene allergnädigste Katharina I. nun die Regierung übernehme.88 Eine weitere Schrift Huyssens war die 1726 fertig gestellte Lebensbeschreibung des Fürsten Menšikov. Sie wurde erst 1848 in der Zeitschrift Syn otečestva. Žurnal istorii, politiki, slovesnosti, nauk i chudožestv in russischer Übersetzung veröffentlicht. Die Biographie schrieb man allerdings zunächst Heinrich Johann Friedrich Ostermann zu. Den deutschen Originaltitel verdanken wir dem unbekannten Herausgeber: Dignitaten und Thaten Sr. HochFürstl. Durchl. F. Al. Dan. Menschicow, worinen das jenige, was auf allergnädigsten hohen 83 „Virtute & potentia vere Magni, Viri incomparabilis atque aeterni“. Huyssen: Justitium Sive Luctus publicus, 788. 84 „Adeste Proceres, togati, Sagati. Prodite cives, & advenae, Accurite Populi. Lugete, Plangite, flete. Jacturam irreparabilem & Ingens nec fanabile Vulnus Patriae bonisque omnibus inflictum.“ Ebd. 85 Ebd., 788–791. 86 Weber, Michael: „Uti possidetis iuris“ als allgemeines Rechtsprinzip im Völkerrecht – Überlegungen zum Verhältnis von „uti possidetis“, Selbstbestimmungsrecht der Völker und Effektivitätsprinzip. Göttingen 1999, 3. 87 „Duobus Regnis mutuam eamque immortalem amicitiam ac bonam Vicinitatem, tot mille caprivis libertatem, quietem & halcyonia restituit; Ingria, Carelia, Livonia, Esthonia retentis“. Huyssen: Justitium Sive Luctus publicus, 792. 88 Ebd., 789, 793f.

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Befehl Sr. Kaiserl. Mt. Petri Magni und allerdurchlauchtigsten Kaiserinn Catharinae, unter Sr. Durchl. Ministerio und Commando bey Hofe und den Armeen, so wohl als auch sonsten im Russ. Reiche, merkwürdiges verrichtet worden, aus bewährten Dokumenten beschrieben. Anhand der Notizen, die Huyssen am Rand des Manuskriptes machte, lässt sich dessen Arbeitsweise exemplarisch erkennen. In ihnen formulierte er seine Nachfragen bei Menšikov und anderen Mitarbeitern Peters I. Nachdem er die erbetenen Auskünfte erhalten hatte, strich er die Notizen durch und korrigierte den Text.89 Wahrscheinlich entstand die Schrift im Auftrag Menšikovs selbst. Dafür spricht, dass dieser im Jahr 1726 auf dem Höhepunkt seiner Karriere war und Huyssen Johann Theodor Jablonski am 13. März über die Absicht eines russischen Fürsten berichtete, ein Buch über seine Genealogie und Heldentaten in Deutschland veröffentlichen zu lassen.90 Huyssens Werk war eine einzige Lobeshymne auf Menšikov: Er schrieb etwa, dass der Zarengünstling einer alten adeligen Familie angehöre, die eigentlich bereits unter Zar Iwan IV. angeblich erloschen war.91 Huyssen konnte diese paradoxen Angaben nicht durch Quellen belegen, doch waren derartige genealogische Phantastereien durchaus zeittypisch. Allerdings erschloss Huyssen Quellen, die für die weitere Forschung nutzbar waren, so einen Auszug des Briefes Kurfürst Friedrich Augusts I. von Sachsen an Peter I. aus dem Lager bei Kalisch vom 31. Oktober 170692 oder eine Urkunde über die Verleihung des Fürstentitels an Menšikov durch den Zaren vom 1. Juni 1707.93 Beide Dokumente priesen die Verdienste des Vertrauten Peters I., der sich mehrmals „für den Ruhm Ihrer Majestät [des Zaren] und für unseren gemeinsamen Nutzen“ selbst in Gefahr gebracht habe.94 Huyssen beurteilte Menšikov als von Natur aus klug und scharfsinnig. Er habe gleichsam die Wünsche und Absichten des Zaren erraten können.95 Huyssens Schrift bietet aber nicht nur eine Lebensbeschreibung, sondern auch eine Darstellung der allgemeinen Kriegsgeschichte. Er schreibt, dass man in Wien die Schweden für gefährliche Feinde des Hauses Österreich und des katholischen Glaubens halte und ihre Ansprüche auf Böhmen und Bayern fürchte. Diese Betrachtungen aus dem Jahr 1726 fielen in eine Zeit, in der es zu einer vorsichtigen politischen Annäherung zwischen Russland und dem Haus Habsburg gekommen war. Darüber hinaus lieferte Huyssen nicht nur historische Fakten, sondern versuchte sich auch in Deutungen, indem er die Vor- und Nachteile eines russischen Feldzugs nach Sachsen zur Vertreibung der Schweden nach der Schlacht bei Kalisch und dem Altranstädter Frieden aufzählte. Gegen den Feldzug sprach, dass der Kaiser nicht zulassen würde, dass ein großes Heer durch Schlesien ziehe, das durch Steuern und Kontributionen während des Krieges bereits geschwächt worden sei, und dass das einfache schlesische Volk religiös eher zu den Schweden statt zu den Russen tendiere. Peter habe sich 89 [Huyssen]: Zaslugi i podvigi Menšikova. In: Syn otečestva 1 (1848) 1–3, Anm. d. Hg. 90 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-V-5a, Heinrich von Huyssen an Johann Theodor Jablonski, St. Petersburg 13. März 1726, 96v. 91 [Huyssen]: Zaslugi i podvigi Menšikova. In: Syn otečestva 1 (1848) 15, 17f., 21f. 92 Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen an Peter I., „bei Kalisch“ 31. Oktober 1706, Auszug. Ebd. 4 (1848) 3. 93 Urkunde zur Verleihung des Fürstentitels an Aleksandr Menšikov, „bei Kasimir“ 1. Juni 1707. Ebd., 14–20. 94 Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen an Peter I., „bei Kalisch“ 31. Oktober 1706, Auszug. Ebd., 3. 95 [Huyssen]: Zaslugi i podvigi Menšikova. In: Syn otečestva 2 (1848) 3.

Trauerrede zum Begräbnis Peters I. und Lebensbeschreibung des Fürsten Menšikov

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deshalb dafür entschieden, in Polen zu bleiben. Huyssen erwähnte zudem die zunehmende Verbreitung diskreditierender Publikationen über Russland, die Menšikov verbot und vernichten ließ.96 Dessen Sturz im Mai 1727 verhinderte schließlich den Druck seiner Lebensbeschreibung. So hieß es im Protokoll des Konsiliums der Berliner Sozietät der Wissenschaften am 27. Mai 1728, dass ein Auszug der von Huyssen verfassten „Historie des Lebens“ des Fürsten Menšikov vorliege und dass diese „in prächtigem Druck und schönen Kupfern herauskommen sollen, wenn sein Fall nicht dazwischen gekommen wäre. Dieses wurde wol aufzubehalten befohlen.“97 In der Hoffnung auf eine Gratifikation und eine Aufwertung seiner Stellung hatte Huyssen die Lebensbeschreibung des für eine gewisse Zeit nahezu uneingeschränkt in Russland regierenden Fürsten verfasst, der ihm indes zeitweise in seiner Karriere geschadet hatte. Beinahe wäre der Kriegsrat, auch durch das Agieren Menšikovs, in den Strudel des Untergangs von Peters Sohn hineingerissen worden. Und dennoch überwand sich Huyssen und verfasste eine Panegyrik des so einflussreichen Staatsmannes. Obwohl diese Biographie Menšikovs damals ihre Funktion nicht erfüllte, erhielt sie im Nachhinein, durch die Drucklegung 1848, erhebliche Bedeutung für die spätere Menšikov-Forschung.98 Durch die intensive Nutzung von Quellen bereitete auch diese Schrift Huyssens den Übergang von einer legendengebundenen Darstellung der Vergangenheit zu einer Geschichtsschreibung moderneren Typs vor, wenngleich ihr Autor den Legenden, die über Menšikov im Umlauf waren, gewiss noch weitere hinzufügte.

10.4. Die Warägerfrage Eines der historischen Themen, mit denen sich Huyssen über Jahre intensiv beschäftigte, war die sogenannte Warägerfrage und damit die Frage nach den Anfängen des russischen Staates.99 Die nach einem Mönch des Kiewer Höhlenklosters benannte und als Nestorchronik bekannt gewordene, zu Beginn des 12. Jahrhundert aus früheren Überlieferungen zusammen96 Ebd. 4 (1848) 5f., 8–11. 97 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-IV-38, 27. Mai 1728, 52r. 98 Pavlenko, Nikolaj Ivanovič: Aleksandr Danilovič Menšikov. Moskva 1981, 13, 39. 99 Die neueste Darstellung der Warägerdebatte bei Hoffmann, Peter: Mythos Normannentheorie. M. V. Lomonosov, G. F. Müller und die Entwicklung der Geschichtswissenschaft in Russland im 18. Jahrhundert. In: Kultursoziologie. Aspekte – Analysen – Argumente 21/1 (2012) 33–51. Vgl. ferner Scholz, Birgit: Von der Chronistik zur modernen Geschichtswissenschaft. Die Warägerfrage in der russischen, deutschen und schwedischen Historikographie. Wiesbaden 2000 (Veröffentlichungen des OsteuropaInstituts München. Reihe Forschungen zum Ostseeraum 5); dies.: Die Warägerfrage in der deutschen Historiographie um die Mitte des 18. Jahrhunderts. In: Dahlmann (Hg.): Die Kenntnis Rußlands im deutschsprachigen Raum, 201–227; dies.: Russische Geschichte an der Petersburger Akademie der Wissenschaften in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In: Lehmann-Carli u. a. (Hg.): Russische Aufklärungsrezeption, 515–535; Merkulov, Vsevolod Igorevič: Otkuda rodom varjažskie gosti? Genealog českaja rekonstrukcija po nemeckim istočnikam. Moskva 2005; Kunstmann, Heinrich: Die Slaven: Ihr Name, ihre Wanderung nach Europa und die Anfänge der russischen Geschichte in historisch-onomastischer Sicht. Stuttgart 1996, 218–237; Goehrke, Carsten: Frühzeit des Ostslaventums. Darmstadt 1992 (Erträge der Forschung 277), 157–164; Rüss, Hartmut: Das Reich von Kiev. In: Hellmann u. a. (Hg.): Handbuch der Geschichte Russlands, Bd. 1/1, 199–429, hier 267–282.

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gefasste und fertiggestellte Povest’ vremennych let berichtete, dass die im Gebiet des Ladoga- und Ilmensees lebenden slawischen und finnischen Stämme sich nicht auf einen gemeinsamen Anführer hätten einigen können. Es lag nahe, einen Herrscher bei ihren Nachbarn, den Warägern, zu suchen. So beauftragten die Nowgoroder im 9. Jahrhundert die legendären Warägerfürsten Rjurik, Sineus und Truvor, die Herrschaft über ihr Land zu übernehmen. Die Waräger gehörten legendären Überlieferungen des Mittelalters nach neben anderen Völkern zum Geschlecht von Noahs Sohn Japhet, kamen „von jenseits des Meeres“ und wurden auch Rus’ genannt.100 Diese Legende wurde in den nachfolgenden Jahrhunderten unterschiedlich interpretiert und vor allem von russischer,101 deutscher102 und schwedischer Seite103 politisch umgedeutet. Der österreichische Gesandte in Russland Sigismund von Herberstein vermutete im 16. Jahrhundert, dass mit Warägern die „Wenden“ gemeint waren, die in „Wagria“, „nahe bei Lübeck und dem Herzogtum Holstein hausten“ und den Russen „in Sprache und Sitten“ ähnelten. Allerdings räumte er ein, dass die Waräger auch „Schweden, Preußen oder Dänen oder diesen benachbart gewesen“ sein könnten. Rjurik, Sineus und Truvor „rühmten sich, ihren Ursprung von den Römern zu haben“, so Herberstein. Seine Ansichten waren dabei religiös geprägt, er suchte die Ursprünge dieses Volkes beim alttestamentlichen „Stamme Japhet“.104 Die Thesen Herbersteins über die Herkunft Rjuriks und der Waräger aus der holsteinischen Provinz Wagrien stützten sich zum größten Teil auf Vermutungen. Trotzdem wurden seine Überlegungen zur Grundlage für die Überlegungen zur Warägerfrage, die vor allem seit Beginn des 18. Jahrhunderts verstärkt angestellt wurden.105 Spätere Autoren übernahmen sie und stellten sie in einen politischen Rahmen.106 In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts beschäftigte man sich anlässlich der Intensivierung dynastischer Verbindungen zwischen mehreren protestantischen Reichsständen und Russland ausführlich mit diesem Thema. Heftige Diskussionen über die russische und deutsche genealogische Verwandtschaft wurden in Gelehrtenkreisen geführt, wie Georg Friedrich Stieber, Historiker, Biblio-

100 Die Nestorchronik: die altrussische Chronik, zugeschrieben dem Mönch des Kiever Höhlenklosters Nestor, in der Redaktion des Abtes Sil’vestr aus dem Jahre 1116, rekonstruiert nach den Handschriften Lavrent’evskaja, Radzivilovskaja, Akademičeskaja, Troickaja, Ipat’evskaja und Chlebnikovskaja. Dt. Übersetzung v. Ludolf Müller. München 2001 (Handbuch zur Nestorchronik 4. Forum Slavicum 56), 5, 19; Donnert, Erich/Hösch, Edgar: Altrussisches Kulturlexikon. Stuttgart 2009, 170f. 101 Kniga stepennaja carskogo rodoslovija, Tl. 1–2. S-Peterburg 1908 [ND 1970], hier Tl. 1, 7; [Gizel’, Innokentij]: Sinopsis ili kratkoe opisanie ot različnych letopiscev, o načale slavenskago naroda, o pervych Kievskich Knjazech, i o zitii svjatago blagovernago i Velikago knjazja Vladimera. Sanktpeterburg 71774 [11674], 1f., 12f., 22f. 102 Herberstain: Moscovia [1926], 35–37. Vgl. auch Strahlenberg, Philipp Johann von: Das Nord- und Ostliche Theil von Europa und Asia, In so weit solches Das gantze Rußische Reich mit Siberien und der grossen Tatarey in sich begreiffet, In einer Historisch-Geographischen Beschreibung der alten und neuern Zeiten, und vielen andern unbekannten Nachrichten vorgestellet. Stockholm 1730, 193f. 103 Petreius, Petrus: Regni Muschowitici Sciographia. Stockholm 1615. Erweiterte deutsche Fassung des Autors: Petreius, Petrus: Historien und Bericht Von dem Großfürstenthumb Muschkow [...] Wie auch Von der Reussischen Großfürsten Herkommen/ Regierung/ Macht. Lipsiae 1620, 139–143. 104 Herberstain: Moscovia [1926], 35–37. 105 Scholz: Die Warägerfrage in der deutschen Historiographie, 208–210. 106 Reutenfels, Iacobus: De Rebus Moschoviticis ad Serenissimum Magnum Hetruriae Ducem Cosmum Tertium. Patavii 1680. Russische Übersetzung v. Aleksej Stankevič: Skazanija Svetlejšemu Gerzogu Toskanskomu Koz’me Tret’emu o Moskovii. Moskva 1905, 39f.

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thekar und Hofprediger des Herzogs Karl Leopold von Mecklenburg-Schwerin, betonte, der eine Nichte Peters I. heiratete. Stieber, der 1717 in seiner Historischen Untersuchung Des hohen Alterthums die damals neue quellenkritische Methode vorführte, widerlegte die These Herbersteins von der wagrisch-„wendischen“ Herkunft Rjuriks: „die Waregi/ von welchen die Russen ihren Fürsten den Rurick gehohlet/ seyen nicht die Wager-Wenden oder Wagrier/ sondern ein gantz ander/ und den Rußland benachbahrtes Volck gewesen.“ Stieber forderte zu einer weiteren Untersuchung dieser Frage auf, um die Wahrheit ans Licht zu bringen, wobei er einschränkte, dass dies schwierig werden würde, weil man „auch selbst in Moscau wenig davon finden“ könne.107 Trotz Stiebers gewichtiger Gegenargumente tauchte die These Herbersteins von der wagrisch-„wendischen“ Herkunft Rjuriks in der Abhandlung Huyssens über die Waräger abermals auf. Einen Entwurf sandte er 1726 an die Berliner Societät, also nach der im Vorjahr erfolgten Eheschließung Anna Petrovnas, einer Tochter Peters I., mit Herzog Karl Friedrich von Holstein-Gottorf. Birgit Scholz vertritt in diesem Zusammenhang die These, dass Huyssen die „Wissenschaft als Steinbruch“ für politische Ziele zu nutzen suchte, seine Schrift diene „der historischen Rechtfertigung und Festigung des deutschen Einflusses und seiner persönlichen Stellung am Zarenhof“. Huyssen hätte bereits vorhandene Erkenntnisse bewusst uminterpretiert. Scholz unterscheidet zwischen der Auffassung der Societät der Wissenschaften und der Huyssens, der sich ihrer Meinung nach „weit unter dem wissenschaftlichen Niveau seiner Zeit“ bewegt habe.108 Huyssen sollte als Historiker gleichwohl nicht unterschätzt werden: Er schrieb zu einer Zeit, in der ein Wandel von der Chronistik zur Geschichtswissenschaft erst langsam einsetzte.109 Nicht nur Huyssen hatte nur sehr vage Vorstellungen über die altrussische Geschichte und die Abstammung der Waräger – dies gilt auch für andere gelehrte Zeitgenossen, darunter Leibniz und Johann Theodor Jablonski, wie im Folgenden zu zeigen sein wird. Huyssens aus drei Blättern bestehender Entwurf über die Waräger befindet sich im Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Er bildet keine abgeschlossene Abhandlung, sondern stellt eher ein unvollendetes Konzept mit Anmerkungen am Rand der Blätter dar.110 Es ist anzunehmen, dass es sich bei dem Entwurf nur um den Beginn eines längeren Textes handelt, denn am 22. Februar 1726 schrieb Johann Theodor Jablonski Huyssen, er habe einen Teil seiner Disquitio de Varegis erhalten. Dieser Teil „hat uns allen so viel Appetit gemacht, daß ich es wage, ungeduldig zu verlangen, den Rest davon zu sehen zu bekommen“. Er äußerte sich wohlwollend über Huyssens Fähigkeiten als Geschichtsschreiber 107 Stieber, G[eorg] F[riedrich]: Historische Untersuchung Des hohen Alterthums/ Verwandtschafft und Uhrsprungs Des Grosz-Czaarischen und Drl. Mecklenburgischen Hauses/ Wobey zugleich untersuchet wird: Ob die Russen und Wenden vor eine Nation zu halten seyn/ oder nicht? Rostock/Leipzig 1717, 3f., 6, 50f., 63. Zu Georg Friedrich Stieber vgl. Myl’nikov, Aleksandr Sergeevič: BraunschweigWolfenbüttel als Kulturzentrum und die Anfänge der deutschen Slawistik. Versuch einer Systemund Regionalanalyse. In: Graßhoff, Helmut (Hg.): Literaturbeziehungen im 18. Jahrhundert. Studien und Quellen zur deutsch-russischen und russisch-westeuropäischen Kommunikation. Berlin 1986, 38–80, hier 50f., 61–64. 108 Scholz: Die Warägerfrage in der deutschen Historiographie, 213f.; dies.: Von der Chronistik zur modernen Geschichtswissenschaft, 214–218. 109 Vierhaus: Historisches Interesse im 18. Jahrhundert, 270. 110 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-V-5, Manuskript des Heinrich von Huyssen über die Waräger, 1r–2r.

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und bemerkte, dass dieser durch sein großes Wissen über das Altertum besonders befähigt sei, den Ursprung der Waräger herauszufinden.111 In seinem Brief vom 13. März 1726 versprach Huyssen Jablonski die Übersendung seiner vollständigen Abhandlung zur Warägerfrage, also offensichtlich den Rest des Entwurfs.112 Aus dem Protokoll des Konsiliums der „deutschen Sprach- und Geschichtforschungs-Classe“ der Akademie der Wissenschaften vom 4. Juli 1726 geht hervor, dass Huyssens Schrift nun „complet vorhanden“ war. „[W]eil des H. [Konrad Barthold] Berens [Behrens] meinung dahin ziele, dass sie den Miscellaneis einverleibt werde, fragt[,] wie es damit zu halten. Weil denn H. Director [Johann Heinrich Schlüter] davorgehalten, daß obgleich das Thema mere Historicum zu sein scheine, bei gegenwärtigen umständen die absicht dennoch so wol als der inhalt bedenklich vorkomme, so wurde Concl. die Schrift beizulegen“, hieß es im Protokoll der Sitzung.113 Jablonskis Aussage, dass Huyssens Schrift nunmehr vollständig vorliege, ist der einzige Anhaltspunkt dafür, dass Huyssen seine Arbeit tatsächlich beendete. Im Archiv der Akademie ist jedoch nur der unvollendete Entwurf vorhanden, so dass anzunehmen ist, dass ein Teil der Schrift verloren gegangen ist. Huyssen schrieb an Jablonski am 6. August 1726: „Es überrascht mich, dass Sie der Fortsetzung Ihrer Miscellanea meine Vermutungen über die Waräger, denen Sie den Namen Dissertation geben, hinzufügen werden. Mir scheint es, dass sie nicht genügend gereift ist, um es zu verdienen, veröffentlicht zu werden, wenn nicht Sie, mein Herr, oder jemand anderes ihr den letzten Schliff geben. Tausend Dinge hindern mich[,] das von mir zu diesem Thema Gesammelte zusammenzufügen, wie ich es beabsichtigt hatte. Nun sind Sie der Herr und handeln, wie Sie es für angebracht halten.“114 Ganz offensichtlich hatte Huyssen nicht den Anspruch, seinen Entwurf als Dissertation zu bezeichnen, diese Initiative ging von Johann Theodor Jablonski aus. Im genannten Brief erwähnte Huyssen zudem einen beigefügten Katalog, dessen erster Entwurf nun ebenfalls bei Jablonski liege. Huyssen überließ dem Akademiesekretär die Entscheidung darüber, ob dieser mit der überarbeiteten Dissertation verbunden werden sollte. Huyssen schien es, als würde die Etymologie der „wandalischen“ Städte in Deutschland bestätigen, was er über die Waräger berichtet hatte.115 In der Sitzung der „deutschen Sprachund Geschichtforschungs-Classe“ der Societät vom 27. September 1726 wurde daraufhin das von Huyssen übersandte „Register [vermutlich der von ihm im Brief an Jablonski erwähnte Katalog] vieler Nahmen der Orte, Länder und Geschlechter in Pommern, Meckelburg und

111 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 22. Februar 1726. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 140. 112 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-V-5a, Heinrich von Huyssen an Johann Theodor Jablonski, St. Petersburg 13. März 1726, 96r–97v. 113 Ebd., Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-IV-38, 4. Juli 1726, 44v. 114 „J’apprends avec surprise, que vous allez mettre dans la continuation de vos Miscellanea mes conjectures sur les Varegos, auxquelles vous donnez le nom de dissertation. Il me semble, qu’elle n’est pas assez digérée, pour meriter d’être publiée, à moins que vous, Monsieur, ou quelque autre n’y mette la dernière main. Mille choses m’empêchent de mettre ensemble ce que j’aurais là-dessus compilé, comme je me l’étais proposé. Cependant vous en êtes le maître, et ferez ce que vous en jugerez à propos.“ Heinrich von Huyssen an Johann Theodor Jablonski, St. Petersburg 6. August 1726. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 143. 115 Ebd.

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Holstein, so aus der alten Slavonischen sprache herstammen“, besprochen. „Es wurde hiebei erinnert, daß verschiedene darunter nach ihrem ursprung bekannt, viele aber, weil sie gar kurz gefaßet, und der ursprung nur mit einem wort angedeutet ist, einer mehrern erläuterung und bestätigung aus der Historie oder Sprachkunde nötig haben, und also dieses stück, welches wenn er recht ausgeführt würde, in der Historie nüzlich zu gebrauchen wäre, einer vollkommeneren ausarbeitung nötig habe.“ Es wurde entschieden, die Schrift „beizulegen“,116 was bestätigt, dass Huyssen zunächst nur grobe Entwürfe angefertigt hatte. Am 14. November 1726 schrieb Jablonski, dass Huyssens Schrift über die Waräger und „der Aufsatz über die Etymologie der Städtenamen etc.[,] die auf die Sarmaten zurückgehen“, nun doch nicht in den Miscellanea erscheinen würden, da er – Huyssen – dies so wollte; wegen eines anderen Druckortes werde man sich mit ihm in Verbindung setzen.117 Offenbar kam es jedoch zu keiner weitergehenden Bearbeitung. Im Archiv der Berliner Akademie der Wissenschaften sind nur Entwürfe vorhanden, Handschriften, in denen die slawischen Wörter untersucht und ins Lateinische übersetzt wurden; so sollte beispielsweise „stargard“ eine „antiqua Urbs, star antiquus“ bedeuten.118 Kennzeichnend für das historische Verständnis der Zeit ist Leibniz’ Ansicht über die Warägerfrage. Leibniz, der großes Interesse an den Anfängen des russischen Staates hatte,119 schrieb am 15. April 1710 in einem Brief an den französischen Gelehrten Mathurin Veyssière de la Croze, Rjurik sei aus der in der Nähe von Lübeck gelegenen Landschaft Wagrien nach Russland gekommen, wo früher die slawischen Obotriten gelebt hätten. Das Wort Waräger leitete Leibniz von Wagrien ab. Die Bewohner Lübecks, Mecklenburgs und Lauenburgs seien zuvor slawisch gewesen. Dieses Gebiet werde nun von deutschen Völkern oder von Völkern, die germanisiert wurden, bewohnt. Wagrien sei in der Vergangenheit mehrere Male von Normannen oder Dänen belagert worden. Rjurik war für Leibniz ein Däne, der aber aus Wagrien oder der Umgebung stammte, denn der Name Rjurik sei in Dänemark und bei anderen Nordgermanen häufig aufgetreten, nicht aber bei den Mecklenburgern oder anderen slawischen Gruppen.120 Huyssen vertrat in seinem Konzept die gleiche Vermutung wie Leibniz, dass nämlich die Waräger aus der in Holstein gelegenen Provinz Wagrien stammten. Mit der These, dass die nach Russland berufenen Warägerbrüder römischer Abstammung gewesen seien, stellte sich der Autor in die Tradition des russischen „Stufenbuches“ aus dem 16. Jahrhundert: „Diese drei Fürstenbrüder sollen ihr Geschlecht von den Römischen Kaisern herleiten (siehe die

116 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-IV-38, 27. September 1726, 45v–46r. 117 „puisque vous le voulez ainsi, et avant que de les faire entrer on conférera lá-dessus avec vous, et tâchera de les mettre en un état digne de leur auteur“. Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 14. November 1726. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 147f. 118 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-V-3, Wissenschaftliche Verhandlungen 1704–1734, Untersuchungen der slawischen Wörter, 28r–29v, 32r–37r, hier 29v, 34r, 35v. 119 Merkulov: Otkuda rodom varjažskie gosti, 48–54. 120 Gottfried Wilhelm Leibniz an Mathurin Veyssière de la Croze, Hannover 15. April 1710. In: Guerrier: Leibniz, Anhang 145. Vgl. auch Merkulov: Otkuda rodom varjažskie gosti, 49; Raab, H[arald]: Die Anfänge der slawistischen Studien im deutschen Ostseeraum unter besonderer Berücksichtigung von Mecklenburg und Vorpommern. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Ernst Moritz Arndt-Universität Greifswald: Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe 5 (1955/56) 339–402, hier 365.

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Briefe des Zaren Michael Fed: Gedruckt in Rassuschdenie).“121 Huyssen meinte damit wohl das Rassuždenie Šafi Šafirovs rovs über „die rechtmäßigen Ursachen“, die Peter I. dazu gebracht hätten, den Krieg gegen Schweden anzufangen.122 Darin war spisok velikogo gosudarja s gramoty poslannoi ko francuskomu korolju v prošlom 7123 godu v mae mecjace – eine Abschrift des Schreibens des Zaren Michail Fedorovič Romanow an König Ludwig XIII. von Frankreich aus dem Jahr 1614 – abgedruckt. Die Schrift behandelte die Zeit der Wirren und die militärische Intervention von Polen-Litauen und Schweden in Russland. Sie ist eine bedeutende Quelle für die Geschichte Russlands Ende des 16./ Anfang des 17. Jahrhunderts, also für die Zeit zwischen dem Ende der Rjurikiden-Dynastie und dem Beginn der Romanow-Dynastie im Jahr 1613. Das Geschlecht des Warägerfürsten Rjurik wurde in der Schrift Huyssens vom römischen Kaiser Augustus abgeleitet. Michail Fedorovič, der erste Romanow auf dem Thron, bezeichnete Zar Iwan IV. aus der Rjurikiden-Dynastie als seinen Großvater und dessen Sohn, Zar Fedor I., als seinen Onkel. Somit wurden die verwandtschaftlichen Verbindungen zwischen den beiden russischen Herrscherdynastien hervorgehoben und man suchte eine Begründung für deren angebliche gemeinsame Abstammung von römischen Kaisern.123 Huyssen hatte offenbar ein offizielles Dokument als Quelle für seine Abhandlung über die Waräger zur Verfügung – eine der wenigen Quellen, die ihm in dieser Frage zugänglich waren. Man darf durchaus annehmen, dass Huyssen selbst von der Richtigkeit seiner Thesen überzeugt war. Dies bestätigte auch Stieber in seiner Historischen Untersuchung Des hohen Alterthums im Zusammenhang mit der Behauptung, dass die russische und die „wendische“ Sprache „die Slavonische“ sei: „Ich erinnere mich hiebey/ wie etwa vor vier Jahren bey ersterem Ein-march der Rußischen Trouppes in dis Land/ Herr Baron von Huyssen/ welcher Ihro Hoheit den Czaarowitzen hieher begleitete/ zu erzehlen pflegen/ es könten die Russen/ wenn sie auscommandiret würden/ die Nahmen der Städte hiesigen Landes/ über die massen wol behalten/ indem solche grossen Theils Wendische Nahmen haben/ die mit der Rußischen wohl übereinkommen.“124 Huyssen schien dies ein ausreichender Beweis für seine These über die Abstammung der Waräger aus Wagrien zu sein. Die Schrift Huyssens war nicht nur vom herrschenden Geschichtsverständnis abhängig, sondern auch von den politischen Interessen der damaligen Zeit geprägt.125 Huyssen handelte im Auftrag des mit der älteren Tochter Peters des Großen, Anna Petrovna, verheirateten Herzogs Karl Friedrich von Holstein-Gottorf, wie aus seinem Brief an Jablonski vom 13. März 1726 hervorgeht.126 In Deutschland fehlten Informationen über die Abstammung des legendären Rjurik, so dass man auch in wissenschaftlichen Kreisen keine klare Vorstellung 121 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-V-5, Manuskript des Heinrich von Huyssen über die Waräger, 1v. Vgl. auch den ins Deutsche übersetzten Auszug des Manuskriptes bei Scholz: Von der Chronistik zur modernen Geschichtswissenschaft, 216. 122 Š[afirov]: Rassuždenie. 123 Spisok velikogo gosudarja s gramoty[,] poslannoi ko francuskomu korolju v prošlom 7123 [1614] godu v mae mecjace. Ebd., 301–374, hier 301f. 124 Stieber: Historische Untersuchung Des hohen Alterthums, 21. 125 Scholz: Die Warägerfrage in der deutschen Historiographie, 203. 126 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-V-5a, Heinrich von Huyssen an Johann Theodor Jablonski, St. Petersburg 13. März 1726, 96r–97v. Vgl. auch die deutsche Übersetzung eines Auszugs des Briefes bei Scholz: Von der Chronistik zur modernen Geschichtswissenschaft, 214f.

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über diese Zusammenhänge hatte. Selbst in Russland war die Nestorchronik „bis Mitte des 18. Jahrhunderts weder erschlossen noch übersetzt, kommentiert oder gedruckt“.127 Andere russische Quellen zur Warägerfrage waren in kirchenslawischer Sprache verfasst und Ausländern deshalb schwer zugänglich. Daneben lieferten sie unterschiedliche Informationen zur Warägerfrage. Die 1674 erstmals in Kiew erschienene Sinopsis ili kratkoe opisanie, die wahrscheinlich von preußischen Konvertiten und Abt des Kiewer Höhlenklosters Innokentij Gizel’ zusammengestellt wurde, war das einzige gedruckte Buch zur altrussischen Geschichte zu Lebzeiten Huyssens. Dessen religiöse Interpretation historischer Ereignisse entsprach jedoch im Grunde nicht seinen Ansichten. Erst später stellte die russische Akademie der Wissenschaften eine altrussische Geschichte zusammen. 1732 wurde im ersten „Stück“ der von Gerhard Friedrich Müller „bey der Kayserl. Academie der Wißenschafften“ in St. Petersburg herausgegebenen Sammlung Rußischer Geschichte Folgendes fixiert: „Da die Historie des Rußischen Reiches [...] bis hieher noch so vielen Schwierigkeiten unterworffen ist, daß es fast unmöglich scheinet, in 20 oder mehr Jahren etwas Systematisches in diesem Stück hervor zu bringen“, habe man die Entscheidung getroffen, eine Sammlung der zur russischen Geschichte gehörigen Abhandlungen und Urkunden herauszugeben.128 In seinem Brief an Johann Theodor Jablonski vom 13. März 1726 erwähnte Huyssen noch eine 1725 in Reval gedruckte Schrift, die er zur Eheschließung Anna Petrovnas mit Herzog Karl Friedrich von Holstein-Gottorf verfasst habe. Der Titel war Epithalamium in Nuptias Auspicatissimas Regiae Suae Celsitudinis Serenissimi Principis ac Domini Caroli Friderici, Haeredis Norvegiae, Supremi Ducis Slesvici, Ducis Holsatiae, Comitis in Oldenburg & Delmenhorst.129 In diesem Werk vertrat Huyssen ebenfalls die These vom Ursprung Rjuriks aus Wagrien: „Vageri, Vagri, oder Vageri waren Völker, die einst an der Küste des Baltischen Meeres lebten, den Namen bekamen sie von Wagrien, der fruchtbarsten Provinz Holsteins.“130 Huyssens Schriften, in denen er die Abstammung der regierenden Häuser von den Warägern postulierte, dienten dem Zweck, dieser dynastischen Verbindung zwischen den Häusern Romanow und Holstein-Gottorf eine in die ferne Vergangenheit reichende Legitimation zu verleihen und sie mit der Legende von einer Abstammung vom römischen Kaiserhaus der Augustäer zu verbinden. Karl Friedrich gehörte dem 1726, zu Beginn der Herrschaft Katharinas I., geschaffenen „Obersten Geheimen Rat“ (Verchovnyj Tajnyj Sovet) an, der als kollektives Leitungsgremium die Interessen verschiedener Parteien am Hof vorläufig ausgleichen sollte. Das waren die von Peter geförderten „Emporkömmlinge“, deren mächtigster Vertreter Aleksandr Danilovič Menšikov war, die Holsteiner Partei sowie die der altrussischen Aristokratie mit Angehörigen der Familien Dolgorukij und Golicyn, die auf den 1715 geborenen Peter, den minderjährigen Sohn des gestürzten Thronfolgers Aleksej Petrovič, setzte. Zuerst

127 Scholz: Die Warägerfrage in der deutschen Historiographie, 204, 207. 128 [Anonym]: Einleitung. In: Sammlung Rußischer Geschichte 1 (1732) 2–4, hier 2. 129 [Huyssen, Heinrich von]: Epithalamium in Nuptias Auspicatissimas Regiae Suae Celsitudinis Serenissimi Principis ac Domini Caroli Friderici, Haeredis Norvegiae, Supremi Ducis Slesvici, Ducis Holsatiae, Comitis in Oldenburg & Delmenhorst, &c. &c. cum Serenissima atque Celsissima Principe Anna Petride, Augustissimae, Serenissimae atque Potentissimae Russorum Imperatricis Catharinae Filia Principe natu maxima, Petropoli, Die, Constantino M. & S. Helenae Sacro, XXI. Maji. anno MDCCXXV celebratas. Revaliae 1725. 130 Ebd., 12.

