»Hauptstadtregion Stuttgart« - alte und neue Wege im Kommunalrecht: Historische Entwicklung der Stadt-Umland-Problematik in der Region Stuttgart und kritische Betrachtungen zum »Gesetz über die Stärkung der Zusammenarbeit in der Region Stuttgart« [1 ed.] 9783428486908, 9783428086900

Mit der Errichtung des Verbands Region Stuttgart hat der Landesgesetzgeber in Baden-Württemberg neue Wege im Kommunalrec

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»Hauptstadtregion Stuttgart« - alte und neue Wege im Kommunalrecht: Historische Entwicklung der Stadt-Umland-Problematik in der Region Stuttgart und kritische Betrachtungen zum »Gesetz über die Stärkung der Zusammenarbeit in der Region Stuttgart« [1 ed.]
 9783428486908, 9783428086900

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Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht

Band 37

,,Hauptstadtregion Stuttgart“ – alte und neue Wege im Kommunalrecht Historische Entwicklung der Stadt–Umland– Problematik in der Region Stuttgart und kritische Betrachtungen zum „Gesetz über die Stärkung der Zusammenarbeit in der Region Stuttgart“ Von

Dr. Stefan Wolf

Duncker & Humblot · Berlin

STEFAN WOLF

"Hauptstadtregion Stuttgart" - alte und neue Wege im Kommunalrecht

Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Herausgegeben von Wolfgang Graf Vitzthum in Gemeinschaft mit Martin Heckei, Ferdinand Kirchhof Hans von Mangoldt, Thomas Oppermann Günter Püttner, Michael Ronellenfitsch sämtlich in Tübingen

Band 37

"Hauptstadtregion Stuttgart" - alte und neue Wege im Kommunalrecht Historische Entwicklung der Stadt-UmlandProblematik in der Region Stuttgart und kritische Betrachtungen zum "Gesetz über die Stärkung der Zusammenarbeit in der Region Stuttgart"

Von Dr. Stefan Wolf

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Wolf, Stefan:

"Hauptstadtregion Stuttgart" - alte und neue Wege im Kommunalrecht : historische Entwicklung der Stadt-UmlandProblematik in der Region Stuttgart und kritische Betrachtungen zum "Gesetz über die Stärkung der Zusammenarbeit in der Region Stuttgart" / von Stefan Wolf. Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht ; Bd. 37) Zug!.: Tübingen, Univ., Diss., 1995 ISBN 3-428-08690-2 NE:GT

D21 Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: W. März, Tübingen Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-6061 ISBN 3-428-08690-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

9

Meinen Eltern •

Für Brigitte

Geleitwort Im Oktober 1994 hat das erste gewählte Regionalparlament und damit der Verband Region Stlittgart seine Arbeit aufgenommen. Dieser neue Verband wurde besonders im Umland von Anfang an kritisch betrachtet, und das wird sich auch nach den Regionalwahlen mit ihrer erfreulich hohen Wahlbeteiligung nicht schlagartig ändern. Es ist deshalb eine der wichtigsten Aufgaben, regional denken zu lernen. Das gilt für Politiker, aber auch für die Bürger. Auch die Bürger leben bereits heute "in der Region" und nicht mehr allein in ihrer Gemeinde. Zum Beispiel überquert fast die Hälfte der Beschäftigten die Markungsgrenze ihres Wohnorts, um zur Arbeit zu gehen. Es muß uns allen bewußt werden, daß es einer gemeinsamen Politik bedarf, um die Zukunft der Region Stuttgart zu sichern, und daß die alt-schwäbische Fixierung ausschließlich auf lokale Interessen nicht mehr zeitgemäß ist. Etwaige Besorgnisse, die Stadt Stuttgart könnte die Region beherrschen, sind unbegründet, da die Stadt gerade 23% der Einwohner der Region zählt, während München oder Hamburg 50% bzw. 60% der Einwohner in ihrer Region stellen. Die Stadt Stuttgart ist voll und ganz auf die Einsichtsfähigkeit des Umlandes in die gemeinsamen Notwendigkeiten angewiesen. Das Modell "Region Stuttgart" ist auch nicht zwingend auf kleinere Regionen anwendbar. Der Mittlere Neckarraum - wie er früher hieß - ist doch eine ziemlich große Region, so wie die Regionen München, Frankfurt a.M., Hamburg. Die Stuttgarter Region hat fast so viele Einwohner wie das Land Schleswig-Holstein und dabei mehr Arbeitsplätze und eine größere Wirtschafts- und Steuerkraft - jedenfalls noch. Eine Region gleicher Größenordnung, gleicher Zentralität existiert im Land Baden-Württemberg nicht, und deshalb gibt es hier eine ganz andere Dynamik und Problematik als in anderen Regionen. Mit anderen Worten: Ohne eine gute Entwicklung der Stuttgarter Region wird es keine gute Entwicklung im Land Baden-Württemberg geben und ohne eine einigermaßen vernünftige Entwicklung der Stadt Stuttgart keine gute Entwicklung der Region Stuttgart. Die Diskussion über einen "Regionalkreis" ist jetzt nicht aktuell. Man sollte nicht weitere Schritte vor dem ersten tun ich kann mir aber durchaus vorstellen, daß diese Region sich weiter entwikkelt. Manfred Rommel (Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Stuttgart a.D.)

Vorwort Mit dem Gesetz zur Stärkung der Zusammenarbeit in der Region Stuttgart hat der Landesgesetzgeber in Baden-Württemberg neue Wege im Kommunalrecht beschritten. Um die Region Mittlerer Neckar, vor allem auch im Rahmen des europäischen Wettbewerbs, der Regionen zu stärken und wettbewerbsfähig zu machen, wurde der Versuch gestartet, die Zusammenarbeit in der Region neu zu organisieren. Dieser Versuch des Gesetzgebers, der zum Teil gewichtige Aufgabenverlagerungen und Veränderungen in der Region Stuttgart vorgibt, erscheint es wert zu sein, einer juristischen Prüfung unterzogen zu werden. Bei allen Veränderungen ist der Gesetzgeber an die Vorgaben von Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz und Art. 71 Abs. 1 Landesverfassung Baden-Württemberg gebunden. Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland und die des Landes BadenWürttemberg haben sich für die Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung entschieden. Die Lösung regionaler Problemstellungen muß sich an dieser grundlegenden Entscheidung der Verfassunggeber messen lassen. Anliegen des Verfassers war und ist es, sowohl die Entwicklung und die bisherigen Lösungsversuche der Stadt-Umland-Problematik in der Region Stuttgart als auch den nunmehr eingeschlagenen Weg des Gesetzgebers zu untersuchen. Nur wenn die alten Wege im Kommunalrecht als nicht ausreichend beurteilt werden, ist Raum für neue Wege des Gesetzgebers im Kommunalrecht. Die vorliegende Arbeit wurde 1995 von der Juristischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Meinem Doktorvater, Prof. Dr. Dr. h.c. Thomas Oppermann, gilt für die Anregung zu dieser Arbeit, das stets gezeigte Interesse und die aufmerksame Betreuung mein ganz besonderer Dank. Für die bereitwillige Aufnahme der Arbeit in die von ihm herausgegebene Reihe schuldet der Verfasser Prof. Dr. Wolfgang Graf Vitzthum Dank. Weiterer Dank gebührt Frau Dr. Tatjana Geddert-Steinacher und Herrn Regionaldirektor Dr. Bernd Steinacher, die in zahlreichen Gesprächen wertvolle Anregungen geliefert haben. Danken möchte der Verfasser ferner Frau Dr. Birgit Suski und Frau Marion Metzger-Ziemer, die die Arbeit aufmerksam gelesen haben.

Vorwort

10

Ganz besonders danken möchte der Verfasser seiner Frau, Frau Brigitte Hüttner-Wo!f, fur die verständnisvolle Unterstützung und die in jeder Hinsicht kritische Durchsicht der Arbeit. Stuttgart, im Juli 1996

SIe/an Wolf

Inhalt Kapitel 1

Die Stadt-Umland-Problematik in der Region Stuttgart

17

I. Die Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

11. Gang der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18

Kapitel 2

Historische Entwicklung in der Region Stuttgart

20

I. Die Stadt-Umland-Geschichte von Stuttgart . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

1. Bis zum Beginn der NS-Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

2. Die Zeit des Nationalsozialismus , . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

3. Nach dem zweiten Weltkrieg ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

21

a) Kommunale Arbeitsgemeinschaft für den Stuttgarter Raum . . . . . .

22

b) Regionaler Planungsverband "Mittlerer Neckar" . . . . . . . . . . . ..

23

4. Verwaltungsreform von 1968 bis 1974 . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

23

a) "Verbandslösung" als Vorschlag der Stadt Stuttgart . . . . . . . . . .

24

b) Die Dichtel-Kommission

24

c) Die Parteienkommission

25

d) Die Kompromißlösung

26

e) Erneute Bestrebungen für eine Zusammenarbeit in der Region Stuttgart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

5. Stadt-Umland-Kommission Stuttgart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

31

a) Denkschrift der Stadt Stuttgart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

b) Bericht der Stadt-Umland-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

c) Stellungnahme der Stadt Stuttgart

.....................

34

6. Die achtziger Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

7. VerwaItungsreform der neunziger Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

36

8. Problemaufriß "Region Stuttgart" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

38

Inhalt

12

a) Siedlungsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

b) Regionalverkehr

40

c) Abfallentsorgung

40

d) Sonstige Bereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

11. Bisherige Einrichtungen der Zusammenarbeit in der Region Stuttgart . . .

41

I. Regionalverband Mittlerer Neckar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

2. Nachbarschaftsverband Stuttgart

43

........................

Kapitel 3

Lösungsansätze für die Institutionalisierung regionaler Zusammenarbeit I. Modelle der Stadt-Umland-Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. I. Grundmodelle der Stadt-Umland-Verwaltung

45 45

................

45

2. Gebietskörperschaftliche Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

46

a) Regionalstadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

aa) Organisation und Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

bb) Realisierbarkeit des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

b) Regionalkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

aa) Organisation und Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

bb) Realisierbarkeit des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

3. Formen interkommunaler Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . ..

50

a) Kommunale Arbeitsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

50

aa) Organisation und Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

bb) Realisierbarkeit des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

b) Öffelltlichrechtliche Vereinbarung i.S.d. §§ 25 ff. GKZ . . . . . . ..

51

aa) Organisation und Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

bb) Pflichtvereinbarungen

..........................

52

ce) Verwaltungsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

dd) Realisierbarkeit des Modells . . . . . : . . . . . . . . . . . . . . . .

53

c) Zweckverbandsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

53

aa) Organisation und Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

bb) Nachbarschaftsverband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

55

ce) Regionalverband . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

13

Inhalt dd) Planungsverband

56

ee) Realisierbarkeit des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

d) Privatrechtlicher Zusammenschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

11. Modellvorschläge für Stuttgart und den Mittleren Neckarraum . . . . . . .

58

1. Regionalstadt Stuttgart

58

2. Regionalkreis Stuttgart

59

3. Verbandslösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

a) Vorschlag Regionalkonferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

aa) Kemaufgabe Siedlungsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

bb) Kemaufgabe Abfallentsorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

61

cc) Kemaufgabe Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . '. . . . . . . .

61

dd) Weitere Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

.............................

62

b) Vorschlag Regierungskommission Verwaltungsreform . . . . . . . . .

63

ee) Verbandsstruktur

aa) Kemaufgabe Siedlungsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

bb) Kemaufgabe Abfallentsorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

cc) Kemaufgabe Regionalverkehr

.....................

65

dd) Weitere Aufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

65

.............................

65

ee) Verbandsstruktur

Kapitel 4

Schaffung des Verbands Region Stuttgart

67

I. Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

11. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

III. Übertragung von Aufgaben auf den Verband Region Stuttgart . . . . . . .

69

1. Siedlungsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

a) Verfassungsrechtliche Betrachtungen - Vereinbarkeit mit Art. 28 GG, 71 LV BW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

aa) Raumordnung und Landesplanung. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

bb) Regionalplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

cc) Grenzen der überörtlichen Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

dd) Bewertung der Neuregelung in Baden-Württemberg

84

.......

14

Inhalt ee) Regionalbedeutsamkeit des Vorhabens

84

ff) Umsetzung der Regionalplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

gg) Zulässigkeit eines Planungsgebots . . . . . : . . . . . . . . . . . . .

88

hh) Verfassungskonformes Planungsgebot

................

96

...................

96

b) Verwaltungsrechtliche Betrachtungen

aa) Durchsetzung des Planungsgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

bb) Rechtsschutz der Gemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

.....................

100

cc) Gestuftes Rechtsschutzsystem

dd) Folgen des Planungsgebots fl.ir die Gemeinde . . . . . . . . . . .

101

c) Rechtspolitische Betrachtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

102

aa) Zielsetzung des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

102

bb) Erreichbarkeit durch das Planungsgebot . . . . . . . . . . . . . . .

103

cc) Wirkungsgrad des Planungsgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

104

2. Regionalverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

104

a) Verfassungsrechtliche Betrachtung - Vereinbarkeit mit Art. 28 GG, 71 LV BW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

106

aa) Regionalverkehrsplanung

........................

106

bb) Regionalverkehrsplanung als gemeindliche Aufgabe . . . . . . ..

106

cc) ÖPNV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

108

dd) ÖPNVals gemeindliche Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

109

b) Verwaltungsrechtliche Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

112

aa) Verwaltungsrechtliche Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . .

112

...............

113

bb) Fachaufsicht des Verkehrsministeriums

c) Rechtspolitische Betrachtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

114

3. Abfallentsorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

115

a) Verfassungsrechtliche Betrachtungwn - Vereinbarkeit mit Art. 28 GG, 71 LV BW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

116

aa) Abfallentsorgung als gemeindliche Aufgabe

............

117

bb) Spannungfeld Kreise - Region . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

120

cc) Mineralische Abfälle und verunreinigter Boden . . . . . . . . . .

121

dd) Ausfallverbund

..............................

130

ee) Weitere Aufgaben der Abfallentsorgung . . . . . . . . . . . . . ..

131

b) Verwaltungsrechtliche Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

133

aa) Erledigung von Aufgaben durch die Kommunen

.........

133

bb) Mitbenutzung von Entsorgungsanlagen durch den Verband ...

133

Inhalt

15

c) Rechtspolitische Betrachtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

134

aa) Regionales Abfallwirtschaftskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . .

134

bb) Verfassungsmäßige Aufgabenverlagerung . . . . . . . . . . . . . .

135

4. Wirtschaftsförderung und Tourismus-Marketing . . . . . . . . . . . . . ..

136

a) Verfassungsrechtliche Betrachtung - Vereinbarkeit mit Art. 28 GG, 71 LV BW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

138

aa) WirtschaftsfOrderung als kommunale Aufgabe

138

bb) Tourismus-Marketing als kommunale Aufgabe . . . . . . . . . ..

141

b) Privatrechtliche Organisationsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

142

c) Rechtspolitische Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

143

5. Zusätzliche regionalbedeutsame Aufgaben

144

Kapitel 5

Die Finanzierung des Verbands Region Stuttgart

146

I. Finanzielle Problemstellungen im Stadt-Umland-Bereich . . . . . . . . . . .

146

11. Finanzierung des Verbands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

147

..................................... .

147

2. Landeszuschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

148

3. Verbandsumlage

148

1. Gebühren

a) Voraussetzungen der Zulässigkeit von Umlagen . . . . . . . . . . . . .

150

b) Umlage für den regionalbedeutsamen ÖPNV

............. .

151

c) Umlage für die Abfallentsorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

151

d) Umlage von den Gemeinden

151

....................... .

Kapitel 6

Organisationsstruktur des Verbands Region Stuttgart I. Regionalversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

1. Aufgaben

152 153

......................................

153

2. Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

153

3. Direktwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

154

11. Verbandsvorsitzender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

155

m. Regionaldirektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

155

16

Inhalt

IV. Beschluß der Organisationsform vor Erlaß des Gesetzes über die Stärkung der Zusammenarbeit in der Region Stuttgart . . .. . . . . . . . V. Vorwirkung von Gesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

156 156

Kapitel 7 Alternativmodelle

I. Beibehaltung der bisherigen Formen interkommunaler Zusammenarbeit

159 159

1. Regionalverband Mittlerer Neckar . . . . . . .

159

2. Nachbarschaftsverband Stuttgart

160

3. Zweckverbände . . . . . . . . . . .

160

4. Beibehaltung der bisherigen Organisationsformen . . . . . . .

161

11. Freiwillige Zusammenarbeit . . . . .

161

III. Regionalkreis Stuttgart

162

IV. Regionalstadt Stuttgart

166 Kapitel 8 Schlußbetrachtungen

169 169

I. Siedlungsentwicklung 11. Regionalverkehr

170

III. Abfallentsorgung

171

IV. Wirtschaftsförderung und Tourismus-Marketing

173

V. Zusätzliche regionalbedeutsame Aufgaben

174 174

VI. Finanzierung der Region . . . . . VII. Die Verbandslösung .

175

VIII. Ausblick . . . . . . . .

175 Literaturverzeichnis

178

Anhang

189

Kapitel I

Stadt-Umland-Problematik in der Region Stuttgart I. Die Problemstellung Immer wenn über Reformen im Stadt-Umland-Bereich nachgedacht wird, beziehen sich diese Überlegungen auf eine Vielzahl unterschiedlicher Problemstellungen. Grundansatzpunkt ist der Verstädterungsprozeß im Rahmen der industriellen Entwicklung. Die Verknappung des zur Verfügung stehenden Bodens und die wegen des Ausbaus von Verkehrssystemen zunehmende Attraktivität von Standorten in den Umlandgemeinden haben zu erheblichen räumlichen Segregationsprozessen geführt, die aufzufangen oder wenigstens zu kontrollieren das Ziel einer Vielzahl unterschiedlicher Organisationsformen des Stadt-Umland-Verbundes waren.' Die Ausuferung der Stadt in ihr Umland trennte den Zusammenhang von sozio-ökonomischer Problementstehung und räumlicher Verteilung der Ressourcen zur Problemlösung; induzierte Stadtftuchttendenzen in das Umland, ohne daß die Kernstädte gleichzeitig ihr infrastrukturelles Angebot reduzieren konnten, führten zu einer zunehmenden Zersplitterung der Siedlungseinheiten und steigender ökologischer Belastung sowie anderes mehr. 2 Dem Verwaltungsjuristen stellt sich angesichts der durch Konzentrationsprozesse erhöhten Mobilität der Bevölkerung, der gestiegenen sozialen Bedürfnisse und der wachsenden Funktionsteiligkeit der Arbeits- und Lebensbedingungen besonders im Stadt-Umland-Bereich entstehenden Verwaltungsproblemen die Frage, ob diese Probleme mit der oft kleinräumigen, gelegentlich sogar zersplitterten Kommunalstruktur noch zu lösen sind. 3 Besonders bei der Neuregelung der Aufgabenverteilung im StadtUmland-Bereich muß der Gesetzgeber den verfassungsrec!:ttlich vorgegebenen Rahmen der institutionellen Garantie der Gemeindeverbandsebene beachten. 4 Nicht zu verkennen ist einerseits, daß eine Lösung der Verwaltungsprobleme im Stadt-Umland-Bereich besonders dringlich ist, andererseits für diesen Bereich völlig neuartige kommunalverfassungsrechtliche Organisationsmodelle entwickelt werden, die aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht unbedenklich erscheinen. 5 Fürst/Hesse / Richter, Stadt und Staat, S. 57 ff. Fürst, Stadtökonomie, S. 11 ff. l Stüer, Funktionalrefonn und kommunale Selbstverwaltung, S. 101. 4 Wagener, Modelle der Stadt-Umland Verwaltung, S. 957 ff. S Stüer, Funktionalrefonn und kommunale Selbstverwaltung, S. 101. I