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Historiographische Beiträge

wurde der Holsteiner Karl Friedrich aus St. Petersburg verdrängt. Damit entfiel auch der Rückhalt, den Huyssen durch dynastische Spekulationen über eine Zukunft der Verbindung zwischen Holstein-Gottorf und Russland hatte. Erst der 1728 geborene Sohn des Herzogs, Karl Peter Ulrich, sollte 1762 als Kaiser und Gemahl Katharinas aus dem Haus Anhalt-Zerbst den russischen Thron besteigen.

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11. Annäherung zwischen der orthodoxen Kirche Russlands und Protestanten und Katholiken im westlichen Europa 11.1. Die Halleschen Pietisten in Russland Großes Interesse an Russland zeigte August Hermann Francke, Theologieprofessor und Gründer der nach ihm benannten Anstalten zu Halle, dessen Bestrebungen weit über die deutschen Grenzen hinausgingen. Er hielt es für notwendig, in Russland im Sinne des Pietismus zu missionieren. Francke finanzierte seine Stiftungen durch den Absatz von Schriften, die vom Halleschen Waisenhaus vertrieben wurden. Diese Einrichtung, die auf pädagogischem, wirtschaftlichem und missionarischem Gebiet für den Pietismus tätig war und zum Synonym für die gesamte Bewegung wurde, sammelte und druckte auch diejenigen Schriften, die Russland betrafen.1 Darüber hinaus entstand in Halle 1702 unter der Leitung des Orientalisten und Theologen Johann Heinrich Michaelis das Collegium orientale, wo man neben anderen Sprachen auch Russisch pflegte. 1704 erwarb Francke in Halle überdies eine Druckerei, die Schriften in russischer Sprache herstellte – die erste in Deutschland und eine der frühesten außerhalb Russlands.2 Diese Aktivität spiegelt das große Interesse der Hallenser an Russland wider, wo man aufgrund der offiziell proklamierten religiösen Toleranz günstige Voraussetzungen für die eigene Tätigkeit fand. Die Pietisten hatten gelehrte Interessen, vor allem auf den Gebieten der Geographie und Sprachwissenschaft, die allerdings der Mission untergeordnet waren. Auch auf dieser Ebene fanden sie im Zarenreich ein gutes Tätigkeitsfeld. Einer ihrer bedeutenderen Mittelsmänner war Heinrich von Huyssen. 1704 war Francke von Ernst Glück, dem Leiter des Moskauer Akademischen Gymnasiums, informiert worden, dass Huyssen „Informator“ des Zarewitsch geworden sei.3 Francke seinerseits zeigte großes Interesse am Moskauer Akademischen Gymnasium und an Ernst Glück, der den Kontakt mit den Halleschen Pietisten pflegte. Glück und Huyssen wiederum standen sich ebenfalls nahe, wechselten Briefe und tauschten Neuigkeiten aus. So berichtete Glück am 6. Juli 1704 in einem Brief an Huyssen, dass er einige Wochen zuvor eine Einladung des Patriarchatsverwesers Stefan Javorskij angenommen habe. Er 1 Fundaminski, Michail [Isaakovič]: Die Russica-Sammlung der „Franckeschen Stiftungen“ in Halle. In: Kopelew/Korn/Sprung (Hg.): Deutsch-russische Begegnungen im Zeitalter der Aufklärung, 187–194. Zum Halleschen Waisenhaus vgl. Klosterberg, Brigitte: Bücher sammeln unter der „Providenz Gottes“: August Hermann Francke und die Bibliothek des Halleschen Waisenhauses. In: Graef, Sabine/Prühlen, Sünje/Stork, Hans-Walter (Hg.): Sammler und Bibliotheken im Wandel der Zeiten. Frankfurt a. M. 2010 (Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie. Sonderband 100), 145–160; Obst: Francke, 57–64; Hertzberg, Gustav Friedrich: August Hermann Francke und sein Hallisches Waisenhaus. Halle a. d. Saale 1898 [ND 1998]; Goodman-Thau, Eveline/Beltz, Walter (Hg.): Von Halle nach Jerusalem. Halle 1994 (Hallesche Beiträge zur Orientwissenschaft 18). 2 Winter, E[duard]: Das Wirken der Universität Halle im Geiste Melanchthons und die Aufklärung der slawischen Völker in Europa. In: Zeitschrift für Slawistik 6 (196) 260–265, hier 262. 3 Ernst Glück an August Hermann Francke, Moskau 8. März 1704. In: Winter: Halle als Ausgangspunkt der deutschen Russlandkunde, 373–378, hier 373.

192 Annäherung zwischen der orthodoxen Kirche Russlands und Protestanten und Katholiken habe sich in einem Brief an ihn in griechischer Sprache bereit erklärt, die kirchenslawische Bibel zu revidieren. Javorskij habe dem Plan für eine Revision der heiligen Bücher zugestimmt, da dies im Sinne des Zaren sei. Er habe sogar bei Glück Griechisch und Hebräisch lernen und seine Mitarbeiter zu ebensolchen Sprachstudien auffordern wollen.4 Glücks Tod brachte die Schule in mancherlei Schwierigkeiten. So wurde der pietistische Lehrer des Gymnasium Petrinum, der aus Wilna stammende Michael Boguslaw Ruttich, vom Vater eines seiner Schüler verhaftet. Als Francke von dieser unangenehmen Angelegenheit hörte, bat er sofort Huyssen um Vermittlung, der dieser Bitte tatsächlich nachkam. Nach Heinrich Doerries war dies der erste Kontakt zwischen Huyssen und Francke. Huyssens Intervention bewirkte, dass Ruttich aus dem Gefängnis entlassen wurde.5 Huyssens Kontakt zur Glückschen Schule war nicht zuletzt deshalb so eng, weil er als Erzieher des Thronfolgers in ihren Lehrern wichtige Mitarbeiter fand. So engagierte er den aus Salzungen in Thüringen stammenden Johann Werner Paus, den er 1704 für die Stelle als Rektor des in Narwa zu errichtenden Gymnasiums zu gewinnen versucht hatte – was jener im Hinblick auf die unsichere Lage in Livland jedoch ablehnte –, als Geographie- und Geschichtslehrer für den Zarewitsch Aleksej. Nach dem Tod Glücks 1705 wirkte Paus als Leiter der Schule, wurde jedoch bereits 1706, angeblich aufgrund seiner Starrsinnigkeit, des Amtes enthoben.6 In einem Brief nach Halle vom 23. April 1721 schilderte Huyssen Paus’ Leistungen und bat, einige seiner Schriften im Waisenhaus zu verlegen, da „der Umgang mit Russen an deutschen Höffen und in den benachbahrten angräntzenden Ländern sich täglich vermehret“. Huyssen berichtete, dass sich unter Paus’ Übersetzungen auch Johann Arndts Erbauungsbuch Wahres Christentum,7 der livländische lutherische Katechismus und „viele geistl[iche] Lieder“ befänden, die „nach unsern Melodeyen übersetzt und in russischen Reymen gebracht“ worden waren. Um „dergleichen geistliche Sachen“ in Russland zu publizieren, werde allerdings die Druckerlaubnis des Synods benötigt.8 Johann Heinrich Callenberg hatte Paus darüber informiert, dass Huyssen am 23. April 1721 seinetwegen an Francke geschrieben hatte. Paus bat Francke daraufhin, sich in seinem Antwortschreiben an Huyssen in seinem Namen für dessen „geneigtes Andencken“ zu bedanken und ihm mitzuteilen, dass er „durch Gottes Gnade noch so hin gesund lebe“. Obwohl sein „Landesherr“ ihm eine Beförderung versprochen hatte, entschloss sich Paus, nach Russland zurückzukehren – eine Erklärung dazu gab er in einem Brief an Francke vom 25.

4 Grau: Petrinische kulturpolitische Bestrebungen, 69. 5 Winter: Halle als Ausgangspunkt der deutschen Russlandkunde, 172; Doerries: Rußlands Eindringen in Europa, 175; Salomies, Ilmari: Der Hallesche Pietismus in Russland zur Zeit Peters des Grossen. Helsinki 1936 (Annales Academiae scientiarum Fennicae B/31/2), 65–68. 6 Doerries: Rußlands Eindringen in Europa, 82; Glück/Polanska: Johann Ernst Glück, 102–104; Kovrigina: Glück als Schulgründer in Russland, 205; Grau: Petrinische kulturpolitische Bestrebungen, 71; Winter, E[duard]: I. W. Paus o svoej dejatel’nosti v kačestve filologa i istorika (1732). In: XVIII vek 4 (1959) 313–322, hier 314f. 7 Arndt, Johannes: Vier Bücher Von wahrem Christenthumb/ Heilsamer Busse/ Hertzlicher Rewe und Leid uber die Sünde und wahrem Glauben: auch heiligem Leben und Wandel der rechten wahren Christen, Bd. 1–4. Magdeburg 1610 [ND 2007]. Vgl. zur Übersetzung durch Paus Reichelt, Stefan: Johann Arndts „Vier Bücher von wahrem Christentum“ in Russland. Vorboten eines neuzeitlichen interkulturellen Dialogs. Leipzig 2011, 30. 8 Heinrich von Huyssen an August Hermann Francke, St. Petersburg 23. April 1721. In: Winter: Halle als Ausgangspunkt der deutschen Russlandkunde, 397–399.

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August 1721.9 Paus hielt sein Wort und reiste wieder nach Russland, wo er seine Arbeit fortsetzte und 1735 in St. Petersburg starb. In Huyssens oben angesprochenem Brief aus St. Petersburg an Francke ging es aber nicht nur um Paus. Huyssen berichtete ganz allgemein über Neuigkeiten: „Wir haben nuhmero 4 teutsche und 4 schwedische und finnische evangelische Kirchen alhier, wie auch eine reformirte, wo öffentlich und frey der Gotteßdienst gehalten wird.“ Er schrieb über den Bergrat Johann Martin Michaelis, einen Verwandten des Hallenser Orientalisten Johann Heinrich, der von St. Petersburg über Moskau nach Kasan gereist war, um „die Bergwercke in Stand zu richten“. Auch über Angelegenheiten seines in Russland wirkenden Mitarbeiters Justus Samuel Scharschmidt, der widerrechtlich die Erbschaft seines Schwiegervaters, des russischen Generalmajors Christoph K. Riegemann, verkauft habe, erfuhr Francke Details von Huyssen.10 Ein anderer Ansprechpartner Huyssens aus dem pietistischen Umfeld Franckes war Johann Heinrich Callenberg, ein Orientalist, Theologe und Kenner östlicher Sprachen. Er war Gründer und Leiter des pietistisch geprägten Institutum Judaicum et Muhammedicum, das von 1728 bis 1792 in Halle bestand und sich die Mission unter den Völkern des Ostens zur Aufgabe gemacht hatte.11 Eine Analyse der wechselseitigen Briefe zeigt, dass Callenberg Francke über seine Kontakte mit Huyssen informierte. Die drei Männer waren in ein enges Netzwerk eingebunden, wie aus einem Brief Callenbergs an Francke vom 12. Februar 1720 hervorgeht.12 Während Callenberg am 12. März 1720 einen Brief an Francke schrieb, wurde ihm ein weiteres Schreiben Huyssens zugestellt.13 Am 14. März 1720 berichtete er, dass er durch einen russischen „Ratsherrn“ namens Michael, der sich momentan in Deutschland aufhalte und ein Freund Huyssens sei, einen Brief an ihn nach St. Petersburg liefern werde. Eine Abschrift schickte er wieder an Francke.14 Am 28. Oktober 1720 teilte Callenberg ihm mit, dass er ihm die aus dem Exemplar von Johann Franz Buddeus abgeschriebenen Briefe von Russen an Franzosen schicke. Francke interessierte Huyssens Meinung dazu.

9 Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Handschriftenabteilung, Nachlass August Hermann Francke, K. 28/28:2, Johann Werner Paus an August Hermann Francke, Salzungen 25. August 1721, 287r–288r. 10 Heinrich von Huyssen an August Hermann Francke, St. Petersburg 23. April 1721. In: Winter: Halle als Ausgangspunkt der deutschen Russlandkunde, 399. Vgl. Schippan: Die Einrichtung der Kollegien, 319; Rosenfeld, Günter: August Hermann Franckes erster Sendbote in Russland – Justus Samuel Scharschmid. In: Donnert, Erich (Hg.): Europa in der Frühen Neuzeit. Festschrift für Günter Mühlpfordt, Bd. 3. Weimar/Köln/Wien 1997, 1–25. 11 Zu Johann Heinrich Callenberg und zum Institutum Judaicum et Muhammedicum vgl. Rymatzki, Christoph: Hallischer Pietismus und Judenmission. Johann Heinrich Callenbergs Institutum Judaicum und dessen Freundeskreis (1728–1736). Tübingen 2004 (Hallesche Forschungen 11); Beltz, Walter (Hg.): Biographie und Religion – zur Personalität der Mitarbeiter des Institutum Judaicum et Muhammedicum J. H. Callenbergs. Halle a. d. Saale 1997 (Hallesche Beiträge zur Orientwissenschaft 24). Die Buchbestände des Instituts gingen 1792 an die Franckeschen Stiftungen über. Fundaminski: Die Russica-Sammlung der „Franckeschen Stiftungen“ in Halle, 192. 12 Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Handschriftenabteilung, Nachlass August Hermann Francke, 8/3:21, Johann Heinrich Callenberg an August Hermann Francke, Halle a. d. Saale 12. Februar 1720, unpag. 13 Ebd., 8/3:22, Johann Heinrich Callenberg an August Hermann Francke, Halle a. d. Saale 12. März 1720, unpag. 14 Ebd., 8/3:23, Johann Heinrich Callenberg an August Hermann Francke, Halle a. d. Saale 14. März 1720, unpag.

194 Annäherung zwischen der orthodoxen Kirche Russlands und Protestanten und Katholiken Callenberg beauftragte auch Christian Haumann, seit 1720 Rektor der lutherischen Schule in Moskau, sowie G. E. Hebing, Huyssen zu grüßen,15 als diese auf Anstoß Franckes nach Russland reisten.16 So wurde von Halle aus, mit dem Ziel, Russland zu reformieren, ein pietistisches Personennetzwerk aufgebaut. Derartige Verbindungen wurden bereits in der Zeit von Ernst I., dem Frommen, Herzog von Sachsen-Gotha, angebahnt, der freundschaftliche Beziehungen zu Zar Aleksej Michajlovič gepflegt hatte. Dies geht aus dem Entwurf eines Briefes Callenbergs an Huyssen hervor, der die Dokumente des Gothaer Archivs diesbezüglich eingesehen hatte.17 Das Schreiben gelangte später zum Bestand des Institutum Judaicum et Muhammedicum. Ein weiterer Korrespondenzpartner Huyssens war Johann Gotthilf Vockerodt, der älteste Sohn des Gothaer Gymnasialrektors und Freundes von August Hermann Francke. Vockerodt hatte in Leipzig und später in Halle Jura bei Christian Thomasius studiert und wirkte in Russland seit 1712 als Lehrer im Haus von Jakob Daniel Bruce, seit 1715 als Sekretär des im russischen Exil lebenden Hospodars der Moldau Dimitrie Cantemir. Im Jahr 1718 trat er in St. Petersburg in den Dienst des preußischen Gesandten Gustav von Mardefeld.18 Seine Erlebnisse im Land schilderte Vockerodt, der seit 1744 Mitglied der Berliner Sozietät der Wissenschaften war,19 in seiner Russland-Beschreibung, die Voltaire und König Friedrich II. zugänglich wurde.20 Am Beispiel von Vockerodts Brief an Huyssen vom 1. Oktober 1717 ist ersichtlich, dass beide gemeinsame Bekannte hatten und sich über aktuelle Ereignisse austauschten. So hatte Vockerodt von Huyssen erfahren, dass er von Kardinal Camillo Cibo gelobt worden sei, was ihn doch einigermaßen verwundere, weil Cibo ihn wie auch die deutschen Generäle mehrfach angefeindet habe. Vockerodt fuhr fort, dass ein gewisser Herr Schultz seinen Posten, den er bei Šafirov bekleidet hatte, verlassen habe – „eine Klippe, wegen der mehrere ehrliche Leute einen Schiffbruch“ erlitten hätten. Schultz übe nun die für ihn schändliche Tätigkeit eines Tanzlehrers aus. Gleichwohl hätte er nicht dazu überredet werden können, die Stellung Vockerodts zu übernehmen, weil er „seine Freiheit“ weder aufgeben noch in die „Sklaverei“ zurückkehren wollte. Mit diesem Starrsinn werde Schultz niemals eine neue Stellung in St. Petersburg erhalten. Vockerodt charakterisierte den russischen Hof als „halb türkisch und halb walachisch“, weshalb Ausländer im russischen Dienst „die schrecklichen Klippen umgehen“ müssten. Er fügte seinem Brief an Huyssen einen von ihm protokollierten Bericht über den Pruth-Feldzug von 1711 bei, der im zweiten Band einer geschichtlichen Abhandlung von Dimitrie Cantemir erscheinen werde. Die Geschichte, die Huyssen für die Russen schrieb, war nach Vockerodts Meinung nicht ganz wahrheitsgetreu, 15 Ebd., 8/3:28, Johann Heinrich Callenberg an August Hermann Francke, Halle a. d. Saale 28. Oktober 1720, unpag. 16 Rymatzki: Hallischer Pietismus und Judenmission, 39. 17 Archiv der Franckeschen Stiftungen Halle a. d. Saale: AFSt/H K 91c b, Johann Heinrich Callenberg an Heinrich von Huyssen [Konzept], o. O. [Februar 1720], 137v–138v. 18 Keller: Von Halle nach Petersburg und Moskau, 180. 19 Hartkopf: Die Berliner Akademie der Wissenschaften, 375. 20 Herrmann, Ernst (Hg.): Russland unter Peter dem Grossen. Nach den handschriftlichen Berichten Johann Gotthilf Vockerodt’s und Otto Pleyer’s. Leipzig 1872 (Zeitgenössische Berichte zur Geschichte Russlands [1]); Brüne, Peter: Johann Gotthilf Vockerodts Einfluß auf das Rußlandbild Voltaires und Friedrichs II. In: Zeitschrift für Slawistik 39 (1994) 393–404; ders.: Johann Gotthilf Vockerodt und Voltaire. Zwei Sichtweisen auf Bildung und Bildungspolitik im petrinischen Rußland. In: LehmannCarli u. a. (Hg.): Russische Aufklärungsrezeption, 453–462.

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er wolle sich aber nicht als Besserwisser aufspielen, weshalb er nichts über das Verhalten der russischen Generäle beim Feldzug schreibe. Allerdings gebe er gern seine Meinung zu anderen Themen ab, die Huyssen interessierten. Zum Abschluss bat Vockerodt Huyssen, seinen Brief nach dem Lesen zu verbrennen.21 Vockerodts Schreiben zeigt deutlich, dass die Tätigkeit der Deutschen in Russland nicht unproblematisch war. Ebenfalls über Huyssen lief der Kontakt zwischen Francke und dem aufgeklärten Geistlichen Feofan Prokopovič. Huyssen schickte Prokopovičs Schriften nach Halle, wie zum Beispiel die Predigt nach dem Sieg der Russen bei Poltawa, in der er die Größe Russlands und seines Herrschers beschrieb. Die lateinische Übersetzung der Predigt erschien 1709 in Kiew und wurde 1711 in Leipzig unter dem Titel Panegyricus de celeberrima et paene inaudita victoria, quam Petrus I. totius Rossiae Monocrator, &c. &c. de universis suecorum exercitibus deo juvante reportavit anno Domini MDCCIX. Junii die XXII neu aufgelegt.22 Die Leipziger Ausgabe war für Huyssen so bedeutend, dass er ihr dauerhaften Wert zuschrieb. Ein Exemplar, das ihm gehörte, geriet durch Thomas Consett in die Hände Franckes. Auf dem Titelblatt hatte Consett „Petropoli 1726. Tho. Consett. Ex dono Baronis Huisseni, Collegy bellici ibidem Consiliarii“ notiert.23 Huyssens enge Verbindung zu Prokopovič geht aus seinem Brief an Consett vom 12. September 1728 hervor, in dem er schrieb: „Dem Erzbischof von Novgorod, unserem Freund und allgemeinem Gönner, werde ich, sobald ich Gelegenheit habe, ihn zu treffen, Dein Bündelchen übergeben, zusammen mit den Fragen, die Du uns mit der Bitte um Erklärung geschickt hast. Ich habe keinen Zweifel, dass Dein Wunsch befriedigt werden wird“.24 Aus diesen Zeilen geht deutlich hervor, dass Prokopovič ein Förderer der Toleranz in Russland war und über Huyssen Kontakte zu seinen Freunden in mehreren europäischen Ländern unterhielt. Im Rahmen ihrer Missionierungsbemühungen wollten die Hallenser Pietisten Johann Arndts Wahres Christentum, aber auch andere pietistische Bücher ins Russische übersetzen und den Russen zugänglich machen.25 So erschien eine vollständige Übertragung des Buches ins Kirchenslawische 1735 in Halle.26 Auf Anregung Prokopovičs hatte der ukrainische Theologe Simon Todorskij, Absolvent der Mohyla-Akademie, Student der Universität Halle und 21 St.-Peterburgskij Filial Archiva RAN: fond 119, opis’ 1, edinica chranenija 3, Johann Gotthilf Vockerodt an Heinrich von Huyssen, „in der Nähe von Moskau“ 1. Oktober 1717, 183r–184v. 22 Piokopowicz, Theofanes: Panegyricus de celeberrima et paene inaudita victoria, quam Petrus I. totius Rossiae Monocrator, &c. &c. de universis suecorum exercitibus deo juvante reportavit anno Domini MDCCIX. Junii die XXII. [Leipzig 1711]. 23 Winter: Halle als Ausgangspunkt der deutschen Russlandkunde, 117f. 24 „Archi-Episcopo Novogrodiensi, amico nostro & Patrono Communi fasciculum tuum, quamprimum occasio dabitur eum conveniendi, tradam, una cum quaestionibus, quas nobis dilucidandas misisti: Nullus dubito, quin desiderio Tuo Satisfacturus sit.“ Heinrich von Huyssen an Thomas Consett, Moskau 12. September 1728. In: Consett (Hg.): The Present State and Regulations of the Church of Russia, Bd. 1, XIX (Preface). 25 Čyževśkij, D[mitrij] [Ivanovič]: Die „Russischen Drucke“ der Hallenser Pietisten. (Zum 275. Geburtstag A. H. Franckes). In: Kyrios 3 (1938) 56–74. 26 Arnd, Ioann: Čtiri knigi o istinnom christijanstve Soderžaščii v sebe učenie o spasitelnom pokajanii, serdečnom žalenii i boleznovanii radi grechov; o istinnoi vere, o svjatom žitii i prebyvanii istinnich neložnich christijan: takožde o sem, kako istinnyi christijanin imat pobediti grech, smert’, dijabola mir i vsjakoe bedstvie, veroju, molitvoju, terpeniem, božiim slovom i nebesnim utešeniem, vseže sie v Christe Iisuse [übersetzt v. Simon Todorskij]. Gale 1735. Vgl. zur Übersetzung Reichelt: Johann Arndts „Vier Bücher von wahrem Christentum“.

196 Annäherung zwischen der orthodoxen Kirche Russlands und Protestanten und Katholiken späterer Bischof von Pleskau, das Werk übersetzt. Aber bereits am 9. Dezember 1743 verbot die Zarin Elisabeth per ukaz (Befehl) Arndts Buch. Die vorhandenen Exemplare mussten in St. Petersburg dem Synod und in Moskau der Synodkanzlei (sinodal’naja kontora) übergeben und aus den Gouvernements, Städten und Provinzen in die Hauptstädte zu diesen Behörden geschickt werden. Die Regierung unterband auch die Übersetzung derartiger Bücher ohne Erlaubnis des Synods durch russische Untertanen im Ausland und ihre Einfuhr nach Russland.27 Der Plan, pietistisches Gedankengut in Russland zu verbreiten, war damit vereitelt. Prokopovič musste sich als direkter Ansprechpartner zurückziehen, als seine Position im Synod nach dem Tod Peters I. durch Angriffe einiger Geistlicher immer schwächer wurde. Zu seinen Gegnern zählten unter anderem ehemalige Zöglinge der Mohyla-Akademie, die an der Spitze der Verwaltung der geistlichen Angelegenheiten standen, darunter der Erzbischof von Nowgorod und erster Vizepräsident des Synods, Feodosij Janovskij – er wurde 1725 mit Hilfe Prokopovičs gestürzt, der ihm in dieser Position nachfolgte – sowie der Erzbischof von Twer und zweite Vizepräsident des Synods, Feofilakt Lopatinskij. In dieser gefährlichen Lage pflegte Prokopovič seine Kontakte mit Halle ausschließlich über Dritte.28 In der Herrschaftszeit der 1741 durch einen Staatsstreich an die Macht gelangten Zarin Elisabeth, die sich der Geistlichkeit zu Dank verpflichtet fühlte, sowie nach dem Tod mehrerer Mittelsmänner verlor der Hallesche Pietismus im Zarenreich an Bedeutung. Wenig später büßte er seinen Einfluss auch in den deutschen Territorien ein. Kennzeichnend für die mächtige Stellung der Pietisten am preußischen Hof unter König Friedrich Wilhelm I. war die Vertreibung Christian Wolffs aus Halle 1723. Wolff war 1706 als ordentlicher Professor für Mathematik und Physik von Leipzig an die Philosophische Fakultät nach Halle berufen worden; später ernannten ihn die Berliner, die Pariser und die Petersburger Akademien der Wissenschaften sowie die Royal Society in London zu ihrem Mitglied. Wolffs triumphale Rückkehr nach Halle nach dem Machtantritt des aufgeklärten Monarchen Friedrich II. 1740 besiegelte die Niederlage der Pietisten in Preußen.29 Wolff, um dessen Berufung an die Spitze der Petersburger Akademie der Wissenschaften man sich vergeblich bemüht hatte, war aus

27 O neprivoze iz-za granicy pečatannych v čužich krajach na Rossijskom jazyke knig, neosvidetel’stvovannych Sinodom i o neperevode inostrannych duchovnych knig bez dozvolenija Sinoda, 9. Dezember 1743. In: [Speranskij u. a.] (Hg.): Polnoe sobranie zakonov, Bd. 11, Nr. 8832, 960f. Vgl. auch Pekarskij, P[etr] [Petrovič]: O russkich knigach, napečatannych v Galle, v 1735 godu. In: Bibliografičeskie zapiski 3 (1861) 36–45, hier 35f., 42f. Zu Feofan Prokopovičs Förderung der Übersetzung des „Wahren Christentums“ ins Russische vgl. ferner Haven: Reise in Rußland, 23; Čiževskij, Dmitrij [Ivanovič]: Aus zwei Welten. Beiträge zur Geschichte der slavisch-westlichen literarischen Beziehungen. ’s-Gravenage 1956 (Slavistische drukken en herdrukken 10), 220–230. 28 Mühlpfordt, Günter: Halle – Rußland – Sibirien – Amerika: Georg Wilhelm Steller, der Hallesche Kolumbus, und Halles Anteil an der frühen Osteuropa- und Nordasienforschung. In: Wallmann, Johannes/Sträter, Udo (Hg.): Halle und Osteuropa. Zur europäischen Ausstrahlung des hallischen Pietismus. Tübingen 1998 (Hallesche Forschungen 1), 49–82, hier 54–56. Zu den Schwierigkeiten, auf die Prokopovič nach dem Tod Peters 1725 bis zum Regierungsantritt Annas (1730) stieß, vgl. Titlinov: Feofan (Prokopovič), 408–415. 29 Keller: Von Halle nach Petersburg und Moskau, 173, 175. Zu Christian Wolff vgl. Sommerhoff-Benner, Silvia: Christian Wolff als Mathematiker und Universitätslehrer des 18. Jahrhunderts. Aachen 2002; Mühlpfordt, Günter: Christian Wolff, ein Enzyklopädist der deutschen Aufklärung. In: Jahrbuch für Geschichte der deutsch-slawischen Beziehungen und Geschichte Ost- und Mitteleuropas 1 (1956) 66–102.

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russischer Sicht ein Anhänger des aufgeklärten Rationalismus.30 Der Pietismus wurde hingegen als eine der protestantischen Orthodoxie entgegenstehende religiös-mystische Bewegung angesehen, die Vernunft, Wissenschaft und Fortschritt ablehnte.31

11.2. Die Frage einer Kirchenunion zwischen der römisch-katholischen und der russisch-orthodoxen Kirche Das Verhältnis zwischen Russland und dem Heiligen Stuhl war über Jahrhunderte hinweg von Feindseligkeit und Misstrauen geprägt. Die Kurie verlangte eine Kirchenunion, bei der sich die russisch-orthodoxe der römisch-katholischen Kirche unterordnen sollte. In Russland wiederum misstraute man dem Papst hinsichtlich katholischer Missionsvorhaben und wollte die Selbständigkeit der eigenen Kirche bewahren. Allerdings musste Peter I. die Katholiken in seinem Land bis zu einem gewissen Grad tolerieren. Für den Ausbau des Bildungswesens brauchte er sie und auch die Fachleute, die er nach Russland holen wollte, waren häufig Katholiken. Schließlich machten außenpolitische Gründe zeitweilig eine Verbindung mit Rom notwendig.32 Dies alles nährte die Hoffnungen bei der Kurie auf eine Vereinigung der beiden Kirchen. Als sich Peter I. vom 7. Mai bis 20. Juni 1717 in Paris aufhielt, schlugen ihm die jansenistischen Theologen an der Sorbonne eine Kirchenunion vor – Narratio de Sorbonnae conatu cociliandi Ecclesiam Magnae Russiae cum Ecclesia Latina.33 1719 wurde dieses Ansinnen der Jansenisten in deutscher Übersetzung mit kritischen Anmerkungen von Protestanten publiziert.34 Der Zar beschied allerdings, dass er für Kriegsgeschäfte zuständig sei und über kirchliche Angelegenheiten nicht entscheiden könne. Er zeigte sich jedoch bereit, das Angebot der Jansenisten an die russischen Bischöfe weiterzuleiten.35 Nach seiner Rückkehr nach Russland beauftragte er Stefan Javorskij und Feofan Prokopovič, Stellungnahmen zur Anfrage aus Paris zu verfassen. Damit erhielt er die Gelegenheit, die Ansichten der beiden führenden Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche in dieser Frage zu prüfen, von denen er wusste, dass sie sein Reformwerk unterschiedlich beurteilten. Die von Prokopovič formulierte Antwort fand sein Wohlwollen, er schickte sie als offizielle Antwort nach Paris. Prokopovič hatte gefordert, dass nicht die russisch-orthodoxe Kirche allein, sondern die gesamte griechisch-orthodoxe 30 Kopelevič, Judif’ Chaimovna: Osnovanie Peterburgskoj Akademii nauk. Leningrad 1977, 65–70; Winter: Frühaufklärung. Der Kampf gegen den Konfessionalismus, 295. 31 Čanyšev, Arsenij Nikolaevič: Protestantizm. Moskva 1969, 85f. 32 Winter: Rom und Moskau, 61f.; Nolte: Religiöse Toleranz in Rußland, 118f.; Bandikjan, Valéry: Le Saint-Siège et la Russie. XVIII et XIX siècles. Versailles 2006. 33 Narratio de Sorbonnae conatu cociliandi Ecclesiam Magnae Russiae cum Ecclesia Latina. [Paris 1717]. In: Unschuldige Nachrichten Von Alten und Neuen Theologischen Sachen (1718) 331–348. Zum Vorschlag der Sorbonne vgl. exemplarisch Winter: Halle als Ausgangspunkt der deutschen Russlandkunde, 119–126; Benz, Ernst: Ein Unionsversuch unter Peter dem Grossen. In: Evangelium und Osten 8 (1935) 114–124. 34 Curieuses Schreiben/ Welches Ihro Czaarischen Maj. Als sich Selbige im verwichenen Jahre 1717. im Monat Junio, zu Paris befunden, Von einigen Doctoribus der Sorbonne, In Absicht, Höchst-gedachte Czaarische Majestät zur gewünschten Union der Rußischen mit der Römischen Kirche zu bereden, eingehändiget worden. O. O. 1719, 6f. 35 Winter: Halle als Ausgangspunkt der deutschen Russlandkunde, 122f.