2

2 Wolf

18

Kap. I: Stadt-Umland-Problematik in der Region Stuttgart

11. Gang der Arbeit "Es geht um die Entwicklungschancen der Region Stuttgart und auch des Landes Baden-Württemberg", so Stuttgarts Oberbürgermeister Manfred Rommel in seinen Bemerkungen zur Regionalkonferenz. 6 Wieder einmal ist das Thema Verwaltungsreform in Baden-Württemberg und insbesondere eine Neuorientierung der Verwaltung in Stuttgart und im mittleren Neckarraum hochaktuell. Die komplexer gewordenen Aufgaben, die von der Verwaltung bewältigt werden müssen, wie auch die Entwicklungen in Europa stellen für die "Region Stuttgart" eine große Herausforderung dar. Um auf dem europäischen Markt bestehen zu können, muß eine Neuordnung der "Region Stuttgart" erfolgen. Anspruch des Verfassers ist es, die aufgezeigte Problematik im Stadt-Umland-Bereich exemplarisch am Beispiel der Stadt Stuttgart zu untersuchen. Thematisiert werden die sich mit einer Neuordnung der "Region Stuttgart" stellenden verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Fragen. Nicht ausgeblendet werden soll jedoch auch die politische Dimension dieser Problematik, ohne die die Bestrebungen zur Neuordnung der "Region Stuttgart" wohl kaum verständlich gemacht werden können. Im ersten Teil gibt der Verfasser einen Abriß über die Entstehung der Stadt-Umland-Problematik allgemein und in der "Region Stuttgart". Insbesondere eingegangen werden soll auf die Verwaltungsreform von 1968 bis 1974. Die im Rahmen dieser Verwaltungsreform entwickelten Modelle der Zusammenarbeit in der "Region Mittlerer Neckar" werden dargestellt. Deutlich gemacht wird hier die Diskrepanz zwischen den Interessen der Umlandgemeinden und den Interessen der Stadt Stuttgart. Letztendlich soll bewertet werden, ob die gefundenen Lösungen wirklich zu einer Bewältigung des Stadt-Umland-Problems im Mittleren Neckarraum beitragen. Das Ende des ersten Teils ist der kurzen Darstellung und Problematisierung des aktuellen Stadt-Umland-Problems in der "Region Mittlerer Neckar" gewidmet. Untersucht werden die Probleme im Zusammenhang mit der Siedlungsentwicklung, dem Regionalverkehr, der Abfallbeseitigung sowie sonstigen Bereichen. Als Abschluß des ersten Teils sollen die bisherigen Modelle einer Zusammenarbeit in der Region Stuttgart kurz skizziert werden. Der zweite Teil beschäftigt sich zunächst allgemein mit den in der Theorie vertretenen Modellen einer Stadt-Umland-Verwaltung. Sodann sollen die verschiedenen Modellvorschläge, die fur eine Zusammenarbeit in der "Region Stuttgart" vorgebracht worden sind, vorgestellt werden. Erläutert wird das Modell "Regional stadt Stuttgart", das Modell "Regionalkreis Stuttgart" sowie verschiedene Verbandsmodelle. n Rommel, An einer Neuordnung der Region hängt ihre Zukunft - Bemerkungen zur Regionalkonferenz, Amtsblatt der Stadt Stuttgart, Nr. 20 vom 14.05.1992, Sonderbeilage.

11. Gang der Arbeit

19

Es folgt das Kernstück der Ausführungen: eine Darstellung, rechtliche Einordnung und Bewertung der gesetzlichen Neuregelung der Region Stuttgart durch das "Gesetz über die Stärkung der Zusammenarbeit in der Region Stuttgart". Dieses Gesetz soll untersucht werden und in bezug auf die damit geplante Aufgabenverlagerung eine vor dem Hintergrund von Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 71 Abs. 1 LV Baden-Württemberg angelegte Analyse erfolgen. Insbesondere werden hier jedoch auch generelle Überlegungen zur Vereinbarkeit einer Aufgabenverlagerung von der Gemeindeebene auf eine übergeordnete Verwaltungsebene mit dem Recht auf kommunale Selbstverwaltung angestellt. Ferner soll die verwaltungsrechtliche Einordnung der Neuregelung und eine rechtspolitische Bewertung erfolgen. Eingegangen werden soll aber auch auf die Organisationsstruktur der "Region Stuttgart". Insbesondere soll hier die Regionalversammlung sowie die Wahl zu diesem Gremium erörtert werden. Letztendlich soll die Problematik der Finanzierung der Region angerissen werden. Ein weiterer Teil schließlich widmet sich einer Wertung der vom Landesgesetzgeber geschaffenen Lösung und einer Reflexion über andere denkbare Modelle. Den Möglichkeiten einer weiteren kommunalen Zusammenarbeit auf der bis zum Erlaß des Gesetzes über die Stärkung der Zusammenarbeit in der Region Stuttgart bestehenden gesetzlichen Grundlagen soll nachgegangen werden. Zum Schluß erfolgt eine Zusammenfassung und Wertung der wesentlichen Ergebnisse sowie ein Ausblick auf weitere Entwicklungsmöglichkeiten für den Verband Region Stuttgart zum Regionalkreis oder gar zur Regionalstadt.

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Kapitel 2

Historische Entwicklung in der Region Stuttgart I. Die Stadt-Umla'nd-Geschichte von Stuttgart Auch Stuttgart war und ist mit den oben dargestellten Stadt-Umland-Problemen belastet. Im Laufe der Geschichte sind verschiedene Strategien verfolgt worden, die anstehenden Probleme zu lösen.

1. Bis zum Beginn der NS-Zeit Stuttgart als württembergische Residenzstadt hatte Mitte des 19. Jahrhunderts etwa 50.000 Einwohner.) Schnell stieg diese Zahl an, so daß mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 etwa 300.000 Einwohner in den Stadtgrenzen Stuttgarts lebten. 2 Schon vor der Jahrhundertwende, aber insbesondere in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, betrieb die Stadt Stuttgart eine extensive Eingemeindungspolitik. 3 Die erfolgten Eingemeindungen stellten sich vor allem als eine Folge der Massenarbeitslosigkeit mit ihren enormen kommunalen Wohlfahrtslasten dar. Diese Lasten konnten von den Umlandgemeinden in vielen Fällen nicht mehr getragen werden und zwangen diese, ihre Eigenständigkeit aufzugeben. 4 Schon damals war also das auch heute immer wieder genannte Instrumentarium der "Regionalstadt" bekannt und wurde durch die vielen Eingemeindungen angewandt. Ende der Zwanziger Jahre stieß die Stuttgarter Eingemeindungspolitik auf immer mehr Widerstand der betroffenen Gemeinden. Stuttgart dachte in gewisser Weise um und suchte neue Lösungsmöglichkeiten für eine Zusammenarbeit mit den Umlandgemeinden. Die freiwillige Zusammenarbeit zum Wohle der ganzen Region wurde als letztendlich für alle lohnenswertes Mittel propagiert. 5 In die Diskussion gebracht wurde aber auch der Vorschlag, regionale Planungsverbände zu gründen. 6 So hatte die Stadt Stuttgart einen am 11. Mai I

2

Fürst / Hesse / Richter, Stadt und Staat, S. 57 ff. Sauer, Kleine Geschichte Stuttgarts, S. 19.

) Borst, Die Geschichte der Stadt Stuttgart, S. 316 ff. Kohlhaas, Chronik der Stadt Stuttgart 1918-1933, S. 130 ff. 5 Borst, Die Geschichte der Stadt Stuttgart, S. 321. h Fürst / Hesse / Richter, Stadt und Staat, S. 59.

4

I. Die Stadt-Umland-Geschichte von Stuttgart

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1931 gegründeten Bezirksplanungsverband initiiert, der alle kommunalen Gebietskörperschaften in einem Umkreis von 20 Kilometer um Stuttgart erfassen sollte und in erster Linie auf eine gemeinsame Raumplanung und Koordination der daraus abzuleitenden kommunalen Maßnahmen ausgerichtet war. 7 Geprägt war dieser, als eingetragener Verein organisierte Planungsverband vom Gedanken einer umfassenden wirtschaftlichen Planung in der Region Stuttgart, ohne die Umlandgemeinden in ihren kommunalen Aufgaben zu beschränken.

2. Die Zeit des Nationalsozialismus Dem mit dem Bezirksplanungsverband beschrittenen kommunal-kooperativen Weg wurde mit der von den Nationalsozialisten vertretenen Ideologie die strukturelle Grundlage entzogen. Das von den Nationalsozialisten bis in die Kommunalebene hinein durchgesetzte hierarchisch-zentralistische Führerprinzip ließ für pluralistisch-dezentrale Kooperationsstrategien keinen Raum mehr. 8 Regionalplanung wurde zur staatlichen Aufgabe. Die Arbeit des Bezirksplanungsverbands wurde - vom Standpunkt der in Angriff genommenen Planung aus gesehen - zu einem zufälligen Zeitpunkt abgebrochen. An die Stelle des Verbands trat die Staatliche Bezirksstelle Stuttgart der Landesplanungsgemeinschaft Württemberg-Hohenzollem. 9 Die Zeit des Nationalsozialismus war für Stuttgart durch viele Zwangseingemeindungen geprägt. So wurden bereits im Mai 1933 vier Umlandgemeinden eingemeindet. JO 1937 folgten weitere vier Umlandgemeinden 11, im Jahre 1942 wurden nochmals acht eingemeindet. 12 Damit war Stuttgart endgültig zur Großstadt geworden und der Umkreis der Stadt-Umland-Beziehungen verlagerte sich nach außen.