198 Annäherung zwischen der orthodoxen Kirche Russlands und Protestanten und Katholiken Kirche, also auch die Patriarchen des Ostens, über eine solche Vereinigung zu entscheiden hätten.36 Javorskij hatte die Angelegenheit zwar ebenfalls an die Patriarchen verwiesen, zugleich war er aber Verhandlungen mit Rom gegenüber sehr viel offener.37 Tatsächlich war der Wunsch nach Einbeziehung der Patriarchen des Ostens nur ein Zugeständnis an die Tradition. Diese besaßen bei Lichte besehen keine reale Macht und trugen zudem aufgrund ihrer Rolle bei der in Gang gesetzten Reorganisation der russisch-orthodoxen Kirche große Bedenken.38 Gegen die Idee einer Union zwischen der orthodoxen und der katholischen Kirche stellten sich namhafte protestantische Theologen, die eine Stärkung ihrer konfessionellen Widersacher befürchteten. Johann Franz Buddeus, Professor für Theologie in Jena, schrieb 1719 eine Denkschrift unter dem Titel Ecclesia romana bzw. Erörterung der Frage Ob eine Vereinigung Der Römisch-Catholischen und Rußischen Kirchen zu hoffen sey?39 Buddeus erläuterte, dass er die Schrift der Sorbonne „vor nicht gar langer Zeit von einem vornehmen Cavalier und hoch-ansehnlichen Staats-Minister eines grossen Fürsten, welchen seine Verdienste, Gelehrsamkeit und andere seltene Qualitäten von vielen andern Seines gleichen distinguiren“, erhalten habe. Er sei um eine Widerlegung gebeten worden, um die Unterschiede der russisch-orthodoxen und der römisch-katholischen Kirche „in der Lehre und andern Puncten“ und somit die Unmöglichkeit ihrer Vereinigung hervorzuheben.40 Seine Schrift wurde bald in leitenden russischen Kreisen freundlich aufgenommen: „Des H. D. Buddaei Gedancken über daß Project, so die Sorbonne Sr. Cz. Maytt. 1717 in Paris übergeben, haben hiesiger Clerisey sehr wohl gefallen“,41 schrieb Huyssen an Francke 1721. Von wem hatte Buddeus derart rasch das Schreiben der Sorbonne erhalten? Russische Kirchenhistoriker hielten zunächst Prokopovič für den Mittelsmann.42 Während Robert Stupperich die Frage unbeantwortet ließ, nannten Eduard Winter und Erik Amburger dann Huyssen.43 Ihre Annahme wird durch Huyssens offenbar genaue Informationen bestärkt. In einem Brief an Francke schlug er vor, eine lateinische Neuausgabe der Schrift Ecclesia romana zu 36 Antwort der russischen Bischöfe an die Professoren der Sorbonne von Bischof Theophan Prokopovič, o. O. [1718]. Ebd., 358f.; vgl. Scheliha, Wolfram von: Russland und die orthodoxe Universalkirche in der Patriarchatsperiode 1589–1721. Wiesbaden 2004 (Forschungen zur osteuropäischen Geschichte 62), 153. 37 Winter: Halle als Ausgangspunkt der deutschen Russlandkunde, 123. 38 Živov: Iz cerkovnoj istorii vremen Petra Velikogo, 94. 39 Buddeus, Joan[nes] Franciscus: Ecclesia Romana cum Ruthenica irreconciliabilis seu scriptum aliquod Doctorum quorundam Sorbonicorum Augustissimo Russorum Imperatori ad utriusque ecclesiae Unionem ei suadendam. Ienae 1719; deutsch u. d. T.: Erörterung der Frage Ob eine Vereinigung Der Römisch-Catholischen und Rußischen Kirchen zu hoffen sey? Durch Veranlassung einer Schrifft/ welche Einige Lehrer der Sorbonne zu Paris Sr. Czaaris. Majestät Bey Dero hohen Gegenwart überreicht, und darin sie behaupten wollen/ Daß beyde Kirchen gar leicht könten vereiniget werden. Jena 1719. Zur Antwort von Buddeus und zur Beurteilung seiner Argumente vgl. Benz: Ein Unionsversuch, 116–124. 40 Buddeus: Vereinigung, 1–3. 41 Heinrich von Huyssen an August Hermann Francke, St. Petersburg 23. April 1721. In: Winter: Halle als Ausgangspunkt der deutschen Russlandkunde, 398. 42 Titlinov: Feofan (Prokopovič), 429; Morozov, Petr [Osipovič]: Feofan Prokopovič kak pisatel’. Očerk iz istorii russkoj literatury v ėpochu preobrazovanija. S.-Peterburg 1880, 211f. 43 Stupperich, Robert: Feofan Prokopovič und Johann Franz Buddeus. Ein Beitrag zur Geschichte der geistigen Beziehungen zwischen Rußland und Deutschland. In: Zeitschrift für osteuropäische Geschichte N. F. 5 (1935) 341–362, hier 346f., 351; Winter: Halle als Ausgangspunkt der deutschen Russlandkunde, 125f.; Amburger: Geschichte des Protestantismus in Russland, 46.

Frage einer Kirchenunion zwischen römisch-katholischer und russisch-orthodoxer Kirche 199

veröffentlichen. Ein solcher Druck würde in Russland einen guten buchhändlerischen Erfolg haben, „da man den[n] alhier viel Exemplaria ohne Mühe mit guter Frucht und doppelten Nutzen absetzen könte“.44 Die Neudrucke kamen in den Jahren 1727 und 1729 heraus. Der Verdacht erhärtet sich, dass Huyssen die Initiative als Vermittler übernommen hatte. Die beginnende Debatte wurde jedoch bald durch neue Maßnahmen der russischen Regierung gezielt auf Eis gelegt.

11.3. Eine neue Strategie gegen die Bestrebungen der katholischen Kirche Die Stärkung des Protestantismus in Russland war eine der Leitideen in Huyssens Briefwechsel mit den Brüdern Jablonski. Johann Theodor Jablonski zeigte großes Interesse an den Kirchenreformen Peters I. Dessen am meisten zu lobende Maßnahme bestand seiner Meinung nach darin, „seine armen Untertanen, die in der Finsternis der Unwissenheit über den wahren Gott versinken“, dem richtigen Glauben zuzuführen. Für diese „Bekehrung zum Glauben“ würde die Nachwelt dem Zaren höchste Dankbarkeit entgegenbringen. Jablonski bat Huyssen um Einzelheiten darüber, wie eine Bekehrung der Russen bewerkstelligt werden sollte.45 Obwohl die Hoffnungen des Akademiesekretärs enttäuscht wurden – die russischen Kirchenhierarchen hatten keinerlei Interesse an einer Konversion und die Masse der Gläubigen blieb unberührt von derartigen Bestrebungen –, teilte ihm Huyssen weiterhin wichtige Neuigkeiten aus dem religiösen Bereich mit. So äußerte er sich in seinem Brief vom 10. Februar 1724 über den Tod von Barthold Vagetius, des 1711 von Peter I. ernannten Superintendenten der evangelischen Kirchen in Russland, und über die Ungewissheit, was dessen Nachfolge anbetraf.46 Einem anderen Brief fügte Huyssen Vagetius’ Lebenslauf für den Buchhändler und Verleger Moritz Georg Weidmann bei, der ein Porträt des verstorbenen Superintendenten unter den Bildern der Gelehrten in seinen Publikationen veröffentlicht hatte.47 Die Art der durch Huyssen vermittelten Beziehungen zwischen Johann Theodor Jablonski und Prokopovič, „diesem würdigen Prälaten, den man als einen Primat des Reiches betrachtet wegen dem großen Einfluss, den er am Hof und im hohen Senat besitzt“, wird ebenfalls aus dem Briefwechsel deutlich. Besonders die Predigten des orthodoxen Geistlichen interessierten den Akademiesekretär und dessen Bruder. Prokopovič war seinerseits an den Veröffentlichungen der Akademie und anderen Schriften interessiert. Huyssen besorgte ihm beispielsweise einige Exemplare seiner Rede zum Poltawa-Sieg in der Leipziger Ausgabe.48 Auch über die Leichenrede Prokopovičs auf Peter I. – Lacrimae Roxolanae, seu de obitu Petri Magni, totius Russiae Imperatoris, brevis narratio – diskutierten Huyssen und Jablonski in ihrem Briefwechsel. Sie erschien 1725 auf Russisch, 1726 in Reval auf Lateinisch 44 Heinrich von Huyssen an August Hermann Francke, St. Petersburg 23. April 1721. In: Winter: Halle als Ausgangspunkt der deutschen Russlandkunde, 398. 45 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 1. Mai 1714. In: ders.: (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 126. 46 Heinrich von Huyssen an Johann Theodor Jablonski, Moskau 10. Februar 1724. Ebd., 132. Über Vagetius vgl. Dönninghaus, Victor: Die Deutschen in der Moskauer Gesellschaft. Symbiose und Konflikte (1494–1941). München 2002 (Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa 18), 168. 47 Heinrich von Huyssen an Johann Theodor Jablonski, Moskau [Ende Februar 1724]. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 133. 48 Heinrich von Huyssen an Johann Theodor Jablonski, St. Petersburg 3. Juni 1726. Ebd., 141.

200 Annäherung zwischen der orthodoxen Kirche Russlands und Protestanten und Katholiken und wurde im selben Jahr nochmals in Hamburg nachgedruckt.49 Schon im Brief vom 3. Juni 1726 schlug Huyssen Jablonski eine deutsche Ausgabe dieser Predigt vor. Er wollte die Lebensbeschreibung, die Schriftstücke und die Lobreden Prokopovičs nach Deutschland schicken, anhand derer man dann dort eine Vorrede zur geplanten Ausgabe verfassen könne. Außerdem könne man den Erzbischof Prokopovič direkt um die Klärung einiger Ungereimtheiten bitten und ihn veranlassen, mehrere Exemplare seiner Predigt zu bezahlen.50 Huyssens Ansinnen hatte ganz offenbar Erfolg. Die deutsche Übersetzung der Leichenrede auf Peter I. erschien noch 1726 ohne Ortsangabe unter dem Titel Rußlands Thränen51 und wurde im gleichen Jahr in Hamburg nachgedruckt. Die Brüder Jablonski blieben auch Javorskij, dem innerkirchlichen Gegner Prokopovičs, gegenüber nicht gleichgültig. Besondere Aufregung brachte dessen 1713 in kirchenslawischer Sprache verfasster Kamen’ very mit sich, der nach dem Tod Javorskijs (1722) und Zar Peters I. im Jahr 1728 zum ersten Mal veröffentlicht und bereits ein Jahr später nachgedruckt wurde.52 Die Publikation erschien unter Mitwirkung des 1725 zum Erzbischof erhobenen Feofilakt Lopatinskij und mit Genehmigung des Obersten Geheimen Rates (Verchovnyj Tajnyj Sovet). Die ablehnende Haltung vor allem des Berliner Hofpredigers Daniel Ernst Jablonski gegenüber diesem Werk ist leicht erklärbar, denn Javorskij wandte sich darin entschieden gegen den Einfluss des Protestantismus in Russland. Im Vorwort berichtete Lopatinskij, der Herausgeber, dass das Buch „aus der Suche nach Wahrheit und der Liebe zur heiligen Kirche heraus“ entstanden sei, um sie vor einer Kirchenspaltung (raskol) zu bewahren.53 Huyssens Rolle bei der Widerlegung des Kamen’ very bestand darin, dass er seine deutschen Korrespondenzpartner rasch informierte und mit Materialien versorgte, durch die sie eine Gegentaktik ausarbeiten konnten.54 Bereits 1729 erschien in Jena eine erste Antwort von Buddeus unter dem Titel Epistola apologetica pro ecclesia Lutherana contra calumnias et obtrectationes Stephani Iavorskii Resanensis et Muromiensis metropolitae ad amicum Moscvae degentem scripta.55 Buddeus besprach Teile aus dem Werk Javorskijs anhand von Auszügen, die er von einem Freund aus Moskau erhalten hatte. 49 [Prokopovič], Theophan: Lacrymae Roxolanae, seu de obitu Petri Magni, totius Russiae Imperatoris, brevis narratio. Duaequae de laudibus ejusdem divi principis orationes. Hamburgi 1726. 50 Heinrich von Huyssen an Johann Theodor Jablonski, St. Petersburg 3. Juni 1726. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 141. 51 [Prokopovič], Theophan: Rußlands Thränen, Oder Kurtze Nachricht vom Tode Petri des Grossen/ Kaysers über ganz Rußland, Samt Zweyen zu des Verstorbenen Kaysers Lobe gehaltenen Reden. O. O. 1726. 52 [Javorskij], Stefan, Mitropolit Rjazanskoj i Muromskoj: Kamen’ very Pravoslavnym cerkve Cvjatyja synom, Na utverždenie i duchovnoe sozidanie. Pretykajuščymsja že o kamen’ pretykanija i soblazna, Na vostanie i ispravlenie. Hg. v. Feofilakt Lopatinskij. Moskva 1728 [ND 1729]. Vgl. Morev, Ioann [Vasil’evič]: „Kamen’ very“ Mitropolita Stefana Javorskago, ego mesto sredi otečestvennych protivoprotestantskich sočinenij i charakterističeskija osobennosti ego dogmatičeskich vozzrěnij. S.-Peterburg 1904; Reichelt: Johann Arndts „Vier Bücher von wahrem Christentum“ in Russland, 425–428; Andreev, A[leksandr] N[ikolaevič]/Andreeva, Ju[lia] S[ergeevna]: Zapadnochristianskoe „zloverie“ vo vzgljadach I. T. Posoškova. In: XVIII vek. Sbornik 26. St. Peterburg 2011, 20–35. 53 Lopatinskij, Feofilakt: Vorwort. In: [Javorskij]: Kamen’ very, unpag. 54 Zu den durch das Buch Javorskijs verursachten polemischen Auseinandersetzungen zwischen Protestanten und Katholiken vgl. Morev: „Kamen’ very“ Mitropolita Stefana Javorskago, 287–349. 55 Buddeus, Ioann Franciscus: Epistola apologetica pro ecclesia Lutherana contra calumnias et obtrectationes Stephani Iavorskii Resanensis et Muromiensis metropolitae ad amicum Moscvae degentem scripta. Ienae 1729.

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In der Forschung ist die Frage nach wie vor offen, wer Javorskijs Werk derart schnell verbreitet hatte, dass unmittelbar nach der Veröffentlichung eine Entgegnung erscheinen konnte. In der älteren Forschungsliteratur wurde Prokopovič als Mittelsmann genannt,56 in der neueren hingegen Peter Müller.57 Winter und Amburger glaubten allerdings, in Huyssen die zentrale Kontaktperson gefunden zu haben.58 Die Forscher, die Huyssen für den Vermittler halten, argumentieren mit dessen Anteilnahme an den durch den Kamen’ very hervorgerufenen Auseinandersetzungen, die sich in seinen brieflichen Diskussionen mit den Brüdern Jablonski manifestierten. Johann Theodor Jablonski bedauerte, dass Buddeus einen weiteren Auszug aus Javorkijs Buch nicht rechtzeitig in seinen Händen hatte, weshalb er seine Aufgabe, das Werk zu widerlegen, nur halb hätte erledigen können: „Seine Arbeit bleibt fruchtlos“ , was weder seine Gegner noch seine Gesinnungsgenossen befriedigen werde.59 1730 erschien dann eine anonyme, wohl von Daniel Ernst Jablonski60 verfasste Entgegnung zum Kamen’ very unter dem Titel Genius Stephani Javvorscii Quondam Metropolitae Rezanensis & Muroniensis Ex ejus Opere posthumo Theosophico Petra Fidei dicto, In Epistola Familiari develatus.61 Inzwischen waren allerdings auch die Gegner des Kreises um die Brüder Jablonski nicht untätig geblieben. Lopatinskij hatte bereits die Entwürfe seiner Gegenschrift zur Epistola apologetica verfasst, als ihm die staatliche Genehmigung zum Druck durch eine Intervention des Erzbischofs Prokopovič gleich wieder entzogen wurde. An seine Stelle trat der spanische Dominikaner Bernardus Ribera, Gesandtschaftsprediger des spanischen Herzogs de Liria in Moskau.62 Dessen Schrift erschien 1731 in Wien unter dem Titel Responsum ant-apologeticum ecclesiae catholicae contra calumniosas blasphemias Joannis Francisci Buddei nomine evulgatas in orthodoxos latinos et graecos.63 Darin stand unter anderem, dass „die Affen von Lutheranern“ sich um Hilfe an Daniel Ernst Jablonski nach Berlin gewandt, ihm Fragmente aus dem Kamen’ very übersandt und ihn gebeten hätten, den Kampf gegen die katholische Lehre zu eröffnen.64 Huyssen war es, der die Verbindung zu Daniel Ernst Jablonski aufrecht erhielt, als dessen Bruder Johann Theodor 1731 gestorben war.

56 Titlinov: Feofan (Prokopovič), 429; Morozov: Feofan Prokopovič kak pisatel’, 341. 57 Stupperich: Feofan Prokopovič und Johann Franz Buddeus, 360–362. 58 Winter: Halle als Ausgangspunkt der deutschen Russlandkunde, 153f.; Amburger: Geschichte des Protestantismus in Russland, 47. 59 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin o. D. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 165. 60 Zum Interesse des Hofpredigers Jablonski an den neuesten Schriften über Russland, für die evangelische Mission im Zarenreich und seine Verbindungen zu Huyssen vgl. Schippan, Michael: Daniel Ernst Jablonski und die Auseinandersetzungen um das „Veränderte Russland“ Zar Peters I. In: Bahlcke/ Dybaś/Rudolph (Hg.): Brückenschläge. Daniel Ernst Jablonski im Europa der Frühaufklärung, 220– 235, hier 224–227. 61 Genius Stephani Javvorscii Quondam Metropolitae Rezanensis & Muroniensis Ex ejus Opere posthumo Theosophico Petra Fidei dicto, In Epistola Familiari develatus. O. O. [1730]. 62 Stupperich: Feofan Prokopovič und Johann Franz Buddeus, 354–357; Čistovič, I[llarion] [Alekseevič]: Feofan Prokopovič i ego vremja. Sanktpeterburg 1868 (Sbornik statej, čitannych v otdelenii russkago jazyka i slovesnosti Imperatorskoj Akademii nauk 4), 383. 63 Ribera, Fr[anciscus] Bernardus: Responsum ant-apologeticum ecclesiae catholicae contra calumniosas blasphemias Joannis Francisci Buddei nomine evulgatas in orthodoxos latinos et graecos; quo, Petrae Fidei a Stephano Javorskio Resanensi metropolita, &c. Ad evertendum Lutheri Pantheon jactae, repetitur ictus. Viennae 1731. 64 Ebd., 204.

202 Annäherung zwischen der orthodoxen Kirche Russlands und Protestanten und Katholiken Daniel Ernst Jablonski schien für die Widerlegung von Javorskijs Buch besonders geeignet, da er als Hofprediger, Orientalist und Theologe in der protestantischen Welt bekannt und akzeptiert war. Jablonski, der den überkonfessionellen Protestantismus der Brüder-Unität in Polen-Litauen vertrat, strebte eine Union der protestantischen Glaubensbekenntnisse im gesamteuropäischen Maßstab sowie eine protestantisch-orthodoxe Annäherung an.65 Huyssen hatte schon von Johann Theodor Jablonski erfahren, dass dessen Bruder eine Gegendarstellung schreiben wollte, um der protestantischen und gleichzeitig der russischen Kirche einen Dienst zu erweisen.66 Als Titel war vorgesehen Der Hammer des Göttlichen Worts, welcher die Felsen zerschmeist, in einer schrifftmäßigen Erwegung des Buchs Kamen Wiery, oder Fels des Glaubens genannt, welches der weil. Hochwürdige Herr Stephanus Javvorski, Metropolite von Resan und Murom verfasset, allen Wahrheit-liebenden unpartheischen Christen, beyde der Rußischen und der Evangelischen Kirchen, vor Augen gestellet, in einer freundlichen Unterredung zwischen Basilio, einem Rußischen Abt, und Eusebio, einem Evangelischen Superintendenten in Littauen.67 Jablonski wollte, „daß Javorskij so wie er verdienet tractiret würde, der russischen Nation und Religion aber geschonet und sie bei Ehren erhalten, alles Odium aber auf den Javorskij und seine Praeceptores, den Clerum Rom. geworfen würde. Es würde dieses auch eine Schutzschrift vor beide evangelische Kirchen zugleich sein können; als welche Javorskij beide zugleich attaquiret und [...] von einander trennet“.68 Jablonski warf den „Römischgesinneten“ vor, dass sie die russisch-orthodoxe Kirche von den Protestanten entfremden und gleichzeitig polnische Dissidenten unterstützen wollten, was höchst gefährlich sei. Peter I. habe weitsichtig gehandelt, als er die Herausgabe von theologischen Streitschriften verboten und dadurch den Umschwung vom Hass zur Feindschaft verhindert habe. Jablonski war der Meinung, dass es „zu einem heilsamen Mittel gedeihen“ werde, wenn die Nachdrucke der Schrift Javorskijs ebenfalls verboten würden. Gleichwohl war er zurückhaltend, was die Wirkung seiner eigenen Schrift anging: Javorskijs Buch habe bereits viele Leute stark beeindruckt, die daher seine Schrift wohl nicht beachten würden, und selbst wenn sie sie läsen, würde sich ihre Haltung nicht ändern. Er befürchtete auch, dass ein offener Streit mehr Nachteile als Vorteile haben könnte, da er bloß zu einer Eskalierung der Feindschaft führe.69 Jablonski fuhr fort: „Wann dieses grosse Javorskische Werk [...] vollständig und gründlich beantwortet werden soll, so wird daraus gleichsfalls ein grosses Buch, welches aber nur dienet, die Leser abzuschrecken und bleibet so denn ohne Frucht. Wollte man es aber kurz beantworten, so täte man der Sache nicht genug und stärckete die Leute in der Meinung, daß das Buch nicht könne widerleget werden.“ Jablonski erwog, wie seine Schrift die größte Wirkung entfalten könnte, und kam, wie er Huyssen schrieb, zu dem Schluss, dass die Widerlegung in Form eines Gesprächs erscheinen sollte, „wodurch die sonst trockene und stofflose Materien in mehrer Lebhaftigkeit und Annehmligkeit vorgestellet werden können“. Der Dialog galt als eine von Zwang und Beschränkung befreite Dar65 Bahlcke, Joachim: Daniel Ernst Jablonski (1660–1741). Glaubenssolidarität, Kirchenunion und Frühaufklärung. In: Beutel, Albrecht (Hg.): Protestantismus in Preußen. Lebensbilder aus seiner Geschichte, Bd. 1. Frankfurt am Main 2009, 133–162. 66 Johann Theodor Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin o. D. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 165. 67 Schippan: Jablonski und die Auseinandersetzungen um das „Veränderte Russland“, 230. 68 Gedanken des Daniel Ernst Jablonski zur Widerlegung von Javorskijs Fels des Glaubens, Berlin 23. Mai 1730. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 166f. 69 Daniel Ernst Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin o. D. Ebd., 167f.

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stellungsform und war ein weit verbreitetes Stilmittel in der polemischen Publizistik. Beliebt waren zu jener Zeit, gemäß einer auf Lukians Totengesprächen basierenden Tradition, die Gespräche zweier Personen „im Reich der Toten“. Jablonski überlegte, ob das Gespräch im Reich der Lebendigen oder der Toten und von wem es geführt werden sollte. Er beschloss, „daß die Scene des Gesprächs im Reich der Lebendigen vorgestellet und die Collocatores dazu, ein Archimandrit aus der Resanischen Diöces (als ein gewesener Confident und Favorit des Javorskij) und ein evangelischer Superintendent aus dem angrenzenden littauischen District, bestimmet werden. Man könnte e.g. jenen Basilium, diesen Eusebium nennen. Es können auch wohl [...] einige zufällige Interlocutores mit eingeführet werden.“ Jablonskis größtes Dilemma war die Auswahl der Sprache: „Die gröste Schwierigkeit finde ich bei der Sprache, in welcher die Antwort sollte geschrieben werden.“ In lateinischer Sprache würden die Schrift bei der Beibehaltung des Stils nur Gelehrte lesen („denn auf Lateinisch könnte sie zum wenigsten den Geistlichen in Rußland, auch wohl weltlichen hohen Standspersonen schon dienen“), außerdem sei es schwer, einen Verleger für das Buch zu finden und es zu verkaufen. Es war ihm wichtig, dass nicht nur gut ausgebildete Theologen, sondern auch Laien seine Streitschrift lasen, damit sie bei persönlichen Kontakten mit Russen Argumente gegen Javorskij vorbringen konnten. Die deutsche Sprache schien ihm besser geeignet zu sein, „in welcher auch die Dinge lustiger und anmutiger vorgetragen werden könnten“. Jablonski entschied sich für 13 Gespräche, „davon das erste Generalia und gleichsam eine Einleitung zur folgenden Controvers in sich hielte. In den übrigen 12 würden die 12 Hauptmaterien, wie Javorsk[i]j sie eingeteilet, abgehandelt werden.“70 Das Konzept des Buches stand damit fest. Nun brauchte er noch einen Übersetzer ins Russische und eine Druckerei. Dafür schien Jablonski einzig das Hallesche Waisenhaus geeignet zu sein, obwohl er zweifelte, dass es aus dem Unternehmen Vorteile ziehen könnte.71 Jablonski brauchte das vollständige Buch Kamen’ very für die Vollendung seiner Gegenrede, bisher hatte er nur Auszüge. Der erste Versuch, über Karl Otto Rechenberg, Jurist an der Universität Leipzig, an das Werk heranzukommen, scheiterte an dessen vorzeitiger Abreise aus Leipzig. Zusätzlich verwirrte Jablonski, dass sich der Inhalt der ihm geschickten Auszüge von denen unterschied, die Buddeus, der auch lediglich Bruchstücke aus dem Kamen’ very zur Verfügung gehabt hatte, in seiner Epistola apologetica verwendet hatte. All dies verzögerte Jablonskis Arbeit, obwohl er schon über umfangreiche Materialien verfügte und sich „in der Slavonischen Literatur [...] geübet“ hatte. Jablonski hoffte auf Huyssens Hilfe und schrieb ihm: „Darum hat Er. Exc. Versprechen (unterm. 2. Sept.) mich so viel mehr erfreuet, da mir Hoffnung gegeben worden, daß [ich] das Buch von dortenher [aus Russland] erhalten sollte.“72 Tatsächlich konnte Huyssen ein wichtiges Problem lösen, er schickte Jablonski das erwünschte Werk. Der Hofprediger hoffte auch in Zukunft auf Huyssens Unterstützung: „Ich werde auch, so Gott will, von Zeit zu Zeit, wo einiger ferneren Nachricht werde benötiget sein, mich darum bei Eur Exc. gehorsamst melden.“73 Huyssens Sendung sicherte dem Berliner Theologen weitere Arbeit. „Ich arbeite immerfort an meinem Hammer, und wende allen möglichen Fleiß an“, notierte der Hofprediger. Aber es taten sich bereits neue Probleme auf. 70 Gedanken des Daniel Ernst Jablonski zur Widerlegung von Javorskijs Fels des Glaubens, Berlin 23. Mai 1730. Ebd., 166f. 71 Daniel Ernst Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin o. D. Ebd., 167. 72 Daniel Ernst Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 18. Januar 1732. Ebd., 169f. 73 Daniel Ernst Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 7. Juli 1732. Ebd., 171.

204 Annäherung zwischen der orthodoxen Kirche Russlands und Protestanten und Katholiken Jablonski berichtete besorgt, dass der Verleger Ambrosius Haude keine ausreichenden Mittel besitze und überdies Zweifel hege, ob sich die geplante Widerlegung in Deutschland und in Russland überhaupt absetzen ließe.74 Buddeus und Jablonski waren nicht die Einzigen, die sich auf seiten der lutherischen und der reformierten Kirche in den Streit einschalteten. Der württembergische Philosoph, Mathematiker und Theologe Georg Bernhard Bilfinger, der selbst bis 1731 an der St. Petersburger Akademie der Wissenschaften gewirkt hatte, verfasste unter dem Titel Apologia evangelica lutherana ad Augustam Russiae dominam ebenfalls eine Widerlegung, in diesem Fall gegen die Arbeit Riberas. Bilfinger vollendete 1732 seine Schrift, die zunächst nicht gedruckt wurde, weil die russische Regierung beschloss, sich aus religiösen Streitigkeiten herauszuhalten, und sich am 19. August 1732 für ein Verbot des Buches und des Verkaufs von Kamen’ very entschied.75 Erst drei Jahre später erschien Bilfingers Werk in Tübingen unter dem Titel Stephani Javorskii Metropolitae Resanensis et Muromiensis discursus de poena haereticorum, noviter ab ecclesia se avellentium, ex opere illius polemico, quod non ita pridem ruthenico sermone prodiit, in latinum idioma translatus, et notulis adauctus.76 Inzwischen war Bilfinger nach seiner Rückkehr aus Russland Professor der Theologie in Tübingen geworden und seit 1734 als Mitglied des Geheimen Rates einer der einflussreichsten Staatsmänner in Württemberg. Jablonskis Befürchtungen, dass seine Widerlegung in Russland verboten werden könnte, waren also durchaus begründet. Er schrieb, dass „P.F. [Petra fidej – Fels des Glaubens] öffentlich zu verkaufen verboten sei. Das ist viel. E[s] bringt mich aber in Sorge, ob dann die Refutationes dieses Buchs nicht auch werden verboten werden, wie es in dergleichen Streitigkeiten zu geschehen pfleget.“77 Und er fuhr fort: „Ich habe meinen Hammer eine Zeitlang an die Seite geleget, weil H. Haude noch immer Schwierigkeiten machet[,] den Hammer zu verlegen.“ Er werde gleichwohl an seiner Schrift weiterarbeiten und deren Veröffentlichung wie bisher anstreben.78 In Erfüllung ging sein Wunsch allerdings nicht: Der Hammer des Göttlichen Worts, welcher die Felsen zerschmeist blieb unvollendet und ungedruckt. Jablonskis längere Einleitung, die er dem lutherischen Pastor Johann Reichmuth zur Begutachtung nach Moskau gesandt hatte, ging offenbar dort verloren.79 In Russland fand sich jedoch eine anonyme Handschrift in russischer Sprache unter dem Titel Razsuždenie o Kamne Very oder, nach einem anderen Verzeichnis, Molotok na Kamen’ Very, die frühestens 1731 nach Russland gelangt sein soll. Möglicherweise ist dies Jablonskis Widerlegung oder wenigstens die Einleitung dazu. In der Handschrift zeigte sich der Autor als Kenner der Materie. Er nannte Javorskij einen Jesuiten bzw. einen Abgesandten der Jesuiten, der dem Papst helfen wolle, die russisch-orthodoxe Kirche der römisch-katholischen einzuverleiben 74 Daniel Ernst Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 3. November 1732. Ebd., 172f. 75 Auszug aus dem Erlass der Zarin Anna Ivanovna über das Verbot des Kamen’ very vom 19. August 1732. In: Morev: „Kamen’ very“ Mitropolita Stefana Javorskago, 291f. 76 Bülfinger, Georg Bernhard: Stephani Javorskii Metropolitae Resanensis et Muromiensis discursus de poena haereticorum, noviter ab ecclesia se avellentium, ex opere illius polemico, quod non ita pridem ruthenico sermone prodiit, in latinum idioma translatus, et notulis adauctus. Tubingae 1735. 77 Daniel Ernst Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin 8. November 1732. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 173f. 78 Daniel Ernst Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin [Datum unleserlich]. Ebd., 174f. 79 Dalton, Hermann: Daniel Ernst Jablonski: Eine preußische Hofpredigergestalt in Berlin vor zweihundert Jahren. Berlin 1903, 449.

Eine neue Strategie gegen die Bestrebungen der katholischen Kirche

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oder zumindest die katholischen Elemente in ihr zu stärken. Während der Regierungszeit Elisabeths erschien eine Entgegnung zu dieser Schrift, deren Autor der Metropolit von Rostow, Arsenij Maceevič, war. In ihr wurde Javorskij in Schutz genommen, seine katholischen Neigungen stritt man jedoch in aller Schärfe ab. Arsenij, der das Mönchtum verteidigte und die Wiederherstellung des Patriarchats anstrebte, wurde 1768 als „Andrej der Lügner“ bezeichnet und auf Geheiß von Katharina II. als wohl prominentester Gegner der zaristischen Kirchenpolitik bis zu seinem Tod in den Kasematten von Reval eingesperrt.80 Wenn man die beschriebenen religiösen Zwistigkeiten betrachtet, so stellt man fest, dass in Russland vorwiegend Absolventen der Kiewer Mohyla-Akademie die Auseinandersetzungen führten, die führende Positionen in der russischen Kirchenhierarchie – vor allem im Synod – besetzten. Sie nahmen verschiedene Tendenzen des Zeitgeistes in sich auf und kämpften für ihre jeweils eigene Auffassung von der geistlichen Wahrheit. Prokopovič, der während seiner Ausbildung in Rom schlechte Erfahrungen mit der katholischen Kirche gesammelt hatte,81 focht im Kampf gegen den Katholizismus mit Argumenten der Protestanten, da in Russland selbst die Kontroverstheologie noch nicht entwickelt war. Javorskij dagegen vertrat eine andere Richtung innerhalb der russisch-orthodoxen Kirche und setzte im Konflikt mit dem Protestantismus auf die katholische Lehre, die ihm seit seinem Studium in polnischen Jesuitenschulen vertraut war. Auch in diesen Zwist, hinter dem sich der Kampf um die politische und religiöse Vorherrschaft in Europa verbarg, hatte sich Huyssen eingeschaltet. Peters Nachfolger auf dem Zarenthron unterbanden die Verbreitung dieses aus ihrer Sicht gefährlichen Schrifttums und anhaltende religiöse Streitigkeiten. Huyssens Bemühungen, den Einfluss der Protestanten in Russland zu erweitern, erreichten nur teilweise ihr Ziel. Sie trugen jedoch dazu bei, dass diese sich als starke Gegner der Katholiken präsentieren konnten.

80 Čistovič: Feofan Prokopovič i ego vremja, 386–407; Reichelt: Johann Arndts „Vier Bücher von wahrem Christentum“ in Russland, 465–475. 81 Stupperich, R[obert]: Feofan Prokopovič in Rom. In: Zeitschrift für osteuropäische Geschichte 5 N. F. (1931) 327–339.