3. Nach dem Zweiten Weltkrieg Nachdem die im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau bestehenden Probleme gelöst waren, traten die mit den Beziehungen der Stadt Stuttgart zu ihrem Umland verkörperten Problemstellungen stark in den Vordergrund. Dies war vor allem dadurch ausgelöst worden, daß in der Kemstadt das BauBezirksplanungsverband Stuttgart, Ein Abschlußbericht, S. 7. Fürst/Hesse/Richter, Stadt und Staat, S. 59. 9 Bezirksplanungsverband Stuttgart, Ein Abschlußbericht, S. 1 ff. 10 Eingemeindet wurden Feuerbach, Mühlhausen, Weilimdorf und Zazenhausen. Vgl. Borst, Die Geschichte der Stadt Stuttgart, S. 398. " Eingemeindet wurden Sillenbuch, Heumaden, Rohracker und Uhlbach. Vgl. Sauer, Kleine Geschichte Stuttgarts, S. 72. I} Eingemeindet wurden Birkach, Riedenberg, Sonnenberg, Plieningen, Hohenheim, Stammheim, Vaihingen und Rohr. Vgl. Borst, Die Geschichte der Stadt Stuttgart, S. 398. 7

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Kap. 2: Historische Entwicklung in der Region Stuttgart

land immer knapper geworden war und die dadurch steigenden Bodenpreise die privaten Neuinvestitionen immer weiter ins Umland verschoben. Folge für die Stadt Stuttgart war ein enormes Infrastrukturproblem, da die Pendlerströme nicht mehr bewältigt werden konnten. Außerdem drohte eine Zersiedlung des Umlandes und damit der Verlust von Naherholungsgebieten für die Kemstadt. 13 Weitere Eingemeindungen wie zur Zeit der Nationalsozialisten erschienen undenkbar, war doch das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung als eines der tragenden Prinzipien im Grundgesetz festgeschrieben worden. Der Kemstadt Stuttgart konnten somit nur kooperative Problemlösungen als machbar erscheinen, die die individuelle Eigenständigkeit der Umlandgemeinden unangetastet ließen. 14 a) Kommunale Arbeitsgemeinschaft für den Stuttgarter Raum

1956 entstand zwischen der Stadt Stuttgart und einigen Umlandgemeinden eine "Kommunale Arbeitsgemeinschaft für den Stuttgarter Raum".15 Allerdings war die von der Stadt Stuttgart angestrebte Organisation in Form eines eingetragenen Vereins nicht möglich. Die Umlandgemeinden sahen ihre Unabhängigkeit gefährdet. Somit war nur eine lose Vereinbarung möglich. Gleichzeitig entstanden aber auch im Umland Planungsgemeinschaften, an denen die Stadt Stuttgart nicht beteiligt war. 16

Die Arbeitsgemeinschaft war jedoch ein gänzlich untaugliches Mittel, die anstehenden großen Probleme zu lösen. Als die Stadt Stuttgart 1956 einen Generalbebauungsplan erließ und im Nordwesten der Stadt ein großes Industriegebiet auswies, stieß dies auf wenig Gegenliebe der angrenzenden Umlandgemeinden. Stuttgart berief sich allerdings auf seine Planungshoheit und hielt an dem Projekt fest. In einem von der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft in Auftrag gegebenen Gutachten wurde dem Industrieansiedlungsprojekt der Stadt Stuttgart bescheinigt, daß es dann raumordnungspolitisch sinnvoll sei, wenn ihm unter Außerachtlassung der juristischen Gemeindegrenzen Wohnbereiche im Umland zugeordnet würden. Damit war der Gutachter über die reine Bestandsaufnahme hinaus in den Bereich der raumordnungspolitischen und daraus folgenden verwaltungsorganisatorischen Perspektiven vorgestoßen. 17 Dieses, für eine über die bloße unverbindliche regionale Zusammenarbeit hinausgehende Problemlösung sprechende Ergebnis wurde von den Umlandgemeinden als Versuch Stuttgarts gewertet, seine "imperialistische" I)

14 15 16

17

Fürst/Hesse/Richter, Stadt und Staat, S. 57 ff. Fürst / Hesse / Richter, a.a.O., S. 60. Stadt Stuttgart, Gemeinderatsdrucksache II B /1967 vom 13.03.1967, S. 2. Nester, Regionalplanung im Mittleren Neckarraum. Fürst/Hesse/Richter, Stadt und Staat, S. 61.

I. Die Stadt-Umland-Geschichte von Stuttgart

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Umlandpolitik fortzusetzen. '8 Folge war die Aufkündigung der Mitarbeit der Umlandgemeinden in der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft und eine verstärkte Zusammenarbeit der Umlandgemeinden untereinander. Zu einer Lösung der anstehenden Probleme ftihrte dies jedoch nicht, sondern wirkte eher kontraproduktiv. b) Regionaler Planungsverband "Mittlerer Neckar"

Diese Gegenbewegung ftihrte Anfang der sechziger Jahre zu mehreren regionalen Planungsgemeinschaften der Umlandgemeinden. Erst Mitte der sechziger Jahre wurde der Kontakt zwischen der Stadt Stuttgart und den regionalen Planungsgemeinschaften verstärkt und mündete in einen "Regionalen Planungsverband Mittlerer Neckarraum".'9 Da durch das Landesplanungsgesetz von 1962 die Grundlage ftir eine stark strukturierte Landesplanung geschaffen worden war, sollte durch den Planungsverband eine Institution der einheitlichen Interessenvertretung in der Auseinandersetzung um den Gebietsentwicklungsplan mit dem Land gewährleistet werden. 20 Aus Sicht der Stadt Stuttgart allerdings war der Regionale Planungsverband die Vorstufe eines mit Vollzugs- und Finanzierungskompetenzen ausgestatteten Mehrzweckverbandes. Bemühungen der Stadt Stuttgart in diese Richtung scheiterten jedoch an dem Widerstand der Umlandgemeinden, die den Verband auf eine reine Planungs- und Vertretungsfunktion gegenüber dem Land begrenzt halten wollten. 21 Eine Lösung der Stadt-Umland-Problematik im Großraum Stuttgart war somit wieder nicht erreicht.

4. Verwaltungsreform von 1968 bis 1974 Mitte der sechziger Jahre wurde eine umfassende Verwaltungsreform in Baden-Württemberg stark thematisiert. Zunächst schien dieses Thema nur die ländlichen, strukturschwachen Räume zu betreffen. Die vorerst so eingegrenzte Verwaltungsrefonndiskussion hatte jedoch ein Klima geschaffen, das eine Ausdehnung dieser Diskussion auch auf die Verdichtungsräume begünstigte. 22 Nach einer langen Phase der Tabuisierung wurde es möglich, auch Fürst / Hesse / Richter, Stadt und Staat, S. 61. Deutsche Akademie flir Städtebau und Landesplanung (Hrsg.), "Stuttgart im Mittleren Neckarraum". 20 Sonnenherg, Bericht aus der Arbeit der Abteilung VII - Landesplanung - des Innenministeriums Baden-Württemberg und der LandesplanungsteIle während der Jahre 1952-1973, S. 123. 21 Fürst/Hesse/Richter, Stadt und Staat, S. 80. 22 Schimanke, Verwaltungsreform Baden Württemberg, S. 65 ff. IR

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Kap. 2: Historische Entwicklung in der Region Stuttgart

die gewachsene administrative Struktur der Stadt-Umland-Räume in Frage zu stellen und zu diskutieren. 23 a) "Verbandslösung" als Vorschlag der Stadt Stuttgart

Auch Stuttgart brachte zu diesem Zeitpunkt seine Stadt-Umland-Probleme wieder aufs Papier. Die vorgeschlagenen Modelle orientierten sich an den aus der Sicht der Stadt Stuttgart machbar erscheinenden Lösungen. Eingemeindungen als Problemlösung wurden generell abgelehnt. Nicht nur die Sensibilität der Umlandgemeinden aufgrund der Eingemeindungspolitik in den dreißiger und vierziger Jahren, sondern auch die Lage Stuttgarts war hierfür ausschlaggebend. Die Eingemeindung wurde als ein durchaus raumordnerisch wirksames Instrument beurteilt, sofern eine Kernstadt von mehreren ländlich strukturierten Gemeinden umgeben ist, jedoch nicht, wenn diese von einer Städteschar umgeben ist und in einem größeren, stark besiedelten Verdichtungsgebiet liegt. 24 Vielmehr verfolgte man in Stuttgart den Gedanken, die Probleme mit dem Umland über das bereits bestehende und weiter auszubauende Verbandsinstrumentarium (Regionaler Planungsverband, Zweckverbände) zu lösen. 25 Allerdings bestand auch eine gewisse Skepsis, daß der freiwillige Zusammenschluß der Stadt Stuttgart mit den Umlandgemeinden nicht ausreichen würde, um wirkungsvoII zu planen und später diese Pläne zu verwirklichen. AIIzu groß waren die Interessengegensätze im dicht besiedelten Wirtschaftsraum, so daß die Durchsetzung der geplanten Vorhaben als undurchführbar erschien. 26 b) Die Dichtel-Kommission

Die 1968 vom Innenministerium ins Leben gerufene Dichtel-Kommission hatte unter anderem die Aufgabe zu prüfen, wie die Zusammenarbeit der größeren Städte mit den Gemeinden ihres Umlandes verbessert werden konnte. 27 In ihrem Gutachten wurden zwei Verflechtungsräume im Stadt-Umland-Bereich definiert. Starke Verflechtungen wurden für den engeren, in seiner Siedlungs-, Wirtschafts- und Arbeitsstruktur verstädterten Bereich (Nachbarschaftsbereich) festgesteIIt. Diese Verflechtungen können so vielfältig und dicht sein, daß die Siedlungen oder Gemeindegebiete kaum mehr zu unterFürst / Hesse / Richter, Stadt und Staat, S. 80. Hahn, Landeshauptstadt und Mittelpunkt des Mittleren Neckarraumes, S. 103 ff. (112). 2; Fürst / Hesse / Richter, Stadt und Staat, S. 80 ff. 2. Hahn, Landeshauptstadt und Mittelpunkt des Mittleren Neckarraumes, S. 103 ff. (115). 27 Staatsministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Dokumentation über die Verwaitungsrefom in Baden-Württemberg, S. 12. 23