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12. Militärstrafgesetzgebung und Verwaltungsverordnungen in Russland 12.1. Abfassung eines „Kriegs-Reglements“ (1706) Der als Kriegsrat in den russischen Dienst genommene Heinrich von Huyssen arbeitete 1706 ein Kriegs-Reglement aus. Nach dem für Zar Peter I. enttäuschenden Beginn des Krieges mit Schweden erkannte der Monarch die Notwendigkeit eines beschleunigten Aufbaus einer straff organisierten regulären Armee. Dafür waren zugleich eine Vervollkommnung der russischen Militärgesetzgebung und die Erarbeitung entsprechender Reglements notwendig. Unter dem Namen Kriegsreglement von 1716 wurde in der späteren Literatur ein Konvolut zusammengefasst, das 1718 erstmals im Druck erschien. Das Kriegs-Reglement, bei dessen Erarbeitung sich Huyssen an anderen europäischen Vorbildern orientierte, beginnt mit allgemeinen moralischen Betrachtungen für die Männer des Kriegerstandes, mit dem Kapitel „Von der Gottesfurcht“. Die Furcht vor Gott sollte die Menschen dazu bewegen, sich der von ihm geschaffenen menschlichen Ordnung unterzuordnen. Alle Soldaten, vom höchsten Befehlshaber bis zum Gemeinen, sollten jeden Tag um Gottes Beistand bitten, für seine Wohltaten danken und sich gegenseitig dazu „ermahnen und aufmuntern“. Die weltliche Hoheit hätten Zar und Zarenhaus. Innerhalb einer straffen hierarchischen Ordnung waren Untergebene zu stetigem Gehorsam verpflichtet, vor allem dazu, die Befehle ihrer Vorgesetzten vollständig und gewissenhaft auszuführen. Meineid zog den Ehren- und Stellungsverlust nach sich: „Ein Meineyd ist, so iemand einem ordentlich abgeschwornen Eyde vorsetzlich und mit gutem Wissen entgegen handelt; wer nun solches thut, soll ehrloß erkannt, ihm die beyden fördersten Finger abgeschlagen, und er als ein Schelm fortgejaget werden.“ Die Aufrechterhaltung der Disziplin bei den Regimentern sei unabdingbar. Für Schimpfwörter hatte man sich öffentlich zu entschuldigen, einfache Soldaten wurden dafür zum Spießrutenlaufen verurteilt. Für Ehebruch war man „nach denen Rechten jeder Nation, davon ein jeder ist“, zu bestrafen. Vergewaltigung zog die Todesstrafe nach sich, heimliche Zusammenkünfte und Unterredungen ebenfalls, wobei nur eine Einzelperson Klage erheben konnte. Kontakte zum Feind oder Fahnenflucht gar wurden mit dem Tod geahndet. Wer die Parole vergaß oder an Unbefugte weitergab, hatte sein Leben gleichfalls verwirkt. Bestohlene sollten entschädigt werden. Diebe wurden beim ersten Diebstahl mit sechsmaligem, beim zweiten mit zwölfmaligem Spießrutenlaufen bestraft; bei einer dritten Verfehlung wurden ihnen Nase und Ohren abgeschnitten. Mord wurde ebenso mit dem Tod bestraft. Ober-Offiziere waren allgemein von Leibesstrafen befreit, was den ständischen Charakter von Huyssens Militärstrafgesetzen widerspiegelt. Auch im Krieg galten gewisse ethische Regeln, die in allen europäischen Militärgerichtsordnungen festgehalten wurden. Das Leben von Frauen und Kindern sollte ausdrücklich geschont werden, es sei denn, es werde von der Generalität anders befohlen. Denjenigen, die Kirchen, Hospitäler und „andere dergleichen heilige Oerter“ bestahlen, drohte der Tod durch Rädern. Das Regiments-Gericht sollte nach Huyssens Vorschlag mit einem Regiments-Offi-

Abfassung eines „Kriegs-Reglements“ (1706)

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zier „als Praeside“, jeweils zwei Kapitänen, Leutnants, Fähnrichen und Sergeants, ebensoviel Korporalen sowie insgesamt vier Gefreiten und Gemeinen besetzt werden. Das Kriegs-Reglement sollte allmonatlich in sämtlichen Lagern und Quartieren jedes Regiments vorgelesen werden. Für die in diesem Dokument nicht enthaltenen Bestimmungen galten die Normen, die „anderer moderaten Völcker Kriegs-Gebräuchen, gemeinen Rechten und gesunder Vernunfft“ entsprachen.1 Huyssens Kriegs-Reglement war eine Sammlung von Militärstrafgesetzen, die ins Gedächtnis der Soldaten eingepflanzt werden und bei diesen ein entsprechendes Wertesystem aufbauen sollten. Es handelte sich also faktisch um einen Beitrag zur Erziehung der Soldaten, die zuvor Bauern und einfache Städter gewesen waren, zu gehorsamen Befehlsempfängern und Dienern des Zarenreiches. Im Vergleich dazu war die 1715 erschienene, unter Aufsicht Peters I. ausgearbeitete Schrift Artikul voinskij detaillierter und umfassender, wenngleich sie ohne Zweifel auf Huyssens Kriegs-Reglement fußte. Diese Sammlung von Militärstrafgesetzen, die Verstöße gegen Gott und den Zaren sowie alle Dienstpflichten betrafen, richtete sich an Russen und an Ausländer im russischen Dienst. Auch dieses Dokument sollte allwöchentlich bei den Regimentern vorgelesen werden. Wie bei Huyssen standen Zuwiderhandlungen gegen Gottes Gebote an erster Stelle: „Der ganze Segen, der Sieg und das Wohlergehen“ stammten von Gott „als dem wahren Ausgangspunkt des ganzen Heils und dem heiligen Siegbringer“. Es folgten die Gehorsamsverpflichtung gegenüber den Interessen des Zaren2 und eine Definition des Begriffs des „selbstherrlichen Monarchen“, die dem schwedischen Souveränitätsgesetz von 1693 entstammte: „Ihre Majestät ist ein uneingeschränkter Monarch [...], der sich vor niemandem auf der Welt für seine Handlungen rechtfertigen muss.“3 Die Macht des Zaren sollte gefestigt werden. Bei den Regimentern sollte strenge Disziplin herrschen, hieß es im Artikul voinskij. Für die Verwendung von Schimpfwörtern musste man sich vor Gericht verantworten; wogen diese Verfehlungen schwer, waren Geld- oder Gefängnisstrafen die Folge. Das Vergessen von Parolen und Losungen zog je nach den konkreten Umständen Leibesoder Lebensstrafen und Ehrverlust nach sich. Die Todesstrafe war unter anderem bei Flucht, Verrat oder dem Vorsatz zum Verrat sowie bei Kontakten zum Feind oder seinen Alliierten anzuwenden. Alle Zusammenkünfte und Versammlungen, auch mit friedlichen Zielen, waren verboten, wobei als Kläger nur eine Einzelperson auftreten konnte. Für Mord sollte der Straftäter mit dem Leben büßen. Vergewaltigern drohte die Todesstrafe oder eine lebenslängliche Galeerenarbeit. Meineid wurde mit dem Verlust von zwei Fingern sowie ebenfalls mit Galeerenarbeit bestraft.4 Ähnlich dem „Kriegs-Reglement“ Huyssens war es im Artikul voinskij verboten, Kirchen, Hospitäler, Schulen „oder andere geistigen Häuser“ ohne Befehl 1 [Huyssen]: Moscowitisches Kriegs-Reglement [1706]. In: ders.: Ausführliche Beantwortung, Anhang 2–16. Die wegen der lückenhaften Quellenüberlieferung komplizierte Rekonstruktion des Entstehens der petrinischen Militärgesetzgebung erfolgte 2010 erstmals durch Peter Hoffmann. Vgl. ders.: Das Konvolut „Kriegsreglement von 1716“. In: ders.: Peter der Große als Militärreformer und Feldherr, 159–178. Über den Anteil Huyssens wird allerdings lediglich berichtet, dass die deutsche Fassung des Kriegsreglements von 1716 von diesem stamme. Vgl. ebd., 171. 2 Artikul voinskij, 26. April 1715. In: Čistjakov u. a. (Hg.): Rossijskoe zakonodatel’stvo, Bd. 4, 327–329, 331–333. 3 „ego veličestvo est’ samovlastnyj monarch, kotoryj nikomu na svete o svoich delach otvetu dat’ ne dolžen.“ Ebd., 331. Vgl. Wittram: Peter I. Czar und Kaiser, Bd. 2, 120. 4 Artikul voinskij, 26. April 1715. In: Čistjakov u. a. (Hg.): Rossijskoe zakonodatel’stvo, Bd. 4, 337, 344, 350–352, 354f., 359, 363.

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zu plündern und zu vernichten. Frauen, Säuglinge, Geistliche und Alte sollten bei Todesstrafe verschont werden, „weil es ehrlos ist, Wehrlose zu töten“.5 Vergleicht man die beiden Dokumente, so ist schnell ersichtlich, dass sie die gleichen Schwerpunkte enthielten. Insgesamt sollten die Soldaten zu bestimmten Werten – Gottesfurcht, Ergebenheit gegenüber dem Zaren, Gehorsam gegenüber allen Vorgesetzten und Treue gegenüber dem Vaterland – erzogen werden. Ehrgefühl sollte bei ihnen entwickelt werden, denn nur eine solche Haltung könne davor bewahren, die Gesetze und Regelungen, die für Gerechtigkeit beim Militär sorgen sollten, zu übertreten.

12.2. Weiterführende Aufträge vom Zaren Als Huyssen nach seinem mehrmonatigen Aufenthalt in Königsberg Ende des Jahres 1713 nach St. Petersburg zurückkehrte, bekam er vom Zaren Aufträge zur Ausarbeitung verschiedener Schriften. Unter anderem sollte er sich über das Fiskalamt, das Ansehen des 1711 in Russland eingerichteten Senats6 im Ausland sowie über das Recht der Erstgeburt und die Verpflichtung der Livländer zur Eidesleistung und zu ihrer Unterordnung unter die russische Administration informieren. Huyssen konnte sich dabei auf seine praktischen Erfahrungen und Kenntnisse stützen, musste aber zusätzlich die Verwaltungssysteme verschiedener europäischer Länder studieren und diese zum Vergleich heranziehen. Der Zar beauftragte ihn ferner mit diversen Konzepten, unter anderem zur Gestaltung der Kollegienverfassung und zur Erstellung einer Rangtabelle als Grundlage für den zu begründenden Dienstadel.7 Dabei suchte Huyssen aus europäischen Regularien die Punkte aus, die in Russland eingeführt werden sollten; zur Regelung der Verleihung des Fürsten-, Grafen-, Freiherrntitels und der adeligen Würde sowie zur Form der Urkunden für Standeserhebungen; zur Bildung eines Heroldskollegiums; zur Entwicklung des diplomatischen Zeremoniells; zur Errichtung von Schulen, Gymnasien und Akademien für See- und Landkadetten sowie für Künste und Wissenschaften; zur Gründung einer Gesellschaft gelehrter Männer aus den Bereichen Jurisprudenz, Mathematik und Geschichte für die Herausgabe, Durchsicht und Übersetzung einschlägiger Fachliteratur; zur Errichtung eines öffentlichen Büchersaals sowie einer Kunstkammer und eines Naturalienkabinetts; zur Verbesserung des Buchdrucks, des Postwesens und der Landwirtschaft; zur Entwicklung von Manufakturen, Handwerk und Kunst; schließlich zur „Vermehrung, Erhaltung und Verbesserung der Landesproducte, und andere dergleichen Vorschläge mehr“.8 Offensichtlich war er mit der Aufgabe überfordert, Reformprojekte zu all diesen Gegenständen zu entwerfen. Zudem befand sich Peter I. häufig auf Feldzügen, die seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen, und dachte vor 1715 noch nicht an umfassende Staatsreformen im zivilen Bereich. Viele der geplanten Umgestaltungen wurden schließlich in der um 1715 einsetzenden neuen Reformphase durchgeführt. Ein Beispiel dafür ist die Einrich5 „i tako črez sie česti polučit’ ne možno, onych ubit’, kotorye oboronjatisja ne mogut“. Ebd., 346. 6 Ukaz ob učreždenii Pravitel’stvujuščego Senata i o personal’nom ego sostave, 22. Februar 1711. In: Čistjakov u. a. (Hg.): Rossijskoe zakonodatel’stvo, Bd. 4, 172. 7 Tabel’ o rangach vsech činov, 24. Januar 1722. In: Preobraženskij/Novickaja (Hg.): Zakonodatel’stvo Petra I, 393–401. 8 Haven: Nachrichten von Huyssen, 324.

Weiterführende Aufträge vom Zaren

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tung von Kollegien im Jahr 1717, die eine neue Form der Staatsverwaltung darstellten, die zentralisiert, rationalisiert und bürokratisiert wurde. Peter I. und seine Mitarbeiter nahmen, nachdem sie die Staatsformen anderer europäischer Länder studiert hatten, aufgrund einer gewissen Ähnlichkeit der politischen und sozialen Verhältnisse Schweden zum Vorbild.9 Huyssen, der zudem immer mehr in die Krise um den Thronfolger Aleksej geriet, wurde dazu allerdings nicht mehr herangezogen. Es steht außer Zweifel, dass die entscheidende Rolle bei der Einführung von Kollegien in Russland Heinrich Fick spielte, ein Deutscher, der die schwedische Verwaltung bestens kannte.10 Ein anderes Beispiel stammt aus dem Bereich der Heraldik, die Peter I. weiterentwickelte, um die Gepflogenheiten in seinem Reich auch diesbezüglich an die anderer europäischer Großmächte anzupassen. Huyssen wird in diesem Zusammenhang als wichtiger Mittelsmann genannt.11 Als Angehöriger einer wappenführenden Familie hatte er einschlägige Kenntnisse, zudem hatte er sich während seiner Reisen durch Europa 1689/90 in Genf ausführlich mit heraldischen Studien beschäftigt.12 Er konnte ferner auf Erfahrungen seiner Studienzeit zurückgreifen, während der er sich aus juristischen Interessen dieser Thematik gewidmet hatte.13 So versuchte Huyssen, das russische Wappen nach heraldischen Regeln zu korrigieren. 1706 änderte er dessen Farben „nach der neuesten Wapenkunst“; in Wien ließ er es in Kupfer stechen und in Sachsen mit einer Beschreibung zweimal veröffentlichen. Darüber hinaus erwirkte Huyssen beim Kaiser für Menšikov ein fürstliches und für den Diplomaten Fedor Alekseevič Golovin ein gräfliches Diplom. Ein weiteres fürstliches Diplom für den Kosakenhetman Ivan Mazepa wurde aus finanziellen Gründen nicht ausgefertigt.14 Durch die Rangtabelle wurde am 24. Januar 1722 die Stellung eines Heroldsmeisters in Russland eingeführt, die zur fünften Klasse der Zivilränge gehörte.15 Der Heroldsmeister registrierte und verlieh den Adel und die Wappen und kontrollierte die Erfüllung der Pflichten der Adeligen dem Staat gegenüber, wie der Instruktion vom 5. Februar 1722 zu entnehmen ist. Seine wichtigste Funktion war also nicht eine heraldische, sondern die Aufsicht über den Militär- und Zivildienst des Adels.16 Das Heroldsamt hieß im Russischen Gerol’dija (auch Gerol’dmejsterskaja kontora) und war Bestandteil des Senats. Aleksandr Borisovič Lakier, ein russischer Jurist und Historiker aus dem 19. Jahrhundert, war überzeugt, dass Huyssen den Zaren auf die Idee gebracht hatte, die Gerol’dija einzurichten.17

9 Schippan: Die Einrichtung der Kollegien in Rußland, 41f. 10 Zu Fick vgl. ebd., 72–76; Kizevetter, A[leksandr] [Aleksandrovič]: Heinrich Fick in russischen Diensten. In: Germanoslavica 1 (1931/32) 593–601; Cederberg, A[rno] R[afael]: Heinrich Fick. Ein Beitrag zur russischen Geschichte des XVIII. Jahrhunderts. Tartu-Dorpat 1930 (Eesti Vabariigi Tartu Ülikooli Toimetused B/17/1), 7–22. 11 Soboleva, Nadežda Aleksandrovna: Rossijskaja gorodskaja i oblastnaja geral’dika XVIII–XIX vv. Moskva 1981, 33; Lakier, A[leksandr] B[orisovič]: Russkaja geral’dika. Sanktpeterburg 1855 [ND Moskva 1990], 219. 12 Privates Archiv Peter Petschauer: Huissiana III, H[einrich] v[on] Huyssen’s Auobiographie, 19. 13 Scheibelreiter, Georg: Heraldik. Wien/München 2006 (Oldenbourg Historische Hilfswissenschaften [1]), 11. 14 Haven: Nachrichten von Huyssen, 319. 15 Tabel’ o rangach vsech činov, 24. Januar 1722. In: Preobraženskij/Novickaja (Hg.): Zakonodatel’stvo Petra I, 393. 16 Instrukcija Gerol’d-mejstera, 5. Februar 1722. Ebd., 84f. 17 Lakier: Russkaja geral’dika, 220.

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12.3. Das Fiskalprojekt von 1713 zur Verbesserung der Exekutive in Russland Die Ausarbeitung des auf den 6. Oktober 1713 datierten Fiskalprojekts durch Huyssen ging auf Peters I. Pläne zurück, in Russland eine solche bis dahin unbekannte Institution zu errichten. Die persönliche Kontrolle durch den Zaren, Klagen der Geschädigten sowie häufig wechselnde Woiwoden hatten diese Aufgabe bis dahin nur unzureichend erfüllt.18 Mit den am 2. und 5. März 1711 veröffentlichten Befehlen wurden die Senatoren angewiesen, „einen klugen und anständigen Mann“ zum Oberfiskal zu wählen, aus welchem Stand auch immer. Dieser sollte alle Arbeitsbereiche überwachen, parteiische Richter identifizieren sowie Übergriffe gegen die Staatskasse aufdecken. Dem Oberfiskal wurden mehrere Provinzialfiskale unterstellt, die ihrerseits die Aufsicht über die Stadtfiskale führten.19 Das Fiskalamt hatte sich mit der Rezeption des Römischen Rechts in Deutschland und in anderen europäischen Ländern verbreitet. Es wies überall gewisse Besonderheiten auf, weil es mit jeweils einheimischen Rechtsinstituten verknüpft und so weiterentwickelt wurde. In Deutschland hatte dieser Prozess im 15. Jahrhundert eingesetzt, als sich das kaiserliche Fiskalat beim Reichskammergericht zu einem komplexen System wandelte. Daneben bildeten sich in den Einzelterritorien regionale Fiskalämter heraus. Hohe Bedeutung erlangte etwa das Fiskalamt in Brandenburg-Preußen, wo die Funktion der Fiskale als Verteidiger der Interessen der Staatskasse sowie der polizeiliche Charakter ihrer Tätigkeit stark ausgeprägt waren. Allmählich wurde das preußische Fiskalat zum Organ der staatlichen Kontrolle, das gerichtliche Funktionen ausübte.20 Auch Huyssen legte in seinem Konzept Wert auf die Abgrenzung der Fiskalbehörde von anderen Organen sowie auf deren Zentralisierung. Als Vorbild zog er nicht nur die preußischen Verhältnisse heran, sondern auch die Entwicklung in Frankreich, Italien, England, Ungarn und Polen. Huyssen verfasste sein Fiskalprojekt in deutscher Sprache und legte die Seiten zweispaltig an; in der rechten Spalte stand der Text, die linke Spalte war Anmerkungen und Verbesserungen vorbehalten. Den Anfang des Textes schrieb Huyssen mit eigener Hand.21 Der weitere Text und der größte Teil der Anmerkungen und Verbesserungen wurden von einer anderen Person niedergeschrieben, die Huyssen aber offensichtlich nahe stand. Das Konzept war in der Form eines für die Veröffentlichung vorbereiteten Erlasses verfasst. Darauf deutet nicht zuletzt der Schluss hin: „So geschehen in Unserer Residentz S. Petersbourg d. 6 octobr 1713.“22 Michail Polievktov sah in dem Konzept bereits die endgültige Fassung eines Erlas18 Pisar’kova, Ljubov’ Fedorovna: Gosudarstvennoe upravlenie Rossii s konca XVII do konca XVIII veka. Ėvoljucija bjurokratičeskoj sistemy. Moskva 2007, 120. 19 Ukaz o fiskalach, 2. März 1711. In: Preobraženskij/Novickaja (Hg.): Zakonodatel’stvo Petra I, 131; Ukaz o porjadke zasedanij i deloproizvodstva v pravitel’stvujuščem Senate, i o dolžnosti ober-fiskala, 5. März 1711. In: Sofronenko, K[senija] A[leksandrovna] (Hg.): Zakonodatel’nye akty Petra Pervago: pervaja četvert’ XVIII v. Moskva 1961 (Pamjatniki russkogo prava 8), 46f. Vgl. Serov: Sudebnaja reforma Petra I, 107–118. 20 Ortloff, Hermann: Die öffentliche Anklage in Deutschland mit besonderer Berücksichtigung des Fiscalates. In: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft 16 (1856) 254–316, hier 287–316. 21 [Huyssen]: Project Eines Fiscal-Collegii, 21. Nach dem Titel hieß es: „Wir von Gottes Gnaden Petrus I aller Reussen Keyser und Selbsterhalter von Casan, Astracan, Sibirien, König, Grosshertzog von Moscau etc.“ 22 Ebd., 46.

Das Fiskalprojekt von 1713 zur Verbesserung der Exekutive in Russland

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ses, die nach der Übersetzung ins Russische nur noch vom Zaren korrigiert und genehmigt werden musste, aber durch neue Ergänzungen verschlechtert worden sei.23 Am Anfang des Projekts stellte Huyssen zunächst fest, dass die in Russland bereits vorhandenen Behörden („Collegia und Cantzeleyen“), die die staatlichen Angelegenheiten verwalteten, mit ihren polizeilichen, gerichtlichen und anderen zahlreichen Aufgaben offensichtlich überfordert seien. Die Fiskalinstitution sollte zu deren Entlastung und „zu besserer Observirung“ zum „Aufnehmen des Landes“ errichtet werden. Die Fiskale sollten „unpartheyische aufrichtige gerechte Männer von deren Treu, Gehorsahm, Arbeitsahmkeit und Verschwigenheit“ sein.24 Beigefügt war dem Konzept eine Instruktion für die Kriegsfiskale, denen eine Aufsichtsfunktion in der Armee zugedacht war.25 Die Pflichten der Fiskale in den russischen Städten, Gouvernements und Herrschaftsgebieten („Officium in genere“ im Projekt Huyssens) waren im Einzelnen: Überwachung der von der Regierung veröffentlichten Dokumente sowie Weiterleitung von Verstößen gegen Gesetze und das Zarenhaus bzw. gegen die Autorität des Senats, der Minister, Gerichte und Kanzleien an die entsprechenden Behörden; Sicherstellung, dass Privatpersonen sich nicht gerichtliche Befugnisse aneigneten oder sich unrechtmäßig Eigentum verschafften; Bemühungen um eine Verbesserung der Staatsordnung, wofür das sorgfältige Studium der Gesetze, des Staatsaufbaus und des Staatsinteresses notwendig sei. Die Fiskale sollten dabei auf Unklarheiten und Nachteile für den Staat sowie auf mögliche Verbesserungen unter anderem in den Bereichen Polizei, Handel und Ernährung hinweisen; Aufsicht über die Einhaltung der gesetzmäßigen Ordnung bei der Rechtsprechung in entsprechenden Kollegien und Gerichten bei allen kriminellen und bürgerlichen Angelegenheiten, wofür den Fiskalen der freie Zugang zu diesen Behörden ermöglicht werden müsste; Vertretung der Interessen des Staates sowie der Geschädigten, besonders der Witwen, Waisen und Armen, „auch in Kirchen und Hospital-Sachen“, vor Gericht; Verbesserung der Staatsfinanzen durch das Erschließen neuer Einnahmequellen, unter anderem Straf- und Abzugsgelder, und die Konfiszierung herrenloser und verwahrloster Güter sowie illegal ins Land eingeführter Waren. Huyssen konkretisierte seine Idee von einer fiskalischen Kontrolle über den unparteiischen Ablauf von Gerichtsverhandlungen. Die Fiskale sollten sich gegen die Verschleppung von Prozessangelegenheiten einsetzen, selbst aber keine Urteile sprechen, sondern das dem Senat, dem Gouverneur, dem Woiwoden oder dem entsprechenden Gericht überlassen. Die Fiskale sollten gleichsam Anwälte des Staates sein, nur Kläger, aber keine Richter. Ihre Arbeit sollte dem öffentlichen Wohl dienen. Sie sollten ihre Macht nicht missbrauchen, die Menschen nicht einschränken, keine erniedrigenden Ausdrücke verwenden und keine Schläge austeilen. Huyssen hatte bei der Festlegung ihrer Funktionen Anleihen bei vergleichbaren Ämtern in Frankreich („Procureurs du Roy“, „Inspecteurs et Controlleurs“), England („Sergeans des Droits du Roy“) und Polen („Instigatores“) genommen.26 Weiter beschrieb Huyssen die Kompetenzen und die Aufgaben des neuen Organs und ging näher auf seine Organisation ein. Der Fiskalbehörde sollten unter Oberaufsicht eines Generalfiskals, den er gelegentlich Präsident und Direktor nannte, folgende Mitarbeiter angehö-

23 24 25 26

Polievktov: Proekt Bar[ona] Gjujsena, 3f. [Huyssen]: Project Eines Fiscal-Collegii, 21f. Ebd., 44–46. Ebd., 22–30.

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Militärstrafgesetzgebung und Verwaltungsverordnungen in Russland

ren: „Advocatii Fisci“, Procuratores (oder „Mandatano“) Fisci, Fiskale („Substituti Fisci“) sowie Sekretäre und Zähler („Examinatores und Calculatores der Rechnungen“). Auch um die Sitzungsordnung des Fiskal-Kollegiums kümmerte sich Huyssen: Es hatte „3 Tage in der Wochen, 4 Stunde des Vormittags“ zu tagen. Die Sitzungen sollten in der Abwesenheit des Präsidenten oder anderer Mitarbeiter stattfinden, für Unbefugte war der Zutritt verboten. Huyssen entwarf mithin eine Behörde, die sich auf allgemeine kollegiale Grundlagen stützte. Der Generalfiskal entsprach in seinem Projekt dem französischen „Procureur General du Roy“. Er musste Instruktionen erteilen, Personal auswählen und anleiten sowie das Siegel verwahren. Er hatte außerdem dem Zaren Berichte über die Meldungen der Fiskale zu erstatten und dessen Entscheidungen entgegenzunehmen. „Advocatii Fisci“ sollten die Sitzungen protokollieren und die Berichte als Geheimpapiere aufbewahren, Instruktionen, Anordnungen und weitere Dokumente entwerfen und zur Kontrolle übergeben, die Arbeiten der „Examinatoren“ und „Canzelisten“ kontrollieren und dafür sorgen, dass „alles in guter Geheim und Verschwigenheit bleibe“. „Procuratores Fisci“ waren nach Huyssens Entwurf ausführende Organe ihrer Vorgesetzten. Beide Stellungen („Advocatii“ und „Procuratores Fisci“) konnten sich in einer Person vereinigen. Zähler hatten die staatlichen Einnahmenund Ausgabenrechnungen zu überprüfen.27 Die Fiskale selbst wurden im Projekt „Substituti Fisci“ genannt und unterschieden sich nach Verwaltungszweig und Einsatzort. Sie sollten mit einer General-Instruktion und einer geheimen, für konkrete Fälle gedachten Sonderinstruktion versehen werden. „Wird von denen Italienischen Statisten regola di buon governo [Regel einer guten Regierung] genan[n]t und sind darzu überall in den Städten absonderliche Policey-Meister von dem Magistrat oder Policei Fiscale von dem Landes-Herren bestellet.“ Die Provinzialfiskale hatten unter anderem die folgenden Punkte zu prüfen: Zustand der Verkehrswege (Straßen und Brücken) und Sicherheit des Personenverkehrs; Vereinheitlichung von Gewichts- und Maßeinheiten sowie Verhinderung von Warenfälschungen; Bestattung der Menschen nicht in den Kirchen, sondern auf von den Städten entfernten Kirchhöfen; Durchführung von Sanitätsmaßnahmen und Entfernung von Aas; Qualitätskontrolle von Lebensmitteln und Verhinderung ihrer Fälschung sowie Sicherstellung der Wasserqualität; Durchführung von Brandschutzmaßnahmen und Einrichtung und Kontrolle von Feuerlöschanlagen; Überwachung des Unterrichts der Kinder in Schulen und Gymnasien in Religion, im Lesen und im Schreiben sowie in Fremdsprachen – wobei die Sprachen der Nachbarvölker besonders beachtet werden sollten –, aber auch in weiteren Wissenschaften; Kampf gegen Trunksucht, Vagabundieren und Bettelei; Ausbildung der Russen in Handwerk und Handelsgeschäften; Verbesserung des Postwesens; Einhaltung der Gesetze beim Militär; Überwachung des Zustands von Land- und Seehandel, Stärkung von Handelsniederlassungen und Verteidigung der Interessen der Kaufleute; Sammlung von Informationen über Mineralien, Metalle, Kräuter und Gewürze in Russland und im „Orient“ sowie über deren Beschaffung; Rechtsprechung; Durchführung von Maßnahmen zum Aufspüren von Räubern; Umsetzung testamentarischer Anordnungen; Nachrichtenübermittlung an die Bevölkerung in den Bereichen Wirtschaft, Landwirtschaft und Ernährung; Säuberung der Erde, Trockenlegung von Sümpfen und Anpflanzung von Bäumen; schließlich die Absonderung von Badestuben und Backöfen von den Häusern.

27 Ebd., 32–34, 41–43.

Das Fiskalprojekt von 1713 zur Verbesserung der Exekutive in Russland

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Die Fiskale hatten nach einer Verurteilung von Straftätern darauf zu achten, dass die Todes- und die Prügelstrafe nur in Ausnahmefällen angewandt wurden, vorwiegend sollten Galeeren- und Zwangsarbeit sowie Geld- und Zuchthausstrafen verhängt werden.28 Dem Erlass Peters I. vom 17. März 1714 zufolge wurden im Anschluss Vertreter verschiedener Stände als Fiskale über das ganze Land verteilt. Unter der Leitung des dem Senat unterstellten Oberfiskals wurden in St. Petersburg vier Fiskale – darunter zwei aus der Kaufmannschaft –, in den Gouvernements ebenfalls jeweils vier Fiskale sowie in den Städten, abhängig von deren Größe, ein oder zwei Fiskale tätig. Sie bekamen eine Aufsichtsfunktion und sollten gegen diejenigen vorgehen, die gegen das Staatsinteresse handelten. Bei Streitsachen, bei denen keine Kläger vorhanden waren, sollten sie diejenigen, die Verstöße begangen hatten, anzeigen und vor den Gerichten anklagen, so hatte dies auch Huyssen vorgeschlagen. Ihre Anzeigen waren grundsätzlich an den Oberfiskal zu richten, nur in besonders schwerwiegenden Fällen unmittelbar an den Zaren. Die Provinzialfiskale hatten ihre Anzeige den Gouverneuren zuzuleiten. Verstöße gegen ihre Verpflichtungen wurden streng bestraft. Die Fiskale mussten einmal im Jahr die Städte der jeweiligen Gouvernements besuchen und die Arbeit der Stadtfiskale prüfen. Die Hälfte des Strafgeldes sollte an die Regierung abgegeben, der Rest zwischen den jeweils beteiligten Fiskalbeamten verteilt werden.29 Die Fiskalinstitution wurde in Russland allerdings nicht als selbständiges Kollegium eingerichtet, sondern in die Hierarchie der Staatsverwaltung eingegliedert. Als 1722 die Institution der Prokurore (prokurory) eingeführt wurde, wurden ihr die Fiskale nachgeordnet.30 Der General-Prokuror (general prokuror) sollte sicherstellen, dass der Senat seine Arbeit gesetzmäßig, „wahrhaft, eifrig und anständig“ und ohne Verschleppung erledigte, der OberProkuror (ober prokuror) musste ihm zuarbeiten. Meldungen der Fiskale über Verstöße gegen Dienstpflichten sollte der General-Prokuror an den Senat weiterleiten. Selbst der Oberfiskal stand nun unter dessen Kontrolle.31 Erster General-Prokuror war seit 1722 der ehemalige lutherische Kirchensänger Pavel Ivanovič Jagužinskij, der dem Zaren völlig ergeben war und – eine seltene Erscheinung unter den russischen Würdenträgern – als unbestechlich galt. Insgesamt wurde die Idee des Fiskalats in Russland allerdings nicht in der Weise umgesetzt, wie es von Huyssen ursprünglich vorgesehen war, obwohl einige von ihm konzipierte Funktionen in das Dokument vom 17. März 1714 Eingang fanden. Für die Kontrolle derartig vieler Bereiche des gesellschaftlichen Lebens durch die Fiskalinstitutionen, wie sie Huyssen plante, waren im Zarenreich weder die Voraussetzungen noch fähiges Personal vorhanden. Man denke nur an die Kontrolle über die Schulen, die es in Russland noch nicht gab. Erst 1714 wurden auf zaristische Anordnung „Ziffernschulen“ zur Vermittlung elementarer Kenntnisse des Lesens, Schreibens und Rechnens eingeführt; sie gingen jedoch häufig aus Mangel an Schülern wieder ein. Man darf vermuten, dass auch andere Personen einschlägige Entwürfe erarbeitet hatten, die Grundlage für die Reform wurden. Polievktov beurteilt Huyssens Vorschläge als Maßnahmen, die der russischen Administration im Grunde fremd waren. 28 Ebd., 33–39. 29 Ukaz o dolžnosti fiskalov, 17. März 1714. In: Sofronenko (Hg.): Zakonodatel’nye akty Petra I, 51–53. 30 Zur Einrichtung der Staatsanwaltschaft in Russland vgl. exemplarisch Ukaz ob ustanovlenii dolžnosti prokurorov v nadvornych sudach i o predelach kompetencii nadvornych sudov v delach po donosam fiskal’skim i pročich ljudej, 18. Januar 1722. In: Čistjakov u. a. (Hg.): Rossijskoe zakonodatel’stvo, Bd. 4, 184; Ukaz o dolžnosti general-prokurora, 27. April 1722. Ebd., 196–199. 31 Ukaz o dolžnosti general-prokurora, 27. April 1722. Ebd., 196–199.

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Militärstrafgesetzgebung und Verwaltungsverordnungen in Russland

Huyssens Ideen seien abgelehnt worden, weil sie den administrativen Apparat nicht dem Fiskalat dezidiert untergeordnet hätten. Zudem habe sich die Unabhängigkeit der Fiskale als ineffektiv erwiesen, weil sie Bestandteil des bürokratischen Apparates wurden und selbst kontrollbedürftig waren. Die Probleme des Fiskalamtes zeigten sich tatsächlich schon nach kurzer Zeit. 1724 wurde der Oberfiskal Aleksej Jakovlevič Nesterov, seit 1712 Fiskal und seit 1715 Oberfiskal, wegen Korruption hingerichtet. Die Senatoren behandelten die Fiskale mit Verachtung und vernachlässigten ihre Anzeigen und Meldungen.32 1729 war denn auch die Zeit des Fiskalamtes in Russland abgelaufen, seine Funktionen wurden auf verschiedene Behörden aufgeteilt.33 Auch wenn Peter I. letztlich kein selbständiges Fiskal-Kollegium gründete, so entsprach Huyssens Projekt doch den Bedürfnissen des Landes, eine Kontrollinstanz zu schaffen, um Missbräuchen wie Bestechung im Amt (Darreichung von vzjatki) und Verschleppung von Amtsgelegenheiten (volokita) zu begegnen. Der Entwurf belegt das historische Wissen Huyssens, seine Kenntnisse der Verwaltungsstrukturen und des Policeywesens verschiedener europäischer Länder. Dass Huyssen mit diesem Projekt wahrscheinlich nur wenig Gnade vor den Augen des Zaren fand, heißt nicht, dass er erfolglos war. Viele andere Aufgaben erledigte er offensichtlich zur vollen Zufriedenheit Peters, etwa die Übersetzung des Kriegsreglements ins Deutsche oder die Übermittlung von Nachrichten.34 Huyssen half so mit, die „Räder der Staatsuhr“ nach dem Leibnizschen Gesetz der Harmonie aufeinander abzustimmen und eine reibungslos funktionierende Administration in Russland zu schaffen.35

32 Pisar’kova: Gosudarstvennoe upravlenie Rossii, 123; Čistjakov u. a. (Hg.): Rossijskoe zakonodatel’stvo, Bd. 4, 178, 196; Polievktov: Proekt” Bar[ona] Gjujsena, 16f., 20; Korsakova, V.: Nesterov, Aleksej Jakovlevič. In: Russkij biografičeskij slovar’ 11 (1914) 252f.; Pavlov-Sil’vanskij, N[ikolaj] [Pavlovič]: Proekty reform v zapiskach sovremennikov Petra Velikogo. Opyt izučenija russkich proektov i neizdannye ich teksty. Sankt Peterburg 1897 [ND Moskva 2000], 120–122. 33 Čistjakov u. a. (Hg.): Rossijskoe zakonodatel’stvo, Bd. 4, 186. 34 Haven: Nachrichten von Huyssen, 325. 35 „Den wie in einer Uhr ein rad von den andern sich muss treiben lassen, also muss in der grossen Staats Uhr ein Collegium das andere treiben, und wofern alles in einer accuraten proportion und genauen Harmonie stehet, kan nichts anderes folgen, als dass der Zeiger der Klugheit dem lande glückliche Stunden zeigen werde.“ [Leibniz, Gottfried Wilhelm]: Denkschrift über die Kollegien, o. O. [1716]. In: Guerrier: Leibniz, Anhang 364–369, hier 365.

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13. Huyssens Situation nach dem Tod Peters I. (1725) und seine Abreise aus Russland (1739) Per Gesetz hatte Peter I. am 5. Februar 1722 seine Thronfolge neu geregelt. Der jeweilige Herrscher durfte den Würdigsten als seinen Nachfolger bestimmen.1 Der Umstand, dass der Zar keinen Thronerben designiert hatte, führte nach seinem Tod 1725 zu einer Nachfolgekrise und zur „Epoche der Umstürze“.2 Innerhalb dieser Phase folgten verschiedene politische Führungsgruppen aufeinander. Die berufliche Karriere am Zarenhof wurde durch Anpassungsfähigkeit und Zugehörigkeit zu den ,richtigen‘ Gruppen begünstigt.3 Obwohl die Nachfolger Peters I. die durch ihn gelegten politischen Fundamente festigten, waren sie weitaus passiver als er. So verloren viele seiner Mitstreiter nach seinem Tod an Bedeutung. Ihre Existenz geriet immer stärker in Gefahr.4 1725 kam Peters Gemahlin Katharina auf den Thron.5 Sie ließ ihren Vertrauten Menšikov die Regierungsgeschäfte führen. Ein Indiz für dessen eigene machtpolitische Bestrebungen ist der Plan, Katharinas 1715 geborenen Nachfolger, Peter II., nach ihrem Tod 1727 mit seiner Tochter Marija zu vermählen, um ihn so unter seinen Einfluss zu bringen. Menšikov wurde wegen dieses Versuchs, seine Position an der Spitze des Staatswesens zu stabilisieren, aber bald gestürzt und in das sibirische Dorf Berezov verbannt. Sein jähes Ende zeigt exemplarisch, wie unsicher die Lage der Günstlinge Peters I. nach dessen Tod war. Peter II. geriet nach der Verbannung Menšikovs in den Machtbereich der Fürstenfamilie Dolgorukij und wurde mit Ekaterina Dolgorukaja verlobt; er starb jedoch völlig unerwartet in der Nacht vom 18. zum 19. Januar 1730 in Moskau an den Pocken. Die Frage der Thronfolge wurde damit erneut aktuell.6 Der Oberste Geheime Rat (Verchovnyj Tajnyj Sovet), der am 8. Februar 1726 seine Arbeit als höchstes zentrales Machtorgan aufgenommen hatte,7 diktierte nun der als Zarin vorgese1 Ustav. – O nasledii prestola, 5. Februar 1722. In: [Speranskij u. a.] (Hg.): Polnoe sobranie zakonov, Bd. 6, Nr. 3893, 496f. 2 Kurukin, Igor’ Vladimirovič: Ėpocha „dvorskich bur’“: Očerki političeskoj istorii poslepetrovskoj Rossii, 1725–1762 gg. Rjazan’ 2003 (Novejšaja rossijskaja istorija: issledovanija i dokumenty 6); Bojcov, M[ichail] A[natol’evič] (Hg.): Dvorcovye perevoroty v Rossii 1725–1825. Rostov-na-Donu 1998; Fenster, Aristide: Palastrevolutionen. In: Torke, Hans-Joachim (Hg.): Lexikon der Geschichte Rußlands. München 1985, 284f. 3 Fenster, Aristide: Das Erbe Peters I. in der russischen Innenpolitik in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts und der Beitrag deutscher Staatsmänner. In: Wagner/Bonwetsch/Eggeling (Hg.): Ein Deutscher am Zarenhof, 175–182, hier 175. 4 Lotman, Jurij Michajlovič: Besedy o russkoj kulture: Byt i tradicii russkogo dvorjanstva (XVIII – načalo XIX veka). Sankt-Peterburg 21998 [11994], 239. 5 Donnert, Erich: Katharina I. 1725–1727. In: Torke (Hg.): Die russischen Zaren, 179–184. 6 Ders.: Peter II. 1727–1730. Ebd., 185–189. 7 Das Verzeichnis der Mitglieder des Obersten Geheimen Rates von seiner Gründung bis zur Auflösung im Jahr 1730. In: Amburger, Erik: Geschichte der Behördenorganisation Russlands von Peter dem Grossen bis 1917. Leiden 1966 (Studien zur Geschichte Osteuropas 10), 62f.

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henen Nichte Peters I., der verwitweten Herzogin von Kurland Anna Ivanovna, die Bedingungen für die Thronübernahme.8 Dieses höchste Staatsgremium wollte die absolute zaristische Regierungsmacht aufbrechen und selbst den entscheidenden politischen Einfluss gewinnen. Nach der Unterzeichnung der ihr aufgezwungenen „Konditionen“ und dem Einzug in Moskau fühlte sich Anna in ihrem Tun jedoch derart stark eingeschränkt, dass sie das Papier, auf dem die Bedingungen aufgelistet waren, zerriss, um nach dem Vorbild ihrer Vorfahren allein zu regieren. Es gelang ihr, unterstützt von breiten Adelskreisen, den Obersten Geheimen Rat aufzulösen. Insgesamt zeigte sie allerdings wenig Interesse an den Regierungsgeschäften. Sie setzte unter dem Namen Kabinett (kabinet) ein Kabinettsministerium ein, das aus Fürst Aleksej Michajlovič Čerkasskij, Graf Gavriil Ivanovič Golovkin und Graf Heinrich Johann Friedrich Ostermann bestand.9 Dieses Kabinett übernahm die faktische Regierungsgewalt zusammen mit den deutschen Favoriten Annas, Ernst Johann von Biron (eigentlich Bühren), seit 1737 Herzog von Kurland, und dem Fachmann im Bereich Wasserbau- und Befestigungswesen, Burchard Christoph von Münnich. Die russische Historiographie hat dafür den Begriff „Bironwirtschaft“ (bironovščina) verwendet.10 Indes waren auch unter Anna Ivanovna russische Würdenträger in zentralen Staatsämtern vertreten; die Beziehungen unter den Deutschen waren häufig durch persönliche Rivalitäten und private Machtansprüche gekennzeichnet.11 Nach dem Tod Peters I. versuchte Huyssen trotz der zunehmenden Machtkämpfe am russischen Hof seinen Platz zu behaupten. Auf Initiative Menšikovs, zu dessen Klientel er sich offenbar zählte, sprach der Oberste Geheime Rat auf einer Sitzung im Juni 1726 über sein weiteres Schicksal. Man erinnerte an seine Verdienste und auch daran, dass er bereits mehrere Jahre keinen Lohn mehr bekommen habe, und beschloss, ihn zum Rat im KriegsKollegium zu ernennen und zudem einen Teil der ihm zustehenden Gelder auszuzahlen.12 Huyssens ungemein wohlwollende Biographie Menšikovs, die zu diesem Zeitpunkt fertiggestellt wurde, schien Früchte zu tragen.13 Johann Theodor Jablonski erhielt die von Huyssen stammenden, nicht näher bezeichneten Entwürfe, die dieser dem Senat vorgelegt hatte.14 Am 27. September 1726 wurde im Konsilium der Berliner Akademie der Wissenschaften ein Entwurf Huyssens besprochen, den dieser im Auftrag der russischen Regierung verfasst hatte. Er betraf die Errichtung einer Schule, in der junge Russen im allgemeinen Recht sowie im Kriegsrecht unterrichtet werden sollten, um später als „Regiments- und Ober-Auditeurs“ beschäftigt werden zu können. 8 Fenster, Aristide: Anna 1730–1740. In: Torke (Hg.): Die russischen Zaren, 191–201. Vgl. den ersten und den endgültigen Entwurf der „Konditionen“ als First Draft und Final Draft jeweils in Raeff, Marc: Plans for Political Reform in Imperial Russia, 1730–1905. Englewood Cliffs 1966, 44–46. Die russische Version der „Konditionen“ als kondicii in: Bojcov (Hg.): Dvorcovye perevoroty v Rossii, 101f. 9 Amburger: Geschichte der Behördenorganisation Russlands, 63. 10 Kurukin, Igor’ Vladimirovič: Biron. Moskva 2006 (Žizn’ zamečatel’nych ljudej 968); Berg, Brigitta: Burchard Christoph von Münnich. Die Beurteilung, Darstellung und Erforschung seines Wirkens in Rußland in der deutschen und russischen Historiographie. Der Versuch einer Perspektivenuntersuchung an Hand von Beispielen. Oldenburg 2001 (Oldenburger Studien 45). 11 Fenster, Aristide: Staat, Gesellschaft und Kultur von 1730 bis 1762. In: Hellmann/Zernack/Schramm (Hg.): Handbuch der Geschichte Russlands, Bd. 2/1, 461–488, hier 463–466. Zum Begriff bironovščina vgl. Kurukin: Biron, 5–23 (Einleitung), hier 18–23. 12 Kaljazina/Kaljazin: Aleksandr Menšikov, Bd. 1, 10. 13 [Huyssen]: Zaslugi i podvigi Menšikova. 14 Heinrich von Huyssen an Johann Theodor Jablonski, St. Petersburg August 1726. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 145.

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„Weil aber dieses nicht eine materie von dem ressort der Societaet“ sei, entschied man, die Schriften ad acta zu legen.15 Huyssens Projekte waren in der politischen Realität offenbar nicht mehr zu gebrauchen. Vermutlich war sich Huyssen seiner unsicheren Lage bewusst, denn er versuchte Abhilfe zu schaffen, wie aus seinem Brief an den Wiener Hof vom 24. Januar 1727 hervorgeht. Als er erfuhr, dass ein führender Amtsträger aus Wien ihn im Brief an den österreichischen Geschäftsträger in St. Petersburg, Amadeus von Bussy, Grafen von Rabutin, lobend erwähnt hatte, erinnerte er diesen sofort brieflich daran, dass ihm bereits Joseph I. die Ausstellung eines Diploms versprochen habe. Huyssen meinte damit wohl die Verleihung des Reichsbaronats, das er 1707 vom Kaiser – allerdings erfolglos – erbeten hatte.16 Er wies auf seine Verdienste für das Haus Österreich hin, die nicht nur an seinen pro-österreichischen Büchern und Schriften zu erkennen seien, sondern auch an vielfachen Ratschlägen und Verhandlungen zugunsten des Wiener Hofes. Außerdem versicherte er, auch in Zukunft die Interessen des Kaiserhofes unterstützen zu wollen.17 Huyssen stieß in Wien allerdings offenbar auf kein Gehör; möglicherweise hatte er aber auch gar kein echtes Interesse an einer Tätigkeit in Wien, denn bis zum Jahr 1732 ist er unverändert in bedeutender Stellung am russischen Hof zu finden. Details über seine Tätigkeit in dieser Zeit fehlen freilich. 1728 wurde er zum Wirklichen Staatsrat ernannt.18 Daniel Ernst Jablonski gratulierte ihm in einem undatierten, jedoch bei Eduard Winter unter den Briefen aus dem Jahr 1730 abgedruckten Schreiben zu seiner neuen Stelle. Der Berliner Hofprediger nannte ihn in seinen Briefen seither „Etaats-Rat, Etaats-Minister, Geheimer Etaats oder Kriegs-Ministre“ – und wünschte viel Glück und bestes Gelingen für seine neue Tätigkeit, die er für seine „vortreffliche[n] Verdienste und so lang treulich und arbeitsam geleistete[n] Dienste“ bekommen habe. Er möge diese bedeutende Stelle für lange Jahre, zum „gemeinen Besten“ und zu seinem eigenen „Aufnehmen und Vergnügen“ bekleiden.19 Am 14. Dezember 1731 wurde angeordnet, dass Huyssen in der alten russischen Hauptstadt verbleiben müsse, um dort unter anderem die Angelegenheiten des Kriegs-Kollegiums zu verwalten, das unter der Zarin Anna Ivanovna nach St. Petersburg zurückzog.20 Von 1728 bis 1732 waren die zentralen Regierungsbehörden noch einmal nach Moskau verlegt worden. 1732 wurde Huyssen dann aus ungeklärten Gründen durch Kaiserin Anna aus dem Dienst verabschiedet.21 Ab dem Jahr 1736 hielt sich der dänische Reisende Peter van Haven in St. Petersburg auf, wo er Huyssen persönlich kennenlernte. In seiner Reisebeschreibung berichtet er, dass die Apotheker-Insel damals im Sommer „die allerangenehmste Gegend“ in der Stadt gewesen sei. Täglich segelten die Vornehmen dahin, um „sich zu vergnügen“. Unter diesen sei auch 15 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: Preussische Akademie der Wissenschaften (1700–1811), I-IV-38, 27. September 1726, 45v–46r. 16 Österreichisches Staatsarchiv: Allgemeines Verwaltungsarchiv, Adel, Reichsadelsakten, Petition des Heinrich von Huyssen auf die Erteilung des Reichsbaronats, [Wien] 6. November 1707, 1–3. 17 Ebd., Heinrich von Huyssen an den Wiener Hof, St. Petersburg 24. Januar 1727, 4–5. 18 Kaljazina/Kaljazin: Aleksandr Menšikov, Bd. 1, 10. 19 Daniel Ernst Jablonski an Heinrich von Huyssen, Berlin o. D. In: Winter (Hg.): Die Brüder Jablonský und Russland, 167. 20 O naznačenii Členov Senata i Kollegij, kotorym dolžno ostat’sja v Moskve i kotorym sleduet otpravitjsja v S. Peterburg i o raspredelenii v onych prisutstvennych mestach del, schodno s ich naznačeniem, 14. Dezember 1731. In: [Speranskij u. a.] (Hg.): Polnoe sobranie zakonov, Bd. 8, Nr. 5905, 599f., hier 599. 21 Schippan: Die Einrichtung der Kollegien in Rußland, 63.

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Huyssen gewesen, der zu „der Zeit als ein Pensionair in Petersburg lebte“. Haven hatte offenbar sehr intensiven Kontakt zu Huyssen, dem „die Historie und die Beschaffenheit Rußlands so vollkommen bekannt [war], als jemanden[,] der Minister seyn kon[n]te“. Huyssen hatte laut Haven aber auch zu schweigen gelernt, denn die Verschwiegenheit sei eine unbedingte Notwendigkeit für denjenigen, der im Russischen Reich leben wolle. Er habe viel vom „Glücke und Unglücke“ Menšikovs berichtet. Grund für diese Berichte war das Verhalten von dessen Sohn Aleksandr, damals Leutnant der Garde, der ihn hin und wieder besucht und sich „sehr wild und fast unanständig“ aufgeführt habe.22 In einem in Büschings Magazin für die neue Historie und Geographie erschienenen Bericht schrieb Haven, dass Huyssen in seinen letzten Lebensjahren große Probleme gehabt habe, seine Stellung am Hof zu wahren: „Weiter [nach dem Tod Peters I.] gehen des Baron Huyssen eigene Nachrichten nicht; indem seine Absicht bloß diese war, in seinen gegenwärtigen schlechten Umständen, durch selbige die Minister an seine vorigen Dienste zu erinnern. Ich habe desfalls verschiedene von ihm mit eingemischte Klagen ausgelassen. Nach dem Tode Peters des Isten ward seiner ganz vergessen; man erließ ihn seiner Bedienungen, und schon zu meiner Zeit, dachte er eben nicht allemal zu ordentlich. Der Graf Ostermann, dessen Bruder mit ihm zugleich nach Rußland gekommen war, und ihm durch Briefe Gelegenheit gegeben hatte[,] ihm nachzufolgen, hatte so viel zu verrichten, daß er nicht mehr an ihn denken konnte.“ Huyssen musste schließlich sogar vom kaiserlichen Gesandten Johann Franz Heinrich Carl Graf von Ostein unterstützt werden, bei dem er sich aufgehalten und der sich für ihn bei der Kaiserin eingesetzt habe. Anna Ivanovna habe Huyssen daraufhin „baar ausgelegtes Geld mit einem ansehnlichen Ueberschuß“ gezahlt, das ihm aber gleich darauf gestohlen worden sei.23 Seine letzten Lebensjahre wollte Huyssen in seiner Heimat verbringen, in Aachen bei seiner Nichte Helene Margarethe Huyssen, die mit Esaias Clermont verheiratet war. Im September 1739 verließ er St. Petersburg. Unterwegs erkrankte Huyssen auf dem Schiff schwer; er starb am 16. September 1739 in den Armen des ihn begleitenden Arztes. Laut dem Volkskundler Alfons Perlick wurde er am 19. September 1739 auf dem St. Johannes Kirchhof (Marienkirche) zu Helsingör begraben.24 Der Arzt und gelehrte Begleiter Huyssens auf dessen letzter Reise fand anerkennende Worte über ihn: „Einen aussergewöhnlichen Helfer. Gegen die Nächsten gütig. Gegen den Fremden freundlich. Keinem jemals beschwerlich ausser etwa sich selbst.“25 Ein halbes Jahr vor seinem Tod, am Vormittag des 16. März 1739, hatte Huyssen den kaiserlichen Notar in St. Petersburg, Christian Wilhelm Cornelius, um einen Besuch gebeten. Dieser fand den Greis auf einem Stuhl sitzend, krank, aber „bey richtigen Sinnen und voller Verstandt“. Huyssen erklärte, er wolle im Angesicht des nahen Todes sein Testament ordnungsgemäß verfassen. Nachdem sein letzter Wille niedergeschrieben war, unterzeichneten der Kranke und die anwesenden Zeugen in Gegenwart des Notars das Schriftstück. Huyssen versiegelte es und der Notar beglaubigte es durch Unterschrift und Amtssiegel.26 Im Testa22 23 24 25 26

Haven: Reise in Rußland, 20–22. Haven: Nachrichten von Huyssen, 325f. Perlick: Personelle Wechselbeziehungen, 112, 115. Waldthausen: Beiträge zur Geschichte der Familie Huyssen, 68. Stadtarchiv Korbach: Huyssen II, Rechnungen 10–18, Beglaubigung des Testaments des Heinrich von Huyssen durch den kaiserlichen Notar Christian Wilhelm Cornelius, St. Petersburg 16. März 1739,

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ment schrieb Huyssen, er hinterlasse keine Leibeserben und setze daher die Kinder seines verstorbenen Bruders Arnold als Universalerben ein. Der Nachlass umfasste alle nicht näher bezeichneten beweglichen und unbeweglichen, liegenden und fahrenden Güter, welche der Erblasser besaß oder in Zukunft erlangen würde. Diese sollten unter den Erben gleichmäßig verteilt werden. Sie sollten ihrerseits den Leichnam ihres Onkels nach christlicher Ordnung zur Erde bestatten lassen und für seine „Passiv-Schulden“ aufkommen, falls es solche gäbe.27 Nach Huyssens Tod gelangte das Testament in die Hände der Witwe Arnold von Huyssens, Maria Juliane von Aussem. Diese ließ es ordnungsgemäß publizieren, trotz gewisser Zweifel an der Echtheit des Dokuments. Denn einige von Huyssens Verwandten behaupteten, dass Aufschrift, Unterschrift und Siegel möglicherweise nicht authentisch seien. Sie willigten dennoch in eine Publikation des Testaments ein, vorbehaltlich späterer Nachprüfung.28 Nach einem von Theodor Huyssen verfassten Schreiben wurde das Dokument am 7. Januar 1740 gedruckt und für echt erklärt. Die Erben wollten nur das „beneficium Inventarii“ in Anspruch nehmen, womit sie sich gegen die Gefahr, Schulden übernehmen zu müssen, absicherten. Sie beabsichtigten ferner, dass der Magistrat der Stadt Essen ihre Aussage zu den Akten nehme; außerdem sollte ein Inventar über die Verlassenschaft aufgenommen werden.29 Huyssens größter Wunsch, als Christ friedlich zu sterben, hatte sich erfüllt: „Ich befehle demnach anfänglich meine durch den bitteren Todt meines Erlösers und Heylandes Jesu Christi theure erlösete Seele, wenn dieselbe nach Gottes Gnädigen Willen von meinem sterblichen Leibe abscheiden wird, mit demüthigen und reuigen Hertzen in die Hand Gottes[,] meines Him[m]lischen Vaters.“30

27 28 29 30

Abschrift, unpag. Der aus Preußen stammende Christian Wilhelm Cornelius, der 1718 als Kammerschreiber im Petersburger Kammer-Kollegium angestellt wurde, wird 1735 als „Notarius publicus“ erwähnt. Vgl. Schippan: Die Einrichtung der Kollegien in Russland, 283, 300, 309. Stadtarchiv Korbach: Huyssen II, Rechnungen 10–18, Testament des Heinrich von Huyssen, St. Petersburg 16. März 1739, Abschrift, unpag. Stadtarchiv Korbach: Huyssen II, Rechnungen 10–18, Vorwort zur Abschrift des Testaments des Heinrich von Huyssen, o. O. 7. Januar 1740, unpag. Privates Archiv Peter Petschauer: Theodor von Huyssen über den Antritt der Erbschaft des Heinrich von Huyssen, o. O. [1740], unpag. Stadtarchiv Korbach: Huyssen II, Rechnungen 10–18, Testament des Heinrich von Huyssen, St. Petersburg 16. März 1739, Abschrift, unpag.

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14. Schlussbetrachtung Heinrich von Huyssen (1666–1739) war in der Zeit der europäischen Frühaufklärung ein bedeutender Verbindungsmann zwischen dem deutschen Sprachraum und Russland, ein Kulturvermittler, Publizist und Diplomat, dessen Tätigkeit sich in weiten Teilen im Hintergrund abspielte. In Darstellungen zur Geschichte der internationalen Beziehungen um 1700 taucht sein Name zwar in wechselnden Zusammenhängen immer wieder auf und auch einzelne seiner Schriften haben in der Vergangenheit durchaus Aufmerksamkeit gefunden. Eine zusammenfassende, aus den Quellen erarbeitete Biographie dieses hochinteressanten Mannes ist gleichwohl bis zur Gegenwart nie in Angriff genommen worden. Eine solche Gesamtwürdigung war das Ziel der vorliegenden Untersuchung, die auf der Ermittlung und Auswertung zahlreicher, in mehreren europäischen Staaten überlieferter Archivalien, Drucke und Korrespondenzen beruht. Im Vordergrund stand dabei die Frage, welche Rolle Heinrich von Huyssen konkret bei der Genese und Vertiefung des deutsch-russischen Ideen- und Wissenstransfers in den Jahrzehnten um 1700 zukam. Huyssen war ein typischer Vertreter jener neuen, von Peter I. geschaffenen Funktionselite in Russland, ohne die das gewaltige Reformwerk des Zaren nicht umzusetzen gewesen wäre. Der aus Essen gebürtige Adelige war darüber hinaus für eine weitere, in ihrer Bedeutung kaum zu überschätzende Aufgabe vorgesehen: Der Zar kannte die Bilder und auch Zerrbilder, die nicht erst seit Ausbruch des Großen Nordischen Krieges über sein Reich im westlichen Europa kursierten, und er sah die Gefahren einer entsprechend negativen Berichterstattung für den von ihm angestrebten Modernisierungsprozess. Seine Bestrebungen, ausgesuchte Informationen gezielt zu streuen und in jeder nur denkbaren Form Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen, blieben politisch nicht ohne Wirkung: Der Aufstieg Russlands zu einer der führenden Mächte in Europa ist auch im Zusammenhang eines solchen kulturellen und gesellschaftlichen Wahrnehmungswandels unter Peter I. zu sehen. Heinrich von Huyssen war einer der wichtigsten und einflussreichsten Amtsträger und Publizisten, die Peter I. zur Seite standen, um jene Ziele zu erreichen. Als Kriegsrat setzte er alle Hebel in Bewegung, um den von Russland geführten Kampf um die Vorherrschaft im Ostseeraum während der ersten beiden Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts als einen gerechten Krieg des Zaren darzustellen. Mit seiner Berichterstattung, für die er ganz unterschiedliche Medien und Stile zu nutzen wusste, sprach Huyssen sowohl gelehrte und höfische Kreise als auch breitere Bevölkerungsschichten an. Wie schwer sich dabei auf den ersten Blick eine scheinbar neutrale Nachrichtenvermittlung von gezielter Propaganda unterscheiden lässt, welche Argumente bevorzugt Verwendung fanden und über welche Sprachgewalt Huyssen im Einzelnen verfügte, wird exemplarisch an dessen Polemik mit Martin Neugebauer deutlich. Huyssens publizistische Tätigkeit ging jedoch über bloße propagandistische Darstellungen und Streitschriften weit hinaus; ihm lag auch daran, das Zusammenwirken von einheimischen und auswärtigen Amtsträgern im Russischen Reich darzulegen und das Reformwerk des von ihm verehrten Zaren umfassend und quellennah zu würdigen.

Schlussbetrachtung

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Huyssen unterschied sich von vielen anderen auswärtigen Amtsträgern in Russland, die keine homogene Gruppe, sondern Männer mit zum Teil sehr divergierenden Partikularinteressen waren, durch seine unbedingte Loyalität gegenüber dem Zaren. Er diente dem russischen Herrscher trotz mannigfacher Kontakte und Verbindungen zu Vertretern anderer politischer Richtungen und Religionslager ganz offensichtlich aus tiefer Überzeugung. Huyssen war gewiss nicht nur Empfänger von Befehlen und Aufträgen, er handelte in Teilen ohne Zweifel auch autonom und selbständig. Durch die von ihm gewählte Form der Nachrichtenbearbeitung und -darstellung beeinflusste er beispielsweise die militärischen Planungen des Zaren; umgekehrt basierte die Einschätzung der russischen Kriegsziele im Westen nicht selten auf entsprechenden Berichten, die Huyssen verfasst oder zumindest angeregt hatte. Darüber hinaus nutzte er andere ihm zur Verfügung stehende Kommunikationsformen und -träger. So sandte er aus Wien beispielsweise umfangreiche, die Rolle Russlands im Großen Nordischen Krieg überaus vorteilhaft darstellende Briefe an eine ganze Reihe von Staatsmännern. Es wird kaum überraschen, dass eine derart vielseitige und anspruchsvolle Tätigkeit, die sogar die Anwerbung auswärtiger Offiziere und Amtsträger umfasste, nicht ohne Enttäuschungen blieb. Auch Huyssen musste wiederholt erfahren, dass seine Person unter den russischen Eliten nicht unumstritten war. Auch in kultureller Hinsicht erwies sich Huyssen als wichtiger Ansprechpartner des Zaren. Der mit dem geistigen und kulturellen Leben im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation vertraute Adelige initiierte die Begegnung von Peter I. und Gottfried Wilhelm Leibniz – den beiden Persönlichkeiten mithin, die bis zur Gegenwart geradezu als Personifizierung einer neuen Ära in der Geschichte der deutsch-russischen Beziehungen in der Epoche der Frühaufklärung stehen. Huyssen trug nicht nur zur nachhaltigen Vernetzung der neuen Gelehrtengesellschaften, sondern auch ganz konkret zum Kontakt unter Autoren, Buchhändlern und Zeitungsredaktionen bei. Er nahm eine wichtige Funktion beim Austausch von Büchern, Schriften, Münzen und anderen wissenschaftlichen „Kuriositäten“ zwischen Russland und der westeuropäischen Welt ein, er exportierte gleichsam Kenntnisse, Erfahrungen, Anregungen, Ideen und Vorschläge, die von ihm oder seinen Zeitgenossen stammten, aus Russland und importierte solche auf dem umgekehrten Weg. Huyssen war bestrebt, das allgemeine Interesse an den Wissenschaften zu fördern, und zwar ohne Rücksicht auf religiöse, sprachliche oder ethnische Befindlichkeiten. So verhalf er anderen vielfach zum Erfolg, blieb selbst aber größtenteils im Hintergrund – nicht zuletzt deshalb, weil seine eigenen wissenschaftlichen Bemühungen über die Anerkennung hinaus, die sie im kleinen Gelehrtenkreis fanden, nicht als bedeutsam empfunden wurden. Ein ähnliches Bild ergibt sich beim Blick auf die kirchlich-religiösen Verhältnisse. Auch hier zeigt sich Huyssen als loyaler Anhänger Peters I., der die Macht der russisch-orthodoxen Kirche einschränkte, sie bei Lichte besehen unter staatliche Kontrolle stellte und Verbindungen zu protestantischen Kreisen intensivierte, um Russland so nach Westen hin zu öffnen. Zwar setzte der Zar westlichen Missionsprojekten deutliche Grenzen, den Nutzen der Bildungsimpulse jedoch, die namentlich von den evangelischen Kirchen ausgingen, wusste er gleichwohl zu schätzen. Huyssens eigene Positionierung in diesem Zusammenhang erweist sich als ambivalent: Trotz enger Kontakte zu den Pietisten in Halle und zu den Reformierten in Berlin, die er als gelehrte Austauschpartner und Multiplikatoren seiner publizistischen Anliegen schätzte, hielt er sich mit klaren Stellungnahmen oder Bekenntnissen eher zurück. Die Ausbreitung des Pietismus auf russischem Boden war ganz offensichtlich kein Anliegen Huyssens, den eher die möglichen politisch-gesellschaftlichen Wechselwirkungen eines solchen Austausches

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Schlussbetrachtung

und Wissenstransfers im religiösen Umfeld interessierten. Besonders Huyssens Verbindungen innerhalb der europäischen Gelehrtenrepublik zeigen vielmehr eine konfessionsübergreifende Toleranz und das Bemühen, Religion und Vernunft in Einklang zu bringen. So unterschiedlich die Tätigkeiten auswärtiger Amtsträger in russischen Diensten im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert auch gewesen sein mögen – ihre Lebenswege ähnelten sich oftmals frappierend. Geradezu typisch war die starke Abhängigkeit ihrer Karrierewege von den jeweils herrschenden politisch-sozialen Umständen, die zu keinem Zeitpunkt das Gefühl von Sicherheit aufkommen ließen. Dies zeigt auch der Werdegang von Heinrich Johann Friedrich Graf Ostermann, dem vielleicht prominentesten russischen Diplomaten und Staatsmann deutscher Herkunft im 18. Jahrhundert. Trotz größter Verdienste für den russischen Staat wurde er 1741 verhaftet und zur Hinrichtung durch das Rad verurteilt; erst unmittelbar vor der Hinrichtung wurde das Urteil in lebenslängliche Verbannung nach Sibirien umgewandelt, wo Ostermann 1747 starb. Auch Heinrich von Huyssen musste erkennen, dass es zuallererst der Wille des Monarchen war, der den Beginn einer glanzvollen Karriere bestimmte, der aber auch deren Ende erklärte. Mit dem Tod Peters I. Anfang des Jahres 1725 sank auch Huyssens Stern, denn die Nachfolger des großen Zaren hatten ganz offensichtlich keine Verwendung mehr für den verdienten Diplomaten und loyalen Amtsträger.