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I. Die Stadt-Umland-Geschichte von Stuttgart

25

scheiden sind und zu einer baulich und sozialökonomischen Einheit verschmelzen. Die Verschmelzung kann dazu führen, daß die Gemeinden nicht mehr als eigenständige örtliche Gemeinwesen mit individuellen Aufgaben erscheinen. 28 In dem Gutachten wurde aber auch festgestellt, daß die Ausstrahlung der Städte über ihre engeren Bereiche hinausreicht. Der Nachbarschaftsbereich wird durch einen tiefen, vielfaltigen, in sich gegliederten Raum ergänzt, der als Zwischenzone das engere städtische Verflechtungsgebiet und die ländlichen Räume verbindet. Dieser erweiterte Verflechtungsraum liegt noch im unmittelbaren Ausstrahlungsgebiet der Stadt und hat nach Funktion und Struktur besondere planerische Aufgaben. 29 Im Nachbarschaftsbereich wurden kommunale Gebietsänderungen und eine Verbesserung der zwischengemeindlichen Zusammenarbeit vorgeschlagen. Hierbei war zunächst an Eingemeindungen von Umlandgemeinden in die Kernstädte, vor allem im Bereich der Mittelstädte, gedacht worden. Auch ein Zusammenschluß von Umlandgemeinden untereinander wurde als Beitrag zur Lösung des Stadt-Umland-Problems gesehen, wenn ein solcher Zusammenschluß nicht zu einer Einmauerung der Kernstädte führte und deren Entwicklungsspielraum nicht zu stark beschränkt wurde. 3D c) Die Parteienkommission

Eine von der Landes-CDU gebildete Parteienkommission "Verwaltungsreform" beschloß am 25. Februar 1970 zehn Leitsätze, in denen vorgeschlagen wurde, acht Stadt- und 38 Landkreise zu bilden, und 12, das gesamte Land abdeckende Regionalverbände zu schaffen. Diese Regionalverbände waren so konzipiert, daß sie die in ihrem Gebiet liegenden Stadt- und Landkreise umfassen und die Stadt-Umland-Probleme lösen sollten. Die vorgeschlagene Zuständigkeit umfaßte zunächst alle Aufgaben der Regionalplanung, jedoch sollte auch die Übertragung weiterer Aufgaben möglich sein. Für die Zukunft wurde die Entwicklung der Regionalverbände zu Regionalkreisen offengehalten. 31 Stuttgart und sein Umland wurden in diesem Modell zur "Region Mittlerer Neckar" zusammengefaßt. 32

2' Staatsministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Gutachten der Dichtel-Kommission, Teil B, S. 559. 29 Staatsministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), a.a.O., S. 560. 30 Kaiser/von Schaewen, Stuttgart und die Region Mittlerer Neckar, S. 178. 31 Staatsministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Abschlußbericht der Parteienkommission, S. 67 ff. 32 Diese Region bestand aus den damaligen Landkreisen Böblingen-Leonberg, EsslingenNürtingen, Ludwigsburg-Vaihingen, Waiblingen-Backnang sowie dem Stadtkreis Stuttgart.

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Kap. 2: Historische Entwicklung in der Region Stuttgart d)

Die Kompromißlösung

Insgesamt waren die verschiedenen, im Raum stehenden Vorschläge so umstritten 3\ daß es nach Auffassung der Landesregierung einer Überarbeitung der vorgeschlagenen Problemlösungen bedurfte. So wurd~ die DichtelKommission und die Reschke-Kommission 34 beauftragt, erneut - nun gemeinsam - die Problematik zu überdenken und neue Vorschläge zu unterbreiten. Das am 19. Juli 1970 vorgelegte, gemeinsam erarbeitete Gutachten 35 hatte die Vorschläge der CDU-Parteienkommission vollständig aufgegriffen. Dieses gemeinsame Gutachten bildete die Grundlage einer Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und SPD, die sowohl von der Landesregierung als auch von den Koalitionsfraktionen bestätigt wurde. Am 23. Juli 1971 wurden auf dieser Grundlage das Kreisreformgesetz 36 und das Regionalverbandsgesetz37 erlassen. Baden-Württemberg wurde somit zum 1. Januar 1973 in elf Regionen 38 eingeteilt, für die jeweils ein Regionalverband zuständig war. Der Regionalverband Mittlerer Neckar stellte mit einer Bevölkerung von etwa 2,3 Millionen den einwohnerstärksten Regionalverband dar. Er umfaßte das Gebiet der Stadt Stuttgart und der fünf neu gebildeten Landkreise Böblingen, Esslingen, Göppingen, Ludwigsburg und Rems-Murr. 39 Die Region deckte sich damit im wesentlichen mit dem Zuständigkeits bereich des Regionalen Planungs verbands Mittlerer Neckarraum, in dem seit 1967 die Stadt Stuttgart und die drei bisher im Mittleren Neckarraum bestehenden regionalen Planungsgemeinschaften Württemberg-Mitte, Rems-Murr und Neckar-Fils zusammengearbeitet hatten. 4o Diehm, Überlegungen zur Baden-Württembergischen Verwaltungsreform, S. 8 ff. Die Reschke-Kommission war, im Gegensatz zur Dichtel-Kommission - die sich mit Fragen der kommunalen Verwaltungsreform beschäftigte -, ursprünglich ins Leben gerufen worden, um Modelle zur Reform der staatlichen Verwaltung zu erarbeiten. Vg!. Staatsanzeiger Baden-Württemberg, Nr. 25 vom 29.03.1969, S. 5 f., Bekanntmachung Nr. 1455/19 vom 25.03.1969. 35 Staatsanzeiger fur Baden-Württemberg, Sonderbeilage, Gutachten zur Kreisreform, Juli 1970. 36 Erstes Gesetz zur Verwaltungsreform (Kreisreformgesetz) vom 26.07.1971, GB!. S. 314 ff. 37 Zweites Gesetz zur Verwaltungsreform (Regionalverbandsgesetz) vom 26.07.1971, GB!. S. 336 ff. 3R Die 12. Region war die Region Donau-Iller (Ulm/Neu-Ulm), die grenzübergreifend angelegt war und sich auf bayerisches Gebiet erstreckte. Sie wurde geregelt durch Staatsvertrag mit Bayern vom 31.03.1973, vg!. GB!. S. 129 ff. 39 Kaiser/von Schaewen, Stuttgart und die Region Mittlerer Neckar, S. 178. 40 Kaiser/von Schaewen, a.a.O., S. 178. 33

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I. Die Stadt-Umland-Geschichte von Stuttgart

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Die Chance für eine Neuordnung der Region Stuttgart war verpaßt worden, denn nicht nur die räumliche Deckung mit dem Regionalen Planungsverband Mittlerer Neckarraum war gegeben; auch der Aufgabenbereich war im Prinzip deckungsgleich. Eine Lösung zugunsten einer umfassenden und mit weitreichenden Kompetenzen ausgestatteten Planungsinstitution für die Region Stuttgart war nicht erreicht worden. Das ursprüngliche Gutachten der Dichtel-Kommission hatte nur für den Bereich der baden-württembergischen Ballungsräume Regionalverbände mit gesetzlich umrissenen Vollzugskompetenzen vorgesehen. 41 Da außerhalb der Ballungsgebiete die Kreise größer als bisher angelegt werden sollten, hätten diese für den erweiterten Kreisbereich die regionale Planung übernommen. In dem CDU-Modell hatten sich aber die Interessen der Landkreise niedergeschlagen, eine möglichst große Zahl von Kreisen zu erhalten. Durch die damit verbundene Maßstabsverringerung verloren die neuen ·Kreise ihre Eignung als Träger der Regionalplanung, so daß auch für die Landkreise außerhalb der Ballungsgebiete Regionalverbände erforderlich wurden. 42 Diesen konnten wesentliche Vollzugsaufgaben nicht mehr übertragen werden, sollten die neuen Landkreise nicht von vornherein dadurch ausgehöhlt werden, daß sie Funktionen nach oben an die Regionalverbände und nach unten an die geplanten größeren kommunalen Einheiten abgeben mußten. Die Einführung der auf die Planung begrenzten Regionalverbände im ländlichen Raum reduzierten aber gleichzeitig auch die Wahrscheinlichkeit, daß für die Ballungsräume vollzugsorientierte Sonderverbände geschaffen würden. Die Landkreise im Ballungsraum konnten nunmehr - gestützt auf die allseitig akzeptierte Forderung, die Verwaltungsstruktur des Landes möglichst einheitlich und damit durchschaubar zu gestalten - die Abgabe von Vollzugskompetenzen an die Regionalverbände leichter ablehnen. 43 Die somit gegebene schwache Stellung der Regionalverbände kam im Regionalverbandsgesetz eindeutig zum Tragen. Hauptaufgabe - und in vielen Fällen wohl auch einzige Aufgabe der Regionalverbände war es, für die gesamte Region einen Regionalplan aufzustellen, der nach seiner Verbindlichkeitserklärung durch das Land für alle öffentlichen Planungsträger bindend wurde. 44 Neben dieser einzigen Pftichtaufgabe der Regionalverbände war lediglich eine freiwillige Übertragung von weisungsfreien Aufgaben auf den Regionalverband möglich. Damit war das Gesetz jedoch weit hinter den Vorstellungen, für den Mittleren Neckarraum einen stärkeren Regionalverband mit Vollzugskompetenzen, z.B. 41 Staatsministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Gutachten der Dichtel-Kommission, Teil B, S. 557. 42 Fürst/Hesse / Richter, Stadt und Staat, S. 96. 43 Fürst/Hesse / Richter, a.a.O., S. 97. 44

Regionalverbandsgesetz vom 23.07.1971, GBI. S. 336 ff.

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Kap. 2: Historische Entwicklung in der Region Stuttgart

auf dem Gebiet des Nahverkehrs und der regionalen Strukturförderung, zu schaffen, zurückgeblieben. 45 Es blieb somit bei der bisherigen Aufgabenverteilung. Der "Regionale Planungsverband Mittlerer Neckarraum" hatte sich lediglich in den gesetzlich konstituierten "RegionalV'erband Mittlerer Neckar" umgewandelt. Wesentliche Verbesserungen und neue Lösungsmöglichkeiten waren somit durch diesen ersten Abschnitt der Verwaltungsreform nicht hervorgebracht worden. Vielmehr wurde wieder auf die freiwillige Zusammenarbeit - ohne Abgabe von Kompetenzen - der vom Stadt-Umland-Problem betroffenen Gemeinden in Verbandslösungen gesetzt. 46 e) Erneute Bestrebungen für eine Zusammenarbeit in der Region Stuttgart

Mit Verabschiedung des Regionalverbandsgesetzes zog sich das Land aus der Diskussion um die Stadt-Umland-Probleme zurück. Man war der Meinung, eine geeignete Lösung für diese Problematik gefunden zu haben. Bereits im Vorfeld der Verabschiedung des Gesetzes, als klar wurde, daß die neu organisierte Regionalebene auf reine Planungsfunktionen beschränkt bleiben würde, hat die Stadt Stuttgart ihr Modell des "erweiterten Stadtkreises" reaktiviert. 47 In Stuttgart war man der Meinung, daß durch das Regionalverbandsgesetz nur die Stadt-Umland-Problematik im Zusammenhang mit dem erweiterten Verflechtungsraum angegangen worden sei. Das Verhältnis der unmittelbaren Umlandgemeinden zum Stadtkreis sollte nach dem Wunsch Stuttgarts so schnell wie möglich und nicht erst im Rahmen der anstehenden Gemeindereform überprüft werden. Nachbarschaftsverbände waren nach Auffassung der Stadt Stuttgart zwar wünschenswert, wurden aber nur als Teillösung für die zwischen der Stadt und den unmittelbaren Umlandgemeinden bestehenden Probleme angesehen. 48 Stuttgart strebte nach Lösungsmöglichkeiten, die die Zusammenarbeit sicherstellten, gleichzeitig aber die kommunale . Einheit bestehen ließen. 49 Eingemeindungen im Rahmen der bevorstehenden Gemeindereform wurden von Stuttgart nur sehr vorsichtig thematisiert. Der Vorschlag des "erweiterten Stadtkreises", der die individuelle Eigeriständigkeit der einzelnen Umlandgemeinden unangetastet lassen wollte, stieß bei den UmlandgemeinKaiser/von Schaewen, Stuttgart und die Region Mittlerer Neckar, S. 178. Günter Erlewein, MdL: "Zunächst aber muß es für die Zusammenarbeit der Großstädte mit den sie umgebenden Gemeinden möglich sein, partnerschaftliche Lösungen zu finden, bei denen die Nachbarschaftsgemeinden die Stadt-Umland Problematik zusammen mit der Großstadt bewältigen können, ohne dadurch. gleich ihre Eigenständigkeit aufgeben zu müssen." Vgl. LT-Prot. vom 22.07.1971, S. 7041 f. 47 Fürst/Hesse / Richter, Stadt und Staat, S. 113. 4M Fürst/Hesse/Richter, a.a.O., S. 113. 49 "Stuttgarter OB soll auch Landrat sein", Stuttgai1er Zeitung vom 05.01.1971. 45 46

l. Die Stadt-Umland-Geschichte von Stuttgart

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den auf große Ablehnung, da diese stille Eingemeindungen befurchteten. 5o Immer wieder wurde auf die Eingemeindungspolitik Stuttgarts während der Zeit des Nationalsozialismus verwiesen. Der "erweiterte Stadtkreis" (Regionalkreis) wurde darüber hinaus überwiegend abgelehnt, da erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken bestanden. 51 Somit schien Stuttgart sich wieder nicht mit einer Stärkung der Region durchsetzen zu können. Trotz heftiger Kritik von außen wurden aber auch immer noch bescheidene Eingemeindungsvorschläge unterbreitet. So hieß der Stuttgarter Gemeinderat die vom Innenministerium geplante Eingemeindung von Kemnat im Rahmen der Gemeindegebietsreform fur gut und regte die Eingemeindung von Gerlingen und Korntal an. 52 Stuttgart konnte sich damit jedoch nicht durchsetzen. Es ging bei der Gemeindegebietsreform, in deren Rahmen das aUgemeine Gemeindereformgesetz 53 und das besondere Gemeindereformgesetz54 verabschiedet wurden, leer aus, und konnte somit keinen Gebietszuwachs verzeichnen. Auch die Idee des "erweiterten Stadtkreises" war aufgrund des Widerstandes der Umlandgemeinden zunächst gescheitert. Bereits 1971 wurde vom Württembergischen Gemeindetag der Vorschlag eines Nachbarschaftsverbandes in Form einer Mustersatzung formuliert. Diesem Verband soUten sowohl die Kernstadt als auch die Umlandgemeinden angehören. Als Aufgabe war dem Nachbarschaftsverband die Flächennutzungsplanung übertragen. Ferner sollte er spezifische, in seinem Gebiet bestehende Stadt-Umland-Probleme lösen. Hierzu soUten ihm VoUzugsaufgaben übertragen werden (z.B. Industrie- und Strukturförderung, Umweltschutz, Altenhilfe, USW.).55 Stuttgart hatte, nachdem sich abzeichnete, daß das ModeIl des Regionalkreises nicht durchsetzbar war, in einem exklusiven Gesprächskreis mit wenigen Mittelstädten aus dem Umland 56 eine eigene Zweckverbandslösung erarbeitet, die im Mai 1972 als "Zweckverband Daseinsvorsorge und Umweltschutz" präsentiert wurde. 57 Diesen Vorstoß griffen die an den Gesprächen 50 5\

52

Fürst/Hesse/Richter, Stadt und Staat, S. 113. Püttner, Probleme zwischen Kern und Raum, S. 92 ff. Poker, Chronik der Stadt Stuttgart 1973 -1975, S. 74.

53 Drittes Gesetz zur Verwaltungsrefonn (Allgemeines Gemeinderefonngesetz) vom 09.07.1974, GBI. S. 237 ff. 54 Gesetz zum Abschluß der Neuordnung der Gemeinden (Besonderes Gemeinderefonngesetz) vom 09.07.1974, GBI. S. 248 ff. 55 Mustersatzung fiir einen Nachbarschaftsverband, Amtliche Mitteilungen, Die Gemeinde 1971, S. 458 ff.

5h Zu den von Stuttgart zum Gesprächskreis eingeladenen Städten gehörten Böblingen, Esslingen, Sindelfingen, Komwestheim, Leonberg und Ludwigsburg. 57 "Stuttgart und seine sechs Nachbarstädte sollen gemeinsam planen und handeln", in: Stuttgarter Zeitung vom 30.05.1972.

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Kap. 2: Historische Entwicklung in der Region Stuttgart

nicht beteiligten Umlandgemeinden auf, und es wurden Gespräche über einen Nachbarschaftsverband mit einem speziell auf den Stuttgarter Raum zugeschnittenen Aufgabenkatalog angeregt. Als im Januar 1973 die Landesregierung jedoch ihre Grundsätze zur Lösung des Stadt-Umland-Problems vorlegte, war der Versuch einer interkommunalen Lösung im Raum Stuttgart gescheitert. Nach dem Programm der Landesregierung sollten im Umland von Stuttgart Gemeindezusammenschlüsse durchgeführt werden, die neue Einheitsgemeinden von mindestens 20.000 Einwohnern entstehen lassen sollten. Diese neuen Städte sollten die Stadt Stuttgart entlasten. Probleme im Stadt-Umland-Bereich, die durch die Aufgabenverteilung zwischen Stuttgart und den neuen Großgemeinden nicht gelöst werden konnten, sollten durch vier verschiedene Nachbarschaftsverbände gelöst werden. Die Koordination der Nachbarschaftsverbände sollte dem "Regionalverband Mittlerer Neckar" obliegen. 58 Als diese Planung bekannt wurde, ließ das Interesse der Umlandgemeinden an einer gemeinsamen Lösung mit Stuttgart nach. Man hatte nun die Gewißheit, daß ein Regionalkreis oder gar Eingemeindungen in die Stadt Stuttgart nicht drohten. Die im Sommer 1973 von der Landesregierung endgültig verabschiedete Planung zur Lösung der Stadt-Umland-Probleme blieb dann jedoch weit hinter der ursprünglich geplanten Lösung zurück. Die Größenordnung der kommunalen Verwaltungseinheiten wurde von ursprünglich 20.000 Einwohner auf 8.000 Einwohner,59 die Anzahl der fiir die Region Stuttgart zu bildenden Nachbarschaftsverbände wurde auf einen reduziert. Auch der Aufgabenka~alog dieses Verbandes wurde gegenüber der ursprünglichen Planung erheblich eingeschränkt. Eine zunächst vorgesehene Kompetenz-Kompetenz 60 war nicht mehr festgelegt worden. Die Frage, welche Vollzugsaufgaben der Nachbarschaftsverband übernehmen sollte, wurde der freiwilligen Vereinbarung der Verbandsmitglieder überlassen. Die gemeinsame Flächennutzungsplanung war allerdings noch als Aufgabe vorgesehen. 61 Das Nachbarschaftsverbandsgesetz, das am 4. Juli 1974 vom Landtag beschlossen wurde, beinhaltete die der Planung der Landesregierung zugrundeliegenden Bestandteile. 62