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Zusammenfassung in russischer Sprache Заключение Генрих фон Гюйссен (1666–1739), публицист и дипломат на русской службе, был выдающимся посредником между немецкоязычным миром и Россией в эпоху раннего европейского Просвещения. Хотя имя этой интересной личности, действовавшей преимущественно на заднем плане, часто встречается в разных контекстах в исторической литературе, предметом исследования которой являются международные отношения того времени, а некоторые его произведения привлекали внимание исследователей, до настоящего времени не была написана его общая, опирающаяся на источники биография. Подобная обобщающая оценка его деятельности и была целью настоящего исследования, основывающегося на выявлении и обработке многочисленных, в архивах нескольких государств хранящихся документов, а также на изучении печатных источников. Центральным являлся вопрос о том, какая роль при возникновении и развитии немецко-русских связей и переносе идей и знаний из одной культуры в другую принадлежала Гюйссену. Он был типичным представителем новой, созданной Петром I функциональной элиты, которая поддерживала политику царя и помогала при ее осуществлении. Выходец из уважаемой семьи города Эссена, Гюйссен был избран Петром I для выполнения важной задачи: пропаганде его политики. Помимо того, что царь знал о существовании на Западе определенного образа России, сформировавшегося задолго до начала Великой Северной войны, он еще распознал в распространении негативных слухов опасность для успешного завершения проводимых им преобразований. Его стремление целенаправленно распространять выгодную для него информацию о России и любым способом влиять на общественное мнение диктовалось конкретной политической целью: изменить культурное и общественное восприятие России в Европе и привести к занятию ею прочного положения великой европейской державы. Генрих фон Гюйссен был одним из самых важных и влиятельных должностных лиц и публицистов, поддерживающих Петра I на пути к воплощению его намерений. Как его военный советник он приложил все усилия для того, чтобы представить борьбу, ведомую Россией в первые десятилетия 18 века за достижение ведущей роли на Балтике, как справедливую войну государя. С помощью своих сообщений, опубликованных в разных, в то время доступных средствах распространения информации и характеризующихся различными стилистическими особенностями, Гюйссен обращался как к образованным и придворным, так и к более широким кругам немецкого населения. На примере его полемики с Мартином Нейгебауэром наглядно видно, какие аргументы Гюйссен приводил и как использовал свое красноречие для силы убеждения. При этом непросто различить на первый взгляд нейтральную передачу информацию от целенаправленной пропаганды:

224

Заключение

ведь публицистическая деятельность Гюйссена выходила за рамки пропагандистских сочинений и памфлетов; он развернуто изображал сотрудничество русских и иностранных должностных лиц на службе Петра I и, опираясь на источники, по достоинству оценивал преобразования почитаемого им государя. Гюйссен отличался от многих других чужеземных сотрудников Петра I, часто являющихся не одной гомогенной группой, а личностями с различными целями и интересами, своей преданностью царю. Ему Гюйссен служил из внутреннего убеждения, несмотря на то, что имел разносторонние контакты и связи с представителями других политических направлений и религиозных лагерей. Будучи доверенным лицом Петра I в Вене в 1705–1708 гг. и отбирая и отсылая информацию в русский лагерь, он косвенно оказывал влияние на военные планы царя; в Европе об успехах России узнавали из сообщений Гюйссена либо тех, кого он побуждал к их написанию. Кроме того, он использовал другие, доступные ему формы и носители коммуникации. Так, из Вены он слал разным политическим деятелям многочисленные письма, позитивно изображающие роль России в Северной войне. Не удивительно, однако, что такая многосторонняя и претенциозная деятельность, которая включала в себя также наем иностранных офицеров и должностных лиц на службу Петра I, не всегда приводила к желаемому результату. Из-за этого позиция Гюйссена на его посту не отличалась особой прочностью. Также в культурном плане Гюйссен проявил себя важным доверенным лицом царя. Помимо того, что он исполнял приказы и поручения, он также действовал самостоятельно, как частное лицо. Дворянин, знакомый с духовной и культурной жизнью Священной Римской империи германской нации, Гюйссен проявил инициативу в организации встречи Петра I с немецким философом Готфридом Вильгельмом Лейбницем и тем самым способствовал возникновению диалога двух личностей, до настоящего времени олицетворяющих целую эпоху в истории руссконемецких отношений времени раннего Просвещения. Еще Гюйссен поощрял развитие связей между новыми, недавно учрежденными академиями наук, а также установлениe важных контактов, например, между авторами, книготорговцами и редакторами газет и журналов. Он занял важную позицию посредника, способствуя обмену книгами, рукописными сочинениями, монетами и другими редкими ценными вещами, а также духовными ценностями – знаниями, опытом, идеями и проектами между Россией и западноевропейским миром. Гюйссен „подпитывал“ всеобщий интерес к науке, невзирая на религиозные, языковые или этнические различия его от некоторых своих корреспондентов. Он помог многим добиться успеха, но сам оставался чаще всего в тени – в том числе по той причине, что научные старания его самого не добились признания за рамками узкого круга ученых. И в церковно-религиозной сфере Гюйссен проявил себя как верный последователь Петра I. Царь, ограничивший власть Русской православной церкви и практически поставивший ее под контроль государства, активизировал связи с протестантами, чтобы таким образом еще больше сблизиться с Западом. Хотя он определил западным миссионерам четкие границы их деятельности, тем не менее, государь ценил импульсы в сфере образования, исходящие именно от евангелических церквей. Позиция Гюйссена в этом вопросе является двоякой: несмотря на тесные связи с пиетистами в Галле и представителями реформатской церкви в Берлине, которых он уважал как образованных собеседников, Гюйссен воздерживался от

Заключение

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открытого принятия позиции и высказывания своего мнения в этой области. Его, чьей непосредственной задачей не было распространение пиетизма в России, интересовал скорее результат подобного взаимодействия в политико-общественной сфере. Особенно интеллектуальные контакты Гюйссена в рамках „Respublica Respublica literaria“ свидетельствуют о его терпимости и стремлении согласовать веру и разум. Как бы сферы деятельности иностранных должностных лиц на русской службе в конце 17 и начале 18 века ни отличались друг от друга – вместе с тем их жизненные пути часто были поразительно похожи. Типичной была их сильная зависимость от сложившихся политико-социальных обстоятельств, которые никогда не позволяли чувствовать себя в безопасности. Об этом наглядно свидетельствует профессиональный путь Генриха Иоганна Фридриха графа Остермана, пожалуй, самого авторитетного русского дипломата и государственного деятеля немецкого происхождения 18 века. Несмотря на его выдающиеся заслуги перед русским государством, в 1741 г. его по приказу только что восшедшей на престол Елизаветы Петровны арестовали и приговорили к смертной казни через колесование; непосредственно перед приведением приговора в исполнение он был заменен пожизненной ссылкой в Сибирь, где Остерман умер в 1747 г. Вот и Генрих фон Гюйссен познал после смерти Петра I в 1725 г., что в первую очередь воля монарха являлась отправной точкой не только для блистательного карьерного взлета, но и для стремительного падения: последователи государя не нашли применения ему, заслуженному дипломату и верному сановнику.

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Quellen- und Literaturverzeichnis I. Archivalische Quellen 1. Deutschland Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) Preußische Akademie der Wissenschaften (1700–1811) – I-IV-6, Protocollum Concilii Societatis Scientiarum – I-IV-7, Protocollum Concilii Societatis Scientiarum – I-IV-8, Protocollum Concilii Regiae Societatis Scientiarum – I-IV-36, Protocolle der physical-medicinischen Classe – I-IV-38, Protocolle der deutschen Sprach- und Geschichtforschungs-Classe – I-IV-39, Protocolle der literarisch-orientalischen Classe – I-V-2, Wissenschaftliche Verhandlungen und Aufsätze 1708–1726 – I-V-3, Wissenschaftliche Verhandlungen 1704–1734 – I-V-5, Wissenschaftliche Verhandlungen und Aufsätze 1710–1740 – I-V-5a, Litterarischer Briefwechsel oder Schreiben verschiedener Gelehrten an die Akademie der Wissenschaften aus den Jahren 1700–1750 Archiv der Franckeschen Stiftungen Halle a. d. Saale Hauptarchiv AFSt/H K 91c b Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek Lbr. 438 Niedersächsisches Landesarchiv – Staatsarchiv Wolfenbüttel 1 Alt 24 Töchter der mittleren und neueren Linie und die Gemahlinnen der nicht regierenden Herzöge Privates Archiv Peter Petschauer Huissiana I Huissiana III Huissiana IV Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden Petersen, Simon [Pseud. v. Heinrich von Huyssen]: Hoch- und Viel-geneigter Leser. Handschrift. Altona 1705: Hist. Russ. 14, misc. 1. Petersen, Simon [Pseud. v. Martin Neugebauer]: Der Ehrliche Simon Petersen Wider Den Schelmischen. Handschrift. Altona 1705: Hist. Russ. 14, misc. 2. Sächsisches Staatsarchiv – Hauptstaatsarchiv Dresden 10026 Geheimes Kabinett – Loc. 662/1 – Loc. 662/8

Archivalische Quellen

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Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz Handschriftenabteilung Nachlass August Hermann Francke, 1720–1721 – K. 28/28:2 – 8/3:21 – 8/3:22 – 8/3:23 – 8/3:28 Stadtarchiv Korbach Archiv Huyssen Huyssen II – Lehen 10–19 – Rechnungen 10–18

2. Österreich Österreichisches Staatsarchiv, Wien Allgemeines Verwaltungsarchiv Adel, Reichsadelsakten

3. Russland St.-Peterburgskij Filial Archiva Rossijskoj Akademii Nauk (RAN) (St. Petersburger Filiale des der Russischen Akademie der Wissenschaften) Fond 119 „Gjujssen Genrich“ („Huyssen Heinrich“) opis’ 1 edinica chranenija 1 edinica chranenija 2 edinica chranenija 3 edinica chranenija 4 edinica chranenija 5 edinica chranenija 12

II. Gedruckte Quellen Benrath, Gustav Adolf u. a. (Hg.): Quellenbuch zur Geschichte der Evangelischen Kirche in Schlesien. München 1992 (Schriften des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte 1). Brather, Hans-Stephan (Hg.): Leibniz und seine Akademie. Ausgewählte Quellen zur Geschichte der Berliner Sozietät der Wissenschaften 1697–1716. Berlin 1993. Byčkov, I[van] A[fanas’evič] u. a. (Hg.): Pis’ma i bumagi Imperatora Petra Velikago. Bd. 1–13. Moskva/S.–Peterburg 1887–2003. Čistjakov, O[leg] I[vanovič] u. a. (Hg.): Rossijskoe zakonodatel’stvo X–XX vekov, Bd. 1–9. Moskva 1984–1994. Consett, Tho[mas] (Hg.): The Present State and Regulations of the Church of Russia, Bd. 1–2. London 1729. In: Cracraft, James (Hg.): For God and Peter the Great. The Works of Thomas Consett, 1723–1729. New York 1982 (East European monographs 96).

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Die Nestorchronik: die altrussische Chronik, zugeschrieben dem Mönch des Kiever Höhlenklosters Nestor, in der Redaktion des Abtes Sil’vestr aus dem Jahre 1116, rekonstruiert nach den Handschriften Lavrent’evskaja, Radzivilovskaja, Akademičeskaja, Troickaja, Ipat’evskaja und Chlebnikovskaja. Deutsche Übersetzung v. Ludolf Müller. München 2001 (Handbuch zur Nestorchronik 4; Forum Slavicum 56). Fischer, L[eopold] H[ermann] (Hg.): Joh. Leonh. Frisch’s Briefwechsel mit G. W. Leibniz. Ein Beitrag zur Geschichte des geistigen Lebens in Berlin am Anfang des 18. Jahrhunderts. Berlin 1896 (Archiv der „Brandenburgia“ 2). Harnack, Adolf (Hg.): Berichte des Secretärs der Brandenburgischen Societät der Wissenschaften J. Th. Jablonski an den Präsidenten G. W. Leibniz [...]. Berlin 1897. Herrmann, Ernst (Hg.): Russland unter Peter dem Grossen. Nach den handschriftlichen Berichten Johann Gotthilf Vockerodt’s und Otto Pleyer’s. Leipzig 1872 (Zeitgenössische Berichte zur Geschichte Russlands [1]). Hundt, Michael (Hg.): Beschreibung der dreijährigen chinesischen Reise. Die russische Gesandtschaft von Moskau nach Peking 1692 bis 1695 in den Darstellungen von Eberhard Isbrand Ides und Adam Brand. Stuttgart 1999 (Quellen und Studien zur Geschichte des östlichen Europa 53). Kniga stepennaja carskogo rodoslovija, Tl. 1–2. S-Peterburg 1908 [ND 1970]. Lomonosov, M[ichail] V[asil’evič]: Trudy po russkoj istorii, obščestvenno-ėkonomičeskim voprosam i geografii 1747–1765 gg. Moskva/Leningrad 1952 (Polnoe sobranie sočinenij 6). Pospelov, P[etr] N[ikolaevič]/Scheel, H[einrich] (Hg.): Russko-germanskie naučnye svjazi meždu Akademiej nauk SSSR i Akademiej nauk GDR 1700–1974. Sbornik dokumentov. Moskva 1975. Preobraženskij, A[leksandr] A[leksandrovič]/Novickaja, T[at’jana] E[vgen’evna] (Hg.): Zakonodatel’stvo Petra I. Moskva 1997. Semevskij, Michail Ivanovič/Smol’janinov, Vladimir Nikolaevič (Hg.): Archiv knjazja F. A. Kurakina, Bd. 1–10. Sanktpeterburg 1890–1902. Sofronenko, K[senija] A[leksandrovna] (Hg.): Zakonodatel’nye akty Petra Pervago: pervaja četvert’ XVIII v. Moskva 1961 (Pamjatniki russkogo prava 8). [Speranskij, Michail Michajlovič u. a.] (Hg.): Polnoe sobranie zakonov Rossijskoj imperii, Serie 1, Bd. 1–45. Sanktpeterburg 1830. Winter, Eduard (Hg.): Die Brüder Daniel Ernst und Johann Theodor Jablonský und Russland. In: Archiv pro bádání o životě a díle Jana Amose Komenského 23 (1965) 122–175.

III. Literatur und Periodika bis 1800 1. Von Huyssen verfasste und herausgegebene Werke Gizen, Baron [Heinrich von Huyssen]: Žurnal gosudarja Petra I s 1709 po 1710. Hg. v. Feodor [Osipovič] Tumanskij. Vo grade Svjatago Petra 1788 (Sobranie raznych zapisok i sočinenij, služaščich k dostavleniju polnago svedenija o žizni i dejanijach gosudarja imperatora Petra Velikago 8). Gizen, Baron [Heinrich von Huyssen]: Žurnal Gosudarja Petra I s 1695 po 1709. Hg. v. Feodor [Osipovič] Tumanskij. Vo grade Svjatago Petra 1787 (Sobranie raznych zapisok i sočinenij, služaščich k dostavleniju polnago svedenija o žizni i dejanijach gosudarja imperatora Petra Velikago 3). Gjujssen, baron: [Programma rabot po sostavleniju russkoj istorii, undatiert]. In: Fedorov, V[enedikt] S[avvič] (Hg.): 200-letie Kabineta Ego Imperatorskago Veličestva. 1704–1904. S-Peterburg 1911, 165–167. Huyssen, Enrico di (Hg.): Memorie del General Principe di Montecuccoli che rinfermano una esatta Instruzzione de i Generali ed Ufficiali di Guerra, Bd. 1–2. Colonia 1704. Huyssen, H[einrich] de/Menckenius, Jo[hannes] Burchard (Hg.): Sigismundi Augusti, Poloniarum Regis, Epistolae, Legationes et Responsa. Nec non Stephani Batorii, Reg. Pol. Epistolarum Decas et

Literatur und Periodika bis 1800

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Oratio ad Ordines Poloniae. E Museo H. de Huyssen. Accesserunt Opuscula duo alia, ad Electionem Regis Sigismundi III spectantia. Omnia recensuit Jo. Burchard Menckenius. Lipsiae 1703. [Huyssen, Heinrich von]: Zaslugi i podvigi ego vysokoknjažeskoj svetlosti, knjazja Aleksandra Daniloviča Menšikova, s osnovannym na podlinnych dokumentach opisaniem vsego dostoprimečatel’nago, čto, po Vsemilostivejšemu poveleniju Ego Imperatorskago Veličestva Petra Velikago i Vsepresvetlejšej Imperatricy Ekateriny, bylo soveršeno, pod upravleniem i načaljstvom ego svetlosti, pri dvore i v armii, ravno kak i vo vsem Rossijskom gosudarstve. In: Syn otečestva. Žurnal istorii, politiki, slovesnosti, nauk i chudožestv 1848/1, 1–32; 1848/2, 1–54; 1848/3, 1–26; 1848/4, 1–28; 1848/5, 1–56; 1848/6, 1–36. [Huyssen, Heinrich von]: Epithalamium in Nuptias Auspicatissimas Regiae Suae Celsitudinis Serenissimi Principis ac Domini Caroli Friderici, Haeredis Norvegiae, Supremi Ducis Slesvici, Ducis Holsatiae, Comitis in Oldenburg & Delmenhorst, &c. &c. cum Serenissima atque Celsissima Principe Anna Petride, Augustissimae, Serenissimae atque Potentissimae Russorum Imperatricis Catharinae Filia Principe natu maxima, Petropoli, Die, Constantino M. & S. Helenae Sacro, XXI. Maji. anno MDCCXXV celebratas. Revaliae 1725. [Huyssen, Heinrich von]: Allerunterthänigstes unmassgebliches Project Eines dem Lande sehr nützlichen Fiscal-Collegii, zu hohen Interesse S-r Gross Czarischen Majestät unsers Allergd-sten Herrn und zum Aufnehmen dero Reichen und Landen Auss anderer Potentaten Gesetzten, Costumen und Verordnungen gerichtet, und auf Befehl entworffen, St. Petersburg, 6. Oktober 1713. In: Polievktov, M[ichail] [Aleksandrovič]: Proekt Bar[ona] Gjujsena ob učreždenii v Rossii fiskal-kollegii (1713). Moskva 1914, 21–46. [Huyssen, Heinrich von]: Instruction des Informatoris beym Czaarischen Printzen, Schlüsselburg, 3. April 1703. In: L[ohenstein], J[ohann] H[einrich] v[on]: Des Grossen Herrens/ Czaars und GroßFürstens von Moscau/ Petri Alexiewiz, Des gantzen grossen/ kleinen und weissen Reußlandes Selbsthalters/ etc. etc. etc. Leben und Thaten aus besonderen Nachrichten beschrieben/ Mit schönen Kupfern gezieret, Tl. 1–2. Franckfurt/Leipzig 1710, hier Tl. 1, 56–73. [Huyssen, Heinrich von]: Moscowitisches Kriegs-Reglement, Darinnen Von der Gottesfurcht, Bestraffung der Laster, als Todtschlag, Unzucht, Dieberey, Meineyd, Untreue und dergleichen, wie auch vom Commando, Wachsamkeit, Tapfferkeit, Verhalten im Quartier und Lagern, Regiments-KriegsGerichte, Stand-Recht, General Kriegs-Gericht und absonderlichen Pflichten, nach Unterscheid derer Chargen, bey der Moscowitischen Armee, ausführliche Nachricht zu finden. O. O. 1706. In: ders.: Ausführliche Beantwortung Des freventlichen und lügenhafften Pasquils, welches unter dem Titul: Vertrautes Schreiben eines vornehmen Deutschen Officiers an eines gewissen hohen Potentatens Geheimen Rath von den jetzigen Conjuncturen in Moscow, etc. vor einiger Zeit ans Licht gekommen; Darinnen Von dem Tractament so wohl der Fremden insgemein, als insonderheit der gefangenen Schweden in Moscow, wie auch von dem Moscowitischen Hof- und Kriegs-Staat warhaffte Nachricht gegeben, und alles mit curiösen Anmerckungen aus der Historie, Politique und Re litteraria erläutert wird. Narva 1705 [ND 1706], Anhang 2–16. [Huyssen, Heinrich von]: Ausführliche Beantwortung Des freventlichen und lügenhafften Pasquils, welches unter dem Titul: Vertrautes Schreiben eines vornehmen Deutschen Officiers an eines gewissen hohen Potentatens Geheimen Rath von den jetzigen Conjuncturen in Moscow, etc. vor einiger Zeit ans Licht gekommen; Darinnen Von dem Tractament so wohl der Fremden insgemein, als insonderheit der gefangenen Schweden in Moscow, wie auch von dem Moscowitischen Hof- und Kriegs-Staat warhaffte Nachricht gegeben, und alles mit curiösen Anmerckungen aus der Historie, Politique und Re litteraria erläutert wird. Narva 1705 [ND 1706]. Huyßen, [Heinrich von]: Memorial des Baron Huyßen, an den Fürsten Menschikow gerichtet, 1704. In: St. Petersburgisches Journal 5 (1778) 417–428. [Huyssen, Heinrich von]: Curieuse und vollständige Reiß-Beschreibung Von gantz Italien/ Worinnen der gegenwärtige Zustand nicht allein des Päbstlichen Hofs/ sondern auch anderer Höfen/ Republiquen und Städten in Italien beschrieben [...] wird, Tl. 1–3. Freyburg [Leipzig] 1701. [Huyssen, Heinrich von] (Hg.): Histoire des Conclaves depuis Clement V. jusqu’à present, Augmentée,

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Depuis la premiere édition, de plusieurs memoires concernans le Pape & les Cardinaux d’aujourdhui, & les principales familles de Rom; où l’on apprend quantité de particularitez de cette cour, Bd. 1–2 [Traduit de l’Italien par Claude Vanel]. Lyon ²1691 [¹1667; ND Cologne 1694]. Originaltitel: [Leti, Gregorio]: Conclaui de’ pontefici Romani. Quali si sono potuti trouare fin à questo giorno. O. O. [1667]. Dritte Auflage: [Freschot, Casimir] (Hg.): Histoire des Conclaves Depuis Clement V. jusqu’à présent. Enrichie De plusieurs Memoires, qui contiennent l’Histoire du Pape & des Cardinaux d’aujourd’hui, & celle des principales Familles de Rome; où l’on apprend quantité de Particularitez de cette Cour, Bd. 1–2. Cologne ³1703 [¹1667]. Deutsche verkürzte Übersetzung: [Schumann, Gottlieb]: Beschreibung des Römischen Conclave und aller Umstände welche bey dem Tode eines Pabstes bis nach der geschehenen neuen Wahl vorfallen. [Leipzig] 1740. Huyssen, Heinrico L. B. ab/Krause, Johann Gottlieb (Hg.): Joannis Dlugossi seu Longini Canonici quondam Cracoviensis Historiae Polonicae Libri XII. [Tomus secundus: liber XIII et ultimus] quorum sex Posteriores nondum Editi, nunc simul cum Prioribus ex Mscripto Rarissimo in Lucem Prodeunt ex Bibliotheca et cum Praefatione Henrici L. B. ab Huyssen, Russorum Caesari a Consilis Intimis, Bellicis et Ivstitiae &c., Bd. 1–2. Lipsiae 1711–1712. Huyssen, Henrico L. B. de: Justitium Sive Luctus publicus in Funere Serenissimi Augustissimi ac Potentissimi Petri Magni [1725]. In: Rabener, Justus Gottfried: Leben Petri des Ersten und Grossen, Czaars von Russland. Leipzig 1725, 788–794. Englische Übersetzung von Thomas Consett: [Huyssen, Heinrich von]: The Publick Mourning [of] Peter, Emperor of Russia. In: Consett, Tho[mas] (Hg.): The present state and regulations of the Church of Russia, Bd. 1–2. London 1729 [ND New York 1982], hier Bd. 2, 418–430. Huyßen, Henricus: Disputatio inauguralis juridica de Justitio vom Stillstand des Gerichts. Argentorati 1689. Huyssen, Henricus L. B. de: Epitaphium Comitibus Gordoniis, Patri & Filio, in Ecclesia Catholicorum, quae in Suburbio Germanorum prope Moscoam est, sepultis scriptum. In: Nova Litteraria [...] in supplementum Actorum Eruditorum divulgata observationibusque varii argumenti distincta 7 (1722) 97–101. Huyszenius, Henricus/Reinhardo, Mich[ael] Henr[ich]: Corn. Taciti Gynaikeion Parallelon Feminis Illustribus Galliae/ Praeside [...] M. Mich. Henr. Reinhardo [...] Publica Disputatione ad d. XXI. Martii [...] ventilandum exhibet, simulque Hilperhusanas Musas valere iubet Henricus Huyszenius, Essendiensis. Hildburghausen 1708.

2. Andere Darstellungen und Werke Acta Eruditorum. Lipsiae 1703–1710. An dem Beglückten und erfreulichen Clermond- und Huyßischen Vermählungs-Feste So im Monat August 1724. allhier in Essen celebriret wurde/ Solten Aus schuldigster Hochachtung gegen das vornehme Huyßische Hauß/ denen beyden Neu-Verlobten glückwünschend aufwarten folgende Studiosi am hiesigen Essendischen Gymnasio: Georgius Wilhelmus Brüning. Essend. Johannes Albertus Philippus von den Hoven. Essend. Johannes Richardus Hoevel. Hagena Marcanus. Christophorus Seher. Werdensis. Duisburg [1724]. [Anonym]: Uvedomlenie ego presvetlosti gosudarja careviča o učenii, naukach i kakoj ešče dalee budet, 21. April [1705]. In: Marčenko, M. K.: Kak i čemu učilsja carevič Aleksej Petrovič. In: Russkaja starina 105 (1901) 517–520. Arndt, Johannes: Vier Bücher Von wahrem Christenthumb/ Heilsamer Busse/ Hertzlicher Rewe und Leid uber die Sünde und wahrem Glauben: auch heiligem Leben und Wandel der rechten wahren Christen, Bd. 1–4. Magdeburg 1610 [ND 2007]. Russische Übersetzung: Arnd, Ioann: Čtiri knigi o istinnom christijanstve Soderžaščii v sebe učenie o spasitelnom pokajanii, serdečnom žalenii i boleznovanii radi grechov; o istinnoi vere, o svjatom žitii i prebyvanii istinnich neložnich christijan: takožde o sem, kako istinnyi christijanin imat pobediti grech, smert’, dijabola mir i vsjakoe

Literatur und Periodika bis 1800

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bedstvie, veroju, molitvoju, terpeniem, božiim slovom i nebesnim utešeniem, vseže sie v Christe Iisuse [übersetzt v. Simon Todorskij]. Gale 1735. Besser, Johann von: Sr. Churfürstl. Durchl. zu Brandenburg Fridrich des Dritten, hernacher Königs in Preussen [...] Erster Minister und Ober-Praesident Eberhard Freyherr von Danckelmann in einer kurtzen Beschreibung seines Lebens und zugleich der glückseligen Regierung seines gnädigsten Herrn [...]. O. O. 1691. B[irckenstein], A[nton] E[rnst] [Burckhard]: Ertz-Hertzogliche Handgriffe Deß Zirckels und Lineals; Oder: Außerwählter Anfang zu denen Mathematischen Wissenschafften. Augspurg 169[8]. Russische Übertragung: [Birckenstein, Anton Ernst Burckhard von]: Priemy cirkulja i lineiki ili isbranneišoe načalo Vo matematičeskich iskustvach, imže vozmožno legkim i novym sposobom vskore dostupiti zemlemerija, i inych is onago proischodjaščich iskustv. Moskva ³1709 [¹1708]. Borgsdorf, Erist Friderich von: Pobeždajuščaja krepost’ k sčastlivomu pozdravleniju slavnoi pobedy nad Azovym, i k sčastlivomu vezdu v Moskvu [übersetzt ins Russische]. Moskva ²1709 [¹1708]. Borgsdorf, Ėrist Friderich von: Poverennye voinskie pravila kako neprijatelskie kreposti siloju brati. Ego Carskomu Veličestvu k predbuduščei slave izobraženy [übersetzt ins Russische]. Moskva 1709. Borgsdorff, Ernst Friderich von: Die Befestigte Stütze Eines Fürstenthums/ Oder: Neu erfundene Defension wider das sonst Welt bezwingende Canoniren Bombardiren und Miniren. Nürnberg 1687. [Bouillet]: Traité de moyens de rendre les rivieres navigables. Amsterdam 1696. Russische Übersetzung: [Bouillet]: Kniga o sposobach, tvorjaščich vodochoždenie rek svobodnoe. Moskva 1708. Deutsche Übersetzung: [Bouillet]: Tractat Von den Mitteln Die Flüße Schiffbar zu machen, Mit unterschiedlichen Deßeins von Dämmen, Roll-Brücken, Schleussen, Deichen, Kästen, um unter Wasser zu bauen, und andern Machinen, deren man sich in Holland und anderswo bedienet, um denen Hindernißen, die der Schiffarth auf denen Flüßen hinderlich sind, abzuhelffen, wie auch die Canäle zu vertieffen und die Häfen zu reinigen, Allwo auch von denen Mitteln gedacht wird, die in Grund versenckte Schiffe wieder heraus zu ziehen, und die Güther daraus zu salviren. Übersetzt aus dem Französischen von Johann Rudolph Fäsch. Dreßden 1728. Buddeus, Ioann Franciscus: Epistola apologetica pro ecclesia Lutherana contra calumnias et obtrectationes Stephani Iavorskii Resanensis et Muromiensis metropolitae ad amicum Moscvae degentem scripta. Ienae 1729. Buddeus, Joan[nes] Franciscus: Ecclesia Romana cum Ruthenica irreconciliabilis seu scriptum aliquod Doctorum quorundam Sorbonicorum Augustissimo Russorum Imperatori ad utriusque ecclesiae Unionem ei suadendam. Ienae 1719. Deutsche Übertragung: Buddeus, Ioan[nes] Franciscus: Erörterung der Frage Ob eine Vereinigung Der Römisch-Catholischen und Rußischen Kirchen zu hoffen sey? Durch Veranlassung einer Schrifft/ welche Einige Lehrer der Sorbonne zu Paris Sr. Czaaris. Majestät Bey Dero hohen Gegenwart überreicht, und darin sie behaupten wollen/ Daß beyde Kirchen gar leicht könten vereiniget werden. Jena 1719. Buddeus, Johann Franz: Allgemeines Historisches Lexicon, in welchem das Leben und die Thaten derer Patriarchen/ Propheten/ Apostel/ Väter der ersten Kirchen/ Päbste/ Cardinäle/ Bischöffe/ Prälaten/ vornehmer Gottes-Gelahrten/ nebst denen Ketzern/ wie nicht weniger derer Käyser/ Könige/ Chur- und Fürsten/ grosser Helden und Ministern/ ingleichen derer berühmten Gelahrten/ Scribenten und Künstler/ ferner ausführliche Nachrichten von den ansehnlichsten Gräflichen/ Adelichen und andern Familien/ von Conciliis, Münchs- und Ritter-Orden/ Heydnischen Göttern/ etc. und endlich die Beschreibungen derer Käyserthümer/ Königreiche/ Fürstenthümer/ freyer Staaten/ Landschafften/ Inseln/ Städte/ Schlösser/ Klöster/ Gebürge/ Flüsse und so fort/ in Alphabetischer Ordnung mit bewehrten Zeugnissen vorgestellet werden. Leipzig 1709. Bülffinger, Georgius Bernhardus: [Rede anlässlich der Eröffnung der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg]. In: Sermones in primo solenni Academiae Scientiarum Imperialis conventu die XXVII. decembris anni MDCCXXV. Petropoli 1726, 2–62. Bülfinger, Georg Bernhard: Stephani Javorskii Metropolitae Resanensis et Muromiensis discursus de poena haereticorum, noviter ab ecclesia se avellentium, ex opere illius polemico, quod non ita pridem ruthenico sermone prodiit, in latinum idioma translatus, et notulis adauctus. Tubingae 1735.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Büsching, Anton Friedrich: Geschichte der evangelisch-lutherischen Gemeinen im Rußischen Reich, Bd. 1–2. Altona 1766–1767. Cantemir, Demetrius: The history of the growth and decay of the Othman Empire, Tl. 1–2 [übersetzt aus dem Lateinischen v. Nicholas Tindal]. London 1734–1735. Französische Ausgabe: Cantemir, Demetrius: Histoire de L’Empire Othoman, ou se voyent les causes de son aggrandissement et de sa decadence, Tl. 1–4 [übersetzt ins Französische v. M. de Joncquieres]. Paris 1743. Deutsche Ausgabe: Kantemir, Demetrie: Geschichte des Osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen [übersetzt v. Johann Lorenz Schmidt]. Hamburg 1745. Rumänische Ausgabe: Cantemiru, Demetriu: Istori’a Imperiului Ottomanu crescerea si scaderea lui, Tl. 1–2. Traducere Romana de Jos[efu] Hodosiu. Bucuresci 1876–1878 (Operele principelui Demetriu Cantemiru 3–4). Englische Ausgabe in Auszügen: Duţu, Alexandru/Cernovodeanu, Paul (Hg.): Dimitrie Cantemir. Historian of south east european and oriental civilizations. Extracts from „The History of the Ottoman Empire“ [aus der Londoner Ausgabe 1734–1735]. Bucharest 1973. Cantemir, Dimitrie: Kniga sistima ili sostojanie muchammedanskija religii [übersetzt aus dem Lateinischen v. Ivan Il’inskij]. Sanktpiterburch 1722 [ND 1987]. Rumänische Ausgabe: Cantemir, Dimitrie: Sistemul sau întocmirea religiei muhammedane [übersetzt v. Virgil Cândea]. Bucureşti 1977. Kantemir, Demetrio: Beschreibung der Moldau [1716]. In: Magazin für die neue Historie und Geographie 3 (1769) 537–574, 4 (1770) 1–120. Separate deutsche Ausgabe: Kantemir, Demetrius: Historisch-geographisch- und politische Beschreibung der Moldau. Übersetzt aus dem Lateinischen. Frankfurt/Leipzig 1771 [ND Bukarest 1973]. Russische Ausgabe: Kantemir, Dimitrij: Istoričeskoe, geografičeskoe i političeskoe opisanie Moldavii [übersetzt aus dem Deutschen v. Vasilij Alekseevič Levšin]. Moskva 1789. Rumänische Ausgabe: Kantimir, Dimitrie: Skisoarea Moldovei [...]. Neamt 1825. Lateinische Ausgabe: Demetri[us] Cantemir: Descriptio antiqui et hodierni status Moldaviae [1716]. Bucuresci 1872 (Operele principelui Demetriu Cantemiru 1). Moldauische Ausgabe: Kantemir, Dimitrie: Deskrierja Moldovej [übersetzt v. Petre Pandrja]. Kišineu 1957. Comenius, Joh[ann] Amos: Orbis sensualium pictus. Hoc est: Omnium fundamentalium in mundo rerum, & in vitâ actionum, Pictura & Nomenclatura. Die sichtbare Welt. Das ist: Aller vornehmsten Welt-Dinge/ und Lebens-Verrichtungen/ Vorbildung und Benamung. Noribergae ²1688 [¹1658]. Conringius, Hermannus: Historia electionis Alexandri VII. Papae. Helmestadii 1657. Conringius, Hermannus: De electione Urbani IIX et Innocentii X Pontificum Commentarii historici duo. Helmstadii 1651. Conset, Thoma[s]: Concio In qua plorata est mors semper lugenda Petri M. Beatae & immortalis memoriae, Totius Russiae Imperatoris, &c. &c. &c. 7mo die Februarii 1725. in templo Anglorum, Petropoli commorantium. Revaliae [1725]. Cornelio, Meyer: L’Arte Di restituire à Roma la tralasciata Navigatione del suo Tevere. Roma 1685. Curieuses Bücher-Cabinet Oder Nachricht Von Historischen/ Staats- und galanten Sachen. Cölln/ Franckfurt 1711–1722. Curieuses Schreiben/ Welches Ihro Czaarischen Maj. Als sich Selbige im verwichenen Jahre 1717. im Monat Junio, zu Paris befunden, Von einigen Doctoribus der Sorbonne, In Absicht, Höchst-gedachte Czaarische Majestät zur gewünschten Union der Rußischen mit der Römischen Kirche zu bereden, eingehändiget worden. O. O. 1719. Der Staat von Moscau. [Nürnberg 1704]. Die Europäische Fama, Welche den gegenwärtigen Zustand der vornehmsten Höfe entdecket. [Leipzig] 1702–1735. Die wahre und falsche Liebe, Als der Hoch-Edle und Hochachtbare Herr Esaias Clermont, Des HochEdlen und gestrengen Herrn/ Herrn Johann Adam Clermonts, Erb- und Gerichts-Herrn zu Neuenburg/ Gulpen und Mergraten/ Und der Hoch-Ehr- und Tugend-reichen Frauen/ Fr. Cathar. Barbaren von der Weiden, Ehlicher Herr Sohn, Mit der Hoch-Ehr- und Tugend-belobten Jungfer Margaretha Helena von Huyssen, Des Hoch-Edelgebohrnen/ Hochachtbaren und Hochgelahrten Herrn/ Herrn Arnold von Huyssen, Comitis Palatini Caesarei, Chur-Pfältzischen Hoffraths und ältisten Burgermeisters hieselbst/ Und der Hoch-Ehr- und Tugend-reichen Frauen/ Fr. Marien Julianen von Aus-