Fürst/Hesse / Richter, Stadt und Staat, S. 12\. Bekanntmachung des Innenministeriums über die Zielplanung der Landesregierung für die Gemeindereform vom 20.08.1973, GAB\. S. 735 ff.. 60 Die ursprünglich vorgesehene "Kompetenz-Kompetenz" sollte dem Nachbarschaftsverband ermöglichen, Aufgaben der verbandsangehörigen Gemeinden mit einer 2/ 3-Mehrheit zur ausschließlichen Erfüllung auf den Nachbarschaftsverband zu ziehen. 61 Fürst/Hesse / Richter, Stadt und Staat, S. 12\. 62 Viertes Gesetz zur Verwaltungsreform (Nachbarschaftsverbandsgesetz) vom 04.07. 1974, GBI. S. 261 ff. 5K

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I. Die Stadt-Umland-Geschichte von Stuttgart

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Es war somit auch im Rahmen dieses Gesetzes wieder bei einer Kompromißlösung geblieben. Die Umlandgemeinden wollten den Nachbarschaftsverband nicht, da er ihnen zu wenig Vorteile brachte; die Stadt Stuttgart hingegen sah den Nachbarschaftsverband als Vorstufe zur Regionalstadt. Eine Zwischenlösung war das Ergebnis des Nachbarschaftsverbandsgesetzes. 63 Der Nachbarschaftsverband Stuttgart hat zum 1. Januar 1976 seine Arbeit aufgenommen. Für die Region Mittlerer Neckar war damit abermals die Chance verpaßt, eine effektive und praktikable Lösung der Stadt-Umland-Probleme zu schaffen. 5. Stadt-Umland-Kommission Stuttgart Durch die im Rahmen der Verwaltungsreform gefundenen Lösungen war zumindest aus Sicht der Stadt Stuttgart - das Stadt-Umland-Problem von Stuttgart und dem Mittleren Neckarraum nicht beseitigt worden. Mit einer Denkschrift von Stuttgarts Oberbürgermeister Manfred Rommel 64 bat die Stadt Stuttgart im November 1975 um eine Wiederaufnahme der Diskussion über eine sachgerechte Lösung der Beziehungen der Kernstadt zu ihrem Umland. 65 Angeregt wurde die Bildung einer Kommission, um Lösungsmöglichkeiten für die Stadt-Umland-Probleme zu erarbeiten. Dieser Kommission sollten Vertreter der Stadt Stuttgart, des Umlandes und des Landes angehören. 66 Bei der Erörterung der Stadt-Umland-Probleme Stuttgarts, zu der Ministerpräsident Filbinger die Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte des im Entstehen begriffenen Nachbarschaftsverbands Stuttgart im Dezember 1975 eingeladen hatte, wurde eine solche Stadt-Umland-Kommission gegründet und mit einem umfassenden Auftrag ausgestattet. 67 63 So die Ausfiihrungen des Innenministers Schieß im Rahmen der Gesetzesberatungen, vgl. LT-Prot. vom 04.04.1974, S. 3333. M Rammel, Gedanken zur Kemstadt-Umland Frage in der Region Mittlerer Neckar vom 06.11.1975. 65 Stadt-Umland-Kommission Stuttgart, Bericht zur Stadt-Umland-Frage im Raum Stuttgart (Stadt-Umland Bericht), S. 5. 66 Rammel, Gedanken zur Kemstadt-Umland-Frage in der Region Mittlerer Neckar vom 06.11.1975, S. 23. 67 Auftrag der Kommission war es, eine vergleichende Bestandsaufnahme der Verhältnisse in Stuttgart und seinem Umland durchzuführen, eine Analyse der Stadt-Umland Probleme im Raum. Stuttgart unter besonderer Berücksichtigung der strukturellen und finanziellen Probleme des Raumes zu erarbeiten sowie Vorschläge zu unterbreiten, wie die Stadt-Umland-Situation im Bereich Stuttgart auf der Grundlage des geltenden Nachbarschaftsverbandsgesetzes, der Weiterentwicklung dieses Gesetzes oder auf sonstige Weise verbessert werden kann. Vgl. Stadt-Umland-Kommission Stuttgart. Bericht zur Stadt-Umland-Frage im Raum Stuttgart (Stadt-Umland-Bericht), S. 5.

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Kap. 2: Historische Entwicklung in der Region Stuttgart

a) Denkschrift der Stadt Stuttgart

In der Denkschrift von Oberbürgermeister Rommel wurde erneut der Gedanke einer "Regionalstadt Stuttgart" in die Diskussion geworfen. Als Modifikation zu einer Regionalstadt wurde allerdings vorgeschlagen,. mehrere Regionalstädte im gesamten Gebiet des Mittleren Neckarraums zu bilden und diese durch einen Regionalverband zusammenzufassen. 68 Die Chancen für eine Verwirklichung dieses, nur im Ansatz angesprochenen Modells dürften auch vom Verfasser der Denkschrift als eher gering eingeschätzt worden sein, da schwerpunktmäßig eine Verbesserung der Verbandslösungen ausgeführt wurde. So sollten der Nachbarschaftsverband und der Regionalverband mit mehr Planungs- und Finanzierungsinstrumenten ausgestattet werden. Dem Nachbarschaftsverband sollte vor allem die Aufgabe der Abstimmung der Flächennutzungspläne der Verbandsgemeinden und nicht nur die Aufstellung dieser Pläne übertragen werden. Ferner sollte der Nachbarschaftsverband die Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs der Mitgliedsgemeinden, die Finanzierung der überörtlichen Straßen (soweit nicht vom Bund oder vom Land getragen), eine finanzielle Beteiligung am Ausbau des Flughafens Stuttgart, die Planung und Finanzierung von Maßnahmen im Naherholungsbereich, die Planung und Finanzierung des überörtlichen Schulwesens, den Bau und den Betrieb von Schlachthöfen, die Koordinierung der Erschließung von Flächen für den Wohnungsbau und für Gewerbe sowie die Bodenvorratspolitik für wichtige überörtliche Einrichtungen übernehmen. 69 Dem Regionalverband sollte die Planung und Finanzierung der Müllbeseitigung, die teilweise Finanzierung des Ausbaus des Stuttgarter Flughafens sowie die Gesamtkonzeption des öffentlichen Nahverkehrs übertragen werden. Nicht zu übersehen ist jedoch auch die Forderung nach Eingemeindungen unterhalb der Größenordnung der Regionalstadtkonzeption, um die Stadt-Umland-Probleme teilweise zu lösen. Allerdings wurde diese Forderung, verbunden mit den dargestellten Kompetenzerweiterungen der Verbandsebene, die zu einer umfassenden Problemlösung führen sollte, großteils abgelehnt. 70 b) Bericht der Stadt-Umland-Kommission

Im Mai 1977 legte die Stadt-Umland-Kommission einen umfassenden Bericht ihrer Arbeit vor. Ergebnis war jedoch. nicht ein einheitlich konzipierter und in sich schlüssiger Vorschlag, sondern vielmehr das - offenbar mühsam 6R Rommel, Gedanken zur Kemstadt-Umland-Frage in der Region Mittlerer Neckar vom 06.11.1975, S. 15. 69 Rommel, a.a.O., S. 20. 70 Rommel, a.a.O., S. 16.

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erzielte - Ergebnis eines zähen Ringens zwischen zum Teil sehr weit auseinandergehenden und von gegensätzlichen Interessenlagen geprägten Auffassungen. 71 Dies zeigt vor allem auch die Vielzahl der im Bericht vorhandenen Sondervoten. Das Stadt-Umland-Problem im Raum Stuttgart beruhte nach Einschätzung der Kommission im wesentlichen auf der Nichtübereinstimmung zwischen dem administrativen Hoheitsgebiet der Kemstadt und dem weit umfangreicheren Gebiet ihrer Verftechtungs- und Versorgungs beziehungen. Die Inkongruenz zwischen Handlungsraum und Auswirkungsraum hätte somit nur durch tiefgreifende territoriale Verwaltungsneugliederungen oder durch die Einfiihrung neuer Modelle kommunalverfassungsrechtlicher Art gelöst werden können. Erörtert wurden Eingemeindungen der Umlandgemeinden von Stuttgart, die Bildung einer Regionalstadt, die Bildung eines großen Landkreises Stuttgart sowie die Bildung eines Regionalkreises aus dem Stadtkreis Stuttgart und den Landkreisen. Daß dies theoretische Lösungen waren, die allenfalls langfristig angestrebt werden konnten und mit den Ergebnissen und Entscheidungen der in den siebziger Jahren durchgefiihrten Verwaltungsreform nicht übereinstimmten, wurde überaus deutlich betont. Da diese Lösungsmöglichkeiten eine erneute grundlegende Verwaltungsreform - zumindest in der Region Mittlerer Neckar - in Gang setzen mußten, wurden sie als nicht weiter verfolgenswert betrachtet. 72 Hauptansatzpunkt der Kommission war es, die Zahl der- Entscheidungsträger zu verringern. So schlug sie die Koordinierung der Flächennutzungsplanung durch einen vom Regionalverband erstellten konkretisierten Regionalplan vor. Es sollten die Flächen räumlich ausgewiesen werden, in denen aus Sicht der Landesplanung und Raumordnung eine Wohn- oder Gewerbebebauung unbedenklich ist. Der Regionalverband sollte bei der Aufstellung von Bauleitplänen vor allen anderen Trägem öffentlicher Belange beteiligt werden. Unter diesen Voraussetzungen wurde die Auflösung des gerade erst gegründeten Nachbarschaftsverbands angeregt. Die Flächennutzungsplanung sollte zurück an die Gemeinden gehen. 73 Darüber hinaus wurde die Änderung des kommunalen Finanzausgleichs, ein gesetzlicher Verkehrslastenausgleich, eine Entlastung der Stadt Stuttgart beim Ausbau des Flughafens durch höhere finanzielle Beteiligung des Landes sowie intensivere Maßnahmen zur Stadterneuerung durch finanzielle Förderung seitens des Landes vorgeschlagen. 74 71 Weyl, Der Bericht zur Stadt-Umland-Frage im Raum Stuttgart, S. 628 ff. n Stadt-Umland-Konunission Stuttgart, Bericht zur Stadt-Umland-Frage im Raum Stuttgart (Stadt-Umland Bericht), S. 69 f. 73 Stadt-Umland-Konunission Stuttgart, a.a.O., S. 71 ff. 74

Stadt-Umland-Konunission Stuttgart, a.a.O., S. 159 ff.