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sen, Ehlichen Jungfer Tochter, Allhier in Essen 1724. den 2. August. ehelich vermählet wurde/ Wolten/ zur Bezeugung ihrer schuldigsten Pflicht und innigen Beyfreude/ glückwünschend vorstellen M. Conrad Schmid/ Evangelisch-Luther. Prediger in Essen. M. Johann Heinrich Zopf/ Director Scholae hieselbst. Dortmund [1724]. Dlugossius, Joannes: Historia Polonica Joannis Dłvgossi sev Longini Canonici Cracovien., Bd. 1. Hg. v. Herbultius Dobromilski [Jan Szczęsny]. Dobromili 1615. Eigentliche Beschreibung Der an der Spitze der Ost-See neuerbaueten Rußischen Residentz-Stadt St. Petersburg, Worin Deren Situation, Anwachs und Auffkomen, Und wie so wohl die Stadt, als auch die Vestung, gegenwärtig beschaffen. Imgleichen Der neue See-Haven, das Castel Crohn-Schlott, Und die gegen über liegenden Neu-erbaueten Palatia, Nebst einigen besondern und curieusen Anmerckungen auffs genaueste vorgestellet. Hiebey à parte Ein specialer und accurater Grund-Riß, Woraus ein curieuser Liebhaber die rechte Idée dieses neuen und importanten Orths sich eigentlich vorstellen kan etc. Franckfurt/Leipzig 1718. Eine Fortsetzung des Lebens Ihro Czaarischen Majestät in Rußland Petri Alexiewitz. In: Curieuses Bücher-Cabinet 57 (1720) 1–122. Freschot, Casimiro: Des Königreichs Dalmatien Historische und Geographische Vorstellung/ Enthaltend Die Thaten aller Könige/ So über Croatien und Dalmatien iemahls geherrschet haben/ Wie auch Eine Beschreibung der Morlachey/ der Republic Ragusa/ der vornehmsten Dalmatischen Städte/ Schlösser/ Insulen/ Flüsse/ und desjenigen/ was in diesem Reiche von Anfang desselben biß aufs Jahr C. 1688. schrifftwürdiges ist vorgegangen. Woraus/ was Ihro Röm. Kays. Maj. und die Republic Venedig vor Recht und Ansprüche auff diesem Reiche haben/ klärlich zu ersehen. Einheitstitel: Memorie historiche e geografiche della Dalmatia. Ins Deutsche übersetzt von H. H. d. R. C. [Heinrich von Huyssen]. Leipzig 1688. Gabriel [Bužinskij, Gavriil]: Concio Die Anniversario Parentalium Pie Defuncti Augustissimi Principis Petri M. Patris Patriae Imperatoris & Autocratoris totius Russiae. Übersetzt aus dem Kirchen-slawischen von Tho[mas] Consett. Berolini 1726. Englische Übersetzung v. Thomas Consett: Gabriel [Bužinskij]: An Anniversary Sermon, On the death of the most August Prince, of Blessed Memory, Peter the Great. In: Consett, Tho[mas] (Hg.): The present state and regulations of the Church of Russia, Bd. 1–2. London 1729 [ND New York 1982], hier Bd. 2, 371–403. Generalnye signaly, nadziraemye vo flote ego carskago veličestva. Moskva 1708. Genius Stephani Javvorscii Quondam Metropolitae Rezanensis & Muroniensis Ex ejus Opere posthumo Theosophico Petra Fidei dicto, In Epistola Familiari develatus. O. O. [1730]. [Gizel’, Innokentij]: Sinopsis ili kratkoe opisanie ot različnych letopiscev, o načale slavenskago naroda, o pervych Kievskich Knjazech, i o žitii svjatago blagovernago i Velikago knjazja Vladimera. Sanktpeterburg 71774 [11674]. [Gravina, Giovanni Vincenzo] (Hg.): Acta consistorialia creationis Eminentissimorum ac Reverendissimorum S.R.E. Cardinalium, Institutae a Sanctissimo D. N. Clemente XI. P. M. Diebus 17 Maii & 7 Junii, Anno Sal. 1706; Accessit eorundem Cardinalium brevis delineatio. Coloniae 1707. Gravina, Janus Vincentius: Institutiones Canonicae. Nunc primum in lucem editae. Augustae Taurinorum 1742. Gravina, Janus Vincentius: Opuscula et Orationes varii argumenti, seu operum tomus III. In: ders.: Jcti, Opera, seu Originum Juris Civilis libri tres, quibus accedunt de Romano Imperio liber singularis, ejusque Orationes et Opuscula latina. Hg. v. Gottfridus Mascovius. Lipsiae 1737. Gravina, Janus Vincentius: Origines juris civilis, quibus Ortus & progressus Juris Civilis, Jus Naturale, Gentium & XII. Tabb. Legesque ac SCta explicantur; ad Clementem XI. Pont. Max. Hg. v. Burchardus Menckenius, Bd. 1–3. Lipsiae 1708. Gravina, J[anus] Vincentius: De ortu, et progressu juris civilis liber, Qui est Originum primus. Ad Clementem XI. Pont. Max. Neap[olis] 1701. Gröste Denkwürdigkeiten der Welt Oder so genannte Relationes Curiosae. Worinnen dargestellet/ und Nach dem Probier-Stein der Vernunfft examiniret werden/ die vornehmsten Physicalis. Mathematis. Historische und andere Merckwürdige Seltzamkeiten/ Welche an unserm sichtbahren Himmel/

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Quellen- und Literaturverzeichnis

in und unter der Erden/ und im Meer jemahlen zu finden oder zu sehen gewesen/ und sich begeben haben. Hamburg 1683. Gründlicher und Umbständlicher Bericht/ Welcher gestalt nunmehr Gott lob der so lange und hoch desiderirte Friede zwischen den Nordischen Cronen geschlossen und publiciret worden/ nebens den abgehandelten Friedens Puncten, wie solches aus Coppenhagen den 28. Maji Anno 1660. geschrieben und confirmiret worden. O. O. 1660. [Gundling, Jakob Paul von]: Bestand Des Rußischen Kayser-Titels, worbey der von Kayser Maximilian dem Ersten Anno 1514 den 4. Augusti zu Brundenach geschlossene Alliantz-Tractat gegen alle bißher gemachte nichtige Einwürffe vertheidigt wird. Riga 1724. H. G.: Exacte Relation von der Von Sr. Czaarschen Majestät Petro Alexiowitz, (cum tot. tit.) an dem grossen Newa Strohm und der Oost-See Neu erbauten Vestung und Stadt St. Petersburg, Wie auch von dem Castel Cron Schloß und derselben umliegenden Gegend, Ferner Relation von den Uhralten Rußischen Gebrauch der Wasser Weyh und Heiligung, Nebst einigen besondern Anmerckungen auffgezeichnet von H. G. Leipzig 1713. Hassen, Martin: Die Wahre Staats-Klugheit, In gewissen Staats-Grund-Sätzen, Nach einer vorangesetzten Eintheilung und Ordnung vollständig vorgetragen, und insonderheit mit dem ruhmwürdigsten Exempel Des Rußischen Kaysers, Peter des Grossen, Unter Anführung seiner weisesten Kriegs- und Friedens-Verfassungen, vortrefflichsten Thaten und denckwürdigsten Reden, Aus den im Druck vorhandenen Lebens-Beschreibungen und Geschichten durchgehends bestätiget. Leipzig 1739. Haven, Peter von: Nachrichten von dem Baron von Huyssen. In: Magazin für die neue Historie und Geographie 10 (1776) 317–326. Haven, Peter von: Reise in Rußland. Aus dem Dänischen ins Deutsche übersetzt, von H. A. R. Nebst einem Anhange, darinnen das Chinesische und itzo in Rußland gebräuchliche Rechen-Bret beschrieben und erkläret wird. Coppenhagen 1744. Russische Version: Gaven, Petr fon [Haven, Peter von]: Putešestvie v Rossiju [übersetzt aus dem Dänischen v. Valerij Evgen’evič Vozgrin]. SanktPeterburg 2007. H[empel], C[hristian] F[riedrich]: Merckwürdiges Leben/ und Trauriger Fall Des Weltberufenen, Russischen, Staats-Ministers, Andreä Grafen von Ostermann, Ehemahlichen Russisch-Kayserlichen Reichs-Vice-Canzlars, und bisherigen Gros-Admirals von Russland [...]. Bremen 21743 [11742]. Herberstain, Sigmund zu: Rerum Moscoviticarum Commentarii. [Wien] 11549 [Basel 21551]. Die älteste deutsche Ausgabe, übersetzt vom Autor: Herberstain, Sigmund zu: Moscouia der Hauptstat in Reissen [...]. Sambt des Moscouiter gepiet/ vnd seiner anrainer beschreibung vnd anzaigung/ in weu sy glaubens halb/ mit vns nit gleichhellig. Wie die Potschafften oder Gesanten durch sy emphangen vnd gehalten werden/ sambt zwayen vnderschidlichen Raisen in die Mosqua. Wienn 1557. Die neueren deutschen Übersetzungen: Herberstain, Sigmund von: Moskowia. Hg. v. Friedemann Berger. Weimar [1975]; Herberstain, Sigmund Freiherr zu: Moscovia. In Anlehung an die älteste deutsche Ausgabe aus dem Lateinischen übertragen von Wolfram von den Steinen. Hg. v. Hans Kauders. Erlangen 1926 (Der Weltkreis 1). Gerberštejn, Sigizmund [Herberstein, Sigismund]: Moskovija. Moskva 2007. Hertzog, Bernhart: Chronicon Alsatiae. Edelsasser Cronick unnd außfürliche beschreibung des untern Elsasses am Rheinstrom/ auch desselben fürnemer Stätt/ als Straßburg/ Schletstatt/ Hagenaw/ Weissenburg/ und anderer der enden gelegener Stätt/ Schlösser/ Clöster/ Stifft/ Märckt/ Flecken und Dörffer. Als auch der Landgraffschafft/ un[d] Bisthumbs Straßburg gehabter Landgraffen/ Bischoffen/ sampt ermeldten Lands Fürstenthumben/ Graff und Herrschafften/ Adenlicher und Burgerlicher Geschlechter/ jhrer Genealogien/ Stämmen/ geburts Linien/ Wappen vnd Cleinodien, Bd. 1–10. Straßburg 1592. Hirsching, Friedrich Carl Gottlob (Hg.): Historisch-literarisches Handbuch berühmter und denkwürdiger Personen, welche in dem 18. Jahrhunderte gestorben sind; oder kurzgefaßte biographische und historische Nachrichten von berühmten Kaisern, Königen, Fürsten, großen Feldherren Staatsmännern, Päbsten, Erz- und Bischöffen, Cardinälen, Gelehrten aller Wissenschaften, Malern, Bildhau-

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ern, Mechanikern, Künstlern und andern merkwürdigen Personen beyderley Geschlechts. Leipzig 1795/96 [ND 1972]. Historische Nachricht Von Dem ehemahligen grossen Russischen Staats-Ministro, Alexandro Danielowiz, Fürst von Menzikof, Nebst dessen Abwechslenden curieusen Fatalitäten. O. O. 1728. Historische Remarques Der Neuesten Sachen In Europa [...] Wie solche nicht allein mit allen Fleiß zusammen getragen/ sondern auch aus der Geographie, Genealogie, Historie [...] erläutert/ und dabey jederzeit/ die so wohl in Franckreich/ Engelland/ Italien/ Holland als Deutschland/ in Druck gekommene Bücher angeführet worden. Hamburg 1699–1705. Ides, E[vert] Ysbrants: Driejaarige reize naar China. Amsterdam 1704. [Jablonski, Daniel Ernst]: Das Betrübte Thorn, Oder die Geschichte so sich zu Thorn Von Dem II. Jul. 1724. biß auf gegenwärtige Zeit zugetragen, Aus zuverläßigen Nachrichten Unverfänglich zusammen getragen, und der Recht- und Wahrheit-liebenden Welt zur Beurtheilung mitgetheilet. Berlin 1725. Französische Ausgabe: Jablonski, [Daniel Ernst]: Thorn affligée ou relation de ce qui s’est passé dans cette Ville depuis le 16. Juillet 1724. jusqu’à present, tirée de Memoires certains, & composée sans préjugé pour l’instruction des personnes qui aiment la Justice & la Verité. Traduite de l’Allemand [...] Par [...] M. C[harles] L[ouis] de Beausobre. Amsterdam 1726. [Javorskij], Stefan, Mitropolit Rjazanskoj i Muromskoj: Kamen’ very Pravoslavnym cerkve Cvjatyja synom, Na utverždenie i duchovnoe sozidanie. Pretykajuščymsja že o kamen’ pretykanija i soblazna, Na vostanie i ispravlenie. Hg. v. Feofilakt Lopatinskij. Moskva 1728 [ND 1729]. Javorskius, Stephanus: Possessora sich knig plachevnoye kenigam tsealovaniye [in der russischen Transkription und in der lateinischen Übersetzung]. In: Consett, Tho[mas] (Hg.): The present state and regulations of the Church of Russia, Bd. 1–2. London 1729 [ND New York 1982], hier Bd. 2, 448–451. Korb, Joannes Georgius: Diarium Itineris In Moscoviam Perillustris ac Magnifici Domini Ignatii Christophori Nobilis Domini De Guarient, & Rall, Sacri Romani Imperii, & Regni Hungariae Equitis, Sacrae Caesareae Majestatis Consiliarii Aulico-Bellici Ab Augustißimo, & Invictißimo Romanorum Imperatore Leopoldo I. Ad Serenißimum, ac Potentißimum Tzarum, & Magnum Moscoviae Ducem Petrum Alexiowicium Anno MDCXCVIII. Viennae [um 1700]. Deutsche Version: Korb, Johann Georg: Tagebuch der Reise nach Russland. Hg. v. Gerhard Korb [übersetzt und mit Anmerkungen versehen v. Edmund Leingärtner]. Graz 1968. Leben des Moscowitischen Czaars. In: Curieuses Bücher-Cabinet 2 (1711) 209–274. Leben und Thaten Johannis Wilhelmi Frisonis Printzen von Nassau und Oranien, Erb-Stadthalters von West-Frießland. In: Curieuses Bücher u. Staats-Cabinet 30 (1715) 1728–1777. Leibniz, Gottfried Wilhelm: Der Briefwechsel mit den Jesuiten in China (1689–1714). Hg. v. Rita Widmaier [Textherstellung und Übersetzung v. Malte-Ludolf Babin. Französisch/lateinisch-deutsch]. Hamburg 2006. Lenfant, Jacques: Histoire de la guerre des Hussites et du Concile de Basle, Bd. 1–2. Amsterdam 1731– 1745. Deutsche Übersetzung: Lenfant, Jacob: Geschichte des Hussitenkriegs und des Konziliums zu Basel. Übersetzt v. Michael Christian Hirsch, Bd. 1–4. Preßburg/Wien 1783–1784. L[ohenstein], J[ohann] H[einrich] v[on]: Des Grossen Herrens/ Czaars und Groß-Fürstens von Moscau/ Petri Alexiewiz, Des gantzen grossen/ kleinen und weissen Reußlandes Selbsthalters/ etc. etc. etc. Leben und Thaten aus besonderen Nachrichten beschrieben/ Mit schönen Kupfern gezieret, Tl. 1–2. Franckfurt/Leipzig 1710. M. L.: Als das Klermondt-Hüssensche Hochzeit-Festin Den [unlesbar] Aug. im Jahr 1724. In Essen vergnügt celebriret wurde/ Wolte Mit erfreuter Feder darzu gratuliren M. L. Düsseldorff [1724]. Magazin für die neue Historie und Geographie, angelegt von D. Anton Friederich Büsching. Hamburg/ Halle 1767–1776. Manstein, Christoph Hermann von: Historische, politische und militärische Nachrichten von Rußland: von dem Jahre 1727 bis 1744, in welchem Zeitraume, außer vielen wichtigen Staatsbegebenheiten, auch die Kriege mit den Türken und Schweden vorkommen, welche hier ausführlich beschrieben worden sind/ Aus dem Französischen des Hern Generals von Manstein [...]. Leipzig 1771.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

[Marperger, Paul Jacob]: Moscowitischer Kauffmann Das ist: Ausführliche Beschreibung der Commercien, welche in Moscau/ und andern Seiner Czaarischen Majestät Bothmäßigkeit unterworffenen Reichen und Provincien, so wol von dessen Unterthanen unter sich selbst/ als mit Ausländischen Nationen getrieben werden [...]. Lübeck 1705. Messerschmidt, Daniel Gottlob: Forschungsreise durch Sibirien 1720–1727. Hg. v. Eduard Winter und N. A. Figurovskij, Tl. 1–5. Berlin 1962–1977. Narratio de Sorbonnae conatu cociliandi Ecclesiam Magnae Russiae cum Ecclesia Latina. [Paris 1717]. In: Unschuldige Nachrichten Von Alten und Neuen Theologischen Sachen (1718) 331–348. Nestesuranoi, Iwan [Jean Rousset de Missy]: Memoires du regne de Pierre le Grand, Empereur de Russie, Père de la Patrie [...], Bd. 1–4. La Haye/Amsterd[am] 1725–1726. Neu-eröffneter Historischer Bilder-Saal [...] Das ist: Kurtze/ deutliche und unpassionirte Beschreibung Der Historiae Universalis. Nürnberg 1710–1740. Französische Ausgabe: Le grand theatre historique, ou nouvelle histoire universelle tant sacree que profane, depuis la création du monde, jusqu’au commencement du XVIII siècle. Leide 1703. Neu-eröffneter Welt- und Staats-Spiegel/ Worinnen die in Europa/ wie auch denen andern Theilen der Welt/ vornehmlich aber in Teutschland vorfallende merckwürdigen Begebenheiten kürtzlich vorgestellet/ auch alles mit behörigen Documenten an Memorialien, Briefen, Relationen, und dergleichen erläutert, einige Anmerckungen beygefüget/ und verschiedenes aus der Geographie, Genealogie, Politica, und Historie erörtert wird. [Leipzig, fungierter Druckort Haag] 1709–1716. Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen [...] Oder Gesammlete Nachrichten von allem, Was [...] in der gelehrten Welt Ruhm- und Merckwürdiges vorgefallen. Leipzig 1717–1725. [Neugebauer, Martin]: Vertrautes Schreiben Eines Vornehmen Teutschen Officirs An eines gewissen Hohen Potentatens Geheimen Rath/ Von den Jetzigen Conjuncturen in Moscau, Sonderlich dem sehr harten Verfahren Sr. Czaaris. Maj. An denen frembden Teutschen Ministern und Officirern. O. O. 1705. [Neugebauer, Martin]: Schreiben/ Eines vornehmen Deutschen Officirers An Einen geheimen Rath eines hohen Potentaten/ Wegen der üblen Handthierung der frembden Officirer/ so die Moscowitter in ihre Dienste locken. O. O. 1704. [Neugebauer, Martin]: Kurtze Gegen-Antwort Auf Des Czaarischen Pasquillanten N. Huyssens LügenSchrifft/ So er in Wien/ Wider Das warhaffte Schreiben Von Dem übeln Tractament der Frembden in Moscau/ abgefasset. O. O. u. J. Nova Literaria Germaniae, Collecta Hamburgi. Hamburgi 1703–1706. Fortsetzung: Nova Literaria Germaniae aliorumque Europae regnorum, Collecta Hamburgi. Lipsiae/Francofurti 1707–1709. Nova Litteraria [...] in supplementum Actorum Eruditorum divulgata observationibusque varii argumenti distincta. Lipsiae 1722. Olearius, Adam Ascanius: Vermehrte Newe Beschreibung Der Muscowitischen vnd Persischen Reyse So durch gelegenheit einer Holsteinischen Gesandschafft an den Russischen Zaar vnd König in Persien geschehen. Worinnen die gelegenheit derer Orter vnd Länder/ durch welche die Reyse gangen/ als Liffland/ Rußland/ Tartarien/ Meden vnd Persien/ sampt dero Einwohner Natur/ Leben/ Sitten/ Hauß-Welt- und Geistlichen Stand mit fleiß auffgezeichnet/ vnd mit vielen meist nach dem Leben gestelleten Figuren gezieret/ zu befinden. Schleßwig 21656 [11647; Faksimile der Ausgabe Schleswig 1656: Leipzig 2010]. Ovidius, P[ublius] Naso: Ex P[ublii] Ovidii Nasonis Metamorphoseon libris XV. Electorum libri totidem, ultimo integro. Ad eosdem novi Commentarij, cum Sectionibus & Argumentis: Studio & opera Jacobi Pontani de Societate Jesu. Antverpiae 1618. Patkul, [Johann Reinhold]: Rede Des justificirten Patkuls, Welche er 3. Tage vor seinem Tode aufgesetzet; An den vorbeigehenden Wanders-Mann. O. O. [um 1710]. Perry, Johann: Der ietzige Staat von Rußland Oder Moscau unter ietziger Czarischen Majestät, in sich haltend Eine Beschreibung aller dererjenigen grossen und merckwürdigen Dinge, so Ihro Czarische Majestät, so wohl was Ihre Schiffs-Rüstungen, benebst der Einrichtung Ihrer Armée und KriegsStaat, als auch was die Aenderung derer Unterthanen und Verbesserung Dero Landen betrifft, ver-

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richtet; absonderlich aber dererjenigen Wercke, zu welchen der Autor selbsten gebraucht worden, samt denen Ursachen, warum er nach einem 14jährigen Auffenthalt in Rußland die Czarischen Dienste quittiret. Leipzig 1717 (Der ietzige Staat von Rußland Oder Moscau unter ietziger Czarischen Majestät 1). [Peter I. u. a.]: Kniga Marsova ili voinskich del ot voisk Carskago Veličestva rossiiskich. Vo vsjatii preslavnych fortifikacei, i na raznych mestach chrabrych batalii učinennych. Nad voiski Ego Korolevskago Veličestva svejskogo. Sanktpiterburch 1713. Petr I: Objavlenie rozysknogo dela i suda po ukazu ego carskogo Veličestva na careviča Alekseja Petroviča, v Sanktpiterburche otpravlennago, i po ukazu ego Veličestva v pečat’, dlja izvestija senarodnogo, sego ijunja v 25 den’, 1718, vydannoe. Sanktpeterburg 1718. Petr I u. a.: Žurnal ili Podennaja zapiska, blažennyja i večnodostojnyja pamjati gosudarja imperatora Petra Velikago s 1698 goda, daže do zaključenija Nejštatskago mira. Napečatan s obretajuščichsja v kabinetnoj archive spiskov, pravlennych sobstvennoju rukoju ego imperatorskago veličestva. Hg. v. Michajlo [Michajlovič] Ščerbatov, Tl. 1–2. Sankt Peterburg 1770–1772. Deutsche Übersetzung: Peter der Große u. a.: Tagebuch Peters des Großen vom Jahre 1698 bis zum Schlusse des Neustädter Friedens aus dem Russischen Originale übersetzet so nach denen im Archive befindlichen und von Seiner Kayserlichen Majestät eigenhändigen ergänzten Handschriften gedruckt worden. Hg. v. Michail [Michajlovič] Ščerbatov. Berlin/Leipzig 1773. Französische Übersetzung: Pierre le Grand u. a.: Journal de Pierre le Grand depuis l’année 1698 jusqu’a la conclusion de la paix de Neustadt. Traduit de l’original Russe imprime d’après les mss. corriges de la propre main de sa majeste imperiale qui sont aux archives. Hg. v. Michel Schtscherbatow. Berlin 1773. Petreius, Petrus: Regni Muschowitici Sciographia. Stockholm 1615. Erweiterte deutsche Fassung des Autors: Petreius, Petrus: Historien und Bericht Von dem Großfürstenthumb Muschkow [...] Wie auch Von der Reussischen Großfürsten Herkommen/ Regierung/ Macht. Lipsiae 1620. [Polikarpov, Fedor Polikarpovič] (Hg.): Leksikon trejazyčnyj. cireč’ Rečenij slavenski, ellinogrečeski i latinski sokrovišče Iz različnych drevnich i novych knig sobranoe I po slavenskomu alfavitu v čine razpoloženoe. Moskva 1704. Prokopovič, Feofan: Istorija imperatora Petra Velikago, Ot Roždenija Ego do Poltavskoj batalii, i vzjatija v plen ostalnych Švedskich vojsk pri Perevoločne, vključitel’no. Sanktpeterburg 1773. [Prokopovič], Theophan: Lacrymae Roxolanae, seu de obitu Petri Magni, totius Russiae Imperatoris, brevis narratio. Duaequae de laudibus ejusdem divi principis orationes. Hamburgi 1726. Deutsche Übertragung: [Prokopovič], Theophan: Rußlands Thränen, Oder Kurtze Nachricht vom Tode Petri des Grossen/ Kaysers über ganz Rußland, Samt Zweyen zu des Verstorbenen Kaysers Lobe gehaltenen Reden. O. O. 1726. Prokopowicz, Theofanes: Panegyricus de celeberrima et paene inaudita victoria, quam Petrus I. totius Rossiae Monocrator, &c. &c. de universis suecorum exercitibus deo juvante reportavit anno Domini MDCCIX. Junii die XXII. [Leipzig 1711]. Rabener, Justus Gottfried: Leben Petri des Ersten und Grossen, Czaars von Russland. Leipzig 1725. Reales Staats- und Zeitungs-Lexicon Worinnen sowohl Die Religionen und Orden, die Reiche und Staaten, Meere, Seen, Flüsse, Städte, Vestungen, Schlösser, Häfen, Berge, Vorgebürge, Pässe, Wälder und Unterschiede der Meilen [...] denen Gelehrten und Ungelehrten zu sonderbarem Nutzen klar und deutlich beschrieben werden. Leipzig 1704. Reutenfels, Iacobus: De Rebus Moschoviticis ad Serenissimum Magnum Hetruriae Ducem Cosmum Tertium. Patavii 1680. Russische Übersetzung v. Aleksej Stankevič: Skazanija Svetlejšemu Gerzogu Toskanskomu Koz’me Tret’emu o Moskovii. Moskva 1905. Ribera, Fr[anciscus] Bernardus: Responsum ant-apologeticum ecclesiae catholicae contra calumniosas blasphemias Joannis Francisci Buddei nomine evulgatas in orthodoxos latinos et graecos; quo, Petrae Fidei a Stephano Javorskio Resanensi metropolita, &c. Ad evertendum Lutheri Pantheon jactae, repetitur ictus. Viennae 1731. Š[afirov], P[etr] [Pavlovič]: Razsuždenie kakie zakonnye pričiny Ego Veličestvo Petr Velikij Imperator i Samoderžec Vserossiiskij, I protčaja, i protčaja, i protčaja; K načatiju vojny protiv Korolja Karola 12, Švedskogo 1700 godu imel. O. O. ³1722 [¹1717] [ND Moskva 2008].

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Personenregister Der Name Heinrich (Enrico, Genrich, Heinrico, Henricus) von Huyssen (Gizen, Gjujssen, Huyszenius, Levisson) (Pseud. Cornaro, Simon Petersen) wurde nicht in das Personenregister aufgenommen. Adrian, Patriarch von Moskau 2 Albani, Gian (Giovanni) Francesco 29 Alberti, Valentin 25, 67 Albertina, Fstn. von Waldeck (Culenburg) 29 Albon, Johann Max Baron d’ 88, 158 Aleksej I. Michajlovič, Zar von Russland 73, 167, 194 Aleksej Petrovič, Zarewitsch 3f., 9–11, 32–43, 46, 51, 56, 60–62, 64–66, 85–89, 91, 95, 98, 102, 111, 113f., 116, 119, 150, 167, 189, 192, 209 Alexander III., der Große, Kg. von Makedonien 86 Alexander VII., Papst 169 Alexander VIII., Papst 170, 174 Amburger, Erik 11, 15f., 25, 198, 201 Anna, Hl. 25 Anna, Kgn. von Großbritannien 162 Anna Ivanovna, Zarin von Russland 33, 61f., 93f., 119, 135, 196, 216–218 Anna Petrovna, Großfstn. von Russland, Gemahlin Hzg. Karl Friedrichs von Holstein-Gottorf 2, 185, 188f. Anton Egon, Fst. von Fürstenberg-Heiligenberg 54 Anton Ulrich, Hzg. von Braunschweig-Wolfenbüttel 41, 110, 112 Apollonius von Chalcedon 86, 88 Apraksin, Fedor Matveevič 61, 65 Areskin (Erskine), Robert Karlovič 79 Aristoteles 86, 88 Arndt, Johann(es) 42, 192, 195f. Äsop 45 Atticus, Herodes (Lucius Vibullius Hipparchus Tiberius Claudius Atticus Herodes) 86 August II., der Starke, Kg. von Polen, als Friedrich August I. Kfst. von Sachsen 4, 27–30, 40, 111, 143–145, 147f., 151, 153, 155, 157, 163, 168, 172, 177, 182 Augustus, röm. Ks. 88, 188 Aussem, Maria Juliane von 219

Bahlcke, Joachim 16 Basnage de Beauval, Henri 29 Bauer (Baur), Rudolph Felix (Rodion Christianovič) 60f. Beausobre, Charles Louis (Charles-Louis) de 125 Behrens, Konrad Barthold 186 Beichlingen, Wolf Dietrich Gf. von 30 Berkov, Pavel Naumovič 8, 134, 137 Bidloo, Nikolaus (Nicolaas, Nicolaus, Nikolaj) 59, 69 Bilfinger, Georg Bernhard 3, 78, 118, 124, 204 Birckenstein, Anton Ernst Burckhard von 71 Biron (eigentl. Bühren), Ernst Johann von, Hzg. von Kurland und Semgallen 216 Bohn, Hermann Jens von 156 Bonneval, Claude Alexandre de 101 Borgsdorf, Ernst Friedrich (Ėrist Friderich) Baron von 72 Bose, Carl Erdmann Gf. von 28 Bose, Karl Gottfried Gf. von 157f. Boulagagou (Ehepaar) 69 Bourgeois, Johann Jakob 169 Brandt (Brant), Christophor (Christoffel) 158 Bruce (Bryus, Brus), Jakob Daniel (Jakov Wilimovič) 49, 106f., 112f., 138f., 194 Bucken, Joachim Christian von 64 Buddeus (Budde), Johann Franz (Ioan(nes) Franciscus) 82, 193, 198, 200f., 203f. Buno, Johannes 35 Burg, Johannes van der 161 Büsching, Anton Friedrich 36, 128f., 218 Bužinskij, Gavriil (Gabriel) 123, 134 Caesar, Gaius Julius 64 Callenberg, Johann Heinrich 192–194 Camprédon, Jacques de 92 Cantemir, Antioch Dmitrievič 127–129 Cantemir, Constantin, Fst. der Moldau 126 Cantemir, Dimitrie, Hospodar der Moldau 111, 121, 125–130, 134f., 194 Cantemir, Serban 127f.