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Eine Aufgaben- oder Kompetenzverlagerung auf die übergemeindliche Ebene wurde nicht thematisiert. Vielmehr versuchten die zahlreichen Vertreter von Umlandgemeinden in der Kommission, Terrain für die Umlandgemeinden zurückzugewinnen. Einen Schritt in die Richtung einer Lösung der Stadt-Umland-Probleme des Mittleren Neckarraumes war jedoch wieder nicht getan. Unzweifelhaft wurden von der Kommission im Rahmen der "theoretischen Lösungsansätze" die brennenden Fragen beim Namen genannt und alternative Lösungen angeboten, die geeignet gewesen wären, die anstehenden Probleme zu lösen. Diese Ansätze wurden allerdings nicht vertieft. Im Ergebnis versuchte die Kommission, nur an den Symptomen der Stadt-UmlandProblematik im Mittleren Neckarraum geringfügige Änderungen herbeizuführen, um möglichst wenig von den bestehenden Besitzständen aufzugeben. 75 c) Stellungnahme der Stadt Stuttgart

Aufgrund der in der Kommission nicht vorhandenen Einstimmigkeit und aufgrund der vielen Sondervoten sah sich die Stadt Stuttgart zu einer Stellungnahme zum Bericht der Kommission veranlaßt. Darin wurde deutlich, daß Stuttgart mit dem Gutachten der Kommission mehr als unzufrieden war. Besonders kritisiert wurde, daß die Verwaltungsreform im Mittleren Neckarraum in die falsche Richtung gegangen sei. Sie wirke Fehlentwicklungen nicht entgegen, sondern fördere diese geradezu. Die Verwaltungsreform habe eine massive Stärkung der Zentralität im Stuttgarter Umland bewirkt, indem sie den meisten Stuttgart umschließenden Gemeinden großen Zugewinn an Fläche und Einwohnern verschafft habe, Stuttgart jedoch nicht bedachte. 76 Auch die Kommission konnte aus der Sicht Stuttgarts nicht dazu beitragen, praktikable Problemlösungen zu liefern. Insbesondere das Nichtweiterverfolgen der "theoretischen Lösungsansätze" stieß auf Kritik seitens der Stadt Stuttgart. 77 Stuttgart versuchte im Rahmen der Stellungnahme nochmals, die Diskussion um eine wirksame Lösung der Probleme in Gang zu halten, war sich jedoch auch darüber im klaren, daß bei Landesregierung und Landtag keine Neigung bestand, die erst kurze Zeit vorher zum Abschluß gebrachte Verwaltungsreform für den Mittleren Neckarraum in grundsätzlichen Punkten neu aufzugreifen. 7R

Weyl, Der Bericht zur Stadt-Umland Frage im Raum Stuttgart, S. 628 ff. Aktuell. Infonnationsdienst des Regionalverbands Mittlerer Neckar, Stuttgart, Nr. I I vom Juli 1977, S. 12. 75

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77 Rammel, Stellungnahme der Stadt Stuttgart zum Gutachten der Stadt-Umland-Kommission, S. 2 ff. n Rammel, Stellungnahme, a.a.O., S. 15.

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Stuttgart war somit wieder nicht erfolgreich gewesen und mußte weiterhin mit seiner Ansicht nach unzureichenden Problemlösungen leben. Diese Auffassung wurde vom Regionalverband Mittlerer Neckar geteilt. Der Verband kündigte somit als Reaktion auf den Stadt-Umland-Bericht an, zukünftig verstärkt zu einer Lösung der Stadt-Umland-Probleme beizutragen. 79

6. Die achtziger Jahre Waren die siebziger Jahre geprägt von einer tiefgreifenden Umstrukturierung der Verwaltung in ihrer äußeren Struktur, verlagerten sich die (zurückhaltenden und bescheidenen) Reformbemühungen der achtziger Jahre auf die innere Struktur und Organisation der Verwaltung. Ebenso wurde der Bereich "Stärkung der Bürgerbeteiligung und Bürgernähe" diskutiert. 80 Die Mitte des Jahres 1980 ins Leben gerufene "Bulling-Kommission" sollte sämtliche Fachplanungen und die Landesplanung mit dem Ziel der Vereinfachung und gegebenenfalls der Auflösung dieser Instrumente kritisch überprüfen. Ferner sollte die Möglichkeit einer umfassenden Aufgabendelegation und die Vereinfachung der Zusammenarbeit zwischen Land und Kommunen untersucht sowie eine Änderung der Finanzverteilung zwischen Land und Kommunen ausgearbeitet werden. 81 Einen Auftrag in Zusammenhang mit der Stadt-Umland-Problematik hatte die "Bulling-Kommission" nicht erhalten. Dennoch nahm sie vereinzelt zu diesem Problembereich Stellung. So sprach sich die Kommission in ihrem Abschlußbericht dezidiert für die Regionalverbände aus. Diese wurden als wichtiges Instrument für die Entwicklung eines regionalen Konzepts für die Siedlungsstruktur sowie für die Abstimmung des Verkehrs- und Versorgungsnetzes in der Region angesehen. Auch die Beibehaltung der Nachbarschaftsverbände wurde befürwortet. Begründet wurde dies damit, daß nach wie vor ein Koordinationsbedürfnis und ein Interesse an einer institutionalisierten kommunalen Zusammenarbeit bestehe. Die Argumentation erfolgte damit vor allem vor dem Hintergrund, daß auseinander- oder oft gegeneinanderlaufende Interessen zwischen Kernstadt und Umland der Gesamtentwicklung abträglich seien und eine freiwillige Zusammenarbeit der Kommunen nicht zu erwarten sei. 82

79 "Regionalverband will bei Stadt-Umland-Problemen helfen", Ludwigsburger Kreiszeitung vom 24.06.1977. xo Michel, Baden-Württembergs Verwaltung auf dem Weg zu mehr Bürgemähe, S. 222 ff. Xl Kurzbeiträge und Berichte, Kommission zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, BWVPr 1980, S. 217 f. X1 Schieß, Der Bericht der Land-Kommunen-Kommission, S. 230 ff. (231 f.).

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Mit dem Erlaß eines neuen Landesplanungsgesetzes83 wurde zwar die Notwendigkeit der Landes- und Regionalplanung erneut diskutiert, der Bereich Stadt-Umland-Problematik wurde hingegen ausgespart. Die Regionalplanung wurde zumindest - erst recht in einer Zeit enger werdender Spielräume - als notwendig anerkannt. 84 Seit Mitte der achtziger Jahre wurden vereinzelt Fragestellungen formuliert, die eine verstärkte regionale Zusammenarbeit thematisierten. So wurde eine viel stärkere Berücksichtigung der Gestaltungsaspekte im regionalen Maßstab gefordert. Ferner wurde gefordert, daß, nachdem sich die Nachbarschaftsverbände in den engeren Verdichtungsräumen (also auch in der Region Stuttgart) bewährt hatten, sich auf freiwilliger Basis auch andere Nachbargemeinden in der gesamten Region zusammentun, um ihre gemeinsamen Planungs- und Gestaltungsprobleme auch gemeinsam zu lösen. 85 So waren zumindest in den achtziger Jahren bereits Ansätze vorhanden, die sich im Zusammenhang mit der Stadt-Umland-Problematik ergebenden Fragen neu zu diskutieren.

7. Verwaltungsreform der neunziger Jahre Wiederaufgegriffen wurde die eigentliche Diskussion um eine engere Zusammenarbeit und eine Neuordnung der Region Stuttgart im Zusammenhang mit den Überlegungen bezüglich einer Bewerbung der Region Stuttgart fiir die Olympischen Spiele im Jahr 2000. 86 Auch nach dem Verzicht Stuttgarts auf eine Bewerbung zugunsten Berlins blieb die "Region Stuttgart" ein Thema. Neue Ansätze mußten gefunden werden, um die anstehenden Probleme zu lösen, und so bestand insbesondere die Stadt Stuttgart auf einer Fortfiihrung der Diskussion. 87 Viele der bestehenden Probleme waren auf das interkommunale Konkurrenzverhalten der Kommunen zurückzufiihren. Notwendig war und ist somit eine Überwindung des traditionellen "Bürgermeisterwettbewerbs"88 zugunsten einer stärkeren interkommunalen Zusammenarbeit. Für eine solche Zusammenarbeit Modelle zu entwickeln, sollte Teilaufgabe der Verwaltungsreform der neunziger Jahre sein. Anzumerken ist jedoch bereits hier, daß die Realisierung neuer Modelle wohl immer auch von der BereitLandesplanungsgesetz Baden-Württemberg vom 05.10.1983, GBI. S. 621. Balzer, Das neue Landesplanungsgesetz von Baden-Württemberg, S. 156 ff.(l57). R5 Mikulicz/Sättele, Das Ganze ist mehr als die Summe der Teile, S. 241 ff. (248). Rn Müller, Regionalakademie, S. 7. X7 Groß, Der Verband Region Stuttgart, S. 429 ff.; Borgmann, Rommels Ideen, in: Stuttgarter Zeitung vom 20.01.1993, S. 20. x. Rapior, Interkommunale Zusammenarbeit, S. 13, der diesen Begriff im Rahmen einer empirischen Untersuchung über Stadtfluchttendenzen in der Region Freiburg prägt. XJ

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