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Personenregister

Čerkasskij, Aleksej Michajlovič, Fst. 216 Charlotte Christine Sophie, Prn. von Braunschweig-Wolfenbüttel, Zarewna von Russland 39–41, 61, 111, 116f. Christian V., Kg. von Dänemark und Norwegen 29 Christine Luise, Hzgn. von Oettingen 10, 40 Ciampini, Giovanni Giusto 26 Cibo, Camillo, Kardinal 194 Ciesielski von Zadora, Timotheus 47 Clemens V., Papst 169, 171 Clemens XI., Papst 74, 99–101, 110, 160–162, 170 Clemens XII., Papst 171 Clermont, Fam. 22 Clermont, Esaias 22, 218 Clermont, Helene Margarethe, geb. Huyssen 22, 218 Clermont, Johann Adam 22 Cocceji, Samuel Frhr. von 27 Conring (Conringius), Hermann (Hermannus) 170 Consett (Conset, Conzet), Thomas 125, 130–134, 195 Cornelius, Christian Wilhelm 218f. Cromer, Martin 172f. Danckelmann (Danckelman), Eberhard Christoph Balthasar Frhr. von 27–30, 32, 34, 98 Daria, Giovanni Antonio 27 Dickhoff, Erwin 25 Długosz (Dlugossius), Jan (Jo(h)annes) 76, 172f. Doerries, Heinrich 11, 38, 87, 92, 192 Dolgorukaja, Ekaterina Alekseevna, Fstn. 215 Dolgorukij, Fam. 189, 215 Dolgorukij, Vasilij Lukič, Fst. 150 Dorošenko, Petr Dorofeevič 73 Duca(s), Constantin(us), Fst. der Moldau 31 Dukmeyer, Friedrich 11 Ekaterina Ivanovna, Großfstn. von Russland, Tochter Zar Iwans V. Alekseevič, Gemahlin Karl Leopolds, Hzg. von MecklenburgSchwerin 33 Elbers, Heinrich 22 Elbers, Katharina, geb. Huyssen 22 Eleonore Magdalene Therese, Pfalzgfn. von Neuburg, Gemahlin Ks. Leopolds I. 150 Elisabeth Charlotte von Bourbon-Orléans, Gemahlin Leopold Josephs, Hzg. von Lothringen 29

Elisabeth Christine, Prn. von Braunschweig-Wolfenbüttel, Gemahlin Ks. Karls VI. 41, 111 Elisabeth Petrovna, Zarin von Russland 196, 205 Eller, Johann Theodor 136 Ernst I., der Fromme, Hzg. von Sachsen-Gotha 194 Espagne, Michel 6–8 Eugen Franz, Pr. von Savoyen-Carignan 4, 110 Farquharson (Farvarson, Farwarson, Farwharson), Henry (Andrej Danilovič) 107 Fedor I. Ivanovič, Zar von Russland 188 Fernando Álvarez de Toledo y Pimentel, 3. Hzg. von Alba 20 Fick, Heinrich 209 Finking, Selma → Huyssen, Selma Fischering → Patkul, Johann Reinhold von Fleischhauer, Ingeborg 11 Flemming, Jakob (Jacob) Heinrich Reichsgf. von 28, 30, 157, 160 Fontanini, Giusto 99 Francke, August Hermann 5, 15f., 55, 156, 191– 195, 198 Franz Egon, Gf. von Fürstenberg 25 Freschot, Casimir 170 Friedrich, Hzg. von Sachsen-Weißenfels 156 Friedrich, Pr. von Hessen-Darmstadt 88, 145, 156 Friedrich, Pr. von Hessen-Kassel 29 Friedrich I., Kg. in Preußen, als Friedrich III. Kfst. von Brandenburg 26f., 29, 53, 115, 138, 144 Friedrich II., der Große, König von Preußen 42, 194, 196 Friedrich III., Kfst. von Brandenburg → Friedrich I., Kg. in Preußen Friedrich August I., Kfst. von Sachsen → August II., der Starke, Kg. von Polen Friedrich Wilhelm I., Kg. in Preußen 39, 42, 97, 120, 136, 138, 171, 175, 196 Friedrich Wilhelm (Kettler), Hzg. von Kurland 61 Frisch, Johann Leonhard 70–72, 116f., 129 Fritsch, Thomas 67, 84, 140 Furetière, Antoine 29 Gagarin, Matvej Petrovič, Fst. 87 Ge, Nikolaj Nikolaevič 98 Georg, Hl. 69 Gleditsch, Johann Friedrich 25, 57, 67 Gleditsch, Johann Gottlieb 57 Glück, Ernst 16, 38, 56f., 59, 65, 68f., 84, 94, 191f.

Personenregister Glümer, Hans 32 Golicyn, Fam. 189 Golicyn, Aleksej Borisovič, Fst. 47 Golicyn, Michail Michajlovič, Fst. 74 Golovin, Fedor Alekseevič, Gf. 32, 55f., 60, 86, 156, 162, 209 Golovkin, Aleksandr Gavrilovič, Gf. 40, 70, 72, 113, 139 Golovkin, Gavriil Ivanovič, Gf. 4, 61, 150, 158, 161f., 164, 216 Golz, Heinrich Frhr. von der 61, 88, 156f., 167 Gordon, Jakob 73f. Gordon, Patrick 73f. Görtz, Heinrich Wilhelm von 154 Grau, Conrad 13f. Gravina, Gianvincenzo (Giovanni, Gian Vincenzo, Janus Vincentius) 6, 13, 75, 98–102, 108, 137 Grosse, Johann 67 Guarient und Rall, Christoph Ignatius Edler von 59 Guerrier, Vladimir (Woldemar) Ivanovič 14, 85, 110 Günther, Christoph 66 Halibarton, Friedrich 39 Hallart (Allart, Gallart), Ludwig Nikolaus (Nikolaj) Baron von 63f., 156, 175 Haniel, Fam. 24 Haniel, Franz 23 Hanxleden, Fam. 20 Hassen, Martin 93–95 Haude, Ambrosius 123, 204 Haumann, Christian 194 Haus (Huiss), Heinrich von 19f. Haven, Peter von (van) 9, 12, 18, 31, 95, 97, 156, 161, 180, 217f. Hedwig Elisabeth Amalia, Pfalzgfn. von PfalzNeuburg, Kronprn. von Polen 150 Heineccius, Johann Michael 116 Heister, Siegbert, Gf. 157–160 Herberstein (Herberstain), Sigismund von 81, 85, 184f. Hermann, Jakob 78 Hoffmann (Hofmann), Christian Gottfried 58, 87f. Hoffmann, Peter 15, 17, 207 Hogerbach, Johann Sebastian 156 Holstein-Gottorf, Fam. 189 Hompesch, Reinerus Vincencius Gf. von 157 Horn, Johanna von 19

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Hübner, Johann 95 Huyssen (de Domo, de la Maison, Haus, Heussen, Huis, Huisen, Huys), Fam. 8, 20–22 Huyssen, Alexander 20f. Huyssen, Alexander (1664–1670) 22 Huyssen, Andreas 55 Huyssen, Andreas (geb. 1942) 24 Huyssen, Anna Elisabeth → Krupp, Anna Elisabeth Huyssen, Arnold, Enkel des Heinrich von Haus (Huiss) 20 Huyssen, Arnold, Sohn des Heinrich von Haus (Huiss) 20 Huyssen, Arnold von 9, 19, 22, 219 Huyssen, August 24 Huyssen, Catharina, geb. Krupp 21 Huyssen, Christine, Enkelin des Heinrich von Haus (Huiss) 20 Huyssen, Christine, Tochter des Johann Huyssen, Ururenkelin des Heinrich von Haus (Huiss) 20 Huyssen, Dietrich Max 24 Huyssen, Gerhard 22 Huyssen, Hedwig 9 Huyssen, Heinrich, Enkel des Heinrich von Haus (Huiss) 20 Huyssen, Heinrich, Sohn des Alexander Huyssen und Vater des Heinrich von Huyssen 21 Huyssen, Heinrich, Sohn des Johann Huyssen, Ururenkel des Heinrich von Haus (Huiss) 20 Huyssen, Heinrich Arnold 23f. Huyssen, Helene, Enkelin des Heinrich von Haus (Huiss) 20 Huyssen, Helene, geb. Sölling 21, 25 Huyssen, Helene Katharina → Spener, Helene Katharina Huyssen, Helene Margarethe → Clermont, Helene Margarethe Huyssen, Henriette 24 Huyssen, Henriette Sophie Friedericke, geb. Waldthausen 24 Huyssen, Johann, Sohn des Heinrich Huyssen, Urenkel des Heinrich von Haus (Huiss) 20 Huyssen, Johann(es) 22–24 Huyssen, Katharina 21 Huyssen, Katharina → Elbers, Katharina Huyssen, Max 8 Huyssen, Selma, geb. Finking 24 Huyssen, Sibylla, Tochter des Johann Huyssen, Ururenkelin des Heinrich von Haus (Huiss) 20

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Personenregister

Huyssen, Theodor 22, 219 Huyssen, Werner Emil 24 Huyssen, Wilhelm 24 Huyssen van Kattendyke, Fam. 20 Huyssen van Kattendyke, Johann 20 Ides, Eberhard Isbrand (Evert Ysbrants) von 107 Imhof, Andreas Lazarus von 97 Innozenz XII., Papst 174 Iwan IV. Vasil’evič, der Schreckliche (Groznyj), Zar von Russland 53, 84, 86, 182, 188 Iwan V. Alekseevič, Zar von Russland 31 Jablonski, Daniel Ernst 3, 5, 16, 55, 115–117, 122, 137, 199–204, 217 Jablonski, Johann Theodor 92f., 118–125, 127f., 130–134, 136, 182, 185–189, 199–202, 216 Jacobi, Gottlob Julius 23 Janovskij, Feodosij 196 Janus, Lebrecht Gottfried von 61, 157 Javorskij, Stefan 2f., 5, 8, 106, 131, 191f., 197f., 200–205 Johann III. Sobieski, Kg. von Polen 27, 148f. Johann Wilhelm Friso, Pr. von Oranien-Nassau 149 Joseph I., Ks. 19f., 52, 97, 101, 108, 111, 144, 146, 148, 152, 159, 162, 166, 217 Judendunk, Johann Heinrich 156 Karl, Landgf. von Hessen-Kassel 28 Karl, Pr. von Neuburg 163 Karl II., Kg. von England 73 Karl V., Ks. 98 Karl VI., Ks. 41, 111f., 171 Karl XI., Kg. von Schweden 141 Karl XII., Kg. von Schweden 30, 43, 47, 55, 60f., 109, 120, 143–145, 147, 150, 153f., 160, 163, 167, 181 Karl Friedrich, Hzg. von Holstein-Gottorf 2, 185, 188–190 Karl Leopold, Hzg. von Mecklenburg-Schwerin 185 Karl Peter Ulrich, Hzg. von Holstein-Gottorf → Peter III., Zar von Russland Karnkowski (Carncovius), Stanisław 68 Katharina I. (Ekaterina Alekseevna), Zarin von Russland (eigentl. Marta Samuilovna Skavronskaja) 62, 66, 78, 90, 118, 120f., 132, 179–181, 189, 215 Katharina II. (Ekaterina Alekseevna), die Große, Zarin von Russland (eigentl. Sophie Auguste

Friederike, Prn. von Anhalt-Zerbst-Dornburg) 14, 114, 176, 178, 190, 205 Keyserling, Georg Johann von 48, 52 Kirchen, Mark Bogdanovič von 50 Kniperkron, Thomas 47 Koeleser de (von) Keres-Eer, Samuel 137 Köhler, Johann Jacob 140–142 Konfuzius 50 Korb, Johann Georg 59 Krause, Johann Gottlieb 77, 172f. Krupp, Fam. 24 Krupp, Anna Elisabeth, geb. Huyssen 22 Krupp, Arndt 21 Krupp, Catharina → Huyssen, Catharina Krupp, Friedrich Jodocus 23 Krupp, Georg Dietrich 22 Krupp, Helene Amalie 23 Kurakin, Boris Ivanovič 4, 101, 160–162, 165f., 168 Kyrill, Hl. 68 Lagnasco, Peter Robert Taparelli Gf. von 4, 153– 155 Lakier, Aleksandr Borisovič 209 Lambert de Guerin, Joseph Gaspard 163 Lange, Gottfried 58 Lazzarini, Domenico 100, 108 Lefort (Le Fort), Franz (François) Jakob 52, 79, 106, 162, 176 Lehmann, Peter Ambrosius 56, 75, 100, 108f. Leibniz, Gottfried Wilhelm 4f., 14, 27, 31, 50, 55, 67, 70, 100, 102–117, 119, 164f., 179, 185, 187, 221 Leiser, Wilhelm 76 Leopold I., Ks. 71, 74, 145 Leopold Joseph, Hzg. von Lothringen 29 Leszczyński, Stanisław Bogusław → Stanislaus I. Leszczyński, Kg. von Polen Leti, Gregorio 169 Leti, Nicolas 169 Leyser, Polykarp (Polycarpus) 111 Lohenstein, Johann Heinrich von 65, 85–89, 94 Lopatinskij, Feofilakt 196, 200f. Lopuchina, Jevdokija Fedorovna, erste Gemahlin Zar Peters I. 66 Löwendal (Løvendal), Woldemar (Ulrik Frederik Valdemar) Baron von 157 Lubomirski, Stanislaus, Fst. 30f. Ludwig XIII., Kg. von Frankreich 188 Ludwig XIV., Kg. von Frankreich 97 Ludwig XV., Kg. von Frankreich 97

Personenregister Ludwig Rudolph, Hzg. von Braunschweig und Lüneburg 10, 40, 117f. Ludwig Wilhelm, Markgf. von Baden-Baden 28, 108 Luise Dorothea Sophie, Prn. und Markgfn. von Brandenburg, Erbprn. von Hessen-Kassel 29 Maceevič, Arsenij 205 Majkova, Tat’jana Sergeevna 175 Makarov, Aleksej Vasil’evič 166, 176, 178 Mardefeld, Arvid Axel Frhr. 163 Mardefeld, Gustav Frhr. von 194 Margarethe, Hzgn. von Parma 20 Maria, Hzgn. von Burgund, Gemahlin Ks. Maximilians I. 19 Maria Clara von Spaur, Pflaum und Valör 21 Mark Aurel (eigentl. Marcus Aurelius Antoninus Augustus), röm. Ks. 86 Marlborough, John Churchill First Duke of 55, 108, 112, 146, 162 Matveev, Andrej Artamonovič, Gf. 4, 161, 167f. Maurokordatos, Nikolaus, Fst. der Moldau und der Walachei 134f. Mazepa, Ivan Stepanovič, Hetman der Ukraine 4, 57, 162, 166, 209 Melum, Hugo von 19 Mencke, Fam. 67, 84 Mencke, Johann Burckhard 67f., 70, 77, 83, 99, 137, 140 Mencke, Otto 67, 83 Menšikov, Aleksandr Danilovič, Reichsfst. 4, 15, 17, 34, 36, 38f., 43, 45–47, 49, 51f., 54, 60, 79, 86, 144–146, 149–151, 155, 157–159, 161–163, 165, 181–183, 189, 209, 215f., 218 Mercy, Claudius Florimund Gf. von 157 Messerschmidt, Daniel Gottlieb 121 Method, Hl. 68 Meyer, Cornelio 71 Michaelis, Johann Heinrich 191 Michaelis, Johann Martin 193 Michail I. Fedorovič, Zar von Russland 188 Moepps, Emmy 85 Mons, Fam. 52 Mons, Anna 52 Montecuccoli, Raimondo, Gf. 75, 172 Mosheim, Johann Lorenz von 3 Müller, Gerhard Friedrich 128, 189 Müller, Peter 15, 126, 201 Münnich (Minich), Burchard Christoph (Christofor Antonovič) von 119, 216

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Naryškin, Fam. 57 Naryškin, Lev Kirillovič 57, 69 Naryškin, Vasilij Fedorovič 141 Natal’ja, Tochter Zar Peters I. 90 Nero (eigentl. Nero Claudius Caesar Augustus Germanicus), röm. Ks. 86 Nesterov, Aleksej Jakovlevič 214 Nestesuranoj, Ivan Ivanovič → Rousset de Missy, Jean Neugebauer, Martin (Pseud. Simon Petersen) 4, 11f., 33, 43–55, 85, 137, 220 Nikolaus V., Papst 169 Nostitz, Friedrich Hartwig Reichsgf. von 61 Ogilvy, George (Georg) Benedict Frhr. von 44, 60, 145, 156, 158f. Ogiński, Grzegorz Antoni 144, 156 Olearius (eigentl. Oehlschlegel oder Ölschläger), Adam Ascanius 81f. Olearius, Johannes 67 Ostein, Johann Franz Heinrich Carl Gf. von 218 Ostermann, Heinrich Johann Friedrich (Andrej Ivanovič) Gf. von 21, 31, 33, 98, 181, 216, 218, 222 Ostermann, Johann Christoph Dietrich 31, 33 Ostermann, Johann Konrad 21 Ostermann, Ursula Magdalene, geb. Wittgenstein 21 Ovid (eigentl. Publius Ovidius Naso) 64, 136 Pallas, Peter Simon 114 Patkul, Johann Reinhold von (Pseud. Fischering) 28, 30f., 33, 48, 54, 143, 148, 154f., 159, 163 Paullini, Antonio → Schmauss, Johann Jakob Paulmann, Johannes 7 Paus (Pause), Johann Werner 7, 192f. Pekarskij, Petr Petrovič 11, 85, 88, 144, 180 Perlick, Alfons 218 Perry, John 87 Peštič, Sergej Leonidovič 15 Peter I. Alekseevič, der Große, Zar von Russland 1–4, 6, 10–12, 14–17, 22, 28, 30, 32–35, 37– 42, 44f., 47–57, 59–68, 72, 74f., 77–79, 81– 91, 93–98, 100, 102–107, 109–115, 117–120, 123f., 126, 129f., 132–134, 137–141, 143f., 146–153, 155f., 158, 160–162, 164–168, 172, 174–183, 185, 188f., 196f., 199f., 202, 205– 210, 213–216, 218, 220–222 Peter II. Alekseevič, Zar von Russland 33, 36, 62, 98, 119, 189, 215 Peter III., Zar von Russland, als Karl Peter Ulrich Hzg. von Holstein-Gottorf 190

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Personenregister

Petersen, Simon → Neugebauer, Martin Petr Petrovič, Sohn Zar Peters I. 89 Petschauer, Peter 9–11, 16, 18, 25 Pfeilenheim, Christian 88, 156 Philipp, Landgf. von Hessen-Kassel 28 Pignatelli, Francesco 155 Piper (Pipper), Carl, Gf. 163 Pleyer, Otto Anton 36 Polievktov, Michail Aleksandrovič 17, 210, 214 Polikarpov (Polikarpov-Orlov), Fedor Polikarpovič 65, 69, 178f. Potocki (Potozki), Fam. 31 Potocki, Józef (Joseph) 167 Praskov’ja Ivanovna, Großfstn. von Russland, Tochter Zar Iwans V. 33 Printzen, Marquard Ludwig Frhr. von 127 Prokopovič, Feofan 2f., 5, 8, 134, 179, 195–201, 205 Pufendorf, Samuel Frhr. von 35, 177 Rabener, Justus Gottfried 58, 79, 89f., 94, 181 Rabutin, Amadeus Bussy Gf. von 217 Rabutin, Johann Ludwig Bussy de 158 Radziwiłł, Franziska von, geb. von Sapieha 30 Raguzinskij(-Vladislavič), Savva Lukič 141 Rákóczi, Franz (Ferenc) II. 4, 111, 146, 150, 164– 166 Ranck, Jakob von 47 Rau, Johann 117 Razin, Stepan Timofeevič 73 Rechenberg, Adam 139 Rechenberg, Karl Otto 203 Rechenberg, Susanne Catharina, geb. Spener 139 Recke, Walter 32 Reichmuth, Johann 204 Ribera, Franciscus Bernardus 201, 204 Richelet, César-Pierre 29 Riegemann, Christoph K. 193 Rjurik (Rurik) 184f., 187–189 Rjurikiden, Fam. 188 Robel, Gert 10 Romanow, Fam. 64, 188f. Romanus, Franz Conrad 144 Rönne, Karl (Carl) Ewald Baron von 60 Rousset de Missy, Jean (Pseud. Ivan Ivanovič Nestesuranoj) 90f., 125 Ruttich, Michael Boguslaw 192 Saavedra Fajardo, Diego de 35 Šafirov, Michail Pavlovič 61, 175 Šafirov, Petr Pavlovič, Baron 4, 141, 146, 151, 157–159, 161, 163–165, 175, 178f., 188, 194

Saltykov, Petr Samojlovič 144 Sapieha, Franziska von → Radziwiłł, Franziska von Sapieha, Jan Kazimierz, Fst. 156 Ščepot’ev, Simon 178 Ščerbatov, Michail Michajlovič, Fst. 178, 180 Scharschmidt, Justus Samuel 15, 193 Schendo van der Bech (Schendo Vanderbech), Michael 125, 134–137 Schilling (Šilling), Benedikt 175 Schleinitz, Hans Christian Baron von 104, 111– 113 Schlund, Johann Sigismund von 157 Schlüter, Andreas 138 Schlüter, Johann Heinrich 186 Schmauss, Johann Jakob (Jacob) (Pseud. Antonio Paullini) 65 Schmid, Conrad 23 Schober, Gottlieb 124 Scholz, Birgit 185 Schönborn-Buchheim, Friedrich Karl Reichsgf. von 36 Schönemann, Daniel 123, 125 Schott, Johann Karl (Carl) 127 Schumann, Gottlieb 171 Seckendorff, Veit Ludwig von 67 Seine, Franciscus de 75f. Seneca, Lucius Annaeus 86, 88 Septimius Severus (eigentl. Lucius Septimius Severus), röm. Ks. 88 Šeremet’ev, Boris Petrovič, Gf. 158 Sergius, Hl. 74 Sieniawski, Adam Mikołaj (Nikolaus) 150 Sigismund II. August, Kg. von Polen 68, 75, 172 Sigismund III. Wasa, Kg. von Polen und Schweden 172 Simon, Gerhard 42 Sineus 184 Sinold (genannt von Schütz), Philipp Balthasar 57 Skavronskaja, Marta Samuilovna → Katharina I. Smotrickij, Meletij 133 Šmurlo, Evgenij Francevič 15 Sobieski, Aleksander Benedykt 148 Sobieski, Jakub Ludwik 148–151 Sobieski, Konstanty Władysław 148 Solbrig, David 122 Sölling, Helene → Huyssen, Helene Sölling, Johann 21 Sölling, Johann (Stammvater der Fam.) 21 Sölling, Johann Gottfried Julius 24

Personenregister Sophie Auguste Friederike, Prn. von AnhaltZerbst-Dornburg → Katharina II. Sophie Charlotte, Kgn. in Preußen 115, 124, 144 Spener, Fam. 24 Spener, Christian Maximilian 9, 137–140 Spener, Helene Katharina, geb. Huyssen 24 Spener, Jakob Karl 24 Spener, Philipp Jacob (Jakob) 24, 138 Spener, Susanne Catharina → Rechenberg, Susanne Catharina Stanislaus I. Leszczyński, Kg. von Polen 146– 149, 151, 160–162, 167, 177 Stanisław II. Szembek 149f. Stepanov, Vasilij Vasil’evič 176 Stephan Báthory, Kg. von Polen 68, 172 Stieber, Georg Friedrich 184f., 188 Stieff, Christian 57, 65, 83–85, 89, 94 Strahlenheim, Henning Baron von 145 Strat(t)mann, Heinrich Johann Franz Gf. von 26 Strat(t)mann, Theodor Athlet Heinrich Gf. von 26 Stupperich, Robert 198 Sturm, Leonhard Christoph 71f. Tacitus, Publius Cornelius 123 Tettau, Daniel von 157 Tettau, Julius Ernst von 157 Thomasius, Christian 27, 194 Todorskij, Simon 195 Trajan (eigentl. Marcus Ulpius Traianus), röm. Ks. 88 Trampe, Adam Fredrik 88, 157 Truchsess, Friedrich Sebastian Wunibald, Gf. von Waldburg 156 Truvor 184 Tumanskij, Fedor Osipovič 176 Urban VI., Papst 169

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Urbich, Johann Christoph Baron von 39, 151, 159, 164–167 Vagetius, Barthold 199 Vanel, Claude 170 Verus, Lucius 86 Veselovskij, Fedor Pavlovič 38 Veyssière de la Croze, Mathurin 187 Viktor Amadeus III. Maria, Kg. von SardinienPiemont 26 Villebois, François Guillemot de 91f. Visconti, Ercole 25 Vjazemskij, Nikifor Kondrat’evič 39 Vockerodt, Johann Gotthilf 175, 194f. Volkov, Boris Ivanovič 71, 175 Vota, Karl (Carl) Moritz 111 Waater, Joan van de 170 Waldthausen, Albert von 8f., 19f., 24f. Waldthausen, Henriette Sophie Friedericke → Huyssen, Henriette Sophie Friedericke Wartis, Giovan Christoforo 87f., 94 Weber, Friedrich Christian 36, 89, 94, 102 Weide (Vejde), Adam Adamovič 157 Weidmann, Moritz Georg 199 Weisbach, Johann Bernhard Gf. von 88, 156 Werner, Michael 6, 8 Wilhelm III., Pr. von Oranien-Nassau 26 Winter, Eduard 7f., 16, 99, 105, 125, 198, 201, 217 Wiśniowiecki, Michał Serwacy, Fst. 156 Wittgenstein, Ursula Magdalene → Ostermann, Ursula Magdalene Wolff, Christian 196 Zopf, Johann Heinrich 23 Zschackwitz, Johann Ehrenfried 63

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Ortsregister Aachen 22, 218 Åbo → Turku Altdorf 97 Altenburg 16 Altranstädt 55, 143, 146 Alūksne → Marienburg Amersfoort 28 Amsterdam 28, 71, 125, 161 Archangelsk (russ. Archangel’sk) 43, 47, 164 Archangel’sk → Archangelsk Asow (russ. Azov) 74, 96, 176 Astrachan (russ. Astrachan’) 59, 86 Astrachan’ → Astrachan Auchleuchries 73 Augsburg 26, 28, 135 Azov → Asow Bamberg 26 Barcelona 111 Basel 26 Baturyn 31, 167 Beločerkovsk 31 Berezov 215 Berlin 4f., 11, 16, 25, 27–30, 32, 54f., 70, 72, 93, 106, 114–125, 127–133, 135–139, 144, 147, 178, 200f., 203, 217, 221 Bern 26, 28 Bochum 21f. Bologna 26 Braunschweig 41 Breslau (poln. Wrocław) 30, 57, 83, 151, 160, 167 Brussel → Brüssel Brüssel (frz. Bruxelles, ndl. Brussel) 98 Bruxelles → Brüssel Černihiv → Tschernihiw Černjachovsk → Insterburg Čyhyryn → Tschyhyryn Compiègne 29 Constanţa → Konstanza Cuylenburg 22 Danzig (poln. Gdańsk) 28, 30, 33, 43, 46, 63, 87f., 121, 144, 147, 156, 168

Delfzijl 27 Den Haag 28–30, 63 Dobromil (ukr. Dobromyl’) 76, 172 Dobromyl’ → Dobromil Dorpat (estn. Tartu) 74 Dortmund 21f., 25 Dresden 25, 27, 30, 40, 144f., 157 Duisburg 22, 25 Düsseldorf 8, 27f. Elbing (poln. Elbląg) 30 Elbląg → Elbing Erlangen 26 Essen 3, 8, 20–25, 27f., 66, 102, 105, 108, 219f. Firenze → Florenz Florenz (ital. Firenze) 26 Fontainebleau 29 Frankfurt am Main 28, 41, 65, 75, 83–85, 111 Frankfurt an der Oder 27f. Fraustadt (poln. Wschowa) 153–155, 162 Freiberg/Sachsen 25 Gdańsk → Danzig Gebweiler (frz. Guebwiller) 19 Genève → Genf Genf (frz. Genève) 26, 28, 52, 176, 209 Genova → Genua Gent 19f. Genua (ital. Genova) 26 Gotha 57, 194 Greifswald 113 Grenoble 26 Grimberg 22 Guebwiller → Gebweiler Halle an der Saale 5, 15f., 25–27, 95, 110, 116, 121, 126, 156, 191–196, 203, 221 Hamburg 27, 29, 53f., 56, 75, 95, 128, 145, 164, 200 Hannover 14, 27, 108, 110 Heidelberg 26 Helmstedt 111, 170

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Ortsregister

Helsingør → Helsingör Helsingör (dän. Helsingør) 218 Hermannstadt (rum. Sibiu) 31 Iaşi → Jassy Insterburg (russ. Černjachovsk) 144 Istanbul → Konstantinopel İstanbul → Konstantinopel Jakutsk 135 Jaroslavl’ → Jaroslawl Jaroslawl (russ. Jaroslavl’) 124 Jassy (rum. Iaşi) 30f. Jelgava → Mitau Jena 26, 198, 200 Jönköping 74 Kaliningrad → Königsberg Kalisch (poln. Kalisz) 163, 182 Kalisz → Kalisch Karlovy Vary → Karlsbad Karlsbad (tsch. Karlovy Vary) 30, 41, 110f., 144 Kasan (russ. Kazan’) 193 Kauen → Kaunas Kaunas (dt. auch Kauen) 144 Kazan’ → Kasan Kiel 29 Kiew (ukrain. Kyïv) 2f., 30f., 73, 163, 167, 183, 189, 195, 205 Kleve 27 Klissow (poln. Kliszów) 30 Kliszów → Klissow København → Kopenhagen Köln 25, 27, 65, 75, 99, 152, 170, 172 Königsberg (russ. Kaliningrad) 5, 28–30, 41, 140, 144, 156, 208 Konstantinopel (heute Istanbul, türk. İstanbul) 49, 126 Konstanza (rum. Constanţa, früher Tomis) 136 Kopenhagen (dän. København) 29, 157 Korbach 8, 18, 20, 22 Kostrzyn nad Odrą → Küstrin Krakau (poln. Kraków) 40, 64, 76, 87, 167 Kraków → Krakau Küstrin (poln. Kostrzyn nad Odrą) 29 Kyïv → Kiew Lauenburg an der Elbe 187 Lausanne 26, 28 Lautenbach-Zell (auch Lautenbachzell) 19

Lautenbachzell → Lautenbach-Zell Leeuwarden 27 Leipzig 16, 25, 27, 30, 43, 46, 55, 57f., 63, 67f., 75–77, 79, 85, 87, 89, 94, 99f., 118, 123, 136, 140, 143f., 169, 171–173, 194–196, 199, 203 Lemberg (ukr. L’viv) 148–150 Lesnaja 167 Lindau 28 Lingen 28 Livorno 26 London 67, 87, 122, 124, 129, 133, 156, 161f., 167f., 196 Lübeck 184, 187 Lublin 159, 167 Lucca 26 L’viv → Lemberg Lyon 26, 29, 170 Magdeburg 28 Mailand (ital. Milano) 26, 77, 87, 152 Malmö 29 Marienburg (lett. Alūksne) 69 Meersburg 19 Merseburg 26, 95 Metelen 21 Milano → Mailand Minden 28 Minsk 52 Mitau (lett. Jelgava) 156 Modena 26 Moskau (russ. Moskva) 15f., 30f., 37–39, 41, 44, 46–49, 52–54, 56f., 59–61, 65, 68f., 74, 77, 84, 88, 92, 94, 96, 110, 120, 126, 129, 141f., 151, 155, 159f., 176, 180, 191, 193f., 196, 200f., 204, 215–217 Moskva → Moskau München 26 Napoli → Neapel Narva → Narwa Narwa (estn. Narva) 37f., 45, 49, 51, 68f., 74, 141, 143, 145, 192 Neapel (ital. Napoli) 100, 114 Nemyriv → Nemyriw Nemyriw (ukr. Nemyriv) 31 Neuhäusel 164 Neutra (slowak. Nitra) 164 New York 24 Nijmegen → Nimwegen Nimwegen (ndl. Nijmegen) 20

Ortsregister Nitra → Neutra Nottuln 21 Nowgorod (russ. Velikij Novgorod) 37f., 41, 49, 119 Nürnberg 26, 28, 72, 82 Nyon 169 Nystad (finn. Uusikaupunki) 74 Oberhausen 23 Oranienburg 28 Orša → Orscha Orscha (weißruss. Orša) 144 Osnabrück 28 Padova → Padua Padua (ital. Padova) 100, 134 Paris 27, 29, 70, 92, 97, 129, 170, 196–198 Parma 26 Peitz 30 Philippsburg 26 Pisa 26 Poltava → Poltawa Poltawa (ukr. Poltava) 43, 61, 63, 86, 153, 160, 168, 176f., 181, 195 Potok 166 Potsdam 28, 144 Prag (tsch. Praha) 27, 30, 145, 159 Praha → Prag Prangins 28 Reval (estn. Tallinn) 133, 142, 189, 199, 205 Riga (lett. Rīga) 136, 140, 143, 157 Rīga → Riga Rom (ital. Roma) 26, 71, 74f., 99, 109–111, 153– 155, 160–162, 166, 168f., 173f., 197f., 205 Roma → Rom Roskilde 29 Salzdahlum 110 Sankt Petersburg (russ. Sankt-Peterburg) 2, 14, 37, 41, 60, 62, 66, 69f., 77f., 90, 96, 104, 113f., 118–124, 126, 128, 130–132, 134f., 138, 140, 175, 180, 189f., 193f., 196, 204, 208, 213, 217–219 Sankt–Peterburg → Sankt Petersburg Schlüsselburg (russ. Šlissel’burg) 74 Schowkwa (ukr. Žovkva) 150, 164 Sibiu → Hermannstadt Šlissel’burg → Schlüsselburg Smolensk 144 Sneek 27

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Sovetsk → Tilsit Speyer 26, 169 St. Gallen 28 Stargard in Pommern (poln. Stargard Szczeciński) 29f. Stargard Szczeciński → Stargard in Pommern Stettin (poln. Szczecin) 28, 41 Stockholm 74, 167 Strasbourg → Straßburg Straßburg (frz. Strasbourg) 3, 26, 137, 169 Stuttgart 16, 26 Szczecin → Stettin Tallinn → Reval Tartu → Dorpat Thorn (poln. Toruń) 41, 125 Tilsit (russ. Sovetsk) 144 Tomis → Konstanza Torgau 41, 112 Torino → Turin Toruń → Thorn Toulon 109 Tschernihiw (ukr. Černihiv) 180 Tschyhyryn (ukr. Čyhyryn) 73 Tübingen 26, 204 Turin (ital. Torino) 26, 151 Turku (schwed. Åbo) 96 Ulm 26 Utrecht 27f., 34, 100, 170 Uusikaupunki → Nystad Vaščilovka 31 Velikij Novgorod → Nowgorod Venedig (ital. Venezia) 26 Venezia → Venedig Vilnius → Wilna Vyborg → Wiborg Warschau (poln. Warszawa) 27f., 30, 40, 167 Warszawa → Warschau Wesel 25, 28 Wettin 16 Wiborg (russ. Vyborg) 37, 96 Wieliczka 40, 64, 87 Wien 4, 6, 10, 26, 28, 31, 36, 39, 54, 60f.,75f., 98–100, 108, 111, 143–146, 148f., 151f., 154–156, 159–166, 168, 182, 201, 209, 217, 221 Wilna (lit. Vilnius) 144, 192 Wittenberg 16, 27, 93

268 Wolfenbüttel 110, 145, 159 Wrocław → Breslau Wschowa → Fraustadt Würzburg 28

Ortsregister Wurzen 144 Žovkva → Schowkwa Zürich 28